Strategisches Bauunternehmensmanagement
Gerhard Girmscheid
Strategisches Bauunternehmensmanagement Prozessorientiertes integriertes Management für Unternehmen in der Bauwirtschaft Zweite, bearbeitete und erweiterte Auflage
1C
Gerhard Girmscheid ETH Zürich Institut für Bau- und Infrastrukturmanagement Wolfgang-Pauli-Str. 15 8093 Zürich ETH Hönggerberg Schweiz
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ISBN 978-3-642-14194-2 e-ISBN 978-3-642-14195-9 DOI 10.1007/978-3-642-14195-9 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
Vorwort
Die Bauwirtschaft befindet sich in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, in dem sie zwar nicht mehr der volkswirtschaftliche Motor, aber der notwendige und wichtige Planer, Erbauer, Instandhalter und Instandsetzer baulicher Infrastrukturen ist. Die Technologietreiber der heutigen globalisierten Gesellschaft und Wirtschaft sind die Life-Science- sowie die Informations- und Kommunikationstechnologien. Viele Unternehmen der Bauwirtschaft haben ihre Positionierung im aggressiven, dynamischen und komplexen Umfeld noch nicht gefunden und können es deshalb nicht erfolgreich für die eigene Wettbewerbsposition nutzen. Die strategischen und operativen Unternehmensprozesse bilden dabei den Schlüssel für die notwendigen Veränderungen in der Baubranche. Daher wendet sich dieses Buch an alle Führungskräfte der Bauwirtschaft, die sich systematisch mit den strategischen und operativen Prozessen des erfolgreichen Unternehmensmanagements vertraut machen möchten. Es gibt dem Leser – sei er Bauführer, Bauleiter, Abteilungsleiter, Bereichsleiter, Niederlassungsleiter oder Geschäftsführer – Handlungsempfehlungen für die systematische Durchführung seiner Aufgaben und die zukunftsorientierte Strukturierung der strategischen und operativen Unternehmensprozesse. Fast jedes Kapitel enthält ein Beispiel als praktische Vorlage für die Umsetzung der täglichen Unternehmensaufgaben. Natürlich sind auch die zukünftigen Führungskräfte der Bauwirtschaft – die heutigen Studentinnen und Studenten der Bauingenieurwissenschaften mit Schwerpunkt Bauprozesse – angesprochen. Das Buch ist nutzerorientiert strukturiert und so aufgebaut, dass es nicht nur als Weiterbildungsinstrument, sondern durch seine Gliederung in x Strategie- und Managementprozesse x Leistungserstellungsprozesse x Supportprozesse auch systematisch als Nachschlagewerk genutzt werden kann. Innerhalb dieser drei Hauptgruppen sind alle wichtigen Teilprozesse zur Unternehmensgestaltung und -führung ausführlich dargelegt.
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Vorwort
Entstanden ist das Buch aus der langjährigen Erfahrung des Verfassers in leitender Position in Bauprojekten und Bauunternehmen sowie aus seiner wissenschaftlichen Tätigkeit an der ETH Zürich. Hier entwickelte der Verfasser auch den strategische Forschungsansatz SysBau®, der im Rahmen verschiedener Dissertationen weiter ausgearbeitet wurde und den Unternehmen der Bauwirtschaft durch die Integration lebenszyklusorientierter und auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittener Planungs-, Ausführungsund Bewirtschaftungsleistungen zu Gesamtlösungen aus einer Hand Wege zur grundlegenden, prozessorientierten und nachhaltigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aufzeigen soll. Ich bedanke mich bei meinen Mitarbeitern für die tatkräftige Unterstützung bei diesem umfangreichen Werk.
Zürich, im Dezember 2005
Gerhard Girmscheid
Haftungsausschluss Die Angaben in diesem Buch wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt, allerdings übernimmt der Autor keine Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder sonstige Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Autor, die sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung fehlerhafter und/oder unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen, sofern seitens des Autors kein nachweislich vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden vorliegt.
Vorwort zur 2. Auflage
Im Rahmen der Neuauflage flossen Ergänzungen einerseits aus den Lehrveranstaltungen zum Bauunternehmensmanagement und andererseits aus meiner praktischen Tätigkeit im Verwaltungsrat bei einem Schweizer Unternehmen ein. Im Rahmen der Forschung an der ETH Zürich beschäftige ich mich mit der strategischen Neuausrichtung von Unternehmen der Bauwirtschaft in Bezug auf Lebenszyklusleistungen. Zudem entwickeln wir Entscheidungsmodelle, um eine nachhaltige Unternehmensführung zu sichern. Aus diesen Forschungsergebnissen, die auch praktischen Eingang in die Prozesse und die strategische Ausrichtung verschiedener Unternehmen gefunden haben, sind wichtige Ergänzungen und Überarbeitungen im Buch hervorgegangen. So wurden neue Ansätze für eine Sustainable Balanced Scorecard und neue LC-Leistungsbündel für Unternehmen eingefügt. Ferner wurde die Auslastungsplanung für Unternehmen und strategische Geschäftseinheiten sowie die Prognose des Inventarbedarfs mit der Konzeption der Bereitstellungsvarianten (Kauf, Miete, Leasing) aufgenommen. Diese Konzeptionen werden durch Prognose- und Wirtschaftlichkeitsbewertungswerkzeuge untermauert. Die Überarbeitung ermöglicht es Studenten, die Konzeption des projektspezifischen, nachhaltigen, erfolgsorientierten Bauunternehmensmanagements in seiner holistischen Konzeption kennenzulernen. Für den Praktiker auf Projekt-, Bereichs- und Geschäftsleitungsebene ist das Buch zu einem vollumfänglichen Weiterbildungsinstrument und Nachschlagewerk für spezifische Aufgabenstellungen geworden. Aufgrund der projektorientierten Unternehmensführung ist das Buch ideal für Planer, Architekten, Bauunternehmen, Fassadenbauunternehmen sowie für Heizungs-Lüftungs-Unternehmen.
Zürich, im März 2010
Gerhard Girmscheid Professor für Bauprozess- und Bauunternehmensmanagement
Benutzungshinweise
Für eine schnelle Übersicht und klare Gliederung ist das Buch wie folgt in die Geschäftsprozesse eines Unternehmens aufgeteilt: x Managementprozesse x Leistungserstellungsprozess x Supportprozesse Diesen Geschäftsprozessen sind die Hauptkapitel zugeordnet, deren Inhalt stichwortartig aus der nachfolgenden Grafik hervorgeht. Lesern, die nicht das ganze Buch auf einmal lesen, sondern es als systematisches Nachschlagewerk für ihre Führungsaufgaben nutzen möchten, wird folgende Benutzungsanleitung vorgeschlagen: Die Kapitel „Strategieplanungsprozess“, „BSC – Strategieumsetzungsprozess“ und „Marketingprozesse für Bauleistungen“ sollten auf jeden Fall gelesen werden, denn jeder mit Führungsverantwortung – vom Projektleiter bis zum Geschäftsführer – muss die Ziele, Strategien und Massnahmen zur Umsetzung kennen. Nur, wenn der Projektleiter die Ziele des Unternehmens und die Strategien zur Umsetzung versteht und deren Messgrössen kennt, kann er im täglichen Geschäft zum Unternehmenserfolg beitragen. Daher sind diese Kapitel auch mit Beispielen zum besseren Verständnis und zur praktischen Umsetzung versehen. Darauf aufbauend können, entsprechend den spezifischen Fragestellungen des Führungsalltags, die weiteren Kapitel zu jedem Bedarfsfall gelesen werden. Alle Hauptkapitel sind in die grundsatzstrategischen Fragestellungen und Prozesse einer ziel- und erfolgsorientierten Unternehmensführung eingebettet. Somit können nach dem Studium der drei Basiskapitel die weiteren x strategischen Prozesse und Aufgaben sowie x operativen Prozesse und Aufgaben im Alltagsgeschäft eines Bauunternehmens mit der Hilfestellung dieses Buchs gestaltet werden.
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Benutzungshinweise
Vorgeschichte des Buchs
Trends, Fehlentwicklungen und Chancen der Unternehmen der Bauwirtschaft Theoretischer Bezugsrahmen des Buchs
Teil A Managementprozesse
Teil B Leistungserstellungsprozess
Teil C Supportprozesse
Strategieplanungsprozess
Unternehmensziele Markt- und Unternehmensanalyse Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie Beispiel
BSC – Strategieumsetzungsprozess
Operationalisierung der Strategie Strategy Map Beispiel SBSC
Marketingprozess für Bauleistungen
Marktforschung Marketingstrategien B2B-Marketing Beispiel
Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
Marktorientierter Ansatz Ressourcenorientierter Ansatz Symbioseansatz
Kooperations- und Outsourcingstrategien
Kooperationsstrategien Outsourcingstrategien ARGE-Strategien
Organisation von Bauunternehmen
Gestaltungsgrundsätze Organisationsarten Organisation im Wandel Beispiel
Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Geschäftsmodelle / Gestaltungsrahmen Investitionsorientierte Geschäftsfelder Lebenszyklusorientierte Geschäftsfelder
Industrielle Bauprozesse
Potenziale Prozess und Organisation „on and off-site“
Angebotsmanagement
Ablauf der Angebotsbearbeitung Aufgaben der Fachabteilungen Angebotsprüfung / Verhandlungsphase
Ausführungsmanagement
Ausführungsvorbereitung Baustelleneinrichtung Ablauf der Ausführung Controlling
Auslastungsplanung
Ressourcenmanagement Kapazitätsplanung Produktionsauslastung
Risikomanagement
Unternehmensrisikomanagement Projektrisikomanagement Risikobasierte Bauprozessselektion
Risikobewusstes Projektcontrolling
Kosten Termine Leistungen Qualität
Bauhof- und Bauinventarmanagement
Bauhofgestaltung Inventarprognose Bereitstellungplanung Miet-Besitzmodell Wirtschaftlichkeitsanalyse Inventarbereitstellung Know-how und Service
Qualitätsmanagement
Aufbau und Struktur Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) Projektqualitätsmanagement
Wissensmanagement
Lernen aus Fehlern und Erfolgen Lernen aus „best practice“ Beispiele
Innovationsmanagement
Arten von Innovationen Management von Innovationen Beispiele
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte des Buchs Teil A - Managementprozesse 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Strategieplanungsprozess Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess Marketingprozess für Bauleistungen Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung Kooperations- und Outsourcingstrategien Organisation von Bauunternehmen Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Teil B - Leistungserstellungsprozesse 8. Industrielle Bauprozesse 9. Angebotsmanagement in Bauunternehmen 10. Ausführungsmanagement in Bauunternehmen Teil C - Supportprozesse 11. Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen 12. Risikobewusstes Projektcontrolling 13. Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung 14. Bauhof- und Bauinventarmanagement 15. Qualitätsmanagement 16. Wissensmanagement 17. Innovationsmanagement
Detailliertes Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte des Buchs .................................................................... XXV I Trends, Fehlentwicklungen und Chancen der Unternehmen der Bauwirtschaft .................................................................... XXV II Theoretischer Bezugsrahmen des Buchs ................................. XXVIII Literatur ....................................................................................... XXXIX Teil A Managementprozesse .................................................................... 1 1 Strategieplanungsprozess ...................................................................... 3 1.1 Ganzheitliches Management ............................................................ 4 1.1.1 Das normative Management ...................................................... 8 1.1.2 Das strategische Management ................................................... 9 1.1.3 Das operative Management ..................................................... 13 1.2 Managementmodell ....................................................................... 16 1.3 Ziele der Unternehmen .................................................................. 24 1.3.1 Zielbeziehungen im unternehmerischen Zielsystem................ 25 1.3.2 Oberziele, Zwischenziele und Unterziele ................................ 26 1.3.3 Strategische und operative Unternehmensziele ....................... 26 1.4 Strategischer Problemlösungsprozess ............................................ 30 1.4.1 Strukturierung der Strategieentwicklung ................................. 30 1.4.2 Gesamtstrategiebildungsprozess .............................................. 35 1.4.3 Strategischer Analyseprozess .................................................. 37 1.4.4 Betrachtungsfelder des Analyseprozesses ............................... 42 1.4.5 Analyse der strategischen Ausgangslage und Entwicklung .... 62 1.5 Unternehmensleitbild..................................................................... 71 1.5.1. Ermittlung der Ausgangslage ................................................. 71 1.5.2 Formulierung des Unternehmensleitbilds ................................ 72 1.5.3 Formulierung der Unternehmenspolitik .................................. 73 1.5.4 Implementierung der Unternehmenspolitik ............................. 74 1.5.5 Resultate der Unternehmenspolitik.......................................... 75 1.6 Unternehmensstrategie .................................................................. 76 1.6.1 Portfolioanalyse ....................................................................... 76 1.6.2 Unternehmensentwicklungsstrategien der Bauunternehmen ... 83
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Detailliertes Inhaltsverzeichnis
1.7 Geschäftsfeldstrategie .................................................................... 86 1.7.1 Von der Unternehmens- zur Geschäfts(feld)strategie ............. 86 1.7.2 Marktstrategien nach Ansoff ................................................... 87 1.7.3 Leistungs- und Produktlebenszyklen ....................................... 90 1.7.4 Wettbewerbsstrategien nach Porter ......................................... 90 1.7.5 Funktionale Strategie ............................................................... 99 1.8 Strategiewahlmöglichkeiten – Strategie-Mix .............................. 101 1.9 Strategiecontrolling und -anpassung............................................ 103 1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung ................................... 110 1.10.1 Ausgangssituation................................................................ 110 1.10.2 Fragestellung ....................................................................... 111 1.10.3 Vorgehensweise ................................................................... 111 Literatur .............................................................................................. 135 2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess ....................... 139 2.1 Einleitung .................................................................................... 139 2.2 Strategieumsetzung mittels finanzieller / nichtfinanzieller Erfolgsfaktoren ........................................................................... 139 2.2.1 Erfolgsperspektiven der Strategieumsetzung ........................ 139 2.2.2 Charakteristiken nichtfinanzieller Erfolgsfaktoren................ 142 2.3 Prinzipien strategiefokussierter Unternehmen ............................. 144 2.4 Operationalisierung der Strategie ................................................ 149 2.4.1 Strukturierung der Strategieumsetzung ................................. 149 2.4.2 Die „Strategy Map“ ............................................................... 149 2.5 Die Entwicklung der Strategy Map ............................................. 161 2.5.1 Entwicklungsschritte ............................................................. 161 2.5.2 Ausrichtung der strategischen Geschäftseinheiten auf die Strategie mittels Balanced Scorecard ................................... 163 2.6 Ausrichtung des Unternehmens und Nutzung von Synergien durch die Balanced Scorecard .................................................... 169 Literatur .............................................................................................. 172 3 Marketingprozess für Bauleistungen ............................................... 173 3.1 Einleitung – Strategieimplementierung mittels Marketing .......... 173 3.2 Einführung in das allgemeine Baumarketing .............................. 174 3.2.1 Allgemeine Definition des Begriffs „Marketing“.................. 174 3.2.2 Gliederung des Marketings .................................................... 177 3.2.3 Bedeutung des Marketings für die Bauwirtschaft ................. 179 3.2.4 Besonderheiten der Bauwirtschaft unter Gesichtspunkten des Marketings ..................................................................... 179 3.3 Marketingtheorien ....................................................................... 180 3.3.1 Buying Center ........................................................................ 180
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3.3.2 Die Theorie der Transaktion .................................................. 183 3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien ........................... 189 3.5 Marketingstrategien für Bauunternehmen ................................... 200 3.5.1 Strategisches Marketing ........................................................ 200 3.5.2 Marktforschung ..................................................................... 202 3.5.3 Sekundärmarktforschung ....................................................... 202 3.5.4 Primärmarktforschung ........................................................... 204 3.6 Segmentierung des Baumarktes ................................................... 204 3.6.1 Segmentierungskriterium „Nachfragehäufigkeit und -volumen“ ............................................................................. 207 3.6.2 Segmentierungskriterium „öffentlich / privat“ ...................... 208 3.6.3 Segmentierungskriterium „Investitionszweck“ ..................... 209 3.6.4 Segmentierung nach Leistungstiefe ....................................... 210 3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen ................. 224 3.8 B2B – Leistungsbündel für Gesamtleistungsanbieter .................. 236 3.9 Instrumente des Baumarketing-Mix ............................................ 240 3.10 Positionierungsgesichtspunkte für Gesamtleistungsanbieter ..... 248 3.10.1 Vergabekriterien .................................................................. 248 3.10.2 Kriterien zur Bewertung des Leistungspotenzials von GU-/ TU-Anbietern aus der Sicht des Auftraggebers ................... 252 3.10.3 Beurteilung der Positionierungselemente ............................ 253 3.11 Beispiel: Marketingplanung – SGF Rohrvortrieb ...................... 255 3.11.1 Marketingplan...................................................................... 255 3.11.2 Marketingbudget.................................................................. 256 Literatur .............................................................................................. 256 4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung ...................... 261 4.1 Einleitung..................................................................................... 261 4.2 Ursachen des Strukturwandels in der Bauwirtschaft ................... 261 4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen ................................................................. 265 4.3.1 Wettbewerbsstrategien........................................................... 265 4.3.2 Ausbildung von Systemanbieterleistungen............................ 267 4.3.3 Anforderungen an ein Zielmarktsegment .............................. 274 4.3.4 Vermarktung der Systemanbieterleistungen .......................... 277 4.4 Ressourcenorientierter Ansatz ..................................................... 279 4.4.1 Abgrenzung des ressourcenorientierten Ansatzes ................. 279 4.4.2 Anforderungen an die Bauunternehmen als Systemanbieter . 281 4.4.3 Entwicklung von Systemanbieterleistungen .......................... 281 4.4.4 Schlüsselfähigkeiten des Systemanbieters ............................. 283 Literatur .............................................................................................. 285
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien ...................................... 287 5.1 Einleitung .................................................................................... 287 5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial ................................. 288 5.2.1 Partnerschaft als Lösungsmodell ........................................... 289 5.2.2 Sinngebung für Partnerschaften und Kooperationen ............. 291 5.2.3 Partnerschaftsprozesse ........................................................... 294 5.2.4 Partnerschaftsdimensionen .................................................... 296 5.2.5 Synergien von Partnerschaft und Kooperationen in der Bauwirtschaft ....................................................................... 297 5.2.6 Entwicklungsstufen von Partnerschaften und Kooperationen ...................................................................... 299 5.2.7 Kooperationskonstrukte auf Anbieterseite ............................ 301 5.2.8 Anforderungsmanagement in Partnerschaften mit dem Bauherrn ............................................................................... 304 5.3 Kooperationsstrategien ................................................................ 307 5.3.1 Kooperationsvorteile ............................................................. 308 5.3.2 Kooperationsformen .............................................................. 309 5.3.3 Kooperationsrichtungen......................................................... 312 5.3.4 Evaluation möglicher Partner ................................................ 314 5.3.5 Das Konzept der Netzwerk-Kooperation............................... 315 5.3.6 Aufbau einer strategischen Netzwerk-Kooperation............... 318 5.4 Outsourcingstrategie .................................................................... 330 5.4.1 Ökonomische Bestimmungsfaktoren für Outsourcingentscheidungen in der Bauwirtschaft ................ 334 5.4.2 Möglichkeiten der Geschäftsbeziehung................................. 340 5.4.3 Verhältnis zum Outsourcingpartner....................................... 341 5.4.4 Beispiel – Beteiligungsgesellschaft/Internes Outsourcing .... 341 5.4.5 Chancen des Outsourcings..................................................... 345 5.5 Arbeitsgemeinschaften ................................................................ 346 5.5.1 Gründe für die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft ............... 346 5.5.2 Arten von Arbeitsgemeinschaften ......................................... 351 5.5.3 Vollzugsorgane ...................................................................... 355 5.5.4 Haftung der ARGE ................................................................ 357 5.5.6 Beendigung der ARGE .......................................................... 359 Literatur .............................................................................................. 360 6 Organisation von Bauunternehmen ................................................. 363 6.1 Einleitung .................................................................................... 363 6.2 Grundlagen der Organisation....................................................... 368 6.2.1 Die instrumentale Organisationsperspektive ......................... 368 6.2.2 Die institutionelle Organisationsperspektive ......................... 370 6.2.3 Die funktionale Organisationsperspektive............................. 372
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6.3 Arbeitsteilung und Koordination als Gestaltungsprinzipien ........ 374 6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen .. 377 6.4.1 Strukturierungsprinzipien ...................................................... 377 6.4.2 Organisationsformen in der Praxis ........................................ 382 6.5 Organisationen im dynamischen Wandel .................................... 396 6.6 Bildung strategischer Geschäftseinheiten (SGE) und strategischer Geschäftsfelder (SGF) ........................................... 399 6.7 Organisationsformen von Bauunternehmen ................................ 402 6.7.1 Baukonzern ............................................................................ 403 6.7.2 Kleines Bauunternehmen ....................................................... 410 6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft................................................... 411 6.8.1 Einleitung .............................................................................. 411 6.8.2 Organisation vier grosser Nationaler Bauunternehmen ......... 412 6.8.3 Zentrale Dienste, Administration in grossen Bauunternehmen................................................................... 418 6.8.4 Niederlassungen und Beteiligungen bei Grossunternehmen . 419 6.8.5 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ............................ 420 6.8.6 Baustellenorganisation........................................................... 422 Literatur .............................................................................................. 423 7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder ............................................ 425 7.1 Einleitung..................................................................................... 425 7.2 Geschäftsmodelle......................................................................... 426 7.2.1 Begriffsdefinition................................................................... 426 7.2.2 Geschäftsmodell als Gestaltungsrahmen einer Geschäftsidee ....................................................................... 430 7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten..................... 435 7.3.1 Geschäftsfeld – Einzelleistungsanbieter ................................ 438 7.3.2 Geschäftsfeld – Generalleistungsanbieter.............................. 440 7.3.3 Geschäftsfeld – Totalleistungsanbieter .................................. 444 7.3.4 Geschäftsfeld – Construction-ManagementLeistungsanbieter ................................................................. 447 7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen ........................................................................ 450 7.4.1 Systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot - Potentielle Zielkunden............................................................................ 454 7.4.2 Marktphasen von systemgeschäftlichen LCLeistungsangeboten .............................................................. 459 7.4.3 LC-Kostentreiber von Gebäuden ........................................... 470 7.4.4 Kooperativer Ansatz der Leistungsangebotsentwicklung...... 475 7.4.5 Geschäftsfeld – Systemleistungsanbieter für Privatkunden... 481
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7.4.6 Geschäftsfeld – PPP-Systemleistungsanbieter ...................... 486 7.4.7 PPP-Geschäftsfelder für strategische Kooperationsmodelle . 497 7.4.8 PPP-Geschäftsfelder für PPP-Kontraktmodelle .................... 505 7.4.9 Struktur eines PPP-Geschäftsmodells im Gesamtunternehmen ............................................................. 514 Literatur .............................................................................................. 518 Teil B Leistungserstellungsprozesse .................................................... 523 8 Industrielle Bauprozesse ................................................................... 525 8.1 Potenziale des industriellen Bauens............................................. 525 8.2 Anforderungen an das industrialisierte Bauen ............................. 528 8.3 Konzeptionelle Ansätze für industrielles Bauen in KMU ........... 531 8.4 State of Practice in der Bauproduktion ........................................ 536 8.5 Baustellenproduktion ................................................................... 537 8.6 Vorfertigung ................................................................................ 538 8.7 Übertragung von Technologien und Verfahren aus anderen Industriezweigen ........................................................................ 540 8.8 Aspekte der Logistik .................................................................... 540 8.9 Konsequenzen für Prozesse und Organisation ............................ 541 8.10 Interaktive Bauwerks- und Produktionsplanung........................ 541 8.11 Informationsfluss ....................................................................... 542 8.12 Individualisierung und systematische Standardisierung ............ 543 8.13 Bauleistung als Produkt ............................................................. 544 8.14 Entwicklungspotenziale ............................................................. 547 Literatur .............................................................................................. 550 9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen .................................... 553 9.1 Einleitung .................................................................................... 553 9.2 Akquisition von Ausschreibungen ............................................... 557 9.3 Arten der Ausschreibung, Projektabwicklungs- und Wettbewerbsformen ................................................................... 559 9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen ........................................................................ 564 9.4.1 Auswahlkriterien für Ausschreibungen ................................. 564 9.4.2 Projektselektion nach Art, Grösse, Region und Referenzen .. 565 9.4.3 Risikoorientierte Selektion von Ausschreibungen................. 567 9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung .............................................. 580 9.5.1 Allgemein .............................................................................. 580 9.5.2 Angebotsstrategie .................................................................. 581 9.5.3 Angebotsprojektorganisation ................................................. 584 9.5.4 Schritte der Angebotsbearbeitung ......................................... 587
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9.5.5 Kick-Off-Meeting .................................................................. 590 9.5.6 Budgetplanung ....................................................................... 590 9.5.7 Aufgaben- und Terminplanung ............................................. 591 9.5.8 Kommunikation ..................................................................... 591 9.5.9 Integration der Ergebnisse ..................................................... 592 9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen .................................. 594 9.6.1 Vertragliche Aspekte ............................................................. 594 9.6.2 Juristische Abteilung ............................................................. 595 9.6.3 Kaufmännische Abteilung ..................................................... 596 9.6.4 Technische Abteilung ............................................................ 597 9.6.5 Arbeitsvorbereitung ............................................................... 598 9.6.6 Kalkulationsabteilung ............................................................ 600 9.7 Prüfung, Schlussgespräch und Angebotsabgabe ......................... 607 9.7.1 Angebotsprüfung ................................................................... 607 9.7.2 Schlussgespräch ..................................................................... 607 9.7.3 Angebotsabgabe..................................................................... 608 9.8 Verhandlungsphase ...................................................................... 608 9.9 Auswertung der Submissionsergebnisse...................................... 609 Literatur .............................................................................................. 611 10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen ............................ 613 10.1 Umfang des Ausführungsmanagements .................................... 613 10.2 Bauproduktionsplanung ............................................................. 618 10.2.1 Einleitung ............................................................................ 618 10.2.2 Bauproduktionsprozess – Prinzipien und Ablauf ................ 622 10.2.3 Bauproduktionsprozessplanung – Schritte .......................... 623 10.2.4 Bauprozesssteuerung ........................................................... 625 10.2.5 Vorgehensweise bei der Bauproduktionsprozessplanung.... 626 10.2.6. Fazit .................................................................................... 636 10.3 Ausführungsvorbereitung .......................................................... 637 10.3.1 Phasen der Ausführungsvorbereitung .................................. 637 10.3.3 Planung der Ausführung ...................................................... 642 10.3.4 Baustelleneinrichtung .......................................................... 661 10.4 Ablauf der Ausführung .............................................................. 671 10.4.1 Hauptaufgaben ..................................................................... 671 10.4.2 Erstellung der Baustelleneinrichtung ................................... 673 10.4.3 Administration ..................................................................... 674 10.4.4 Logistik ................................................................................ 675 10.4.5 Organisation des Bauablaufs, der Baumethoden und der Arbeitssicherheit................................................................... 682 10.4.6 Nachtragsmanagement......................................................... 683
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10.4.7 Risikobasiertes Ausführungscontrolling Qualität, Termine, Leistungen und Kosten ......................................................... 684 10.4.8 Aufmass, Rechnungsstellung, Abnahme ............................. 689 10.4.9 Räumen der Baustelle .......................................................... 691 Literatur .............................................................................................. 691 Teil C Supportprozesse ......................................................................... 695 11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen ....... 697 11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen .................................... 697 11.1.1 Einbindung des Risikomanagements in die Unternehmensprozesse ......................................................... 697 11.1.2 Risiko................................................................................... 700 11.1.3 Gestaltung des Risikomanagements in Bauunternehmen .... 712 11.1.4 Risikoaggregation und Ermittlung der Risikotragfähigkeit . 719 11.1.5 Risikoversicherungsmanagement ........................................ 735 11.2 Projektbezogenes Risikomanagement ....................................... 737 11.2.1 Einleitung ............................................................................ 737 11.2.2 Risiken bei Bauprojekten..................................................... 738 11.2.3 Minderung von Risiken ....................................................... 743 11.2.4 Verteilung von Risiken ........................................................ 744 11.2.5 Ziele des systematischen, projektbezogenen Risikomanagements ............................................................. 746 11.2.6 Anforderungen an das operative Risikomanagement .......... 747 11.2.7 Teilprozesse des projektbezogenen Risikomanagements .... 748 11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion ................................... 780 11.3.1 Anforderungen an die risikobasierte Bauproduktionsselektion ...................................................... 780 11.3.2 Ablauf der risikobasierten Bauproduktionsselektion........... 781 11.3.3 Beispiel – Bauproduktionsselektion Tunnelbau .................. 789 11.4 Praxistauglichkeit des Verfahrens ............................................. 802 Literatur .............................................................................................. 804 12 Risikobewusstes Projektcontrolling ............................................... 807 12.1 Einleitung................................................................................... 807 12.2 Controllingfacetten .................................................................... 808 12.3 Aufbau des risikobewussten Projektcontrollings....................... 814 12.3.1 Funktionen und Parameter des risikobewussten Projektcontrollings ............................................................... 814 12.3.2 Abgrenzung des Projektcontrollings ................................... 817 12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase .. 819 12.4.1 Kosten .................................................................................. 819
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12.4.2 Termine................................................................................ 824 12.4.3 Leistung ............................................................................... 827 12.4.4 Qualität ................................................................................ 829 12.4.5 Verträge ............................................................................... 831 12.4.6 Berichtswesen ...................................................................... 833 12.4.7 Risikocontrolling ................................................................. 834 12.4.8 Projektänderungen ............................................................... 834 12.4.9 Nachkalkulation ................................................................... 835 12.5 Ausblick ..................................................................................... 836 Literatur .............................................................................................. 836 13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung ........................................................ 839 13.1 Kernressourcenmanagement ...................................................... 839 13.2 Auslastungsplanung ................................................................... 841 Literatur .............................................................................................. 848 14 Bauhof- und Bauinventarmanagement .......................................... 849 14.1 Strategische Bedeutung der Bauhöfe in den Bauunternehmen .. 849 14.2 Aufgaben der Bauhöfe ............................................................... 855 14.3 Grossbaustellenwerkstätten und Service – Operative Gesichtspunkte ........................................................................... 860 14.4 Flottenmanagement ................................................................... 861 14.4.1 Grundsätze des Inventarmanagements ................................ 861 14.4.2 Profitabilität des Inventars ................................................... 862 14.4.3 Inventar – Kauf oder Miete? ................................................ 863 14.4.4 Dienstleistungsmodelle für Baumaschinen.......................... 866 14.5 Zukünftige Investitionsanforderungen an die Bauunternehmen 872 14.6 Anforderung an Fachpersonal und Management ....................... 875 14.7 Bauinventarbereitstellung - Produktionsressourcenplanung...... 876 14.7.1 Einleitung ............................................................................ 876 14.7.2 Planung von Inventarinvestitionen ...................................... 878 14.7.3 Modellansatz – Bedarfsermittlung und Wirtschaftlichkeitsanalyse ................................................... 884 14.7.4 Bedarfsanalyse – Ermittlung der Vorhaltemengen .............. 895 14.7.5 Projektebene – Systementscheidung für Produktionseinrichtungen..................................................... 903 14.7.6 Unternehmensebene – Miet- oder Besitzmodelle ................ 916 14.7.7 Fazit ..................................................................................... 936 14.8 Zusammenfassung ..................................................................... 937 Literatur .............................................................................................. 937
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15 Qualitätsmanagement...................................................................... 941 15.1 Geschichte und Definitionserklärung des Qualitätsmanagements................................................................ 941 15.2 Bedeutung von Qualitätsmanagement im Unternehmen ........... 942 15.2.1 Bedeutung von Qualität ....................................................... 942 15.2.2 Ziele des Qualitätsmanagements ......................................... 943 15.2.3 Prozessorientierter Ansatz (DIN EN ISO 9000:2000)......... 944 15.2.4 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ................... 945 15.2.5 Informationen zum Kontinuierlichen Verbesserungsprozess .......................................................... 946 15.3 Integriertes Qualitätsmanagement ............................................. 948 15.4 Die Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff.................................. 951 15.4.1 Grundsätze des Qualitätsmanagements ............................... 951 15.4.2 Arten der im QM verwendeten Dokumente ........................ 952 15.4.3 Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme ............... 954 15.4.4 Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems ................ 955 15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen .............................................................................. 957 15.5.1 QM-Struktur im Unternehmen ............................................ 957 15.5.2 Ablauf der Einführung ......................................................... 959 15.5.3 QM-Handbuch ..................................................................... 960 15.5.4 Beispiel der Firma „Bauqualität“ ........................................ 961 15.5.5 Beispiel der Firma „BMW Group“ ...................................... 962 15.5.6 Verfahrensanweisungen....................................................... 964 15.6 Interaktion von Qualitätsmanagement und Projektqualitätsmanagement ...................................................... 966 15.7 Weiterführende Entwicklungen ................................................. 970 15.7.1 Total Quality Management (TQM) ..................................... 970 15.7.2 European Quality Award (EQA) ......................................... 971 15.7.3 Umweltmanagementsystem (UMS) .................................... 972 15.7.4 Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) ........................... 973 Literatur .............................................................................................. 973 16 Wissensmanagement........................................................................ 975 16.1 Einleitung................................................................................... 975 16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement ...................................... 979 16.2.1 Konkretisierung des Wissensbegriffs .................................. 979 16.2.2 Lernende Organisation ........................................................ 983 16.2.3 Grundaspekte des Wissensmanagements ............................ 985 16.2.4 Prominente Wissensmanagementmodelle ........................... 998 16.3 Wissensmanagement in Bauunternehmen ............................... 1004 16.3.1 Einsatzmöglichkeiten des Wissensmanagements .............. 1004
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16.3.2 Grenzen der Übertragbarkeit bestehender Wissensmanagementmodelle ............................................. 1007 16.3.3 Konzept des Wissensmanagements in Bauunternehmen ... 1008 16.4 Wissensmanagementprozessmodelle für Bauunternehmen ..... 1013 16.4.1 Ansätze für das Wissensmanagement in Bauunternehmen................................................................. 1013 16.4.2 Akteure und organisatorische Stellen für die Abwicklung der Wissensmanagementprozesse ...................................... 1014 16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz ....................................... 1015 16.5.1 Einführung in das Prozessmodell ...................................... 1015 16.5.2 Prozessmodell: Wissensidentifikation, Wissensklassifi zierung, Wissensbereitstellung und Wissensnutzung ......... 1016 16.5.3 Prozessphase: Wissensidentifikation ................................. 1018 16.5.4 Prozessphase: Wissensklassifizierung ............................... 1020 16.5.5 Prozessphase: Wissensbereitstellung und -nutzung........... 1023 16.5.6 Realisierbarkeitstest des ereignisorientierten Wissensmanagementprozessmodells.................................. 1026 16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren ................... 1027 16.6.1 Ansatz: Wissen über „best practice“-Erfolgsfaktoren ....... 1027 16.6.2 Realisierbarkeitstest auf Ressourcenebene – Erfolgsfaktoren von Hochbauprojekten ............................. 1031 16.6.3 Erfolgsorientiertes Wissensmanagementprozessmodell .... 1035 16.6.4 Zusammenfassende Beurteilung des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells.................................. 1044 16.7 Aspekte der Kultur und Motivation ......................................... 1046 Literatur ............................................................................................ 1046 17 Innovationsmanagement ............................................................... 1049 17.1 Einleitung................................................................................. 1049 17.2 Bedeutung von Innovationen ................................................... 1051 17.2.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung........................................ 1051 17.2.2 Betriebswirtschaftliche Bedeutung .................................... 1052 17.2.3 Gesellschaftliche Bedeutung ............................................. 1053 17.3 Charakterisierung von Innovationen........................................ 1053 17.3.1 Neuartigkeit ....................................................................... 1054 17.3.2 Wirtschaftliche Relevanz ................................................... 1055 17.3.3 Komplexität ....................................................................... 1056 17.3.4 Risiko ................................................................................. 1056 17.4 Arten von Innovationen ........................................................... 1057 17.4.1 Unterscheidung nach dem Gegenstand .............................. 1057
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17.4.2 Unterscheidung nach der Projektbezogenheit ................... 1061 17.4.3 Unterscheidung nach dem Beeinflussungsgrad ................. 1066 17.5 Management von Innovationen ............................................... 1067 17.5.1 Unternehmenskultur .......................................................... 1068 17.5.2 Innovationsstrategie ........................................................... 1068 17.5.3 Führungsstil ....................................................................... 1069 17.5.4 Organisationsstruktur......................................................... 1070 17.5.5 Organisationsprozesse ....................................................... 1071 17.5.6 Kommunikationssystem .................................................... 1074 17.5.7 Mitarbeitermanagement ..................................................... 1074 17.6 Innovationen in kleinen Bauunternehmen ............................... 1075 17.6.1 Beispiel teilautomatisiertes Planieren ................................ 1077 17.6.2 Beispiel Doppelwandelemente und Systemdecken ........... 1078 17.7 Innovationen in grossen Bauunternehmen............................... 1079 17.7.1 Beispiel automatisierte Bauwerkserstellung ...................... 1081 17.7.2 Beispiel Tunnelbohrmaschine ........................................... 1083 Abbildungsverzeichnis ........................................................................ 1087 Tabellenverzeichnis ............................................................................. 1107 Sachverzeichnis .................................................................................... 1109
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I Trends, Fehlentwicklungen und Chancen der Unternehmen der Bauwirtschaft Die Klagen über die Situation der Bauindustrie, die von den Vertretern ihrer Verbände immer wieder zu hören sind, und die dramatischen Konkurse renommierter Unternehmen wie der Philipp Holzmann AG, der Walter Bau AG sowie im Zeitraum von 2000 bis 2004 43'579 weiterer deutscher und 2'944 Schweizer Bauunternehmen lassen darauf schliessen, dass die Bauwirtschaft sich in einer tiefen strukturellen Krise befindet (Tabelle I). Auf der anderen Seite gibt es kleine, mittlere, grosse und internationale Leistungsanbieter in der Bauwirtschaft, die sehr erfolgreich sind. Tabelle I:
Insolvenzen deutscher und Schweizer Bauunternehmen im Zeitraum von 2000 bis 2004
Jahr 2000 2001 2002 2003 2004 Summe:
Anzahl Insolvenzen im Bau Deutschland 1 Schweiz 2 8'103 9'026 9'160 8'697 8'595
584 498 540 637 685
43'581
2'944
1
: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, Deutschland
2
: Creditreform, Moosseedorf, Schweiz
Die Verbände der Bauleistungsanbieter stellen immer wiederkehrende Forderungen nach neuen Investitionen, um die Unternehmen der Bauwirtschaft mit einer ausreichenden Nachfrage zu versorgen, damit die Kapazitäten ausgelastet und genügende Gewinne sichergestellt werden.
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Ist das die einfache Lösung oder das Wundermittel, das die Unternehmen der Bauwirtschaft benötigen? Wie sah es – trotz gigantischer Nachfrage – während der ersten fünf Jahre nach der Wiedervereinigung aus, als der Staat fast grenzenlos investierte? Von den meisten Unternehmen war zu hören, dass trotzdem keine ausreichenden Gewinne erwirtschaftet wurden. Trotz der Mitnahmeeffekte im Zug der Wiedervereinigung waren Aufsehen erregende Konkurse zu verzeichnen. Eine Untersuchung der Creditreform (Tabelle II) zeigt jedoch deutlich, dass gerade Managementfehler in Bezug auf Strategie, Prozesslenkung und -steuerung, Marketing etc. die Hauptursachen für die Konkurse der Unternehmen sind. Tabelle II: Gründe für Insolvenzen deutscher Bauunternehmen (2004) Insolvenzursachen
Auftreten in [%]
1. Finanzierung
20.2
1.1 Fremdfinanzierung 1.2 Eigenkapital / Finanzplanung
12.1 8.1
2. Managementfehler
71.4
2.1 Organisationsfehler 2.2 Planungsfehler 2.3 Investitionspolitik 2.4 Mangel der Produkte/Arbeiten
26.7 19.6 12.5 12.6
3. Auswirkungen fremder Schwierigkeiten
19.1
4. Absatz, Auftragslage, Konkurrenz
34.4
5. Sonstige Insolvenzgründe
36.8
Quelle: Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen Jahr 2004. Eine Untersuchung zur Unternehmensentwicklung der Creditreform Wirtschafts- und Konkunkturforschung. Verband der Vereine Creditreform, Neuss, 30. November 2004.
Die "lessons learned" sind – besonders in Deutschland – eindeutig. Die Froschperspektive mit der alleinigen Forderung nach nationaler, staatlicher Ankurbelung der Bauwirtschaft übersieht im heutigen Wirtschaftsumfeld die Globalisierung in der Grosswirtschaftsregion der EU. Es kann vereinfachend, aber eindeutig gefolgert werden, dass eine reine Nachfragestimulierung nicht ausreicht, obwohl hier deutlich bleiben muss, dass die öffentliche Hand ihre Infrastrukturen zur Erhaltung des nationalen Standortvorteils auf einem hohen, aber kosteneffizienten Niveau halten
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muss und nicht etwa notwendige, öffentliche Investitionen zurückstellt, um Haushaltsdefizite zu reduzieren. Spätestens jetzt ist die Frage zu stellen: „Was tun die Verbände und die Unternehmen selbst, um die nationalen Bauleistungsanbieter dynamischer, schlagkräftiger, effizienter und damit erfolgreicher zu machen?“ Einzelne gute Beispiele finden sich bei kleinen, mittleren und grossen Bauunternehmen. Andere Industrien wie z.B. der Maschinenbau, die Elektroindustrie, die Chemie- und Autoindustrie hatten in den vergangenen Jahren aufgrund der Globalisierung riesige Struktur- und Wettbewerbsprobleme. Die Unternehmen dieser Industrien sind heute, ohne staatliche Ankurbelung der Nachfrage, wieder international wettbewerbsfähig. Wie haben sie dies geschafft? Wer dauernd um Hilfe ruft, muss sich fragen lassen, was er selbst getan hat, um seinen Beitrag zum Erfolg der Gesellschaft zu leisten. Der Autor weiss aus eigener Berufserfahrung, seiner Tätigkeit als Verwaltungsrat und aus Untersuchungen in der Bauwirtschaft, dass viele, wenn nicht sogar die meisten Unternehmen x x x x x
keine jährliche Strategieplanung, keine systematische Strategieumsetzung mit Teilzielen, keine systematische Angebotsbearbeitung, keine systematische Baustellenplanung und -steuerung, keinen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, geschweige denn gezielt Innovationen
durchführen. Ferner bestehen oft keine grundsätzlichen Überlegungen über Markt, Kundensegmente, Outsourcing, Kooperationen und/oder Leistungsangebote. Dies resultiert meist aus fehlenden bauspezifischen Managementkenntnissen der Unternehmensführung, Bereichs- und Bauleiter. Wie kann ein Unternehmen erfolgreich sein, wenn es seine Strategie nicht plant, seine eigenen Schwächen und Stärken, die Konkurrenz mit ihren Schwächen und Stärken und die interessanten Nachfragefelder, in denen es seine Stärken entfalten kann, nicht kennt, wenn es die Ausschreibungen nicht erfolgsorientiert selektiert und nach Chancen und Risiken analysiert, keine klare prozessorientierte Kalkulation durchführt und kein systematisches strategisches und operatives Controlling vornimmt? Wie man hört, ging die Philipp Holzmann AG nicht zuletzt deshalb in Konkurs, weil statt einer klaren, nachhaltigen Erfolgsstrategie eine eher opportunistische Taktik mit gravierenden Managementfehlern verfolgt wurde. Nur Unternehmen, die ein zielorientiertes Management mit klaren Strategieprozessen und operationeller Umsetzung haben, verbunden mit
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einem kundenorientierten Marketing, sind in einem schwierigen Markt erfolgreich. Da die Unternehmen der Bauwirtschaft meist von Technikern und Ingenieuren geführt werden und auch in Zukunft geführt werden sollen, ist es unabdingbar, dass sich die Unternehmensführung und alle leitenden Mitarbeiter auf allen Organisationsstufen bis zum Bauleiter und Bauführer mit den spezifischen Methoden des Bauunternehmensmanagements auseinandersetzen, sie kennen lernen und in ihrem täglichen Geschäft anwenden. Dieses Buch zeigt Massnahmen auf, um die Unternehmen der Bauwirtschaft erfolgreich zu machen, und befähigt die Mitarbeiter auf allen Ebenen eines Unternehmens, gezielt pragmatisch am Erfolg mitzuarbeiten und ihren Beitrag zu leisten. Es umfasst alle baubetriebswissenschaftlichen Themenfelder und Prozesse, die in der Baubranche massgebend und für den unternehmensspezifischen Erfolg entscheidend sind. Das Buch befasst sich nicht mit allgemeinen betriebswirtschaftlichen Themen wie finanzielles oder betriebliches Rechnungs- oder Personalwesen, die sicherlich von Betriebswirten in der Baubranche gut abgedeckt werden, sondern es werden alle Themen und Prozesse der Unternehmensführung, die von Technikern und Ingenieuren erfolgreich geleitet werden, praktisch umsetzbar behandelt. Nur Unternehmen, die konsequent methodisch vorgehen, können ihre kreativen Ideen gezielt, interaktiv und umfassend mit ihren Mitarbeitern auf allen Unternehmensstufen umsetzen. Das Buch vermittelt Baumanagern auf allen Verantwortungsstufen das praktische Wissen für eine erfolgreiche Unternehmensführung in der Baubranche. Ferner liefert es das unabdingbare Rüstzeug für Bauingenieurstudentinnen und -studenten, die Führungsaufgaben in der Bauwirtschaft anstreben.
II Theoretischer Bezugsrahmen des Buchs Die heutigen Managementmethoden sind durch einen wahren Begriffsund Paradigmendschungel geprägt. Nichtbetriebswirte wie z.B. Ingenieure, die sich trotzdem mit Managementaufgaben auseinander setzen müssen, erkennen kaum Gemeinsamkeiten oder eine ordnende Grundlage, auf der sie aufbauen können. Dabei wird jeder neue Managementansatz mit neuen Begriffen deklariert, ohne auf gemeinsame Strukturen hinzuweisen. Daher ist es dem Autor dieses praxisbezogenen Buchs ein grosses Anliegen, dem Leser seine klare Einordnung in betriebswissenschaftliche Theorien und Ansätze offen zu legen.
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Das Buch basiert einerseits auf der kybernetischen, systemorientierten Managementtheorie, die sich aus der Systemtheorie ableitet und hier im Besonderen auf das St. Galler Management-Modell von ULRICH [13], BLEICHER [1] und anderen abstützt, sowie andererseits auf der Prozessarchitektur betrieblicher Strukturen nach HAMMER und CHAMPY [7], PORTER [10] und anderen, die in den 80er Jahren entwickelt wurde. Das Unternehmen wird als produktives, sozio-technisches System mit seinen kybernetischen Regelkreisen verstanden, das einerseits mit den externen Marktentwicklungen und Kunden sowie andererseits mit den innerbetrieblichen Abläufen und Menschen in Interaktion steht. Mithilfe der Kybernetik erfolgt die Lenkung des dynamischen, zielorientierten Systems. Der Systemansatz ermöglicht, Unternehmensmodelle zu entwickeln, zu gestalten, abzugrenzen sowie in Prozesse und Funktionen und Strukturen zu gliedern, unter Berücksichtigung der internen und externen Interaktionen. Ferner verfolgt das Buch eine durchgängige Prozessbetrachtung der Aufgaben und Funktionen in einem Unternehmen, um die Kundenziele effizient und wettbewerbsfähig zu erfüllen. Der Prozessansatz baut auch auf der Systemtheorie und der Kybernetik auf. Daher ist im Rahmen der kybernetischen, systemorientierten Managementtheorie die Prozessbetrachtung der Hauptvorgänge im Unternehmen immanent. Mit dieser Basismanagementtheorie lassen sich alle neuen Ansätze in die Systembetrachtung einfügen. Die Thematik der Prozessarchitektur in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur geht u.a. zurück auf PORTER [10] mit seinen Wertschöpfungsprozessen, auf DAVENPORT [14-21] mit Bezug auf das Business Reengineering mit IT-gestützten Worksflows sowie auf HAMMER und CHAMPY [7] mit Bezug auf das „Reengineering von Corporations“. Aufbauend auf dem allgemeinen kybernetischen, systemorientierten Managementmodell wird dem Theoriegebäude dieses Buchs die marktorientierte Wettbewerbsstrategie von PORTER [10] mit x Wettbewerbskräften der Branchen (fünf Branchenkräfte) x generischen Strategien zur Erzeugung von Wettbewerbsvorteilen (Kostenführerschaft/Differenzierung/Konzentration) x Wertschöpfungskette als Heuristik sowie der ressourcenorientierte Ansatz von GRANT [5] sowie HAMEL und PRAHALAD [6] hinterlegt. Dabei wird die allgemeine Prozessorientierung zur Strukturierung von Geschäftsmodellen an die Wertschöpfungskette von PORTER [10] gebunden, und die relevanten Ebenen der Unternehmenstätigkeit einer Branche werden in eine Wertschöpfungskette bzw. -prozess übergeführt.
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Die Wertschöpfungskette eines Geschäftsmodells in einer Branche orientiert sich vom Input zum Output des unternehmerischen Handelns mit branchen- und unternehmensspezifischen, strategisch relevanten Aktivitäten zur Differenzierung des Unternehmens in Bezug zu Leistungsprogramm und Kosteneffizienz. Der Prozess der Wertschöpfungskette [10] gliedert sich in x den primären Wertschöpfungsprozess mit den Kernaktivitäten, x den sekundären Wertschöpfungsprozess mit den unterstützenden Aktivitäten sowie die jeweiligen Funktionen zur Bereitstellung der differenzierten Produktionsfaktoren. Das heisst, dass die zielorientierte Verbindung der Produktions- bzw. Leistungsfunktionen des Unternehmens mittels des Wertschöpfungsprozesses erfolgt, der die Werte, die der Kunde möchte, mit komparativen Konkurrenzvorteilen schafft. Die Prozessorientierung ist heute eine unverzichtbare Unternehmensgestaltungsmaxime geworden. Die Orientierung von Unternehmen an der effizienten Ausführung von Einzelfunktionen hat zu lokalen Teiloptimierungen geführt. Diese Einzelfunktionen waren und sind meist in Abteilungen mit relativ hoher Autonomie im Unternehmen zusammengefasst. Das hat, trotz grosser Anstrengungen, zu suboptimalen Gesamtabläufen geführt, weil die Einzelfunktionen zwar in sich, aber nicht auf das Gesamtziel des Unternehmens bzw. die Leistungsziele des Kunden optimiert waren. Dabei trat der Gesamtzusammenhang, nämlich für den Kunden Produkte bzw. Leistungen mit komparativen Konkurrenzvorteilen anzubieten und den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, in den Hintergrund. Daher müssen zur effizienten, kundenorientierten Erstellung von Produkten und Dienstleistungen die Funktionen des Unternehmens nicht nur auf optimierte eigene Leistungsbeiträge, die sich nach innerbetrieblichen, abteilungsabhängigen, autonomen Bewertungsmassstäben richten, sondern auf die kundenorientierte Produktherstellung bzw. Leistungserstellung mit allen delinearen Schnittstellen ausgelegt werden. Die Grundausrichtung der Mitarbeiter in funktionsorientierten Unternehmen ist auf den Vorgesetzen der Abteilung abgestellt. Wenn man optimiert Produkte herstellen und Leistungen erstellen will, ist die Orientierung am Kunden notwendig, um dessen Leistungsziele während der Produktion bzw. Leistungserstellung in das gewünschte Ergebnis zu überführen. Daher ist es ein Paradigmenwechsel, die Unternehmen von der Funktions- zur Prozessorientierung umzustrukturieren. Gegenüber Konkurrenten lassen sich interne Effizienzvorteile erzielen, indem man alle Funktionen, die zur primären Produktherstellung bzw. Leistungserstellung benötigt werden, in einem Kernprozess zusammenführt. Zudem müs-
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sen alle Supportfunktionen auf die Produktherstellung bzw. Leistungserstellung ausgerichtet werden. Die Prozesseffizienz wird durch die Kunden selbst im Wettbewerb und nicht durch interne Controller gemessen. Das Denken in Prozessen ist heute unabdingbares Paradigma moderner Unternehmensführung. Nur wenn man die Prozesse zur Herstellung der Produkte und Erstellung der Leistungen kennt, kann man daraus auch die Kernkompetenzen des Unternehmens ableiten. Die Herstellung von Produkten und Erstellung von Leistungen erfordert strukturierte Abläufe, die flexibel an die Kundenziele anpassungsfähig sind. Nur wenn die Wertschöpfung eines Produkts oder einer Leistung optimal in einen Fliessprozess strukturiert ist, werden Schnittstellenprobleme durch die Funktionalgliederung des Unternehmens verhindert und der gesamte Herstellungsprozess wird optimiert. Bei den Prozessen im Unternehmen muss man zwischen einmaligen (z.B. ein bestimmtes Bauprojekt), repetitiven und kontinuierlichen Prozessen unterscheiden. Das Management repetitiver und kontinuierlicher Prozesse wird auf einen dauerhaften Planungs- und/oder Produktionsprozess ausgerichtet. Dies ist z.B. bei der Herstellung von industriell gefertigten Massenprodukten, aber auch bei der jährlichen repetitiven Strategie- und Budgetplanung der Fall. Die Unternehmen bewegen sich weg von den fragmentierten Abläufen und funktionalen Strukturen zur Herstellung von Produkten und Erstellung von Leistungen, hin zu durchgehenden Produktions- und Leistungserstellungsprozessen mit optimierten, delinearen, effizienten, flexiblen und integrativen Arbeitsabläufen mit einem Prozessverantwortlichen. Die auf Funktionen und Abteilungen ausgerichteten Arbeitsabläufe müssen zur Optimierung der Effizienz des Unternehmens auf und um die Produktionsund Leistungserstellungsprozesse ausgerichtet werden. Alle Beteiligten müssen sich auf ein Ziel ausrichten: die Kundenzufriedenheit. Die Prozessorientierung wird heute durch die Informationstechnologie mit Pert-Terminplanung, Workflowsystemen, Produktionsplanungssystemen, Managementinformationssystemen etc. unterstützt. Sie dient somit zur ressourcenorientierten Effizienzsteigerung von Unternehmen und ist daher für moderne Wirtschaftsunternehmen Basis für eine praxisorientierte Betrachtungsweise mit einer einhergehenden Delinearisierung fragmentierter Abläufe. Bei den Produkttypologien [9] kann in x Wirtschaftsgüter (kurz- und langlebige Objekte) und x Dienstleistungen unterschieden werden. Zudem muss man unterscheiden, ob die Produkte im Rahmen eines Produktprogramms (wie z.B. Autos, Flugzeuge) oder im
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Rahmen eines Leistungsprogramms (wie z.B. Gebäude, Brücken, Tunnel oder Planungsleistungen) erstellt werden [14-25]. Produkte im Sinn von Wirtschaftsgütern werden im Rahmen eines Produktprogramms in einem standardisierten, stationären Produktionsprozess für den meist anonymen Kunden hergestellt. Produkte im Sinn von materiellen und immateriellen Dienstleistungen werden im Rahmen eines unternehmerischen Leistungsprogramms nach den Leistungszielen des Kunden in einem Leistungsprozess erstellt. Bauunternehmen haben im Regelfall kein Produktprogramm, sondern ein Leistungsprogramm. Zudem sind die Leistungsbeziehungen in Bezug auf die Art, den Ort und die Dauer der Anbieter-Nachfrager-Beziehung variabel. Zur sprachlichen Differenzierung dieses Paradigmenwechsels werden die folgenden, in Tabelle III definierten Begriffe verwendet: x Produkt / Produktion / Produktionsprozess x Leistung / Leistungserstellung / Leistungserstellungsprozess Jeder weiss, was ein Produkt und was eine Produktion ist. Der Begriff Produktionsprozess verdeutlicht jedoch die Abkehr von der traditionellen Produktion mit funktionalem Denken und Handeln und der einhergehenden Fokussierung auf ineffizientes Abteilungsdenken hin zu effizienten, systematischen, delinearen, optimalen Aktivitäten zur Minimierung des Ressourcenverbrauchs und Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Marktes. Das Gleiche gilt für Leistung als Ergebnis eines unternehmerischen Erzeugungsprozesses (Tabelle III). Bei Bauunternehmen spricht man im Allgemeinen von Leistungen als Ergebnis ihres Handelns, da sie meist ein Leistungspotenzial vorhalten, um aufgrund von Plänen/Vorgaben des Bauherrn ein Gebäude zu erstellen oder durch Vorhalten von Dienstleistungen Planung und Bau des Gebäudes übernehmen. Bauunternehmen bieten im Regelfall kein Produkt wie Fertighaushersteller an, sondern Leistungen im Rahmen eines Leistungsprogramms, und erstellen dabei Gebäude oder Infrastrukturen (Tabelle III). Diese Prozesse haben einen weitgehenden Unikatcharakter mit doch vergleichbaren Phasen, Methoden, Werkzeugen und Modellen.
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Tabelle III: Definitionen von Produkt und Leistung, Produktion und Leistungserstellung, Produktionsprozess und Leistungserstellungsprozess
Um der Spezifität der Bauwirtschaft gerecht zu werden, ist es erforderlich, die begriffliche Einordnung der Unternehmensleistung und Prozessarten innerhalb der Geschäftsmodelle und Wertschöpfungskette vorzunehmen. Jedes Wirtschaftsunternehmen generiert infolge des wirtschaftlichen Handelns eine Wertschöpfung, d.h. eine Leistung bzw. ein Produkt. Diese
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Wertschöpfung erfolgt in einer Produktion. Produktion wird in drei verschiedenen Begriffsdimensionen unterschieden [14]: 1. Produktion im weitesten Sinn der betrieblichen Leistungserstellung umfasst jede Kombination von Produktionsfaktoren mit allen Funktionen des Unternehmens sowie die primären und sekundären Prozesse der Wertschöpfungskette. 2. Produktion im engeren Sinn der betrieblichen Leistungserstellung umfasst - Gewinnung von Rohstoffen - Herstellung bzw. Fertigung / Bearbeitung von Gütern - Ausführung von Dienstleistungen bzw. Teile davon. Dabei umfasst Produktion die primären Prozesse der Wertschöpfungskette. 3. Produktion im engen Sinn der betrieblichen Leistungserstellung umfasst nur die Herstellung bzw. Fertigung von Produkten / Objekten und nicht von Dienstleistungen. Dabei umfasst Produktion nur die Produktion / Operation der primären Wertschöpfungskette. Die Bauwirtschaft bzw. Bauunternehmen produzieren bzw. erstellen Sachleistungen mit einem hohen Dienstleistungsanteil; man könnte auch sagen, die Bauwirtschaft ist eine Dienstleistungsbranche mit einem Sachgüterausstoss mit x x x x
einem Leistungsprogramm variabler Leistungsbeziehung Bereitstellung eines Leistungspotenzials (Produktionsfaktoren) Erzeugung von unikaten Transferobjekten meist am Ort der Entstehung (Käuferbestellung) x Integration externer kundenspezifischer Faktoren bei der Leistungserstellung x Messung der Leistungserbringung am Leistungsziel Somit hat die Leistung eines Bauunternehmens einen Produkt- und Prozesscharakter. Der Prozess umschreibt die Leistungserstellung und das Produkt das Ergebnis der Leistungserstellung, das auch als betriebliche Leistung (Kostenrechnung) ausgedrückt wird [12]. THOMMEN [12] und CORSTEN/REISS [14-25] verwenden im analogen Kontext folgende Begriffe: x Leistungsangebot / Leistungsprogramm x Leistungserstellung x Leistungserstellungsprozess
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Zudem werden die Geschäftsprozesse Unternehmen in diesem Buch nach den primären und sekundären Wertschöpfungsprozessen nach PORTER [10] strukturiert und auf die relevanten Aktivitäten der Bauunternehmen übertragen. Daher werden x die primären Wertschöpfungsprozesse als Leistungserstellungsprozess mit den jeweiligen Aktivitäten bezeichnet; x die sekundären Wertschöpfungsprozesse in Management- und Supportprozesse mit den jeweiligen Aktivitäten untergliedert. Dabei wird der Leistungserstellungsprozess auch als Kernprozess bezeichnet, da er die primären Wertschöpfungsaktivitäten enthält. Daher werden in diesem Buch die Unternehmens- bzw. Geschäftsprozesse untergliedert in: x Managementprozesse – Dies sind meist kontinuierliche, repetitive und unikate Prozesse zur Führung des Unternehmens und der Projekte mit besonderer Ausrichtung auf die strategischen Planungs- und Umsetzungsprozesse, auf die Kunden, Produkte und Leistungen, auf die Kernfunktionen sowie auf die Organisation der Prozesse, Funktionen, Informationen und des Controllings. x Produktions- bzw. Leistungserstellungsprozess – Dies ist im Bauunternehmen der projektspezifische, unikate Kernprozess für die Erfüllung der vom Bauherrn ausgeschriebenen Leistungen durch Bereitstellung der Leistungskapazität des Unternehmens mit durchgängiger Verantwortung und Strukturierung der beteiligten Funktionen des Unternehmens nach den Erfordernissen der Leistungsziele des Kunden mit einem hohen Interaktionsgrad. x Supportprozesse – Dies sind alle Funktionen, die nicht direkt für die Leistungserstellung notwendig, aber unabdingbar sind, um das Unternehmen zu führen oder die Leistungserstellung zu unterstützen. Weil die Komplexität bei grossen Bauprojekten sehr hoch ist, ist eine systematische Vorgehensweise beim Identifizieren und Handhaben der Prozesse (Bild I) sehr wichtig. Der prozessorientierte Ansatz in der Baubetriebslehre ordnet die Bauverfahren und Tätigkeiten in die Prozesse ein, woraus sich dann die Funktionen innerhalb der Leistungserstellungsorganisation ergeben.
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Bild I:
Bauwerkserstellungsprozess
Die Prozesse in der Baubetriebswissenschaft werden untergliedert in x Unternehmensprozesse / Geschäftsprozesse, die auf das Leistungsangebot des Unternehmens zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse abgestimmt sind, und x Bauwerkserstellungsprozesse, die zur Erstellung des Bauwerks von der Konzeptidee bis zur Nutzung notwendig sind. Die charakteristischen Unterscheidungsmerkmale dieser Systematik sind wie folgt: x Unternehmensprozesse / Geschäftsprozesse werden aus dem Unternehmenszweck, der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie sowie in Interaktion mit der Organisationsstruktur abgeleitet und gebildet. Damit soll sichergestellt werden, dass durch den effektiven Einsatz der Ressourcen des Unternehmens (Personal, Inventar, Finanzen, Fähigkeiten) eine möglichst hohe Effizienz erzielt wird. Diese Prozesse sind Anbieterprozesse. x Bauwerkserstellungsprozesse sind losgelöst von Unternehmensprozessen. Sie sollen den zweckorientierten Ablauf eines Bauprojekts sicherstellen. Ausgehend von den Bauherren- bzw. Investorenbedürfnissen sollen die notwendigen Aufgaben prozessorientiert abgewickelt werden, um eine hohe Effizienz zur Zielerreichung zu sichern. Diese Prozesse sind besteller- bzw. projektorientiert und beziehen sich auf die Projektaufgaben. Die Bauwerkserstellungsprozesse (Bild I) können weitgehend an die Ziele, Aufgaben und Phasen in der SIA 102 [11] bzw. HOAI [8] angelehnt werden. Die beauftragten Phasen und die jeweils verantwortlichen Akteure können sich jedoch je nach Projektabwicklungsform [4] ändern. Der Bauwerkserstellungsprozess ist determiniert durch die Kundenbedürfnisse und die zur Befriedigung der Bedürfnisse erforderlichen Aufgaben. Der besteller- bzw. bauwerks- und projektorientierte Bauwerkserstellungsprozess
Vorgeschichte des Buchs
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wird untergliedert in die Planungs-, Bauproduktions- und Nutzungsprozesse. Er wird durch Managementprozesse geleitet und durch die Supportprozesse zur effizienten Zielerreichung unterstützt. Dabei kann der Planungsprozess wiederum in die Konzept- und Projektplanungsphase bzw. -prozesse gegliedert werden. Der Bauproduktionsprozess kann wiederum in die Rohbau-, HKL- und Ausbauphase bzw. -prozesse untergliedert werden. Diese Unterprozesse verlaufen delinear, d.h. teilweise parallel und/oder sequenziell. Die Durchführung des Bauproduktionsprozesses erfolgt in produktionsorientierten Unternehmen der Bauwirtschaft. Zu diesen Unternehmen gehören Bauunternehmen, die sowohl als Rohbauhersteller wie auch als Generalleistungsträger auftreten. Ferner gehören Ausbauunternehmen wie Fliesenleger, Putz- und Stuckateurunternehmer, Dachdecker, Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Elektrounternehmer sowie Unternehmer für die Aussenanlagen dazu. Im Regelfall sind bei einem Hochbau 30 bis 40 Unternehmen für die unterschiedlichen Gewerke/Werkgruppen tätig. Der auf den Bauproduktionsprozess folgende Bewirtschaftungsprozess gliedert sich in die Nutzungs- und Rückbauphasen. In der Nutzungsphase sind die Nutzungsprozesse für den reibungslosen Betrieb von grosser Bedeutung. Zu den Nutzungsprozessen gehören die Instandhaltung und Instandsetzung. Die Wirtschaftlichkeit der Nutzungsphase wird determiniert durch die Zielvorgaben und Wettbewerbsverfahren der Planungs- und Bauproduktionsphasen. Heutige Bauwerke werden, wenn überhaupt, nur im Hinblick auf die Investitionskosten optimiert. Das gesamte Optimierungspotenzial der Nutzungskosten besonders im Energiebereich wird nicht dem Wettbewerb in Bezug auf Life-Cycle-Kosten unterzogen. Hier steckt zukünftig ein hohes Potenzial für Leistungs-, Prozess- und Produktionsinnovationen in der Bauwirtschaft. Die Unternehmensprozesse bzw. Geschäftsprozesse (Bild II) eines Unternehmens gliedern sich nach dem Wertschöpfungsprinzip [10] in den Primärprozess der Leistungserstellung sowie die sekundären steuernden und unterstützenden Prozesse des Managements und des Supports.
XXXVIII
Vorgeschichte des Buchs
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmigungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Managementprozesse
Support- / Ressourcenprozesse
Bild II: Prozessmodell der Wertschöpfungskette eines Bauunternehmens
Der Leistungserstellungsprozess basiert auf dem Leistungsprogramm und Leistungspotenzial in einem Unternehmen oder einer Geschäftseinheit, enthält alle direkt wertschöpfenden Teilprozesse und Aktivitäten eines Unternehmens und stellt einen Input- und Outputprozess dar. Aufgrund der Kundenbedürfnisse (Input) wird innerhalb des Leistungserstellungsprozesses interaktionsorientiert das Leistungsergebnis (Output) erzeugt. Dieser Prozess gliedert sich in den meisten Firmen in die Teilprozesse bzw. Aktivitäten Akquisition von Aufträgen bis hin zur Übergabe der fertigen Leistung an den Bauherrn bzw. Auftraggeber. Die Support- und Managementprozesse unterstützen den Leistungserstellungsprozess zur effizienten und effektiven Zielerfüllung und gehören zu den notwendigen, aber nicht wertschöpfenden Aktivitäten des Unternehmens. Die Supportprozesse für den Leistungserstellungsprozess kommen von den Unternehmensbereichen Personaladministration, Finanzwesen, Informatik, Werkhof etc. Diese Bereiche stellen Ressourcen in Form von Fähigkeiten, Know-how, Material, Finanzen oder direkten Unterstützungsleistungen für den Leistungserstellungsprozess bereit. Die Managementprozesse bilden den notwendigen Rahmen zur Führung, Steuerung und Ausrichtung des Unternehmens. Hier wird der strukturelle Rahmen des Unternehmens geformt (Geschäftsbereiche, Organisation, Prozesse etc.) und die Ausrichtung auf die Unternehmensziele vorgenommen.
Vorgeschichte des Buchs
XXXIX
Das Ziel jedes Bauunternehmens ist es, aufgrund seines Leistungspotenzials die Bedürfnisse und Leistungsziele des Bauherrn/Kunden im Leistungserstellungsprozess in das gewünschte Leistungsergebnis umzusetzen. Der Bauunternehmer erhält vom Kunden den Auftrag aufgrund des Angebotspreises und der Produktionsfaktoren, die das Leistungspotenzial für einen erfolgreichen Leistungserstellungsprozess garantieren. Im Rahmen des unternehmerischen Leistungserstellungsprozesses mit einer meist intensiven Interaktion mit den Kunden entscheidet es sich, ob die antizipierten Leistungsziele des Kunden realisiert werden. Damit der Leistungserstellungsprozess im Unternehmen optimal effizient zur Erreichung der Kundenzufriedenheit und zur Gewinnerzielung abgewickelt werden kann, sind die Management-, Ressourcen- und Supportprozesse erforderlich (Bild II). Das Ziel des Unternehmens ist es, die Kundenzufriedenheit sicherzustellen; dies erfolgt im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses im Unternehmen. Der Leistungserstellungsprozess ist somit die Kerntätigkeit des Unternehmens. Um die Unternehmensziele zu unterstützen, müssen die Management- und Supportprozesse so gestaltet und optimiert werden, dass ein Höchstmass an Effizienz erreicht wird. Da Bauprojekte im Regelfall Unikatcharakter aufweisen und somit ein typisches Projektgeschäft darstellen [4] ist die Prozessorientierung des Leistungserstellungsprozesses von grösster Bedeutung. Dadurch wird erreicht, dass die Projektziele den Prozess bestimmen und somit die Kundenorientierung mit der erforderlichen Interaktion gesichert wird. Dieser Grundgedanke muss dann auch als Bedingungsgrösse in der Organisationsgestaltung konsequent umgesetzt werden. Der Leistungserstellungsprozess muss im Bauunternehmen als kontinuierlicher Ablauf mit einem Prozessverantwortlichen – dem Bereichsleiter, Oberbauleiter bzw. Bauleiter – angesehen werden.
Literatur [1]
Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. 4. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1996
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XL
Vorgeschichte des Buchs
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Girmscheid, G.: Projektabwicklung in der Bauwirtschaft. Wege zur WinWin-Situation für Auftraggeber und Auftragnehmer. Springer Verlag, Berlin, 2004
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Hamel, G.; Prahalad, C. K.: Competing for the Future. Harvard Business School Press, Boston, 1996
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Hammer, M.; Champy, J.: Business Reengineering – Die Radikalkur für das Unternehmen. Campus Verlag, Frankfurt, 1994
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HOAI – Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. 7. Aufl., W. Kohlhammer GmbH Verlag für Architektur/Bauwesen (Hrsg.), Stuttgart. 2003.
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Kotler, Ph.; Bliemel, F.: Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. 9. Aufl., Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1999.
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Porter, M. E.: Wettbewerbsstrategie (Competitive Strategy): Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. 7. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1992
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SIA 102: Ordnung für Leistungen und Honorare der Architektinnen und Architekten. SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (Hrsg.), Zürich, 2003.
[12]
Thommen, J.-P.: Betriebswirtschaftslehre – Band 3: Personal, Organisation, Führung: Spezielle Gebiete des Managements. 4. Aufl., Versus Verlag, Zürich, 1996
[13]
Ulrich, H.: Gesammelte Schriften – Das St. Gallener ManagementModell. Band 2, Haupt Verlag, Bern, 2001
[14]
Wöhe, G.: Einführung in die allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 15. Aufl., Verlag Franz Vahlen, München, 1984.
Teil A Managementprozesse
1 Strategieplanungsprozess
Zur Darstellung des Strategieplanungsprozesses wird, bezugnehmend auf den theoretischen Bezugsrahmen des Buchs, x zuerst das „ganzheitliche Management“ bzw. das „kybernetische systemorientierte Managementmodell“ als hierarchisch interaktiv gestalteter Prozessrahmen für die Planung und Gestaltung des Unternehmens als sozio-technisches System in einer externen und internen Umwelt dargestellt, x dann das Zielsystem von Unternehmen erläutert, um sich mit dem Leistungsprogramm unter Beachtung von markt- und ressourcenorientierten Gesichtspunkten zu positionieren, und x anschliessend der strategische Planungsprozess mit seinen Werkzeugen und Methoden erläutert, um unter Beachtung der Stärken und Schwächen des Unternehmens die richtigen, chancenreichen Märkte und Kunden zu selektionieren, daraus den operativen Umsetzungsprozess abzuleiten und Aktivitäten und Massnahmen zur Zielerreichung zu ergreifen. Die Strategieplanung ist ein kontinuierlicher bzw. repetitiver Prozess (Bild 1), der im Unternehmen alle drei bis fünf Jahre grundsätzlich durchgeführt werden sollte und jedes Jahr auf die Erreichung der Ziele und Veränderungen der Prämissen überprüft werden muss, denn der Markt mit seinen Marktkräften ist permanenten Veränderungen unterworfen, die von Makroveränderungen auf volkswirtschaftlicher Ebene und Mesoveränderungen der Branche sowie dem Mikrokosmos des Unternehmens aufgrund von Personal, Kapital, Know-how etc. abhängen. Daher ist die Strategieplanung keine einmalige Übung oder Aktivität, sondern sie muss während des gesamten Jahres von den Akquisiteuren und Technikern durchgeführt werden. Zumindest das Sammeln von Informationen und Indikatoren zur Erfassung von Chancen und Gefahren sowie deren Analyse muss laufend erfolgen, damit die Ergebnisse im Rahmen der strategischen Unternehmenszielsetzungen sowie bei der jährlichen Überarbeitung der Unternehmensund Geschäftsfeldstrategien direkt genutzt und umgesetzt werden können. Der Strategieplanungsprozess ist ein typischer kybernetischer Regelkreis.
4
1 Strategieplanungsprozess Externe Veränderungen
Basisstrategieplanung
Strategieüberprüfung
Strategieanpassung
Strategieüberprüfung
n
Basisstrategieplanung n+1
Interne Veränderungen
Bild 1:
Strategieplanungsprozess
1.1 Ganzheitliches Management Das ganzheitliche Management findet seine anschauliche Darstellung im St. Galler Management-Modell, das auf die Arbeiten von ULRICH und KRIEG zurückgeht [1-47]. So wird das Unternehmen als ein offenes System betrachtet. In jeder Problemsituation ist zu klären, welche Beziehungen zum Umfeld bestehen und welche Umfeldfaktoren bei der Problemlösung zu berücksichtigen sind. Ein Unternehmen ist demnach in vier Umfeldsphären eingebettet (Bild 2): x x x x
Gesellschaft Natur Technologie Wirtschaft
Ein Unternehmen erbringt seine Geschäftstätigkeit in aktiver Interaktion mit verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen. Externe Anspruchsgruppen sind z.B. Kunden, Konkurrenten, Lieferanten, Subunternehmer, Fremdkapitalgeber und regulatorische Gruppen (Behörden und andere staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gruppen). Zu den internen Anspruchsgruppen zählen Eigentümer, das Management, Mitarbeiter und Eigenkapitalgeber. Zu den Grundfunktionen des Managements gehören: 1. Unternehmensethik und Unternehmenspolitik 2. Unternehmensplanung und -kontrolle 3. Organisation und Führung 4. Führungskräfteentwicklung
1.1 Ganzheitliches Management
5
Globales Umfeld Technik
Wirtschaft
Markt + Branche Konkurrenten Unternehmen Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
GenehmiAVOR/ gungen u. ProdukAusführungs- tionsplanung planung
Information/ Dokumentation
Bauausführung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Globales Umfeld
Organisationsstruktur
Markt + Branche
Unternehmensstrategie
Kunde
Leitbild / Leistungsauftrag
Kunde
Markt + Branche
Globales Umfeld
Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Support- / Ressourcenprozesse
Lieferanten
Ökologie / Umwelt
Ersatzprodukte
Kreditgeber
Markt + Branche
Gesellschaft / Recht
Globales Umfeld
Bild 2:
Umfeldsphären und Unternehmensprozesse
Im Unternehmen selbst lassen sich drei Handlungsebenen des Managements unterscheiden (Bild 3): 1. Normatives Management 2. Strategisches Management 3. Operatives Management Diese Handlungsebenen beinhalten logisch voneinander abgrenzbare Problemfelder, die durch das Management zu bearbeiten sind. Im Sinn einer integrierten Managementbetrachtung ist allerdings von der gegenseitigen Durchdringung aller im Folgenden zu differenzierenden Ebenen auszugehen. Im operativen Management geht es prinzipiell um die Steuerung des laufenden unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses. Das strategische Management verfolgt eine Vorbereitung des operativen Erfolgs durch den frühzeitigen und systematischen Aufbau strategischer Erfolgspotenziale. Aus Sicht der Unternehmensethik hat das normative Management die gesellschaftliche Legitimation des unternehmerischen Handelns zum Inhalt.
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1 Strategieplanungsprozess Normatives Management
Wert- und Interessenkonflikte zwischen Interessengruppen
Legitimationsdruck (Konsensproblem)
Aufbau unternehmenspolitischer Legitimations- und Verständigungspotenziale
Strategisches Management Komplexität und Ungewissheit der Markbedingungen
Innovationsdruck (Steuerungsproblem)
Aufbau geschäftsstrategischer (Markt-) Erfolgspotenziale / nachhaltiger Wettbewerbsvorteile
Operatives Management Knappheit der Produktionsfaktoren
Bild 3:
Kostendruck (Effizienzproblem)
Aufbau betrieblicher Produktivitätspotenziale / Gewährleistung effizienter Abläufe
Handlungsebenen des Managements [1-46]
Das weiterentwickelte Konzept von BLEICHER [1-5], das in Bild 4 dargestellt ist, vertieft die Herausforderungen auf normativer und strategischer Ebene. Dieser Leitidee folgen die normativen, strategischen und operativen Ebenen bei der Wahl von Strukturen, Prozessen, Aktivitäten und Verhalten. Aktivitäten entstehen durch die Konkretisierung von Normen über Missionen und Visionen zu Programmen, die schliesslich in Aufträge umgesetzt werden. Strukturen werden über alle drei Handlungsebenen in Form der Verfassung, der Organisations- und Managementsysteme sowie der Dispositionssysteme konkretisiert. Letztlich dienen beide Aspekte, Aktivitäten und Strukturen, der Beeinflussung menschlichen Verhaltens im Wechselspiel von Wertvorstellungen, strategischem Denken und Lernen sowie der Leistungsorientiertheit im operativen Sinn. Es erscheint notwendig, für die obersten, originären Unternehmensziele übergeordnete Entscheidungskriterien zu entwickeln. Diese Kriterien bestehen aus der Gesamtheit der Wertvorstellungen der massgebenden Führungskräfte. Die Wertvorstellungen, die sich in der Mission und Vision sowie im Entscheidungsverhalten der Manager des Unternehmens äussern, stehen über den drei Handlungsebenen des Managements und haben zur Aufgabe, die Grundlagen jener Werte deutlich zu machen. BLEICHER bezeichnet die impliziten und expliziten Wertvorstellungen als „‚gesollte’ (ethische) Ordnung, die allen einzelnen gestaltenden und lenkenden Handlungen des Managements zugrunde liegt“ [1-5].
1.1 Ganzheitliches Management
7
Horizontale Integration Vorgaben interne Willensbildung
Vorgaben externe Willensbildung
Normatives Management = begründend Unternehmenszweck/ Unternehmenspolitik
Unternehmenskultur
Missionen / Vision
Strategisches Management = ausrichtend Unternehmensstrukturen Managementsysteme
Programme (Unternehmensstrategien, Geschäftsfeld- und Funktionsstrategien)
Problemverhalten
Operatives Management = vollziehend Organisatorische Prozesse u. Strukturen Dispositionssysteme
Strukturen Strukturen PionierPionee r phase
MarktDiversi- Diversi erschliessung fikation
Innere Innere Unternehmensentwicklung Unternehmensentwicklung
Leistungs- und Kooperationsverhalten
Aufträge
Verhalte Verhalten n
Aktivitäten Akquisition Akquisition
Vertikale Integration
Unternehmensverfassung
Kooperation Kooperation
Äussere Äussere Unternehmensentwicklung Unternehmensentwicklung
Restrukturierun Restrukturierung g und Innere undInnere äussere Unternehmensentwicklung äussere UE
Entwicklungsphasen
Bild 4:
St. Galler Management-Modell in Anlehnung an [1-6]
Die Entwicklung der Managementwissenschaft verläuft von unten nach oben, d.h., man hat sich zuerst mit der Planung, Lenkung und Kontrolle des operativen Geschäfts befasst und erst anschliessend die Grundlagen zur Entwicklung einer übergeordneten Unternehmensstrategie und die Antworten auf die begründende Sinnfrage der unternehmerischen Tätigkeit untersucht. Eine Vielzahl an Instrumenten und Verfahren zur Budgetierung und Kostenkontrolle, zur Optimierung von Arbeitsprozessen, zur Liquiditätsplanung und -überwachung sowie zur Produktionssteuerung und Materialbewirtschaftung trug neben der technischen Entwicklung dazu bei, die Arbeitsproduktivität in den Industrieländern immens zu steigern. Man erkannte allerdings, dass dieses kurzfristige Gestalten und Lenken durch ein stärker zukunftsgerichtetes und umfassenderes, grundsätzlicheres Denken ergänzt bzw. überlagert werden muss, das auf das Festlegen längerfristiger Unternehmensziele und die Gestaltung des dafür in Zukunft er-
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1 Strategieplanungsprozess
forderlichen Leistungspotenzials gerichtet ist. Die Notwendigkeit einer solch längerfristigen Perspektive entstand zunächst dadurch, dass die Unternehmen sukzessive an kurzfristiger Anpassungsfähigkeit verloren, einmal durch die zunehmende Kapitalintensität mit langfristiger Kapitalbindung in teuren Gebäuden, Produktionsanlagen und Maschinen, aber auch durch die Unmöglichkeit, die personelle Kapazität rasch auf- oder abzubauen. Zunächst versuchte man, das bewährte Instrumentarium des operativen Managements, gestützt durch volkswirtschaftliche Prognosen eines anhaltenden Wirtschaftswachstums, auch für die mittel- und langfristige Planung zu verwenden. Die Rezession von 1974 zeigte aber deutlich, dass es sich bei den Aufgaben des strategischen Managements um eine eigenständige Kategorie von Problemen handelt, die eine andere Denkweise und ein neues Instrumentarium erfordern: schlecht strukturierte komplexe Probleme, die im Zustand von Informationsmangel und hoher Ungewissheit gelöst werden müssen, also stark risikobehaftete Probleme. Es zeigte sich auch, dass es beim strategischen Management für das Unternehmen um existentielle Fragen ging, um das Problem der dauerhaften Eingliederung des eigenen Unternehmens mit seinen Leistungen in eine vielschichtige, dynamische und sich ständig verändernde Umwelt. Bei der Beschäftigung mit den strategischen Führungsproblemen wird heute immer deutlicher, dass in der Unternehmensführung subjektive Urteile und Wertungen eine wesentliche Rolle spielen, das Management somit wertbezogen ist. 1.1.1 Das normative Management Das operative und strategische Management wird von einer obersten Denk- und Entscheidungsebene, dem normativen Management, überlagert. Die Ebene des normativen Managements beschäftigt sich mit den generellen Zielen des Unternehmens, mit Prinzipien, Normen und Spielregeln, die darauf ausgerichtet sind, die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit des Unternehmens zu ermöglichen [1-5]. Es geht darum, die Ziele und Massnahmen der Unternehmensführung festzulegen, dem Unternehmen selbst einen Sinn zu geben und somit das zukünftige Handeln zu begründen. Das normative Management gibt also Einstellungen, Überzeugungen und Werthaltungen vor, nach denen das Unternehmen geführt werden soll. Ausgehend von der Mission – also dem Zweck des Unternehmens – baut sich seine Vision auf: in einem gegebenen Zeithorizont globale und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Neben der Mission und der Vision ist unternehmenspolitisches Handeln und Verhalten zentraler Inhalt des normativen Managements. Die Mission und Vision des Unternehmens werden meist in einem Leitbild zusammengefasst, auf dem die Unternehmenspoli-
1.1 Ganzheitliches Management
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tik aufbaut. Die Unternehmenspolitik wird durch die Unternehmensverfassung und die Unternehmenskultur getragen. Das normative Management begründet die Legitimität des Unternehmens und erzeugt für die Mitarbeiter Nutzen, indem es die Ziele des Unternehmens im Umfeld von Gesellschaft und Wirtschaft definiert sowie Sinn und Identität im Inneren und Äusseren vermittelt. 1.1.2 Das strategische Management Die Führungsarbeit in Unternehmen kann grundsätzlich zwei unterschiedlichen Aufgaben gewidmet sein: einerseits dem unmittelbaren Vollzug der laufenden Geschäftsaktivitäten, d.h. der Abwicklung von Aufträgen und Projekten, und andererseits dem Aufbau von Voraussetzungen, die es dem Unternehmen erlauben, langfristig ökonomisch erfolgreich zu sein. Diese zwei grundlegend verschiedenen Aufgaben verdeutlichen die Unterteilung in einerseits operatives und andererseits strategisches Management. Während es im ersten Fall um den kurzfristigen Erfolg im „Hier und Jetzt“ geht, steht im zweiten Fall der langfristige Erfolg in drei, fünf oder zehn Jahren im Fokus der Anstrengungen. Das strategische Management unterteilt sich in die Aufgaben (Bild 5): x x x x
Strategische Planung Umsetzung der Strategie Strategisches und operatives Controlling Anpassung der Strategie Strategische Planung
Vorgabe von Kontrollgrössen für die Balanced Scorecard
Diskontinuitätenmanagement (ungerichtete Informationsbeschaffung) Operative Strategieumsetzung z.B. mittels Balanced Scorecard „Von der Vision zur Wirklichkeit“ **) Ziele, Kennzahlen, Vorgaben, Massnahmen **) Vgl. Kaplan, R.S.; Norton, D.P. (Balanced Scorecard 1997), S. 10 und Bea, F.X.; Haas, J. (Management 2001), S. 190
Bild 5:
Strategische Prämissenkontrolle
Operatives Controlling der Kontrollgrössen der BSC (Durchführungscontrolling II)
Vorgabe von Prämissen zur Kontrolle von strategischen Randbedingungen *) Return on Investment ROI Eigenkapitalrentabilität
Strategisches Controlling der Kontrollgrössen der BSC (Durchführungscontrolling I)
Strategieanpassung
Bestandteile des strategischen Managements
operativ
- Finanzielle Perspektive *) - Kundenperspektive - Perspektive der internen Geschäftsprozesse - Lern- und Entwicklungsperspektive
Strategisches und operatives Controlling
strategisch
Strategieentwicklung - Welche Ziele werden verfolgt? - Wie sollen die Ziele erreicht werden? - Welche Ressourcen / Fähigkeiten werden zur Zielerreichung benötigt?
Umsetzung
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1 Strategieplanungsprozess
Strategisches Management ist auf den Aufbau, die Pflege, die Ausbeutung und die Steuerung strategischer Erfolgspotenziale gerichtet. GÄLWEILER definiert Erfolgspotenziale als „das gesamte Gefüge aller jeweils produktund marktspezifischen [und ressourcenspezifischen] erfolgsrelevanten Voraussetzungen, die spätestens dann bestehen müssen, wenn es um die Realisierung geht“ [1-10]. PÜMPIN erweitert den Begriff dahingehend, dass er unter einem strategischen Erfolgspotenzial die Aktualisierung des Potenzials aus Kernfähigkeiten eines Unternehmens und die daraus resultierende Position relativ zum Wettbewerb versteht [1-34]. Kernfähigkeiten x dürfen vom Wettbewerb nicht ohne weiteres kopiert werden können und x müssen für die zukünftige Umwelt- und Marktsituation bedeutsam sein, um den langfristigen Erfolg sichern zu können [1-5]. Dies geht mit der Definition von JOHNSON und SCHOLES: „Strategy can be seen as the marketing of the resources and activities of an organization to the environment in which it operates.“ [1-25] einher. Daher unterscheidet man „strategic fit“ in Bezug zur Nutzung und „strategic stretch“ in Bezug zur Entwicklung von Ressourcen und Kompetenzen. Die Hauptelemente des strategischen Managements lassen sich wie folgt formulieren: x Basisziele 1. Das strategische Management identifiziert die Quellen des Gewinns (Profits). 2. Das strategische Management formuliert und implementiert Strategien, um die Quellen des Profits zu erschliessen. x Hauptelemente 1. Das strategische Management charakterisiert die Produkte / Leistungen und Dienste. 2. Das strategische Management identifiziert Märkte / Marktsegmente und Kundenprofile. 3. Das strategische Management entwickelt die Markterschliessungswerkzeuge und -kanäle. Daraus ergeben sich die charakteristischen drei Grundelemente einer erfolgreichen Managementstrategie [1-17]: x langfristige, klare und akzeptable Risiken x profundes Verständnis des Wettbewerbsumfelds x objektive Bewertung der modifizierbaren Ressourcen Erfolgspotenziale haben oft sehr lange Vorlaufzeiten unter Einsatz erheblicher personeller, geistiger, finanzieller und materieller Ressourcen, ohne
1.1 Ganzheitliches Management
11
dass in dieser Zeit eine Amortisation der Aufwendungen stattfindet. Neue mögliche Erfolgspotenziale zielen auf die Entwicklung zukünftiger Wettbewerbsvorteile ab. Bestehende Erfolgspotenziale drücken die im Zeitablauf gewonnenen Erfahrungen mit Märkten, Technologien, sozialen Strukturen und Prozessen eines Unternehmens aus. Sie schlagen sich in der realisierten strategischen Erfolgsposition am Markt relativ zu den Wettbewerbern nieder. Eine systematische Auseinandersetzung mit den Grundlagen für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens ist, wie erläutert, Gegenstand des strategischen Managements. Dazu muss in einem anspruchsvollen Aushandlungs- und Entscheidungsprozess unter Berücksichtigung der Anliegen, Bedürfnisse, Interessen und Werthaltungen beteiligter und betroffener Anspruchsgruppen eine Unternehmensstrategie erarbeitet werden [1-36]. Diese Strategie, die in Programmen festgehalten wird, beinhaltet x x x x x x
die Festlegung der Unternehmensziele, die konzeptionelle Ausrichtung des Unternehmens, die Festlegung von Strukturen und Systemen des Managements, die Festlegung der Geschäftsfelder, die Wettbewerbsstrategien in den einzelnen Geschäftsfeldern und die Funktionsstrategien für Prozess- und Organisationsgestaltung sowie Finanzstruktur.
Während das normative Management Aktivitäten begründet, ist es somit Aufgabe des strategischen Managements, ausrichtend auf Aktivitäten einzuwirken. JOHNSON und SCHOLES besetzen das strategische Management mit folgenden Inhalten: „Strategic management includes understanding the strategic position of an organisation, strategic choices for the future and turning strategy into action.“ (Bild 6) [1-25]. Unter der strategischen Position (strategic position) versteht man die Positionierung des Unternehmens in der Branche und im Wettbewerb, unter Beachtung der fünf Marktkräfte nach Porter, der intendierten Ziele und Erwartungen des Unternehmens und der verfügbaren Ressourcen, Kompetenzen und daraus resultierenden Fähigkeiten. Unter den strategischen Wahlmöglichkeiten (strategic choices) versteht man die Wahl der x Unternehmensstrategie (corporate strategy) und der x Geschäftsfeldstrategie (business strategy) unter Beachtung der verschiedenen Richtungen und Methoden, mit denen die Strategie in der Zukunft weiterentwickelt wird.
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1 Strategieplanungsprozess
Markt Kunden Konkurrenz Ersatzprodukte Lieferanten
Ziele Erwartungen (Vision)
Ressourcen und Kompetenzen
Strategische Position
Unternehmensstrategie
Geschäftsfeldstrategie
Prozesse Organisation
Strategiewahl
Strategieumsetzung
Entwicklungsmethoden
Bild 6:
Weiterentwicklung von Ressourcen und Kompetenzen
Change Management
Modell des strategischen Managements [1-25]
Die Umsetzung der Strategie (strategy into action) beinhaltet den Aufbau von Strukturen (structures) zur Umsetzung der Strategie, die Weiterentwicklung und den Aufbau von Ressourcen und Kompetenzen (enabling) sowie die Fähigkeit, flexibel auf Veränderungen einzugehen. Der Aufbau von Strukturen beinhaltet die Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses und der Supportprozesse sowie der dazugehörigen Organisationsstruktur des Unternehmens und der strategischen Geschäftseinheiten (SGE). Das strategische Management erfordert heute nicht nur die Vorgabe von Zielen und Strategien, sondern auch die operative Umsetzung und die Vorgabe von Messgrössen und Budgets für die Umsetzung und Steuerung, bis hinunter zu den Divisions-, Sparten- und Abteilungsleitern und nach Möglichkeit auch bis zu den Projektleitern und Mitarbeiterteams. Dazu verwendet man heute die Balanced-Scorecard-Methode (BSC) von
1.1 Ganzheitliches Management
13
KAPLAN [1-27], die Zielgrössen in den Bereichen Finanzen, Kunden, Prozesse und Organisation für die Akteure mit entsprechenden Messgrössen herunterbricht. So kommt es zu einer Symbiose zwischen dem strategischen und dem operativen Management (Bild 7). Strategie
Aktualisierung der Strategie
Strategische Lernschleife „Double Loop“
Testen, Lernen und Anpassen Testen kausaler Verknüpfungen Dynamische Simulation Geschäftsanalyse Aufkommen neuer Strategie
Testen von Hypothesen Balanced Scorecard
Verknüpfung der Strategie mit der Budgetierung Anspruchsvolle Ziele Strategische Aktionsprogramme Rollierende Vorhersagen
Ressourcen
Berichtswesen Schliessen der Strategieschleife Strategisches Feedback Management-Meetings Verantwortlichkeit
Budget
Betriebliche Prozessschleife „Single Loop“
Überprüfung
Geschäftsprozesse Input (Ressourcen)
Bild 7:
Output (Ergebnis)
Controllingprozess der strategischen Vorgaben [1-27]
Die Umsetzung und Steuerung der Strategie wird somit vom ganzen Unternehmen getragen und dadurch zum Alltagsgeschäft. 1.1.3 Das operative Management Das normative und das strategische Management finden ihre Umsetzung im operativen Vollzug, der im Ökonomischen auf leistungs-, finanz- und informationswirtschaftliche Prozesse ausgerichtet ist und durch Massnahmen und Messgrössen gesteuert wird. Allgemein ausgedrückt übernimmt das operative Management die Organisation und Lenkung der laufenden Aktivitäten des Unternehmens. Durch die Strukturierung der Geschäftsprozesse mit strategischen Messgrössen wie z.B. der Balanced Scorecard
14
1 Strategieplanungsprozess
(BSC) erfolgt die strategische Lenkung des operativen Geschäfts. Der Begriff „operativ“ bezieht sich somit auf Aufgaben der unmittelbaren Bewältigung des Tagesgeschäfts und dabei insbesondere auf die Effizienz im Umgang mit knappen Ressourcen. Die Gewährleistung einer effizienten und effektiven Abwicklung des Tagesgeschäfts erfordert einerseits optimale Leistungserstellungs- und Supportprozesse sowie andererseits deren adäquate Führung. Die operative Führung beinhaltet zunächst einmal die Führung der einzelnen Leistungserstellungs- und Supportprozesse anhand von Führungskenngrössen. Zu den operativen Führungsprozessen gehören ferner x Prozesse der Mitarbeiterführung zum Aufbau eines „tragfähigen“ Beziehungskontexts für eine konstruktive Zusammenarbeit und zur zielorientierten Beeinflussung des Mitarbeiterverhaltens [1-36] x Prozesse der finanziellen Führung für - die Erfassung, Bewertung und empfängerorientierten Aufbereitung der finanzwirtschaftlichen Wirkungen von Führungsentscheidungen und Geschäftsfällen - das Controlling und Reporting einschliesslich Performance-Messung und Rechnungslegung zuhanden interner und externer Anspruchsgruppen - die risiko- und renditegerechte Bereitstellung von Kapital (Finanzierung) und die optimale Bewirtschaftung des investierten (gebundenen) Kapitals (einschliesslich Investitionsentscheidungen) x Prozesse des Qualitätsmanagements für die zeitgerechte Klärung und die Erfüllung der Erwartungen zwischen allen beteiligten Akteuren (externen und internen Kunden und Lieferanten) in den einzelnen Management-, Leistungserstellungs- und Supportprozessen Der Prozess der Leistungserstellung (Bild 8) umfasst alle Aktivitäten, die dazu führen, dass der Kunde die vereinbarte Leistung zum vereinbarten Preis, termingerecht und in der vereinbarten Qualität erhält. Die zugehörigen Teilprozesse lassen sich der Angebotsphase und der Auftragsphase/ Ausführungsphase zuordnen. Zu den Teilprozessen der Angebotsphase zählen die Kundenakquisition, die Angebotsbearbeitung und die Auftragsverhandlungen mit dem Ziel des Vertragsabschlusses. Parallel dazu sollten Angebote für Leistungen von Subunternehmern und Materiallieferanten zumindest für die wichtigsten Gewerke eingeholt werden; die entsprechenden Verträge sollten allerdings erst nach Vertragsabschluss mit dem Kunden abgeschlossen werden. Die Auftragsphase/Ausführungsphase umfasst die Teilprozesse Ausführungsplanung (aufgrund der vorliegenden Baugenehmigung), Arbeitsvorbereitung (AVOR), Bauausführung, Ab-
1.1 Ganzheitliches Management
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nahme und Übergabe sowie die Gewährleistung für die erbrachte Leistung. Je nach Leistungsumfang schliessen daran die Teilprozesse der Gebäudebewirtschaftung, z.B. das Contracting, an. Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmigungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 8:
Die Prozesse in einem Bauunternehmen
Die Supportprozesse (Bild 8) dienen der Bereitstellung der Infrastruktur und der Erbringung interner Dienstleistungen, die notwendig sind, damit Geschäftsprozesse effektiv und effizient vollzogen werden können. x Prozesse des Marketings und der Kommunikation dienen einerseits der Schaffung dauerhafter Präferenzen und Wettbewerbsvorteile durch den koordinierten Einsatz marktbeeinflussender Instrumente und andererseits der Entwicklung und Pflege tragfähiger Beziehungen zu externen und internen Anspruchsgruppen weit über die Wahrnehmung unmittelbarer ökonomischer Interessen hinaus (Corporate Identity, Öffentlichkeitsarbeit, kommunikative Bewältigung von Krisenereignissen). x Prozesse der Personal- und Bildungsarbeit dienen sowohl der Gewinnung, Entwicklung, Beurteilung und angemessenen Honorierung der Mitarbeiter als auch deren systematischer Weiterqualifizierung und dem Aufbau einer förderlichen Lehr-Lern-Kultur in einem Unternehmen. x Prozesse der Infrastrukturbewältigung dienen der Bereitstellung und dem kostengünstigen Unterhalt aller Arten von Infrastrukturanlagen durch das Facility Management. x Prozesse des Risikomanagements und der Informationsbewältigung dienen der informationstechnologischen Aufbereitung von Betriebs-,
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1 Strategieplanungsprozess
Finanz- und Risikodaten und der zeitgerechten Bereitstellung von Führungskenngrössen zur Prozessführung. x Prozesse der Finanzen und des Rechts dienen der Unterstützung einer risiko- und renditegerechten Bereitstellung von Kapital (Finanzierung) und der optimalen Bewirtschaftung des investierten (gebundenen) Kapitals (einschliesslich Investitionsentscheidungen) sowie einer sinnvollen rechtlichen Gestaltung und juristischen Begeleitung der Geschäftstätigkeit im Hinblick auf Rechtsansprüche der Anspruchsgruppen bis hin zu Fragen der Optimierung von Steuerzahlungen. x Prozesse des Wissens- und Innovationsmanagements dienen einerseits der Ausschöpfung bisher noch nicht genutzter Verbesserungspotenziale, die sich durch den systematischen Umgang mit der Ressource „Wissen“ ergeben, sowie andererseits der gezielten Förderung von Innovationen zum Aufbau bzw. Ausbau strategischer Erfolgspotenziale.
1.2 Managementmodell Das St. Galler Management-Modell gliedert Unternehmen in drei Teilbereiche [1-45]: x Unternehmensmodell x Führungsmodell x Strukturmodell Das Unternehmen wird somit als produktives, soziotechnisches System betrachtet. Es erzeugt Sach- und Dienstleistungen zur Befriedigung der Bedürfnisse der Kunden. Das Unternehmensmodell wird durch unternehmensexterne Veränderungsprozesse beeinflusst (Bild 9), die durch x Umwelt und Unternehmen x Märkte und Marktleistungen ausgelöst werden, sowie durch unternehmensinterne Veränderungsprozesse, die durch x repetitive und innovative Aufgaben, x technische, ökonomische und soziale Gesichtpunkte bzw. Gestaltungsvarianten/-variablen sowie x Wertschöpfungsprozess und Funktionen ausgelöst werden.
1.2 Managementmodell
Mission / Vision
Strategie
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Tagesgeschäft
Wertvorstellungen
Umweltbedingungen Zwecke und Ziele des Unternehmens
Mittel und Wege der Zielerreichung
Konkretes Verhalten
Unternehmensbedingungen
Bild 9:
Interaktion der internen und externen Bestimmungsgrössen zur Gestaltung des Unternehmensverhaltens [1-45]
Das Unternehmen wird durch das technologische, ökonomische und soziale Umfeld geprägt. Zu dieser Einflusssphäre des Unternehmens gehören u.a. folgende Gruppierungen: x x x x x x
Kunden Arbeitnehmer Lieferanten Kapitalgeber Konkurrenz andere staatliche und nicht staatliche Institutionen
Die technologische Umwelt beeinflusst das Unternehmen durch die vorherrschende Technologie in den jeweiligen langfristigen Konjunkturzyklen (Kondratieff-Wellen) [1-15]. Die heute vorherrschende Technologie ist durch die Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die ITgestützte Automatisierung (Bild 10) geprägt. Das ökonomische Umfeld ist durch die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge und deren Interaktion mit der Globalisierung und Bildung von Grosswirtschaftsräumen geprägt. Das soziale Umfeld wirkt durch seine kulturellen, rechtlichen und politischen Aspekte auf das Unternehmen. Dabei steht der Mensch mit den gesellschaftlichen Werten und Normen im sozialen und kulturellen Umfeld im Mittelpunkt.
18
1 Strategieplanungsprozess
1780
1850
1900
1950
1990
Elektrizität Chemie Automobil
Erdöl Elektronik Luftfahrt
Digitale Netzwerke Software Neue Medien
Eisenbeton Wasserkraftwerke Industrieanlagen Wohnungsbau
Spannbeton Autobahnbau Flughäfen Industrieanlagen Wohnungsbau
Industrielle Innovationsauslöser: Wasserkraft Textil Eisen
Dampfmaschine Stahl
Adaption auf die Bauwirtschaft: Stein/Holz/Eisen Wasserkanäle
Bild 10:
Eisen-/ Stahlbauten Eisenbahnbau
Keinen Anschluss gefunden?
Kondratieff: Langfristige Konjunkturzyklen
Der Markt stellt für das Unternehmen die Input- und Outputseite dar. Das Unternehmen tritt somit sowohl als Anbieter wie auch als Nachfrager auf. Einerseits muss es sich Betriebsmittel wie Arbeitskräfte, Kapital, Anlagen, Stoffe etc. beschaffen; andererseits muss es den Kunden seine Marktleistung unter Konkurrenzbedingungen verkaufen. Unternehmensintern befindet sich jedes Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Tradition und Fortschritt, d.h. zwischen repetitiven und innovativen Aufgaben. Auch hier muss das Unternehmen seinen Weg zwischen Opportunitätskosten und inneren Fähigkeiten finden, um diesen Aufgaben gerecht zu werden. Aufgrund der Aufgaben, die sich aus den repetitiven und innovativen Tätigkeiten ergeben, werden der Wertschöpfungsprozess und die Funktionen im Unternehmen gestaltet. Die Unternehmen erbringen ihre Leistungen in Form mehrstufiger arbeitsteiliger Prozesse. Diesen Leistungserstellungsprozess kann man auch als Vollzugsbereich der Wertschöpfung in einem Unternehmen bezeichnen. Er umfasst alle prozessorientierten Aufgaben von der Auftragsbeschaffung bis zur Übergabe des Produkts/der Leistung an den Kunden. Der Leistungserstellungsprozess wird von den Supportprozessen durch Bereitstellung der Versorgung (Versorgungsbereich) mit Personal, Finanzen, Informationen, Inventar etc. unterstützt. Geführt werden der Leistungserstellungsprozess und die Supportprozesse durch die Managementprozesse (Führungsbereich). Hier erfolgt die zweckund zielorientierte Steuerung des Unternehmens zur Erreichung der strategischen Ziele im Alltagsgeschäft. Die Gestaltung des unternehmerischen Leistungserstellungsprozesses ist abhängig von den technischen, ökonomischen und sozialen Gestaltungsvariablen, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Dabei sind das eigene Know-how, Kernkompetenzen sowie der Markt mit dem Fünf-Kräfte-Modell von PORTER [1-33] wichtige Gestaltungsdeterminanten.
1.2 Managementmodell
19
Die Interaktion interner und externer Bedingungsgrössen sowie der Unternehmensziele und der Mittel zur Zielerreichung beeinflusst das konkrete interne und externe Verhalten des Unternehmens (Bild 9). Im kybernetischen Führungsmodell sind die Führungskräfte aller Stufen, die den Wertschöpfungsprozess und die Aufgaben lenken und steuern, eingebunden (Bild 11). In das Lenkungssystem gehen die Wertvorstellungen und der Zweck des Unternehmens sowie die externen und internen Bedingungs- bzw. Bestimmungsgrössen ein. Nach der Willensbildung im Lenkungssystem erfolgt die Willensumsetzung durch Führungsvorgaben. Diese werden, unter Bereitstellung der notwendigen Ressourcen, durch Entscheidungen im Leistungserstellungsprozess und den Supportprozessen vollzogen. Umweltbedingungen
Wertvorstellungen
Unternehmensbedingungen
Lenkungssystem Willensbildung und Willensumsetzung
Führungsvorgaben
Entscheidungen
Leistungserstellungsund Supportprozesse vollziehen / versorgen
Bild 11:
Kybernetisches Führungsmodell
Die Aufgaben der Führung liegen in der x Willensbildung x Willensumsetzung x Führungsfunktion Die Willensbildung und Willensumsetzung erfolgt in einem Zyklus nach Bild 12.
20
1 Strategieplanungsprozess Willensbildung Unternehmenspolitik - Mission - Vision
Willensplanung Unternehmensplanung - Unternehmensziele - Unternehmensstrategie
Willensbereitstellung Disposition - Prozesse - Organisation - Ressourcen
Willensumsetzung Ausführung
Bild 12:
Führungsmodell – Willensbildung und Willensumsetzung [1-45]
Die Willensbildung, die zur Unternehmenspolitik führt, wird im Wesentlichen durch die Wertvorstellung des Besitzers bzw. der Hauptaktionäre, des Verwaltungsrats/Aufsichtsrats und des CEOs bzw. der Vorstände gebildet (Bild 13).
Umfeldbedingungen
Wertvorstellungen
Unternehmensbedingungen
Mission Vision Unternehmensleitbild Unternehmensverfassung Unternehmensstrategie Unternehmenspolitik Bild 13:
Führungsmodell – Umsetzungsprozess der Wertvorstellung in eine Unternehmensstrategie
1.2 Managementmodell
21
Die Wertvorstellung wird natürlich durch die Umfeldbedingungen der Gesellschaft und des Marktes sowie durch die inneren Prozesse und Ressourcen des Unternehmens beeinflusst. Der Unternehmenszweck wird in der Mission des Unternehmens festgehalten. Die Mission des Unternehmens soll folgende Fragen beantworten: x x x x
Was wollen wir herstellen (Produkt / Leistung)? Wer sind unsere Kunden? Wie können wir den Mehrwert für den Kunden erzielen? Welche Bedeutung haben unsere Mitarbeiter und die anderen Ressourcen? x Welche Werte schaffen wir für unsere Stakeholder? x Welche Verantwortung übernehmen wir für Gesellschaft und Umwelt? x Welchen Führungsprinzipien wollen wir uns verpflichten? Somit beinhaltet die Mission auch die Kultur des Unternehmens in Bezug auf Gesellschaft, Kunden, Mitarbeiter und Stakeholder. Um eine zielorientierte Unternehmensplanung durchführen zu können, müssen für die einzelnen strategischen Geschäftseinheiten (SGE) sowie für das Gesamtunternehmen Visionen entwickelt werden, z.B. welche Marktposition man innerhalb der nächsten 5 Jahre erreichen möchte. Mittels der Vision sollen die Hauptziele entwicklet werden. Die Vision stützt sich auf die Mission als Vorgabe der Nutzenstiftung des Unternehmenszwecks ab. Die Vision soll folgende Fragen beantworten: x x x x
Wo wollen wir z.B. in 5 Jahren sein? Welche Marktleistungen bieten wir an? Welche Marktbereiche und Kundensegmente bearbeiten wir? Welche Leistungsziele sollen angestrebt werden (Marktanteil / Umsatz / EBIT)? x Welche Qualifikation sollen unsere Mitarbeiter haben? x Wie motivieren wir gute, engagierte Mitarbeiter? x Welchen Beitrag leisten wir für die Gesellschaft und unsere Umwelt? Die Willens- und damit Zielbildung als Führungsaufgabe besteht aus der Gestaltung des Unternehmensleitbildes sowie aus der Analyse und Prognose des Umfelds und des eigenen Unternehmens unter Beachtung der Beeinflussung durch die Werte der Führungsgruppe. Das Unternehmensleitbild fasst die Ziele der Mission und Vision des Unternehmens als Kommunikationsmittel zum Kunden und den Mitarbeitern zusammen. Das Leitbild soll die Kultur und die Führungsprinzipien des Unternehmens reflektieren. Aufbauend auf dem Unternehmensleitbild
22
1 Strategieplanungsprozess
wird das Führungskonzept mit leistungswirtschaftlicher, finanzwirtschaftlicher und sozialer Zielsetzung gebildet. Auf dieser Basis werden dann die Unternehmenspolitik und in der Unternehmensplanung die Strategie zur Erreichung der Ziele formuliert. Die Aufgabe der Strategie ist es, die durch die Mission und Vision gegebenen Ziele umzusetzen. Die Strategie soll folgende Fragen beantworten: x Wie erreichen wir den Kunden mit unseren Marktleistungen? x Wie können wir den Markt durchdringen und besser sein als unsere Wettbewerber? x Wie erreichen wir den Mehrwert für den Kunden und machen ihn sichtbar für den Kunden? x Wie erhöhen wir die interne Leistungseffizienz? x Wie akquirieren, fördern und motivieren wir die richtigen Mitarbeiter? x Wie erzielen wir den notwendigen Umsatz und den EBIT? x Welchen Beitrag leisten wir für unsere Umwelt? Ferner sind die Dispositionen zu treffen, um die Vorgaben aus der Planung umzusetzen. Dazu müssen die Prozesse und die Organisation gemäss den Unternehmensaufgaben gestaltet werden. Dann erfolgt die Umsetzung des Willens im täglichen Geschäftsablauf. Dazu sind entsprechende Steuervorgaben erforderlich. Die Unternehmensverfassung regelt intern grundsätzlich: x die Anforderung aus der Mission und Kultur an die Führungsprinzipien sowie an das ethische, ehrliche Handeln der Führung und der Mitarbeiter zur Zielereichung. x die Aufgaben und Verantwortung des Verwaltungsrats/Aufsichtsrats sowie der Geschäftsführung. Die Führungsfunktion des Managements besteht aus der Willensumsetzung mit „Entscheiden“, „in Gang setzen“ und „Kontrollieren“ (Bild 14). Das Strukturmodell ist darauf ausgerichtet, die Unternehmensaufgabe in Teilaufgaben und Arbeitsprozesse aufzulösen. Dazu ist es erforderlich, dauerhafte Prozess- und Organisationsstrukturen zu schaffen.
1.2 Managementmodell Entscheiden
Massnahmen bestimmen
23
Sollwerte bestimmen
Soll- und Istwerte vergleichen
Kontrollieren Massnahmen anordnen
Istwerte erfassen
In Gang setzen
Ausführen
Bild 14:
Führungsmodell – Führungsfunktionen im Unternehmen [1-45]
Zur Umsetzung des Unternehmensmodells und der Führungskonzepte müssen die Strukturen des Wertschöpfungsprozesses zur effizienten Erledigung der Aufgaben geschaffen werden. Dabei wird zwischen Prozessund Organisationsstruktur unterschieden. Die Prozessstruktur zur Gestaltung und Unterstützung der Wertschöpfung kann in den Leistungserstellungsprozess, die Support- und die Managementprozesse gegliedert werden (Bild 2). Aus den Unternehmensaufgaben muss dann die optimale Organisationsstruktur im Spannungsfeld der Differenzierung und Spezialisierung der Aufgaben sowie der Integration zur prozessorientierten Ergebnisgestaltung gefunden werden. Dabei sind verschiedene Gestaltungsdeterminanten von Bedeutung, um eine optimale, wirtschaftliche Lösung zu finden. Diese hängen vom Know-how verfügbarer und potenzieller Mitarbeiter, den Finanzen und weiteren unternehmensinternen Faktoren sowie möglichen Kooperationen oder den Arten des Marktbezugs ab. Strategische Führung legt das Fundament für die unternehmerische Tätigkeit. In der Unternehmensmission wird der Zweck des Unternehmens für die Eigentümer, Kunden und Mitarbeiter festgelegt. Die Unternehmensvision gibt Auskunft, wo das Unternehmen mit seiner Tätigkeit in den nächsten Jahren in Bezug auf Marktanteil, Wachstum, Technologie etc. hin will. So werden mit der Unternehmensmission und -vision die grundlegenden Ziele und Verhaltensweisen eines Unternehmens definiert und Antworten auf folgende Fragen gegeben: x Konzentration auf welche Märkte und Kunden? x Angebot welcher Produkte und Leistungen?
24
1 Strategieplanungsprozess
x Ausbau welcher Geschäftsfelder? x Einsatz welcher Ressourcen? Aufbauend auf diesen Überlegungen erfolgt die Formulierung einer Unternehmensstrategie unter Beachtung folgender Grundsätze: x x x x x x x x x x x
Konzentration der Kräfte Aufbau auf Stärken / Vermeiden von Schwächen Ausnützen von Umwelt- und Marktchancen Wirksame Innovationen Ausnützen von Synergiepotenzialen Abstimmen von Zielen und Mitteln Schaffen einer zweckmässigen und führbaren Organisation Risikoausgleich Ausnützen von Koalitionsmöglichkeiten Einfachheit Beharrlichkeit
1.3 Ziele der Unternehmen Die Unternehmensziele sind in ihrer allgemeinen Form in der Mission und formuliert und im Leitbild zusammengefasst. Darauf aufbauend werden einerseits die strategischen Unternehmensziele und andererseits die Geschäftsfeldziele unter Beachtung der Ressourcen und Kompetenzen sowie den sich daraus ergebenden Fähigkeiten abgeleitet. Die Formulierung von Zielen stellt somit eine der wichtigsten Aufgaben des privaten Unternehmens im marktwirtschaftlichen System dar. Der Inhalt eines Ziels beschreibt, worauf sich das Handeln des Unternehmens ausrichten soll, d.h. welcher Sachverhalt dem Ziel zugrunde liegt. Dabei sind die Formalziele von den Sachzielen zu unterscheiden (Bild 15, [1-42]): 1. Formalziele Formalziele sind Ziele einer übergeordneten Ebene, an denen sich die Sachziele auszurichten haben. Ihr Inhalt zeigt das Resultat des Leistungserstellungsprozesses. Sie werden daher auch als Erfolgsziele bezeichnet. 2. Sachziele Sachziele beschreiben die Ziele des konkreten Handelns bei der Ausübung der verschiedenen betrieblichen Funktionen und beziehen sich daher auf die Steuerung des güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozesses (Leistungserstellungsprozess).
1.3 Ziele der Unternehmen
25
Zu den Formalzielen gehören Produktivität, Wirtschaftlichkeit und Rentabilität/Gewinn. Die Sachziele umfassen Wettbewerbsziele, Marktziele, Leistungsziele, Finanzziele, Führungs- und Organisationsziele sowie soziale und ökologische Ziele (Bild 15). Unternehmensziele Formalziele / Erfolgsziele Produktivität
Wirtschaftlichkeit
Rentabilität / Gewinn
Sachziele Marktziele
Wettbewerbsziele
• Marktanteile in % der • Kundenzufriedenheit / Branche / Region Kundenloyalität • Bauleistung p.a. • Wettbewerbsfähigkeit • Bewahrung der Unabdurch hängigkeit - Projektabwicklungs• Ansehen in der Öffentform lichkeit, Corporate - Sondervorschläge Identity - Preis-LeistungsVerhältnis - Risikobeherrschung
Leistungsziele • Leistungsangebot / Leistungsbreite • Leistungstiefe (Eigenleistungen / Fremdleistungen) • Leistungsqualität / Leistungsspezialität
Finanzziele • Gewinn in % der Bauleistung • Lohnkosten in % der Bauleistung • VK + GK in % der Bauleistung • Cashflow in % der Bauleistung • Rendite in % des eingesetzten Kapitals • Liquidität • Kapital- und Vermögensstruktur • Kostenstruktur
Führungs- und Soziale und Organisationsziele ökologische Ziele Ziele in Bezug auf • Mitarbeiterbezogene • ProblemlösungsZiele prozesse - Förderung / • Führungsfunktionen Weiterbildung (Planen, Entscheidung, - Arbeitplatzsicherung Anordnung, Kontrolle) - gerechte Entlohnung • Führungsstil - Gewinnbeteiligung (kooperativ) - Arbeitsbedingungen • Arbeitsteilung - Sozialleistungen (dezentral) • Gesellschaftsbezogene Ziele - ökologische Verantwortung - Ressourcenschutz - Emissionsbegrenzung
Betriebliche Tätigkeiten
Bild 15:
Zielsystem von Unternehmen
1.3.1 Zielbeziehungen im unternehmerischen Zielsystem Zwischen zwei Zielen können drei unterschiedliche Zielbeziehungen bestehen. Die Erfüllung eines Ziels kann auf ein anderes Ziel einen positiven, keinen oder einen negativen Einfluss haben. 1. Zielkomplementarität: Die Förderung eines Ziels fördert in geringerem, gleichem oder höherem Mass andere Ziele. 2. Zielneutralität: Die Förderung eines Ziels lässt das andere Ziel unbeeinflusst. 3. Zielkonkurrenz (Zielkonflikt): Die Förderung eines Ziels reduziert die Erreichbarkeit des anderen Ziels und umgekehrt. Die Zielantinomie stellt einen Sonderfall der Zielkonkurrenz dar, indem die Förderung eines Ziels die Verfolgung des anderen Ziels ausschliesst.
26
1 Strategieplanungsprozess
Bei Zielkonflikten erreicht man eine Entspannung der Konkurrenzsituation durch Einführung einer Zielrangordnung bzw. Zielgewichtung. Die Wertvorstellungen und Ansprüche des Entscheidungsträgers fliessen in die Zielgewichtung ein; er schafft durch seine Präferenzen Haupt- und Nebenziele. 1.3.2 Oberziele, Zwischenziele und Unterziele Die Grundlage der Unterscheidung in Ober-, Zwischen- und Unterziele sind Mittel-Zweck-Beziehungen zwischen den verschiedenen Zielen. In vielen Fällen stellt ein Unterziel, z.B. „Vermeidung von Konventionalstrafen“, ein Mittel zum Zweck zur Erfüllung des Zwischenziels „Erzielung des Projektgewinns“ dar, das wiederum Voraussetzung für die Realisierung des Oberziels „Unternehmensgewinn“ ist. Prämisse hierfür ist eine deutliche Zielkomplementarität. Die Aufteilung der Ziele in Mittel-Zweck-Beziehungen ist von grosser praktischer Bedeutung, da Oberziele in der Regel nicht operational sind und für den einzelnen Mitarbeiter, je weiter unten er in der Unternehmenshierarchie steht, keine konkrete Zielvorgabe darstellen. Daher ist die Untergliederung der Oberziele in Zwischen- und Unterziele erforderlich, bis eine Zielvorgabe formuliert werden kann, die dem Mitarbeiter als Orientierung für sein Handeln dient. 1.3.3 Strategische und operative Unternehmensziele Die für das ganzheitliche Risikomanagement relevante Differenzierung der Unternehmensziele ergibt sich aus der Managementperspektive, die in strategische und operative Unternehmensziele unterteilt. Der Begriff „strategisch“ bezieht sich auf die wettbewerbsbezogene, langfristige Zukunftssicherung eines Unternehmens, die eine hohe Sensibilität des Unternehmens gegenüber Marktsignalen und wettbewerbsrelevanten Trends im globalen Umfeld erfordert. „Operativ“ bezieht sich hingegen auf das Alltagsgeschäfts und die damit verbundenen Aufgaben, wobei insbesondere die Effizienz im Umgang mit knappen Ressourcen im Mittelpunkt steht. Dazu werden mittels Balanced Scorecard Vorgaben festgelegt; die Aufgaben und Vorgaben leiten sich aus den strategischen Zielen ab.
1.3 Ziele der Unternehmen Externe Willensbildung Umwelt
27
Interne Willensbildung Unternehmen
SGE-Funktionsstrategie (functional strategy)
Implementierung der Unternehmensstrategie und Unternehmenspolitik in die SGF-/SGEStrategie (business strategy)
Gesamtunternehmensstrategie (corporate strategy)
Zielbildung Mission / Vision
Bild 16:
Globale Unternehmensanalyse
Unternehmenspolitik Unternehmensstrategie (corporate strategy) Ziele / Ressourcen / SGE / Strukturen / generelle Wertschöpfung / Budgets / Vorgaben
Geschäftseinheiten (SGE)
Geschäftsfeldanalyse Strategische Geschäftsfelder (SGF) Geschäftsfeldstrategien (business strategy) Ziele / Ressourcen / Leistungsinhalte / SGE-Wertschöpfungskette / Budgets / Vorgehen
Prozesse Struktur
Zielerreichung SGF
Zielerreichung Gesamtunternehmen
Strategieplanung – Unternehmens-, Geschäftsfeld- und Funktionsstrategien
28
1 Strategieplanungsprozess
Die Strategie eines Unternehmens besteht immer aus der Formulierung der strategischen Unternehmensziele, aus Angaben über die benötigten Ressourcen bzw. deren Mobilisierung und einem Plan für das Vorgehen zur Zielerreichung. Die Systematik des strategischen Zielbildungs- und Umsetzungsprozesses ist in Bild 16 dargestellt. Daraus lassen sich die strategischen Ziele eines Unternehmens gliedern in: x strategische Unternehmensziele x strategische Geschäftsfeldziele Für die Ableitung der strategischen Unternehmensziele sind folgende Fragen zu klären [1-25]: x x x x
Wie kann der Wert des Gesamtunternehmens gesteigert werden? Welchen Beitrag können die einzelnen Geschäftsfelder beisteuern? Sind wir in den richtigen Geschäftsfeldern tätig? Wie muss das Unternehmen strukturiert werden, so dass eine Wertmaximierung bei gleichzeitiger Kostenminimierung erreicht wird? x Wie müssen die Budgets und Investitionen für die Geschäftseinheiten gestaltet werden, um einerseits eine hohe Rendite und andererseits eine langfristige Wertsteigerung zu erreichen? Für die Ableitung der strategischen Geschäftsfeldziele ist die Bearbeitung von sieben Themenkomplexen notwendig [1-36]: 1. Welches sind die relevanten Anspruchsgruppen und welche Anliegen und Bedürfnisse haben sie, die das eigene Unternehmen befriedigen kann? 1. Wie sollen das Leistungsangebot und der zugehörige Kundennutzen aussehen? 2. Auf welchen Teil der Gesamtwertschöpfung des Leistungsangebots konzentriert sich das Unternehmen im Sinn einer optimalen Fertigungstiefe? 3. Wie müssen die Leistungserstellungsprozesse gestaltet werden? 4. Wie sehen mögliche Kooperationsfelder aus, wer kommt als Kooperationspartner in Frage und wie ist die Zusammenarbeit zu gestalten? 5. Welche Fähigkeiten oder Kernkompetenzen sind bereits vorhanden bzw. welche müssen noch aufgebaut werden? 6. Welche Organisationsstruktur erreicht den optimalen Kosten-NutzenAufwand für die Geschäftseinheit? Die aus den Antworten hierzu abgeleiteten strategischen Unternehmensund Geschäftsfeldziele und deren kohärentes Zusammenwirken ergeben
1.3 Ziele der Unternehmen
29
die strategische Erfolgsposition, die es einem Unternehmen ermöglichen soll, langfristige Wettbewerbsvorteile zu erreichen (Bild 17). Unternehmensstrategie Geschäftsfeldstrategie
Strategisch Strategische e Unternehmensziele
1. 2. 3. 4. 5.
Für die Zielerreichung benötigteRessourcen Ressourcen benötige
Vorgehen Vorgehen zur zur Zielerreichung Zielerreichung
Anspruchsgruppen / Bedürfnisse Leistungsangebot / Kundennutzen Fokus der Wertschöpfung Kooperationsfelder / -partner Kernkompetenzen
Strategische Erfolgsposition
Bild 17:
Zusammenhang zwischen Geschäftsfeldstrategie und strategischer Erfolgsposition
Daraus ergibt sich auch die Unterscheidung in Unternehmensstrategie (corporate strategy) und Geschäftsfeldstrategie (business strategy). Der Unterschied kann vereinfacht wie folgt erklärt werden: x Unternehmensstrategie klärt „what business should we be in“, d.h., die Unternehmensstrategie entscheidet über die Art der Geschäftstätigkeit und den Markt mit Geschäftsfeldern, Investitionen/Desinvestitionen, Diversifikation, Integration und Akquisitionen von Geschäftsbereichen sowie der generellen Wertschöpfung. x Geschäftsfeldstrategie (SGF-Strategie) baut auf den Rahmenbedingungen, die die Unternehmensstrategie für das SGF gesetzt hat, auf und legt fest, wie der Wettbewerb (competitive strategy) geführt werden muss und wie die Wertschöpfung erfolgen soll (SGE-Wertschöpfungskette). Operative Unternehmensziele, die z.B. durch die strategischen Vorgaben der BSC gesteuert werden, beziehen sich hingegen auf den laufenden unternehmerischen Wertschöpfungsprozess. Im Vordergrund stehen der Aufbau und die Ausschöpfung betrieblicher Produktivitätspotenziale bzw. die Gewährleistung effizienter Abläufe. In der Bauwirtschaft beziehen sich operative Unternehmensziele in der Regel immer auf die Abwicklung bzw. Erstellung der einzelnen Bauprojekte und resultieren in Kosten-, Terminund Qualitätszielen.
30
1 Strategieplanungsprozess
Die strategischen und operativen Ziele (Bild 18) unterscheiden sich in Bezug auf die Zieldimension nicht nur im jeweiligen Zielinhalt, sondern auch im zeitlichen Bezug und in ihrem Bezug zu organisatorischen Unternehmenseinheiten. Diese werden z.B. durch die BSC gesteuert. Strategische Ziele sind mittel- bis langfristiger Natur und auf Unternehmensleitungs- und Niederlassungsebene angesiedelt. Operative Ziele betreffen die nahe Zukunft und sind daher kurzfristig ausgelegt auf Niederlassungsbzw. Projektebene.
Zielinhalt
Zeitlicher Bezug
Organisatorischer Bezug
Strategisc Strategisch h
Aufbau strategischer Erfolgspositionen
Mittel- bis langfristig
Unternehmensleitungsund Niederlassungsebene
Operativ Operativ
Aufbau betrieblicher Produktivitätspotenziale und effizienter Abläufe
Kurzfristig
Niederlassungsebene und Projektebene
Bild 18:
Bindeglied und Steuerung Balanced Scorecard Massnahmen und Messgrössen
Zieldimension Unte Unterr nehmensziele
Dimensionen strategischer und operativer Unternehmensziele
In der Bauwirtschaft erfordert die Umsetzung der strategischen Ziele einen Vorlauf von mindestens einem Jahr. Die Verantwortung für die Erstellung der Unternehmensstrategie liegt bei der Geschäftsführung (CEO, CFO etc.) und den Niederlassungsleitern. Operative Ziele sollen dagegen dafür sorgen, dass die in naher Zukunft bzw. unmittelbar bevorstehenden Aufgaben sorgfältig und rechtzeitig vorbereitet und unter Beachtung z.B. der BSC-Steuergrössen umgesetzt werden. Die Zuständigkeit liegt im Wesentlichen bei den Projektleitern und Bauleitern.
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess 1.4.1 Strukturierung der Strategieentwicklung Die Entwicklung der strategischen Unternehmensführung ist heute durch den „market, resource, value based view“ gekennzeichnet. Diese Ansätze sollen zu einem Wertsteigerungsmanagement führen. Die Entwicklung in der Strategieforschung geht von der Strategieplanung zum Strategiemanagement [1-20]. Im Mittelpunkt stehen die Strategieformulierung und die Strategieimplementierung, um sich als lernfähiges Unternehmen flexibel an den externen und internen Wandel anzupassen. Hierzu wurden Strate-
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
31
giekonzepte von WHEELEN/HUNGER [1-49], PEARCE/ROBINSON [1-32] und ANDREWS [1-1] formuliert. TICHY/FOMBRUN [1-44] entwickelten darüber hinaus verstärkt den Zusammenhang zwischen Unternehmensstrategie, Unternehmensstruktur und Mitarbeitern. VANCIL/LORANGE [1-48] aus der Harvard Business School und HAX/MAJLUF [1-23] von der Sloan Management School/Massachusetts Institute of Technology entwickelten zusätzlich zu den genannten Ansätzen die drei Strategieebenen bei divisionalen Unternehmen (Bild 19): x Gesamtunternehmensstrategie (corporate strategy) x Geschäftsfeld-/Geschäftsbereichsstrategie (business strategy) x Funktionsstrategie (functional strategy) Auf der Ebene des Gesamtunternehmens erfolgt die Festlegung der grundsätzlichen Tätigkeitsbereiche des Unternehmens, primär durch Festlegung der strategischen Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten. Auf der Ebene der strategischen Geschäftseinheiten wird die Geschäftsfeldstrategie für die strategischen Geschäftsfelder definiert. Sie legt fest, wie zukünftig im Wettbewerbsumfeld des Geschäftsfelds agiert werden soll, damit die antizipierten Marktziele (Geschäftsfeldziele) erreicht werden. Aufbauend auf der Marktstrategie des Geschäftsfelds für die angebotenen Leistungen werden die lebenszyklusabhängigen Wettbewerbsstrategien entwickelt. Auf der Ebene der Funktionsstrategien werden für die Geschäftsfelder die Wertschöpfungsketten mit dem primären Leistungserstellungsprozess und den sekundären Supportprozessen (Bild 19) festgelegt. Daraus ergeben sich die Aufgaben und Aktivitäten des Unternehmens. Aufbauend auf den Aufgaben und Aktivitäten ergibt sich die Organisationsstruktur des Unternehmens mit den erforderlichen Strategien für Marketing, Finanzierung, Personal, Kooperation und Beschaffung usw. Die Organisationsstruktur soll der Gesamtstrategie des Unternehmens entsprechen [1-8]. Neben dem Schlagwort „structure follows strategy“, das nicht nur auf die Organisationsgestaltung, sondern vor allem auf die Prozesse im Unternehmen bezogen werden muss, ist das Schlagwort „strategy follows people“ zu beachten. Die wissenschaftlich entwickelten Bestimmungsdeterminanten der Organisation sind: x x x x
Geschäftsprozesse (Leistungserstellungsprozess und Supportprozesse) Mitarbeiter (Verfügbarkeit und Qualität) Unternehmensgrösse Kunden und andere Partner
32
1 Strategieplanungsprozess
Gesamtunternehmensebene (corporate level)
Unternehmens-/ Konzernstrategie
Finanz- und bilanzorientierte Gesamtunternehmensstruktur
Geschäftseinheitenebene (business level)
Geschäftsfeldstrategie/SGE
Geschäftsfeldstrategie/SGE
Funktionale SGE-Organisationsstrategie
Funktionale Ebene (functional level)
F&EStrategie
Marketingstrategie Produktionsstrategie
PR-Strategie
Finanzierungsstrategie
Personalstrategie
Kooperations- und Beschaffungsstrategie
Globalstrategie
Regionale Ebene Spezifische Regionalstrategien
Bild 19:
Strategieebenen in divisionalen Unternehmen [1-20]
Die Hauptorganisationsstruktur des Gesamtunternehmens wird durch die Unternehmensstrategie beeinflusst. Sie reflektiert die finanziell und bilanziell orientierte Grobstruktur des Unternehmens in strategische Geschäftseinheiten, die direkt durch die Gesamtgrösse des Unternehmens sowie die Anzahl und Grösse der strategischen Geschäftseinheiten beeinflusst wird. Dagegen wird die Organisationsstruktur der strategischen Geschäftsfelder bzw. -bereiche neben weiteren Bestimmungsdeterminanten durch die Geschäftsprozesse und Aufgaben beeinflusst. Der Ablauf einer Unternehmens- und Geschäftseinheitsplanung ist zusammenfassend in Bild 20 dargestellt.
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess Unternehmens- und Geschäftseinheitsplanung
Umfeld Externe Willensbildung (Aufsichts-/Verwaltungsrat / Hauptversammlung)
33
Unternehmen Interne Willensbildung (CEO / Management)
Unternehmensmission (Leitbild)
Unternehmenskultur
Ziele / Werte des Gesamtunternehmens Markt / Kunden / Produkte / Wirtschaftlichkeit / Mitarbeiter / Umwelt Unternehmensvision
Rekursive Strategie
Wertvorstellungen (Objectives)
Unternehmen
Beurteilung und Entscheidung Gesamtunternehmen Portfolioanalyse der strategischen Geschäftsfelder Unternehmenspolitik: - Ziele des Gesamtunternehmens (Markt, Kunden, Leistung, Wirtschaftlichkeit, Mitarbeiter, Umwelt) - Markt - SGF - Marktposition - Tätigkeitsbereiche - Ressourcen
Abkürzungsverzeichnis: SGF Strategisches Geschäftsfeld SGE Strategische Geschäftseinheit BSC Balanced Score Card SWOT Strengths Weaknesses Opportunities Threats
Bildung strategischer Geschäftseinheiten Unternehmens- und Marktstrategien der SGE
Unternehmenscontrollingprozess Rekursive Strategie
(z.B. originäre Diversifikation)
Organisationsstruktur des Unternehmens
andere SGE
Geschäftsbereich- / Geschäftsfeldstrategie Ziele der SGE (z.B. BSC) (Marktsegement / Kunden / Leistungen / Mitarbeiter / Umwelt)
Analyse des Geschäftsfelds der SGE (Detailanalyse) - Allgemeines Umfeld - Marktsegment - Branche (Kunden, Konkurrenz etc.)
Unternehmen / Kooperationen (SWOT)
Wertvorstellungen und Vorgaben
Beurteilung der SGE: SGE Controllingprozess
Implementierung der Unternehmenspolitik in die SGE-Strategie (business strategy)
Gesamtunternehmensstrategie (corporate strategy)
Analyse der Ausgangslage (Globalanalyse) - Allgemeines Umfeld - Markt
Geschäftsstrategie / -programm der SGE: - Angebotsprogramm - Wettbewerbsposition - Ressourcenrahmen
Marktstrategie der SGE
(z.B. BOT-Markterschliessung)
Wettbewerbsstrategie der SGE
(Kunden- / Anbietervorteil)
Ressourcenstrategie der SGE Prozesse / Funktionen / Ressourcen / Fähigkeiten / Strukturen / Kooperationen / Führungssysteme
Bildung der Wertschöpfungskette
SGE-Funktionsstrategie (functional strategy)
SGE-Prozessstruktur Prozessorganisation
Bild 20:
(Aufgaben/Aufgabengliederung) - Leistungserstellungsprozess - Supportprozesse - Managementprozesse
SGEOrganisationsstruktur Aufbauorganisation (Verantwortung/Delegation) +
Kooperationsstruktur
Ziel: Controlling der SGE
(z.B. BSC)
Ziel: Controlling des Gesamtunternehmens (z.B. BSC)
Ablauf einer Unternehmensstrategieplanung
Bei jeder strategischen Planung sollte auf Gesamtunternehmensebene das Geschäftsportfolio geplant werden. Im Geschäftsportfolio werden die strategischen Geschäftsfelder identifiziert und nach
34
x x x x
1 Strategieplanungsprozess
Entwicklungsgeschäften, Wachstumsgeschäften, Stabilisierungsgeschäften (Reifephase) und Schrumpfungsgeschäften
unterteilt. Die strategischen Geschäftsfelder bilden die Erfolgsträger mit Chancen und Gefahren sowie Stärken und Schwächen für das Unternehmen. Strategische Geschäftsfelder haben folgende Merkmale: x x x x
eigenständige Kundengruppe autonome Marktaufgabe Konkurrenz mit externen Wettbewerbern autonome Entwicklungsverantwortung
Die strategischen Geschäftseinheiten beinhalten mindestens ein oder mehrere strategische Geschäftsfelder (Bild 21).
Unternehmen Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Marktsegmente
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Marktsegmente
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Marktsegmente
Unternehmen/Konzern
Unternehmensbereich Division/Sparte
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Marktsegmente
Bild 21:
Unternehmensbereich Division/Sparte
Geschäftsfeld
Marktsegmente
Unternehmensbereich Division/Sparte
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Geschäftsfeld
Marktsegmente
Strategische Einheiten in funktional und divisional organisierten Unternehmen [1-45]
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
35
Die strategischen Geschäftseinheiten sind, ergänzend zu ihren Bestimmungsmerkmalen, durch folgende Charakteristiken gekennzeichnet: x eigene Ergebnisverantwortung x eigene Geschäftsprozesse und Organisationsstruktur x eigene Führungskräfte und Mitarbeiter Aus dem Portfolio erkennt man, ob eine ausreichende Durchmischung vorliegt, um einerseits einen hohen Cashflow zu generieren und andererseits zukunftsorientierte Geschäftsfelder zu erschliessen. Damit wird der gegenwärtige und zukünftige Erfolg kontinuierlich weiter entwickelt und prognostiziert. Aufbauend auf der strategischen Ausrichtung müssen die Markt- und Wettbewerbsstrategien in den strategischen Geschäftsfeldern der strategischen Geschäftseinheiten für die operative Umsetzung verfeinert werden. Diese funktionale Strategieebene hat ausgeprägt operationellen Charakter mit klaren Ziel-, Leistungs- und Messgrössen; zu ihr (Bild 19) gehören: x x x x x
Leistungserstellungsprozessstrategie Marketingstrategie Personalstrategie Kooperations- und Beschaffungsstrategie Finanzierungsstrategien
Daraus entwickelt sich interaktiv die funktionale Organisationsstruktur der SGE. Die Umsetzung der Geschäftsfeldstrategie in die funktionale Strategie lässt sich am Beispiel der Wettbewerbsstrategie verdeutlichen. Zur Erreichung der Markt- und Wettbewerbsstrategieziele bedarf es einer detaillierten Marketingstrategie für das jeweilige Kundensegment des SGF. Zudem wird aus den Wettbewerbszielen die Kooperations- und Beschaffungsstrategie abgeleitet, um z.B. die Kostenführerschaft zu erreichen. 1.4.2 Gesamtstrategiebildungsprozess Betrachtet man primär die Probleme, die es zur Bestimmung des Verhaltens des Gesamtunternehmens zu lösen gilt, kann vom strategischen oder unternehmenspolitischen Problemlösungsprozess gesprochen werden. Der strategische Problemlösungsprozess untergliedert sich in (Bild 22) x den strategischen Analyseprozess und x den strategischen Gestaltungsprozess.
1 Strategieplanungsprozess
Formulierung der Unternehmenspolitik
SGE Geschäftseinheiten (SGE)
Strategischer Analyse- und Gestaltungsprozess
SWOT-Analyse
Handlungsanlternativen
Portfolioanalyse
Ziele / Ressourcen / SGE / Strukturen / generelle Wertschöpfung / Budgets / Vorgaben
Operativer Gestaltungsprozess
Strategisches Unternehmenscontrolling
Unternehmenspolitik Unternehmensstrategie (corporate strategy)
Implementierung der Unternehmenspolitik
Unternehmensanalyse
Gesamtunternehmen Globale Unternehmensanalyse
Wertvorstellungen Umfeldanalyse II SGEAnalyse
Interne Willensbildung Unternehmen
Zielbildung Mission / Vision
Unternehmenspolitik
Geschäftsfeldanalyse
Umfeldanalyse II
Gesamtunternehmen Spezifische strategische Geschäftsfelder
Strategischer Analyseprozess
Externe Willensbildung Umwelt
Strategische Geschäftsfelder (SGF) Geschäftsfeldstrategien (business strategy)
Ziele / Ressourcen / Leistungsinhalte / Wertschöpfungskette SGE / Budgeds / Vorgehen
Prozesse Struktur Zielerreichung SGF
Operatives Unternehmenscontrolling
36
Zielerreichung Gesamtunternehmen
Bild 22:
Strategischer Problemlösungsprozess
Im Rahmen der Bildung der Gesamtunternehmensstrategie werden in der strategischen Analyse folgende Grundlagen ermittelt: x Wertvorstellungen – Leitbild x Umfeldanalyse I – globales Umfeld x Unternehmensanalyse – Gesamtunternehmen Dabei wird dem Leitbild des Unternehmens aus Mission und Vision besondere Beachtung geschenkt. Die Grundlagen werden mittels Portfolioanalysen und SWOT-Analyse zur Entwicklung von Handlungsalternativen aufbereitet. Aus der Gesamtunternehmensanalyse und dem Leitbild wird die Unternehmenspolitik formuliert. Für deren Umsetzung wird eine adäquate Unternehmensstrategie gewählt, mit der die Ziele hinsichtlich x Bildung strategischer Geschäftsfelder (SGF) und Geschäftseinheiten, x Gesamtunternehmensstrukturen, x Zuteilung von Ressourcen und Budgets
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
37
umgesetzt werden. Für jedes strategische Geschäftsfeld (SGF) wird eine spezifische Geschäftsfeldanalyse mit folgenden Schwerpunkten durchgeführt: x Unternehmenspolitik – Vorgabe x Umfeldanalyse II – Geschäftsfeldanalyse mit Markt- und Branchenumfeld sowie Wettbewerbssituation x Geschäftseinheitsanalyse – Stärken und Schwächen der SGE sowie der Fähigkeiten und Synergien im Unternehmen Die Geschäftsfeldanalysen basieren auf den Vorgaben der Gesamtunternehmensstrategie. Die Ergebnisse der Geschäftsfeldanalysen werden mit Portfolioanalysen und der SWOT-Analyse zur Entwicklung von Handlungsalternativen aufbereitet. Aufbauend auf den Zielen und Strategien und Handlungsalternativen werden Geschäftsfeldstrategien entwickelt. Zur Implementierung der Geschäftsfeldstrategien müssen die Prozesse und Strukturen gestaltet und die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden. Die Operationalisierung der strategischen Geschäftsfeldziele erfolgt mittels Balanced Scorecard (BSC). Der strategische Problemlösungsprozess wird mittels des kybernetischen strategischen und operativen Controllingkreislaufs zur Zielerreichung geführt. 1.4.3 Strategischer Analyseprozess Als Basis für eine Planung der Gesamtunternehmens- und SGE-Strategie wird die SWOT-Analyse eingesetzt. Die SWOT-Analyse leitet sich aus den Begriffen Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Gefahren) ab. Sie stellt die unternehmerischen Stärken und Schwächen sowie die auf das Unternehmen einwirkenden Umfeldfaktoren/-szenarien gegenüber. Diese setzt man in einer Matrix miteinander in Beziehung und gewinnt daraus strategische Optionen in Form von direkt auf das Unternehmen einwirkenden strategischen Chancen und Gefahren. In Bild 23 ist der gesamte Analyse- und Planungsprozess für die Strategieentwicklung der strategischen Geschäftsfelder (SGF) bzw. strategischen Geschäftseinheiten (SGE), basierend auf dem Leitbild und der Gesamtunternehmensstrategie, dargestellt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Geschäftsfeldstrategie die Unternehmensstrategie sowie umgekehrt die Unternehmensstrategie die Geschäftsfeldstrategie interaktiv beeinflusst.
38
1 Strategieplanungsprozess
Bild 23:
Ablauf der strategischen Analyse und Planung in einem Unternehmen
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
39
Ausgangspunkt zur Durchführung der SWOT-Analyse ist einerseits die Umfeldbetrachtung mit den separaten Schwerpunkten „globales Umfeld“ und „Markt“ und andererseits die Unternehmensbetrachtung. Das systematische Scanning der Prämissen für Umfeld und Markt und das Monitoring relevanter Diskontinuitäten führen im Rahmen der Umfeldbetrachtung und -analyse zunächst zu latenten Chancen und Gefahren, die für das jeweilige Unternehmen lediglich einen potenziellen, aber keinen akuten Einfluss bedeuten. Die Unternehmensbetrachtung hingegen offenbart die internen Stärken und Schwächen des Unternehmens. Die Portfolioanalysen bezüglich: x Markt-Wettbewerbsposition zu externen Konkurrenten, x Markt-Wettbewerbsposition der internen strategischen Geschäftsfelder bzw. -einheiten untereinander, x Matrix zum Abgleich vorhandener mit erforderlichen Fähigkeiten in den strategischen Geschäftsfeldern, x Umsatz-Risikoausgleichsbetrachtung, x Gewinn-Risikopotenzial stellen die methodische, visuelle, quantifizierbare Unterstützung der Untersuchungen hinsichtlich Umfeld- und Unternehmenspotenzialen dar. Diese Inhalte der Analyse und ihre Auswertung gehen als Ausgangswerte in die SWOT-Analyse ein. Nach Abgleich der latenten Chancen und Gefahren von Markt und Umfeld mit den internen Stärken und Schwächen ergeben sich in der SWOTAnalyse die strategischen Risiken für das Unternehmen. Treffen eine allgemeine Chance und ein relevanter Stärkenüberschuss des Unternehmens aufeinander, so ergibt sich für das Unternehmen eine strategische Chance. Genau umgekehrt verhält es sich, wenn eine allgemeine Gefahr mit einem internen Schwächenüberschuss zusammen kommt, denn dann steht das Unternehmen einer strategischen Gefahr gegenüber. Im Rahmen des strategischen Managements sind besonders die strategischen Gefahren von Bedeutung, die sich aus den eigenen Schwächen und den latenten Gefahren ergeben. Die SWOT-Analyse bildet die Grundlage und den Ausgangspunkt für eine gezielte Analyse und Bewältigung der strategischen Gefahren und Nutzung der strategischen Chancen [1-31] und somit die Basis für die Bildung von Handlungsalternativen.
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1 Strategieplanungsprozess
Systematisches Scanning der Prämissen von Umfeld und Markt
Externe Analyse
Monitoring relevanter Diskontinuitäten
Identifizieren von Latente Chancen
Latente Gefahren
unternehmensintern Stärken
unternehmensintern
Schwächen
Schwächen
Stärken
SWOT-Analyse Stärkenüberschuss
Strategische Chancen für das Unternehmen
Bild 24:
Nach Abgleich der latenten Chancen und Gefahren von Umfeld und Markt mit den internen Stärken und Schwächen ergeben sich strategische Chancen und Gefahren für das Unternehmen
Schwächenüberschuss
Strategische Gefahren für das Unternehmen
Funktion der SWOT-Analyse bei der Analyse strategischer Handlungsalternativen [1-31]
Als Hilfsmittel zur Darstellung dient eine zweidimensionale Matrix, die sich aus einer Umfeld- und einer Unternehmensachse aufspannt (Bild 25). Beide Achsen werden anschliessend in ein positiv und ein negativ besetztes Feld unterteilt; die Unternehmensachse differenziert sich in Strengths (positiv) und Weaknesses (negativ), die Umfeldachse in Opportunities (positiv) und Threats (negativ). In diese Felder trägt man die wichtigsten Einflussfaktoren ein, die man im Zug der Umfeld- und Unternehmensanalyse ermittelt hat (Bild 25). Als letztes setzt man diese Faktoren miteinander in Beziehung und entwickelt daraus strategische Optionen (Handlungsalternativen), die sich in vier Gruppen aufteilen lassen: Strengths-Opportunities-Strategien (SO) Bei der Anwendung von SO-Strategien sollen mithilfe der internen Stärken des Unternehmens Chancen (Opportunities) im Umfeld, wie dies typischerweise bei Expansionsstrategien oder der Entwicklung neuer Dienste der Fall ist, genutzt werden. In einer solchen Konstellation spricht man auch von „strategic fit“, da das Unternehmen Ressourcen und Fähigkeiten besitzt und weiter ausbauen kann, um die sich ergebenden Marktchancen gezielt wahrzunehmen [1-25]. Strengths-Threats-Strategien (ST): ST-Strategien versuchen durch Einsatz der unternehmerischen Stärken die Bedrohung durch externe Umfeldfaktoren zu neutralisieren bzw. wenigstens zu mildern.
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
41
Weaknesses-Opportunities-Strategien (WO): WO-Strategien zielen darauf ab, an Chancen aus dem Umfeld zu partizipieren, um damit eigene Schwächen abzubauen oder zumindest teilweise zu entkräften. Diese Strategie ist insoweit gefährlich, da das Unternehmen kein „strategic fit“ aufweist, um die Chancen des Marktes mit den verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten zu nutzen [1-25]. Das Unternehmen müsste, wenn es die verlockenden Marktchancen nutzen möchte, die benötigten Ressourcen und Fähigkeiten systematisch aufbauen („strategic stretch“) [1-25] oder durch Kooperation hinzugewinnen. Weaknesses-Threats-Strategien (WT): WT-Strategien haben für das Risikomanagement eine besonders hohe Priorität, da ihre Entwicklung auf der Gegenüberstellung der internen Schwächen und der Gefahren des Umfelds beruht. Sie verfolgen die Absicht, durch eine Reduzierung der eigenen Schwächen Gefahren im Umfeld zu minimieren bzw. zu schrumpfen oder sich aus dem Geschäftsfeld zurückzuziehen. Umweltfaktoren
Opportunities
Threats
• Leichter Kaufkraftanstieg bei den Privathaushalten • Inflationsrate steigt nur langsam • Sehr niedriger Hypothekarzinssatz
• Vermieterunfreundlichere Änderung des Mietrechts • Sehr hohe Bodenpreise in Zürich und Umgebung • Harter Preiswettbewerb
SO-Strategie
ST-Strategie
Unternehmensfaktoren Strengths
• Flache Unternehmenshierarchie • Aufbau des Geschäftsfelds „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ • Kundennähe in der deutschzunächst in den Ballungsgebieten sprachigen Schweiz durch Zürich, Winterthur und Luzern, wo Niederlassungen in den bereits Niederlassungen bestehen Ballungsgebieten • Ankauf von Baugrundstücken; • Starkes Liquiditätspolster zum Teil mit Krediten • Fokussierung auf den Bau von Eigentumswohnungen
• Akquisition eines grösseren Wohnungsbauunternehmens mit Grundstücksbestand • Fokussierung auf den Bau von Eigentumswohnungen anstatt auf Mietwohnungen • Ankauf einiger Baugrundstücke mit dem vorhandenen Liquiditätspolster
Weaknesses
WO-Strategie
WT-Strategie
• Aufgrund der bisherigen Preisgestaltung (hohes Preisniveau durch hohe interne Kosten) bei zukünftigen „Allerwelts“Projekten nicht konkurrenzfähig • Keine Grundstücke für Promotionsprojekte im Firmenbesitz
• Eingehen von Kooperationen mit Unternehmen, die über Baugrundstücksflächen verfügen • Beschränkung auf den „exklusiven“ Wohnungsbau, um dem reinen Preiswettbewerb zu entgehen • Steigerung der Effizienz, um niedrigere interne Kosten zu erreichen
• Verwerfung der Idee, in das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ zu investieren; stattdessen Konzentration auf die bisherigen Geschäftsfelder oder Untersuchung anderer SGF • Steigerung der Effizienz, um niedrigere interne Kosten zu erreichen
Bild 25:
SWOT-Analyse eines Zürcher Generalunternehmens für den Einstieg in das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ (Handlungsalternativen)
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1 Strategieplanungsprozess
Die durch Anwendung der SWOT-Analyse generierten strategischen Optionen (Handlungsalternativen) basieren einerseits auf der Maximierung interner Stärken und Nutzung externer Chancen sowie andererseits auf der Minimierung interner Schwächen und Vermeidung externer Gefahren. Vorteilhaft gestaltet sich bei dieser Analyse die übersichtliche, integrierte Darstellungsweise, die notwendige Komplexitätsreduktion auf die wichtigsten Einflussfaktoren und ihre relativ einfache, direkte Verknüpfung, die die Erarbeitung der strategischen Optionen unterstützt. Problematisch ist hingegen, dass die SWOT-Analyse alle Optionen bzw. Handlungsalternativen gleich gewichtet und damit keine Schwerpunkte setzt. Zudem stellen sich Probleme bei der Abstimmung zwischen den einzelnen Optionen. Abhängigkeiten und Wechselwirkungen finden keine Berücksichtigung, was dazu führen kann, dass zwischen einzelnen Optionen prinzipielle Widersprüche bestehen können. Die geeignete Geschäftsfeldstrategie muss so ausgewählt werden, dass die steuernden Determinanten der Optionen in einer gewissen Bandbreite auf die prognostizierten Szenarienschwankungen anpassbar sind und die Ziele trotzdem erreicht werden. 1.4.4 Betrachtungsfelder des Analyseprozesses Umfeldanalyse
Einführung in die Umfeldbetrachtung Die grundsätzliche Problematik bei der Umfeldbetrachtung ist die Entscheidung, welche Einflusskräfte als relevant oder irrelevant einzustufen sind [1-17]. Prinzipiell kann man sich die Umwelt als unbegrenzte Menge von Einflusskräften vorstellen, von denen ein Unternehmen mit vertretbarem Ressourceneinsatz immer nur wenige erfassen und analysieren kann [1-31]. Der Fokus der Umfeldbetrachtung liegt daher in der Identifizierung der Einflussfaktoren, aus denen sich aus dem externen Umfeld Chancen und/oder Gefahren für die mittel- bis langfristige Geschäftstätigkeit, z.B. in einer strategischen Geschäftseinheit „Generalunternehmen Hochbau“, ergeben [1-16]. Das Umfeld lässt sich dabei in zwei für das Unternehmen bzw. das Geschäftsfeld des Unternehmens relevante Sektoren unterteilen (Bild 26). Zum einen ist das globale Umfeld (Umfeldanalyse I) Bestandteil der weiteren unternehmerischen Umwelt. Die relevanten Anspruchsgruppen aus dem globalen Umfeld sind: x Politik/Recht x Gesamtwirtschaft (Ökonomie)
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
43
x Ökologie x Gesellschaft/Bevölkerung (Soziokultur) x Technologie Zum anderen existieren das engere Umfeld des Unternehmens (Umfeldanalyse II), der Markt und die Branche für die strategischen Geschäftsfelder (SGF). Nach dem Fünf-Kräfte-Modell von PORTER [1-33] lässt sich der Markt in folgende fünf Anspruchsgruppen unterteilen: x x x x x
Absatzmarkt, Kunden und Investoren Wettbewerber in der Branche neue Anbieter Lieferanten, Kreditinstitute, Subunternehmer Substitutionsprodukte und –dienste Globales Umfeld Politik / Recht
Markt
Gesamtwirtschaft (Ökonomie)
Architekten, Projektentwickler oder Anlagenbauer treten als GU auf.
Neue Anbieter
Wettbewerber in der Branche
Lieferanten
Kunden
Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
Verhandlungsmacht der Abnehmer Bauherren, Investoren
Verhandlungsstärke der Lieferanten, Subunternehmer, Kreditinstitute
Substitutionsprodukte und -dienste Neue Projektabwicklungsformen, signifikant verschieden von der GU-Leistung
Technologie
Bild 26:
Gesellschaft / Bevölkerung (Soziokultur)
Ökologie
Das globale Umfeld und der Markt eines Unternehmens in Anlehnung an die fünf Wettbewerbskräfte von PORTER [1-33]
Umfeldanalyse I: Globales Umfeld des Gesamtunternehmens Das globale Umfeld stellt die Ebene mit dem höchsten Abstraktionsgrad dar. Seine Betrachtung erfordert die Unterscheidung von Bereichen wie x Politik/Recht, x Gesamtwirtschaft (Ökonomie), x Ökologie,
44
1 Strategieplanungsprozess
x Gesellschaft/Bevölkerung (Soziokultur), x Technologie, die globale Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln setzen. Im Zentrum der Betrachtung steht das permanente Aufspüren dominierender Trends, von denen anzunehmen ist, dass sie einen merklichen Einfluss auf die zukünftige Geschäftstätigkeit haben. Je früher diese Trends, die das Verhalten einzelner Anspruchsgruppen prägen, identifiziert und analysiert werden, desto eher ist das Unternehmen in der Lage, durch proaktive Handlungen Nutzen aus ihnen zu ziehen. Die Wirkung der politisch-rechtlichen Einflussfaktoren liegt in einer Veränderung der Abhängigkeits- und Machtstrukturen, indem durch die Gesetzgebung und Verordnungen Rechte zugewiesen werden. Ausschlaggebend hierfür und damit längerfristige Einflussfaktoren auf die Inlandsnachfrage nach Bauwerken sind die parteipolitische Entwicklung, die allgemeinen Tendenzen in der Wirtschaftspolitik, die u.a. die internen Rahmenbedingungen für einen Wirtschaftsstandort z.B. über die Vergabe von Subventionen festlegt, und auch die Aussenpolitik, die z.B. über Abkommen mit den Nachbarstaaten Regelungen für Importe und Exporte festschreibt. Spezielle Bereiche der Gesetzgebung wie z.B. das Mietrecht haben Einfluss auf einzelne Geschäftsfelder, z.B. den Mietwohnungsbau. Die Raumplanung durch die Ausweisung neuer Baugebiete und die Baugesetze haben direkten Einfluss auf die mögliche Bautätigkeit, ebenso wie die Submissionsgesetzgebung (vor allem für öffentlich ausgeschriebene Projekte), das Verbandsbeschwerderecht und die Steuergesetzgebung, die direkt auf die Nachfrage institutioneller Investoren, gewerblicher Selbstnutzer oder privater Wohnungsbauherren einwirkt. Auch die gesetzlichen Regelungen zur Gewährleistung beinhalten aufgrund ihrer langen Laufzeit strategische Gefahren. Gesamtwirtschaftliche (ökonomische) Einflussfaktoren beeinflussen primär das Angebots- und Nachfrageverhalten und wirken dadurch sekundär auf die Güter- und Kapitalmärkte einer Volkswirtschaft. Allgemeine ökonomische Faktoren, die direkt oder indirekt auf die gesamte Baunachfrage einwirken und damit strategische Risiken (sowohl Chancen als auch Gefahren) beinhalten, sind (Bild 32): x x x x x x
Allgemeines Wirtschaftswachstum Konjunkturentwicklung Zahl der Firmenkonkurse Höhe der öffentlichen Haushaltsausgaben Geschäftsklima Entwicklung der Fremdkapitalzinsen
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
x x x x x
45
Wirtschaftliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandorts Rohstoffversorgung und -preise Kaufkraftentwicklung Inflationsrate Entwicklung der Bodenpreise
Einflussfaktoren auf die Nachfrage von institutionellen Investoren und gewerblichen Selbstnutzern sind vor allem die Investitionsentwicklung der Wirtschaftsunternehmen, die wiederum vom gesamten globalen Umfeld abhängt. So können z.B. Währungsentwicklungen den wirtschaftlichen Erfolg der exportorientierten Unternehmen und damit deren Baunachfrage direkt betreffen. Für den Wohnungsbau sind neben der Entwicklung der Grundstückspreise auch die Höhe der Hypothekarzinsen, die Sparrate der privaten Haushalte und die Mietzinsentwicklung entscheidend. Ökologische Faktoren hängen eng mit der Energiepolitik und den Strömungen in der Umweltgesetzgebung zusammen. Sie haben grossen Einfluss auf Energiekosten, Rohstoffpreise, Recyclinggebühren und Entsorgungskosten. Gesellschaftliche/bevölkerungsbezogene (soziokulturelle) Einflussfaktoren wie z.B. die Beschäftigungspolitik, die Arbeitslosenquote, die demografische Entwicklung und die daraus resultierende Altersstruktur der Gesellschaft wirken auf Werte, Normen und die Struktur von Gesellschaften. Die geografische Verteilung der Bevölkerung auf die verschiedenen Regionen bzw. zwischen Stadt und Land muss sich z.B. auf die Niederlassungsstruktur eines Bauunternehmens und die bearbeiteten Geschäftsfelder auswirken. Neue Arbeitsformen, Informations- und Kommunikationstechnologie und das Mobilitätsverhalten wirken sich zudem auf die Nachfrage nach Büroraum aus. Technologische Faktoren haben Einfluss auf die Effektivität und Effizienz des Leistungserstellungsprozesses und die damit hergestellten Bauwerke. Sie entstehen aus der eingesetzten Produktionstechnologie, möglichen Produktions- und Prozessinnovationen, dem damit notwendigerweise verbundenen Wissenstransfer und möglichen Substitutionstechnologien. Die technische Nutzungsdauer baulicher Anlagen wirkt sich auf die Nachfrage nach Instandhaltungs-, Renovations- und Rückbauleistungen, verbunden mit Neubauten, aus. Die für Bauunternehmen relevanten Einflussfaktoren des globalen Umfelds, die sich letztlich alle auf das Gesamtnachfragevolumen nach Bauwerken bzw. auf Verschiebungen zugunsten bestimmter Regionalmärkte und Bauwerksarten innerhalb des bestehenden Gesamtvolumens auswirken, sind in komprimierter Form aus Bild 27 ersichtlich.
Bild 27: Gesamtwirtschaft (Ökonomie)
Allgemeine Faktoren • Wirtschaftswachstum • Konjunkturentwicklung • Zahl der Firmenkonkurse • öffentlicher Haushalt • Geschäftsklima • Entwicklung der Fremdkapitalzinsen • Wirtschaftliche Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandorts Gesetze und Vorschriften • Rohstoffversorgung • Raumplanung • Kaufkraftentwicklung • Inflationsrate • Mietrecht • Baugesetze • Entwicklung der • VerbandsBodenpreise beschwerderecht • SubmissionsInstitutionelle Investoren/ gesetzgebung Gewerbliche Selbstnutzer • Steuergesetzgebung • Investitionsentwicklung (z.B. Einkommensder Unternehmen besteuerung) • Währungsentwicklung • Gewährleistung Wohnungsbau • Hypothekarzinsentwicklung • Sparrate der Privathaushalte • Mietzinsentwicklung
Politisches Umfeld • parteipolitische Entwicklung • Entwicklungstendenzen in der Wirtschaftspolitik (z.B. Fiskalimpulse der öffentlichen Haushalte) • Subventionen • Innen- und Aussenpolitik
Politik/Recht • Energiepolitik • Strömungen im Umweltschutz • Energiekosten • Recycling • Entsorgung
Ökologie • Beschäftigungspolitik • Arbeitslosenquote • demografische Entwicklung (z.B. Altersstruktur) • geografische Verteilung der Bevölkerung (Stadt – Land) • neue Arbeitsformen • Mobilitätsverhalten • Freizeitverhalten • Ausbildungsqualität • Einkommensverteilung
Gesellschaft / Bevölkerung (Soziokultur)
Umfeldanalyse I - Globales Umfeld
• Produktionstechnologie • Produktinnovation • Prozessinovation • Substitutionstechnologien • Wissenstransfer • Technische Nutzungsdauer • Informatik und Telekommunikation
Technologie
46 1 Strategieplanungsprozess
Umfeldanalyse I – Chancen und Gefahren aus dem globalen Umfeld für Bauunternehmen (allgemeine Tendenzen und schwache Signale)
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
47
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; vielmehr soll sie aufzeigen, wie komplex und unterschiedlich die strategischen Einflussfaktoren des globalen Umfelds sind und welche Bereiche zur Auswahl geeigneter Indikatoren für die Identifizierung strategischer Risiken einer Geschäftseinheit oder des gesamten Unternehmens in Frage kommen. Umfeldanalyse II: Markt und Branche für strategische Geschäftsfelder Die Umfeldanalyse II – Markt- und Branchenumfeld analysiert für spezifische strategische Geschäftsfelder (SGF) die Marktpotenziale und Marktstruktur sowie die Wettbewerbssituation und Wettbewerbsinstrumente (Bild 28). Aus volkswirtschaftlicher Sicht bezeichnet der Markt die Gesamtheit von Anbietern und Nachfragern eines bestimmten Gutes oder einer bestimmten Gütergruppe und ihre wirtschaftlichen Beziehungen [1-4], [1-43]. Unter Beschaffungsmarkt versteht man dabei die Beziehungen zu den Lieferanten, unter Absatzmarkt die Beziehungen zu den Nachfragern. Voraussetzung einer langfristig ausgerichteten strategischen Planung sind neben einer geeigneten und sinnvollen Abgrenzung des betrachteten Marktes (Marktsegmentierung) auch Informationen und eine Einschätzung über seine Attraktivität. Die Marktabgrenzung gestaltet sich nicht einfach, da eine Vielzahl von Unternehmen und Produkten um die Befriedigung des Bedarfs der Kunden konkurriert. Letztlich stehen alle Produkte und damit alle Unternehmen in einer Konkurrenzbeziehung. Eine einmal getätigte Marktabgrenzung darf auf keinen Fall als statisch angesehen werden, da Märkte aufgrund ihrer Dynamik erfahrungsgemäss einer steten Veränderung unterliegen. Mit der Dynamik von Märkten ist zudem die Erkenntnis verbunden, dass Märkte nicht objektiv gegeben sind, sondern durch Unternehmen aktiv gestaltet werden können. Unternehmen schaffen neue Märkte. Dieser Vorgang treibt die Dynamik der Märkte und damit auch die Verwischung bisheriger Branchengrenzen voran [1-4]. Der relevante Markt eines Unternehmens bzw. einer strategischen Unternehmenseinheit besteht aus Wettbewerbern und Nachfragern, die für den Anbieter von Bedeutung sind und auf die er das eigene Verhalten ausrichtet. Für die Entwicklung einer Marktentwicklungsstrategie, die z.B. den Eintritt oder die Expansion in einem strategischen Geschäftsfeld zum Ziel hat, ist zudem die Marktattraktivität entscheidend. Sie drückt sich in der in einem Markt erzielbaren Rendite aus. Zu ihrer Prognose verwendet man die Marktanalyse. Die Marktanalyse setzt an den Kriterien zur Charakterisierung eines Marktes an und besteht aus den Parametergruppen [1-4] (Bild 28):
Bild 28:
Substitutionsprodukte
Kreditinstitute
Lieferanten
Nachunternehmen
Neue Anbieter
Wettbewerber • Anzahl • Potenzial
Kaufmotive • Bedarfsdeckung • Image
Kunden • öffentliche Bauherren / Investoren • private Bauherren / Investoren • professionelle Bauherren / Investoren
Marktgrösse / -volumen • lokal • regional • überregional • national • international
Marktwachstum • Hochbau • Tiefbau • Brückenbau • ... • ... • Hochbau GU • Hochbau TU • Tiefbau GU
Marktstruktur
Marktpotenzial
Wettbewerbsinstrumente
Eintrittsbarrieren • Investitionsumfang • Gewährleistungshöhen • Garantien
Auslastung der Unternehmen Differenzierungswahrnehmung • Qualität Personalmarkt • Leistungsbündel • Management • Preis • Arbeitsspezialisten • Differenzierung Art des Konkurrenzkampfes • • Preiskampf Absatzstruktur • Abgebotsmethoden • geografisch • freie Vergaben • direkt (professionelle Bauherren) • indirekt (Architekten)
Wettbewerbssituation
Umfeldanalyse II – Markt- und Branchenumfeld
48 1 Strategieplanungsprozess
x Marktpotenzial x Marktstruktur
Umfeldanalyse II - Chancen und Gefahren aus dem direkten Marktund Branchenumfeld für die strategischen Geschäftseinheiten
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
49
Marktpotenzial Das Marktpotenzial eines strategischen Geschäftsfelds (SGF) ist durch die gegenwärtige Marktgrösse und das erwartete künftige Marktwachstum charakterisiert. Die Marktgrösse gibt das aktuelle Umsatzpotenzial an, das der Markt bietet. Entscheidend ist allerdings die Prognose der zukünftigen Wachstumsraten und in welcher Phase des Marktzyklus eine Branche, ein Produkt oder ein Leistungsangebot sich befindet [1-14]. Marktstruktur Nach PORTER [1-33] ergibt sich die Marktstruktur eines strategischen Geschäftsfelds aus fünf Wettbewerbskräften, die Einfluss auf die Rentabilität eines Marktes und damit auf die Marktattraktivität nehmen: x x x x x
Absatzmarkt, Kunden und Investoren Wettbewerber in der Branche neue Anbieter Nachunternehmer, Lieferanten und Kreditinstitute Substitutionsprodukte und -dienste
Absatzmarkt, Kunden und Investoren (Bauherren) Kunden und ihre Aggregation in Form von Absatzmärkten bilden die Nachfrageseite wirtschaftlicher Transaktionen. Der Absatzmarkt besteht dabei aus allen Kunden, die tatsächliche oder potenzielle Käufer eines Produkts oder einer Dienstleistung sind [1-31]. Das Renditeniveau des Absatzmarktes ist über die Zahl und Grösse der Abnehmer, ihre Verhaltensstruktur (Bindung zwischen Käufer und Produkt) und die Preissensitivität charakterisiert. Um die Charakteristiken eines Absatzmarktes herauszuarbeiten, kann man sich an sechs zentralen Fragestellungen orientieren (Bild 28) [1-29]: 1. Wer bildet den Markt? (Marktteilnehmer) 2. Was wird auf dem Markt verkauft? (Kaufobjekte) 3. Wann wird gekauft? (Kaufanlässe) 4. Wer tätigt den Kauf? (Kaufakteure) 5. Warum wird gekauft? (Kaufziele) 6. Wie wird gekauft? (Kaufpraktiken) Aus der Beantwortung dieser Fragen ergeben sich die wichtigsten Einflussfaktoren von Kunden und Absatzmarkt auf die unternehmerische Geschäftstätigkeit des strategischen Geschäftsfelds (SGF). Wesentlich ist zunächst die Segmentierung der Auftraggeber hinsichtlich verschiedener Nachfragekriterien [1-14]. Die relevanten Kunden für z.B. Generalunternehmen sind in Bild 29 dargestellt.
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1 Strategieplanungsprozess
Definition von Auftraggeberarten Segmentierungskriterium
Auftraggeberarten/ -gruppen
Massgebliches Charakteristikum der Nachfrage • formalisierte Beschaffung
öffentlich/privat
• öffentliche Organisationen bzw. private Institutionen in staatlicher Monopolfunktion • private Organisationen
• freie Gestaltung der Beschaffung
Zweck der Immobilieninvestition
• gewerbliche Selbstnutzer
• Befriedigung eines Nutzungsbedürfnisses
• institutionelle Investoren
• Immobilieninvestition zur Kapitalanlage
Nachfragehäufigkeit und -volumen
• Gelegenheitsauftraggeber
• seltene bzw. geringe Nachfrage
• professionelle Auftraggeber
• kontinuierliche bzw. hohe Nachfrage
Bild 29:
Segmentierung der Auftraggeber von Generalunternehmen [1-39]
Weitere Einflussfaktoren auf die strategische Risikosituation aus dem Unternehmensumfeld durch die Ausrichtung auf Kunden und Absatzmarkt sind: x x x x x
Segmentierung in Bezug auf nachgefragte Projektarten Segmentierung in Bezug auf die nachgefragte Projektgrösse Segmentierung in Bezug auf die nachgefragte Projektabwicklungsform Geografische Nachfragesegmentierung Kaufkriterien der Kunden (Kaufanlässe, Kaufakteure, Kaufziele und Kaufpraktiken) - hoher Umsatzanteil mit wenigen Industriekunden - Nachfrage nach Komplettlösungen - Auswahlmöglichkeit x Insgesamt in den Segmenten nachgefragtes Marktvolumen und der damit verbundene Marktsättigungsgrad x Stabilität des Bedarfs Wettbewerber in der Branche Das nächste Segment der Umfeldbetrachtung bei der Identifikation der strategischen Risiken ist die Angebotsseite des Marktes des strategischen Geschäftsfelds. Die Untersuchung des Wettbewerbsumfelds gibt Aufschluss über die eigene derzeitige Wettbewerbsposition und welche Gefahren und Chancen sich aus Veränderungen des Wettbewerbsumfelds für ein Bauunternehmen ergeben. Das Wettbewerbsverhalten der etablierten Unternehmen untereinander steht im Zentrum der Wettbewerberanalyse in der Branche. Der Rivalitätsgrad der etablierten Unternehmen untereinander ist massgeblich von den ersten vier Wettbewerbskräften geprägt; so führt bei-
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
51
spielsweise eine hohe Konzentration der Kunden auf der Abnehmerseite zu einem intensiven Wettbewerb der anbietenden Unternehmen um diese wenigen Kunden. Zusätzlich ist der Rivalitätsgrad durch folgende Faktoren bestimmt [1-31]: x Wachstum der Branche: In stagnierenden oder schrumpfenden Branchen ist die Wettbewerbsintenistät meist höher als in wachsenden Branchen. x Ausmass der Produktdifferenzierung: Eine fehlende Produktdifferenzierung führt im Fall des Ausweichens auf ein anderes Produkt zu niedrigeren Kosten bei den Abnehmern. Wenn es einfach ist, den Hersteller zu wechseln, erhöht sich der Anreiz, einem Konkurrenten durch gezielte Massnahmen Kunden abzunehmen. x Ausmass der Überschusskapazität: Sind in einer Branche Überkapazitäten aufgebaut worden, so kommt es anschliessend in der Regel zu einem harten, wenn nicht ruinösen Preiskampf. Die im Markt agierenden Unternehmen versuchen, ihre Kapazitäten weiterhin gut auszulasten und den Wettbewerber durch Skaleneffekte aus dem Markt zu drängen. x Austrittsbarrieren: Sie bilden das Gegenstück zu den Eintrittsbarrieren einer Branche, indem sie den Austritt von Unternehmen aus dem Markt entweder behindern bzw. stark verteuern oder aber erleichtern. Ein genaues Bild der eigenen Wettbewerbsposition kann eine Betrachtung der strategischen Gruppe bringen. Als strategische Gruppe bezeichnet man eine Menge von Unternehmen in der Branche, die dieselbe oder eine ähnliche Strategie verfolgen [1-33]. Der grösste Vorteil dieser Betrachtungsvariante ist, dass der Fokus auf die Unternehmen einer Gruppe, wo der entscheidende Marktwettbewerb stattfindet, gelenkt wird. So haben z.B. grosse Konzerne aufgrund ihrer Struktur und Marktteilnahme eventuell andere Risikoeinflussfaktoren als kleine Unternehmen, die zwar zur gleichen Branche, aber nicht zu dieser strategischen Gruppe gehören. Das genaueste Ergebnis liefert die direkte Betrachtung eines Konkurrenten. Dies ist besonders für Unternehmen mit wenigen Mitbewerbern am Markt wichtig. Ziel der Konkurrentenanalyse ist es, x Aufschluss über die zukünftigen Strategien und Ziele des Konkurrenten zu erhalten, x die Reaktionen des Konkurrenten auf eigene Aktionen abzuschätzen und x Anhaltspunkte zu erhalten, wie man das Verhalten des Wettbewerbers zum eigenen Nutzen hin beeinflussen könnte.
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1 Strategieplanungsprozess
Neue Anbieter Die Bedrohung durch neue Anbieter hängt nach PORTER [1-33] von den Markteintrittsbarrieren im strategischen Geschäftsfeld für Newcomer ab. Ihre Höhe wird von verschiedenen Faktoren bestimmt: x x x x x x x x x
Skaleneffekte (economies of scale) unternehmenseigene Produktunterschiede bzw. Leistungsangebote Markenidentität und Käuferloyalität Kapitalbedarf Umstellungskosten Distributionszugänge absolute Kostenvorteile vertragliche Bindungen der Abnehmer staatliche Regulierung
In vielen Bereichen der Bauindustrie sind die Markteintrittsbarrieren sehr gering, z.B. im Wohnungsbau und im Bau kleinerer Geschäftshäuser, da die Erstellung solcher Projekte wenig Know-how und Maschinen erfordert. Dies trifft auch auf den Bereich der Projektentwicklungen mit kleinem Bauvolumen zu, die ausser von spezialisierten Projektentwicklern auch von Bauunternehmen und Architekten angeboten werden. Je maschinenintensiver und erfahrungsbasierter eine Projekterstellung ist, desto höher liegen die Markteintrittsbarrieren. Der Tunnelbau z.B. ist wesentlich anspruchsvoller als der Wohnungsbau; entsprechend gibt es auch weniger Unternehmen, die auf dem Sektor des Tunnelbaus agieren können. Im Generalunternehmersektor steigen die Markteintrittsbarrieren mit der Grösse des Bauvolumens, der Anzahl der Projektbeteiligten und den angebotenen Leistungsphasen deutlich an, da das Know-how bei der Vorfinanzierung, dem Schnittstellenmanagement und eventuell dem Facility Management in den Vordergrund tritt. Am höchsten sind die Markteintrittsbarrieren bei der Erbringung von Gesamtleistungen nach dem Systemanbieterkonzept [1-13]. Nachunternehmer, Lieferanten und Kreditinstitute Nachunternehmer, Lieferanten und Kreditinstitute bestimmen massgeblich den Beschaffungsmarkt für Bauunternehmen. Die Qualität des Beschaffungsmarktes ist abhängig von der Qualität der zu erbringenden Leistung bzw. der zu liefernden Produkte und Güter, von der Verhandlungsstärke der Nachunternehmer, Lieferanten und der Kreditinstitute sowie von der Entwicklung der Preise für die zu beschaffenden Leistungen, Produkte und Güter. Nachunternehmer führen auf dem Baumarkt bestimmte Gewerke im Auftrag von Bauunternehmen aus. Lieferanten liefern z.B. Baustoffe wie
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
53
Zement oder Systemkomponenten der Klimatechnik. Nachunternehmer, Lieferanten und Kreditinstitute beeinflussen die Profitabilität der Branche, indem sie Güter und Dienstleistungen verkaufen, die als Input für den Leistungserstellungsprozess der Bauunternehmen benötigt werden. Können sie für ihre Leistungen, Produkte oder Güter hohe Preise durchsetzen, dann reduziert sich im Gegenzug die Gewinnmarge, die in der Branche zu erzielen ist [1-31]. Die Risiken der Preisentwicklung für Nachunternehmerleistungen und Lieferanten werden durch folgende Faktoren beeinflusst: x Einkaufspolitik der einzelnen Bauunternehmen x Anzahl der für die jeweils nachgefragte Leistung vorhandenen Nachunternehmer x Qualitätsniveau der durch die Nachunternehmer erbrachten Leistungen x Verhältnis aus dem (regional) nachgefragten Marktvolumen und dem vorhandenen Marktpotenzial Bauunternehmen greifen zur Finanzierung ihrer geschäftlichen Aktivitäten auf Eigenkapital und, je nach benötigtem Umfang, Fremdkapital zurück. Erwirtschaftet das Unternehmen selbst nicht genügend Eigenkapital für die Finanzierung, kann es sich unterschiedlicher Arten von Kapitalgebern bedienen. Kreditinstitute fungieren dabei als Fremdkapitalgeber; Investoren stellen Eigenkapital zur Verfügung. Um strategische Chancen wahrnehmen und strategische Gefahren bei der Unternehmensfinanzierung (Finanzierungsrisiken) vermeiden zu können, sind Anbieter von Fremdkapital bezüglich folgender Fragestellungen zu untersuchen [1-31]: x Welchen Stellenwert besitzen die Baubranche und dabei im Speziellen die Anbieter von Gesamtleistungen bei dem Kreditinstitut? x Welche Finanzierungsprodukte bietet das Kreditinstitut an? Sind sie ausreichend und flexibel genug? x Welche Rating-Anforderungen stellt die Bank (z.B. Basel II)? x Wie kompetent ist die Beratungsleistung? x Ist die Bank gegenüber anderen Kreditgebern konkurrenzfähig? x Ist die Beziehung „belastbar“? Wie verhält sich die Bank gegenüber Kunden mit angespannter Liquidität? Droht sie rasch, Kredite fällig zu stellen? x Wie ist das Vertrauensverhältnis zu Schlüsselpersonen? Zur Abwägung der Risiken bei Investoren, die die Eigenkapitalbasis des Unternehmens erhöhen möchten, ist die Klärung folgender Fragen hilfreich [1-31]:
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1 Strategieplanungsprozess
x Unter welchem Performance-Druck steht der Investor? x Welchen Zeithorizont verfolgt er mit seiner Anlageentscheidung? x Mit welcher Risiko-/Gewinnerwartung bringt er sein Eigenkapital in das Unternehmen ein? x Welchen Einfluss wird er auf die Strategie des Unternehmens nehmen? Wie stark möchte er in das Tagesgeschäft involviert sein? x Wie reagiert er auf ungünstige Geschäftsentwicklungen? Zieht er in diesem Fall zügig sein Kapital ab? x Welche Daten sind für ihn besonders wichtig? Prinzipiell ergeben sich Chancen und Gefahren für Bauunternehmen durch die Branchenzugehörigkeit aus folgenden charakteristischen Merkmalen, die damit gleichzeitig als Einflussfaktoren für die strategischen Risiken fungieren: x x x x x x x
Grösse der einzelnen zur Branche gehörenden Unternehmen Anzahl der zur Branche gehörenden Unternehmen Ziele/Strategien der zur Branche gehörenden Unternehmen Innovationstätigkeit Organisation der Branche (z.B. Verbände, aufgrund von Absprachen) Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber Substituierbarkeit der Leistungen, z.B. durch alternative Projektabwicklungsformen x Geografische Segmentierung der Branche (z.B. in Ballungsgebieten) x Wachstum der Branche x Ausmass der bestehenden Überkapazitäten Latente Chancen und Gefahren aus der Umfeldanalyse Latente Gefahren aus dem Einflussbereich des externen Umfelds, das aus Kunden, Bauherren und Absatzmarkt, Wettbewerbern und der Branche, Kreditinstituten und Finanzinvestoren sowie dem globalen Umfeld besteht, resultieren hauptsächlich aus dem zu späten Erkennen von Entwicklungstendenzen, so dass sich eventuell daraus ergebende Chancen nicht genutzt werden können bzw. auf aufkommende Gefahren und deren mögliche Folgen nicht rechtzeitig reagiert werden kann. In Bild 30 sind einige Risiken exemplarisch beschrieben.
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
Risiko Chance/Gefahr
Beschreibung des Risikos
Einflussbereich
Nachfragesog bzw. Sättigungsgefahr in einzelnen Geschäftsfeldern (z.B. schlüsselfertige Erstellung von Büroflächen), die zu Überangebot und Tiefstpreisen führen und den Aufbau alternativer Erfolgspotenziale erfordern
Kunde Absatzmarkt
Chance - Gefahr
Hohe bzw. ungenügende Angebotskapazität, zu wenig (fähige) Subunternehmer in Phasen überhitzter Baukonjunktur
Wettbewerber, Branche und Lieferanten
Chance - Gefahr
Rückläufige Margen und Umsätze infolge steigender Hypothekarzinssätze (betrifft vor allem den Wohnungsbau)
Umfeld ökonomisch
Gefahr
Gesetzliche Änderungen wie z.B. beim Mietrecht, die grosse Auswirkungen auf die Nachfrage in einzelnen Geschäftsfeldern, z.B. dem Mietwohnungsbau, haben
Umfeld - rechtlich
Chance und Gefahr
Ändernde Submissionsgesetze, die aufgrund neuer Wettbewerbsformen (z.B. Gesamtleistungswettbewerb) neue Fähigkeiten erfordern
Umfeld - politisch
Chance und Gefahr
Nachfrage nach neuen Dienstleistungen (z.B. Gebäude mit optimierter Bewirtschaftung/Nettorendite als Wettbewerbskriterium), die neues Know-how, neue Verfahren und Technologien erfordern
Kunde Absatzmarkt
Chance und Gefahr
Chancen für energiesparende Bau- und Gebäudetechnikkonzepte bei ansteigenden Energiepreisen
Umfeld ökologisch
Chance
Bild 30:
55
Beispiele für Chancen und Gefahren aus der Umfeldbetrachtung
Unternehmensanalyse
Neben den Einflusskräften des Umfelds entscheiden auch die Einflusskräfte des Unternehmens selbst, also die internen Faktoren aus Ressourcen, Fähigkeiten und besonderen Kernkompetenzen, über Erfolg bzw. Misserfolg der Geschäftstätigkeit [1-17]. Bei der Unternehmensanalyse ist es zweckmässig, sich auf die Betrachtung der relevanten Geschäftseinheit, d.h. auf eine strategische Geschäftseinheit, zu beschränken. Während die Einflusskräfte des Umfelds Chancen und Gefahren für das Unternehmen darstellen, hat die Unternehmensbetrachtung die Ermittlung der internen Einflussfaktoren und der daraus resultierenden Stärken und Schwächen zum Ziel. Die Unterteilung der Ressourcen eines Unternehmens in materielle und immaterielle Ressourcen geht auf BARNEY [1-3] und GRANT [1-18] zurück. Die Synthese ihrer Einteilung führt zur Ressourcenpyramide eines Unternehmens, die in Bild 31 dargestellt ist. Materieller Natur sind finanzielle, physische und IT-basierte Ressourcen; dagegen zählen Soft-, Human-, strukturelle und kulturelle Ressourcen zu den immateriellen Ressourcen.
56
1 Strategieplanungsprozess
Ressourcen eines Unternehmens
materielle Ressourcen
finanzielle Ressourcen
physische Ressourcen
IT-basierte Ressourcen
• Finanzstruktur - Eigenkapital - Fremdkapital • Kostenstruktur - fixe Kosten - variable Kosten
• Rohstoffe • Maschinen • Gebäude • Grundstücke •…
• Software • Hardware • Netze •…
Bild 31:
immaterielle Ressourcen
Softressourcen
• Firmenruf • Patente • Daten • Lizenzen •…
Humanressourcen
strukturelle Ressourcen
• Ausbildungsstand der Mitarbeiter •…
• Aufbauorganisation • Ablauforganisation • Managementsysteme • Prozesse
kulturelle Ressourcen
• Unternehmenskultur • Leistungsbereitschaft • Kooperationsverhalten •…
Die Ressourcenpyramide eines Unternehmens [1-31]
Bei der modernen Unternehmensanalyse (Bild 32)ist aber nicht allein die fokussierte und isolierte Betrachtung einzelner Ressourcen bedeutend, sondern auch die Art und Weise, wie Ressourcen miteinander kombiniert und verknüpft werden. Dies spiegelt sich in den organisationalen Fähigkeiten, die als komplexe Interaktions-, Koordinations- und Problemlösungsmuster zu verstehen sind, wider [1-31]. HAMEL und PRAHALAD [1-21] führen zusätzlich zu den Ressourcen und organisationalen Fähigkeiten neu die Kernkompetenzen, über die ein Unternehmen bei der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen verfügen muss, als wichtige Erfolgsfaktoren zur Generierung von nachhaltigem, unternehmerischem Erfolg an. Kernkompetenzen sind durch vier Eigenschaften charakterisiert, die streng genommen alle gleichzeitig erfüllt sein sollen: x Sie müssen wertvoll sein und damit über Effizienz und Effektivität zu einer verbesserten Leistung führen, die der Markt wahrnimmt. x Sie müssen selten sein, um eine Differenzierung gegenüber den Konkurrenten zu ermöglichen. x Sie müssen schwer oder (zumindest eine gewisse Zeit) nicht imitierbar sein, um einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern wahren zu können. x Sie dürfen nicht substituierbar sein, um durch ihren Ersatz nicht von anderen Konkurrenten neutralisiert zu werden. Mithilfe der Unterscheidung der internen Einflusskräfte in Ressourcen, Fähigkeiten und Kernkompetenzen können nun die unternehmerischen
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
57
Einflussfaktoren, die die Stärken und Schwächen eines Bauunternehmens beinhalten, identifiziert werden. Die Einteilung der internen Einflussfaktoren erfolgt unter pragmatischen Gesichtspunkten wie folgt (Bild 31): x x x x x x
Prozessstrukturen Organisationsstrukturen Finanzen (z.B. Kosten- und Finanzstruktur) Management/Personal Marketing Kapazitätsauslastung und Leistungserstellung
Strategische Risiken bestehen in der Gestaltung der Unternehmensprozesse wie Führungs-, Leistungserstellungs- und Supportprozesse; diese sollten generell auf Effizienz und Effektivität sowie zielorientiert auf den eigentlichen Zweck des Prozesses ausgerichtet sein. Wichtige Supportprozesse wie z.B. Risiko-, Wissens- und Innovationsmanagement sowie geeignete Kontroll- und Frühwarnsysteme, z.B. im Rahmen des betrieblichen Controllings, können durch ihre wirkungsvolle Implementierung den Erfolg der Geschäftstätigkeit verbessern. Die Zweckmässigkeit der Organisationsstruktur eines Bauunternehmens, die sich u.a. in der Anzahl der Hierarchieebenen äussert, ist von Bedeutung für z.B. die schnelle Entscheidungsfindung aufgrund der Verteilung von Verantwortung und der Zahl der zu konsultierenden Entscheidungsträger. Auch die geografische Organisation und die Anzahl der Niederlassungen sind strategische Risikofaktoren, da hierbei von der Unternehmensleitung zu entscheiden ist, wie nah man am Kunden operieren möchte, wobei durch viele Niederlassungen wiederum ein grosser Kostenblock entsteht, der die Rentabilität in Frage stellen kann. Weiter beinhalten Beteiligungen an und Kooperationen mit anderen Unternehmen ein strategisches Risikopotenzial. Die Finanzen eines Bauunternehmens stellen einen wichtigen Bereich strategischer Risiken dar. Die entsprechenden Risikoindikatoren müssen daher systematisch erfasst und besonders sorgfältig analysiert und miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Eventuell zu hoch gesteckte Umsatzziele können dazu führen, dass unrentable Aufträge allein wegen der möglichen Umsatzgenerierung in das Projektportfolio übernommen werden. Die Finanz- und Kostenstruktur gibt Aufschluss darüber, wie flexibel das Unternehmen z.B. auf Umsatzeinbussen reagieren kann, ohne dass dadurch eine Kostenfalle oder Liquiditätsgefährdung entsteht. Die Höhe des gesamten aufgenommenen Fremdkapitals hat aufgrund der zu leistenden Zinszahlungen direkten Einfluss auf die monatliche Liquidität,
Bild 32:
Organisation • Zweckmässigkeit der Struktur (z.B. Hierarchieebenen) • Geografische Organisation (Zentrale, Niederlassungen) • Anzahl der Niederlassungen • Beteiligungen/ Kooperationen
Prozesse • Führungsprozesse • Leistungserstellungsprozess • Supportprozesse (Risikomanagement, Innovations-/ Wissensmanagement) • Kontrollsysteme
Prozesse/ Organisation
• Umsatzziele • Finanzstruktur (Eigenkapital/ Fremdkapital) • Kostenstruktur (fixe Kosten/ variable Kosten) • Umfang des vorhandenen Eigenkapitals • Umfang des aufgenommenen Fremdkapitals • Liquidität • Kreditlinien • Stille Reserven • Investitionsintensität • Bilanzkennzahlen • Rating (z.B. Basel II)
Finanzen
Personal • Mitarbeiterkompetenz • Mitarbeiterkapazität • Mitarbeiterzufriedenheit • Lohnniveau • Arbeitseinsatz • Überstundenentwicklung • Betriebsklima • Mitarbeiterförderung/ -fortbildung
Management • Managementkompetenz • Management in den Niederlassungen • Unternehmenskultur und Werte • Firmenimage • Delegierung von Autorität • Belohnungssystem
Management/Personal • Marktorientierte Geschäftsfelder, ausgerichtet auf - Objekttypen - Kunden (z.B. Key Accounts) - Regionen • Differenzierung der Geschäftsfelder • Preispolitik • Marktanteil in den verschiedenen Geschäftsfeldern
Marketing • Auftragsbestand • Auftragseingänge • Beschaffung von Subunternehmern/ Lieferanten • Grundstücke für Promotion • Produktionsmittel • Produktionstechnologie • Produktionskapazitäten • Produktivität/Kapazitätsauslastung (z.B. Umsatz/Mitarbeiter) • Qualität, QM, QS (Fehlerhäufigkeit) • Vertikale Integration
Kapazitätsauslastung/ Leistungserstellung
Unternehmens- bzw. Geschäftseinheitsanalyse
58 1 Strategieplanungsprozess
die weiterhin vor allem durch die Abstimmung der projektspezifischen Termin- und Zahlungspläne festgelegt wird. Eine vorausschauende Liquiditätsplanung kann aufkommende Engpässe frühzeitig sichtbar machen. Weiter ausschöpfbare Kreditlinien und stille Reserven können in Krisenzeiten ein überlebenswichtiges Polster darstellen.
Unternehmens- bzw. Geschäftseinheitsanalyse – Stärken und Schwächen eines Bauunternehmens
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
59
Die Intensität, mit der ein Bauunternehmen z.B. in Grundstücke für zukünftige Promotionsprojekte investiert, bestimmt die längerfristige Kapitalbindung und ist daher unter strategischen Gesichtspunkten mit Risiken verbunden. Die Bilanzkennzahlen und das unternehmensspezifische Rating, z.B. nach Basel II, entscheiden über die Kosten der Fremdkapitalbeschaffung bei Kreditinstituten und enthalten dadurch ein strategisches Risikopotenzial. Wichtige Einflussfaktoren des Bereichs Management/Personal betreffen die Managementkompetenz der Geschäftsleitungen in der Zentrale, den strategischen Geschäftseinheiten und Niederlassungen sowie der Projektund Bauleitungen. Weiterhin sind die Unternehmenskultur bzw. -werte, das Firmenimage, der Grad der Autoritätsdelegierung auf die Leiter der verschiedenen Hierarchieebenen und das Vorhandensein eines Belohnungssystems in Abhängigkeit von den erzielten Projekt-, Niederlassungs-, Sparten- und Unternehmensergebnissen als strategische Risikofaktoren auszumachen. Einflussfaktoren im Bereich Personal sind die Mitarbeiterkompetenz, die Mitarbeiterkapazität und die Mitarbeiterzufriedenheit. Auch der Arbeitseinsatz der Mitarbeiter, die Entwicklung der Überstundenkontingente, das allgemeine Betriebsklima und das Lohnniveau im Vergleich zur Konkurrenz sind Indikatoren, die das Entstehen strategischer Risiken andeuten können. Die gezielte Mitarbeiterförderung und -fortbildung stellen eine strategische Chance dar, sich gegenüber der Konkurrenz durch gezieltes Know-how und Fachkompetenz einen Vorteil zu verschaffen, wohingegen ihre Unterlassung Gefahren für die Projektabwicklung birgt. Anhand der Art und Häufigkeit von Fehlern, deren Erfassung über das QS- und QMSystem erfolgt, kann abgeschätzt werden, ob im Personalbereich z.B. über zusätzliche Schulungen oder besser geeignete Mitarbeiter Handlungsbedarf besteht. Das Risikopotenzial aus dem Marketingbereich ergibt sich aus der Selektion der marktorientierten Geschäftsfelder, die z.B. auf spezielle Leistungsangebote, bestimmte Bauwerkstypen, Kundengruppen sowie Key Accounts und geografische Regionen ausgerichtet sind. Zusätzlichen Einfluss haben die Differenzierung der Geschäftsfelder, die eigene Preispolitik, die sich den Marktgegebenheiten anpassen muss, und der eigene Marktanteil in den verschiedenen Geschäftsfeldern. Im Rahmen der Leistungserstellung stellt die Kapazitätsauslastung einen Indikator für strategische Risiken im Bereich der Bauproduktion dar. Sie wird aus dem Quotienten der für den Bestand an Aufträgen und Auftragseingängen der nächsten Geschäftsquartale budgetierten Kapazität des Leistungserstellungsprozesses und der vorhandenen Kapazitäten ermittelt.
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1 Strategieplanungsprozess
Durch Outsourcing lohnintensiver Leistungen und durch eine schlanke Organisation lässt sich das Problem der Kapazitätsauslastung erheblich reduzieren. Dabei ist aber zu beachten, dass man die Kernkompetenzen zur Erhaltung der Systemführerschaft im Unternehmen behält. Zudem können sich beim Outsourcing folgende Probleme und Risiken ergeben: x Preisrisiko – Je nach Entwicklung der Nachfrage zwischen Angebotsabgabe und Beauftragung kann der Marktpreis schwanken, so dass das ein Generalunternehmen möglicherweise bei Auftragserteilung einen höheren Preis bezahlen muss als im Angebot berücksichtigt. Die Chancen für das Generalunternehmen bestehen jedoch auch darin, den Vergabegewinn zu erhöhen. x Preissicherheit – Nach Beauftragung mit einem Gewerke-Pauschalpreis hat das Generalunternehmen aufgrund der Abkopplung von den wirklichen Kosten der Leistungserstellung eine relativ hohe Preissicherheit. Beim Einsatz von Subunternehmern mit einem geringen finanziellen „Standing“ ist das Generalunternehmen jedoch erpressbar, da bei ihnen kaum eine Konventionalstrafe aufgrund einer Bauzeitverzögerung einzutreiben ist. x Termin- und Qualitätsrisiken steigen, weil das Generalunternehmen keinen direkten Einfluss auf den Leistungserstellungsprozess hat. x Gewährleistungsrisiken steigen, da nicht jeder Subunternehmer (gerade die Billigsten) ein nachhaltiges finanzielles „Standing“ hat. Auch der Bestand an Grundstücken für die Promotionstätigkeit beinhaltet durch die Kapitalbindung strategische Gefahren, während das Innehaben von Vorkaufsrechten aufgrund der kapitallosen Bindung Chancen eröffnet. Die eigentliche Bauproduktion enthält ebenfalls strategische Risiken aufgrund des erforderlichen Know-hows bei Einsatz, Überwachung und Abnahme von Subunternehmerleistungen mit neuen Produktionsmitteln und -technologien. Auch bei Generalunternehmern bzw. Generalübernehmern, die ja selbst meist keine Ausführungsleistungen erbringen, zeigt die Kapazitätsauslastung bzw. Produktivität, z.B. über die Kennzahl Umsatz/Mitarbeiter, an, ob der Einsatz des Bauleitungs- und Projektmanagementpersonals unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten optimal erfolgt. Die für Bauunternehmen relevanten internen ressourcenorientierten Einflussfaktoren sind in komprimierter Form in Bild 32 dargestellt. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; vielmehr soll sie aufzeigen, wie komplex und unterschiedlich diese Einflussfaktoren sind und welche
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
61
Bereiche zur Auswahl geeigneter Indikatoren für die Identifizierung strategischer Risiken einer Geschäftseinheit oder des gesamten Unternehmens in Frage kommen. Stärken und Schwächen des Unternehmens aus der internen Betrachtung Strategische Schwächen aus dem internen Einflussbereich (den Prozessen, der Organisation, den Finanzen, dem Management, dem Personal, dem Marketing und der eigentlichen Leistungserstellung) resultieren hauptsächlich aus einer nicht optimalen Ressourcenbewirtschaftung. Durch effektive Prozesse und Kontrollsysteme, eine optimal auf den Markt ausgerichtete Organisation, eine gesunde Finanzbasis, durch Mitarbeiter mit Erfahrung und hohem Know-how sowie durch marktorientierte Geschäftsfelder bieten sich Bauunternehmen allerdings strategische Chancen, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. In Bild 33 sind einige strategische Risiken, die sich aus den Stärken (Chancen) und Schwächen (Gefahren) der Unternehmensbetrachtung ergeben, exemplarisch beschrieben. Risiko Stärke/Schwäche
Beschreibung des Risikos
Einflussbereich
Verlustträchtige Projektakquisition durch agressive Preispolitik bei Unterbeschäftigung oder zu hohen Umsatzzielen
Geschäftsfelder Schwäche Finanzen
Einseitige Konzentration auf Geschäftsfelder mit schwindenden Margen und Umsätzen
Marketing Finanzen
Schwäche
Zunehmende Überforderung der Mitarbeiter und Kader durch schnell wachsende und neue Anforderungen bei ungenügender Weiterbildung
Personal
Schwäche
Attraktivitätsverlust als Arbeitsgeber bei lascher Kultur infolge Führungsschwächen / überforderten Kadern / falschem Personaleinsatz / schlechter Entlohnung
Personal
Schwäche
Liquiditätsengpässe aufgrund - riskanter Promotionstätigkeit - reduzierten Kreditlinien bei abgeschwächtem Betriebsergebnis - etc.
Finanzen
Schwäche
Einheitliche standardisierte Prozessabläufe mit weniger Stundenaufwand und Fehlern bei einheitlicher hoher Qualität
Prozesse
Stärke
Fehlendes operatives Risikomanagement im Rahmen der Projektabwicklung
Prozesse
Schwäche
Bild 33:
Beispiele für strategische Risiken in Form von Stärken und Schwächen aus den unternehmerischen Einflussfaktoren
62
1 Strategieplanungsprozess
1.4.5 Analyse der strategischen Ausgangslage und Entwicklung Aufgabe der Analyse der strategischen Ausgangslage und Entwicklung im Rahmen der strategischen Planung ist die Beurteilung der sich aus der Risikoidentifikation ergebenden Lage des Unternehmens. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Umfeld- und Unternehmensanalyse, da die Umfeldanalyse extern resultierende Chancen und Gefahren untersucht, während die Unternehmensanalyse interne Stärken und Schwächen aufspürt. Umfeldanalyse: Potenzielle Chancen und Gefahren
Mithilfe der Umfeldanalyse I erfolgt die unabhängige Bewertung der auf das Bauunternehmen bzw. auf die ganze Branche von aussen einwirkenden Einflussfaktoren und der daraus resultierenden Chancen und Gefahren in Bezug auf die Erreichung der (branchenspezifischen) Unternehmensziele. Mittels Umfeldanalyse II werden die Einflussfaktoren auf die spezifischen strategischen Geschäftsfelder hinsichtlich der Chancen und Gefahren analysiert. Zukunftseinschätzungen bezüglich der Entwicklung des Umfelds sind mit teilweise grossen Unsicherheiten behaftet. Die Zukunft ist grundsätzlich nicht sicher vorhersagbar, man kann aber plausible Annahmen über die Entwicklung der Einflussfaktoren in der Zukunft treffen. Die Unsicherheiten ergeben sich aufgrund folgender Fragestellungen: x Wurden die richtigen Einflussfaktoren analysiert? x Wurde die Entwicklung der Einflussfaktoren richtig abgeschätzt? Die Geschäftsleitung eines Bauunternehmens steht somit vor der Schwierigkeit, unsichere Informationen mit vorwiegend übergreifendem Einfluss und schwieriger Quantifizierbarkeit so aufzubereiten und in die Zukunft zu projizieren, dass daraus sinnvolle Planungen und Strategien abgeleitet werden können. Der Prozess der Umfeldanalyse umfasst die drei Teilschritte Monitoring, Forecasting und Assessment. Aufgabe des Monitoring ist, für das Unternehmen relevante Trends bei den externen Einflussfaktoren aufzuzeigen. Es soll Umfeldveränderungen ausfindig machen, die für das Unternehmen bedeutsam sind und deren Entwicklung prognostizierbar ist. Mit dem Forecasting ist die Ermittlung von Richtung, Ausmass und Intensität der Umfeldveränderungen verbunden; es handelt sich um eine Prognose der erwarteten Veränderungen, die stets mit Unsicherheiten verbunden ist. Das Assessment hat die Bewertung von Monitoring und Forecasting zum Ziel. Im Rahmen des Assessment-
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
63
Prozesses kommen zwei grundsätzlich verschiedene Analysemethoden zum Einsatz, zum einen Verfahren der Portfolioanalyse und zum anderen die SWOT-Analyse (Bild 22). Die in der Risikoidentifikation erkannten Einflussfaktoren sowie ihre prognostizierten Veränderungen aus dem Monitoring und dem Forecasting können nun über zwei unterschiedliche Verfahren hinsichtlich ihrer Zuordnung zur Chancen- oder Gefahrenseite bewertet werden: x durch eine qualitative Bewertung der Einflussfaktoren, z.B. mittels einer neunstufigen kardinalen Punkteskala x durch eine qualitative Bewertung der Einflussfaktoren mittels Anwendung der Szenariotechnik Dabei ist zu beachten, dass die betreffenden Einflussfaktoren hinsichtlich ihrer generellen Auswirkungen auf die Branche bzw. das Geschäftsfeld zu bewerten sind und für das zu analysierende Unternehmen lediglich latente, aber noch keine akuten Chancen oder Gefahren darstellen müssen. Bewertung potenzieller Risiken mittels einer kardinalen Punkteskala Beim Assessment potenzieller Risiken erfolgt die qualitative Bewertung jedes Einflussfaktors dahingehend, ob er eine Chance oder eine Gefahr für die Erreichung des Ziels darstellt. Die Zuweisung von kardinalen Punktwerten ist z.B. anhand der in Bild 34 dargestellten neunstufigen Punkteskala vorzunehmen. Bewertung Externe Umwelteinflussfaktoren
grosse Gefahr 1
Bild 34:
grosse Chance
neutral 2
3
4
5
6
7
8
9
Qualitative Bewertung der Einflussfaktoren des Umfelds anhand einer kardinalen Punkteskala
In Tabelle 1 ist die Analyse einiger Einflussfaktoren des globalen Umfelds für das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ eines Generalunternehmens mittels der kardinalen Punkteskala dargestellt. Da diese Einflussfaktoren für alle relevanten Mitbewerber gleichermassen gelten, ist es nicht sinnvoll, in Tabelle 1 Vergleichslinien zum Benchmarking mit den wichtigsten Konkurrenten einzuzeichnen. Die Tabelle stellt den Ausgangspunkt für die anschliessende Anwendung der Portfolioanalysen oder der SWOT-Analyse dar.
64
1 Strategieplanungsprozess
Tabelle 1:
Analyse des globalen Umfelds für das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ mittels der kardinalen Punkteskala
Ökonomie
Politik/ Recht
Externe Einflussfaktoren
Gefahr 1 2
3
4
neutral 5
6
7
Mietrecht
Für das nächste Jahr wird eine „vermieterunfreundlichere“ Änderung des Mietrechts in Bezug auf Kündigungsfristen und Mietzinserhöhung erwartet.
Kaufkraftentwicklung
Ein leichter Anstieg der um die Teuerung bereinigten Kaufkraft für die nächsten fünf Jahre um 0.7 % erhöht die Investitionsbereitschaft von natürlichen Personen für Wohneigentum.
x
Inflationsrate
Ein leichter Anstieg der Inflationsrate für die nächsten fünf Jahre um jährlich 0.6 % wird durch die nominale Kaufkraftentwicklung mehr als ausgeglichen.
x
Entwicklung der Bodenpreise
Nach wie vor steigen die Bodenpreise in Wohnbaugebieten leicht an. Die Preisentwicklung variiert jedoch stark je nach Lage und Gemeinde.
Hypothekarzinsentwicklung
Der Hypothekarzins verharrt auf einem sehr niedrigen Niveau mit leicht steigender Tendenz für die nächsten fünf Jahre.
Chance 8 9
x
x
x
Szenariotechnik zur Unterstützung der Umfeldanalyse Da die Einschätzungen zukünftiger Veränderungen des Umfelds mit teilweise grossen Unsicherheiten behaftet sind und die Entwicklungsmöglichkeiten der Einflussfaktoren bei der Extrapolation einen breiten Variationskorridor belegen, ist es für Bauunternehmen nicht sinnvoll, von einem einzigen, exakten Prognosewert auszugehen; vielmehr müssen Bandbreiten und alternative Entwicklungen in Betracht gezogen werden. Auch die Möglichkeit von Trendbrüchen oder gar einer Trendumkehr ist zu berücksichtigen. Ein geeignetes Instrument dazu ist die Szenariotechnik. Durch die Szenariotechnik ist es möglich, das Spektrum der potenziellen Zukunftskonstellationen und die Möglichkeit von Trendbrüchen oder einer Trendumkehr durch die Entwicklung und das Zusammenwirken mehrerer Umfeldfaktoren zu veranschaulichen und darauf aufbauend plausible Pfade für die eigene Unternehmensentwicklung zu erarbeiten. Dabei ist es sinnvoll, zumindest ein Best-Case-, ein Likely-Case- und ein Worst-CaseSzenario zu betrachten. Unter einem Szenario versteht man x eine mögliche zukünftige Konstellation des Umfelds des Unternehmens und x den Entwicklungsverlauf, der zu dieser Konstellation führt [1-35]. Die Gegenwart ist durch bestehende Randbedingungen wie z.B. Normen, Gesetze, Politik, Kenntnisse, Verhaltensmuster geprägt, die sich kurzfristig nicht ändern. Die Entwicklung der nahen Zukunft in den nächsten zwei bis drei Jahren ist durch diese Strukturen weitgehend festgelegt. Versucht
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
65
man, vom derzeitigen Standpunkt aus die fernere Zukunft zu beschreiben, nimmt der Einfluss der Gegenwartsstrukturen ab und das Spektrum verschiedener Möglichkeiten öffnet sich wie ein Trichter zur ferneren Zukunft hin. Dieser Trichter weitet sich exponentiell, je weiter man in die Zukunft blickt. Die verschiedenen Zukunftsbilder zu einem zu bestimmenden Zeitpunkt befinden sich auf der Schnittfläche durch den Trichter. Ein Entwicklungspfad (gestrichelte Linie), der durch die wirksamen Einflussfaktoren bestimmt wird, führt zu einem Zukunftsbild (Szenario) hin (Bild 35). Szenarien werden somit systematisch ausgehend von der gegenwärtigen Situation entwickelt und stellen plausible Zukunftsbilder dar. Es hat sich gezeigt, dass es wenig Sinn macht, mehr als drei Szenarien zu entwickeln, wobei die Szenarien deutlich unterschiedliche Konstellationen beschreiben sollen. Die reale Zukunft wird sich bei zutreffender Eingrenzung der Entwicklungsbandbreite vielmehr zwischen diesen Fixpunkten bewegen [1-12].
Szenario 1: Gewünschte Entwicklung
Bandbreite
Szenario 2: Gestörte Wunschentwicklung Szenario 0: Trendszenario
Extremszenarien Raum möglicher Entwicklungen (Bandbreite) Entwicklung eines Szenarios (Stör-) Ereignis Einsetzen von Massnahmen
Zeit Gegenwart
Bild 35:
Betrachtungszeitpunkt (Zukunft)
Denkmodell für Szenarien [1-19]
Bild 35 zeigt beispielhaft drei mögliche Szenarien auf. Szenario 0 beschreibt das Trendszenario, das sich aus der Fortschreibung der gegenwärtigen Entwicklung des externen Unternehmensumfelds ergibt. Szenario 1 zeigt eine gewünschte Entwicklung, die der optimalen Erreichung der Unternehmensziele im Vergleich zum Trendszenario nahe kommt. Das Bauunternehmen bzw. seine Interessenverbände werden versuchen, die Entwicklung in diese Richtung zu beeinflussen. Szenario 2 stellt eine gestörte Wunschentwicklung dar. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entspricht der Verlauf der gewünschten Entwicklung. Ein Störereignis führt zu einer Abweichung vom Kurs, bevor das Unternehmen durch das Ergreifen von
66
1 Strategieplanungsprozess
Gegenmassnahmen versucht, die Entwicklung zurück in Richtung von Szenario 1 zu lenken. Die Szenariotechnik geht in acht Schritten vor [1-11]: 1. Definition und Strukturierung des Untersuchungsfelds 2. Identifizierung und Strukturierung der wichtigsten Einflussfaktoren und Einflussbereiche 3. Formulierung von Kenngrössen (Deskriptoren) und Aufstellung von Projektionen und Annahmen 4. Bildung und Auswahl alternativer konsistenter Annahmekombinationen 5. Entwicklung und Interpretation der ausgewählten Umfeldszenarien 6. Einführung und Auswirkungsanalyse signifikanter Trendbruchereignisse 7. Ausarbeiten der Untersuchungsfeldszenarien bzw. Ableiten von Konsequenzen für die Aufgabenstellung 8. Konzipieren von Massnahmen und Planungen Schwerpunktmässig liegt die Anwendung der Szenariotechnik bei Grossunternehmen. Die Beratungspraxis zeigt jedoch, dass sie auch von kleinen und mittleren Unternehmen erfolgreich eingesetzt werden kann [1-12]. GASSMANN [1-11] schlägt vor, bei unsicheren Prognosen eher Bandbreiten und Wahrscheinlichkeitsverteilungen anzugeben anstatt absolute Punktschätzungen, da es besser ist, ungefähr richtig als präzise falsch zu liegen. Oft machen die hohe Unsicherheit und Dynamik eine langfristige Detailplanung unmöglich. Denken in Extremen und Szenarien unterstützt eine realistische Zielplanung. Szenarien basieren daher weniger auf exakten Prognosen als vielmehr auf Projektionen, bei denen die Entwicklung mehrerer vernetzter, in Interaktion stehender Einflussgrössen beschrieben wird. Je breiter der Szenariotrichter ist, desto höher sind die Komplexität und die Unsicherheit. In einem ersten Schritt werden die Determinanten des Szenario-Gegenstands, d.h. die relevanten Einflussfaktoren, bestimmt (Identifikation). Anschliessend werden mittels Expertenbefragungen (z.B. Delphi-Umfrage) Prognosen zu den relevanten Einflussfaktoren gemacht (Vorhersage). Zuletzt werden die einzelnen Entwicklungen der relevanten Einflussfaktoren durch eine sinnvolle Kombination in mögliche, in sich konsistente Zukunftsbilder gebracht (Synthese) [1-11]. Dieser Vorgang ist in Bild 36 dargestellt.
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess Relevante Einflussfaktoren (Identifikation)
Prognosen zu den relevanten Einflussfaktoren (Vorhersage)
67
In sich konsistente Zukunftsbilder aus der Kombination relevanter Einflussfaktoren (Synthese)
Bandbreite möglicher Kombinationen
Einflussfaktor 1
Kombination 1
Gegenwart
Zukunft Kombination n
Einflussfaktor n
Gegenwart
Analyse
Bild 36:
Zukunft
Vorhersage
Synthese
Mögliche Zukunftsbilder mithilfe der Szenarioanalyse [1-11]
Unternehmensanalyse: Stärken und Schwächen
Die intern auf das Unternehmen einwirkenden Einflussfaktoren müssen hinsichtlich ihrer Auswirkung als Stärken oder Schwächen beurteilt werden. Da es sich dabei neben harten, messbaren Einflussfaktoren auch um „weiche“ Einflussfaktoren, z.B. aus dem Management, handelt, ist eine Quantifizierung problematisch und täuscht einen Genauigkeitsgrad vor, der so nicht gegeben ist. Statt der Quantifizierung ist auch eine qualitative Bewertung in Form einer kardinalen Punkteskala, z.B. neunstufig wie in Bild 37, anzustreben. Mithilfe der Stärken-Schwächen-Analyse erfolgt eine Evaluation der Ressourcen und Fähigkeiten [1-17] des Bauunternehmens hinsichtlich seiner internen Einflussfaktoren. Die Schwerpunkte liegen auf den Erfolgspotenzialen Prozesse/Organisation, Finanzen, Management/Personal, Marketing und Leistungserstellung. Zusätzlich können wichtige Konkurrenzunternehmen in die Betrachtung einbezogen und die Erfolgspotenziale gegenübergestellt werden. Mit diesem Verfahren lässt sich aufdecken, wo künftige Strategien ansetzen sollten und welche Defizite zu umgehen oder zu füllen sind.
68
1 Strategieplanungsprozess Bewertung
Interne Unternehmenseinflussfaktoren
Schwäche 1
Bild 37:
2
Stärke
neutral 3
4
5
6
7
8
9
Qualitative Bewertung der internen Einflussfaktoren des Unternehmens anhand einer kardinalen Punkteskala
Eine Stärken-Schwächen-Analyse kann mit zwei verschiedenen Schwerpunkten durchgeführt werden: x Zum einen ist es möglich, die Stärken und Schwächen einer eigenen Unternehmenseinheit im Vergleich zu den in Konkurrenz stehenden Unternehmenseinheiten der Wettbewerber zu analysieren (externe StärkenSchwächen-Analyse). x Zum anderen kann man eigene strategische Geschäftseinheiten untereinander vergleichen (interne Stärken-Schwäche-Analyse). Durch den vergleichenden Einbezug von Konkurrenzunternehmen bei der Ermittlung des Status Quo bekommt die Stärken-Schwächen-Analyse den Charakter eines Benchmarkings [1-31]. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die externe Stärken-SchwächenAnalyse auf anderen Einflussgrössen basieren muss als die interne, da die relevanten Vergleichsparameter der Konkurrenzunternehmen auch zugänglich und beschaffbar sein müssen. Es handelt sich dabei um die im Markt sichtbaren Kenngrössen. Die folgenden Parameter kommen beispielsweise beim Vergleich einer eigenen strategischen Geschäftseinheit mit der Konkurrenz im Rahmen der externen Stärken-Schwächen-Analyse zum Einsatz: x Marktanteil x Gewinn, EBIT (verfügbar bei börsenkotierten Unternehmen) x Finanz- und Bilanzkennzahlen (verfügbar bei börsenkotierten Unternehmen) x Preisniveau x Beschaffenheit der angebotenen Leistung x Kundenzufriedenheit x Beschaffung (Skaleneffekt) x Innovationsfähigkeit/Technologie (auf Basis des Angebotsverhaltens) x Strategie x Unternehmenskultur x Organisation
1.4 Strategischer Problemlösungsprozess
69
Die interne Stärken-Schwächen-Analyse basiert auf der Erreichung der internen Zielvorgaben und wird stark von den internen Prozessen, d.h. von der Ressourcenseite, determiniert. Beim internen Vergleich verschiedener eigener strategischer Geschäftseinheiten ist die Anzahl der verwendbaren Parameter viel grösser, da die gewünschten Daten in der Regel intern, z.B. über Mitarbeiterbefragungen oder aus dem Controlling, beschaffbar sind. Als Parameter eignen sich beispielsweise: x x x x x x x x x x x x x x
Marktanteil Gewinn (Erreichen der budgetierten Werte) Deckungsbeitrag (Erreichen der budgetierten Werte) Cashflow (Erreichen der budgetierten Werte) Umsatz (Erreichen der budgetierten Werte) Bilanzkennzahlen Höhe von Kreditspielräumen und deren Ausnutzung Beschaffenheit der angebotenen Leistung Kundenzufriedenheit, Key Accounts, Kundenbindung Beschaffung (Skaleneffekt) Interne Prozesse Innovationsfähigkeit/Technologie (auf Basis des Angebotsverhaltens) Strategie Organisation
Dabei ist auch zu beachten, dass auch die quantitativen Parameter wie z.B. Marktanteil oder Deckungsbeitrag über Intervalle in einer kardinalen Punkteskala abgebildet werden können. Die folgenden sieben Schritte zu Durchführung einer StärkenSchwächen-Analyse sind an die Vorschläge von GRÜNIG und KÜHN angelehnt [1-19]: 1. Zunächst ist zu entscheiden, ob eine interne oder eine externe StärkenSchwächen-Analyse Ziel der Betrachtung ist. 2. Da die Stärken-Schwächen-Analyse für einen Unternehmensbereich überschaubarer Grösse durchgeführt werden soll, empfiehlt sich die Analyse für einzelne strategische Geschäftseinheiten Bei der internen Stärken-Schwächen-Analyse sind dann die relevanten, eigenen SGE auszuwählen. Für die externe Stärken-Schwächen-Analyse, bei der die eigenen Einflussfaktoren auch mit denen der Konkurrenz verglichen werden, wird nur eine eigene SGE, möglicherweise getrennt nach geografischem Tätigkeitsgebiet, ausgewählt.
70
1 Strategieplanungsprozess
3. Soll das eigene Unternehmen im Rahmen einer externen StärkenSchwächen-Analyse mit weiteren Konkurrenten in einen Vergleich treten, müssen diese nun bestimmt werden. Neben den stärksten direkten Konkurrenten sind unter Umständen auch Wettbewerber zu berücksichtigen, die durch ihre Diversifikationsmöglichkeiten eine latente Gefahr darstellen. Anschliessend müssen die relevanten SGE bestimmt werden. 4. Auswahl der Einflussfaktoren, auf denen die Analyse aufbaut: Bild 32 enthält eine Zusammenstellung der für Bauunternehmen relevanten Einflussfaktoren. Es ist beachten, dass für die externe Stärken-SchwächenAnalyse nur Faktoren gewählt werden, für die auch Daten (vor allem von den Konkurrenzunternehmen) verfügbar sind. 5. Beschaffung der für die Bewertung benötigten Daten: In vielen Fällen ist ein Grossteil der Daten bereits vorhanden und z.B. in Dokumenten und Datenbanken festgehalten. Unter Umständen lohnt es sich, spezielle Informationen über die Konkurrenz durch gezielte Expertengespräche oder Kundenbefragungen einzuholen. 6. Bewertung der ausgewählten Einflussfaktoren anhand einer kardinalen Punkteskala und Zusammenstellung in einer übersichtlichen Liste: Die Erläuterung der Punkteskala anhand verbaler Beschreibungen ist sinnvoll. Falls Konkurrenzunternehmen in die Betrachtung einfliessen, erfolgt deren Stärken-Schwächen-Bewertung ebenfalls in diesem Schritt. 7. Auswertung des Stärken-Schwächen-Profils: Über den Vergleich der verschiedenen Profile erhält man Auskunft über Leistungsdifferenzen, die sich in Defiziten oder Übergewichten gegenüber der Konkurrenz äussern. Die Stärken-Schwächen-Analyse erlaubt es, mit einem begrenzten Aufwand einen Gesamtüberblick über den eigenen Status Quo zu schaffen. Dies gilt insbesondere bei der Verwendung der Skalierungstechnik für die grafisch aufbereitete Form. Tabelle 2 zeigt beispielhaft eine Bewertung der Stärken und Schwächen eines Zürcher Generalunternehmens für das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ anhand einer kardinalen Punkteskala auf. Das eigene Sollprofil der Stärken und Schwächen sowie die Istposition des stärksten Konkurrenten sind ebenfalls dargestellt.
1.5 Unternehmensleitbild Tabelle 2:
Stärken-Schwächen-Profil des Geschäftsfelds „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ anhand einer kardinalen Punkteskala Gefahr
Interne Einflussfaktoren
Geografische Organisation
In den Ballungsgebieten der deutschsprachigen Schweiz ist das Generalunternehmen durch Niederlassungen vertreten. Daher ist in diesem Teil der Schweiz die geografische Kundennähe sichergestellt.
Finanzen
Liquidität, Finanzierungspotenzial
Die vorhandene Liquidität trägt zur positiven Imagebildung bei und führt zur Ausnutzung von Nachlässen (z.B. durch Skonti). Das vorhandene Finanzierungspotenzial schafft Raum für Produktinnovation, Image und Risikoübernahme.
Personal
Mitarbeiterkompetenz
Die vorhandenen Mitarbeiter verfügen über eine grosse Erfahrung im Projektmanagement von Schlüsselfertigbauten. Für einen Eintrittt in den Wohnungsbaumarkt der Westschweiz fehlen allerdings beim Personal französische Sprachkenntnisse.
Preispolitik
Da das Generalunternehmen bisher vorwiegend Spezialobjekte realisiert hat, stand der angebotene Preis bisher als Auswahlkriterium nicht an erster Stelle. Für den Eintritt in das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ stellt dies ein Hindernis dar.
Bauproduktion
Organisation
Die flache Hierarchie des Generalunternehmens erlaubt eine schnelle Entscheidungsfindung bei Marktveränderungen und bedeutet gleichzeitig im Vergleich zur Konkurrenz eine niedrigere Fixkosten-Position
Marketing
1
Zweckmässigkeit der Struktur
Grundstücke für Promotion
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2
Chance
neutral 3
4
5
6
7
8
9
x
x
x
x
x
Das Generalunternehmen verfügt bisher nicht über bebaubare Grundstücke in den Wohngebieten der Ballungsräume.
x
Eigenes Sollprofil Eigenes Istprofil Istprofil des stärksten Konkurrenten
1.5 Unternehmensleitbild 1.5.1. Ermittlung der Ausgangslage Das Unternehmensleitbild wird einerseits durch externe Markteinflüsse und Akteure sowie andererseits durch interne Akteure – Hauptaktionäre, Besitzer und oberstes Management – geprägt. Die internen Akteure legen den Zweck/die Mission und die Wertvorstellungen des Unternehmens fest. Sie bestimmen auch die Vision des Unternehmens, d.h. wohin das Unternehmen sich entwickeln soll. Zur Leitbildgestaltung ist es daher erforderlich, im Rahmen des strategischen Problemlösungsprozesses eine Gesamtunternehmensanalyse in folgenden Bereichen durchzuführen: x Analyse der Wertvorstellungen Zur Zielbildung der Mission und Vision des Unternehmens müssen die unterschiedlichen Wertvorstellungen der Führungsgruppe bezüglich des zukünftigen Verhaltens und der Entwicklung des Unternehmens erfasst
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1 Strategieplanungsprozess
werden. Dabei entsteht das Problem der Harmonisierung dieser unterschiedlichen Wertvorstellungen der Mitglieder der Führungsgruppe. x Unternehmensanalyse Die in der Unternehmensanalyse erarbeiteten Informationen sollen den gegenwärtigen Zustand des Unternehmens so objektiv wie möglich darstellen. Erst dann soll eine subjektive Beurteilung des Unternehmens in Form einer Stärken-Schwächen-Analyse erfolgen. x Umfeldanalyse Während bei der Unternehmensanalyse weitgehend auf relativ sichere Informationen über vorliegende Tatbestände abgestellt werden kann und auch die Auswahl der relevanten Daten kein unüberwindliches Problem ist, geht es in der Umfeldanalyse (globales Umfeld, Markt-, Branchen-, Kunden- und Konkurrenzanalyse) um die erheblich schwerere Aufgabe, zukünftige Entwicklungen eines vielschichtigen Umfelds abzuschätzen und in ihrer Bedeutung für das eigene Unternehmen zu beurteilen. Es handelt sich hier um ein ausgesprochen schlecht strukturiertes Problem, für dessen Lösung das interne Informationswesen in der Regel sehr wenige Unterlagen liefert. Die Umfeldanalyse (Umfeldanalyse I – globales Umfeld) analysiert die allgemeinen ökonomischen, ökologischen, politischen und technologischen Entwicklungen im Umfeld der Branche mit ihren Tendenzen, Strömungen und schwachen Signalen, die den Markt, die Branche und die Kunden beeinflussen. Stellt man die voraussichtlichen Umfeldentwicklungen mit den Chancen und Gefahren im Rahmen einer SWOT-Analyse den internen Stärken und Schwächen gegenüber, so erhält man die möglichen Handlungsalternativen für das Gesamtunternehmen. 1.5.2 Formulierung des Unternehmensleitbilds Allgemein
Hat man das globale Umfeld und das Unternehmen analysiert, erfolgt unter Berücksichtigung der vorhandenen Wertvorstellungen eine Umschreibung der allgemeinen Grundsätze, auf die sich das zukünftige Verhalten des Unternehmens auszurichten hat. In das Unternehmensleitbild fliessen somit die Zweckbestimmung, d.h. die Mission des Unternehmens, die Vision und die Wertvorstellungen der Eigentümer und des Managements ein. Das Unternehmensleitbild umfasst die Antworten auf folgende Fragen:
1.5 Unternehmensleitbild
73
x Welche Bedürfnisse wollen wir mit unseren Marktleistungen (Produkte, Dienstleistungen) befriedigen? x Welchen grundlegenden Anforderungen sollen unsere Marktleistungen entsprechen (Qualität, Preis, Neuheit usw.)? x Welche geografische Reichweite soll das Unternehmen haben (lokaler, nationaler, internationaler Charakter)? x Welche Marktstellung wollen wir erreichen? x Welche Grundsätze sollen unser Verhalten gegenüber unseren Marktpartnern (Kunden, Lieferanten, Konkurrenten) bestimmen? x Was sind unsere grundsätzlichen Zielvorstellungen bezüglich Gewinnerzielung und Gewinnverwendung? x Wie ist unsere grundsätzliche Haltung gegenüber dem Staat? x Wie sind wir gegenüber wesentlichen gesellschaftlichen Anliegen eingestellt (Umweltschutz, Gesundheitspflege, Armutsbekämpfung, Entwicklungshilfe, Kunstförderung usw.)? x Welches ist unser wirtschaftliches Handlungsprinzip? x Wie stellen wir uns grundsätzlich zu Anliegen unserer Mitarbeiter (Entlohnung, persönliche Entwicklung, soziale Sicherung, Mitbestimmung, finanzielle Mitbeteiligung usw.)? x Was sind die wesentlichsten Grundsätze der Mitarbeiterführung, die in unserem Unternehmen gelten sollen? x Was sind unsere technologischen Leitvorstellungen? Beispiel: Ernst Schweizer AG, Metallbau
Das Unternehmensleitbild der Ernst Schweizer AG umfasst vier Perspektiven, die in Bild 38 dargestellt sind. 1.5.3 Formulierung der Unternehmenspolitik Allgemein
Die Unternehmenspolitik ist das Ergebnis des Willenbildungsprozesses der Eigentümer und des obersten Managements, abgestützt auf die Mission und die Vision (Leitbild) und unter Beachtung der Chancen und Gefahren des Umfelds und des Unternehmens. Auf diesen Grundlagen können die konkreten Ziele, die zu verfolgenden Strategien und die einzusetzenden Mittel für die Unternehmenspolitik bestimmt werden: x Formulierung der Unternehmensziele Bei einer sachorientierten Betrachtung stehen ökonomische Grössen wie Gewinn, Umsatz und Marktanteil im Vordergrund. Daneben finden sich
74
1 Strategieplanungsprozess
aber ebenso mitarbeiterbezogene (z.B. Betriebsklima, Befriedigung der Mitarbeiterbedürfnisse) sowie umweltorientierte (z.B. Umweltschutz) Ziele, die den sozialen Zielen zugeordnet werden können. x Unternehmensstrategien Es gilt, geeignete Massnahmen zu finden, mit denen die Ziele erreicht werden können. Die Unternehmensstrategien werden wegen ihrer grossen Bedeutung in den folgenden Kapiteln näher behandelt. x Festlegung der Ressourcen Ein wichtiges Problem im Rahmen der Problemlösungsprozesse ist die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel (Allokation der Ressourcen). Sachlich richtet sich die Verteilung nach den Unternehmensstrategien. In der Praxis ist aber zu beobachten, dass vielfach die Machtverteilung, d.h. die Aufteilung der Entscheidungskompetenzen innerhalb des Unternehmens, für die Verteilung der Mittel verantwortlich ist.
Bild 38:
Unternehmensleitbild der Ernst Schweizer AG, Metallbau
1.5.4 Implementierung der Unternehmenspolitik Sobald die Ziele und Strategien für das strategische Geschäftsfeld (SGF) bestimmt sind, müssen sie mit den zugeordneten Ressourcen umgesetzt werden. Die für das Unternehmen entscheidenden und handelnden Mitarbeiter sind so zu informieren und zu beeinflussen, dass sie ihre Aktivitäten nach den unternehmenspolitischen Entscheidungen ausrichten. Sobald das Unternehmensleitbild sowie Ziele, Strategien und Mittel festgelegt sind,
1.5 Unternehmensleitbild
75
werden daher die getroffenen unternehmenspolitischen Entscheidungen in entsprechenden Dokumenten schriftlich festgehalten und ihre Anwendung durch die Unternehmensangehörigen durch erklärende und motivierende Kommunikation eingeleitet. Es muss deutlich festgestellt werden, dass auch eine perfekt formulierte Strategie ohne Umsetzung nutzlos ist. Zwar scheint dies selbstverständlich, doch hat die Realität gezeigt, dass die Strategieumsetzung oft nicht funktioniert. Gründe dafür können fehlender Nachdruck der Geschäftsleitung, mangelnde Vorgaben, fehlende Messgrössen und/oder mangelnde Akzeptanz bei den Mitarbeitern sein. Die Umsetzung einer Strategie umfasst z.B. Information und Schulung von Mitarbeitern, das Abarbeiten von Aktionsplänen und das Kontrollieren und Steuern von Vorgaben mittels Balanced Scorecard. 1.5.5 Resultate der Unternehmenspolitik Am Schluss des unternehmenspolitischen Problemlösungsprozesses stehen die eigentlichen Resultate. Sie geben Auskunft darüber, ob und in wie weit die geplanten Ziele erreicht und die Massnahmen umgesetzt worden sind. Im Rahmen eines Strategiecontrollings muss laufend systematisch überprüft werden, ob und ggf. warum und in welchem Mass die Ergebnisse von der Planung abweichen. Wie aus Bild 22 hervorgeht, kann zwischen der Generierung (Formulierung) und der Implementierung (Durchführung) der Unternehmenspolitik unterschieden werden. Dieses Schema zeigt auch, dass der strategische Problemlösungsprozess kein einmaliger Prozess ist, sondern dass aufgrund der erzielten Resultate oder grundlegender Veränderungen im Umfeld ein neuer Prozess initiiert werden kann. Zudem ist zu beachten, dass in der Praxis die einzelnen Elemente zeitlich nicht immer hintereinander ablaufen. So müssen die Ziele oder Massnahmen aufgrund der zur Verfügung stehenden Mittel oft neu formuliert werden. Da bei der Strategieformulierung mit vielen Annahmen und groben Abschätzungen gearbeitet werden muss, kommt es durchaus vor, dass sich die Dinge anders entwickeln als geplant. Daher muss eine Unternehmensstrategie hinreichend flexibel gestaltet werden; eventuell sind auch mehrere Strategiealternativen vorzusehen.
76
1 Strategieplanungsprozess
1.6 Unternehmensstrategie 1.6.1 Portfolioanalyse Basierend auf der Unternehmenspolitik wird die Unternehmensstrategie entwickelt. Im Vordergrund stehen hierbei folgende Fragen (Bild 39): x Wie kann der Gesamtwert des Unternehmens gesteigert werden? x Welche Geschäftsfelder sollen sich im Portfolio des Unternehmens befinden? x Welchen Beitrag liefern die Geschäftsfelder? x Wie weit dürfen sich die Geschäftsfelder vom Kerngeschäft diversifizieren? x Welche Synergien erzeugen die Geschäftsfelder mit dem Kerngeschäft? x Welche Rolle soll das Hauptunternehmen gegenüber den Geschäftsfeldern einnehmen? x Welche Unternehmenskontrollen sollen etabliert werden, um die Zielerreichung zu steuern?
Rolle des Hauptunternehmens
Geschäftsfeldportfolio
Unternehmensstrategie
Diversifikationsbreite der Geschäftsfelder
Strategisches Unternehmenscontrolling
Bild 39:
Funktionskonzept der Unternehmensstrategie
Um diese Fragestellungen des Wertbeitrags und der Synergien der Geschäftsfelder zu untersuchen, gibt es verschiedene Kriterien: x Risikoausgleich innerhalb des Geschäftsfeldportfolios
1.6 Unternehmensstrategie
77
x Nachfrageausgleich innerhalb des Geschäftsfeldportfolios x Attraktivität der Geschäftsfelder hinsichtlich Marktwachstum und Geschäftsfeldstärke bzw. Marktanteil x Synergiepotenzial der Geschäftsfelder zum Kerngeschäft des Unternehmens Die Geschäftsfelder sollten so gewählt werden, dass ein Risikoausgleich vorhanden ist; dies kann man durch Geschäftsfelder mit unterschiedlichem Risikograd (Bild 40) erreichen. Bei einem konsequenten Risikomanagement ist ein solcher Risiko-Mix vorteilhaft. Man kann dieses Verhältnis anstatt in Bezug zum Umsatz auch in Bezug zum Gewinn bilden.
Bild 40:
Umsatz-Risikoausgleichs-Portfolio
Diese Betrachtung richtet sich gezielt auf die strategischen Geschäftseinheiten (SGE) eines Unternehmens und sollte generell so gewählt werden, dass im gewissen Mass ein Risikoausgleich zwischen den SGE möglich ist. Zudem sollten die SGE ein vorteilhaftes Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Verhältnis aufweisen. Dies kann man durch SGE mit unterschiedlichem Risikopotenzial erreichen; das Risikopotenzial einer SGE ergibt sich z.B. aus dem selbst übernommenen Risiko aller Projekte, die sie abwickelt. Das Risikopotenzial muss durch ausreichende Risikodeckungsmassen des Unternehmens abgesichert sein. Der Vergleich der strategischen Geschäftseinheiten hinsichtlich ihres Risikopotenzials mit dem Ziel, einen Risikoausgleich zu erzielen, erfolgt über die Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix (Bild 41). Auf der Abszissenachse der Matrix befindet sich das quantifizierte Risikopotenzial. Die Achse sollte in verschiedene Abschnitte unterteilt werden, die verschiedenen Intervallen des Risikopotenzials entsprechen.
78
1 Strategieplanungsprozess
Auf der Ordinatenachse der Matrix ist das (budgetierte) Gewinnpotenzial der strategischen Geschäftseinheit aufgetragen. Auch hier ist eine Unterteilung in drei Abschnitte mit kleinem, mittlerem und hohem Gewinn sinnvoll. Aus der Lage der strategischen Geschäftseinheit in der Matrix ist nun ablesbar, welches Gewinnpotenzial dem übernommenen Risikopotenzial gegenübersteht (Bild 41); der Sachverhalt lässt sich zusätzlich durch den Quotienten aus Gewinn- und Risikopotenzial beschreiben. Da das übernommene Risikopotenzial mittels geeigneter monetärer Risikodeckungsmassen abgesichert sein muss [1-16], ist der RoRaC gleichzeitig ein Mass dafür, ob die Verwendung der Risikodeckungsmassen effizient ist, d.h. so, dass ein möglichst grosser Gewinn gegenübersteht. Dieser Quotient entspricht der Definition des „return on risk adjusted capital“ RoRaC [1-24]. RoRaC
Gewinnpotenzial Risikopotenzial
4.5 4.2 3.9 3.6 3.3 3.0 2.7 2.4 2.1 1.8 1.5 1.2 0.9 0.6 0.3 0
5.2
SGE 1 Umsatz: 78 Mio. CHF
SGE 4 Umsatz: 150 Mio. CHF
1.25
Risikogrenzlinie
hoch mittel klein
Prozess der Chancenmaximierung
Gewinnpotenzial [Mio. CHF]
SGE 2 Umsatz: 140 Mio. CHF
0.56
SGE 3 Umsatz: 200 Mio. CHF
RoRaC 0.83 ie zlin re n g ik o Ris
0
unattraktiver Bereich (hohes Risiko, kleiner Gewinn)
Risikopotenzial 0.3 0.6 0.9 1.2 1.5 1.8 2.1 2.4 2.7 3.0 3.3 3.6 3.9 4.2 4.5 [Mio. CHF]
klein
mittel
hoch
Prozess der Risikominimierung
Legende: RoRaC = Return on Risk adjusted Capital
Bild 41:
Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix [1-16]
Die Geschäftsfelder sollten möglichst so gewählt werden, dass besonders im Kerngeschäftsbereich mit weitgehend übergreifenden Kernkompetenzen bei Konjunktur- und Nachfrageschwankungen ein Nachfrageausgleich
1.6 Unternehmensstrategie
79
zu erwarten ist (Bild 42). Dies wird teilweise dadurch erreicht, dass man die Geschäftsfelder in öffentliche und private Nachfrager sowie Bereiche mit Inlands- und Auslandsmarkt gliedert. Die Attraktivität der Geschäftsfelder wird mithilfe der Marktwachstums-Marktanteil-Matrix der Boston Consulting Group bewertet. Durch diese Methode erhält man einen ersten Überblick über die Geschäftsfeldstärke. Die Methode, die Geschäftsattraktivität in Bezug zum wachsenden Markt zu messen, ist jedoch nicht universell anwendbar, da es stagnierende Märkte gibt, die trotzdem attraktiv sind. Umsatz
SGF 3 Zeit Umsatz
SGF 2 Zeit Umsatz
SGF 1 Zeit
Bild 42:
Nachfrageausgleichsbewertung der Geschäftsfelder
80
1 Strategieplanungsprozess
Bild 43:
Markt-Wettbewerbs-Matrix für Entscheidungen bezüglich Marktanteil und Wettbewerbsverbesserungen
Heute verwendet man die „directional policy matrix“ als Unterstützung bei der strategischen Unternehmensentscheidung; sie wird auch als Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärke-Matrix bezeichnet (Bild 43). In dieser
1.6 Unternehmensstrategie
81
Matrix werden einerseits die Marktattraktivität (extern) und andererseits die Wettbewerbsstärke der Geschäftseinheit bzw. des Geschäftsfelds untereinander und relativ zu den Konkurrenten ausgedrückt. Zudem werden die Marktgrösse sowie der Marktanteil der Geschäftseinheiten bzw. Geschäftsfelder dargestellt. Die Marktattraktivitäts-Wettbewerbs-Matrix ermöglicht eine Bewertung der SGE/des SGF bezüglich der Massnahmen auf Unternehmensebene, um einen entsprechenden Beitrag zur Wertsteigerung des Unternehmens zu sichern. Man erkennt sehr anschaulich, welche Geschäftsfelder wachsen und wo investiert werden muss, wo ein Stagnieren und Abschöpfen und wo ein mit Desinvestitionen verbundenes Abschöpfen und Schrumpfen als Unternehmensstrategie gewählt werden muss. Um die Marktattraktivitäts-Wettbewerbs-Matrix zu erstellen, müssen Indikatoren für die Marktattraktivität und die Wettbewerbsstärke gegenüber den Konkurrenten gebildet werden (Bild 44).
Bild 44:
Indikatoren für die Marktattraktivitäts-Wettbewerbs-Matrix
Die relative Skalierung der Marktattraktivität und Wettbewerbsstärke erfolgt dadurch, dass man die einzelnen Indikatoren gewichtet und sie in der Summe auf den Wert 1 oder 100 normiert. Die einzelnen Geschäftsfelder werden dann bewertet, inwieweit sie die einzelnen Indikatoren erfüllen. Die Erfüllungsfaktoren sind somit individuelle Gewichtungsfaktoren des jeweiligen Geschäftsfelds für den Indikator. Die Indikatoren haben Werte zwischen 0 und 1. So erhalten die Geschäftsfelder individuell bewertete Attraktivitäts- und Wettbewerbsstärken-Skalenwerte <= 1 oder 100, je nach gewählter Skalierung. Eine weitere wichtige, unternehmensstrategische Untersuchung ist die Überprüfung der Geschäftsfelder und Geschäftseinheiten auf ihr Synergie-
82
1 Strategieplanungsprozess
potenzial und inwieweit die Kernkompetenzen des Unternehmens das Geschäftsfeld abdecken (Bild 45).
Bild 45:
Fähigkeitsmatrix der Geschäftsfelder
In Bild 45 sind die vorhandenen Fähigkeiten des Unternehmens in Bezug auf seine Ressourcen und Kompetenzen auf der horizontalen Achse und die erforderlichen Fähigkeiten für die Geschäftsfelder auf der vertikalen Achse abgebildet. Dadurch erkennt man den Bereich, in dem eine ausreichende Übereinstimmung (strategic fit) zwischen erforderlichen und vorhandenen Fähigkeiten vorliegt; diesen Bereich bezeichnet man auch als Kerngeschäft. Man erkennt sofort die Geschäftsfelder mit sehr geringen Fähigkeitsanforderungen, denen ein hohes Fähigkeitspotenzial des Unternehmens gegenübersteht. Das sind meist Geschäftsfelder, in denen die allgemeinen Geschäftskosten im Wettbewerb zu hoch liegen und z.B. kleine Unternehmen mit geringen allgemeinen Geschäftskosten Kostenführer sind. Aus solchen Geschäftsfeldern sollte man aussteigen bzw. sie ausgliedern. Geschäftsfelder, die hohe Anforderungen an im Unternehmen nicht vorhandene Fähigkeiten stellen, müssen meist erst teuer aufgebaut werden, ohne dass das Synergiepotenzial aus Kernfähigkeiten/Kernkompetenzen
1.6 Unternehmensstrategie
83
über mehrere Geschäftsfelder wirken kann. Entscheidend hierbei ist, dass man die Auswahl und Förderung der Geschäftsfelder auf die vorhandenen und realistisch entwickelbaren Ressourcen abstellen sollte. Was nutzen die attraktivsten Geschäftsfelder, wenn man nicht die Fähigkeiten (Ressourcen und Know-how) hat, sie zu nutzen? Die Auswahl der Geschäftsfelder muss nach dem „strategic fit“ erfolgen, bzw. es muss realistisch möglich sein, die Fähigkeiten gemäss den Anforderungen auszubauen („strategic stretch“). Die Ressourcenorientierung spielt im Zusammenwirken mit der Marktorientierung eine entscheidende Rolle bei der Wahl der Strategie des Geschäftsfelds. 1.6.2 Unternehmensentwicklungsstrategien der Bauunternehmen Basierend auf den Erkenntnissen der Portfolioanalyse muss als nächstes die Marktstrategie für die Geschäftsfelder gewählt werden. Bild 46 zeigt exemplarisch ein optimistisches und ein pessimistisches Szenario für die Entwicklung des Schweizer Baumarkts in den nächsten Jahren. Dies gilt analog für die meisten hoch entwickelten EU-Länder.
Bild 46:
Entwicklungspotenzial des Schweizer Baumarkts [Quelle: Wüest und Partner, Zürich]
Um dieser allgemeinen Marktlage gerecht zu werden, existieren für jedes Bauunternehmen unterschiedliche Strategien, wie es sich am Baumarkt behaupten kann. Für die Auswahl der unternehmensspezifischen Strategie spielen das Firmenleitbild und die Werte des Unternehmens eine grosse Rolle. Es müssen aber auch andere Faktoren wie die eigenen Ressourcen
84
1 Strategieplanungsprozess
oder die Entwicklung des Gesamtmarkts berücksichtigt werden. So kann es manchmal sinnvoller sein, bestimmte Geschäftszweige aufzugeben, um die dort gebundenen Ressourcen an anderer Stelle gewinnbringender einzusetzen. PLINKE führt drei Grundtypen strategischer Entscheidungen an [1-28], die „Strategiezementierung“, die „Wachstumsstrategie“ und die „strategische Neuorientierung“, die durch die „Strategie Schrumpfen“ ergänzt werden sollten. Bei der „Strategiezementierung“ beschränkt sich das Unternehmen darauf, im gewohnten Geschäftsfeld wie bisher weiterzumachen. Durch diese Entscheidung bindet es oft weitere Ressourcen an dieses Geschäftsfeld und schliesst damit (bewusst oder unbewusst) andere Geschäftsfelder mit Wachstumsmöglichkeiten aus. Wird die „Strategie Schrumpfen“ verfolgt, reduziert das Unternehmen den Ressourceneinsatz und sein Engagement auf einem Gebiet mit z.B. geringem Gewinn- bzw. Wachstumspotenzial und erhält damit grössere Möglichkeiten, in andere, möglicherweise attraktivere Geschäftsfelder zu investieren. Unternehmensstrategien
Strategie Zementieren
Strategie Schrumpfen
Strategie Wachsen
Passives Wachstum
Bild 47:
Strategie Neuorientierung
Aktives Wachstum
Unterschiedliche Unternehmensentwicklungsstrategien
Bei der „Strategie Wachsen“ muss man zwischen aktivem und passivem Wachstum unterscheiden. Beim aktiven Wachstum werden in der Regel mit erheblichem Ressourceneinsatz ein neuer Wachstumspfad/ein neues Betätigungsfeld/ein neues Marktsegment erschlossen und/oder bestehende Marktanteile ausgebaut. Das Unternehmen ergreift sozusagen die Initiative zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Beim passiven Wachstum verlässt man sich darauf, mit dem Gesamtmarkt zu wachsen; diese Möglichkeit ist im heutigen Baumarkt jedoch fast gänzlich aussichtslos. Das folgende Beispiel soll die theoretischen Zusammenhänge verdeutlichen.
1.6 Unternehmensstrategie
85
Stagniert – wie in letzter Zeit immer häufiger zu beobachten – die Nachfrage nach Bauleistungen und entschliesst sich das Bauunternehmen, durch Leistungsinnovationen neue Erfolgspotenziale zu schaffen, so ergeben sich bei der Unternehmensstrategie „Aktives Wachstum“ zwei Möglichkeiten für eine Marktstrategie. Das Unternehmen kann sich darauf konzentrieren, zum einen durch eine Verdrängungsstrategie neue Marktanteile in bestehenden Märkten oder zum anderen durch Leistungsinnovationen ganz neue Märkte zu erschliessen. Ausgangslage
Stagnation der Nachfrage nach Bauleistungen
Bild 48:
Ansatz
Leistungsinnovationen zur Schaffung von Erfolgspotenzialen
Erschliessung neuer Marktanteile in bestehenden Märkten
Entwicklung neuer Märkte
Von der Unternehmensstrategie „Aktives Wachstum“ zur Geschäftsstrategie [1-14]
Wettbewerbsstrategie
Erschliessung neuer Marktanteile in bestehenden Märkten
Entwicklung neuer Märkte
Bild 49:
Marktstrategie
• Differenzierungsstrategie • Strategie der Kostenführerschaft • Konzentrationsstrategie
Maximierung des Kundennutzens als Positionierungsziel
Ziel: Den Kunden einen intelligenten Nutzen bieten
Erfolgsfaktor der Geschäftsstrategie – Maximierung des Kundennutzens [1-14]
86
1 Strategieplanungsprozess
Aus diesen Unternehmensstrategien ergeben sich spezifische Geschäftsfeldstrategien, die anschliessend näher betrachtet werden. Das Ziel jeder Geschäftsbemühung zur Erzielung einer Win-Win-Situation sollte sein, den Kunden an das Unternehmen zu binden, indem man ihm einen Vorteil, z.B. einen intelligenten Nutzen, bietet, den die Konkurrenz so nicht anbieten kann.
1.7 Geschäftsfeldstrategie 1.7.1 Von der Unternehmens- zur Geschäfts(feld)strategie Jedes grössere Unternehmen bildet nach einer eingehenden Analyse der Ausgangslage, der so genannten Globalanalyse, einzelne strategische Geschäftsfelder (SGF). SGF sind voll auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet, um eine möglichst gute Kundenbetreuung, einen hohen Bekanntheitsgrad bei den Kunden und eine frühe Akquisition von Aufträgen zu gewährleisten. Zur Strukturierung der inneren Prozesse (Geschäftsprozesse) werden strategische Geschäftseinheiten (SGE) gebildet, wobei mehrere Geschäftsfelder derselben Geschäftseinheit zugeordnet werden können. So ist es beispielsweise möglich, dass das SGF „Hochbau Büro“ und das SGF „Hochbau Wohnung“ in der SGE „Hochbau“ organisiert werden. Durch die Aufteilung des Gesamtunternehmens in kleinere Teileinheiten sind schnellere Reaktionen auf den Markt und eine bessere Umsetzung des Firmenleitbilds und der Ziele möglich [1-14]. Geschäftsstrategien
Marktstrategie (Ansoff) (Wachstumsstrategien)
Wettbewerbsstrategie (Porter)
Ressourcenstrategie
Gesamtunternehmen
Differenzierung
Kernkompetenz
Strategische Geschäftseinheit (SGE)
Umfassende Kostenführerschaft
Know-how
Konzentration auf Schwerpunkte
Materiell / Finanziell
Bild 50:
Strategien zur Erlangung von Wettbewerbvorteilen
1.7 Geschäftsfeldstrategie
87
Für jedes SGF, aber auch für jede SGE lassen sich unterschiedliche Strategien definieren. Dabei muss zwischen drei voneinander unabhängigen Strategiegrundarten unterschieden werden (Bild 50). Mit der Marktstrategie definiert ein Unternehmen, wie es sich am Markt positionieren will. Dabei muss zwischen Marktstrategien für das Gesamtunternehmen und Marktstrategien für einzelne SGF unterschieden werden. Im Rahmen der Marktstrategie sollte es das Ziel des Unternehmens sein, zur Werterhaltung einen Wachstumspfad zu generieren. Dazu eignen sich für ein Geschäftsfeld die Dimensionen Leistung/Produkt und Markt nach ANSOFF [1-2] (Bild 51).
Bild 51:
Marktstrategie: Wachstums-Produkt-/Markt-Matrix nach ANSOFF [1-2]
Aufbauend auf der Marktstrategie [1-2] zeigt die Wettbewerbsstrategie nach PORTER [1-33] die unterschiedlichen Möglichkeiten auf, wie im Branchenumfeld aus eigener Kraft Wettbewerbsvorteile und Differenzierungspotenziale aus dem Blickwinkel des Kunden geschaffen werden können. Dabei werden sowohl das Verhalten gegenüber den Konkurrenten wie auch die damit verbundene Wirkung auf den Kunden berücksichtigt. Mit der Ressourcenstrategie werden die Markt- und Wettbewerbsstrategie intern umgesetzt, indem die materiellen und immateriellen Ressourcen bereitgestellt und Strukturen (Prozess- und Organisationsstrukturen) gebildet werden. 1.7.2 Marktstrategien nach Ansoff Unternehmensstrategien können grundsätzlich in Überlebensstrategien und Wachstumsstrategien unterteilt werden. Überlebensstrategien sind bei rezessiver Wirtschaftsentwicklung und/oder bei Strukturproblemen einer Branche angezeigt, während Wachstumsstrategien darauf ausgerichtet sind, an einem potenziellen Marktwachstum teilhaben zu können. ANSOFF [1-2] hat mögliche Wachstums- oder Angriffsstrategien formuliert. Die Wachstumsmatrix nach ANSOFF (Bild 51) stellt unterschiedliche Varianten
88
1 Strategieplanungsprozess
der Marktstrategie dar. Sie beschreibt die Wachstumsfelder und Wachstumspfade eines Unternehmens in den beiden Dimensionen Markt und Leistung/Produkt. Marktdurchdringung
Marktdurchdringung ist die intensive Bearbeitung der bestehenden Märkte mit den gegenwärtigen Leistungen bzw. Produkten. Sie kann sowohl durch eine Steigerung der Absatzmenge pro Abnehmer als auch durch Vergrösserung der Zahl der Abnehmer erreicht werden. Bei sich nicht änderndem Marktvolumen bedeutet die Strategie der Marktdurchdringung, dass das Unternehmenswachstum auf Kosten der Marktanteile anderer Unternehmen geht; bei wachsendem Marktvolumen kann sie darauf abzielen, den bestehenden Marktanteil sowohl zu halten als auch zu erhöhen. Markterschliessung
Die Markterschliessungsstrategie zielt darauf, neue regionale Märkte zu bearbeiten und/oder neue Anwendungsmöglichkeiten für die bestehenden Leistungen bzw. Produkte und/oder neue Käuferschichten zu erschliessen. Im letzteren Fall kommt der Marktsegmentierung grosse Bedeutung zu. Sie erlaubt die genaue Abgrenzung von Märkten und die zielgerichtete Bearbeitung homogener Zielgruppen, die nach bestimmten Kriterien (z.B. Verbrauchsgewohnheiten, Ausbildung, Einkommen) gebildet worden sind. Die Kosten der Umsetzung einer Strategie der Markterschliessung liegen, bei einer ungefähr zu erwartenden Erfolgswahrscheinlichkeit von 20 %, etwa viermal höher als die Kosten der Marktdurchdringungsstrategie. Leistungs-/Produktentwicklung bzw. Marktentwicklung
Mit der Entwicklungsstrategie will man die Bedürfnisse der Kunden mit neuen Leistungen bzw. Produkten befriedigen. Die neuen Leistungen/Produkte können das alte Leistungs-/Produktions- bzw. Absatzprogramm ergänzen oder einzelne Leistungen/Produkte ersetzen. Bei einer Programmerweiterung kann der Neuheitsgrad der neuen Leistung bzw. des neuen Produkts sehr unterschiedlich ausfallen. Die Kosten der Umsetzung einer Strategie der Leistungs-/Produkt- bzw. Marktentwicklung liegen, bei einer ungefähr zu erwartenden Erfolgswahrscheinlichkeit von 33 %, etwa achtmal höher als die Kosten der Marktdurchdringungsstrategie.
1.7 Geschäftsfeldstrategie
89
Diversifikation
Bei einer Diversifikationsstrategie erfolgt ein Wachstum mit neuen Leistungen bzw. Produkten auf neuen Märkten. In der Regel werden folgende Diversifikationsformen unterschieden: x Horizontale Diversifikation Die neuen Leistungen/Produkte stehen in einem sachlichen Zusammenhang mit den bisherigen Leistungen/Produkten. Dieser Zusammenhang kann sich beispielsweise auf vorhandene Maschinen und Produktionstechnologien, verwendete Rohstoffe oder benutzte Absatzkanäle, auf Komplementärprodukte oder Kuppelprodukte beziehen. x Vertikale Diversifikation Die neuen Leistungen/Produkte beziehen sich auf vorgelagerte (Rückwärtsintegration) oder nachgelagerte (Vorwärtsintegration) Leistungsbzw. Produktionsstufen. Diese Strategie dient vor allem der eigenen Unabhängigkeit von Lieferanten und/oder Abnehmern. x Laterale Diversifikation Bei der lateralen Diversifikation besteht gar kein sachlicher Zusammenhang mehr mit den bisherigen Leistungen/Produkten. Freie finanzielle Mittel werden, unter Berücksichtigung der Risikostreuung, in neue Branchen investiert. Ferner kann zwischen originärer und derivativer Diversifikation unterschieden werden. Bei Verfolgung einer originären Diversifikationsstrategie stehen die Nutzung der originären Chancen und die Vermeidung der originären Gefahren im Vordergrund. Durch offensives Vorgehen mit neuen ProduktMarkt-Kombinationen sollen Wettbewerbsvorteile erzielt werden. Etwaige Synergieeffekte zu bereits bestehenden Geschäftsfeldern spielen eine untergeordnete Rolle. Bei Verfolgung einer derivativen Diversifikationsstrategie werden vor allem die Nutzung derivativer Chancen und die Vermeidung derivativer Gefahren angestrebt. Die defensive Vorgehensweise einer derivativen Diversifikation integriert die übrigen Geschäftsfelder eines Unternehmens und stimmt die Leistungspotenziale der einzelnen Geschäftsfelder aufeinander ab. Die Kosten der Umsetzung einer Strategie der Diversifikation liegen, bei einer ungefähr zu erwartenden Erfolgswahrscheinlichkeit von 20 %, etwa zwölf- bis sechzehn Mal höher als die Kosten der Marktdurchdringungsstrategie.
90
1 Strategieplanungsprozess
1.7.3 Leistungs- und Produktlebenszyklen Im Rahmen der Wachstums-Markt-Leistungs-/Produkt-Strategie ist unbedingt der Leistungs- bzw. Produktlebenszyklus zu beachten (Bild 52). Der Lebensweg einer Marktleistung hat entscheidenden Einfluss auf die Wahl der Marktstrategie nach ANSOFF [1-2].
Bild 52:
Leistungs-/Produktlebenszyklus
Wenn ein Unternehmen ein neues Leistungsangebot in den Markt einführt, muss es den Markt erst entwickeln. Eine Marktdurchdringung oder Erschliessung neuer Märkte ist erst in der Wachstums- und Reifephase möglich. Daher ist es unabdingbar, jedes Leistungsangebot hinsichtlich seiner Marktphase und den assoziierten Kriterien [1-14] zu beobachten und entsprechende Markt- und Wettbewerbsstrategien zu entwickeln. 1.7.4 Wettbewerbsstrategien nach Porter Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Struktur einer Branche sowohl die Spielregeln des Wettbewerbs als auch die Strategien, die einem Unternehmen potenziell zur Verfügung stehen, stark beeinflusst. Daher ist es für ein Unternehmen wichtig, die Einflussfaktoren zu erkennen, die für die jeweilige Wettbewerbssituation verantwortlich sind [1-33], damit es eine
1.7 Geschäftsfeldstrategie
91
Wettbewerbsstrategie finden kann, mit der es sich am besten gegen bestimmte Wettbewerbskräfte schützen oder diese zu seinen Gunsten beeinflussen kann. Dies bedeutet zugleich eine höhere Rentabilität gegenüber vorhandenen oder potenziellen Konkurrenten. Wie aus Bild 53 hervorgeht, unterscheidet PORTER fünf wesentliche Einflussfaktoren (Wettbewerbskräfte) des Branchenwettbewerbs [1-33]. Sie alle bestimmen die Wettbewerbsintensität und somit die Rentabilität einer Branche. Versucht beispielsweise ein Unternehmen, seinen Marktanteil durch tiefere Preise zu erhöhen, so wird ihm das kurzfristig vielleicht gelingen. Die anderen Unternehmen werden aber, wenn sie ihren Marktanteil halten wollen, gezwungen, ihre Preise ebenfalls zu senken. Dies hätte zur Folge, dass die Gewinnspanne und damit die Rentabilität für alle Unternehmen der Branche kleiner würde. Allerdings wirken die Einflussfaktoren je nach Situation unterschiedlich stark, was insofern von Bedeutung ist, als sich die verschiedenen Konstellationen auf die zu wählende Strategie auswirken. Potenzielle neue Konkurrenten Bedrohung durch neue Konkurrenten
Verhandlungsstärke der Lieferanten
Wettbewerber in der Branche
Lieferanten
Abnehmer Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
Verhandlungsmacht der Abnehmer
Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste Ersatzprodukte
Bild 53:
Triebkräfte des Branchenwettbewerbs [1-33]
Aufbauend auf den Marktzielen und der Marktstrategie erfolgt nun die Umsetzung mit einer geeigneten Wettbewerbsstrategie. In der Praxis sind viele Ansätze entwickelt worden, um erfolgreich mit den fünf Wettbewerbskräften (Bild 53) umzugehen. Obwohl eine solche Strategie letztendlich eine einmalige Konstruktion ist, die die besonderen Bedingungen einer Branche widerspiegelt, können nach PORTER [1-33] die
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1 Strategieplanungsprozess
folgenden drei in sich geschlossenen Strategiegruppen [1-38] unterschieden werden (Bild 54): x Kostenführerschaft x Differenzierung x Konzentration auf Schwerpunkte
Bild 54:
Varianten der Wettbewerbsstrategien nach PORTER [1-33]
Strategie der Kostenführerschaft
x Zielsetzung der Kostenführerschaft Ziel des Kostenführeransatzes ist es, unter grösstmögliche Ausnutzung von Betriebsgrössenersparnissen (economies of scale), einem strengen Controlling und der Umsetzung kostenrelevanter Know-how-Vorteile über die Kostenseite eine Vormachtstellung innerhalb des gesamten bedienten Teilmarkts zu erlangen. Dies soll es einem Unternehmen u.a. ermöglichen, auch bei einem niedrigeren Preisniveau im Vergleich zu seinen Wettbewerbern ausreichende Gewinne zu erzielen. x Anforderungen der Kostenführerschaft Die Erlangung der Kostenführerschaft erfordert für gewöhnlich hohe Investitionen zur Maximierung der Produktivität und dementsprechend eine ausreichende Kapitalverfügbarkeit. Innovative Bauverfahren und kontinuierliche Verbesserungen der Herstellungsabläufe im Sinn einer strikten Prozessorientierung sind dabei zur Aufrechterhaltung der Kostenführerschaft unabdingbar. Unternehmensorganisation und Leistungsprogramm spiegeln die Erfordernisse einer kosteneffizienten Baufertigung nach aussen wider. Klare Organisationsstrukturen mit genau definierten Verantwortlichkeiten ermöglichen eine intensive Kostenkon-
1.7 Geschäftsfeldstrategie
93
trolle. Die Unternehmens- und Projektmanager werden mit einem Anreizsystem nach objektiven Bewertungsmassstäben (z.B. variable Vergütungsanteile) zur Erreichung der Kostenziele motiviert. x Risiken der Kostenführerschaft Die Risiken des Kostenführeransatzes liegen in erster Linie darin, dass ein Unternehmen aufgrund einer überzogenen Kostenfixierung den Blick für vorhandene Produkt- und Marketingentwicklungen auf dem Baumarkt verliert. Technische Veränderungen im Baufertigungsprozess sowie neue, innovative Bauverfahren können zudem die investitionsbedingten Kostenvorteile egalisieren. Darüber hinaus besteht die generelle Gefahr, langfristig erarbeitetes, kostenrelevantes Know-how durch Nachahmung oder Personalfluktuation an die Wettbewerber zu verlieren. Des Weiteren können betriebsindividuelle Kostensteigerungen die Höhe eines Kostenvorteils schmälern. x Kritische Betrachtung der Kostenführerschaft Wegen der Fragmentierung des Baumarktes ist es für ein einzelnes Unternehmen sehr schwer, auf dem von ihm bedienten Teilmarkt eine Kostenführerschaft über das gesamte eigene Leistungsprogramm zu erreichen; die in den einzelnen Unternehmen eingesetzten Bauverfahren und Herstellungsmethoden sind zu ähnlich. In der Organisationsstruktur und der Baustellenabwicklung begründete Wettbewerbsvorteile sind oft nur unzureichend vorhanden und für sich allein noch nicht in der Lage, die Spanne der Preisbildung konkurrenzunterscheidend zu durchbrechen. Darüber hinaus ist es im Baugeschäft schwierig, die Kostenführerschaft am Markt in relevante Wettbewerbsvorteile umzusetzen. Die Preisbildung erfolgt punktuell von Ausschreibung zu Ausschreibung; Bauaufträge werden oft sozusagen „versteigert“, wobei die Zahl der Angebotsrunden je nach Auftraggeber variiert (bei öffentlichen Auftraggebern in der Regel nur eine Angebotsrunde). Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen erfolgt also in der Bauwirtschaft keine stetige Preisbildung. Der Markt ist nicht genügend transparent; die einzelnen Bauunternehmen kennen in der Regel die Höhe der Einheitspreise ihrer Konkurrenten nicht und können somit deren Preisgestaltung bei der nächsten Ausschreibung nicht abschätzen. Aufgrund des Projektcharakters des Bauens und der Einzigartigkeit einer jeden Bauaufgabe ist eine stetige Preisbildung, verbunden mit einer ausreichenden Markttransparenz, auch nicht erreichbar. Allgemein gültige, verbindliche und längerfristig anwendbare Preislisten, aus denen Auftraggeber und Wettbewerber eine Orientierung über die Preisgestaltung eines Unternehmens erhalten, sind naturgemäss nicht vorhanden. Die Heterogenität der Bauleistungsanbieter dämpft zusätzlich die markt-
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1 Strategieplanungsprozess
technische Wirksamkeit einer erreichten Kostenführerschaft. Kostenvorteile einiger Unternehmen werden durch zurückgesteckte, preisrelevante Renditeerwartungen anderer Unternehmen ausgeglichen. Die in der Bauwirtschaft anzutreffenden hohen Bereinigungswiderstände führen dazu, dass viele Anbieter bei der Angebotskalkulation mithilfe einer aggressiven Deckungsbeitragsrechnung ihre effektiven Selbstkosten, z.B. durch den teilweisen Verzicht auf Abschreibungen, unterschreiten. In Kenntnis der langfristigen Unzulänglichkeit einer Grenzkostenstrategie wird versucht, wenigstens kurzfristig auf Kosten der Eigensubstanz am Markt zu bestehen, bis sich die vorhandenen Probleme durch die erhoffte Konjunkturerholung von selbst lösen. Die Erzielung eines geringen Kostenniveaus ist somit noch kein Garant für eine erfolgreiche Marktpositionierung. Durch Substanzvorteile gestärkte Wettbewerber können trotz eventueller Kostennachteile im Verdrängungswettbewerb gegenüber anderen Unternehmen im Vorteil sein. Zur abschliessenden Betrachtung der Kostenführerschaftsstrategie ist festzustellen, dass das Anstreben der Kostenführerschaft als alleiniger strategischer Lösungsansatz nur unzureichend geeignet ist. Zwar sind Bemühungen zur Erlangung einer effizienten Kostenstruktur mit einhergehenden Anstrengungen zur stetigen Produktivitätssteigerung unverzichtbar, um im Wettbewerb bestehen zu können. Neben den Kosten prägen aber die erzielten Einnahmen die Rendite eines Bauunternehmens in ebenso entscheidender Weise. Der Preisgestaltung kommt als einem der sicherlich wichtigsten Entscheidungsgesichtspunkte der Bauherren zwar eine besondere Rolle zu; der Markterfolg eines Unternehmens hängt jedoch von einer Vielzahl weiterer Parameter ab. Nur für Bauunternehmen, die keine konkurrenzunterscheidenden Leistungen anbieten können, sind die Bedingungen einer Auftragsvergabe, insbesondere die preislichen, unbeeinflussbare Konstanten. Unternehmen, die sich ausschliesslich in ihrer Preisgestaltung von ihren Wettbewerbern abheben, werden in Zukunft weiterentwickelten Lösungsanbietern gegenüberstehen, denen sie wegen der Unterlegenheit des eigenen Leistungsprogramms nur mithilfe von Kampfpreisen begegnen können. Kostenführerschaftsstrategien als alleiniges strategisches Mittel bieten keinen Ausweg aus dem Dilemma des Preiswettbewerbs. Sie setzen bei den Symptomen, nicht jedoch bei den Ursachen der vorherrschenden Situation an. Strategie der Differenzierung
x Zielsetzung der Differenzierung Der Differenzierungsansatz zielt darauf ab, durch die Besonderheit der
1.7 Geschäftsfeldstrategie
95
erbrachten Leistungen eine marktrelevante Unterscheidung von den Wettbewerbern erreichen; er bezieht sich auf die gesamte Breite der von einem Unternehmen innerhalb eines Teilmarktes erbrachten Leistungen. Am ehesten können Bauunternehmen eine Steigerung der Attraktivität des eigenen Leistungsprogramms durch die Kombination ansonsten separater Einzelleistungen zu einem konkurrenzunterscheidenden Komplettleistungsprogramm erreichen. So liesse sich beispielsweise durch ausgeweitete Garantieleistungen (Preis, Termin, Qualität, Nutzungskosten) oder attraktive Finanzierungsmodelle der Wert des eigenen Bauprogramms in allen Marktsegmenten steigern. x Anforderungen der Differenzierung Voraussetzung, um die Einzigartigkeit eines Leistungsangebots gegenüber den Kunden darzustellen, ist eine ausgeprägte Marketingkompetenz, die den Aufbau einer ausreichenden Preisabschirmung ermöglicht. Im Gegensatz zum Kostenführeransatz steht beim Differenzierungsansatz die Kundenorientierung im Vordergrund. Sie ermöglicht es, die Differenzierung aufrechtzuerhalten und das Leistungsprogramm entsprechend anzupassen, wenn die Kundenansprüche sich ändern. Eine Prozessorientierung wird nur insoweit verfolgt, wie sie nicht mit der Bedienung der Kundenwünsche kollidiert. Im Idealfall trägt eine prozessorientierte Baufertigung dazu bei, einen höheren Differenzierungsgrad zu erreichen, z.B. über eine Verkürzung der Fertigungszeiten durch die Anwendung des Simultaneous Engineering. x Risiken der Differenzierung Die Risiken des Differenzierungsansatzes bestehen zum einen, ähnlich wie bei der Kostenführerschaft, in einer Nachahmung durch die Wettbewerber. Zum anderen muss darauf geachtet werden, dass die gegenüber den Kostenführern in Kauf genommenen Preisnachteile durch die Wirkung der Differenzierung mindestens kompensiert werden. Hier besteht insbesondere die Gefahr, dass auf Seiten der Bauherren der Bedarf nach der vorher differenzierend wirkenden Leistung abnimmt und die Kostennachteile in den Vordergrund treten. Änderungen der Rahmenbedingungen des Baumarktes müssen daher vorausschauend erkannt und in der Ausgestaltung des Leistungsprogramms berücksichtigt werden. x Kritische Betrachtung der Differenzierung Die eigentlichen Schwierigkeiten bei der Umsetzung breit angelegter Differenzierungsbemühungen bestehen darin, sie über die gesamte Leistungspalette eines Anbieters zu realisieren und gegenüber den Kunden in einer sich von den Wettbewerbern abhebenden Art darzustellen. Allgemeine Formulierungen, die die führende Rolle eines Unternehmens in
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1 Strategieplanungsprozess
Bezug auf Service und Qualität darzustellen versuchen, müssen ihre Wirkung verfehlen, da sie von allen Unternehmen in ähnlicher Art benutzt werden. Erst ihre gezielte Nutzung zur Entwicklung konkreter Wettbewerbsvorteile, die von einem Auftraggeber direkt wahrgenommen werden können, bietet ausreichende Differenzierungschancen. Ein Bauunternehmen, das für sich den Anspruch erhebt, in jedem einzelnen seiner Tätigkeitsbereiche eine führende Rolle einzunehmen und herausragende Nutzungslösungen anzubieten, wird wegen der vorherrschenden Marktfragmentierung und der Heterogenität der Anbieterstruktur scheitern müssen. Hinzu kommt, dass die Art der gewöhnlich angebotenen Bauleistungen aus Sicht der Auftraggeber sehr vergleichbar ist und bisher kein Bauunternehmen eine führende Stellung über die gesamte Breite eines Teilmarktes als Ausgangsposition im Differenzierungswettbewerb erreichen konnte. Vor dem Hintergrund des zur Zeit vorherrschenden Preiswettbewerbs muss beim Aufbau differenzierender Leistungsinhalte darauf geachtet werden, dass keine überhöhten Gemeinkostenanteile aus ihnen hervorgehen und dass die angestrebte Differenzierung ihre Wirkung nicht verfehlt, sondern in ihrer Art von den Bauherren angenommen wird. Es muss sichergestellt sein, dass durch die erreichte Differenzierung eine ausreichende Abschirmung entsteht, deren Nutzen die sich aus ihr eventuell ergebenden Kosten übersteigt. Wegen des andauernden Preiswettbewerbs erscheinen breit angelegte Differenzierungsbemühungen stark risikobehaftet. Sie sollten sich zunächst auf Bereiche konzentrieren, in denen die Unternehmen bereits Erfahrungen gesammelt haben und sich die aus ihnen resultierenden Kosten sowie die erzielbaren Marktvorteile abschätzen lassen. Zur Beschränkung des Marktrisikos sollten Differenzierungsleistungen zunächst optional angeboten werden; sie sollten nur variable Kosten verursachen, damit aus einer Nichtbeauftragung keine Kostenbelastung zum Nachteil der herkömmlichen Bauleistungen entsteht. Hierfür bieten sich beispielsweise externe Dienstleister an, die sich mithilfe virtueller Organisationsformen in die Projektabwicklung integrieren lassen. Bei positiver Reaktion des Marktes sollten die differenzierend wirkenden Leistungen als obligatorischer Bestandteil in die Angebotsgestaltung aufgenommen werden, so dass eine Differenzierung der Gesamtleistung erreicht wird. Der Preiswettbewerb tritt damit über alle Bereiche eines Angebots zugunsten eines Lösungswettbewerbs in den Hintergrund.
1.7 Geschäftsfeldstrategie
97
Strategie der Konzentration
x Zielsetzung der Konzentration Die Konzentrationsstrategie beinhaltet die Fokussierung der unternehmerischen Bemühungen auf einige wenige Zielmarktsegmente. Mithilfe einer Spezialisierung soll innerhalb des evaluierten Zielmarktes sowohl eine Kostenführerschaft als auch eine segmentspezifische Differenzierung erreicht werden. Durch die Konzentration der unternehmerischen Anstrengungen auf ein begrenztes strategisches Wettbewerbsfeld soll ein Bauunternehmen in die Lage versetzt werden, seine strategischen Ziele effektiver als seine Wettbewerber, die über die Gesamtbreite des Marktes operieren, umzusetzen. Durch die Einengung des Zielmarktes erreichte Wettbewerbsvorteile sollen die Nachteile, die sich aus einem Rückzug aus Randsegmenten ergeben können, übertreffen. Die Spezialisierung kann unter verschiedenen Aspekten, z.B. regional, nach Art der Leistung, nach Auftraggebern oder der Leistungstiefe, erfolgen. x Anforderungen der Konzentration Entsprechend den Zielsetzungen innerhalb einer Konzentrationsstrategie – gleichzeitige Kostenführerschaft und Differenzierung – ergeben sich die hierzu erforderlichen Fähigkeiten aus einer Kombination der unter „Strategie der Kostenführerschaft“ und „Strategie der Differenzierung“ erläuterten Anforderungen. Besondere Aufmerksamkeit ist der Auswahl der Zielmärkte zu widmen; sie sollten eine weitgehende Differenzierung erlauben und es anderen Anbietern dadurch erschweren, erreichte Erfolge nachzuahmen. Die Zielmärkte müssen zum Unternehmen passen; sie sind nach verschiedenen Kriterien wie z.B. Lage und Ausdehnung der regionalen Teilmärkte, Grösse des Zielmarktes im Verhältnis zum Unternehmen, Anforderungen an das technische Know-how, Kapitalbedarf für den Markteintritt etc. zu beurteilen. Die angestrebte Konzentration muss die Möglichkeit beinhalten, über geeignete Ansatzpunkte Effizienzvorteile gegenüber Wettbewerbern, die über einen breiten Marktbereich operieren, zu entwickeln. Der anvisierte Zielmarkt sollte im bestmöglichen Fall über ein genügendes Wachstumspotenzial verfügen, das es erlaubt, die erarbeiteten Wettbewerbsvorsprünge in nachhaltige Geschäftserfolge umzusetzen. x Risiken der Konzentration Bei der Konzentration auf einige Schwerpunkte besteht das Risiko, plötzlich auftretende Nachfrageeinbrüche im Zielmarkt nicht ausgleichen zu können. Ein Systemanbieter, der sich z.B. auf die Erstellung schlüsselfertiger Multiplex-Kinos konzentriert hat, könnte durch eine zukünftige Trendwende im Freizeitverhalten oder durch eine Markt-
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1 Strategieplanungsprozess
übersättigung mit einer abrupt nachlassenden Nachfrage konfrontiert werden. Ein weiteres Risiko besteht darin, durch übertriebene Differenzierungsbemühungen und eine zulasten der Prozessorientierung zu weit geführte Kundenorientierung Kostennachteile aufzubauen. Die Wirtschaftlichkeit der Lösung muss auch hier im Sinn des Gesamtnutzwerts für den Bauherrn im Vordergrund stehen; auch beim Angebot differenzierter Speziallösungen wird der Preis für die Auftraggeber einer der wichtigsten Bewertungsmassstäbe bleiben. Eine weitere Gefahr könnte sich ergeben, wenn die zielmarktspezifische Differenzierung keine Besonderheit mehr darstellt, weil die Anforderungen des Gesamtmarktes sich denen des Zielmarktes annähern. Einem erlangten Wettbewerbsvorsprung würde dadurch die Basis entzogen. Ein Bauunternehmen hätte dann seine Aktivitäten auf einen Teilmarkt beschränkt, ohne in diesem längerfristige Wettbewerbsvorteile erreicht zu haben. x Kritische Betrachtung der Konzentration Die Strategie der Konzentration auf einzelne Marktsegmente ist ein Erfolg versprechender Ansatz, der allgemeinen Fragmentierung des Baumarktes zu entgehen. Die Segmentierung des Gesamtmarktes in kleinere Teilmärkte führt dabei im Idealfall zu einer Konzentration der Anbieter. Die Vielzahl möglicher Marktsegmente kann dabei als geeignetes Pendant zur Heterogenität der Anbieterstruktur verstanden werden. Unternehmensspezifische Eigenheiten und Marktaktivitäten werden verstärkt aufeinander abgestimmt. Insbesondere mehrdimensionale Konzentrationsansätze, bei denen Differenzierung und Effizienzsteigerung unter Kombination verschiedener Segmentierungsaspekte erfolgen, können dabei als viel versprechende Lösungsansätze verstanden werden. Die wirtschaftlichste Baulösung hat für den Bauherrn meist einen vielschichtigen Charakter; neben einer möglichst geringen Investitionssumme ergibt sie sich aus minimalen Betriebskosten und Aufwendungen für den baulichen Unterhalt. Der wirtschaftliche Nutzwert resultiert letztendlich aus der Rendite, die der Bauherr mit dem Projekt erzielen kann, und aus der Flexibilität der Nutzung, die den Gebrauchswert auch unter geänderten Anforderungen sicherstellt. Die Konzentration bietet aufgrund des verkleinerten Zielmarktes die Möglichkeit, ein effizientes Zielgruppenmarketing zur Formulierung der erreichten Wettbewerbsvorteile gegenüber potenziellen Bauherren durchzuführen. Ein auf einige Zielmarktgebiete konzentrierter Anbieter kennt seine Kunden und deren Bedürfnisse genau; eine Kundenorientierung fällt ihm deshalb sehr viel leichter als seinen breit ausgerichteten Wettbewerbern.
1.7 Geschäftsfeldstrategie
99
1.7.5 Funktionale Strategie Zur Umsetzung der mittels Markt- und Wettbewerbsstrategie definierten Ziele benötigt das Unternehmen unterschiedliche Ressourcen, Prozesse und Strukturen. Dabei wird der Begriff „Ressource“ eher weit gefasst, so dass fast alle materiellen und immateriellen Güter, Fähigkeiten, Systeme, Prozesse und Strukturen als Ressourcen interpretiert werden können. Nach einer Analyse des eigenen Unternehmens wird eine Strategie festgelegt, um die benötigten Ressourcen zu nutzen (strategic fit) oder auszubauen bzw. zu beschaffen (strategic stretch). Einige Ressourcen sind dabei kurzfristig und leicht zu besorgen, während andere über eine lange Zeitspanne hinweg mühsam erarbeitet werden müssen oder nur durch Kooperationen in sinnvoller Zeit und mit akzeptablen Kosten beschafft werden können. So lassen sich materielle Rohstoffe (beispielsweise Hardware) bei ausreichenden finanziellen Mitteln meist ohne langen Vorlauf einkaufen, während immaterielle Ressourcen wie Know-how, Leistungsideen, das Image oder der Bekanntheitsgrad eines Unternehmens über Jahre hinweg ohne Erfolgsgarantie entwickelt und gepflegt werden müssen. Aus den übergeordneten Überlegungen der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien müssen die Funktionsstrategien festgelegt werden. Sie beeinflussen das Unternehmen in seiner Gesamtheit (Bild 55). Die Funktionsstrategien sind zur Umsetzung der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien in Aufgaben erforderlich. Zu ihnen zählen u.a.: x x x x x x x
Leistungserstellungs- und Supportstrategien Marketingstrategie Organisationsstrategie Kooperationsstrategie Personalstrategie Finanzierungsstrategie Innovationsstrategie
Die Funktionsstrategien gestalten die Geschäftsorganisation als Ganzes.
100
1 Strategieplanungsprozess
Bild 55:
Interaktion von Strategie und Geschäftsorganisation (in Anlehnung an [1-9])
Gestaltungsalternativen der Innovationsstrategie Sollen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens Innovationen eingesetzt werden, muss man sich zuvor über die Art der Innovationsausrichtung, den angestrebten Wettbewerbsvorteil, den Markteintritt und die Art und Weise des Know-how-Erwerbs im Klaren sein [1-22]. Die Innovationsausrichtung beschreibt den Neuheitsgrad der Innovation und die Bereiche, in denen Neuerungen angestrebt werden. Bei der Wettbewerbsstrategie muss betont werden, dass besonders im Bereich der Differenzierungsstrategie intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Realisierung erforderlich sind.
1.8 Strategiewahlmöglichkeiten – Strategie-Mix
Innovationsausrichtung
Wettbewerbsstrategie
Inkrementale Innovation Marktdurchdringung
Markterweiterung
101
Radikale Innovation Leistungs- und Produkterneuerung
Programmerweiterung
Diversifikation
Kostenführung
Differenzierung
Spezialisierung
late to market
second / early to market
first to market
Markteintrittsstrategie „Kleine Schritte“
„Grosser Sprung“
Eigene Forschung und Entwicklung Know-how-Erwerb
Forschungs- und Entwicklungskooperationen Externer Know-how-Erwerb
Bild 56:
Gestaltungsalternativen der Innovationsstrategie [1-40]
Bei der Markteintrittsstrategie [1-14] unterscheidet man drei idealtypische strategische Verhaltensweisen. Die Pioniere (first to market) bieten als erste eine neue Leistung oder ein neues Produkt am Markt an. Frühe Folger (second/early to market) erscheinen kurz nach dem ersten Unternehmen am Markt und nutzen meist die Erfahrungen des Pioniers oder ihre günstigeren Vertriebs- und Fertigungsmöglichkeiten. Nachzügler (late to market) sind Unternehmen, die erst nach einer gewissen Zeit in den Markt eintreten, beispielsweise nachdem ein Patent abgelaufen ist. Weiter wird in die Einführungsstrategien der „kleinen Schritte“ und des „grossen Sprungs“ unterschieden. Der Know-how-Erwerb kann entweder in unternehmensinternen Forschungseinrichtungen oder in Kooperation mit anderen Unternehmen erfolgen. In letzter Zeit wird vermehrt der externe Know-howErwerb in Form von Auftragsforschung oder Lizenznahme (oder Unternehmenskauf) praktiziert.
1.8 Strategiewahlmöglichkeiten – Strategie-Mix Für die Wahl eines Strategie-Mix (Bild 57) können die Unternehmen auf ein umfangreiches Instrumentarium zurückgreifen. Im Rahmen der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie können sie sich von Wettbewerbern differenzieren und die Erfolgspotenziale des Marktes nutzen, besonders durch ihre individuellen Stärken hinsichtlich Ressourcen und Fähigkeiten im Vergleich zu Konkurrenten. Dazu steht den Unternehmen eine Reihe von Entwicklungsmethoden zur Verfügung. RUMELT [1-37] nennt fünf Auswahlkriterien zur Bestimmung des Strategie-Mix:
102
1 Strategieplanungsprozess
x Kompatibilität mit den Zielen, der Mission, der Vision und der Politik des Unternehmens x Fähigkeit zur Anpassung an die Veränderungen eines dynamischen Umfelds (Politik, Kunden, Technik, Ökonomie, Ökologie) x Der Strategie-Mix muss Wettbewerbsvorteile erzeugen und erhalten. x Der Strategie-Mix muss sich auf das Ressourcenpotenzial abstützen. x Der Strategie-Mix muss eine Dynamisierung des Ressourcenpotenzials zur Ergreifung neuer Marktchancen ermöglichen. Die gewählte Gesamtstrategie eines Unternehmens besteht nach MINTZ[1-30] auf funktionaler Ebene aus folgenden Teilstrategien:
BERG
x x x x x
Leistungs- und Produktmarketingstrategie Leistungserstellungsprozessstrategie Leistungsentwicklungsstrategie Beschaffungsstrategie Supportstrategie
Bild 57:
Strategische Wahl- und Entwicklungsmöglichkeiten von Unternehmen
Die drei charakteristischen Grundelemente einer langfristig erfolgreichen Management- bzw. Unternehmensstrategie nach GRANT [1-17] sind
1.9 Strategiecontrolling und -anpassung
103
x langfristige, klare und akzeptierte Ziele, x profundes Verständnis des Wettbewerbsumfelds und x objektive Bewertung der modifizierbaren Ressourcen und Fähigkeiten. In der heutigen Praxis, aber auch von wissenschaftlicher Seite treten bei der Strategieentwicklung die Ressourcen als determinierende Grössen gegenüber einer reinen marktorientierten Gestaltung stärker in den Vordergrund. Die Gründe hierfür sind wie folgt: x Die heutigen Märkte stehen durch Globalisierung, Deregulierung usw. immer stärker unter Wettbewerbsdruck; es gibt kaum noch Schutzzonen des Wettbewerbs. x Wettbewerbsvorteile (Branche) ergeben sich kaum noch allein aus der Selektion des „richtigen“ Marktes; entscheidend sind die Ressourcen und Fähigkeiten (strategic fit), um das Marktpotenzial auszuschöpfen. x Märkte und Wettbewerb sind heute so veränderlich, dass eine reine Marktstrategiefokussierung zu sehr schnellen Änderungen der Ziele führen würde. Kaum ein Unternehmen kann in einem prosperierenden Markt erfolgreich sein, wenn seine Ressourcen und Fähigkeiten unzureichend sind oder nicht zum Markt passen. Das Unternehmen muss die Ressourcen und Fähigkeiten wie folgt pflegen und weiterentwickeln: x Stärkung der Ressourcen und Fähigkeiten, die die Wettbewerbsfähigkeit in Geschäftsfeldern mit hoher Marktattraktivität fördern x Weiterentwicklung von Ressourcen für attraktive Geschäftsfelder mit neuem Zukunfts- und hohem Differenzierungspotenzial Die Strategieentwicklung (Strategie-Mix) muss sich also damit beschäftigen, wie man die intern vorhandenen oder zu entwickelnden Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens mit den Gelegenheiten des externen Marktes in Übereinstimmung bringen kann, um die Chancen optimal erfolgsorientiert nutzen zu können.
1.9 Strategiecontrolling und -anpassung Eine Strategieentwicklung bzw. Strategieplanung im Rahmen des strategischen Managements beruht auf dem Paradigma der Mission und Vision des Unternehmens, der Umfeld- und Unternehmensanalyse und den Annahmen der zukünftigen Entwicklung, die mit Unsicherheiten verbunden ist. Daher muss man damit rechnen, dass die Ziele in kurzer oder längerer
104
1 Strategieplanungsprozess
Frist nicht oder nicht mehr erreicht werden können. Im Regelfall wird man in verschiedenen Stufen (Bild 58), je nach Veränderung der Bedingungsgrössen des Marktes, die Anpassung der Strategie einleiten. Paradigm a des Unternehm ens (M ission/Vision/ Annahm en/Politik)
Strategieentwicklung
Strategieim plem entierung
Unternehm ensbzw. G eschäftsfeldergebnisse
Abweichungsgrösse
Stufe 3 Erneuerung des Paradigm as
Bild 58:
Stufe 2 Überarbeitung der Strategie
Stufe 1 Erhöhung der Kontrolle und Steuerung
klein m ittel gross
Stufen der Strategieanpassung
Strategiearten
Ebene des Planungssystems
Unternehmensstrategie Unternehmensebene (corporate level)
Wachstumsstrategie
Zementierungsstrategie
Schrumpfungsstrategie
Geschäftsfeldstrategie
Geschäftsfeldebene (business level)
Marktstrategie
Wettbewerbsstrategie
(nach Ansoff)
(nach Porter)
Gesamtunternehmen Strategische Geschäftseinheit (SGE)
Bild 59:
Ressourcenstrategie
Differenzierung
Kernkompetenz
Umfassende Kostenführerschaft
Know-how
Konzentration auf Schwerpunkte
Materiell / Finanziell
Arten von Strategien auf der Ebene des Planungssystems
Prinzipiell ist zwischen der mittel- bis langfristigen strategischen Planung und kurzfristigen Vorgaben zu unterscheiden. Die mittel- bis langfristige strategische Planung erstreckt sich in der Regel über einen Zeitraum von fünf Jahren; sie definiert die grundsätzliche
1.9 Strategiecontrolling und -anpassung
105
Unternehmensstrategie (Marktentwicklungsstrategie des Unternehmens bzw. einzelner strategischer Geschäftseinheiten) mit den Optionen, im bestehenden Markt entweder zu schrumpfen, zu wachsen oder die eigene Stellung zu zementieren (Bild 59). An die Planung der Unternehmensstrategie schliesst die Planung der Geschäftsfeldstrategie an, die neben der Marktstrategie nach ANSOFF auch die Wettbewerbsstrategien nach PORTER (Kostenführerstrategie, Differenzierungsstrategie, Konzentrationsstrategie) und die Ressourcenstrategie beinhaltet [1-33]. Nach ca. drei Jahren sollte eine fundamentale Überprüfung der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien erfolgen. Zwischenzeitliche Entwicklungen des Umfelds, das Auftreten „schwacher“ Signale oder interne, strategiebeeinflussende Faktoren des Unternehmens selbst erfordern eine Anpassung oder sogar eine neue Planung der Unternehmensstrategie sowohl in markt- als auch in ressourcenorientierter Hinsicht. Die kurzfristigen strategischen Vorgaben (Jahresplanung) dienen der Anpassung der Geschäftsfeldstrategie an externe Umfeld- bzw. interne Unternehmensentwicklungen, die noch keine komplette Neugestaltung der mittel- bis langfristigen strategischen Planung erforderlich machen. Die auf den langfristigen Unternehmens- und Geschäftsfeldzielen basierende, kurzfristige operative Planung soll in einem jährlichen Turnus erfolgen, um eine schnelle Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten, z.B. um die angestrebten Deckungsbeiträge (DB) zu erreichen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Ziele der mittel- bis langfristigen strategischen Planung in geeignete, kontrollierbare strategische Zielvorgaben für die Balanced Scorecard (BSC) herunterzubrechen. Aufgabe des Prozesses der strategischen Planung ist es auch, Prämissen zu definieren, mit deren Hilfe strategische Randbedingungen, die für die Strategieentwicklung und -anpassung bedeutend sind, fortlaufend überprüft werden können. Die Prämissen tragen dazu bei, das komplexe Umfeld auf klarere und präzisere Entscheidungssituationen zu reduzieren. Sie betreffen z.B. Gewinnzahlen, Umsatzzahlen, Lohnabschlüsse, Wechselkurse, technische Entwicklungen etc. Die Strategieumsetzung und die Messung des Zielerreichungsgrads erfolgen mithilfe der Balanced Scorecard als Instrumentarium, um „von der Vision zur Wirklichkeit“ zu gelangen [1-26], [1-4]. Das Erfolgsrezept ist das Herunterbrechen der Strategie auf alle strategischen und operativen Unternehmensebenen. Dabei setzt sich jede Ebene ihre eigenen, an der Unternehmensvision ausgerichteten Ziele und erstellt ihre Scorecard mit Kennzahlen zur Erfolgsmessung. Diese Eigenständigkeit erhöht die Akzeptanz der durch die Unternehmensleitung festgelegten Strategie. Durch die konkrete ebenenbezogene Erfolgsmessung mit den Kennzahlen der je-
106
1 Strategieplanungsprozess
weiligen Scorecard kann die Motivation der Mitarbeiter deutlich gesteigert werden. Zuerst werden die eher abstrakt und aggregiert für einen Zeitraum von in der Regel fünf Jahren formulierten strategischen Ziele auf der obersten Unternehmensebene in jährliche strategische Zielvorgaben für die BSC umgesetzt; diese Zielvorgaben bestehen aus Zielwerten für geeignete Kennzahlen, mit denen sich die Erreichung der strategischen Ziele messen lässt. Ausgehend von den Zielvorgaben der obersten Unternehmensebene definieren die strategischen Geschäftseinheiten ihre eigenen Ziele mit den zugehörigen Kenngrössen. Dieser Vorgang kann bis auf die unterste Ebene der Führungskräfte, in Bauunternehmen z.B. bis zum Bauleiter, durchgeführt werden.
Strategisches Controlling - Diskontinuitätenmanagement - Strategische Prämissenkontrolle - Controlling der Kontrollgrössen der BSC (Durchführungscontrolling I)
Strategische Prämissen
Strategische Planung
Strategische Umfeld- / Unternehmensanalyse
Strategische Zielvorgaben (BSC), z.B. jährlich Operative Umsetzung (BSC)
Operative Planung
Rückkopplung
Strategische Ziele (ca. 5 Jahre)
Operatives Controlling - Controlling der Kontrollgrössen der BSC (Durchführungscontrolling II)
Bild 60:
Zwei Controllingkreisläufe zum Controlling der Strategieumsetzung [1-16]
1.9 Strategiecontrolling und -anpassung
107
Das strategische und das operative Controlling begleiten den strategischen Planungsprozess und die Strategieumsetzung durchgängig und überprüfen deren Vollzug und Richtung. In Bild 60 sind die zwei Kreisläufe zum strategischen und operativen Controlling der Strategieumsetzung dargestellt. Die beiden Kreisläufe überschneiden sich bei der Umsetzung der in der Regel für fünf Jahre vorgegebenen strategischen Ziele in jährliche strategische Zielvorgaben, deren Erfüllung durch operative Kontrollgrössen gemessen werden kann. Das strategische und das operative Controlling bestehen aus vier Hauptaufgaben: Das Diskontinuitätenmanagement für die ungerichtete Informationsbeschaffung verfolgt das Ziel, ähnlich einem Radar so genannte „schwache“ Signale für Umfeldveränderungen, die für die Strategieentwicklung bzw. -anpassung relevant sein könnten, einzufangen. Die zweite Aufgabe umfasst die strategische Prämissenkontrolle. Neben der Entwicklung der Prämissen ist auch zu überprüfen, ob die ausgewählten Prämissen nach wie relevant für die zukünftige Strategieentwicklung und -anpassung sind. Die dritte Aufgabe ist das strategische Controlling der Kontrollgrössen der BSC im Rahmen des Durchführungscontrollings I. Controllinggegenstand sind die eher abstrakt gehaltenen Kontrollgrössen auf der obersten Unternehmensebene. Die vierte Aufgabe besteht im operativen Controlling der Kontrollgrössen der BSC, dem so genannten Durchführungscontrolling II. Controllinggegenstand sind die aus den eher abstrakt gehaltenen Kontrollgrössen der obersten Unternehmensebene abgeleiteten operativen Kontrollgrössen für die BSC der unteren Unternehmensebenen. Treten im Rahmen des operativen Controllings Abweichungen (Bild 61) auf, müssen Steuerungs- und Anpassungsmassnahmen eingeleitet werden. Der Grad der Anpassungsmassnahmen richtet sich nach der Grösse der Abweichungen von den gesetzten Zielen. Der erste Schritt der Strategieanpassung ist die Verstärkung des Controllings und die Identifizierung der Ursachen der Abweichungen. Möglicherweise lassen sich unter Beibehaltung des Paradigmas und der Strategie die intendierten Ziele durch unternehmensinterne Massnahmen (Prozesse, Marketing-Mix etc.) erreichen. Sind trotz Effizienzsteigerungen und Prozessveränderungen grössere Abweichungen vorhanden, muss die gewählte Strategie überprüft werden. Dabei geht man davon aus, dass die Voraussetzungen, also das Strategieparadigma, immer noch gültig sind.
1 Strategieplanungsprozess
Veränderungen
108
Strategische Erfolgsplanung
Umfeldänderung
Strategieänderung Strategische Fehlentscheidung
Strategieanpassung
Steuerungsmassnahmen
Strategieanpassung
Stufe 1
Stufe 2
Bild 61:
Versagen der Strategie (Unternehmensgefährdung)
ParadigmaSteuerungsund Strategiemassnahmen anpassung Stufe 3
Stufe 1
Strategieanpassung
Zeit
Stufe 2
Strategieanpassung – Veränderung von Umfeld und Strategie
Haben sich die Voraussetzungen für die Strategieentwicklung verändert, müssen das zugrunde liegende Paradigma und, darauf aufbauend, die Strategie geändert werden. Besonders wichtig dabei ist es, die externen Veränderungen möglichst frühzeitig zu erkennen (Bild 61) und die richtigen Massnahmen gemäss Bild 58 zu treffen. In Bild 62 ist der prinzipielle Ablauf der strategischen Planung, unterteilt in die kurzfristige und die mittel- bis langfristige Planung, über einen Zeitraum von neun Jahresperioden dargestellt. Die kurzfristige strategische Planung erfolgt jährlich mithilfe der BSC. Die mittel- bis langfristige strategische Planung, die die Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien umfasst, wird für einen Zeitraum von fünf Jahren aufgestellt. Nach drei Jahren überprüfen die Geschäftsleitung und der Aufsichts-/Verwaltungsrat die Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien und formulieren sie ggf. neu, wiederum mit einem strategischen Zielhorizont von fünf Jahren.
tegische Planung
Betrachtungst0 zeitpunkt
Umsatz / (Gewinn) der SGE
t0
Basisanalyse t0 der SGE
t1
t1
t3
t4
t2
t3
t4
igen mittel-/langfrist Ziele aus der ung t0 an Pl en ch strategis
t2
Strategischer Zielhorizont t0
Kurzfristige strategische Planung Jahresplanung der BSC
t6
t7
t8
t5
t6
t7
t8
t9
t9
Strategischer Zielhorizont t6
n tige gfris /lan g t 6 le t n mit nu der en Pla aus ch Ziele trategis s tigen ngfris a /l lte it t m g 3 n r e Planu aus d Ziele ategischen str
t5
Strategischer Zielhorizont t3
Mittel- bis langfristige strategische Planung - Unternehmensstrategie - Geschäftsfeldstrategie
Zeit t [in Jahren]
Prämissenänderung bzw. Diskontinuität
Dritte strategische Planung t6
Zweite strategische Planung t3
Erste strategische Planung t0
Tatsächlicher Geschäftsverlauf
Zeit t [in Jahren]
Strategische Prämissenkontrolle und Diskontinuitätenmanagement
1.9 Strategiecontrolling und -anpassung 109
Bild 62: Wirkung von Prämissenänderungen und Diskontinuitäten auf die stra-
110
1 Strategieplanungsprozess
Der untere Abschnitt von Bild 62 zeigt die Wirkung von Prämissenänderungen und Diskontinuitäten auf die strategische Planung auf. Jede Änderung der umfeld- und unternehmensbezogenen Randbedingungen kann zu einer Abweichung vom geplanten, durch die strategische Planung definierten Geschäftsablauf führen. Es ist die Aufgabe der kurzfristigen strategischen Planung, schnell auf diese Änderungen zu reagieren, um die ursprünglichen Ziele durch Anpassung der operativen Massnahmen oder der strategischen Vorgaben zu erreichen. Die nach drei Jahren anstehende Überprüfung der mittel- bis langfristigen strategischen Planung hat sämtliche Prämissenänderungen und identifizierten Diskontinuitäten in den aktualisierten Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien adäquat zu berücksichtigen.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung Das folgende Beispiel soll die Anwendung des Prozesses zum Management der strategischen Risiken innerhalb des strategischen Managements veranschaulichen. Die Zahlenangaben sind teilweise fiktiv und sollen lediglich zur Verdeutlichung der Vorgehensweise dienen. Die Entwicklungsprognosen des Umfelds basieren zum Teil auf externen Daten. Die Daten für die strategische Planung sollten eine Bezugsdauer von mindestens fünf Jahren aufweisen. Bei der folgenden strategischen Planung finden mögliche Diskontinuitäten keine Berücksichtigung. 1.10.1 Ausgangssituation Das Generalunternehmen QUALIBAU ist im Schweizer Baumarkt auf den Hochbau spezialisiert. Es konzentriert sich bisher auf die deutschsprachige Schweiz mit den Regionen Zürich, Winterthur, Zug, Bern, Basel, Aarau, Luzern und St. Gallen. Es ist in den drei strategischen Geschäftsfeldern (SGF) „Bürogebäude“, „Wohnungsbauten“ und „Umbau/Renovation“ mit den gleichnamigen strategischen Geschäftseinheiten (SGE) tätig. Der Markt in den drei SGF ist durch einen harten Preiswettbewerb gekennzeichnet. Während die SGE „Wohnungsbauten“ und „Umbau/Renovation“ den intern geforderten Bereichsdeckungsbeitrag DB4 seit drei Geschäftsjahren jeweils zumindest erreichen, verfehlt die SGE „Bürogebäude“ seit mehreren Geschäftsjahren das gesteckte Deckungsbeitragsziel.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
111
1.10.2 Fragestellung Das Generalunternehmen QUALIBAU möchte die strategische Situation der SGE „Bürogebäude“ überprüfen; einerseits extern im Vergleich zu den zwei stärksten Wettbewerbern, andererseits intern im Vergleich zu den SGE „Wohnungsbauten“ und „Umbau/Renovation“. Aus der Betrachtung des Status Quo und unter Beobachtung bestimmter Marktentwicklungsparameter möchte die Geschäftsleitung eine Entscheidungsgrundlage für die weitere strategische Planung und Operationalisierung des strategischen Geschäftsfelds „Bürogebäude“, das zugleich im Unternehmen ein eigenständiges Profitcenter bzw. eine eigene strategischen Geschäftseinheit darstellt, erhalten. 1.10.3 Vorgehensweise Die gewählte Vorgehensweise zur Klärung der Fragestellung ist in Bild 63 dargestellt. Sie enthält die Phasen Identifikation, Analyse, Bewältigung und Controlling, die Bestandteil der risikobasierten strategischen Planung sind.
Identifikation der strategischen Risiken
Die Umfeldanalyse des globalen Umfelds hat den Status Quo und zukünftige Veränderung der globalen externen Rahmenbedingungen eines Unternehmens aufzuzeigen. Die globalen externen Rahmenbedingungen haben Auswirkungen auf das Verhalten einzelner Anspruchsgruppen und daher Einfluss sowohl auf den Markt, in dem ein Unternehmen tätig ist oder tätig sein wird, als auch auf das Unternehmen selbst. Generell hängt die Nachfrage nach Büroflächen von der Entwicklung der Beschäftigung in Branchen mit einem hohen Anteil an Bürobeschäftigten ab. Die Nachfrage nach Büroneubauten hingegen wird zusätzlich von der derzeitigen Leerstandsrate und deren zukünftiger Entwicklung beeinflusst. Letztlich sind die wirtschaftlichen Aussichten und die Gewinnerwartungen der Unternehmen dafür ausschlaggebend, ob zusätzliche Flächen und damit Neubauten nachgefragt werden.
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1 Strategieplanungsprozess
Identifikation
- Umwelt: Globales Umfeld - Umwelt: Markt, Branche - Unternehmen
Analyse
- Ermittlung der Marktattraktivität für den externen Vergleich - Ermittlung der relativen Wettbewerbsposition für den externen Vergleich - Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den externen Vergleich - Ermittlung der Marktattraktivität für den internen Vergleich - Ermittlung der relativen Wettbewerbsposition für den internen Vergleich - Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den internen Vergleich - Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix für die eigenen SGE - Zusammenfassende Darstellung mit der SWOT-Analyse
Bewältigung
- Formulierung der Unternehmensstrategie - Formulierung der Wettbewerbsstrategie für die SGE „Bürogebäude“ - Umsetzung mittels der Balanced Scorecard
Controlling
- Mittels der Balanced Scorecard
Bild 63:
Vorgehen bei der risikobasierten strategischen Planung
In einem Workshop hat die Geschäftsleitung mit den Leitern der strategischen Geschäftseinheiten und Fachleuten aus den Supportabteilungen die folgenden Einflussfaktoren mit Relevanz für die Fragestellungen zum SGF „Bürogebäude“ ermittelt. Umfeldanalyse I: Globales Umfeld Die wichtigsten Einflussfaktoren des globalen Umfelds auf die strategische Entscheidungsfindung, wie das SGF „Bürogebäude“ in den nächsten fünf Jahren weiter entwickelt werden soll, sind: x Wirtschaftsentwicklung Die Aussichten für das weitere Wachstum der Weltwirtschaft sind nach wie vor intakt, obwohl es sich in den letzten Monaten leicht abgeschwächt hat. Geldpolitische Impulse werden ausbleiben, da einige wichtige Zentralbanken die Zinswende bereits vollzogen haben. Infolge des kräftig gestiegenen Rohölpreises ist von einer leichten Dämpfung der inländischen Nachfrage in den erdölimportierenden Ländern in den nächsten Jahren auszugehen. Nach Jahren der Stagnation kehrt die Schweizer Wirtschaft 2005 zu moderaten Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Grössenordnung von 1.4 bis 1.6 % zurück und wird sich auch in den darauf folgenden Jahren auf diesem Niveau einpendeln. Die Prognoseunsicherheit ist allerdings nach wie vor hoch. x Konsumentenpreise Der vom Bundesamt für Statistik (BFS) berechnete Landesindex der Konsumentenpreise misst die Preisveränderungen eines fest definierten
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
113
Bündels an Gütern und Dienstleistungen und ist ein Mass für die Inflation. Der Index der Konsumentenpreise erhöht sich für 2005 um 0.2 % gegenüber 2004 auf 1 %. Die Prognose zeigt, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzen wird. x Konsumentenstimmung Die Konsumentenstimmung ist eine subjektive Einschätzung der Wirtschaftslage gemäss einer Umfrage, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) quartalsweise durchführt, und zeigt lediglich die tendenzielle Entwicklung anhand einer Punkteskala an. Dieser Beurteilung nach verbessert sich die Konsumentenstimmung seit Mitte 2003 stetig und liegt Anfang 2005 bei -10 Punkten mit einer leichten Aufwärtstendenz für 2005. Für die nächsten Jahre wird weiterhin mit einer leichten Verbesserung gerechnet. Index der Konsumentenstimmung 30 20 10
Punkte
0 -10 -20 -30 -40 -50
Bild 64:
Jan 05
Jan 04
Jan 03
Jan 02
Jan 01
Jan 00
Jan 99
Jan 98
Jan 97
Jan 96
Jan 95
Jan 94
Jan 93
Jan 92
-60
Entwicklung der Konsumentenstimmung seit 1992 [1-41]
x Arbeitslosigkeit Seit 2002 gingen in der Schweiz über 60’000 Stellen verloren, wobei der sekundäre Erwerbssektor (Industrie und Gewerbe) mit einem Beschäftigungsrückgang von beinahe 4 % am stärksten betroffen war. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote für 2005 ist auf jahresdurchschnittlich 3.6 % prognostiziert; dies ist eine leichte Verbesserung gegenüber 2004 mit einer Arbeitslosenquote von 3.9 %. x Hypothekarzinssätze Mit dem Einsetzen der Konjunkturerholung in 2005 werden die Zinsen leicht ansteigen. Die Credit Suisse erwartet bis Ende 2005 einen Zinsan-
114
1 Strategieplanungsprozess
stieg um rund 0.5 % bei den variablen und Festhypotheken auf ca. 2.6 bzw. 3.3 %. Für die kommenden fünf Jahre wird mit einem Anstieg auf bis zu 4.0 bzw. 4.5 % gerechnet. x Demografische Entwicklung Für die Nachfrage nach Büroflächen hat die langfristige Bevölkerungsentwicklung grosse Bedeutung. Ausser vom durchschnittlichen Flächenverbrauch pro Bürobeschäftigtem hängt die Büroflächennachfrage auch von der Anzahl der Bürobeschäftigten ab. In den meisten industrialisierten Ländern wird sich das Wachstum der erwerbsfähigen Bevölkerung in den kommenden Jahren verlangsamen. Bis zum Jahr 2019 werden die erwerbsfähigen Altersklassen ihren zahlenmässigen Höhepunkt erreicht haben; Prognosen sagen danach einen Rückgang um 7 % bis zum Jahr 2040 voraus, was gegenüber heute einer Abnahme um 150'000 Erwerbstätige entspricht. In der Schweiz liegt der Anteil der Bürobeschäftigung bei 45 % der Gesamtbeschäftigung. Auf die für die Bürobeschäftigung relevanten Sektoren wird weiter unten separat eingegangen. x Entwicklung der Lebensarbeitszeit Prognosen sagen voraus, dass aufgrund der Verlängerung des Lebenszyklus die Erwerbsquote der über 55-Jährigen bis zum Jahr 2040 graduell um 10 % ansteigt. x Entwicklung der Telearbeit Mit der rasanten Entwicklung der Kommunikationstechnik gewinnt auch die Möglichkeit, zu Hause in einem „home office“ zu arbeiten, zunehmend an Bedeutung. Prognosen gehen davon aus, dass die Anzahl der Bürobeschäftigten dadurch bis zum Jahr 2015 um 180'000 zurückgehen dürfte [1-7]. x Entwicklung des tertiären Erwerbssektors – Dienstleistung Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die Beschäftigungsentwicklung in den Dienstleistungssektoren, z.B. im Kreditgewerbe, im Immobilienwesen, im Versicherungswesen, bei den Börsen, Maklern und Brokern, den Unternehmensdienstleistungen (Rechts- und Unternehmensberatungen, Architektur- und Ingenieurbüros), den Informatikdienstleistungen, der öffentlichen Verwaltung, dem Unterrichtswesen und dem Gesundheits- und Sozialwesen. Die Anzahl der Erwerbstätigen im tertiären Sektor liegt derzeit um 17’000 unter der Anzahl zur Zeit des Beschäftigungshöhepunkts Ende 2002 (Bild 65) [1-7]. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass nicht alle Dienstleistungsbranchen auf frei vermietbare Büroflächen angewiesen sind. Für die öffentliche Hand werden Bürogebäude speziell erstellt und befinden sich auch in ihrem Besitz;
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
115
Public Private Partnerships (PPP) im Bürobereich, d.h. die Miete von Büroflächen auf dem freien Markt, sind nach wie vor eine Seltenheit. Differenz Höhepunkt / heute 2002
2004
absolut
Total Beschäftigung
-54'651
-6'717
-61'368
Sekundärer Sektor
-26'940
-7'972
-34'912
-3.7 %
Tertiärer Sektor
-27'710
1'254
-26'456
-1.2 %
Kreditgewerbe
-5'516
-1'682
-7'198
-6.0 %
-282
-707
-989
-1.9 %
-1'614
730
-884
-4.1 %
209
1'146
1'355
6.9 %
Informatik
-6'031
832
-5'199
-8.6 %
Unternehmensdienstleistungen
-1.5 %
Versicherungen Börsen, Makler, Broker Immobilienwesen
in % Prognose 2007 -2.0 %
-7'156
3'212
-3'944
Öffentliche Verwaltung
2'492
1'282
3'774
2.9 %
Unterrichtswesen
4'088
-2'752
1'336
80.0 %
Gesundheits- und Sozialwesen Klassische Bürobranchen
Bild 65:
7'724
6'055
13'779
4.5 %
-20'390
3'531
-16'859
-3.2 %
Entwicklung der Erwerbstätigkeit im tertiären Sektor [1-7]
Umfeldanalyse: Markt, Branche Die wichtigsten Einflussfaktoren des Marktes und der Branche auf die strategische Entscheidungsfindung für die Weiterentwicklung des SGF „Bürogebäude“ sind das Marktpotenzial, die Marktstruktur und die Beschaffenheit des Produkts bzw. der Leistung. Das Marktpotenzial setzt sich aus den zwei Komponenten Marktgrösse und Marktwachstum zusammen, die durch die derzeitige und zukünftige Nachfrage nach Büroneubauten charakterisiert sind. In Bild 66 ist der Zusammenhang der Einflussfaktoren zur Bildung der Nachfrage nach Büroneubauten dargestellt. Es wird dabei deutlich, dass sich das Marktpotenzial letztlich aus den Einflussfaktoren des globalen Umfelds ergibt. Die Anzahl der Erwerbstätigen, der Büroflächenbedarf pro Bürobeschäftigtem und die Bürobeschäftigungsquote ergeben die Nachfrage nach Büroflächen, wobei sich die Bürobeschäftigungsquote aus dem Anteil der Telearbeit, der Entwicklung der Dienstleistungssektoren im Vergleich zur verarbeitenden Industrie und dem Handwerk sowie weiteren Einflussfaktoren ergibt. Aus der Nachfrage nach Büroflächen, der Leerstandsrate und dem derzeitigen Bestand an Büroflächen lässt sich die Nachfrage nach Büroneubauten folgern. Nach Berechungen der Credit Suisse existieren in der Schweiz 56 Mio. m2 Büroflächen, 20 % davon allein in den Regionen Zürich und Genf.
116
1 Strategieplanungsprozess
Auch die Regionen Zug, Luzern, Winterthur und das untere Baselbiet verfügen über grosse Büroflächen [1-7]. • Wirtschaftsentwicklung (global) • Wirtschaftsentwicklung (national) • Wirtschaftsentwicklung (regional) • Konsumentenpreise • Konsumentenstimmung • Arbeitslosigkeit • Hypothekarzinssätze • Demografische Entwicklung • Entwicklung Lebensarbeitszeit • und andere Einflussfaktoren • Anteil der Telearbeit (Home Office) • Entwicklung der Dienstleistungssektoren im Vergleich zu Industrie und Handwerk • und andere Einflussfaktoren
Anzahl der Erwerbstätigen
Nachfrage nach Büroflächen Bürobeschäftigungsquote (Bürobeschäftigte / Erwerbstätige)
Bestand an Büroflächen
Zielgrösse: Nachfrage nach Büroneubauten
Leerstandsrate
Büroflächenbedarf pro Bürobeschäftigtem
Bild 66:
Wichtige Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Büroneubauten
Die in der Schweiz seit drei Jahren rückläufige Nachfrage nach Büroflächen und der gleichzeitige Büroneubau führen zu wachsenden Leerstandsraten. Am stärksten sind die Region Zürich und ihre Agglomeration mit 300'000 m2 Leerstand betroffen; dies entspricht einer Leerstandsziffer von 5.3 %, die allerdings im internationalen Vergleich nach wie vor als niedrig einzustufen ist (z.B. Frankfurt 13.6 %, London 12 % und Chicago 17 %). Im Jahr 2004 sind trotz des sich abzeichnenden, massiven Überangebots auf dem schweizerischen Büromarkt nochmals Büroprojekte für ca. 4 Mrd. CHF bewilligt worden. Selbst wenn aufgrund der angespannten Marktsituation wahrscheinlich nur noch die Hälfte aller genehmigten Projekte realisiert wird, ist davon auszugehen, dass in den Jahren 2005 und 2006 ca. 1 Mio. m2 neue Büroflächen mit einer Bausumme von ca. 2 Mrd. CHF neu auf den Markt kommen, womit das Angebot in 2005 und 2006 um etwa 0.9 % pro Jahr ausgeweitet wird. Die Projektentwicklung ist regional stark unterschiedlich; die regionale Verteilung der Baubewilligungen und des voraussichtlichen Bauvolumens ist in Bild 67 dargestellt. Aufgrund des erläuterten Status Quo werden z.B. in der Region Zürich die Leerstände 2005 nochmals steigen. Frühestens 2006 wird eine leichte Entspannung eintreten, jedoch auch weiterhin ein für schweizerische Verhältnisse überdurchschnittliches Leerstandsniveau vorherrschen.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung Fläche (BGF)
Region Zürich
Baubewilligungen 2004
in Mio. m2
in Mio. CHF
in % am Total
6.59
898
22.4
Trend
117
Bauvolumen Bauvolumen 2005 2006 in Mio. CHF
in Mio. CHF
(Schätzung)
(Schätzung)
250
200
Genf
4.08
202
5.1
80
80
Bern
3.65
201
5.0
45
35
Basel-Stadt
2.60
93
2.3
20
10
Lausanne
2.38
279
7.0
100
130
Glattal/Furttal
2.31
129
3.2
30
20
St. Gallen
1.68
32
0.8
8
5
Luzern
1.59
129
3.2
30
20
Aarau
1.49
150
3.8
35
40
Lugano
1.21
97
2.4
35
40
Zug
1.18
108
2.7
20
15
Unteres Baselbiet
1.16
181
4.5
80
90
29.92
2'499
62.4
733
685
(Das Total beträgt 4.009 Mrd. CHF)
Bild 67:
Büroflächen und Bauprojekte in den grössten Büromärkten [1-7]
Zusammenfassend gibt die Credit Suisse einen insgesamt negativen Ausblick für den schweizerischen Büroimmobilienmarkt (Bild 68). Die Analyse der Marktstruktur umfasst die Untersuchung von x x x x x
Absatzmarkt, Kunden und Investoren, Wettbewerbern in der Branche, neuen Anbietern, Nachunternehmern, Lieferanten, Kreditinstituten und Substitutionsprodukten und -diensten.
Wie die Untersuchung der Marktgrösse und des Marktwachstums gezeigt hat, befindet sich der Markt für den Bürogebäudeneubau in Zürich in einer deutlichen Schrumpfung, wohingegen in den Regionen Genf, Lausanne und Baselbiet der Bauboom erst beginnt, wenngleich die absolute Marktgrösse der Baubewilligungen erst ca. 75 % der Region Zürich erreicht hat. Langfristig kann allerdings nicht mit einer Zunahme des jährlichen Neubauvolumens gerechnet werden. Die Kunden der General- und Totalunternehmen, die Büroneubauten nachfragen, sind vorwiegend grosse institutionelle Anleger wie Banken, Immobilienfonds und Versicherungen, aber auch öffentliche Institutionen fragen Büroneubauten nach. Auch innovative Projektabwicklungsformen wie z.B. PPP-Modelle werden in Zukunft von öffentlichen Bauherren ver-
118
1 Strategieplanungsprozess
mehrt nachgefragt werden. Die Nachfrage von Büroneubauten durch Unternehmen für ihren Eigenbedarf nimmt ab, da diese Kunden das Immobilienwesen zunehmend outsourcen. Ausgangslage
Ausblick
Konjunkturelle Einflüsse: Tiefe Teuerungsraten und moderater Zinsanstieg, kaum Beschäftigungswachstum, Rückgang in der Industrie, insgesamt ein leichtes Plus bei Dienstleistungen, wobei sich die Branchen sehr gegensätzlich entwickeln.
-
-
Strukturelle Einflüsse: Betriebsinterne Optimierungen noch immer im Gange, Flächenreserven nehmen dadurch eher zu; das Absorptionspotenzial ist beeinträchtigt.
-
-
-
o
-
-
-
-
o
-
o +
negativ neutral positiv
Nachfrage, Angebot und Marktergebnis Nachfrage
Angebot Konjunkturelle Einflüsse: Verlangsamte Flächenexpansion, tiefe Investitionsneigung der Unternehmen, anhaltender Kostendruck Strukturelle Einflüsse: Die Umwandlung von innerstädtischen Industriebrachen sorgt für mehr Wettbewerb um die besten Bürostandorte. Marktergebnis Leerstände: Die Spitze der Leerstände dürfte erst gegen Ende des Jahres erreicht sein: das Niveau ist vor allem in den Ballungszentren hoch. Mietpreise: Angesichts der nochmals höheren Leerstände und der Preiszugeständnisse der Vermieter geraten die Mietpreise stärker als 2004 unter Druck. Legende:
Bild 68:
Ausblick für den Schweizer Büroimmobilienmarkt [1-7]
Eine Differenzierung der Wettbewerber kann hinsichtlich der Unternehmensgrösse (Umsatzvolumen) und der regionalen Schwerpunke erfolgen. Die Errichtung der wenigen grossen Neubauprojekte können vom Projektumfang her ebenfalls nur wenige General- bzw. Totalunternehmen bewerkstelligen. Gerade in den GU-Wettbewerben liefern sich diese Unternehmen einen starken Preiskampf, so dass hier von einem reinen Preiswettbewerb mit äusserst geringen Margen gesprochen werden kann. Bei der Errichtung der kleineren Bürogebäude bis zu einem Volumen von ca. 10 Mio. CHF herrscht ohnehin ein reiner Preiswettbewerb vor.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
119
In das Anbietersegment der Generalunternehmer- bzw. Totalunternehmerleistungen treten mittlerweile auch neue Anbieter wie z.B. Architekten und Facility Manager ein, die ihre Wertschöpfung durch das Angebot kompletter Pakete, d.h. Planung und Erstellung bzw. Planung, Erstellung und Betrieb, erweitern wollen. Derzeit werden von diesen neuen Anbietern noch keine grossen Projekte realisiert, doch ist die weitere Entwicklung zu beobachten. Ausländische Bauunternehmen spielen auf dem Schweizer Hochbaumarkt bisher keine Rolle, aber auch hier sollte die zukünftige Entwicklung weiter beobachtet werden. Bei der Erbringung von General- bzw. Totalleistungen geben die Auftragnehmer den Preisdruck normalerweise direkt an die Nachunternehmer und Lieferanten, die sich ebenfalls in einem reinen Preiswettbewerb befinden, weiter. Für den Bürogebäudeneubau existieren derzeit zwei relevante Substitutionsprodukte. Zum einen handelt es sich um die Möglichkeit, bestehende Bürogebäude durch Umbau und Renovation an neue Kundenbedürfnisse anzupassen; zum anderen gewinnt mit der schnellen Entwicklung der Kommunikationstechnik auch die Möglichkeit, zu Hause in einem „home office“ zu arbeiten, zunehmend an Bedeutung. Während das erste Substitutionsprodukt vorwiegend von spezialisierten Umbau- und Ausbaufirmen erbracht wird, erfordert das zweite keine zusätzliche Bauleistung und verringert insgesamt den Bedarf an Büroarbeitsflächen. Da aber ältere Bürogebäude für umfangreiche Umnutzungen in der Regel zu unflexibel sind, stellt der Umbau keine wirkliche Alternative dar und wird vorwiegend bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden zur Anwendung kommen. Unternehmensanalyse Im Folgenden sind die wichtigsten Einflussfaktoren des Unternehmens auf die Entscheidungsfindung, wie das SGF „Bürogebäude“ weiter entwickelt werden soll, dargestellt. Äusserst wichtig sind die finanziellen Kenndaten der SGE bzw. des Unternehmens. Der Marktanteil des eigenen Generalunternehmens im strategischen Geschäftsfeld für den Neubau von Bürogebäuden mit einem Bauvolumen von mehr als 5.0 Mio. CHF wird in der Deutschschweiz in der kommenden Geschäftsperiode bei 15 % des Gesamtmarktes von 518 Mio. CHF liegen. Der Gewinn, den die SGE „Bürogebäude“ im vergangenen Geschäftsjahr erzielt hat, stagniert bei 0.5 Mio. CHF; die Gewinnerwartung für das laufende Geschäftsjahr beläuft sich auf rund 0.55 Mio. CHF. Der erwirtschaftete Deckungsbeitrag DB4 der SGE unterschreitet mit 1.25 Mio. CHF das gesetzte Soll von 1.75 Mio. CHF deutlich. Der Cashflow fällt mit 1.1 Mio. CHF ebenfalls niedriger aus als die geplanten 1.5 Mio. CHF.
120
1 Strategieplanungsprozess
Der Umsatz der SGE „Bürogebäude“ ist um 2 % auf 78 Mio. CHF gestiegen und liegt damit leicht über den Erwartungen. Die Bilanzkennzahlen der finanziell und rechtlich eigenständigen SGE sind weniger gut. Finanzkennzahlen der SGE „Bürogebäude“ Eigenkapital 7.5 Mio. CHF Fremdkapital 33.5 Mio. CHF (davon 26 Mio. CHF kurzfristig und 7.5 Mio. langfristig) Gesamtkapital 41.0 Mio. CHF Gewinn 0.5 Mio. CHF Umsatz 78.0 Mio. CHF Umlaufvermögen 32.0 Mio. CHF Anlagevermögen 9.0 Mio. CHF Flüssige Mittel 6.0 Mio. CHF Forderungen 14.0 Mio. CHF Eigenkapitalrentabilität Gesamtkapitalrentabilität Umasatzrentabilität
Kapitalumschlag
Liquiditätsgrad I
6.7% 0.5 41.0
Gewinn Gesamtkapital
1.22%
Gewinn 0. 5 0.64% Umsatz 78.0 78.0 Umsatz 1.90 Gesamtkapital 41.0
Finanzierungsverhältnis Verschuldungsgrad
0.5 7.5
Gewinn Eigenkapital
Fremdkapital Eigenkapital
Fremdkapital Gesamtkapital
33.5 7.5
33.5 41.0
4.5
82%
flüssige Mittel kurzfristiges Gesamtkapital
6.0 26.0
Liquiditätsgrad II
flüssige Mittel Forderungen kurzfristiges Gesamtkapital
Liquiditätsgrad III
Umlaufvermögen kurzfristiges Gesamtkapital
23.1%
22.0 26.0 32.0 26.0
84.6% 123.1%
Eigenkapital 7.5 83.3% Anlagevermögen 9.0 Eigenkapital langfristi ges Fremdkapital Anlagendeckungsgrad II Anlagevermögen
Anlagendeckungsgrad I
15.0 167% 9.0
Während die Eigenkapitalrentabilität gerade noch akzeptable 6.7 % beträgt, rutschen die Gesamtkapitalrentabilität und die Umsatzrentabilität auf
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
121
sehr niedrige Werte ab. Der 1.9fache Kapitalumschlag ist ebenfalls ein sehr niedriger Wert. Das Finanzierungsverhältnis und der Verschuldungsgrad zeigen eine für die Unternehmen der Bauwirtschaft typische Grössenordnung. Die Liquidität der SGE „Bürogebäudeneubau“ (Bürogebäude) bewegt sich in eine bedenkliche Richtung. Die beiden Anlagendeckungsgrade liegen im akzeptablen Rahmen. Die von der SGE angeboten Generalleistungen bewegen sich im Vergleich zu den beiden wichtigsten Konkurrenten auf einem günstigen Preisniveau. Der Unterschied in den kürzlich vergebenen Projekten war allerdings nicht besonders hoch, da der Markt derzeit keine grösseren Preisunterschiede zulässt und die Vergabe fast ausschliesslich an den billigsten Bieter erfolgt. Die Kreditlinien der SGE sind ausreichend bemessen und verschaffen ihr noch einen genügend grossen Handlungsspielraum für das operative Geschäft. Die von Generalunternehmen bei der Erstellung eines Bürogebäudes angebotenen Leistungen ähneln sich untereinander sehr und sind häufig gegenseitig austauschbar. Ausschlaggebend für den Zuschlag auf ein Angebot sind in der Regel der Preis und Referenzprojekte. Die Leistungen unterscheiden sich vor allem bei der Qualität des Projektmanagements sowie der Übernahme von Kosten-, Termin-, Qualitäts- und Funktionalitätsgarantien. Die angebotenen Totalunternehmerleistungen unterscheiden sich stärker, da in diesem Fall zusätzlich die gesamte Planungsleistung erbracht wird und das General- bzw. Totalunternehmen eine Kooperation mit einem renommierten Architekten eingeht. Die SGE verfügt über eine sehr hohe Kundenzufriedenheit, die durch sorgfältige und gewissenhafte Betreuung der Key Accounts und die planmässige Umsetzung mehrerer grösserer Bürogebäude im vereinbarten terminlichen und kostenmässigen Rahmen erreicht wurde. Eine Umfrage bei aktuellen und bisherigen Bauherren untermauert diese Aussage. Die Beschaffung von wettbewerbsfähigen und qualitativ hochwertigen Nachunternehmerleistungen stellt eine der Kernkompetenzen der SGE dar. Für die wichtigsten Leistungspakete im Hochbau verfügt sie über sehr gute Geschäftsbeziehungen zu leistungsfähigen und kurzfristig einsetzbaren Nachunternehmern. Die internen Prozesse sind zielorientiert gestaltet und unterliegen einer ständigen Überprüfung durch ein zertifiziertes und leistungsfähiges Qualitätsmanagement. Bei der Entwicklung der internen Prozesse wurde besonders auf klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geachtet. Die Innovationsfähigkeit der SGE im Bereich des Bürogebäudebaus ist als durchschnittlich einzustufen und unterscheidet sich nicht von den grössten Konkurrenten.
122
1 Strategieplanungsprozess
Die strategische Ausrichtung der SGE auf den Neubau von Bürogebäuden und bestimmte Key Accounts hat sich in der Vergangenheit bewährt. Die Geschäftszahlen der letzten beiden Perioden zeigen aber bei der strategischen Planung einen deutlichen Handlungsbedarf auf. Die Unternehmenskultur der SGE ist durch hohe Loyalität und Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen geprägt. Durch häufige interne Weiterbildungen wird die Qualifikation der Mitarbeiter auf einem hohen Niveau gehalten. Das Unternehmen fördert intern eine offene Kommunikationskultur und eine bewusste Kultur des Risikomanagements. Die Organisationsstruktur der SGE ist als durchschnittlich einzustufen. Es handelt sich weder um eine besonders flache noch um eine stark gestufte Hierarchie. In der Geschäftsleitung wird allerdings darüber diskutiert, eine komplette Organisationsebene direkt unterhalb der Geschäftsleitung aufzulösen. Analyse der risikobasierten strategischen Positionierung
Die Analyse der strategischen Risiken im Rahmen der Ausrichtung der SGE „Bürogebäude“ beinhaltet zunächst die Erstellung zweier Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolios. Das erste Portfolio dient dem externen Vergleich der eigenen SGE mit den entsprechenden SGE der beiden stärksten Konkurrenten; das zweite besteht in der internen Gegenüberstellung aller eigenen SGE, um die Situation der SGE „Bürogebäude“ im Unternehmen aufzuzeigen. Anschliessend erfolgt für die eigenen SGE noch der Vergleich anhand der Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix, um Aussagen über die Effizienz der Verwendung der begrenzten Risikodeckungsmassen treffen zu können. Aus den gewonnenen Erkenntnissen leiten sich die vier strategischen Alternativen der SWOT-Analyse ab. Welche der entwickelten strategischen Alternativen umgesetzt werden soll, ist letztlich von der Geschäftsleitung zu entscheiden. Bei der Durchführung des externen Vergleichs der eigenen SGE mit den Konkurrenz-SGE ist es wichtig, nur solche Einflussfaktoren zu vergleichen, deren Daten auch über die Konkurrenzunternehmen vorliegen oder beschafft werden können. Für die Erstellung des ersten Portfolios ist zunächst die Bewertung der Marktattraktivität für die eigene SGE und die zwei stärksten KonkurrenzSGE durchzuführen. Die Marktgrösse und das Marktpotenzial sind für alle drei konkurrierenden Unternehmen im strategischen Geschäftsfeld „Bürogebäude“ gleich; Unterschiede ergeben sich in der Beurteilung der Marktstruktur. Die identifizierten externen Einflussfaktoren müssen nun für alle drei konkurrierenden Unternehmen in Bezug auf ihre strategische Rele-
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
123
vanz gewichtet und bewertet werden. In Bild 69 ist dies beispielhaft für die eigene SGE „Bürogebäude“ dargestellt. 1. Marktpotenzial
Gewichtung
Bewertung
Gewichtet
Marktgrösse: Das Volumen des Bürogebäudeneubaus ist in der deutschen Schweiz stark rückläufig. 2005 kommen die Regionen Zürich, Bern, Basel, Glattal/Furttal, St. Gallen, Luzern, Aarau und Zug auf 518 Mio. CHF; 2006 voraussichtlich auf 435 Mio. CHF.
0.20
4
0.80
Marktwachstum: Aufgrund der globalen und nationalen Einflussfaktoren kann langfristig nicht mit einer Zunahme des Bürogebäudeneubauvolumens gerechnet werden. Regionaler Nachholbedarf besteht fast ausschliesslich in der Westschweiz.
0.20
3
0.60
0.20
4
0.80
0.15
3
0.45
0.15
6
0.90
0.05
6
0.30
0.05
8
0.40
2. Marktstruktur Abnehmer (Bauherren): Der Markt des Bürogebäudeneubaus charakterisiert sich derzeit als Käufermarkt mit reinem Preiswettbewerb. Durch das Überangebot an Ausführungskapazität können die Bauherren die Anbieter gegeneinander ausspielen. Wettbewerber: Die eigene strategische Geschäftseinheit ist im Vergleich zur Konkurrenz ähnlich umsatzstark (Wettbewerber 2 ist grösser, Wettbewerber 1 macht weniger Umsatz) und in der Lage, auch grosse Projekte auszuführen. Nachunternehmer: Das eigene Unternehmen verfügt über sehr gute Beziehungen zu leistungsfähigen und qualitätsbewussten, aber dennoch preiswerten Nachunternehmern. Die Zusammenarbeit hat sich in der Vergangenheit bewährt. Neue Anbieter: Neue Anbieter, die aus dem Segment der Architekturbüros oder des Facility Managements kommen, spielen bisher bei der Erstellung von grossen, schlüsselfertigen Bürogebäuden keine grosse Rolle. Substitutionsprodukte: Die beiden relevanten Substitutionsprodukte "Umbau/Renovation" und "Home Office" spielen bisher bei der Erstellung von grossen, schlüsselfertigen Bürogebäuden keine Rolle. Summe:
1.00
Marktattraktivität:
Bild 69:
4.25
4.25
Auswertung der Einflussfaktoren auf die Marktattraktivität des Geschäftsfelds „Bürogebäude“
Die erste Spalte enthält eine kurze, qualitative Beschreibung des Einflussfaktors und der zu bewertenden Daten. Die zweite Spalte enthält die relative Gewichtung des Einflussfaktors in Bezug auf seine Bedeutung für die Marktattraktivität. Die Summe aller relativen Gewichtungsfaktoren ergibt 1.00 bzw. 100 %. Die dritte Spalte zeigt die Bewertung des Einflussfaktors mit einem Wert zwischen 1 (gering bzw. schlecht) und 9 (hoch bzw. sehr gut). Die vierte Spalte enthält bereits die gewichtete Bewertung, indem sie die jeweilige Bewertung des Einflussfaktors mit seiner relativen Gewichtung multipliziert. Die letzte Zeile enthält die Summe der gewichteten Bewertungen; im Beispiel ergibt sich ein Wert von 4.25 für die Marktattraktivität.
124
1 Strategieplanungsprozess
Auf die Auswertung der Einflussfaktoren für die Marktattraktivität der beiden stärksten Konkurrenten wird in diesem Beispiel verzichtet, da es sich um die gleiche Vorgehensweise handelt. Bild 70 enthält die die gemeinsame Darstellung der Marktattraktivität aller drei betrachteten SGE in einer Gegenüberstellung. Es ist nachzuvollziehen, dass sich die gewichteten Bewertungen für Marktgrösse, Marktwachstum und Abnehmer (Bauherren) nicht unterscheiden. Auch der Einfluss von Substitutionsprodukten (Umbau/Renovation und Home Office) ist für alle Marktteilnehmer gleich. Es zeigt sich, dass die Summen für die Marktattraktivität sich nicht wesentlich unterscheiden und alle zwischen 4 und 5 liegen. Dies deutet auf einen Markt hin, der sich zum Zeitpunkt der Bewertung nicht durch eine besonders hohe Attraktivität auszeichnet. Die eigene SGE befindet sich in der Mitte zwischen Wettbewerber 1 und Wettbewerber 2. Marktattraktivität (externer Ansatz)
gering 1
neutral 2
3
4
5
1. Marktpotenzial • Marktgrösse • Marktwachstum 2. Marktstruktur • Abnehmer (Bauherren) - Verhandlungsstärke
6
7
8
hoch Gewichtung 9
Gewichtete Werte QUALIBAU
Wettbewerber 1
Wettbewerber 2
0.20 0.20
0.80 0.60
0.80 0.60
0.80 0.60
0.20
0.80
0.80
0.80
0.15
0.75
0.60
0.90
0.15
0.90
0.75
0.90
0.05
0.30
0.30
0.30
0.05
0.40
0.40
0.40
1.00
4.55
4.25
4.70
- Produktbindung - Preissensititivät
• Wettbewerber - Zahl der Wettbewerber - Grösse der Wettbewerber - Markteintrittsbarrieren
• Nachunternehmer/Lieferanten - Verhandlungsstärken - Qualität - Entwicklung der Einheitspreise
• Neue Anbieter - Architekturbüros - Facility-Management-Anbieter
• Substitutionsprodukte - Umbau - Home Office
Summe SGE QUALIBAU =
Bild 70:
SGE Wettbewerber 1 =
SGE Wettbewerber 2 =
Analyse der Marktattraktivität des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ im Vergleich mit den beiden stärksten Konkurrenten
Die Ermittlung der relativen Wettbewerbsposition der eigenen SGE oder der relevanten SGE eines Wettbewerbers erfordert dagegen die Bewertung der internen Einflussfaktoren; dies ist beispielhaft für die eigene SGE in Bild 71 durchgeführt. Die Auswertung der internen Einflussfaktoren ba-
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
125
siert auf dem gleichen Schema wie die der externen Einflussfaktoren. Die Gewichtung der Einflussfaktoren kann je nach Problemstellung und betrachteter SGE unterschiedlich ausfallen. Besonders hoch gewichtet ist der Gewinn bzw. EBIT der SGE. Im Beispiel ergibt sich für die eigene SGE der Wert von 5.80 für die relative Wettbewerbsposition. Relative Wettbewerbsposition (externer Ansatz) 1.
2.
3.
4.
5.
6. 7.
8.
9.
10.
11.
Marktanteil: Der Marktanteil beim Neubau von Bürogebäuden über 5 Mio. CHF liegt bei ca. 15 % in einem Gesamtmarkt von 518 Mio. CHF. Der Marktanteil liegt damit innerhalb der Erwartungen. Gewinn/EBIT: Der Gewinn stagniert bei 0.5 Mio. CHF. Die Gewinnerwartung für das laufende Geschäftsjahr erfüllt mit 0.55 Mio. CHF die unternehmerischen Anforderungen an die Kapitalverzinsung nicht. Finanz- und Bilanzkennzahlen: Die Finanz- und Bilanzkennzahlen fallen weniger gut aus. Die Rentabilität der SGE ist schlecht. Die Eigenkapital-, Gesamtkapital- und Umsatzrentabilität liegt weit unter den Werten anderer Branchen und ermöglicht keine risikogerechte Rendite. Die Liquiditätskennzahlen deuten leichte Liquiditätsprobleme an. Preisniveau: Die angeboten Generalleistungen bewegen sich im Vergleich zu den beiden wichtigsten Kokurrenten auf einem günstigen Preisniveau. Der Unterschied ist besonders gross, da der Markt derzeit keine grösseren Preisunterschiede zulässt und die Vergabe fast ausschliesslich an den billigsten Bieter erfolgt. Angebotene Leistung: Die eigene Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Projektmanagements ist gut. Kosten-, Termin- und Qualitätsgarantien gehören zum standardmässigen Leistungsangebot. Zukünftig sollen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vermehrt innovative Funktionalitätsgarantien abgegeben werden. Kundenzufriedenheit: Die SGE verfügt über eine sehr hohe Kundenzufriedenheit bei Key Accounts und Einmal-Bauherren. Beschaffung: Die Beschaffung von wettbewerbsfähigen und qualitativ hochwertigen Nachunternehmerleistungen ist eine der Kernkompetenzen der SGE. Innovationsfähigkeit/Technologie: Die Innovationsfähigkeit/ Technologie ist als durchschnittlich einzustufen und unterscheidet sich nicht von den grössten Konkurrenten. Strategie: Die strategische Ausrichtung der SGE auf den Neubau von Bürogebäuden und auf bestimmte Key Accounts hat sich in der Vergangenheit bewährt. Die Geschäftszahlen der letzten beiden Perioden zeigen aber bei der strategischen Planung einen deutlichen Handlungsbedarf auf. Unternehmenskultur: Die Unternehmenskultur der SGE ist durch hohe Loyalität und Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen geprägt. Weiterbildung und Kommunikationskultur sind auf einem hohen Niveau. Organisationsstruktur: Die Organisationsstruktur der SGE ist als durchschnittlich einzustufen; es handelt sich weder um eine besonders flache noch um eine stark gestufte Hierarchie. In der Geschäftsleitung wird allerdings diskutiert, eine komplette Organisationsebene direkt unterhalb der Geschäftsleitung aufzulösen. Summe:
Bild 71:
Gewichtung
Bewertung
Gewichtet
0.10
7
0.70
0.15
4
0.60
0.10
4
0.40
0.10
6
0.60
0.10
7
0.70
0.10
7
0.70
0.05
6
0.30
0.05
5
0.25
0.10
6
0.60
0.10
7
0.70
0.05
5
0.25
1.00
5.80
Relative Wettbewerbsposition:
5.80
Auswertung der Einflussfaktoren auf die relative Wettbewerbsposition des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ (externer Ansatz)
126
1 Strategieplanungsprozess
Bild 72 zeigt die Gegenüberstellung der eigenen SGE (QUALIBAU) mit den SGE der Wettbewerber 1 und 2. Wettbewerber 2 kristallisiert sich als die SGE mit der stärksten relativen Wettbewerbsposition von 6.45 heraus. Die schwächste SGE des Vergleichs ist die SGE von Wettbewerber 1 mit einem Wert von 4.55. Die eigene SGE liegt mit 5.80 über dem Durchschnitt. Relative Wettbewerbsposition (externer Ansatz)
gering
neutral
hoch
Gewichtete Werte Gewichtung
QUALIBAU
Wettbewerber 1
Wettbewerber 2
1. Marktanteil
0.10
0.70
0.40
0.70
2. Gewinn, EBIT
0.15
0.60
0.60
0.90
3. Finanz-, Bilanzkennzahlen
0.10
0.40
0.40
0.60
4. Preisniveau
0.10
0.60
0.50
0.50
5. Angebotene Leistung
0.10
0.70
0.50
0.70
6. Kundenzufriedenheit
0.10
0.70
0.50
0.70
7. Beschaffung
0.05
0.30
0.25
0.30
8. Innovationsfähigkeit/Technologie
0.05
0.25
0.25
0.25
9. Strategie
0.10
0.60
0.40
0.80
10. Unternehmenskultur
0.10
0.70
0.50
0.70
11. Organisation
0.05
0.25
0.25
0.30
Summe
1.00
5.80
4.55
6.45
SGE QUALIBAU =
Bild 72:
1
2
3
4
5
SGE Wettbewerber 1 =
6
7
8
9
SGE Wettbewerber 2 =
Analyse der relativen Wettbewerbsposition des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ im Vergleich mit den beiden stärksten Konkurrenten
Beide Auswertungen werden in einem Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio (Bild 73) zusammengefasst. Das Portfolio lässt Aussagen über die weitere strategische Vorgehensweise für die SGE zu. In Bild 73 sind alle drei betrachteten SGE eingezeichnet; der Kreis repräsentiert die Marktgrösse, die graue Ecke den Marktanteil. Die Kreisgrösse ist bei allen drei SGE gleich, da sie im gleichen Markt mit einem Volumen von 518 Mio. CHF operieren. Alle drei betrachteten SGE liegen relativ dicht beieinander. Aufgrund der begrenzten Marktattraktivität kommt für keine SGE eine reine Wachstumsstrategie in Frage. Die Auswertung ergibt für Wettbewerber 2 eine Strategie des selektiven Wachstums; für die eigene SGE und Wettbewerber 1 zeigt die Portfoliodarstellung ein selektives Vorgehen an. Für die eigene SGE bedeutet dies, nicht mehr für jede Bürogebäudeausschreibung ein Angebot abzugeben, sondern eine gezielte Dif-
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
127
ferenzierung herbeizuführen, z.B. über Totalunterleistungen, die Einbindung eines Stararchitekten oder Leistungen in der Betriebsphase. Externer Ansatz 9.0
Selektives Vorgehen
Selektives Wachsen
Investition und Wachstum
hoch
8.0
Marktvolumen 518 Mio. CHF
7.0
Marktattraktivität mittel
6.0
Ernten
SGE Qualibau
5.0
Marktanteil: 21 %
Marktanteil : 15 %
4.0
SGE Wettbewerber 1
3.0
gering
SGE Wettbewerber 2
Selektives Vorgehen
Ernten Marktanteil: 10 %
Ernten
Selektives Wachstum Selektives Vorgehen
2.0
1.0
0 0
1.0
2.0
3.0
4.0
5.0
6.0
nachteilhaft
7.0
8.0
9.0
vorteilhaft relative Wettbewerbsposition
Bild 73:
Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den externen Vergleich der SGE „Bürogebäude“
Der interne Vergleich besteht in der Gegenüberstellung der drei eigenen SGE des Generalunternehmens QUALIBAU. Auch hier sind die Marktattraktivität der verschiedenen strategischen Geschäftsfelder und die relative Wettbewerbsposition der strategischen Geschäftseinheiten getrennt voneinander, aber unter einheitlichen Gesichtspunkten zu analysieren. Die Ermittlung der Marktattraktivität erfolgt analog dem externen Vergleich. Die Einflussfaktoren für die SGE „Bürogebäude“ wurden bereits in Bild 69 ausgewertet; für die SGE „Wohnungsbauten“ und „Umbau/Renovation“ muss dies analog durchgeführt werden. Auf die detaillierte Auswertung der Einflussfaktoren wird in diesem Beispiel allerdings verzichtet. Bild 74 zeigt die Analyse der Marktattraktivität für die drei eigenen SGE. Es zeigt sich dabei, dass das Geschäftsfeld „Umbau/Renovation“ mit dem
128
1 Strategieplanungsprozess
Wert von 5.80 die grösste Attraktivität aufweist, gefolgt von „Wohnungsbauten“ mit 5.30 und „Bürogebäude“ mit 4.55. Marktattraktivität (interner Ansatz)
gering 1
neutral 2
3
4
5
6
1. Marktpotenzial • Marktgrösse • Marktwachstum 2. Marktstruktur • Abnehmer (Bauherren) - Verhandlungsstärke
7
8
hoch Gewichtung 9
Gewichtete Werte Bürobau
Wohnungs- Umbau/ bau Renovation
0.20 0.20
0.80 0.60
1.00 1.20
1.00 1.20
0.20
0.80
1.20
1.40
0.15
0.75
0.60
1.05
0.15
0.90
0.75
0.75
0.05
0.30
0.15
0.15
0.05
0.40
0.40
0.25
1.00
4.55
5.30
5.80
- Produktbindung - Preissensititivät
• Wettbewerber - Zahl der Wettbewerber - Grösse der Wettbewerber - Markteintrittsbarrieren
• Nachunternehmer/Lieferanten - Verhandlungsstärken - Qualität - Entwicklung der Einheitspreise
• Neue Anbieter - Architekturbüros - Facility Management Anbieter
• Substitutionsprodukte - Umbau - Home Office
Summe SGE Bürogebäudeneubau =
Bild 74:
SGE Wohnungshochbauten =
SGE Umbau/Renovation =
Analyse der Marktattraktivität des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ im Vergleich zu zwei weiteren Geschäftsfeldern eigener strategischer Geschäftseinheiten
Die relative Wettbewerbsposition für den internen Vergleich der eigenen strategischen Geschäftseinheiten basiert auf anderen Messgrössen als beim externen Vergleich, da für den internen Vergleich keine Ausgangsdaten der Konkurrenzunternehmen notwendig sind. Die verwendeten Messgrössen stammen zum Teil aus dem internen Controlling und sind deshalb präziser als die Daten des externen Vergleichs. Bild 75 zeigt die Auswertung der internen Einflussfaktoren für die Ermittlung der relativen Wettbewerbsposition der SGE „Bürogebäude“ auf. Insgesamt ergibt sich ein Wert von 5.15 für die relative Wettbewerbsposition, der sich vom korrespondierenden Wert des externen Vergleichs (5.80) unterscheidet, da sich die Einflussfaktoren und ihre Gewichtung für beide Vergleiche unterscheiden.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung Relative Wettbewerbsposition (interner Ansatz) 1.
2.
3. 4. 5.
6.
7.
8.
9. 10.
11.
12.
13.
14.
Marktanteil: Der Marktanteil beim Neubau von Bürogebäuden über 5 Mio. CHF liegt bei ca. 15 % in einem Gesamtmarkt von 518 Mio. CHF. Der Marktanteil liegt damit innerhalb der Erwartungen. Gewinn: Der Gewinn stagniert bei 0.5 Mio. CHF. Die Gewinnerwartung für das laufende Geschäftsjahr erfüllt mit 0.55 Mio. CHF die unternehmerischen Anforderungen an die Kapitalverzinsung nicht. Deckungsbeitrag DB4: Der Deckungsbeitrag DB4 unterschreitet mit 1.25 Mio. CHF das gesetzte Soll von 1.75 Mio. CHF deutlich. Cashflow: Der Cashflow fällt mit 1.1 Mio. CHF ebenfalls niedriger aus als die ursprünglich geplanten 1.5 Mio. CHF. Umsatz: Der Umsatz der SGE „Bürogebäudeneubau“ ist um 2 % auf 78 Mio. CHF gestiegen und liegt damit leicht über den Erwartungen. Finanz- und Bilanzkennzahlen: Die Finanz- und Bilanzkennzahlen fallen weniger gut aus. Die Rentabilität der SGE ist schlecht. Die Eigenkapital-, Gesamtkapital- und Umsatzrentabilität liegt weit unter den Werten anderer Branchen und ermöglicht keine risikogerechte Rendite. Die Liquiditätskennzahlen deuten leichte Liquiditätsprobleme an. Kreditlinien: Die Kreditlinien der SGE sind ausreichend bemessen und verschaffen ihr noch einen genügend grossen Handlungsspielraum für das operative Geschäft. Angebotene Leistung: Die eigene Leistungsfähigkeit hinsichtlich des Projektmanagements ist gut. Kosten-, Termin- und Qualitätsgarantien gehören zum standardmässigen Leistungsangebot. Zukünftig sollen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vermehrt innovative Funktionalitätsgarantien abgegeben werden. Kundenzufriedenheit: Die SGE verfügt über eine sehr hohe Kundenzufriedenheit bei Key Accounts und Einmalbauherren. Beschaffung: Die Beschaffung von wettbewerbsfähigen und qualitativ hochwertigen Nachunternehmerleistungen ist eine der Kernkompetenzen der SGE. Interne Prozesse: Die internen Prozesse sind zielorientiert gestaltet und unterliegen einer ständigen Überprüfung durch ein zertifiziertes und leistungsfähiges Qualitätsmanagement. Bei der Entwicklung der internen Prozesse wurde besonderes auf klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geachtet. Innovationsfähigkeit/Technologie: Die Innovationsfähigkeit/ Technologie ist als durchschnittlich einzustufen und unterscheidet sich nicht von den grössten Konkurrenten. Strategie: Die strategische Ausrichtung der SGE auf den Neubau von Bürogebäuden und bestimmte Key Accounts hat sich in der Vergangenheit bewährt. Die Geschäftszahlen der letzten beiden Perioden zeigen aber bei der strategischen Planung einen deutlichen Handlungsbedarf auf. Organisationsstruktur: Die Organisationsstruktur der SGE ist als durchschnittlich einzustufen. Es handelt sich weder um eine besonders flache noch um eine stark gestufte Hierarchie. In der Geschäftsleitung wird allerdings diskutiert, eine komplette Organisationsebene direkt unterhalb der Geschäftsleitung aufzulösen. Summe:
Bild 75:
129
Gewichtung
Bewertung
Gewichtet
0.05
7
0.35
0.10
4
0.40
0.10
4
0.40
0.10
4
0.40
0.05
6
0.30
0.10
4
0.40
0.05
5
0.25
0.05
7
0.35
0.05
7
0.35
0.05
6
0.30
0.05
6
0.30
0.10
5
0.50
0.10
6
0.60
0.05
5
0.25
1.00
5.15
Relative Wettbewerbsposition:
5.15
Auswertung der Einflussfaktoren auf die relative Wettbewerbsposition des Geschäftsfelds „Bürogebäudeneubau“ (interner Ansatz)
Bild 76 zeigt die Gegenüberstellung der eigenen drei SGE. Die SGE „Umbau/Renovation“ kristallisiert sich mit einem Wert von 6.55 als die SGE
130
1 Strategieplanungsprozess
mit der stärksten relativen Wettbewerbsposition heraus. Die schwächste SGE des Dreiervergleichs ist die SGE „Bürogebäude“ mit einem Wert von 5.15. Dazwischen liegt die SGE „Wohnungsbauten“ mit einem Wert von 5.75. Die beiden besseren SGE heben sich vor allem durch die wesentlich besseren ertragswirtschaftlichen Kennzahlen „Gewinn“, „Deckungsbeitrag DB4“ und „Cashflow“ ab. Relative Wettbewerbsposition (interner Ansatz)
gering 1
neutral 2
3
4
5
hoch 6
7
8
9
Gewichtete Werte GewichWohnungsUmbau/ tung Bürobau bau Renovation
1. Marktanteil
0.05
0.35
0.30
0.40
2. Gewinn
0.10
0.40
0.60
0.70
3. Deckungsbeitrag
0.10
0.40
0.60
0.70
4. Cashflow
0.10
0.40
0.50
0.70
5. Umsatz
0.05
0.30
0.25
0.30
6. Bilanzkennzahlen
0.10
0.40
0.50
0.60
7. Kreditlinien (Ausnutzung und Höhe)
0.05
0.25
0.30
0.30
8. Angebotene Leistung
0.05
0.35
0.30
0.30
9. Kundenzufriedenheit
0.05
0.35
0.35
0.40
10. Beschaffung
0.05
0.30
0.25
0.25
11. Interne Prozesse
0.05
0.30
0.25
0.25
12. Innovationsfähigkeit/Technologie
0.10
0.50
0.50
0.50
13. Strategie
0.10
0.60
0.70
0.80
14. Organisation
0.05
0.25
0.35
0.35
Summe
1.00
5.15
5.75
6.55
SGE Bürogebäudeneubau =
Bild 76:
SGE Wohnungshochbauten =
SGE Umbau/Renovation =
Analyse der relativen Wettbewerbsposition SGE „Bürogebäude“ im Vergleich zu zwei weiteren eigenen SGE
Die Auswertungen der Marktattraktivität und der relativen Wettbewerbsposition werden in einem Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den internen Vergleich (Bild 77) zusammengefasst. Das Portfolio gibt Aufschluss über die jeweils relative Situation und zeigt die weitere strategische Vorgehensweise für die verschiedenen SGE auf. In Bild 77 sind alle drei betrachteten SGE eingezeichnet. Der Kreis repräsentiert wiederum die Marktgrösse, die graue Ecke den Marktanteil.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
131
Interner Ansatz 9.0
Selektives Vorgehen
Selektives Wachsen
Investition und Wachstum
hoch
8.0
SGE Umbau/Renovation
7.0
Marktvolumen : 352 Mio. CHF Marktanteil: 27 %
Marktattraktivität mittel
6.0
Ernten
SGE Wohnungsbau
5.0
Marktvolumen : 692 Mio. CHF Marktanteil: 13 %
4.0
SGE Bürobau
3.0
gering
Selektives Vorgehen
Ernten
Marktvolumen : 518 Mio. CHF Marktanteil: 15 %
Selektives Wachstum
Ernten
Selektives Vorgehen
2.0
1.0
0 0
1.0
2.0
nachteilhaft
3.0
4.0
5.0
6.0
7.0
8.0
9.0
vorteilhaft
relative Wettbewerbsposition
Bild 77:
Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den internen Vergleich der SGE „Bürogebäude“
Am besten steht die SGE „Umbau/Renovation“ da. Die aus dem Portfolio ableitbare strategische Empfehlung liegt zwischen „Investition und Wachstum“ und „selektives Wachstum“ mit Ausschlag in Richtung „selektives Wachstum“. Die SGE „Wohnungsbauten“ befindet sich in einer ähnlich guten Ausgangssituation, wobei der Fokus der zu wählenden Strategie zwischen „selektives Vorgehen“ und „selektives Wachstum“ liegen sollte. Wie bereits beim externen Vergleich ist für die SGE „Bürogebäude“ ein selektives Vorgehen ratsam. Die daraus ableitbaren Empfehlungen entsprechen denen des externen Vergleichs. Da sich die beiden anderen SGE der QUALIBAU in einer besseren wirtschaftlichen Situation befinden als die SGE „Bürogebäude“, wäre ein anderer Einsatz der Ressourcen zugunsten der SGE „Umbau/Renovation“ und „Wohnungsbauten“ denkbar. Als weiteres Analyseinstrument steht der Vergleich der eigenen strategischen Geschäftseinheiten anhand der Gewinnpotenzial-RisikopotenzialMatrix zur Verfügung, um Aussagen über die Effizienz der Verwendung der begrenzten Risikodeckungsmassen treffen zu können. Das Risiko-
132
1 Strategieplanungsprozess
potenzial einer SGE ergibt sich z.B. aus dem selbst übernommenen Risiko aller Projekte, die sie abwickelt. Das Risikopotenzial muss durch ausreichende Risikodeckungsmassen des Unternehmens abgesichert sein. In [1-16] ist ein Verfahren erläutert, mit dessen Hilfe das Risikopotenzial aus den Risiken der Projekte aggregiert und quantifiziert werden kann. Die zur Bildung der Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix erforderlichen Ausgangsdaten sind in Tabelle 3 enthalten. Tabelle 3:
Ausgangsdaten zur Bildung der Gewinnpotenzial-RisikopotenzialMatrix Umsatz
Gewinnpotenzial
Risikopotenzial
RoRaC Gewinnpotenzial/ Risikopotenzial
Bürogebäudeneubau
78.0 Mio. CHF
0.5 Mio. CHF
2.7 Mio. CHF
0.19
Wohnungshochbauten
90.0 Mio. CHF
2.1 Mio. CHF
2.5 Mio. CHF
0.84
Umbau/Renovation
95.0 Mio. CHF
3.5 Mio. CHF
2.0 Mio. CHF
1.75
SGE
Trägt man die drei SGE anhand der Ausgangsdaten in die zweidimensionale Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix ein, so zeigt sich folgende Situation: Die SGE „Umbau/Renovation“ weist den höchsten RoRaC, d.h. das beste Gewinn-Risiko-Verhältnis, auf und liegt damit deutlich ausserhalb des kritischen Risikobereichs (in der Matrix (Bild 78) grau hinterlegt). Die SGE „Wohnungsbauten“ kommt auf einen RoRaC von 0.84 und liegt ebenfalls noch ausserhalb des unattraktiven Bereichs. Die SGE „Bürogebäude“ dagegen liegt mit einem RoRaC von 0.19 im unattraktiven Bereich, der durch ein hohes Risikopotenzial bei gleichzeitig niedrigen Gewinnmöglichkeiten charakterisiert ist. In diesem Fall muss versucht werden, die SGE „Bürogebäude“ durch eine strategische Neuausrichtung in den weissen Bereich zu verschieben. Als letztes Analyseinstrument wird die SWOT-Analyse eingesetzt. Sie stellt die unternehmerischen Stärken und Schwächen den auf das Unternehmen einwirkenden Chancen und Gefahren aus Umweltfaktoren/ -szenarien gegenüber und gewinnt daraus strategische Optionen.
1.10 Anwendungsbeispiel – Strategieplanung
133
4.5 4.2 3.9 3.6 3.3 3.0 2.7 2.4 2.1 1.8 1.5 1.2 0.9 0.6 0.3 0
SGE Umbau/ Renovation 1.75
SGE Wohnungsbau
Umsatz: 95 Mio. CHF
Risikogrenzlinie
hoch mittel klein
Prozess der Chancenmaximierung
Gewinnpotenzial [Mio. CHF]
0.84
Umsatz: 90 Mio. CHF
ie zl in ren g iko Ri s
SGE Bürogebäude Umsatz: unattraktiver 78 Mio. CHF Bereich 0.19 (hohes Risiko, kleiner Gewinn)
0
Risikopotenzial 0.3 0.6 0.9 1.2 1.5 1.8 2.1 2.4 2.7 3.0 3.3 3.6 3.9 4.2 4.5 [Mio. CHF]
klein
mittel
hoch
Prozess der Risikominimierung
Bild 78:
Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix für den Vergleich der eigenen SGE
Bild 79 zeigt vier mögliche Strategievarianten durch unterschiedliche Kombinationen von Stärken und Schwächen einerseits sowie Chancen und Gefahren andererseits. Die SO-Strategie (strengths/opportunities) versucht, durch eine Differenzierung aufgrund der Entwicklung neuer Leistungsangebote einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Die neuen Leistungsangebote können durch die Zusammenfassung von Totalunternehmerleistungen und Leistungen des Facility Managements oder durch die Einbindung von Energiecontracting in Totalunternehmerleistungen entstehen. Auch sind die Ausführung von Bürogebäudeneubauten im Rahmen eines PPP-Modells, die verstärkte Einbeziehung von Stararchitekten oder die Einbindung der in der eigentlichen Wertschöpfung vorgelagerten Projektentwicklung in das Totalunternehmergeschäft möglich. Die WO-Strategie (weaknesses/opportunities) strebt an, das bisherige Leistungsangebot weiterzuführen, allerdings mit dem Ziel, durch Effizienzsteigerungen die Kostenführerschaft [1-33] zu erreichen. Die Erhöhung der Profitabilität ist dabei ein unbedingtes Ziel, da die SGE innerhalb des Unternehmens den niedrigsten Deckungsbeitrag erwirtschaftet. Ebenso wäre es denkbar, die SGE auf die Westschweiz auszuweiten (Strategie der Markterschliessung nach ANSOFF [1-2]), da dort der Neubau von Bürogebäuden boomt und die erzielbaren Angebotspreise attraktiver sind.
134
1 Strategieplanungsprozess
Umweltfaktoren
Opportunities
Threats
• Outsourcing von Bauleistungen und Gebäudebewirtschaftung bei den Bauherren • Nachfragezunahme beim Bürogebäudeneubau in der Westschweiz
• Harter Preiswettbewerb bei Generalleistungen • Nachfragerückgang beim Bürogebäudeneubau in der Deutschschweiz • Ansteigen der Hypothekarzinssätze
Strengths
SO-Strategie
ST-Strategie
• Sehr hohe Kundenzufriedenheit bei Key Accounts und Einmalbauherren • Hohes Niveau der angebotenen Generalleistungen (Projektmanagement, Kosten-, Termin-, Qualitätsgarantie) • Kundennähe in der deutschsprachigen Schweiz durch Niederlassungen in den Ballungsgebieten • Günstiges Preisniveau
• Differenzierung durch Entwicklung neuer Leistungsangebote • Zusammenfassung von Totalunternehmerleistungen und Leistungen des Facility Managements • Verstärkte Einbeziehung von Stararchitekten • Ausweitung des Leistungsangebots auf PPP-Projekte • Zusätzliche Abgabe von Betriebskostengarantien (nachgelagert) • Projektentwicklung (vorgelagert)
• Stagnationsstrategie in der SGE bei der Erbringung der traditionellen Generalleistung „Bürogebäudeneubau“ • Gewinndenken vor Umsatzdenken • Selektieren der rentablen Projekte unter Inkaufnahme eines Umsatzrückgangs
Weaknesses
WO-Strategie
WT-Strategie
Unternehmensfaktoren
• Die SGE erwirtschaftet einen zu • Weiterführen des bisherigen niedrigen Ertrag. Leistungsangebots mit Anstreben • Das Unternehmen ist nur in der der Kostenführerschaft durch Deutschschweiz tätig. Effizienzsteigerungen • Die Organisationsstruktur • Erhöhung der Profitabilität müsste flacher sein, um • Einführung einer flacheren Reibungsverluste zu vermeiden. Organisationsstruktur • Ausweitung der geografischen Reichweite auf die Westschweiz
Bild 79:
• Aufgabe der SGE „Bürogebäude“ • Verschiebung des Ressourceneinsatzes in die profitableren SGE „Wohnungsbauten“ und „Umbau/ Renovation“
SWOT-Analyse für die strategische Geschäftseinheit „Bürogebäude“
Die ST-Strategie (strengths/threats) besteht in der Stagnation für die SGE. Aufgrund der hohen Qualität der eigenen Leistungen und der grossen Kundenzufriedenheit wird die traditionelle Generalleistung „Bürogebäude“ beibehalten, allerdings mit der Prämisse, dass Gewinn vor Umsatz geht. Dazu sind zukünftig gezielt nur rentable Projekte zu selektieren, auch wenn dies zu Lasten des Umsatzes geht. Die WT-Strategie (weaknesses/threats) kommt zu dem Schluss, dass es die beste Entscheidung ist, die SGE „Bürogebäude“ ganz aufzugeben, da sich die Marktbedingungen in absehbarer Zeit nicht ändern werden und die eigenen Ressourcen in den SGE „Wohnungsbauten“ und „Umbau/Renovation“ wesentlich profitabler eingesetzt werden können. Risikobasierte strategische Positionierung
Welche der möglichen Strategien man bei der Weiterentwicklung der SGE „Bürogebäude“ auch immer verfolgen wird, die gezeigten Analyseinstrumente können nur bestimmte, schlüssige Handlungsalternativen aufzeigen, aber nicht die einzig richtige Alternative bestimmen. Die endgültigen stra-
Literatur
135
tegischen Entscheidungen obliegen nach wie vor der Geschäftsleitung, die durch den systematischen Prozess der strategischen Planung unter Einbezug des Managements der strategischen Risiken über detaillierte, präzise Entscheidungsgrundlagen verfügt. Ableitung und Formulierung der Strategien Bei der Ableitung und Formulierung der Strategien ist die Unternehmensstrategie von der Geschäftsfeldstrategie zu unterscheiden. Die Unternehmensstrategie betrifft das Unternehmen als Ganzes und gibt die grobe Richtung vor. Die Unternehmensstrategie für das Generalunternehmen QUALIBAU besteht in einer moderaten Wachstumsstrategie für das Gesamtunternehmen. Dazu sollen besonders die profitablen SGE „Wohnungsbauten“ und „Umbau/Renovation“ einen grossen Beitrag leisten. Die SGE „Bürogebäude“ soll zumindest nicht schrumpfen und einen höheren Ertragsbeitrag als bisher leisten. Von der Aufgabe der SGE „Bürogebäude“ wird Abstand genommen, da der Markt noch genügend Möglichkeiten für eine gesunde Fortführung bietet. Die Geschäftsfeldstrategie gibt die Strategie für die zukünftige Entwicklung einer strategischen Geschäftseinheit vor. Oberstes Ziel ist es, die Ertragssituation der SGE „Bürogebäude“ zu verbessern. Dazu muss unbedingt der Deckungsbeitrag DB4 auf 10 % gesteigert werden, um einen adäquaten Beitrag zum Unternehmenserfolg zu generieren. Dies soll durch eine Kombination verschiedener strategischer Optionen erreicht werden. Die Geschäftsleitung legt fest, dass die Strategie aus einer Kombination der Differenzierungsstrategie und der Strategie der Kostenführerschaft bestehen soll. Dazu soll das Geschäftsfeld „Bürogebäude“ in die kleineren Segmente „Gesamtleistungen Bürogebäude“, „Star-Bürogebäude“ und „Traditionelle Generalleistungen Bürogebäude“ unterteilt werden, wobei für die ersten beiden Geschäftsfelder die Differenzierungsstrategie und für das dritte die Strategie der Kostenführerschaft greifen soll.
Literatur [1-1]
Andrews, K.R.: The Concept of Corporate Strategy. 3. Aufl., Irwin Homewood, Illinois, 1987
[1-2]
Ansoff, I.: Managementstrategie. Verlag moderne industrie, München, 1966
[1-3]
Barney, J.B.: Firm resources and sustained competitive advantage. In: Journal of Management, H. 1/1991, S. 99–120
136
1 Strategieplanungsprozess
[1-4]
Bea, F.X.; Haas, J.: Strategisches Management. Lucius & Lucius, Stuttgart, 2001
[1-5]
Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. 2. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1992
[1-6]
Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. 4. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1996
[1-7]
Braun, U.; Neff, M.; Rauh, Ph.; Roth, P.: Der Schweizer Immobilienmarkt – Fakten Trends Februar 2005. Credit Suisse Economic Research (Hrsg.), Zürich, 2003
[1-8]
Chandler, A.D.: Strategy and structure: Chapters in the History of the Industrial Enterprise. MIT Press, Cambridge, 1973
[1-9]
Galbraith, J.R.: Organization Design. Addition Wesley Verlag, MA, 1977
[1-10]
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2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
2.1 Einleitung Im Zug des Wandels vom Industrie- zum Informations- und Dienstleistungszeitalter wird der Wert eines Unternehmens immer stärker von immateriellen Faktoren beeinflusst. Die wertschöpfenden materiellen und damit finanziell messbaren Ressourcen werden in modernen Unternehmen zunehmend durch immaterielle und damit nicht rein finanziell messbare Ressourcen wie z.B. das vorhandene Wissen und die kommunizierten Informationen ergänzt. Der Wert immaterieller Ressourcen ergibt sich nicht losgelöst, sondern erst durch die Einbettung in zusammenhängende, verknüpfte Strategien. In Märkten mit immer kürzeren Produkt-/Leistungs- und Innovationszyklen dürfen Unternehmenskennzahlen nicht mehr nur Aktivitäten der Vergangenheit bewerten. Stattdessen muss das Unternehmensmanagement anhand dieser Kennzahlen in der Lage sein, Trends für die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens abzuleiten, um rechtzeitig steuernde Massnahmen einleiten zu können. Strategien sind als Rezepte für die Umsetzung der an der Unternehmensvision ausgerichteten Ziele in die Zukunft orientiert. Immaterielle nichtfinanzielle Kennzahlen müssen in ihrer Zukunftsorientierung dem Anspruch gerecht werden, die richtige strategische Ausrichtung zur Zielerreichung eines Unternehmens messen zu können.
2.2 Strategieumsetzung mittels finanzieller / nichtfinanzieller Erfolgsfaktoren 2.2.1 Erfolgsperspektiven der Strategieumsetzung Aus der primären Kritik heraus, dass rein finanzielle Messgrössen die Leistung, den Erfolg und die Strategie eines Unternehmens im Informationszeitalter nicht mehr hinreichend abbilden, leiteten KAPLAN und NORTON den Bedarf nach Kennzahlen ab, die die immateriellen Unter-
140
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
nehmenswerte messen. In ihrer 1990 mit zwölf namhaften Unternehmen durchgeführten wissenschaftlichen Studie „Performance Measurement in Unternehmen der Zukunft“ [2-3] entwickelten sie die Balanced Scorecard (BSC), die sie 1992 unter grosser Resonanz sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Praxis vorstellten [2-4]. Die Balanced Scorecard ist ein kybernetisches, systemorientiertes Steuerungsinstrument, das Kenngrössen liefert, die auf verständliche Weise die Strategie und deren Umsetzung beschreiben. Mittels der Balanced Scorecard sollen auch quantitative, aber nichtfinanzielle Grössen wie Kompetenz, Innovationen und Kundenzufriedenheit beschrieben werden, die es erlauben, wertschaffende Prozesse nicht nur zu vermuten, sondern auch zu beschreiben und zu messen. Die Balanced Scorecard stellt also quantitative Kenngrössen zur Verfügung, um mit den materiellen und immateriellen Ressourcen langfristige Werte zu schaffen. KAPLAN und NORTON zeigten, dass wenige wesentliche Kennzahlen ausreichen, den Unternehmenserfolg zu messen, wenn sie in zweierlei Hinsicht ausgewogen (balanced) ausgewählt werden: 1. Der Erfolg eines Unternehmens muss aus verschiedenen Blickwinkeln gemessen werden. Dazu schlagen KAPLAN und NORTON die Betrachtung der Unternehmensaktivitäten aus vier verschiedenen Perspektiven bzw. Unternehmenssteuerungsdimensionen (Bild 80) vor: -
die finanzwirtschaftliche Perspektive die Kundenperspektive die interne Prozessperspektive die Lern- und Entwicklungsperspektive
2. Aus den verschiedenen Perspektiven ergibt sich zwangsläufig, dass sowohl finanzielle als auch nichtfinanzielle Kennzahlen in der Scorecard berücksichtigt werden. Durch die Implementierung der Balanced Scorecard in verschiedene Unternehmen wurde die Tragweite ihrer Anwendung rasch deutlich.
2.2 Strategieumsetzung mittels finanzieller / nichtfinanzieller Erfolgsfaktoren 141
Kundenperspektive
Finanzperspektive
Unternehmen/ Strategie
Interne Prozessperspektive
Bild 80:
Lern- und Entwicklungsperspektive
Unternehmenssteuerungsdimensionen der Balanced Scorecard
Aufgrund der intensiven Beschäftigung mit der Unternehmensstrategie im Zug der Erstellung der Balanced Scorecard auf den unterschiedlichen strategischen und operationalen Unternehmensebenen wurde ihr Potenzial als Werkzeug zur Strategieimplementierung erkannt (Bild 81). Aus verschiedenen Studien leiteten KAPLAN und NORTON ab [2-5], dass nicht die Strategie selbst, sondern die unzureichende Implementierung in alle strategischen und operationalen Unternehmensebenen das Managementproblem darstellte, und entwickelten den Managementansatz der „strategiefokussierten Organisation“, in dem mithilfe der BSC die Strategie in den Mittelpunkt des Managementprozesses moderner Unternehmen gerückt wird. Im Zug der Einführung der BSC in eine strategiefokussierte Organisation werden alle materiellen und immateriellen Ressourcen eines Unternehmens auf die Strategie ausgerichtet. In einem strategiefokussierten Unternehmen ermöglicht die Balanced Scorecard die Übermittlung der strategisch wichtigen Themen, Handlungsansätze und Prioritäten, abgestimmt auf die strategischen Geschäftseinheiten (SGE) und die Organisationsebenen und Stellen der SGE. Dadurch können die Mitarbeiter der jeweiligen SGE ihren Beitrag zur Umsetzung der Strategie leisten.
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Strategische Richtlinien
142
Zielvorgaben für Werttreiber (Wachstum, Rentabilität) und Erfolgsdimensionen (Kunden, Markt, Prozesse, Innovationen, Mitarbeiter)
Was ist unsere Mission?
Von Szenarien zur Strategie
Wo stehen wir jetzt? Wo sollen wir in 4 Jahren sein? Wie können wir unseren Markt beschreiben?
1. Geschäftsidee
2. Status und Vorgaben
3. Marktanalyse
Wer sind unsere Wettbewerber?
Aktualisierung der Vorgaben
0. Top-Down-Vorgaben (Aktivitäten und Schlüssel performance -Indikatoren
Welche Faktoren unterstützen uns und welche nicht?
Wie können wir vorankommen?
Traditionelle Prozesse zur Strategie entwicklung
4. Wettbewerbssituation
5. SWOT-Analyse
6. Strategie
Managementprozess
Von der Strategie zur Aktion
Vorbereitung zur Entwicklung der Balanced Scorecard
Bild 81:
Übersetzung der Strategie in Ziele und Messgrössen Aufbau eines Aktivitätsplans mit Zielen und Performancetreibern im Gleichgewicht
Verknüpfung der strategischen Aktivitätspläne mit dem Managementprozess
7. Strategische Ziele 8. Erhebung der Messgrössen 9. Businessplan
Neuer Prozess zur Strategieunsetzung
10. Integration der Balanced Scorecard in das Unter nehmen
Die Integration der Balanced Scorecard in den strategischen Planungsprozess [2-5]
2.2.2 Charakteristiken nichtfinanzieller Erfolgsfaktoren Um dem Anspruch der Balanced Scorecard an eine ausgewogene Auswahl von materiellen und immateriellen Kennzahlen gerecht zu werden, muss der Anwender zunächst akzeptieren, dass immaterielle Werte grösstenteils nicht monetär bewertet werden können. Dies hat vier wesentliche Gründe:
2.2 Strategieumsetzung mittels finanzieller / nichtfinanzieller Erfolgsfaktoren 143
1. Immaterielle Werte sind indirekt. In der Regel wirken sich immaterielle Ressourcen innerhalb der wertschöpfenden Prozessketten erst nach ihrem Einsatz infolge mehrstufiger Ursache-Wirkungs-Beziehungen aus. Eine fachkundige, zielgerichtete Auftragsabwicklung durch ein Bauunternehmen mit kurzen Planungs- und Ausführungszyklen führt beispielsweise zunächst einmal zu einer zeitnahen Verfügbarkeit der Immobilie für den (z.B. institutionellen) Kunden. Dies sorgt beim Kunden für Zufriedenheit und Vertrauen. Aufgrund seiner positiven Erfahrung wird er das Bauunternehmen bei zukünftigen Ausschreibungen bevorzugt berücksichtigen, was bei diesem höhere Umsätze und positive Ergebnisse generiert (Bild 82).
Bild 82:
Immaterielle Werte sind indirekt – Beispiel
2. Immaterielle Werte sind kontextbezogen. Singulär betrachtet haben immaterielle Vermögensgegenstände im Allgemeinen keinen finanziell messbaren Wert. Erst die Einbettung in den strategischen Kontext erlaubt die Bewertung immateriellen Vermögens. So ist das Wissen der Mitarbeiter eines Unternehmens für das Unternehmen beispielsweise so lange wertlos, bis es durch Wissensmanagement für die strategische Zielerreichung nutzbar gemacht werden kann [2-1], [2-7]. 3. Immaterielle Werte sind Potenzial. Zwar kann man die Kosten für bestimmte immaterielle Vermögensgegenstände eines Unternehmens (z.B. Mitarbeiterschulungen) finanziell beziffern; man beschreibt aber damit keinesfalls den Marktwert, weil dieser sich erst aus der Summe von Kosten und wertespezifischem Potenzial ergibt.
144
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Dieses mögliche Potenzial wird in den wertschöpfenden Prozessen eines Unternehmens freigesetzt und ermöglicht dann um das Potenzial immaterieller Ressourcen vergrösserten, messbaren Mehrwert. 4. Immaterielle Werte sind gekoppelt. Wie bereits unter 2. beschrieben, haben immaterielle Vermögensgegenstände an sich im Allgemeinen keinen finanziell messbaren Wert. Im Zug der Einbettung in eine Unternehmensstrategie werden immaterielle Vermögenswerte mit anderen sowohl materiellen als auch immateriellen Vermögenswerten verknüpft. Erst durch diese Koppelung an andere Ressourcen ergibt sich ihr für den Erfolg der Strategie unverzichtbarer messbarer Wert. Die Balanced Scorecard stellt bei der Strategiebeschreibung das Rahmengerüst zur Verfügung, um immaterielle Werte und Ressourcen mit anderen materiellen und immateriellen Werten und Ressourcen in wertschöpfenden Prozessen zu einer Strategie zur erfolgreichen Zielumsetzung zu verbinden.
2.3 Prinzipien strategiefokussierter Unternehmen Für erfolgreiche Unternehmen mit strategiefokussierter Organisation haben KAPLAN und NORTON fünf Prinzipien (Bild 83), die sie als Grundsätze strategiefokussierter Organisationen bezeichnen, festgestellt [2-5]: 1. Operationalisierung der Strategie 2. Ausrichtung der Organisation an der Strategie 3. Strategie als „Everyone’s Everyday Job“ 4. Strategie als kontinuierlicher Prozess 5. Mobilisierung des Wandels durch die Führung Ein wesentliches Erfolgsrezept der Balanced Scorecard als Instrument zur Implementierung von Unternehmensstrategien ist das Herunterbrechen der Strategie auf alle strategischen und operativen Unternehmensebenen. x Operationalisierung der Strategie: Die Balanced Scorecard verfolgt die „Top-Down“-Kommunikation. Die oberste Geschäftsleitung legt die strategischen Hauptziele für die strategischen Geschäftseinheiten (SGE) fest. Die SGE stimmen ihre jeweiligen Strategien zur Erreichung der Ziele in einem Geschäftsfeld mit Blick auf die übergeordnete Unternehmensstrategie untereinander ab. Ferner werden die Budgets und Deckungsbeiträge der SGE als Vorgaben in Bezug auf die Strategie prognostiziert. Aufbauend auf den Vor-
2.3 Prinzipien strategiefokussierter Unternehmen
145
gaben entwickeln die SGE ihre Geschäftsfeldstrategie. Zur Operationalisierung der Unternehmens- sowie Geschäftsfeldstrategie werden für alle organisatorischen Leitungsebenen, die Projektteams und alle Schlüsselmitarbeiter mittels Balanced Scorecard quantitative finanzielle und nichtfinanzielle Vorgaben gemacht. Dazu setzt sich jede SGE ihre eigenen, an der Unternehmensvision ausgerichteten Ziele und erstellt ihre Scorecard mit Kennzahlen zur Erfolgsmessung. Diese Eigenständigkeit erhöht die Akzeptanz der durch die Unternehmensleitung festgelegten Strategie. Durch die konkrete, ebenenbezogene Erfolgsmessung mit den Kennzahlen der jeweiligen Scorecard kann die Motivation der Unternehmensmitarbeiter deutlich gesteigert werden.
Bild 83:
Grundsätze der strategiefokussierten Organisation [2-5]
146
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
x Ausrichtung der Organisation an der Strategie: Die Balanced Scorecard ermöglicht es den verschiedenen strategischen Geschäftseinheiten, sich trotz weitgehender operativer Selbstständigkeit gezielt auf die strategischen Gesamtunternehmensziele und den Beitrag, den die SGE liefert, zu konzentrieren. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer klaren Rapportierung von den Projektteams über die SGE in die Unternehmensleitung. Zudem eröffnen sich Möglichkeiten zur Vorgabe von zwischen den SGE abgestimmten Interaktionszielen, die es ermöglichen, Synergien zu entwickeln und den synergetischen Vernetzungsgrad messbar zu machen. Zur effizienten Nutzung der Synergien ist es erforderlich, das Synergiepotenzial zwischen den SGE zu identifizieren und damit nutzbar zu machen. x Strategie als Alltagsaufgabe: Um den Erfolg der Strategie zu sichern, muss sie im Alltag der Teams umgesetzt werden. Dies erfolgt durch Ziele und Messgrössen, die hierarchisch vom allgemeinen zum speziellen Ziel und von einer globalen Messgrösse (z.B. Deckungsbeitrag) auf den gezielten Beitrag des Teams (z.B. Reduzierung der Gewährleistungskosten, um den Deckungsbeitrag zu erhöhen) heruntergebrochen bzw. detailliert werden. Zudem kann man das Bonussystem materiell wie immateriell an das BSC-System binden. Für die erfolgreiche Umsetzung der strategischen Vorgaben in den SGE spielt der Teamgeist eine entscheidende Rolle. Die Balanced Scorecard sollte die Anwendung der Messgrössen in den Projektteams des Bauunternehmens gezielt fördern. Daher sollten Bonusansätze zur Unterstützung der Umsetzung der Balanced Scorecard zwei Komponenten enthalten: -
Teamerfolg Individualerfolg
Auf diese Art wird die Balanced Scorecard zu „Everyone’s Everyday Job“. x Strategie als kontinuierlicher Prozess: Die Balanced Scorecard erfordert die Einführung eines doppelten Controllingkreislaufs (Bild 84), der schon in Kapitel 1 behandelt wurde. Er integriert das operative Management (Budgets, periodische Reviews) mit dem strategischen Management (Unternehmensstrategie, Unternehmenserfolg) in einen nahtlosen und kontinuierlichen Prozess. Die Strategie wird in diesem Prozess direkt mit den Budgetdeterminanten der strategischen Geschäftseinheit (SGE) verknüpft. Zu diesen finanziellen und nichtfinanziellen Bestimmungsgrössen können folgende Kennzahlen gehören:
2.3 Prinzipien strategiefokussierter Unternehmen -
147
Deckungsbeitragsgrösse (DB4) Umsatz Kundenbesuche Dienstleistungen Erhöhung der Trefferquote bei Angeboten Reduzierung nichtwertschöpfender Aktivitäten Mitarbeiterschulung
Durch solche jeder operativen und strategischen Unternehmensebene zugeordneten Kennzahlen setzt die Balanced Scorecard langfristige strategische Aktionsprogramme operativ um und verhindert, dass kurzfristige Suboptima angestrebt werden. Zur Umsetzung der Balanced Scorecard ist es notwendig, Monats- bzw. Quartalsmeetings auf den Team- und Managementstufen zu etablieren. In diesen Meetings müssen für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess die zur Zielerreichung notwendigen Massnahmen kritisch diskutiert und beschlossen werden, um die in der Balanced Scorecard festgelegten Ziele wie Kundenzufriedenheit und Umsatzsteigerung zu erreichen. x Mobilisierung des Wandels durch die Führung: Die erfolgreiche Umsetzung der Balanced Scorecard durch die strategischen Prinzipien -
Operationalisierung der Strategie, Ausrichtung der SGE auf die Strategie, Umsetzung der Strategie in Alltagsziele, Umsetzung der Strategie in einen Alltagsprozess
verlangt als Voraussetzung das aktive Mitwirken der Führungsteams, die „Strategie- und Prozessowner“ sind, auf allen Unternehmensebenen. Daher ist es erforderlich, dass das Unternehmen ein strategisches Managementsystem einführt, das die neuen Werte und Denkweisen in Führungs- und Teammitarbeitern institutionalisiert und das entsprechende strategische Steuerungssystem (Bild 84) im Unternehmen etabliert und in die Unternehmensorganisation integriert. Die Einführung eines solchen strategischen Managementsystems, das die Strategie bis auf Ziele und Messgrössen auf Projektteamebene operationalisiert, erfolgt in zwei Phasen: 1. Mobilisierungsphase - Motivation des Managements durch Einbindung in die Realisierung der Strategie in eine Top-Down- und Bottom-Up-Kommunikation - Entwicklung gemeinsamer Visionen und Strategien
148
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
2. Umsetzungs- und Steuerungsphase - Sichtbarmachen von Zielsetzungen, die eine Vision und Strategie realisierbar machen - Entwickeln nachvollziehbarer Steuerungsgrössen im Führungsteam - Steuerung der Ziel- und Messgrössen durch ein integratives Controllingsystem - Kommunikation der Strategie sowie Realisierung auf den verschiedenen Führungs- und Aggregationsebenen im Team
Bild 84:
Strategie als kontinuierlicher Unternehmensprozess [2-5]
2.4 Operationalisierung der Strategie
149
2.4 Operationalisierung der Strategie 2.4.1 Strukturierung der Strategieumsetzung Der Prozess der Strategieimplementierung beginnt mit der Operationalisierung der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie durch Strukturierung der Strategieumsetzung in x strategische Ziele und Ableitung der entsprechend geeigneten Strategie, x strategische Performancetreiber, x strategische Messgrössen und deren Operationalisierung. Diese Strukturierung wird in die vier Steuerungsdimensionen [2-3] untergliedert: 1. Finanzen: Betrachtung der Strategie aus der Perspektive der Anteilseigner im Hinblick auf Wachstum, Rentabilität und Risiko 2. Kunden: Darstellung der Strategie hinsichtlich der Wertgenerierung und Differenzierung aus dem Blickwinkel des Kunden 3. Interne Geschäftsprozesse: Betrachtung strategischer Prioritäten in Bezug auf verschiedene Geschäftsprozesse, die Zufriedenheit bei Kunden und Anteilseignern schaffen 4. Lernen und Entwickeln: Betrachtung der Prioritäten zur Schaffung eines Klimas für Wandel, Innovationen und personelle Entwicklung Zur systematischen Umsetzung und einfachen, verständlichen Kommunikation auf alle Unternehmensebenen haben KAPLAN und NORTON [2-3] ein praktikables Hilfsmittel geschaffen: die „Strategy Map“. 2.4.2 Die „Strategy Map“ Um eine Strategie verstehen und umsetzen zu können, muss sie zunächst umfassend, d.h. für alle Unternehmensebenen, und klar beschrieben werden. Um sicherzustellen, dass die Strategie die Arbeit aller Mitarbeiter bis in die operativen Unternehmensebenen steuern kann, muss die zu ihrer Beschreibung benutzte Sprache so konkret wie möglich gewählt werden. Die Balanced Scorecard bietet für die Strategiebeschreibung ein überaus anschauliches Werkzeug, die „Strategy Map“, an, anhand derer die festgelegte Unternehmensstrategie auf integrative und systematische Weise dargestellt werden kann. In der „Strategy Map“ werden Ursache-WirkungsBeziehungen abgebildet, die jedem strategischen Erfolgsziel die Ursachen im jeweiligen wertschöpfenden Unternehmensprozess zuordnen. So wird sichergestellt, dass die finanziellen und nichtfinanziellen Kennzahlen der
150
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
BSC, die in die Ursache-Wirkungs-Beziehungen der „Strategy Map“ eingebunden sind, die Strategie, den Grad ihrer Implementierung und ihren Erfolg messen können. Eine Strategie kann nie isoliert, sondern nur eingebettet in das Kontinuum eines Managementsystems erfolgreich in alle Unternehmensebenen implementiert werden. Bild 85 zeigt dieses Kontinuum, in dem durch ein lückenloses, zusammenhängendes Managementsystem die Unternehmensmission in die operativen Unternehmensebenen und deren wertschöpfende Prozesse überführt wird. Mission Warum wir existieren Grundwerte An was wir glauben Vision Wo wir hin wollen Strategie Unser „Spielplan“ Balanced Scorecard Fokussierung und Implementierung Strategische Massnahmen Was wir tun müssen Persönliche Ziele Was ich tun muss
Strategische Erfolgsgrössen Zufriedene Shareholder
Bild 85:
Begeisterte Kunden
Effektive Prozesse
Motivierte und geschulte Mitarbeiter
Kontinuum zur Umsetzung der Unternehmensmission in Prozesse der operativen Unternehmensebenen mittels einer Strategie [2-3]
Bild 85 zeigt auch, warum eine Strategie immer nur hypothetischen Charakter haben kann: Die Strategie beschreibt, von der momentanen Position des Unternehmens im Markt ausgehend, die gewünschte, aber – weil in der
2.4 Operationalisierung der Strategie
151
Zukunft liegend – ungewisse Ausrichtung und organisatorische Veränderung eines Unternehmens, um an einer Vision orientierte strategische Ziele zu erreichen. Diese strategischen Hypothesen über die zukünftige gewünschte Entwicklung des Unternehmens werden in der „Strategy Map“ in Form von Ursache-Wirkungs-Beziehungen beschrieben und können anhand der Messgrössen der Balanced Scorecard überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Darin wird eine weitere Stärke der BSC sichtbar, die die Strategie als kybernetisch-systemorientierten, dynamischen Prozess offen hält und jederzeit deren Anpassung an eine veränderte Marktsituation erlaubt. Bild 86 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Balanced Scorecard. NORTON und KAPLAN empfehlen ihre Entwicklung nach dem Top-DownPrinzip. Dabei stehen in der definierten Strategie zunächst folgende Fragen im Vordergrund [2-5]: 1. Finanzperspektive: Was sind die finanziellen Ziele für das Wachstum und die Produktivität? Was sind die Quellen des Wachstums? 2. Kundenperspektive: Wer sind unsere Zielkunden, die die Basis für das Umsatzwachstum bilden und einen rentablen Mix unserer Produkte und Dienstleistungen erzeugen? Was sind ihre Ansprüche und wie können wir ihre Zufriedenheit messen? Mit welchem Wertangebot können wir uns im Markt differenzieren und damit die Kundenbeziehung stärken? 3. Interne Prozessperspektive Welche Prozesse und Aktivitäten sind in den jeweiligen Unternehmensebenen notwendig, um die Differenzierung am Markt, das gewünschte Wertangebot für die Kunden und das kalkulierte finanzielle Ergebnis zu erreichen? 4. Lern- und Entwicklungsperspektive Welche organisatorische Infrastruktur muss im Unternehmen implementiert werden, um die internen Unternehmensprozesse in der neuen Weise durchzuführen? Zudem müssen die Lern- und Entwicklungsperspektiven der Mitarbeiter aufgezeigt werden, damit die entwickelte Strategie mit dem entsprechenden Know-how erfolgreich umgesetzt werden kann.
152
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Vision und Strategie
M
Zi
„Wie sollen wir gegenüber den Shareholdern auftreten, um finanziellen Erfolg zu erzielen?“
el e es s Vo grö rg ss e a M be n as n sn ah m en
Finanzperspektive
„Wie müssen wir unseren Kunden begegnen, um unsere Vision zu verwirklichen?“
Zi el e M es s Vo grö rg ss e a M be n as n sn ah m en
Kundenperspektive
M
Zi
„In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Kunden zufrieden zu stellen?“
el e es s Vo grö rg ss e a M be n as n sn ah m en
Interne Perspektive
„Wie können wir unsere Veränderungsund Wachstumspotenziale fördern, um unsere Ziele zu verwirklichen?“
Bild 86:
Zi el e M es s Vo grö rg ss e a M be n as n sn ah m en
Lern- und Entwicklungsperspektive
Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Strategie [2-5]
2.4 Operationalisierung der Strategie
153
Um dem Konflikt sich scheinbar widersprechender Prioritäten zu begegnen, müssen strategische Unternehmensziele unter Betrachtung der vier Unternehmenssteuerungsdimensionen nach folgenden so genannten strategischen Themen strukturiert werden: 1. Aufbau der Marktmacht - z.B. Entwicklung innovativer Bau- und Dienstleistungen zur Differenzierung am Markt 2. Steigerung des Kundennutzens - z.B. kundenorientierte Ausrichtung des Unternehmens durch lifecycle-orientierte Bauleistungen 3. Erreichung operationaler Exzellenz - z.B. Optimierung der Unternehmensprozesse, um den effizienten Einsatz von Ressourcen sicherzustellen 4. Entwicklung zu einer gesellschaftlich verantwortungsvollen Organisation - z.B. Einbindung von Umwelt- und Sicherheitsaspekten in die Unternehmensstrategie Diese strategischen Themen stellen die langfristige („Aufbau der Marktmacht“), mittelfristige („Steigerung des Kundennutzens“) und kurzfristige („operationale Exzellenz“) Betrachtungsweise der vier Perspektiven sicher und ergänzen sich gegenseitig. Die Finanzperspektive
Die Betrachtung der Finanzperspektive ergibt im Allgemeinen zwei wesentliche Basisstrategien zur Steuerung der finanziellen Performance, die sich jeweils auf zwei wesentliche Strategiekomponenten konzentrieren: 1. Wachstumsstrategie - Aufbau der Marktmacht - Steigerung des Kundennutzens 2. Produktivitätsstrategie - Verbesserung der Kostenstruktur (operationale Exzellenz) z.B. Senkung der variablen Kosten und der Gemeinkosten - Verbesserung des Auslastungsgrads (operationale Exzellenz) z.B. Reduzierung des gebundenen Kapitals durch effiziente Nutzung von Ressourcen Die Ausgewogenheit der Balanced Scorecard durch entsprechende Kennzahlen stellt sicher, dass die Wachstumsstrategie nicht durch die mittelfris-
154
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
tig angestrebte Steigerung der Produktivität beeinträchtigt wird. Die unter Umständen konsolidierenden Massnahmen zur Produktivitätssteigerung werden durch die gemeinsame Behandlung der scheinbar gegensätzlichen Strategieaspekte „Wachstum“ und „Produktivität“ unter dem Gesichtpunkt des längerfristigen Ziels „Unternehmenswachstum“ festgelegt. Bild 87 zeigt diesen parallelen Strategieansatz der Wachstums- und Produktivitätsstrategie zur Erreichung des strategischen Ziels der Finanzperspektive „Steigerung des Shareholder Value“. Die sich aus der Strategy Map der Finanzperspektive ergebenden Kennzahlen der Balanced Scorecard sind in der Regel rein finanzielle Messgrössen bzw. Planwerte für zukünftige Planungsperioden, die dem Berichtswesen des Unternehmens entnommen werden können. Die Finanzperspektive bildet das Fundament der Unternehmensstrategie, indem sie die Steigerung des Shareholder Value als Existenzberechtigung des Unternehmens definiert. Steigerung des Shareholder Value
Umsatzwachstumsstrategie
Aufbau der Marktmacht neue Umsatzquellen
Bild 87:
Steigerung des Kundennutzens Verbesserung der bestehenden Kundenrentabilität
Produktivitätsstrategie
Verbesserung der Kostenstruktur Senkung der Kosten je Einheit
Verbesserung des Auslastungsgrads der Vermögenswerte bestehende Vermögenswerte zusätzliche Investitionen
Aufbau einer Finanzperspektive für die Strategy Map [2-5]
Die Kundenperspektive
Als den wohl wertvollsten Teil im Entwicklungsprozess der Balanced Scorecard beschreiben KAPLAN und NORTON [2-5] die Entwicklung der Strategy Map für die Kundenperspektive und stellen damit die Möglichkeit der gegenüber den Wettbewerbern herausragenden Kundenorientierung eines Unternehmens durch Einführung der Balanced Scorecard fest. Die gemeinsame und intensive Beschäftigung aller Unternehmensebenen mit dem Wertangebot des Unternehmens für seine Kunden und die klare Definition der zu bedienenden Marktsegmente und Zielgruppen im
2.4 Operationalisierung der Strategie
155
Markt stellen die kundenorientiert ausgerichtete Unternehmensstrategie und die fachkundige, zügige und zielgerichtete Auftragsabwicklung sicher. Um sich erfolgreich zu differenzieren, verfolgen Unternehmen in Bezug auf die kundenorientierte Strategie drei unterschiedliche strategische Differenzierungsansätze [2-8]: 1. Die Leistungs- bzw. Produktführerschaft (Differenzierungs- oder Konzentrationsstrategie) wird durch die Erschliessung neuer Marktsegmente mit innovativen Produkten und Dienstleistungen erreicht. Kern dieser Strategie ist eine Unternehmenskultur, die Innovationen fördert, um nach erfolgreicher Platzierung einer innovativen Leistung oder eines Produkts am Markt dem Preisverfall aufgrund Nachahmung durch die Wettbewerber mit neuen Innovationen zu begegnen. Den Kunden muss der spezifische Mehrwert einer Innovation entsprechend ihren Anforderungen klar verdeutlicht werden, um die Bereitschaft zur Zahlung eines meist höheren Preises zu steigern. 2. Eine auf Kundenpartnerschaft (Differenzierungsstrategie) ausgerichtete Strategie offeriert dem Kunden statt „Standard“-Produkten und -Dienstleistungen die bestmögliche Lösung seiner Probleme und die Befriedigung seiner spezifischen Bedürfnisse. Eine kundenpartnerschaftliche Unternehmensstrategie zielt nicht auf kurzfristige Gewinne, sondern vor allem auf die langfristige Bindung der Kunden an das Unternehmen ab. Wesentliches Merkmal einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen ist gegenseitiges Vertrauen, das aus Unternehmenssicht durch individuelle Betreuung des Kunden und massgeschneiderte Problemlösungen erreicht wird. 3. Unternehmen, die die Strategie der operationalen Exzellenz (Kostenführerschaft) verfolgen, bieten dem Kunden eine Kombination aus Qualität, Preis und einfacher, transparenter Auftragsabwicklung. Um operationale Exzellenz zu erreichen, agieren sie mit einem modular gestalteten Angebotsspektrum aus bewährten Produkten und Leistungen in erprobten Marktsegmenten und konzentrieren strategische Anstrengungen auf die kontinuierliche Verbesserung der Leistungserstellungsprozesse im Unternehmen. Für eine ausgewogene Strategie sollten Unternehmen mit Blick auf ihre Kunden auf einen strategischen Ansatz fokussieren und im Sinn von „best practice“ in den jeweils anderen beiden Strategieaspekten einen Schwellenstandard halten. Bild 88 zeigt den möglichen Aufbau einer Strategy Map für die Kundenperspektive, die diese „fokussierte Mehrgleisigkeit“ berücksichtigt.
156
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Bild 88:
Strategische Wettbewerbsdifferenzierungsansätze
Für die Bauwirtschaft sind entsprechend den Forschungen am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich vor allem die Strategie der Leistungs- und Produktführerschaft durch innovative Projektabwicklungsformen und der Kundenpartnerschaft durch innovative Partneringmodelle von Bedeutung, um sich vom reinen Preiswettbewerb zu lösen. Für die bessere und spezifischere Befriedigung der Kundenbedürfnisse müssen die Unternehmen der Baubranche mithilfe der Strategy Maps in der Balanced Scorecard ihre Zielkunden eindeutig und klar definieren und dann die strategische Ausrichtung auf diese Zielgruppe fokussieren. Damit liegt der massgebliche, zukünftige Erfolg der Implementierung einer Strategie in ein Bauunternehmen mit der Balanced Scorecard in der gewissenhaften Entwicklung der Strategy Map für die zentrale Kundenperspektive.
2.4 Operationalisierung der Strategie
157
Die interne Prozessperspektive
Jede Strategie muss, ergänzend zu den unternehmerischen Zielen, die durch die Strategy Maps der Finanz- und Kundenperspektive definiert werden, auch den Weg zur Erreichung dieser Ziele bereitstellen. Dies erfolgt im Wesentlichen durch Definition und Implementierung der dazu notwendigen, optimalen Prozesse. Die interne Prozessperspektive erlaubt eine strukturierte Ausrichtung der Unternehmensprozesse und speziell der Leistungserstellungs- und Supportprozesse auf die in der Kundenperspektive festgelegten Strategieaspekte. Bild 89 zeigt, wie die Unternehmensprozesse unter Berücksichtigung der vier Steuerungsdimensionen der Strategie x x x x
Aufbau der Marktmacht Steigerung des Kundennutzens Erreichung operationaler Exzellenz Entwicklung zu einer lernenden und gesellschaftlich verantwortungsvollen Organisation
strukturiert definiert werden können.
Bild 89:
Interne Prozessperspektive zur Umsetzung der intendierten Strategien des Unternehmens und der SGE, in Anlehnung an [2-5]
Ergänzend dazu zeigt Bild 90, dass der Schwerpunkt der Prozessdefinition und -implementierung dabei auf die wertschöpfenden bzw. für die Leistungserstellung massgeblichen Prozesse in Abhängigkeit vom jeweiligen strategischen Differenzierungsansatz gelegt werden muss: Leistungs-/Produktführerschaft: effiziente Innovationsprozesse mit kurzen Entwicklungszyklen
158
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Kundenpartnerschaft: zielgerichtete CRM (Customer Relationship Management)-Prozesse mit Fokus auf die Anforderungen und Bedürfnisse des Kunden Operationale Exzellenz: Steigerung der operationalen Effizienz durch entsprechendes Ressourcen- und Prozessmanagement
Bild 90:
Anforderungen an die internen Geschäftsprozesse in Abhängigkeit von der gewählten Wettbewerbsstrategie, in Anlehnung an [2-5]
Die Lern- und Entwicklungsperspektive
Für den Erfolg eines Unternehmens und damit auch für die erfolgreiche Implementierung einer Strategie sind immaterielle Ressourcen, z.B. das
2.4 Operationalisierung der Strategie
159
Know-how der Mitarbeiter, von essentieller Bedeutung. Die Lern- und Entwicklungsperspektive strukturiert die immateriellen Unternehmenswerte und unterscheidet dabei drei Kategorien: x Kernkompetenzen und -fähigkeiten - Ausbau von Fähigkeiten und Kompetenzen, die zur Realisierung der Strategieziele in strategischen Geschäftseinheiten notwendig sind - Entwicklung von Führungsqualitäten, um die Visionen und Strategien zu kommunizieren - Entwicklung der Mitarbeiter, um integriertes Geschäftsdenken zu bewirken x Zugang zu Strategieinformationen - Generierung von strategischen Informationen und Messgrössen, die Mitarbeiter befähigen, die Strategie umzusetzen - Bereitstellung von Infrastrukturen zur Informationsbeschaffung x Aktivitätsorientiertes Betriebsklima - Schaffung eines Unternehmensklimas, das die Motivation der Mitarbeiter fördert und sie zur Umsetzung der Vision und Strategie ihrer SGE befähigt Die Entwicklung der Strategy Map aus Sicht der Lern- und Entwicklungsperspektive bildet damit die Grundlage für den strategieorientierten Wandel im Klima eines Unternehmens und ermöglicht durch die Einbeziehung und Motivation der Mitarbeiter und die Vernetzung in der Firmeninfrastruktur die erfolgreiche Implementierung der Strategie in das Unternehmen. Im Zug des Wissensmanagements sind notwendige strategische Kompetenzen in einem Unternehmen zu identifizieren, zu strukturieren und zu vermitteln (vgl. hierzu auch [2-1] und [2-7]). Bild 91 skizziert eine Strategy Map für die Lern- und Entwicklungsperspektive mit möglichen immateriellen Kennzahlen für die Balanced Scorecard.
Bild 91:
Aufbau einer Lern- und Entwicklungsperspektive für die Strategy Map [2-5]
160
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Die integrative, perspektivenübergreifende Strategy Map
Nach der Entwicklung der Strategy Maps für die vier Standardperspektiven bzw. Unternehmenssteuerungsdimensionen der Balanced Scorecard gilt es, die Strategy Maps der einzelnen Perspektiven in einer perspektivenübergreifenden Strategy Map für die Ursache-Wirkungs-Beziehungen des gesamten Unternehmens zu einer zielorientierten Strategie zu verknüpfen. Die Vorlage in Bild 92 zeigt diese Verknüpfung branchenunabhängig.
Bild 92:
Strategy Map – Verknüpfung der Unternehmenssteuerungsdimensionen zur Erzielung der intendierten Unternehmens- und SGE-Strategie [2-5]
Dabei werden die den Shareholder Value betreffenden finanziellen Ziele „Wachstum“ und „Produktivität“ in der Finanzperspektive durch „Aufbau der Marktmacht“, „Steigerung des Kundennutzens“ und „Steigerung der Produktivität“ definiert. Der Weg zu diesen übergeordneten strategischen Zielen wird durch Schaffung eines differenzierten kundenorientierten Wertangebots in der Kundenperspektive dargestellt. Auf diesem Weg sind optimierte, auf die Kunden ausgerichtete Prozesse notwendig, die durch die interne Prozessperspektive identifiziert und gestaltet werden. Basis der
2.5 Die Entwicklung der Strategy Map
161
erfolgreichen Strategieimplementierung mit der Balanced Scorecard sind die immateriellen Werte der Lern- und Entwicklungsperspektive für die Mitarbeiter. Strategische Kompetenzen der Mitarbeiter, Technologien zur effizienten Kommunikation innerhalb des Unternehmens und ein motivierendes, auf die kundenorientierten Prozesse ausgerichtetes Klima ermöglichen den Erfolg der Strategie.
2.5 Die Entwicklung der Strategy Map 2.5.1 Entwicklungsschritte Die Entwicklung der Balanced Scorecard ist in das strategische Management und den strategischen Planungsprozess eingebettet und enthält die folgenden wesentlichen Schritte: A. Gesamtunternehmensebene x Globalanalyse - Allgemeines Umfeld - Markt - Unternehmen - Wertvorstellung x Gesamtunternehmensziele - Strategische Geschäftsfelder (SGF) - Marktposition - Ressourcen - Unternehmens- und Marktstrategie der strategischen Geschäftseinheiten (SGE) B. Geschäftseinheitsebene (SGE) x Geschäftsfeldanalyse - Wettbewerbssituation - Kundenpräferenzen - Interne Stärken und Schwächen x Geschäftsfeldstrategie - Auswahl des Zielkundensegments - Angebotsprogramm - Wettbewerbsstrategie - Ressourcenstrategie Darauf aufbauend erfolgt die Identifizierung der Unternehmenssteuerungsdimensionen:
162
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
x Kundenperspektive, z.B. - Mehrwert für den Zielkunden - Serviceangebote für den Kunden x Interne Geschäftsprozesse, z.B. - Reduzierung nicht wertschöpfender Aktivitäten - Reduzierung der Gewährleistungsfälle - Steigerung der Produktivität durch automatisierte Geräte - Reduzierung der Allgemeinkosten durch Outsourcing des Werkhofs - Systematisierung der AVOR - Einführung eines risikobasierten Controllings x Lernen und Entwickeln, z.B. - Bereitstellung des Intranet zur besseren internen Kommunikation - Weiterbildung der Mitarbeiter bezüglich der Verhandlungskompetenz - Weiterbildung der Projektleiter zur besseren Steuerung der Leistungserstellungsprozesse Ziel ist z.B. das Erreichen der primären Finanzziele: x Erwirtschaften eines höheren Deckungsbeitrags im strategischen Geschäftsfeld x Erreichen der Umsatzziele bzw. des Umsatzwachstums im neuen Geschäftsfeld x Sichern der Auslastung des vorhandenen strategisch notwendigen Inventars, z.B. TBM oder Bohrjumbo/Spritzroboter Nach Ablauf dieses systematischen Strategieplanungsprozesses verfügt das Unternehmen über eine spezifische Balanced Scorecard des jeweiligen strategischen Geschäftsfelds. Die BSC transformiert die jeweilige Strategie in Ziele, Perspektiven, Treiber, Messgrössen und operative Aktivitäten, die unternehmensspezifisch auf die verschiedenen Managementebenen der SGE heruntergebrochen werden (Bild 93). Darauf aufbauend werden die Budgets für die strategischen Geschäftseinheiten festgelegt. Ferner werden die Vorgaben der Balanced Scorecard in gezielte Aktivitäten je strategischem Geschäftsfeld umgesetzt.
2.5 Die Entwicklung der Strategy Map
Bild 93:
163
Umsetzung der Vision und der strategischen Ziele in die Unternehmenserfolgsdimensionen und deren Treiber, Messgrössen und operative Aktivitäten [2-6]
2.5.2 Ausrichtung der strategischen Geschäftseinheiten auf die Strategie mittels Balanced Scorecard Grössere Unternehmen sind mit verschiedenen strategischen Geschäftseinheiten (SGE) in je einem oder mehreren strategischen Geschäftsfeldern (SGF) engagiert. Die SGE müssen eine Verbindung zwischen den auf höherer Organisationsebene angesiedelten aggregierten Balanced Scorecards herstellen. Daraus ergibt sich das strategiefokussierte Unternehmen, das durch zielorientierte Synergien geprägt wird, die sich durch eine vertikale Verstärkung auszeichnen. Im folgenden Beispiel soll exemplarisch eine Balanced Scorecard für ein SGF der strategischen Geschäftseinheit Hochbau eines als Totalunternehmer auftretenden Bauunternehmens erläutert werden.
164
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Ausgangslage: Die SGE „TU/Hochbau“ ist in die folgenden strategischen Geschäftsfelder (SGF) gegliedert: x SGF „Bürogebäude“ x SGF „Wohnbauten“ Der Markt ist durch einen harten Preiswettbewerb gekennzeichnet. Das SGF „Bürogebäude“ muss unbedingt den Deckungsbeitrag DB4 auf 10 % steigern, um einen adäquaten Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten. Folgende Strategie wird für das SGF „Bürogebäude“ entwickelt: x aktives Anstreben eines längerfristigen Umsatzwachstums x Annahme nur solcher Aufträge, die den anvisierten Deckungsbeitrag DB4 erzielen x weiterer Ausbau von Erfolgsfeldern kooperativer Leistungsangebote mit Stararchitekt und eingespielten externen Planungsteams („Star“-Bürogebäude) x Entwicklung eines neuen Geschäftsfelds „PPP-Verwaltungsgebäude“; aktives und gezieltes Ansprechen von Gemeinden mit entsprechendem Bedarf x Senkung der internen Prozesskosten durch Vergabe klarer Prozessverantwortung in den Projekten Die Umsetzung der Strategieziele in strategische und operative Messgrössen unter Identifizierung der Strategie-Performancetreiber erfolgt in Bild 94. Aus Bild 95 wird deutlich, dass die strategischen Messgrössen wieder interaktiv zusammenwirken und somit eine Verstärkung bzw. Dämpfung der Zielerreichung bewirken können.
Bild 94:
Lernen und Entwickeln
Interne Prozesse
Kunden
Finanzen
L1) Motivierte, kompetente Mitarbeiter
P4) PPP-Innovationen
P3) Aufbau des PPP-Geschäftsfelds
P2) Entwicklung und Verbesserung der Kooperation mit Schlüsselplanern
P1) Prozesskosten senken
K2) Kunden für "Star-Bürogebäude" gewinnen
K1) PPP-Kunden gewinnen
F2) Umsatzwachstum
F1) Steigerung des Ertrags
SteuerungsStrategische Ziele dimensionen
• Arbeitsatmosphäre • Kernkompetenzen
• Sichere und zuverlässige Projektergebnisse • Win-Win-Situation für Planungspartner • Schlüsselkompetenzen für PPPProjekte aufbauen
• Zielkunden begeistern • Aufbau einer Win-Win-Beziehung für den Kunden • Image
• Projekte selektieren, die das DB4Ziel ermöglichen • Gemeinden für den PPPLebenszyklus-Vorteil begeistern • Qualität der kooperativen Angebote für den Kunden deutlich machen
Strategische Performancetreiber
• Mitarbeiterbefragung • Mitarbeitergespräche • Persönliche BSC je Projektleiter • Verfügbarkeit strategischer Informationen • Weiterbildung Projektentwicklung
• Deckungsbeiträge erzielen • Nachträge stellen • Planergewinn (Kooperation) • Kostenziele unterschreiten • Terminziele einhalten • Hohe Erfolgsquote bei TUWettbewerben • Schlüsselkompetenz Projektentwicklung • Kooperationen mit Betreibern für PPP
• PPP-Neukunden gewinnen • Kunden für "Star-Bürogebäude" gezielt aussuchen • Projekte entwickeln • Kundenumfrage • PR-Aktion über erfolgreiche Projektzusammenarbeit mit Bauherren • TU: Allgemeine Projekte
• Gesamtumsatzwachstum • Gewinn/Deckungsbeitrag DB4 • Cashflow (dynamisch) • Wachstumsraten: - PPP-Projekte - Kooperative Projekte "Star"-Bürogebäude • Allgemeiner GU-Hochbau
Strategische Messgrössen
50 % aller Projektleiter
1 (alle) 1 je Mitarbeiter alle Projektleiter alle Projektleiter
2 Partner gewinnen
2 erfolgreiche Projekte
je Projekt von Fall zu Fall + 10 % HOAI -5% 95 % 50 %
6
2 1 2
3 4
10 % ±0%
20 %
10 % 10 % positiv
Operative Messgrössen
2.5 Die Entwicklung der Strategy Map 165
Entwicklung der Balanced Scorecard für die Jahresziele der SGE „TU/Hochbau“
166
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess Strategische Primäraspekte Unternehmenssteuerungsdimensionen
Return on Investment
Finanzen Umsatz
Kosten Marktanteil
Kunden Kundenzufriedenheit Fehlerquote
Interne Geschäftsprozesse
Qualität des Projektmanagements Motivation
Lernen und Entwickeln
Bild 95:
Strategische Messgrössen
Ausbildung der Mitarbeiter
Kybernetisch-systemorientiertes Ursache-Wirkungsnetz zwischen Unternehmenssteuerungsdimensionen und den interagierenden strategischen Zielen
In Bild 96 ist in der Strategy Map für die SGE „TU/Hochbau“ und für das SGF „Bürogebäude“ mit den Segmenten x PPP-Verwaltungsgebäude x Star-Bürogebäude x Allgemeiner GU-Hochbau die Interaktion der Unternehmenssteuerungsdimensionen Finanzen, Kunde, interne Prozesse und Lernen und Entwickeln dargestellt. Nur durch diese mehrdimensionale Interaktion der Steuerungsgrössen lassen sich die ambitionierten strategischen Ziele umsetzen.
2.5 Die Entwicklung der Strategy Map
Bild 96:
Strategy Map der SGE „TU/Hochbau“
167
168
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Die strategischen Ziele werden zur Umsetzung auf die verschiedenen Hierarchieebenen der SGE im SGF „Bürogebäude“ heruntergebrochen (Bild 97): x Niederlassungsleiter x Bereichsleiter x Projektleiter Dadurch wird sichergestellt, dass die Zielvorgaben im Tagesgeschäft operativ verfolgt werden. Strategische Unternehmenssteuerungsdimensionen Finanzen:
Niederlassungsleiter
Bereichsleiter "PPP"
Bereichsleiter "Star"Bürogebäude
Bereichsleiter "Allgemeiner GU-Hochbau"
Projektleiter "PPP"
Projektleiter "Star"Bürogebäude"
Projektleiter "Allgemeiner GU-Hochbau"
• Umsatzsteigerung
+10 %
20 %
10 %
0%
20 %
10 %
0%
• Deckungsbeitrag
+10 %
20 %
10 %
5%
20 %
10 %
5%
Kunden: • Aufträge
-
3
4
6
1 je PL
2 je PL
3 je PL
• Kundenbesuche
7
10
10
20
3-4 je PL
10 je PL
10 je PL
• Kundenanlässe
4
3
3
1
alle
alle
alle
• Kundenumfrage
-
1
1
1
-
-
-
0%
-10 %
+10 %
0%
-10 %
Interne Prozesse: • Prozesskosten / allgemeine Kosten senken • Kooperationskonzept entwickeln
-5 %
Konzept
+10 % • Teams bilden • Kooperationspartner selektieren
• Teams bilden • Kooperationspartner selektieren
• Kostensicherheit
±5%
±0%
±0%
• Terminsicherheit
± 95 %
± 95 %
± 95 %
• Keine Garantieleistungen
±0%
±0%
±0%
Lernen und Entwickeln: • Mitarbeiterbefragung
1
• Mitarbeiterführungsgespräche • Weiterbildung Projektleitungskompetenz • Weiterbildung Verhandlungskompetenz
1 Gespräch mit jedem unterstellten Mitarbeiter jeder 2. Projektleiter jeder
jeder 2. Projektleiter
• Intranet einführen
*
*
*
*
• WM-Datenbank
*
*
*
*
Bild 97:
Herunterbrechen der BSC-Jahresziele auf das operative Management und die Teamleiter
2.6 Ausrichtung des Unternehmens und Nutzung von Synergien durch die Balanced Scorecard 169
2.6 Ausrichtung des Unternehmens und Nutzung von Synergien durch die Balanced Scorecard Das strategiefokussierte Unternehmen konstruiert sich durch x Ausrichtung der strategischen Geschäftsfelder nach den strategischen Unternehmenszielen und BSC-Messgrössen, x Synergienutzung zwischen den weitgehend eigenverantwortlichen SGE. Da mit der Einführung der Balanced Scorecard in ein Unternehmen eine intensive Beschäftigung mit dessen Strategie verbunden ist, unterstützt die Balance Scorecard die Ausrichung der Unternehmensorganisation an der Strategie. Unter Ausnutzung möglicher synergetischer Effekte sollen sich nach der Anpassung der strategischen Architektur der Organisation die in der internen Prozessperspektive definierten, optimierten Prozesse in der Organisation des Unternehmens widerspiegeln. Die Organisation ist dann über die Prozesse, die anhand der strategischen Ziele der Finanz- und Kundenperspektive identifiziert und implementiert wurden, an der Strategie ausgerichtet und unterstützt dadurch die strategische Zielerreichung optimal. Wichtig ist, dass diese Ausrichtung durch ein periodisches Controlling begleitet wird (s. Kapitel 1, Bild 60). Dabei werden die BSC-Jahresziele mittels operativem Controlling monatlich bzw. vierteljährlich überprüft und entsprechend gesteuert. Mit dem Controlling einhergehend muss periodisch ein Dialog zwischen den Hierarchiestufen erfolgen, um weitere unterstützende Massnahmen einzuleiten, damit die Zielerreichung abgesichert werden kann. Zudem wird durch das operative Controlling offenbar, ob in der Balanced Scorecard die richtigen Stellschrauben zur Operationalisierung der Strategie genutzt wurden. Darüber hinaus liefert das operative Controlling Signale für das strategische Controlling zur Überprüfung der Prämissen des Marktes. Im strategischen Controlling lassen sich so Indikatoren finden, die auf eine erforderliche Anpassung der Strategie der SGE hinweisen (s. Kapitel 1, Bild 62). Daher sollte die für einen Zeitraum von fünf Jahren erstellte strategische Planung, in der die Jahresziele für die Balanced Scorecard festgeschrieben werden, grundsätzlich alle drei Jahre überprüft und ggf. neu formuliert werden, wiederum mit einem strategischen Zielhorizont von fünf Jahren. Grosse Unternehmen mit mehreren strategischen Geschäftseinheiten (SGE) sind nur effizient, wenn das Ergebnis der Zusammenarbeit aller SGE höher als die Summe der Ergebnisse der einzelnen SGE ist. Um diesen Mehrwert zu erzielen, sind Synergien zwischen den SGE notwendig.
170
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Die formulierte Strategie wird zur Synergiebildung in alle strategischen Geschäftseinheiten kommuniziert, um diese dann auf ihren jeweiligen Beitrag zur strategischen Zielerreichung hin zu untersuchen. SGE, die nicht direkt zum Erfolg der strategischen Unternehmensziele beitragen können, müssen dahingehend hinterfragt werden, ob sie nicht einen effizienteren Beitrag zur Wertschöpfung leisten, wenn sie aus dem Unternehmensverbund ausgegliedert werden. Besonders kritisch sind so genannte SharedService-Einheiten zu beleuchten, die mit ihren Supportprozessen den Leistungserstellungsprozess eines Unternehmens unterstützen. In den SharedService-Einheiten liegt einerseits ein grosses synergetisches Potenzial, weil sie durch ihr Know-how als verbindendes Glied in der Architektur der Unternehmensorganisation die Bildung von Synergien zwischen den SGE bewirken können. Andererseits erreichen sie die grösstmögliche Effizienz oft erst, indem sie ihre Supportleistungen selbstständig und unabhängig vom Unternehmensverbund einem breiteren Markt anbieten. Synergetische Potenziale zwischen den strategischen Geschäftseinheiten eines Bauunternehmens können z. B. durch x ein SGE-übergreifendes Risikomanagement (Finanzperspektive) [2-2], x die gemeinsame Bedienung von Kunden und Identifizierung der Kundenbedürfnisse über die Interessen der eigenen SGE hinaus (Kundenperspektive), x ein SGE-übergreifendes Ressourcenmanagement (interne Prozessperspektive), x die Etablierung eines SGE-übergreifenden Best Practice (Lern- und Entwicklungsperspektive) freigesetzt werden. Bild 99 zeigt, wie Shared-Service-Einheiten in einem Bauunternehmen durch Fokussierung auf synergiefördernde Supportprozesse die Strategie des Unternehmens und seiner strategischen Geschäftseinheiten optimal unterstützen. Moderne Unternehmen ergänzen die vier perspektiven der BSC heute durch die 5. Perspektive – die Nachhaltigkeitsperspektive. Die Verpflichtung zu nachhaltigen Produkten und Prozessen wird heute aufgrund der fortschreitenden Herausforderungen an Energieträger und Ressourcen – gerade vor dem Hintergrund des exponentiellen Weltbevölkerungswachstums – immer bedeutender. Immer mehr Kunden erwarten von den Unternehmen nachhaltige Produkte. Dies gilt insbesondere für Unternehmen der Bauwirtschaft, deren Produkte über 30 – 50 Jahre Rendite bei gleichzeitiger Werterhaltung sicherstellen müssen.
2.6 Ausrichtung des Unternehmens und Nutzung von Synergien durch die Balanced Scorecard 171
Kundenperspektive
Nachhaltigkeit
Finanzperspektive
Unternehmen/ Strategie
Interne Prozessperspektive
Lern- und Entwicklungsperspektive
Bild 98:
Strategieumsetzung mit Sustainable Balanced Scorecard – SBSC
Bild 99:
Synergien durch strategisch ausgerichtete Shared-Service-Einheiten (in Anlehnung an [2-5])
172
2 Balanced Scorecard – Strategieumsetzungsprozess
Die Sustainable Balanced Scorecard – SBSC – besteht dann aus den fünf Perspektiven (Bild 98). Dabei hat die Nachhaltigkeitsperspektive meist positive Wirkung auf Kosteneinsparungen als Folge von geringerem Energiebedarf, geringeren Abfallmengen etc.
Literatur [2-1]
Borner, R.: Prozessmodell für projekt- und erfolgsorientiertes Wissensmanagement zur kontinuierlichen Verbesserung in Bauunternehmen. Dissertation am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 2005
[2-2]
Girmscheid, G.: Ganzheitliches Risikomanagement in Bauunternehmen. In: Bauingenieur 76, H. 6/2001, S. 287–293
[2-3]
Kaplan, R. S.; Norton, D. P.: Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1997
[2-4]
Kaplan, R. S.; Norton, D. P.: The Balanced Scorecard: Measures that Drive Performance. Harvard Business Review, H. 1–2/1992, S. 71–79
[2-5]
Kaplan, R. S.; Norton, D. P.: Die strategiefokussierte Organisation: Führen mit der Balanced Scorecard. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2001
[2-6]
Müller-Stewens, G.; Lechner, Ch.: Strategisches Management – Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. 2. Aufl., Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2003
[2-7]
Schmidle, Ch.: Projektbasiertes Prozessmodell für ereignisorientiertes Wissensmanagement in mittleren und grösseren Bauunternehmen. Dissertation am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 2004.
[2-8]
Treacy, M.; Wiersema, F.: Marktführerschaft – Wege zur Spitze. Campus Verlag, Frankfurt, 1995
3 Marketingprozess für Bauleistungen
3.1 Einleitung – Strategieimplementierung mittels Marketing Das Ziel jedes Bauunternehmens ist, aufgrund seines Leistungspotenzials die Bedürfnisse des Bauherrn/Kunden bzw. dessen Leistungsziele im Leistungserstellungsprozess in das gewünschte Leistungsergebnis umzusetzen. Der Bauunternehmer erhält vom Kunden den Auftrag aufgrund des Angebotspreises und der Leistungsfaktoren, die das Leistungspotenzial für einen erfolgreichen Leistungserstellungsprozess garantieren. Im Rahmen des unternehmerischen Leistungserstellungsprozesses entscheidet es sich, ob die antizipierten Leistungsziele des Kunden realisiert werden. Damit der Leistungserstellungsprozess im Unternehmen optimal effizient zur Erreichung der Kundenzufriedenheit und zur Gewinnmaximierung im Rahmen des Marktsegments und Geschäftsfelds abgewickelt werden kann, sind die Management-, Ressourcen- und Supportprozesse in ihn einzubetten (Bild 100). Das Ziel des Unternehmens ist es, die Kundenzufriedenheit sicherzustellen; dies erfolgt im Rahmen des Leistungserstellungsprozesses im Unternehmen. Der Leistungserstellungsprozess ist somit die Kerntätigkeit des Unternehmens. Um die Unternehmensziele zu unterstützen, sind die Management- und Supportprozesse so zu gestalten und zu optimieren, dass ein Höchstmass an Effizienz erreicht wird. Das Marketing bzw. die Marketingstrategie beinhaltet die funktionale Umsetzung der gewählten Wettbewerbsstrategie für das jeweilige strategische Geschäftsfeld (SGF). Die Marketingstrategie operationalisiert die Wettbewerbsstrategie in Bezug auf die Ausgestaltung der Leistung und des Produkts, des Preises sowie der Marktpräsenz und der Kommunikation mit den potenziellen Kunden. Obwohl die Marketingstrategie und ein Teil der Unternehmensstrategie übergeordnet sind, unterstützen sie den Leistungserstellungsprozess (Bild 100) als Supportprozess und operationalisieren ihn durch die Marketingindikatoren und -massnahmen.
174
3 Marketingprozess für Bauleistungen Strategischer Marketingprozess
Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebots bearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungs planung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse Strategischer Marketingprozess
Bild 100: Prozesse in einem Bauunternehmen – Marketing als Funktionsstrategie
Neben Kenntnissen der allgemeinen Grundsätze und Prozesse des Marketings ist das „Business-to-Business (B2B) Marketing“ für Bauunternehmen von besonderer Bedeutung [3-47].
3.2 Einführung in das allgemeine Baumarketing 3.2.1 Allgemeine Definition des Begriffs „Marketing“ Marketing als Mittel zur Erreichung strategischer Zielvorgaben (Bild 101): Marketing = Koordinierter Einsatz marktbeeinflussender Instrumente zur Schaffung dauerhafter Präferenzen und Wettbewerbsvorteile. [3-31] Marketing als Handlungsmaxime: Marketing = Konsequente Ausrichtung aller Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Abnehmer bzw. Käufer. [3-31] Marketing als Prozess: Marketing = Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge, durch den Einzelpersonen und Gruppen ihre Bedürfnisse und Wünsche befriedigen, indem sie Produkte und andere Dinge von Wert erzeugen, anbieten und miteinander austauschen. [3-28]
3.2 Einführung in das allgemeine Baumarketing
175
Marketing als Fähigkeit: Marketing = Die Kunst, die richtigen Waren und Dienstleistungen zur richtigen Zeit an die richtigen Leute am richtigen Ort zum richtigen Preis und mithilfe der richtigen Kommunikations- und Absatzförderungsaktivitäten zu bringen (in Anlehnung an [3-28]).
Umwelt- / Wettbewerbsorientierung
Marktorientierung
Marketing als Denkhaltung
Kundenorientierung
Produkt und Leistungsorientierung
Der Kunde mit seinen Bedürfnissen steht im Mittelpunkt des unternehmerisches Wirkens.
Bild 101: Marketing als Unternehmensphilosophie
Das Marketing dient dazu, den Erfolg planbar zu machen und dabei die Kundenbedürfnisse ins Zentrum des Leistungsangebots zu stellen. Die Ziele des Marketings können in den folgenden 6 Thesen zusammengefasst werden: 1. Erfolg ist machbar - Markterfolge basieren auf einer sorgfältigen Planung von strategischen Wettbewerbsvorteilen und sind keine Zufallsergebnisse. 2. Misserfolg ist begründbar - Misserfolge resultieren meistens aus einer falschen strategischen Ausgangslage. Als Faustregel gilt: 80 % des Unternehmenserfolges bestimmt die Strategie und 20 % des Erfolges bestimmt der operative Geschäftsgang.
176
3 Marketingprozess für Bauleistungen
3. Erfolg hat Konzepte Strategisch: - Neue Märkte erschliessen - Neue Dienstleistungen anbieten - Organisation straffen - Preispositionierung - Leistungspositionierung Operativ: - Anzahl Kundenbesuche intensivieren - Kundenanlässe organisieren - Werbung (Kundenbriefe, Inserate, etc.) - Neue Accounter einstellen - etc. 4. Erfolg von morgen bedingt Aufbauarbeit von heute - Strategische Erfolgspotentiale müssen vorausschauend aufgebaut werden und nicht erst wenn akuter Handlungsbedarf besteht. Bis deren Wirksamkeit eintrifft vergeht wertvolle Zeit. 5. Der Markt entscheidet - Der Markt ist der Gradmesser der Leistungsfähigkeit. Der Kunde interessiert sich nicht für betriebsinterne Probleme. 6. Der Kunde mit seinen Bedürfnissen steht im Zentrum - Kundenorientierung ist nicht die alleinige Aufgabe des Marketing oder des Vertriebs – die marktorientierte Unternehmenskultur muss überall, bei allen Mitarbeitenden, spürbar sein. Um eine erfolgsorientierte Marketingstrategie zu entwickeln, ist die Kundenorientierung des Unternehmens und der Strategieplaner sowie auch der Akquisiteure und Projektleiter unabdingbar. Die Kundenorientierung setzt voraus, dass wir unsere Kunden und ihre Bedürfnisse wirklich kennen und nicht nur glauben sie zu kennen. Folgende Fragestellungen müssen dabei beantwortet werden: x Welches sind unsere Kunden? x Was wollen unsere Kunden wirklich? x Kennen wir das Geschäft unserer Kunden? x Sind wir in der Lage die Kundenwünsche zu befriedigen? Diese grundsätzlichen Fragen müssen bei jeder Projektakquisition weiter wie folgt untergliedert werden, damit auch die Rahmenbedingungen erkannt und bewertet werden: x Was will der Kunde wirklich?
3.2 Einführung in das allgemeine Baumarketing
177
x Welches sind die unveränderlichen Rahmenbedingung? x Welches sind die veränderbaren Rahmenbedingungen? x Welche Partner muss ich mit ins Boot nehmen? (einer allein kann nicht alles Wissen!) x Welche nicht direkt involvierten Anspruchsgruppen muss ich beachten? x Ist das Unternehmen oder die SGE bereit die nötige Kraft in die Umsetzung der Kundenbedürfnisse in einem Marketing-Mix zu geben? 3.2.2 Gliederung des Marketings Bei der Betrachtung des Marketings wird häufig nach verschiedenen Gesichtspunkten unterschieden. Oft findet man eine Unterscheidung nach Branchen, Regionen oder auch Funktionen des Marketings. Branchen
Regionen
Regionen
Konsum güterm arketing
Nationales M arketing
Absatzm arketing
Investitionsgüterm arketing
Internationales M arketing
Beschaffungsm arketing
Dienstleistungsm arketing
Regionales M arketing
Personalm arketing Finanzm arketing
Bild 102: Unterscheidung des Marketings
Konsumgütermarketing
Konsum bezeichnet den Gebrauch und Verbrauch von Gütern und Leistungen zur unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung. Konsumgüter dienen, im Gegensatz zu Investitionsgütern, als Gebrauchs- und Verbrauchsgüter direkt der Befriedigung von Bedürfnissen des Menschen und können nicht mehr zur Erstellung neuer Güter eingesetzt werden. Konsumgütermarketing richtet sich an die Endstufe des Wirtschaftsprozesses, d.h. in erster Linie an private Konsumenten und Verwender. Innerhalb des Konsumgütermarketings lassen sich Leistungen bzw. Produkte nach kurzlebigen Verbrauchsgütern und langlebigen Gebrauchsgütern unterscheiden. Beispiel für langlebige Gebrauchsgüter allgemein: Autos, Waschmaschinen, Fernseher
178
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Beispiel für langlebige Gebrauchsgüter in der Bauwirtschaft: Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser Investitionsgütermarketing
Investitionsgütermarketing unterscheidet sich vom Konsumgütermarketing dadurch, dass die Nachfrager nicht Letztkonsumenten, sondern Organisationen wie Unternehmen oder öffentliche Verwaltungen sind. Als Investitionsgüter lassen sich somit (Bau-) Leistungen beschreiben, die von einer Organisation in der Absicht beschafft werden, mit ihnen wiederum eigene Leistungen zu erstellen. Das Investitionsgütermarketing weist Besonderheiten im Hinblick auf das Nachfragerverhalten auf: x Die Nachfrage nach Investitionsgütern ist in der Regel eine abgeleitete Nachfrage. Der eigentliche Bedarf entsteht durch eine Nachfrage auf nachgelagerten Absatzstufen [3-10]. x Beschaffungsprozesse von Organisationen erstrecken sich häufig über einen relativ langen Zeitraum von der Angebotserkennung bis zur Auftragsvergabe [3-2]. x Organisationales Einkaufsverhalten ist oft durch Gruppenentscheidungen (Buying Center) geprägt. Beispiele für Investitionsgüter allgemein: LKW, Werkzeugmaschinen, Bürokommunikationssysteme Beispiele für Investitionsgüter in der Bauwirtschaft: Fabrikgebäude, Supermarkt, Kläranlagen, Gleisanlagen, Bauinventar Dienstleistungsmarketing
Dienstleistungen sind abstrakte, immaterielle Leistungen. Sie sind nicht lagerfähig und nur selten transportfähig; oft handelt es sich um individualisierte, einmalige Leistungen. Dienstleistungen sind zumeist sehr personalintensiv und in der Regel nicht standardisierbar. Der Kunde / Abnehmer einer Dienstleistung ist meist auch im Prozess ihrer Erbringung integriert. Bei der Klassifizierung von Dienstleistungen lassen sich sachbezogene und personenbezogene Dienstleistungen unterscheiden. Charakteristisch für Dienstleistungen ist, dass der Kunde die Qualität der Leistung vor einem Kauf nicht beurteilen kann, was zu einer Erhöhung des wahrgenommenen Risikos führt. Innerhalb des Zielsystems von Marketingbemühungen im Dienstleistungsbereich erklärt dies die überragende Bedeutung von Leistungsreferenzen für Dienstleistungsunternehmen.
3.2 Einführung in das allgemeine Baumarketing
179
Beispiele für Dienstleistungen allgemein: Reinigungsservice, Versicherungen, Autoreparatur (sachbezogen) Arztbesuch (personenbezogen) Beispiele für Dienstleistungen in der Bauwirtschaft: Bauherrenberatung, Projektmanagement, Architekturleistung, Prüfstatiken 3.2.3 Bedeutung des Marketings für die Bauwirtschaft „Marketing ist so grundlegend, dass man es nicht als separate betriebliche Funktion sehen darf. Marketing umfasst das gesamte Unternehmen, und zwar vom Endergebnis her betrachtet – d.h. vom Standpunkt der Kunden“ P. DRUCKER Marketing wird immer dann zur dominierenden Handlungsmaxime, wenn der Absatzbereich den zentralen Engpass in der Unternehmenstätigkeit darstellt [3-19]. 3.2.4 Besonderheiten der Bauwirtschaft unter Gesichtspunkten des Marketings Unternehmen der Bauwirtschaft werden meist ausschliesslich auftragsbezogen tätig. Bauleistungen sind in der Regel nicht lagerfähig, eine Lagerhaltung als Kapazitätspuffer ist, anders als in anderen Branchen, deshalb nicht möglich. An die Stelle des in anderen Branchen vorhandenen Lagerhaltungsrisikos tritt in der Bauwirtschaft das Auftragsrisiko, d.h. die Gefahr, vorhandene Baukapazität nicht auslasten zu können. Diesem Risiko begegnen Bauunternehmen oft, indem sie vorhandene Kapazitätsreserven über Niedrigpreisangebote auslasten. Bauleistungen werden zum Grossteil nach wie vor auf den Baustellen erbracht; der Produktionsort ist in der Bauwirtschaft somit auch der Gebrauchsort. Bauunternehmen sind daher in ihrem regionalen Absatzmarkt an ihren lokalen Standort gebunden. Mit Ausnahme grosser und langfristiger Bauvorhaben sind die Unternehmen aufgrund der Transportkostenabhängigkeit von Bauleistungen in ihrem Wirkungsbereich eingeschränkt. Die von Bauunternehmen erbrachten Leistungen sind in ihrer Art und ihrem Umfang grösstenteils Einzelleistungen. Bauunternehmen unterliegen daher auch stärker als Unternehmen anderer Branchen einem Kalkulationsrisiko, d.h. dem Risiko, die mit der Erstellung einer Leistung verbundenen Kosten im Vorfeld nur näherungsweise abschätzen zu können.
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
Bauunternehmen treten vielfach als reine Bereitstellungsunternehmen auf, die keinen Einfluss auf Art und Inhalt einer Bauleistung haben; diese sind vom Bauherrn vorgegeben. Anders als in anderen Branchen findet in der Bauwirtschaft die Entwicklung der Leistung bzw. des Produkts auf der Seite der Kunden statt. Planer oder Architekten konstruieren ein Bauwerk als Treuhänder des Bauherrn. Ausnahmen sind hier nur Sondervorschläge oder umfangreiche Totalunternehmerleistungen. Durch die überwiegend auf Seiten des Bauherrn bzw. der von ihm beauftragten Planer stattfindende Entwicklungsarbeit und den Bereitstellungscharakter der reinen Bauunternehmen sind die Bauleistungsangebote verschiedener Wettbewerber sich sehr ähnlich; das massgebliche Unterscheidungskriterium ist somit der Preis. In der Bauwirtschaft herrscht vornehmlich ein Preiswettbewerb, weniger ein Leistungs- oder Qualitätswettbewerb.
3.3 Marketingtheorien Zur theoretischen Fundierung der Problematik des Marketings von Bauund Systemanbieterleistungen und zur Strukturierung von Vermarktungsmodellen werden einige wichtige Theorien erläutert. Im Folgenden sollen die wichtigsten Austauschbeziehungen als Grundlage des Marketings dargelegt werden. Zu ihnen gehören: x Buying-Center-Theorien x Theorie der Transaktionen Die wichtigsten Elemente und der Anwendungs- bzw. Erklärungsbezug sind in Tabelle 4 dargestellt. 3.3.1 Buying Center Die an einem Kaufprozess auf Seiten des Auftraggebers beteiligten Personen werden als Buying Center bezeichnet [3-20]. In dem von WEBSTER/WIND aufgestellten Modell des Buying Centers werden die Vorgänge, die unter den Mitgliedern eines Buying Centers bei der Beschaffung von Investitionsgütern ablaufen, auf einen idealtypischen Prozess zurückgeführt. Das Modell dient damit der strukturierten Analyse von Entscheidungsprozessen, an denen mehrere Personen mit unterschiedlichen Zielsetzungen beteiligt sind. Als Klassen von Determinanten, die das Beschaffungsverhalten eines Buying Centers bestimmen, beschreiben WEBSTER/WIND die folgenden Aspekte [3-55]:
3.3 Marketingtheorien Tabelle 4:
181
Raster der Marketingtheorien
Umweltfaktoren Das Verhalten des Buying Centers wird u.a. von äusseren Einflüssen geprägt, z.B. von Vorschriften [3-1] und Verordnungen und vom allgemeinen wirtschaftlichen Umfeld, das das Beschaffungsverhalten und die Art und Weise, in der Auftragsverhandlungen geführt werden, beeinflusst.
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
Bedingungen der beschaffenden Organisation Hinsichtlich der Bedingungen der beschaffenden Organisation kann der Geschäftszweck eines Unternehmens von Bedeutung sein. Beispielsweise gestalten in der Schweizer Bauwirtschaft viele Unternehmen aus dem Bereich der Finanzwirtschaft (z.B. Versicherungen) ihre Beschaffung u.a. dahingehend, dass sie Lieferanten bevorzugen, die wiederum Abnehmer der von ihnen selbst vertriebenen Dienstleistungen sind. Auch nimmt vielfach die Grösse eines Unternehmens Einfluss auf die Art und Weise, wie ein Buying Center seine Auftragsvergaben durchführt [3-1]. Darüber hinaus sind international operierende Unternehmen meist auch stärker von einer internationalen Beschaffung gekennzeichnet als ausschliesslich national tätige Unternehmen. Des Weiteren werden in vielen Unternehmen interne Richtlinien hinsichtlich der Beschaffungsstrategie festgesetzt, nach denen sich die Mitglieder des Buying Centers zu richten haben. Individuelle Eigenschaften der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen Beschaffungsprozesse und die aus ihnen hervorgehenden Entscheidungen werden stark von den teilnehmenden Personen geprägt, die aufgrund x ihres eigenen betrieblichen Interesses in Bezug auf ihre Funktion innerhalb der Organisation, x ihres Strebens nach einer innerbetrieblichen Promotion oder x ihrer individuellen Prägung durch Ausbildung, Erfahrungen oder persönliche Charaktereigenschaften zum Teil unterschiedliche Interessen verfolgen. Sie sind teils aus eigenem Antrieb, teils aufgrund ihrer Funktion am Beschaffungsprozess beteiligt. Insbesondere die Art der Zusammensetzung eines Buying Centers übt dabei einen wesentlichen Einfluss auf den Verlauf auftraggeberseitiger Entscheidungsprozesse aus und ist damit für den Erfolg eines Anbieters von grosser Bedeutung [3-20]. Aus Sicht eines Auftraggebers ist die Beteiligung mehrerer Personen an einem Beschaffungsprozess aus verschiedenen Gründen sinnvoll, wie z.B. die Zusammenführung verschiedener Informationen, Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitglieder eines Buying Centers zur Entscheidungsfindung [3-12]. Interaktion der Personen im Buying Center Neben den individuellen Eigenschaften der Mitglieder und der Zusammensetzung des Buying Centers wird das Ergebnis eines Entscheidungsprozesses auch von den Beziehungen der am Kaufprozess beteiligten Personen beeinflusst. Dieses Beziehungsnetzwerk der in den Entscheidungsprozess einbezogenen Personen wird als Buying Network bezeichnet [3-1]. Im Rahmen von Interaktionen zwischen den Beteiligten werden Beschaffun-
3.3 Marketingtheorien
183
gen auch dahingehend beeinflusst, dass Entscheidungen zu ihrer Abwicklung ein Ergebnis davon sind, wie die Beteiligten ihre individuellen Auffassungen in den Prozess der Entscheidungsfindung einbringen können. Diese Theorie kann z.B. zur Beschreibung der Handlungs- und Entscheidungstreiber der Akteure auf Auftraggeberseite bei der Vergabe von GU-/TU- und SysBau-Leistungen herangezogen werden. Die Komplexität der Entscheidungen ist zum einen durch die Komplexität des Transaktionsobjekts selbst, z.B. eines schlüsselfertigen Gebäudes, wie auch durch der Vielzahl der in einem Unternehmen an einem Entscheidungsprozess Beteiligten begründet [3-35], denn oft entscheiden mehrere Bauherrenvertreter, beraten von Consultants, Architekten und Juristen, über die Vergabe komplexer Bauleistungsaufträge. Die Buying-Center-Theorie ist daher von grosser Relevanz für die Analyse marketingrelevanter Auftraggeberentscheidungen zur Vergabe von GU-/TU- und SysBau-Leistungen. 3.3.2 Die Theorie der Transaktion Als Transaktion definiert COMMONS [3-8] den Prozess zur Klärung und Vereinbarung eines Leistungsaustauschs. Sie bildet damit die elementare Untersuchungseinheit für die Analyse sozioökonomischer Aktivitäten. PLINKE [3-40] beschreibt den Begriff der Transaktion als „eine Übereinkunft zwischen zwei Parteien über das jeweils zu gebende und zu erhaltende“. Eine Transaktion erfolgt seiner Auffassung nach immer dann, wenn beide Seiten für sich zu der subjektiven Überzeugung gelangt sind, dass der Nutzen eines Austauschs die mit ihm verbundenen Kosten übersteigt und daher als vorteilhaft zu bewerten ist (Tabelle 5). Im juristischen Sinn stellt dabei z.B. der Abschluss eines Vertrags eine Transaktion dar. Tabelle 5:
Elemente von Nutzen und Kosten in der Austauschrelation [3-40] Kosten- und Nutzenelemente in Austauschrelationen Art des Wertes
Quelle des Wertes
Nutzen
Kosten
Wert des Vertragsgegenstands
Nutzen aus dem Vertragsgegenstand
Kosten aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands
Wert der Durchführung des Austauschs
Transaktionskosten
Transaktionskosten
Wert von Folgewirkungen
Nutzen aus Folgewirkungen des Austauschs
Kosten aus Folgewirkungen des Austauschs
Zur Erklärung von Transaktionen und insbesondere deren Ursachen und Wirkungen gibt es eine Reihe von Theorien, die einen allgemeinen theore-
184
3 Marketingprozess für Bauleistungen
tischen Bezugsrahmen für die Betrachtung und Analyse von Transaktionen bilden. Dabei sind die Principal-Agent-Theorie und die Transaktionskostentheorie der Neuen Institutionenökonomik zuzuordnen, die sich der Analyse von Institutionen, d.h. Märkten, Organisationen und Rechtsnormen, widmet, in deren Rahmen der ökonomische Austausch vollzogen wird. Ziel der Neuen Institutionenökonomik ist es, die Struktur, die Verhaltenswirkungen und die Effizienz von Institutionen zu erklären. Sie basiert auf dem Beitrag von COASE [3-7] über die Bedeutung von Transaktionskosten und wurde massgeblich von WILLIAMSON und PICOT entwickelt [3-58]. Die ausgewählten Theorien können hinsichtlich ihrer wichtigsten Hauptelemente zur Analyse der auf dem GU-/TU-Markt stattfindenden Transaktionsprozesse sowie zur Ableitung von Handlungsalternativen für das Marketing von SysBau-Leistungsanbietern genutzt werden. Austauschtheorie
PLINKE [3-40] definiert den Austausch als „die Menge der Aktivitäten, die auf die Anbahnung, Durchführung und Kontrolle eines wechselseitig bedingten Transfers von Verfügungsrechten zwischen zwei oder mehr Parteien gerichtet sind“. Eine wesentliche Grundaussage der Austauschtheorie ist, dass ein Austausch nur unter der Bedingung zustande kommt, dass alle Beteiligten ihn als subjektiv vorteilhaft beurteilen [3-20]. Die Austauschtheorie befasst sich als Konsequenz der notwendigen Vorteilhaftigkeit eines Austauschs damit, wie sie zustande kommt und aus welchen Nutzen- und Kostenelementen sie sich zusammensetzt [3-49]. Nach JACOB [3-20] beruht ein Austausch immer auf der Gegenseitigkeit der Beteiligten, da er für die Nachfrager und Anbieter sowohl mit Nutzen als auch mit Kosten verbunden ist. Um die Vorteilhaftigkeit eines Austauschs abzuschätzen, bewerten Nachfrager und Anbieter die aus einem Austausch resultierenden Kosten und Nutzen. Die Kosten- und Nutzenelemente eines Austauschs lassen sich in Anlehnung an PLINKE gemäss Tabelle 5 näher spezifizieren. Als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Austauschs muss gelten, dass die Summe seiner Nutzenelemente die Summe der Kostenelemente sowohl für den Nachfrager als auch den Anbieter übersteigt. Als weitere Bedingung besteht aus der Sicht des Nachfragers die Notwendigkeit, dass die sich ergebende Differenz grösser ist als bei allen anderen ihm zur Verfügung stehenden Austauschalternativen [3-20]. Die Relevanz der Austauschtheorie zur Beurteilung von Transaktionsprozessen liegt insbesondere darin, dass sie Ansätze liefert, wie aus der
3.3 Marketingtheorien
185
Sicht von Nachfrager und Anbieter die Chancen für das Zustandekommen eines Austauschs und der eigene Vorteil als Ergebnis eines Austauschs erhöht werden können [3-20]. Durch die Anwendung der Austauschtheorie lassen sich die Vergabekriterien nach Kosten- und Nutzenelementen einerseits aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands und andererseits aus der Durchführung des Austauschs (Transaktion) selbst unterteilen. Bei Ersteren handelt es sich aus der Sicht des Auftraggebers insbesondere um das für das Leistungsergebnis (z.B. schlüsselfertiges Gebäude) zu entrichtende Entgelt (Kostenelement) sowie das Leistungsergebnis selbst (Nutzenelement); Letztere zielen in erster Linie darauf ab, durch die Bewertung des Anbieterleistungspotenzials eine Reduktion auftraggeberseitiger Unsicherheiten zu erreichen. So lassen sich beispielsweise die ersten während der Markteinführung von einem SysBau-Anbieter abgewickelten Projekte auch hinsichtlich des Werts der aus ihnen hervorgehenden Folgewirkungen betrachten. Aus Sicht des Anbieters bestehen diese aus Erfahrungsvorteilen, die er im Wettbewerb um künftige SysBau-Aufträge nutzen kann, und aus Referenzwirkungen, die er dazu nutzen kann, sein Leistungspotenzial künftig in für Dritte erkennbarer Weise darzustellen. Für den Auftraggeber bestehen die Folgewirkungen darin, dass er seine Erfahrungen als Auftraggeber von SysBau-Aufträgen ebenfalls für kommende Auftragsvergaben nutzen kann. Principal-Agent-Theorie
Transaktionen sind in der Praxis meist dadurch gekennzeichnet, dass den beteiligten Anbietern und Nachfragern nicht sämtliche transaktionsrelevanten Informationen in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sind die verfügbaren Informationen zwischen Anbietern und Nachfragern oft ungleich verteilt. Diese ungleiche Informationsverteilung wird als Informationsasymmetrie bezeichnet und äussert sich als Informationsvorsprung zugunsten eines der beteiligten Transaktionspartner [3-41]. Die Principal-Agent-Theorie befasst sich in ihrem Inhalt im Wesentlichen mit diesen Informationsasymmetrien sowie ihren Auswirkungen auf das Verhältnis von Nachfrager und Anbieter zueinander [3-37]. Die an einer Transaktion Beteiligten, die über einen Informationsvorteil verfügen, werden im Rahmen der Principal-Agent-Theorie als Agenten bezeichnet; die Beteiligten, die einen Informationsnachteil haben, dementsprechend als Prinzipale [3-20]. Hierbei ist festzustellen, dass der Anbieter in der Regel als Agent bezeichnet werden kann, da er den Wert der von ihm angebotenen Leistung im Vorfeld einer Transaktion oft besser beurteilen kann als der Auftraggeber (Prinzipal). Welcher der Transaktionsbeteiligten die Rolle des Prin-
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
zipals bzw. des Agenten einnimmt, lässt sich jedoch in vielen Fällen für eine Transaktionsbeziehung nicht grundsätzlich bestimmen, sondern hängt von der jeweiligen Transaktionssituation sowie dem jeweiligen innerhalb einer Transaktionsvereinbarung betrachteten Bezugsobjekt ab [3-41]. Informationsasymmetrien zu Lasten des Nachfragers ergeben sich dabei immer dann, wenn es zu weiten Teilen vom Verhalten des Anbieters abhängt, ob ein Austausch aus Sicht des Nachfragers die von ihm angestrebte Problemlösung bewirkt, und wenn der Nachfrager die Vorteilhaftigkeit des Austauschs im Vorfeld nicht hinreichend beurteilen kann. Dabei lassen sich in erster Linie zwei Ursachen unterscheiden, die dazu führen können, dass eine Problemlösung nicht zustande kommt [3-40]: x Der Transaktionspartner kann die vereinbarte Leistung nicht erbringen, z.B. weil er seine Fähigkeiten überschätzt und nicht in der Lage zur Problemlösung ist. x Der Transaktionspartner ist nicht gewillt, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Die Möglichkeit eines Transaktionspartners, eine vereinbarte Leistung nicht, nicht in der vereinbarten Art oder erst zu einem verspäteten Zeitpunkt zu erbringen, wird als Verhaltensspielraum bezeichnet [3-40]. Die Ausnutzung von Verhaltensspielräumen zum eigenen Vorteil bezeichnet WILLIAMSON [3-58] als Opportunismus. Die Gefahr opportunistischen Verhaltens führt dabei zu Verhaltensunsicherheiten vor bzw. in Austauschvorgängen [3-13]. Käufermärkte, wie z.B. der Markt für GU-/TU-Leistungen in der Schweiz, sind durch einen Angebotsüberhang gekennzeichnet. Die Entscheidung bezüglich des Zustandekommens einer Transaktion obliegt daher in erster Linie dem Nachfrager, der in der Regel zwischen mehreren Transaktionsalternativen (GU-/TU-Anbietern) wählen kann. Dem Anbieter bietet die Überwindung bestehender Verhaltensunsicherheiten daher einen möglichen Wettbewerbsansatz, um einen Austausch aus Sicht des Nachfragers vorteilhafter zu gestalten und damit die Wahrscheinlichkeit des Zustandekommens einer Transaktion zu erhöhen. Da insbesondere die Austauschprozesse, die der Beauftragung mit GU-/ TU- und SysBau-Leistungen zugrunde liegen, erhebliche Informationsasymmetrien und dementsprechend hohe Verhaltensunsicherheiten der Beteiligten beinhalten, bietet die Principal-Agent-Theorie wertvolle Hinweise für das Marketing solcher Leistungen; für die Bewertung von Transaktionsprozessen zwischen Auftraggebern und Anbietern von GU-/TU- und SysBau-Leistungen ist sie zweckmässig und relevant. Die schrittweise Entwicklung und Einführung z.B. von neuen SysBau-Leistungen in den Schweizer Baumarkt dient dabei insbesondere der Vermeidung von Infor-
3.3 Marketingtheorien
187
mationsasymmetrien und Verhaltensspielräumen, mit denen sich potenzielle Auftraggeber anfangs konfrontiert sehen könnten. Aufbauend auf den schrittweisen Erfahrungen, die sich nicht nur auf den eigentlichen Leistungsgegenstand des SysBau-Anbieters, sondern auch auf die mit seiner Beauftragung verbundenen Verhaltensspielräume beziehen, können immer neue Leistungsinnovationen zur stetigen Weiterentwicklung von SysBauLeistungen entfaltet werden. Transaktionskostentheorie
Als Transaktionskosten werden Kosten bezeichnet, die für die Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und die nachträgliche Anpassung arbeitsteiliger Leistungserstellungsprozesse anfallen. Sie entstehen bei Marktbeziehungen ebenso wie bei unternehmensinterner Fertigung [3-38]. Die massgebliche Grundlage der Transaktionskostentheorie ist somit die Erkenntnis, dass neben dem Vertragsgegenstand selbst auch der Prozess des Austauschs für die an ihm beteiligten Partner mit Kosten- und Nutzenelementen verbunden ist (Tabelle 5) [3-20]. DieTransaktionskostentheorie ist auf alle Situationen anwendbar, in denen arbeitsteilige Leistungserstellungsprozesse vorliegen. Nach WILLIAMSON [3-58] werden die Kosten einer Transaktion dabei durch ihre Spezifität, Unsicherheit und Häufigkeit geprägt [3-4], [3-29]. Unter Häufigkeit wird die wiederholte Durchführung gleicher bzw. ähnlicher Transaktionen verstanden. Die Bedeutung des Häufigkeitsmerkmals einer Transaktion ist darin zu sehen, dass bei der Wiederholung von Transaktionen in bestimmten Austauschformen durch Degression von Fixkosten, Lernkurveneffekten (Verbesserung der Transaktionsabwicklung und Vertrauensaufbau) sowie Spezialisierung Skalenvorteile (Economies of Scale) genutzt werden können. Mit zunehmender Häufigkeit werden unter Ausnutzung der genannten Effekte die Transaktionskosten einer Austauschbeziehung gesenkt [3-48]. Unsicherheit liegt immer dann vor, wenn die Transaktionspartner im Rahmen einer Austauschbeziehung über einen grossen Verhaltensspielraum verfügen und sich aus der Art des Austauschs für einen oder beide Partner hohe Verhaltensunsicherheiten (z.B. aufgrund von Informationsasymmetrien) ergeben. Um der Unsicherheit einer Austauschbeziehung zu begegnen, leisten die Partner verstärkte Aufwendungen zur Reduktion der Unsicherheit; die entsprechenden Kosten können im Vorfeld einer Transaktion (ex ante Transaktionskosten) für zusätzliche Absicherungsmassnahmen oder nach erfolgter Transaktion (ex post Transaktionskosten) für Kontrollmassnahmen auftreten [3-37], [3-48].
188
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Mit der Spezifität von Transaktionskosten sind Aufwendungen gemeint, die ein oder beide Transaktionspartner in eine Austauschbeziehung investieren und für die keine alternativen Verwendungsmöglichkeiten bestehen bzw. deren Wert in alternativen Verwendungen erheblich geringer ist [348]. Im Bereich des GU-/TU- sowie SysBau-Marketings sind Vorleistungen (z.B. für die Angebotserstellung) als spezifische Transaktionskosten zu bezeichnen, da sie ihren Wert für den Anbieter bei einer Nichtbeauftragung nahezu vollständig verlieren. JACOB stellt im Rahmen der Betrachtung der Spezifität von Transaktionen die These auf, dass die Wahrscheinlichkeit einer Transaktion mit einem gewünschten Partner in dem Mass steigt, in dem es gelingt, ihn zu spezifischen Investitionen bzw. Desinvestitionen (z.B. Abbau einer eigenen Bauabteilung) zu bewegen [3-20]. Der Einfluss der Transaktionskosten nimmt aus Sicht der Auftraggeber einen wichtigen Einfluss auf die Bewertung der Vorteilhaftigkeit eines Austauschs (GU-/TU- bzw. SysBau-Auftrag), die Bewertung bestehender Austauschalternativen (andere Anbieter) sowie die Gestaltung einer Transaktion. Die Zweckmässigkeit und Anwendbarkeit der Transaktionskostentheorie resultiert damit aus der Möglichkeit für Anbieter von GU-/TU- und SysBau-Leistungen, durch die Reduktion der Transaktionskosten die Vorteilhaftigkeit ihres Leistungsangebots zu erhöhen. Die Transaktionskostentheorie erklärt Transaktionsprozesse sowie die ihnen zugrunde liegenden Typologisierungskriterien aus der Sicht der Marketingforschung. Sie zeigt auf, wie z.B. SysBau-Anbieter sich durch den Abbau von Transaktionskosten erfolgreich in der Bauwirtschaft positionieren können. SysBau-Angebote sind so zu konzipieren, dass sie insbesondere im Vergleich zu anderen Angebotsformen möglichst geringe Transaktionskosten verursachen. Wegen der längeren Vertragsdauer und des komplexeren Leistungsgegenstands – verglichen mit etablierten GU-/ TU-Angebotsformen, zu denen hinreichende Erfahrungen bezüglich ihrer Abwicklung vorliegen – weisen SysBau-Leistungen, bezogen auf ihre Transaktionskosten, zunächst höhere Unsicherheiten auf. Diese Unsicherheiten gilt es, insbesondere während der Einführungs- und Wachstumsphase, z.B. durch den Abbau von Informationsasymmetrien und Verhaltensspielräumen zu minimieren. Zur Verringerung der spezifischen Kosten, die Auftraggeber bzw. Auftragnehmer anfangs für die Beauftragung bzw. das Angebot von SysBau-Leistungen aufwenden müssen, sollten diese Leistungen während der Einführungsphase möglichst stufenweise entwickelt und angewendet werden.
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien
189
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien Marketingprozesse zur Vermarktung von Transaktionsinhalten sind in Anlehnung an BACKHAUS [3-1] in Abhängigkeit von verschiedenen Transaktionssituationen differenziert zu gestalten. Er weist darauf hin, dass es innerhalb der Marketingwissenschaft nicht zweckmässig ist, allgemeine Marketingverhaltensprogramme unabhängig von der jeweiligen Transaktion zu entwickeln. Hieraus ergibt sich das Erfordernis zur Bildung von Transaktionstypologien, in denen die Vielfalt situationsspezifischer Transaktionen zu möglichst homogenen Gruppen zusammengefasst wird. In der Marketingforschung finden sich verschiedene Ansätze zur Bildung von Transaktionstypologien, bei denen Transaktionen im Hinblick auf die folgenden Kriterien typologisiert werden: x x x x x
Integrativitätsgrad Interaktionsgrad Individualisierungsgrad Immaterialitätsgrad Kaufmuster / Kauftyp
Kriterien zur Typologisierung von Transaktionen
Im Folgenden werden zunächst die der Typologisierung zugrunde liegenden Kriterien erläutert. Die Transaktionen im Bereich von GU-/TU- und SysBau-Leistungen werden anschliessend bezüglich ihrer Besonderheiten im Hinblick auf die verschiedenen Kriterien analysiert. Integrativitätsgrad
Im Bereich des GU-/TU- und SysBau-Marketings zeichnen sich Inhalte von Transaktionsvereinbarungen dadurch aus, dass sie auf die individuellen Bedürfnisse eines Auftraggebers und die spezifischen Gegebenheiten eines Projekts zugeschnitten sind. Es handelt sich daher bei der Gestaltung solcher Transaktionen um eine Produkt- bzw. Leistungsindividualisierung nach den Vorgaben und Bedürfnissen eines einzelnen Kunden [3-24]. Mit zunehmender Individualität einer Markttransaktion nimmt jedoch auch die Notwendigkeit zu, die individuellen Anforderungen des Kunden in die Erstellung der Leistung mit einzubeziehen. Es ergibt sich somit eine erhöhte Integrativität, d.h. eine erhöhte Anzahl leistungsrelevanter Faktoren (z.B. Informationen), die nicht vom Anbieter, sondern vom Nachfrager zum Erstellungsprozess beigesteuert werden müssen [3-20].
190
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Das Management dieser Faktoren stellt eine besondere Herausforderung im Rahmen integrativer Leistungsprozesse dar, da sie sich im Verfügungsbereich des Nachfragers befinden und der Anbieter somit aus seiner Sicht nicht frei darauf zugreifen kann [3-20]. Die Integration des Nachfragers in den Prozess der Leistungserbringung bewirkt zudem eine hohe Bedeutung von Interaktionsgesichtspunkten zwischen Anbieter und Nachfrager [3-28]. Der Integrationsprozess erstreckt sich dabei über alle Phasen eines Austauschs einschliesslich der Leistungserstellung. Die Betrachtung der Integrativität von Transaktionsprozessen, also dem Mass, in dem Beiträge des Nachfragers zur Leistungserbringung erforderlich sind, ist eng mit der Interaktionsbetrachtung von Transaktionen verbunden. Leistungen, die einen hohen Grad an Integrativität aufweisen, sind dadurch gekennzeichnet, dass externe Faktoren aus dem Verfügungsbereich des Nachfragers in den Prozess der Leistungserstellung integriert werden. Folgende Grundkonfigurationen des externen Faktors lassen sich dabei unterscheiden [3-30]: x materielle oder immaterielle Güter, die von aussen (d.h. seitens des Nachfragers) in den Prozess der Leistungserstellung eingebracht werden x passive Beteiligung des Nachfragers am Prozess der Leistungserstellung x aktive Beteiligung des Nachfragers am Prozess der Leistungserstellung Insbesondere GU-/TU- und SysBau-Leistungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Auftraggeber durch die Bereitstellung externer Faktoren an der Leistungserstellung mitwirkt. Bei den bereitgestellten externen Faktoren handelt es sich u.a. um das Grundstück, das sich in der Regel im Verfügungsbereich des Auftragnehmers befindet, sowie um die Beschreibung der vom Anbieter zu erbringenden Leistung. Die Integration externer Faktoren beinhaltet u.a. die in Tabelle 6 dargestellten, für das Marketing von GU-/TU- und SysBau-Leistungen relevanten Implikationen. Der Prozess der Mitwirkung des Auftraggebers bzw. des Kunden an der Leistungserstellung wird dabei als Kundenintegration [3-25] bezeichnet. Das Erfordernis der Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess bedeutet, dass dieser erst nach erfolgter Einigung zwischen Auftraggeber und Anbieter beginnen kann. Diese Einigung kommt dabei auf der Grundlage der Präsentation des Leistungspotenzials durch den Anbieter zustande (Bild 103) [3-24].
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien Tabelle 6:
191
Implikationen der Integrativität für das Marketing [3-32] Implikationen der Integrativität für das Marketing
Transport- und Lagerungsproblem
Aus der Integration des externen Faktors ergeben sich häufig Lagerungs- und Transportprobleme.
Standardisierungsproblem
Die Integration des externen Faktors bedingt einen zumeist individuellen, personalintensiven und damit nur schwer standardisierbaren Leistungscharakter.
Marketingorientierung der Leistungserstellung
Die aktive oder passive Beteiligung des Nachfragers und/oder der Objekte aus seinem Verfügungsbereich am Prozess der Leistungserstellung macht es erforderlich, diesen Prozess u.a. nach Gesichtspunkten des Marketings zu gestalten.
Asymmetrische Informationsverteilung
Aufgrund der Tatsache, dass die Informationen auf Seiten des Anbieters und des Nachfragers im Hinblick auf Inhalt, Form und Verwendung des externen Faktors ungleich verteilt sind, liegt zwischen beiden Seiten eine asymmetrische Informationsverteilung vor. Die aus der Gefahr opportunistischen Verhaltens im Hinblick auf den externen Faktor hervorgehende Unsicherheit des Nachfragers ist im Rahmen eines erfolgreichen Marketings durch die Anbieter zu reduzieren.
Der Transaktionsprozess bei Kundenintegration
Leistungspotenzial
Einigung zwischen Anbieter und Nachfrager
Leistungserstellungsprozess
Leistungsergebnis
Externe Faktoren Materielle und immaterielle Güter des Auftraggebers
Bild 103: Der Transaktionsprozess bei Kundenintegration in Anlehnung an [327], [3-24]
Integrativität von Generalunternehmerleistungen Als externe Faktoren bringen Auftraggeber einerseits das zu bebauende Grundstück (materielles Gut) bzw. entsprechende Verfügungsrechte in den Prozess der Leistungserstellung ein. Ferner stellen sie dem Generalunternehmer eine Beschreibung (immaterielles Gut) des von ihm zu erbringen-
192
3 Marketingprozess für Bauleistungen
den Leistungsergebnisses zur Verfügung, die sie selbst oder durch Beauftragung Dritter erstellt haben. In Zusammenarbeit mit dem Anbieter erfolgt die Einigung über die Transaktionsbedingungen und ggf. die Anpassung der Leistungsbeschreibung hinsichtlich einer verbesserten Realisierbarkeit des Gebäudes (aktive Beteiligung des Nachfragers). Änderungen des Bauablaufs oder unvorhergesehene Ereignisse beinhalten oft die Integration des Auftraggebers für projektrelevante Entscheidungen in Bezug auf die Gestaltung des Gebäudes, seine Erstellungskosten sowie seinen Fertigstellungstermin (aktive Beteiligung des Nachfragers). Integrativität von Totalunternehmerleistungen Als externen Faktor bringt der Auftraggeber seine Vorstellungen und Anforderungen an die Gestaltung eines Gebäudes bzw. an seine planerische Detaillierung in den Prozess der Planungserstellung ein (aktive Beteiligung des Nachfragers). Hierbei nimmt er an der Erstellung der Planungsleistungen teil. Integrativität von Systemanbieterleistungen Die Integrativität von Systemanbieterleistungen resultiert zum einen aus den im Rahmen von GU- bzw. TU-Leistungen zu integrierenden externen Faktoren. Zum anderen sind im Rahmen der Nutzung eines Gebäudes der Auftraggeber bzw. seine Mitarbeiter/Mieter oder ggf. die Mitarbeiter eines Gebäudemieters passiv in die Erstellung der Leistung „Gebäudemanagement“ integriert (passive Beteiligung des Nachfragers). Interaktionsgrad
Der Interaktionsansatz setzt sich mit der gegenseitigen Beeinflussung und Beeinflussbarkeit von Nachfrager und Anbieter auseinander, wobei auch interne Interaktionen auf beiden Seiten (z.B. innerhalb eines Buying Centers) mit einbezogen werden. Aus der interaktionsorientierten Betrachtung von Transaktionen wird im Rahmen des Interaktionsansatzes der Schluss gezogen, dass die beteiligten Parteien die Ziele einer Transaktion nicht unabhängig voneinander formulieren und durchsetzen können [3-20], denn als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Austauschs muss aus ihm immer auch ein Vorteil für die Gegenpartei resultieren. Unter der Annahme eines beiderseitigen Interesses an der Abwicklung eines Austauschs lässt sich schlussfolgern, dass dessen Erfolg sowohl vom Nachfrager als auch vom Anbieter sowie insbesondere von der stattfindenden gegenseitigen Beeinflussung bestimmt wird [3-35]. Die in der Marketingforschung vorliegenden Ansätze zur Beschreibung und Analyse von Interaktionen lassen sich einerseits dahingehend unterscheiden, wie viele Parteien an einem Interaktionsprozess beteiligt sind.
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien
193
Werden Interaktionen zwischen zwei Parteien analysiert, handelt es sich um einen dyadischen Interaktionsansatz; sind hingegen mehrere Parteien beteiligt, spricht man von Multi-Aktoren-Gruppen. Andererseits ist eine Unterscheidung dahingehend möglich, ob als Betrachtungsobjekt Personen oder Organisationen analysiert werden (Tabelle 7) [3-1]. Tabelle 7:
Typologie der Interaktionsansätze im Industriegütermarketing in Anlehnung an [3-22] und [3-1] Interaktionssätze im Industriegütermarketing Anzahl der Beteiligten
Art der Beteiligten
zwei
Personen
Organisationen
mehr als zwei
I. Dyadisch-personale Relationship Interaktionsansätze Marketing
II. Multipersonale Interaktionsansätze
III. Dyadisch-organisationale Interaktionsansätze
IV. Multiorganisationale Interaktionsansätze
Insbesondere im Bereich des GU-/TU- sowie des SysBau-Marketings sind Transaktionsvereinbarungen zwischen Nachfragern und Anbietern oft das Ergebnis von Verhandlungen, bei denen sich beide Parteien hinsichtlich ihres Verhaltens stark beeinflussen. Interaktionsgesichtspunkten kommt somit eine besondere Bedeutung zu; diese marketingrelevanten Aspekte beziehen sich dabei sowohl auf personale als auch auf organisationale Interaktionen. Da bei vorliegender Integrativität der Anbieter auf den externen Faktor einwirkt und der Nachfrager über dessen Bereitstellung auf den Leistungserstellungsprozess und das Leistungsergebnis, liegt eine gegenseitige Einwirkung (Interaktion) zwischen Nachfrager und Anbieter vor. Der Interaktionsgrad bezieht sich dabei auf die Form der Einbindung des externen Faktors in den Prozess der Leistungserstellung [3-32], d.h. auf das Mass (Intensität, Häufigkeit etc.), in dem Anbieter und die seitens des Nachfragers bereitgestellten externen Faktoren in Interaktion treten. Er erstreckt sich im Wesentlichen auf die Phase der Leistungserstellung. Das Erfordernis der Integration des externen Faktors schlägt sich jedoch auch in der Gestaltung des Leistungspotenzials eines Anbieters nieder [3-32]. Interaktionsgrad von Generalunternehmerleistungen Generalunternehmer werden in der Regel auf Basis eines klar definierten Auftragsinhalts tätig; die von ihnen auszuführende Leistung ist, aufbauend
194
3 Marketingprozess für Bauleistungen
auf den Ergebnissen der Planung, in detaillierter Form beschrieben. Ihre Interaktion mit dem Auftraggeber bzw. den von ihm beauftragten Dritten beschränkt sich somit in der Phase der Ausführung auf die Vereinbarung, die Kontrolle sowie die ggf. erforderliche Anpassung des Leistungsergebnisses. Einzelne Interaktionsanlässe ergeben sich dabei u.a. durch die Teilnahme am Vergabeprozess, das Aushandeln der Vertragsbedingungen, die Abnahme von Teilen des Leistungsergebnisses durch den Auftraggeber, Verhandlungen über Mehr-/Minderkosten und Terminänderungen sowie die Schlussabnahme durch den Auftraggeber. Interaktionsgrad von Totalunternehmerleistungen Totalunternehmer treten zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt in den Ablauf eines Projekts ein. Zusätzlich zu den zwischen einem Generalunternehmer und einem Auftraggeber stattfindenden Interaktionen ergeben sich im Rahmen ihrer Planungstätigkeit weitere Interaktionen. Hieraus resultiert zum einen eine gegenüber der Abwicklung von GULeistungen gesteigerte Interaktionshäufigkeit; zum anderen ergibt sich darüber hinaus aus der Erbringung von Planungsleistungen auch eine erhöhte Interaktionsintensität. Der planende Anbieter erhält u.a. Einsicht in die grundsätzlichen Überlegungen und Ziele des Auftraggebers, die den Hintergrund seiner baulichen Nachfrage bilden. Darüber hinaus beinhaltet die Erbringung von Planungsleistungen häufig auch einen Zielfindungsprozess, der einen intensiven gedanklichen Austausch zwischen Auftraggeber und planendem Anbieter zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung der baulichen Lösung bewirkt. Totalunternehmer, die auf der Grundlage eines Pauschalpreises tätig werden, müssen sich bei der planerischen Detaillierung ihres Lösungsvorschlags ausserdem mit dem Auftraggeber dahingehend auseinandersetzen, dass ein Ausgleich zwischen dem Interesse des Totalunternehmers an einem minimalen Erstellungsaufwand und dem Interesse des Auftraggebers an einer möglichst hochwertigen Lösung gefunden wird. Interaktionsgrad von Systemanbieterleistungen Systemanbieter erbringen im Unterschied zu einem Totalunternehmer auch Leistungen, die sich auf die Bewirtschaftung eines Gebäudes beziehen. Sie haben aufgrund ihrer Garantie für die Nutzungseigenschaften eines Gebäudes ein hohes Eigeninteresse an der technischen Gebäudegestaltung und Gebäudeoptimierung; Systemanbieter werden sich daher viel stärker im Zielfindungsprozess der Gebäudeplanung engagieren als Totalunternehmer. Die Interaktion zwischen einem Systemanbieter und einem Auftraggeber wird daher bereits in der Planungsphase einen hohen Intensitätsgrad aufweisen; sie kann darüber hinaus auch die Beziehungen zwischen
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien
195
dem Auftraggeber und Dritten, z.B. einem Mieter, beeinflussen und so zusätzlich an Bedeutung gewinnen (multiorganisationale Interaktion). Die Ausweitung der Transaktionsbeziehung auf die Nutzungsphase bedeutet darüber hinaus, dass stattfindende Interaktionen sich nicht, wie bei einem Totalunternehmer, auf die Planung und Ausführung eines Gebäudes beschränken. Durch die Einbeziehung der Nutzungsphase steigert sich auch die Häufigkeit der Interaktionen zwischen Auftraggeber und Systemanbieter. Planungs- und Ausführungsleistungen als Teil der Leistungsbündel von Systemanbietern sind ergebnisorientierte Leistungen, da sich das Interesse des Auftraggebers in hohem Mass auf das Leistungsergebnis richtet, das in der Erstellung der Gebäudeplanung und insbesondere in der Fertigstellung eines Gebäudes besteht. Im Unterschied dazu ist das Gebäudemanagement vorwiegend als eine prozessorientierte Leistung zu betrachten, da der Auftraggeber vor allem am Prozess der Leistungserbringung interessiert ist und ein Leistungsergebnis im eigentlichen Sinne nicht vorliegt [3-32]. Die Interaktion zwischen Auftraggeber und Anbieter wird aufgrund des vorherrschenden Prozesscharakters somit eine besonders hohe Bedeutung im Rahmen der Marketingaktivitäten eines SysBau-Anbieters einnehmen. Individualisierungsgrad
Je nachdem, ob sich ein Angebot eher an einen einzelnen Kunden oder an einen breiten (anonymen) Markt bzw. ein Marktsegment richtet, ergibt sich der Individualisierungsgrad eines Leistungsangebots [3-1]. Leistungen mit einem hohen Grad an Integrativität und Interaktion sind in der Regel nur beschränkt standardisierbar. Die eingeschränkte Verfügbarkeit des externen Faktors sowie seine Integration in den Prozess der Leistungserstellung beinhalten das Erfordernis einer individualisierten Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses. Individualisierungsgrad von GU-/TU- und SysBau-Leistungen Bei GU-/TU- und SysBau-Leistungen ist zwischen der Individualisierung des Leistungspotenzials und der Individualisierung der Leistungserstellung und des Leistungsergebnisses zu unterscheiden. Die Gestaltung des Leistungspotenzials eines GU-/TU- oder SysBauAnbieters kann einerseits auf den Gesamtbereich des Hochbaumarktes und andererseits spezialisiert auf eingeschränkte Marktsegmente, z.B. Spitalbau, Multiplex-Kinos, Parkhäuser, ausgerichtet werden. Die Gestaltung des Leistungserstellungsprozesses und des Leistungsergebnisses wird demgegenüber immer in weiten Teilen auf den einzelnen
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
Auftraggeber hin individualisiert werden müssen. Diese Notwendigkeit ergibt sich u.a. aus der Integrativität von GU-/TU- und SysBau-Leistungen. Darüber hinaus ist die Erstellung von Gebäuden als Einzelleistung zu betrachten. Die Einzigartigkeit der Leistungserstellung und des Leistungsergebnisses ergibt sich, neben den individuellen Anforderungen der Auftraggeber, aus den individuellen Randbedingungen eines jeden Bauprojekts (Lage des Grundstücks, beteiligte Unternehmen, Erstellungszeitpunkt etc.). Im Bereich des Leistungserstellungsprozesses und des Leistungsergebnisses muss es jedoch das Ziel sein, zwischen Faktoren zu unterscheiden, in denen eine vom Kunden wahrgenommene Individualisierung oder eine Kosten sparende Standardisierung zweckmässig ist. Immaterialitätsgrad
Der Immaterialitätsgrad einer Leistung richtet sich danach, inwieweit es sich bei ihr um die realisierte Nachfrage nach einem menschlichen oder automatisierten Leistungspotenzial eines Anbieters handelt. Nach MEFFERT/BRUHN [3-32] ist es für die Immaterialität einer Leistung wesentlich, dass sie als „angebotene oder nachgefragte menschliche beziehungsweise automatisierte Leistungsfähigkeit und damit weder als Vorleistung noch als Ergebnis, sondern als noch nicht realisierte (...) Leistungsfähigkeit gilt.“ Solche Leistungspotenziale verfügen, solange sie noch nicht innerhalb eines Leistungsprozesses zwecks Leistungserbringung realisiert sind, über einen immateriellen, d.h. unkörperlichen und sinnlich nicht wahrnehmbaren Status. Zur Bewertung der Immaterialität einer Leistung ist es dabei unerheblich, ob in den Leistungserstellungsprozess eingebrachte Faktoren (z.B. Objekte des Leistungsprozesses, Vorprodukte) oder das Ergebnis der Leistungserstellung selbst einen materiellen oder immateriellen Charakter haben [3-32]. Beim Marketing von Leistungen mit einem hohen Immaterialitätsgrad handelt es sich also um die Vermarktung von Leistungspotenzialen. Aus der Immaterialität von Leistungen bzw. Teilleistungen als Bestandteile eines Leistungsbündels resultieren u.a. ihre Nichtlagerfähigkeit sowie ihre Nichttransportfähigkeit [3-32]. Immaterialität von Generalunternehmerleistungen Das Leistungsergebnis von Generalunternehmerleistungen besitzt in Form des erstellten Gebäudes zweifelsfrei einen starken materiellen Charakter. Auch viele der in den Leistungsprozess eingebrachten Faktoren wie z.B. das Grundstück oder die eingesetzten Baumaterialien, Vorprodukte sowie Maschinen weisen einen materiellen Charakter auf.
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien
197
Die Generalunternehmerleistung selbst in ihrer Funktion als Leistungsprozess zur Erreichung des Leistungsergebnisses (Gebäude) ist jedoch als weitgehend immateriell anzusehen. Während ihr immaterieller Charakter in Bezug auf die Leistungsbestandteile „vereinbarte Garantieleistung“ sowie „Schnittstellenkoordination“ eindeutig ist, bedarf die Bewertung der Immaterialität der einzelnen integrierten Teilleistungen einer näheren Betrachtung. Die Ausführung baulicher Einzelleistungen (Leistungserstellungsprozess) erfolgt nach der Beauftragung durch einen Auftraggeber. Grundlage für die Beauftragung ist ein vorhandenes Leistungspotenzial auf Seiten des Anbieters und keine bereits fertig gestellte, materielle Leistung. Die zu erbringende Einzelleistung hat folglich zum Zeitpunkt der Beauftragung einen immateriellen Status; sie existiert nur als Leistungsbeschreibung. Darüber hinaus sind bauliche Einzelleistungen als Bestandteile des Leistungsbündels „Generalunternehmerleistung“ nicht transportfähig, sondern müssen am Ort der Baustelle erbracht werden. Immaterialitätsgrad von Totalunternehmerleistungen Auch das Ergebnis einer Totalunternehmerleistung hat einen stark materiellen Charakter. Dadurch, dass die Erstellung der Gebäudeplanung einen Teil des Leistungsergebnisses bildet, weist das Leistungsergebnis eines Totalunternehmers jedoch einen höheren Immaterialitätsgrad auf als das Leistungsergebnis eines Generalunternehmers. Der Auftrag zur Gebäudeplanung als Teil des Leistungsbündels „Totalunternehmerleistung“ erfolgt auf der Basis des allgemeinen Leistungspotenzials eines Anbieters zur Erbringung der entsprechenden Leistungen (Umsetzung des Leistungspotenzials innerhalb des Leistungserstellungsprozesses in ein Leistungsergebnis). Bei Totalunternehmerleistungen handelt es sich im Hinblick auf die erbrachten Planungs- und Projektierungsleistungen somit um weitgehend immaterielle Leistungen, auch wenn das Ergebnis der Planung in Form der Planungsunterlagen einen teilweise materiellen Charakter aufweist. Für die Phase der Gebäuderealisierung gelten hinsichtlich der Immaterialität von Totalunternehmerleistungen die gleichen Aussagen wie für die Generalunternehmerleistungen. Immaterialitätsgrad von Systemanbieterleistungen Gegenüber General- und Totalunternehmerleistungen weist nicht nur die eigentliche angebotene Leistung, sondern auch das Leistungsergebnis von Systemanbietern einen weitgehend immateriellen Charakter auf. Dieser ergibt sich aus der Garantie der Nutzungs- und Leistungseigenschaften sowie aus der Gebäudebewirtschaftung, die ein Systemanbieter zusätzlich zur Erstellung der Gebäudeplanung sowie des Gebäudes unter ggf. verein-
198
3 Marketingprozess für Bauleistungen
barten Kosten- und Termingarantien sowie einer Schnittstellenkoordination erbringt. Kauftyp
Als weiteres Kriterium zur Typologisierung von Transaktionsprozessen lassen sich Verhaltensweisen unterscheiden, bei denen als dominierendes Kaufmuster bzw. Kauftyp aus Sicht der Anbieter eine Einzeltransaktion oder eine Wiederkaufsituation im Vordergrund steht [3-1]. Als ein Extrem beschreibt PLINKE die vollständige Marktorientierung eines Anbieters auf eine angestrebte Transaktion ohne Berücksichtigung jeglicher Verbundeffekte mit anderen Transaktionen bzw. Transaktionsmöglichkeiten (Transaction Selling). Das andere Extrem bildet demgegenüber die Planung einer langfristigen Geschäftsbeziehung, bei der sich die Marktorientierung weniger auf die einzelne Transaktion als vielmehr auf die wiederholte Abwicklung von Transaktionen mit einem Auftraggeber bezieht (Relationship Selling) [3-41]. Hieraus abgeleitet resultiert für den Anbieter eine geringere oder höhere Bedeutung von Kundenbindung und Wiederkaufprozessen [3-1]. Die Frage nach möglichen Verbundeffekten zwischen Transaktionen ist im Bereich von GU-/TU-Leistungen vorwiegend von der Art des Auftraggebers abhängig. So finden sich einerseits Auftraggeber, die ihre Vergabeentscheidung unabhängig von vorangegangenen Transaktionen treffen. Es treten somit auch keine Verbundeffekte zwischen einer bevorstehenden Transaktion und zukünftigen Transaktionen auf; man spricht in solchen Fällen auch von Transaction Buying. Andererseits gibt es Auftraggeber, die die Zukunft und die Vergangenheit im Hinblick auf Transaktionen mit einem Anbieter in ihre Vergabeentscheidung mit einbeziehen; in solchen Fällen handelt es sich um Wiederkaufentscheidungen bzw. Relationship Buying [3-39]. Zur Vermeidung von Effektivitätsverlusten innerhalb der Gestaltung des Marketings ist es entscheidend, Kunden, die ein Relationship Buying betreiben, ein entsprechendes Relationship Selling gegenüberzustellen (Relationship Marketing). Kunden, die ein Transaction Buying betreiben, sollten demgegenüber aus Effizienzgründen auch mit einem Transaction Selling bedient werden (Transaction Marketing). Das Erfordernis einer Anpassung des Anbieterverhaltens an das Beschaffungsverhalten der Nachfrager wird in Tabelle 8 zusammenfassend dargestellt.
3.4 Business-to-Business-Marketing – Typologien Tabelle 8:
199
Relationship Buying und Relationship Selling [3-39] Relationship Buying und Relationship Selling Relationship Selling gegeben: ja
Relationship Buying gegeben:
ja nein
nein
Relationship Marketing
Effektivitätsverluste
Effizienzverluste
Transaction Marketing
Die Entscheidung eines Nachfragers, seine Nachfrage im Sinn eines Transaction oder eines Relationship Buyings zu gestalten, richtet sich danach, welche Form des Leistungsbezugs ihm die geringsten Transaktionskosten verursacht. Je häufiger, je unsicherer und je spezifischer eine Transaktion ist, desto vorteilhafter ist die Praktizierung eines Relationship Buyings für den Nachfrager [3-39]. Professionelle Auftraggeber, die oft am Markt auftreten, werden seitens der Anbieter eher unter dem Aspekt einer Kundenbindung betrachtet als Gelegenheitsauftraggeber. Öffentliche Auftraggeber können aufgrund der für sie geltenden Vergaberichtlinien ihre Erfahrungen mit einem Anbieter aus vergangenen Projekten nicht im Sinn einer Verbundwirkung berücksichtigen; Anbieter werden sie dementsprechend – trotz ihrer zum Teil häufigen Nachfrage – weniger unter Aspekten einer Wiederkaufsituation bedienen. Eine Folge von Markttransaktionen, zwischen denen eine innere Verbindung besteht und die sich nicht zufällig ergibt, lässt sich als eine Geschäftsbeziehung definieren. Als innere Verbindung sind dabei Motive des Anbieters und/oder des Nachfragers zu betrachten, die eine planmässige Verknüpfung von Einzeltransaktionen zweckmässig oder notwendig erscheinen lassen. Bezüglich der inneren Verbindung zwischen den einzelnen Transaktionen ist zwischen sachbezogenen, personenbezogenen und unternehmensbezogenen Bindungen zu unterscheiden [3-39]. Aus Sicht des Marketings ist es unzureichend, einzelne Transaktionen, die im Rahmen einer Geschäftsbeziehung zustande kommen, isoliert zu betrachten, denn eine jede solche Transaktion unterliegt Einflüssen aus vergangenen Transaktionen und übt wiederum Einfluss auf folgende Transaktionen aus [3-53]. Die Bindung eines Kunden an einen Anbieter zur Etablierung bzw. Aufrechterhaltung einer Geschäftsbeziehung, d.h. zur Tätigung von Folgetransaktionen, wird als Kundenbindung bezeichnet.
200
3 Marketingprozess für Bauleistungen
3.5 Marketingstrategien für Bauunternehmen 3.5.1 Strategisches Marketing Die Marketingstrategien eines Bauunternehmens sind direkt aus der Markt- und Wettbewerbsstrategie des strategischen Geschäftfelds abzuleiten, um die antizipierten Wettbewerbsvorteile für das jeweilige Kundensegment zu realisieren. (Bild 105) Die Marketingstrategieplanung umfasst folgende Massnahmen (Bild 104): x Aus der Marktstrategie wird, unter Berücksichtigung des Leistungs- und Produktzyklus, die Wettbewerbsstrategie festgelegt. x Aus der Wettbewerbsstrategie werden die Marketingziele abgeleitet und bestimmt. x Im Rahmen der Identifizierung der strategischen Geschäftsfelder (SGF) wird die Kunden- bzw. Baumarktsegmentierung vorgenommen. Anschliessend wird die Marktposition festgelegt, die das Unternehmen in den segmentierten SGF anstreben will und kann. x Auf der Grundlage der Segmentierung, der zugeordneten Marketingziele und der Marktpositionierungsziele erfolgt die kunden- und segmentspezifische Ausgestaltung des Marketing-Mix in den jeweiligen SGF. x Zur effizienten Ausgestaltung des Marketing-Mix ist ein Budget festzulegen, um die Nutzen-Aufwand-Effizienz sicherzustellen. x Das Controlling soll sicherstellen, dass mit den Marketingmassnahmen die Wettbewerbsziele im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung im anvisierten Nutzen-Aufwand-Verhältnis erreicht werden. Das Controlling deckt Fehleinschätzungen im Hinblick auf das Marktsegment, die Marketingziele, die Marktposition und die Effektivität des Marketing-Mix in Bezug auf die Wettbewerbstrategie zur Erzielung der gewünschten Wettbewerbsvorteile und umgekehrt auf. MEFFERT definiert die Marketingstrategieplanung wie folgt: Marktorientierte Unternehmensführung und die ihr zugrunde liegenden strategischen und operativen Verhaltensmuster sind untrennbar mit der Planung des Marketingzielsystems verbunden. Die Festlegung der Marketingziele nach Inhalt, Ausmass, Zeit- und Marktsegmentbezug steht dabei in enger Beziehung zur Formalisierung von Marketingstrategien. [3-31]
3.5 Marketingstrategien für Bauunternehmen
201
Wettbewerbsstrategie Festlegung der Marketingziele Bestimmung der Marktposition Ausgestaltung des Marketing-Mix (Marketingstrategie) Bestimmung des Schlüsselinstruments Bestimmung des Marketingbudgets Produkt und Programm -
Distribution -
Ziele Massnahmen Budget Kontrolle
Kommunikation
Ziele Massnahmen Budget Kontrolle
-
Ziele Massnahmen Budget Kontrolle
Preis -
Ziele Massnahmen Budget Kontrolle
Controlling der Marketingstrategie Bild 104: Schritte der Marketingstrategieplanung [3-26]
Vision
Zielsetzung
Anspruchsniveau
billig
„Wir bauen fürs Leben. Gern.“ Geschäftsfelder gleich
Strategie
Zielvorgabe
teuer
IGU
schlechter
Marketing Mix
gleich
besser
4 „P“: Product, Price, PR, Placement Organisation
Prozesse
VR
Organisation
GL Stab
West
Mitte
Zürich
Ost
Bild 105: Strategisches Marketing [3-9]
Personal
Budget
Kundennutzen im Marketing Mix Strukturen Operationelle Exzellenz
202
3 Marketingprozess für Bauleistungen
3.5.2 Marktforschung In einem Bauunternehmen sind laufend Entscheidungen über die Ziele, Massnahmen und Mittel des Marketings zu treffen, z.B. im Zug der Auftragskalkulation als Abschätzung der projektbezogenen Wettbewerbssituation zur Preisfindung (Target Costing). Der Problemlösungsprozess des Marketings ist in Bild 106 dargestellt. Solchen kurzfristigen und auch langfristigen Entscheidungen (z.B. Investitionsentscheidungen) liegen Annahmen über das Verhalten von Bauherren, Wettbewerbern oder anderen Gruppen zugrunde. Für die verantwortlichen Entscheidungsträger eines Bauunternehmens ist es deshalb sehr wichtig, das Verhalten dieser verschiedenen Marktgruppen bestmöglich zu kennen, um geeignete, marktrelevante Entscheidungen fällen zu können. Marktforschung (engl. „market research“) kann zusammengefasst als systematische Gewinnung und Auswertung von Informationen über die Elemente und Entwicklungen des Marktes unter Berücksichtigung der Umweltbedingungen definiert werden. Ziel ist das Bereitstellen objektiver Informationen und Analysen, die als Grundlage für die Planung, Entscheidung, Anordnung und Kontrolle von Marketingmassnahmen dienen. Je nach Zweck einer Marktforschung steht eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung. Ausgehend von dem bereitstehenden Datenmaterial lassen sich die Methoden in Primär- und Sekundärmarktforschung unterteilen. 3.5.3 Sekundärmarktforschung Die Sekundärmarktforschung (engl. „desk research“) greift auf vorhandene Informationen zurück, die in der Regel zu einem anderen Zweck (z.B. alte Marktforschungsstudien) oder wegen eines allgemeinen Interesses (z.B. Veröffentlichungen statistischer Ämter) zusammengetragen wurden. Die Sekundärmarktforschung bildet vielfach den ersten Schritt in einem Marktforschungskonzept, bevor eigene Marktforschungsuntersuchungen in Form von Primärerhebungen durchgeführt werden. Aufgrund des Ortes der verwendeten Quellen unterscheidet man bei der Sekundärforschung einerseits zwischen internen Quellen, die sich ausschliesslich auf Informationen aus dem eigenen Unternehmen abstützen, und externen Quellen, die Informationen unternehmensexterner Herkunft beinhalten.
3.5 Marketingstrategien für Bauunternehmen
203
1. Analyse der Ausgangslage Umweltbedingungen
Unternehmensziele
Bedürfnisse
2. Marketingziele
3. Marketinginstrumente Ziele
Ziele
Ziele
Ziele
Massnahmen
Massnahmen
Massnahmen
Massnahmen
Mittel
Mittel
Mittel
Mittel
Steuerung durch Führung
4. Marketing-Mix 5. Durchführung
6. Evaluation und Controlling der Resultate
Bild 106: Steuerung des Marketing-Problemlösungsprozesses
Market Research Primärforschung Marktuntersuchung • Konkurrenzanalyse • Analyse der Bauherren • Untersuchung der Branchenstruktur • Analyse des Baubedarfs
Marktbeobachtung • Planer / Architekten • Subunternehmer • Wettbewerber • Technologische Entwicklung
Bild 107: Market Research im Baubetrieb
Sekundärforschung Interne Quellen • Bilanzen • Auftragsbestand • Kundendatenbanken • Submissionsergebnisse
Externe Quellen • Verbandsmitteilungen (SBV, VSGU, SBI etc.) • Amtl. Statistiken • Presse • Messen / Tagungen • Geschäftsberichte
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
3.5.4 Primärmarktforschung Bei der Primärmarktforschung (engl. „field research“) werden die Informationen für eine bestimmte Problemstellung mit einer eigens dafür konzipierten Erhebung originär, d.h. an ihrem Ursprung, mithilfe verschiedener zur Verfügung stehender Erhebungsmethoden gewonnen. Die Kosten einer Primärmarktforschung sind in der Regel höher als die einer Sekundärmarktforschung, allerdings sind die Ergebnisse wegen der grösseren Genauigkeit und des höheren Problembezugs besser auf die zu untersuchende Fragestellung abgestimmt und damit auch von einem im Sinn der Fragestellung grösseren Informationsgehalt. Während eine Marktuntersuchung eher auf längerfristige grundsätzliche Fragestellungen abzielt, dient eine Marktbeobachtung der Analyse aktueller Entwicklungen.
3.6 Segmentierung des Baumarktes Ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung einer Marketingstrategie besteht in der Objektbestimmung der unternehmerischen Aktivitäten. Hierbei stellen strategische Geschäftsfelder die Basis für die Planung einer Marketingstrategie dar. Im Rahmen einer Marktsegmentierung sind verschiedene strategische Geschäftsfelder gegeneinander abzugrenzen. Mithilfe der Marktsegmentierung wird das Unternehmen gedanklich unter Betrachtung verschiedener Gesichtspunkte in ein mehrdimensionales Wettbewerbsfeld eingeordnet Zur Geschäftsfelddefinition lässt sich in der Bauwirtschaft zwischen fünf Dimensionen der Marktsegmentierung unterscheiden. Es ist unter anderem zu bestimmen, ob die eigentliche Marktchance darin liegt, als Sub-/Spezialunternehmer punktuelle Kernkompetenzen oder als GU/TU bzw. Systemanbieter integrale Leistungspakete anzubieten. Entscheidend ist hierbei unter anderem auch, die zukünftigen Anforderungen der eigenen Kundenstruktur zu erkennen und als zentrales Element der Unternehmenspositionierung zu gewichten. Die Überprüfung der geografischen Präsenz dient der Anpassung der Niederlassungsstruktur an die in den verschiedenen Regionen zu erwartende Nachfrageentwicklungen. In Abhängigkeit von den prognostizierten Marktbedingungen und den verfügbaren Ressourcen wird eine begrenzte regionale, eine nationale oder aber eine internationale Marktausrichtung angestrebt. Eine Segmentierung nach Funktionalaspekten kann unter dem Aspekt verschiedener Bauwerksfunktionsgruppen erfolgen; eine Segmentierung nach der Art des Auftraggebers trägt u.a. den unterschiedlichen Bedingungen der Ausschreibung und Auftragsvergabe Rechnung.
3.6 Segmentierung des Baumarktes
205
Bild 108: Marktsegmentierung zur strategischen Angebotsausrichtung
Die Bestimmung neuer und die Überprüfung bestehender Geschäftsfelder ist das zentrale Bindeglied zwischen strategischer Unternehmensplanung und Marketing. Segmentierung nach Auftraggeberarten
Die auf dem Markt agierenden Auftraggeber werden zur näheren Betrachtung und Analyse nach Auftraggeberarten unterschieden. ENGELHARDT/GÜNTER [3-10] definieren die Marktsegmentierung als die Zerlegung eines gegebenen oder gedachten Marktes in Teilmärkte, so genannte Marktsegmente. Eine Marktsegmentierung zur Unterscheidung von Auftraggeberarten dient somit u.a. dem Zweck, den Markt in möglichst homogene Auftraggebergruppen einzuteilen. Diese Gruppen sollen sich vor allem dadurch auszeichnen, dass das Beschaffungsverhalten innerhalb einer Gruppe relativ homogen, zwischen den Gruppen aber relativ heterogen ist [3-1]. Eine Marktsegmentierung bedeutet somit die Unterteilung des Marktes in klar abgegrenzte Auftraggebergruppen, die jeweils spezielle Leistungsangebote bzw. eine spezielle Marktbearbeitung erfordern. Im Bereich des allgemeinen Geschäftskundenmarketings (Business-toBusiness-Marketing) werden verschiedene Marktsegmentierungskriterien zur Definition von Auftraggeberarten unterschieden; sie sind in Tabelle 9 dargestellt.
206
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Tabelle 9:
Merkmale der Nachfragerorganisation als Marktsegmentierungskriterien für den Business-to-Business-Bereich [3-1]
Tabelle 10: Definition verschiedener Auftraggeberarten
3.6 Segmentierung des Baumarktes
207
In der Bauwirtschaft werden für die verschiedenen Auftraggeberarten oft die in Tabelle 10 dargestellten Segmentierungskriterien und massgeblichen Nachfragecharakteristika gewählt. Unter Zugrundelegung der in Tabelle 10 dargestellten Auftraggeberarten wird im Folgenden eine Auftraggebersegmentierung für die Bauwirtschaft dargestellt (Bild 109). Ziel ist es dabei, für den Bereich des Business-to-Business-Marketings möglichst homogene Marktsegmente zu definieren, die sich untereinander nicht überschneiden. Die Darstellung dieser Segmentierung erfolgt durch eine Baumstruktur (hierarchische Gliederung) unter Angabe des auf der jeweiligen Hierarchiestufe massgebenden Segmentierungskriteriums. Segmentierungskriterien
Auftraggebersegmente
Nachfragehäufigkeit und -volumen
öffentlich/privat privat
Professionelle Auftraggeber
Investitionszweck Investor Selbstnutzer Investor
öffentlich
Selbstnutzer Bereitstellung
privat Gelegenheitsauftraggeber
Investor Selbstnutzer Investor
öffentlich
Selbstnutzer Bereitstellung
Bild 109: Auftraggebersegmentierung im Bereich des Business-to-Business-BauMarketings [3-17]
3.6.1 Segmentierungskriterium „Nachfragehäufigkeit und -volumen“ Gelegenheitsauftraggeber
Als Gelegenheitsauftraggeber werden Auftraggeber definiert, für die die Vergabe eines Bauauftrags ein seltenes Ereignis im Rahmen der Tätigkeit ihrer Organisation darstellt bzw. deren Nachfragevolumen nach Bauleistungen in der Regel vergleichsweise gering ist. Gelegenheitsauftraggeber sind in ihrer Organisation zumeist nicht auf die Vergabe von Bauaufträgen
208
3 Marketingprozess für Bauleistungen
ausgerichtet und halten keine eigenen baulichen Kapazitäten, z.B. in Form eigener Baufachleute (Projektmanager, Architekten etc.), vor. Professionelle Auftraggeber
Im Gegensatz zu den Gelegenheitsauftraggebern sind professionelle Auftraggeber durch eine häufige und üblicherweise entsprechend hohe Nachfrage nach Bauleistungen gekennzeichnet. Professionelle Bauherren zeichnt heute in der Regel noch aus, dass sie in ihrer Unternehmensorganisation über eigene Baufachleute verfügen, evtl. sogar in Form einer eigenen Bauabteilung. Im Zug der Konzentration auf eigene Kernkompetenzen gehen Unternehmen jedoch in letzer Zeit verstärkt dazu über, ihr Immobilienmanagement und ihre Baukompetenzen an externe Dienstleister auszulagern [3-35]. In Anlehnung an den Kaufklassenansatz von ROBINSON/FARIS/WIND [3-43] handelt es sich bei der Nachfrage professioneller Auftraggeber eher um einen Wiederkauf, während Gelegenheitsauftraggeber in diesem Sinn eher einen Neukauf tätigen. Die Unterscheidung der Auftraggeber nach dem Volumen bzw. der Häufigkeit ihrer baulichen Nachfrage ist im Sinn der in Tabelle 9 dargestellten direkt beobachtbaren Marktsegmentierungskriterien ein kaufspezifisches, organisationsbezogenes Merkmal. 3.6.2 Segmentierungskriterium „öffentlich / privat“ Die Segmentierung der Auftraggeber nach öffentlichen und privaten Institutionen stellt zum einen ein allgemeines, organisationsbezogenes Merkmal (Organisationsstruktur, Betriebsform) dar; zum anderen resultiert hieraus in Form des Formalisierungsgrads des Beschaffungsverhaltens ein abgeleitetes, kaufspezifisches Segmentierungsmerkmal (Tabelle 9). Öffentliche Auftraggeber
Die Gruppe der öffentlichen Auftraggeber umfasst die staatlichen Organe auf der Ebene des Bundes, der Kantone/Bundesländer und der Gemeinden, die Güter und Leistungen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Funktionen und Aufgaben beschaffen, sowie privatrechtlich organisierte Betriebe in Bereichen, in denen sie eine staatliche Monopolfunktion ausüben (z.B. Bahn, Post). Massgebliches Charakteristikum öffentlicher Auftraggeber ist ihr stark formalisiertes Beschaffungsverhalten [3-28]. Die Vergabe öffentlicher
3.6 Segmentierung des Baumarktes
209
Aufträge an die Bauwirtschaft wird durch verschiedene Gesetze und Verordnungen bestimmt. Die zwischen den einzelnen Gruppen der öffentlichen Auftraggeber bestehenden Unterschiede bezüglich des Vergabevolumens spiegeln sich auch in der Art und dem Umfang wider, in denen in den jeweiligen Auftraggeberorganisationen bauspezifische Kompetenzen vorhanden sind. Sie nehmen somit Einfluss auf die Zusammensetzung des jeweiligen Buying Centers und damit auf die Gestaltung des Bezugs baulicher Leistungen. Private Auftraggeber
Private Auftraggeber sind privatrechtliche Organisationen, die keine staatliche Monopolfunktion ausüben und nicht den für öffentliche Auftraggeber geltenden formalisierten Beschaffungsgesetzen und Verordnungen unterliegen. Vom Grundsatz her sind private Auftraggeber in ihrem Auftraggeberverhalten somit keinen über die allgemeinen rechtlichen Bestimmungen hinausgehenden Beschränkungen unterworfen. 3.6.3 Segmentierungskriterium „Investitionszweck“ Eine Unterteilung der Auftraggeber nach dem Zweck ihrer baulichen Nachfrage in institutionelle Investoren und gewerbliche Selbstnutzer stellt gemäss Tabelle 9 eine Segmentierung nach direkt beobachtbaren, kaufspezifischen und organisationsbezogenen Auftraggebermerkmalen dar. Institutionelle Investoren
Als institutionelle Investoren werden Auftraggeber definiert, deren Investitionen in Immobilien den eigentlichen Geschäftszweck ihrer Auftraggeberorganisation darstellen oder der Kapitalanlage dienen. Institutionelle Investoren zeichnen sich somit dadurch aus, dass der Zweck ihrer baulichen Nachfrage in der Investition selbst begründet liegt und nicht auf die Befriedigung eines eigenen Nutzungsbedürfnisses abzielt. Institutionelle Investoren lassen sich unterscheiden nach u.a.: x x x x
Pensionskassen Versicherungsgesellschaften Immobilienaktiengesellschaften Immobilienfonds
210
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Gewerbliche Selbstnutzer
Gewerbliche Selbstnutzer treten als Eigenbedarfsbauherren auf und tätigen Immobilieninvestitionen in erster Linie zur Befriedigung eines eigenen Nutzungsbedürfnisses, das sich beispielsweise auf die Erstellung einer Produktionsanlage, eines Verwaltungsgebäudes oder eines Lagerhauses beziehen kann. Die Nachfrage gewerblicher Selbstnutzer nach Bauleistungen ist eine abgeleitete Nachfrage, die der Bedienung nachgelagerter Märkte im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit dient [3-24]. Zur Bedeutung der gewerblichen Selbstnutzer als Nachfrager liegen keine expliziten Daten vor. Sie werden in den einschlägigen Statistiken unter der Rubrik „übrige Unternehmen“ bzw. „übrige Auftraggeber“ geführt. Innerhalb des Segments der gewerblichen Selbstnutzer ergeben sich durch Anwendung des Segmentierungskriteriums „Nachfragehäufigkeit und -volumen“ starke Unterschiede im Beschaffungsverhalten. Während Industriekonzerne in der Regel auf eigene bauliche Kompetenzen zurückgreifen können, bedienen sich insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen im Bedarfsfall externer Architekten oder Bauherrenberater. Auch hier beeinflusst somit die Grösse der nachfragenden Organisation den Umfang und die Gestaltung der Nachfrage nach baulichen Leistungen. Investitionszweck „Bereitstellung“
Teilweise erfüllt die Nachfrage nach baulichen Leistungen aus Sicht des beschaffenden Buying Centers nicht den Zweck einer Selbstnutzung oder Investition, sondern sie dient der Erfüllung eines Bereitstellungsauftrags. Insbesondere öffentliche Auftraggeber erfüllen mit der Nachfrage nach Bauleistungen im Bereich von Infrastrukturinvestitionen (z.B. Versorgung, Bildung, Gesundheit) ihren öffentlichen Auftrag zur Bereitstellung der Infrastruktur. Auch im Bereich grosser privater Auftraggeberorganisationen tritt das nachfragende Buying Center in der Funktion eines Bereitstellers z.B. von Büro- oder Gewerbeflächen für einen operativen Bereich auf. 3.6.4 Segmentierung nach Leistungstiefe Gliederung des Bauprozesses
Zur Einordnung des Marketings von GU-/TU- und SysBau-Leistungen in den Kontext baulicher Wertschöpfungs- und Entscheidungsprozesse wird im Folgenden der Bauprozess auf der Grundlage des Leistungsmodells der SIA 112 [3-50] beschrieben (aus [3-15] entnommen).
3.6 Segmentierung des Baumarktes
211
Projektabwicklungsformen
Zur Realisierung einer Bauaufgabe stehen den Auftraggebern verschiedene Projektabwicklungsformen zur Verfügung. Die Bestimmung der Projektabwicklungsform und der damit verbundenen Aufgabenverteilung auf die verschiedenen am Bauprozess Beteiligten hat starken Einfluss auf das Vergabeverhalten der Auftraggeber und somit entsprechend grosse Bedeutung für die Gestaltung eines optimalen Marketings für GU-/TU- und insbesondere SysBau-Anbieter. Die grundsätzlichen, verschiedenen Projektabwicklungsformen und die sich aus ihnen ergebenden Aufgabenverteilungen werden im Folgenden kurz erläutert [3-15]. Einzelleistungsträger (ELT) Bei der Projektabwicklungsform mit Einzelleistungsträgern (ELT) schliesst der Bauherr jeweils ein separates Vertragsverhältnis mit verschiedenen Fachleuten und Unternehmen ab, deren Beteiligung an einer Bauaufgabe erforderlich ist. Die Anzahl der Vertragsverhältnisse ist dabei von der Grösse und Komplexität der zu realisierenden Bauaufgabe abhängig. Bei einem Hochbauprojekt sind nicht selten zwischen 20 und 30 Unternehmen an der Ausführung beteiligt; hinzu kommen diverse Fachplaner. Planung und Ausführung bleiben bei der Projektabwicklungsform mit ELT getrennt. Es ist die Aufgabe der Projektleitung, Bauplanung und Bauausführung zu koordinieren; ferner obliegt ihr das Projektcontrolling zur Überwachung und Einhaltung der Termine und Kosten. Die Projektleitung wird entweder vom Bauherrn direkt wahrgenommen oder einem Dritten, z.B. einem Projektsteuerer, übertragen. Insbesondere bei kleineren Bauprojekten übernimmt einer der Planer oder Architekten die Aufgabe der Projektleitung häufig in Personalunion [3-15]. Bild 110 stellt idealtypisch eine Inter-Projektorganisation mit Einzelleistungsträgern dar.
212
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Projektorganisation mit Einzelleistungsträgern Projektierung
Ausführung Auftraggeber Projektsteuerer
Planer A Subplaner
Planer B
Unternehmen A
Unternehmen B
Unternehmen C
Subunternehmen Lieferanten
Bild 110: Projektabwicklungsform mit Einzelleistungsträgern (ELT) [3-15]
Generalleistungsträger (GLT) Im Vergleich zu Einzelleistungsträgern sind Generalleistungsträger (GLT) innerhalb einer Projektorganisation für die Erbringung umfassenderer Leistungspakete verantwortlich. Generalleistungsträger im Bereich der Planung sind die Generalplaner (GP) und im Bereich der Ausführung die Generalunternehmer (GU). Die Integration der Leistungen erfolgt bei der GLT-Projektorganisationsform nur innerhalb der jeweiligen Einzelbereiche Planung und/oder Ausführung [3-15]; Planung und Ausführung erfolgen somit wie bei der ELT-Projektorganisation getrennt. Generalunternehmer und Generalplaner können einen Teil der von ihnen angebotenen Leistungen mit eigenen Kapazitäten erbringen oder sich auf die Koordinierung der ihnen nachgeschalteten Leistungsträger beschränken. Bild 111 stellt eine Projektorganisation mit Generalleistungsträgern sowohl im Bereich der Planung als auch im Bereich der Ausführung dar. In der Praxis finden sich häufig Kombinationen aus einer ELT- und GLTOrganisationsform, d.h., einer Planung durch ELT folgt eine Ausführung mit GU bzw. der Planung mit GP folgt eine Ausführung mit ELT.
3.6 Segmentierung des Baumarktes
213
Projektorganisation mit Generalleistungsträgern Projektierung
Ausführung Auftraggeber Projektsteuerer
Generalunternehmer
Generalplaner
Planer A
Planer B
Unternehmen A
Unternehmen B
Unternehmen C
Bild 111: Projektabwicklungform mit Generalleistungsträgern (GLT) [3-15]
Generalplaner (GP) Generalplaner (GP) erstellen für ein Bauprojekt alleinverantwortlich alle Planungsleistungen. Sie erbringen ihre Leistungen in der Regel zum Teil als Eigenleistung; zum Teil vergeben sie sie an andere Planer (in diesem Sinn an Subplaner). Der Auftraggeber unterhält im Bereich der Planung somit nur ein Vertragsverhältnis zum Generalplaner. Generalplanerleistungen werden in der Regel leistungsbezogen auf der Grundlage eines Pauschalvertrags oder eines Einheitspreisvertrags mit Kostendach vergütet [3-15]. Der Generalplaner garantiert somit die Höhe der maximalen Kosten für die von ihm erbrachten Planungsleistungen. Generalunternehmer (GU) Ein Generalunternehmer (GU) übernimmt alle für die Erstellung eines Bauwerks erforderlichen Bauleistungen; er führt sie entweder selbst aus oder vergibt sie an von ihm beauftragte Subunternehmer weiter. Etwaige Eigenleistungen des Generalunternehmers beziehen sich üblicherweise auf den Rohbau. Der Generalunternehmer ist für den Auftraggeber im Bereich der Ausführung der einzige Vertragspartner; eine vertragliche Beziehung zwischen dem Bauherrn und den vom Generalunternehmer beauftragten Subunternehmen besteht in der Regel nicht. Sowohl in der Praxis als auch in der Literatur finden sich verschiedene, zum Teil widersprüchliche Definitionen zur Beschreibung des Leistungsumfangs eines Generalunternehmers. Im Folgenden wird der Begriff des
214
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Generalunternehmers als Grundlage für die weiteren Ausführungen in diesem Kapitel beschrieben und definiert; weiterhin wird eine Abgrenzung gegenüber dem Begriff des Totalunternehmers vorgenommen: Betriebswirtschaftliche Definition – Generalunternehmer ýADEŽ [3-6] unterscheidet bei der Beauftragung eines Generalunternehmers zwischen Fällen, in denen der GU die Bauausführung auf der Grundlage einer bereits fertigen Ausführungsplanung durchführt, und Fällen, in denen die Ausführungsplanung Teil des GU-Auftrags ist. Gemäss ýADEŽ bezieht der Begriff des GU somit die Möglichkeit zur Erbringung von Planungsleistungen mit ein. WEDER [3-56] bezeichnet den Generalunternehmer als alleinverantwortlich für die schlüsselfertige Erstellung nutzungsfähiger Bauwerke. Seiner Auffassung nach bedeuten dabei die Bezeichnungen „Erstellung“ und „schlüsselfertig“, dass sich die Leistung in erster Linie auf eine reine Ausführungstätigkeit beschränkt, in Einzelfällen aber auch Planungsleistungen beinhalten kann. Für BRANDENBERGER/RUOSCH [3-5] beinhaltet eine GU-Leistung die Erstellung nutzungsfähiger Bauwerke; sie umfasst die Gesamtheit aller Leistungen der Ausführungs- und Abschlussphase. Im Gegensatz zu ýADEŽ schliessen sie jedoch die Planungsphase aus dem Leistungsinhalt eines Generalunternehmers aus. Auch nach Darstellung des Verbands Schweizerischer Generalunternehmer (VSGU) [3-34] beschränkt sich der Leistungsinhalt des GUVerfahrens als Wettbewerbsverfahren auf die reine Vergabe der Ausführung. Die Ausführungsplanung ist somit nicht Teil einer GU-Leistung. Juristische Definition – Generalunternehmer Nach der juristischen Definition von GAUCH [3-14] übernimmt der Generalunternehmer die gesamte Ausführung eines Bauwerks auf der Grundlage eines vom Bauherrn oder Architekten erstellten Projekts. Das auszuführende Projekt wird dabei z.B. durch die Ausschreibungsunterlagen beschrieben. Kern des Generalunternehmervertrags ist im juristischen Sinn somit die Ausführung und nicht die Planung von Bauwerken. GAUCH weist darauf hin, dass im praktischen Sprachgebrauch nicht immer exakt zwischen General- und Totalunternehmerverträgen unterschieden wird und beide Formen unter dem Begriff des Generalunternehmervertrags zusammengefasst werden. Für die juristische Qualifikation eines Vertrags kommt es jedoch nicht auf seine Bezeichnung, sondern einzig auf seinen Inhalt an. Auch WIDMER/TRÜMPY/KAUFMANN [3-57] kommen zu dem Schluss, dass es sich im engeren Sinn nicht um einen Generalunternehmer handelt, wenn auch Planungsarbeiten für das von einem Auftraggeber bestellte Bauwerk geleistet werden.
3.6 Segmentierung des Baumarktes
215
Für die weiteren Ausführungen wird aufgrund der begrifflichen Exaktheit dem juristischen Verständnis der Definition des Generalunternehmers gefolgt. Ein Generalunternehmer (GU) zeichnet sich demnach durch folgende Charakteristika aus: x Übernahme sämtlicher Bauleistungen zur fertigen Erstellung eines Bauwerks mit eigenen oder fremden Kapazitäten x keine Erbringung von Planungsleistungen Neben dem Begriff „Generalunternehmer“ findet sich in Deutschland zum Teil auch der Begriff „Generalübernehmer“. Hiermit sind Generalunternehmen gemeint, deren Eigenleistung sich auf die reine Integration der zur Leistungserstellung erforderlichen Teilleistungen beschränkt. Generalübernehmer erbringen selbst keine Bauleistung; die Teilleistungen werden von Einzelleistungsträgern als Subunternehmer erbracht. Totalunternehmer (TU) Totalunternehmer übernehmen im Sinne einer Verbindung von Generalplaner- und Generalunternehmerleistungen die Planung und Ausführung eines Gebäudes. Der Auftraggeber hat somit nur einen einzigen Vertragspartner für die Planung und Erstellung seines Projekts [3-5]. GAUCH grenzt den Totalunternehmer dadurch vom Generalunternehmer ab, dass der TU auch die Planungsarbeiten für ein vom Auftraggeber bestelltes Gebäude leistet. Er bezeichnet den Totalunternehmer als einen „projektierenden Generalunternehmer“. [3-14] Ein Totalunternehmer (TU) wird somit durch folgende Eigenschaften charakterisiert: x Übernahme sämtlicher Bauleistungen zur fertigen Erstellung eines Bauwerks mit eigenen oder fremden Kapazitäten x Erbringung von Planungsleistungen Bezüglich des Zeitpunkts der Beauftragung eines Totalunternehmers ist dahingehend zu unterscheiden, ob dessen Planungsleistung die Erstellung des Vorprojekts mit einbezieht (Vorprojektplanung, Bewilligungsplanung, Ausführungsplanung) oder ob bereits ein Vorprojekt vorliegt. Im letzteren Fall wird die Totalunternehmerleistung auf Basis des Vorprojekts erbracht und beinhaltet die Bewilligungs- und Ausführungsplanung. Die Projektorganisation mit Totalunternehmer ist in Bild 112 dargestellt.
216
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Projektorganisation mit Totalunternehmer Projektierung
Ausführung
Auftraggeber Projektsteuerer
Vorprojekt durch auftraggeberseitigen Planer
Totalunternehmer Vorprojekt durch TU
Planer
Planer A
Planer B
Unternehmen A
Unternehmen B
Unternehmen C
Vorprojekt (Ph. 3.1, LM 95)
Bild 112: Projektabwicklungsform mit Totalunternehmer (TU) [3-15]
Projektorganisation mit Systemanbieter Projektierung
Ausführung
Nutzung
Auftraggeber Projektsteuerer SysBau
Planer A
Planer B
Unternehmen A
Unternehmen B
Unternehmen A
Unternehmen B
Unternehmen C
Bild 113: Projektabwicklungsform mit Systemanbieter (SysBau) [3-15]
Systemanbieter Systemanbieter integrieren die Funktion eines die Vorprojektierung mit einbeziehenden Totalunternehmers und eines Generalleistungsträgers im Bereich des Gebäudemanagements (Bild 113). Als Generalleistungsträger im Bereich des Gebäudemanagements erbringen Systemanbieter die zum Betrieb eines Gebäudes erforderlichen Leistungen (z.B. Contracting) zumeist aus einer Hand. Sie übernehmen
3.6 Segmentierung des Baumarktes
217
somit für einen Auftraggeber – wie ein Generalunternehmer im Bereich der Ausführung – die operative Durchführung des Betriebs der baulichen Anlage. Hierzu gehören unter anderem die Beauftragung, Koordination und Steuerung verschiedener Einzelleistungsträger. Unter dem Begriff des Gebäudemanagements (GM) wird dabei die Gesamtheit technischer, kaufmännischer und infrastruktureller Leistungen zur Nutzung von Gebäuden zusammengefasst [3-54]. Vertragsformen zu den Projektabwicklungsformen
Der Abschluss eines Vertrags stellt im juristischen Sinn eine Transaktion dar. In der Bauwirtschaft werden der Ablauf und der Inhalt von Austauschprozessen in Form eines Vertrags zumeist individuell festgelegt. Trotz dieser weitgehenden Individualität und Einzigartigkeit der projektbezogenen Vertragsgestaltung lassen sich verschiedene grundsätzliche Vertragsformen unterscheiden. Die für die Abwicklung von GU- und TUAufträgen in Frage kommenden Vertragsformen sollen in ihrer Funktion als Rahmen zur Regelung von Austauschprozessen bei Bauprojekten im Folgenden erläutert werden. Einheitspreisvertrag Im Rahmen eines Einheitspreisvertrags wird der zwischen Auftraggeber und Anbieter vereinbarte Vertragsinhalt in Einzelleistungen (Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses) untergliedert. Den verschiedenen Einzelpositionen werden Abrechnungsmengen (z.B. 1 m2) und Einheitspreise (z.B. 10 CHF/m2) zugeordnet [3-21]. Die Vergütung des Anbieters ergibt sich für jede Einzelleistung aus der Menge der von ihm geleisteten Einheiten, multipliziert mit dem entsprechenden Einheitspreis. Bei sehr kleinen Aufträgen ist es möglich, dass die gesamte von einem Anbieter zu erbringende Leistung durch einen einzigen Einheitspreis beschrieben wird. Im Gegensatz zum Pauschalpreis ergibt sich die Höhe der Vergütung aus der Summe der geleisteten Leistungseinheiten [3-14]. Einheitspreisvertrag mit Kostendach Um für den Auftraggeber die Höhe der maximalen Kosten zu beschränken, werden Einheitspreisverträge häufig mit einem Kostendach versehen. Die Vergütung richtet sich dabei, wie beim Einheitspreisvertrag, nach der Menge der ausgeführten Leistungen sowie der Höhe der Einheitspreise. Ergibt sich hieraus eine Vergütungshöhe, die die Höhe des zumeist unter Wettbewerbsbedingungen ermittelten Kostendachs unterschreitet, wird die Kostenersparnis in einem zuvor bestimmten Verhältnis zwischen Anbieter und Auftragnehmer geteilt. Überschreitet das Produkt der Einheitspreise
218
3 Marketingprozess für Bauleistungen
und geleisteten Mengen die Höhe des vereinbarten Kostendachs, gehen die Kostenüberschreitungen vollständig zu Lasten des Anbieters [3-15]. Pauschal- und Globalvertrag Mit einem Pauschalvertrag übernimmt ein Anbieter einen Auftrag zu einer im Voraus genau bestimmten Gesamtvergütung, dem Pauschalpreis. Der Pauschalpreis ist in diesem Sinn die Vereinbarung einer festen Vergütung, die unabhängig von der Höhe der tatsächlichen Kosten und ausgeführten Mengen zu leisten ist. Ein Pauschalvertrag hat somit für den durch ihn vereinbarten Leistungsinhalt einen weitgehenden Festpreischarakter. Grenzen des Festpreischarakters werden da erreicht, wo aus Bestellungsänderungen des Auftraggebers Mehraufwendungen für den Anbieter resultieren [3-14]. Pauschalverträge, die mit einem Teuerungsvorbehalt versehen sind, werden auch als Globalverträge bezeichnet. Der Teuerungsvorbehalt kann sich dabei auf das Gesamtwerk oder aber auf bestimmte Teile der zu seiner Erstellung erforderlichen Leistungen beziehen (z.B. nur Material- und Lohnteuerungen). Durch die Vereinbarung eines Teuerungsvorbehalts wird der Festpreischarakter einer Pauschalvergütung relativiert [3-14]. Wettbewerbsarten
Als Voraussetzung für das Zustandekommen eines Austauschs mit einem Anbieter muss aus Sicht des Nachfragers u.a. gelten, dass die Differenz der Kosten- und Nutzenelemente grösser sein muss als bei bestehenden Austauschalternativen (andere Anbieter). Nachfrager von GU-/TU-Leistungen führen in der Regel einen Anbieterwettbewerb durch, mit dessen Hilfe sie die günstigste Austauschalternative evaluieren. Um den Anbieter mit der maximalen Differenz zwischen Nutzenelementen (Leistungsinhalt) und Kostenelementen (Angebotspreis) (Tabelle 5) zu ermitteln, haben sie verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung von Anbieterwettbewerben. Die Art des Wettbewerbs wird danach unterschieden, ob nur der Angebotspreis, sowohl der Angebotspreis als auch der Leistungsinhalt oder nur der Leistungsinhalt Gegenstand des Wettbewerbs ist. Preiswettbewerb Bei einem Preiswettbewerb sind die von den Anbietern zu erbringenden Leistungen durch z.B. eine detaillierte Leistungsbeschreibung bereits eindeutig definiert; die Nutzenelemente wurden vom Nachfrager festgelegt. Die Ausführung des Projekts wird als Ergebnis des Preiswettbewerbs vergeben; das massgebliche Unterscheidungskriterium der eingehenden Angebote ist, neben der Bewertung der Leistungsfähigkeit der Anbieter, der Angebotspreis (Kostenelement). Preiswettbewerbe werden in der Regel
3.6 Segmentierung des Baumarktes
219
zur Vergabe von Einzelleistungs- und Generalunternehmeraufträgen durchgeführt. Preis-Leistungs-Wettbewerb – Gesamtleistungswettbewerb Der Gesamtleistungswettbewerb (TU-Wettbewerb) ist dadurch gekennzeichnet, dass neben dem Preis (Kostenelement) auch die Ausgestaltung der baulichen Lösung (Nutzenelement) dem Wettbewerb untersteht. Anhand des dreistufigen Modells des Verbands Schweizerischer Generalunternehmer (VSGU) [3-34] wird in Bild 114 eine Möglichkeit zur Durchführung eines Gesamtleistungswettbewerbs dargestellt. Die drei Stufen bestehen aus einer Präqualifikation, einem Konzeptwettbewerb sowie der Phase der Projektausarbeitung. Gesamtleistungswettbewerb Phasen nach Leistungsmodell SIA 112 Präqualifikation
Vorprojekt Phase 3.1 31 Phase
Projekt Phase 32
Realisierung Phase 5
Wettbewerbsstufen
Teilnehmer
I. Präqualifikation
II. Vorprojektwettbewerb
III. Projektausarbeitung
1 Beauftragung Auftrag zurder Realisierung
2-3
5 -7 Kostendach
Kostendach / Pauschalpreis
I. Präqualifikation Im Rahmen einer Präqualifikation erfolgt die Vorauswahl in Frage kommender Anbietern für die Durchführung des nachfolgenden Vergabeverfahrens. II. Vorprojektwettbewerb Grundlage für den Konzeptwettbewerb ist ein Wettbewerbsprogramm. Es besteht zumeist aus einem generellen Pflichtenheft, das ggf . mit einem schematischen Vorprojektentwurf, der z.B. das Ergebnis eines vorgeschalteten Ideenwettbewerbs sein kann, ergänzt wird. Ähnlich wie bei einem konventionellen Architektenwettbewerb erarbeiten die Teilnehmer ein komplettes Vorprojekt (Phase 31, SIA 112). Der Hauptunterschied zum herkömmlichen Architekturwettbewerb besteht darin dass die maximalen Kosten des angebotenen Bauprojekts anzugeben sind. Dem Auftraggeber obliegt nun die Aufgabe, die eingegangenen Lösungsangebote samt den zugehörigen Kostenangaben zu beurteilen. III. Projektausarbeitung Gemäss VSGU- Modell wird der Gewinner des Vorprojektwettbewerbs mit der Ausarbeitung eines Bauprojekts (Phase 32, SIA 112) und der Realisierung des Gebäudes beauftragt. Die Höhe der Kosten wird in der Regel durch einen Pauschalvertrag oder einen Einheitspreisvertrag mit Kostendach begrenzt.
Bild 114: Ablauf des Gesamtleistungswettbewerbs (TU-Wettbewerb), in Anlehnung an [3-5]
220
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Leistungswettbewerb – Design to Cost Beim Leistungswettbewerb kehrt sich innerhalb eines vom Auftraggeber gesetzten Maximalkostenrahmens die Betrachtungsweise gegenüber herkömmlichen Ausschreibungen (Preiswettbewerb) um. Der Auftraggeber gibt nicht die auszuführende Bauleistung vor, sondern die maximalen Investitionskosten (Kostenelement). Infolgedessen ist das Vergabekriterium des Auftraggebers nun nicht mehr vorwiegend der geringste Angebotspreis, sondern das attraktivste Leistungsangebot (Nutzenelemente). Die Projektmaximalkosten resultieren dabei aus übergeordneten unternehmerischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, die ein Auftraggeber im Rahmen seiner Immobilieninvestitionsentscheidung anstellt. Die Höhe des maximalen Investitionsbetrags ergibt sich unter einem festen Kalkulationszinssatz (z.B. angestrebte Mindestverzinsung) durch die Prognose des durch das Investitionsprojekt ausgelösten Nutzens (z.B. Mittelrückfluss pro Jahr), der Nutzungsdauer sowie eines ggf. bestehenden Restwertes (Verkaufserlös) [3-52]. Die Abschätzung von Nutzen und Nutzungsdauer erfolgt dabei durch die Prognose der Absatzmarktentwicklung [3-51] sowie des Produktlebenszyklus [3-59] der mithilfe des Investitionsobjekts zu erbringenden Leistung. Beispiel: Design to Cost – Institutionelle Anleger Institutionelle Anleger nutzen die von ihnen in Auftrag gegebenen Immobilien nicht selbst, sondern vermieten sie an die eigentlichen Nutzer. Ihr eigentliches Interesse besteht in der Erzielung einer attraktiven Kapitalverzinsung (= angestrebte Mindestverzinsung). Die beispielsweise durch eine Wohnungsüberbauung auf dem Immobilienmarkt erreichbaren Mieten in CHF/m2 (= Mittelrückfluss pro Jahr) sind den institutionellen Investoren bekannt. Unter Annahme eines bestimmten Betrachtungszeitraums lassen sich in Verbindung mit den Grundstückskosten sowie die seine Nutzung begrenzenden Auflagen die maximalen Investitionskosten eines Gebäudes ermitteln. Bei der Realisierung einer Bauabsicht gehen institutionelle Investoren zunehmend dazu über, das Investitionskostenrisiko frühzeitig auf einen Anbieter zu übertragen. Hierzu führen sie z.B. einen Gesamtleistungswettbewerb durch, bei dem sie den Teilnehmern die maximalen Projektkosten mitteilen und von ihnen einen Lösungsvorschlag erwarten. Die Anbieter sind aufgerufen, auf der Grundlage der Maximalkosten ein Vorprojekt zu erstellen (Design to Cost). Nach erhaltenem Zuschlag sind sie an ihr Angebot gebunden und müssen es im Rahmen der festgelegten Kosten projektieren und ausführen.
3.6 Segmentierung des Baumarktes
221
Vergabeverfahren
Wettbewerbe zur Vergabe von GU-/TU-Aufträgen lassen sich hinsichtlich ihres Formalisierungsgrads unterscheiden. Unter Formalisierungsgrad wird dabei verstanden, inwieweit der Ablauf des Vergabeprozesses im Vorhinein festgelegten Regeln folgt und inwieweit diese Regeln für die Anbieter und ggf. für Dritte transparent gestaltet werden. Die Formalisierung von Vergabeverfahren dient dabei u.a. den folgenden Zielen: x Evaluation der besten Austauschalternative für den Auftraggeber x Motivation von Anbietern zur Teilnahme am Vergabeverfahren x Sicherstellung der Rechtmässigkeit einer Auftragsvergabe Diese Ziele sind dabei aus der Sicht des Auftraggebers gegen die Kosten der Durchführung des Wettbewerbsverfahrens abzuwägen, die im Sinn der Austauschtheorie als Transaktionskosten zu bezeichnen sind. Die Transaktionskosten zur Durchführung eines Vergabeverfahrens sind in der Regel von einer hohen Spezifität gekennzeichnet, da sie sich zum Grossteil auf Aufwendungen beziehen, die keiner alternativen Verwendung zugeführt und deshalb nur in beschränktem Umfang und nur von professionellen Auftraggebern (Häufigkeit der Transaktion) bei Folgeprojekten genutzt werden können. Direkte Beauftragung Die direkte Beauftragung (freihändige Vergabe) besteht in der Auftragsvergabe an einen Anbieter, der nicht durch ein Vergabe- bzw. Wettbewerbsverfahren ausgewählt wurde [3-14]. Die direkte Beauftragung eines Anbieters ist das Vergabeverfahren mit dem geringsten Formalisierungsgrad. Verhandlungsverfahren Bei der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens erfolgt die Vergabe eines Auftrags nach den Verhandlungen zwischen einem Anbieter und dem Auftraggeber. Beide Seiten passen ihr Vorgehen und Verhalten dem Verhalten ihres Gegenübers an; in Anlehnung an den Interaktionsansatz liegt somit eine gegenseitige Beeinflussung vor. Im Sinn der Austauschtheorie sind Verhandlungsverfahren in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass einem Auftraggeber mehrere Anbieter gegenüberstehen; er hat somit mehrere Austauschalternativen. Bei der Auftragsvergabe durch private Auftraggeber bilden Verhandlungen nach der Durchführung eines formalisierten Ausschreibungsprozesses in der Regel den Abschluss eines Vergabeverfahrens.
222
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Formalisierte Vergabeprozesse Formalisierte Vergabeprozesse sind durch die Einhaltung im Vorhinein vorgegebener und den anbietenden Unternehmen teils bekannter, teils unbekannter Vergabeverfahren gekennzeichnet. Insbesondere die Vergaben der öffentlichen Hand bzw. privatrechtlicher Organisationen, die eine staatliche Monopolfunktion ausüben (Bahn, Post), sind von strengen, detaillierten Ablaufschemata gekennzeichnet. Vergabeverfahren mit Präqualifikation Die Präqualifikation ist eine Vorstufe zum eigentlichen Vergabeverfahren. Der Auftraggeber bezweckt damit, diejenigen Anbieter für die Teilnahme am eigentlichen Vergabeverfahren auszuwählen, die seiner Meinung nach grundsätzlich geeignet erscheinen. Durch eine Präqualifikation wird die Zahl der für das eigentliche Vergabeverfahren zugelassenen Anbieter auf in der Regel fünf bis sieben [3-34] reduziert. Das weitere Wettbewerbsverfahren beschränkt sich danach auf die präqualifizierten Anbieter [3-14]. Leistungsumfang und Anbieterformen
Bei der Realisierung von Bauprojekten können unterschiedliche Formen von Anbietern die Funktion eines Einzelleistungs- bzw. Generalleistungsträgers oder Totalunternehmers ausüben. Generalunternehmen Generalunternehmen treten bei Bauprojekten zumeist in der Funktion eines General- oder Totalunternehmers auf; ihr eigentlicher Geschäftszweck besteht somit in der Erbringung von GU-/TU-Leistungen. In seltenen Fällen fungieren sie auch als Generalplaner. Die Schweizer Generalunternehmen verfügen zumeist über ausgeprägte Projektmanagementkapazitäten, mit denen sie die Steuerung und Abwicklung von Bauprojekten innerhalb ihres Auftrags- und Aufgabenbereichs leisten und die oft durch Kapazitäten zur Projektentwicklung und -planung ergänzt werden. Die Fähigkeit zur Stellung und Absicherung von Preisund Termingarantien erlangen sie auf der Basis ihres Eigenkapitals (vielfach in Form von in Immobilien gebundenem Kapital) bzw. durch Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen durch Dritte (z.B. einer Muttergesellschaft). Die Schweizer Generalunternehmen verfügen innerhalb ihrer eigentlichen Generalunternehmensorganisation zumeist nicht über eigene Bauausführungskapazitäten. Hierin unterscheiden sie sich massgeblich von den deutschen Generalunternehmen.
3.6 Segmentierung des Baumarktes
223
Bauausführungsunternehmen Als Einzelleistungsträger bei Projekten mit ELT-Projektabwicklungsform bzw. als Subunternehmen bei Projekten mit GU-/TU-Projektabwicklungsform treten sämtliche Arten von Unternehmen aus dem Bereich der Bauausführung auf. Entsprechend ihres Tätigkeitsgebiets werden sie in Unternehmen des Bauhauptgewerbes und des Ausbaugewerbes unterschieden. Planungsunternehmen Planungsunternehmen führen, ihrem eigentlichen Geschäftszweck entsprechend, die Planung von Bauvorhaben aus. Darüber hinaus nehmen sie bei ELT-Projektabwicklungsformen vielfach auch Aufgaben aus dem Bereich der Bauleitung, also Projektkoordinierung, -steuerung und -überwachung, wahr. In der Funktion eines Generalplaners übernehmen sie zudem die gesamtheitliche Gebäudeplanung. Bei Projekten mit Totalunternehmer treten sie entweder in der Funktion eines Subplaners des Totalunternehmers bzw. als dessen Konsortialpartner auf. Anbieterkooperationen Vielfach treten Anbieter bei der Vergabe von GU-/TU-Aufträgen nicht als Einzelunternehmen, sondern als Kooperationen mehrerer Unternehmen auf. Gründe für solche Kooperationen sind u.a. in der Erschliessung zusätzlichen Know-hows, der Ergänzung eigener Kapazitäten, der Teilung von Risiken und der Begrenzung der Anzahl von Wettbewerbern zu sehen. Als mögliche Kooperationsformen lassen sich dabei u.a. Konsortien, Arbeitsgemeinschaften und virtuelle Unternehmen unterscheiden. x Konsortien Konsortien sind Anbietergemeinschaften, bei denen sich eine begrenzte Anzahl rechtlich selbstständiger [3-1] Unternehmen mit gleichen und/ oder sich ergänzenden Tätigkeiten zu einer projektbezogenen und damit zeitlich begrenzten Kooperation zusammenschliesst [3-18], [3-44]. Als offene Konsortien werden dabei Anbietergemeinschaften bezeichnet, bei denen der Vertragsabschluss des Auftraggebers nicht mit einzelnen Anbietern, sondern mit dem Konsortium erfolgt, das somit als Auftragnehmer fungiert. Die einzelnen Konsortialpartner haften dabei in der Regel gesamtschuldnerisch [3-18]. Bei stillen Konsortien dagegen übernimmt einer der Konsortialpartner im Aussenverhältnis gegenüber dem Auftraggeber als General- bzw. Totalunternehmer die Alleinverantwortung zur Leistungserfüllung [3-1]. Der als GU bzw. TU fungierende Konsortialpartner schliesst wiederum mit den anderen Konsortialpartnern einen Konsortialvertrag ab, in dem diese das Leistungsversprechen aus dem GU- bzw. TU-Vertrag mit übernehmen. Das stille Konsortium unterscheidet sich somit vom „reinen“
224
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Total- bzw. Generalunternehmer durch die Gestaltung des Innenverhältnisses (Anbieterkooperation statt Subunternehmerverhältnis). Vom offenen Konsortium unterscheidet es sich dagegen durch die Gestaltung des Aussenverhältnisses (ein Ansprechpartner für Haftungs- und Gewährleistungsfragen statt mehrerer möglicher Ansprechpartner) [3-18]. x Arbeitsgemeinschaften (Argen) Arbeitsgemeinschaften bedeuten wie Konsortien einen Zusammenschluss verschiedener Unternehmen zur Erfüllung einer zeitlich begrenzten Aufgabe. Während jedoch ein Konsortium eine Liefer- bzw. Produktionsgemeinschaft selbstständiger Partner darstellt und die Leistungserbringung durch die als Einzelunternehmen fungierenden Konsortialpartner erfolgt, ist die Arbeitsgemeinschaft als eigenständiges, zum Zweck der Leistungserbringung gegründetes Unternehmen zu betrachten. Die Arbeitsgemeinschaft verfügt über eigene Vermögensgegenstände, tritt als Arbeitgeber auf und erteilt ihrerseits Aufträge an andere Unternehmen [3-18]. x Virtuelle Unternehmen Wie Arbeitsgemeinschaften sind virtuelle Unternehmen in ihrer Existenz zeitlich begrenzt (z.B. zur Erstellung eines Gebäudes). Sie basieren jedoch auf einem auf langfristige Kooperation ausgerichteten Unternehmensnetzwerk. Dabei werden verschiedene Unternehmen bzw. Unternehmensteile projektspezifisch aus dem Kooperationsnetzwerk zu einem virtuellen Unternehmen zusammengefügt. Die Auswahl der Unternehmen, die an der Bildung eines virtuellen Unternehmens teilnehmen, erfolgt dabei u.a. in Abhängigkeit von den zur Abwicklung einer Projektaufgabe erforderlichen Ressourcen. Aufgrund des langfristigen Charakters werden virtuellen Unternehmen verschiedene potenzielle Wettbewerbsvorteile zugesprochen, die sich unter anderem aus den Vorzügen eingespielter Geschäftsbeziehungen sowie der Möglichkeit zur projektübergreifenden Weiterentwicklung des gemeinsamen Leistungsangebots und Marktauftritts ergeben [3-16].
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen Hinsichtlich der verschiedenen Typologisierungskriterien werden im Folgenden vier Ansätze zur Typologisierung von Transaktionen im Bereich von GU-/TU- und SysBau-Leistungen vorgestellt.
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen
225
Typologisierung hinsichtlich der Integrativität des Leistungsprozesses und der Immaterialität des Leistungsinhalts
Kombinationen von Teilleistungen zur Lösung eines Nachfrageproblems lassen sich nach KLEINALTENKAMP nach den folgenden Typologisierungskriterien unterscheiden [3-24]: x Unterscheidung hinsichtlich des Umfangs, in dem sich der Leistungsinhalt als Problemlösung aus materiellen bzw. immateriellen Leistungselementen zusammensetzt x Unterscheidung hinsichtlich des Ausmasses, in dem die Teilleistungen mit oder ohne Mitwirkung des Auftraggebers erstellt werden können (Mass der Integrativität des Leistungsprozess)
Integrativ
SysBau-Leistung + Bewirtschaftungsleistungen
• Bewirtschaftung • Ausführung • Planung
• Ausführung • Planung
TU-Leistung Autonom
Leistung als Prozess
Typologie von GU- / TU- und SysBau-Leistungen
+ Planungsleistungen • Ausführung
GU-Leistung
Materiell Immateriell
Art des Leistungsergebnisses
Leistung als Ergebnis
Bild 115: Typologie von GU-/TU- und SysBau-Leistungen hinsichtlich des Leistungsergebnisses und des Leistungserstellungsprozesses, in Anlehnung an [3-11] und [3-24]
Leistungen, die durch eine hohe Integrativität sowie Immaterialität (Nichtlagerfähigkeit, Nichttransportfähigkeit) gekennzeichnet sind, weisen einen starken Dienstleistungscharakter auf.
226
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Typologisierung hinsichtlich des Sach- bzw. Dienstleistungscharakters
Als Schlussfolgerung einer mehrseitigen Erörterung verschiedener Definitionsansätze zur Beschreibung von Dienstleistungen und zu deren Abgrenzung von Sachleistungen stellen MEFFERT/BRUHN [3-32] fest, dass „eine vollständige Abgrenzung von Dienstleistungen und Sachleistungen (...) mit erheblichen Problemen verbunden ist.“ Dieses Defizit ist ihrer Auffassung nach auf die hohe Komplexität und Heterogenität des Untersuchungsgegenstands „Dienstleistung“ zurückzuführen. Die von ihnen untersuchten Definitionsansätze sind nach tätigkeitsorientierten, prozessorientierten, ergebnisorientierten und potenzialorientierten Definitionen zu unterscheiden. MEFFERT/BRUHN definieren Dienstleistungen als „selbständige, marktfähige Leistungen, die mit der Bereitstellung und/oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten verbunden sind (Potentialorientierung). Interne und externe Faktoren werden im Rahmen des Erstellungsprozesses kombiniert (Prozessorientierung). Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel angesetzt, an den externen Faktoren, an Menschen oder deren Objekten nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung).“ [3-32]. Somit resultiert erst aus den spezifischen Fähigkeiten und der Bereitschaft des Dienstleistungsanbieters zur Erbringung einer Dienstleistung (Potenzialorientierung) und dem Einbringen des externen Faktors durch den Dienstleistungsnachfrager als prozessauslösendes und -begleitendes Element (Prozessorientierung) ein Dienstleistungsergebnis (Ergebnisorientierung) [3-32]. Als Dienstleistungen im Industriegüterbereich, die um die eigentliche Kernleistung gruppiert werden, nennt BELZ [3-3] exemplarisch u.a.: x x x x x
Garantieleistungen Feasibility-Studien Engineering- und Projektierungsleistungen Managementverträge Kompensationsgeschäfte
Potenzial- und prozessorientierte Perspektive Die einem Kunden von einem GU-/TU-/SysBau-Anbieter angebotenen Leistungen liegen zum Zeitpunkt der Leistungsvereinbarung nur als Potenziale, d.h. als Fähigkeiten, zur Erreichung der vom Kunden definierten Leistungsziele vor; sie haben immateriellen Charakter. Die Beauftragung des Anbieters erfolgt nicht auf der Basis eines bereits realisierten Leistungsergebnisses, sondern auf der Grundlage einer Beschreibung der zu
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen
227
erbringenden Leistungen mit dem Ziel, ein Gebäude zu erstellen und ggf. zu bewirtschaften. Die Fähigkeit eines Anbieters zur Erbringung von GU-/TU- bzw. SysBau-Leistungen ergibt sich aus seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten selbst, durch Beauftragung von Dritten sowie durch die Integration des Kunden. Einzelne Leistungspotenziale bestehen dabei in der Fähigkeit zur Integration verschiedener Teilleistungsanbieter, zur schnittstellenübergreifenden Gebäudeoptimierung, zur Kosten- und Terminsteuerung, zur Abgabe von Garantieversprechen etc. Auf Seiten des Anbieters liegen die Fähigkeiten in Form von Mitarbeitern mit verschiedenen Erfahrungen und Befähigungen, definierten Prozessen und Organisationsstrukturen, dokumentiertem Know-how, verfügbarem Kapital etc. vor. Im Rahmen einer prozessorientierten Erörterung ergibt sich der Dienstleistungscharakter von GU-/TU- und SysBau-Leistungen dadurch, dass das Einbringen externer Faktoren aus dem Verfügungsbereich des Kunden ein auslösendes und begleitendes Element des Leistungserstellungsprozesses ist. Wie bereits dargestellt, weisen GU-/TU- und SysBau-Leistungen deshalb einen hohen Integrativitäts- und Individualisierungsgrad auf. Vor dem Hintergrund einer potenzial- und prozessorientierten Betrachtung besitzen GU-/TU- und SysBau-Leistungen einen weitgehenden Dienstleistungscharakter, der sich aus der zwingenden Integration externer Faktoren in den Leistungserstellungsprozess sowie aus der Tatsache ergibt, dass es sich zum Zeitpunkt der Auftragserteilung um noch nicht realisierte Leistungspotenziale handelt. Ergebnisorientierte Perspektive Nach Auffassung von MALERI [3-30] kann die Leistung eines Anbieters nicht als Prozess, sondern nur als das Ergebnis des von ihm durchgeführten Prozesses angesehen werden, denn nur Leistungsergebnisse und nicht Leistungserstellungsprozesse sind am Markt vertretbar. Er definiert Dienstleistungen als für den Absatz produzierte immaterielle Wirtschaftsgüter [3-30]. Die von einem GU-/TU- oder SysBau-Anbieter produzierten Gebäude weisen als Ergebnis des Leistungserstellungsprozesses demgegenüber einen stark materiellen und damit sachlichen Charakter auf. Vor dem Hintergrund des Resultats der Tätigkeit eines GU-/TU- oder SysBauAnbieters sind die von ihnen erbrachten Leistungen (als Ergebnis des Leistungserstellungsprozesses) somit als Sachleistungen zu verstehen. Auch besteht die Zielsetzung eines Auftraggebers, der einen solchen Anbieter beauftragt, in der Erstellung eines materiellen Leistungsergebnisses. Vor dem Hintergrund einer ergebnisorientierten Erörterung von GU-/ TU- und SysBau-Leistungen sind diese somit weitgehend als Sachleistungen zu betrachten.
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
Zusammenfassende Bewertung des Sach- bzw. Dienstleistungscharakters von GU-/TU- und SysBau-Leistungen Zur Bewertung des Dienstleistungscharakters von GU-/TU- und SysBauLeistungen ist eine differenzierte Unterscheidung vorzunehmen, je nachdem, ob potenzial-, prozess- oder ergebnisorientierte Gesichtspunkte im Vordergrund einer Definition stehen. Während das Leistungsergebnis von GU-/TU- oder SysBau-Anbietern einen starken Sachleistungscharakter aufweist, lassen potenzial- und prozessorientierte Betrachtungen die Schlussfolgerung zu, dass es sich bei ihren Leistungen um Dienstleistungen handelt.
Bild 116: Dienstleistungscharakter von ELT-, GU-, TU- und SysBau-Leistungserstellungsprozessen [3-15]
Als Arbeitsdefinition sollen im Folgenden GU-/TU- und SysBauLeistungen ihrem Leistungsergebnis entsprechend als Sachleistungen definiert werden, zu deren Erbringung Leistungserstellungsprozesse erforderlich sind, die einen hohen Dienstleistungscharakter besitzen. Für eine Untersuchung der aus der Sicht des Marketings resultierenden Implikationen einer Entwicklung von GU- und TU-Anbietern zu SysBauAnbietern sind insbesondere potenzial- und prozessorientierte Definitionsansätze von Bedeutung, denn die Entscheidung zur Beauftragung eines
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen
229
Anbieters kann immer nur aufgrund der Bewertung seines Leistungspotenzials erfolgen. Des Weiteren resultiert die Zufriedenheit eines Kunden mit der Leistungserbringung insbesondere auch aus seiner erfolgreichen Integration (als externer Faktor) in den Leistungserstellungsprozess (Management des externen Faktors). Die Entwicklung von GU- und TU-Anbietern zu SysBau-Anbietern bedeutet eine Ausweitung des Dienstleistungscharakters des Leistungserstellungsprozesses. Typologisierung hinsichtlich des Individualisierungsgrads und des Kauftyps
Nach Auffassung von PLINKE [3-41] lassen sich Kunden bzw. Auftraggeber als Quelle des Erfolgs eines Anbieters dahingehend differenzieren, dass nicht alle Anbieter diese Ressource in ihrer Bedeutung gleich einschätzen und sich im Gegenzug auch die Erwartungen der Kunden an die Anbieter unterscheiden. In Abhängigkeit von der Bedeutung dieser Erfolgsquelle, der Höhe ihrer Kosten und ihrer Substituierbarkeit definieren die Anbieter Programme, die ihre Akquisition sicherstellen sollen [3-41]. Die Gestaltung dieser Programme vollzieht sich dabei in Abhängigkeit von den beiden folgenden Typologisierungskriterien [3-1]: x Individualisierungsgrad des Leistungsangebots x Kauftyp (Einzeltransaktion/Wiederkaufsituation) Tabelle 11: Transaktionstyp und Programme der Marktorientierung [3-41], [3-1] Transaktionstyp und Programme der Marktorientierung
Dominierendes Kaufmuster
Fokus der Markterfassung des Anbieters
Einmalkaufentscheidung
Wiederholungskauf
Einzelkunde
Segmente oder Gesamtmarkt
Projektmarketing Ausrichtung des Relationship Anbieterverhaltens auf einen Marketing spezifischen Einzelkunden für einen singulären Bedarfsfall
Transaction Marketing Ausrichtung des Anbieterverhaltens auf die optimale Gestaltung der Einzeltransaktion gegenüber einem (anonymen) Markt/ Marktsegment
Key Account Marketing Ausrichtung auf einzelne (bedeutsame) Kunden, bei der eine längerfristige Geschäftsbeziehung im Vordergrund steht
Relationship Marketing Ausrichtung auf Märkte/ Marktsegmente, wobei einzelne transaktionsübergreifende Verhaltensprogramme relevant werden
230
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Je nach vorliegendem Transaktionstyp lassen sich die in Tabelle 11 dargestellten Anbieterprogramme zur Marktorientierung unterscheiden. Typologisierung nach der Integrativität und der Intensität der Geschäftsbeziehung
In Abhängigkeit von der Integrativität und der Intensität einer Geschäftsbeziehung lassen sich nach KLEINALTENKAMP [3-23] die in Bild 117 dargestellten Transaktionstypen definieren.
Intensität der Geschäftsbeziehung
Transaktionstypen hoch CommodityGeschäft
Customer IntegrationGeschäft
SpotGeschäft
Anlagengeschäft
niedrig niedrig
hoch Integrativität
Bild 117: Transaktionstypen in Abhängigkeit von der Intensität der Geschäftsbeziehung und vom Integrativitätsgrad [3-23]
Als Spot-Geschäfte werden Transaktionen bezeichnet, bei denen die getauschten Güter (Inhalte eines Austauschs) eine starke Homogenität aufweisen und der Erstellungsprozess von keiner bzw. nur einer geringen Integrativität charakterisiert ist. Spot-Geschäfte kennzeichnet ferner, dass zu ihrer Abwicklung in der Regel keine transaktionsübergreifende Geschäftsbeziehung zwischen Anbietern und Nachfragern aufgebaut wird. Transaktionen, die wie Spot-Geschäfte eine geringe Integrativität aufweisen, bei denen jedoch Geschäftsbeziehungen eine wichtige Rolle für das Marketing spielen, werden als Commodity-Geschäfte bezeichnet. Anlagengeschäfte sind demgegenüber durch einerseits eine hohe Integrativität der Leistungserstellung und andererseits eine geringe Intensität der Geschäftsbeziehung gekennzeichnet. In Abgrenzung hierzu ist dass massgebliche Merkmal von Customer-Integration-Geschäften, dass sie einerseits eine hohe Integrativität hinsichtlich ihrer Erstellung aufweisen; zum ande-
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen
231
ren etablieren sich zu ihrer Abwicklung intensive Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern [3-23]. Bei GU-/TU- und SysBau-Leistungen handelt es sich aufgrund der Integrativität um Transaktionen, die als Anlagen- bzw. Customer-IntegrationGeschäfte zu bezeichnen sind. Dabei ist es in erster Linie vom Verhalten des Auftraggebers abhängig, inwieweit er seine Nachfrage nach den entsprechenden Leistungen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen realisiert bzw. sich Verbundeffekte zwischen verschiedenen Transaktionen ergeben. Vor diesem Hintergrund können GU-/TU- und SysBau-Leistungen den entsprechenden Transaktionstypen nicht allgemein gültig zugeordnet werden. Typologisierung von Leistungseigenschaften
Die dargestellten Typologien von Leistungen und die diesbezüglichen Besonderheiten von GU-/TU- und SysBau-Leistungen haben wichtige Konsequenzen für die Nachfrager. Eine massgebliche Konsequenz ist darin zu sehen, dass ein Nachfrager im Vorfeld einer Transaktion oft nicht sicher sein kann, ob die von einem Anbieter bereitgestellte Problemlösung tatsächlich die von ihm angestrebte Kosten-Nutzen-Relation erreicht. Hieraus entsteht aus Sicht des Nachfragers eine als hoch empfundene Unsicherheit, die er dadurch zu reduzieren versucht, dass er sich problemlösungsspezifisches Wissen aneignet (z.B. durch Beauftragung eines Beraters oder Einstellung eigener Experten), um die Kosten-Nutzen-Relation eines Austauschs im Vorhinein bestmöglich bewerten zu können. [3-24] In vielen Fällen sind die Informationen zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer Transaktion jedoch erst nach Abschluss der Transaktion oder überhaupt nicht verfügbar. Die Nachfrager stehen daher dem Problem gegenüber, die Vorteilhaftigkeit eines Austauschs hinsichtlich seiner KostenNutzen-Relation im Vorfeld einer Transaktion nicht hinreichend beurteilen zu können. Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Informationen zur Beurteilung einer Transaktion ist zwischen drei Typen von Leistungseigenschaften zu unterscheiden, die in Tabelle 12 dargestellt sind.
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
Tabelle 12: Typen von Leistungseigenschaften in Anlehnung an [3-42] Typen von Leistungseigenschaften Direkte Kontrolle nach dem Kauf
Direkte Kontrolle vor dem Kauf
möglich
möglich
nicht möglich
nicht möglich
Search Qualities (Sucheigenschaften) Eigenschaften, die vom Nachfrager durch die Inspektion des Leistungsangebots bzw. eine Informationssuche bereits vor der Leistungsvereinbarung vollständig beurteilt werden können
(nicht behandelt)
Experience Qualities (Erfahrungseigenschaften) Eigenschaften, die seitens eines Nachfragers erst nach erfolgter Inanspruchnahme des Leistungsergebnisses auf der Grundlage einer Erfahrung beurteilt werden können
Credence Qualities (Vertrauenseigenschaften) Eigenschaften, die vom Nachfrager weder vor der Leistungsvereinbarung noch nach Inanspruchnahme des Leistungsergebnisses beurteilt werden können
KLEINALTENKAMP [3-24] weist darauf hin, dass die Zuordnung bestimmter Leistungseigenschaften zu den drei Kategorien nicht für alle Nachfrager in identischer Weise gilt. Vielmehr ergeben sich aus der Fähigkeit zur Beurteilung und der Möglichkeit oder Bereitschaft, die Kosten einer Leistungsbeurteilung zu tragen, nachfragerspezifische Unterschiede, beispielsweise zwischen Gelegenheitsauftraggebern und professionellen Auftraggebern von GU-/TU- und SysBau-Leistungen, denn aufgrund von Erfahrungs- und ggf. Kompetenzvorteilen fällt es professionellen Auftraggebern sehr viel leichter, das Leistungspotenzial eines Anbieters bzw. die Vorteilhaftigkeit eines Angebots einzuschätzen. Da GU-/TU- und SysBau-Leistungen Bündel verschiedener Teilleistungen sind, weisen sie in Abhängigkeit von den jeweiligen Teilleistungen sowohl Search Qualities, Experience Qualities als auch Credence Qualities auf. Wie die meisten Problemlösungen im Business-to-Business-Bereich besitzen auch GU-/TU- und insbesondere SysBau-Leistungen in vergleichsweise geringem Mass Search Qualities. Hieraus resultiert eine hohe wahrgenommene Unsicherheit für einen Auftraggeber. Die Weiterentwicklung von GU-Leistungen über TU-Leistungen hin zu SysBau-Leistungen bedeutet u.a., dass der Dienstleistungscharakter des Leistungsbündels eines Anbieters an Dominanz zunimmt. Hieraus lässt sich bereits an dieser Stelle schlussfolgern, dass bei der Vergabe von Sys-
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen
233
Bau-Leistungen aus der Sicht der Auftraggeber Experience Qualities und Credence Qualities eine gesteigerte Bedeutung bekommen werden. Der Umgang mit dem Unsicherheitsempfinden eines Auftraggebers wird daher gegenüber heute eine erhöhte Bedeutung als Erfolgsfaktor des Marketings dieser Leistungen einnehmen. Im Business-to-Business-Markt werden demzufolge Vertrauens- und Erfahrungskäufe von GU-/TU- und SysBauLeistungen in Zukunft immer relevanter werden. Typen von Transaktionsprozessen in Abhängigkeit von Informationsund Unsicherheitsproblemen
Transaktionen können zur weitergehenden Analyse der vor bzw. in ihnen auftretenden Unsicherheiten in Abhängigkeit vom Grad des Informationsund Unsicherheitsproblems für Anbieter und/oder Nachfrager typologisiert werden (Tabelle 13). Tabelle 13: Typen von Transaktionsprozessen in Abhängigkeit von Informations- und Unsicherheitsproblemen [3-24] Typen von Transaktionsprozessen
Anbieterseite
Nachfragerseite Niedriges Ausmass an Informations- und Unsicherheitsproblemen
Hohes Ausmass an Informationsund Unsicherheitsproblemen
Niedriges Ausmass an Informations- und Unsicherheitsproblemen
Sicherheitsgeschäft
Nachfragerseitiges Unsicherheitsgeschäft
Hohes Ausmass an Informationsund Unsicherheitsproblemen
Anbieterseitiges Unsicherheitsgeschäft
Beidseitiges Unsicherheitsgeschäft
Sicherheitsgeschäfte zeichnet aus, dass Anbieter und Nachfrager über die auszutauschenden Transaktionsinhalte sowie über den ihnen gegenüberstehenden Transaktionspartner vollständig informiert sind. Demgegenüber sind anbieterseitige bzw. nachfragerseitige Unsicherheitsgeschäfte dadurch gekennzeichnet, dass entweder der Nachfrager oder der Anbieter einen Informationsvorteil gegenüber seinem Transaktionspartner besitzt; im Sinn der Principal-Agent-Theorie liegt also eine Informationsasymmetrie vor. Besteht sowohl auf Anbieter- wie auch auf Nachfragerseite eine hohe transaktionsbezogene Unsicherheit, so wird dies als beidseitiges Unsicherheitsgeschäft bezeichnet [3-24]. Im Folgenden ist eine Reihe von Ursachen für auftraggeberseitige Unsicherheiten im Bereich von GU-/TU- und SysBau-Transaktionen dargestellt [3-23].
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
x Unsicherheiten resultieren aus der Integrativität der Leistungserstellung. Der Auftraggeber kann im Vorfeld nur ungenügend einschätzen, wie der Anbieter mit den aus seinem Verfügungsbereich stammenden externen Faktoren umgeht (Form und Qualität der Interaktion) und inwieweit es ihm gelingen wird, sie mit internen Faktoren erfolgreich zu einem zufrieden stellenden Leistungsergebnis zu kombinieren. x Der hohe Komplexitätsgrad von GU-/TU- und insbesondere SysBauLeistungen erschwert aus der Sicht des Auftraggebers die Bewertung der Vorteilhaftigkeit eines Angebots. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Zusammenwirken der vielfältigen Teilleistungen eines Leistungsbündels. Gegebenenfalls bestehende Informationsasymmetrien zwischen Anbieter und Auftraggeber erhöhen dabei das subjektive Unsicherheitsempfinden des Auftraggebers. x Aus Sicht vieler Auftraggeber nehmen Investitionen zur Erstellung und Nutzung von Gebäuden einen hohen Transaktionswert ein, woraus entsprechend hohe ökonomische Transaktionsrisiken resultieren. x Gebäude sind für gewerbliche Selbstnutzer als Auftraggeber häufig ein notwendiges Element im Rahmen ihrer Leistungsprozesse. Insbesondere im Bereich der betriebsnotwendigen Immobilien ist die Gestaltung eines Gebäudes eng mit der Kerntätigkeit eines Unternehmens verbunden [333] und nimmt somit einen Einfluss auf seine unternehmerische Tätigkeit sowie seine künftige Flexibilität im Bereich operativer und strategischer Entscheidungen. Die Entscheidung zur Erstellung eines Gebäudes kann also eine grosse Bedeutung für die weitere Entwicklung eines Auftraggebers einnehmen. x Gebäude gelten als ausgesprochen langlebige Wirtschaftsgüter; die Entscheidung eines Auftraggebers für die Erstellung eines Gebäudes ist somit ein langfristiges Engagement. Dies gilt besonders für Investitionen in Gebäude mit einer hohen Spezifität bezüglich der besonderen Anforderungen ihres Auftraggebers, die daher nur in begrenztem Umfang marktgängig, d.h. zu angemessenen Bedingungen veräusserbar, sind. x Die Vergabe von GU-/TU- und SysBau-Leistungen ist häufig von komplexen Entscheidungsprozessen gekennzeichnet [3-45]. Bei Anbieter und Auftraggeber sind zumeist mehrere Personen und z.T. Institutionen (externe Berater, interne Immobilienabteilung, operative Unternehmenseinheiten als spätere Nutzer, externe gewerbliche Mieter etc.) beteiligt, die über eine Vielzahl von Leistungs- sowie Preis- und Vertragsmerkmalen zu entscheiden haben (Buying-Center-Problematik). Jede Transaktion beinhaltet als Einflussfaktor auf die Höhe ihrer Kosten für einen Auftraggeber die Unsicherheit, dass sie die Anforderungen, die er an die Bewertung ihrer Vorteilhaftigkeit stellt, erfüllt bzw. nicht erfüllt.
3.7 B2B – Transaktionstypologien für Gesamtleistungen
235
Dies gilt insbesondere für Leistungen, die aufgrund ihrer Leistungseigenschaften ausgeprägte Experience und Credence Qualities aufweisen und somit im Vorfeld einer Beauftragung nur unzureichend bewertet werden können. Je grösser der Umfang eines angebotenen Leistungsbündels ist, desto höher ist seine Relevanz für den Gesamterfolg einer Gebäudeerstellung. Deshalb prüfen Auftraggeber Umstände, Inhalt, Form und Partner einer potenziellen Transaktionsbeziehung umso intensiver, je ausgeprägter der Umfang des betreffenden Leistungsbündels ist. Eine Transaktionsbeziehung mit einem Einzelleistungsträger beinhaltet vor diesem Hintergrund vergleichsweise geringe Unsicherheiten für einen Kunden, da ein Einzelleistungsträger in der Regel nur in relativ geringem Mass für den Gesamterfolg eines Projekts verantwortlich ist (geringes Transaktionsrisiko). Aufgrund der eher geringen Relevanz eines Einzelleistungsträgers für den Gesamtprojekterfolg hat die Einschätzung seines Leistungspotenzials einen entsprechend geringen Einfluss auf die Entscheidung bezüglich der Vergabe von Einzelleistungen. Daher stehen bei der Bewertung der Vorteilhaftigkeit eines Austauschs mit einem Einzelleistungsträger der Nutzen und die Kosten aus dem Vertragsgegenstand im Vordergrund. Die Erweiterung des Leistungsbündels eines GU-/TU- und besonders SysBau-Leistungsanbieters hingegen bedeutet – neben der hierdurch zunehmenden Integrativität, Immaterialität und Komplexität der Leistung – eine grössere Relevanz für den Gesamtprojekterfolg. Dementsprcchend beeinflusst die Beurteilung des Leistungspotenzials eines Anbieters die Vergabeentscheidung umso stärker, je grösser seine Bedeutung für den Gesamtprojekterfolg ist. Während Präqualifikationen zur Bewertung des Leistungspotenzials eines Einzelleistungsträgers daher eher unüblich sind, stellen sie ein häufig angewendetes Instrument zur Abschätzung des Leistungspotenzials in Frage kommender GU- und TU-Anbieter dar. Steigerung der Relevanz der Anbieterattraktivität durch Erweiterung des Leistungsbündels Die Erweiterung des angebotenen Leistungsbündels über den Aufbau von SysBau-Angeboten bedeutet folglich nicht nur, wie bis anhin vielfach angenommen, die Möglichkeit zur Differenzierung des eigenen Angebotsprogramms gegenüber den Wettbewerbern. Sie beinhaltet auch die Chance einer aus Sicht der Auftraggeber als vergaberelevant wahrgenommenen Differenzierung der Anbieter über ihr individuelles Leistungspotenzial. Viele Anbieter von GU-/TU-Leistungen nehmen für sich in Anspruch, über ein besonders hohes Leistungspotenzial zu verfügen, und bedauern gleichzeitig, dass diese Art der Differenzierung bis anhin, d.h. bei Einzel-
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
und Generalleistungsvergaben, einen zu geringen wettbewerbswirksamen Einfluss auf die Vergabeentscheidung vieler Auftraggeber ausübt. Die Entwicklung zum Systemanbieter Bau (SysBau) beinhaltet daher, neben einer möglichen Wettbewerbsdifferenzierung über neue Leistungsinhalte, aufgrund des individuellen, anbieterbezogenen Leistungspotenzials auch die Chance zur verstärkten Profilierung gegenüber den Auftraggebern (Bild 118). Einfluss des Umfangs des Leistungsbündels auf die Relevanz der Bewertung des Leistungspotenzials Umfang des angebotenen Leistungsbündels grosser Umfang
hohe Relevanz geringe Relevanz
Relevanz der Bewertung des Leistungspotenzials
geringer Umfang
SysBau Profilierungspotenzial TU
GU ELT
Bild 118: Einfluss des Umfangs des Leistungsbündels auf die Relevanz seiner Bewertung [3-46]
3.8 B2B – Leistungsbündel für Gesamtleistungsanbieter GU-/TU- und SysBau-Leistungen stellen von ihrer Charakteristik her keine Einzelleistungen dar, sondern eine Kombination verschiedenartiger Teilleistungen. Es handelt sich bei ihnen somit um Leistungsbündel, die zur Lösung eines individuellen Auftraggeberproblems zusammengestellt werden [3-24]. Generalunternehmerleistungen als Leistungsbündel Generalunternehmer werden in der Regel auf der Grundlage eines Einheitspreisvertrags mit Kostendach bzw. eines Pauschalvertrags tätig. Als
3.8 B2B – Leistungsbündel für Gesamtleistungsanbieter
237
wichtiges Charakteristikum ihrer Leistung bieten sie einem Auftraggeber somit zumeist eine Garantie der maximalen Kosten ihrer Leistungen. Hinzu kommt in den meisten Fällen eine Garantie des Fertigstellungstermins. Darüber hinaus integrieren sie innerhalb ihres Vertragsverhältnisses mit einem Auftraggeber eine Vielzahl baulicher Teilleistungen, für die dieser bei einer Projektorganisation mit Einzelleistungsträgern jeweils separate Verträge hätte abschliessen müssen. Die von einem Generalunternehmer abgegebenen Garantien erstrecken sich somit über eine Vielzahl baulicher Teilleistungen. Da deren Integration in den Verantwortungsbereich des Generalunternehmers fällt, ist er vor dem Hintergrund der von ihm abgegebenen Garantien für die Koordination untereinander verantwortlich. Als einen weiteren wichtigen Leistungsinhalt übernimmt er somit die Schnittstellenkoordination der ihm in der Projektorganisation nachgeschalteten Leistungsanbieter. Der Bündelcharakter von Generalunternehmerleistungen resultiert somit aus der Summe der integrierten Einzelleistungen, der Koordination dieser Leistungen sowie den seitens eines Generalunternehmers abgegebenen Garantien. Totalunternehmerleistungen als Leistungsbündel Totalunternehmer bieten wie Generalunternehmer in der Regel Garantien für Kosten und Fertigstellungstermin ihrer Leistungen; die Integration und Koordination verschiedener Einzelleistungen ist ein weiterer, wichtiger Bestandteil der von ihnen erbrachten Kernleistungen. Der entscheidende Unterschied ist allerdings die Erweiterung des Leistungsbündels um Leistungen aus dem Bereich der Gebäudeplanung. Hieraus ergibt sich u.a. das Erfordernis der Koordinierung und Optimierung von Planungs- und Ausführungsleistungen untereinander im Hinblick auf eine optimierte Gebäudeerstellung. Totalunternehmerleistungen bedeuten somit gegenüber Generalunternehmerleistungen eine quantitative und qualitative Erweiterung des Leistungsbündels. SysBau-Leistungen als Leistungsbündel Durch den Einbezug des Managements eines Gebäudes in den Leistungsumfang eines Systemanbieters ergibt sich gegenüber Totalunternehmerleistungen eine Erweiterung der integrierten Teilleistungen. Darüber hinaus resultiert daraus u.a. eine Erweiterung der abgegebenen Garantien (in Abhängigkeit von der jeweiligen Vertragsgestaltung, z.B. Leistungskennwerte, Kosten- und Termingarantien über alle Bauprozessphasen) sowie der seitens des Systemanbieters geleisteten Schnittstellenkoordination. Die Koordination und die Optimierung der integrierten Teilleistungen beziehen sich dabei auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bzw. auf die
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
zwischen dem SysBau-Anbieter und dem Auftraggeber vereinbarte Vertragslaufzeit. Darüber hinaus entwickelt der SysBau seine Projekterfahrungen unter projektbezogenem und projektübergreifendem Wettbewerbsdruck mithilfe eines innovativen und lernenden Konzepts ständig weiter. Er optimiert somit sein Life-Cycle-Konzept und kann auf der Basis seines Erfahrungspotenzials eine tendenziell höhere Leistungsfähigkeit aufweisen als Einzelleistungsträger, General- oder Totalunternehmer. Das Leistungsbündel eines SysBau-Anbieters im Bereich des Gebäudemanagements umfasst die in Tabelle 14 aufgeführten Teilleistungen. Gegenüber Totalunternehmerleistungen stellen Systemanbieterleistungen somit wiederum eine Erweiterung des Leistungsbündels in quantitativer und qualitativer Hinsicht dar. Tabelle 14: Inhalte des Leistungsbündels „Gebäudemanagement“ eines SysBauAnbieters (in Anlehnung an [3-54])
Dimensionen von Leistungsbündeln Der „Bündel“-Charakter von GU-/TU- und SysBau-Leistungen beinhaltet weitreichende Konsequenzen für deren Vermarktung. Zur weitergehenden Analyse der Konsequenzen lassen sich im Allgemeinen drei Dimensionen von Leistungsbündeln unterscheiden (Tabelle 15).
3.8 B2B – Leistungsbündel für Gesamtleistungsanbieter
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Tabelle 15: Dimensionen von Leistungsbündeln [3-24] Dimensionen von Leistungsbündeln Leistungspotenzial
Fähigkeit und Bereitschaft eines Anbieters zum Anbieten und Generieren einer Problemlösung für einen Nachfrager
Leistungserstellungsprozess
Aktivierung eines vorhandenen Leistungspotenzials zur Erstellung des Leistungsergebnisses unter der Einbeziehung interner und externer Faktoren (Integrativität)
Leistungsergebnis
Ergebnis des Leistungsprozesses, das die eigentliche Nutzenstiftung für einen Nachfrager beinhaltet
Leistungen von GU-/TU- und SysBau-Anbietern sind wegen der Vielzahl der in ihnen enthaltenen Teilleistungen als Leistungsbündel zu verstehen. Als verschiedene Dimensionen von Leistungsbündeln sind das Leistungspotenzial (als Fähigkeit zur Leistungserbringung), der Leistungserstellungsprozess und das eigentliche Leistungsergebnis anzusehen. GU-/TUund SysBau-Leistungen sind entsprechend dem durch sie geschaffenen Leistungsergebnis (Gebäude) als Sachleistungen zu bewerten, zu deren Realisierung Leistungsprozesse erforderlich sind, die einen hohen Dienstleistungscharakter haben. Die Weiterentwicklung von GU-/TU-Leistungen zu SysBau-Leistungen bedeutet, dass der Dienstleistungscharakter des Leistungserstellungsprozesses zunehmende Bedeutung erlangt. Transaktionen lassen sich in der allgemeinen Marketingforschung nach ihrer Integrativität, ihrem Interaktionsgrad, ihrem Individualisierungsgrad, ihrem Immaterialitätsgrad und dem ihnen zugrunde liegenden Kaufmuster unterscheiden. Die Weiterentwicklung von GU- zu TU- und SysBauLeistungen bewirkt insbesondere, dass der Leistungserstellungsprozess von einer zunehmenden Integrativität gekennzeichnet ist, d.h. der Auftraggeber ist durch eine vermehrte aktive oder passive Beteiligung an der Erstellung des Leistungsergebnisses beteiligt. Zugleich weist die erbrachte Leistung einen zunehmend immateriellen Charakter auf. GU-/TU- und SysBau-Leistungen besitzen als Bündel verschiedener Teilleistungen Eigenschaften, die ein Auftraggeber schon vor der Auftragsvergabe, erst nach der Auftragsvergabe oder überhaupt nicht bzw. nur unter entsprechendem Aufwand hinreichend bewerten kann. Neben der Komplexität der Leistungsbündel von GU-/TU- und SysBau-Anbietern und anderen Faktoren resultiert hieraus eine wahrgenommene Unsicherheit für die Auftraggeber. Die Erweiterung des Leistungsbündels von GU-/TUAnbietern zu SysBau-Anbietern bewirkt dabei eine zunehmende Unsicherheit der Auftraggeber bezüglich der Frage, ob ein Anbieter aufgrund seines Leistungspotenzials in der Lage ist, die von einem Auftraggeber angestreb-
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
te Problemlösung auch zu erreichen. Hierdurch steigt mit zunehmendem Umfang des von einem Anbieter erbrachten Leistungsbündels auch die Relevanz der Bewertung seines Leistungspotenzials für die Vergabeentscheidung eines Auftraggebers. Die Entwicklung von SysBau-Leistungen eröffnet den Anbietern daher auch die Chance, sich über ihr Leistungspotenzial massgeblich zu profilieren; sie differenzieren sich über ihre grundsätzliche Fähigkeit, die vom Auftraggeber angestrebte Problemlösung zu erreichen.
3.9 Instrumente des Baumarketing-Mix Marketing-Mix = Kombination aus den Marketinginstrumenten, die das Unternehmen zur Erreichung seiner Marketingziele auf dem Zielmarkt bzw. innerhalb eines strategischen Geschäftsfelds einsetzt (in Anlehnung an [3-31]).
Mitwirkende der Handelswelt
Zielkunde
d un llr o em nt st Ko sy g gs t in un ke er ar t eu s
M un ar d ke -d tin ur g ch O fü rg h r an un is g s at i s y on st sem
I n Ma fo r k r e sy ma tin st tio g em n Distribution s-
Technologisch umweltpolitisches Umfeld
Interessensgruppen
g m t in st e ke y ar ss M u ng Preis an Pl
Produkt
M
Lieferanten
Demografischökonomisches Umfeld
Absatzförderung
Politischrechtliches Umfeld
Konkurrenten
Soziokulturelles Umfeld
Bild 119: Einflussfaktoren auf den markt- und kundenspezifischen MarketingMix
Aufbauend auf den Resultaten der durchgeführten Marktsegmentierung erfolgt die Entwicklung eines komplexen Marketing-Mix (4P), in dem ver-
3.9 Instrumente des Baumarketing-Mix
241
schiedene Ansatzpunkte zur Formulierung der strategischen Ziele gegenüber den Auftraggebern als Kunden der Bauwirtschaft entwickelt werden. Die Einflussfaktoren auf den Marketing-Mix sind in Bild 119 dargestellt. Marktforschung Gestaltung
Gewährleistung
Angebotspreis
Produktorientierte Ausführungs- Ansatzpunkte Image
Target Costing
qualität
Ausstattungsstandards
Zahlungsfristen
Preisorientierte Ansatzpunkte
Design to Cost
Nachlässe
Finanzierung
Bau-Marketing-Mix
Werbung
Public Relations
Marktabdeckungsgrad
Internet Logistik
Akquisitionsförderung Mailing
Unternehmensimage
Marktpräsenz
Platzierung der Niederlassungen
Persönliche Kontaktnetze
Zielmarkt
Bild 120: Baumarketing-Mix
Produktorientierte Marketinginstrumente
Produktorientierte Ansatzpunkte beziehen sich auf die Leistung selbst, wobei die Leistung als Ganzes unter Einbeziehung von Dienstleistungsanteilen verstanden wird. Ausgeweitete Gewährleistungsangebote können beispielsweise als Möglichkeit verstanden werden, gegenüber einem möglichen Auftraggeber das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Neben dem Angebot von Preis- und Termingarantien steht gerade die technische und gestalterische Bauwerksqualität als wichtigster Teil der Gesamtleistungsqualität im Fokus des Kundeninteresses. Zur Ausweitung der Nutzersicherheit besteht innerhalb eines Lösungswettbewerbs als weiterer konkurrenzunterscheidender Ansatz die Möglichkeit, dem Bauherrn die innerhalb einer bestimmten Nutzungsperiode anfallenden Kosten für Unterhalt, Instandsetzung und Betrieb eines Gebäudes zu garantieren. Das Bauunternehmen bietet dem Investor damit eine hohe Kostensicherheit; für diesen verbleibt als der von ihm beeinflussbare unternehmerische Unsicherheitsfaktor die Höhe der erzielbaren Einnahmen. Ein Bauunternehmen darf die Befriedigung des Sicherheitsbedürfnisses seiner Kunden nicht als unangenehme Übernahme zusätzlicher Risiken
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
verstehen, sondern muss sie als Chance zur Abgrenzung gegenüber Wettbewerbern und zur Gewinnung des Kundenvertrauens erkennen. Risiken, deren Ursprung im Einflussbereich des Bauunternehmens liegt, müssen auch folgerichtig von ihm übernommen werden, besonders, wenn es sich um TU-/GU-Leistungen handelt, die sich zur Entlastung der Bauherren von für sie atypischen Risiken etabliert haben. Preisorientierte Marketinginstrumente
Der Preis einer Bauleistung wird trotz aller Bemühungen um Differenzierung immer einer der wichtigsten Gesichtspunkte der Auftragsvergabe sein. Als Investitionskostenanteil bestimmt er neben anderen Faktoren massgeblich die Wirtschaftlichkeit für den Bauherrn bzw. den Nutzer. Neue Möglichkeiten im Rahmen der Preisgestaltung ergeben sich durch die fortgesetzte Verbreitung von Gesamtleistungswettbewerben, bei denen neben dem Preiswettbewerb auch die Qualität der angebotenen Lösung dem Wettbewerb unterzogen wird. Hier müssen sich die Bauunternehmen von der traditionellen Vorgehensweise bei der Preisgestaltung lösen. Bis anhin wurden Bauleistungen vielfach vornehmlich alleine zu einem Preis angeboten, der auf einer Kosten-plus-Gewinn-Basis ermittelt wurde. Art sowie Menge der anzubietenden Leistung waren fest definiert; der Preis folgte der Leistung. Auf der Grundlage der Kundenanforderungen und Preisbereitschaften sind nun funktionsübergreifend marktgerechte Gesamtleistungen zu konzipieren, die innerhalb des vom Markt akzeptierten Preis-Kosten-Rahmens liegen. Dies ist der Grundgedanke des Target Costing. Die traditionelle Frage, was ein Bauprojekt kosten wird, wird durch die Frage, was ein Bauprojekt kosten darf, abgelöst. Im Mittelpunkt stehen nicht mehr das bautechnisch Machbare, sondern die gezielten Vorgaben aus dem Markt, d.h. die Anforderungen der Kunden und ihre Preisbereitschaften. Aus der traditionellen Kosten-plus-Gewinn-Kalkulation wird eine Preisminus-Gewinn-Kalkulation zur Bestimmung der maximalen Projektkosten. Qualität und Preis befinden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis. Marketinginstrumente zur Akquisitionsförderung
Entwicklung eines eigenen Marktimages Die Entwicklung eines eigenen Marktimages kann als eine Identifikationsebene für die Bauherrenbedürfnisse verstanden werden und soll nach aussen die Leistungsfähigkeit des eigenen Unternehmens dokumentieren. Zur Darstellung der Gesamtheit der angebotenen Leistung muss diese Ebene
3.9 Instrumente des Baumarketing-Mix
243
sich sowohl auf das fertige Produkt Bauwerk als auch auf den Dienstleistungsanteil erstrecken. Der Aufbau einer segmentbezogenen Reputation, die die Vormachtstellung des eigenen Unternehmens im Zielmarkt unterstreicht, dient der verbesserten Kundenkommunikation. Potenzielle Bauherren sollen sich zur Lösung ihrer speziellen Bauaufgabe frühzeitig an einen ihnen bekannten, kompetenten Anbieter wenden können; im Idealfall verbinden sie die nachgefragte Leistung gedanklich automatisch mit ihm. Je nach den individuellen Erfordernissen der bedienten Zielmärkte ist beim Aufbau eines Marktimages abzuwägen, ob dieses sich jeweils auf die einzelnen Zielmarktaktivitäten oder das Unternehmen als Ganzes beziehen soll. In jedem Fall ist bei den Bemühungen zum Aufbau eines Marktimages an die vorhandene, bei den Kunden vorgeprägte Reputation des Unternehmens anzuknüpfen. Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) Das Bild eines Bauunternehmens im Markt entsteht nicht nur durch die objektive Qualität der Leistungen, die es anbietet; ebenso entscheidend sind die subjektiven Vorstellungen, die der einzelne Auftraggeber mit einem Unternehmen verbindet. Die Bewertung von Bau- und Dienstleistungsangeboten stellt sich für den potenziellen Kunden, der noch keine persönliche Erfahrung mit einem Bauunternehmen hat, ausschliesslich über die Kommunikation des Unternehmens bzw. dessen Reputation her. Die Kontaktpflege mit den verschiedenen, meist regionalen Medien oder Fachzeitschriften gehört zu den vorrangigen Aufgaben der PR-Anstrengungen von Bauunternehmen. Im Gegensatz zur Werbung basiert die Öffentlichkeitsarbeit auf einer kontinuierlichen Strategie, die nicht unmittelbar zur Akquisition von Bauaufträgen führt. Sie umfasst die Pflege der Beziehungen zwischen Unternehmen, Personen oder Institutionen und einer für sie wichtigen Öffentlichkeit. Durch Darstellung der angebotenen Bau- und Dienstleistungen in der Öffentlichkeit soll ein Klima des Vertrauens und Einverständnisses geschaffen werden, das vor allem den langfristigen Zielen des Unternehmens förderlich ist. Von immer grösserer Bedeutung sind dabei auch soziale und ökologische Verantwortung sowie Offenheit und Ehrlichkeit bei der Präsentation des Unternehmens. Öffentlichkeitsarbeit ist gerade in Krisenzeiten ein wesentlicher Faktor, um negativen Imagebildungen entgegenzuwirken. Eine seriöse PR-Arbeit kann dahingehend wirken, dass auf negative Meldungen verzichtet wird bzw. eine einseitige Betrachtung gewisser Ereignisse, z.B. Arbeitsunfälle, Umweltbeeinflussung, Bauverzögerungen oder Baukostensteigerungen, unterbleibt. Auch Rationalisierungsmassnahmen wie Unternehmenszu-
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
sammenschlüsse oder die Aufgabe strategischer Geschäftsfelder ziehen Ereignisse nach sich, die die Identität eines Bauunternehmens stark beeinflussen. Der Kommunikation im Betrieb, die vor allem auch die Motivation und Vertrauensbildung der Mitarbeiter erreichen soll, kommt dabei ein ebenso hoher Stellenwert zu wie der Übermittlung des Unternehmensimages nach aussen. Aufgabe der unternehmensinternen Öffentlichkeitsarbeit ist es, zur Veröffentlichung geeignete Informationen durch innerbetriebliche Recherchen zu liefern. Projekt- und Bauleiter werden beispielsweise aufgerufen, Zeitungsartikel über ihre Baustellen zu verfassen, die anschliessend das Image des Bauunternehmens mit der positiven Darstellung eines Projekts verbinden sollen. Viele Unternehmen verfassen zu diesem Zweck sogar eigene Publikationsmittel, z.B. Projektprospekte. Als schnelle Erfolgskontrolle für die Public-Relations-Arbeit von Unternehmen setzt sich immer mehr eine Methode durch, bei der kurzerhand gezählt wird, wie viele Male innerhalb eines Quartals ein Unternehmen in den Medien erwähnt wird, wobei natürlich nach positiven und negativen Nennungen unterschieden wird. Wie aber muss PR-Arbeit generell angelegt sein, wenn sie langfristig Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Sympathie für ein Unternehmen bzw. ein Leistungsangebot aufbauen will: 1. Aktiv und initiativ Öffentlichkeitsarbeit muss aus eigenem Antrieb heraus durchgeführt werden; sie muss agieren statt reagieren. PR muss selbst Anstösse geben, statt von aussen angestossen zu werden; nur dann kann sie Glaubwürdigkeit erzeugen. Wer reagiert, steht in der Defensive, und aus dieser Position heraus ist es wesentlich schwieriger, die Zügel wieder in die Hand zu nehmen. 2. Offensiv Nur wer seine Öffentlichkeitsarbeit mit voller Energie und Selbstbewusstsein anlegt, hat Erfolg. 3. Dialogorientiert Der Dialog mit den meinungsbildenden Zielgruppen muss gesucht und kontinuierlich geführt werden, da sie massgeblichen Einfluss auf das Bild eines Unternehmens in der öffentlichen Meinung haben. 4. Partnerschaftlich Grundlegend für das partnerschaftliche Verständnis von Kommunikation ist das Akzeptieren des Gegenübers als gleichwertig und gleichberechtigt. Hierzu gehört auch, Ängste in der Bevölkerung nicht als „emotionale Ausbrüche“ oder als Panikmache abzuwerten.
3.9 Instrumente des Baumarketing-Mix
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5. Wahrheitsgetreu Ganz elementar für die Kommunikation ist, dass vermittelte Botschaften der Wahrheit entsprechen müssen. Wer nicht die Wahrheit sagt, wird über kurz oder lang als unseriöser Gesprächspartner entlarvt. Über Risiken, Schwächen und Nachteile muss genauso ehrlich informiert werden wie über die Vorteile. Natürlich kostet die Umsetzung eines auf dieser Grundlage formulierten Kommunikationsprogramms Geld, und häufig erfolgt der „Return on Investment“ nicht unmittelbar, sondern eher mittelbar und zeitversetzt, doch ohne Kommunikation gibt es keine Orientierung im Markt. Wer beim Thema Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit vorrangig an schnellen Ergebnissen und kurzfristigem Investitionsumschlag interessiert ist, wird langfristig kaum erfolgreich sein. Ein dauerhafter Aufbau von Vertrauen und Glaubwürdigkeit ist nur auf der Basis langfristiger Beziehungen und Aktivitäten realisierbar, die in der Regel einen – zum Teil durchaus auch längeren – Investitionsvorlauf erfordern. Die Öffentlichkeitsarbeit gehört zu den wirksamsten Instrumenten des Marketing-Mix, da sie die Meinung, die man sich über ein Unternehmen bildet, beeinflusst. Sie kann wie folgt an die potenziellen Kunden getragen werden: Mailings Das so genannte Direktmarketing, also die direkte, unmittelbare Ansprache des potenziellen Kunden, setzt zum Erfolg einen Bestand an zuverlässigen Adressen voraus. Um auch einzelne kleinere Marktsegmente bearbeiten zu können, müssen die Adressen der potenziellen Auftraggeber nach einer Vielzahl von Kriterien unterteilt erhältlich sein. Die meisten Bauunternehmen haben heute im Rahmen ihrer elektronischen Datenverarbeitung ein gemeinsames Adressenverzeichnis für Auftraggeber, Subunternehmer sowie Lieferanten. Zur Erstellung einer für Marketingzwecke geeigneten Datei sind solche Adressenverzeichnisse mit zusätzlichen Attributen zu versehen, z.B. einer Unterteilung nach Kunden, Lieferanten, Tätigkeitsbereichen, öffentlichen oder privaten Auftraggebern. Werbung Fachzeitschriften, regionale und überregionale Zeitungen sind – verbunden mit eigenen Publikationen sowie einer Homepage – für Bauunternehmen die wichtigsten allgemeinen Werbemedien. Bauspezifische Bedeutung haben insbesondere Bauschilder und Aufkleber auf Bauinventar. Jedes Medium hat seine spezifischen Vorteile. Zeitungen und Zeitschriften beispielsweise können die Bekanntheit eines Unternehmens steigern. Damit lassen sich individuelle Zielgruppen ansprechen. Zeitungen sind auch das richtige Medium, um eine kontinuierliche Präsenz aufzubauen;
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
ausserdem können sie komplexe Sachverhalte gut kommunizieren. Trotz der Vielfalt der neuen Medien sind die klassischen Medien wie Tageszeitungen und Zeitschriften gleich bleibend attraktiv. Internet als Marketinginstrument Neben anderen Medien hat sich in der letzten Zeit das Internet als Informationsmedium etabliert. Auch Bauunternehmen bietet es als Instrument des Marketings verschiedenen Möglichkeiten. Einen Schwerpunkt des Interneteinsatzes bildet dabei bisher die Kommunikationspolitik, daher ist sicherlich eine Hauptaufgabe eines Internetengagements in der Öffentlichkeitsarbeit (PR) zu sehen. Für ein Bauunternehmen wirkt eine eigene Homepage an sich schon imagefördernd. Sie bietet die Gelegenheit, sich vom oft vorherrschenden Eindruck einer gewissen Rückständigkeit der Bauwirtschaft gegenüber anderen Industrien zu distanzieren. Die Internetadresse sollte daher in Briefbögen, Anzeigen etc. integriert werden. Vereinzelt sieht man bereits Baumaschinen oder Baucontainer mit einem Verweis auf die Homepage des Unternehmens. Bauunternehmen informieren bisher über das Internet über ihr Leistungsprogramm, stellen Referenzprojekte vor, weisen Stellenangebote aus oder machen Angaben über die Geschäftsentwicklung. Das Online-Marketing kann in der Regel für Bauunternehmen nicht als Ersatz ihres traditionellen Marketings betrachtet werden, sondern vielmehr als sinnvolle Ergänzung. Bei der Konzipierung eines Marketing-Mix sollte grundsätzlich das Internet als Marketinginstrument berücksichtigt werden, da es als Instrument der Kommunikationspolitik (PR, Verkaufsförderung, Werbung) von einer auch für Bauunternehmen relevanten Bedeutung ist; sein Nutzen für das Marketing eines Bauunternehmens ist aber mit der gebotenen Differenzierung zu betrachten. Marktpräsenz als Marketinginstrument
Im Bereich der Marktpräsenz ist eine grösstmögliche Kundennähe in dem mittels Marktsegmentierung evaluierten Zielmarkt anzustreben. Entscheidend ist hier neben der geografischen insbesondere die gedankliche Nähe zwischen Akquisition und Kunden. Die Bauunternehmen verwenden besondere Anstrengungen darauf, ihre Kundenzielgruppe bestmöglich zu erreichen. Herstellungsorientierte und kostenträchtige Niederlassungen beschränken sich im Allgemeinen auf die nachfragedominanten Ballungsgebiete, während in den Randbereichen schlanke, dezentrale Vertriebsbüros eingerichtet werden. Ihre Aufgabe besteht darin, hergestellte Kundenkontakte zur fachgerechten Bedienung an die zuständigen Ansprechpartner in den
3.9 Instrumente des Baumarketing-Mix
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Niederlassungen weiterzuleiten und dem Kunden während einer Projektabwicklung als persönlicher Betreuer zur Seite zu stehen. Systematisierung der Auftragsakquisition und Kunden-AnbieterBeziehung
Bauleistungen lassen sich gegenüber den Wettbewerbern entsprechend dem gesteigerten Anteil von Dienstleistungen differenzieren. Die Kenntnis der Zielsetzungen des Kunden tritt bei der Formulierung des Angebots in den Vordergrund. Aufgrund der durch das Angebot kundenorientierter Komplettlösungen intensivierten Beziehung zwischen Kunde und Unternehmen gewinnen Vertrauensqualitäten wie z.B. Image, Erscheinungsbild und Auftreten des Anbieters zunehmend Gewicht und sind im Rahmen des Zielmarketings verstärkt zu berücksichtigen. Auf dem Gebiet der Auftragsakquisition müssen die Unternehmen ihre Anstrengungen zur Eigendarstellung noch verstärken, um die erarbeiteten Leistungserweiterungen im Blickfeld der Kunden gegenüber den Wettbewerbern abzugrenzen. Neben der Systematisierung der Public-RelationsAktivitäten ist es insbesondere wichtig, vorhandene Kundenkontakte systematisch zu erfassen und als einen wichtigen Teil des Betriebskapitals ihrer Bedeutung entsprechend zu bewirtschaften. Sie müssen in einem Marketingjahresplan durch Besuche, Firmenevents etc. gepflegt werden, um Entwicklungen beim Kunden und in seinem Umfeld erkennen und entsprechend frühzeitig darauf reagieren zu können. Kundenkontake dürfen nicht länger persönlicher Besitz einiger Führungskräfte sein, sondern müssen, auch wenn sie auf zwischenmenschliche Kommunikation gründen, für das gesamte Unternehmen erschlossen werden; eine Aufgabe, die in erster Linie von den Kundenbetreuern in den Vertriebsstellen umzusetzen ist. Insbesondere wichtige Schlüsselkunden sind im Rahmen eines professionellen Key Account Managements entsprechend ihrer Relevanz für den Unternehmenserfolg individuell zu betreuen. Besonders Unternehmen mit einer von privatrechtlichen Auftraggebern geprägten Kundenstruktur müssen den auf Seiten der Key Accounts bestehenden Entscheidungsspielraum optimal für den eigenen Akquisitionserfolg nutzen.
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3 Marketingprozess für Bauleistungen
3.10 Positionierungsgesichtspunkte für Gesamtleistungsanbieter 3.10.1 Vergabekriterien Zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit eines Austauschs vergleichen Auftraggeber seine Kosten- und Nutzenelemente dahingehend, dass aus ihrer subjektiven Sicht die Nutzenelemente die Kostenelemente übersteigen. Zur Auswahl eines Anbieters stellen sie dabei die Vorteilhaftigkeit verschiedener vorliegender Austauschalternativen gegenüber. Neben der Vorteilhaftigkeit aus Nutzen und Kosten des Vertragsgegenstands bestimmen auch die Transaktionskosten und der Transaktionsnutzen (Wert der Durchführung des Austauschs) sowie Kosten und Nutzen aus der Folgewirkung eines Austauschs die Vorteilhaftigkeit einer Austauschalternative. Im Folgenden werden die Kriterien, die Auftraggeber zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit einer Vergabe von GU-/TU- bzw. SysBau-Leistungen anlegen, als Vergabekriterien bezeichnet. Kosten- und Nutzenelemente aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands als Vergabekriterium
Bei Generalunternehmervergaben ergibt sich die Höhe der Kosten aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands zum Zeitpunkt der Vergabe aus dem Vergleich der vorliegenden Angebotspreise. Da alle Angebote sich auf denselben, auftraggeberseitig beschriebenen Vertragsgegenstand beziehen, gibt es keine Unterschiede hinsichtlich des Nutzens des Vertragsgegenstands. GU-Vergaben erfolgen daher hinsichtlich ihrer Kosten- und Nutzenelemente aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands vornehmlich nach dem Vergabekriterium des niedrigsten Angebotspreises. Es herrscht ein weitestgehender Preiswettbewerb. Demgegenüber ergibt sich bei Totalunternehmervergaben, die die Erstellung eines Vorprojekts beinhalten, der Nutzen durch die Bereitstellung des Vertragsgegenstands (z.B. schlüsselfertiges Gebäude) aus dem angebotenen Entwurf der baulichen Lösung. Der Wert aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands resultiert bei der Vergabe von TU-Aufträgen daher für den Auftraggeber sowohl aus dem von einem Anbieter eingereichten Angebotspreis als auch aus dessen Lösungsangebot. Es herrscht ein PreisLeistungs- bzw. Leistungswettbewerb.
3.10 Positionierungsgesichtspunkte für Gesamtleistungsanbieter
249
Kosten- und Nutzenelemente aus der Durchführung des Austauschs (Transaktion)
Aus der Sicht der Auftraggeber unterliegen die Spezifität und die Häufigkeit ihrer Auftragsvergaben weitestgehend ihrem eigenen Einfluss. Unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskostenminimierung verbleibt daher die mit einer Auftragsvergabe verbundene Unsicherheit als wichtigstes Vergabekriterium. Da Auftraggeber die Vergabe von GU-/TU-Leistungen als Unsicherheitsgeschäft betrachten, versuchen sie zur Reduzierung der Unsicherheitselemente eines Austauschs, das Leistungspotenzial eines Anbieters im Vorhinein bestmöglich abzuschätzen. Aufgrund der Immaterialität von GU-/TU- und SysBau-Leistungen sowie der erforderlichen Kundenintegration handelt es sich beim Marketing dieser Leistungen im eigentlichen Sinn um das Marketing von Leistungspotenzialen. Die Leistung eines GU-/TU- bzw. SysBau-Anbieters ist zum Zeitpunkt seiner Beauftragung durch den Auftraggeber noch nicht erstellt; sie liegt in Form eines immateriellen Leistungsversprechens vor. Dieses Leistungsversprechen bezieht sich auf die erfolgreiche Durchführung eines Leistungserstellungsprozesses (Planung und Ausführung) zur vertragsgemässen Erstellung des Leistungsergebnisses (z.B. schlüsselfertiges Gebäude). Entscheidender Erfolgsfaktor für das Marketing von GU-/TU- und SysBau-Anbietern ist somit die Kenntnis und Umsetzung der Kriterien, nach denen Auftraggeber ihr Leistungspotenzial bewerten. Relevanz der Bewertung des Anbieterleistungspotenzials im Vergabeprozess
Im Vorfeld bzw. zu Beginn eines Vergabeprozesses muss ein Auftraggeber sich die Frage stellen, welche Anbieter er in diesen Prozess integrieren möchte. Zur Evaluation geeigneter Anbieter findet man in der Praxis in erster Linie die folgenden Modelle vor: x Professionelle Auftraggeber, die häufig bauen, führen oft eigene Listen, auf denen die Anbieter verzeichnet sind, die aufgrund ihrer allgemeinen Leistungsfähigkeit grundsätzlich für eine Vergabe in Frage kommen. Anbieterlisten, die unabhängig von einem konkreten Projekt in einer Auftraggeberorganisation gepflegt werden, beziehen sich somit ausschliesslich auf das Leistungspotenzial eines Anbieters, soweit es sich im Vorfeld eines Vergabeprozesses bewerten lässt. x Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Durchführung eines zweiphasigen Wettbewerbsverfahrens mit einer Präqualifikation, in der pro-
250
3 Marketingprozess für Bauleistungen
jektbezogen geeignete Anbieter hinsichtlich ihres Leistungspotenzials evaluiert werden. Im Rahmen einer quantitativen Auftraggeberbefragung [3-46] interviewte Auftraggebervertreter waren zu ca. 81 % der Auffassung, dass auch nach erfolgter Präqualifikation die Bewertung des Leistungspotenzials eines Anbieters einen Einfluss auf ihre Vergabeentscheidung ausübt; 18 % bezeichneten diesen Einfluss sogar als hoch. Dabei lässt sich festhalten, dass zwischen den Angaben der im Rahmen der Umfrage differenzierten Auftraggeberarten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Einflusses der Bewertung des anbieterseitigen Leistungspotenzials nach erfolgter Präqualifikation bestehen (Bild 121). Einfluss der Anbieterbewertung auf die Vergabeentscheidung nach erfolgter Präqualifikation Auftraggeber (total) Auftraggeber (total, nach Bauvolumen gewichtet) öffentliche Auftraggeber private Auftraggeber (total) private Auftraggeber (gewerbliche Selbstnutzer) private Auftraggeber ( institutionelle Investoren ) 0% kein Einfluss
Einfluss vorhanden
20 %
hoher Einfluss
40 %
60 %
80 %
100 % N=108
Bild 121: Einfluss der Anbieterbewertung nach erfolgter Präqualifikation auf die Vergabeentscheidung, differenziert nach Auftraggeberarten [3-46]
Die vielfach vorherrschende Annahme, dass die Bewertung des Leistungspotenzials im Rahmen eines Vergabeprozesses durch eine Präqualifikation von der endgültigen Vergabeentscheidung abgekoppelt wird, kann daher als nicht zutreffend bezeichnet werden. Gesichtspunkte zur Bewertung des Leistungspotenzials sind somit im GU-/TU-Geschäft als Erfolgsfaktoren zu bewerten, deren Erfolgswirkung über eine Präqualifikation zur Vorauswahl in Frage kommender Anbieter hinausgeht. Sie beeinflussen bei der Bewertung der Nutzen- und Kostenelemente eines Austauschs massgeblich die Vergabeentscheidung eines Auftraggebers.
3.10 Positionierungsgesichtspunkte für Gesamtleistungsanbieter
251
Es ist festzustellen, dass die Beurteilung des Leistungspotenzials eines Anbieters umso bedeutender für die Präferenzbildung bei der Vergabeentscheidung eines Auftraggebers ist, je früher er sich im Vergabeprozess befindet. Mit zunehmendem Verlauf des Vergabeprozesses nimmt jedoch die Bewertung von Kosten- und Nutzenelementen aus dem Vertragsgegenstand an Bedeutung zu (Bild 122). Einfluss des Anbieterleistungspotenzials auf die Vergabeentscheidung eines Auftraggebers
Beurteilung des Anbieterleistungspotenzials Einfluss auf die Vergabeentscheidung Bedingungen des Austauschs (z.B. Kosten u. Nutzen aus dem Vertragsgegenstand) Präqualiinterne Anbieterlisten fikation
Verhandlungsrunden
Auftragsvergabe
Vergabeprozess
Bild 122: Einfluss der Beurteilung des Anbieterleistungspotenzials auf die Vergabeentscheidung [3-46]
Das Ziel vieler GU-/TU-Anbieter ist, den herkömmlichen, formalisierten Vergabeprozess zu durchbrechen und eine frühzeitige Beauftragung zu herbeizuführen, um unter dem Einbezug ihres Ausführungs-Know-hows eine bestmögliche Projektoptimierung zu erreichen (Bild 123). Hierzu ist es aus Sicht des Marketings erforderlich, innerhalb eines Bauprojekts möglichst früh eine Beziehung zum Buying Center des Auftraggebers herzustellen und erfolgreich das eigene Leistungspotenzial darzustellen, denn zu einem frühzeitigen Projektzeitpunkt ist dieses das ausschliessliche Kriterium zur Beurteilung eines Anbieters. Besonders SysBau-Anbieter sind zur Entfaltung ihres Systemangebots und als Voraussetzung einer lebenszyklusorientierten Gebäudeoptimierung auf einen frühzeitigen Eintritt in den Ablauf eines Bauprojekts angewiesen
252
3 Marketingprozess für Bauleistungen
(Bild 123) und müssen einen Auftraggeber daher so ehestmöglich von der Vorteilhaftigkeit des eigenen Leistungspotenzials überzeugen.
Optimierungspotenzial eines Anbieters
Optimierungspotenzial
Vorstudien Vorprojekt Bauprojekt
Realisierung
Nutzung
SysBau
TUVorprojekt
TUBauprojekt
GU
ELT
Optimierungsvorteil durch den Einbezug der Nutzungsphase in die Gebäudeoptimierung
Bild 123: Optimierungspotenzial eines Anbieters in Abhängigkeit vom Projekteintritt sowie dem Umfang seines Leistungsbündels [3-46]
Darüber hinaus bedeutet die Entwicklung von SysBau-Leistungen für einen GU-/TU-Anbieter die Erweiterung des angebotenen Leistungsbündels. Hieraus ergibt sich in Anlehnung an Bild 118 die zunehmende Bedeutung des Anbieterleistungspotenzials als Vergabekriterium der Auftraggeber. Die Kosten- und Nutzenelemente aus der Bereitstellung des Vertragsgegenstands ergeben sich projektbezogen, da die Gestaltung des Angebotspreises, des Leistungsangebots (GU-/SysBau-Aufträge) sowie der dazugehörigen Vertragsbedingungen weitestgehend in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen jedes Einzelprojekts festgelegt werden. Das Leistungspotenzial eines TU- bzw. SysBau-Anbieters wird demgegenüber einen projektübergeordneten Einfluss auf das Marketing eines Anbieters nehmen und ist damit als langfristiger, d.h. strategischer Erfolgsfaktor zu werten. 3.10.2 Kriterien zur Bewertung des Leistungspotenzials von GU-/TU-Anbietern aus der Sicht des Auftraggebers Im Folgenden wird eine empirische Untersuchung des Instituts für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich [3-46] wiedergegeben.
3.10 Positionierungsgesichtspunkte für Gesamtleistungsanbieter
253
Bei den Experteninterviews und der Fragebogenerhebung wurden die Gesichtspunkte, nach denen Auftraggeber heute das Leistungspotenzial von GU-/TU-Anbietern beurteilen, analysiert und in ihrer Marktrelevanz quantitativ bewertet. Die hinsichtlich der Bewertung des Anbieterleistungspotenzials evaluierten Positionierungsgesichtspunkte lassen sich den folgenden Kriteriengruppen zuordnen (Bild 124): x x x x x x x
Mitarbeiter des Anbieters Grad der Leistungsintegration und Gestaltung des Fremdleistungsbezugs Stabilität und Konstanz Regionale Präsenz Beschaffungsstrategie Auftraggebererfahrungen Referenzen des Anbieters
Bei der Analyse dieser Positionierungsgesichtspunkte wird unterschieden zwischen Kriterien, die sich auf das Ziel der Erreichung des Leistungsergebnisses (Erreichung des Leistungsziels bzw. Leistungsergebnisses) beziehen, sowie Kriterien, die sich auf das Ziel der Gestaltung einer aus Sicht des Auftraggebers erfolgreichen Integration des externen Faktors in den Prozess der Leistungserstellung (Interaktionsziel) beziehen. Des Weiteren werden auch Kriterien betrachtet, die sich nicht auf das Leistungspotenzial des Anbieters im engeren Sinne beziehen, sondern aus Sicht des Auftraggebers im Rahmen einer transaktionsübergreifenden Betrachtungsweise einen Beitrag dazu leisten, dass er seine unternehmerische Zielsetzung erreicht. Der Begriff des Leistungspotenzials wird in diesem Sinn auf die Fähigkeit eines Anbieters erweitert, durch seine Beauftragung zu einer verbesserten Zielerreichung des Auftraggebers beizutragen. 3.10.3 Beurteilung der Positionierungselemente Aus den Ergebnissen der quantitativen und qualitativen Befragungen wurden die unterschiedlichen Kriterien ermittelt, anhand derer Auftraggeber heute das Leistungspotenzial von GU- und TU-Anbietern bewerten. Bild 124 ist eine Zusammenfassung der in diesem Kapitel analysierten Positionierungsgesichtspunkte zur Bestimmung des Leistungspotenzials von GU-/TU-Anbietern. Die Ausprägungen der verschiedenen Kriterien werden im Hinblick auf die weiteren Ausführungen dahingehend unterschieden, ob sie sich auf die Bewertung institutioneller Investoren oder gewerblicher Selbstnutzer beziehen.
254
3 Marketingprozess für Bauleistungen Gesichtspunkte zur Bestimmung des Leistungspotenzials eines Anbieters 0%
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
Qualifikation der Mitarbeiter des Anbieters
Mitarbeiter
Bedeutung sozialer Kompetenzen
Grad der Leistungsintegration
Eigene Planungskapazitäten Eigene Bauausführungskapazitäten
Gestaltung des Fremdleistungsbezugs
Kontinuierliche Subunternehmerbeziehungen Bonität des Anbieters
Stabilität und Konstanz
Kontinuität in der Projektleitung
Regionale Präsenz
Regionale Präsenz des Anbieters Gegengeschäftsbetrachtungen
Beschaffungsstrategie
Gesichtspunkte des Multiple Sourcings Zufriedenheit mit vorangegangenen Transaktionen
Auftraggebererfahrungen
Anbieterbewertung im Vergabeprozess Allgemeine Referenzen
Anbieterreferenzen
Spezialreferenzen 0% wichtig
sehr wichtig
20 %
40 %
60 %
institutionelle Investoren
80 %
100 %
gewerbliche Selbstnutzer
Bild 124: Positionierungsgesichtspunkte zur Bestimmung des Leistungspotenzials eines GU-/TU-Anbieters, differenziert nach gewerblichen Selbstnutzern und institutionellen Investoren
Die in Bild 124 dargestellten Ergebnisse zeigen die von den Auftraggebern geäusserten Aspekte zur Bewertung der Attraktivität von GU-/TUAnbietern. Im Rahmen einer umfassenden strategischen Ausrichtung sind von einem Anbieter neben diesen Positionierungsgesichtspunkten auch solche Gesichtspunkte in Betracht zu ziehen, aus denen sich projektspezifische Kundenvorteile und projektübergreifende Anbietervorteile ergeben. Solche Anbietervorteile können beispielsweise aus längerfristigen Kooperationsbeziehungen eines GU-/TU-Anbieters mit Subunternehmern oder aus einer erhöhten Eigenwertschöpfung resultieren, denn um eine umfassende Zielfunktion für das Marketing einer spezifischen Angebotsleistung zusammenzustellen, sind Kosten- und Nutzenelemente der von einem Anbieter angebotenen Austauschalternative so zu gestalten, dass sie aus der Sicht des Auftraggebers eine grösstmögliche Vorteilhaftigkeit erreichen.
3.11 Beispiel: Marketingplanung – SGF Rohrvortrieb
255
3.11 Beispiel: Marketingplanung – SGF Rohrvortrieb Ein mittelständisches Bauunternehmen aus dem Bereich Strassen- und Tiefbau beabsichtigt für den Aufbau seines neuen Geschäftsfelds „Rohrvortrieb“ den Kauf einer Rohrvortriebsanlage; Einsatzgebiet der Anlage ist die unterirdische Verlegung von Hausanschlussleitungen sowie kleinen Sammlern. Die Investitionskosten betragen komplett ca. 300.000 $. Ein Praktikant des Unternehmens erhält die Aufgabe, unter Berücksichtigung verschiedener Instrumente des Marketing-Mix einen einfachen Marketingplan zur Einführung des neuen Geschäftsfelds „Rohrvortrieb“ in den lokalen Heimatmarkt des Unternehmens aufzustellen und ein überschlägiges Marketingbudget erstellen. 3.11.1 Marketingplan Ziel ist es, potenziellen Kunden das neue Geschäftsfeld vorzustellen. Produktorientierte Ansatzpunkte Die produktorientierten Ansatzpunkte sind durch die Verfahrenstechnik der Anlage vorgegeben; keine Verkehrsbeeinträchtigung, geringerer Ressourcenverbrauch, Sondervorschläge, geschlossene statt offener Bauweise. Preisorientierte Ansatzpunkte Bei den ersten fünf Aufträgen soll zur Einführung und Akzeptanzerreichung auf die Abgeltung von Wagnis und Gewinn verzichtet werden. Ziel ist der Aufbau eines Referenzportfolios. Akquisitionsförderung x Persönliche Kontakte: Veranstaltung eines Apéros für ca. 50 Personen; situationsorientierte Information potenzieller Auftraggeber durch Bauführer und Geschäftsführung x Werbung: 200 Direktanschreiben (Briefbogen, Umschlag, Porto); Druck eines vierseitigen Informationsfaltblatts x Internet: Ergänzung der vorhandenen Homepage um die vier Seiten des Informationsfaltblatts x PR/Werbung: Platzierung eines Zeitungsartikels über die verfahrenstechnischen Vorteile des neuen Systems gegenüber herkömmlichen Verfahren in der lokalen Presse (einschl. einer Werbeanzeige); Platzierung eines Zeitungsartikels zur Information potenzieller Auftraggeber über das erweiterte Leistungsangebot in einer Fachzeitschrift (einschl. einer Werbeanzeige)
256
3 Marketingprozess für Bauleistungen
Marktpräsenz Der geografische Einsatzbereich wird in erster Linie dem der übrigen Leistungsangebote des Unternehmens entsprechen. Bei entsprechendem Nachfragesog ist auch ein Einsatz über den regionalen Heimatmarkt hinaus denkbar. Die Marketingaktivitäten konzentrieren sich zunächst aber auf den Heimatmarkt als Zielmarkt. 3.11.2 Marketingbudget 1. Druck eines Infofaltblatts, 4-seitig, 5-Farbdruck, 500 Ex. ca. 5.000 $ 2. Ergänzung der Homepage um die vier Seiten des Informationsfaltblatts ca. 900 $ 3. 200 Direktanschreiben (Briefbogen, Umschläge, Porto) ca. 130 $ 4. Veranstaltung eines Apéros für 50 Personen ca. 700 $ 5. Platzierung eines Zeitungsartikels in der lokalen Presse einschl. einer Werbeanzeige ca. 300 $ 6. Platzierung eines Zeitungsartikels in einer Fachzeitschrift einschl. einer Werbeanzeige ca. 300 $ 7. Anteilige Lohnkosten einschl. AGK ca. 5.000 $ Gesamt
ca. 12.330 $
Das Marketingbudget entspricht somit etwa 4 % der Anlageninvestitionskosten.
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4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
4.1 Einleitung In diesem Kapitel sollen die strategischen Überlegungen der vorherigen Kapitel auf die heutige Problematik der Bauwirtschaft angewendet werden, um aus dem heute meist reinen Preiswettbewerb neue, kundenorientierte Leistungsangebote zur Erzielung entsprechender Wettbewerbsvorteile durch einen höheren Kundennutzen zu entwickeln. Ausgehend vom Markt wird aufgezeigt, wie von einer grundlegenden Gesamtunternehmensstrategie mittels markt- und ressourcenorientierten Ansätzen die Geschäftsfeldstrategie mit Markt- und Wettbewerbsstrategie sowie die Funktionalstrategie mit Marketing-, Kooperations- und Industrialisierungsstrategie zur Erreichung der anvisierten Wettbewerbsvorteile für eine wertorientierte Unternehmensführung erarbeitet werden können.
4.2 Ursachen des Strukturwandels in der Bauwirtschaft Die EU-Volkswirtschaften befinden sich im Zuge der Globalisierung in einem zunehmend international geprägten Wettbewerbsgeschehen. Innerhalb dieses Wettbewerbs ist es die Aufgabe der standortgebundenen Bauwirtschaft, durch weitere Leistungs- und Produktivitätssteigerungen dazu beizutragen, den Kundennutzen zu erhöhen und dadurch die Attraktivität im Standortwettbewerb auch für die Zukunft zu sichern [4-4]. Als Reaktion auf den steigenden Konkurrenzdruck (Bild 125) konzentrieren sich die Kunden der Bauwirtschaft zunehmend auf ihre wettbewerbsrelevanten Kernkompetenzen. Vor diesem Hintergrund gehören der Abbau der Schnittstellenproblematik, die Entlastung der Bauherren im Bauprozess sowie die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse hinsichtlich Steigerung der Termin- und Kostensicherheit zur Verbesserung des Leistungsangebots der Bauwirtschaft.
262
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
Die Kunden der Bauwirtschaft konzentrieren sich auf ihre wettbewerbsrelevanten Kernkompetenzen.
professionellen Kunden der Bauwirtschaft tragen in ihrem Geschäft das •Die Markt- und Absatzrisiko. Das Beschaffungsrisiko verlagern sie, wie in anderen Bereichen auch, auf ihre Lieferanten, d.h. die Unternehmen der Bauwirtschaft. Neben den Investitionskosten sind im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen auch die Folgekosten einer baulichen Investition von bedeutender Relevanz.
Bild 125: Entwicklungen bei den Kunden der Bauwirtschaft
Die professionellen Kunden der Bauwirtschaft tragen in ihrem Geschäft das Markt- und Absatzrisiko. Die Kosten- und Terminrisiken für bauliche Investitionen verlagern sie richtigerweise, wie in anderen Bereichen auch, zunehmend auf ihre Lieferanten, d.h. auf die Vertreter der Bauwirtschaft. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen eines Unternehmens sind jedoch nicht nur die reinen Investitionskosten relevant, sondern auch die sich aus ihnen ergebenden Folgekosten (Life-Cycle-Betrachtung). Der Wettbewerb in der Bauwirtschaft wird sich deshalb in Zukunft nicht mehr nur auf Gesichtspunkte der Planung und Ausführung von Bauwerken beschränken, sondern über geeignete Modelle auch die Auswirkungen der Planungs- und Ausführungsleistungen auf die spätere Nutzung einbeziehen. Ferner wird sich möglicherweise die Angebots- und Preistransparenz des Marktes für Material, Geräte und einfachere Bau- und Spezialbauleistungen und damit die Wettbewerbsintensität durch die neuen Informationstechnologien und im Besonderen durch das E-Commerce wesentlich steigern. Die neuen virtuellen Marktplätze werden eine besondere Herausforderung für kleine und mittlere Unternehmen darstellen [4-6]. Gemäss einer 1994 von der britischen Regierung und der britischen Bauindustrie gemeinsam durchgeführten Untersuchung ist davon auszugehen, dass im Bereich der Baukosten 30 %ige und der Bauzeiten 50 %ige Optimierungspotenziale bestehen. Für den Bereich der Gebäudenutzungskosten geht man ebenfalls von 50 %igen Einsparpotenzialen aus [4-13]. Vor diesem Hintergrund liegt die Zukunft der Bauwirtschaft in der weiteren Entwicklung gewerke- und funktionsübergreifender Gesamtlösungen, die unter Berücksichtigung einer flexiblen und anspruchsvollen Architek-
4.2 Ursachen des Strukturwandels in der Bauwirtschaft
263
tur die Gesamtkostenoptimierung eines Bauwerks über seinen gesamten Lebenszyklus erlauben [4-9]. Dies gilt sowohl für grosse wie auch kleine Unternehmen der Bauwirtschaft. Die Bauwirtschaft besitzt ein hohes Leistungspotenzial und bietet ihren Kunden bereits interessante Möglichkeiten, ihre baulichen Zielsetzungen zu erreichen [4-2]. Aufgabe eines zukunftsfähigen Baumanagements ist es, in Erkenntnis und unter Berücksichtigung der stattfindenden Veränderungsprozesse die volkswirtschaftliche Dienstleisterrolle der Bauwirtschaft vollumfänglich und in Verbindung mit modernen Management- und Fertigungsverfahren zu realisieren. Damit kann die Bauwirtschaft einen Beitrag zur nationalen Standortqualität der exportorientierten Wirtschaft leisten und einen erhöhten Kundennutzen generieren. Ferner werden sich dadurch die Planer und Unternehmen der Bauwirtschaft gegenüber den Kunden in ihrem Leistungsangebot von den reinen Billiglohnunternehmern differenzieren und nachhaltigen unternehmerischen Nutzen generieren. Um das Potenzial zur Steigerung des nachhaltigen (life-cycleorientierten) Kundennutzens auszuschöpfen, müssen die Unternehmen der Bauwirtschaft die anbieterinternen und marktbezogenen (Bild 126) Wettbewerbsvorteile nutzen und in kundenfreundliche Angebote und Leistungen umsetzen. Marktorientierter Ansatz (market based view
Ressourcenorientierter Ansatz (resource based view)
Märkte/Segmente/Kunden
Interne Organisation und Fähigkeiten Anbieter Leistungsangebot
Anbieterinterne Faktoren und Fähigkeiten, die zum Aufbau von Anbietervorteilen instrumentalisiert werden, z.B.
Marktgerichtete Faktoren und Fähigkeiten, die zum Aufbau von Kundenvorteilen in attraktiven Baumarktsegmenten instrumentalisiert werden, z.B.
Risikomanagement
Innovationsmanagement Wissensmanagement Industrialisierte Fertigungsprozesse
Marktanalyse Erfassen der Kundenanforderungen Ermitteln von Erfolgsfaktoren Entwickeln von Marketingstrategien Angebotspositionierung
Bild 126: Wettbewerbsvorteile durch ressourcen- und marktorientierte Ansätze zur Erzielung eines höheren Kundennutzens
264
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
Als Voraussetzung zur Erarbeitung möglicher Lösungsansätze (Bild 127) werden im Folgenden die eigentlichen Ursachen des zurzeit nach wie vor dominierenden Preiswettbewerbs dargestellt.
Bild 127: Restrukturierungschancen von Bauunternehmen
Fragmentierung des Baumarktes Der Baumarkt ist in seiner Struktur stark fragmentiert. In den wichtigsten Geschäftsfeldern der Bauwirtschaft findt sich eine Vielzahl von Wettbewerbern mit jeweils geringen Marktanteilen, die nicht in der Lage sind, dem Wettbewerbsgeschehen aus eigener Kraft richtungsweisende Impulse zu verleihen und es in ihrem Sinn zu steuern. Die meisten Anbieter weisen zudem eher kleingewerbliche, handwerkliche Strukturen auf als die eines modernen Industriebetriebs. Heterogenität der Anbieterstruktur Die Zusammensetzung der Anbieterstruktur ist darüber hinaus von einer starken Heterogenität gekennzeichnet. Unternehmen unterschiedlicher Grösse bieten oft identische Leistungen an; kleine, mittelgrosse und grosse Unternehmen stehen sich trotz ihrer unterschiedlichen Randbedingungen bei der Vergabe von Bauaufträgen als direkte Wettbewerber gegenüber. Ziele und strategische Überlegungen der Unternehmen divergieren; Art und Umfang der angebotenen Bauleistung sind hingegen oft identisch. Marktstagnation Im Bereich des Bauhauptgewerbes moderner Industrienationen ist von stagnierenden Bauvolumen auszugehen. Anders als in anderen wachstumsintensiven Branchen werden die vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen nicht zur Bedienung einer kontinuierlichen Nachfragedynamik gebunden, sondern erhöhen die Wettbewerbsintensität.
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
265
Hohe Wettbewerbsintensität In der stagnierenden Bauwirtschaft sind die Unternehmen bei der Verfolgung einer Wachstumsstrategie auf die Ausweitung ihrer relativen Marktanteile angewiesen. Mithilfe wettbewerbsrelevanter Preissenkungen sollen die Auslastung der vorhandenen Kapazitäten und die Beschränkung der Gemeinkostenanteile an der Gesamtwertschöpfung sichergestellt werden. Zyklischer Charakter des Baugeschäfts Das Baugeschäft hat eine stark zyklische Ausprägung. Der langfristig stagnierende Trend wird von kurzfristigen Konjunkturverläufen überlagert. Während in Phasen des Aufschwungs die Ausnutzung vorhandener Marktchancen oberste Handlungsmaxime ist, herrscht in Zeiten rückläufiger Nachfrage vielfach eine abwartende und von der Hoffnung auf eine Konjunkturerholung geprägte Haltung vor. Langfristige Investitionsentscheidungen bergen dabei für die Bauunternehmen stets die Gefahr, durch die Bedienung nur kurzfristiger Marktentwicklungen Kapazitätsüberhänge aufzubauen. Preissenkungen kein wirkungsvolles Wettbewerbsinstrument Preissenkungen als vornehmliches Wettbewerbsinstrument der Bauunternehmen verfehlen ihre Wirkung, da sie von allen Unternehmen unabhängig von deren jeweiliger Leistungsfähigkeit vorgenommen werden können. Die Preisgestaltung ist längst von der tatsächlichen Kostenstruktur losgelöst. Der Markt bestimmt den Preis, nicht die interne Kostenrechnung. Bemühungen des Target Costing versuchen, die Kostenstruktur im Hinblick auf vereinbarte Marktpreise zu optimieren. Preissenkungen können deshalb keinen individuellen Wettbewerbsvorsprung darstellen. Etwaige Kostenvorteile einzelner Anbieter vergrössern nur deren Überlebenswahrscheinlichkeit im Verdrängungswettbewerb. Zufrieden stellende Betriebsergebnisse werden sich auf diese Weise nur von einer Minderheit der Bauunternehmen realisieren lassen.
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen 4.3.1 Wettbewerbsstrategien Die Herausforderung der Unternehmen der Bauwirtschaft besteht darin, in einem möglicherweise stagnierenden Markt aktiv zu wachsen. Durch Leistungsinnovationen (Bild 128) lässt sich z.B. ein aktives Wachstum durch
266
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
x Erschliessung neuer Marktanteile in bestehenden Märkten (Verdrängungswettbewerb) und x Erschliessung neuer Märkte generieren. Zukunftsfähige Wettbewerbsstrategien müssen die Problemstellungen, die sich durch die Eigenheiten des Baumarkts ergeben, in klare Wettbewerbsvorteile für die Bauunternehmen umsetzen. Dazu ist es erforderlich, dem Kunden einen langfristig intelligenten Nutzen zu bieten. Da letztendlich die Bauherren als Kunden der Bauwirtschaft über Erfolg oder Misserfolg einer Lösungsstrategie entscheiden, müssen alle Ansätze zur Verbesserung der eigenen Position den Markt bzw. die Interessen der Kunden in den Fokus ihrer Bemühungen stellen (Bild 129). Dabei sollten die Unternehmen eine klare Kundensegmentierung vornehmen, um kundenorientierte Leistungsangebote zu entwickeln. Ausgangslage
Stagnation der Nachfrage nach Bauleistungen
Ansatz
Leistungsinnovationen zur Schaffung von Erfolgspotenzialen
Strategie
Erschliessung neuer Marktanteile in bestehenden Märkten
Erschliessung neuer Märkte
Bild 128: Stagnierende Märkte – Erschliessung neuer Marktanteile und Märkte durch Leistungsinnovationen
Die Anbieter müssen daher zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen gezielt kundengerechte, innovative Leistungsangebote entwickeln, die von Konkurrenten nicht so leicht nachgeahmt werden können. Vom strategischen Ansatz her betrachtet sind dazu prinzipiell folgende drei Wege (Bild 129 und Bild 54, Kapitel 1) denkbar [3-15]: x Umsetzung einer umfassenden Kostenführerschaftsstrategie x Umsetzung einer Differenzierungsstrategie x Konzentration auf Schwerpunkte / Nischenstrategie
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
Markterschliessungsstrategie
Erschliessung neuer Marktanteile in bestehenden Märkten
Erschliessung neuer Märkte
267
Maximierung des Kundennutzens als Positionierungsziel
• Differenzierungsstrategie • Strategie der Kostenführerschaft • Konzentrationsstrategie
Ziel: Den Kunden einen intelligenten Nutzen bieten
Bild 129: Markterschliessungsstrategien für neue Märkte und Marktanteile
4.3.2 Ausbildung von Systemanbieterleistungen Aus der Sicht des Kunden und des Marktes ist die längerfristige Konsequenz für die Unternehmen der Bauwirtschaft (Bild 130) x die Entwicklung weg von phasen- und gewerkefragmentierten Einzelleistungen x hin zu weitestgehenden, innovativen Gesamtleistungen, die die Planungsphase, die Bauphase und möglichst die Nutzungsphase umfassen. Leistungsinnovationen durch Integration von Planungs- und AusführungsKnow-how zu Systemleistungen ermöglichen es, durch Verdrängung traditioneller Einzelleistungsanbieter neue Marktanteile zu generieren. Ferner ergeben sich für die Unternehmen der Bauwirtschaft neue Chancen zur Erschliessung neuer Märkte durch life-cycle-orientierte Leistungsinnovationen. Dies führt zu einem Life-Cycle-Wettbewerb baulicher Lösungen mit folgender Charakteristik: x Ausdehnung des Wettbewerbs baulicher Lösungen auf die Nutzungsphase von Bauwerken x Das Credo moderner, life-cycle-orientierter Wettbewerbsverfahren heisst daher: Planung, Ausführung und Betrieb „aus einer Hand“ mit Kosten-, Termin- und Funktionsgarantien. x Ausdehnung von im Bereich des Contractings baulicher Teilbereiche, z.B. Heizung- und Klimatechnik, angewendeten Modellen auf komplexe bauliche Systeme
268
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung Planungs- und Bauphase
Nutzungsphase
alt: Bau:
Verwaltung
Nutzung:
Instandsetzung Instandhaltung neu: Leistungsinnovation
Systemanbieter Bau Life-CycleKosten
Management baulicher Systeme
Systemanbieter Bau
ca. 30 %
-
life cycle contracting
ca. 70 %
Bild 130: Leistungsinnovationen – Konsequenzen aus Sicht des Kunden und des Marktes
Zurzeit wird am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich im Bereich Baubetriebswissenschaften und Bauverfahrenstechnik der Forschungsansatz SysBau ausgearbeitet, um den intelligenten Kundennutzen durch Unternehmensstrategien und Prozesse umzusetzen. Ziel ist es, über eine Integration von Planungs-, Ausführungs- und Bewirtschaftungsleistungen für Bauwerke eine Steigerung des Kundennutzens und der Effizienz der Leistungserbringung zu erreichen und so die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen der Bauwirtschaft zu verbessern. Durch die integrierte Betrachtung ergeben sich für die Unternehmen erhöhte Optimierungs- und Innovationspotenziale, um komparative Konkurrenzvorteile zu erlangen und sich durch einen erhöhten Kundennutzen im Wettbewerb besser zu positionieren. Der Forschungsansatz SysBau soll den Unternehmen das potenzielle Leistungsspektrum an der gesamten Wertschöpfungskette des Bauwerks in Bezug auf die eigene Definition von x Leistungsangeboten, x Innovationskonzepten und x wertschöpfungsphasenübergreifender Wissensintegration darlegen. Nur wenn man alle Bauprozessphasen entlang der Wertschöpfungskette des Bauwerks zur Gestaltung des eigenen Leistungsangebots in Betracht zieht, kann man entscheiden ob man
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
269
x x x x x
Subleistungen für Teil- und Einzelgewerke, Spezialleistungen für Einzelgewerke, Werkgruppenleistungen für mehrere Einzelgewerke, Generalunternehmerleistungen für schlüsselfertige Erstellung, Totalunternehmerleistungen für Planungs- und Bauleistungen aus einer Hand oder x Systemanbieterleistungen mit Planung, Bau und Contracting aus einer Hand anbietet, um die Anbieter- und Kundenvorteile gegenüber Wettbewerbern höchstmöglich zu verbessern und eine relativ bessere Wettbewerbsposition zu erreichen. Der Forschungsansatz SysBau ist nicht nur für grosse Konzerne interessant; er bietet vor allem auch den vielen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Branche interessante Entwicklungsmöglichkeiten. Zur Realisierung dieser prozessorientierten Zielsetzung werden zurzeit mehrere Forschungsprojekte mit verschiedenen Partnerunternehmen aus der Wirtschaft durchgeführt [4-5] (Bild 131).
rb we e rb b tt we e e w ttb en we s Ide ng su Lö
strategisch
Strategiekonzept Markt- und ressourcenorientierter Ansatz Beispiel: GU – Markt- und Ressourcenstrategien
Operationelles Management Geschäfts- und Projektabwicklungsmodelle
Supportmanagement
operativ
Wissens-, Innovationsund Risikomanagement
PPP-Projekte Beispiel: Unterhalt kommunaler Strassennetze
Industrielle Bauprozesse Beispiel: Wohnungsbau
Unterhaltsprozesse Beispiel: Versinterung von Tunneldrainagen
Baubetriebswissenschaft
Leistungserstellungsmanagement
Selektionsmethodik Bauverfahren Beispiel: Tunnelbau-Spritzbeton
Bauverfahrenstechnik
Bild 131: Forschungsprojekte Systemanbieter Bau (SysBau®)
Ein Grundsatz des Forschungsbereichs Baubetriebswissenschaften und Bauverfahrenstechnik der ETH Zürich lautet, Projekte nur in aktiver Kooperation mit Unternehmen der Wirtschaft abzuwickeln, um
270
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
x die Praxisrelevanz der Projektziele, x die Praxisnähe der Untersuchungsführung sowie x die praktikable Anwendbarkeit der Ergebnisse in der Bauwirtschaft sicherzustellen. Der strategische Forschungsansatz „Systemanbieter Bau (SysBau®)“ des Instituts für Bauplanung und Baubetrieb baut im Wesentlichen auf der Konzentrations- und der Differenzierungsstrategie auf und verfolgt das Ziel, den Unternehmen der Bauwirtschaft Wege zur grundlegenden, prozessorientierten und nachhaltigenVerbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit aufzuzeigen. Dies erfolgt durch die Integration lebenszyklusorientierter und genau auf die Kundenbedürfnisse zugeschnittener Planungs-, Ausführungs- und Bewirtschaftungsleistungen zu Gesamtlösungen aus einer Hand, um einerseits den Kundennutzen und andererseits die Effizienz der eigenen Leistungserbringung zu steigern. Zudem sollen durch diesen auf den Lebenszyklus bezogenen Ansatz Innovationen und kontinuierliche Verbesserungen (KVP) erzielt werden. Der zukünftige Ansatz sollte daher weg vom derzeit vorherrschenden reinen Investionskostenwettbewerb gehen und zu einem Lebenszykluskostenwettbewerb führen, bei dem die gesamten Lebenszykluskosten eines Bauwerks optimiert werden. Forschungsansatz SysBau Als Unternehmen der Bauwirtschaft bietet der Systemanbieter Bau (SysBau) life-cycle-orientierte Gesamtlösungen aus einer Hand in einem bestimmten Marktsegment (ĺ Konzentrationsstrategie) aktiv an. Die vollständig auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnittenen Gesamtlösungen basieren auf einem sowohl funktional als auch gestalterisch und/oder technisch optimierten Systemkonzept. Im Systemkonzept bringt der Systemführer seine Kernkompetenzen zum Tragen und entwickelt es (projektübergreifend) kontinuierlich weiter; dies unterscheidet ihn auch vom General- und Totalunternehmer. Durch die Übernahme von Planung, Ausführung und allenfalls Betrieb integriert der Systemführer in Kooperation mit weiteren Unternehmen alle Teilleistungen und Teilsysteme zur optimalen Gesamtlösung (Bild 132). Dieses integrierte Management von Planung, Ausführung und allenfalls Betrieb verschafft dem Systemanbieter komparative Konkurrenzvorteile.
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
271
Bild 132: Definition des Systemanbieterbegriffs
Im Bereich des gewählten Marktsegments verfügen Systemanbieter über ganzheitliches Know-how, von der Planung und Erstellung bis hin zur Nutzung und zum Betrieb von Bauwerken. Bestehende Synergiebarrieren zwischen Planung, Ausführung und Nutzung von Bauobjekten werden abgebaut und in komparative Konkurrenzvorteile [4-1] umgewandelt. Anstatt projektbezogen improvisierte Sondervorschläge zu erarbeiten, verfolgen Systemanbieter die aktive Entwicklung projektübergreifender, innovativer, life-cycle-orientierter Gesamtlösungen. Das bei Projektabwicklungen gewonnene Know-how wird gezielt für Folgeprojekte im definierten Marktsegment nutzbar gemacht. Auf diese Weise wird das vorhandene Wissenskapital aktiv bewirtschaftet. Dies ermöglicht eine Kompetenzführerschaft, die zu wettbewerbsentscheidenden Entwicklungen neuer Lösungen führen kann. Bauunternehmen werden kundennahe Lösungsanbieter, die ihren Kunden ihr Leistungspaket aktiv anbieten und kommunizieren können [4-7], [4-10]. Durch den life-cycle-orientierten Forschungsansatz werden Bauwerke und bauliche Systeme auf Nachhaltigkeit in Bezug auf ihren Lebenszyklus ausgerichtet. Durch die Integration von Planen, Bauen sowie Betreiben werden wirtschaftliche Anreizsysteme geschaffen, die bei Planern, bauausführenden Unternehmen und Betreibern eine Nachhaltigkeit in Bezug auf den Wert der geschaffenen Bauwerke bzw. Immobilien garantieren. Der
272
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
Forschungsansatz SysBau versteht unter Nachhaltigkeit in einem LifeCycle-Denken bezüglich baulicher Systeme x eine qualitativ hochwertige Architektur, die die bauliche Anlage in Bezug zum kulturellen und sozialen Umfeld setzt und dadurch auch zur langfristigen Werterhaltung beiträgt, x einen optimalen nachhaltigen und wirtschaftlichen Umgang mit den Ressourcen in Bezug auf Baumaterialien und Betriebsmittel sowie bei der Umgestaltung, x ein Gesamtkostenoptimum in Bezug auf Investitions- und Nutzungskosten bzw. Marktwert der baulichen Anlage. Die Entwicklung zum SysBau beinhaltet als massgeblichen strategischen Ansatz die Fokussierung der unternehmerischen Bemühungen auf einige attraktive Kundensegmente [4-14]. Ziel der Unternehmen muss es sein, von der Entwicklung wachstumsstarker Marktsegmente zu profitieren [4-15]. Systemlösungen beinhalten einen für die Kunden deutlich wahrnehmbaren Nutzen gegenüber den herkömmlichen Angeboten der Wettbewerber, sollten von der Konkurrenz schwer imitierbar und auf den Kernkompetenzen des Unternehmens aufgebaut sein. Der Forschungsansatz SysBau soll Systemanbietern zu klaren Vorteilen innerhalb von Gesamtleistungswettbewerben verhelfen. Systemanbieterleistungen eignen sich für Unternehmen der Bauindustrie sowie KMU des Baugewerbes; dies zeigen die nachfolgend aufgeführten Best-Practice-Beispiele. Im Bereich von Systemanbieterleistungen in der Bauwirtschaft sind bisherige Beispiele die Aktivitäten einiger Baukonzerne im Airport-Geschäft, in der Entwicklung innerstädtischer Hochstrassensysteme, in den Bereichen Abwasserbeseitigung und Wasserkraftwerke oder in der Entwicklung von Systemlärmschutzwänden [4-2]. Aber auch kleine und mittelständische Unternehmen sind – zumeist in Kooperation mit Planern und komplementären Unternehmen – in der Lage, in den von ihnen bearbeiteten Märkten innovative SysBau-Leistungen wie Umbau und Instandsetzung von Bädern aus einer Hand anzubieten und wirksame Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Ferner wird auf die Hamburger Facility Management AG (www.hfm-ag.de), die ein strategisches Kooperationsnetzwerk ist und aus ca. 100 KMU besteht, hingewiesen. Dieses Kooperationsnetzwerk bietet Contracting-Leistungen in der Nutzungsphase von Bauwerken sowie Alternativangebote bei traditionellen Ausschreibungen mit garantierten Contracting-Leistungen in der Nutzungsphase an.
Herkömmliches Leistungsangebot
• Fragmentierung der Leistungen für den Kunden • Vergeichbarkeit der Leistungen, Heterogenität der Anbieterstrukturen • Branchenkonjunktur Bau • Herstellungsorientierte Unternehmensorganisation • Geringe Kundennähe, Auftraggeber als diffuse Menge • Nur projektbezogene Innovationsentwicklung (Sondervorschläge) • Preiswettbewerb
SysBau-Konzept
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
• Optimierte Komplettlösung für den individuellen Kunden • Wettbewerbsrelevante Differenzierung • Zielsegmentkonjunktur • Organisation auch nach Kundensegmenten • Identifikation der Zielgruppe => aktives Zielgruppenmarketing möglich • Projektübergreifende Entwicklung innovativer Wettbewerbsvorsprünge • Life-Cycle-Orientierung => Gesamtkostenkonzept Bau und Nutzung • Lösungswettbewerb
273
Bild 133: Gegenüberstellung von herkömmlichen Leistungsangeboten und SysBau-Leistungsangeboten
Systemangebote zur Überwindung von Synergiebarrieren Ähnlich wie General- und Totalunternehmer garantieren Systemanbieter Qualität, Preis und Übergabetermin. Sie zeichnen sich jedoch entscheidend dadurch aus, dass sie im Bereich einer angestrebten Baulösung über ganzheitliches, life-cycle-orientiertes Know-how bis hin zum Betreiben der Bauwerke verfügen [4-4]. Bestehende Synergiebarrieren zwischen Planung, Ausführung und Betreiben von Bauprojekten werden abgebaut und in am Markt nutzbare Wettbewerbsvorteile umgewandelt. Verbreiterung der Kompetenzbereiche Die aus der Realisierung verschiedener nutzungsähnlicher Bauprojekte von der Projektierung bis zum Betreiben vorhandenen und abrufbaren Erfahrungen versetzen einen Systemanbieter in die Lage, optimierte Einzellösungen anzubieten. Die verfügbare Kompetenz bezieht sich dabei nicht mehr nur auf die Bauausführung und die Projektorganisation, sondern insbesondere auf eine bezüglich der Nutzerzielsetzung optimierte Bauplanung (life-cycle-orientierter Ansatz). Erschliessung neuer Märkte durch Systemleistungen Die Erschliessung (Bild 129) von Marktanteilen durch das Angebot von Systemleistungen erfolgt durch die Verdrängung traditioneller Einzelleistungsanbieter sowie auf die reine Planung und Ausführung konzentrierter General- und Totalunternehmer. Durch das Angebot von optimierten, lifecycle-orientierten Leistungsinhalten erobert der SysBau in bestehenden,
274
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
stagnierenden Märkten durch das frühzeitige Einbringen von BetreiberKnow-how neue Märkte [4-5]. Die Erschliessung neuer Märkte erfolgt hingegen durch die Erweiterung traditioneller Planungs- und Ausführungsleistungen um Angebote aus dem Bereich des Managements baulicher Systeme (z.B. im Rahmen eines integrierten technischen und kaufmännischen Gebäudemanagements), die den Systemanbieter für den Kunden zum gesamtheitlichen Lösungsanbieter machen. Die Rückkopplung aus der Nutzungsphase in die Gebäudeplanung und -erstellung versetzt den SysBau in die Lage, frühzeitig eine gesamtheitliche, kundenorientierte Lösung einer baulichen Aufgabenstellung zu entwickeln. Durch die Übernahme von Leistungsinhalten aus dem Bereich der Nutzungsphase stellt der SysBau darüber hinaus eine Kundenbindung her, die weit über den traditionellen Planungs- und Ausführungszeitraum hinaus wirksam ist (Bild 134). Planungs- und Bauphase
Betriebsphase
Management baulicher Systeme Systemanbieter Bau – life cycle contracting
• Vermietung • Verwaltung / Steuerung • Instandhaltung und Instandsetzung
Rückkopplung: aus Akquisition Kundenbindung herstellen
ca . 30 %
Kosten
ca . 70 %
Bild 134: Erschliessung neuer Märkte durch die SysBau-Rückkopplung aus dem Management baulicher Systeme
4.3.3 Anforderungen an ein Zielmarktsegment Besondere Aufmerksamkeit ist der Auswahl der Zielmärkte zu widmen. Sie sollten eine weitgehende Differenzierung ermöglichen und es anderen Anbietern erschweren, erzielte Erfolge nachzuahmen. Die angestrebte
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
275
Konzentration muss die Möglichkeit beinhalten, über geeignete Ansatzpunkte Effizienzvorteile gegenüber den Wettbewerbern zu entwickeln, die über einen breiten Marktbereich operieren. Der anvisierte Zielmarkt sollte im bestmöglichen Fall über ein genügendes Wachstumspotenzial verfügen, das es erlaubt, die erarbeiteten Wettbewerbsvorsprünge in nachhaltige Geschäftserfolge umzusetzen. Erstellung einer Unternehmens- und Umfeldanalyse Die Durchführung der Unternehmens- und Umfeldanalyse beinhaltet eine Stärken- und Schwächenanalyse sowie die Lokalisierung der vorhandenen Kernkompetenzen. Die Kernkompetenzen sind ausschlaggebend für den Ausbau und langfristigen Erhalt des anvisierten Marktsegments. Zur detaillierten Betrachtung eignen sich Marktsegmente, von denen im Rahmen einer Unternehmensanalyse festgestellt wurde, dass das Bauunternehmen hier bereits eine gefestigte Marktstellung besitzt. Eine hohe relative Wettbewerbsstärke und ein vergleichsweise hoher Marktanteil sollten die Keimzelle einer Segmententwicklung darstellen. Durchführung einer Marktuntersuchung Im Rahmen einer Marktuntersuchung (Market Research) ist darüber hinaus zu klären, welche Attraktivität ein Zielmarktsegment hinsichtlich seiner Wachstumsdynamik und der in ihm herrschenden Wettbewerbsintensität aufweist. Zur langfristigen Verteidigung eines erreichten Wettbewerbsvorsprungs sollte das Zielmarktsegment über möglichst hohe Markteintrittsbarrieren verfügen, die es den Wettbewerbern erschweren, nachträglich in das Zielmarktsegment einzutreten und erarbeitete Erfolge nachzuahmen. Vorhandene Wettbewerber sollten hingegen möglichst ohne hohe Bereinigungswiderstände aus dem Zielmarktsegment austreten können. Der Zielsegmentradius stellt in Bild 135 den Bereich dar, über den ein als ideal zu bezeichnendes Zielmarktsegment, hier als Viereck dargestellt, nicht hinausragen sollte. Auswahl der Marktsegmente Die Zielmarktsegmente müssen zum Unternehmen passen; sie sind nach verschiedenen Kriterien wie z.B. Lage und Ausdehnung der regionalen Teilmärkte, Grösse des Zielmarktes im Verhältnis zum Unternehmen, Anforderungen an das technische Know-how und Kapitalbedarf für den Markteintritt zu beurteilen [4-12]. In Abhängigkeit von den jeweiligen Kernkompetenzen eines Bauunternehmens ist ein Portfolio aufzubauen, das in der Lage sein sollte, unvorhergesehene Nachfrageentwicklungen innerhalb eines Segments auszugleichen. Weiterhin sollte angestrebt werden, mögliche Synergien zwischen den Segmenten zur Nutzung von Breitenvorteilen (Economies of Scope) herzustellen [4-1].
276
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
hoch
gering
gering Marktattraktivität
Marktstellung gering
gering
hoch
Zielsegment
hoch
gering
Wettbewerbsintensität
hoch
gering
Relativer Marktanteil
hoch
Marktwachstum
Zielsegmentradius
Unternehmensanalyse
Angebotsattraktivität
Marktschranken
Effizienzgrad
hoch
hoch
hoch
Marktaustrittsbarrieren
gering
Differenzierungsgrad
gering
Market Research
Markteintrittsbarrieren
Rel. Wettbewerbsstärke
Bild 135: Durchführung einer Zielmarktsegmentanalyse
Das Auffinden geeigneter Marktsegmente ist gerade für den Aufbau von Systemangeboten ein für Bauunternehmen mitunter nicht einfaches Unterfangen. Innerhalb eines Segments müssen die projektspezifischen Marketinganstrengungen ggf. differenziert nach verschiedenen Kundentypologien abgestimmt werden. Dies erfordert von vielen am Bau Beteiligten ein Umdenken. Auch in der Bauwirtschaft bedeutet Marketing sehr viel mehr als die Gestaltung und Verteilung von Werbeprospekten. Marketing muss gerade in der Bauwirtschaft aufgrund ihrer hohen Wettbewerbsintensität als entscheidende, unternehmensübergreifende Aufgabe verstanden werden. Hier bieten sich vielfach auch Dienstleistungen an, um die Kernleistungen der Bauunternehmen, die bisher weitgehend einen Sachleistungscharakter aufweisen, zu kundenattraktiven Gesamtleistungsangeboten zu erweitern. Die Erweiterung um das Dienstleistungsangebot beinhaltet hohes Innovationspotenzial und stellt neue Chancen für das Marketing bereit. Da letztendlich die Bauherren als Kunden über Erfolg oder Misserfolg der Anbieter entscheiden, müssen neue Strategieansätze die Kunden in den Mittelpunkt aller Überlegungen stellen. Zukunftsfähige Wettbewerbs-
4.3 Marktorientierter Ansatz zur Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen
277
strategien setzen dabei die Gegebenheiten und Strukturveränderungen des Baumarktes in längerfristige Wettbewerbsvorteile für das eigene Baubzw. Planungsunternehmen um. Unter dem Gesichtspunkt einer kunden- und marktorientierten Unternehmensorganisation sollte beispielsweise die bis anhin vorherrschende Organisationsstruktur nach operativen Sparten (konstruktiver Ingenieurbau, allgemeiner Hochbau, Spezialtiefbau etc.) überdacht werden. Die Unternehmen müssen im Sinn eines marktorientierten Unternehmensverständnisses nach aussen auf den Kunden und nicht nur nach innen auf technische Planungs- und Herstellungsprozesse hin ausgerichtet werden. Marktsegmentierung zur Evaluation des Zielmarktes Die Marktsegmentierung dient der Bestimmung des Zielmarktes als Objekt der eigenen unternehmerischen Anstrengungen. Mit ihrer Hilfe wird das Unternehmen gedanklich unter Betrachtung verschiedener Gesichtspunkte in ein mehrdimensionales Wettbewerbsfeld eingeordnet (s. Kapitel 3, Bild 108). Es ist u.a. zu bestimmen, ob die eigentliche Marktchance darin zu sehen ist, als Sub-/Spezialunternehmer punktuelle Kernkompetenzen oder als GU/TU bzw. Systemanbieter integrale Leistungspakete anzubieten. Entscheidend ist hierbei unter anderem auch, die zukünftigen Anforderungen der eigenen Kundenstruktur zu erkennen und als zentrales Element der Unternehmenspositionierung zu gewichten. Die Überprüfung der geografischen Präsenz dient der Anpassung der Niederlassungsstruktur an die in den verschiedenen Regionen zu erwartenden Nachfrageentwicklungen. In Abhängigkeit von den prognostizierten Marktbedingungen und den verfügbaren Ressourcen wird eine begrenzte regionale, eine nationale oder aber eine internationale Marktausrichtung angestrebt. Erstellung eines Marketing-Mix Aufbauend auf den Resultaten der durchgeführten Marktsegmentierung erfolgt die Entwicklung eines komplexen Marketing-Mix (4P) [4-12]. In ihm werden verschiedene Ansatzpunkte zur Formulierung der strategischen Ziele gegenüber den Auftraggebern als Kunden der Bauwirtschaft entwickelt (s. Kapitel 3, Bild 120). 4.3.4 Vermarktung der Systemanbieterleistungen Neben der Entwicklung von Systemanbieterleistungen kommt ihrer Vermarktung eine besondere Bedeutung zu. Instrumente des Zielgruppenmarketings erlauben die direkte Ansprache des evaluierten Zielmarktes [4-16]. Ziel der ergriffenen Vermarktungsstrategien muss letztendlich die Ent-
278
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
wicklung einer Unternehmensidentität zur Stärkung der eigenen Stellung im Zielmarkt sein. Antwort auf den reinen Preiswettbewerb Das Angebot von Systemanbieterleistungen mit der einhergehenden Konzentrationsstrategie bietet den Bauunternehmen einen nahe liegenden Ausweg aus dem Dilemma des reinen Preiswettbewerbs. Je mehr individualisierte Anteile ein Leistungsangebot enthält, umso mehr tritt der Gesamtnutzwert der angebotenen Lösung für den Kunden in den Vordergrund und umso besser kann sich ein Unternehmen von der Konkurrenz differenzieren. Als eigentlichen Bewertungsmassstab wird der Kunde die Erfüllung seiner primären Zielsetzung, die er mit der Umsetzung eines Bauvorhabens verbindet, anlegen. Die wirtschaftlichste Baulösung hat für den Bauherrn meist einen vielschichtigen Charakter. Neben einer möglichst geringen Investitionssumme ergibt sie sich aus minimalen Betriebskosten, geringen Aufwendungen für den baulichen Unterhalt sowie einer langfristigen Werterhaltung [4-4]. Der wirtschaftliche Nutzwert resultiert letztendlich aus der Rendite, die der Bauherr mit dem Projekt erzielen kann, sowie aus der Flexibilität der Nutzung, die den Gebrauchswert auch unter veränderten Anforderungen sicherstellt. Der Baupreis wandelt sich für den Kunden vom ausschliesslichen Vergabekriterium zum Teilaspekt einer umfassenden Kosten-Nutzen-Analyse. Dies sind die Anforderungen an nachhaltige Lösungen mit Life-Cycle-Charakter [4-5]. „Den Bauherrn zum Kunden machen“ Beim Angebot von Systemanbieterleistungen kommt es besonders darauf an, den Kunden von für ihn atypischen Leistungen, Pflichten und Risiken zu befreien. Er muss sich ganz in seine Kundenrolle zurückziehen können und darf nur im Rahmen einer zielgerichteten Funktionsbeschreibung durch das Projekt beansprucht werden [4-9]. Demgegenüber wird der Kunde im herkömmlichen Bauprozess bei der Eingliederung seiner baulichen Vorstellungen in ein komplexes Umfeld nur unzureichend betreut. Er hat zu viele Risiken, insbesondere bezüglich der Qualität, des Preises, der Nutzungskosten und der Termine, selbst zu tragen. Ziel muss es sein, dem Kunden life-cycle-orientierte Leistungen anzubieten, um die langfristige Rendite und den Wert einer baulichen Anlage zu sichern. Verstärkte Kundenorientierung durch Konzentration Die Fokussierung bietet aufgrund des verkleinerten Zielmarktes die Möglichkeit eines effektiven Zielgruppenmarketings und ermöglicht es zudem, den Bauherrn von der Wettbewerbsfähigkeit einer baulichen Lösung zu überzeugen und ihn als Kunden zu gewinnen. Ein auf einige Zielmarktgebiete fokussierter Anbieter kennt seine Kunden und deren Bedürfnisse
4.4 Ressourcenorientierter Ansatz
279
genau. Eine Kundenorientierung fällt ihm deshalb leichter als seinen breit ausgerichteten Wettbewerbern. Abkopplung vom zyklischen Charakter der Baunachfrage Unternehmen sollten mit ihren Kernkompetenzen [4-8] ihre Zielmärkte möglichst optimal abdecken. Bauunternehmen, die es dabei verstehen, ihren Umsatz massgeblich auch an einige erfolgversprechende Zielmarktsegmente zu koppeln und in diesen nachhaltige Vorsprünge gegenüber etwaigen Konkurrenten zu entwickeln, werden die Auswirkungen zukünftiger Baurezessionen weit weniger als ihre Wettbewerber erleben. Umsatzrückgänge im allgemeinen Baugeschäft werden sich zwar auch auf einen erfolgreichen Systemanbieter niederschlagen. Die mithilfe der Fokussierung innerhalb einiger Segmente erzielten Wettbewerbsvorteile ermöglichen es jedoch, die erreichte Vormachtstellung langfristig zu verteidigen und im Branchenvergleich zufrieden stellende Renditen zu erzielen. Die zyklischen Ausprägungen der allgemeinen Baukonjunktur werden durch die längerfristigen Entwicklungsverläufe der evaluierten Zielmarktsegmente überlagert.
4.4 Ressourcenorientierter Ansatz 4.4.1 Abgrenzung des ressourcenorientierten Ansatzes Beim ressourcenorientierten Ansatz werden die internen Fähigkeiten zur Gestaltung des Leistungsangebots für den Kunden betrachtet. Darunter versteht man die Nutzung der Ressourcen wie Personal, Baumaschinen, Werkhöfe und andere Immobilien, EDV / Informationen, Bau- und andere Materialien, Finanzen, Bauprozesstechnik, Know-how, Kompetenzen, Lizenzen und Patente, Lieferanten etc. Sie werden hier nicht weiter erläutert, da sie in der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Literatur ausreichend behandelt werden und als Grundvoraussetzung einer modernen Betriebsführung gelten. Auf diesen Fähigkeiten wird aufgebaut, und weitere ergänzende, ressourcenorientierte Gestaltungselemente, die als Grundvoraussetzung einer modernen, kundenorientierten Systemleistung mit Life-CycleCharakter dienen, werden aufgezeigt. Da die zukünftigen Handlungsfaktoren durch eine hohe Dynamik und gleichzeitige Komplexität (Bild 136) gekennzeichnet sind, sollen hier nur solche Gestaltungselemente diskutiert werden, die zusätzlich erforderlich sind, um in Zukunft auf dem Baumarkt erfolgreich zu sein.
280
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
' t [Zeit]
* Steigerung der Komplexität
[Komplexitätsgrad ]
Reduktion der Umsetzungszeit
Dynamik des Anpassungsdrucks - Zeitachse t [Jahr]
Bild 136: Zukünftige Umsetzungsproblematik bei Leistungsinnovationen in der Bauwirtschaft Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmigungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 137: Die Prozesse in einem Bauunternehmen
Diese modernen Gestaltungselemente, die eine ständige Entwicklung in der Bauwirtschaft auslösen können, führen einerseits zur Erzielung eines ständig steigenden Mehrwerts für den Kunden und andererseits zur Differenzierung der Unternehmen von der Konkurrenz, um den erarbeiteten Wettbewerbsvorteil aufrechtzuerhalten; dazu gehören: x Entwicklung des Systemleistungsangebots x Ausbildung von Kernkompetenzen x Konzept für Kooperationen und Outsourcing
4.4 Ressourcenorientierter Ansatz
281
x Risikomanagement x Wissens- und Innovationsmanagement x Einführung moderner industrieller Produktionstechniken Diese ressourcenorientierten Elemente müssen in die zu gestaltenden Prozesse des Bauunternehmens eingebunden werden (Bild 137). 4.4.2 Anforderungen an die Bauunternehmen als Systemanbieter Systemanbieter zeichnen sich durch eine aktive Entwicklung projektübergreifender, innovativer Gesamtlösungen aus, anstatt projektbezogene, improvisierte Sondervorschläge zu erarbeiten. Bei Projektabwicklungen erworbenes Know-how wird für das Gesamtunternehmen nutzbar gemacht. In den evaluierten Zielmärkten muss durch gezielte Bewirtschaftung des vorhandenen Wissenskapitals eine Kompetenzführerschaft angestrebt werden, die die wettbewerbsdifferenzierende Entwicklung integraler Lösungen erlaubt. Die Kenntnis der Herstellungsprozesse liegt gewerkeübergreifend in allen Bereichen vor; Entwurfsplanung und Ausführung erfolgen unter einer ganzheitlichen, schnittstellenübergreifenden Betrachtungsweise in der Regel in Kooperation mit Schlüsselplanern und Schlüsselunternehmen für die jeweilige Leistung. Die besten Voraussetzungen, als Systemanbieter aufzutreten, besitzen Unternehmen, die bereits erfolgreich als Generaloder Totalunternehmer tätig sind. 4.4.3 Entwicklung von Systemanbieterleistungen Die Entwicklung von Systemanbieterleistungen, aufbauend auf der Zielmarktanalyse, der Unternehmenspositionierung und dem Marketingkonzept, erfordert die Umsetzung einer mehrstufigen Vorgehensweise (Bild 138) wie folgt: Strategische Planungsphase: x Stärken- und Schwächenanalyse x Umfeld- und Marktanalyse x Definition des Zielsegments / Unternehmenspositionierung x Konzeption des Leistungsangebots Operative Umsetzungsphase: x Planung des Leistungsangebots und des Marketingkonzepts x Ressourcenplanung x Entfaltung der Systemanbieterleistung
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4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
Vom Bauunternehmer zum Systemanbieter Phasen der Entwicklung Strategische Planung Analyse von Stärken und Schwächen
Analyse von Umfeld und Markt
Operative Umsetzung
Definition der Zielsegmente
Bisherige Marktaktivitäten
Kundenbedürfnisse
Geografisches Marktsegment
Wettbewerbsposition
Nachfragevolumen
Konzeption des Leistungsangebots
Eigene Ressourcen Attraktivität des Angebots
Konkurrenzanalyse Substitutionsleistungen Wachstumspotenzial Marktattraktivität
Kundensegment Marktleistungsdefinition
Planung des Leistungsangebots Umsetzung der Kundenbedürfnisse in das Leistungsangebot Nutzung des Differenzierungspotenzials Entwicklung des Marketingkonzepts
Ressourcenbereitstellung
Entfaltung der Systemanbieterleistung
Abgleich der vorhandenen mit den erforderlichen Ressourcen (Personal, Knowhow, Marktpräsenz, Kunden etc.) Aufbau von Kooperationen zur Einbindung fehlender Ressourcen
Zielgerichtetes Marketing Systematische Know-howBewirtschaftung Weiterentwicklung der Kooperationskompetenz Etablierung kontinuierlicher Verbesserungen
Bild 138: Dynamische Entwicklung von Systemanbieterleistungen
In der strategischen Planungsphase wird als erster Schritt eine genaue Analyse der bisherigen Marktaktivitäten, der Wettbewerbsposition, der eigenen Ressourcen und der Angebotsattraktivität durchgeführt. Hierauf aufbauend erfolgt im nächsten Schritt eine Umfeld- und Marktanalyse, die die Ermittlung der kurz- und langfristigen Kundenbedürfnisse, eine Abschätzung des Marktvolumens und der Wachstumspotenziale sowie die Bewertung der Marktattraktivität beinhaltet. Aufbauend und ergänzend findet die Analyse der potenziellen Konkurrenten und möglichen Substitutionsleistungen statt. Als Ergebnis dieser Analyse erfolgt die Definition der ausgewählten Zielmarktsegmente bezüglich ihrer geografischen Ausdehnung, Kundensegmente etc. Hierzu muss das Leistungsangebot definiert werden. In der operativen Umsetzungsphase erfolgt, aufbauend auf dem Konzept des Leistungsangebots der strategischen Planungsphase, die Planung des Leistungsangebots sowie die Wahl der Schlüsselkooperationspartner. Als zentrale Ausrichtung müssen hier die Kundenbedürfnisse im Vordergrund stehen. Um sich von der Konkurrenz abzusetzen, müssen die Differenzierungspotenziale weitestgehend genutzt werden. Auf diesen Planungen aufbauend ist dann das Marketingkonzept zu entwickeln. Gleichzeitig erfolgt die Ressourcenbereitstellung bzw. -sicherung, um das Leistungsangebot zu realisieren. Dazu ist es notwendig, einen Abgleich zwischen den erforderlichen und den vorhandenen Ressourcen (Personal, Know-how, Kapital, Marktpräsenz etc.) durchzuführen. Fehlende Systemkompetenz oder Ressourcen müssen durch Kooperationen oder am Markt eingekauft werden.
4.4 Ressourcenorientierter Ansatz
283
Nachdem sämtliche erforderlichen Ressourcen verfügbar sind, können als nächstes die Systemanbieterleistungen auf dem Markt entfaltet werden. Zur Formulierung des Systemangebots gegenüber den Zielkunden wird ein zielgerichtetes Marketing durchgeführt. Weiterhin muss das Know-how systematisch bewirtschaftet und kontinuierlich entwickelt werden, um der Konkurrenz im Wettbewerb immer eine Nasenlänge voraus zu sein. 4.4.4 Schlüsselfähigkeiten des Systemanbieters Neben den bereits etablierten Instrumenten der Unternehmensführung wie z.B. Jahres- und Periodenplanung, Deckungsbeitragsrechnung, Arbeitsvorbereitung, Arbeitskalkulation, Personalführung, Sicherheitsmanagement, Projektmanagement in der Angebots- und Ausführungsphase sowie effizientem Controlling tragen neue Schlüsselfähigkeiten auf der unternehmensinternen Seite dazu bei, die Verbesserung und Weiterentwicklung des Leistungsangebots sowie der hierzu erforderlichen Unternehmensabläufe zu bewirken. Der Trend in den Unternehmen führt heute durch die Konzentration auf die Kernkompetenzen häufig zur Reduzierung der Leistungstiefe. Um dem Kunden bei dieser Ressourcenstrategie optimierte Gesamtleistungen anbieten zu können, sind Kooperationen fast unumgänglich. Die Kernkompetenzen dienen zur strategischen Leistungsabgrenzung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Mitbewerbern am Markt. Bauunternehmen mit Kernkompetenzen müssen die in Bild 139 dargestellten Merkmale erfüllen.
Bild 139: Definition: Kernkompetenzen eines Bauunternehmens [4-11]
284
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
Der Aufbau von Kernkompetenzen ist sehr herausfordernd für das Unternehmen. Er erfordert mehr als nur eine horizontale und/oder vertikale Vernetzung eigener Kompetenzen und verlangt, über die eigenen organisatorischen Grenzen zu wirken. Die Wirkungen der eigenen Kernkompetenzen vervielfältigen sich, indem Synergien in verschiedenen Sparten des Unternehmens geweckt werden. Deshalb werden zum Erbringen einer Kundenleistung Kooperationen eingegangen oder Subunternehmer in Bereichen eingesetzt, in denen das Unternehmen keine Kernkompetenzen aufweist und daher die Leistung kostengünstiger im Wettbewerb am Markt einkaufen kann. So wird sichergestellt, dass man die Kostenführerschaft anstrebt. Auf diese Entwicklung müssen sich die internen Servicefunktionen und -abteilungen ausrichten. Jedes Unternehmen muss für sich herausfinden, welches die eigenen Kernkompetenzen sind. Instandhaltungsarbeiten an Baumaschinen und sonstigen Anlagen beispielsweise sind für Bauunternehmen im Allgemeinen keine eigentlichen Kernkompetenzen. Daher gehören Tank- und Waschanlagen, Fuhrpark, diverse Werkstätten zu den potenziellen Outsourcingkandidaten. Leistungen, die keine Kernkompetenzen sind, können z.B. von einem Outsourcing-Bauhof oder durch das eigene Unternehmen erbracht werden, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung ergibt, dass die internen Kosten geringer sind als der externe Marktpreis oder dass eine höhere Bereitstellungssicherheit bei Schlüsselgeräten und damit ein erhöhter Zugriff gewährleistet ist. Zu diesem Zweck können Bauunternehmen gemeinsame Bauhöfe durch Outsourcing gründen und ihr Inventar einbringen. Der Trend zur regionalen Konzentration im Bauhofbereich ist häufig eine sehr erfolgreiche Strategie [4-3]. Während die genannten, etablierten Methoden bereits von der Mehrzahl der Unternehmen angewendet werden und somit als weitgehend wettbewerbsneutral zu betrachten sind, beinhalten neue Schlüsselfähigkeiten das Potenzial zur Erzielung wirkungsvoller und dauerhafter Wettbewerbsvorteile. Ein Systemanbieter sollte zur Entwicklung eines Systemkonzepts folgenden Schlüsselfähigkeiten besondere Bedeutung beimessen: x x x x
Etablierung eines projektübergreifenden Risikomanagements Aufbau eines Wissensmanagements Einrichtung eines Innovationsmanagements Entwicklung industrieller Fertigungsprozesse
Diese Schlüsselfähigkeiten in Verbindung mit Kooperationspartnern führen dann zu Kostenführerschaft und komparativen Konkurrenzvorteilen.
Literatur
285
Literatur [4-1]
Backhaus, K.: Industriegütermarketing. 5. Aufl., Verlag Vahlen, München, 1997
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Girmscheid, G.: Bauhof- und Bauinventarmanagement als Schlüssel zur Ergebnis- und Liquiditätssteigerung. Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1998
[4-4]
Girmscheid, G.: Baumanagement der Zukunft – Neue Chancen nutzen oder auf alte Rezepte bauen? In: Bauingenieur 75, Sonderheft 75 Jahre Bauingenieur: Rückblick und Ausblick auf die grossen Leistungen und Herausforderungen im Bauingenieurwesen, 2000, S. 573–580
[4-5]
Girmscheid, G.: Das Systemanbieterkonzept als Querschnittsthema. In: Jahresbericht 1998, Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1999, S. 14–15
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Girmscheid, G.; Maier, H. D.: Informationstechnologie als Vehikel zur Erschliessung neuer Marktsegmente. In: io management 69, H. 5/2000, S. 72–79
[4-7]
Girmscheid, G.: Neue unternehmerische Strategien in der Bauwirtschaft – Systemanbieterwettbewerb und virtuelle Unternehmen. Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1997
[4-8]
Girmscheid, G.; Schulte, M.: Outsourcing als Bestandteil der strategischen Unternehmensplanung von Bauunternehmen. In: Bauingenieur 75, H. 12/2000
[4-9]
Girmscheid, G.: Restrukturierung von Bauunternehmen – Chance für die Zukunft? Einführungsvorlesung, Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1997
[4-10]
Girmscheid, G.: Unternehmerische Restrukturierungsstrategien. In: Tagungsband Bauindustrie im Umbruch: Wie weiter? SBI Gruppe der Schweizerischen Bauindustrie und Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1998, S. 16–31
[4-11]
Hamel, G.; Prahalad, C. K.: Competing for the Future. Harvard Business School Press, Boston, 1996
[4-12]
Kotler, Ph.; Bliemel, F.: Marketing-Management: Analyse, Planung, Umsetzung und Steuerung. 8. Aufl., Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1995
286
4 Markt- und ressourcenbasierte Strategieumsetzung
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Moonie, L.: Keynote Speech. 11th Annual Conference on Construction in Europe, European Construction Institute Loughborough (Veranst.), Mailand, 2000
[4-14]
Porter, M. E.: Wettbewerbsstrategie (Competitive Strategy): Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. 7. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1992
[4-15]
Schulte, M.; Girmscheid, G.: Auswege aus dem Dilemma des reinen Preiswettbewerbs: Marktorientierte Lösungsansätze für Bauunternehmen. Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich 1998
[4-16]
Schulte, M.: Eine empirische Untersuchung der Kundenbewertungsaspekte von Gesamtleistungsangeboten unter Beachtung von Life-CycleAspekten. KicK-Forschungsprojekt, unveröffentlichter Forschungsbericht am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich, Zürich, 1999
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
5.1 Einleitung Kooperations- und Outsourcingstrategien sind Funktionalstrategien im Rahmen der drei Strategieebenen von Unternehmen. Die Entscheidung für eine Kooperations- und Outsourcingstrategie ist eine ressourcenstrategische Entscheidung mit folgenden Determinanten: x x x x x x
anvisiertes Leistungsbündel Aufgaben im Leistungserstellungsprozess Qualität des verfügbaren und potenziell verfügbaren Personals Verfügbarkeit der Leistung am Markt Kostenreduktion bzw. -sicherheit und Auslastungsflexibilität Kernaufgaben und Kernkompetenzen zur Umsetzung des Leistungsangebots
Die strategische Entscheidung über Kooperationen und Outsourcing folgt weitgehend aus dem Kernkompetenz-Paradigma von HAMEL und PRAHALAD [5-21]. Unternehmen der Bauwirtschaft müssen ihre Leistungen kostenoptimal im Wettbewerb erbringen und sich daher auf die Leistungen konzentrieren, die für den Kunden den höchsten Wert erzeugen. Dazu müssen alle Aufgaben, die das Unternehmen in seinen Leistungserstellungs- und Supportprozessen erfüllt, marktgerecht sein. Das führt in der Konsequenz zum Outsourcing von Leistungen, die billiger am Markt eingekauft als im Unternehmen selbst erzeugt werden können, was wiederum die komplette Fragmentierung der Leistungserstellung, die Beschleunigung des reinen Preiswettbewerbs und suboptimale Leistungsergebnisse zur Folge haben kann. Aus diesem Grund entstehen neben der Outsourcingstrategie zur Erzielung der Kostenführerschaft zunehmend Kooperationsstrategien mit dem Ziel, dem Bauherrn ganzheitlich optimierte Leistungen zu bieten und, bei gleichzeitiger Ausbildung von Kernkompetenzen, durch kontinuierliche Verbesserung und Innovationen Kosteneffizienz zu erlangen. Durch die Kombination von Outsourcing und Kooperation entsteht die Möglichkeit, einerseits durch das Outsourcing die
288
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Kostenführerschaft und andererseits durch die Kooperation eine Leistungsdifferenzierung zu erreichen. Im Folgenden werden diese Konzepte in drei Stufen erläutert: x Partnerschafts- und Kooperationspotenzial x Kooperationsstrategien x Outsourcingstrategie
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial Die heutigen traditionellen Projektabwicklungsformen führen oft zu einer konfrontations- und konfliktorientierten Form der Zusammenarbeit (Bild 140). Heutige Situation: Kostenoptimierung über den Preiswettbewerb
Probleme Bauunternehmen
Probleme Bauherren
• Nachfragestagnation • Vollkommene Konkurrenz (kaum Differenzierung)
Hohes Konfliktpotenzial und Konfrontationsorientierung
• Preiswettbewerb
• Fragmentierung in viele Leistungsträger • Unsicherheit im Prozess vom Ziel zum Ergebnis • Keine Life-CycleOrientierung
Ausweg?
Zukünftiger Ansatz: Kostenoptimierung durch Synergien einer Partnerschaft bzw. Kooperation zur Generierung von Innovationen und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen
Bild 140: Konfliktpotenzial und Konfrontationsorientierung bei Kostenoptimierungen über Preiswettbewerb
Diese Entwicklung wird aufgrund der traditionellen Wettbewerbsbeziehungen, die durch die Projektabwicklungsformen (ELT/GU/TU) strukturiert werden, besonders gefördert; sie ist charakterisiert durch [5-19] x in der Regel Einmaligkeit der Austauschbeziehung zum Kunden, x Einmaligkeit der Projekte (Unikatcharakter).
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
289
Das Resultat einer solchen meist einmaligen Austauschbeziehung ist x x x x
oft kein gemeinsames Ziel, wenig Vertrauen der Vertragspartner untereinander, häufige Konfliktorientierung, keine Risikoteilung, sondern Risikozuteilung.
Daraus erwächst bei den Projektbeteiligten oft ein konfrontationsorientiertes, defensives Verhalten anstatt eines proaktiven Projektverhaltens.Dies verhindert oder erschwert gewerkeübergreifende Innovationen und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. 5.2.1 Partnerschaft als Lösungsmodell Basierend auf dem denklogischen Ansatz (Bild 140) „Kostenoptimierung durch Synergien einer Partnerschaft bzw. Kooperation zur Generierung von Innovationen und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen“ wurden Literaturrecherchen durchgeführt. Hierfür wurden besonders Studien aus den angelsächsischen Ländern herangezogen, da hier durch die „Private Finance Initiative“ (PFI) Projektvergaben mit Lebenszyklusverantwortung im Vordergrund stehen. Die frühzeitige Durchführung eines Lebenszykluswettbewerbs stellt hohe Anforderungen an die Partnerschaft von Unternehmer und Bauherr, da die Lebenszyklusanforderungen im Prozess der Projektabwicklung interaktiv und integrativ umgesetzt werden müssen. Ferner verlangen Projekte mit Übernahme von Lebenszyklusverantwortung interdisziplinäre Kooperation zwischen den Schlüsselunternehmen der Planung und Ausführung. Als Erstes stellt sich die Frage (Bild 140), ob es Konzepte und Beispiele gibt, die eine synergetische, proaktive Zusammenarbeit ermöglichen und zu einer Win-Win-Situation unter den Projektpartnern führen, die wiederum Innovationen, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und somit „value for money“ generiert. In anderen Branchen mit hoher Wettbewerbsintensität wie Automobilbau, Flugzeugindustrie etc. ist man den Weg von der Kostenoptimierung durch reinen Preiskampf zur innovativen, kooperativen Teamarbeit gegangen, um die Kostenoptimierung durch Partnerschaftssynergien bei der Entwicklung und der Produktion zu erreichen (Bild 141).
290
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Berater
Berater
Automobilkonzern: Systemführer
Zulieferer
Subs
…
Komponentenhersteller
Zulieferer
Subs Subs
…
Subs
…
Subs
Subs
Bild 141: Supply Chain Management in der Automobilindustrie
Die zweite Frage, die sich stellt, ist, ob solche positiven Beispiele aus anderen Industriebranchen mit anderen Produktentwicklungszeiten und weitgehend repetitiver Fertigung auf die Baubranche übertragen werden können. In England und auch in anderen EU-Ländern gibt es seit 1994 Initiativen auf Regierungs- und Ministerratsebene, um die Partnerschaft bei Projektabwicklungen zu fördern oder sogar zu „erzwingen“. Daraus lässt sich ableiten, dass der Paradigmenwechsel in einer branchenspezifisch angepassten Form auf die Bauwirtschaft übertragbar ist. Diese Initiativen sind in folgenden Dokumenten niedergelegt: x 1994 LATHAM, M. („Latham Report“): Constructing the Team [5-23] x 1996 ATKIN, B. („Atkin Report“): Innovation in the Construction Sector [5-4] x 1997 U.K. Ministry of Defense: Building Down Barriers – The Prime Contractor Handbook of Supply Chain Management [5-26] x 1998 EGAN, J. („Egan Report“): Rethinking Construction [5-9] x 2000 U.K. Ministry of Defense: Public Private Partnerships: Changing the Way We Do Business [5-27] Die Berichte befürworten und fordern von der Bauwirtschaft ein verstärktes „Partnering“: Partnerschaft einerseits zum Bauherrn, aber auch Kooperationen zwischen den Schlüsselplanern und Schlüsselunternehmen unter einem Systemführer bzw. Hauptunternehmer (Bild 142).
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
Berater
291
Berater
Bauherrenprojektteam
Gesamtleistungsanbieter
Subs
Subs
Systemführer Projektteam bzw. Projektorganisation
.
Subs
.
Subs
Zulieferer 1 . . . .
Zulieferer 1
Fassade
HKL Planer
Planer
Architekt
Unternehmer
Unternehmer
Zulieferer n
. . . . Zulieferer n
Rohbau Planer Unternehmer
Subs
…………….
Subs
Bild 142: Partnerschafts- und Kooperationsmodell zur Entfaltung von Synergien (Kostenführerschaft und Differenzierung von Wettbewerbern)
5.2.2 Sinngebung für Partnerschaften und Kooperationen Der Hintergrund der partnerschaftlichen Zusammenarbeit liegt auch in der Erkenntnis, dass die Projektabwicklungsformen nur eine konzeptionelle Hülle mit Phasen und Aufgaben beinhalten (Bild 143). Die Leistungserbringung in den Projekten erfolgt in den planenden und ausführenden Unternehmen mit ihren eigenen Wertschöpfungssystemen, d.h. Leistungserstellungs- und Supportprozessen, sowie eigenen Wertvorstellungen und Zielvorgaben.
292
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Bauherrenberater/ Konzeptplaner Unternehmensstrategie
Or ganisationsstr uktur
Inve st or B a uh err B etre ibe r Nut ze r K unde nzufriede nheit = Leistun gserg eb nis
In vestor Be st eller B auh err Nu tzer K und en bedürfnis = L eistu ng szie l
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq uisit io n
An ge b otsb ea rb e itu n g
Auft rags- und Ausführungsmanagement Ge ne hm iAV OR/ gu n ge n + P ro du kAu sfü hru n gs- t io nsp la nu ng p lan un g
Auf tra g sverha n dlu ng
Personal/ Administration
Marketing
Information/ Dokumentation
Ba u au sfü hrun g
Beschaffung/ Dienstleistung
Co nt ra ct in g in d er Nu tzu ng sp ha se
Ab na h me/ Üb erga be
Finanzen/ Recht
Wissens- und Innovationsmanagement
Bauüberwachungsprozess
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bauwerkserstellungsprozess Planungsprozess
Bauproduktionsprozess
WettbewerbsGenehmigungsphase: und AusEntwurfsplanung, führungsplanung Baubeschreibung, Preis-Leistungsangebot
Entwurfsplan und Ausschreibung
Konzept-, Businessplan
Rohbau
HKL/ Ausbau E+M Technik
Totalunternehmer (TU)-Kooperationen Architekt/ Generalplaner Investor Be steller B auherr Nutzer K und enbedürfnis = L eistungszie l
Inve st or B e st eller B auh err Nu tzer K und enbe dürf nis = Leistu ng szie l
Unternehmensstr ategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
An ge bo tsb e arbe it un g
Personal/ Administration
Marketing
Auf trags- und Ausführungsmanagement
A u ftrag sve rh an dlu ng
Ge ne hmiA VOR/ Pro du kg u ng e n + Au sf üh run gs- t io nspla nu n g plan un g
Information/ Dokumentation
B au au sfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab na hm e/ Üb erga be
Finanzen/ Recht
Co nt ra ct in g in d er N utzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
In ve st or Ba uh err Be treibe r Nutzer Kun denzufriedenh eit = Le istun gserg ebnis
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftr ag
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement Angebotsbearbeitung
Akquisition
Personal/ Administration
Marketing
Support- / Ressourcen-Prozesse
Auftrags- und Ausführungsmanagement GenehmiAVOR/ Produkgungen + Ausführungs- tionsplanung planung
Auftragsverhandlung
Information/ Dokumentation
Bauausführung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
In ve stor Bauh err Betre iber Nut ze r Kun denzufriedenheit = Leistun gsergebnis
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Support- / Ressourcen-Prozesse
Generalunternehmer (GU)
A uf tra gsverha nd lun g
Personal/ Administration
Information/ Dokumentation
Ba u au sf üh ru ng
Beschaffung/ Dienstleistung
A b na hme / Ü b erg a be
Finanzen/ Recht
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Akqu isition
A ng eb ot sbe a rb eitu ng
Marketing
Organisationsstruktur
Unter nehmensentwicklung
Auftrags- und Ausf ührungsmanagement
Au ft ra gsverh a nd lu n g
Personal/ Administration
Suppor t- / Ressourcen-Prozesse
Ge n eh miAVO R/ Prod uk g u ng en + A usf üh run g s- tion splan u ng p la nu n g
Information/ Dokumentation
Ba ua u sf üh ru ng
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn ah me / Ü be rg ab e
Finanzen/ Recht
C on tracting in de r Nu tzun g sph ase
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftr ag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftr ag
A kq u isitio n
An ge bo tsb e arbe it un g
Marketing
...
Rohbauunternehmen Management-Prozesse
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unter nehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse
A kq u isitio n
Marketing
An ge b otsbe arbe itun g
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sve rh an d lu ng
Personal/ Administration
Ge ne h miA VOR/ gu n ge n + Pro du kAu sfü hru n gs- t io nsp la n un g plan u ng
Information/ Dokumentation
B au a usfü hrun g
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ab na h me/ Üb erga b e
Finanzen/ Recht
Co n tra ctin g in d e r N ut zu n gsp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Organisationsstr uktur
Unternehmensentwicklung
Auf trags- und Ausführungsmanagement
A u ftrag sve rh an dlu ng
Personal/ Administration
Ge ne hm iA VOR/ Pro du kgu ng e n + Au sfüh ru n gs- t io nsp la nu n g plan un g
Information/ Dokumentation
B au au sfü hrun g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab na hm e/ Üb erga be
Finanzen/ Recht
Co nt ra ct in g in d er N utzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Leitbild / Leistungsauftr ag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Akq u isitio n
Marketing
An ge bo tsb e arbe it un g
Personal/ Administration
Ge ne hmiA VOR/ g u ng e n + Pro du kAu sf üh run gs- t io nspla nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
Unternehmensentwicklung
Akq uisit io n
A n ge bo tsb ea rb e itu n g
A uf tra gs verha n dlu ng
Personal/ Administration
Marketing
Infor mation/ Dokumentation
Ba ua u sf üh ru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab na hm e/ Üb erga be
Finanzen/ Recht
Con tract in g in d er Nu tzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcen-Prozesse
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Auf trags- und Ausführungsmanagement
A u ftrag sve rh an dlu ng
Organisationsstruktur
Auft rags- und Ausführungsmanagement Ge ne hm iAV OR/ P ro du kg u ng e n + Au sf üh ru n gs- t io nsplan u ng p lan un g
Ausbauunternehmen
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Support- / Ressourcen-Prozesse
Management-Prozesse
Angebotsmanagement
Unternehmensstr ategie
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Support- / Ressourcen-Prozesse
In ve st or Ba uh err Be tre ibe r Nut zer K un denzufriedenh eit = Le istun gserg ebnis
Inve st or Be st eller B auh err Nu tzer K und enbe dürfnis = L eistu ng szie l
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungspr ozesse Angebotsmanagement
In ve st or Be st eller B auh err Nu tzer K unden bedürf nis = L eistu ngsziel
A ng e bo tsb ea rb eitu ng
Con tractin g in d er Nu tzu ngsp ha se
B au au sfüh ru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ab na hm e/ Üb erga be
Finanzen/ Recht
Co nt ra ct in g in d er N utzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstr ategie
Organisationsstr uktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq u isitio n
Marketing
An ge b otsb e arbe it un g
Auf trags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sve rh an dlu ng
Personal/ Administration
Ge ne hm iA VOR/ gu n ge n + Pro du kAu sfü hrun gs- t io nsp la nu n g plan un g
Information/ Dokumentation
B au au sfü hrun g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab na hm e/ Üb erga be
Finanzen/ Recht
Co nt ra ct in g in d er N utzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
In ve st or Ba uh err Be tre ibe r Nut zer K un denzufriedenh eit = Le istun gserg ebnis
Marketing
Management-Prozesse
In ve st or Ba uh err Be tre ibe r Nut zer K un denzufriedenh eit = Le istun gserg ebnis
Akq uisitio n
...
Management-Prozesse
Inve st or Be st eller B auh err Nu tzer K und enbe dürfnis = L eistu ng szie l
Unternehmensentwicklung
In ve st or Be st eller B auh err Nu tzer K unden bedürf nis = L eistu ngsziel
Organisationsstruktur
Auftrags- und Ausführungsmanagement Gen e hmiAV OR/ P ro du kg u ng en + A usf üh ru ng s- tio nsplan u ng p la n un g
Inve st or Ba uherr Be tre ibe r N utze r Kun de nzufriede nh eit = Le istungsergeb nis
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse
Inve st or Be st eller B auh err Nu tzer K und enbe dürfnis = L eistu ng szie l
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Angebotsmanagement
In ve st or Be st eller B auh err Nu tzer K unden bedürf nis = L eistu ngsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
HKLUnternehmen
Management-Prozesse Inve st or Ba uherr Be tre ibe r N utze r Kun de nzufriede nh eit = Le istungsergeb nis
In ve st or Be st eller B auh err Nu tzer K unden bedürf nis = L eistu ngsziel
Management-Prozesse
Inve st or Ba uherr Be tre ibe r N utze r Kun de nzufriede nh eit = Le istungsergeb nis
HKL-/ Fassadenplaner
Konstruktionsplaner
Inve st or Ba uherr Be tre ibe r N utze r Kun de nzufriede nh eit = Le istungsergeb nis
TU-Leistungserstellungsprozess
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bild 143: Projektabwicklungsform als konzeptionelle Hülle am Beispiel der Totalleistungsträgerabwicklung
Daher fordern die Initiativen einen Wandel von einer rein legalistischen, konfrontations- und konfliktorientierten Vertrags- und Projektabwick-
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
293
lungsstruktur zu einer projekt- und teamorientierten Zusammenarbeitsstruktur und damit einen Paradigmenwechsel im Zusammenarbeitsstil. Dies soll dazu führen, dass sich die Projektbeteiligten auf das Generieren von Innovationen und das Erzeugen von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen in den Projekten konzentrieren, um dadurch für den Kunden „best value for money“ zu erzielen (Bild 144). Zudem soll durch Partnerschaften bzw. Kooperationen erreicht werden, dass die Projektbeteiligten gezielt Synergien für die Optimierung der Bauwerke hinsichtlich der Lebenszykluskosten mit entsprechenden Leistungsgarantien nutzen. Projektphasen
Synergieelement einer Kooperation zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen
Konzeptphase
Funktionale Ausschreibung Angebotsphase
Vorentwurfsplanung
Ausführungsplanung
Ausführung
Inbetriebnahme
Nutzungsphase
Rückbau
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess in Entwurf u. Planung Wertoptimierung
Risikomanagement Kooperatives Entwerfen und Planen Kooperative Ausführungsplanung Kooperative Ablaufplanung und Logistik Kooperative Ausführung
Bild 144: Wertsteigerung durch Kooperation von Systemführer, Schlüsselplanern und Schlüsselunternehmen
Das gezielte Fördern von Partnerschaften erfordert eine entsprechende Sinngebung, damit effektiv Win-Win-Situationen entstehen können. Partnerschaftsziele in der Bauwirtschaft sollten mehrdimensional und auf die Kundenzufriedenheit über den Lebenszyklus eines Bauwerks ausgerichtet sein. Sie sollten folgende Elemente enthalten (Bild 145): x x x x x
Konfliktlösungen angemessene Risikoverteilung auf den Lebenszyklus ausgerichtete Projektoptimierung projektorientierte und projektübergreifende Innovationen kontinuierliche Verbesserung der Prozesse und der technischen Lösungen von Projekt zu Projekt x Standardisierung wichtiger technischer Lösungen mit dem Ziel der kontinuierlichen Qualitätsverbesserung x Verringerung der Transaktions- und Schnittstellenkoordinationskosten
294
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Kontinuierliche Verbesserung der Technologie
Kontinuierliche Verbesserung der Prozesse
Anbieterkooperation mit herausragender Wettbewerbsposition Anforderungsmanagement des Kunden
Innovation: Life-CycleSystemlösungen
Kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit
Design to cost und time management
Bild 145: Synergieelemente in einer Anbieterkooperation zur Unterstützung einer Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategie
Die heutigen traditionellen Projektabwicklungs- und „Zusammenarbeits“formen zeigen deutlich, dass die Abgebotsverhandlungen und Nachtragsforderungen eine Konfliktspirale erzeugen. Zudem gelingt es bis heute nur unzureichend, aus Fehlern und Erfolgen bzw. „best practice“ systematisch zu lernen. 5.2.3 Partnerschaftsprozesse Der Paradigmenwechsel zu mehr Partnerschaft – nicht nur mit dem Bauherrn, sondern besonders auch unter den Schlüsselplanern und Schlüsselunternehmern – verlangt ein Umdenken in der Bauwirtschaft. Bei einigen General- und Totalunternehmen, deren Partnerschaftsverständnis kundenorientiert ausgebildet ist und damit auch zur Kundenbindung beiträgt, sind erste Ansätze zu erkennen, allerdings orientiert sich die Zusammenarbeit mit den Subunternehmern immer noch vorwiegend an der Kostenoptimierung mittels Preiskampf und Abgebotsverhandlungen. Dadurch werden Synergieeffekte wie z.B. Generieren von Innovationen sowie von Prozessund Leistungsoptimierungen, die durch Teamarbeit entstehen können, nicht genutzt. Um Partnerschaft zu erreichen, muss der Paradigmenwechsel folgende Mindestziele enthalten (Bild 146):
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
295
x gemeinsame Ziele der Partner x Entwicklung kooperativer Problemlösungsstrategien x Aufbau eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses Diese Ziele lassen sich nur entwickeln, wenn gleichzeitig eine Kultur der Zusammenarbeit aufgebaut und offen gepflegt wird. Dazu gehören x Aufbau und Pflege von Vertrauen durch Zusammenarbeit sowie x Aufbau und Schulung interner Teams und externer Kooperationen.
Gemeinsame Ziele
Aufbau eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses
Kooperative Problemlösungsstrategien
Bild 146: Erfolgsdeterminanten einer Partnerschaft und Kooperation
Die gemeinsamen Ziele müssen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen im offenen Dialog durch Workshops und „open book relationship“ erarbeitet werden [5-20]; damit wird Vertrauen gebildet und gefestigt. Kooperative Problemlösungen werden ermöglicht, wenn die Fokussierung auf Schuldzuweisungen vermieden und die Optimierung des Projekts als gemeinsame Herausforderung betrachtet wird. Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess kann erzeugt werden, indem systematisch aus Fehlern und Erfolgen gelernt wird, um die Prozesse von Projekt zu Projekt zu vereinfachen und dadurch die Transaktionskosten zu senken (Bild 147). Hierzu können beispielsweise strategische Kooperationen auf der Anbieterseite erforderlich sein. Im Verhältnis zum Kunden und bei der Anbieterkooperation bedingt dies: x Akzeptieren neuer Ideen x Erkennen des gemeinsamen Vorteils x Verstehen der Werte und Erwartungen der anderen Beteiligten
296
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Projekt n
Kosteneffizienz durch Zusammenarbeitssynergie
wertschöpfende Aktivitäten
Projekt 2
nicht wertschöpfende Aktivitäten
Reduzierung von Kontrolle
Aufbau von Vertrauen
Projekt 1 Prozess / Technik
Bild 147: Hermeneutische KVP-Spirale: Kosteneffizienz, Vertrauen, Kontrolle
5.2.4 Partnerschaftsdimensionen Partnerschaften in der Bauwirtschaft sind einerseits aus der Perspektive der Zusammenarbeit mit dem Kunden und andererseits aus der Perspektive der Kooperation zwischen den Leistungsanbietern zu betrachten. Die britische Regierung hat mittlerweile institutionalisiert, dass die Vergabestellen bei jedem Projekt prüfen müssen, ob eine traditionelle Projektabwicklungsform wie z.B. ELT und GU überhaupt noch adäquat ist. Das Office of Government and Commerce (OGC) schreibt vor: „Traditional non-integrated procurement options should only be used if they are able to demonstrate best value for money.“ Dadurch werden neue Projektabwicklungsformen wie z.B. Construction Management (CM) und Public Private Partnership (PPP) gefördert, die einen hohen Grad an partnerschaftlicher Interaktion sowie Integration zwischen Bauherren und Leistungsanbietern aufweisen (Bild 148). Das Basisziel für den Kunden bzw. Bauherrn ist es, durch partnerschaftliche Projektabwicklungsformen die Lebenszykluskosten des Bauobjekts bei gleichzeitiger Werterhaltung der baulichen Anlage zu minimieren. Auf der Anbieterseite besteht ein hohes ungenutztes Potenzial an Kooperationsmöglichkeiten unter den Schlüsselleistungsträgern:
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
297
x Transaktionskosten – Optimierung der Zusammenarbeitsprozesse x kontinuierliche Verbesserung und Innovationen – Entwicklung integrativer Lösungen x Life-Cycle-Angebote – Entwicklung von Leistungen mit auf die Betriebsphase bezogenen Garantien [5-19]
Traditionelle Projektabwicklungsformen Investitionskostenoptimierung
100 %
JV – Joint Ventures
PPP mit Anbieterkooperation sowie Integration von Architekt, Nutzer und Kooperationspartnern
CM mit Workshops und open books sowie Integration von Architekt und Nutzer
TU mit Workshops und Integration von Architekt und Nutzer (design to cost)
TU (Nachtragsmanagement)
GU (Nachtragsmanagement)
ELT (Nachtragsmanagement)
Partnerschafts- und Kooperationsspektrum
Neue Projektabwicklungsformen Lebenszykluskostenoptimierung
Bild 148: Partnerschafts- und Kooperationsspektrum verschiedener Projektabwicklungsformen
5.2.5 Synergien von Partnerschaft und Kooperationen in der Bauwirtschaft Die Vorteile und Barrieren von Partnerschaften und Kooperationen können wie folgt zusammengefasst werden: x Vorteile für den Kunden: - weniger, aber hoch qualifizierte Experten notwendig (lean organization) - value for money - geringe Transaktionskosten für Selektion / Koordination / Nachtragsforderungen - keine Lernkurven von Projekt zu Projekt mit neuen Planern und Unternehmen - keine bzw. kaum Kostenüberschreitungen
298 -
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
keine bzw. geringe Nachträge eingespieltes Team Optimierungen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse von Projekt zu Projekt, z.B. arbeitete Sainsbury's, eine britische Lebensmittelhandelskette, 1970 mit 150 Planern / Bauunternehmern 1990 mit 17 Planern / Bauunternehmern 2004 mit 5 Planern / Bauunternehmern zusammen.
x Vorteile für den Planer: - Entwickeln einer „low risk“-Planung in Bezug auf Kosten und Termine durch Kooperation mit dem Gesamtleistungsanbieter - Profitieren vom Know-how der Unternehmen in Bezug auf Technik / Technologie und Kostenschätzung - Optimierung der Lernkurve bei zukünftigen Projekten (Kostenreduktion / Anfangsgeschwindigkeit etc.) - gezielteres design to cost x Vorteile für den Unternehmer: - Verbesserung der Kundenbindung - Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen durch effizienteres Planen und Bauen - Entwicklung innovativer Systemlösungen (Energie / Unterhalt) - Effizienzsteigerung durch kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeitsprozesse und der angebotenen technischen und funktionalen Lösungen - klare Risikoverteilung - schnelle Entscheidungsprozesse - Erzielen von Kostenvorteilen - frühzeitiges Einbringen des technischen Know-hows von Spezialisten der Bereiche HKL / Fassade - bessere, ausführungsgerechtere Planung (design to build) - bessere Möglichkeiten der Koordination aller Beteiligten (time to market) - geringere Transaktionskosten durch keine / geringere Nachtragsforderungen - Standardisierung ähnlicher Elemente (Kostensenkung) - Reduzierung der indirekten Lohnkosten durch eine übergeordnete Baustellenlogistik x Vorteile für den Subunternehmer: - Einbringen des technischen Know-hows zur Optimierung der Projektergebnisse
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial -
299
Kosteneffizienz durch intelligente Know-how-Lösungen anstatt durch Abgebotsverhandlungen geringere Transaktionskosten durch keine oder geringere Nachträge Differenzierung durch Entwicklung kooperativer Systemlösungen bzw. Systemlösungsansätze Standardisierung von produktionstechnischen Details bei weitgehend offener architektonischer Gestaltung
5.2.6 Entwicklungsstufen von Partnerschaften und Kooperationen Die gemeinsamen Ziele einer Partnerschaft bzw. Kooperation in der Bauwirtschaft müssen symbiotisch zu x Prozessverbesserungen bei der Abwicklung der Projekte in Bezug auf nicht wertschöpfende Aktivitäten, x Verbesserung der Projektqualität durch verbesserte Technik und Technologie, x Identifikation von Projekthindernissen und Risiken, x Einhaltung des Kostenrahmens bei gleichzeitiger Erfüllung der Qualitätsanforderungen in Bezug auf Funktionalität, Ästhetik, Dauerhaftigkeit und x value for money führen. Daher müssen die konträren Ziele der Partner während der Partnerschaft bzw. Kooperation in komplementäre Ziele transformiert werden. Folgende Stufen der Partnerschafts- bzw. Kooperationsentwicklung bieten sich an: 1. Post-Vergabe-Kooperationen mit der erforderlichen Ausrichtung auf gemeinsame Projektziele. Hierzu eignen sich Workshops und „open books“ bezüglich Kosten etc. (s. empirische Untersuchungen über partnerschaftlich unterstützende Erfolgsfaktoren [5-6]). 1. Strategische Kooperation I für spezielle Projektarten und Projektabwicklungsformen zur Prozessoptimierung bei der Zusammenarbeit, um aus Fehlern und Erfolgen zu lernen [5-17]. 2. Strategische Kooperation II für spezielle Projektarten und Projektabwicklungsformen zur Prozess- und Produktoptimierung, um ein „best practice“ in einer lernenden Organisation zu erzielen [5-18].
300
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Die letzte Kooperationsstufe zielt darauf hin, Systemkonzepte zu entwickeln, die darauf ausgerichtet sind, dem Kunden Lebenszyklusleistungen anzubieten oder sogar Nutzungsfunktionen zu garantieren (Bild 149). Projektphasen
Fassade Schlüsselunternehmen
Technisches Konzept Kosten / Zeit Technisches Konzept
Technisches Konzept
Integration der Nutzeranforderungen
Kostenrahmen
Systemintegration
Systemintegration
Integration der Lösungen HKL Ausführungsplanung Fassade Ausführungsplanung
Weitere Subunternehmer Facility Management und Contracting Verantwortung
Ergebniskontrolle
Betriebs- und Unterhaltskonzepte
Inbetriebnahme
Nutzungsphase
Abnahme
Inspektion
Gewerke Ausführungsplanung
Entwurfsplanung
Ausführung
Ausführung
Ausführung
Integrative Inbetriebnahme
HKL Schlüsselunternehmen
Integration Teamangebot
Hauptunternehmer Systemführer
Kooperationsteam
Hauptunternehmer Anbieter
Kern-Entwurfsteam
Angebotsentwurf funktionales / architektonisches Konzept
Ausführung
Integrative Ablauf- u. Logistikplanung
Festlegung der Funktion, Qualität, Kosten u. Termine
Ausführungsplanung
Integrative Teamlösung
• Businessplan • Alternativen
Vorentwurfsplanung
Integration zu Design to cost
Bauherrenteam
Konzeptphase
Funktionale Ausschreibung Angebotsphase
Mängelbeseitigung Funktionstest und Einstellungen Funktionstest und Einstellungen
Ausführung
Systemintegration
Überwachung
Hauptunternehmer Koordination und Steuerung
Betrieb
Facility Management und Contracting
Bauherrenteam
Bild 149: Generischer Prozess der Partnerschaft und Kooperation der Leistungsanbieter
Für die organisatorische Gestaltung und operative Umsetzung der Partnerschafts- und Kooperationsentwicklungsstufen sind folgende Massnahmen notwendig (Bild 150): x x x x x x x
Managementverpflichtung (Wille zur Kooperation) Festlegung gemeinsamer Ziele Teammitglieder auswählen (soziale, kooperative Führungskompetenz) Workshops zur gemeinsamen Findung und Ausrichtung Kultur gemeinsam entwickeln (Kundenorientierung / Risiko) Form der Konfliktlösung festlegen Ziele des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses sowie Anreize festlegen
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
301
Projektcharakteristik
Wiederholungscharakter
Komplexe Technik mit hohen Risiken und/oder schneller Abwicklung (time to market) Einfache/konventionelle Technik und/oder normale Abwicklungszeiten
Einmalprojekte
Mehrfachprojekte
Preis-Synergiewettbewerb:
Synergie-Preiswettbewerb:
Projektspezifische Partnerschaft
Strategische Partnerschaft mit Schlüsselplanern und Schlüsselunternehmen
Preiswettbewerb:
Preis-Synergiewettbewerb:
Reine Subunternehmerstruktur
Ausgesuchte Subunternehmer / KVP durch wiederholte Zusammenarbeit
Bild 150: Partnerschafts- bzw. Kooperationsentscheidungsmatrix
Bei der Bewertung der Chancen von Partnerschaften und Kooperationen in der Bauwirtschaft müssen die folgenden Barrieren beachtet werden: x unzureichende Risikoanalyse und unklare Risikozuweisung x opportunistisches Verhalten der Partner – Ausspielen der PrincipalAgent-Vorteile x Ausruhen auf den Schultern des Partners 5.2.7 Kooperationskonstrukte auf Anbieterseite Einige General- und Totalunternehmen differenzieren sich bereits von den Einzelleistungsanbietern, indem sie den Kunden schlüsselfertige Bauten aus einer Hand als Gesamtleistung anbieten und dabei weitgehend Terminund Kostengarantien übernehmen. Heute stellt sich die Situation aber häufig noch so dar, dass der Wettbewerb auch bei Totalunternehmerleistungen primär über die Investitionskosten und nicht über die Life-Cycle-Kosten stattfindet, wodurch auch die baulichen Anlagen nicht life-cycle-orientiert optimiert werden. Für die Unternehmen der Bauwirtschaft ergeben sich dadurch neue Chancen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen. Um den Kunden eine verbesserte Rendite anbieten zu können, sollten die Totalunternehmen auf der Kostenseite nicht nur die Investitionskosten vor dem Hintergrund der spezifischen Kundenbedürfnisse minimieren und garantieren, sondern darüber hinaus auch die wichtigsten Kostenelemente des Unterhalts und des Betriebs in der Planung berücksichtigen. Dies erfordert eine Lancierung neuer life-cycle-orientierter Leistungsangebote auf dem Markt durch kompetente Totalunternehmen.
302
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Eine erste Stufe life-cycle-orientierer Leistungsangebote kann realisiert werden, indem die heutigen, bekannten Contracting-Strategien im Bereich der Energielieferung symbiotisch in die Gesamtleistungsangebote integriert werden. Der Ansatz dieser Integration geht über die einfache Addierung des Leistungselements Contracting zu den bisherigen Gesamtleistungen zur Gebäudeerstellung hinaus, indem das Potenzial genutzt wird, um das Gebäude schon in der Planung hinsichtlich des Energieverbrauchs in der Betriebsphase zu optimieren, da die Energiekosten wesentlich zu den gesamten Betriebskosten beitragen. Hierzu müssen die Synergien durch eine partnerschaftliche Kooperation zwischen Totalunternehmen, HKLPlaner und HKL-Unternehmen sowie dem Planer und dem Hersteller der Fassade bzw. Gebäudehülle so genutzt werden, dass mit einem ganzheitlichen Ansatz, bezogen auf die Investitions- und Betriebskosten, sowohl die Gebäudehülle als auch die Energieerzeugung und Energieverteilung interaktiv optimiert werden können. Das Leistungsziel einer solchen Kooperation, die fokal [5-13] vom Total- bzw. Generalunternehmer geführt werden sollte, ist die Leistungsinnovation „life-cycle-optimiertes Bauwerk“, die in einer ersten Phase – unter Beachtung der architektonischen und funktionalen Anforderungen, die der Bauherr an das Bauwerk stellt – auf die energetische Gesamtoptimierung ausgerichtet werden sollte. Auf der einen Seite muss in dieser Kooperation der Total- bzw. Generalunternehmer im Rahmen des fokalen Unternehmens dem Kunden gegenüber eine Marktentwicklungsstrategie für das neue Leistungsangebot erarbeiten, die dessen Platzierung im Markt sicherstellt. Damit ergibt sich für den Total- bzw. Generalunternehmer gegenüber den Wettbewerbern eine klare Differenzierungsstrategie, die entsprechende Wettbewerbsvorteile bzw. aus der Sicht des Kunden erhöhte komparative Konkurrenzvorteile generiert. Auf der anderen Seite bedeutet die Kooperation für die technologischen Kooperationspartner – HKL, Fassadenbauer – eine Markterschliessungsbzw. Wachstumsstrategie, die mit dem neuen, kooperativen Leistungsangebot ebenfalls zu einer Differenzierung von den Wettbewerbern führt (Bild 151). So werden zwei strategische Vorteile erreicht: Erstens wird dem Kunden mit dem neuen Leistungsangebot durch eine Optimierung der LifeCycle-Kosten ein Produkt mit einem entsprechend erhöhten Kundennutzen angeboten, wodurch eine direkte Win-Win-Situation zwischen dem Kunden und den Leistungsanbietern entsteht. Zweitens entstehen intern zwischen den Partnern entsprechende Anbietervorteile, so dass zwischen dem Total- bzw. Generalunternehmer, den HKL-Unternehmen und dem Hersteller der Fassade eine kooperative Atmosphäre zustande kommen kann,
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
303
die es ermöglicht, die Leistungsinnovationen durch entsprechende technologische Innovationen abzustützen und dadurch eine Differenzierung von den Konkurrenten am Markt, die im Prinzip auch im Rahmen von TULeistungen nur sequentielle Einzelleistungen anbieten, zu erreichen. Strategieziele der Kooperation • Marktstrategie: Marktentwicklungsstrategie • Wettbewerbsstrategie: Differenzierungsstrategie
Fokales Unternehmen General- bzw. Totalunternehmen (GU / TU) und Architekt
Netzwerk komplementärer Leistungsträger Planer und Unternehmen HKL
Planer und Hersteller Gebäudehülle
• Marktstrategie: Markterschliessungsstrategie (Wachstumsstrategie) • Wettbewerbsstrategie: Differenzierungsstrategie
Bild 151: Strategisches Netzwerk mit fokaler Unternehmensorganisation eines strategischen Geschäftsfelds am Beispiel der Integration von Contracting-Leistungen [5-13], [5-15]
Wichtig dabei ist, dass die interne Kooperation unter der fokalen Führung des TU bzw. GU partnerschaftlich wahrgenommen wird. Einerseits muss der TU bzw. GU sein gewohntes Subunternehmerverhalten ablegen und die Partner HKL und Fassadenbau als kooperative interne Partner betrachten. Andererseits muss natürlich sichergestellt werden, dass die internen Partner marktgerecht zur Preisbildung beitragen, so dass es nicht zu einer gegenseitigen Vorteilnahme kommt, indem sich der eine Partner auf dem anderen ausruht, besonders in seiner Preispolitik.
304
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
5.2.8 Anforderungsmanagement in Partnerschaften mit dem Bauherrn Der Weg zur Erreichung einer Partnerschaft mit dem Bauherrn erfordert eine Verbesserung der heutigen Interaktion, damit die Anforderungen des Bauherrn besser integriert werden. Dies hat für den Bauherrn einen besonders hohen Stellenwert, wenn er den Bauauftrag in einer sehr frühen Phase vergibt. Wird das Vertragsverhältnis sehr früh abgeschlossen, bestehen für den Bauherrn hohe Unsicherheiten bezüglich des Erreichens seiner Ziele (Bild 152). Das kann beispielsweise darin begründet sein, dass er meist noch nicht alle Anforderungen für die weitere Detaillierung kennt, weil vielleicht noch nicht alle zukünftigen Nutzer des Bauobjekts feststehen. Projektphasen
Entwurfsplanung
Ausführungsplanung
Ausführung
100 %
Kreativer Gestaltungsspielraum im Bauprojekt
Routiniert zu lösende Bauaufgaben
Innovativ zu lösende Bauaufgaben
Tunnelbau Hochbau
100 %
Grad der Zielerreichung im Bauprojekt
Unsicherheiten hinsichtlich der Erreichung des Leistungsziels
Konkretisierung des Leistungsergebnisses
100 %
Typologisierung der Transaktion
• Immaterialitätsgrad • Interaktivitätsgrad • Integrationsgrad
• Autonomie des Anbieters • Materialitätsgrad
Leistungsziel des Auftraggebers Dimension des Leistungsbündels
Leistungsergebnis Leistungspotential des Auftragnehmers GU ELT
TU
Leistungscharakter im Bauprozess
Leistungserstellungsprozess
Dienstleistungen Sachleistung
Bild 152: Charakterisierung der prozessorientierten Bauleistung aus Transaktionssicht [5-16]
5.2 Partnerschafts- und Kooperationspotenzial
305
Die Herausforderung für erfolgreiche Totalunternehmer oder Systemanbieter besteht darin, während den verschiedenen Projektphasen ein „Anforderungsmanagement“ zu institutionalisieren. Das Anforderungsmanagement gliedert sich in (Bild 153): x Nutzeranforderungsmanagement x Systemanforderungsmanagement n=1 Nutzeranforderungen identifizieren (Workshop) Investorenanforderungen
Systemanforderungen aus Nutzeranforderungen
Nutzeranforderungen
Architektonische Anforderungen
Strukturierung der Anforderungen
Funktionale Anforderungen
Identifikation von Zwängungen oder Problemen
Technische Anforderungen Gesamtsystemabstimmung
Nutzen-Kosten-Auswirkungen Entwicklung eines Lösungsvorschlags
Identifikation nicht funktionaler bzw. nicht wertsteigernder Systemanforderungen
Abstimmung mit Investoren / Nutzern
Überprüfung Nutzen-Kosten
Umsetzung in ein System
Änderungsvorschläge
Nächste Projektphase n=n+1
Bild 153: Anforderungsmanagement – Nutzer- und Systemanforderungen
In einem ersten Schritt müssen die Investoren- und Nutzeranforderungen abgestimmt werden. Die Abstimmung muss interaktiv erfolgen und kann wie folgt gegliedert werden: x Die für die Nutzungsphase notwendigen operativen Erfordernisse müssen herausgefiltert werden. x Die erforderlichen Nutzungsänderungsvarianten und ihre Auswirkung auf die funktionale Gestaltung müssen ermittelt bzw. antizipiert werden. x Die Anforderungen „nice to have“ und ihr materieller und/oder immaterieller Nutzen müssen identifiziert werden. Der Totalunternehmer bzw. Systemanbieter muss die Anforderungen hinsichtlich der Kosten und des Nutzens über den Lebenszyklus des Bauobjekts bewerten. Das Anforderungsmanagement muss in den weitgehend
306
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
immateriellen Projektphasen mit fortschreitendem Detaillierungs- und Konkretisierungsgrad interaktiv systematisch durchgeführt werden. Das interaktive und integrative Anforderungsmanagement folgt dem Konzept „design to cost“. Daher muss der Totalunternehmer bzw. Systemanbieter von Lebenszyklusleistungen die Fähigkeit haben, sowohl die Kosten transparent aufzuzeigen (open books) wie auch die marktseitigen Auswirkungen der Anforderungen auf die Attraktivität der Immobilie und die damit verbundene Kosten-Nutzen-Relation zu ermitteln. Aufbauend auf den nutzerorientierten Anforderungen müssen die Auswirkungen auf die Architektur, Funktionalität und Technik des Bauobjekts ermittelt, permanent erfasst und angepasst werden. Dieses Konzept (Bild 154) durchbricht die oft statische Vorstellung, dass alle Anforderungen in der Konzeptphase endgültig festgelegt werden können. Die Praxis zeigt, dass dies in der Regel nicht zutrifft und die meisten Konflikte der „Partnerschaften“ bei traditionellen Projektabwicklungsformen ihren Ursprung in dieser statischen Haltung der Stakeholder (Bauherr, Planer, Unternehmer) haben. Daher ist es für Projektabwicklungsformen mit Gesamt- bzw. Systemleistungen unabdingbar, dass die Leistungsanbieter das dynamische, interaktive und integrative Anforderungsmanagement entwickeln und systematisch durchführen. Nur so können sich Partnerschaften entwickeln, die die Unsicherheiten im Bauprozess durch Offenheit für beide Partner weitgehend von Spekulationen befreien. Zur Durchführung des Anforderungsmanagements eignen sich in den verschiedenen Projektphasen Workshops, in denen nicht nur die formalen Fakten diskutiert werden, sondern auch das Problemlösungsverhalten der Partner gestärkt wird.
Anforderungsmanagement
Nutzer- und Systemanforderungen
Planungsmanagement
Entwurf / Planung
Testmanagement
Validierung
Verifikation
Projektphasen
Konzeptphase
Funktionale Ausschreibung Angebotsphase
Vorentwurfsplanung
Ausführungsplanung
Ausführung
Inbetriebnahme
Nutzungsphase
Rückbau
Nutzeranforderungen Systemanforderungen
Entwurf Planung
Integrative Testtechnik
Systemtest
Akzeptanztest
Bild 154: Interaktion von Anforderungs- und Planungsmanagement sowie der Verifikation und Systemvalidierung
5.3 Kooperationsstrategien
307
5.3 Kooperationsstrategien In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird unter Unternehmenskooperation die zwischenbetriebliche Zusammenarbeit verstanden, die „das gemeinsame Handeln von zwei oder mehreren Unternehmen in Teilbereichen unternehmerischer Tätigkeit“ beinhaltet [5-1]. Diverse Wissenschaftler bezeichnen Unternehmenskooperationen als eine intermediäre Organisationsform ökonomischer Aktivitäten zwischen Markt und Hierarchie. Markt ist gemäss der neoklassischen Markttheorie „eine Organisationsform ökonomischer Aktivitäten, in der beliebige Marktteilnehmer, die sich grundsätzlich rational und opportunistisch verhalten und die gleichberechtigt und in ihren Handlungen weitgehend voneinander unabhängig sind, eine genau spezifizierte Leistung austauschen“ [5-31], wobei der Preis die Koordinationsfunktion übernimmt. Marktbeziehungen sind kurzfristig und eher kompetitiv, im Gegensatz zu den auf Dauer angelegten, vornehmlich kooperativen Beziehungen in einer Unternehmenshierarchie. Hier basiert die Koordinationsleistung „auf Weisungen der Unternehmensleitung gegenüber (…) den Organisationsmitgliedern“ [5-31]. Ziel einer Unternehmenskooperation ist es, „die Wettbewerbsfähigkeit der Beteiligten durch Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit mittels Rationalisierung oder Schaffung grösserer Wettbewerbseinheiten“ [5-1] oder durch Akquisition komplementärer Kompetenzen zu fördern, wobei „Kooperationsbeziehungen (…) ziel- und nutzenorientierte Beziehungen zwischen (…) Institutionen auf Wechselseitigkeit“ [5-29] sind. Diese Nutzenorientierung knüpft implizit an die instrumentelle Funktion der Kooperation „als eine bestimmte Form zweckorientierter Handlungen von Personen oder Organisationen“ [5-33] an, die „auf eine Verminderung der Wettbewerbsintensität und die Ausnutzung von Synergiepotenzialen abzielen“ [5-24]. Kooperationssynergien ergeben sich nach ANSOFF aus „combined performance that is greater than the sum of its parts“ [5-2]. Kooperationen eröffnen besonders KMU die Möglichkeit, angestrebte Leistungsangebote im Verbund mit anderen Unternehmen ressourcenoptimal zu realisieren. Komplementäre Kernkompetenzen auf der Seite der beteiligten Unternehmen lassen sich verknüpfen, um neue, marktgerichtete und vor allem kundenorientierte Gesamt- und Systemangebote zu erarbeiten. Auch kleineren Bau-, Planungs- und Architekturunternehmen wird damit die Möglichkeit gegeben, kundenfreundlichen Gesamtlösungen zu erarbeiten und wettbewerbswirksam am Markt zu realisieren. Hohe Anfangsaufwendungen zur Erreichung der angestrebten Positionierung im Zielmarkt lassen sich oft vermeiden, indem die bei den Kooperationspartnern vorhandenen Ressourcen (z.B. Know-how, Baugerätekapazitäten,
308
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Personal, Kundenkontakte) im Verbund genutzt werden. Im Folgenden werden verschiedene mögliche Zielsetzungen unternehmensübergreifender Kooperationen erläutert. 5.3.1 Kooperationsvorteile Kostenvorteile
Die gemeinsame Nutzung vorhandener Einrichtungen ermöglicht über die Erhöhung der durchschnittlichen Kapazitätsauslastung die effizientere Nutzung der vorhandenen Produktionsfaktoren (Economies of Scale). Die Realisierung von Synergieeffekten mithilfe von Skalenvorteilen führt zu einer gesteigerten Konkurrenzfähigkeit hinsichtlich der Herstellkosten [5-11]. Viele Bauunternehmen haben zu diesem Zweck bereits gemeinsame Bauhöfe gegründet und ihr Inventar darin eingebracht [5-10]. Zeitvorteile
Bei der Betrachtung von Zeitvorteilen ist zwischen marktbezogenen und prozessbezogenen Vorteilen zu unterscheiden [5-7]. Marktbezogene Zeitvorteile liegen insbesondere dann vor, wenn mithilfe von Kooperationen Systemanbieterleistungen auf dem Baumarkt angeboten werden können, bevor die Wettbewerber die Möglichkeit haben, sich in den entsprechenden Zielmarktsegmenten zu etablieren. Im Hinblick auf die Entwicklung einer Marktidentität kommt marktbezogenen Zeitvorteilen eine besondere Bedeutung zu. Prozessbezogene Zeitvorteile beschreiben in erster Linie die Beschleunigung betrieblicher Abläufe. Die regelmässige Verknüpfung der innerhalb einer Kooperation im Bereich der Auftragsbearbeitung vorhandenen Humanressourcen ermöglicht eine schnelle Reaktion auf temporäre Marktchancen. Unter Einbeziehung von Spezialisten lassen sich in interdisziplinären Teams entscheidende Vorteile gegenüber den Wettbewerbern erzielen. Besonders bei komplexen Projekten, deren Kostenstruktur massgeblich durch fachspezifische Leistungsanteile bestimmt wird, sind die Bauunternehmen auf die Bildung interdisziplinärer Teams angewiesen. Dies trifft speziell für Bauunternehmen zu, die als Systemführer mit geringer werdenden Wertschöpfungsanteilen Gesamtleistungen erstellen. Dann ist es umso wichtiger, dass sie ihren direkten Einfluss auf die inhaltliche und praktische Angebotsgestaltung aufrechterhalten.
5.3 Kooperationsstrategien
309
Akquisitionsvorteile
Für Unternehmen, die in verschiedenen Marktbereichen operieren, bietet sich die Möglichkeit, Akquisitionskontakte über Kooperationen gemeinsam zu nutzen, ohne dass dies zu internen Interessenkonflikten führt. Über die kooperative Weiterentwicklung vorhandener Vertriebsstrukturen lassen sich vielfältige Multiplikationseffekte in der Auftragsakquisition erzielen. Klare fachliche Zuständigkeiten erleichtern in Verbindung mit einer Bestimmung der fachbezogenen Know-how-Träger den zielgerichteten Wissenstransfer bei der Erstellung der Angebote. Know-how-Vorteile
Kooperationen von Partnern mit komplementären Kernkompetenzen ermöglichen die übergreifende Nutzung des vorhandenen Know-hows; integrale Baulösungen können schnittstellenübergreifend erarbeitet werden. Unterschiedliche, komplementäre Kernkompetenzen sowohl im Bereich der Herstellung als auch im Angebot von Dienstleistungen werden innerhalb des definierten Zielmarktsegments zu einem Gesamtleistungsprogramm auf hohem Niveau zusammengefügt. Den Kooperationspartnern wird es auf diese Weise möglich, umfangreiche und für den einzelnen Kunden individualisierte Leistungspakete zusammenzustellen, ohne die mit der Vorhaltung einer grossen Leistungsbandbreite sonst häufig einhergehenden Effizienznachteile in Kauf nehmen zu müssen [5-12]. 5.3.2 Kooperationsformen Zur Ausschöpfung der Kooperationsvorteile gibt es unterschiedliche Kooperationsintensitäten [5-30], die einerseits zusätzliche Wettbewerbsvorteile oder Chancen erschliessen, andererseits aber durch das zur Erreichung der symbiotisch angestrebten Ziele notwendige gemeinsame Handeln die Autonomie der beteiligten Unternehmen teilweise einschränken. Eine mögliche Kooperationssystematik ist in Bild 155 dargestellt. Da in der Literatur ein „wahrer Begriffswirrwarr“ [5-5] vorherrscht, werden die folgenden Arbeitsdefinitionen verwendet (Bild 155): x Strategische Kooperationen verfolgen einerseits aktiv langfristige gemeinsame Ziele in einem oder mehreren strategischen Geschäftsfeldern und werden andererseits meist von einem fokalen Unternehmen geführt; sie weisen somit einen formellen Charakter auf. Die strategischen Kooperationen haben keinen zeitlich begrenzten Rahmen.
310
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
x Ad-hoc-Kooperationen verfolgen einerseits situativ gemeinsame, auftrags- und projektbezogene, meist passive Ziele und weisen andererseits in der Regel keine eigene Führungsstruktur auf; sie haben somit meist einen weitgehend informellen Charakter. Ad-hoc-Kooperationen sind vorwiegend zeitlich, d.h. auftrags- und projektbezogen, begrenzt. Die Unterteilung in strategische und Ad-hoc-Kooperationen kann wie folgt weiter differenziert werden (Bild 155): x Dual-Partner-Kooperationen x Netzwerk-Kooperationen Bei Dual-Partner-Kooperationen handelt es sich um den Zusammenschluss von zwei, bei Netzwerk-Kooperationen von drei und mehr Unternehmen im Rahmen einer strategischen oder Ad-hoc-Kooperation. Die DualPartner- bzw. Netzwerk-Kooperationen werden weiterhin in Bezug auf die Zielsetzung differenziert, die hinsichtlich des Zusammenschlusses entlang der bauwirtschaftlichen Wertschöpfungskette in horizontal, vertikal und diagonal gegliedert und nachfolgend weiter beschrieben wird. Unternehmenskooperationen
Ad-hoc-Kooperationen (informell)
Strategische Kooperationen
Dual-PartnerKooperationen
horizontal
vertikal
diagonal
NetzwerkKooperationen
horizontal
vertikal
diagonal
Dual-PartnerKooperationen
horizontal
vertikal
diagonal
NetzwerkKooperationen
horizontal
vertikal
diagonal
Bild 155: Eingliederung von Kooperationen
Strategische Kooperationen
Eine strategische Kooperation (Bild 155) ist „der Ausfluss einer Kooperationsstrategie, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen“ [5-30], oder gemäss JARILLO „long-term, purposeful arrangements among distinct but related for-profit organizations that allow those firms in them to gain or sustain
5.3 Kooperationsstrategien
311
competitive advantage vis-à-vis their competitors outside the network.“ [5-22]. Strategisch deutet hierbei auf die „proaktive (…) Erschliessung und dauerhafte Verteidigung wettbewerbsrelevanter Potenziale“ [5-31] des gesamten Netzwerks hin. In der relevanten Literatur wird einheitlich auf die Existenz einer „hub firm“ als entscheidendes Merkmal strategischer Kooperationen verwiesen. JARILLO prägte den Begriff der „hub firm“: „A hub firm has especial relationships with the other members of the network. “ [5-22]. SYDOW spricht in diesem Zusammenhang von der fokalen Herstellerunternehmung, die für die strategische Führerschaft verantwortlich zeichnet [5-31]. Das fokale Unternehmen bestimmt mehrheitlich den anvisierten Markt sowie den Inhalt der gesamten Netzwerkstrategie. SYDOW verweist hierbei auf „eine Art strategische Metakoordination der ökonomischen Aktivitäten“ [5-30] der im Verbund zusammengeschlossenen Firmen, den so genannten Netzwerkunternehmen. Die Organisation ist formal mit einer festgelegten Struktur, wobei die Netzwerkgrenzen eher offen sind. Eine strategische Kooperation verfügt über explizit formulierte Ziele und eine eigene Netzwerkidentität, da „strategische Kooperationen (…) i.d.R. das intendierte Ergebnis des Handelns sind“, wobei „das konkrete Ausmass nicht nur von der Kooperationsbereitschaft der geführten Netzwerkunternehmungen ab(hängt), sondern auch von der Kompetenz und Macht der fokalen Unternehmung.“ [5-31]. Neben dem Aspekt der Macht basieren derartige Kooperationen zu einem grossen Teil auf Vertrauensbereitschaft, die durch „bereits bestehende persönliche oder geschäftliche Beziehungen (…) aktiviert wird.“ [5-30]. Formen strategischer Kooperationen finden sich beispielsweise bei Franchise-Verträgen oder Subkontraktbeziehungen [5-31]. Der fortan verwendete Begriff der strategischen Kooperation soll zum häufig sehr unterschiedlich verwendeten Begriff der strategischen Allianz abgegrenzt werden. Gemäss MEFFERT und NETZER [5-25] stammen die diversen Definitionsansätze von den verschiedenen Einflüssen sowohl aus der Managementpraxis als auch aus der Management- und Organisationsforschung her. Bei strategischen Allianzen kann sich die Kooperation „auf nur einen oder einige wenige Funktionsbereiche beziehen und andere Funktionsbereiche der Kooperationspartner weiterhin in Wettbewerb stehen lassen.“ [5-29]. Dadurch ergibt sich, dass Unternehmen in einzelnen Funktionsbereichen Partner, in anderen jedoch Konkurrenten sind. Strategische Allianzen werden häufig in Funktionsbereichen wie Marketing/Vertrieb, Produktion, Beschaffung und Logistik [5-8] mit dem Ziel der Kompensation eigener Schwächen durch Stärkenpotenziale anderer Organisationen [5-25] eingegangen. Nötig für einen derartigen Kooperationsverbund sind „structural fit“ und „cultural fit“ [5-29], d.h., dass gleich-
312
5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
gerichtete strategische Ausrichtungen und eine kulturelle Kompatibilität Voraussetzung für gute Kooperationsbeziehungen sind. Ad-hoc-Kooperationen
Unter Ad-hoc-Kooperation (Bild 155) wird in der vorliegenden Kooperationssystematik eine eher informelle Kooperation verstanden. Dabei unterhalten die Kooperationspartner „latente Beziehungen zu einer grösseren Anzahl von Partnern, die fallweise aktiviert werden können.“ [5-8]. Ausprägungen von Ad-hoc-Kooperationen finden sich z.B. in regionalen Netzwerken oder in Arbeitsgemeinschaften (ARGE). Letztere ist eine typische Organisationsform der Bauwirtschaft. Vor allem im Infrastrukturbau sind projektbezogene Kooperationen als einfache Gesellschaft auf Zeit verbreitet. Im Wohnungs- und Gewerbebau ist die ARGE eher mit Handwerkergemeinschaften zu umschreiben. Der Vorteil der ARGE liegt in der Bündelung von Ressourcen (Mitarbeiter, Material etc.). Nachteilig wirkt sich oft aus, dass die ARGE nach Auftragserfüllung wieder aufgelöst wird und dadurch Know-how verloren geht [5-32]. 5.3.3 Kooperationsrichtungen In Abhängigkeit von der Zielsetzung einer Kooperation kommen verschiedene Kooperationsrichtungen in Frage. Man unterscheidet hier zwischen vertikalen, horizontalen und diagonalen Kooperationen (Bild 156). Vertikale Kooperationen
Im Allgemeinen bezeichnet man Verbindungen von Funktionen im Wertschöpfungsprozess einander vor- oder nachgeordneter Unternehmen, z.B. eines Lieferanten und eines seiner Abnehmer, als vertikale Kooperationen. Bei den in der Bauwirtschaft vorherrschenden Wertschöpfungsketten lassen sich Verknüpfungen von Planungs-, Ausführungs- und Betreiberleistungen als vertikale Kooperationen definieren. Sie bieten sich im Rahmen einer Prozessorientierung an, um Schnittstellenübergänge zwischen vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsbereichen zu harmonisieren. Das Konzept des Simultaneous Engineering [5-14] ermöglicht beispielsweise im Rahmen von Totalunternehmerleistungen eine besser abgestimmte Zusammenarbeit von Planern und Ausführenden. Durch die teilweise Parallelisierung von Planungs- und Ausführungsprozessen lässt sich über die Verkürzung der Zeitspanne zwischen Projektierung und Inbetriebnahme eine wettbewerbsrelevante Differenzierung im Zielmarktsegment erreichen.
5.3 Kooperationsstrategien
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Horizontale Kooperationen
Horizontale Kooperationen sind eine Zusammenarbeit von Unternehmen mit ähnlichen unternehmerischen Zielsetzungen in einer oder mehreren Funktionen auf derselben Wertschöpfungsstufe. Der Zweck einer horizontalen Kooperation kann in der Erzielung von Kostenvorteilen durch die gemeinsame Nutzung vorhandener oder zu beschaffender Ressourcen liegen. So lassen sich Kapazitätsauslastungen erreichen, die von einem der Partner allein nicht realisierbar wären. Ein in der Baubranche bekanntes Beispiel für horizontale Kooperationen ist die Zusammenlegung von Baubzw. Werkhöfen zur Steigerung der Effizienz der Gerätebewirtschaftung. Horizontale Kooperationen werden vielfach auch angewendet, um durch die Bündelung von Baukapazitäten Aufträge abwickeln zu können, die wegen ihres Umfangs für ein Unternehmen allein nicht realisierbar wären. Darüber hinaus sind horizontale Kooperationen auch in anderen Bereichen denkbar, wie z.B. im Bereich des Einkaufs oder der Personalschulung. Auch kleine und mittelständische Unternehmen haben auf der Ebene der Bauausführung vielfältige Möglichkeiten für horizontale Kooperationen. Bauunternehmern, Fliesenlegern, Installateuren und Anstreichern bieten sie eine geeignete Form, um als Generalleistungsanbieter Instandsetzungen, Erneuerungen und Umbauten von z.B. Badezimmern komplett „aus einer Hand“ anzubieten. In diesem Fall ist der Zweck der Kooperation in der Erzielung von Akquisitions- und Know-how-Vorteilen zu sehen. Diagonale Kooperationen
Diagonale Kooperationen stellen eine Mischform von vertikalen und horizontalen Kooperationsrichtungen dar. Man versteht unter diagonalen Kooperationen die Verknüpfung der unternehmerischen Aktivitäten zwischen Partnern unterschiedlicher Branchen, die sich durch die Kombination ihrer Produkte und Leistungen komplementär ergänzen. Übertragen auf den Bereich des Bauens sind dies in unterschiedlichen Wertschöpfungsbereichen der Bauwirtschaft operierende Unternehmen wie Hauptunternehmer als Rohbauersteller, Haustechniker, Ausbauende, Finanz- und Versicherungsunternehmen, Facility Manager. Diagonale Kooperationen bieten sich vor allem zum Aufbau von Systemanbieterleistungen an, indem sie die verschiedenen Teilleistungen zu einem ganzheitlichen Leistungsprogramm zusammenfügen.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Bild 156: Kooperationsmatrix Bau
Mehrdimensionale Kooperationsstrukturen
Als mehrdimensionale Kooperationsstrukturen innerhalb eines Unternehmens werden Kombinationen verschiedener Kooperationsrichtungen bezeichnet. Bauunternehmen, die innerhalb einer diagonalen Kooperation die Erbringung von Systemanbieterleistungen anstreben, können ihre im Rahmen der Kostenminimierung verfolgten Anstrengungen beispielsweise gleichzeitig durch eine horizontale Kooperation mit anderen Bauunternehmen, z.B. durch die Bildung eines Gerätepools, unterstützen. Die Entwicklung mehrdimensionaler Kooperationsstrukturen eröffnet einem Unternehmen die Möglichkeit, die eigene Wettbewerbsposition über verschiedene Ansatzpunkte auf breiter Basis zu verbessern. Mehrdimensionale Kooperationen sind daher besonders geeignet, eine Konzentrationsstrategie in ihren Bemühungen zur Erlangung einer Kostenführerschaft und zur Umsetzung ihrer Differenzierungsanstrengungen zu unterstützen. 5.3.4 Evaluation möglicher Partner Beim Aufbau einer erfolgversprechenden Kooperation muss besonders darauf geachtet werden, dass die einzelnen Unternehmen möglichst gut zueinander passen. Bei der Auswahl möglicher Kooperationspartner zum Auf-
5.3 Kooperationsstrategien
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bau einer Systemanbieterschaft kommt dem Hauptunternehmer dabei eine besondere Rolle zu. Als General- bzw. Totalunternehmer kennt er aus vergangenen Projekten aufgrund seiner Schnittstellenfunktion die in Frage kommenden Kooperationspartner genau. Er hat die Eignung einzelner Unternehmen nach verschiedenen Gesichtspunkten (Bild 157) abzuschätzen. Die Risiken einer Kooperation sollten in ihrer Ausprägung für alle Partner überschaubar sein (Bild 157). Etwaige Grössenunterschiede unter den kooperierenden Unternehmen dürfen nicht dazu führen, dass ein Unternehmen versucht, übermässigen Einfluss auf seine Partner auszuüben. Die sich durch die Kooperation ergebenden Chancen sollten für alle Partner ein ausreichendes Wertsteigerungspotenzial beinhalten. Die an einer Kooperation beteiligten Unternehmen müssen ihre eigenen Betriebe bereits erfolgreich restrukturiert haben; eine externe Lösung interner Probleme kann nicht zum erwünschten Erfolg führen. Ferner sollte eine stark ausgeprägte Innovationsfreudigkeit die Basis zur Entwicklung fortschrittlicher Systembaulösungen bieten. Anforderungen an die Kooperationspartner
Anforderungen an die Kooperationsstruktur
• Auslegung auf langfristige Zusammenarbeit • Ermöglichung eines breiten • •
Leistungsprogramms durch Verknüpfung komplementärer Kernkompetenzen Sinnvolle Ergänzung der jeweiligen Leistungsbereiche unter Vermeidung von Überschneidungen (Rohbau, Ausbau, Fassadenbau, Tiefbau etc.) Höchstmass an Flexibilität in der Organisation zur Implementierung des Projektcharakters der Bauwirtschaft
•
Gemeinsame Unternehmensziele und Visionen
•
Restrukturierung des eigenen Betriebs bereits erfolgt; keine übergeordnete Lösung lokaler Probleme
• •
Wirtschaftliche Stabilität
•
Grosse Innovationsfreude
Hohe Motivation und Kompetenz zur Kooperation vorhanden
• Flach strukturiert -> Kostenoptimierung Bild 157: Anforderungen an Kooperationsstruktur und -partner
5.3.5 Das Konzept der Netzwerk-Kooperation Strategische Netzwerke
Als neue Möglichkeit der Kooperation besonders für KMU hat sich in den letzten Jahren das Konzept der Netzwerk-Kooperation bzw. des virtuellen oder fokalen Unternehmens entwickelt (Bild 158). In der Baubranche ist die Arbeitsgemeinschaft eine weit verbreitete Kooperationsform, die ge-
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
mäss der Arbeitsdefinition zu den Ad-hoc-Kooperationen gezählt würde. In den Bereichen der Unternehmensberatung oder innovativer Softwareund High-Tech-Betriebe haben sich neue Kooperationsformen gebildet, die als virtuelle Unternehmen bezeichnet werden. Virtuelle Unternehmen lassen sich zu den Ad-hoc-Kooperationen einordnen, wenn sie nicht von einer fokalen Managementorganisation geführt werden. Diese Netzwerke sind, im Gegensatz zu einer ARGE, latent auf Langfristigkeit ausgelegt, zur Ergreifung temporärer Chancen, d.h. es bilden sich jeweils auftragsoder projektbezogene Zusammenschlüsse, jedoch fehlt ihnen meist eine fokale Managementorganisation, die die Kooperationsstrategie aktiv am Markt umsetzt. Auch in der Bauwirtschaft sind konkrete Bemühungen erkennbar, neue Kooperationsformen zu etablieren. Im Rahmen des Systemanbieterkonzepts soll nur auf die strategischen Dual-Partner- und Netzwerk-Kooperationen eingegangen werden, die langfristige strategische Ziele verfolgen. Strategische Dual-Partner- bzw. Netzwerk-Kooperationen basieren auf einem auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensnetzwerk mit fokaler Unternehmens- bzw. Managementstruktur und dienen der Ergreifung temporärer Marktchancen wie z.B. der Abwicklung eines Bauprojekts. Sie werden gemäss Arbeitsdefinition durch ein fokales Unternehmen geführt, das die Kooperation nach innen und aussen repräsentiert. Strategische Netzwerk-Kooperationen sind ein latenter Zusammenschluss von meist komplementären Unternehmen. An der Bildung einer strategischen Netzwerk-Kooperation beteiligen sich, je nach Erfordernis der zu bewältigenden Bauaufgabe, verschiedene Unternehmensteile (strategische Geschäftsfelder) der Netzwerkteilnehmer hauptsächlich im Rahmen ihrer eigenen Kernkompetenzen. Die beteiligten Unternehmen erzielen eine maximale Wertschöpfung. Wenn es sich nicht nur um einen rein kapazitätsorientierten Zusammenschluss handelt, führt die Gründung einer strategischen NetzwerkKooperation oft zu einer Leistungsinnovation für die beteiligten Unternehmen. Das kooperative Leistungsangebot umfasst meist ein Leistungsbündel, das über die Leistungsfähigkeit des einzelnen Unternehmens hinausgeht. Dadurch erschliessen sich die beteiligten Unternehmen neue Absatzfelder im Baumarkt, die den einzelnen Partnern aufgrund ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit verschlossen blieben. Strategische Netzwerk-Kooperationen sind extrem flexibel und kundenorientiert, da sie in ihrer Form in erster Linie von der zu erfüllenden Aufgabe bestimmt werden. Sie unterscheiden sich damit stark von herkömmlichen Unternehmensorganisationen, die meist hierarchisch und kapazitätsorientiert aufgebaut sind. Durch die Flexibilität, die sich aus der auftragsbezogenen Organisation ergibt, sind strategische Netzwerk-Kooperationen
5.3 Kooperationsstrategien
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mit fokaler Unternehmens- bzw. Managementstruktur besonders geeignet, dem Projektcharakter des Baugeschäfts gerecht zu werden. So schliessen sich die Unternehmen des Netzwerks, die für die Gestaltung des Angebots bzw. der Ausführung erforderlich sind, nur in der Angebots- und Ausführungsphase unter Leitung des fokalen Unternehmens zusammen, um die optimale Lösung und das attraktivste Angebot für den Bauherrn zu erarbeiten. Ferner bilden die beteiligten Unternehmen unter Leitung des fokalen Unternehmens Projektgruppen zur Weiterentwicklung optimierter Systemleistungen und entwickeln Innovationen, um weitere Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Die Unternehmen arbeiten also nur während den spezifischen Projektphasen zusammen; ihre Selbstständigkeit wird damit sichergestellt. Die Charakteristiken der eingegangenen Kooperation sollten in ihrer Art ein Höchstmass an Organisationsflexibilität erlauben, damit dem Projektcharakter des Bauens bestmöglich Rechnung getragen wird. Demgegenüber ist das Sicherheitsbedürfnis der Kooperationspartner, die beispielsweise vor einem einseitigen Wissenstransfer geschützt werden möchten, zu berücksichtigen. Vertrauen als Sicherungsinstrument kann bei einer Zusammenarbeit nur Erfolg versprechend sein, wenn die Teilnehmer einer Kooperation bei Missachtung vorhandener Verhaltensregeln mit Gegenmassnahmen rechnen müssen. Je nach Grad der Kooperationsintensität bzw. des Aufgebens der wirtschaftlichen und rechtlichen Selbstständigkeit lassen sich verschiedene Formen der Kooperation unterscheiden. Lockere Absprachen zwischen den beteiligten Unternehmen stellen den geringsten Intensitätsgrad einer Kooperation dar. Vertraglich abgesicherte Kooperationen legen demgegenüber schriftlich fest, welcher Partner welche finanziellen, sachlichen und personellen Beiträge zu leisten hat. Das Ergebnis ist dann ein gemeinsam genutztes Budget bzw. Ressourcenpotenzial. Ad-hoc-Netzwerke
Arbeitsgemeinschaften sind Gesellschaften, die zur Erfüllung einer zeitlich befristeten Aufgabe von zwei oder mehr rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen gegründet werden. Innerhalb einer zeitlich begrenzten Aufgabe (Bauprojekt) wird die wirtschaftliche Selbstständigkeit im Projekt partiell aufgegeben. Virtuelle Unternehmen stellen eine neue Form der Kooperation dar. Sie basieren auf einem auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensnetzwerk und dienen der Ergreifung temporärer Marktchancen wie z.B. der Abwicklung eines Bauprojekts. An der Bildung eines virtuellen Unternehmens beteiligen sich, je nach Erfordernis der zu bewältigenden Bauaufgabe, verschiedene Unternehmensteile der Netzwerkteilnehmer vor-
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
nehmlich im Rahmen ihrer eigenen Kernkompetenzen. Die teilnehmenden Unternehmen erzielen eine maximale Wertschöpfung. Virtuelle Unternehmen sind extrem flexibel und kundenorientiert, da sie in ihrer Form in erster Linie von der zu erfüllenden Aufgabe bestimmt werden. Sie unterscheiden sich damit stark von herkömmlichen Unternehmensorganisationen, die meist hierarchisch und kapazitätsorientiert aufgebaut sind. Durch die Flexibilität, die sich aus der auftragsbezogenen Organisation ergibt, sind virtuelle Unternehmen besonders geeignet, dem Projektcharakter des Baugeschäfts gerecht zu werden. 5.3.6 Aufbau einer strategischen Netzwerk-Kooperation Beim Aufbau einer strategischen Netzwerk-Kooperation in einem strategischen Geschäftsfeld sollte die Auswahl der Netzwerkteilnehmer möglichst durch einen Hauptunternehmer erfolgen, der nach Massgabe seiner eigenen Kernkompetenzen weitere Partner auswählt, mit denen man nach Möglichkeit bereits in der Vergangenheit bei gemeinsam abgewickelten Bauprojekten gute Erfahrungen gemacht hat und die in den angestrebten komplementären Kompetenzbereichen der Kooperation erfolgreich tätig sind. Damit der Gesamterfolg der Kooperationsstruktur sichergestellt ist, dürfen nur Unternehmen, die die Anforderungen an einen Kooperationspartner erfüllen, für eine Zusammenarbeit in Betracht gezogen werden. Der Hauptunternehmer kennt durch seine zentrale Funktion in der herkömmlichen Projektabwicklung gegenüber den Kunden und den bisher als Subunternehmern fungierenden Nachunternehmern sowohl die Ansprüche an eine erfolgreiche Kooperation als auch die Kooperationsfähigkeit der in Frage kommenden Partnerunternehmen. Bild 158 zeigt die Struktur einer Netzwerk-Kooperation. Die innerhalb des Kooperationsnetzes verfügbaren Kapazitäten werden in Abhängigkeit von den jeweiligen Projekterfordernissen zu einem auftrags- bzw. projektbezogenen kooperativen fokalen Unternehmen zusammengefasst. Zur Verfolgung der Marktziele nach aussen und für das Management der Kooperation nach innen ist das fokale Unternehmen zuständig. Das fokale Unternehmen bildet innerhalb der Netzwerk-Organisation den Kristallisationspunkt, um den herum sich eine strategische Netzwerk-Kooperation aufbaut (Bild 159).
5.3 Kooperationsstrategien
Bauprojekt B
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Latentes Kooperationsnetzwerk Temporäres Unternehmen zur Abwicklung des des Bauprojekts A
GU
Generalunternehmer Spezialbauunternehmer Ausbauunternehmer Fachplaner Bauprojekt C
Finanzdienstleister
Bild 158: Kooperationsnetzwerk
Es hat sich gezeigt, dass der Zusammenschluss von Unternehmen zu einer losen Ad-hoc-Netzwerk-Kooperation oder -Allianz – wie beispielsweise bei einem virtuellen Unternehmen – ohne organisatorische Führung in der Baubranche nicht zum Erfolg führt. In einem solchen dezentralisierten Netzwerk schliessen sich die Unternehmen meist nur mit der Absicht zusammen, einen „Mitnahmeeffekt“ zu nutzen, ohne eigene substanzielle Anstrengungen zu leisten. Das führt besonders dann zum Misserfolg, wenn man Leistungsinnovationen auf dem Markt absetzen möchte, die hohe Entwicklungs- und Akquisitionsanstrengungen erfordern, für die keiner durch eine klare finanzielle Verpflichtung und Führungsstruktur richtig verantwortlich ist. Um in einem solchen Netzwerk einen Erfolgsgenerator zu implementieren, ist es erforderlich, ihm eine eigenständige, fokale Rumpforganisation / Managementorganisation zu geben. Damit wird die Gründung der strategischen Netzwerk-Kooperation, z.B. als Aktiengesellschaft der Netzwerkpartner, eine Erfolgsverpflichtung für das von ihnen eingesetzte Kapital und für die anfallenden permanenten Kosten der fokalen Managementorganisation (Bild 159).
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Bild 159: Strategisches Netzwerk mit fokaler Managementorganisation [5-13]
Die fokale Managementorganisation muss extrem schlank organisiert sein und hat die Aufgaben: x Marketing und Akquisition x Zusammenstellen der projektspezifischen Netzwerk-Ressourcen x Zusammenstellen der spezifischen Projektorganisationen in den Projektphasen Entwicklung, Angebotsausarbeitung und Ausführung x Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Leistungsangebots x Aufrechterhaltung der Netzwerkbeziehung Zu den elementaren Aufgaben der fokalen Managementorganisation gehören die Repräsentation der Leistungsstärke der strategischen NetzwerkKooperation gegenüber dem Kunden, das Aktivieren des internen Leistungspotenzials sowie die Koordination der Schnittstellen. Damit erhält der Kunde Gesamtleistungen aus einer Hand. Trotz einer Sonderstellung des Hauptunternehmers muss die Zusammenarbeit innerhalb des Netzwerks auf einem gleichberechtigten Umgang miteinander beruhen, um eine vertrauensvolle Partnerschaft als Voraussetzung zum Know-how-Transfer und zur Entfaltung des angestrebten Innovationspotenzials sicherzustellen. Bei der Abwicklung von Bauprojekten mithilfe strategischer Netzwerk-Kooperationen ist es darüber hinaus von entscheidender Bedeutung, dass die beteiligten Unternehmen dem Kunden gegenüber unter Führung der fokalen Managementorganisation geschlossen auftreten, damit ganzheitliche Baulösungen nicht um den Preis einer kundenfeindlichen, zerstückelten Kunde-Anbieter-Beziehung erbracht werden.
5.3 Kooperationsstrategien
321
Die Netzwerkpartner und ihre Aufgaben
Die richtige Auswahl und Qualifikation der Partnerfirmen stellt die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit dar. Die Selektion sollte aufgrund gemeinsamer Erfahrungen erfolgen, die man bei der Abwicklung von konventionellen Projekten gewonnen hat. Dadurch kann sich das Gefühl für eine Partnerschaft in Bezug auf x x x x x
Leistungsfähigkeit und Flexibilität, Kooperationsbereitschaft, Qualifikation und Know-how, Organisation und Management, Finanzkraft und Kreditwürdigkeit
entwickeln. Bei Hochbauten (Ein- und Mehrfamilienwohnhäuser) können sich folgende Partner z.B. zu einem Kooperationsnetzwerk Systemanbieter (Bild 142) zusammenschliessen: x x x x
Ingenieur- und Projektsteuerungsbüro (Planer) Bauunternehmen Installationsbetrieb Ausbaubetrieb
Einer der Partner muss die Gesamtregie und Schnittstellenkoordination in der fokalen Managementorganisation des vernetzten Unternehmens übernehmen; zudem ist jeder Partner für sein komplettes Gewerk bzw. seinen Leistungsauftrag hinsichtlich Koordination und Ausführung zuständig und verantwortlich. Der Planer müsste die gesamte Planung für die Genehmigung und Ausführung bereitstellen, d.h. der Planungspartner ist für die Erstellung bzw. Beschaffung der Planung sowie für die Integrationsplanung von x x x x
Architektur- und Werkplänen, Statik, Schal- und Bewehrungsplänen, Haustechnikplanung und Bemusterungsplanung
zuständig und verantwortlich; weiterhin ist er mit der Inkorporation des spezifischen Know-hows der beteiligten Partner betraut. Es ist nicht sinnvoll, dass der Planungspartner all diese Teilleistungen selbst erbringt; zur Sicherstellung schlanker Strukturen muss hier nach der Make-or-BuyStrategie genau geprüft werden, welche Leistungen der Planungspartner
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
zur Erhaltung und Herausbildung von konkurrenzunterscheidendem Know-how selbst erbringt und was am Markt gekauft wird. Das Bauunternehmen ist der Rohbaupartner. Es ist für die gesamte Rohbauleistung zuständig und wird auch systematisch die Make-or-BuyStrategie anwenden. Speziell im Hauptgeschäftsbereich weniger häufig anfallende Aufgaben werden an Subunternehmer oder Netzwerkpartner vergeben. Der Rohbaupartner könnte z.B. zuständig sein für: x x x x
Baugrube und Aushub Gründung Rohbau Dachkonstruktion und Dachdeckung
Der Installationsbetrieb ist der Haustechnikpartner, der heute ein Schlüsselelement für die Wirtschaftlichkeit des Bauprojekts in der Nutzungsphase ist. Der Haustechnikpartner, einschliesslich des Haustechnikplaners, muss das heute auf diesem Gebiet besonders komplex gewordene Know-how in das Kooperationsnetzwerk einbringen; zu nennen sind hier: x x x x
Heizanlagen auf der Basis von Fossil- und Sonnenenergie jegliche Form der Wärmerückgewinnung Elektro- und Telekommunikationseinrichtungen Alarm- und Steuerungseinrichtungen usw.
Auch der Haustechnikpartner wird nicht alle Aufgaben selbst durchführen und zur Erreichung der optimalen Wirtschaftlichkeit die Make-or-BuyStrategie anwenden. Der Ausbaupartner ist zuständig für alle in diesem Bereich anfallenden Einzelgewerke wie z.B. x x x x x
Estrich, Wand- und Bodenbeläge, Isolierungen und Wärmedämmung, Putz und Anstriche, Fenster, Türen und Einbauten.
Der Ausbau könnte auch vom Bauunternehmen durchgeführt werden, wiederum unter systematischer Anwendung der Make-or-Buy-Strategie. Netzwerkkompetenz des Managements
Das Management des fokalen Unternehmens, das die im Netzwerk kooperierenden Unternehmen führt, muss sich auf die neuen Anforderungen vorbereiten. Neben den traditionellen Managementaufgaben müssen spezi-
5.3 Kooperationsstrategien
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fische Schlüsselaufgaben und -kompetenzen wahrgenommen werden, die zum reibungslosen Funktionieren eines Netzwerks erforderlich sind. Dazu gehören die Repräsentation des Kooperationsnetzwerks als Systemanbieter gegenüber dem Kunden, die Aktivierung der Leistungsstärke der einzelnen Unternehmen und die Koordination der Schnittstellen zur Nutzung des gesamten Effizienzpotenzials. Die Aufgaben x x x x x x
Marketing und Akquisition, Planung und Arbeitsvorbereitung, Angebot und Ausführung, Technologie- und Betriebsorganisation, Netzwerkbeziehungen und externe Audits
sind im Bauprozess nicht neu, sondern nur die Rollenverteilung in der Organisation und im Management. Das Akquisitionsmanagement hat bereits in der Vergangenheit jedes Partnerunternehmen individuell wahrgenommen. Der Systemanbieter muss nun das gesamte Produkt anbieten; zu den damit verbunden Aufgaben gehören: x Marketing x Projektakquisition x Ansprechpartner für den Kunden Das Arbeitsvorbereitungsmanagement muss die internen Technologien und Leistungen im Netzwerk konfigurieren: x x x x x x
Bereitstellung von Technologien im Netzwerk Leistungsabklärungen Konfiguration der Leistungen der Partner Bewertung der Anforderungen Feststellung der Kapazitäten der Partner Erstellung der Gesamtterminplanung und Festlegung der Schnittstellentermine x Vorbereitung der Gesamtkalkulation, zusammengesetzt aus den Teilkalkulationselementen der Partner Der Ausführungsmanager ist für Organisation und Durchführung der Bauausführung zuständig. Seine Aufgabe ist die Koordination der Partner im Bereich der Schnittstellen der Gesamtleistung sowie die Sicherstellung der Qualität und Termine. Sein Verantwortungsbereich kann wie folgt definiert werden:
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
x Er leitet die Bauausführung. x Er ist gegenüber den Partnern des Netzwerks weisungsbefugt. x Er optimiert die Bauausführung und ist für das Schnittstellenmanagement zuständig. x Er garantiert die vertraglich vereinbarte Qualität der Bauausführung. x Er garantiert die Termine und Kosten. In jedem mit dem Netzwerk verbundenen Unternehmen muss ein Ansprechpartner als Technologie- und Ressourcenmanager für folgende Aufgaben zur Verfügung stehen: x Er repräsentiert die Technologiekompetenz des Unternehmens. x Er ist Ansprechpartner für die Akquisitions- und Arbeitsvorbereitungsmanager. x Er optimiert die Bereitstellung der Leistungen für das Netzwerk in Form von Eigen- und Subunternehmerleistungen für die Gesamtleistung. x Er erstellt die Kalkulation der Gesamtleistung innerhalb des Netzwerks aus den Einzelkosten der Teilleistungen und den spezifischen Allgemeinkosten x Er bereitet die Leistungs- und Terminplanung der Gesamtleistung vor und unterstützt den Arbeitsvorbereitungsmanager bei der Vorbereitung des Gesamtangebots. Der Systemführer ist insbesondere für die Pflege der Beziehungen der Netzwerkpartner untereinander zuständig. Diese Aufgabe ist von ausserordentlicher Bedeutung, da nur durch eine positive, aktive Identifikation der Beteiligten mit ihren Aufgaben die Synergien freigesetzt werden können, die zur Erarbeitung und Nutzung von konkurrenzunterscheidendem Knowhow notwendig sind. Trotz der unabdingbaren Nutzung der zentrumslosen Kommunikationssysteme innerhalb des Netzwerks ist der persönliche, soziale Kontakt zwischen den genannten Schlüsselmanagern entscheidend für das reibungslose Zusammenwirken. Mit der objektiven Überprüfung des effizienten Zusammenwirkens der Unternehmen sollte ein externer Berater beauftragt werden. Er kann besonders in der Anfangsphase und später stichprobenartig folgende Hilfestellungen geben: x Überprüfung der optimalen Abwicklung der Projekte x Analyse von Schwachstellen x Ermittlung von Verbesserungspotenzial
5.3 Kooperationsstrategien
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Die internen Erfolgsfaktoren eines fokalen Kooperationsnetzwerks
Die internen Erfolgsfaktoren, die man sicher nicht allgemein verbindlich definieren kann, ergeben sich aus der für das Funktionieren der Netzwerkpartner notwendigen gemeinsamen Schnittmenge von marktstrategischen und unternehmerischen Zielsetzungen. Zu diesen Zielsetzungen gehören für das Erreichen des hier vorgestellten Konzepts die folgenden gemeinsam abgestimmten Teilschnittmengenziele: x Definition der gemeinsamen Stossrichtung und Marktstrategie x Benennung der Netzwerk-Kommunikationspartner in den Partnerunternehmen sowie Sicherstellung und Förderung der Zusammenarbeit und Entwicklung Die organisatorische Struktur muss so funktional sein, das jeder Mitarbeiter routinemässig auf Kernkompetenzen anderer Abteilungen oder Partnerunternehmen im Netzwerk zurückgreifen kann. Dies stellt sicher, dass innerhalb des Netzwerks die beste Lösung gefunden werden kann. Einer überraschend grossen Zahl von Unternehmen fehlt ein systematisches Verzeichnis über Fachwissen und -fähigkeiten des Personals. Um die gemeinsamen Chancen zu nutzen, muss der Wissensspeicher des Netzwerks für die Partner zugänglich sein. Dadurch werden auch Lücken offensichtlich, die intern geschlossen oder durch zusätzliche Netzwerkpartner ergänzt werden müssen. Ein Netzwerk, das sich zu einer strategischen Kooperation zusammengeschlossen hat, bildet solange eine Netzwerkkooperation, wie die gemeinsame Leistung bzw. das gemeinsame Systemanbieterkonzept am Markt umgesetzt werden kann. Zur Sicherstellung der meist längerfristigen Netzwerkkooperation ist eine überzeugte Verpflichtung in Bezug auf Ethik und Vertrauen erforderlich, die die gegenseitige Abhängigkeit für den Gesamterfolg widerspiegelt. Kooperierende Unternehmen gehen nicht nur aus formalen, sondern aus praktischen Gründen offen und ehrlich miteinander um. Dies sollte sich auch in den folgenden Managementstrategien zur erfolgreichen Führung unternehmensübergreifender Kooperationen niederschlagen: x Formulieren klar definierter Kriterien und Ziele für die Kooperation x Formulieren und Praktizieren unternehmensübergreifender Ethik x Wahren der Integrität der zusammenarbeitenden Unternehmen und des Personals x Führen interdisziplinärer Teams über die Unternehmensgrenzen hinweg x Erfolgsbeteiligung der Teammitglieder
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
x Schaffen eines für die Projektbedürfnisse offenen Kommunikationsnetzes und Informationsaustauschs x Wahren des geistigen Eigentums der Partner untereinander x Wahren der rechtlichen und finanziellen Interessen der Unternehmen Mitglied des fokalen Kooperationsnetzwerks bleibt nur, wer zur Weiterverbesserung des Systemprodukts beiträgt. Da es sich um ein dynamisches, kundenorientiertes System handelt, verlassen Teilnehmer das Netzwerk, wenn sie keinen genügenden Zusatznutzen mehr schaffen oder Einbussen in der Wirtschaftlichkeit verursachen. Neue Mitglieder treten dem Kooperationsnetzwerk bei, um Zusatznutzen und neue Problemlösungen zu erzeugen. Um die Erfüllung externer Verpflichtungen sicherzustellen, müssen intern zwischen den Partnern folgende betriebswirtschaftliche Aspekte geklärt werden: x x x x
Finanzierungs- und Haftungsfragen Übernahme von Bürgschaften Leistungsabrechnung und Verteilung von Deckungsbeiträgen interne Abgrenzung von Gewinnen und Verlusten
Sicherung und Entwicklung von Know-how
Unternehmen, die sich durch Kooperationen als Systemanbieter für Gesamtleistungen zusammenschliessen, benötigen für die zwischenbetriebliche Koordination zusätzliches Know-how für: x x x x x
Angebotsbearbeitung Ausführungsplanung Gesamtkoordination Projektcontrolling Nachkalkulation
Jeder Netzwerkpartner ist für die wettbewerbsfähige und optimale Planung und Ausführung seines Gewerks zuständig. Damit übernimmt er die Entwicklung, Koordinierung, Organisation sowie Kosten- und Terminverantwortung für das jeweilige Gewerk gegenüber dem Projektkoordinationsmanagement innerhalb des Kooperationsnetzwerks. Das Projektkoordinationsmanagement muss die Integration der Gewerke bewirken und die Gesamtoptimierung mit den Partnern sicherstellen. Im Hochbau z.B. sollten generell, nicht nur innerhalb eines Kooperationsnetzwerks, nur noch folgende Gewerke gebildet werden:
5.3 Kooperationsstrategien
x x x x
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Gesamtplanung Rohbau Haustechnik Ausbau
Dem Systemführer obliegt es auch, die Gesamtplanung und die komplexen Leistungsbeiträge der beteiligten Partner vertragskonform abzustimmen und zu integrieren. Die Lösung der Schnittstellenprobleme stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Partner. Die Schnittstellenabgrenzung umfasst folgende Aspekte: x Abstimmung des Leistungsumfangs der Partner x terminliche Koordinierung der Schnittstellen zwischen den Gewerken bei der Ausführung x technische Abstimmung von Arbeiten Das Konfliktpotenzial innerhalb eines Kooperationsnetzwerks hinsichtlich der Ausführung wird durch die Aufteilung in Gewerke begrenzt; zudem können die Partner untereinander die Ausführung in Bezug auf Vorfertigung sowie Verhinderung von Doppelarbeiten und Behinderungen effizienter gestalten. Die beteiligten Partner müssen ihren Entwicklungsvorsprung systematisch durch Patente schützen, um ihre konkurrenzunterscheidenden Fähigkeiten abzusichern. Netzwerk-Organisationsformen zur unternehmensinternen Projektabwicklung
Die meisten überregional operierenden Bauunternehmen sind heute in geografischer Hinsicht dezentralisiert. Die weitgehende Autonomie der einzelnen Niederlassungen wurde mit der Zielsetzung einer maximalen Flexibilität und Erfolgstransparenz eingeführt. Die einzelnen Niederlassungen müssen sich hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit kontinuierlich dem Markt stellen und werden somit einem permanenten, Effizienz induzierenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Doppelspurigkeiten in den verschiedenen Niederlassungen werden dabei bewusst in Kauf genommen. Auf die Nutzung von Synergiepotenzialen einer übergeordneten Zusammenarbeit wird weitestgehend verzichtet [5-14]. Als Reaktion auf den allgegenwärtigen Preisdruck steht die Maximierung der Organisationseffizienz im Vordergrund. Der Aufbau von Systemanbieterleistungen stellt nun ganz neue Anforderungen an die Organisationsstruktur grosser Bauunternehmen. Der Anspruch einer Know-how-Führerschaft innerhalb eines bestimmten Ziel-
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
marktsegments zum Aufbau einer marktrelevanten Differenzierung erfordert die Nutzung unterschiedlicher unternehmensinterner Erfahrungswerte. Ein Bauunternehmen, das beispielsweise den Bau von Multiplex-Kinos als ein Zielmarktsegment evaluiert hat, wird das bei der Ausführung solcher Projekte in den verschiedenen Niederlassungsbezirken gewonnene Wissen zur systematisierten Bewirtschaftung zentral bündeln müssen. Das Prinzip der Effizienz maximierenden Dezentralisierung wird darum einen zweidimensionalen Charakter haben müssen. Neben der bisherigen, geografischen Dezentralisierung wird die Untergliederung in eine objektorientierte Marktsegmentierung eine zweite Dimension darstellen. Die objektorientierten Unternehmenseinheiten werden sich, wie die einzelnen regionalen Niederlassungen, dem Wettbewerbsdruck stellen müssen [5-28]. Vom Markt losgelöste Servicecenter sind in ihrem Leistungsbeitrag nur wenig transparent; sie bergen stets die Gefahr erhöhter Gemeinkostenanteile in sich, die das Unternehmen als Ganzes im Wettbewerb belasten. Die segmentbezogenen, überregionalen Unternehmenseinheiten müssen eigenverantwortlich entscheiden, bis zu welchem Grad sie sich zur grösstmöglichen Ausnutzung vorhandener Marktchancen auf Kundensegmente fokussieren. Als Kompetenzführer steuern sie die Realisierung von Bauprojekten innerhalb ihres Zielmarktsegments in engem Verbund mit der jeweils zuständigen Regionalniederlassung. Die Kooperation objekt- und marktsegmentorientierter Unternehmenseinheiten darf dabei keinen zwanghaften Charakter besitzen, sondern muss sich zum beiderseitig messbaren Marktvorteil ergeben. Grosse Bauunternehmen sind vielfach in der Lage, innerhalb ihrer eigenen Organisationsstruktur umfangreiche Leistungsangebote bereitzustellen. Ihnen bieten sich interne Netzwerk-Organisationsformen an, um Kooperationsbarrieren, die aus Abteilungsgrenzen, ausgegliederten Unternehmensteilen, Tochterunternehmen etc. bestehen, leichter zu überwinden. Sie müssen bestrebt sein, durch die verstärkte Ausnutzung von Synergien wettbewerbsrelevante Vorteile (economies of scale, economies of scope) aus ihrer Grösse und aus ihrer Leistungsvielfalt zu erzielen. Unternehmerische Beteiligungen am Gewinn und Verlust eines Bauprojekts bewirken eine Gleichrichtung der bisher oft unterschiedlichen internen Interessen. Netzwerk-Organisationsformen führen über den Abbau der hierarchischen Unternehmens- bzw. Konzerngeflechte zu einer aufgabenorientierten Organisationsstruktur und bieten somit die Möglichkeit, die spezifischen Erfordernisse eines Bauprojekts zur gesteigerten Kundenausrichtung in den Mittelpunkt der unternehmerischen Tätigkeit zu rücken. Durch die regelmässige Auflösung unternehmensinterner Grenzen wird letztendlich eine bauprojektorientierte Organisationsform geschaffen, die die Erfüllung der Kundenansprüche als oberste Handlungsmaxime anstrebt. Die objekt- und
5.3 Kooperationsstrategien
329
ortsbezogenen Unternehmenseinheiten verschmelzen zu einer einheitlichen Projektorganisation. Netzwerk-Organisationsformen bedeuten die konsequente Fortführung des Outsourcinggedankens und ermöglichen trotz einer weitgehenden Beschränkung auf die Kernkompetenzen der einzelnen Unternehmenseinheiten das Angebot integraler Bauleistungsprogramme. Bild 160 zeigt eine Möglichkeit, Netzwerk-Projektorganisationsformen innerhalb eines dezentralisierten Bauunternehmens zu integrieren. Eine schlanke Zentralstelle „Netzwerk Grossprojekte“, die als fokales internes Unternehmen betrachtet werden kann, dient als interne Koordinationsstelle zwischen den dezentralen Niederlassungen. Wenn z.B. die Niederlassung A ein Grossprojekt akquiriert, das über die eigenen Leistungsfähigkeiten und Kompetenzen hinausgeht, wird es fokal im Netzwerk Grossprojekte (NGP) koordiniert abgewickelt. Unternehmensleitung ObjektNGP - Fokales orientierte Netzwerk DezentraliGrossprojekte sation
NL A Erdbau Hochbau Spundwände
Netzwerkprojektorganisation
NL C
NL B Bohrpfähle Rühlwände Injektionen
Vortrieb Vortrieb TBM Stahlbeton
Baustofflieferant Fuhrunternehmer Vermessung Technischer Ausbau
Geografische Dezentralisation
Bild 160: Netzwerk-Projektorganisation in einem Grossunternehmen (NL = Niederlassung)
Das fokale Netzwerk Grossprojekte erfasst die im Gesamtunternehmen vorhandenen Kompetenzen zielmarktbezogenen. Bei einer zielmarktrelevanten Projektanbahnung bündelt das fokale Netzwerk Grossprojekte in Zusammenarbeit mit den zuständigen Regionalniederlassungen die in den einzelnen Niederlassungen dezentral verfügbaren Kompetenzen und bringt sie in eine Netzwerk-Projektorganisation ein. Anschliessend werden exter-
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
ne Projektteilnehmer evaluiert und in die Netzwerk-Projektorganisation mit einbezogen. Das fokale Netzwerk Grossprojekte ist die Koordinationsstelle zum Aufbau, zur Abwicklung und zur Auflösung der NetzwerkProjektorganisationen. Bei dieser Form der Projektabwicklung weist die Unternehmensorganisation einen zweiseitigen Charakter auf. Zum einen wird sie von der herkömmlichen, geografischen Dezentralisierung geprägt; die objektorientierten Einheiten liegen demgegenüber in Netzwerkform vor und werden projektbezogen konzentriert. Firmenzusammenschlüsse
Joint Ventures Joint Ventures weisen einen vergleichsweise hohen Grad an Kooperationsintensität auf. Sie stellen Gemeinschaftsunternehmen dar, an denen mindestens zwei Kooperationsunternehmen zur Erreichung eines angestrebten Kooperationsziels beteiligt sind. Fusionen Fusionen bedeuten die wirtschaftliche und rechtliche Vereinigung zweier oder mehrerer Kapitalgesellschaften in der Art, dass mindestens eine von ihnen nach der Fusion wegfällt oder alle in ein neues Unternehmen eingebracht werden. Im Zusammenhang mit dem Begriff der Fusion stehen auch die so genannten Vorwärts- oder Rückwärtsintegrationen, die die Eingliederung von Unternehmen aus nach- bzw. vorgelagerten Wertschöpfungsbereichen beschreiben. Fusionen scheiden als Instrument zur Durchsetzung von Outsourcingüberlegungen aus, da sie eine Integration und somit das Gegenteil eines Outsourcings beschreiben.
5.4 Outsourcingstrategie Der Begriff des Outsourcings stammt aus dem Amerikanischen und hat in seinem Ursprung die Bedeutung „Outside Resource Using“. Outsourcing bedeutet also, dass ausserhalb des Unternehmens liegende Quellen zur Versorgung herangezogen werden. Somit entsteht durch das Outsourcing eine Verringerung der eigenen Wertschöpfung bzw. Leistungstiefe eines Bauunternehmens. Wertschöpfung =
Nettoumsatz abzüglich Material- und Fremdleistungskosten
5.4 Outsourcingstrategie
Leistungstiefe =
331
Anzahl der von einem Unternehmen realisierten Produktions- bzw. Wertschöpfungsstufen
Das Bauunternehmen muss eine strategische Entscheidung treffen, ob es sinnvoller ist, die jeweiligen Leistungen selbst zu erbringen oder sie, entweder auf baustellenbezogener Ebene als so genannte Fremdleistungen oder auf baustellenübergeordneter Ebene als Serviceleistungen, am Markt zu erwerben. Es handelt sich hierbei also um eine typische Make-or-BuyEntscheidung. Aufgrund des immer stärker werdenden Wettbewerbsdrucks ergibt sich für die Bauunternehmen die Notwendigkeit, sich möglichst auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Für Unternehmensbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören, stellt sich die Frage nach einem Outsourcing. Durch eine solche Massnahme kann die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gestärkt werden, da gemäss der Kernkompetenz-Theorie nur das Kerngeschäft die Grundlage für Aufbau, Erhalt und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen darstellt. Zur Stärkung der Wettbewerbskraft eines Bauunternehmens stellt sich somit in Bezug auf Outsourcingüberlegungen die Frage nach den jeweiligen Kernkompetenzen (engl. „core competencies“) [5-21]: x x x x
Was kann man besser als andere? Was will man besser als andere können? Was können andere besser? Besteht die Möglichkeit, eigene Aufgaben zu besseren als den eigenen Bedingungen auf andere zu verlagern? x Ist mit der Verlagerung ein Kompetenzverlust verbunden? x Beeinträchtigt der Kompetenzverlust die eigene Wettbewerbsposition? x Kann die Verlagerung problemlos rückgängig gemacht werden? Die Liste dieser Fragen liesse sich beliebig fortsetzen und soll lediglich den Entscheidungshintergrund und den Umfang der Frage nach den eigenen Kernkompetenzen aufzeigen. Während des Entscheidungsprozesses im Unternehmen für oder gegen ein Outsourcing ist es von grundsätzlicher Bedeutung, die einzelnen Kernbereiche innerhalb eines Bauunternehmens genau festzulegen. In einigen Bereichen kann ein Outsourcing auf jeden Fall angebracht sein. Für andere Aktivitäten muss zunächst ihre strategische Bedeutung und ihre Beziehung zu anderen Unternehmensteilen bzw. das Unternehmens-Know-how zur Lösung der Aufgabe aufgedeckt werden (Bild 161). Unternehmensbereiche wie die Datenverarbeitung oder die Personalverwaltung als baustellenübergeordnete Servicebereiche sind wiederum mit anderen Abteilungen im Unternehmen stark verknüpft; insofern muss dort eine Outsourcingentscheidung sehr sorgfältig und unter Berücksichti-
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
gung strategischer Aspekte getroffen werden. Andere Servicebereiche, z.B. die Reinigung des Verwaltungsgebäudes oder die Kantine, haben für das Kerngeschäft des Unternehmens keine strategische Bedeutung. Sie stellen kein Kern-Know-how dar und haben mit dem eigentlichen Unternehmenszweck eines Bauunternehmens wenig zu tun; insofern ist es vorteilhaft, solche Unternehmensbereiche, möglicherweise schon aus Gründen einer Kostenersparnis, auszugliedern.
hoch
• Altlasten kurzfristig • Eigenerstellung mittelfristig Ablösen durch • Fremdbezug • eigene Standardsysteme
UnternehmensKnow-how zur Lösung der Aufgaben
Eigenerstellung
Mischstrategien
Fremdbezug Kooperation anstreben
niedrig niedrig
strategische Bedeutung der Aufgaben
hoch
Bild 161: Outsourcing-Entscheidungsmatrix: Strategiekriterien
Auch stellt der Fuhrpark eines Bauunternehmens nicht in jedem Fall eine Kernkompetenz bzw. Kern-Know-how dar; er hat auch meist keine strategische Bedeutung, sondern ist oft nur eine Randtätigkeit. Die Vorhaltung eines Fuhrparks mit allen Serviceeinrichtungen ist nur dann berechtigt, wenn es wirtschaftlich günstiger ist, die Leistung selbst bereitzustellen, als sie auf dem Markt zu beziehen. Instandhaltungsarbeiten an Baumaschinen und sonstigen Anlagen sind für Bauunternehmen im Allgemeinen auch keine eigentlichen Kernkompetenzen; daher gehören Tank- und Waschanlagen, Fuhrpark und diverse Werkstätten zu den potenziellen Outsourcingkandidaten. Um ein Outsourcing auf ein solides Entscheidungsgerüst zu stellen, müssen die Auswirkungen im und auf das Unternehmen mit den Vor- und Nachteilen systematisch analysiert und bewertet werden. Die Pro- und
5.4 Outsourcingstrategie
Kontrabewertung (Bild 162) Entscheidungsmatrix benutzt.
wird
ergänzend
Pro Konzentration Vorteile kleiner Organisationen Kooperation statt Hierarchie
Strategie
Flexibilität Risikotransfer Standardisierung
zur
333
Outsourcing-
Kontra Entstehen irreversibler Abhängigkeiten Akzeptanz in den Fachabteilungen Unterschiedliche Unternehmensstruktur Störung zusammengehörender Prozesse Risiko der Zusammenarbeit Abhängigkeitsbeziehung
Leistung
Kosten
Hohe Kompetenz Klar definierte Leistungserstellungsprozesse Starke Serviceorientierung Rasche Verfügbarkeit der Kapazitäten Bessere und einfachere Auslastung
Know-how-Verlust Übervorteilung durch Informationsdefizite Überwindung räumlicher Distanzen
Kostenreduktion im laufenden Betrieb „Neue“ Economies of Scale
Transaktionskosten
Gute Planbarkeit Bessere Verhandlungsposition gegenüber Systemanbieter
Switching Costs Probleme für Softwarelizenzen Weniger informelle Kommunikation Steigende Telekommunikationskosten
Personal
Finanzen
Mittelfristige Reduzierung der Personalprobleme
Personalprobleme bei Übergang Motivationsprobleme
Freisetzen von Finanzmitteln Auswirkungen auf den Jahresgewinn
Geringere Wertschöpfung Bindung von Finanzmitteln
Bild 162: Bewertungskriterien zur Outsourcingentscheidung
In den vergangenen Jahren war das Hauptziel von Outsourcingmassnahmen in der Bauwirtschaft eine intensive Kostenreduzierung bei Aufrechterhaltung des bestehenden Leistungsniveaus des Baubetriebs. Mittlerweile werden Outsourcingentscheidungen jedoch nicht mehr nur aufgrund kurzfristiger operativer, insbesondere kostenrechnerischer Überlegungen getroffen, sondern vermehrt aus dem strategischen Blickwinkel betrachtet und in den gesamten Leistungsprozess eingebunden. Das bedeutet, dass die Bauunternehmen neben einer möglichen Kostenreduktion und einer gesteigerten Kostensicherheit auch Faktoren wie
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
eine potenzielle Zeitersparnis, Steigerung der Qualität der Bauleistung oder vermehrte Flexibilität betrachten. Im Grundsatz sind alle Funktionsbereiche eines Unternehmens für ein Outsourcing geeignet. Als Hauptbereiche für die Durchsetzung von Outsourcingentscheidungen gelten heute in der Bauwirtschaft die zunehmende Vergabe von Teilbauleistungen an Subunternehmer, das Bauinventar und Bauhof- bzw. Werkhofleistungen. Bei der Betrachtung des Outsourcings sind die Möglichkeiten der Geschäftsbeziehung zwischen dem ausgliedernden Unternehmen und seinem Outsourcingpartner zu unterscheiden; es besteht grundsätzlich die Möglichkeit eines flexiblen Marktbezugs oder einer langfristigen Kooperation (Bild 163). Das spätere Verhältnis wird in nicht unbedeutender Weise dadurch bestimmt, ob es sich bei dem Outsourcingpartner um eine Tochtergesellschaft, eine Beteiligungsgesellschaft oder ein fremdes Unternehmen handelt.
Outsourcing
Ausgliedern von Teilen des Geschäftssystems an Dritte Bauunternehmen Evaluation des Outsourcingpotenzials
Kernkompetenz
Möglichkeiten der Geschäftsbeziehung: • Kooperation oder • Flexibler Marktbezug Tochtergesellschaft
Verhältnis zum Outsourcingpartner
Beteiligungs gesellschaft
Internes Outsourcing
Fremdes Unternehmen
Externes Outsourcing
Bild 163: Entscheidungsfelder des Outsourcings
5.4.1 Ökonomische Bestimmungsfaktoren für Outsourcingentscheidungen in der Bauwirtschaft Um die Frage zu beantworten, unter welchen Bedingungen Outsourcing vorteilhaft ist, können zahlreiche Bestimmungsfaktoren untersucht werden, die je nach Bewertung ein Outsourcing befürworten oder ablehnen können. Im Folgenden werden Ziel- und Problemfelder als Teil einer Wirtschaft-
5.4 Outsourcingstrategie
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lichkeitsanalyse von Outsourcingüberlegungen dargestellt und erläutert. Die Erläuterungen konzentrieren sich auf die Faktoren, Qualität, Flexibilität, Know-how und vor allem Kosten, da diese für die Unternehmen der Bauwirtschaft von wesentlicher Bedeutung sind.
Bild 164: Ziel- und Problemfelder des Outsourcings
Kostenaspekte
Die Frage der Kosten ist in der Regel bei einer Outsourcingentscheidung besondes wichtig, da es den Bauunternehmen in erster Linie um eine möglichst grosse Kostenreduktion bei gleichzeitiger Erhaltung des bestehenden Leistungsniveaus geht. Jede Veränderung der Leistungstiefe verändert auch die Kostenstruktur; bei der Entscheidungsfindung sind also die Auswirkungen auf die variablen und fixen Kosten im Bauunternehmen zu untersuchen und zu berücksichtigen. Reduktion der Herstellkosten im Baubetrieb Das Outsourcing konzentriert sich auf Aufgaben mit geringer Leistungstiefe, möglichst grossen Lohnkostenunterschieden zwischen Abnehmer und Zulieferer oder Kostensenkungspotenzialen aufgrund veränderter Fertigungsprozesse. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass das bisher für die ausgegliederten Aktivitäten aufgewandte Personal und Material entfallen und das in Form von Bauinventar gebundene Kapital anderweitig genutzt werden kann, da die Leistungen bei einer erfolgreichen Ausgliederung zukünftig von Dienstleistern bzw. Subunternehmern erbracht werden. Häufig sind die Produktionskosten des eigenen Unternehmens höher als die des potenziellen Lieferanten, da er z.B.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
x durch seine Spezialisierung höhere Fertigungsmengen in einem Spezialbereich erstellt und dadurch Skalenvorteile (economies of scale) nutzen kann (z.B. Erdbauunternehmer mit grossen Spezialgeräten als Kostenführer), x aufgrund verwandter Fertigungsprozesse eventuell Breitenvorteile (economies of scope) besitzt (z.B. Know-how-Führer mit breiter Leistungspalette auf seinem Spezialgebiet), x wegen günstigerer Tarifstrukturen – besonders bei anderer Branchenzugehörigkeit – geringere Arbeitskosten aufweist (z.B. Fuhrunternehmer ausserhalb des Bautarifs). Es sollte aber bedacht werden, dass Unterschiede in den Produktionskosten eventuell nur aus Ineffizienzen stammen, die durch besondere Anstrengungen auch im eigenen Unternehmen behoben werden könnten. Vor einer kostenbedingten Outsourcingentscheidung sollten daher immer mögliche Rationalisierungspotenziale im eigenen Betrieb untersucht werden. Durch die Reduktion der Leistungstiefe ersetzt das Unternehmen variable und fixe Produktionskosten durch die zumeist ausschliesslich variablen Beschaffungskosten für die zugelieferten Leistungen. Vorteile ergeben sich durch ein Outsourcing grundsätzlich dann, wenn die Beschaffungskosten unterhalb der eigenen Produktionskosten liegen. Kostensicherheit Ein Hauptrisiko in der Tätigkeit eines Bauunternehmens besteht in dem so genannten Kalkulationsrisiko. Aus der Einzigartigkeit eines jeden Bauprojekts und den individuellen Umständen, unter denen die Teilleistungen zu erbringen sind, ergibt sich für ein Bauunternehmen das Risiko, die Kosten einzelner Teilleistungen im Rahmen der Angebotskalkulation zu niedrig vorausgeschätzt zu haben. Die hieraus bei der Ausführung entstehende Kostenunterdeckung kann vermieden werden, indem die entsprechende Leistung und damit auch das Kalkulationsrisiko einem Unterakkordanten übertragen wird. Die Preisdifferenz zwischen der Leistungsvereinbarung eines Bauunternehmens mit seinem Auftraggeber und dem Vergabepreis an einen Unterakkordanten abzüglich Gemeinkostendeckungsbeiträgen wird gemeinhin als Vergabegewinn bezeichnet. Für das Bauunternehmen resultiert hieraus eine gesteigerte Kostensicherheit. Wenn die Überlegungen für ein Outsourcing sprechen, ergibt sich aber zunächst die Frage, wie die Beziehungen zwischen dem Abnehmer und dem Lieferanten gestaltet werden müssen, um die vermuteten Vorteile zu realisieren. Die alleinige Betrachtung der Herstellkosten kann zu Fehlschlüssen führen.
5.4 Outsourcingstrategie
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Transaktionskosten Eine Transaktion entsteht allgemein immer dann, wenn ein Gut oder eine Leistung über eine „technisch“ trennbare Schnittstelle hinweg übertragen wird. Bei einer Leistungsbeziehung innerhalb eines Unternehmens oder zwischen zwei Unternehmen – einer Transaktion – fallen, neben den Herstellkosten, die im Wesentlichen aus Kosten für Lohn, Material, Inventar und Fremdleistungen bestehen, auch Kosten für z.B. Transport, Information und Kommunikation an. Kosten, die bei der Abwicklung einer Transaktion entstehen, werden als Transaktionskosten bezeichnet. Sie treten auf, weil die an einer Transaktion Beteiligten über einen unterschiedlichen Wissensstand verfügen und in der Regel mit der Transaktion verschiedenartige Interessen verfolgen. Bei den Transaktionskosten handelt es sich im Einzelnen um folgende Kostenarten: x Anbahnungskosten (Kosten für die Suche und Beschaffung von Informationen über potenzielle Outsourcingpartner und deren Leistungskonditionen) x Vereinbarungskosten (Kosten für Verhandlungen, Vertragsformulierung und Einigung mit einem Outsourcingpartner) x Abwicklungskosten (Kosten für Steuerung und Management einer arbeitsteiligen Leistungserbringung) x Kontrollkosten (Kosten für Sicherstellung der Einhaltung von Termin-, Qualitäts-, Mengen- und Preisvereinbarungen) x Anpassungskosten (Kosten für die Durchsetzung nachträglicher qualitativer, mengenmässiger, preislicher oder terminlicher Änderungen) Nach der Transaktionskostentheorie sind insbesondere drei Einflussgrössen für die Einschätzung dieser Kosten bedeutsam: x die Komplexität einer Transaktion x die Unsicherheit eines Leistungsbezugs x die Transaktionshäufigkeit Aus Transaktionskostensicht ist ein Outsourcing besonders bei nicht komplexen Transaktionsbeziehungen günstig, bei denen die Leistung einfach und standardisiert ist, der Bedarf nur wenig schwankt und die Änderungsintensität gering ist. Es besteht eine klare Schnittstelle mit geringer Wechselwirkung zwischen der Eigenleistung eines Bauunternehmens und der extern bezogenen Leistung, z.B. bei Transporten schwerer Baumaschinen mit Tiefladern.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Aus kostenrechnerischer Sicht dient die Transaktionskostentheorie als wichtige Grundlage für Eigen- und Fremdbezugsentscheidungen, d.h. für die Entscheidung pro oder kontra Outsourcing. Das Steuerungs- und Kontrollproblem
Eng verknüpft mit der Frage der Transaktionskosten ist das Problem der Steuerung und Kontrolle. Aufgrund der Anordnungsmacht sind Prozesse im eigenen Unternehmen oft besser steuerbar als in einer Wechselbeziehung zu anderen Unternehmen. Sind z.B. bei der Vergabe von Leistungen an einen Subunternehmer Leistungsänderungen erforderlich, so resultieren hieraus oft komplexe Vertrags- bzw. Nachtragsverhandlungen, die zu den vertraglichen Auseinandersetzungen mit dem eigenen Auftraggeber hinzukommen. Dies gilt umso mehr, je kleiner und „überschaubarer“ ein Bauunternehmen ist; Abstimmungsprobleme mit einem externen Dienstleister belasten hier vielfach die operative Flexibilität. Der Bauführer eines mittelständischen Bauunternehmens beispielsweise kann, wenn das Unternehmen sein Inventar ausgegliedert hat und er für eine seiner Baustellen eine Walze benötigt, nicht mehr einfach aus seinem Fenster auf den Werkhof schauen und nachsehen, ob das Gerät bereits zum Einsatzort transportiert wurde. Je grösser ein Unternehmen ist, umso unbedeutender ist es dagegen, ob man mit der Abteilung X, dem Profitcenter Y oder dem externen Outsourcingpartner Z in eine geschäftliche Wechselwirkung tritt. Auch wächst im Zuge eines Outsourcings die Anzahl der Schnittstellen, die abzustimmen sind. Eine einfache „Tür-zu-Tür“-Abstimmung wird immer weniger möglich. Gewährleistung der Qualität
Als ein wesentlicher Grund für das Outsourcing eines Unternehmensteils wird häufig der Qualitätsaspekt genannt. Aufgrund des auf dem freien Markt herrschenden Wettbewerbs wirkt sich der Fremdbezug einer Leistung oft qualitätssteigernd aus, da durch die Beauftragung von Spezialisten die Qualität oft besser ist oder zumindest eine höhere Qualität erreicht werden kann. Man muss davon ausgehen können, dass der Gesamtleistungsanbieter qualitätssteigernde Problemlösungen anbieten kann, wenn er die Leistung nicht an einen „Alleskönner“, sondern, wo es notwendig ist, an ein Spezialunternehmen vergibt, das über einen hohen Spezialisierungsgrad im Entwicklungsbereich und spezialisierte Baubetriebsmittel verfügt. Das ausgliedernde Unternehmen kann also auf ein sehr gutes fach-
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liches Know-how zurückgreifen, das der „Alleskönner“ aufgrund seiner fehlenden Spezialisierung nicht besitzt. Erhöhung der strategischen Flexibilität bei Veränderungen des Baumarktes
Aufgrund des erhöhten Wettbewerbs und des damit verbundenen Preisdrucks ist für die Unternehmen der Bauwirtschaft eine hohe Kapazitätsauslastung lebensnotwendig. Ein weiteres Problem sind Nachfrageschwankungen und die Unsicherheit über künftige Nachfrageentwicklungen. Für die Bauunternehmen ist die Konsequenz hieraus die Notwendigkeit einer erhöhten Flexibilität. Im Rahmen des Wettbewerbs verfolgen Bauunternehmen die Strategie, bei Nachfragerückgängen nicht mehr so verletzlich zu sein und Nachfragesteigerungen flexibel nutzen zu können. Die Umsetzung einer solchen Flexibilitätsstrategie ist das Outsourcing. Anders ausgedrückt: Leistungen, die nicht zu den Kernaktivitäten eines Bauunternehmens gehören, werden fremdbezogen. Bei konjunkturellen oder saisonalen Auslastungsschwankungen kann das jeweilige Unternehmen somit flexibler agieren, da es von eigenen Investitionen unabhängiger ist.
Einsatz von Fremdgeräten
Fremdvermietung von Eigengerät
Eigener Inventarbestand
Budgetierungszeitraum
Bild 165: Dimensionierung des Bauinventarbestands zur Maximierung der Flexiblität
Streben nach Know-how und Kompetenz
Untersucht man den Know-how- und Kompetenzfaktor im Hinblick auf eine mögliches Outsourcing, so ist festzustellen, dass freie Anbieter auf dem Markt tendenziell die besseren Lösungen anbieten. Potente Dienst-
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
leister/Subunternehmer können dem ausgliedernden Bauunternehmen meist die neueste Bautechnik anbieten. Da das eigene Unternehmen häufig nicht nur auf einen Bauprozess spezialisiert ist, kann es nicht für jeden Herstellvorgang die Umsetzung der neuesten Bauverfahren gewährleisten. Die „Wir können alles selber“-Mentalität wirkt sich zum Nachteil aus, da ein Unternehmen nicht auf allen Gebieten ein wirklicher Spezialist sein kann. Folglich profitiert ein ausgliederndes Bauunternehmen durch die Tatsache, ausschliesslich mit Spezialisten zusammenzuarbeiten. Das Resultat eines verstärkten Outsourcings ist für ein Bauunternehmen vielfach auch der Zugang zu einem erweiterten Know-how-Spektrum, das es allein nur sehr schwer realisieren könnte. Aufgrund des starken Wettbewerbsdrucks in der Bauwirtschaft ist es für Unternehmen zunehmend wichtig, permanent Innovationen ins eigene Unternehmen zu bringen. Auf der anderen Seite birgt ein Outsourcing im Hinblick auf Know-how und Kompetenz auch das Risiko einer Preisgabe von spezifischem Fachwissen. Das ausgliedernde Bauunternehmen möchte, dass die erbrachten Leistungen den eigenen hohen Ansprüchen genügen und gibt deshalb Wissen weiter, wodurch die Position des Dienstleisters bzw. Subunternehmers verbessert wird. Unterhält der Outsourcingpartner Geschäftsbeziehungen mit anderen Bauunternehmen, besteht prinzipiell zudem die Gefahr eines Know-how-Transfers an einen Wettbewerber. 5.4.2 Möglichkeiten der Geschäftsbeziehung Nachdem mögliche Outsourcingbereiche mithilfe der angesprochenen Wirtschaftlichkeitsanalyse evaluiert wurden, muss die grundsätzliche Form des Outsourcings und das Verhältnis zum künftigen Outsourcingpartner festgelegt werden. Es ist zu entscheiden, ob die für ein Outsourcing bestimmten Leistungen frei und flexibel über den Markt beschafft oder im Rahmen einer längerfristigen Kooperation bezogen werden sollen. Freier Marktbezug
Der freie Marktbezug bietet sich an, wenn es sich im Sinn der Transaktionskosten um einfache und auf dem Markt leicht erhältliche Leistungen handelt, deren Bezug nicht langfristig gesichert werden muss. Kooperationen
Kooperationen sind dagegen in Betracht zu ziehen, wenn z.B. die Komplexität einer Austauschbeziehung eine längerfristige Zusammenarbeit erforderlich macht. Weitere Gründe für eine Kooperation können die nur be-
5.4 Outsourcingstrategie
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schränkte Verfügbarkeit einer Leistung oder die Nutzung langfristiger Synergiepotenziale zwischen Partnern unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen (z.B. Planung und Ausführung) sein. 5.4.3 Verhältnis zum Outsourcingpartner Weiterhin ist zu bestimmen, ob ein internes oder ein externes Outsourcing erfolgen soll. Ein internes Outsourcing liegt vor, wenn ein Leistungsbereich zwar im Sinn der Rechnungslegung verselbstständigt wird, jedoch im Konzern bzw. in der Unternehmensorganisation verbleibt. Auch die Gründung einer Beteiligungsgesellschaft mit einem anderen Unternehmen mit ähnlichen Outsourcingabsichten wird als internes Outsourcing bezeichnet, obwohl es sich streng genommen um eine Mischform aus internem und externem Outsourcing handelt. Beim internen Outsourcing lässt sich darüber hinaus noch unterscheiden, ob der Outsourcingpartner seinen Leistungsbereich ausschliesslich seinem bzw. seinen Mutterunternehmen zur Verfügung stellt oder ob er ihn auch anderen Unternehmen, möglicherweise sogar Wettbewerbern des Mutterunternehmens, anbietet. Bei einem externen Outsourcing erfolgt die Leistungsvergabe an Outsourcingpartner, die in keinem Beteiligungsverhältnis zum eigenen Unternehmen stehen. Externe Outsourcingpartner arbeiten für gewöhnlich für mehrere Auftraggeber. Es kommt nicht selten vor, insbesondere bei einer längerfristigen Geschäftsbeziehung zwischen Outsourcingpartner und Auftraggeber, dass Kapazitäten (Personal, Inventar, Materialbestände) vom ausgliedernden Unternehmen an den Outsourcingpartner übergehen. 5.4.4 Beispiel – Beteiligungsgesellschaft/Internes Outsourcing In einer mittelgrossen Stadt in Nordrhein-Westfalen (D) haben sich 1996 drei Strassen- und Tiefbauunternehmen dazu entschlossen, ihre bis dahin defizitären Asphalteinbauaktivitäten aus ihren Unternehmen auszugliedern und in einer Beteiligungsgesellschaft zusammenzuführen. Es erfolgte ein internes Outsourcing (Bild 166). Die Asphaltaktivitäten in den einzelnen Unternehmen stellten vorher nur kleine Einheiten dar. So verfügten zwei der Unternehmen über je zwei und das dritte über nur eine Kolonne mit je einem Asphaltfertiger, insgesamt also über fünf Einbaukolonnen. Im Folgenden werden die Motive für die Outsourcingentscheidung dargestellt.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
3 Strassen- und Tiefbauunternehmen fassen Asphalteinbauaktivitäten in einer gemeinsamen Beteiligungsgesellschaft zusammen. Internes Outsourcing
Unternehmen A
Unternehmen B
Erhöhung der Kapazitätsauslastung von vorher 600 auf 1100 Betriebsstunden pro Jahr
Unternehmen C
Beteiligungsunternehmen: ABC-Asphaltbau
Bild 166: Outsourcing – Kooperationsnetzwerk Beteiligungsgesellschaft
Das Kapazitätsmotiv
Die in den drei Unternehmen vorhandenen Asphaltkolonnen waren nur unzureichend ausgelastet, sie leisteten jeweils maximal 600 Einbaustunden pro Jahr, was einer Auslastung von ca. 55 % entsprach. Bei der Zusammenlegung wurde einer der fünf Asphaltfertiger verkauft, die Gesamtkapazität der drei Unternehmen wurde um 20 % verringert. Allein hierdurch ergab sich eine rechnerische Steigerung der Kapazitätsauslastung von 25 %; die Einbauleistung wurde hierdurch theoretisch von durchschnittlich 600 auf 750 Stunden erhöht. Bereits im zweiten Jahr des Gemeinschaftsunternehmens stiegen die Jahresstundenleistungen der Asphaltfertiger auf je 1100 Betriebsstunden pro Jahr gegenüber vormals 600. Aufgrund der höheren Auslastung von Geräten und Mannschaften konnten die Kosten im Unternehmen gesenkt, eine Kostenführerschaft gegenüber Mitkonkurrenten erzielt sowie Umsatz und Gewinn gesteigert werden. Das Know-how-Motiv
Die Asphaltkolonnen wurden in den einzelnen Unternehmen jeweils von den für eine Baustelle verantwortlichen Bauführern geleitet, die keine besonderen Kenntnisse im Asphaltbereich hatten; ein Bauführer mit Spezialkenntnissen konnte aufgrund der geringen Grösse der operativen Asphalt-
5.4 Outsourcingstrategie
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einheiten nicht eingestellt werden. Komplizierte Asphaltierungsarbeiten (z.B. Autobahn- oder Flughafenbeläge) waren aus diesem Grund nicht möglich. In dem neuen Gemeinschaftsunternehmen werden die Asphalteinheiten von einem Bauführer mit langjähriger Erfahrung im Asphaltbereich geführt, der von einem grossen Verkehrswegebauunternehmen abgeworben wurde. Nach zweijährigem Bestehen wurden bereits die ersten Autobahnbeläge und ein Teilbereich einer Flughafenstartbahn erneuert. Das Führungsmotiv
Im Gegensatz zu früher, als die Asphaltaktivitäten nicht als Kerngeschäft betrachtet wurden, werden die operativen Einheiten in dem neuen Unternehmen nun straff und zentral geführt. Auf diese Weise konnten Effizienzreserven erschlossen werden, die ehemals, als die Asphaltarbeiten noch ein Randgeschäft in den drei Betrieben darstellten, unentdeckt blieben. Ferner ist es in dem neuen, kleineren Betrieb möglich, die Arbeitszeit über Arbeitszeitkonten zu flexibilisieren. In den umsatzstarken Monaten anfallende Überstunden werden in den umsatzschwachen Sommermonaten abgebaut. Die Durchsetzung dieses Modells wäre in den grösseren Mutterbetrieben nicht möglich gewesen. Das Spezialisierungsmotiv
Durch die Zusammenfassung der Asphaltaktivitäten und das dadurch vergrösserte Auftragsvolumen war es nun auch möglich, Spezialgeräte zu beschaffen, deren Einsatz in den jeweiligen Einzelunternehmen nicht sinnvoll gewesen wäre. Hierzu gehören beispielsweise ein kleiner Gehwegfertiger und ein Spezialsprühwagen zur effizienteren grossflächigen Aufbringung von Asphalthaftklebern. Auch in Spezialbereichen stehen somit nun Spezialgeräte zur Verfügung, die einen rationellen Asphalteinbau ermöglichen und so zur Gesamtproduktivitätssteigerung beitragen. Das Vermarktungsmotiv
Die Asphaltaktivitäten der drei Strassen- und Tiefbaubauunternehmen wurden bisher kaum an externe Unternehmen vermarktet. Entsprechende Aufträge als Subunternehmer von anderen Strassen- und Tiefbauunternehmen ohne eigene Asphaltkapazitäten oder mit Kapazitätsengpässen erfolgten eher passiv und nur als Ergebnis direkter Anfragen. Nach dem Outsourcing stellt sich die Situation anders dar: Das neue Unternehmen tritt aktiv am Markt auf und bietet seine Leistungen ausser den
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Muttergesellschaften auch anderen Unternehmen an. Es hat einen neuen Namen und eine eigene Marktidentität, wodurch es auch ehemaligen Konkurrenten leichter fällt, bei entsprechendem Bedarf Aufträge zu vergeben. Das Einkaufsmotiv
Durch die Ausgliederung und Zusammenführung der Asphalttätigkeit können die Unternehmen erhebliche Einkaufsvorteile realisieren. Sie treten nun gegenüber den beiden örtlichen Asphaltwerken geschlossen auf und realisieren durch ihr vergleichsweise hohes Einkaufsvolumen entsprechende Preisvorteile. Gerade in einem Bereich mit hohem Materialumschlag wie dem Asphalteinbau lassen sich hieraus gegenüber den Wettbewerbern beachtliche Kostenvorteile erzielen, die einen entscheidenden Beitrag leisten können, den bei den öffentlichen Vergaben vorherrschenden Preiswettbewerb zu gewinnen. Ähnliche Vorteile ergeben sich auch gegenüber den Baumaschinenherstellern. Fazit
In diesem Beispiel führte die gemeinsame Bewirtschaftung des Inventars zu erheblichen Kostenvorteilen, die den Anspruch einer Kostenführerschaft im bezüglich Kapitaleinsatz und Materialumschlag besonders intensiven Geschäft des Asphalteinbaus umzusetzen halfen. Die gemeinsame Nutzung vorhandener Einrichtungen ermöglichte über die Steigerung der durchschnittlichen Kapazitätsauslastung die effizientere Nutzung der vorhandenen Produktionsfaktoren. Durch die Realisierung von Synergien und Skalenvorteilen wurde die Konkurrenzfähigkeit gesteigert. Die steigende Auslastung der Geräte sowie des Personals und der Infrastruktur führte zu einer insgesamt verbesserten Kostenstruktur. Die unterschiedliche Gewichtung der verschiedenen Outsourcinggesichtspunkte ist in Bild 167 dargestellt.
5.4 Outsourcingstrategie
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Bild 167: Bedeutung verschiedener Outsourcinggesichtspunkte
5.4.5 Chancen des Outsourcings Das Outsourcing (Ausgliedern) von Aktivitäten aus einem Unternehmen resultiert aus der erfolgreichen Festlegung von Kernkompetenzen im Rahmen einer strategischen Unternehmensplanung. Kernaktivitäten sollten auf jeden Fall erhalten werden, da die einzelnen Unternehmen hier über die grösste Wettbewerbsfähigkeit verfügen und somit auch unter wechselnden Marktbedingungen (z.B. aufgrund Nachfrageschwankungen) eine optimale Wettbewerbsposition einnehmen können. Steht das Unternehmen vor der Entscheidung, definierte Aktivitäten auszugliedern, müssen zahlreiche Bestimmungsfaktoren wie z.B. Qualität, Flexibilität, Know-how und Kosten auf ihre Vorteilhaftigkeit untersucht und in die Überlegungen einbezogen werden. Das Ziel jeder Massnahme muss die Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition sein, um dadurch die Ertragskraft des Unternehmens zu maximieren. Kooperationen mit anderen Unternehmen bieten interessante Formen der Zusammenarbeit, um auch in Bereichen komplexer Transaktionsbeziehungen, in denen ein freier Marktbezug nicht möglich ist, die Umsetzung einer Kernkompetenzstrategie zu ermöglichen. Das betrachtete Beispiel hat gezeigt, wie in einem konkreten Fall mittels strukturierter Outsourcingüberlegungen ein ehemals defizitäres Geschäftsfeld erfolgreich revitalisiert werden konnte.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Abschliessend ist zu sagen, dass Outsourcingmassnahmen auch in Zukunft in besonderem Mass Teil der strategischen Unternehmensplanung sein werden und bei anhaltendem Preisdruck in der Bauwirtschaft insgesamt mit einer Intensivierung des Outsourcings gerechnet werden kann.
5.5 Arbeitsgemeinschaften Die zwischenbetriebliche, zeitlich begrenzte Zusammenarbeit auf gesellschaftsvertraglicher Basis im Hinblick auf das gemeinsame Erbringen einer projektspezifischen Bauleistung wird üblicherweise als Arbeitsgemeinschaft (ARGE) bezeichnet. Die Arbeitsgemeinschaft gehört zu den Adhoc-Kooperationen (Bild 155). Auch auf dem internationalen Baumarkt haben sich die Arbeitsgemeinschaften bewährt; man bezeichnet solche Verbindungen als Joint Venture. Arbeitsgemeinschaften bestehen oft zwischen x lokalen Partnern (zur besseren Erschliessung von Kontakten, Nutzung von Ressourcen etc.), x Bauunternehmen und Anlagenbauer, x sich ergänzenden Bauunternehmen. Die Tätigkeit in einer Arbeitsgemeinschaft ist für viele Bauunternehmen zur Routineangelegenheit geworden. Arbeitsgemeinschaften werden sowohl zur Realisierung von Grossprojekten (z.B. Kraftwerkbau) wie auch von kleineren Objekten gebildet. Im Bauwesen gibt es mehrere Arten von Arbeitsgemeinschaften sowohl auf Auftragnehmer- wie auf Auftraggeberseite, z.B.: x Planerkonsortien (Zusammenschluss von Architekten und Ingenieuren zu Planungs- und Bauleitungsgemeinschaften) x Bauunternehmerkonsortien (zur gemeinsamen Erstellung eines Bauwerks aufgrund eines Werkvertrags) x Bauherrenkonsortien (zur gemeinsamen Erstellung einer Überbauung) 5.5.1 Gründe für die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft Die Gründe für die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft lassen sich zwei Interessenssphären zuordnen: x Interessen des Bauherrn / Auftraggebers x Interessen der Unternehmen
5.5 Arbeitsgemeinschaften
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Motive des Bauherrn für die Bildung einer ARGE
Eine Arbeitsgemeinschaft bietet dem Bauherrn die Möglichkeit, mehrere Unternehmen bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Dies kann für ihn aus geschäftlichen oder politischen Gründen von Vorteil sein, z.B. um x langfristige Bindungen aufrechtzuerhalten oder x lokale Firmen, die einzeln nicht die Kapazität haben, beauftragen zu können. Weiterhin kann der Bauherr damit rechnen, dass die ARGE ein höheres Leistungspotenzial hat als die einzelnen Unternehmen, da es durch den Zusammenschluss der Unternehmen zu einem Auftragnehmer zu Synergieeffekten kommt. Dies gilt auch für das Ausschöpfen des technologischen, organisatorischen und führungsmässigen Know-hows, das bei den ARGEPartnern auf verschiedenen Fachgebieten unterschiedlich hoch sein kann. Beauftragt der Bauherr eine Arbeitsgemeinschaft, in der auch Spezialunternehmen vertreten sind, so reduziert sich für ihn die Anzahl der notwendigen Ansprechpartner. Er muss nur den Kontakt zur ARGEVertretung pflegen, die für alle Lose und Gewerke voll verantwortlich ist, und nicht mit mehreren Einzelunternehmen verhandeln. Dadurch reduziert sich bei der Bauherrenorganisation der Koordinationsaufwand für die Schnittstellen. Die Koordination der Arbeiten an den einzelnen Losen und Bauabschnitten liegt bei der ARGE; sie kann die Schnittstellen des Bauablaufs nach dem Verursacherprinzip steuern. Nicht zuletzt können auch Gewährleistungsüberlegungen zum Wunsch nach Bildung einer ARGE führen. Das Ausscheiden eines Unternehmers aus dem Auftrag, z.B. durch Insolvenz, ist für den Bauherrn bei Arbeitsgemeinschaften ungefährlicher als bei einem Einzelunternehmen. Dies gilt auch für die Gewährleistung, denn durch die solidarische Haftung der ARGE-Partner hat der Auftraggeber weiter Zugriffsmöglichkeiten auf die restlichen Partner, da sie bei Insolvenz eines Partners verpflichtet sind, dessen Rechte und Pflichten innerhalb des Konsortiums zu übernehmen. Motive des Unternehmers für die Bildung einer ARGE
Die unternehmerischen Motive zur Bildung einer ARGE sind wie folgt: 1. Markt- und regionalpolitische Gründe (Konkurrenz, Fuss fassen in einer Region, Einbinden des lokalen Baugewerbes) 2. Synergieeffekte (Kapazität bei Personal, Inventar und Material, technisches Know-how, Spezialleistungen/-abteilungen)
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
3. Risikoverteilung (technisches und finanzielles Risiko; geringeres Wagnis, aber auch geringerer Ertrag für den einzelnen ARGE-Partner) Vor- und Nachteile aus der Sicht des Bauunternehmens
Die Bildung von Arbeitsgemeinschaften hat besonders für die Bauunternehmen eine geschäftspolitische strategische Bedeutung. Die Auswahl der Partner muss sehr sorgfältig erfolgen; dabei stehen u.a. folgende Kriterien im Vordergrund: x Partner mit ergänzendem Know-how, um die Projektkompetenz zu stärken und gleichzeitig den Know-how-Transfer zu begrenzen x lokale Partner zum Anknüpfen an das lokale „Verbindungsnetzwerk“ x wirtschaftlich gesunde und potente Partner x Bindung potenzieller Konkurrenten Man möchte einerseits möglichst kein eigenes konkurrenzunterscheidendes Know-how an einen Konkurrenten weitergeben, gleichzeitig ist man jedoch am Entwicklungsstand des Partners interessiert. Bei Projekten in neuen Regionen ist ein lokaler Partner zum direkten Anknüpfen an das lokale Netzwerk vorteilhaft. Dies ist bereits in der Angebotsphase und in der Arbeitsvorbereitungsphase beim x x x x
Einholen von Preisen für Material und Subunternehmerleistungen, Erkunden der lokalen Verhältnisse, Beurteilen der Zuverlässigkeit von Vertragspartnern, Herstellen der Verbindung zu lokalen Behörden etc.
von grossem Nutzen. Die Partner sollten eine ausreichende technische, personelle und finanzielle Stärke besitzen und/oder Kontakt- und/oder Know-how-Kompetenz haben, damit jeder einen adäquaten Beitrag zum Erfolg des Projekts leisten kann. Ein Partner, den man noch zusätzlich stützen muss, ist ein Hindernis beim Erreichen des Projekterfolgs. Ein weiterer Grund zur Bildung einer ARGE kann die Nutzung von Synergieeffekten in Bezug auf Management, Know-how, Inventar etc. sein. Durch die Bildung einer ARGE kann man sich an Grossprojekten beteiligen, die die eigenen Kapazitätsgrenzen hinsichtlich z.B. x Management und Personal, x Inventar oder x Spezial-Know-how übersteigen.
5.5 Arbeitsgemeinschaften
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Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass ein Grossprojekt oft die gesamte Marktkapazität des Unternehmens bindet. Dann steht das Unternehmen vor den Alternativen, mehrere Jahre nicht oder nur reduziert am Markt präsent zu sein oder übermässig zu expandieren. Bei längerer reduzierter Marktpräsenz (Marktenthaltung) verliert es den Kontakt zum Kunden sowie die Kenntnis des Preis- und Konkurrenzgefüges. An eine extreme Expansion der Kapazität ist nur zu denken, wenn eine Folgeauslastung des Inventars und Personals möglich ist. Das Inventar kann man während einer Konjunkturhausse eventuell gewinnbringend verkaufen; beim qualifizierten Personal sind kurzfristige Veränderungen im europäischen Wirtschaftsraum meist nicht möglich. Besonders während einer Hochkonjunkturphase ist qualifiziertes Personal meist nicht in ausreichender Anzahl am Markt verfügbar; das gewerbliche Personal lässt sich in der Schweiz durch Saisonarbeiter und innerhalb der EU durch Subunternehmerverträge mit Unternehmen aus den Niedriglohnländern anpassen. Allerdings ist es teuer und schlecht für das Unternehmensimage, die Mitarbeiter nach dem „fire and hire“-Prinzip zu beschäftigen. Bei Projekten mit hohem technischem und auch finanziellem Risiko ist es vorteilhaft, das Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen. Bei technischen Problemen kann man auf ein grösseres Potenzial an Know-how, Personal und Inventar der beteiligten Firmen zurückgreifen. Die finanzielle Liquidität wird durch Gewährleistungsgarantien nicht so stark eingeschränkt. Ein weiteres Motiv für Bauunternehmen ist, an einem Projekt beteiligt zu sein, das gleichzeitig eine Reputation und Qualifikation für Folgeaufträge darstellt. Die Vor- und Nachteile von Arbeitsgemeinschaften sind in Tabelle 16 zusammengefasst. Zeitpunkt der ARGE-Entscheidung
Die ARGE wird auch manchmal im Vorfeld der Angebotsabgabe als Hilfsmittel benutzt, um die Marktkräfte zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen; dies bewegt sich jedoch oft dicht an der Grenze der Legalität. Die Versuchung für die potenziellen Konkurrenten, sich zusammenzuschliessen, um dadurch dem Auftraggeber weniger Spielraum für eine anderweitige Vergabe zu lassen, kann gross sein. Diese Taktik wird auch innerhalb der EU angewandt, um ausländischen Firmen den Zugang zum Markt zu erschweren.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Tabelle 16: Vor- und Nachteile von Arbeitsgemeinschaften Vorteile
Nachteile
x Stärkere Position x Geordnete Marktverhältnisse x Bessere Möglichkeiten für Gespräche mit der Konkurrenz x Kapazitätsanpassung x Konstantere Personalauslastung x Konstantere Geräteauslastung x Verbesserung der Einkaufskonditionen für das eigene Unternehmen x Kennenlernen der Arbeitsmethoden der Konkurrenz x Synergieeffekte
x Die Einflussnahme auf den Ertrag ist weniger direkt. x Das Qualitätsmanagement ist der Kontrolle des einzelnen Gesellschafters teilweise entzogen. x Die Mitarbeiteridentifikation ist weniger intensiv. x Es besteht die Gefahr von Übervorteilung bei ungleichen Leistungen. x Es besteht die Gefahr von Abwerbungen.
Tabelle 17: ARGE-Bildung – Agieren oder reagieren Vor Eingabe des Angebots
Nach Eingabe des Angebots
Strategische Entscheidung: Agieren
Akzeptieren vorgegebener Fakten: Reagieren
x Der Einfluss auf die Preisgestaltung ist x Einflussnahme auf das Angebot gering. - Preisgefüge beeinflussen - wirtschaftliche und technologische x Die Partnerwahl ist vorgegeben: Vorteile wahrnehmen - durch den Bauherrn - durch den Preis x Stärkung der eigenen Position x Die Rahmenbedingungen sind bereits x Zusammenarbeit fixieren festgelegt.
In diesem Zusammenhang sind auch Vorgaben öffentlicher Bauherren zu sehen, die – oft im Hinblick auf eine lokale Wirtschaftsförderung – eine ARGE-Bildung bereits im Rahmen der Präqualifikation forcieren. Die Bildung einer ARGE sollte sehr frühzeitig in der Angebotsphase erfolgen, um strategische Überlegungen möglichst voll wirksam werden zu lassen. Folgende Vorteile lassen sich dadurch erzielen (Tabelle 17): x Beeinflussung des Konkurrenzgefüges x Beeinflussung der Wettbewerbsstärke (Know-how, Zulieferer, Kredite etc.) x Fixierung der Zusammenarbeit x Stärkung der eigenen Position x Vergrösserung des Einflusses auf das Angebot
5.5 Arbeitsgemeinschaften
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Die Bildung einer ARGE nach Angebotsabgabe erscheint in den meisten Fällen nicht sinnvoll, da kaum noch Spielraum hinsichtlich der Preisgestaltung besteht (Tabelle 17). Das Einbeziehen von Konkurrenten nach der Angebotsabgabe wird meist in sanfter Form vom Bauherrn erzwungen, um z.B. einen lokalen Unternehmer an dem Projekt zu beteiligen. In solchen Fällen ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen genau festzulegen, und sinnvoll, dem „Zwangspartner“ eine Minderheitsbeteiligung mit beschränkter Mitsprache anzubieten. In der Organisation bindet man ihn dort ein, wo er optimal hilfreich sein und die eigenen Entscheidungen kaum stören kann. 5.5.2 Arten von Arbeitsgemeinschaften In Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Arbeitsgemeinschaften der Bauunternehmer üblicherweise die Rechtsform der einfachen Gesellschaft. Eine einfache Gesellschaft ist die vertragsmässige Verbindung von zwei oder mehr Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln. Als Gründe für die einfache Rechtsform können genannt werden: x Subsidiärform: In dieser Gesellschaftsform haftet jeder Partner; bei Ausfall eines Partners haften die anderen Partner. In der Regel sind bei der Bildung einer ARGE die Voraussetzungen für eine andere Gesellschaftsform als die der einfachen Gesellschaft nicht gegeben. x Leitbild: Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft als Publikums- und Kapitalgesellschaft liegt der einfachen Gesellschaft kein Leitbild zugrunde. x Formerfordernis: Die Gründung ist unkompliziert, da die einfache Gesellschaft formfrei entstehen kann. Obwohl ein Gesellschaftsvertrag mündlich abgeschlossen werden kann, ist die Schriftform dringend empfohlen. x Rechtsform: kein Handelsregistereintrag x Organisationsform: Die gesetzlichen Bestimmungen über die Organisation sind dispositiver Natur, d.h. die Gesellschafter können sich frei organisieren. Die „echte“ ARGE
Die „echte“ ARGE ist eine einfache Gesellschaft. Drei Voraussetzungen sind für die Entstehung einer einfachen Gesellschaft zu erfüllen:
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
1. Personenvereinigung mit vertraglichem Zusammenschluss mehrerer Personen (natürliche oder juristische Personen und Gesellschaften ohne juristische Persönlichkeit) 2. Einsatz gemeinsamer Kräfte und Mittel zur Erreichung eines zeitlichen begrenzten, gemeinsamen Ziels 3. gemeinsames Ziel im Rahmen des Vertrags Die typische ARGE des Baugewerbes ist ein echtes, offenes Konsortium. Mehrere Bauunternehmer übernehmen gemeinsam die Ausführung eines konkreten Bauprojekts. Die Unternehmer schliessen gemeinsam einen einzigen Bauvertrag mit der Bauherrschaft ab (Bild 168).
A Besteller ( Bauherr)
Bauvertrag B N
ARGE-Vertrag zwischen den Gesellschaftern A, B, N
Bild 168: Verhältnis Besteller zu ARGE
Wie bei jeder einfachen Gesellschaft gibt es auch bei der Arbeitsgemeinschaft ein Innen- und ein Aussenverhältnis (Bild 169). Das Innenverhältnis regelt die Rechtsverhältnisse (Rechte und Pflichten) der Gesellschafter unter sich. Dazu gehören Zweck, Mitglieder, Organisation, Firmenvertreter und ihr Verhältnis zur ARGE, Geschäftsführung, Beschlussfassung, Beiträge der Gesellschafter, Vergütungen etc. Im Aussenverhältnis sind die Rechtsverhältnisse zu natürlichen oder juristischen Personen geregelt, die nicht Mitglieder der ARGE sind, aber in vertraglicher oder ausservertraglicher Beziehung zu ihr stehen. Dazu zählen die Vertretung der ARGE gegenüber (externen) Vertragspartnern, ihr Verhältnis zu Behörden (Steuerbehörden, Gerichte etc.), die Haftung gegenüber Dritten sowie Erscheinung und Kennzeichnung der ARGE gegenüber Dritten mit einem Namen.
5.5 Arbeitsgemeinschaften
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Bauherr ARGE-Innenverhältnis Projektsteuerer
Bauunternehmen A
Bauunternehmen B
Bauunternehmen ...N
Banken
Baukommission
Planer
Administrator
Abschnittsbauführer N
Techn. Leiter Kaufm. Leiter
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Abschnittsbauführer N+1
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Bauleitung
Dritte
Bild 169: Innen- und Aussenverhältnis einer deutschen ARGE
Die „unechte“ ARGE
Unter einer „unechten“ ARGE versteht man im Bauwesen eine Arbeitsgemeinschaft, bei der die Gesellschafter nur nach aussen als Personengemeinschaft auftreten (Bild 170), im Innenverhältnis aber das entscheidende Kriterium des gemeinsamen Zusammenwirkens zum Erreichen eines gemeinsamen Zwecks fehlt. Bei einer „unechten“ ARGE bearbeitet jeder Unternehmer den ihm zugewiesenen Anteil an einem Bauwerk selbstständig, ohne Zusammenschluss der Kräfte und Mittel. Man spricht auch von einer vertikal getrennten ARGE. Diese Form wird oft bei einer Arbeitsgemeinschaft zwischen z.B. einem Bauunternehmen und einem Anlagenbauer bei der schlüsselfertigen Herstellung einer Industrieanlage angewandt. Im Innenverhältnis erfolgt die Arbeitsabwicklung getrennt, jeder ist für Abwicklung seiner spezifischen Arbeiten eigenverantwortlich. Die Schnittstellen und der Fertigstellungszustand einzelner Bauteile müssen aufgrund der meist kurzen Fertigstellungstermine sorgfältig geplant und überwacht werden, da ein Teil der Montage der Anlagen während der Bauausführung zeitlich parallel erfolgen muss. Hier ist eine besondere Feinabstimmung während der Bauausführung notwendig. Die ARGE-Baustelle wird im Regelfall durch einen Vertreter des mit der Federführung betrauten Gesellschafters geleitet. Die Organisation ist
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
unter der verantwortlichen Baustellenführung gemäss den Gewerken in zwei selbstständige Unterorganisationen aufgeteilt (z.B. Organisation der Bauausführung sowie des Anlagenbauers mit eigenen Chefs und unabhängiger disziplinarischer Zuständigkeit). Die Chefs der Bauausführung und der Anlagenmontage sind in Bezug auf die vertragliche, terminliche und qualitätsmässige Abwicklung dem ARGE-Chef verantwortlich. Der federführende Gesellschafter erhält einen vereinbarten Anteil vom Ertrag der Partner. Partner A
B
Joint Venture Board
JV Executive Board
Projektmanagement
Baustellenleitung Bau (A)
Abschnittsbauleiter1
Abschnittsbauleiter n
W erkstatt
Baustellenleitung Anlagenbau (B)
Administration*)
Einkauf
Montageführer1
lokales Personal
Buchhaltung
Montageführer n
*)
Aufwendungen werden getrennt erfasst und gebucht
Bild 170: Organigramm einer „unechten“ ARGE
Das Budget des Projekts wird im Innenverhältnis einer „unechten“ ARGE meist gemäss den Leistungen der Partner entsprechend der Kalkulation mit Gewinn und Verlust getrennt. Jeder Partner ist für seine Leistungen mit Gewinn und Verlust selbst voll verantwortlich. Die Chefs der Bauausführung und der Anlagenmontage sind in Bezug auf die wirtschaftliche und disziplinarische Verantwortung direkt ihren Firmen unterstellt. Der Vertrag mit dem Bauherrn sollte daher durch die Anerkennung von Teilleis-
5.5 Arbeitsgemeinschaften
355
tungen innerhalb eines mit Preisen versehenen Leistungsverzeichnisses eine solche interne Trennung zulassen. Problematisch bei der „unechten“ ARGE ist besonders die Frage der Haftung. Im Innenverhältnis wird die Haftung oft so geregelt, dass jeder Gesellschafter für seinen ihm zugeteilten Arbeitsbereich (Abschnitt, Los, Arbeitsgattung, Montage, Lieferung etc.) selbstständig haftet. Das Gleiche gilt, wenn ein Mitglied der ARGE als Subunternehmer Arbeiten für sie ausführt. Im Aussenverhältnis tritt die „unechte“ ARGE dem Bauherrn gegenüber wie eine einfache Gesellschaft auf, also wie eine „echte“ ARGE. Jeder Gesellschafter haftet gegenüber dem Bauherrn solidarisch. 5.5.3 Vollzugsorgane Die Vollzugsorgane der Baustelle setzen sich zusammen aus (Bild 171): x Geschäftsleitung (technische und kaufmännische Leitung) x Baustellenleitung Die Aufgaben sind zwischen Geschäftsleitung und Baustellenleitung wie folgt aufgeteilt: x Geschäftsleitung - Verbindung zum Bauherrn - Überwachung und Unterstützung der Baustelle - Leitung der ARGE-Gremien x Baustellenleitung - Abwicklung des operativen Geschäfts - Verantwortung für Leistungen, Kosten, Abrechnung und Termine Der federführende ARGE-Partner ist finanziell meist mehrheitlich beteiligt und bestimmt in der Regel über die Besetzung folgender Schlüsselpositionen: x Technische Leitung x Baustellenchef Zur gegenseitigen Kontrolle wird der zweitwichtigste ARGE-Partner die kaufmännische Leitung stellen. Die leitenden Mitarbeiter der ARGE sollten die ARGE als ihre „eigene Firma“ betrachten, für die sie ein optimales Ergebnis erzielen müssen; die eigenen Firmeninteressen sollten in zweiter Linie folgen. Diese Haltung hat sich als die effizienteste erwiesen, da andernfalls bei jeder anstehenden
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
Entscheidung die oft konkurrierenden Firmeninteressen der Partner aufeinanderprallen und somit eine zielorientierte ökonomische Lösung verhindert wird. Im Allgemeinen gilt: Was gut für die ARGE ist, ist im Endergebnis auch vorteilhaft für die Gesamtheit der Partner. Firma X
Firma Y
Firma Z
Federführung
Oberbauleitung
Bauleitung Stufe Baustelle
Baukommission
Geschäftsführung Vertreter der Firmen X, Z
Kaufm. Leitung
Controlling Vertreter Firma Y
Bauherr
Baustellenleitung
Bild 171: Organisation einer „echten“ ARGE nach SBV (Schweizerischer Baumeisterverband)
Die Geschäftsleitung als oberstes Vollzugsorgan hat folgende Aufgaben: Technische Leitung: x Vorgesetzter der örtlichen Baustellenleitung mit Entscheidungsbefugnis über deren Anträge x Überwachung der örtlichen Baustellenleitung x Organisation der Baustelle x Behandlung aller Fragen der Bauausführung unter Berücksichtigung der Richtlinien und Weisungen der Baukommission x Federführung x Örtliche Baustellenleitung in Personalunion, wenn keine solche bezeichnet ist und keine Nomination durch der Baukommission erfolgte Kaufmännische Leitung: x Arbeiten kaufmännischer, finanzieller und administrativer Natur (Zahlungsverkehr, Buchhaltung, kaufmännische Korrespondenz, Banken und Versicherungswesen, Rechnungswesen innerhalb der ARGE) x Steuerabrechnung x Aufstellung des Kontenplans gemeinsam mit der Technischen Leitung x Überwachung der kaufmännischen und administrativen Dienste
5.5 Arbeitsgemeinschaften
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Die örtliche Baustellenleitung ist direkt für die Erstellung der Bauleistung und für die vertragsgemässe Abwicklung des operativen Geschäfts auf der Baustelle zuständig. Dem Baustellenchef obliegen somit die folgenden wesentlichen Aufgaben im Rahmen der direkten Bauausführung: x x x x
Leistungserstellung gemäss Werkvertrag Qualitätssicherung Kosteneinhaltung bzw. -unterschreitung Termineinhaltung
Die Baustellenleitung mit Baustellenchef und seinem Bauführer haben folgende Aufgaben zu erfüllen und verfügen über die entsprechenden Kompetenzen: Aufgaben: x Leitung der ARGE auf der Baustelle x Sicherstellung eines reibungslosen Baustellenablaufs x Sicherstellung des fachgerechten Einsatzes und Unterhalts des Gesellschafterinventars x Ausmasserstellung x Behandlung von Zahlungsbegehren x Überprüfung der Qualifikationen der Arbeitnehmer x Benachrichtigung der Gesellschafter über den Einsatz von Mietinventar und Meldung über Stillstandszeiten x Einsatz von Baumaschinen und Betriebsinventar x Betreiben, Unterhalten und Durchsetzen des Qualitätsmanagementsystems durch den Qualitätsmanager Kompetenzen: x Alle Kompetenzen zur Gewährleistung eines reibungslosen und planmässigen operativen Baustellenablaufs im Rahmen des Werkvertrags und der Vorgaben der ARGE bzw. Baukommission x Vorschlagen bzw. Treffen angemessener Korrekturmassnahmen bei Verzug der Leistungserstellung 5.5.4 Haftung der ARGE Haftung der Gesellschafter intern
Bei leichter Fahrlässigkeit haften die Gesellschafter nach den Beteiligungsquoten, sonst haftet der schuldige Gesellschafter allein. Für vom
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
ARGE-Personal verursachte Schäden haften die Gesellschafter im Verhältnis der Beteiligungsquoten. Haftung der Gesellschafter nach aussen
Primäre, unbeschränkte, solidarische Haftung Die Gesellschafter der ARGE haften primär, unbeschränkt und solidarisch. Primäre Haftung bedeutet, dass jeder Gesellschafter zuerst mit seinem Vermögen haftet. Bei Kollektivgesellschaften dagegen haften zuerst die Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen und erst dann die Gesellschafter. Durch die unbeschränkte Haftung haftet jeder Gesellschafter mit seinem gesamten Vermögen. Solidarische Haftung gegenüber dem Bauherrn (Besteller) und anderen Dritten heisst, dass ein Gläubiger nach seiner Wahl von allen einen Teil oder von jedem das Ganze fordern kann. Wird der gemeinsame Werkvertrag durch ein ARGE-Mitglied verletzt, so haben auch die übrigen Gesellschafter dafür einzustehen. Intern kann ein belangter Gesellschafter auf die Mitgesellschafter nach den Regeln über die Aufteilung von Gewinn und Verlust Rückgriff nehmen. Die solidarische Haftung gilt auch bei der „unechten“ ARGE und ist dort besonders zu beachten. Haftung eines ausscheidenden Gesellschafters Scheidet ein Gesellschafter aus der ARGE aus, so haftet er auch weiterhin für Verpflichtungen, die die ARGE oder er selbst vor dem Stichtag des Ausscheidens eingegangen sind. Dies gilt gegenüber Dritten (besonders dem Bauherrn), aber auch hinsichtlich allfälliger Regressrechte der verbleibenden Gesellschafter. Haftung nach Auflösung der Gesellschaft Die Verbindlichkeiten gegenüber Dritten werden durch die Auflösung der Gesellschaft nicht geändert. Insbesondere gilt dies für die Haftung aus Gewährleistung. Nach Beendigung der ARGE haften die Gesellschafter weiterhin gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber dem Bauherrn, und unter sich als Regressschuldner.
5.5 Arbeitsgemeinschaften
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5.5.6 Beendigung der ARGE Auflösung
Die wichtigsten Gründe für die Auflösung einer ARGE sind: x Sie hat ihren Zweck erfüllt. x Die Erreichung ihres Zwecks ist nicht mehr möglich. x Tod eines Gesellschafters, falls nicht vorgängig vereinbart wurde, dass die Gesellschaft mit den Erben fortbestehen soll x Zwangsverwertung des Liquidationsanteils eines Gesellschafters x Konkurs eines Gesellschafters x gegenseitige Übereinkunft x Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft eingegangen wurde x richterliches Urteil Nach ARGE-Vertrag wird die Gesellschaft aufgelöst, wenn x das Bauwerk abgenommen wurde und somit der Zweck der ARGE erreicht ist, x die Gesellschafter, unter Vorbehalt der Rechte und Ansprüche Dritter (insbesondere des Bauherrn / Bestellers), die Auflösung einstimmig beschliessen, x die Zeit, auf deren Dauer die ARGE allenfalls eingegangen wurde, abgelaufen ist. Die ARGE gilt als beendet, wenn die Schlussbilanz genehmigt und das Eigentum liquidiert ist sowie sämtliche Rechte und Pflichten erfüllt sind [5-3]. Liquidation
Nach Auflösung geht die ARGE in eine Liquidationsgemeinschaft über. Die Liquidationsgemeinschaft haftet gegenüber den Vertragspartnern der ARGE, insbesondere gegenüber dem Bauherrn, bis alle Verbindlichkeiten (z.B. Mängelrechte) erfüllt oder erloschen sind. Die Aktiven und Passiven der ARGE werden liquidiert; die Liquidation umfasst: x Begleichung aller Schulden x Erstattung der Auslagen x Rückerstattung der Einlagen (eingebrachte Sachen, die nicht Eigentum der ARGE geworden sind) x Verkauf des ARGE-Eigentums
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
x Verteilung des Überschusses oder Fehlbetrags als Gewinn oder Verlust Als Grundlage für die Liquidation gilt die ab Baubeginn zu führende Investitionsliste über wertbeständiges Inventar der ARGE. Gewinn und Verlust der ARGE
Gewinn- und Verlustberechnung Gewinn und Verlust werden als Differenz zwischen der Gesamtabrechnung der Baustelle und allen an die Mitglieder ausbezahlten Vergütungen berechnet. Zum errechneten Gewinn ist der Gewinn aus der Liquidation der ARGE hinzuzurechnen. Die Gesamtabrechnung bezieht sich auf die Abrechnung des Werkvertrags und aller übrigen Leistungen, die von den Gesellschaftern erbracht worden sind. Gewinn- und Verlustverteilung Nach ARGE-Vertrag haben die Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung Anteil an Gewinn und Verlust. Eine Gewinnbeteiligung, die von der verhältnismässigen Aufteilung nach der Beteiligungsquote abweicht, müsste im ARGE-Vertrag geregelt werden.
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5 Kooperations- und Outsourcingstrategien
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6 Organisation von Bauunternehmen
6.1 Einleitung Die Organisationsstruktur eines Unternehmens gliedert sich in die Gesamtunternehmensorganisation und die Geschäftseinheitenorganisationen (SGE). Sie ist durch die Zweckbestimmung, den Entwicklungsstand, die Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie, die Wertschöpfungsprozesse, die Aufgaben und das potenziell verfügbare Personal beeinflusst. Dadurch ist die Organisationsgestaltung eines Unternehmens durch das hinterlegte Managementmodell des Unternehmens determiniert (Bild 172). Auf Gesamtunternehmensebene wird die Organisationsgestaltung gemäss der Unternehmensstrategie hinsichtlich der strategischen Geschäftsfelder (SGF) und strategischen Geschäftseinheiten (SGE) strukturiert. Dabei haben folgende Ansätze der Portfoliopolitik eine besondere Einwirkung: x Entwicklungsstadium des jeweiligen Geschäftsfelds x Synergiepotenzialgestaltung hinsichtlich der Geschäftsfelder und in Bezug auf die Kernzweckbestimmung des Unternehmens Die Organisationsstruktur der Geschäftseinheiten ist grundsätzlich durch die aufgrund der Unternehmensstrategie gewählte Gesamtunternehmensstruktur bestimmt. Die Ausgestaltung der Geschäftseinheitenorganisation wird aus der Geschäftsfeldstrategie und der intendierten Wertschöpfungskette der SGE zur Befriedigung des Kundennutzens und Sicherung des Markterfolgs abgeleitet. Die Prozesse und Aufgaben zur effizienten Erfüllung des Leistungsangebots sind hier von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung. Die Organisation wird weitgehend durch die Einflussfaktoren des „7-S“-Konzepts von PETERS und WATERMAN [6-9] bestimmt (Bild 173) und durch die Unternehmensstrategie sowie durch die Ausgestaltung der Geschäftsprozesse (Leistungserstellungsprozess, Support- und Managementprozesse) wesentlich beeinflusst. Ausgehend von den Unternehmens- und Geschäftsprozessen (Bild 174) sowie den zu verteilenden Aufgaben und Verantwortlichkeiten wird die Organisation gestaltet.
364
6 Organisation von Bauunternehmen
Bild 172: Organisationsstruktur des Unternehmens und Prozessorientierung im St. Galler Management-Konzept
6.1 Einleitung
365
Strategie
Systemprozesse
Struktur
Selbstverständnis
Spezialkenntnisse
harte Faktoren weiche Faktoren
Stil
Stammpersonal
Bild 173: Das „7-S“-Konzept von PETERS und WATERMAN [6-9]
Daher hat die situative Organisation der Unternehmen entscheidende Bedeutung für das organisierte Handeln zur Erfüllung der Kundenanforderungen. Eine Organisation dient in ihrer Gesamtheit zur Erreichung von Zwecken und Zielen, durch die x ein soziales System arbeitsteilig strukturiert wird und x die Aktivitäten der zum System gehörenden Menschen, der Einsatz von Sachmitteln und die Verarbeitung von Informationen koordiniert werden.
366
6 Organisation von Bauunternehmen
Unternehmen können deshalb auch als soziotechnische Systeme bezeichnet werden. Die Aktivitäten der Menschen, der Einsatz der Sachmittel und die Verarbeitung der Informationen werden in Unternehmen durch dauerhaft festgelegte, formale Regeln geordnet, die bewusst gesetzt und mit bestimmten Verhaltenserwartungen verbunden sind. Das durch die Gesamtheit der Regeln geschaffene künstliche Konstrukt wird als Systemstruktur oder Organisationsstruktur bezeichnet. Organisationsprozess
Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebots bearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungs planung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions - Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme / Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Organisationsprozess
Bild 174: Die Prozesse in einem Bauunternehmen – Organisation
Die System- bzw. Organisationsstruktur bildet somit den formalen Rahmen, innerhalb dessen sich die Unternehmens- bzw. Geschäftsprozesse zur effizienten Erfüllung der komplexen Aufgaben von Unternehmen koordiniert vollziehen sollen. Die Organisationsstruktur grösserer Unternehmen kann in die x Gesamtunternehmensstrukur, in der die strategischen Geschäftsbereiche nach finanztechnischen und bilanztechnischen Gesichtpunkten gegliedert werden, und die x SGE-Struktur nach prozess- und aufgabenorientierten Gesichtspunkten unterteilt werden. Damit ist die Strategie eine der wichtigsten Determinanten bei der Gestaltung der Gesamtunternehmensstruktur. Die SGE werden
6.1 Einleitung
367
nach funktionalen Gesichtspunkten gestaltet, wobei der Leistungserstellungsprozess der SGE eine Hauptdeterminante bildet. Strukturelle Ansatzpunkte für die Formalisierung sind danach x die Gebildestruktur oder Aufbauorganisation als Anordnung der Personen und Sachmittel und ihrer Beziehungen zueinander und x die Prozessstrukturen oder Ablauforganisation als Gliederung der Aktivitäten und Abläufe, die innerhalb der Gebildestruktur stattfinden. Sie umfassen sowohl operative Prozesse als auch Leitungsprozesse, wobei beide Prozessarten entweder der Transformation physischer Objekten oder dem Austausch und der Verarbeitung von Informationen dienen. Da in soziotechnischen Systemen der Mensch das zentrale Element ist, können Verhaltenserwartungen nicht restlos formalisiert werden. Durch individuelle und gemeinsam geteilte Werte, Normen, Einstellungen, Überzeugungen und Ideale der Organisationsmitglieder existieren spontan gewachsene Verhaltensmuster, die sich der willentlichen Lenkung und Gestaltung durch das Management entziehen. Die Gesamtheit der Wertvorstellungen eines Unternehmens wird unter dem Begriff „Systemkultur“ oder „Organisationskultur“ zusammengefasst. Bedeutsam für die Verhaltenssteuerung in soziotechnischen Systemen ist es nun, dass Systemstruktur und Systemkultur nicht im Widerspruch zueinander stehen sollten. Formalisierte Verhaltenserwartungen sollten in den kulturbedingten Verhaltensmustern begründet sein und sie weiterführen; andernfalls ist mit Abweichungen von den angestrebten Verhaltensweisen zu rechnen. Grundsätzlich lässt sich eine Organisation aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: dem institutionellen, dem instrumentalen und dem funktionalen Blickwinkel (Bild 175). Es bedarf letztlich aller drei Sichtweisen, um organisatorische Gestaltungsprobleme erfassen zu können, denn „Bei der Lösung komplexer praktischer Probleme genügt es nicht, eindimensional vorzugehen und sich auf einen einzigen Ansatz zu versteifen. Komplexe Probleme erfordern eine Beleuchtung aus verschiedenster Sicht und die bestmögliche Nutzung der verfügbaren Wissensinhalte, aus welchen Disziplinen sie auch immer stammen.“ [6-3]. Im Folgenden sollen daher die einzelnen Organisationsperspektiven genauer dargelegt werden, bevor näher auf die organisatorische Gestaltung in Bauunternehmen eingegangen wird.
368
6 Organisation von Bauunternehmen
Institutionell
Instrumental
Das Unternehmen ist eine Organisation
Das Unternehmen hat eine Organisation
Fokus:
Gesamtführung
Fokus:
Führungsinstrument
Ziel:
Entscheidungsfindung Sinnvermittlung
Ziel:
Wirtschaftlichkeit
Organisation
Ansatz: Betriebswirtschaftliche Organisationslehre
Ansatz: Verhaltenswissenschaften
Funktional Das Unternehmen wird organisiert Fokus:
Organisationsgestaltung
Ziel:
Komplexitätsbewältigung
Ansatz:
Systemtheorie Situativer Ansatz
Bild 175: Organisationsperspektiven [6-3]
6.2 Grundlagen der Organisation 6.2.1 Die instrumentale Organisationsperspektive Die instrumentale Sichtweise versteht die Organisation als Instrument zur Zielerreichung und als Mittel zur effizienten Führung von Organisationen. Ihrer Funktion als Führungsinstrument wird die Organisation in dem Mass gerecht, wie durch bestimmte, formale Regelungen die Organisationsaufgabe, der Organisationszweck, erfüllt wird. Die instrumentale Sichtweise geht auf den Scientific-ManagementAnsatz von F. W. TAYLOR [6-13] zurück. TAYLORS Ansätze beruhen auf der Hypothese der funktionalen Spezialisierung und der Entlohnung nach dem Leistungsprinzip und beziehen sich auf Industrieunternehmen. Fast zeitgleich entwickelte H. FAYOL [6-2] die auf Verwaltungsorganisationen bezogenen administrativen Ansätze. FAYOL geht von der Hypothese aus, dass in einer gut funktionierenden Organisation eine übersichtliche und eindeutige Beziehung zwischen ihren Elementen besteht. Die Konkretisierung dieser Elemente und ihrer Beziehungen erfolgte dann durch die klassische betriebswirtschaftliche Organisationslehre, deren wichtigster Ver-
6.2 Grundlagen der Organisation
369
treter, H. KOSIOL [6-6], die ersten Ansätze zu einer geschlossenen, abstrakt deduktiven Organisationslehre weiterentwickelte. Bis heute wurde diese immer wieder aufgegriffen und modifiziert. Zu den Elementen der Gebilde- und Prozessstruktur von Organisationen, die einer Formalisierung zugänglich sind, zählen: x Aufgaben und Aktivitäten: Aufgaben stellen die zur Verwirklichung der Unternehmensziele notwendigen Sollleistungen dar. Sie sind „Zielsetzungen für zweckbezogene menschliche Handlungen“. Um diese Sollleistungen bzw. Zielsetzungen erreichen zu können, sind verschiedene, aufeinander folgende Aktivitäten zu ergreifen. x Kompetenzen und Verantwortlichkeiten: Das Recht, im Hinblick auf die Aufgabenerfüllung zu handeln und die dafür notwendigen Massnahmen einzusetzen, wird als Kompetenz bezeichnet. Aus der Verpflichtung, Aufgaben und Kompetenzen richtig nachzukommen, geht die Verantwortung dafür hervor. x Stellen und Stellengruppen: Einzelne oder mehrere Träger von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten wie Menschen und Kombinationen von Menschen und Maschinen können als Stellen bezeichnet werden; Stellen mit Leitungsaufgaben werden Leitungsstellen oder Instanzen genannt. In Stellengruppen werden mehrere Stellen, die gemeinsame oder direkt zusammenhängende Aufgaben erfüllen, zusammengefasst. Stellengruppen werden auch Abteilungen genannt und sind meistens einer Leitungsstelle unterstellt. x Verbindungswege zwischen Stellen: Zur koordinierten Zusammenarbeit von Stellen müssen sowohl physische Objekte als auch Informationen ausgetauscht werden. Entsprechend sind Transport- und Informationswege zwischen den Stellen zu gestalten, um die Stellen mit Materialien bzw. Daten in der richtigen Form und zur richtigen Zeit zu versorgen. Die klassische Organisationslehre hat in erster Linie zur begrifflichen Klärung der formalen Elemente und Beziehungen der Organisation beigetragen und ihren organisationsgestaltenden Einsatz aufgezeigt. Die Wirkungen der Gestaltungsmassnahmen auf das Verhalten der Organisationsmitglieder berücksichtigt sie nicht und lässt damit keine Aussagen darüber zu, welche Ausprägungen die Strukturvariablen bei welchen Gestaltungszielen annehmen sollten. Erst bei Einbezug verhaltenswissenschaftlicher Organisationsaspekte, wie sie unter der institutionellen Organisationsperspektive betrachtet werden, können auch Aussagen über das mit den Strukturvariablen zu erreichende Verhalten der Organisationsmitglieder gemacht werden.
370
6 Organisation von Bauunternehmen
6.2.2 Die institutionelle Organisationsperspektive Die institutionelle Sichtweise belegt das gesamte organisierte Gebilde mit dem Begriff „Organisation“. Im Mittelpunkt stehen die Konstruktion und Gestaltung sozialer Wirklichkeiten; dabei ist zum einen die Problematik der Abgrenzung bzw. des Zusammenhalts von Personengruppen und deren Ausrichtung auf gemeinsame Ziele von Interesse, und zum anderen der Einfluss der Organisationsstruktur auf das Verhalten der menschlichen Handlungsträger. Mit der institutionellen Sichtweise wird der von der Organisationslehre vernachlässigte Aspekt des menschlichen Verhaltens in Organisationen aufgegriffen. Erste Ansätze lieferte die Human-Relation-Bewegung durch E. MAYO [6-8] und W. ROETHLISBERGER [6-11], die herausfanden, dass weniger die Veränderungen der objektiven Arbeitsbedingungen als vielmehr die psychischen und sozialen Gegebenheiten zu unterschiedlichen Leistungen führen. Weiterführende Arbeiten, vor allem die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie, versuchten Erklärungsansätze für das Problemlösungs- und Entscheidungsverhalten von Individuen in Organisationen zu liefern. Als ihr Hauptvertreter kann H. SIMON [6-12] angesehen werden, der als erster die Organisationstheorie systematisch mit der verhaltenswissenschaftlichen Untersuchung kognitiver Prozesse verbunden hat. Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie geht der Frage nach, wie Individuen in Organisationen im Rahmen ihrer Aufgaben zu bestimmten Entscheidungen oder Aktivitäten gelangen, die der Erreichung der Organisationsziele dienen. Untersucht wird, inwiefern das durch die Organisation herbeizuführende Verhalten der Individuen auch tatsächlich in Erscheinung tritt, also wie Organisationsstrukturen das Entscheidungsverhalten von Individuen beeinflussen. Als entscheidungsrelevante menschliche Eigenschaft sieht sie dabei die begrenzte Informationsverarbeitungskapazität von Individuen an, d.h., für komplizierte Entscheidungssituationen stehen nur beschränkte kognitive Kapazitäten der Entscheidungsträger zur Verfügung. Dieses Konzept der begrenzten Rationalität geht vor allem davon aus, dass x eine genaue Bewertung aller Entscheidungsalternativen nicht möglich ist, da das dafür notwendige Wissen nur unzureichend beschafft und verarbeitet werden kann, x zukünftig eintretende Ereignisse ebenfalls nicht bewertbar sind, um bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden zu können, x zudem niemals alle möglichen Entscheidungsalternativen in Betracht gezogen werden können.
6.2 Grundlagen der Organisation
371
Da nun Individuen trotz begrenzter Rationalität Entscheidungen treffen und Aktivitäten ausführen müssen, schliesst ihre Suche und Auswahl einer Alternative nicht mit der optimalen, sondern mit einer für sie befriedigenden Lösung ab. Wann eine Lösung als befriedigend anzusehen ist, hängt vom Anspruchsniveau des Individuums ab, das mit dessen gesammelter Erfahrung variieren kann. So wird ein Entscheidungsträger sein Anspruchsniveau senken, wenn er seine Ziele über einen längeren Zeitraum nicht erreichen kann. Genauso wird er aber auch seine Ansprüche erhöhen, wenn er mühelos an sein Ziel gelangt. Aufbauend auf diesen verhaltenswissenschaftlichen Annahmen kann die Aufgabe der Organisationsstruktur darin gesehen werden, Bedingungen zu schaffen, die dem Entscheidungsträger die Entscheidung erleichtern. Die Wirkungen der durch die klassische Organisationslehre bereitgestellten Strukturvariablen auf das Entscheidungs- und Problemlösungsverhalten der Organisationsmitglieder können nun benannt bzw. die Ausprägungen der einzusetzenden Strukturvariablen begründet werden. Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie liefert damit den Erklärungshintergrund für die Auswirkungen der von der Organisationslehre bereitgestellten Strukturierungsinstrumente auf das Verhalten der Organisationsmitglieder. Damit lassen sich Aussagen treffen, in welchem Ausmass organisatorische Strukturierungsmassnahmen einzusetzen sind, um ein im Hinblick auf die Erfüllung der Organisationsziele angestrebtes Verhalten der Organisationsmitglieder herbeizuführen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Kompliziertheit der Aufgaben bzw. der damit einhergehende Entscheidungssituationen, von der das einzelne Organisationsmitglied durch organisatorische Strukturierungsmassnahmen entlastet wird. Dies erfordert jedoch eine gewisse Beständigkeit in den Aufgaben und Entscheidungssituationen, um standardisiertes Verhalten entwickeln zu können. Da aber immer auch Veränderungen in den Aufgaben und Entscheidungssituationen Abweichungen vom standardisierten Verhalten verlangen, stellt sich die Frage nach den Bedingungen für das Auftreten einer bestimmten Aufgabencharakteristik. Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie kann keine Antworten auf diese Frage bereitstellen. Erst bei Einnahme der dritten – der funktionalen – Organisationsperspektive werden die Bedingungen ersichtlich, unter denen mit einer bestimmten Aufgabencharakteristik zu rechnen ist und entsprechende Strukturierungsmassnahmen erfolgversprechend erscheinen.
372
6 Organisation von Bauunternehmen
6.2.3 Die funktionale Organisationsperspektive Aus dem funktionalen Blickwinkel ist die Organisation ein Ordnungsmuster, mit dem die Kompliziertheit und Veränderlichkeit der unternehmerischen Gesamtaufgabe zu bewältigen ist. Dabei bedient diese Sichtweise sich systemtheoretischer und kybernetischer Erkenntnisse und stellt damit auch ein integrierendes Rahmenkonzept für die beiden bereits vorgestellten organisationstheoretischen Ansätze dar. Unternehmen sind danach als offene und komplexe Systeme zu charakterisieren. Die Offenheit bezieht sich auf die wechselseitigen Beziehungen und Beeinflussungen, die Unternehmen mit dem Umsystem – der Umwelt des Unternehmens – eingehen. Der Ursprung der Offenheit ist vor allem darin zu sehen, dass Unternehmen Input von der Umwelt beziehen, den sie als transformierten Output wieder an die Umwelt abgeben. Mit der Komplexität wird die Vielfalt und Anzahl der Teile des Unternehmens (z.B. Stellen, Abteilungen), der Beziehungen zwischen diesen Teilen (z.B. Kommunikationsbeziehungen, Autonomie) und der zeitlich veränderbaren Zustände des Unternehmens angesprochen. Je offener das Unternehmen gegenüber seiner Umwelt und je komplexer die Umwelt ist, desto komplexer ist das Unternehmen selbst. Damit kommt zum Ausdruck, dass es keine universellen Organisationsstrukturen geben kann. Ob Organisationsstrukturen bei gegebenen Unternehmenszielen als effizient zu bezeichnen sind, hängt letztlich von der jeweiligen Situation des Unternehmens ab. Den daraus entstehenden Fragen, welche situativen Faktoren die Wahl einer bestimmten Organisationsstruktur beeinflussen und wie sich die Situations-Struktur-Konstellationen auf das Verhalten der Organisationsmitglieder und die Organisationseffizienz auswirken, gehen die Forschungsbemühungen um den situativen oder kontingenztheoretischen Ansatz nach. Seinen Anfang nahm das situative Denken in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. J. WOODWARD [6-15] war eine der ersten, die die spezifische Ausgangslage von Unternehmen in empirischen Untersuchungen berücksichtigte. Sie untersuchte den Einfluss der Fertigungstechnik auf die Merkmale der Organisationsstruktur und fand heraus, dass Unternehmen mit Massenfertigung andere Strukturmerkmale aufwiesen als Unternehmen mit Einzelfertigung. Standen zu Beginn empirische Analysen im Mittelpunkt, die Unterschiede in der Organisationsstruktur durch nur einen Einflussfaktor erklären wollten, setzte sich spätestens mit den Untersuchungen der ASTONGruppe um D. PUGH [6-10] die Erkenntnis durch, dass die Situation eines Unternehmens durch das Zusammenwirken mehrerer Einflussfaktoren gekennzeichnet ist. Neben der Berücksichtigung mehrerer Situationsvariab-
6.2 Grundlagen der Organisation
373
len lag der Verdienst der ASTON-Gruppe in dem Versuch, erstmalig Zusammenhänge zwischen Situation, Struktur und Verhalten von Organisationen in einem Konzept zu integrieren. Fragt man nun danach, wie die Situation eines Unternehmens zu charakterisieren sei, so muss man feststellen, dass es kein einheitliches Faktorengeflecht zur Beschreibung von Organisationsstrukturen gibt. KIESER/ KUBICEK [6-5] und BURNS/STALKER [6-1] gehen davon aus, dass die Organisation eines Unternehmens von verschieden Einflussgrössen abhängig ist. Darauf bauen die folgenden Hypothesen auf: x Es gibt nicht die beste Organisation, sondern sie hängt vom Erfüllungszweck und den Umweltbedingungen ab. x Nicht jede Organisation ist für das gleiche Unternehmen gleich effizient. x Die Wahl der Organisationsform hängt somit von der für das Unternehmen relevanten Umwelt ab. Unterscheidet man zwischen der internen Situation mit den Einflussfaktoren, die vom Unternehmen selbst beeinflusst werden können, und der externen Situation mit den Einflussfaktoren, die nicht vom Unternehmen allein zu beeinflussen sind, sind bis heute folgende Einflussfaktoren als relevant für die Unternehmenssituation zu betrachten: x Interne Situation Gegenwartsbezogene Einflussfaktoren - Leistungsprogramm - Grösse - Fertigungstechnik - Informationstechnik - Rechtsform und Eigentumsverhältnisse Vergangenheitsbezogene Einflussfaktoren - Alter der Organisation - Art der Gründung - Entwicklungsstadium der Organisation x Externe Situation Aufgabenspezifische Einflussfaktoren - Kundenstruktur - Konkurrenzverhältnisse - technologische Dynamik Globale Einflussfaktoren - gesellschaftlich-kulturelle Bedingungen
374
6 Organisation von Bauunternehmen
Mit der funktionalen Organisationsperspektive ist ein allgemeines Konzept der Organisationsgestaltung verbunden, das die mit der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre bereitgestellten organisatorischen Gestaltungselemente und -ziele, die mit der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie formulierten organisatorischen Gestaltungswirkungen sowie die mit dem situativen Ansatz eingeführten organisatorischen Gestaltungsbedingungen verknüpft und zueinander in Beziehung setzt (Bild 176). Effektivität und Effizienz der Organisationsstruktur Organisationsstruktur
Verhalten der Unternehmensmitglieder
Charakteristik der Unternehmensaufgaben
Unternehmenssituation Markt und Wettbewerb
Bild 176: Allgemeines Konzept der Organisationsgestaltung
6.3 Arbeitsteilung und Koordination als Gestaltungsprinzipien P.R. LAWRENCE und J.W. LORSCH [6-7] legen die Hypothese zugrunde, dass bei grösser werdenden Unternehmen eine funktionale Spezialisierung erforderlich ist, die aber für die Erstellung einer kundenorientierten Gesamtleistung durch Integration wieder zusammengeführt werden muss. Ferner richtet sich die Spezialisierung nach den Anforderungen, die das Umfeld an das Unternehmen stellt. Für die praktische Umsetzung sind die Ansätze und die daraus abgeleiteten Hypothesen von LAWRENCE und LORSCH [6-7] sehr brauchbar. Die Spezialisierung des Unternehmens in Abteilungen mit ausgeprägter funktionaler Spezialisierung ist aufgrund der Arbeitsteilung erforderlich. Die meisten Aufgaben, die im Lauf eines Wertschöpfungsprozesses in einem Unternehmen von Spezialisten zu erfüllen sind, erfordern eine Aufgliederung. Die Anforderungen der Spezialisierung ergeben sich aus einem
6.3 Arbeitsteilung und Koordination als Gestaltungsprinzipien
375
Wechselspiel des Marktumfelds und der organisatorischen Antworten des Unternehmens (Bild 177). Jede relevante Herausforderung des Umfelds erfordert von dem Unternehmen eine organisatorisch qualifizierte Antwort, die in einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis steht. Anforderungen aus dem Umfeld des Unternehmens
Organisatorische Antwort des Unternehmens
Kunden und Konkurrenz
Marketing und Verkauf
Geld- und Kapitalmarkt
Finanzen
Arbeitsmarkt
Personal
Technologie
Produktion
Wissenschaft und Technik
Forschung und Entwicklung
Lieferanten
Einkauf
Presse, Verbände etc.
Public Relations
Bild 177: Interaktion von Umfeldanforderungen und Unternehmensbereichen
Die mit der Spezialisierung verbundene Organisations- und Führungsstruktur wird wie folgt erfasst: x Funktionalisierung, d.h. Aufteilung des Unternehmens in Teilbereiche, Abteilungen etc. als Antwort auf Umweltanforderungen x Formalisierungsgrad, d.h. Regelungen, die in einer Organisation erforderlich sind, um Aufgabenfelder, Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten zur Sicherstellung eines weitestgehend reibungslosen Ablaufs zu definieren x Zwischenmenschliche Orientierung, d.h. steht der Mensch oder die Sache im Vordergrund? x Zeitliche Orientierung, d.h. für welchen Zeithorizont richtet sich die Organisation aus, da sich jedes Unternehmen mit seinen Leistungsangeboten entwickelt und verschiedene Markt- und Entwicklungsphasen durchläuft? x Zielorientierung, d.h. auf welches unternehmerische Ziel wird die Organisation ausgerichtet, z.B. regionale oder internationale Bearbeitung des Marktes, Ausrichtung auf mehrere strategische Geschäftsfelder, Entwicklungsphase mit hoher Flexibilität oder Wachstumsphase mit straffer Nutzung des spartenübergreifenden Know-hows?
376
6 Organisation von Bauunternehmen
Die durch die organisatorische Spezialisierung hervorgerufene Zergliederung der Projektbearbeitung bzw. des Leistungserstellungsprozesses muss durch Integration wieder zusammengeführt werden. Der Organisationsprozess in einem strategischen Geschäftsfeld (SGF) bzw. in einer strategischen Geschäftseinheit (SGE) wird in folgenden generischen Organisationsgliederungsschritten durchgeführt (Bild 178): x Das Kundenziel muss in einem Transformationsprozess in der SGE vom Input zum Output des Kundenergebnisses strukturiert werden. x Der Transformationsprozess in der SGE wird in fachlich gegliederte Arbeitspakete mit Spezialisierungs-Know-how aufgeteilt. x Der Koordinationsprozess der Spezialisierungsaufgaben wird dann durch die Prozess- bzw. Projektorganisation sichergestellt. Die Prozessorganisation hat jeweils für die Projektdauer einen Prozessverantwortlichen, der in der Projektgruppe die Koordination vornimmt. Jeder Auftrag oder jedes Projekt sollte vom Kundenziel zum Kundenergebnis einen durchgehenden Prozessverantwortlichen haben. x Die Struktur- bzw. Gebildegliederung regelt einerseits die Verantwortlichkeiten für die Stellen und deren hierarchische Unterstellung in der SGE sowie andererseits auch die Einordnung der strategischen Geschäftseinheit (SGE) in die Gesamtunternehmensstruktur als Aufbauorganisation. Dieser Organisationsprozess gliedert die jeweilige firmenspezifische Leistungserstellung zur Aufgabenerfüllung in: x Kompetenz- und Arbeitsbereiche x strukturierte und koordinierte Informationsflüsse und Schnittstellen
Bild 178: Organisationsprozess – Arbeitsteilung und Koordination
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
377
Die Spezialisierung ermöglicht eine hohe Auflösung des Wertschöpfungsprozesses in Teilaufgaben mit entsprechendem Tiefgang und Fachwissen. Die Integration der verschiedenen Teilbereiche erfolgt primär auf der Basis einer hierarchischen Organisationsstruktur; dazu sind je nach Komplexität der Aufgabe unterschiedliche Integrationsmittel erforderlich. Solche Integrationsmittel bzw. -strukturen sind: x Projektgruppen x Matrixorganisationen x Mitarbeiter oder Abteilungen mit Integrationsaufgaben Neben der richtigen Marktleistung, dem richtigem Marketing und dem richtigen Leistungserstellungsprozess ist die Effizienz der Organisation einer der wichtigen Erfolgsfaktoren. Sie hängt weitgehend davon ab, wie gut die Segmentierung des Leistungserstellungsprozess durch Integration zusammengeführt wird. Somit ist die Organisation dem Markumfeld und dem Wettbewerb unterworfen. Sie sollte zu einer Effizienzsteigerung gegenüber Wettbewerbern beitragen.
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen 6.4.1 Strukturierungsprinzipien Die Organisationsform eines Unternehmens wird durch eine Vielzahl von situativen und individuellen Gegebenheiten bestimmt, jedoch lassen sich die Ausprägungen von Organisationen auf die nachfolgend dargestellten Strukturierungen (Bild 179) zurückführen: x Stellenbildungsprinzip x Leitungsprinzip x Entscheidungskompetenzprinzip Das Prinzip der Stellenbildung (Bild 179) besteht darin, die aus der Aufgabenanalyse des Unternehmens gewonnenen Aufgaben Teilbereichen bzw. Stellen im Unternehmen zuzuordnen. Zur effizienten Erreichung der Unternehmensziele erfolgt die Stellenbildung in einer Weise, dass eine zweckmässige Organisation entsteht, die eine optimale, kostengünstige, wettbewerbsfähige und qualitativ angepasste Marktleistung erbringt. Die Stellenbildung zur Gestaltung einer Organisation kann in drei prinzipielle Kategorien unterteilt werden, die in der Praxis auch in Mischformen oder Untergruppen auftreten:
378
6 Organisation von Bauunternehmen
t ek j b O
ic rr e V
ng u ht
Mehrliniensystem
Einliniensystem
o gi e R
n
Entscheidungsdezentralisation
Prinzip der Stellenbildung
Entscheidungszentralisation
x verrichtungsorientierte Organisation x objektorientierte Organisation x regionalorientierte Organisation
Aufteilung der Entscheidungskompetenzen
Leitungsprinzipien Bild 179: Strukturierungsprinzipien für den Entwurf einer Unternehmensorganisation
Erfolgt die Stellenbildung nach dem Verrichtungsprinzip, werden gleichartige Verrichtungen zu Aufgabenkomplexen zusammengefasst (Bild 180). So entstehen funktionale Strukturen mit einer Verrichtungszentralisation mit folgenden Vor- und Nachteilen: x Aufgabenspezialisierung – Einsatz von Spezialisten mit grossen Kenntnissen und Erfahrungen auf den jeweiligen Gebieten x Kostenvorteile – effiziente Problemlösung durch Spezialisten, Spezialmaschinen, Arbeitsmethoden; keine Doppelspurigkeit im Unternehmen Stellen können auch nach Produkt- und Projektgruppen gebildet werden. Es handelt sich dabei um eine Objektzentralisation (Brückenbau, GUHochbau etc.), man spricht auch von divisionalen Organisationsstrukturen (Bild 180). Die Vor- und Nachteile sind: x Verkürzung der Kommunikations- und Leitungswege – alles in einer Produkt-/Leistungslinie
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
379
x geringerer Koordinationsaufwand, aber Doppelspurigkeit bei Marketing, AVOR, Kalkulation etc. Verrichtungsorientierte Organisation
Maschinentechnische Abteilung
Unternehmensleitung
Bauausführung
Objektorientierte Organisation
Brückenbau
Rechnungswesen
Personal
Unternehmensleitung
Tunnelbau
Regionalorientierte Organisation
Schweiz
Marketing
Strassenbau
GU-Hochbau
Unternehmensleitung
Europa
USA
Übrige
Bild 180: Stellenbildungsprinzipien
Eine Stellenbildung nach Regionen (Bild 180) erfolgt, wenn das Unternehmen in verschiedenen Regionen präsent sein muss. Dies ist gerade bei Bauunternehmen der Fall, da das Produkt Bauwerk vor Ort meist als Unikat entsteht. Die Wege für die Logistik, aber auch Ortskenntnisse sind oft ausschlaggebend. Allgemein kann man die Ausrichtung auf Regionalität auf Absatzmärkte und Standorte zurückführen. Weitere Stellenbildungen können aufgrund von Kundengruppen (professionelle Bauherren, Einmalbauherren, öffentliche Bauherren etc.) erfolgen. In Bild 181 sind weitere Beispiele des Stellenbildungsprinzips auf drei Leitungsstufen dargestellt; dabei ist jede Stufe nach anderen Stellenbildungskriterien strukturiert.
380
6 Organisation von Bauunternehmen Unternehmensleitung
Werkhof
Hochbau
Tunnelbau
Bauausführung
Brückenbau
Hochbau
Infra
Marketing
GU
Hochbau
Infra
Kaufmännische Verwaltung
GU
Hochbau
Infra
GU
Unternehmensleitung
Hochbau
Werkhof
Bauausführung
Marketing
Infrastrukturbauten
kfm. Verw.
Werkhof
Bauausführung
Marketing
Gesamtleistungen
kfm. Verw.
Akquisition
Baukoordination
Marketing
kfm. Verw.
Bild 181: Beispiele zur Stellengliederung eines Bauunternehmens auf drei Leitungsstufen
Im ersten Beispiel wird unter der Unternehmensleitung auf der zweiten Leitungsstufe eine verrichtungsorientierte Strukturierung nach Funktionen vorgenommen, d.h. hier verrichtungsorientiert nach den wichtigsten Wertschöpfungsstufen im Unternehmen. Um jedoch die spezifischen Anforderungen der Leistungsangebote, des Know-hows und der Kunden zu berücksichtigen, ist diese Organisation auf der dritten Leitungsstufe objektorientiert nach Sparten untergliedert. Der Vorteil der Organisation besteht darin, dass der Kow-how-Transfer innerhalb der Funktionen organisatorisch gesichert werden kann. Damit lassen sich auch Synergien nutzen und Doppelspurigkeiten, z.B. im Marketing, zwischen den einzelnen Sparten vermeiden. Der Nachteil besteht in der Trennung der Funktionen; dadurch entwickelt sich meist ein „Gärtchendenken“. In solchen Unternehmen entsteht oft die Gefahr, dass z.B. einerseits im Marketing eine einheitliche „Corporate Identity“ entwickelt wird, es andererseits aber oft eine an der Abstimmung zwischen den Erfordernissen der Bauproduktion der Sparten mangelt; dies trifft natürlich auch umgekehrt zu. Die Mitarbeiter in einer Funktionsabteilungen können zwar optimal spartenübergreifend eingesetzt und ausgelastet werden, jedoch besteht die Gefahr der Optimierung des Leistungsbeitrags der eigenen Funktion innerhalb des Unternehmens, ohne das kundenorientierte Gesamtergebnis im Auge zu haben. Die Schnittstellen, die bei der heute erforderlichen Prozessorientierung entsprechende Reibungsverluste verursachen können, liegen zwischen den Funktionen
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
381
der Wertschöpfungskette im Unternehmen. In solchen Organisationen wird man Projekte, die abteilungs- bzw. funktionsüberschreitende Leistungen beinhalten, mittels temporären Projektorganisationen ausführen, die eine weitgehend schnittstellenfreie, prozessorientierte und kundenorientierte Abwicklung ermöglichen. Im zweiten Beispiel (Bild 181) erfolgt auf der zweiten Leitungsstufe eine objektorientierte Strukturierung nach dem Prinzip der Sparten. Auf der dritten Leitungsstufe ist jede objektorientierte Sparte ist nach den wichtigsten verrichtungsorientierten Funktionen der unternehmerischen Wertschöpfungskette strukturiert. Diese Oganisationsstrukturierung versucht, die Kernkompetenzen in einer objektzentrierten Sparte zu bündeln und die wertschöpfungsorientierten Prozesse zur Erstellung der kundenorientierten Leistungen spartenorientiert zu optimieren. Die Konzentration des prozessorientierten Know-hows in einer objektorientierten Sparte ermöglicht eine optimale Abstimmung von Marketing, Angebotsgestaltung, Werkhof (Produktionsmittel) und Bauproduktion. Das Marketing kann ganz spezifisch auf das Leistungsprogramm der Bauproduktion nach den Erfordernissen des Marktes einwirken; umgekehrt kann das Marketing dem Kunden gezielt die Spezialitäten der Bauproduktion darstellen. Dies erfolgt unter der einheitlichen Führung der Spartenleitung, die den Wertschöpfungsprozess durch Vorgabe einer einheitlichen Spartenvision und -strategie straff führt und somit durch die „vertical chain of command“ zu den Funktionen (Abteilungen) eine klare, zielorientierte Abstimmung und Bündelung der Funktionen ermöglicht,. Die Ergebnisverantwortung der Sparte liegt nicht in der Optimierung einzelner Funktionen (Abteilungen), sondern in der Erzielung des kundenorientierten Gesamtergebnisses. Dieser Vorteil entsteht allerdings zu Lasten von Synergien die aus anderen Sparten gewonnen werden könnten. Unternehmensleitung
Werk-/Bauhof
Zentralverwaltung
Funktionen
Hochbau
Tunnelbau
Sparten
Brückenbau
Niederlassung USA
Region
Bild 182: Mögliche Gliederungskriterien einer Bauunternehmensorganisation auf einer Leitungsstufe
382
6 Organisation von Bauunternehmen
Weitere mögliche Gliederungskriterien von Organisationen auf einer Leitungsstufe, gemischt nach Funktionen, Sparten und Regionen, sind in Bild 182 dargestellt. Bild 197 zeigt eine gemischte, mehrstufige Gliederung eines Baukonzerns. Auf der zweiten Leitungsstufe unter der Unternehmensleitung ist eine Regionalgliederung mit Zentralabteilungen, die spezifische konzernweite Funktionen erfüllen, angeordnet. Auf der dritten Leitungsstufe sind die Niederlassungen meist verrichtungsorientiert organisiert. Die arbeitsteilige Erfüllung der Aufgaben erfordert die Festlegung der Leitungsbeziehungen zwischen und innerhalb der Stellen. Als Leitungsbeziehung wird das Anordnen von Entscheidungen zur Ausführung bzw. das Melden der Ergebnisse bezeichnet. Diese Kommunikationsbeziehung wird als Leitungssystem bezeichnet. Man unterscheidet das Einlinien- und das Mehrliniensystem. Beim Einliniensystem ist jede Stelle nur über eine einzige Verbindungslinie verbunden, die Anweisungen gibt. Man bezeichnet dies auch als Einheit der Auftragserteilung bzw. des Auftragsempfangs. Beim Mehrliniensystem entsteht eine Mehrfachunterstellung, die sich auch bei Matrixorganisationen ergibt. Der Mitarbeiter ist z.B. in einer Projektgruppe disziplinarisch dem Abteilungsleiter (wie: fachlich/funktional) und ergebnisverantwortlich dem Projektleiter (was, wann: Ergebnis) unterstellt. Die Entscheidungskompetenz kann zentral oder dezentral angeordnet werden. Das Merkmal „Entscheidung“ beruht innerhalb einer Organisation auf Entscheidungsaufgaben und Durchführungsaufgaben. Die Realisationsaufgabe wird bezüglich der Entscheidung der Entscheidungsstelle und bezüglich der Durchführung der ausführenden Stelle zugeordnet. Man unterscheidet Entscheidungszentralisation (alles durch ein Nadelöhr) und Entscheidungsdezentralisation (Delegation von Verantwortung). 6.4.2 Organisationsformen in der Praxis Linien- und Stablinienorganisation
Bei der einfachen Linienorganisation ist jede Stelle einer Instanz zugeordnet. Dieser Organisationsform liegt ein reines funktionales Einliniensystem von FAYOL zugrunde; es handelt sich also um eine reine eindimensionale Organisation. Die Linie hat zwei Funktionen: sie dient einerseits als Mitteilungs- und andererseits als Entscheidungsweg. Bei dieser Organisationsform ist der vertikale Dienstweg die einzige Kommunikationsschiene; in der Praxis ergeben sich jedoch horizontale, informelle Kommunikationswege zwischen den Stellen. Dies vermeidet Kommunikationsverluste,
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
383
kann aber auch dazu führen, dass Vorgesetzte in der Kommunikation umgangen werden. Unternehmensleitung
Werk-/Bauhof
Bauausführung
Marketing
Finanz- und Rechnungswesen
Personal
Administration
Bild 183: Prinzip der reinen Linienorganisation
Die Vor- und Nachteile sind wie folgt: x Durch die eindeutige Unterstellung ergeben sich klare Kompetenzen und Verantwortungen. x Die ausführenden Mitarbeiter erhalten Informationen meist nicht direkt, sondern über die Spitze aus parallelen Abteilungen („lange Wege“). x Die Spitze ist durch den vertikalen Transfer aller Informationen und Probleme oft überlastet. x Informationen werden durch die Spitze und Zwischeninstanzen gefiltert („lange Wege“). x Bei grösseren Unternehmen sind die Dienstwege oft starr und lang. x Die Organisationsform ist für kleine und mittlere, aber nicht für grössere Unternehmen geeignet. Zusammenfassend kann man über die reine einfache Linienorganisation sagen, dass sie bei grösseren Unternehmen die Koordination zwischen den Abteilungen sowie die strategische Ausrichtung durch die Unternehmensleitung erschwert. Der Stablinienorganisation liegt die Idee des Mehrliniensystems zugrunde; diese Organisationsform kann auf Konzepte von TAYLOR [6-13] und FAYOL [6-2] zurückgeführt werden. Auch hier liegt eine reine eindimensionale Organisation vor. Das Mehrliniensystem basiert teilweise auf einer Mehrfachunterstellung, ist aber auf der Linienorganisation aufgebaut. Die Stablinienorganisation besteht aus der funktionalen Spezialisierung der Leitung (Fachabteilungen) und so genannten Stabsstellen. Stabsstellen sind keine Instanzen und keine ausführenden Stellen; sie dienen zur Entscheidungsvorbereitung, Koordination, Kontrolle und allgemeinen fachlichen Beratung. In den Stabsstellen befinden sich, je nach Aufgabenstellung des Stabs, Spezialisten oder Generalisten.
384
6 Organisation von Bauunternehmen
Die Generalistenstabsstellen unterstützen die Geschäftsleitung und die Fachabteilungen bei der Lösung allgemeiner Aufgaben oder koordinieren Spezialprojekte. Die Spezialistenstabsstellen erfüllen zentral ausgegliederte Aufgaben wie Rechtsberatung, Controlling, Qualitätsmanagement etc. Solche Stabsstellen können auch zu Spezialabteilungen aufgewertet werden, wenn sie im Unternehmen eine besondere stationäre Bedeutung erhalten, wie z.B. technische Serviceabteilungen, zentrales Qualitätsmanagement oder Controlling. Stabsstelle
Unternehmensleitung
Linienstelle
Qualitätsmanagement
Unternehmensplanung und -organisation
Risikomanagement
Werk-/Bauhof
Kalkulation
Hochbau
Finanz- und Rechnungswesen
Bauausführung
Marketing
Arbeitsvorbereitung
Infra
GU
Werbung
Administration
Marktforschung
Akquisition
Key Account Management
Bild 184: Prinzip der Stablinienorganisation
Die Vor- und Nachteile der Stablinienorganisation sind: x Die Linieninstanzen werden z.B. durch qualifizierte Analysen, Entscheidungsvorbereitung, Übernahme von Spezialaufgaben entlastet. x Durch die direkte Nähe zur Unternehmensleitung gewinnen Stäbe oft Informationsvorsprünge und damit grosse Macht. x Durch Kompetenzstreitigkeiten entstehen häufig Spannungen zwischen Linie und Stab. x Es besteht die Gefahr von zuviel Planung und zu wenig Entscheidung bei den Stäben. x Gegen Stabsmitarbeiter wird oft der Vorwurf der Praxisferne erhoben, weil dort meist hochqualifizierte Mitarbeiter mit wenig Praxiserfahrung zu finden sind, die später erst Linienerfahrung erwerben.
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
385
DieStablinienorganisation findet man meist bei grösseren Unternehmen. Oft entwickelt sich diese Organisationsform in der Wachstumsphase. Das Unternehmen wird dann von der Linien- auf die Stablinienorganisation umgebaut, um die Probleme langer, umständlicher Kommunikationswege durch Stabsstellen, z.B. durch Koordinationsstellen, zu verringern. Matrixorganisation
Die Matrixorganisation (Bild 185)ist eine Mehrlinienorganisation, die auf die Grundidee von TAYLOR [6-13] zurückgeht. Sie entsteht durch die Verknüpfung zweier Zentralisationskriterien auf der gleichen Hierarchiestufe. Eine solche Organisation ist zweidimensional und gibt das Liniensystem zugunsten einer Zweierunterstellung auf; es entsteht eine duale Kompetenz- und Verantwortlichkeitsunterstellung. Matrixorganisationen werden gebildet, um Parallelorganisationen, z.B. die Entwicklung von Bauverfahren in benachbarten Gebieten wie Tunnelbau, Microtunneling oder Spezialtiefbau, zu verhindern. Dies gilt auch beim Marketing; man kann symbiotisch Kernaufgaben ohne Doppelspurigkeiten erledigen und bereichsübergreifende Kernkompetenzen entwickeln. Diese Symbiose wird durch den Nachteil der Doppelunterstellung erkauft. Die Matrixorganisation wird in der Praxis wegen der nicht eindeutigen Unterstellung selten in Reinform angewendet, da der Koordinationsbedarf und die Kompetenzunklarheit mit der Grösse des Unternehmens zunehmen. Deshalb erhält oft eine Leitungsebene mehr Kompetenzen; meist haben die Sparten die grössere Entscheidungskompetenz und bestimmen das Produkt und, damit einhergehend, die Marketing- und Entwicklungstätigkeiten. Der Spartenleiter betreut und koordiniert verantwortlich seinen Wertschöpfungsprozess im Unternehmen quer durch alle Funktionen. Er legt also das „Was“ und das „Wann“ in Bezug auf das jeweilige Projekt und Leistungsangebot fest. Der Funktionsmanager muss die Frage des „Wie“ lösen und die Aktivitäten möglichst symbiotisch mit den anderen Sparten in Bezug auf eine Corporate Identity koordinieren und gestalten.
386
6 Organisation von Bauunternehmen Sparten (was / wann)
Gesamtleitung
Funktionen (wie)
Tunnelbau
Spezialtiefbau
Brückenbau
GU
Entwicklung von Bauverfahren
Einkauf Einkauf Tunnelbau
Bauausführung
Marketing Marketing GU
Bild 185: Prinzip einer Matrixorganisation
Die Matrixorganisation integriert die verschiedenen Bereiche des Unternehmens durch eine formale Organisationsstruktur, die einen hohen Koordinationsaufwand zur Folge hat. Die Einflussfaktoren für die Wahl und die Voraussetzung für das Gelingen einer solchen Organisation sind: x Dynamisches, vielfältiges Umfeld x Zwei Gliederungsgesichtspunkte sind von fast gleichbedeutender Wichtigkeit für die Sicherstellung des Markerfolgs. x Die Mitarbeiter müssen offen und flexibel sein. x Bereitschaft zur Konfliktlösung x Kooperativer Führungsstil Die Vorteile sind: x x x x
Interaktive Betrachtungsweise der Aufgaben Motivation der Mitarbeiter durch Partizipation am Lösungsprozess Entlastung der Spitze Direkte Verbindungswege
Die Nachteile sind: x Ständige Kompetenzkonflikte durch teilweise unklare Zuständigkeiten x Verlangsamte Entscheidungsfindung und hoher Kommunikations- und Informationsbedarf
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
387
Tensororganisation
Bei einer Tensororganisation werden mindestens drei Integrationsbelange verfolgt. Sie entsteht durch die Verknüpfung dreier Zentralisationskriterien auf gleicher Hierarchiestufe. Eine solche Organisation ist dreidimensional und gibt das Matrixsystem zugunsten einer Dreierunterstellung auf; somit entsteht eine tertiäre Kompetenz- und Verantwortlichkeitsunterstellung. Mit der Bildung einer Tensororganisation will man Parallelorganisationen verhindern. Die Tensororganisation ist eine Mehrlinienorganisation und wird in der Regel nach Verrichtungen, Objekten und Regionen gegliedert. Diese Organisationsform ist noch wesentlich komplexer als die Matrixorganisation; sie findet oft bei internationalen Konzernen in abgeänderter Form Anwendung. Leitung
Funktionen
Märkte (Regionen)
Sparten
Bild 186: Prinzip einer Tensororganisation
Prozessorganisation
Bauunternehmen, Fassadenbauunternehmen sowie Heizungs-Lüftungsunternehmen sind typische projektorientierte Unternehmen. Jedes Angebot oder jeder Auftrag sind Unikate mit neuen Randbedingungen. Zur Sicher-
388
6 Organisation von Bauunternehmen
stellung der effizienten kundenorientierten Abwicklung des Leistungserstellungsprozesses als Kernprozess müssen klare Prozessverantwortungen geregelt sein, die das Kundenziel zum Kundenergebnis transformieren. Der Leistungserstellungsprozess ist ein Transformationsprozess, in dem das Kundenziel durch Input von Informationen unter Nutzung von Knowhow durch Einsatz von materiellen, maschinellen und menschlichen Ressourcen erreicht wird. Der Transformationsprozess findet zur Wertgenerierung für den Kunden und zur Gewinnerwirtschaftung für das Unternehmen statt (Bild 187). Management-Prozesse Markt- / GeschäftsfeldStrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftragsverhandlungen
Auftrags- und Ausführungsmanagement Genehmigungen Ausführungsplanung
AVOR/ Produktionsplanung
Bauaus- Abnahme / führung Übergabe
Personal / Information / Beschaffung / Administration Dokumentation Dienstleistung
Finanzen / Recht
Contracting
Betrieb / Erhaltung
Kunde, Betreiber, Nutzung Leistungsergebnis
Kunde, Besteller, Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bild 187: Einbettung der Prozessorganisation in ein Bauunternehmen
Um den Leistungsprozess kundenorientiert und effizient zu gestalten, ist eine Projekt- bzw. Prozessorganisation unabdingbar. Diese Prozessorganisation muss einen Prozessverantwortlichen haben, der die zentralen Prozessabläufe koordiniert, steuert und organisiert und die notwendigen Supportprozesse des Unternehmens nutzt. Die Supportprozesse werden als Querschnittskompetenz von vielen oder allen Prozess- bzw. Projektorganisationen genutzt. In den projektorientierten Unternehmen der Bauwirtschaft ist der Leistungserstellungsprozess in das Angebots- und Ausführungsmanagement untergliedert. Bei dieser Untergliederung liegt die Prozessverantwortung in der (Bild 188) x Angebotsphase bei dem Angebotsleiter, der den Bereichsleiter der AVOR und Kalkulation beizieht.
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
389
x Ausführungsphase bei dem Baustellenchef, der die Vorbereitung der Baustelle mit der AVOR und Kalkulation macht sowie verantwortlich ist für den Ausführungsprozess. Zudem muss ein systematischer Informationstransfer zwischen Angebotsleiter und Baustellenchef stattfinden. Diese Zweiteilung des Prozesses ist notwendig, da nur jedes 5. bis 10. Angebot zum Auftrag führt. Prozessorganisation – Gesamtverantwortung Bereichsleitung
Angebots- AuftragsAngebotsmanagement verhandAkquisition bearProz-Verant: Angebotsprojektleiter lungen beitung Angebots- AuftragsverhandAkquisition bearAngebotsmanagement lungen beitung
Proz-Verant: Angebotsprojektleiter
Angebots- AuftragsverhandAkquisition bearAngebotsmanagement lungen beitung Proz-Verant: Angebotsprojektleiter Angebots-
Auftrags- und Ausführungsmanagement Prozessverantwortung: Baustellenchef Genehmigungen Ausführungsplanung
AVOR/ Produktionsplanung
Bauaus- Abnahme / führung Übergabe
Kunde, Betreiber, Nutzung Leistungsergebnis
Kunde, Besteller, Bedürfnis Leistungsziel
Angebotsmanagement Proz-Verant: Angebotsprojektleiter
Auftrags-
Angebotsmanagement verhandAkquisition bearlungen beitung Proz-Verant: Angebotsprojektleiter
Akquisition
Angebotsbearbeitung
Auftragsverhandlungen
Bild 188: Entwicklung der Prozessorganisation in Unternehmen der Bauwirtschaft
Bei einer Prozess-/Projektorganisation wird die bestehende Grundstruktur der Organisation durch eine weitere, zeitlich befristete Leitungsstruktur überlagert. Das Ziel dieser Parallelorganisation ist es, die Bearbeitung einer neuartigen, innovativen und zeitlich befristeten Aufgabe zu übernehmen, die einen bereichsübergreifenden Charakter hat und von einer funktionalen Leitungsstelle allein nicht positiv gelöst werden kann. Die Kernmerkmale einer Prozess-/Projektorganisation sind: x x x x
Die Dauer ist festgelegt. Das Budget ist festgelegt. Die Zielvorgaben sind bekannt. Die Ergebnisse sind meist mit Unsicherheit und Risiko behaftet.
Eine solche Prozess-/Projektorganisation wird von einem Projektleiter, der von der Geschäftsleitung bestimmt wird, geführt und besteht aus Spezialisten der verschiedenen Fachabteilungen (Funktionen). Man unterscheidet folgende Arten von Projektorganisationsformen:
390
6 Organisation von Bauunternehmen
x Die reine Prozess-/Projektorganisation (Task Force) ist eine Ad-hocOrganisation für die Dauer eines Projekts und wird komplett aus der restlichen Organisation herausgelöst. Ihr Nachteil ist, dass die Mitarbeiter an anderer Stelle fehlen, dafür können sie sich voll auf die Aufgabe konzentrieren. Die ausgegliederten Mitarbeiter sind während der Projektzeit funktional wie disziplinarisch dem Projektleiter unterstellt. Diese Organisationsform wird bei Bauunternehmen meist für Ausführungsprojekte gewählt. Der Baustellenleiter hat die Ergebnisverantwortung für das Projekt und führt die Projektorganisation weitgehend wie ein temporäres, selbstständiges Unternehmen. x Bei der Stab-Prozess-/Projektorganisation ist der Projektleiter im Rahmen einer Stabsstelle direkt der Geschäftsleitung unterstellt; er gehört also nicht der Linie an. Die funktionalen Mitarbeiter bleiben disziplinarisch der Linie unterstellt. x Die Matrix-Prozess-/Projektorganisation berücksichtigt Projekt- und Abteilungsinteressen gleichzeitig. Der Projektleiter ist für das Projekt in Bezug auf Kosten, Termine und Ergebnis verantwortlich; dabei zieht er aus den Fachabteilungen Spezialisten hinzu, die den Linienstellen/Funktionen disziplinarisch unterstellt sind. Bauunternehmen wenden die Matrix-Prozess-/Projektorganisation für die Bearbeitung temporärer Angebotsprojekte an; dies erfolgt bei der Regional-, Funktional- sowie bei der Spartenorganisation. Unternehmensleitung
Projektmanager A
Projekt NEAT Los A
Projektmanager B
Projekt Tunnel Uetliberg
Bild 189: Reine Prozess-/Projektorganisation, z.B. Baustellenorganisation zur Ausführung eines Projekts
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
391
Funktionale Organisationen
Funktionale Organisationen sind nach dem güter- und finanzwirtschaftlichen Umsatzprozess strukturiert, von der Auftragsannahme über die Auftragsabwicklung bis zum Absatz des Produkts oder der Leistung an den Kunden; sie beruhen somit auf einer Verrichtungsgliederung. Diese Form der Unternehmensgliederung nach Verrichtungsfunktionen findet man bei kleinen, mittleren und grossen Unternehmen. Auf der ersten Leitungsebene ist die funktionale Organisation meist in technische und kaufmännische Leitungsfunktionen gegliedert, auf der zweiten Ebene nach den Funktionen Marketing, Akquisition und Verkauf, Einkauf, Technische Abteilung und Produktion/Projektausführung. Diese Organisationsform wird in der Praxis sehr oft angewendet. Die funktionale Gliederung findet man als wertschöpfungsorientierte Spezialisierung in allen Organisationsformen. Divisionale Organisationen – Sparten- und Regionalorganisationen
Spartenorganisationen Bei der Spartenorganisation (Bild 190) ist das Gesamtunternehmen in Sparten bzw. Divisionen gegliedert. Die Spartenbildung kann nach marktbezogenen Überlegungen wie Kundengruppen, Regionen etc. oder nach ressourcenorientierten Überlegungen wie Produkte und Leistungen erfolgen. Diese Aufgliederung in Sparten bzw. Geschäftsbereiche kommt meist in folgenden Ausprägungen vor: x Produkt- oder Leistungsspartenorganisationen gehen in der Regel von strategischen Geschäftsfeldern wie Infrastrukturbau (Tunnelbau, Spezialtiefbau, Brückenbau) oder Generalunternehmersparte etc. aus. x Kundengruppenorganisationen findet man manchmal direkt oder indirekt auch bei Baufirmen. Hier wird zwischen öffentlichen und privaten Kunden unterschieden. Diese Unterscheidung ist oft bei amerikanischen Baufirmen zu finden, die privaten Bauherren als Generalunternehmer „negotiated bids“ (im Construction-Management-Verfahren auf Verhandlungsbasis mit garantiertem Maximalpreis und Gewerkebudgets) und öffentlichen Bauherren „competitive bids“ (Einzelleistungs- bzw. Generalleistungsträgerausschreibungen) anbieten, weil öffentliche Bauherren aufgrund der Vergabeordnung Bauleistungen meist ausschreiben müssen.
392
6 Organisation von Bauunternehmen Zentralstelle
Unternehmensleitung
Linienstelle
Rechnungswesen
Hochbau
Werkhof
Bauausführung
Finanzen
Infra
Marketing
Werkhof
Bauausführung
Personal
GU
Marketing
Akquisition
Baukoordination
Marketing
Bild 190: Prinzip der Spartenorganisation
Das Ziel der Spartenorganisation ist es, das infolge von Diversifikationen heterogene Leistungsprogramm der Bauunternehmen durch Gliederung nach dem Objektprinzip in homogene Einheiten aufzuteilen. Diese Organisationsform gibt den Sparten hohe Autonomie. Fast jede Sparte hat die gleichen Funktionen, d.h., man nimmt bewusst eine Doppelspurigkeit infolge der Autonomie in Kauf. Die Stellen werden meist so gegliedert, dass unter der Unternehmensleitung eine Leitungsgliederung in Sparten und auf der nächsten Stufe eine funktionale Gliederung in Fachabteilungen, die den Wertschöpfungsprozess in der Sparte des Unternehmens abbilden, erfolgt. Meist werden jedoch bei einer Spartengliederung mit der einhergehenden Dezentralisierung einige Zentralabteilungen geschaffen, die spartenübergreifende Funktionen erfüllen; dies bezieht sich in der Regel auf Funktionen, die die Sparten outsourcen können, ohne ihre operative Autonomie zu verlieren, z.B. Personal, Buchhaltung, Finanzen, EDVService. Für die Wahl der Spartenorganisation spricht x die Heterogenität des Leistungsangebots oder der Kundengruppen, x die Grösse des Unternehmens und x das Ausmass der Delegierung. Die Vorteile dieser Organisationsform sind x die Frontnähe zum Kunden, x die hohe Motivation durch Delegation der Verantwortung vor Ort und
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
393
x die schnellen Entscheidungen und kurzen Informationswege. Die Nachteile sind x die Parallelität von Funktionen in verschiedenen Sparten/Divisionen, x ungenutzte Synergieeffekte zwischen den Sparten/im Unternehmen und x der höhere Bedarf an Führungskräften (Doppelspurigkeit). Regionalorganisationen Regionalorganisationsformen (Bild 206) gehen meist von der regionalen Differenzierung aus. Dieses Strukturprinzip ist bei internationalen Konzernen und Bauunternehmen wegen des regionalen Charakters des Bauens oft zu finden. Das Unternehmen wird in weitgehend selbstständige, unabhängige regionale Einheiten gegliedert, die dann auf der dritten Stellenbildungsstufe in objektorientierte Abteilungen und zentrale Serviceabteilungen untergliedert sind. Bei der divisionalen Organisationsstruktur sind die Sparten- bzw. die Regionalorganisationen weitgehend autonome Subsysteme. Die Entscheidungsvollmacht kann durch die folgenden finanziellen Koordinationskonzepte in unterschiedlichem Grad delegiert werden: x Cost-Center-Konzept x Profit-Center-Konzept x Investment-Center-Konzept Beim Cost-Center-Konzept sind die Divisionen nur für ihre Kosten verantwortlich. Dies kann durch Vorgabe bzw. Minimierung eines Kostenbudgets bei einem bestimmten Mindestumsatz oder durch Vorgabe eines Umsatzes unter Minimierung der Kosten erfolgen. Die Kostenminimierung bei vorgegebenem Umsatz erfolgt meist unter Restriktion für Qualität und Kundenservice. Dieses Konzept bietet den Divisionen die geringste Entscheidungsautonomie. Die meisten Service-Center in Unternehmen, die fachliche Dienstleistungen in zentralen Abteilungen erbringen, werden so geführt. Beim Profit-Center-Konzept sind die Divisionen für ihren Gewinn verantwortlich. Meist wird dem Profit-Center eine Gewinngrösse vorgegeben, die es unter Einhaltung bestimmter Nebenbedingungen (z.B. Qualität, Kundenzufriedenheit) erreichen muss. Hier sollte der Gewinn nicht unbedingt an absoluten Zahlen, sondern am Umsatz bzw. an der Rendite des in der Sparte eingesetzten Kapitals (return on investment) festgemacht werden. Dieses Konzept bietet den Divisionen eine relative grosse Entscheidungsautonomie. Die Sparten sind für ihre Kosten und den Erlös verantwortlich, jedoch nicht für grössere Investitionen; für Grossinvestitionen in den Sparten ist weiterhin das Gesamtunternehmen verantwortlich.
394
6 Organisation von Bauunternehmen
Beim Investment-Center-Konzept sind die Divisionen für ihre Rendite verantwortlich. Dies ist die höchste Autonomiestufe in einer Divisionsorganisation; die einzelnen Divisionen haben nicht nur über Kosten und Erlös Entscheidungskompetenz, sondern auch über die Investitionen und die damit einhergehende Rendite. Das Gesamtunternehmen übernimmt die Rolle der Finanzierungsquelle. Die Division sollte hier nur nach der Rendite des eingesetzten Kapitals gemessen werden. Die drei Konzepte werden in grossen Organisationen kombiniert nebeneinander angewendet. So werden z.B. die regionalen Niederlassungen in Bauunternehmen als Profit- oder sogar Investment-Center geführt, während der Werkhof und die zentralen technischen Serviceabteilungen als Cost-Center geführt werden. Innerhalb der meisten objekt- bzw. niederlassungsorientiert gegliederten Divisionen erfolgt auf der darunter liegenden Stellenbildungsebene eine verrichtungsorientierte Gliederung. Holding
Der Hauptzweck der Holding ist die auf Dauer angelegte Beteiligung an rechtlich selbstständigen Unternehmen. Die Holding weist Merkmale eines Konzerns auf, der seinen Subsystemen einen hohen Grad an Autonomie gewährt. Die Charakteristiken einer Konzernstruktur sind: x mehrere selbstständige Unternehmen x ökonomisch-organisatorische Einheit x einheitliche Strategie Ähnliche Strukturen gelten auch bei Holding-Organisationen. Man unterscheidet folgende Formen: x Finanzholding x Managementholding Die Finanzholding verwaltet die Beteiligungen, übt jedoch keine Führungsfunktionen aus. Die Managementholding (Bild 191) ist für unternehmensstrategische Aufgaben zuständig, übernimmt jedoch keine operativen Aufgaben. Die geschäftsführenden Bereiche sind rechtlich selbstständige Tochtergesellschaften mit einem hohen Grad an wirtschaftlicher Selbstständigkeit. Die Untergliederung von Grossunternehmen in Konzerne oder Holdings soll die Leistungspotenziale stärken, mit folgenden Zielen: Durch Dezentralisation: x Steigerung der Innovationskraft durch Entscheidungsdezentralisation, offene Kommunikation
6.4 Organisationsformen – Funktionalisierung bzw. Strukturtypen
395
x Flexibilität durch Autonomie der Einheiten x Ausgleich von Problemanfälligkeiten einzelner Teile des Unternehmens x Erhöhung der Kooperationsfähigkeit der Teilunternehmen nach aussen und innen Durch Zentralisation: x Koordination und Erschliessung von Synergien Gruppen-/Konzernführung (Holding) Ressortstruktur
Sparten
Gesellschaften
Diversifikationsbereiche
Services Zentralfunktionen
Beteiligungen
Funktionale Beteiligungen Funktionale Beteiligungen Funktionale Beteiligungen
Bild 191: Prinzip einer Managementholding
Die Anforderungen an Unternehmen, besonders an grosse, werden immer höher. Die Komplexität und Dynamik nehmen bei fortschreitender Entwicklung im Lebenszyklus des Unternehmens zu. Seitens der Organisationstheorie gibt es keine einfachen Antworten in Bezug auf Zentralisation oder Dezentralisation; moderne Organisationsformen müssen heute beides erfüllen. Eine Managementholding-Organisation kann ein Grossunternehmen in die Lage versetzen, dass die einzelnen Unternehmensteile einerseits situativ flexibel dezentral am Markt reagieren und anderseits durch Zentralisation Synergien nutzen, die aus dem Unternehmen mehr machen als die Summe der Einzelteile. Allianzen
Da sich die Unternehmen heute aufgrund der Globalisierung einerseits vermehrt auf Kernkompetenzen konzentrieren und andererseits die Kunden weitgehend Komplettleistungen erwarten, besteht eine verstärkte Tendenz,
396
6 Organisation von Bauunternehmen
auf Längerfristigkeit ausgelegte, horizontale oder vertikale Kooperationen zwischen Unternehmen einzugehen. Solche Kooperationen werden auch als Allianzen bezeichnet.
6.5 Organisationen im dynamischen Wandel Organisationsstrukturen dienen als Mittel der Zielerreichung, um sich Veränderungen des Umfelds und der internen Situation anzupassen. Daher sollten im Unternehmen zielgerichtete und systematische Gestaltungsmassnahmen festgelegt werden; diese werden auch als organisatorischer Wandel bezeichnet. Unternehmenswert
Wendeunternehmen Allianzorganisation
Holdingorganisation
Reifeunternehmen Spartenorganisation
Matrixorganisation
Projektorganisation
Wachstumsunternehmen Funktionale Organisation
Stab-LinienOrganisation
Einfache Linienorganisation
Pionierunternehmen
Zeit
Bild 192: Entwicklungsphasen eines Unternehmens und mögliche Organisationsformen [6-3]
Die Organisationsformen sind, neben den genannten Aspekten, von der Entwicklungsphase des Unternehmens abhängig. Die Organisation ist kein statischer Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, der permanent den Umweltfaktoren, aber auch den internen Faktoren gerecht werden muss (Bild 192). In der Gründungsphase ist ein Unternehmen bezüglich der Entscheidungskompetenz meist sehr flach strukturiert; der Eigentümer wird
6.5 Organisationen im dynamischen Wandel
397
alle wichtigen Entscheidungen selbst treffen. Die Organisation ist dadurch sehr flexibel und kann schnell und elastisch auf Anforderungen reagieren. In der Wachstumsphase wird die Organisation stärker funktional gegliedert. Bei weiterer Expansion erfolgt dann auch eine Regionalisierung oder spartenmässige Ausrichtung. Bei weiterem Wachstum und in der Reifephase entstehen oft regionalisierte und spartenmässige Organisationen mit projektorientierten Matrixorganisationen. Ein organisatorisches Problem liegt dann vor, wenn die bestehenden organisatorischen Regeln unzureichend sind, um die Aufgaben mit den vorhandenen Ordnungsfunktionen effizient zu erfüllen. Dies kann sich durch interne Probleme wie Doppelspurigkeiten, unklare Zuständigkeiten, Änderung der Unternehmensziele etc. äussern, aber auch durch externe Probleme aufgrund Änderungen des Unternehmensumfelds durch technologische Entwicklungen, Wettbewerbsveränderungen, Kundenanforderungen etc. Man unterscheidet folgende Konzepte, mit denen man einen organisatorischen Wandel erreichen kann: x Organisationsentwicklung x Business Reengineering Bei der Organisationsentwicklung handelt es sich um eine so genannte „selbstgesteuerte“ Veränderung, an der die betroffenen Mitarbeiter mitwirken. Beim Business Reengineering werden oft externe Experten mit der Konzeption der Reorganisationsmassnahme beauftragt, die die Geschäftsprozesse meist nach kundenorientierten Kernabläufen radikal strukturieren. Die Aktivitäten einer Reorganisation können aus Bild 193 entnommen werden. Unter Business Reengineering versteht man eine radikale Veränderung der Unternehmensprozesse, um messbare Verbesserungen bei den Leistungsgrössen Kosten, Zeit, Qualität und Service zu erreichen. Die Neuorganisation beruht auf dem prozessorientierten Ansatz. Die traditionellen Organisationsstrukturen beruhen hauptsächlich auf den Gliederungsmerkmalen der Verrichtung oder Sparte; es werden meist Aufbauorganisationen geschaffen und dann die Ablauforganisationen für die Prozesse gestaltet, z.B. Abwicklung von Projekten. Die Dominanz der Struktur über die Abläufe und Prozesse führt bei solchen Strukturen oft zu Schnittstellenproblemen.
398
6 Organisation von Bauunternehmen
5. Phase: Kontrolle und Weiterentwicklung der neuen Organisationslösung
1. Phase: Erkennen des Organisationsproblems
4. Phase: Einführung der gewählten Organisationslösung
2. Phase: Initiierung und Förderung der Reorganisation
3. Phase: Planung der Reorganisation Teilstudien 1
2
3
4
Hauptstudien
Vorstudien
1
1
2
3
4
2
3
4
1. Aufnahme und Analyse des Problemfelds 2. Problemdiagnose und Vorgabe der Gestaltungsziele 3. Generierung von Gestaltungsalternativen 4. Bewertung und Auswahl einer Gestaltungsalternative
Bild 193: Ablauf des reorganisatorischen Gestaltungsprozesses [6-14]
Beim Business Reengineering werden die Hauptprozesse des Unternehmens als Grundlage der Struktur gewählt. Ausgangspunkt der Gestaltung der Prozessorganisation ist die Kundenorientierung. Die Kernprozesse werden dabei als Bündel funktionsübergreifender Tätigkeiten verstanden, die Mehrwert für den Kunden schaffen. Die Prozessorganisation hat folgende Gestaltungsmerkmale (Bild 194): x Arbeitsteilung nach Kernprozessen x Arbeitskoordination durch den Prozessverantwortlichen x Teammitglieder repräsentieren die Kernprozesse.
6.6 Bildung strategischer Geschäftseinheiten (SGE) und strategischer Geschäftsfelder (SGF) 399 Unternehmensleitung Rechnungswesen
Finanzen
Personal
Informatik
Recht
Entwicklung neuer Bauverfahren Auftragsgenerierung und Auftragserfüllung
Lieferanten
Kunden
Integrierte Logistik AVOR / Marketing Akquisition Kalkulation
Bauausführung
Entwicklung
Service
Kernprozesse Wertkette Supportfunktionen
Bild 194: Prozessorganisation – Kernprozesse und Wertkette [6-4]
Weitere „Leaderrollen“ sind bei diesem Prozessorganisationsmodell nach HAMMER / CHAMPY [6-4] vorgesehen.
6.6 Bildung strategischer Geschäftseinheiten (SGE) und strategischer Geschäftsfelder (SGF) Neben der grundsätzlichen formalen Organisationsstruktur wird die praktische Umsetzung der Organisation im Wesentlichen durch die Bildung strategischer Geschäftsfelder (SGF) und strategischer Geschäftseinheiten (SGE) gestaltet. Die strategischen Geschäftsfelder werden durch die Strategieplanung und durch die Ergebnisse des strategischen Marketings gebildet. In der Strategieplanung mittels strategischen Marketings werden die Kundensegmente, die Kundenbedürfnisse sowie das unternehmerische Leistungsangebot strukturiert. Somit werden die strategischen Geschäftsfelder in der Strategieplanung durch folgende Kriterien gebildet: x Markt- und Kundensegmentierung x Leistungs- und Produktklassen x Prozesse x Regionen
400
6 Organisation von Bauunternehmen
Aufgrund dieser Kategorien liegen die wichtigsten Entscheidungsdaten für die funktionale Bildung der Organisation vor. Die Organisation muss sich intern auf die effiziente Gestaltung der Prozesse zur Erstellung der Kundenleistung ausrichten. Dazu dient die Strukturierung nach Leistungs- und Produktklassen mit analogen oder identischen Prozessen. Die externe Ausrichtung erfolgt jeweils nach Kundensegmenten und deren regionaler Bedienung durch das Unternehmen. Die strategischen Geschäftsfelder werden nach homogenen Kundengruppen und Leistungsangeboten gebildet. Als Beispiele sollen hier genannt werden: x Tunnelbau: - Leistung: Innerstädtischer Kanalvortrieb Kundengruppe: Stadtverwaltung - Leistung: Verkehrstunnelbau Kundengruppe: Nationale Autobahnämter oder Landesregierungen x Hochbau: - Leistung: Wohnungsbau Kundengruppe: Private Bauherren / Architekten oder professionelle Wohnungsbaugesellschaften - Leistung: Bürogebäude Kundengruppe: Industrielle Selbstnutzer, Versicherungen, Banken, Investoren als Vermieter Die strategischen Geschäftseinheiten werden auf Basis der internen Synergieeffekte gleicher Prozesse und Prozessabläufe sowie gleicher Kernkompetenzen gebildet. Somit werden die strategischen Geschäftsfelder (SGF) mit gleichen internen Prozessen und Know-how-Trägern zu strategischen Geschäftseinheiten (SGE) zusammengefasst. Ein potentielles Strukturierungsraster zur Bildung von strategischen Geschäftsfeldern und strategischen Geschäftseinheiten ist für Bauunternehmen in Bild 195 dargestellt.
6.6 Bildung strategischer Geschäftseinheiten (SGE) und strategischer Geschäftsfelder (SGF) 401 Strategische Geschäftseinheiten (SGE)
GU / TU Hochbau / Rohbau Baugrube/ Spezialtiefbau
Markt- / KundenSegmentierung
Geographische Segmentierung
private öffentliche Wohnungsbau Bürobau private Bauherren öffentliche Bauherren
Kanalbau
städtische Bauherren
Tunnelbau
Strassenverwaltungen Eisenbahngesellschaften
Strassenbau
Prozesse
Strategische Geschäftsfelder (SGF)
Städte Bund
Bild 195: Segmentierungskriterien für strategische Geschäftsfelder (SGF) und Geschäftseinheiten (SGE) eines Bauunternehmens
Die strategischen Geschäftsfelder Wohnungsbau und Bürogebäude können zu einer strategischen Geschäftseinheit zusammengeschlossen werden. Die internen Prozesse und das Know-how zur Planung, Steuerung und Ausführung dieser Gebäude sind quasi identisch. Nur die externen Verkaufs- und Akquisitionsbereiche müssen sich differenziert auf die Kundensegmente ausrichten. Diese Strukturierung von strategischen Geschäftseinheiten hat den Vorteil, dass unterschiedliche Nachfragezyklen in den Budgetierungsjahren weitgehend ausgeglichen werden können. Zudem kann bei Nachfrageschwankungen das interne leistungsdifferenzierende Kernteam mit seinen Kernkompetenzen erhalten bleiben. Auf das Beispiel Tunnelbau kann das gleiche Strukturierungsprinzip in Bezug auf die Bildung der strategischen Geschäftseinheiten angewendet werden. So sind die internen Planungs- und Ausführungsprozesse im Pressrohrvortrieb mit Schildmaschinen im innerstädtischen Tiefbau analog zum Tunnelvortrieb mittels Tunnelvortriebmaschinen (TVM). Nur die Skalengrösse der Bauwerke und der TVM unterscheiden sich um den Faktor 3 bis 10. Der grosse Vorteil des Kernteams besteht in der effizienten Nutzung des strategischen geschäftsfeldübergreifenden Know-hows. Ein weiteres Beispiel bildet die Geschäftsfeldbildung und Zusammenführung dieser Geschäftsfelder zu strategischen Geschäftseinheiten bei einem Metallbauunternehmen (Bild 196).
6 Organisation von Bauunternehmen
Holz- / Metall-Fenster
Süd CH-F
Süd CH-T
West CH
X X
Ost CH
X X
Montage
X
Lieferung
X
Fertigung
Brandschutz Briefkästen Zivilschutz Fensterb. MetallFertigteile Kellerfenster Pneukästen Objekt Alu Fenster u. Türen Partner Objekt Faltwände Partner
Einzelbestellung
X
Geographische Segmentierung
Prozesse Projekte
X
Architekt
Fassade
Endproduzenten
Markt- / KundenSegmentierung GU
Strategische Geschäftsfelder (SGF)
Öffentl. Auftragg.
Metallbau Fertigprodukte Vorprodukte
Produkte / Produktgruppen
Fertigprodukt
Strategische Geschäftseinheiten (SGE)
402
X X X X X X X X
X
X
X
X
X X
X
X
X
X X X X X X X
X X X X X X X X
X X X
Bild 196: Segmentierungskriterien für strategische Geschäftsfelder (SGF) und Bildung von strategischen Geschäftseinheiten (SGE)
Auf die Strukturierung der strategischen Geschäftseinheit erfolgt die Bildung der Aufbauorganisation mit der Stellenbildung und dem Leitungsund Entscheidungsprinzip. Ferner wird die regionale Struktur und Prozessabwicklung der Leistungserstellung vom Kundenziel zum Kundenergebnis gebildet. Neben dem Leistungserstellungsprozess als Kernprozess der strategischen Geschäftseinheiten müssen die Supportprozesse bzw. die Supportabteilungen direkt oder geschäftsbereichsübergreifend zugeordnet werden. Im Folgenden wird exemplarisch aufgezeigt, wie dieses Konzept bei verschiedenen Bauunternehmen umgesetzt wurde.
6.7 Organisationsformen von Bauunternehmen Im Folgenden werden mögliche Organisationsformen von Bauunternehmen anhand eines Baukonzerns und eines kleinen Bauunternehmens exemplarisch dargestellt.
6.7 Organisationsformen von Bauunternehmen
403
6.7.1 Baukonzern Die meisten Baukonzerne sind in Sparten mit zentralen Serviceabteilungen organisiert. Diese Spartenorganisationen haben meist die folgende Ausprägung: x Regionalorganisationen mit regionalen Niederlassungen, die in jeder Niederlassung verschiedene Sparten mit zentralen Serviceabteilungen als Profitcenter haben x Fachspartenorganisationen mit weitgehend selbstständigen Fachdivisionen, die eigene regionale Vertretungen mit zentralen Serviceabteilungen als Profitcenter haben Die Niederlassungen bzw. Fach-/Spartendivisionen werden von einem Niederlassungs- bzw. Spartenleiter verantwortlich geführt. Dieser fertigt monatlich einen Ergebnisbericht an, der dem zuständigen Vorstand vorgelegt werden muss. Der Niederlassungs- bzw. Spartenleiter ist voll verantwortlich für die Beschaffung und Abwicklung der Aufträge sowie für die Ertragslage der Niederlassung bzw. Division. Die Niederlassungen oder Divisionen werden meist als Profit-Center oder seltener als InvestmentCenter geführt. Der finanzielle Handlungsspielraum gegenüber Dritten ist nach oben meist eingeschränkt, z.B. bedürfen x Aufträge, die eine bestimmte Summe überschreiten, und x Grossinvestitionen der Zustimmung des Vorstands. Dies ist bei Grosskonzernen firmenintern durch Richtlinien hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten geregelt. Baukonzerne mit Regionalorganisationsstruktur (Bild 197) haben in den Regionen Niederlassungen – quasi selbstständige Unternehmen, die sich kaum von den grösseren mittelständischen Bauunternehmen (MU) unterscheiden – die meist das Gesamtspektrum Bauen der Region abdecken. Sie werden in der Regel von einem technischen und kaufmännischen Niederlassungsleiter geführt.
404
6 Organisation von Bauunternehmen Verwaltungsrat (CH) Aufsichtsrat (D)
Aktionäre
Konzernbuchhaltung / Personal VR-Delegierter / CEO (CH) Vorstand (D)
Controlling Forschung und Entwicklung
NL A Geschäftsleitung Regional
NL B Geschäftsleitung Regional
NL -n Geschäftsleitung Regional
Projektentwicklung
Know-howCenter
Kfm. Administration
Kfm. Administration
Kfm. Administration
Aquisition
TB Planung
Technischer Innendienst
Technischer Innendienst
Technischer Innendienst
Finanzen
Spezialtiefbau
Operative Bereiche
Operative Bereiche
Operative Bereiche
Projektmanagement
Tunnelbau
GU
Hochbau
Hochbau
Tiefbau
Brückenbau
Tunnelbau
MTA / Maschinenpool
Lokale Werkstätten Depots
Service Center EDV
Technische Software Kfm. Software Installation
Bild 197: Struktur eines Baukonzerns mit dezentralen Regionalorganisationen und Zentralabteilungen
Innerhalb der Niederlassung (Bild 198) gibt es dann meist die horizontal organisierten Leistungssparten wie Hochbau, Tunnelbau, Brückenbau etc., die dem Niederlassungsleiter unterstellt sind. Die Niederlassungen werden von zentralisierten, funktionalen Serviceabteilungen, zu denen AVOR, Kalkulation und Bauhof sowie die kaufmännischen Abteilungen wie Buchhaltung, Personalabteilung, Einkauf etc. zählen, gemeinsam betreut. Manche der Serviceabteilungen können organisatorisch auch auf Konzernebene niederlassungsübergreifend angeordnet werden. Die Niederlassungen arbeiten weitgehend autark und selbstverantwortlich. Synergien zu anderen Niederlassungen entfalten sich nur begrenzt und müssen durch Konzernleitungsprogramme und Konzernkoordinationsmassnahmen initiiert und gesteuert werden. Auch der fachspezifische Austausch der Sparten zwischen den einzelnen Niederlassungen ist oft gering. Dadurch entstehen Wissensbarrieren; oft wiederholt eine Niederlassung Fehler der anderen oder „erfindet das Rad neu“. In dieser Organisationsform besteht der Konzern oft aus der Summe seiner Niederlassungen, die im Erfolgswettbewerb zueinander stehen, und Synergien entfalten sich wegen der geringen Potenzierung des Know-hows nur begrenzt.
6.7 Organisationsformen von Bauunternehmen Technischer Geschäftsführer (TGF)
Qualitätsbeauftragter
Kaufmännischer Geschäftsführer (KGF)
Technischer Inendienst TGF
Akquisition 1)
405
Operative Bereiche TGF
Administrativer Bereich KGF
Tiefbau
Rechnungswesen
Baustellen Kalkulation
Finanzabteilung Hochbau
MTA 2)
TB 2)
Personal
Baustellen Brückenbau 3) (überregional)
Administration
Baustellen AVOR Brückenbau 3) (überregional)
1)
Meist nur bei NL-Ausland; normalerweise durch Geschäftsleitung und Baustellenchefs
2)
Bei zentralem Service Center entfallen diese Abteilungen.
3)
z.B. dezentrale Know-how-Center; diese Bereiche entfallen bei zentralem Service Center
Baustellen Schlüsselfertig Baustellen
Bild 198: Organisationsstruktur einer Niederlassung
Grosse Niederlassungen sind meist in Sparten wie Tunnelbau, Spezialtiefbau, Hochbau mit zentralen Fachabteilungen wie Arbeitsvorbereitung, Personal, Buchhaltung etc. untergliedert. Mittlere Niederlassungen sind meist rein funktional nach Aufgaben untergliedert, wie Marketing, Kalkulation AVOR, Bauausführung etc. Die Bearbeitung einer Offerte erfolgt mittels Angebotsmatrixprojektorganisation, die Abwicklung einer Baustelle mittels reiner Baustellenprojektorganisation. Aus der Linienorganisation einer Niederlassung sowie aus anderen Bereichen des Konzerns, z.B. technischen Serviceabteilungen, Stabsstellen und anderen Niederlassungen, wird temporär eine interdisziplinäre Angebotsgruppe zusammengestellt. Solche Projektgruppen sind meist Matrixprojektorganisationen (Bild 199); sie setzen sich aus dem Projektleiter der entsprechenden Sparte und Projektmitarbeitern aus den Fachabteilungen der Linie zusammen. Der Projektleiter ist für das Ergebnis verantwortlich.
406
6 Organisation von Bauunternehmen
Projektverantwortlichkeit (was / wann)
Kaufmännische Abteilung
Rechtsabteilung
Produktionsabteilung
AVORAbteilung
Konstruktionsabteilung
Geschäftsleitung
Projektleitung A
Projektleitung N
Funktionale Verantwortlichkeit (wie / wer)
Bild 199: Prinzip einer Angebotsmatrixprojektorganisation
Die in einem Baukonzern bei einem Grossprojekt an einer Angebotsprojektgruppe Beteiligten sind aus Bild 200 ersichtlich. Angebotsprojektleiter (Oberbauleiter)
Jurist *)
Vertragsprüfung
Juristische Risikobetrachtung
Spezialist *)
Technische Spezialaufgaben
MTA *)
Gerätezu sammenstellung
Kaufmann *)
TB-Mitarbeiter
Arbeitsvorbereitung
Kalkulator
Baubetriebliche Planung
Ortsbegehung
Versicherungen
Massenermittlung
Brückenbau
Garantien
Baubehelfe
Verfahren
Tunnelbau
Zahlungs bedingungen
Technische Risikobewertung
Equipen
Spezialtiefbau
Finanzielle Risiken
Alternativen
Bauhilfsmaterialien
Preisermittlung
Geräte leistungen
*) nur zeitweise für spezielle Aufgaben benötigt
Terminplanung
Bild 200: Organisation einer Angebotsprojektgruppe
Die Angebotsprojektgruppe setzt sich aus Spezialisten der Bauführung, Technik (Gestaltung, Konstruktion, Herstellungsplanung), Betriebswirtschaft und des Vertragswesen etc. zusammen. Die Leitung der Gruppe
6.7 Organisationsformen von Bauunternehmen
407
sollte möglichst der zukünftige Baustellenchef bzw. Bereichsleiter, der später das Ergebnis verantworten muss, innehaben. Nicht alle Mitglieder der Angebotsprojektgruppe werden während der Bearbeitung eines Angebots permanent benötigt. Die Organisationsform für die Abwicklung einer Baustelle wird analog gebildet. Die Baustellenorganisation ist, zumindest bei Grossbaustellen, eine reine Projektorganisation (Task Force) (Bild 201 und Bild 202). Örtlicher Bauleiter Stellvertreter
Abschnittsingenieur
Poliere Vorarbeiter
Abschnittsingenieur
Abschnittsingenieur
Poliere
Chefelektriker
Poliere
Vorarbeiter
Vorarbeiter
Abschnittsingenieur
Abschn. Ing.
Gewinnung Aufbereitung Inventar
Werkstatt Ersatzteile Administration Rapporte der Werkstatt
Chef Aufbereitung
Werkstattchef
Vor arbeiter
Bagger chef
Baumaschinenunterhalt
Magazin chef
Rapport wesen
Fangdamm Gewinnung und Aufbereitung
Staudamm Schutthalden S0 – S5
Zimmer mannspolier
Fahrzeug chef
Vorarbeiter
Vorarbeiter
Gesamter Werkstattbetrieb Maschinenunterhaltung Montage
Stollen
Abschnittsingenieur
Aufnahme
ChefBuchhalter
Abschnittsingenieur
Rechnungswesen
Aufmass/ Abrechnung
Kantinen chef
Vermessung
Projek tierung
Kfm. Büro
Personal
Barackenchef
Korres pondenz
Sanität
Technik
Techn. Büro Projektierung Aufnahmen Abrechnungen
Kaufmännisches Büro
Administration Rapportwesen Nachkalkulation
Wohlfahrtseinrichtungen Sanität
Bild 201: Organisation einer Grossbaustelle mit ausschliesslicher Eigenleistung Baustellenchef Stellvertreter bei Abwesenheit
Technischer Innendienst
Vermessung
AVOR
Kaufmännisches Büro
Personal Kreditoren Kfm. Arbeit
Ausmass
Hilfsbetriebe
Tunnelvortrieb
Korrespondenz Kfm. Arbeit
Tunnelausbau
Unterhalt Schicht 1 TBM / L3 / Geräte
Unterhalt Schicht 2 TBM / L3 / Geräte
Werkstatt
Elektrodienst
Vortriebschicht 1
Vortriebschicht 2
Vortriebschicht 3
Schicht 1
Schicht 2
Schichtmeister
Schichtmeister
Magazin
Elektromeister
Schichtpolier
Schichtpolier
Schichtpolier
Schichtpolier
Schichtpolier
Bild 202: Schlanke Baustellenorganisation (Tunnelbau) mit Eigen- und Fremdleistung
408
6 Organisation von Bauunternehmen
Personalbestand
Die Baustellenprojektorganisation ist eine temporäre, meist selbstständige Ad-hoc-Organisation, die weitgehend aus der restlichen Organisation des Unternehmens herausgelöst und daher auch entsprechend selbstständig und ergebnisverantwortlich ist. Die Grösse der Baustellenorganisation ist weitgehend von der Grösse des zu erstellenden Projekts, der Entfernung von der Niederlassung etc. abhängig. In Bild 203 ist der mögliche Spezialistenbedarf qualitativ dargestellt.
Bild 203: Mitarbeiter einer Baustelle in Abhängigkeit von der Baustellengrösse
Die operative Projektgruppe zum Ausführen einer konkreten Bauaufgabe setzt sich aus Mitarbeitern der Niederlassungen und anderen Unternehmensbereichen zusammen, die organisatorisch meist für einen Teil oder die gesamte Baustellenzeit funktional und ergebnisverantwortlich, d.h. im Regelfall auch disziplinarisch, dem Baustellenchef unterstellt sind. Nach Beendigung der Bauaufgabe werden diese Mitarbeiter zur nächsten Baustelle entsandt oder wieder in den ursprünglichen Unternehmensbereich eingegliedert. Während der Abwicklung der Baustelle verändert sich die Baustellenorganisation gemäss den Erfordernissen der jeweiligen Abwicklungsphase, wie z.B.: x x x x
Baustelleneinrichtungsphase Baugrubenerstellung und Gründung Hochbaukonstruktion (Stahlbetonbau etc.) Innenausbau
6.7 Organisationsformen von Bauunternehmen
409
x Fassade, Aussengestaltung etc. Diese Phasen sind jedoch ineinander verschachtelt und voneinander abhängig. Es ist wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg, die Personalstärke wie auch die Vorhaltung der Geräte auf die notwendigen Anforderungen der Baustelle anzupassen und zu beschränken. Viele Grossbaustellen im Inland werden in einer Arbeitsgemeinschaft (ARGE) abgewickelt. Bei der ARGE-Organisation (Bild 171) handelt es sich um eine reine Projektorganisation, die sich aus Mitarbeitern der beteiligten Firmen zusammensetzt. Die ARGE ist eine selbstständige Organisation, an der die beteiligten Firmen finanzielle Anteile halten. Sie wird meist in einem eingeschränkten Konzept als Investment-Center geführt. Die Fachspartenorganisation eines Baukonzerns (Bild 204) gliedert sich nicht in regionale Niederlassungen als Strukturkriterium, sondern primär in objektorientierte Fachsparten, die wiederum eigenständig regional vertreten sind. Das Unternehmen wird nach strategischen Geschäftsfeldern (SGF) strukturiert. Der Grund für die Wahl dieser Organisationsform liegt in der verstärkten Ausrichtung der Unternehmen auf Kernkompetenzen. Die Sparten sind meist leistungs- bzw. objektorientiert und wie folgt ausgerichtet: x Hochbau mit Wohnungsbau, Geschäftsbau und Industriebau x Infrastrukturbau mit Tunnelbau, Spezialtiefbau und Brückenbau x Umwelttechnik mit Kläranlagenbau, Bodensanierung, Baustoffrecycling etc. x Gesamtleistungen Gebäude bzw. Projektentwicklung und Betreiben, d.h. Entwickeln, Verkaufen und Bauen von Hochbauten und Infrastrukturprojekten und/oder Betreiben von Infrastrukturprojekten Diese fach- und ressourcenorientierte Struktur zur Potenzierung des FachKnow-hows wird im Sinn der Kundenorientierung regional durch Niederlassungen oder Repräsentanzen vertreten. In den Regionen gibt es somit Vertretungen des Unternehmens, die nicht von einer einzigen regionalen Niederlassungsleitung geführt werden. Die Sparten sind also regional nicht horizontal, sondern vertikal in Richtung der Spartenleitung organisiert. Die einzelnen Sparten besitzen eigene Arbeitsvorbereitungs- und Kalkulationsabteilungen, die möglicherweise auf Konzernebene zentralisiert sind. So wird das fachspezifische Know-how organisatorisch akkumuliert, und die Synergien werden genutzt. Diese Vorteile werden zwar durch eine gewisse Parallelität von Fachabteilungen auf regionaler Ebene zwischen den Sparten kompromittiert; es wird jedoch verstärkt sichergestellt, dass Grosskonzerne nicht nur die Summe ihrer Einzelunternehmen sind, wie dies oft bei der reinen Regionalstruktur der Fall ist, sondern dass die akkumulierte
410
6 Organisation von Bauunternehmen
Kompetenz als Differenzierungselement im Wettbewerb voll zur Geltung gebracht werden kann.
Bild 204: Organisationsstruktur eines Baukonzerns mit Spartengliederung
6.7.2 Kleines Bauunternehmen Die Organisation kleinerer Bauunternehmen (Bild 205) ist dadurch gekennzeichnet, dass nicht jede Aufgabe von einem Spezialisten oder einem Team ausgeführt werden kann; die verschiedenen Aufgaben, die immer anfallen, müssen in Personalunion erledigt werden. Das bedeutet, dass der Bauführer oft fast alle Aufgaben abdecken muss. Die Aufgaben in kleinen Unternehmen sind jedoch hinsichtlich der technisch-ingenieurmässigen sowie organisatorischen Anforderungen meist nicht sehr komplex. In den meisten Fällen führen rezeptive Methoden zu Lösungen. Die unternehmerische Kreativität ist jedoch in allen Unternehmensformen Voraussetzung für den Erfolg. Form und Umfang der Organisation eines Unternehmens werden durch die am Markt durchsetzbaren allgemeinen Geschäftskosten in den einzelnen Projekten bestimmt. Organisationsformen sind keine Naturgesetze, sondern von der Kreativität der Unternehmensführung abhängig und von der Konkurrenz mitbestimmt. Die in den Organigrammen aufgezeigten Aufgaben müssen abgedeckt werden; die Frage ist jedoch, wie dies am kostengünstigsten und effizientesten möglich ist. Viele Aufgaben, die nicht konkurrenzunterscheidend sind, können extern (Outsourcing) oft viel kos-
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft
411
tengünstiger (geringere allgemeine Geschäftskosten) und flexibler durch Nachunternehmer abgewickelt werden. Ferner muss bei Grossunternehmen überprüft werden, welche Aufgaben zentralisiert werden sollten, um auf organisatorischem Weg Synergien zu erreichen, und welche Aufgaben, Prozesse und Verantwortungen dezentral autonom wahrgenommen werden sollten, um höchste Flexibilität am Markt zu erlangen. Geschäftsführer
Kalkulation (Arbeitsvorbereitung
Bauführer 1
Bauführer n
Kaufmann
Baustelle 1 - Poliere - Mannschaft
Baustelle - Poliere - Mannschaft
Verfahrensplanung
Verfahrensplanung
Ablaufplanung
Ablaufplanung
Kapazitätsplanung
Kapazitätsplanung
Kostenkontrolle
Kostenkontrolle
Baustelle 1 - Poliere - Mannschaft
Baustelle - Poliere - Mannschaft
Werkhofleiter (Bauhofleiter)
Personal
Buchhaltung
Finanzen
Rechnungswesen
Bild 205: Organisationsform eines kleinen Bauunternehmens
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft 6.8.1 Einleitung In der Baubranche gibt es eine Vielfalt von verschiedenen Bauunternehmensorganisationen. Die Unternehmen unterscheiden sich in ihrer Art, ihrer Grösse, ihrer Ausrichtung, ihrem Marktverhalten und ihrer Struktur. Die Grösse eines Unternehmens kann aufgrund verschiedener Kriterien wie Umsatz, Mitarbeiter etc. gemessen werden. Für die Klassifizierung nach organisatorischen Gesichtspunkten eignet sich eine Einteilung nach der Mitarbeiteranzahl, da sie einen Überblick über die Komplexität der Organisation gibt. Gemäss EU-Standards (1996) werden Unternehmen nach ihrer Grösse wie folgt eingeteilt: x Mikro : Kleinstunternehmen 1 bis
9 Mitarbeiter
412
x KU x MU x GU
6 Organisation von Bauunternehmen
: Kleinunternehmen 10 bis 49 Mitarbeiter : Mittelunternehmen 50 bis 249 Mitarbeiter : Grossunternehmen > 250 Mitarbeiter
Unter KMU versteht man also Klein- und Mittelunternehmen von 10 bis 249 Mitarbeitern. Die Branche und damit die Unternehmen sind durch den spezifischen Projektcharakter geprägt. Daher sind Bauunternehmen gezwungen, aus der eigentlichen Unternehmensorganisation immer wieder den Aufträgen entsprechend angepasste Projektorganisationen herauszulösen, aufzubauen und nach Erfüllung der Aufgabe wieder zu integrieren. 6.8.2 Organisation vier grosser Nationaler Bauunternehmen Nachfolgend soll exemplarisch die Organisationsstruktur der folgenden Unternehmen dargestellt werden: x x x x
Infra AG Bau-Gruppe Allround AG Basel AG
Infra AG Die Infra AG ist ein national und international tätiges Unternehmen, das sich in Familienbesitz befindet. Das Bauleistungsangebot erstreckt sich vor allem auf die Sparten Strassen-, Gleis-, Tief- und Tunnelbau sowie auf die Spezialitäten Deponiebau und Spezialbeläge. Die Organisationsstruktur des Unternehmens ist in Bild 206 dargestellt. Die Infra AG weist eine typische Regionalorganisationsstruktur auf, die mit überregionalen zentralen Fachabteilungen auf Konzernebene angereichert ist. Zu den zentralen Abteilungen gehören Finanzen, Administration und Qualitätsmanagement. Die regionalen Niederlassungen sind nach Sparten mit lokalen Repräsentanzen strukturiert (Bild 207).
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft
413
Infra Central AG Zürich Verwaltungsrat Infra AG VR-Vizepräsident u. -Delegierter Finanzen und Administration
Zentrale Labordienste
Region Suisse Romande
Region Ostschweiz / Tessin
Region Zürich
Qualitätsmanagement
Risikomanagement
Region Nordschweiz / Mittelland
Ets. Boulenger S.A.
Bragger AG
Infra U.K. Limited
Infra France S.A.
Schwob S.A.
Bild 206: Organisation der Infra AG – Gliederung Gesamtunternehmen
Infra AG Region Zürich Administrative Dienste WBZ / PZ 38
Werkhof Limmat WBZ / PZ 39
Abteilung Strassenbau
Abteilung Gleisbau
Abteilung TiefUntertag- und Hochbau
Abteilung Damm- u. Deponiebau Betonsanierung Gussasphalt
Strassenbau PZ 20
Lärmschutz PZ 21
Tiefbau PZ 22
WB Luzern PZ 42
Gleisbau PZ 22
Hochbau PZ 25
WB Schaffhausen PZ 43
GLEISAG PZ 52
Untertagbau PZ 26
WB Winterthur PZ 44
Gleis- und Tiefbau AG Chur
Gussasphalt PZ 30
MA Oberwil PZ 45
Bahntechnik integr. in PZ 22
Gussasphalt Innerschweiz
DammDeponiebau PZ 24 Infra UK Ltd.
Betonsanierung PZ 28
Abteilung Industrieböden und Decorbeläge
Abteilung Sportbeläge
Bau AG Schattdorf PZ 50
Beton und Kunstharz PZ 31 Fama PZ 32 Haltopex PZ 33
WB Frauenfeld PZ 46 ABAG PZ 51 Belagstechn. Labordienste PZ 85
Bild 207: Organisation der Infra AG – Regionalniederlassung Zürich
Bau-Gruppe Die Bau-Gruppe hat ihren Hauptsitz in Bern. Die Bau-Gruppe wird auf oberster Ebene vom Hauptaktionär als Delegiertem des Verwaltungsrates (VR) bzw. Verwaltungsratspräsidenten (VRP) aller Töchter kontrolliert. Die Bau-Gruppe ist als Managementholding organisiert, in der die weitgehend unabhängigen Tochtergesellschaften bzw. Gruppen strategisch zusammengefasst sind (Bild 208 und Bild 209). Die Unternehmen der Gruppe sind weitgehend voneinander unabhängig operierende Organisationseinheiten.
414
6 Organisation von Bauunternehmen
Bau-Gruppe Präsident
Finanzen
Bautechnik
Immobilienpromotion
Internationale Projekte
Bau Gruppe Bern
Bau Gruppe Basel
Bau Gruppe Freiburg
Bau Gruppe Lausanne/Wallis
Bau Gruppe Solothurn
Bau Gruppe Tessin
Bau Gruppe Zentralschweiz
Bau Gruppe Zürich/Aarau
Bau Gruppe Moosseedorf
Gründungstechnik AG
Bau Gruppe
Bild 208: Organisation der Bau-Gruppe – Gliederung Gesamtunternehmen
Geschäftsleitung
Technische Dienste
Finanzen und Controlling
Hochbau / Umbau und Sanierungen
Tiefbau
Strassenbau
Grund- und Tiefbau
Hydrojet AG
Werkhof
Finanzen und Controlling
Wohnungsbau
Betontiefbau
Allg. Strassenbau
Jetting mit Höchstwasserdruck
Spezialtiefbau
Inventarverwaltung
Administration
Geschäftsführer
Grosstiefbau
Belagsbau
Betonsanierungen
Pressrohrvortrieb
Dispositionen und Transporte
Personalwesen
Industriebau
Brückenbau
Erdarbeiten
Pfählungen
Schlosserei
Filterbrunnen
Sekretariat
Umbauten
Baugrubenumschliessungen
Umgebungen
Beteiligungen
Renovationen
Unterfangungen
Kanalisationsarbeiten
Elektrische Werkstatt
Zimmerei und Schalungsbau
Immobilienverwaltung
Kundenarbeiten
Werkleitungen
Mechanische Werkstatt
Beratungen
Kundenarbeiten
Bild 209: Organisation der Bau-Gruppe – Regionalniederlassung Basel/Nordwestschweiz
Allround AG Die Allround -Gruppe weist eine Matrixkonzernorganisationsstruktur (Bild 210) auf. Sie ist als erstes Zentralisationskriterium in die folgenden objektorientierten Konzernbereiche (Sparten) untergliedert: x Generalunternehmen und Engineering
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft
415
x Bauproduktion x Immobilienbewirtschaftung Das zweite Zentralisationskriterium der Matrixorganisation ist die funktionale Gliederung in x Administration und Finanzen, x Human Resources und x Marketing. Die beiden Zentralisationskriterien Sparten und Funktionen sind hier nicht ganz gleichwertig. Eine solche Organisationsform könnte auch als Spartenorganisation mit zentralen Funktionsabteilungen abgebildet werden. Die einzelnen Konzernspartenbereiche sind dann wieder in Unternehmen mit starker Regionalstruktur organisiert.
Konzernleitung
Konzernbereich
Konzernbereich
Konzernbereich
Generalunternehmung
Bauproduktion
Immobilienbewirtschaftung
Engineering
Funktionale Bereiche: Administration und Finanzen / IT
Human Ressources
Marketing
Bild 210: Organisation der Allround -Gruppe – Gliederung Gesamtunternehmen
Die Organisation der Generalunternehmung als Spartenkonzernbereich ist in Bild 211 dargestellt. Die Spartenorganisation Generalunternehmung innerhalb des Konzerns ist wiederum als regionalorientierte Organisation gestaltet, mit Ausnahme der Niederlassung Umbau (Sparte).
416
6 Organisation von Bauunternehmen Finanzen/ Controlling / IT
Kommunikation
Geschäftsleitung
Management System Strat. Beschaffungsmanagement Human Resources Administration Z-Management AG Z-Développement SA
Westschweiz
Mittelland
Niederlassungen Westschweiz
Niederlassungen Mittelland
Genf Sion VD / NE / FR Expo.02 Key Accounts
Zürich
Ostschweiz/Tessin
Niederlassung Zürich
Aarau Basel Bern Luzern
Niederlassungen Ostschweiz/Tessin
Umbau Deutsche Schweiz
Niederlassung Umbau
Chur St. Gallen Bellinzona
Bild 211: Organisation der Allround-Gruppe – Konzernbereich Generalunternehmung
Die funktionale Gliederung der Matrixorganisation in die konzernübergreifenden Abteilungen ist anhand der Finanzabteilung in Bild 212 dargestellt. Finanzen und Administration Sekretariat Controlling
Rechnungswesen
Telefon und Empfang Personalwesen
Administration Argen
Bild 212: Organisation der Allround-Gruppe – Funktionalbereich Finanzen und Administration
Basel AG Die Basel AG ist aus der Fusion der X AG, der Y AG und der Z AG hervorgegangen. Dieses Grossunternehmen ist nach strategischen Geschäftseinheiten (SGE) in eine Sparten- bzw. Divisionsstruktur (Bild 213) gegliedert.
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft
417
GRUPPE
Finanzen / Controlling
Kommunikation / GS
Unternehmensentwicklung
Hochbau
Tunnel und Brücken
Infra
Gesamtleistungen Gebäude
Bild 213: Organisation Basel AG – Gliederung Gesamtunternehmen
Die Sparte Infra ist in Hauptregionen (West, Mitte, Ost) und Funktionen wie Akquisition und Qualitätsmanagement untergliedert, mit zentralen Stabsstellen für Controlling und Geschäftsentwicklung (Bild 214). SPARTE INFRA Controlling / Administration
Leiter Business Development
Sparten Funktionen
Region West
Region Mitte
Region Ost
Akquisition IB
PM IB West
PM IB Mitte
PM IB Ost
Sekretariat SL
PC Valais
PC Bern
PC Aargau
BBP
PC Vaud / Genève
PC Solothurn
PC Zürich
ZIM/ZIB
PC Fribourg
PC Tiefbau Basel
PC Ost
QM/ AS
PC Jura
PC Batilabor
PC Graubünden
KAM
Betrieb Neuchâtel
PC Zentralschweiz
PC Spezialtiefbau
Bild 214: Organisation Basel AG – Konzernbereich Sparte Infra
PC Ticino
PC FM Infra
418
6 Organisation von Bauunternehmen
6.8.3 Zentrale Dienste, Administration in grossen Bauunternehmen Die Bau AG Bauunternehmung in Zürich beschäftigte 2002 bei einem Gesamtpersonalbestand von rund 600 Angestellten im Bereich Finanzen nur gerade 3.5 Personen und in der Personalbewirtschaftung (Lohn und Gehaltsabrechnung, ohne Human Resources Management) 2.5 Personen; dies sind somit Stabs- bzw. Zentralstellen. Die optimierte und massgeschneiderte Firmenadministration ist sehr straff strukturiert. Zur Erstellung von Angeboten sind in einer technischen Zentralabteilung ca. 8 bis 10 Mitarbeiter tätig. Sie führen in der Submissionsphase die technische und logistische Arbeitsvorbereitung, die Vorkalkulation, die Auftragsverhandlungen und die anschliessende Auftragskalkulation durch und übergeben diese nach Auftragserteilung an die Ausführungsprojektgruppe. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass bereits in der Angebotsprojektgruppe mindestens der zukünftige Baustellenchef mitwirkt, um Informationsverluste in den Folgephasen des Bauprozesses zu vermeiden. In den so genannten Serviceabteilungen, auch rückwärtige Dienste genannt, hat besonders im kapitalintensiven Werkhofbereich bzw. in den Inventarabteilungen eine starke Veränderung stattgefunden. Heute nimmt der Werkhof die Aufgabe eines Service-Centers wahr, das kostenoptimiert und nutzenorientiert die operativen Bauproduktionsabteilungen unterstützt (Bild 215). Dazu gehören auch spezielle Dienstleistungen, die nicht mehr durch den Werkhof selbst erbracht, sondern kostengünstiger am Markt eingekauft und durch den Werkhofchef nur noch überwacht werden (Outsourcing). Werkhof/Inventar Krandisposition Schlosserei
Materialdisposition
Mechanische Werkstatt
Fahrzeugwerkstatt
Maschinendisposition
Bild 215: Werkhof Bau AG Bauunternehmung, Zürich
Heute benötigt jedes Unternehmen eine angepasste, umfassende EDV als internes und externes Informations- und Kommunikationssystem, das meist in einer Zentralfunktion im Unternehmen konzernweit einheitlich konzipiert und unterhalten wird. Die EDV wird heute in allen Abteilungen angewandt und muss intern und extern weitgehend kompatibel sein. Während der Angebotsbearbeitung und Bauausführung kann sie z.B. wie folgt genutzt werden:
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft
419
x Früherfassung von Projektdaten zwecks besserer Eigeninformation und zur gezielten Beratung des Bauherrn x Unterstützung technischer Workflow-Prozesse während der Planung und Projektierung sowie zur Beeinflussung der Bauabläufe x Steuerung eines Auftrags während der Submissions-, Ausführungsvorbereitungs- und Ausführungsphase Zudem werden heute zur zeitgerechten Bottom-up-Information des Managements Managementinformations- und -steuerungssysteme (MIS) verwendet. 6.8.4 Niederlassungen und Beteiligungen bei Grossunternehmen Das Netz von Niederlassungen und Beteiligungen von Bauunternehmen hat sich in den letzten Jahren entscheidend verändert. Waren Aufbau und Pflege eines weit verzweigten und weit reichenden Netzes von Filialen in den 70er und 80er Jahren bei grossen Unternehmen noch ein absolutes Muss, um Regionalität zu erlangen, ist heute bei allen Unternehmen eine Straffung auf wenige, effizient arbeitende Niederlassungen erkennbar. Am Beispiel der Basel AG ist diese Tendenz gut nachzuvollziehen. Seit dem Zusammenschluss von X AG, Y AG und Z AG kann bei der Neustrukturierung vor allem bei der ehemaligen Y AG als klassischem Strassenbauer eine Konzentration und Zusammenfassung in den einzelnen Regionen beobachtet werden. Allein in der Ostschweiz wurden drei bis vier Niederlassungen zusammengefasst. Auch bei Allround AG, Bau AG und Infra AG sind ähnliche Bestrebungen im Gange. Diese Trendwende spiegelt die aktuellen Bemühungen, sich den veränderten Wettbewerbsbedingungen des Marktes anzupassen, wider. Durch die veränderten Zuschlagskriterien der neuen, liberaleren Submissionsverordnungen ermöglicht, zeigen diese Zusammenlegungen einen gangbaren Weg zur Vereinfachung der Konzernstrukturen auf. Konkret bedeutet dies, dass man nicht mehr unbedingt in der ausschreibenden Gemeinde oder Kanton über einen Geschäftssitz verfügen muss, um Aufträge zu erhalten. Das Konzept heutiger Organisationsüberlegungen ist: x x x x
weniger Niederlassungen flachere Organisation kürzere Entscheidungswege weniger Personal somit weniger Kosten.
420
6 Organisation von Bauunternehmen
Ein Bauunternehmen kann mit einer Beteiligung ganz verschiedene Ziele verfolgen, beispielsweise die kontrollierte Diversifikation in zukunftsträchtige Technologien (z.B. ein Bauunternehmer als Teilhaber einer modernen Grünabfallverwertungs- und -aufbereitungsanlage) oder eine mögliche Neuausrichtung von Unternehmensteilen oder des ganzen Unternehmens aufgrund der Nachfrage des Marktes (z.B. die Beteiligung eines Tief- und Erdbauers an einer Bodenwasch- und Recyclingbetonanlage). Einer der einfachsten und nahe liegendsten Beweggründe für eine finanzielle Beteiligung kann schlicht die Kontrolle über einen bestehenden oder zukünftigen Mitbewerber sein, nach dem Motto: „Kannst du ihn nicht schlagen, verbünde dich mit ihm!“ Der grosse Unterschied zwischen Niederlassung und Beteiligung ist der Aufwand im kostenintensiven Personalbereich, der bei Niederlassungen heute fast 50 % des finanziellen Gesamtaufwands ausmacht, bei Beteiligungen dagegen fast 0 %. Zudem ist das Engagement bei Beteiligungen flexibler, schneller und einfacher anzupassen als in einer Niederlassung. 6.8.5 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) In der Schweiz beträgt der KMU-Anteil an der Gesamtzahl der Baubetriebe ca. 80 %. Viele dieser Unternehmen werden noch heute von ihren Besitzern oder mindestens Mitbesitzern geführt, als Familienunternehmen sogar in der zweiten, dritten oder vierten Generation. Dieser Umstand prägt natürlich die Grundzüge und den Charakter des Unternehmens im Vergleich zu einem grossen, börsenkotierten Konzern. Der direkte Kontakt des „Patrons“ einerseits mit den Kunden und andererseits mit dem Personal ist meist ganz anders spürbar als in einem Konzernbetrieb. Es geht bei dieser Betriebsgrösse auch um das Vorleben von Unternehmenskultur und Identifikation mit der Firma. Als ein Beispiel soll die Ro AG in Thalwil (Bild 216) mit 130 Mitarbeitern angeführt werden. Die Ro AG hat durch den Zusammenschluss mit der Storni Hoch- und Tiefbau AG in Meilen nicht nur den Zugang zum zukunftsträchtigen Tiefbaumarkt erleichtert, sondern auch regional die andere Seite des Zürichsees erschlossen.
6.8 Beispiele aus der Bauwirtschaft
421
Verwaltungsrat Geschäftsführer Stabsstelle Administration
Hochbau/Tiefbau
Umbau
Werkhof
ZL Horgen
Rechnungswesen Personal Sekretariat
Bild 216: Organisation der Ro AG
Die Vor- und Nachteile von KMU gegenüber GMU sollen in Bild 217 aufgezeigt werden.
Bild 217: Unterschiede GMU und KMU
422
6 Organisation von Bauunternehmen
6.8.6 Baustellenorganisation Die Organisation von Baustellen (Bild 218) ist weitgehend funktional als Linienorganisation straff gegliedert, mit eindeutigen Unterstellungen, Pflichten und Verantwortungen. Bei Grossbaustellen und Arbeitsgemeinschaften ergeben sich oft komplexere (reine) Projektorganisationen, die bei mittleren und kleineren Baustellen meist sehr einfach strukturiert sind. Projektleiter
Baustellenchef
Bauführer Tiefbau (Einbau/Hangsicherung)
Bauführer Spezialtiefbau Bohrpfähle
Bauführer Spezialbau Anker/Nägel
Bohrmeister
Bohrmeister
Polier Erdbau
Polier Hangsicherung
Bild 218: Baustellenprojektorganisation: N4-Trasseearbeiten Entlisberg 1.Teil
Baustellenführung
Technischer Dienst
Kaufmännisches Büro
Abschnittsbauleiter 1 Abschnittsbauleiter 2
Montage 2.01 Vortrieb 2.01 Separierung
Abschnittsbauleiter 3
Gegenvortrieb: Thalwil Schacht Lätten: Nidelbad Pilotstollen Kollerwiese Rohrschirm Thalwil Pressrohrvortrieb MLP
Technische Dienste
Tübbing Umschlaganlage
Schächte Brunau Verbindungstunnel Installation Untertag Vortrieb Los 3.01
Bild 219: ARGE-Projektorganisation: Baustelle Brunau, Bahn 2000, ZürichThalwil
Literatur
423
Baukommission Revisionsstelle
Geschäftsführung
Betriebskontrollstelle Technische Leitung
Federführung (FF) Technische Leitung (TL) Kaufmännische Leitung (KL)
Qualitätsmanagement AVOR Arbeitsgruppen Baustellenführung Örtlicher Projektleiter Baustellenchef Technischer Dienst
Kaufmännisches Büro
Bild 220: ARGE-Projektorganisation: Baustelle Überdeckung Entlisberg, Nationalstrasse A3
Typische ARGE-Projektorganisationen sind in Bild 219 und Bild 220 dargestellt. Diese Projektorganisationen sind nur für eine zeitlich begrenzte Lebensdauer – bis die Projekte erstellt sind – aufgebaut, dann müssen die Mitarbeiter wieder in ihr eigentliches Unternehmen eingegliedert werden.
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[6-5]
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[6-6]
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[6-7]
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424
6 Organisation von Bauunternehmen
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[6-10]
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[6-13]
Taylor, F.: The principles of scientific management. Harper & Row, New York, 1911
[6-14]
Thommen, J.-P.: Betriebswirtschaftslehre – Band 3: Personal, Organisation, Führung: Spezielle Gebiete des Managements. 4. Aufl., Versus Verlag, Zürich, 1996
[6-15]
Woodward, J.: Management and technology. Her Majesty's Stationery Office, London, 1958
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
7.1 Einleitung Die Strukturierung des Geschäftsmodells und die Bestimmung und Gewichtung der Geschäftsfelder eines Unternehmens ist eine zentrale Aufgabe bei der Planung der Unternehmensstrategie. Neben der Entwicklung neuer Geschäftsfelder sind existierende Geschäftsfelder im Rahmen der Portfolioanalysen zu bewerten, entsprechende Massnahmen müssen abgeleitet und die Wettbewerbsstrategie sowie die Marketingstrategie geplant werden. Im Folgenden sollen die Charakteristika einiger Geschäftsmodelle und -felder repräsentativ für andere Geschäftsmodelle und -felder erläutert sowie ihre Potenziale für Bauunternehmen aufgezeigt werden. Zu den traditionellen, investitionskostenorientierten Geschäftsfeldern zählen: x x x x
Einzelleistungsträgerleistungen Generalleistungsträgerleistungen Totalleistungsträgerleistungen Construction-Management-Leistungen (neu in Europa)
Zu den neuen, lebenszykluskostenorientierten Geschäftsfeldern gehören: x Systemanbieterleistungen x PPP (Public Private Partnership)-Leistungen Manche grosse Unternehmen sind im Auslandsbau tätig, der sowohl traditionelle, investitionskostenorientierte wie auch neue, lebenszyklusorientierte Leistungen umfasst. Die nach Leistungsumfang und Leistungstiefe in Abhängigkeit von den Projektabwicklungsformen klassifizierten Geschäftsfelder werden meist nochmals nach Leistungsbereichen wie Erdbau, Spezialtiefbau, Tunnelund Brückenbau sowie Hochbau klassifiziert und segmentiert (s. Kapitel 3, Bild 108). Die Geschäftsfelder werden meist von weitgehend selbstständigen strategischen Geschäftseinheiten (SGE) oder eigenständigen Geschäftseinhei-
426
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
ten bearbeitet. Den Geschäftseinheiten liegt ein Geschäftsmodell zugrunde. Im Folgenden werden die Konzepte der x Geschäftsmodelle und x Geschäftsfelder betrachtet.
7.2 Geschäftsmodelle 7.2.1 Begriffsdefinition Der Begriff des Geschäftsmodells1 dient zur Beschreibung des Verhaltens eines Unternehmens gegenüber dem sozioökonomischen System (Kunden, Lieferanten, Konkurrenten etc.), in das es eingebettet ist. Er wird in der Literatur sehr unterschiedlich verwendet und nicht als feststehender Begriff verstanden. So schlägt beispielsweise BAILER auf allgemeiner Ebene eine recht weit gefasste Definition vor; danach beschreibt ein Geschäftsmodell „… das Wissen über die Funktionsweise der Unternehmung, deren Strukturen, Informations- und Materialflüsse, Produkte und Aussenbeziehungen“ [7-3]. Demgegenüber definieren GÖLDI und DÜHRKOOP den Begriff recht eng und auf die Produkte eines Unternehmens bezogen; danach wird unter einem Geschäftsmodell „… die Gesamtheit von markt- und leistungsbezogenen Produkteigenschaften verstanden, verwendete Technologien, angestrebter Kundennutzen, angestrebte Kundenfunktion und Ertragsquellen“ [7-30]. HEINRICH [7-32] beschreibt Geschäftsmodelle als eine Organisation, die selbstständig am Markt agiert; Geschäftsmodelle beziehen sich demnach auf Unternehmen oder Geschäftseinheiten, die ihre Aktivitäten weitgehend selbstständig entscheiden, planen und kontrollieren können. Dieser Ansatz ist generisch und systematisch aus dem aktuellen Stand der Wissenschaft hergeleitet. Geschäftsmodelle entspringen einer Geschäftsidee. Die Geschäftsidee determiniert das Leistungsangebot, das Kundensegement sowie die Prozesse und Ressourcen, die im Geschäftsmodell zur Umsetzung notwendig sind.
1
Die Begriffsdefinition in der Literatur wurde im Rahmen einer Institutsforschung am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich erarbeitet und [7-4] entnommen.
7.2 Geschäftsmodelle
427
Wichtig ist die Abgrenzung zwischen den Begriffen „Geschäftsmodell“ und „Strategie“. Strategien sind als grundsätzliche, langfristige Verhaltensweisen (Massnahmenkombinationen) zur Verwirklichung langfristiger Ziele einer Geschäftsidee zu verstehen. Im Gegensatz zu Geschäftsmodellen sind sie gestaltungs- und änderungsorientiert und haben eine zeitliche Dimension. Der Geschäftsmodellansatz gilt als neuer Forschungsansatz in der Managementwissenschaft, der insbesondere auch in der Wirtschaftsinformatik grosse Bedeutung erlangt hat. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass in der Wirtschaftsinformatik infolge der Innovationen im Bereich der Informationstechnologie, z.B. bei Internet und E-Commerce, Geschäftsmodelle mit neuen Prozess- und Organisationsstrukturen sowie neuen Marketingund Vertriebskonzepten notwendig sind. Zudem ermöglicht die neue Informationstechnologie innovative Kooperationen durch Zusammenführen weltweit erbrachter Dienstleistungen, besonders im Dienstleistungsbereich. Dies macht eine ganzheitliche Sichtweise erforderlich, die im Begriff des Geschäftsmodells zum Ausdruck kommt. Der Ansatz von ÖSTERLE [7-41] zielt auf die Definition einer zukünftig aussichtsreichen Erfolgs- und Wettbewerbsposition eines Unternehmens und nennt Ansatzpunkte, um diese zu erreichen. Die Durchgängigkeit zwischen Informations- und Strategiesystemen soll durch Definition und Offenlegung von Abhängigkeiten erreicht werden. Der Ansatz von FRANK [7-15] ist eine modellorientierte Darstellung strategischer Inhalte und Planungsaufgaben, mit dem die Anforderungen für die Perspektiven „Organisation“ und „Informationssystem“ des Geschäftsmodells ermittelt werden sollen. Ausgehend von der Definition von Geschäftsmodellen aus dem ITBereich und aufgrund informationstechnologischer Innovationen werden Geschäftsmodelle in BIEGER et al. [7-5] auf eine netzökonomische Perspektive erweitert. Danach zeichnen sich Geschäftsmodelle dadurch aus, dass sie gezielt Netzeffekte für sich nutzbar machen und in verschiedenen Sphären Netzwerke bewusst gestalten. Die theoretisch konzeptionellen Grundlagen werden dargestellt und durch Anwendung auf Branchen- bzw. Unternehmensfallstudien evaluiert. In BIEGER/RÜEGG-STÜRM/ROHR [7-6] werden acht Ansätze zur Strukturierung von Geschäftsmodellen dargestellt und im wesentlichen Antworten auf folgende Fragen verlangt [7-6]: x Leistungskonzept: Für welchen Kunden entstehen welche Nutzen? x Kommunikationskonzept: Wie wird die Leistung im relevanten Markt kommunikativ verankert? x Ertragskonzept: Wie werden Einnahmen erzielt?
428
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
x x x x
Wachstumskonzept: Welches Wachstumskonzept wird verfolgt? Kompetenzkonfiguration: Welche Kernkompetenzen sind erforderlich? Organisationsform: Was ist die Reichweite des eigenen Unternehmens? Kooperationskonzept: Mit welchen Kooperationspartnern wird zusammengearbeitet? x Koordinationskonzept: Welches Koordinationsmodell wird angewendet?
In KNYPHAUSEN-AUFSESS/MEINHARDT [7-36] wird ein Bezugsrahmen zur Strukturierung von Geschäftsmodellen aus der Strategieliteratur abgeleitet. Die drei konstituierenden Elemente von Geschäftsmodellen sind danach die Produkt-Markt-Kombination, die Durchführung und Konfiguration der Wertschöpfungsaktivitäten sowie die Ertragsmechanik. Es wird der Anspruch erhoben, dass der Geschäftsmodellansatz branchenübergreifend gültig sei. SCHWANINGER [7-45] schlägt das Geschäftsmodell gemäss Bild 221 vor, das sich aus fünf Dimensionen und deren Beziehungen zueinander zusammensetzt und speziell zur Bildung strategischer Geschäftsfelder (SGF) dient. Die Detailgestaltung innerhalb dieses Geschäftsmodells erfolgt im konkreten Einzelfall. Dazu schlägt SCHWANINGER eine Konfigurationsanalyse vor, anhand derer die fünf Dimensionen weiter unterteilt und mit Ausprägungen versehen werden können. Damit können mögliche Geschäftsfelder identifiziert und bewertet werden.
suchen
Kundenprobleme/ -bedürfnisse
Lösungstechnologien
haben
Kundengruppen
erzeugen
erreichen
Produkte
fliessen durch
Absatzwege
Bild 221: Perspektiven eines Geschäftsmodells [7-45]
In Publikationen von NEILSON, PASTERNACK und VISCIO [7-40], [7-55] sind die Herausforderungen und wesentlichen strukturellen Bereiche der
7.2 Geschäftsmodelle
429
Transformation eines traditionellen in ein modernes Unternehmen und dabei konkret die Identifikation der wesentlichen relevanten Handlungsfelder thematisiert. Das so genannte „Neue Geschäftsmodell“ (New Business Model) besteht aus fünf Elementen, die wie folgt umrissen werden: x Global Core (Abbildung der Geschäftsleitung hinsichtlich der Lenkung und Weiterentwicklung des Unternehmens) x Business Units (Modellierung der Geschäftseinheiten, ihrer Prozesse und gegenseitigen Interaktion) x Services (Beschaffung, Erstellung und Veräusserung von Produkten und Dienstleistungen) x Governance (spezielle Aufgaben der obersten Führungsebene wie Öffentlichkeitsarbeit und Management von Allianzen) x Linkages (Beziehungen und Verflechtungen der anderen vier Elemente) Basierend auf den oben dargestellten Ansätzen von SCHWANINGER [7-45] und NEILSON/PASTERNACK/VISCIO [7-40] schlägt HEINRICH [7-32] das in Bild 222 umrissene Geschäftsmodell vor. Prinzipiell beschreibt das Geschäftsmodell nach HEINRICH einerseits die Aussensicht auf die Situation eines Unternehmens, d.h. die Positionierung mit bestimmten Produkten bzw. Dienstleistungen in fokussierten Märkten, und andererseits die Innensicht, wobei unternehmenseigene Potenziale und Kompetenzen die entscheidende Rolle spielen. Die Aussensicht betrachtet, auf welchen Märkten ein Unternehmen mit welchen Produkten und Dienstleistungen präsent sein will und was die Charakteristiken und Bedürfnisse der Kunden sind. Dabei spielt insbesondere auch eine wichtige Rolle, inwieweit Leistungsbündel einen speziellen Kundenvorteil schaffen können. Das Modell von Heinrich umfasst folgende Elemente der Aussensicht [7-32]: x x x x x x x x x x x
Land/Region Abnehmer bzw. Kundengruppe Markenkonzeption und einseitige Kommunikation Preispolitik Vertriebsweg Qualitätsfaktoren der Vertriebswege Serviceleistungen Art des Vertriebskontakts (zweiseitig) Kernprodukte Qualitätsfaktoren der Produkte Grundsatz der Leistungskombination
430
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Aussensicht Wettbewerber
Leistungserstellungsprozess
Kunden
Managementprozesse
Absatz
Beschaffung
Lieferanten
Innensicht
Supportprozesse
Ersatzprodukte
Bild 222: Aussen- und Innensicht eines Geschäftsmodells [7-32]
Betrachtungsgegenstand der Innensicht sind die Kompetenzen und Stärken des Unternehmens, die zur Umsetzung der Aussensicht erforderlich sind. Des Weiteren ist zu untersuchen, mit welchen Organisationsstrukturen und Kooperationskonzepten die Kompetenzen und Stärken optimal in Wettbewerbsvorteile umgesetzt werden können. Das Modell von Heinrich umfasst folgende Elemente der Innensicht [7-32] x x x x x x x
Kooperationspartner Koordination zwischen Vertriebswegen räumliche Dezentralisierung Quellen von Kompetenzen (Ressourcen) Wirkung der Kompetenzen Organisationsstruktur und -verhalten Unternehmenskultur
7.2.2 Geschäftsmodell als Gestaltungsrahmen einer Geschäftsidee Aufgrund der sich verändernden externen Anforderungen an die Bauwirtschaft und des zunehmenden Wettbewerbsdrucks in den traditionellen Geschäftsfeldern werden die Herausforderungen zur Gestaltung neuer Geschäftsmodelle für Geschäftsfelder mit lebenszyklusorientierten Leistun-
7.2 Geschäftsmodelle
431
gen immer deutlicher. Angesichts des fast vollkommenen Wettbewerbs in den traditionellen Bauleistungsgeschäftsfeldern verlangt der heutige Baumarkt Veränderungen. Die neuen, meist lebenszyklusorientierten Geschäftsfelder fordern neue Leistungs-, Support- und Kooperationsprozesse, die sich von denen der traditionellen Geschäftsfelder signifikant unterscheiden. Die signifikanten Unterschiede konstituieren sich aus folgenden Merkmalen [7-25]: x lebenszyklusorientiertes Leistungsangebot x kooperative Leistungserstellung, die weitgehend die gesamte Wertschöpfungskette eines Bauwerks erfasst x Kosten- und Kompetenzführerschaft durch optimale Prozesse x langfristige Kundenbefriedigung durch kompetente, nutzerorientierte Prozesse Diese Charakteristiken lassen sich nicht einfach durch Adaption bestehender Geschäftsmodelle erfüllen. Daher müssen Konzepte entwickelt werden, die es ermöglichen, generisch aus einer neuen Geschäftsidee ein zielorientiertes Geschäftsmodell zu bilden. Einem Geschäftsmodell liegt immer eine Geschäftsidee zugrunde. Geschäftsmodelle verfolgen als Geschäftsidee oft kooperative Leistungsangebote, die netzwerkartig kollaborative Wertschöpfungsmuster aufweisen, deren Hintergrund die Konzentration der Unternehmen auf Kernkompetenzen wie z.B. Systemführerschaft und Spezialleistungen in Bezug auf Gewerke und Projektphasen (Rohbau, HKL, Ausbau, Betrieb der Heizung, Unterhalt) ist. Die Geschäftsmodelle beschreiben, wie Unternehmen ihre Geschäfte betreiben und mit ihrer direkten Umgebung in Verbindung stehen. Die Inhalte eines Geschäftsmodells sind: x Gestaltung und Beschreibung der unternehmensübergreifenden kooperativen / kollaborativen Wertschöpfungsprozesse (Leistungserstellungsprozess und Supportprozesse) x Rolle des einzelnen Unternehmens im kooperativen / kollaborativen Wertschöpfungsprozess und die Art der Vernetzung mit den beteiligten Akteuren Die Strukturierung des Geschäftsmodells muss folgende Aspekte beinhalten: x Zweck und Nutzen der geschaffenen Werte für den Kunden x Wettbewerbsstrategie, um den Kunden die Vorteilhaftigkeit des Leistungsangebots aufzuzeigen und sich von den Wettbewerbern zu differenzieren
432
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
x Realisation der Wertschöpfung als Prozess mit Verantwortlichkeiten, Aufgaben, Abläufen und Rollen der beteiligen kooperativen / kollaborativen Akteure / Partner Auf der Realisationsebene des Geschäftsmodells sind folgende strategische Elemente relevant (Bild 223): x Potenziale – Beschreibung und Gestaltung der Potenziale, die zur beabsichtigten Nutzenstiftung führen x Prozess – Beschreibung und Gestaltung der Geschäfts- und Leistungserstellungsprozesse mit neuartigen Wegen der Nutzenstiftung x Akteure – Beschreibung der Bedeutung der am Wertschöpfungsprozess beteiligten Akteure und ihrer interaktiven Vernetzung sowie Gestaltung der kooperativen Prozesse x Rollen – Beschreibung und Gestaltung der Rollen der Kooperationsund Wirtschaftspartner, d.h. wie sie am Wertschöpfungsprozess beteiligt sind (Aufteilung des generierten Nutzens, Machtverteilung etc.) Allgemeines Umfeld
Ökonomisches Umfeld
Soziales / gesellschaftliches Umfeld
Geschäftsmodell
Lieferanten
Rollen
Nutzen Leistungsergebnis
Potenziale
Leistungsziele
Kunden
Prozesse
Akteure
Technologisches Umfeld
Ökologisches Umfeld
Bild 223: Interaktion der Realisationselemente eines Geschäftsmodells
Zur zielorientierten Gestaltung der Geschäftsmodelle für die unabhängigen strategischen Geschäftsfelder sind folgende Analysen relevant: x Umfeldanalyse – Entwicklungen im Markt, bei Kunden, Konkurrenten, Lieferanten, Verfahren und Prozessen x Potenzialanalyse – Istsituation im Markt, im Unternehmen, bei Leistungen, Produkten etc.
7.2 Geschäftsmodelle
433
x Wertschöpfungsanalyse – Istsituation und Neugestaltung mit Rollen, Prozessen, Akteuren etc. x Implementierungsanalyse – Stufen der Umsetzung Nach Durchführung dieser Analysen müssen die interaktiven Prozesse des Geschäftsmodells gestaltet werden (Bild 224). Dazu gehören x der Leistungserstellungsprozess als fokale, zentrale, projektspezifische Wertschöpfung, x die Supportprozesse, um den Leistungserstellungsprozess zielorientiert zu unterstützen, das Know-how bereitzustellen, Risiken zu identifizieren und zu steuern etc., x die Einbindung der Kooperationspartner in den Leistungserstellungsprozess und die Supportprozesse, um kollaborativ das spezifische Knowhow der Partner synergetisch mit einem Minimum an Transaktionskosten zu inkorporieren, x die Managementprozesse, die fokal, aber kollaborativ die wertschöpfenden Prozesse steuern sowie das Geschäftsmodell strategisch einerseits auf das globale Umfeld und andererseits auf das Branchenumfeld ausrichten. Ökonomisches Umfeld
Kunden
Soziales / gesellschaftliches Umfeld
Leistungserstellungsprozess
Ersatzprodukt
Supportprozesse
Nutzen Leistungsergebnis
Potenziale Leistungsziele
Lieferanten
Managementprozesse
Akteure / Kooperationspartner Technologisches Umfeld
Wettbewerber
Ökologisches Umfeld
Bild 224: Interaktive Prozesse eines Geschäftsmodells
Die konstituierenden strategischen Elemente eines Geschäftsmodells, eingebettet in das Umfeld, sind in Bild 225 dargestellt. Ausgehend von der Geschäftsidee und Wettbewerbsstrategie wird der zentrale Wertschöp-
434
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
fungsprozess, der durch den Leistungserstellungsprozess und die Supportund Managementprozesse strukturiert ist, durch die strategischen Realisationselemente Potenziale, Prozesse, Akteure und kollaborative Partner sowie Rollen ausgestaltet.
Zweck und Nutzen der Geschäftsidee
Markt, Branche
Ro lle n
Ak t Pa eur rt n e / er
es se
Wettbewerbsstrategie
Pr oz
le
Realisation des Wertschöpfungsprozesses
Leistungsergebnis
Führung, Koordination, Motivation
Po te nz ia
Leistungsziele
Kunde, Wettbewerber
Kosten, Know-how, Technologie etc.
Bild 225: Strategische Elemente eines Geschäftsmodells
Die strategische und operative Aufgabenstellung eines Geschäftsmodells ist in Bild 226 dargestellt.
Strategische Ebene Konzeption:
Operative Ebene Realisation:
Wettbewerbsstrategien
Leistungsangebot
Leistungserstellungsprozess
• Konzentration • Diversifikation • Projekteinstieg
• Analyse von Markt / Ressourcen / Know-how • Konzeption / Entwurf des Leistungsbündels • Kunden- / Partnerfokus • Konzeption der ressourcenorientierten Anbietervorteile in der Wertschöpfungskette
• Projektabwicklungsprozess • Unternehmensorganisationskonzept Projektkonzept • Kooperations- und Allianzkonzept • Kompetenzbereitstellungskonzept • Risikoportfoliokonzept
Bild 226: Gestaltung eines Geschäftsmodells
Konzeption der Realisierung und Finanzplanung
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 435
Bild 227 zeigt ein kollaboratives PPP-Geschäftsmodell (Private-PublicPartnership-Geschäftsmodell) für Infrastrukturen. Einerseits wird das Leistungsangebot durch eine Kooperation zwischen einem Systemführer, z.B. einem internationalen Bauunternehmen, sowie Anlagenbauer, Planergesellschaft und Betreiber angeboten und realisiert. Andererseits werden PPP-Projekte in der Betriebsphase (Auftragserfüllungsphase) partnerschaftlich interaktiv mit dem öffentlichen Auftraggeber abgewickelt. Die partnerschaftliche Interaktion mit dem Kunden bei Lebenszyklusleistungen ist in Bild 227 durch den intendierten, alternierenden Wertschöpfungsprozess zwischen öffentlichem Auftraggeber und Leistungsanbieter (Gesamtleistungsprozess Bauwerk) dargestellt. Auch sind die Aufgaben und Interaktionen von Innen- und Aussensicht des Geschäftsmodells nochmals zusammengefasst.
Bild 227: PPP-Geschäftsmodell mit Interaktion von Kunde und Leistungsanbieter
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten In den letzten Jahrzehnten wurden die meisten Bauprojekte nach den etablierten, traditionellen, investitionskostenorientierten Projektabwicklungsformen [7-25] wie z.B.
436
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
x Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform x Generalleistungsträgerprojektabwicklungsform x Totalleistungsträgerprojektabwicklungsform abgewickelt, wobei die Mehrzahl der Bauprojekte mittels Einzelleistungsträgerform mit detaillierten Leistungsbeschreibungen für die Gewerke der Einzelleistungsträger realisiert wurde. In den letzten Jahren hat sich eine neue Form der Projektabwicklung, das Construction Management [7-25], in Europa verbreitet. Die Construction-ManagementProjektabwicklungsform (CM) hat ihren Ursprung in den USA und ist dort weit verbreitet. In der Vergangenheit hat man die Einzelleistungsträgerabwicklungsform branchenweit mit x detaillierten Leistungsbeschreibungen, x standardisierten Vertragswerken, x standardisierten Vergabeprozessen professionalisiert. Dies hat für Bauherren, Projektleiter und Unternehmen den Vorteil x der Rechtssicherheit, x der Qualitätssicherheit sowie der weitgehenden Leistungssicherheit in Bezug auf Massen- und Leistungsumfang. Zudem erhalten die Unternehmen der Bauwirtschaft aufgrund der detaillierten Planung, Leistungsbeschreibungen und Verträge eine überschaubare, effiziente Basis für ihre Preisbildung. In dieser Konstellation übernehmen meist Architekten und Projektsteuerer die Aufgabe der Gesamtleitung der Bauprojekte; dies führt formal zu grosser Rechtssicherheit für die Beteiligten mit weitgehend klaren Abläufen. Aufgrund dynamischer Veränderungen in Märkten und bei Kunden werden Bauprozesse von der Entscheidung bis zur Realisierung immer kürzer. Dadurch ergeben sich u.a. folgende Probleme für die Bauherren / Investoren: x Die Leistungen sind, trotz detaillierter Standardverzeichnisse, oft nicht vollständig beschrieben. x Die konfliktarme Koordination der Ersteller fragmentierter Leistungen im Produktionsprozess ist für Bauherr und Projektleiter schwierig. Daraus entwickeln sich folgende Nachteile:
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 437
x Aufgrund von unvollständigen Leistungen und Koordinationsproblemen entstehen Nachträge. x Kostensicherheit besteht erst nach Vergabe aller Leistungen bzw. erst am Projektende. Ferner fliesst kaum Know-how der Ausführenden in die Planung ein. Damit entstehen weder Innovationen, die das Gebäude als Ganzes betreffen, noch ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Auch der harte Preiswettbewerb, den diese Projektabwicklungsformen (Einzelleistungen/Generalunternehmerleistungen) ermöglichen, kompensiert in den meisten Fällen die Nachteile nicht. Aus diesen Gründen ist das Kundeninteresse an Gesamtleistungen stark gewachsen und zeigt steigende Tendenz. Die Hauptaufgabe der Unternehmen bei Gesamtleistungen besteht darin, das Projektmanagement und die Koordination der Planung und/oder der Ausführung sicherzustellen sowie die Qualität und, wenn vertraglich vereinbart, die Termine und den Preis zu garantieren. Die Generalleistungen bzw. Gesamtleistungen werden sowohl von Planern wie auch von Bauunternehmen angeboten. Der Unternehmer schliesst mit dem Kunden immer einen Werkvertrag ab, wobei der Preis für die Realisierung der Bauwerke unterschiedlich definiert werden kann [7-25]. Heute verwendet man eine Vielzahl von Begriffen zur Beschreibung der Leistungsbündel; nachfolgend einige Schlagworte, mit denen die Gesamtleistungen bzw. Leistungsbündel identifiziert werden: x x x x x x
funktionale Ausschreibung GU- / TU-Projekte Rohbau GU / TU spartenübergreifende Bauprojekte schlüsselfertiges Bauen integrale Projekte
Die meisten Bauunternehmen bieten Einzelleistungen an; bei Einzelleistungen erstellt der Unternehmer im Rahmen der Bauausführung nur eine Werkgruppe. Viele Generalunternehmen haben sich aus dem Einzelleistungsgeschäft entwickelt.
438
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
7.3.1 Geschäftsfeld – Einzelleistungsanbieter Markt und Kunden
Diesem konventionellen Geschäftsfeld liegt die Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform zugrunde, die bei kleineren und einfachen Bauvorhaben weit verbreitet ist. Sie ist sehr flexibel und kann in der Planungsund Ausführungsphase für alle Gewerkeleistungen angewendet werden [725]. Unternehmensprozesse Planung HKL-Planer
Management-Prozesse
Management-Prozesse
Akq u isitio n
Marketing
A ng e b otsb e a rb e itu n g
A uftra g sve rha n d lu ng
Personal/ Administration
G en e h miAV OR/ P ro du kg u ng e n + A u sfüh ru n gs- tio nsp la n un g p la n u n g
Information/ Dokumentation
Ba u a us fü h run g
Beschaffung/ Dienstleistung
A b na h me / Üb erg a b e
Finanzen/ Recht
Con tra ctin g in d e r Nu tzu n g sph a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq uisitio n
An g e bo tsb e arb e itu ng
Au ftra gsverh a n dlun g
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
S upport- / Ressourcen-Prozesse
Ge n e hmiA VOR/ P ro d u kg un g e n + A us fü h ru ng s- tio n sp la nu n g p la n u ng
Information/ Dokumentation
Ba u au sfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn a h me/ Übe rg a be
Co n tracting in d e r Nu tzu n gsp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq uisitio n
An g e bo tsb e arb e itu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gsverh a n dlun g
Personal/ Administration
Marketing
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ge n e hmiA VOR/ P ro d u kg un g e n + A usfü h ru ng s- tio n splan u n g p la n u ng
Information/ Dokumentation
Ba u au sfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn a h me/ Übe rg ab e
Co n tracting in d er Nu tzu ng sp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Ak qu isitio n
An g eb o tsb ea rb e itun g
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sve rh a nd lu n g
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ge n eh miA VOR/ Pro d u kgu n g en + Au sfü h run g s- tio n sp la n u n g p la nu n g
Information/ Dokumentation
B a ua u sfüh ru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab n a hme / Üb e rga b e
Co n tra ctin g in de r Nu tzun g sp h as e
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Inve st or Bauh err Be treiber Nutzer Kundenzufriede nheit = Le istungserg ebnis
Unternehmensentwicklung
Inve st or Besteller Bauherr Nutzer Kunden be dürf nis = L eistung szie l
Organisationsstruktur
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Ausbauplaner Inve st or Bauh err Be treiber Nutzer Kundenzufriede nheit = Le istungserg ebnis
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse
Inve st or Besteller Bauherr Nutzer Kunden be dürf nis = L eistung szie l
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Angebotsmanagement
Inve st or Bauh err Be treiber Nutzer Kundenzufriede nheit = Le istungserg ebnis
Inve st or Besteller Bauherr Nutzer Kunden be dürf nis = L eistung szie l
Leitbild / Leistungsauftrag
Inve st or Besteller Bauherr Nutzer Kunden be dürf nis = L eistung szie l
Konstruktions planer
Management-Prozesse
Inve st or Bauh err Be treiber Nutzer Kundenzufriede nheit = Le istungserg ebnis
Architekt / Infrastrukturplaner
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bauüberwachungsprozess Bauwerkserstellungsprozess Planungsprozess
Bauproduktionsprozess
Genehmigungs und Ausführungsplanung
Bauunternehmen
Rohbau
HKLUnternehmen Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Marketing
An g e bo tsb e arb e itu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gsverh a n dlun g
Personal/ Administration
Ge n e hmiA VOR/ P ro d u kg un g e n + A us fü h ru ng s- tio n sp la nu n g p la n u ng
Information/ Dokumentation
Ba u au sfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
A bn a h me/ Übe rg a be
Finanzen/ Recht
Co n tracting in d e r Nu tzu n gsp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq uisitio n
Marketing
An g e bo tsb e arb e itu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gsverh a n dlun g
Personal/ Administration
Ge n e hmiA VOR/ P ro d u kg un g e n + A usfü h ru ng s- tio n splan u n g p la n u ng
Information/ Dokumentation
Ba u au sfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn a h me/ Übe rg ab e
Finanzen/ Recht
Co n tracting in d er Nu tzu ng sp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcen-Prozesse
Invest or Besteller Bauh err Nutzer Kunden bedürf nis = L eistung szie l
A kq uisitio n
Ausbauunternehmen Invest or Bauh err Be tre iber Nut zer Kunde nzufriede nheit = Le istungsergebnis
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse
Invest or Besteller Bauh err Nutzer Kunden bedürf nis = L eistung szie l
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Angebotsmanagement
Invest or Bauh err Be tre iber Nut zer Kunde nzufriede nheit = Le istungsergebnis
Invest or Besteller Bauh err Nutzer Kunden bedürf nis = L eistung szie l
Management-Prozesse Leitbild / Leistungsauftrag
HKL/ Ausbau E+M Technik
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Ak qu isitio n
Marketing
An g eb o tsb ea rb e itun g
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sve rh a nd lu n g
Personal/ Administration
Ge n eh miA VOR/ Pro d u kgu n g en + Au sfü h run g s- tio n sp la n u n g p la nu n g
Information/ Dokumentation
B a ua u sfüh ru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab n a hme / Üb e rga b e
Finanzen/ Recht
Co n tra ctin g in de r Nu tzun g sp h as e
Wissens- und Innovationsmanagement
Invest or Bauh err Be tre iber Nut zer Kunde nzufriede nheit = Le istungsergebnis
Konzept-, Business-, Entwurfs- und Vorplanung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Unternehmensprozesse Bauproduktion
Bild 228: Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform – Interaktion der Leistungsanbieter- und Bauwerkserstellungsprozesse
Die wichtigste Eigenschaft der Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform [7-25] besteht in der direkten vertraglichen Beziehung des Kunden mit allen am Bau Beteiligten, da er mit den Spezialisten Einzelverträge für die jeweilige Gewerkeleistung abschliesst. Die mit den Bauwerkserstel-
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 439
lungsprozessen interagierenden Leistungsanbieterprozesse sind für Einzelleistungsanbieter in Bild 228 dargestellt. Der Bauherr beauftragt meist einen Architekten als Projektleiter und Bauherrenvertreter. Dadurch erfolgen Ausschreibung, Vergabe, Kontrolle und Abrechung der Bauleistungen über den Architekten, der infolgedessen eine quasi „Kundenstellung“ als Multinachfrager von Bauleistungen am Markt erhält. Für den Unternehmer steht oft nicht der Bauherr als Kunde im Mittelpunkt, sondern dessen beauftragter Stellvertreter; die lokalen Architekten haben somit für die Unternehmer Kundenstatus. Vorteile der Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform für den Kunden: x x x x
Sie ist vielseitig anwendbar. Der Kunde kann direkt ins Geschehen eingreifen und korrigieren. Die Vertragsformen und die Rechtsprechung sind bekannt. Die Unternehmensrisiken sind geringer.
Die Nachteile für den Kunden überwiegen jedoch und können wie folgt festgehalten werden: x Die Koordination einer Vielzahl von Einzelverträgen führt zwangsweise zu Verantwortungslücken, was wiederum zu Leerläufen führt, die meist Terminverzögerungen und Mehrkosten zur Folge haben. x Der Kunde trägt die terminlichen und die finanziellen Risiken; dabei wird das wirtschaftliche Optimum nur selten erreicht. x Die Regelung der Haftungsfrage bei Mängeln ist nicht einfach. Daher richten sich die primären Wettbewerbs- und Marktstrategien der Unternehmen auf die Architekten in ihrem operativen Marktumfeld. Leistungsangebot
Das Leistungsangebot der Unternehmen beinhaltet meist begrenzte Gewerke- bzw. Werkleistungen wie x x x x x
Rohbau Zimmermannsarbeiten Dacheindeckung Heizungs- und Installationsarbeiten Fussbodenverlegung
Bauunternehmen mit dem Geschäftsfeld Einzelleistungen führen nur Gewerkeleistungen / Werkgruppenleistungen wie z.B. die Herstellung des Rohbaus oder Spezialgründungen aus; bezogen auf das Gesamtprojekt bie-
440
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
ten sie nur Teilleistungen an. Das hat zur Folge, dass der Unternehmer sich spezialisieren kann und versuchen muss, die Kostenführerschaft zu erreichen. Wettbewerbsstrategie
Die Wettbewerbsstrategie der Unternehmen besteht meist in der Erzielung der Kostenführerschaft, verbunden mit Termin- und Qualitätssicherheit. Da es im Regelfall, trotz der Regionalität der Operationsbasis der Unternehmen, eine hohe Anzahl von Anbietern gibt, lässt sich die wirkliche Kostenführerschaft nicht erreichen. Die Effizienzvorsprünge in den Leistungsangeboten der Unternehmer sind relativ gering und werden durch Adaption durch die Konkurrenz schnell aufgezehrt. In den meisten Fällen wird eine solche Leistung der vollkommenen Konkurrenz unterliegen. In diesem Fall ist quasi jedes Unternehmen austauschbar, weil meist nur eine Differenzierung über den Preis erfolgt. Nur in wenigen Nischenleistungen können sich Leistungsanbieter mit einer Spezialisierung differenzieren. Leistungserstellungsprozess
Die meisten Unternehmen, die Einzelleistungen anbieten, halten die Produktionsressourcen an Inventar und Fachpersonal vor und verfügen meist über einen eigenen Bauhof. Die Produktion wird mit eigener AVOR vorbereitet. Diese Unternehmen müssen eine vorausschauende Angebots- und Kapazitätsplanung durchführen, um die allgemeinen Geschäftskosten gering zu halten. Einige solcher Unternehmen beauftragen Subunternehmer mit z.B. den Bewehrungsarbeiten oder mieten projektspezifisch Schalungssysteme an. Im Vordergrund steht bei ihnen die Kosteneffizienz des Leistungserstellungsprozesses und der Supportprozesse, um im Rahmen des Marktpreisniveaus Gewinne bzw. Deckungsbeiträge zu erzielen. 7.3.2 Geschäftsfeld – Generalleistungsanbieter Markt und Kunden
Heute werden viele grössere Projekte, besonders im Hochbau, mittels Generalleistungsträgerprojektabwicklungsform realisiert [7-25]. Mit dieser Projektabwicklungsform bieten die Leistungsanbieter dem Bauherrn/Kunden die schlüsselfertige Herstellung des Bauwerks aus einer Hand. Für den Bauherrn/Kunden werden die Vorteile der Einzelträgerleistung mit denen der Gesamtleistung vereinigt, indem meist
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 441
x detaillierte Leistungsbeschreibungen, x standardisierte Vertragswerke mit einem Gesamtpreis, der möglichst mit Termin- und Preisgarantien abgesichert ist, gekoppelt werden. In vielen Fällen zählen professionelle Bauherren im Bereich Büro- und Mietwohnungsbau, die meist komplexere Projekte realisieren, zu den Kunden. Leistungsangebot
Der GU bietet im Konkurrenzverfahren die schlüsselfertige Erstellung des Bauwerks meist unter Übernahme von Risiken und Garantien für Preis, Termine und Qualität an; dies muss jedoch vertraglich fixiert werden. Er übernimmt das gesamte Schnittstellenmanagement aller beteiligten Gewerke. Der Bauherr bzw. sein Projektleiter hat während der Ausführung, aber auch bei Gewährleistungsansprüchen, nur einen Ansprechpartner. Die mit den Bauwerkserstellungsprozessen interagierenden Leistungsanbieterprozesse sind für Generalunternehmerleistungen in Bild 229 dargestellt. Im Rahmen des Generalleistungsangebots bietet der Unternehmer dem Kunden zudem folgende Garantien: x Der GU haftet gegenüber dem Kunden im Rahmen des abgeschlossenen Werkvertrags; er kann somit die Leistungs-, Termin-, und Kostenrisiken übernehmen. x Bei Beschädigungen während der Bauzeit oder Mängeln nach Abnahme des Bauwerks hat der Kunde einen einzigen Ansprechpartner, den GU, der allfällige Werkmängel frist- und fachgerecht beseitigt.
442
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Unternehmensprozesse Planung
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akqu isitio n
An g eb o tsb e arb e itu n g
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sverh a n dlu ng
Support- / Ressourcen-Prozesse
G e ne h miAVO R/ gu n g e n + Prod u kAu sfü h run g s- tion spla n un g p la n un g
Information/ Dokumentation
Ba u a usfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn a h me / Ü be rg ab e
Co n tractin g in d e r Nu tzu n g sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Unternehmensstrategie
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement An g e bo tsb e a rbe itun g
Akq uisition
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gsve rh a n d lu n g
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ge n eh miAVOR/ g un g e n + Pro du kAu sfü h ru ng s- tio nsp la n u ng p la n u ng
Information/ Dokumentation
Ausbauplaner
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Bau a u sfü h ru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab na h me / Üb erg a be
Co n tra cting in de r Nu tzun g sp h ase
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
Ang e b o tsbe a rb eitu ng
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftra g sve rha n d lu n g
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ge n e hmiAVOR/ g u n ge n + Pro d u kAusfü hru n g s- tio n sp la n u n g p lan u n g
Information/ Dokumentation
Ba ua u sfü h run g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab n ah me / Üb e rg a b e
Co ntra ctin g in d er Nutzu ng sp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
An ge b o tsb ea rb e itu n g
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra g sve rh a nd lun g
Support- / Ressourcen-Prozesse
G en e h miAVO R/ g u n g en + Pro d u kAu sfü h ru n g s- tio n sp lan u n g pla nu n g
Information/ Dokumentation
Ab n a hme/ Üb e rga b e
Ba u au sfüh ru ng
Beschaffung/ Dienstleistung
Co n tra ctin g in d e r Nu tzu n gsp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Beschaffung/ Dienstleistung
Co ntra ctin g in d e r Nu tzu n gsp h a se
Fassadenplaner
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Information/ Dokumentation
Ab n a hme/ Üb e rga b e
Ba u au sfü h ru ng
Unternehmensstrategie
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Ge n e h miAVO R/ g u n g en + P ro d u kAu sfü h ru n g s- tio n sp lan u n g p la nu n g
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra g sve rh an d lun g
Leitbild / Leistungsauftrag
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
An ge b o tsb ea rb e itu n g
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
HKL-Planer
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Unternehmensstrategie
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Konstruktions planer
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Architekt/ Infrastrukturplaner Leitbild / Leistungsauftrag
Support- / Ressourcen-Prozesse
Generalplaner (GP) Investor Besteller B auherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kquisition
An gebo tsb earbeitu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uftragsverhand lun g
Personal/ Administration
Marketing
G ene hmiAV OR/ P ro dukg unge n + Ausführun gs- tio nsplanu ng planu ng
Information/ Dokumentation
Ba uausführun g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab nahme/ Üb ergabe
Contracting in der Nutz ungsph ase
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bauherrenberater Konzeptplaner Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Investor Besteller B auherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A k qu isit io n
A ng eb o tsbe arbe itu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A u ftra g sve rh an dlu n g
Personal/ Administration
Marketing
G en e hmiA VO R/ g un ge n + P rod u kA u sfü hrun gs - t ion sp la nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
B au au sf üh ru ng
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab na hme / Üb erga be
Finanzen/ Recht
Con trac tin g in d e r Nu tzu n gs p ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
M anagement-Prozesse
Bauüberwachungsprozess
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bauwerkserstellungsprozess Planungsprozess
Bauproduktionsprozess Ausbau HKL/ E+M Technik
Rohbau
InitialisierungsEntwurfsGenehmigungsprozess Bauherr : und und AusKonzept-, Vorplanung führungsplanung Businessplan
Invest or Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq uisition
Ang ebotsbe arb eitung
Au ftra gsve rh andlung
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement G eneh miA VO R/ Produ kgu ngen + A usführungs- tionspla nung pla nung
Information/ Dokumentation
Bau ausführung
Beschaffung/ Dienstleistung
Contra cting in de r Nutzun gsphase
Abn ahme/ Übe rga be
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Management-Prozesse Leitbild / Leistungsauftrag
Support- / Ressourcen-Prozesse
Generalunternehmer (GU) Unternehmensprozesse Bauproduktion
Finanzen/ Recht
Co ntra ctin g in d e r Nu tzu n gsp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akqu isitio n
Marketing
An g eb o tsb e arb e itu n g
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sverh a n dlu ng
Personal/ Administration
G e ne h miAVO R/ Prod u kgu n g e n + Au sfü h run g s- tion sp la n un g pla n un g
Information/ Dokumentation
Ba u a usfü hru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
A bn a h me / Ü be rg ab e
Finanzen/ Recht
Co n tractin g in d e r Nu tzu n g sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akqu isitio n
Marketing
A ng e b o tsbe a rb e itu n g
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gsve rh a n dlu n g
Personal/ Administration
Ge n e h miAVO R/ Prod u kg u n ge n + A usfü hru n g s- tion spla n u ng p lan u n g
Information/ Dokumentation
Ba ua u sfü h run g
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ab n a h me / Üb e rg ab e
Finanzen/ Recht
Co n tra ctin g in de r Nu tzun g sp h ase
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
Marketing
Ang e b o tsbe a rb eitu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftra g sve rha n d lu n g
Personal/ Administration
Ge n e hmiAVOR/ Pro d u kg u n ge n + Ausfü hru n g s- tio n sp lan u n g p la n u n g
Information/ Dokumentation
Ba ua u sfü h run g
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ab n ah me / Üb e rg a b e
Finanzen/ Recht
Co ntra ctin g in d er Nutzu ng sp h a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
Marketing
An g eb o tsb e arb e itu n g
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra g sve rh a nd lun g
Personal/ Administration
G en e h miAVO R/ Prod u kgu n g en + Au sfü h run g s- tion spla n un g p la nu n g
Information/ Dokumentation
Ba u a usfüh ru n g
Beschaffung/ Dienstleistung
Ab n a hme / Üb e rg ab e
Finanzen/ Recht
Co n tra ctin g in d e r Nu tzu n gsph a se
Wissens- und Innovationsmanagement
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ab n a hme/ Üb e rga b e
Leitbild / Leistungsauftrag
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Information/ Dokumentation
Ba u au sfü h ru ng
Unternehmensentwicklung
Ausbauunternehmen
Fassadenbau unternehmen
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Personal/ Administration
Ge n e h miAVO R/ P ro d u kg u n g en + Au sfü h ru n g s- tio n sp la nu n g p lan u n g
Unternehmensstrategie
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftra g sve rh an d lun g
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Marketing
An ge b o tsb ea rb e itu n g
Leitbild / Leistungsauftrag
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq u isitio n
HKLUnternehmen
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Unternehmensstrategie
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Investor Besteller Bauherr Nutzer Kundenbedürfnis = Leistungsziel
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Bauunternehmen
Ausführungsplaner Leitbild / Leistungsauftrag
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bild 229: Gesamtleistungsträgerprojektabwicklungsform – Interaktion der Leistungsanbieter- und Bauwerkserstellungsprozesse
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 443 Wettbewerbsstrategien
Das Geschäftsfeld Generalleistungen eröffnet gegenüber Bauunternehmen, die nur z.B. Rohbauleistungen anbieten, eine Differenzierungsstrategie. Aufgrund der meist vorliegenden detaillierten Planung und Leistungsbeschreibung besteht für die Generalunternehmer jedoch nur noch geringes Optimierungspotenzial; deshalb muss die Wettbewerbsstrategie auch auf die Kostenführerschaft ausgerichtet werden. Da Generalunternehmen im Wesentlichen die Ausführung koordinieren und somit die Schnittstellen managen, wird ein Grossteil der Leistung an Subunternehmer vergeben. Durch die Konzentration auf wenige Marktsegmente bzw. Leistungsbereiche können jedoch die Kernkompetenzen weiter gesteigert und damit eine deutliche Leistungsdifferenzierung gegenüber Wettbewerbern erreicht werden. Besonders bei bautechnisch anspruchsvollen Projekten bietet der Generalunternehmerwettbewerb dem Bauherrn grosse Vorteile, da die Unternehmen ihr besonderes Know-how zur Geltung bringen können. Für ein effektives Projektmanagement ist hier eine vertiefte Kenntnis und Erfahrung im Bereich der Bauausführung erforderlich; der Generalunternehmer hat daher aufgrund der Erfahrungen und Kompetenzen seiner eigenen Ausführungsbereiche einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Generalübernehmer. Auch unter terminlichen Gesichtspunkten bietet eine vertiefte Herstellungsprozesskompetenz grosse Vorteile, weil sie eine maximale und dennoch kontrollierte Kompression und Parallelisierung der Bauvorgänge ermöglicht. Leistungserstellungsprozess
Die Kernkompetenzen des Generalunternehmers sind das Ausführungsmanagement und die kompetente Beherrschung der Bauausführung, zumindest der Schlüsselgewerke. Sie ermöglichen ihm, die Bauausführung zu optimieren, die Wirtschaftlichkeit und Produktivität der Bauproduktion zu steigern, damit Kosten- und Zeitvorteile für den Bauherrn zu erreichen und gleichzeitig für sich komparative Konkurrenzvorteile zu erarbeiten. Der GU kann alle Leistungen, die unter dem Generalleistungsvertrag zu erbringen sind, optimal koordinieren. Dies ist besonders unter Terminaspekten wichtig: die Bauprozesse können maximal parallelisiert und ihre Dauer minimiert werden. Der Generalunternehmer wird in der Regel nur die Bauhilfsmassnahmen planen; in manchen Fällen wird auch die Ausführungsplanung des Rohbaus als Subunternehmerleistung an ihn vergeben. Damit sichert sich der Bauherr eine bessere Koordination zwischen Ausführungsplanung und
444
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Bauausführung in Bezug auf die Gestaltung der baubetrieblichen Arbeitsabschnitte und deren zeitliche Koordinierung. Die Genehmigung der Pläne erfolgt durch den Architekten oder Ingenieur des Bauherrn. Für die meisten Gewerke beauftragt der Generalunternehmer Subunternehmer; hier wird oft das Instrument der Erzielung von Vergabegewinnen eingesetzt. Der Generalunternehmer muss x die Kostenkompetenz zur Beurteilung der Subunternehmerleistungen haben und x die Steuerungs- und Leitungskompetenz zur sicheren Erreichung der Projektziele im eigenen Haus vorhalten. Nur dann kann er sicherstellen, dass die folgenden Aufgaben zielorientiert durchgeführt werden: x x x x
Analyse der vorhandenen Risiken vor Vertragsabschluss konsequentes Qualitäts-, Termin- und Kostencontrolling Selektion leistungsfähiger Subunternehmer widerspruchsfreie Gestaltung der Subunternehmerverträge
7.3.3 Geschäftsfeld – Totalleistungsanbieter Markt und Kunden
Heute werden, besonders im Hochbau, grössere Projekte vermehrt mittels Totalunternehmerprojektabwicklungsform realisiert. In diesem Geschäftsfeld sind die Funktionen der Planer und des Generalunternehmers unter einem Vertrag vereinigt. Der Totalunternehmer (TU) sollte durch ein gezieltes Anforderungsmanagement die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden vor Vertragsabschluss im Detail ergründen und abklären [7-25]. Der TU-Vertrag basiert entweder auf einer detaillierten Funktions- und Objektbeschreibung oder auf den bereinigten Unterlagen eines Projektwettbewerbs. In beiden Fällen müssen die Qualitätsanforderungen genau definiert und, wenn möglich, durch ein Referenzprojekt belegt bzw. in Entwurfsplänen und Raumbuch dargelegt werden. Die Kunden sind hauptsächlich professionelle Bauherren, die ein Projekt aufgrund festgelegter funktionaler Anforderungen möglichst aus einer Hand zu festen Terminen und Kosten erwarten.
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 445 Leistungsangebot
Im Geschäftsfeld Totalleistungen bietet der Totalunternehmer dem Kunden Planungs- und schlüsselfertige Bauleistungen aus einer Hand an. Ein solches Leistungsbündel enthält meist vertraglich vereinbarte Gewährleistung x für Planung und Herstellung, x für Terminsicherheit und x für Kostensicherheit. Wettbewerbsstrategie
Das Geschäftsfeld des Totalunternehmers eröffnet den Unternehmen ein hohes Differenzierungspotenzial. Der TU kann seine unternehmerische Phantasie, sein Systemkonzept und seine Prozesstechnologie zur wirtschaftlichen und technischen Optimierung der Projekte für den Bauherrn und sich selbst einbringen. Die mit den Bauwerkserstellungsprozessen interagierenden Leistungsanbieterprozesse sind für Totalunternehmerleistungen in Bild 230 dargestellt. Neben der Differenzierungsstrategie eignet sich auch eine Konzentrationsstrategie, z.B. im Bürohausbau oder Krankenhausbau. Leistungserstellungsprozess
Im Regelfall wird der Totalunternehmer den Wettbewerb mit einem hervorragenden Architekten partnerschaftlich, aber unter seiner unternehmerischen Verantwortung durchführen (Bild 230). Von Anfang an gilt bei Totalleistungsangeboten das Ziel, ein Bauwerk zu erstellen, das x die funktionalen Anforderungen, x die Vorgaben des Businessplans und x die Terminvorgaben erfüllt. Dazu ist es notwendig, dass der Totalunternehmer die Kompetenz des Systemführers für die Bereiche x x x x
Anforderungsmanagement, Planungs- und Ausführungsmanagement, Kalkulation, technische Systemintegration
personell abdeckt. Ferner bauen Totalunternehmen aufgrund der immer komplexeren Anlagen- und Steuerungstechnik im Rahmen des Leistungs-
446
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
erstellungsprozesses vermehrt Kooperationen im Bereich der technischen Ausbaugewerke auf.
Bauherrenberater / Konzeptplaner Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Investor Besteller Bauherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
Management-Prozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq uisition
A n ge bot sb ea rbe it un g
Personal/ Administration
Marketing
Auftrags- und Ausführungsmanagement G en ehmiA V OR/ gu ng en + P rod ukA us füh run gs- tion sp la nu ng plan un g
A uf tra gsve rha nd lung
Information/ Dokumentation
Ba ua usf ührun g
Beschaffung/ Dienstleistung
Co ntractin g in d er Nutzu ng sp ha se
A bn ah me/ Übe rg abe
Finanzen/ Recht
Wissens- und Innovationsmanagement
Bauüberwachungsprozess
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bauwerkserstellungsprozess Planungsprozess
Bauproduktionsprozess
WettbewerbsGenehmigungsphase: und AusEntwurfsplanung, führungsplanung Baubeschreibung, Preis-Leistungsangebot
Entwurfsplan und Ausschreibung
Konzept-, Businessplan
Rohbau
HKL/ Ausbau E+M Technik
Totalunternehmer (TU)-Kooperationen Architekt/ Generalplaner In ve stor Besteller B auherr Nu tzer K undenbe dürfnis = Leistu ngszie l
Investor Besteller B auherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement A n geb ot sb earbeit ung
A kq uisition
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uf trag sve rha nd lu ng
Personal/ Administration
Marketing
G ene hmiA V OR/ gu nge n + Produ kA usf ührun gs- tions pla nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
B a ua usfü hrung
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn ah me/ Übe rga be
Finanzen/ Recht
Co ntractin g in d er Nu tzu ngs p ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungsergebnis
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement Angebotsbearbeitung
Akquisition
GenehmiAVOR/ Produkgungen + Ausführungs- tionsplanung planung
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Marketing
Support- / Ressourcen-Prozesse
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Information/ Dokumentation
Bauausführung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Finanzen/ Recht
Investor Bauherr Betreiber Nutzer Kundenzufriedenheit = Leistungserg ebnis
Management-Prozesse
Management-Prozesse
Support- / Ressourcen-Prozesse
Generalunternehmer (GU) TU-Leistungserstellungsprozess
A n ge bo tsb ea rbe itun g
Marketing
Personal/ Administration
Support- / Ressourcen-Prozesse
Gen eh miAV O R/ gu ng en + P rod ukA u sfüh run gs- tion sp la nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
Ba ua usf üh run g
Unternehmensentwicklung
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn ah me/ Übe rg abe
Finanzen/ Recht
Co nt ractin g in d er Nutzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
A n geb ot sb earbeit ung
Marketing
...
Rohbauunternehmen Management-Prozesse
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse
A kqu isit io n
Marketing
A ng ebo tsbe arb eitu ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Au ftragsverh an dlun g
Personal/ Administration
Ge neh miA V OR/ P ro duk g un gen + Au sfü hru ng s- tio nsplan un g p la nu ng
Information/ Dokumentation
B au au sfüh ru ng
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
Ab na hme / Üb erg ab e
Finanzen/ Recht
Con tra cting in de r Nut zun gsph ase
Wissens- und Innovationsmanagement
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uf trag sve rha nd lu ng
Personal/ Administration
G ene hmiA V OR/ gu nge n + Produ kA usf ührun gs- tions pla nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
B a ua usfü hrung
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn ah me/ Übe rga be
Finanzen/ Recht
Co ntractin g in d er Nu tzu ngs p ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
An ge bo tsb ea rbe itun g
Unternehmensstrategie
A kq uisition
Marketing
A n geb ot sbe arbeitu ng
Personal/ Administration
Marketing
Personal/ Administration
G ene hmiA V OR/ Produ kgu nge n + A usf ührun gs- tionspla nun g plan un g
Information/ Dokumentation
Gen eh miAV O R/ gu ng en + P rod ukA u sfüh run gs- tion sp la nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
Ba ua usf üh run g
Unternehmensentwicklung
Beschaffung/ Dienstleistung
A b nah me / Üb erg abe
Finanzen/ Recht
Co nt ractin g in d er Nutzu ng spha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcen-Prozesse
Management-Prozesse
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uft rag sve rha nd lu ng
Organisationsstruktur
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A u ftra gsve rh and lun g
Ausbauunternehmen
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Ak quisitio n
Support- / Ressourcen-Prozesse
Management-Prozesse
Angebotsmanagement
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq uisition
Support- / Ressourcen-Prozesse
In ve st or Ba uh err Be tre ibe r Nutze r Kun denz ufriedenh eit = Leis tun gs erg eb nis
In ve stor Best eller B auh err Nu tzer K unden be dürfnis = L ei stu ng szie l
Organisationsstruktur
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A u ftra gsve rh and lun g
Inve stor Ba uh err Be tre ibe r N ut ze r Kun de nzufri ede nh eit = Le istungserg eb nis
Wissens- und Innovationsmanagement
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akq uisitio n
B a ua usfü hru ng
Beschaffung/ Dienstleistung
Support- / Ressourcen-Prozesse
A bn ah me/ Übe rga be
Finanzen/ Recht
Co ntracting in d er Nu tzu ngsp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq uisition
Marketing
A n geb ot sb earbe it ung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uf trag sve rha nd lu ng
Personal/ Administration
G ene hmiA V OR/ Prod ukgu ng en + A usf üh run gs- tion spla nu ng plan un g
Information/ Dokumentation
B a ua usfü hrung
Beschaffung/ Dienstleistung
A bn ah me/ Übe rga be
Finanzen/ Recht
Co ntractin g in d er Nu tzu ng sp ha se
Wissens- und Innovationsmanagement
In ve st or Ba uh err Be tre ibe r Nutze r Kun denz ufriedenh eit = Leis tun gs erg eb nis
Finanzen/ Recht
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
In ve st or B esteller B auh err Nu tz er K und enbe dürf nis = L eistung sz iel
Beschaffung/ Dienstleistung
Co ntracting in d er Nu tzu ngsp ha se
Inve stor Ba uh err Be tre ibe r N ut ze r Kun de nzufri ede nh eit = Le istungserg eb nis
Unternehmensentwicklung
A bn ah me/ Übe rga be
Management-Prozesse
In ve stor Best eller B auh err Nu tzer K unden be dürfnis = L ei stu ng szie l
Information/ Dokumentation
B a ua usfü hru ng
In ve st or Ba uh err Be tre ibe r Nutze r Kun denz ufriedenh eit = Leis tun gs erg eb nis
Personal/ Administration
G ene hmiA V OR/ gu nge n + Produ kA usf ührun gs- tionspla nun g plan un g
In ve st or B esteller B auh err Nu tz er K und enbe dürf nis = L eistung sz iel
Organisationsstruktur
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uft rag sve rha nd lu ng
Inve stor Ba uh err Be tre ibe r N ut ze r Kun de nzufri ede nh eit = Le istungserg eb nis
Marketing
A n geb ot sbe arbeitu ng
...
Management-Prozesse
In ve stor Best eller B auh err Nu tzer K unden be dürfnis = L ei stu ng szie l
Unternehmensstrategie
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
A kq uisition
In ve st or B esteller B auh err Nu tz er K und enbe dürf nis = L eistung sz iel
Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Management-Prozesse Inve stor Ba uh err Be tre ibe r N ut ze r Kun de nzufri ede nh eit = Le istungserg eb nis
In ve st or B esteller B auh err Nu tz er K und enbe dürf nis = L eistung sz iel
Management-Prozesse Leitbild / Leistungsauftrag
HKLUnternehmen
HKL-/ Fassadenplaner
Konstruktions planer
Support- / Ressourcen-Prozesse
Bild 230: Totalleistungsträgerprojektabwicklungsform – Interaktion der Leistungsanbieter- und Bauwerkserstellungsprozesse
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 447
7.3.4 Geschäftsfeld – Construction-ManagementLeistungsanbieter Markt und Kunden
Das Construction-Management-Geschäftsfeld ist mit dem TU-Geschäftsfeld vergleichbar, wobei der Construction Manager (CM) jedoch das Projekt in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Kunden seit Beginn der ersten Idee entwickelt [7-25]. Der Unternehmer steigt in diesem Geschäftsfeld also schon in der Projektentwicklung, d.h. in der Konzeptphase, in das Projekt ein. Im Fokus eines CM-Geschäftsfelds stehen hauptsächlich Kunden, für die „time to market“ bedeutend ist, z.B. in der Chipindustrie. Investoren nutzen diese Projektabwickungsform vermehrt, um ihre Bauinvestitionen professionell und renditeorientiert umzusetzen. Für diese Kunden steht die frühzeitige, professionelle Garantie der Kostensicherheit im Vordergrund. Leistungsangebot
Die Unternehmen bieten im Rahmen des Construction Managements Gesamtleistungen an, die meistens die Konzept- und Vorentwurfsphasen umfassen und bis zur schlüsselfertigen Übergabe gehen können. Die Eigenleistungstiefe der Unternehmen ist meist auf die Systemführerschaft und die folgenden Kernaufgaben begrenzt [7-24]: x x x x
Projektmanagement Konzeptplanung mit funktionalen und wirtschaftlichen Aspekten Anforderungsmanagement Planungskoordination des Entwurfs, der meist von einem renommierten Architekten entwickelt wird x Koordination der Fachplanung und Fachunternehmen durch eigene Fachingenieure x Kostenplanung in allen Phasen des Projekts Die Konzeptplanungskompetenz des Unternehmens dient dazu, die Leistungsziele des Bauherrn interaktiv zu ermitteln, zu analysieren, zu bewerten und Alternativen zur Erreichung der Ziele zu entwickeln. Auch Alternativen zum Neubau müssen ernsthaft untersucht werden, um dem Bauherrn alle Möglichkeiten aufzuzeigen. Die Kostenkompetenz des Unternehmens leistet hierbei einen entscheidenden Beitrag. Um die Konzeptplanung zielgerichtet umzusetzen, ist das Anforderungsmanagement zur Erreichung der Nutzen-Kosten-Zielfunktion des Bauherrn/Investors, die bei der folgenden Planung konsequent eingehalten
448
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
werden muss, unumgänglich. Die im Rahmen des Anforderungsmanagements entwickelte Kosten-Nutzen-Zielfunktion hat gestaltenden Einfluss auf x x x x
Funktionalität, Architektur, Qualität und Nutzungsflexibilität
und definiert die langfristige Rendite und Werterhaltung der baulichen Investition. Die mit dieser Beratungsleistung einhergehenden Kernkompetenzen [7-42] muss der Unternehmer als Construction Manager dem Investor/Bauherrn zur Verfügung stellen. Ferner muss er in den Folgephasen die Umsetzung steuern und überwachen. Die Planungskoordination stellt sicher, dass einerseits durch einen „Stararchitekten“ ein qualitativ hochwertiger architektonischer Entwurf generiert wird, der die langfristige Werthaltigkeit gewährleistet, und dass andererseits die Kosten-Nutzen-Zielfunktion der Rendite eingehalten wird. Eigene Bauproduktionskapazität wird nur in sehr geringem Umfang genutzt, beispielsweise um eine Baustelle schon zu beginnen, während noch mit Subunternehmern verhandelt wird, um Leistungsschwächen bei Subunternehmern zu kompensieren oder um die starke Verhandlungsposition der Subunternehmer bei hoher Marktnachfrage einzugrenzen [7-23]. Die Kostenkompetenz in Bezug auf die Marktnachfrage hinsichtlich der Objekte (Verkaufs- und Mietpreise) und die Kosten bzw. Preise für Bauleistungen stellt eine Schlüsselkompetenz dar. Sie dient dazu, einerseits den Investor zur Erzielung langfristiger Renditen „richtig“ zu beraten und andererseits durch das eigene Leistungsangebot die Kostenführerschaft sicherzustellen. Wettbewerbsstrategie
Die Wettbewerbsstrategie im Rahmen eines CM-Geschäftsfelds ist eine Differenzierungsstrategie in ausgesuchten Leistungssegmenten, z.B. Büround Wohngebäude oder Fabrikanlagen. Im Vordergrund steht nicht der Preiswettbewerb, sondern meist ein Leistungswettbewerb mit einem Leistungsbündel, das sich aus einem Marketing-Mix aus x x x x x
Produktionsqualität, Preis- und Renditesicherheit, Terminsicherheit, Beratungsqualität und Vertrauensqualität
7.3 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder investitionskostenorientierter Leistungsangeboten 449
zusammensetzt. Das Geschäftsfeld muss systematisch mit Kunden erschlossen werden, die eine problemlose, zielorientierte Bauprojektentwicklung erwarten. Der Erfolgsgenerator ist die Kundenzufriedenheit, die dann das Image des Unternehmens im CM-Geschäftsfeld prägt. Leistungserstellungsprozess
Beim Construction-Management-Leistungsangebot beginnt die Wertschöpfung im Unternehmen bereits in der Analyse- und Konzeptphase des Bauwerks. Einige wichtige Merkmale des Construction Managements sind x phasenweises Vorgehen mit Zwischenentscheidungen des Kunden, x Mitarbeit der Schlüsselunternehmen (Einbringen der Ausführungskompetenz) bereits in der Planungsphase, x interdisziplinäre Optimierung in Bezug auf Kosten, Termine, Qualität, x Ausführung des Projekts zu einem vereinbarten Preis (Pauschale, Kostendach etc.), x Ausführung von Dienstleistungen oder Bauaufgaben durch den Systemführer. Normalerweise wird für jede Phase ein Einzelvertrag mit „offenen Büchern“ ausgehandelt, in dem der Leistungsumfang und die Entschädigung geregelt werden. Die Einzelverträge werden unter einem Rahmenvertrag zusammengefasst. Nach jeder Phase hat der Kunde die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen und das Projekt zu beenden oder es fortzuführen. Die Phasen des Construction Managements (CM) können wie in Tabelle 18 strukturiert werden.
450
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Tabelle 18: Phasen der Leistungserstellung im Construction-ManagementProzess
Phase 0: Analyse
Ziel: Wahl der Grundoptionen Analyse der Bedürfnisse Mögliche Lösungen mit ihrer Beurteilung Standortabklärungen
Phase 1: Vorprojekt
Ziel: Grundsatzentscheidung ja / nein Bauplatzsuche Vorprojekt mit ersten Optimierungen Bewilligungsabklärungen Finanzierungsmöglichkeiten Verbindliche Angaben über Kosten und Termine
Phase 2: Projekt
Ziel: Grünes Licht für die Realisierung Kauf des Bauplatzes Definitives Bauwerksgestaltungs- und Betriebskonzept Bauprojekt mit Optimierungen Baubewilligung Werkvertrag (definitiver Preis und Termine) Finanzierung
Phase 3: Ausführung
Ziel: Realisierung mit Garantie für Qualität, Preis und Termin Ausführungsprojekt mit letzten Optimierungen Rohbau, Innenausbau, Ausrüstung Abnahme, Inbetriebsetzung, Schulung Vorbereitung des Umzugs
Phase 4: Betrieb
Ziel: Optimierung der Rentabilität des investierten Kapitals Verwaltung Betrieb Dienste
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen Der Wettbewerb der heutigen Leistungsangebote in allen bisherigen Projektabwicklungsformen (Einzel-, Werkgruppen-, General- und Totalleistungsanbieter) schliesst nur Planung und Bau der baulichen Anlagen, d.h. die Investitionskosten, ein; der Wettbewerb konzentriert sich im Wesentlichen nur auf die Planungs- und Baukosten. Dabei wird übersehen, dass die
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 451
jährlichen Unterhalts- und Betriebskosten nach ca. 7–10 Jahren bei den meisten baulichen Anlagen (ohne Zinseszins) bereits die Investitionskosten bei Inbetriebnahme erreichen (Bild 231). Das Optimierungs- und Innovationspotenzial der Nutzungsphase wird nicht einbezogen.
Jährliche Betriebskosten in Prozent der Baukosten Gebäudeart Schulen und Kindergärten
31 %
Krankenhäuser
26 % 21 %
Hallenbäder
17 %
Sporthallen
15 %
Freibäder Verkehrsanlagen
10 %
Produktionsgebäude
10 %
Büro- und Verwaltungsgebäude
8.5 %
Bild 231: Life-Cycle-Kosten – Jährliche Betriebskosten im Verhältnis zu den Baukosten (Quelle: Bayerische Staatsbauverwaltung, zitiert in [7-25])
Bauherren, die ihre baulichen Anlagen auf Rendite und langfristige Werterhaltung ausrichten, haben erkannt, dass die traditionellen Projektabwicklungsformen häufig nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. Die Rendite- und Werterhaltungsorientierung kann nur durch einen Life-CycleAnsatz [7-20] erreicht werden. Die Nachfrageinitiative kommt nicht von den viel zitierten „ökonomisch Handelnden“ der privaten Wirtschaft, sondern von der in finanzielle Bedrängnis geratenen öffentlichen Hand im Rahmen von PPP-Initiativen. Da PPP-Projekte meist Planung, Bau und Betrieb enthalten und die Gesamtkosten unterhalb des Gesamtnutzens liegen müssen, unterliegen diese Projekte einem Lebenszykluswettbewerb. Aber auch viele professionelle Bauherren der Luft- und Raumfahrt, der Automobil- und Chemieindustrie wie z.B. BAA, Intel, Mercedes fordern eine Life-Cycle-Optimierung ihrer Gebäude. Hierzu ist es notwendig, ein wettbewerbsfähiges Umfeld zu schaffen, in dem gewerkeübergreifende, ganzheitliche Innovationen gefördert werden. Ganzheitliche Innovationen
452
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
erfordern einen Zusammenschluss zwischen dem Hauptauftragnehmer – der für die gesamte Bauwerksnutzungsdauer verantwortlich ist – und den Planern und Lieferanten/Herstellern für Fassade und HKLSE-Gewerke. Die Anforderungen an lebenszyklusorientierte Leistungen eröffnen für Bauunternehmen neue strategische Geschäftsfelder mit Life-CycleLeistungsangeboten. Zur Ausgestaltung von Life-Cycle-Leistungsangeboten eignet sich der Ansatz „Life-Cycle-Contracting baulicher Anlagen“ auf der Basis des Systemanbieter-Ansatzes (SysBau®). Er baut auf einer Kooperation zwischen den Hauptauftragnehmern für Projekte in einem bestimmten Marktsegment auf, um durch Innovationen und kontinuierliche Verbesserungen zur Optimierung der Projekte bzw. Minimierung der Life-Cycle-Kosten zu gelangen. Des Weiteren erfordert der Ansatz eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Bauherrn und dem Life-Cycle-Auftragnehmer. Mittels Preiskatalogen für Varianten/Projektveränderungen wird das Angebot für den Kunden flexibel gestaltet. Dem Bauherrn wird es dadurch ermöglicht, in jeder Projektphase zum spätestmöglichen Zeitpunkt Entscheidungen zur Anpassung des Bauwerks an die Nutzeranforderungen flexibel und unter Einhaltung des vereinbarten Kostendachs zu treffen. Der Bauherr trägt die Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen, der Auftragnehmer für das Management und die Durchführung der vereinbarten Leistungen. Life-cycle-orientierte Leistungsangebote ermöglichen auf Leistungsanbieterseite eine Systemoptimierung der baulichen Anlagen. Damit kann die bauliche Anlage bereits vor der Erstellung in der Angebotsphase bezüglich der Investitionskosten und der Nutzungskosten über einen definierten Zeitraum unter Wettbewerb gestellt werden. Der Bauherr erhält so – neben der Garantie der Investitionskosten – eine erweiterte Garantie für die entstehenden Nutzungskosten und damit für die angestrebte Rendite. Das Marktrisiko des Verkaufs und der Vermietung wird er weiter tragen. Ein wesentlicher Vorteil des Systemanbieterkonzepts [7-21], [7-20] liegt in dem dazugehörigen Leistungsbündel: der Anbieter kann das gesamte Leistungsspektrum von Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb sowie Unterhalt anbieten. Er hat dadurch einen Anreiz, das Projekt über dessen gesamten Lebenszyklus ganzheitlich zu optimieren, und die Kriterien für den wirtschaftlichen Betrieb und Unterhalt des Projekts fliessen schon optimal in die Planung ein. Das Gleiche gilt für die Baumethoden. Dieser Wettbewerb stellt an den Systemanbieter die Anforderung, alle erforderlichen Systemkompetenzen bereitzuhalten und durch ein leistungsfähiges Projektmanagement untereinander zu vernetzen. Der Systemanbieter unterscheidet sich einerseits vom Totalunternehmer, indem er kundenorientierte Gesamtlösungen anbietet, die vollständig auf
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 453
die Bedürfnisse der Kunden zugeschnittenen sind und auf einem sowohl funktional als auch gestalterisch und/oder technisch optimierten, lifecycle-orientierten Systemkonzept basieren. Die Abgrenzung andererseits zum integrierten Facility Manager besteht darin, dass dieser dem Bauherrn entlang der Wertschöpfungskette Bauwerk nur Managementleistungen (Bauherrenaufgaben) im eigentlichen Sinn anbietet. Er managt im Auftrag des Bauherrn dessen bauliche Anlagen (Facilities); der Systemanbieter hingegen bietet Sachleistungen mit integrierten Dienstleistungen im Rahmen des integrierten Facility Managements an. Systemleistungsangebote stellen gegenüber den traditionellen Einzel-, Gesamt- und Totalleistungsangeboten einen Paradigmenwechsel dar. Der Fokus wechselt von den Investitionskosten zu den Life-Cycle-Kosten für bauliche Anlagen; der Übergang (Bild 232) ist jedoch mit Prozessinstabilitäten verbunden.
Bild 232: Paradigmenwechsel von Investitionskosten zu Life-Cycle-Kosten
Der Beitrag der Prozesse der traditionellen Projektabwicklungen zum langfristigen Projekterfolg stagniert, da sie im Regelfall nicht auf die LifeCycle-Kosten, sondern nur auf die Investitionskosten ausgerichtet sind (Bild 232). Von den Unternehmen der Bauwirtschaft sind neue Projektabwicklungsformen mit Leistungsinnovationen gefordert, die allerdings mit Risiken verbunden sind, da neue Leistungsangebote sich erst noch in der Entstehung befinden. Der Unternehmer, der solche Leistungsangebote im Rahmen eines neuen Geschäftsfelds anbietet, muss bei der Gestaltung des Geschäftsmodells beachten, dass es sich von der Marktphasenorientierung
454
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
her in der Entwicklungs- bzw. Einführungsphase befindet. Diese Marktbzw. Leistungszyklusphase (Bild 233) beinflusst (s. auch Kapitel 1) x die Markt- und Wettbewerbsstrategie, x die Organisations- und Kooperationsstruktur sowie das Umsatz- und Gewinnpotenzial. Kundenpotenziale lassen sich somit bei professionellen Bauherren finden, die langfristig rendite- und wertorientiert investieren. Leistungssegmente beinhalten Bürogebäude, Wohnanlagen, Fabriken etc.
Leistungsinnovation 1 Umsatz [CHF] Umsatz
Gewinn [CHF]
Leistungsinnovation 2
Gewinn
Service Contracting
Einführung
Degeneration
Reife
Wachstum
Einführung
Entwicklung
Marktphasen:
Entwicklung
Bild 233: Leistungs-/Produktlebenszyklus
7.4.1 Systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot - Potentielle Zielkunden Life-Cycle- bzw. LC-Leistungsangebote gehören nach der taxonometrischen Strukturierung von GIRMSCHEID zu den Systemleistungsangeboten (Systemgeschäft) für Privatkunden sowie für öffentliche Auftraggeber, die PPP-Projekte mit Beschaffungscharakter oder Projekte mit langfristigen und umfassenden Lebenszyklusgarantien für die Betriebs- und Unterhaltskosten realisieren möchten. Zur Projektabwicklung eignen sich für private
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 455
Kunden die von GIRMSCHEID [7-26] entwickelten mehrstufigen Projektabwicklungsformen. Private, professionelle Bauherren (Bild 234) können ihre Beschaffungsvorgänge im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten weitestgehend selbst frei gestalten. Potentielle Auftraggeberarten für lebenszyklusorientierte Systemleistungsangebote
Segementierungskriterien
Öffentliche Auftraggeber Öffentlich/ Privat
Private Auftraggeber
Staatl. Organe (Bund, Kanton, Gemeinde)
Privatrechtl. Organisationen o. staatl. Bezug
Beschaffung unterliegt Gesetzen und Verordnungen
Beschaffung kann im Rahmen der gesetzlich. Möglichkeiten frei gestaltet werden
Professionelle Auftraggeber Nachfragehäufigkeit und -volumen PPP-Projektabwicklungsmodelle
PPP-Projekte Investitionszweck
Schulen Verwaltungsgebäude Kläranlagen …
LC-Projekte Schulen Verwaltungsgebäude …
Gelegenheitsauftraggeber
Häufiges bzw. hohes Nachfragevolumen
Seltenes bzw. geringes Nachfragevolumen
I.d.R. eigene baufachl. Kapazitäten
Keine eigenen baufachl. Kapazitäten
Institutionelle Investoren Reine Investition bzw. Kapitalanlage Starker Renditefokus
Gewerbliche Selbstnutzer Bauen für den Eigenbedarf Befriedigung eines eigenen Nutzungsbedürfnisses
„Bereitstellung“ Erfüllung eines Bereitstellungsauf trages Vermietung v. Nutzungsfläche
Systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote
Bild 234: Potentielle Zielkunden für lebenszyklusorientierte Systemleistungsangebote
Für öffentliche Bauherren eignen sich im EU-Raum ([7-8], [7-9], [7-14], [7-37]) das x Verhandlungsverfahren und der x wettbewerbliche Dialog als Projektabwicklungsform [7-28] für PPP- und andere z.B. lebenszyklusorientierte Projekte. In der Schweiz ([7-10], [7-46]) dürfen auf kantonaler Ebene diese Abwicklungsformen nicht angewendet werden. Alternativ eignen sich für systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote in der Schweiz bei öffentlichen Auftraggebern modifizierte x Investorenwettbewerbe bzw. x TU-Wettbewerbe die zusätzlich Garantien für Betrieb und Unterhalt beinhalten müssen.
456
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Entsprechend der Typologie der Auftragnehmersegmentierung nach GIRMSCHEID2 werden als Zielkunden private sowie öffentliche Kunden mit einer hohen Motivation hinsichtlich „Nachhaltigkeit“ ihrer Immobilien identifiziert. In der Einführungsphase dieses systemgeschäftlichen LCLeistungsangebots eignen sich besonders: x öffentliche Bauherren, die PPP-Beschaffungsprojekte realisieren möchten und x private, meist professionelle Bauherren, die langfristig die Werterhaltung sowie Rendite ihrer Immobilien sichern wollen. Öffentliche Bauherren, die PPP-Beschaffungsprojekte realisieren möchten, fokussieren auf die Lebenszykluskosten ihrer Investitionen und nicht wie üblich nur auf die Investitionskosten. Daher eignet sich diese Kundengruppe zur Einführung solcher systemgeschäftlichen LCLeistungsangebote. Da bei PPP-Projekten nicht nur die Investitionskosten sondern insbesondere auch die Lebenszykluskosten als Entscheidungskriterium dienen, sind energetisch sowie unterhaltstechnisch optimierte Gebäude als systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote von privaten Leistungsanbietern der Schlüssel zur erfolgreichen Zielerreichung. Bei PPP-Projekten müssen meist die Betriebs- und Unterhaltskosten unter Berücksichtigung eines definierten Standard-Nutzerverhaltens im Rahmen eines Service Level Agreements [7-43] garantiert werden. Dies motiviert potentielle Leistungsanbieter dazu, ressourcen- und nutzungsoptimierte Gebäude zu entwickeln und projektspezifisch nach den Bedürfnissen des jeweiligen Kunden anzubieten. Private, professionelle Bauherren, die Besitzer ihrer Immobilien bleiben, sind langfristig an deren Marktwert und der Rendite etwaiger Neuinvestitionen bzw. Erneuerungsmassnahmen im Bestand interessiert. Darüber hinaus weisen sie aufgrund ihres häufigen bzw. hohen Nachfragevolumens das entsprechende Erfolgspotential für die Einführungsphase eines neuen systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebotes auf. Die Kundengruppe privater, professioneller Bauherren lässt sich in Bezug auf ihr primäres Investitionsinteresse weiter untergliedern in: x gewerbliche Selbstnutzer, die zum Zweck der Befriedigung eines eigenen Nutzungsbedürfnisses investieren,
2
Vgl. Kap. 3.6
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 457
x Vermieter, die zum Zweck der Erfüllung eines Bereitstellungsauftrags bzw. zur Bereitstellung von Gebäudeflächen für ein nachfragendes Buying Center investieren und x institutionelle Investoren, welche die Immobilieninvestition als eine reine Kapitalanlage mit starkem Fokus auf die Rendite betrachten. Zur Einführung von systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten sollten Bauunternehmen bzw. entsprechende Leistungsanbieter spezifische strategische Geschäftsfelder (SGF) bzw. strategische Geschäftseinheiten (SGE) bilden. Internationale Bauunternehmen sowie grosse Baudienstleister haben bereits strategische Geschäftseinheiten (SGE) gebildet für: x PPP-Leistungen – mit Lebenszyklusverantwortung in Partnerschaft mit öffentlichen Auftraggebern x CM-Leistungen – ohne Lebenszyklusverantwortung, jedoch für Gesamtinvestitionen Im Rahmen solcher strategischen Geschäftseinheiten (SGE) können optimierte, kooperative, systemgeschäftliche LC-Leistungen angeboten werden. Alternativ können diese oder zusätzliche SGE auf die innovativen, systemgeschäftlichen LC-Leistungen hin neu ausgerichtet werden. In der Einführungsphase des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots am Baumarkt sollte das neue LC-Leistungsangebot schwerpunktmässig auf gewerbliche Selbstnutzer sowie die PPP-Nachfrage der öffentlichen Hand abgestimmt werden. Dabei steht es grundsätzlich auch anderen Kundengruppen offen. Gewerbliche Selbstnutzer sowie die PPP-Nachfrage der öffentlichen Hand stellen die direktesten Anspruchsgruppen für lebenszyklusorientierte Immobilien dar, weil sie: x die Betriebs- und Unterhaltskosten sowie die sonstigen Bewirtschaftungskosten direkt selbst tragen, x ein Interesse an der vor allem kostenwirksamen Optimierung zur (energetisch) effizienten Bewirtschaftung ihrer Immobilien haben und x sich auf ihre unternehmerischen bzw. öffentlichen Kernkompetenzen konzentrieren wollen, die in der Regel nicht baubezogen sind. Nach erfolgreicher Einführung des systemgeschäftlichen LCLeistungsangebotes bei gewerblichen Selbstnutzern sowie öffentlichen PPP-Kunden wird sich die Nachfrage im Markt auch auf andere Nachfragegruppen, wie z.B. private Vermieter und Investoren, öffentliche Bauherren sowie private und öffentliche Gelegenheitsauftraggeber ausweiten. Ei-
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
ne wichtige Nachfragegruppe sind beispielsweise Pensionskassen und Immobilienfonds, die ein entsprechend grosses Portfolio an Miet- und Bürogebäuden besitzen und an einer nachhaltigen Werterhaltung und Rendite dieser Immobilien interessiert sind. Professionelle, private Bauherren sowie öffentliche PPP-Kunden entsprechen darüber hinaus den Kriterien, die relevante Zielkunden in der Einführungsphase neuer Angebotskonzepte nach SCHULTE [7-44] haben müssen: x Sie weisen in ihrer Eigenschaft als professionelle Bauherren eine vergleichsweise hohe Nachfragebedeutung für lebenszyklusorientierte Bauleistungen auf und x in ihrer Eigenschaft als gewerbliche bzw. öffentliche Selbstnutzer zur Aufgabenerfüllung ihres Geschäftsziels und aufgrund des Bedürfnisses nach mehr Lebenszyklusorientierung ihrer Gebäude, die sie in der Forderung nach einem entsprechenden Paradigmawechsel ausdrücken, können sie als innovationsfreudige Kunden bzw. sogenannte frühe Adopter eingestuft werden. Frühe Adopter stehen im Fokus der Akquisitionsbemühungen in der Einführungsphase des LC-Leistungsanbieters. Gewerbliche Selbstnutzer benötigen in ihrer Geschäftsausübung Immobilien z.B. für x x x x x
Verwaltung, Forschung und Entwicklung, Produktion, Logistik und Verkauf.
Als Beispiel für die gewählte Kundengruppe werden Banken, Versicherungen und sonstige Bauherren benannt, die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Büro- bzw. Verwaltungsgebäude benötigen. Öffentliche Selbstnutzer benötigen für ihre Aufgabenerfüllung Immobilien z.B. für x x x x x x
Verwaltung, Schulen, Gefängnisse, Krankenhäuser, Strassen/Werkhöfe und Leitungssysteme.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 459
Das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot schliesst grundsätzlich keine hier nicht erwähnten Kundengruppen aus. Vielmehr soll das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot nach der Einführung in den Markt und einer Etablierung während der Wachstumsphase auf andere Kundengruppe ausgedehnt bzw. übertragen werden. 7.4.2 Marktphasen von systemgeschäftlichen LCLeistungsangeboten Life-Cycle-Contracting [7-29] bzw. systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote stellen eine Leistungsinnovation gegenüber den traditionellen, investitionsorientierten ELT-, GU- und TU-Leistungsangeboten am Markt für Hochbauleistungen dar. Solche neuen, systemgeschäftlichen LCLeistungsangebote durchlaufen in ihren jeweiligen Märkten den sogenannten Leistungslebenszyklus. Dieser Leistungslebenszyklus besteht aus den Marktphasen [7-38] x x x x x
Entwicklung, Einführung, Wachstum, Reife und Degeneration/Rückgang.
In Abhängigkeit von den einzelnen Marktphasen sind die geeigneten Marktstrategien zu wählen sowie das Leistungsangebot zu strukturieren. Die Zweckmässigkeit des Leistungslebenszykluskonzepts mit seinen Marktphasen für die marktphasengerechte Positionierung eines systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots wurde bereits bei SCHULTE [7-44] gezeigt.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Bild 235: Verlauf von Umsatz und Gewinn in den Marktphasen des Leistungslebenszyklus einer Leistungsinnovation
Bild 235 zeigt den Verlauf von Umsatz und Gewinn einer Leistungsinnovation in den Marktphasen des Leistungslebenszyklus. Sie sind wie folgt charakterisiert: x In der Entwicklungsphase wird das systemgeschäftliche LCLeistungsangebot entwickelt. Der Leistungsanbieter geht dazu üblicherweise in finanzielle Vorleistung und belastet damit seine finanzielle Situation. Seine Motivation ist die Aussicht auf Umsätze und Gewinne nach Einführung des Produkts bzw. der Leistung. x In der Einführungsphase platziert der Leistungsanbieter seine Leistungsinnovation am Markt. Es kommt zu einem leichten, sukzessive zunehmenden Wachstum. Potentielle Leistungsabnehmer sind innovationsfreudige sogenannte Innovatoren [7-44]. Aufgrund der Entwicklungs- und Einführungskosten werden Gewinne zeitversetzt erwirtschaftet, weil zunächst die Vorleistungen amortisiert werden müssen. x In der Wachstumsphase erreicht das neue systemgeschäftliche LCLeistungsangebot eine breite Marktakzeptanz und Ausweitung in verschiedene Kundensegmente und führt dadurch zu einem starken Umsatzwachstum verbunden mit ansteigenden Gewinnen. x In der Reifephase nehmen die Gewinn- und Umsatzzuwachsraten ab. Das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot ist am Markt weitgehend akzeptiert. Wettbewerber adoptieren in grösserem Umfang das Leis-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 461
tungsangebot und etablieren sich damit im Marktsegment. Die Gewinne stagnieren, weil auf Grund des stärkeren Wettbewerbs mehr (finanzieller) Aufwand betrieben werden muss, um das Leistungsangebot bei potentiellen Kunden zu platzieren und weil der Preiswettbewerb zunimmt. Im Folgenden soll generisch eine mögliche Entwicklung von systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten und ihre Etablierung im Rahmen der verschiedenen Marktphasen erläutert werden. Davon abweichend können solche systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebote marktopportunistisch je nach Unternehmensvision entwickelt werden. Aufgrund der Komplexität und Risiken von systemgeschäftlichen LCLeistungsangeboten sollte die Entwicklung jedoch x strategisch x organisatorisch x methodisch sorgfältig geplant und mit den notwendigen Marketingstrategien und Ressourcen ausgestattet werden. Zur Entwicklung neuer systemgeschäftlicher LC-Leistungsangebote z.B. im Rahmen eines Businessplans eigenen sich die Leistungs- und Produktzyklen von ABRAMOVITZ [7-1]. Der generische Verlauf des Leistungslebenszyklus in den verschiedenen Marktphasen zeigt auf, wie x Kunden einerseits und x Wettbewerber andererseits auf die Einführung z.B. eines neuen systemgeschäftlichen LCLeistungsangebots im Hochbau reagieren. Einführungsphase
In der Einführungsphase zielen die Anstrengungen des LCLeistungsanbieters auf die Entwicklung des systemgeschäftlichen LCLeistungsangebots ab. Dabei sollen in bestehenden und bereits bekannten Märkten innovative Leistungen/Produkte etabliert werden. Die Herausforderung besteht darin, Kunden d.h. Bauherren für das neue Leistungsangebot zu gewinnen. Dabei ist insbesondere die Zurückhaltung hinsichtlich der zeitlich verlängerten Abhängigkeit der Bauherren von den Leistungsanbietern in die Nutzungsphase zu überwinden. Zu den systemgeschäftlichen LC-Leistungsinnovationen können z.B. x ressourcenoptimierte Gebäude und/oder x nutzungstechnisch optimierte Gebäude gehören.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Zu den ressourcenoptimierten Gebäuden gehören insbesondere die energetisch optimierten Gebäude. Dabei ist im Sinne einer nachhaltigkeitsorientierten Optimierung vor allem die Einsparung fossiler Energieträger vorrangig, weil sie unwiederbringlich verbraucht werden. Dagegen können Baumaterialien z.B. aus Mineralien und Metalle, die sich im Gebäudepark befinden bei Austausch und Abriss recycelt werden. Um die dringlichste Aufgabe zur Sicherung des zukünftigen Ressourcenbestandes zu absolvieren, muss der Konsum fossiler Energieträger besonders in der Nutzungsphase reduziert werden. Dazu ist es erforderlich, dass einerseits die Gebäudehülle und andererseits die Energiebereitstellung und -verteilung mit Bezug zur Gebäudenutzung optimiert werden. Dabei kann die allfällige LC-Kostenoptimierung die folgenden Kostenkomponenten beinhalten [7-27]: x Investitionskosten x Betriebskosten x Unterhalts- und Instandhaltungskosten Das Leistungsbündel zur Gesamtoptimierung bezieht sich auf die Identifizierung des optimalen x Fassaden- und Dachsystems sowie x Energiebereitstellungs- und Verteilungssystems. Bei nutzungsoptimierten Gebäuden müssen effiziente, kostengünstige Konzepte mit dem Ziel entwickelt werden, die Gebäude optimal an die Nutzungsbedürfnisse im Nutzungs- bzw. Lebenszyklus anzupassen. Dazu gehören die Anpassung des Gebäudes an neue Technologien, die Nutzer im Rahmen ihrer Nutzungsprozesse benötigen sowie räumliche und gestalterische Änderungen, die sich aufgrund von Nutzungsänderungen oder veränderte Nutzeranforderungen ergeben. Die notwendigen Synergien zur Entwicklung integrierter, systemgeschäftlicher LC-Leistungsbündel lassen sich durch Anbieterkooperationen am effizientesten realisieren. Die systemgeschäftlichen LC-Leistungsbündel z.B. eines Unternehmens oder einer Anbieterkooperation in der Einführungsphase sollten aus Leistungsbestandteilen bestehen, mit denen sowohl auf Seiten des Leistungsanbieters, als auch auf Seiten potentieller Kunden bereits erste Erfahrungen vorhanden sind (z.B. im Energy-Contracting-Markt). Die Risiken bei der Abgabe von Leistungs- und Kostengarantien halten sich so in überschaubarem Rahmen. Zudem können erste Erfahrungen hinsichtlich weiterer, innovativer Leistungsbestandteile gesammelt werden, die dann kontinuierlich weiterentwickelt werden.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 463
Im Rahmen einer Projektentwicklung oder eines TU-Leistungsangebots können Teile der Betriebskosten (z.B. die Heizenergiekosten) durch Leistungs- und/oder Kostengarantien abgedeckt werden. Darüber hinaus können nutzungskostenrelevante Leistungsgrössen (z.B. im Bereich der Haustechnik) durch den LC-Contracting-Leistungsanbieter für die Nutzungsphase garantiert werden. Mittels eines Bonus-Malus-Systems, bei dem sowohl der Leistungsanbieter als auch der Kunde partizipieren, ist sicherzustellen, dass die Leistungsgrössen im Planungsverlauf bis zur Gebäudefertigstellung und darüber hinaus auch in der Nutzungsphase optimiert werden. In jeder Lebenszyklusphase sollten die beteiligten Akteure nach dem LC-Optimum streben. Auch in der Einführungsphase können mit solchen systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten bereits öffentliche Auftraggeber im Rahmen von PPP-Angeboten angesprochen werden. Gerade die Public-PrivatePartnership (PPP) mit öffentlichen Auftraggebern eigenen sich zur Umsetzung und Erfahrungsgewinnung von systemgeschäftlichen LCLeistungsangeboten. Diese öffentliche Auftraggebergruppe sucht die Partnerschaft mit Privaten, um die notwendigen Infrastrukturen zur öffentlichen Aufgabenerfüllung zu einem Kostenminimum über den Nutzungszyklus von z.B. 25-30 Jahre bereitzustellen. SCHULTE [7-44] schlägt in der Einführungsphase Kostendachverträge mit Value Engineering für die Kostengarantien vor. Dabei werden die Akteure während der Planungs-. Bau- und Nutzungsphase anteilsmässig gemäss ihrem Beitrag zur LC-Optimierung durch das Value Engineering belohnt. So kann Vorbehalten begegnet werden, die auf beiden Seiten auf Grund nicht vorhandener Erfahrung mit Kostengarantien für die Nutzungsphase bestehen. Gleichzeitig wird keiner der an der Transaktion beteiligten Akteure übervorteilt, weil beide Seiten von den Optimierungsanstrengungen der Leistungsanbieter anteilig profitieren. Bei PPP-Projekten lässt sich die Effizienz der systemgeschäftlichen LCLeistungsangebote mittels der Service-Level-Agreements messen. Generell sollten in der Einführungsphase nur Leistungs- und/oder Kostengarantien mit begrenztem Umfang gegeben bzw. eingefordert werden, um Erfahrungen für die Folgephasen sammeln zu können und die Risiken für Anbieter und potentielle Kunden auf ein für beide Seiten vertretbares Mass einzugrenzen. Dabei sollten die Leistungs- und/oder Kostengarantien jedoch mindestens die Leistungsfähigkeit über eine definierte, operative, funktionsfähige Nutzungsdauer sowie die dazugehörigen Unterhaltskosten für Fassade, Dachsystem, Heizenergiebereitstellungs- und -verteilsysteme umfassen.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Die Leistungs- und/oder Kostengarantien gelten unter Berücksichtigung definierter Nutzungsstandards. Die strategischen Ziele der Anbieter systemgeschäftlicher LCLeistungsangebote in der Einführungsphase sind: x Erarbeitung eines Referenzportfolios, um dieses im Marketing der sich anschliessenden Wachstumsphase zur Gewinnung weiterer systemgeschäftlicher LC-Leistungsangebots-Aufträge nutzen zu können. x Gewinnen von Erfahrungen in der konkreten Gestaltung und Abwicklung von systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten, insbesondere in der erfolgreichen Abwicklung von Leistungs- und/oder Kostengarantien in der Nutzungsphase lebenszyklusorientierter Immobilien. Wachstumsphase
Reife
Wachstum
Einführung
Entwicklung
Umsatz/Gewinn [CHF]
In der Wachstumsphase zielen die marktbezogenen Anstrengungen der Anbieter auf die Durchdringung des Marktes mit dem in der Einführungsphase etablierten systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebot und darauf aufbauenden Leistungsinnovationen ab.
Bild 236: Geschäftsmodell LC-Gebäude – Entwicklung in den Marktphasen
Das Wachstum wird ausgelöst durch Zuwächse an (Bild 236): x PPP-Projekten der öffentlichen Hand zur Steigerung der Kosteneffizienz der öffentlichen Aufgabenerfüllung
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 465
x Wohn- und Bürobauprojekte, die von privaten Bauherren nachgefragt werden, um nachhaltig die langfristige Rendite und Werterhaltung zu sichern. In der Öffentlichkeit ist der Begriff Nachhaltigkeit kein Modewort mehr. Vielmehr hat die Nachhaltigkeit im Bewusstsein der Öffentlichkeit reale Alltags- und Entscheidungsbedeutung erlangt. Das ist die Folge steigender Energie- bzw. Rohstoffpreise als Ergebnis steigender Nachfrage bei begrenzten Ressourcen, sowie potentieller Klimaveränderung unter anderem als Ergebnis des CO2-Ausstosses im Zusammenhang mit der Verbrennung fossiler Ressourcen. Auch die Politik in der Schweiz hat sich der Herausforderung durch Ausrichtung auf die 2000-Watt-Gesellschaft und ambitionierte Ziele bei der Reduktion der CO2-Emmissionen bereits angenommen. Öffentliche Auftraggeber müssen daher immer öfter den Nachweis der Nachhaltigkeit ihrer Investitionen erbringen. Bei privaten Mietern ist die wirtschaftliche bzw. kostenbezogene Nachhaltigkeit ihrer Immobiliennutzung ein wichtiges Entscheidungskriterium, weil nicht die Nettomiete sondern die Bruttomiete als Kostenposition ihr wirtschaftliches Ergebnis belastet. Daher ist für Mieter nicht die Nettomiete das Entscheidungskriterium sondern die Bruttomiete mit allen Nebenkosten für z.B. Energie und Unterhalt. Das Umsatzwachstum weist auf die Akzeptanz des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots am Baumarkt hin. Dies führt dazu, dass weitere Leistungsanbieter von Lebenszyklusleistungsangeboten in den Markt eintreten und klassische TU-Leistungsangebote durch Lebenszyklusleistungsangebote substituieren. Als Leistungsinnovator am Markt profitiert der systemgeschäftliche LCLeistungsanbieter von der eingenommenen Pionierrolle. Dieser Vorteil ergibt sich im Wesentlichen aus der entwickelten Vorreiterposition bei potentiellen Kunden des Leistungsangebots. Der Pionier kann seinen Erfahrungsvorsprung, der im betrachteten Geschäftsfeld eine hohe Bedeutung einnimmt [7-44], gegenüber den potentiellen Kunden wettbewerbsvorteilhaft geltend machen. Um sich weiter von den in den Markt eintretenden Wettbewerbern zu differenzieren, generiert der LC-ContractingLeistungsanbieter weitere Leistungsinnovationen und erweitert die Leistungs- und Kostengarantien für die Nutzungsphase sukzessive. Im Zuge der Entwicklung systemgeschäftlicher LC-Leistungsinnovationen müssen bei der ressourcenbezogenen Optimierung der Module und Teilsysteme eines systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots sowohl die einmalig aufzuwendende graue Energie als auch der permanenten Energiebedarf während der Nutzung berücksichtigt werden. Durch den Einbezug von Recyclingmaterialien kann graue Energie eingespart und in
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
der Energiebilanzierung bei der Gesamtoptimierung zum Abzug gebracht werden. Dies kann im konkreten Fall sowohl die Fassade als auch das Energiebereitstellungs- und -verteilungssystem aber auch die Baukonstruktion betreffen. Bei der nutzungsbezogenen Optimierung können systemgeschäftlichen LC-Leistungsinnovationen Module und Teilsysteme beinhalten, die eine einfache Anpassung an technologische Entwicklungen im Nutzungsbereich sowie flexible Anpassungen bei Nutzerwechsel erlauben. In einem geeigneten Anforderungsmanagement mit potentiellen Kunden werden weitere Leistungs- und Kostengarantien entwickelt und Leistungsbündel auf spezifische Kunden (Key-Accounts) abgestimmt. Mittels dieser Strategie können professionelle institutionelle Bauherren auch langfristig an den LC-Leistungsanbieter gebunden werden. Zu den Leistungsbestandteilen in der Wachstumsphase gehört im Wesentlichen die langfristige Erweiterung der übernommenen Leistungsund/oder Kostengarantien. Basis dieser Leistungs- und/oder Kostengarantien ist die fundierte Abschätzung der Lebenszyklus- respektive Nutzungskosten eines Gebäudes z.B. mittels des risikobasierten probabilistischen LC-NPV-Modells von GIRMSCHEID [7-27]. Im Sinne eines Contractings übernimmt der LC-Leistungsanbieter aus Gründen der Kredibilität den Betrieb auf Basis eines Service Level Agreements (SLA) und garantiert für die von ihm verantworteten Nutzungssysteme für einen vorher vereinbarten Nutzungszeitraum. Die Definition des Übergabezustands der Teilsysteme zum Vertragsende ist elementarer Bestandteil der Bestimmung der Lebenszykluskosten der Anlageteile im Hochbau nach GIRMSCHEID [7-27]. Die entsprechenden Details sind Bestandteil der Leistungsvereinbarung zwischen Auftraggeber und Leistungsanbieter. Nach Vertragsende erfolgt dann die Übergabe nach einem Bonus-Malus-System. Das Bonus-Malus-System spiegelt den Zustand bzw. Erneuerungszustand der Module und Teilsysteme verglichen mit dem vereinbarten Übergabezustand wider. Der Betrieb kann dann an den Nutzer übergeben werden, jedoch sollten sich beide Seiten die Option der Verlängerung des Betriebs offenhalten. Das Konzept des LC-Contractings verfolgt das Ziel der ganzheitlichen Optimierung eines Gebäudes über seinen kompletten Lebenszyklus hinweg. Um dies zu erreichen, sollte der LC-Leistungsanbieter bereit sein, Gebäudemanagement-Leistungen unter dem Gesichtspunkt dieser ganzheitlichen Optimierung auch für private Auftraggeber zu übernehmen, wie dies bei PPP-Projekten üblich ist. In der Wachstumsphase müssen die Kernkompetenzen für die systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten weiterentwickelt bzw. ausgebaut werden. Aufgrund der (zunehmenden) Komplexität der Leistungsbündel
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 467
bei systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten sowie des damit einhergehenden langfristigen Commitments der beteiligten Leistungsanbieter müssen auch die Transaktionsstrukturen - im vorliegenden Fall Anbieterkooperationen - weiter entwickelt werden. Dieser ressourcenbasierte Anbieteransatz muss durch vertiefte Kooperation der Schlüsselpartner und Ausweitung des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots weiterentwickelt werden. Gegenüber den für die jeweiligen strategischen Geschäftsfelder (SGF) identifizierten Kundengruppen wird das Ziel des systemgeschäftlichen LCLeistungsangebots kommuniziert, dass diese sich auf die Wertschöpfung im Rahmen ihrer Kernkompetenzen bzw. ihr Kerngeschäfts konzentrieren können. Sowohl in der Wachstums- als auch in der sich anschliessenden Reifephase erwirbt der systemgeschäftliche LC-Leistungsanbieter wesentliche Erkenntnisse und Kompetenzen hinsichtlich der Nutzung der Gebäude. In diesen Phasen ist eine Rückkopplung dieser Erkenntnisse und Kompetenzen für die Weiterentwicklung von Leistungsinnovationen in Folgeprojekten möglich und notwendig. Durch die Rückkopplung verbessert sich das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot sukzessive entsprechend den Anforderungen potentieller Kunden und trägt so zur nachhaltigen Kundenorientierung des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots bei. Aus Sicht des systemgeschäftlichen LC-Leistungsanbieters soll der im begleitenden Innovations- und kontinuierlichen Verbesserungsprozess generierte Leistungsinnovationsvorsprung gegenüber Wettbewerbern möglichst lange aufrechterhalten werden, um die mit dem starken Umsatzwachstum einhergehenden Gewinne möglichst langfristig erwirtschaften zu können. Die strategischen Ziele der systemgeschäftlichen LC-Leistungsanbieter in der Wachstumsphase sind: x Ausbau der führenden Marktposition und x kundenorientierte Weiterentwicklung des lebenszyklusorientierten Leistungsangebots insbesondere durch technische, ressourcen- und nutzungsorientierte Leistungsinnovationen in den integrierten bzw. vernetzten Teilsystemen eines Systemleistungsangebots sowie x Ausbau der Gebäudemanagement-Leistungen zur holistischen Optimierung von Struktur, Betrieb und Unterhalt von Gebäuden.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Reifephase
In der Reifephase ist der Markt für systemgeschäftliche LCLeistungsangebote weitgehend entwickelt. Die Anstrengungen der Leistungsanbieter zielen darauf ab, ihre Marktpositionen gegenüber Wettbewerbern zu verteidigen. SCHULTE [7-44] sieht in der Untersegmentierung des Marktsegments durch eine entsprechende Konzentrationsstrategie der systemgeschäftlichen LC-Leistungsanbieter eine adäquate Reaktion der Marktteilnehmer, ihre Marktposition zu verteidigen. Grundlage dieser Konzentrationsstrategie ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Kernkompetenzen der systemgeschäftlichen LC-Leistungsanbieter und der Leistungsangebote (Leistungsmodifikation [7-38]). In den Marktsegmenten, in denen sich die Leistungsanbieter spezialisieren kommt es zur Ausbildung neuer Leistungslebenszyklen mit den entsprechenden Marktphasen (Bild 235). Der Erfolg in der Reifephase hängt nicht unwesentlich auch von den segmentmarktspezifischen Ressourcen-Vorteilen ab. Diese ergeben sich aus der Auswahl der richtigen Kooperationspartner. Diese Kooperationspartner müssen innovativ sein, damit das systemgeschäftliche LCLeistungsangebot kundenorientiert und innovativ weiterentwickelt werden kann. In der Reifephase müssen Unternehmen darum bemüht sein, weitere Baumarktsegmente für ihre Produkte bzw. Leistungen zu erschliessen (Marktmodifikation [7-38]). In einer Marktumgebung, in der systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote etabliert sind, fällt es leichter, neue Kundengruppen vom Leistungsangebot zu überzeugen bzw. auf sie abgestimmte Leistungsangebotsvarianten zu kreieren. Die strategischen Ziele der systemgeschäftlichen LC-Leistungsanbieter in der Reifephase sind: x Abschöpfung und Sicherstellung der Marktanteile im Hochbaumarkt für LC-Leistungen x kontinuierliche innovative Weiterentwicklung des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots zur Differenzierung vom Wettbewerb und zur Konzentration auf bestimmte Kundengruppen und Leistungsangebotsvarianten x Entwicklung neuer Leistungsangebote Degenerationsphase
In der Degenerationsphase geht der Absatz im Marktsegment für systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote und in der Folge auch der Gewinn
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 469
wahrnehmbar zurück. Ursache für den Absatzrückgang ist der intensivere Wettbewerb durch die Zunahme der Anbieter. Deshalb kommt es in den Unternehmen zu Überkapazitäten, auf die diese mit Preissenkungen reagieren. Wenn keine Effizienzsteigerungen mehr möglich sind, führt dies zur Reduzierung der Gewinne. [7-38] Das Unternehmen oder die Anbieterkooperation können z.B. mittels der folgenden strategischen Massnahmen auf diese Situation reagieren: x Abstossen des Geschäftsbereichs, indem Anlagen (Assets) möglichst vorteilhaft verwertet werden x Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung, um nachhaltige Produkt- und/oder Leistungsinnovationen zu generieren und so proaktiv neue Marktchancen wahrzunehmen Über entsprechende Leistungsinnovationen werden moderne, innovative Unternehmen versuchen, sich weiter von ihren Wettbewerbern zu differenzieren. Die Alternativen Einstieg in einen Preiswettbewerb bzw. Marktaustritt [7-44] sind weder für potentielle Kunden noch für die beteiligten Unternehmen echte Optionen [7-2]. Darüber hinaus ist insbesondere aufgrund der weiteren Verknappung energetischer Ressourcen mit einem zunehmenden lebenszyklusorientierten Optimierungsbedarf von Gebäuden zu rechnen. Für das hier vorgestellte Konzept eines systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots ist deshalb bis auf weiteres nicht mit einer wirklichen Regenerationsphase im Leistungslebenszyklus zu rechnen. Statt dessen müssen sich die Leistungsanbieter durch kontinuierliche Weiterentwicklung ihrer lebenszyklusorientierten Kernkompetenzen sowie die Generierung lebenszyklus- und systemorientierter, nachhaltiger Leistungsinnovationen um ständig neue Leistungslebenszyklen bemühen. Zusammenfassung
Im vorliegenden Kapitel wurden die Leistungslebenszyklusphasen eines systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots dargestellt. Dabei wurde die strategische Bedeutung der Einführungsphase beschrieben, von deren Erfolg der Verlauf des Leistungslebenszyklus in den sich anschliessenden Phasen massgeblich abhängt. Das Konzept zur Gestaltung eines systemgeschäftlichen LCLeistungsangebotes fokussiert deshalb primär auf diese Einführungsphase.
470
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
7.4.3 LC-Kostentreiber von Gebäuden Das Ziel des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots ist es, die Lebenszykluskosten eines Gebäudes zu optimieren bzw. zu minimieren. Entsprechend dem Pareto-Prinzip sollen im Folgenden die Kostentreiber ermittelt werden, die massgeblichen Einfluss auf die Lebenszykluskosten eines Gebäudes haben. Um die relevanten Kostentreiber zur Begründung der systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebote bzw. zur Gestaltung der systemgeschäftlichen LC-Leistungsbündel zu begründen, muss die Analyse der Kostenstrukturen wie folgt gegliedert werden (Bild 237): x Analyse der Kosten nach Gebäudetypen und Nutzungsarten in Bezug auf die LC-Kosten über n Lebenszyklusjahre unter Berücksichtigung der Herstellkosten sowie der Betriebs- und Unterhaltskosten. x Analyse der Kostengruppen (Kapitalkosten oder Investitionskosten/Objektmanagementkosten/Betriebs- und Instandhaltungskosten/Instandsetzungskosten/Rückbau bzw. Entsorgungskosten) z.B. für Bürogebäude x Analyse der detaillierten Kostengruppe Betrieb und Instandhaltung
Bild 237: Kostenstrukturanalyse von Gebäudearten
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 471
Systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote mit Leistungs- und/oder Kostengarantien sollten an den identifizierten Kostentreibern ansetzen. Das Ziel der Leistungs- und Kostengarantien muss es sein, dem Kunden die LC-Leistungs- und -kostensicherheit für die jeweilige bauliche Anlage zu gewährleisten und ihn somit von Risiken zu befreien, die in der Sphäre des LC-Leistungsanbieters liegen. Zudem motivieren Leistungs- und Kostengarantien die Leistungsanbieter bzw. Anbieterkooperation, die entsprechenden Module und Teilsysteme ganzheitlich lebenszyklusorientiert zu optimieren. Zur Identifikation der LC-Kostentreiber wird die folgende Vorgehensweise gewählt: x kurze Darstellung der Kostenstrukturpläne in den verschiedenen nationalen Normen x Vorstellung des Annuitätenmodells, mittels dem aus den LCProzessausgaben die jährlichen Gesamtannuitäten ermittelt werden können x Erläuterung der Abhängigkeit der LC-Ausgaben von der Gebäudenutzung x Exemplarische Darstellung der jährlichen Gesamtannuitäten in den Hauptkostengruppen für Bürogebäude x Analyse der durchschnittlichen (jährlichen) Betriebskosten sowie der zugehörigen Unterkostengruppen von Bürogebäuden Im Rechnungswesen muss man sich entscheiden, ob man eine Untersuchung im finanziellen oder betrieblichen Rechnungswesen durchführt.
Bild 238: Rechnungswesen-Struktur Betrachtung
zur
Cashflow-
bzw.
Kosten-Erlös-
472
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Im Rahmen des finanziellen Rechnungswesens spricht man von Cashflow, wenn man Einnahmen und Ausgaben unter Berücksichtigung des zeitlichen Anfalls betrachtet. Im Rahmen des betrieblichen Rechnungswesens spricht man von Kosten als Wertverzehr. Daher werden Investitionen nicht hinsichtlich der betragsmässigen Ausgaben in ihrem zeitlichen Anfall berücksichtigt, sondern durch die Abschreibungen, die den Wertverzehr z.B. einer Immobilie beschreiben, und die Zinsen (die natürlich bis zum Ende der Abschreibung zu berücksichtigen sind). Die laufenden Ausgaben stellen Kosten dar, da die Ausgaben und der Wertverzehr zum gleichen Stichtag erfolgen (z.B. für Verwaltung, Betrieb, Instandhaltung). Dazu hat man zwei Möglichkeiten: x Cashflow-Betrachtung auf der Geldvermögensebene unter Berücksichtigung der realen zeitabhängigen Zahlungsströme x Kosten-Erlös-Betrachtung stellt den Wertzuwachs bzw. Wertverzehr auf der betrieblichen Vermögensebene dar. Die Lebenszyklusausgaben setzten sich aus den Ausgaben zusammen, die in den einzelnen Lebenszyklusphasen eines Gebäudes anfallen. Hierzu gehören x die Bauausgaben für die Vorbereitung, Planung und Ausführung von Bauprojekten [7-12], x die Nutzungsausgaben von Gebäuden von Beginn ihrer Nutzbarkeit bis zu ihrer Beseitigung [7-13] sowie x die Ausgaben für Modernisierung, Umbau, Erweiterung und Beseitigung von Gebäuden. Im Bauwesen wird meist der Begriff Kosten verwendet. Teilweise werden die Begriffe Kosten und Ausgaben aus Unkenntnis über die begriffliche Abgrenzung sogar synonym verwendet. Dies zeugt jedoch vor allem von einem Unverständnis über das Rechnungswesen. Im Folgenden soll der Begriff Kosten wie in der Bauwirtschaft üblich verwendet werden. Dabei ist zu beachten, dass Ausgaben und Kosten im Betrag identisch sind, wenn der Cashflow und Wertverzehr zum gleichen Zeitpunkt stattfinden. Allerdings ist insbesondere bei Investitionen der Zeitpunkt der Ausgaben nicht identisch mit dem Wertverzehr. Bei diesen Investitionen zeigt die Cashflow-Betrachtung den gesamten Betrag zum Zeitpunkt des Anfalls, während die Kosten-Betrachtung den Wertverzehr in Form der Abschreibung über die Abschreibungsperiode darstellt.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 473 Baukostengliederung
Die Vorbereitung, Planung und Ausführung von Bauprojekten (Erstellung) sowie die Modernisierung, der Umbau, die Erweiterung und ggfs. die Beseitigung von Gebäuden werden im Rahmen sogenannter Bauprojekte abgewickelt. Die Kosten solcher Bauprojekte werden in Anlehnung an die folgenden Normen ermittelt und strukturiert: Schweiz:
x SN 506 500 – Baukostenplan BKP [7-49] Der Baukostenplan gliedert die bei der Planung und Erstellung einer baulichen Anlage anfallenden Kosten. Die Gliederung erfolgt weitgehend unterteilt nach Leistungsbereichen bzw. Gewerken. x SN 506 502 – Elementkostengliederung EKG [7-48] Der Baukostenplan gliedert die bei der Planung und Erstellung einer baulichen Anlage anfallenden Kosten. Die Gliederung erfolgt weitgehend unterteilt nach funktionalen Elementen einer baulichen Anlage. Deutschland:
x DIN 276-1 – Kosten im Bauwesen – Teil 1: Hochbau [7-12] Die DIN 276-1 dient der Ermittlung und Gliederung von Kosten zur Kostenplanung im Hochbau. Die DIN 276-1 erlaubt sowohl die Gliederung nach der Elementmethode als auch die Gliederung nach Leistungsbereichen/Gewerken. [7-12] Nutzungskostengliederung
Nutzungskosten sind die in baulichen Anlagen anfallende „regelmässig oder unregelmässig wiederkehrende Kosten von Beginn ihrer Nutzbarkeit bis zu ihrer Beseitigung (Nutzungsdauer)“ [7-13]. Die Untergliederung der Nutzungskosten von Gebäuden erfolgt üblicherweise in Anlehnung an bekannte und bewährte Gliederungsstrukturen. Beispiele für solche Gliederungsstrukturen sind: Schweiz:
x SN 506 501 – Liegenschaftenkontenplan (LKP) [7-47] Der Liegenschaftenkontenplan dient der Bilanzierung von Liegenschaften und gliedert nach Passiva und Aktiva, sowie nach Aufwands- und Ertragsarten als Grundlage der Finanzbuchhaltung. x SIA D 0165 – Kennzahlen im Immobilienmanagement [7-50] Die Dokumentation SIA D 0165 definiert und erläutert Flächen-, Volumen und Kostenkennzahlen bzw. die entsprechenden Parameter, die in der Nutzungsphase relevant sind. Für die Kostengliederung in der Nut-
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
zungsphase lehnt sich die SIA D 0165 ausdrücklich an die DIN 18960 [7-13] an. Deutschland/Schweiz
x DIN 18960 – Nutzungskosten im Hochbau [7-13] Die DIN 18960 dient insbesondere der Gliederung von Nutzungskosten im Hochbau. x GEFMA 200 – Kosten im Facility Management [7-16] Die GEFMA-Richtlinie 200 liefert eine lebenszyklusübergreifende Kostengliederungsstruktur für das Facility Management. Für die Kosten im Hochbau (Erstellungsphase) bezieht sie sich auf die DIN 276 „Kosten im Hochbau“. Zur Gliederung der Nutzungskosten wird die DIN 18960 einbezogen. Die GEFMA-Richtlinie 200 steht seit Juli 2004 als Entwurf zur Diskussion potentieller Interessensgruppen. Europa
x CEEC Code of Measurement for Cost Planning [7-11] Der CEEC Code of Measurement for Cost Planning dient der Kostengliederung auf europäischer Ebene. Er dient der Gliederung der Baukosten auf einer den nationalen Kostengliederungsnormen übergeordneten Ebene. Der CEEC Code of Measurement for Cost Planning ordnet die nationalen Kostengliederungsnormen den entsprechenden europäischen Kostengruppen zu. Bild 239 fasst die Strukturierung der Lebenszykluskosten nach den gängigen Normen zusammen und gibt einen Überblick über die verwendeten Begriffe. Die Darstellung der Gliederungsstrukturen für die Nutzungsphase zeigt, dass die DIN 18960 Gliederungsgrundlage für alle wichtigen Kostengliederungen im deutschsprachigen Raum ist. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland hat sich die DIN 18960 als Standard für die Kostengliederung in der Nutzungsphase etabliert. Aufgrund dieses Verbreitungsgrades ist die DIN 18960 deshalb gut geeignet als Gliederungsgrundlage für das Gestaltungskonzept für ein systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot zu dienen.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 475 Lebenszykluskosten Entwicklungs-/ Planungskosten
Erstellungskosten
Rückbaukosten
Nutzungskosten
Kosten im Bauwesen – T1 Hochbau
Nutzungskosten im Hochbau
DIN 276-1
DIN 18960
Baukostenplan BKP
Kennzahlen im Immobilienmanagement
SN 506 500
SIA D 0165/DIN 18960
Aufwendungen für Güter, Leistungen, Steuern und Abgaben, die für die Vorbereitung, Planung und Ausführung von Bauprojekten erforderlich sind
Alle in baulichen Anlagen und deren Grundstücken entstehenden regelmässig oder unregelmässig wiederkehrenden Kosten von Beginn ihrer Nutzbarkeit bis zu ihrer Beseitigung (Nutzungsdauer)
Kapitalkosten NKG 100
Bewirtschaftungskosten Objektmanagementkosten NKG 200
Betriebskosten
Instandsetzungskosten NKG 400
NKG 300
Bild 239: Begriffe und Struktur von Lebenszykluskosten im Hochbau
7.4.4 Kooperativer Ansatz der Leistungsangebotsentwicklung In Anlehnung an das Systemanbieterkonzept von GIRMSCHEID [7-26] verfolgt das Geschäftsmodell für ein systemgeschäftliches LCLeistungsangebot im Hochbau einen kooperativen Ansatz der Leistungserstellung. Um die für das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot notwendigen Kompetenzen zu bündeln und immanente Synergiepotentiale freizusetzen, kooperieren der Systemführer sowie die Teilsystemlieferanten bestehend aus den Planern und Unternehmen der Teilsysteme, die den Kern eines systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots bilden, miteinander. Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Systemführer und den Teilsystemlieferanten, bestehend aus den Schlüsselplanern und unternehmen der Teilsysteme eines systemgeschäftlichen LCLeistungsangebots, ist Voraussetzung für ein fundiertes systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot, das gegenüber potentiellen Kunden glaubwürdig ist. Eine entsprechende Anbieterkooperation muss sich deshalb in Abhängigkeit zu einem sich in der Garantieund Risikoübernahmebereitschaft steigernden Leistungsangebot (Leistungsintegration) gemäss den Erfordernissen der Marktzyklen (Bild 235 und Bild 236) entwickeln. Die Kooperationsentwicklung erfolgt in sogenannten
476
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Kooperationsentwicklungsstufen (KES). Im Zuge dieser Kooperationsentwicklungsstufen steigern sich die Lebenszyklusorientierung und der Umfang (gerade im Hinblick auf die sich steigernden Risiken bei der Übernahme zusätzlicher Garantien) des Leistungsangebots sukzessive. Die Parallelität von Leistungsintegration und Kooperationsentwicklung hat das Ziel, dass die Anbieterkooperation an den Inhalten ihres Leistungsangebots wächst. Der Kooperationsentwicklungsprozess ist besonders wichtig vor dem Hintergrund der Langfristigkeit der Garantien und Risiken gegenüber potentiellen Kunden des systemgeschäftlichen LCLeistungsangebots. Diese langfristigen Garantien und Risikoübernahmen haben zur Folge, dass auch leistungsinhaltlich längerfristigere Abhängigkeiten und Verantwortlichkeiten unter den Kooperationspartnern der Anbieterkooperation und auch gegenüber potentiellen Kunden (Bauherren) bestehen. Durch die parallele Entwicklung von systemgeschäftlichem LCLeistungsangebot und Kooperation kann ein Entwicklungsprozess angestossen werden, in dem sich die Kooperation in Anlehnung an ihre Leistungsangebote und die damit verbundenen Aufgaben entwickelt. So kann „im Kleinen“ (kleiner Leistungsumfang – geringere Risiken) erprobt werden, was später „im Grossen“ (grosser Leistungsumfang – höhere Risiken) funktionieren muss. Je grösser und langfristiger mögliche Leistungs- und Kostengarantien und das mit ihnen verbundene Risiko im systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebot sind, desto gefestigter und robuster muss die Kooperation auch hinsichtlich der möglichen Leistungs- und Kooperationsinstabilitäten sein. Potentielle Schwerpunkte hinsichtlich der Gestaltung eines systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots wurden mit den massgeblichen potentiellen Kostentreibern in der Nutzungsphase eines Gebäudes in Kapitel 3.3 identifiziert. Sie beziehen sich auf die kostenseitige Betrachtung bei der lebenszyklusorientierten Angebotsgestaltung. Darüber hinaus besteht bei systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten auch die Möglichkeit, die zukünftigen Einnahmen des Kunden zu optimieren. Insbesondere bei Projekten, die auch die Projektentwicklung beinhalten, können die Einnahmen im Zuge des Lebenszyklus eines Gebäudes durch ein optimierendes Flächenmanagement gesteigert werden. Dazu gehören neben der effizienten Nutzung der zur Verfügung stehenden Fläche auch die Möglichkeit der effizienten Umnutzung bei Nutzungsänderung und andere, die Werthaltigkeit einer Immobilie sicherstellende Faktoren, wie Lage und architektonische Gestaltung des Gebäudes. Es obliegt dem Systemführer und den an der system- und lebenszyklusorientierten Wertschöpfung beteiligten Kooperationspartnern die inhaltlichen Schwerpunkte des LC-Leistungsangebots weiterzuentwickeln und auszubauen. Aus den in den Synergiepotentialen können Leistungsinnova-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 477
tionen in Form integrierter bzw. vernetzter Teilsysteme für ein systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot entwickelt werden. Darüber hinaus müssen die Leistungsinnovationen und Weiterentwicklungen des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots durch weiterentwickelte Kernkompetenzen der Leistungsanbieter gemäss den Marktzyklen (Bild 235 und Bild 236) generiert werden, um so eine nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb sicherzustellen. Die Entwicklung der Anbieterkooperation für ein systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot kann in den auf Bild 240 skizzierten Kooperationsentwicklungsstufen mit den entsprechenden Leistungsangebotsinhalten in den Marktphasen erfolgen. Dabei stellt das Leistungsangebot jeder Kooperationsentwicklungsstufe ein Angebot dar, das in Abhängigkeit der Anforderungen potentieller Bauherren variiert werden kann. Systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote sollen im Sinne eines Life-Cycle-Contractings umgesetzt werden. Dabei ist es notwendig, potentiellen Kunden den optimierenden Nutzen der Übernahme zusätzlicher Leistungen und Garantien in der Nutzungsphase deutlich zu machen. Dieser Nutzen ergibt sich dadurch, dass die Anbieterkooperation in die Nutzungsphase dieser Gebäude verantwortlich eingebunden wird. Dadurch wird ein Interesse der Leistungsanbieter an der lebenszyklusorientierten Optimierung der Lösung der gestellten Bauaufgaben generiert. Systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote können im Sinne eines LifeCycle-Contractings phasenbezogen in den folgenden Kooperationsentwicklungsstufen (KES) entwickelt und angeboten werden (Bild 240): x
Ausgangssituation - TU-Leistungen Grundlage des hier beschriebenen systemgeschäftlichen Life-CycleContractings ist eine fundierte integrierte TU-Leistungs-Kompetenz die als Leistungsoutput z.B. ein schlüsselfertiges Bauwerk ermöglicht. Darüber hinaus bedingt das systemgeschäftliche Life-CycleContracting die Einbindung der Projektentwicklungskompetenzen bei der Evaluation der Anforderungen potentieller Kunden/Bauherren sowie Erfahrungen im Facility Management. Diese Kompetenzen stehen für die Fähigkeit der Anbieterkooperation, professionellen Bauherren unter Bereitstellung einer Koordinationsschnittstelle3 die bauliche Lösung ihrer Anforderungen kompetent von der Projektentwicklung bis zur Betreuung in der Nutzungsphase aus einer Hand zur Verfügung zu stellen. Diese Fähigkeit bildet eine Referenz mittels derer die Anbie-
3
Bereitstellung der Gesamtleistung „aus einer Hand“
478
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
terkooperation zum Ausdruck bringt, dass sie in der Lage ist, innovative Projekte abwickeln und für die Nutzungsphase definierte Leistungsund Kostengarantien abgeben zu können. Darüber hinaus verfügen TU üblicherweise über eine gewisse finanzielle Stärke, die ihnen die Übernahme von Leistungs-, Funktions- und Kostengarantien und der damit verbundenen Risiken erlaubt. Projektentwicklung
Fragmentierung
Systemführer TU
Schlüsselfertiges Gebäude
Innovationsphase II – LC-Gesamtoptimierung „Value Gebäude“
20 G 00eb W äu at d e t-
Innovationsphase I – Energetische LC-Optimierung „2000-Watt-Gebäude“
G Val eb ue äu de
Initiierungsphase – Energetische LC-Integration „TU-Leistung & Nachhaltiges Energy-Contracting“
En N er ac gi hh e- a C lti on ge tra s ct in g
Facility Management
LC-Angebot Hochbau
Bild 240: Leistungsintegration sowie Marktphasen von systemgeschäftlichen LCLeistungsangeboten
x
KES 1 und Initiierungsphase – Energetische LC-Integration: Das Ziel der Initiierungsphase ist es, die Kunden von bekannten fragmentierten Leistungsangeboten abzuholen und über die kooperative Integration bestimmter Teilleistungen und Ausweitung der Garantien auf einen bestimmten Lebenszyklus, die Eintrittsbarrieren für systemgeschäftliche LC-Leistungsangebote zu überwinden. Aufbauend auf der Projektentwicklungs- und TU-LeistungsKompetenz sowie auf dem Erfahrungsschatz im Facility Management dient die erste Kooperationsentwicklungsstufe (KES 1) der Bildung einer Kooperation zur energetischen lebenszyklusorientierten Optimierung von Hochbauten. In dieser Kooperationsentwicklungsstufe, die
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 479
der ersten Erprobung der Prozesse der Zusammenarbeit dient, werden die folgenden Entwicklungsschritte vollzogen: x Entwicklung eines Leistungsbündels „TU-Lösung mit nachhaltigem Energy-Contracting“ x Angebot des Leistungsbündels „TU-Lösung mit nachhaltigem Energy-Contracting“ an potentielle Kunden x Entwicklung der Basiskonzeption für ein systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot „2000-Watt-Gebäude“ für die sich anschliessende zweite Kooperationsentwicklungsstufe (KES 2) x Ermittlung der notwendigen, ergänzenden Kooperationspartner für das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot „2000-WattGebäude“ Dem Kunden/Bauherrn erschliesst sich ein integriertes systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot „Nachhaltiges Energy-Contracting“ als Leistungsbündel aus schlüsselfertigem Bauwerk und der technischen Optimierung der HKL-Anlage hinsichtlich ihres Verbrauchs. Die Optimierung der HKL-Anlage erfolgt unter Einbezug innovativer Leistungsmodule wie erneuerbare Energien und innovative Formen der Energiegewinnung, -bereitstellung und -verteilung sowie unter Einbezug des Teilsystemlieferanten für die Fassade (Fassadenplaner und Fassadenbauunternehmen) als einem zentralen Modul zur energetischen Gesamtoptimierung eines Gebäudes. Dies ist ein Paradigmawechsel zum heutigen Energy-Contracting, das vom Nutzerverbrauch getrieben ist (die Verbrauchseinheit aber möglichst günstig anbietet), hin zur Minimierung des fossilen Verbrauchs durch Nutzung regenerativer Energieträger sowie hohen Passivhausstandards bei der Gebäudehülle zur Reduktion des Energiebedarfs. In dieser Phase sollten Schlüsselplaner und -unternehmer aus den Bereichen x HKL und Energy-Contracting und x Fassadenbau mit einem TU und Projektentwickler zusammenarbeiten. x
KES 2 und Innovationsphase I – Energetische LC-Optimierung: Aufbauend auf den Erfahrungen der ersten Kooperationsentwicklungsstufe (KES 1) in Bezug auf Zusammenarbeit sowie Erweiterung und Einbindung der Kompetenzen Projektentwicklung, TU und Facility Management werden die technischen Schlüsselkompetenzen für das innovative, systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot „2000-WattGebäude“ erweitert. „2000-Watt-Gebäude“ stellen die gebäudetechni-
480
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
sche Infrastruktur zur nachhaltigen Umsetzung des energiepolitischen Modells der 2000-Watt-Gesellschaft dar. In dieser zweiten Kooperationsentwicklungsstufe (KES 2) soll durch entsprechende Leistungsintegration das Gebäude nachhaltig gesamtenergetisch nach den politischen Zielvorstellungen bezüglich Loslösung von dezentralen fossilen Energieträgern optimiert werden und ein neues erweitertes systemgeschäftliches LC-Leistungsangebot entwickelt werden. Neben der HKL-Anlage soll im „2000-WattGebäude“ zusätzlich die Gebäudehülle energetisch optimiert berücksichtigt werden. Die Anbieterkooperation kann so die Fassade und die wesentlichen Teilsysteme der elektrischen Energie unter Einbezug der Bauteilaktivierung und potentieller HKL-Systeme bei der energetischen Gebäudeoptimierung unter Nutzung einer umfassenden Gebäudesteuerung berücksichtigen und das lebenszyklusorientierte energetische Gesamtsystem für ein Gebäude anbieten. Dem Kunden/Bauherrn erschliesst sich durch dieses Leistungsangebot das Optimierungspotential des lebenszyklusorientierten energetischen Gesamtsystems aus passiven Speicherbauteilen, HKL-Anlage und Gebäudehülle sowie ggfs. weiteren energietechnischen Gebäudekomponenten. In dieser Kooperationsphase sollten die ersten Basiskonzepte entwickelt werden, wie Kundennutzen in der nächsten Kooperationsentwicklungsphase (KES 3) unter Absicherung der Risiken weiter erhöht werden kann. Zudem sind die Markt- und Wettbewerbsbedingungen sowie die optimale Konfiguration der Kooperationspartner zu bewerten. In dieser Phase sollten Schlüsselpartner und -unternehmen aus den Bereichen x HKL und Energy-Contracting x Fassadenbau x Bau- und Umweltphysik x Facility Management x Steuerung und Automation mit einem TU und Projektentwickler zusammenarbeiten. x
KES 3 und Innovationsphase II – LC-Gesamtoptimierung: In der dritten Kooperationsentwicklungsphase (KES 3) wird das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot in der Wachstums- und Reifephase weiter im Markt diffundiert. Zudem wird das Konzept von Bürogebäuden auf Wohngebäude, Schulen, Krankenhäuser etc. erweitert. Trotz Nachahmern am Markt lässt sich der Erfahrungsvorteil des frühen Einstiegs als Wettbewerbsvorteil in den strategischen Ge-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 481
schäftsfeldern nutzen. Da der Wettbewerb zunimmt und damit die Gewinnmargen im Verhältnis zu den umfangreichen Risiken sinken, werden neue Basiskonzepte für ein neues systemgeschäftliches LCLeistungsangebot entwickelt. Dieses Basiskonzept bezieht die Erfahrungen der vorhergehenden Kooperations- und Leistungsentwicklungsstufen mit ein. Das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot der dritten Kooperationsentwicklungsstufe (KES 3) stellt dem Kunden die komplette, auf seine Bedürfnisse und Anforderungen zugeschnittene gebäudetechnische Infrastruktur in Form des „Value Gebäudes“ zur Verfügung. Life-Cycle-Contracting wird in dieser Leistungs- und Kooperationsentwicklungsstufe (KES 3) auf alle für ein Contracting geeigneten Leistungselemente der Nutzungs- bzw. Betriebsphase erweitert. Der Kunde/Bauherr kann sich voll auf seine Kerngeschäfte konzentrieren, die optimierte Bewirtschaftung seines Gebäudes übernimmt die systemgeschäftliche Kooperation im Rahmen des systemgeschäftlichen LC-Leistungsangebots. Dazu ergänzt und komplettiert die Anbieterkooperation in Abhängigkeit der Anforderungen und Bedürfnisse des spezifischen Kundens das systemgeschäftliche LC-Leistungsangebot um weitere LC-Contracting-Elemente. Der Kunde erhält umfangreiche Leistungs- und Kostengarantien, die auf einem Service-LevelAgreement aufgebaut sind und somit Nutzungspreise über eine vereinbarte Nutzungsphase garantieren. Die Anbieterkooperation setzt sich aus den Kooperationspartnern analog zur zweiten Kooperationsentwicklungsstufe (KES 2) zusammen. Die potentiellen Leistungs- und Kooperationsentwicklungsstufen sind mit ihren Marktphasen in Bild 240 dargestellt. Der Prozess der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) und Innovation ist unabdingbar, um erfolgreich gegenüber der Konkurrenz zu bleiben und dem Kunden einen gezielten Mehrwert zu bieten. 7.4.5 Geschäftsfeld – Systemleistungsanbieter für Privatkunden Markt und Kunden
Die gesamte Volkswirtschaft ist zur Erhaltung ihres globalen Standortvorteils auf bauliche Anlagen und Infrastrukturen angewiesen, die ein Minimum an Lebenszykluskosten verbrauchen. Dadurch stehen finanzielle Ressourcen zur Verfügung, um eine niedrige Steuerquote zu sichern, Sozialdienste zu unterhalten, Innovationen zu fördern und Investitionen in neue
482
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Geschäftsfelder zu tätigen. Zudem wird durch lebenszyklusoptimierte Bauwerke die Nachhaltigkeit im Immobilien- und Infrastrukturbereich erzielt. In der Realität befindet sich diese Geschäftsidee – aufgrund der weit verbreiteten kurzfristigen Erfolgsmentalität der Wirtschaft – erst in der Entwicklungs- und Einführungsphase. Dies ist einer der Hauptgründe für die verbreitete Investitionsfokussierung. Die Nachfragepotenziale bauen sich bei professionellen und öffentlichen Bauherren auf. Leistungsangebot
Durch das Systemanbieterkonzept ([7-20], [7-21]) werden Bauwerke und bauliche Systeme auf Nachhaltigkeit in Bezug auf ihren Lebenszyklus ausgerichtet. Nur durch die Integration von Planen, Bauen und Betrieb werden wirtschaftliche Anreizsysteme geschaffen, die bei Planern, bauausführenden Unternehmen und Betreibern eine Nachhaltigkeit hinsichtlich des Werts der geschaffenen Bauwerke garantieren. Das lebenszyklusorientierte Systemangebot sollte folgende Nachhaltigkeitsmerkmale aufweisen: x eine qualitativ hochwertige Architektur, die die bauliche Anlage in Bezug zum kulturellen und sozialen Umfeld setzt und dadurch auch zur langfristigen Werterhaltung beiträgt, x einen optimalen, nachhaltigen und wirtschaftlichen Umgang mit den Ressourcen (Baumaterialien, Betriebsmittel und Umgestaltungsmittel), x die Ermittlung des Zeitwerts eines Bauwerks unter Beachtung von mehrdimensionalen Bewertungskriterien, die architektonische Gestaltung und discounted free cash flow enthalten, x ein Gesamtkostenoptimum hinsichtlich Investitionen und Nutzungskosten bzw. des Werts der baulichen Anlage. Dadurch werden Unternehmen kundennahe Lösungsanbieter, die ihren Kunden ihr Leistungsbündel aktiv anbieten und kommunizieren können. Für Bauunternehmen bietet sich durch den Systemanbieteransatz die Herausforderung und Chance, ihre Kernkompetenzen Bauen und gegebenenfalls Planen um Dienstleistungen rund um das Bauen wie Finanzieren, Betreiben und Unterhalten zu erweitern. Dies bedeutet eine Verlagerung ihrer Aktivitäten weg von den wenig renditeträchtigen Tätigkeiten im reinen Baugeschäft hin zu den vor- und nachgelagerten Dienstleistungen mit hohen Renditeanteilen. Mit Systemanbieterleistungen kann die höchste Stufe der Wertschöpfungsintegration erreicht werden. Darin eingeschlossen sind im Idealfall neben Planungs- und Bauleistungen auch Finanzierung, Betrieb und Unterhalt. So gibt es bereits erste Modelle, bei denen Kunden auf der Grund-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 483
lage einer Funktionalausschreibung von einem Systemanbieter die Bereitstellung eines Gebäudes einer bestimmten Qualität einschliesslich Betrieb und Unterhalt zu einem festgelegten Nutzungsentgelt nachfragen. Ähnlich wie General- und Totalunternehmer garantieren Systemanbieter Qualität, Preis und Übergabetermin; sie zeichnen sich jedoch entscheidend dadurch aus, dass sie im Bereich einer angestrebten Baulösung über ganzheitliches, life-cycle-orientiertes Know-how verfügen und den Betrieb der Bauwerke übernehmen. Ferner entwickeln sie bestimmte Bauwerkstypen nach ihrem Systemkonzept kontinuierlich weiter. Die heutigen Contracting-Leistungsangebote aus dem Energiebereich lassen sich als ganzheitliche Lebenszyklusangebote für Bauherren und Investoren in TU-Angebote integrieren. Dieses Konzept stellt die erste Entwicklungsstufe zum Systemanbieter dar. Ein solches Leistungsangebot verlangt allerdings Kooperationen mit Schlüsselleistungsträgern, z.B. im Hochbau zwischen Gesamtleistungsanbieter und Planer sowie Unternehmen für HKL und Fassade. Nur so lassen sich Synergien entwickeln, die zur Lebenszykluskostenoptimierung führen und nicht nur eine Aneinanderreihung von sequenziellen Leistungsangeboten unterschiedlicher Wertschöpfungsstufen sind. Das Geschäftsfeld „Systemleistungsangebote auf der Basis Contracting“ zum Unterhalt und/oder Betrieb privater baulicher Anlagen fokussiert auf die Nutzungsphase. Erste Erfahrungen wurden bisher u.a. bei folgenden Aufgaben gesammelt: x Contracting der Energiezentrale und/oder Energieverteilung für Siedlungen, Überbauungen und einzelne Gebäude wie Bürogebäude, Krankenhäuser, Altersheime etc. x Contracting des Unterhalts baulicher Anlagen mittels Zustandspass x Contracting des Betriebs und Unterhalts von Parkgaragen Wettbewerbstrategie
Die Markt- und Wettbewerbsstrategie muss dynamisch an den Markt- bzw. Leistungszyklus angepasst werden. Zurzeit befinden sich die Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Gesamtleistungen in der Marktentwicklungsphase; dies muss mit der Markterschliessungs- und Wettbewerbsstrategie einhergehen. Im Regelfall eignet sich wegen der Wertschöpfungstiefe eine Strategie der Konzentration auf funktionale Leistungen (z.B. Altersheime, Wohngebäude, Bürogebäude), die überregional spezifischen Kundensegmenten aktiv angeboten werden. Auch Bau-KMU können durch Kooperationen mit Planern und anderen ausführenden Unternehmen (Heizungs- und Lüftungsunternehmen etc.)
484
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
sowie Facility-Management-Unternehmen im Bereich des Neubaus, der Instandsetzung und des Unterhalts solche Geschäftsfelder umsetzen. Dadurch können sie dem Kunden eine differenzierte, komplexe Leistung schlüsselfertig anbieten. Aufgrund der Leistungsinnovationen können sie von Einzelleistungsträgern neue Kunden gewinnen und so auch in einem stagnierenden Markt erfolgreich sein. Ferner binden sie den Kunden mit längerfristigem Contracting im Bereich des Betriebs und des Unterhalts der baulichen Anlage in der Nutzungsphase an sich. Der Kunde wird bei Neuinvestitionen auf solche Unternehmen zurückgreifen, wenn in der Nutzungsphase eine hohe Kundenzufriedenheit erreicht wurde (s. Kapitel 4, Bild 134). Um die finanzielle Belastung bzw. die Kreditbelastung einer KMUKooperation gering zu halten, werden die Leistungen nach den einzelnen Phasen vergütet, also die Planungsleistung nach Fertigstellung der Planung und die schlüsselfertige Ausführung nach Fertigstellung und Übergabe des Gebäudes. Während der Nutzungsphase werden dann die Leistungen aus den Contracting-Verträgen jährlich bzw. in festgelegten Leistungs- oder Abrechnungsstufen vergütet, wobei die Contracting-Verträge durch Garantien abgesichert sein sollten. Der Wettbewerb für die Gesamtleistung mit phasenweiser Vergütung erfolgt jedoch als Paket, z.B. nach der Vorprojektphase. Dieser Wettbewerb schafft dann das Anreizsystem für den Bauherrn, so dass er für eine bestimmte Nutzungszeit eine auf Gesamtkosten optimierte Lösung erhält, die über den Vergleich der Investitionskosten aus den einzelnen Angeboten hinausgeht. Hierzu müssen sich Planer, Handwerksunternehmen und Facility Manager in einer Kooperation zusammenfinden, um ihre Kompetenz für ein umfassendes Leistungsangebot zu bündeln, dies mit besonderem Hinblick auf die Leistungs- bzw. Kostengarantien, die im Betriebs-Contracting zu erfüllen sind. Systemanbieter [7-20] mit Life-Cycle-Contracting sollten den Bauherrn weitgehend von den für ihn atypischen Risiken befreien. Life-CycleSystemanbieter sollten die Funktionalität und Leistungseffizienz durch Contracting garantieren. Dabei muss mittels eines Anreizsystems für geringe Aufwandswerte/-kosten die damit verbundene Attraktivitätssteigerung auf der Einnahmeseite durch Beteiligungen an den Einsparungen bzw. Gewinnen belohnt werden. Leistungserstellungsprozess
Der Systemführer bringt seine Kernkompetenzen im Systemkonzept des Leistungsangebots zum Tragen und entwickelt es (projektübergreifend) kontinuierlich weiter. Da Systemanbieter sich auf Marktsegmente konzentrieren oder sogar spezifische Bauwerke anbieten, wird es ihnen gelingen,
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 485
für diese Bauwerke Systemkonzepte (Plattformen) zu entwickeln, die die architektonische Gestaltungsvielfalt weitgehend erhalten. Systemkonzepte können z.B. wie folgt ausgestaltet werden: x optimierte, integrierte Systeme für Fassade, Heizung, Lüftung, Klima und Wärmerückgewinnung, ausgelegt auf Life-Cycle-Kosten x optimierte Ausbaustandardsysteme hinsichtlich Qualität und Nutzungszeit nach Life-Cycle-Kostengesichtspunkten x integrierte, variable Systemfertigteillösungen mit computerunterstützter Fertigung Der Systemführer integriert Teilleistungen und Teilsysteme, die er in Kooperation mit Partnerunternehmen erarbeitet, und erreicht so eine ganzheitliche, optimierte Gesamtlösung (Bild 241). Das integrierte Leistungsangebot von Planung, Ausführung und allenfalls Betrieb von Bauwerken verschafft dem Systemführer einen komparativen Konkurrenzvorteil. Im Bereich des gewählten Marktsegments verfügen Systemanbieter über ganzheitliches Know-how von der Planung bis hin zu Nutzung und Betrieb von Bauwerken. Anstatt projektindividuelle, improvisierte Einzellösungen zu erarbeiten, verfolgen sie die aktive Weiterentwicklung projektübergreifender, innovativer Gesamtlösungen. Das im Verlauf eines Projekts erarbeitete Know-how wird gezielt für Folgeprojekte im definierten Marktsegment nutzbar gemacht, so dass eine aktive Bewirtschaftung des vorhandenen Wissenskapitals stattfindet (kontinuierlicher Verbesserungsprozess). Dies ermöglicht eine Kompetenzführerschaft, die zu wettbewerbsentscheidenden Entwicklungen neuer Lösungen (Innovationsmanagement) führen kann. Der komplexe, gesamtsystemorientierte Leistungserstellungsprozess erfordert eine strategische Kooperation des Systemführers mit Schlüsselplaner und Schlüsselunternehmen, um die Systemanforderungen kernkompetenzbezogen zu generieren (Bild 241). Der Leistungserstellungsprozess solcher kooperativer Lebenszyklusgesamtleistungen kann in folgende Phasen gegliedert werden: x Konzeptphase mit Zielen, Wünschen und dem Handlungsspielraum erster Realisierungsüberlegungen x Vorentwurf mit Grobkostenschätzung x Präqualifikation möglicher Leistungsanbieter x Erstellung des Wettbewerbskonzepts in Bezug auf Ausführung und Betrieb x Preis-Leistungs-Wettbewerb mit GMP für den Bau und das BetriebsContracting
486
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
x Bewertung der Systemleistungsangebote nach den Kriterien des Wettbewerbskonzepts sowie Wahl des Systemleistungsanbieters x Planungs- und Bauphase mit Abrechnung nach „gläsernen Taschen“ (garantierter Maximalpreis und Value Engineering) x Nutzungsphase mit technischem und/oder kaufmännischem Betrieb und/ oder Unterhalt nach dem GMP-Konzept bzw. Preiskatalog mit Prämienkonzept für Einsparungen und Verbesserungen ... M ark t- / Ges chäfts felds trategie
Leit bild / Leis tungs auftrag
An ge bo tsb ea rbe itu ng
B au au sf üh ru n g
Unter nehm ens entwick lung
Bes chaffung/ Diens tleis tung
A bn ah m e / Ü be rga b e
Co ntrac ti ng in d e r N utzu n gsp ha se
W iss ens - und Innovations m anagement
F inanz en/ Rec ht
M arkt- / G es c häfts felds tr ategie
Leitbild / Leistungs auftrag
Untern ehmens strategie
Managem ent-Proz esse
O rganis ations s truk tur
Unternehm ensentwic k lung
Leistungs erstellungsprozess e Angebot smanagement
A kq ui sitio n
Mar keting
An g eb ot sb ea rb eitu n g
A uf trags- und Ausführungsmanagement
Au ftrag sve rh a n dlu ng
Pers onal/ Adm inistration
Su pport- / R es sourcen-Pr oz es se
G en eh m iA VO R/ g u ng en + P ro du kAu sfüh run g s- tio nsp la nu ng p la nu ng
Information/ Dok umentation
Ba ua u sfü hru n g
B esc haffung/ Dienstleis tung
Ab na h m e/ Üb erg a be
Finanz en/ Recht
Con tra ctin g in d er Nu tzu ng sph a se
Wis sens- und Innov ations managem ent
M ark t- / G es chäfts felds trategie
Leitbild / Leis tungs auftrag
Unt ernehm enss trategie
Managem ent-Prozesse
Or ganisations s truktur
U nter nehmensentwic klung
Leistungserstellungsprozesse A ngebot smanagement
Akq ui sitio n
An ge b otsb ea rbe itu ng
A uf trags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gs verh a nd lun g
Per sonal/ Adminis tration
Mark et ing
Suppo rt- / Ress ourc en-Prozesse
Ge ne h m ig un ge n + A u sfü h run gspl an u ng
Inform ation/ D ok um entation
AVO R/ Prod u ktion sp lan u ng
Bau a usfüh ru ng
B es c haffung/ Diens tleistung
Abn a hm e / Übe rg ab e
Finanze n/ R ec ht
Co n tra cti n g in de r Nu tzun g sp h ase
Wis sens - und Innov ationsm anagem ent
Leitbild / Leis tungs auftrag
M ar kt- / Ges chäfts felds trategie
Unter nehm ens s trategie
Management-Pro zes se Or ganis ationss tr uktur
Unternehmens entwic k lung
Leistungsers tellungsprozesse Angebot smanagement An ge bo tsbe a rbe itu ng
Akq u isition
Mark eting
Auft rags- und A usführungsmanagement
Au ftra g sverh a nd lun g
P ersonal/ Adminis tration
Support- / Ressourcen-Prozesse
G en eh m iA VOR / g un g en + Pro du kAu sfü h ru n gs- tio nsp lan un g p la nu n g
Infor mation/ Dok um entation
Ba ua u sfü hru ng
Bes chaffung/ Diens tleis tung
Ab na h m e/ Üb er ga be
Finanz en/ Recht
C on tractin g in d er Nu tzu ng sp h a se
Wis s ens- und Innovations managem ent
Leitbild / Leistungs auftr ag
Mar kt- / G esc häftsfelds tr ategie
Unternehm ens s trategie
Managem ent-Proz esse
Organisations s tr uk tur
Unter nehmensentwic klung
Leistungserstel lungs proz esse A ngebotsmanagement
A kq uisit ion
Ang e bo tsbe a rb e itun g
Mar k eting
A uft rags - und Aus führungsmanagement
Au ftrag sve rh an dl un g
P ers onal/ A dminis tration
Supp ort- / Ressourcen-Prozesse
G e n eh mi gu n g en + Ausfü h ru ng spla n un g
Infor mation/ Dokum entation
AV OR/ Prod u kti o nspla n u ng
Ba ua us fü hrun g
Bes chaffung/ Diens tleis tung
Ab na hm e/ Üb erg ab e
F inanzen/ Rec ht
Co n tra ctin g in de r Nu tzun g sp h ase
Wis sens - und Innov at ionsm anagem ent
M ark t- / G es chäfts felds trategie
Leitbild / Leis tungs auftrag
Unt ernehm enss trategie
Management-P rozes se
Or ganisations s truktur
U nter nehmensentwic klung
Leistungserstellungsprozesse A ngebot smanagement An ge b otsb ea rbe itu ng
Akq ui sitio n
Mark et ing
A uf trags- und Ausführungsmanagement Ge ne h m iAVO R/ g un ge n + Prod u kA u sfü h run gs- tion spl an u ng p lan u ng
Au ftra gs verh a nd lun g
Per sonal/ Adminis tration
Support- / Ressourcen-Prozesse
Inform ation/ D ok um entation
Bau a usfüh ru ng
B es c haffung/ Diens tleistung
Abn a hm e / Übe rg ab e
Finanze n/ R ec ht
Co n tra cti n g in de r Nu tzun g sp h ase
Wis sens - und Innov ationsm anagem ent
Leitbild / Leis tungs auftr ag
M ark t- / Gesc häftsfeldstr ategie
Unternehmenss tr ategie
AVO R / Prod u ktion sp lan u ng
Bau a usfüh ru ng
B es chaffung/ Diens tleistung
U nter nehmensentwic klung
Co n tra cti n g in de r Nut zun gs p h ase
Abn a hm e / Übe rg ab e
Finanzen/ R ec ht
Wiss ens - und Innov ationsm anagement
Mar k eting
Ang e bo tsbe a rbe itun g
Unter nehm ens entwick lung
A uft rags- und Ausführungsmanagement
Auftra gsv erha n d lun g
Per sonal/ Adm inis tr at ion
Support- / Ressourcen-Prozesse
G e ne hm iAVO R/ gu n ge n + Prod ukA usfü hru ng s- tio n sp la n un g pla n un g
Inform ation/ Dok ument ation
Contractor
M anagement-Prozesse
O r ganis ationsstruk tur
Leistungserste llung spro zess e A ngebotsmanagement
Akqu is ition
B au au sfüh ru n g
Bes chaffung/ Diens tleis tung
A bn ah m e / Ü be rga b e
Finanz en/ Rec ht
Co ntrac ti ng in d e r Nutzu n gsp ha se
W iss ens - und Innovations m anagement
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Inform ation/ Dokumentation
AVO R/ Pro d uktio n spla n un g
Ge ne h m ig un ge n + A u sfü hr un gspl an u ng
Inform ation/ D ok umentation
Reinigungsunternehmen
... I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
Per sonal/ Adm inis tr ation
Mar k eting
Supp ort- / Ressourcen-Prozesse
G e ne hm igu n ge n + A usfü hru ng sp la n un g
Fassadenlieferant
...
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
M anagement-Prozesse
O rganis at ionsstruk tur
Auft rags- und Aus führungsmanagement
Auftra gsve rha n d lun g
HKLLieferant
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
Unternehmens s tr at egie
Leistungserstellung sproz ess e
Ang e bo tsbe ar be itun g
Tiefbauunternehmer
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Mark t- / Gesc häftsfeldstr ategie
A ngebotsmanagement
A kqu is ition
Or ganisations st ruktur
A uft rags- und Ausführungsmanagement
Auf tra gsverh a nd lun g
Per sonal/ Adminis tration
Support- / Res sourcen-Proz esse
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
Leitbild / Leis tungsauftr ag
Unternehm enss trategie
Leistungserstellungsprozesse A ngebot smanagement
Akq ui sitio n
Mark eting
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Wis s ens- und Innovations managem ent
W iss ens - und Innovations m anagement
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
Finanz en/ Recht
C o ntrac ti ng in d er N utzu n gsph a se
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Bes c haffung/ Diens tleis tung
C on tractin g in d er Nu tzu ng sp h a se
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Unternehmens entwic k lung
Ab n ah m e/ Üb e rga be
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
Infor mation/ Dok um entation
Ba u au sfü hru ng
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Personal/ Adminis tration
Mark eting
G en eh m iA VOR / g un g e n + Pro du kAu sfü h run gstio ns p lan u ng p la nu n g
Unter nehm ens entw ick lun g
Ab n ah m e / Üb e rga b e
F inanz en/ Recht
Transportunternehmer
Management-Pr ozes se
Or ganis ationss tr uktur
Auft rags- und A usführungsmanagement
Au ftra g sverh a nd lun g
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Unter nehm ens s trategie
Leistungsers tellu ngsprozesse
An ge bo tsb ea rbe itu ng
B au au sfü h ru ng
Bes c haffung/ Dienstleis tung
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
HKLPlaner
Managem ent-Prozesse M ar k t- / Ges chäf ts feldstrategie
Angebot smanagement
G en e hm iA VO R/ g un ge n + Pro d ukAu sfü hrun g s- tio n sp la nu ng p la n un g
Information/ Dok umentation
Suppor t- / R esso urce n-Pr ozes se
Konstruktionsplaner
Akq u isitio n
Managem ent- Proz esse
Or ganis ationsstrukt ur
Auftrags - und A usf ührungsmanagement
A uftra g sve rha nd lu ng
Pers onal/ A dministration
Leitbild / Leistungsauftr ag
M arkt- / G es c häfts felds tr ategie
Untern ehmens str ategie
Management-Pro zes se O rganis ations s truk tur
Unternehm ens entwic k lung
Leis tung serstellungsprozess e Angebot smanagement
A kq u isitio n
Mar keting
Su pport- / R es sourcen-Pr oz es se
A ng eb o tsb e arb eitu n g
A uf trags- und A usführungsmanagement
Au ftrag sve rh a n dlu ng
Pers onal/ Adm inistration
G en eh m iAVO R/ g u ng en + P ro du kAu sfüh ru ng s- tio nsp la nu n g p la nu n g
Information/ Dokumentation
Ba ua u sfü hru n g
B esc haffung/ Dienstleis tung
Suppo rt- / Ress ourc en-Prozesse
Ab na h m e/ Üb erg a be
Finanz en/ Recht
Con tr actin g in d er Nu tzu ng sph a se
Wis sens- und Innovations managem ent
Leitbild / Leistungs auftr ag
Mar kt- / G esc häftsfelds tr at egie
Unternehm enss trategie
Organisations s tr uk tur
Unter nehmensentwic klung
Leistungserstellungs proz esse A ngebotsmanagement
A kq uisit ion
Mar keting
Ang e bo tsbe a rb e itun g
A uft rags - und Ausf ührungsmanagement
Au ftrag sve rh an dlu n g
P ers onal/ A dminis tration
G e n eh mi AVO R/ gu n g en + Prod u kAusfü h ru ng s- ti on spla n un g pla n u ng
Infor mation/ Dokum entation
Ba ua usfü hrun g
Besc haffun g/ Diens tleistung
Abn a hm e / Übe rg ab e
F inanzen/ Rec ht
Co n tra ctin g in de r Nu tzun g sp h ase
Wis sens - und Innov ationsm anagem ent
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
An ge b otsb ea rb eitu ng
Mark eting
Support- / Ressourcen-Prozesse
Leit bild / Leis tungs auftrag
Unter nehmens strategie
Leistungse rstellungs prozesse Angebot smanagement
A kqu isitio n
I nvest or Bauherr B etreiber Nut zer K undenzufriedenheit = Leis tungsergebnis
M ark t- / G es chäfts feldstrategie
Leitbild / Leis tungs auftrag
I nvest or Best ell er B auherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
Wis sens - und Innov ationsm anagem ent
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
Co n tra cti n g in de r Nu tzun g sph ase
Abn a hm e / Übe rg ab e
Finanze n/ Rec ht
I nvest or Bauherr B etreiber Nut zer K undenzufriedenheit = Leis tungsergebnis
Ba ua usfü hru ng
B es c haffung/ Dienstleist ung
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
Ge ne h m iAVO R/ g un g en + Prod u kAu sfü h run gs - tion spl an u ng p lan u ng
Infor mation/ Dok um entation
I nvest or Best ell er B auherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
U nter nehmensentwic klung
A uf trags- und Ausführungsmanagement
Au ftra gs verh a nd lu ng
Per s onal/ Administration
I nvestor B auherr Betreiber Nutzer Kundenz ufriedenheit = Leist ungsergebnis
An ge b otsb ea rbe itu ng
Mark eting
...
Ma nagement-Prozes se
Or ganisations s truktur
I nvest or Bauherr B etreiber Nut zer K undenzufriedenheit = Leis tungsergebnis
I nvest or Best ell er B auherr Nutzer K undenbedürfnis = Leistungsziel
Unternehmensstrategie
Leistungserstell ungsprozesse A ngebot smanagement
A kq ui sitio n
I nvestor Best ell er B auherr Nutzer Kundenbedürf nis = Leistungsziel
... Manage men t-Prozesse M ar kt- / G es chäfts felds trategie
Leitbild / Leis tungs auftrag
Support- / Ressourcen-Prozesse
Systemanbieter - Integrative Leistungserstellung Managementprozesse Systemführer - Leistungserstellung Kooperationen
G e ne hmiA V O R/ P rod ukg ung en + t ion sA u sf üh ru ng splan ung p lanu ng
Information/ Dokumentation
B au aus füh rung
Bes chaffung/ Diens tleistung
A bn ahm e/ Übe rg ab e
F inanzen/ Recht
Con tract ing in der Nut zung sp hase
Wiss ens- und Innovations management
Sup port- / Re ssourcen-Proze sse
Unternehmens s trategie
Unternehmensentwick lung
Angebotsmanagement
A k qu is it ion
Mark eting
A nge bo ts b earbe it u ng
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uf tra gsve rhan dlun g
Personal/ Administration
G en eh miA V O R/ P ro du kgu nge n + A us f ührun gs - t io ns p lanun g pl anun g
Information/ Dok umentation
B aua usf ühru ng
Besc haffung/ Dienstleistung
A bna hme / Ü berga be
Finanzen/ Rec ht
Con t ra ct in g in d er Nut zu ng spha se
Wiss ens- und I nnovations management
Leitbild / Leis tungsauftrag
Mark t- / Gesc häftsfelds trategie
Unternehmens s trategie
Mana gement-Pro zesse
Organisationsstruktur
Unternehmens entwick lung
Leistungse rstellu ngspro zesse Angebotsmanagement
A k qu is it ion
Marketing
Supp ort- / Ressou rce n-Prozesse
A nge bo ts be arbe it un g
Auftrags- und Ausführungsmanagement
A uf tra gsve rhand lung
Personal/ Administration
G en ehm iA V O R/ P ro dukgun gen + tio nsA us fü hrun gsp la nun g pla nun g
Information/ Dok umentation
Facility Manager
Fassadenplaner /-unternehmen
Man agement-Prozesse
Organisationsstruktur
Leistungserstellungsp rozesse
B auau sfü hru ng
Besc haffung/ Dienstleistung
A b nah me/ Üb erga be
Finanzen/ R echt
Con tra ct in g in d er N ut zu ngs pha se
Wissens- und Innov ations management
Supp ort- / Ressou rce n-Prozesse
Leitbild / Leis tungs auf trag
Mark t- / Gesc häftsfeldstrategie
Unternehmenss trategie
Mana gemen t-Prozesse
Organisationss truk tur
Unternehmens entwick lung
Leistungse rste llun gspro zesse Angebotsmanagement
A k qu is it ion
Marketing
A nge bo ts bea rbeit ung
Auftrags - und A usführungsmanagement
A u f trag sve rh and lung
Pers onal/ Administration
G ene hmigung en + A u s füh rung sp lan un g
Information/ Dok umentat ion
A V O R/ P rod uktion splan un g
B a uau sfü hrun g
Besc haffung/ D ienstleistung
A bn ahm e/ Übe rga be
Finanzen/ Recht
Con trac t ing in de r Nu t zun gsp has e
Wis sens- und Innovations management
Inve stor Bestell er B auherr Nutzer K undenbe dürfnis = L eistungsz iel
Auftrags- und Aus führungs management
A uf t rags v erha ndlu ng
Personal/ Adminis tration
Markt- / Gesc häftsfelds trategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Markt- / Ges chäfts felds trategie
Unternehmensstrategie
Organis ations struktur
Unternehmens entwicklung
Le istung serstellungsp rozesse Angebotsmanagement
A k qu is it io n
A ng eb ot sb earbe it u ng
Mark eting
Suppo rt- / Re ssourcen -Prozesse
Auftrags- und Aus führungs management
A uf t rags v erhan dlu ng
Personal/ Adminis tration
G e neh miA V O R/ P rodu kg unge n + A us f ühru ng s- t ions planu ng p lanu ng
Information/ Dokumentation
B au aus füh rung
Bes chaffung/ Diens tleistung
A bn ahm e/ Übe rg ab e
F inanzen/ Recht
Con tract ing in der Nut z ung sp hase
Wiss ens- und Innovationsmanagement
Investor Bauherr B etreiber Nutzer Kundenz ufri ede nheit = Leistungs ergeb nis
Marketing
A ng eb ot sb earbe it u ng
Leitbild / Leistungsauftrag
Inve stor Bestell er B auherr Nutzer K undenbe dürfnis = L eistungsz iel
Unternehmens entwicklung
Inve stor Bestell er B auherr Nutzer K undenbe dürfnis = L eistungsz iel
Angebotsmanagement
A kqu is it io n
HKL-Planer / -Unternehmen
Managemen t-P rozesse Organis ations struktur
Investor Bauherr B etreiber Nutzer Kundenz ufri ede nheit = Leistungs ergeb nis
Unternehmensstrategie
Le istung serste llungsp ro zesse
Inve stor Bestell er B auherr Nutzer K undenbe dürfnis = L eistungsz iel
Markt- / Ges chäfts felds trategie
Investor Bauherr B etreiber Nutzer Kundenz ufri ede nheit = Leistungs ergeb nis
Inve stor Bestell er B auherr Nutzer K undenbe dürfnis = L eistungsz iel
Mana gemen t-Prozesse Leitbild / Leistungs auftrag
Investor Bauherr B etreiber Nutzer Kundenz ufri ede nheit = Leistungs ergeb nis
Bauunternehmer
Investor Bauherr B etreiber Nutzer Kundenz ufri ede nheit = Leistungs ergeb nis
Architekt/ Infrastrukturplaner
Supp ort- / Re ssourcen-Proze sse
Supportprozesse
Lebenszyklusprozess Bauwerkserstellungsprozess Planungsprozess Initialisierungsprozess Bauherr: Konzeptplan, Businessplan
Entwurfsund Vorplanung
Bauproduktionsprozess Genehmigungsund Ausführungsplanung
Rohbau
Fassade
Nutzungsprozess
Ausbau
Betrieb
Instandhaltung
Architekt/ Infrastrukturplaner Markt- / Ges chäfts felds trategie
U nternehmensstrategie
Organis ationsstruktur
Unternehmens entwicklung
Leistungserstellungsp rozesse Angebotsmanagement
A k qu is it io n
Mark eting
A ng eb ot sb earbe it u ng
Auftrags- und Aus führungs management
A uf tr agsv erhan dlu ng
Personal/ Adminis tration
G e neh miA V O R/ g unge n + P rodu kA us f ühru ngs - t ions planu ng p lanu ng
Information/ Dokumentation
B au aus füh rung
Bes chaffung/ Diens tleistung
A bna hme / Ü berg abe
F inanzen/ Rec ht
Con tract ing in der Nut z ung sph ase
Wiss ens- und Innovationsmanagement
Investor Bauherr Be treiber Nutzer Kun denzufri edenheit = Leistun gsergebnis
In vestor Besteller B auherr Nutzer K und enbedürf nis = Leistung sziel
Mana gemen t-Prozesse Leitbild / Leistungsauftrag
Bauüberwachungsprozess
Facility-Steuerungsprozess
Supp ort- / Re ssourcen-Proze sse
Bild 241: Systemanbieterleistung – Interaktion der Unternehmens- und Bauwerkserstellungsprozesse
7.4.6 Geschäftsfeld – PPP-Systemleistungsanbieter Struktur und Anforderungen des PPP-Markts
Gemeinden und Städte in den entwickelten Ländern sehen sich heute einer zweifachen Herausforderung gegenüber.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 487
Einerseits stehen sie weitgehend im Spannungsfeld angespannter Haushaltsbudgets, die es nur beschränkt zulassen, die notwendigen öffentlichen Serviceleistungen in hoher Qualität zu erbringen. Andererseits stehen sie in den globalisierten Grosswirtschaftsregionen unter erheblichem Wettbewerb um Standortvorteile für die Industrie. Die Kommunen müssen heute um ihren Standortvorteil kämpfen und durch eine hohe Qualität der Infrastruktur hinsichtlich Ver- und Entsorgung sowie Kommunikation bei einer günstigen Leistungs- und Kostenstruktur überzeugen [7-35]. Daher fordert die politisch interessierte Öffentlichkeit verstärkt die Effizienzsteigerung der öffentlichen Dienste. Wissenschaft und Praxis entwickeln neue Formen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, um die Erfolgspotenziale der öffentlichen Träger von Infrastrukturen hinsichtlich gemeinwohlorientierter Ziele und der Privatwirtschaft hinsichtlich marktwirtschaftlicher Leistungserstellung zu vereinen. Die öffentliche Hand versucht verstärkt, unternehmerische Effizienz in ihre Aufgaben zu integrieren und externes Know-how durch Insourcing zu nutzen. Hintergründe sind: x Etablierung schlankerer Verwaltungen x Senkung fixer Personalkosten x Lösung des Problems der Auslastung von Spezialisten durch Outsourcing x Herauslösung aus den restriktiven Vergabe- und Projektabwicklungsformen der öffentlichen Hand x Nutzung von Effizienz- und Know-how-Vorteilen privater Unternehmer x „time to market“ – schnellere Projektabwicklung durch privatwirtschaftliche Organisation Zur Identifikation öffentlicher Aufgaben und Beschaffungen, die im Rahmen von Private Public Partnership (PPP) realisiert werden können, ist es sinnvoll, die öffentlichen Aufgaben in Hoheits-, Finanzierungs- und Leistungsfunktionen zu unterteilen (Bild 242). Die Hoheitsfunktionen müssen von staatlichen Stellen autonom erfüllt werden. Bei den Finanzierungs- und Leistungsfunktionen hingegen bieten sich vielfältige Möglichkeiten der Partnerschaft mit privaten Leistungsorganisationen.
488
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder Hoheitsfunktion nicht delegierbare Aufgaben der öffentlichen Hand wie z.B. Genehmigungen, Versorgungsverpflichtung, Autoritärgewalt
Public Private Partnership – Potenzial Leistungsfunktion:
Finanzierungsfunktion:
• Bereitstellungs-/ Durchführungsfunktion: Bau/Erneuerung und Betrieb
• Bereitstellungsfunktion: Erforderlicher Finanzierungsbeitrag
• Aufgabenerfüllungs-/ Versorgungsfunktion: Bereitstellung der staatlich geschuldeten Leistung als vertraglicher Output
Bild 242: Funktionen der öffentlichen Hand und potenzielle Funktionen mit privater Beteiligung
Generell eröffnet sich den Kommunen ein breites Spektrum möglicher Abwicklungsformen für die Infrastrukturbereitstellung. Der Alternativraum der Infrastrukturbereitstellung lässt sich in Anlehnung an HINTZE [7-33] in die in Bild 243 dargestellten Konzepte der Infrastrukturbereitstellung mit den entsprechenden Verfügungsrechten unterteilen. Konzepte der Infrastrukturbereitstellung:
staatliche organisationelle und finanzielle Verfügung
finanzielle und organisatorische Privatisierung funktionale Privatisierung Deregulierung
monopolistischer Markt
finanzwirtschaftliche Privatisierung
staatliche Bereitstellung private Finanzierung Kooperation projektbezogene Konzession regulierter Markt freier -
öffentliche Nutzung
indirekte Verfügungsrechte
direkte Verfügungsrechte
Verlagerung von Verfügungsrechten:
freier Markt
Bild 243: Alternativraum für die Infrastrukturbereitstellung [7-33], [7-25]
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 489
Die Kommunen sollten zur Sicherung ihrer Standortvorteile die effizienteste Abwicklungsform wählen. In Grossbritannien sind im Rahmen der Private Finance Initiative (PFI) seit den 1990er Jahren bereits erhebliche Kosteneinsparpotenziale für die Infrastrukturbereitstellung erzielt worden (bis zu 17 %, [7-34]), indem die Infrastrukturbereitstellung in einer Partnerschaft aus öffentlicher Hand und Privatwirtschaft erfolgt. Dort werden im Rahmen der aktuellen PublicPrivate-Partnership-Initiative weitere Kooperationen forciert [7-39]. In Anlehnung an die umfassende und präzise Definition des britischen Finanzministeriums [7-34] wird der Begriff der „Public Private Partnership“ wie hier folgt definiert:
Die Potenziale neuer PPP-Geschäftsfelder für Bauunternehmen wurden in verschiedenen Veröffentlichungen aufgezeigt [7-17], [7-18], [7-22]. Für die Abwicklung der partnerschaftlichen Kooperation „Public Private Partnership“ eröffnet sich ein weites Feld an möglichen Kooperationsformen, bei denen die für eine Partnerschaft konstituierende Grundbedingung einer gemeinsamen Zielerreichung gegeben sein muss. Für die Systematisierung von PPP-Modellen wird in diesem Buch auf die umfassende und praxisrelevante Definition des britischen Finanzministeriums [7-34] zurückgegriffen und für die Unterscheidung in Kontraktund Kooperationsmodelle in Anlehnung an HINTZE [7-33] eine Typologie entwickelt (Bild 244). Ausser durch die für eine Partnerschaft konstituierende Grundbedingung einer gemeinsamen Zielerreichung unterscheiden sich die PPP-Modelle (Bild 244) weiterhin hinsichtlich der für eine Kooperation konstituierenden Merkmale
490
x x x x
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Eigentumsverhältnisse, Grad der formalen Institutionalisierung, Wahrnehmung der Leistungsfunktion sowie Wahrnehmung der Finanzierungsfunktion
innerhalb der Partnerschaft. Die Eigentumsverhältnisse und die Wahrnehmung der Finanzierungsfunktion in Abhängigkeit von den Vertrags- und Organisationsmodellen sind in Bild 244 dargestellt. Die Kooperationsformen oder auch Vertrags- und Organisationsformen unterscheiden sich vor allem hinsichtlich des Grads und des Modus der Kooperation.
Dienstleistungsverträge Managementverträge Sachleistungsverträge
Joint Ventures / Kooperationsmodelle
Partnership Investment
100 % Eigentum 0%
Konzessionsmodell
Beteiligungsmodelle
Kontraktmodelle
Outsourcingmodelle
Eigenleistung der öffentlichen Hand
Strat. Kooperationsmodelle
PPP Finanzierung
Miete, Mietkauf, Leasing Betreibermodelle (BOD, BOO, BOOM, BOOT, BOT, BTO)
Private Finanzierung Öffentliche Eigentumsverhältnisse während der Vertragslaufzeit
0% Finanzen 100 %
Bild 244: Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership
In Bild 245 ist in Anlehnung an SYDOW [7-52] die Bandbreite möglicher Kooperationsgrade aufgezeigt. Den niedrigsten Kooperationsgrad gemäss der in Bild 244 getroffenen Definition weisen die auf Verträgen basierenden Outsourcingmodelle auf. Kontraktmodelle basieren auf langfristigen Verträgen; sie weisen einen mittleren Kooperationsgrad auf. Den höchsten Kooperationsgrad weisen die Strategischen Kooperationsmodelle auf, bei denen öffentlich-private Gesellschaften gegründet werden (Bild 245).
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 491
Outsourcingmodelle
Kontraktmodelle
Investitionskostenoptimierung
100%
Kooperationsmodell
Partnership investment
Beteiligungsmodell
Betreibermodell
Miete, Mietkauf, Leasing
Konzessionsmodell
Werkvertrag
Managementvertrag
Dienstleistungsvertrag
Eigenleistung öffentliche Hand
Grad der Kooperation innerhalb der Partnerschaft
Strategische Kooperationsmodelle
Lebenszykluskostenoptimierung
Bild 245: Kooperationsgrad der Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership
Der Kooperationsgrad von PPP-Modellen kann weiter durch den Umfang der Aufgaben, die an private Unternehmen vergeben werden, differenziert werden. Zu diesem Zweck erfolgt in einem Aufgaben-Kooperations-Portfolio (AKP) (Bild 246) eine Einordnung der verschiedenen öffentlichen Aufgaben und Beschaffungen nach Kooperationsgrad und Aufgabenumfang, denen die in Bild 244 abgebildeten PPP-Vertrags und Organisationsformen zugeordnet wurden. Kooperationsgrad
gross
Gesamtprojekte/ Bereichsaufgaben
Kontraktmodelle
hoch • BOT • BOOT • ROT •…
Strassen, Tunnel, Eisenbahnnetze
klein
Umfang der Aufgaben des privaten Partners
gering
Teilaufgaben eines Bereichs
Outsourcing
• Sub Grünpflege • Sub Gebäudereinigung • Sub …
• Strassenunterhalt • Entsorgungssysteme • Energiesysteme • Stadtentwicklung
Strategische Kooperationsmodelle • PPP-Gefängnis • PPP-Schulen • PPP-Kläranlagen
Bild 246: PPP-Modelle – Aufgaben-Kooperations-Portfolio (AKP)
492
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Die Synergien zwischen öffentlicher Hand und privatem Sektor in den Kontraktmodellen und Strategischen Kooperationsmodellen sind in Bild 247 gezeigt. Aus der Zuordnung der Leistungs- und/oder Finanzierungssowie Steuerungsfunktionen ergibt sich das Synergiepotenzial des jeweiligen Vertragskonzepts.
Finanzierungsfunktion
Leistungsfunktion
Subvergabe Konzession
Steuerungsfunktion: öffentliche Hand oder Kooperation
Steuerungsfunktion und Leistungsfunktion
Privates Know-how
Outsourcing
Steuerungsfunktion Leistungsfunktion u. Finanzierungsfunktion
Öffentliches Know-how
Outsourcing
Know-how des privaten Sektors
Privates Know-how
Know-how der öffentlichen Hand
Öffentliches Know-how
Strategische Kooperationsmodelle
Kontraktmodelle
Bild 247: PPP-Synergie-Matrix PPP Public Private Partnership
Konzessionen
Zusammenarbeit
Kontraktmodelle
Strategische Kooperationsmodelle
Abgrenzbare, cashflow-finanzierte Projekte: BOT (build operate transfer) BOO (build own operate) BOOT (build own operate transfer) ROT (renovate operate transfer) ROO (renovate operate own) …
• Abgrenzbare PPP-Projekte: BMMT (build manage maintain transfer) RMMT (renovate manage maintain transfer) MMRT (manage maintain renovate transfer) MS (manage service) • PPP-Dienst- und Sachleistungen
Leistungsbereitstellung: Versorgungsangebot und Steuerung durch den Konzessionsnehmer
Leistungsbereitstellung: Versorgungsangebot durch Kooperation und Steuerung durch öffentliche Hand oder Kooperation
Bild 248: PPP-Realisierungskonzepte
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 493
Bild 248 stellt die verschiedenen Realisierungskonzepte der PPP-Kontraktund Strategischen Kooperationsmodelle dar. Dabei wird deutlich, dass bei den Kontraktmodellen die Aufgabenerfüllung, d.h. das Versorgungsangebot und dessen Steuerung, weitgehend autark im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung erfolgt. Bei den Strategischen Kooperationsmodellen erfolgt die Aufgabenerfüllung, d.h. die Versorgung und Steuerung, durch die PPPartnerschaft oder die Versorgung durch den privaten Anbieter, aber die Steuerung durch die öffentliche Hand. Zur Analyse der Wirtschaftlichkeitssteigerung im Rahmen der Entscheidung für oder gegen eine PPP-Aufgabenerfüllung ist es erforderlich, die Vollkosten der traditionellen Eigenleistung mit den Vollkosten eines PPP-Konzepts zu vergleichen (Bild 249). Bei der PPP-Kostenanalyse müssen dabei die Transaktionskosten für Vorbereitung, Ausschreibung, Steuerung und Kontrolle und die erhöhten Risiken bei einer Einbindung von privaten Leistungsträgern über die meist 10- bis 30jährige Partnerschaft berücksichtigt werden. In vielen Fällen wird ein sehr hohes Einsparungspotenzial für die öffentliche Hand realisiert. PSC Public Sector Comparator Traditionelle Eigenleistung plus Vergabe
PPP-Konzept • Kosten der Steuerung • Kosten der Leistungserstellung
• Kosten der Steuerung • Kosten der Leistungserstellung
Kostenvergleich Entscheidung
Bild 249: PPP-Entscheidung mittels Public Sector Comparator (PSC)
Diese Nachfragekonstellation ermöglicht die Etablierung neuer strategischer Geschäftsfelder für Bauunternehmen im Bereich der öffentlichen Beschaffung und Auftragserfüllung. Die Entwicklung solcher PPP-Lebenszyklusgeschäftsfelder erfordert neben der latenten Nachfrage öffentlicher Auftragnehmer eine Push-Strategie von den Unternehmen und ihren Vereinigungen.
494
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Markt und Kunden
Weltweit In der jüngeren Vergangenheit hat die Beteiligung der Privatwirtschaft an öffentlichen Infrastrukturanlagen und dabei auch die Anwendung von Betreibermodellen weltweit stark zugenommen. Auch in Europa spielen PPP-Modelle eine zunehmend wichtige Rolle. Bekannte Beispiele sind der Eurotunnel zwischen England und Frankreich sowie der neue Flughafen in Athen. Bei beiden Milliardenprojekten waren Bauunternehmen sowohl an der Projektgesellschaft als auch an der Bauausführung wesentlich beteiligt. Deutschland Neben reinen Privatisierungen wie die der Wasserversorgungsunternehmen in Rostock, Bremen und Berlin ist Public Private Partnership (PPP) seit 2001 in Deutschland ein Thema, das auch von der Politik forciert wird. Sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene gibt es PPP-Arbeitsgruppen und Taskforces, die PPP fördern sollen. Aufgabe dieser Institutionen ist es, ein Kompetenznetzwerk aufzubauen, Pilotprojekte zu betreuen, entsprechendes Know-How zu generieren und zu vermitteln sowie die Rahmenbedingungen für PPP-Projekte zu optimieren [7-7]. In Nordrhein-Westfalen (NRW), Hessen und auf Bundesebene wurden seit 2001 bereits Pilotprojekte initiiert. Weitere Bundesländer haben eine Taskforce gebildet und/oder prüfen erste Pilotprojekte im Hinblick auf ihre Wirtschaftlichkeit (Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bayern). PPP in Deutschland soll vor allem für die Beschaffung öffentlicher Infrastrukturen im Hochbau und im Strassenbau genutzt werden. Im Bereich des öffentlichen Hochbaus wird PPP als Alternative zum konventionellen Beschaffungsweg diskutiert und angewendet. Die Kommunen der Länder haben hier eine Vorreiterstellung eingenommen, indem sie im Schulhausbereich bereits einige Sanierungs- und Modernisierungsprojekte als PPP ausgeschrieben und umgesetzt haben. Als Beispiele sollen das Kreishaus Unna (NRW), die Monheimer Schulen (NRW) sowie die Schulen im Kreis Offenbach (Hessen) kurz beschrieben werden. Der Kreis Unna hat 2004 die Sanierung und den Betrieb des Kreishauses mit einer Vertragslaufzeit von 29 Jahren europaweit als PPP ausgeschrieben. Die Sanierung des Kreishauses begann Anfang 2005 und wird Mitte 2006 abgeschlossen sein. Die Stadt Monheim hat im Januar 2004 die sukzessive Sanierung bzw. den Neubau der 13 städtischen Schulen sowie Sport- und Turnhallen einschliesslich des Unterhalts und der Bewirtschaftung mit einer Laufzeit von
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 495
25 Jahren und einem reinen Investitionsvolumen von 24 Mio. € in einer PPP an einen privaten Partner vergeben. Das bundesweit größte PPP-Projekt für öffentliche Schulen hat der Kreistag des Landkreises Offenbach im Mai 2004 beschlossen: Ab September 2004 ist das Privatunternehmen SKE Schul-Facility-Management GmbH für 15 Jahre für die Bewirtschaftung von 46 Schulen im westlichen Kreis verantwortlich. Für den östlichen Teil des Kreises wurde HOCHTIEF beauftragt, 49 Schulen mit insgesamt 282 Gebäuden zu sanieren, zu finanzieren und insgesamt 15 Jahre lang zu betreiben. Für die Realisierung von PPP im Strassenbau wurden in Deutschland die A- und F-Modelle entwickelt. Das F-Modell basiert auf dem 1994 in Kraft getretenen Fernstrassenbauprivatfinanzierungsgesetz, das es Privaten ermöglicht, Brücken und Tunnel zu bauen, zu finanzieren und zu betreiben und die Kosten durch Erhebung einer Maut von den Nutzern zu refinanzieren. Mit der Einführung der streckenbezogenen Gebühr für schwere Lastwagen wird ein Betreibermodell für den mehrstreifigen Autobahnausbau, das so genannte A-Modell, möglich. Der Private unterhält die bestehenden und finanziert den Ausbau auf weitere Fahrspuren. Im Gegenzug erhält er die Gebühren des Schwerverkehrs im entsprechenden Bereich. Im Zuständigkeitsbereich des Bundes (Brücken, Tunnel, Bundesstrassen) wurden zwei F-Modelle in Rostock und Lübeck entwickelt. Mit dem Warnowtunnel in Rostock wurde nach knapp vierjähriger Bauzeit im September 2003 die bundesweit erste Mautstrecke dem Verkehr übergeben. Der Betreiber, Bouygues Travaux Publics S.A. (F) und Macquarie Infrastructure (AUS), hat sich gegenüber der Hansestadt Rostock vertraglich verpflichtet, den 790 Meter langen und 220 Mio. € teuren Tunnel privat zu errichten, 30 Jahre lang zu betreiben und das Projekt zu finanzieren. Seit 2001 baut der Betreiber, HOCHTIEF PPP Solutions GmbH und Bilfinger Berger BOT GmbH, den Herrentunnel in Lübeck, das zweite bundesweite F-Modell; der Abschluss der Bauarbeiten ist für Ende 2005 geplant. Die Konzessionsdauer von 30 Jahren und die Entrichtung einer Maut durch die Nutzer ermöglichen es dem Betreiber, seine Investitionen zu refinanzieren. Eigentümerin des Bauwerks ist die Hansestadt Lübeck. Die ersten PPP-Projekte zeigen, dass im Vergleich zu konventioneller Projektabwicklung Einsparungen von bis zu 25 % realisierbar sind [7-51]. Weiteres Wachstum von PPP ist in Deutschland vor allem im Hochbau zu erwarten; im Strassenbau schätzen Experten die Entwicklung von PPP aus Mangel an geeigneten Projekten eher verhaltener ein [7-56]. Daneben gibt es zurzeit in Deutschland weitere PPP-Ansätze in Bereichen wie der Kulturpolitik (z.B. das museum kunst palast in Düsseldorf) oder der Standortentwicklung (z. B. Projekt Ruhr GmbH).
496
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Schweiz In der Schweiz hat sich PPP bis heute im Vergleich mit anderen europäischen Ländern trotz einer langen Tradition öffentlich-privater Kooperation in Form von Bundesunternehmen (SBB, Post, Swisscom), kantonalen Unternehmen (Energie, Informatik) oder Gemeindeunternehmen (Energie, Verkehr, Ver- und Entsorgung) nicht durchgesetzt. Die Gründe liegen u.a. in x der (noch) soliden wirtschaftlichen Situation der öffentlichen Hand, x dem (noch) fehlenden Sanierungsstau bei öffentlichen Infrastruktureinrichtungen, x der hohen Komplexität des Themas Public Private Partnership (PPP) sowie den damit verbundenen Unsicherheiten. Dennoch wird auch in der Schweiz in den letzten Jahren vermehrt über das Thema PPP diskutiert, z.B. im Rahmen des Weiterbildungsseminars Recht des Europainstituts der Universität Basel, dessen Thema am 28. September 2004 „Public Private Partnership – Zusammenarbeit zwischen Staat und Unternehmen“ war. Eins der wenig „echten“ PPP-Projekte in der Schweiz ist das Kunst- und Kulturzentrum Luzern (KKL). Eine Stiftung aus öffentlichen und privaten Institutionen hat das KKL entwickelt, gebaut und ist Eigentümerin. Der Betrieb erfolgt seit 1996 durch die KKL Management AG. In Zürich entwickelt derzeit eine Projektentwicklungsgesellschaft, an der die Stadt Zürich, die Karl Steiner AG und die IG Neues Kongresszentrum Zürich beteiligt sind, ein neues Kongresszentrum. Im Strassenbau kann die Studie zur PPP-Machbarkeit für das Projekt Verkehrsentlastung Rapperswil genannt werden. Projektstand hier ist, dass nach einem Variantenstudium zurzeit die Variante Vollausbau verfolgt wird. Es ist noch nicht definitiv entschieden, ob das Projekt mittels herkömmlicher Projektabwicklung oder PPP umgesetzt werden soll. Im Bereich der Standortentwicklung kann die Greater Zurich Area als echte PPP genannt werden. Die mit der Standortentwicklung beauftragte Stiftung besteht aus privaten Unternehmen und öffentlichen Institutionen wie Städten und Kantonen. Ziel ist es, den Grossraum Zürich zu den führenden Wirtschaftsregionen Europas zu entwickeln. Die Verschärfung der finanziellen Lage und das Voranschreiten des damit verbundenen Sanierungsstaus bei öffentlichen Infrastruktureinrichtungen zeichnen sich auch in der Schweiz zunehmend ab, so dass davon auszugehen ist, dass PPP auch in der Schweiz in Zukunft stärker forciert werden wird.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 497
7.4.7 PPP-Geschäftsfelder für strategische Kooperationsmodelle Folgende PPP-Geschäftsfelder bieten sich für strategische Kooperationsmodelle mit Aufgabenerfüllungscharakter an: x Stadtentwicklung zur schnellen und finanziell interessanten Entwicklung und Vermarktung von nicht bebauten oder zur Umnutzung zur Verfügung stehenden Gebäuden und Industriearealen. Die Ziele sind: - Steigerung des Grundstückswerts zur Erzielung hoher Verkaufserlöse - Ansiedlung neuer zukunftsorientierter Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Erhöhung der Steuereinnahmen - städtebauliche Revitalisierung schlecht genutzter Arealen (Industriebrachen etc.) in attraktiver Lage x Baulicher Unterhalt von kommunalen Verkehrs-, Ver- und Entsorgungsnetzen: Hintergründe sind die Fokussierung auf die Kernkompetenz des Betriebs sowie die effizientere und kostengünstigere Gestaltung schlecht ausgelasteter Unterhalts- und Instandsetzungsabteilungen. x Betrieb von kommunalen Verkehrs-, Ver- und Entsorgungsbetrieben, um Kosten zu senken und Einnahmen zu erhöhen. Eine reine Privatisierung oder Vergabe von Konzessionen ohne städtische Beteiligung kommt oft aus politischen Gründen bzw. wegen der Verantwortung für die Sicherstellung von Verkehrsnetzen und Erfüllung von Verund Entsorgungsaufgaben nicht in Frage. Die öffentliche Hand möchte deshalb als wichtiger Aktionär an den PPP-Modellen beteiligt sein, um bei der strategischen Zielsetzung zu entscheiden bzw. mit zu entscheiden. Die operative Umsetzung erfolgt dann durch die PPP-Projektgesellschaft. Daher bevorzugt die öffentliche Hand bei PPP-Modellen eine Aufgabenteilung (Bild 250).
498
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
PPP Kooperationsmodell
Privater Partner
Öffentlicher Partner
Leistungserbringung nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten
Überwachung/Steuerung der gemeinwohlorientierten Ziele
Vergütung des privaten Partners abhängig vom Projekterfolg bzw. von den Leistungsergebnissen
Bild 250: PPP-Modelle – Aufgabenschwerpunkte
Geschäftsfeld –Stadtentwicklung / Immobilienentwicklung
In Bild 251 ist eine mögliche Variante einer PPP-Projektgesellschaft eines Geschäftsfelds Immobilienentwicklung dargestellt. Die Projektabwicklung durchläuft drei Hauptphasen, die sich durch ihre organisationelle Konstruktion und die Eigentumsverhältnisse unterscheiden: x Phase der Projektentwicklung x Phase der Projekterrichtung x Phase des Betriebs In der Phase der Projektentwicklung gründet die Stadt / Gemeinde eine „Holding“, in die die Grundstücke oder Industriebrachen eingebracht werden. Die Möglichkeiten hängen von den länderspezifischen Gesetzen ab.
Ziel / Ergebnis
Organisation / Interaktion der Vertragsparteien
Behörde
• Nutzer identifizieren • Vorentwurf • Änderung Bebauungs-/ Nutzungsplan • Kostenschätzung
Öffentlichkeit
Planer
PE-Geschäftsleitung
Holding “Stadt“
Stadt / Gemeinde
Phase der Projektentwicklung
“Holding“-Phase (öffentliche Hand)
Projektphase
oder
GU
Projektsteuerung
• Schnelle Realisierung • Einhaltung der Kosten • Einhaltung der Qualität • Einbeziehung der Nutzer
TU mit GMP
Projektmanagement
Versicherung
Bauunternehmen
PPP-Projektgesellschaft Geschäftsleiter
Private Investoren
• Bildung der PPP-Projektgesellschaft / Eigenkapital • Bindung von Mietern bzw. Käufern • Kredite • Genehmigung der Planung • design to cost
GP
Bauherr
Holding “Stadt“
Bau
Gesellschafter
Genehmigungs-/ Ausführungsplanung
Phase der Projekterrichtung
PPP-Phase
Käuferphase (privat)
• Inbetriebsetzung • Optimierung der Anlagen • Überführung zum FM oder Betreiber
z.B. TU
Projektmanagement
PPPProjektgesellschaft
Gesellschaft
Inbetriebsetzungsphase
[–]
Hauptbetreiberphase
Phase der Nutzung / Betrieb
Objektphase
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 499
FM durch Betreiber oder Käufer
Bild 251: Abwicklung eines PPP-Projekts – Stadtentwicklung / Immobilienentwicklung
Die Aufgabe der „Holding“ ist es, die Bebauungs- bzw. Nutzungspläne für die Grundstücke so zu gestalten, dass sie hohes städtebauliches Potenzial
500
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
entwickeln und die Nutzungsmöglichkeit einen hohen Grundstückswert ergibt. Zur Begründung der Umnutzung muss eine unternehmerische Idee entwickelt werden, bei der die potenziellen Kunden im Mittelpunkt stehen. Die Frage muss lauten: Welcher potenzielle Kunde/Käufer/Nutzer möchte ein Grundstück in dieser Lage für welchen Zweck nutzen? Hier ist es wichtig, Unternehmen mit hohem Entwicklungs- und Wachstumspotenzial anzuvisieren. In dieser Phase sollte auch die Akquisition der Kunden (Nutzer) beginnen, damit die Bebauungspläne gezielt auf deren Bedürfnisse hin geändert werden können, um eine hohe Attraktivität des Projekts sicherzustellen. Ein erster Vorentwurf ist erforderlich, der die architektonischen, städtebaulichen und funktionalen Aspekte zur erfolgreichen Projektentwicklung betrachtet. Dabei sind alle wichtigen Stakeholder einzubeziehen [7-53]. Eine derartige Projekt- bzw. Stadtentwicklung hat politische, soziale und umweltgestalterische Aspekte, die verschiedene gesellschaftliche Gruppen berühren; es ist daher notwendig, frühzeitig eine systematische Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um alle Stakeholder von den Vorteilen der Massnahme zu überzeugen. Dies beinhaltet auch das Einbinden einflussreicher Parteien, Verbände und der Presse sowie des regionalen Fernsehens. Diese Aufgaben muss die Holding durchführen, um die Grundlage für eine schnelle Projektrealisierung mit hohem Nutzwert zu schaffen. Damit steigt die Attraktivität für entsprechende Investoren. In der Phase der Projekterrichtung wird eine PPP-Projektgesellschaft gegründet, die das Projekt realisiert. Sie setzt sich aus folgenden möglichen Gesellschaftern / Aktionären zusammen: x Stadt / Gemeinde (meist die „Holding“) mit ca. 20 % Anteil am Eigenkapital x Banken / Versicherungen x andere private Investoren x Bauunternehmen etc. Im Rahmen des Geschäftsfelds Immobilienentwicklung kann ein Bauunternehmen nun aktiver Gesellschafter werden. Die PPP-Projektgesellschaft muss ein Eigenkapital von mindestens 20 % der Gesamtinvestitionssumme aufbringen; der Rest kann am Finanzmarkt als Kredit finanziert werden. Sie kauft von der Stadt/Gemeinde bzw. „Holding“ das Grundstück, führt die Genehmigungs- und Ausführungsplanung durch und realisiert den Bau aufgrund klarer Renditeerwartungen; daher erfolgt die Umsetzung der architektonischen, städtebaulichen, funktionalen und qualitativen Anforderungen meist nach dem „design to cost“Prinzip. Zur Umsetzung der Leistungsziele in das Leistungsergebnis ist eine effiziente, zielorientierte Projektsteuerung erforderlich. Schon zu Be-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 501
ginn der Projekterrichtungsphase sucht die Projektgesellschaft den späteren Käufer bzw. Nutzer und bindet ihn vertraglich, wobei die Mietverträge meist über 5 bis 10 Jahre abgeschlossen werden. Damit wird die Rendite der Investition im Vorfeld der Baurealisierung sichergestellt, und die individuellen Bedürfnisse der Nutzer können berücksichtigt werden. Zur Realisierung des Baus kann jede Projektabwicklungsform (Bild 251) herangezogen werden. In den meisten Fällen wird die PPPProjektgesellschaft aus Risikoüberlegungen und zur Kosten- und Terminsicherung einen TU- bzw. Systemanbieterwettbewerb ausschreiben, bei dem sich ein Team aus Architekten und Totalunternehmer qualifizieren muss. Damit wird sichergestellt, dass x die architektonische/städtebauliche Qualität gewahrt bleibt (Gewichtung der Qualität des Architekten), x die Kosten und Termine durch „design to cost“ garantiert werden, x eine schnelle, phasenübergreifende Realisierung möglich ist. Die Phase des Betriebs wird in zwei Teilphasen untergliedert: x Anfangsphase – Inbetriebsetzung x Permanentphase – Hauptbetriebsphase In der Anfangsphase wird in der Regel das Betriebssystem durch die Projektgesellschaft oder das Contracting-Unternehmen optimiert. Oft sind die Mieter zwar gefunden, aber der Verkauf an eine Immobiliengesellschaft ist noch nicht abgeschlossen. In der Permanentphase wird das Projekt meist an eine Immobiliengesellschaft oder einen anderen Käufer, der den Betrieb bzw. das Facility Management durchführt, verkauft. Wird die Immobilie nicht verkauft, vergibt die Projektgesellschaft den Betrieb an eine Betreibergesellschaft oder einen Facility Manager. Geschäftsfeld – Unterhalt von kommunalen Strassennetzen
Das Geschäftsziel eines strategischen Kooperationsmodells zum Unterhalt von Strassennetzen im kommunalen Bereich ist es, die Kosteneffizienz der Gemeinden bei Erhaltung eines definierten Qualitätsstandards zu steigern. Die Koffeneffizienz steht im Mittelpunkt der Wettbewerbsstrategie solcher Leistungsanbieter. Für das Geschäftsfeld PPP-Strassenunterhalt bietet sich gemäss Bild 244 als Vertrags- und Organisationsform das strategische Kooperationsmodell an, bei dem die Infrastruktureinrichtung bereits vorhanden ist. Die Strassenverkehrsanlage bleibt im Eigentum der öffentlichen Hand, die auch weiterhin die Finanzierungsfunktion für die Unterhaltsarbeiten übernimmt.
502
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Das Unternehmen mit dem Geschäftsfeld PPP-Strassenunterhalt wird als privater Partner mittels des Betreibervertrags langfristig zu einer Kooperation gebunden, die als strategisches Kooperationsmodell einen relativ hohen Grad an Kooperation ausweist. Der Prozessablauf einer PPP im Strassenunterhalt, die sich nur mit der Aufgabe des Betriebs der Strassennetze und nicht mit der Beschaffung befasst, ist in Bild 252 dargestellt.
Bild 252: Prozessablauf einer Public Private Partnership im Strassenunterhalt
Weitere Informationen über die Projektabwicklungsformen findet man bei [7-25]. Das Projektabwicklungsprozessmodell ist in Bild 253 dargestellt und umfasst die Phasen: x x x x
Konzeptphase Ausschreibungsphase Vergabephase Vertragsphase
Geschäftsfeld –Unterhalt/Instandhaltung kommunaler Abwassernetze
Das Geschäftsziel eines Geschäftsfelds PPP-Abwassernetze ist es, kommunale Abwassernetze hocheffizient in Bezug auf Kostenoptimierung, Versorgungs- und Entsorgungssicherheit sowie Life-Cycle-Orientierung zu unterhalten bzw. instand zu halten. Der Vorteil für die Gemeinden besteht darin, dass keine eigene Unterhalts- und Instandhaltungsabteilung für Planung und Ausführung aus Effizienz- und Auslastungsgründen notwendig ist. Ferner haben die meisten Kommunen aus der traditionellen, sequenziellen Einzelleistungsträgerabwicklung die Erfahrung gewonnen, dass zwischen Bauherr, Planer und Ausführungsunternehmer keine Synergien entstehen. Besonders im Bereich der Instandsetzung ist eine stürmische, innovative Entwicklung im Gange, die ein einzelner Fachplaner für eine
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 503
Stadt / Gemeinde hinsichtlich Materialarten, Bauverfahren unter Betrieb, Dauerhaftigkeit und Umweltverträglichkeit oft nicht mehr übersehen kann. Dieses Wissenspotenzial kann das Unternehmen mit dem Geschäftsfeld PPP-Abwassernetze der öffentlichen Hand durch eine strategische PPPKooperation zur Instandhaltung von Kanalnetzen erschliessen. Bedingung für ein Rundumpaket „Kanalerhaltung“ ist jedoch, dass das Unternehmen für diese Lebenszyklusaufgabe über z.B. zehn Jahre eine Kooperation mit einem Fachplaner eingeht.
Aufgaben
Individuelle Projektverträge
Ausschreibungsphase
Vergabephase
Vertragsphase I
• Vertragskonzept • Qualitätsanforderungen • Qualifikationsanforderungen • Teamkonzept
• Leistungskatalog • Virtuelle Ausschreibung • Organisatorische Konzeption • Entscheidungsablauf
• Bewertung der Angebote • Überarbeitung des Konzepts • Vertragsverhandlung • Vertragsabschluss
• Teambildung • Festlegung der Entscheidungsabläufe (Weg/Zeitrahmen) • Teamziele • Projektziele
• Jahresziele (Budget) • Prioritäre Aufgaben • Beauftragung einzelner Projekte nach Preiskatalog • Controlling
Î Präqualifikation
Î Ausschreibung
Î Vergabe
Î Kick-off-Workshop
Î Projektarbeit
• Teambildung • Qualifikationsnachweis: í Finanzen í Technik í Manpower í Innovation í Projektmanagement
Projektauftrag
Projektauftrag
Projektauftrag
Vertragsphase II
Routine- und Ad-hoc-Aufgaben Routine- und Ad-hoc-Aufgaben Routine- und Ad-hoc-Aufgaben
Vergabe
(ca. 3-4 Unternehmer auswählen)
Angebot
Präqualifikation/Selektion
Konzeptphase
n - Unternehmer
Unternehmer
Bauherr
Rahmenvertrag gestalten:
Projektmanagement • Preiskatalog • Preis des virtuellen Projekts • Organisations- und Entscheidungskonzept • Team (detailliert)
• Organisatorische
Anpassung • Entscheidungskonzept • Technik • Management
• Vorstellung der Teammitglieder • Funktionen (Know-how) • etc.
• Zustandsüberprüfung • Koordination mit Infrastrukturträgern • Ziele und Massnahmen planen und vorschlagen • Technische, betriebliche und bauliche Umsetzung • Projektmanagement • Controlling, Qualität, Sicherheit etc.
Bild 253: Prozessmodell einer Public Private Partnership
Die PPP-Leistungsangebote im Geschäftsfeld PPP-Abwassernetze für den Unterhalt und die Instandsetzung von kommunalen Abwassernetzen [7-25] auf der Basis der Vergabe pauschalierter Leistungen ermöglicht einerseits, die Vorteile des privaten, effizienzgetriebenen Unterhalts sowie der Instandhaltung und Instandsetzung zu nutzen, und hat andererseits den Vorteil, dass der Besitzer und Bereitsteller des Netzservices die Funktionalität und Betriebssicherheit für den Kunden selbst bestimmt. Ferner kann er in der Planungsphase gezielt auf das Know-how des spezialisierten Partnerunternehmens zurückgreifen. Da diese Geschäftsmodelle – z.B. Strassenunterhalt und Abwasserunterhalt – in der Auftragserfüllungsphase interaktiv mit der Kommune durchgeführt werden müssen und die Steuerungsfunktion zumindest bezüglich der Projekte (nicht bei Routineaufgaben) bei der Gemeinde liegt (Bild 254), ist die Teamfähigkeit der Leistungsanbieterkooperation von ent-
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
scheidender Bedeutung. Die Anforderungen können bei [7-25] nachgelesen werden. Öffentliche Hand Hoheitsfunktion
Strategische Kooperation Normative und strategische Ausrichtung der Partnerschaft
Steuerungsteam: paritätische Besetzung Privater: Planung/Vorschläge Öffentliche Hand: Entscheiden
Finanzierungsfunktion: Privater und/oder öffentliche Hand bzw. strategische Kooperation
Qualitäts- und Leistungskontrolle
Leistungsfunktion:
durch öffentliche Hand oder externe Dritte
Privater bzw. strategische Kooperation
Privater Leistungsanbieter • Know-how • Kapital • privatwirtschaftliche Organisation
Bild 254: PPP- Kooperationsmodell – Interorganisationsstruktur und Interaktion
Der PPP-Leistungsanbieter bindet zur Durchführung der Leistungen relevante Subunternehmen mittels Aufträgen und Werkverträgen. Zudem müssen Versicherungen und Banken zur Sicherung der Garantieleistungen eingebunden werden (Bild 255).
Bankgarantie
Privater Leistungsanbieter
Versicherung
Serviceleistungen
Werkvertrag
Bauunternehmen
Aufträge
Reinigungsunternehmen
Planungsvertrag
Planer
Bild 255: Strukturmodell eines PPP-Dienstleistungsanbieters
Liefervertrag
Hersteller
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 505
7.4.8 PPP-Geschäftsfelder für PPP-Kontraktmodelle Markt
Unter bestimmten Rahmenbedingungen kann es für einen Staat zweckmässig sein, als Konzessionsgeber Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb einer öffentlichen Infrastrukturanlage/Beschaffungsmassnahme in die Hand einer privatwirtschaftlichen Projektgesellschaft zu legen [7-54], [730]. Dies ermöglicht es Bauunternehmen im Geschäftsfeld Kontraktmodelle, der öffentlichen Hand neue Lebenszyklusleistungen anzubieten. Der entsprechende Konzessionsvertrag (Kontraktmodell) legt u.a. die Konzessionszeit und die Gebühren fest, die die Projektgesellschaft (Konzessionsnehmer), die das Bauunternehmen im Rahmen des Geschäftsmodells Kontraktmodelle gründen muss, für die Benutzung der Anlage erheben darf, um daraus die Projektkosten (Amortisation, Kapital- und Betriebskosten) zu decken und ihren Gewinn zu generieren. Ist die Konzessionszeit abgelaufen, so fällt das Projekt meist zu festgelegten Konditionen an den Konzessionsgeber. Tabelle 19: PPP-Kontraktmodelle – Arten von Konzessionsprojektformen [7-18] BOT
Build Operate Transfer
BOR
Build Operate Renewal of Concession
BOO
Build Own Operate
BOOT
Build Own Operate Transfer
BTL
Build Transfer Lease
BLT
Build Lease Transfer
BRT
Build Rent Transfer
BT
Build Transfer
BTO
Build Transfer Operate
DBFO
Design Build Finance Operate
DBO
Design Build Operate
DCMF
Design Construct Manage Finance
MOT
Modernise Operate Transfer
ROO
Renovate Own Operate
ROT
Renovate Own Transfer
Für diese Art der Projektdurchführung gibt es im Rahmen des Geschäftsfelds Kontraktmodelle verschiedene PPP-Kontraktmodelle (Tabelle 19), von denen das bekannteste das BOT-Modell (Build Operate Transfer) ist.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Dabei wird ein Projekt von einer privaten Betreibergesellschaft gebaut (build), betrieben (operate) und nach Ablauf der Konzessionszeit an den Konzessionsgeber übertragen (transfer). Die Bezeichnungen der jeweiligen Varianten beschreiben deren Hauptelemente in ihrer zeitlichen Abfolge, so dass sich weitere Erläuterungen an dieser Stelle erübrigen. Für PPP-Kontraktmodelle sind Projekte aus den Bereichen x öffentliche Einrichtungen (z.B. Schulen, Sportanlagen, Gefängnisse), x Energie (z.B. Kraftwerke), x Verkehr (z.B. Tunnel, Brücken, Strassen, Schienenwege, Flughäfen, Parkhäuser), x Umwelt (z.B. Kläranlagen, Deponien, Wasser-/Abwasserversorgung), x Telekommunikation (z.B. Mobiltelefonnetze) geeignet. PPP-Kontraktmodelle im Rahmen des Geschäftsfelds Kontraktmodelle einer Konzession haben die in Bild 256 dargestellten konstituierenden Merkmale. Cash Flow Related Lending Fähigkeit des Projekts, in zukünftigen Perioden ausreichend Cashflow zur Schuldendeckung zu generieren
Off Balance Sheet Financing für die Partner bilanzneutrale Gründung einer Projektgesellschaft
Risk Sharing Die Risikoteilung soll die Risikotragfähigkeit der Projektbeteiligten nicht überschreiten und dem Sicherheitsbedürfnis der Kreditgeber entsprechen.
Financial Engineering Ziel: projektbezogen massgeschneiderte, individuelle Finanzierungslösungen durch Kombination verschiedener Finanzierungsquellen und Kreditversicherer
Bild 256: PPP-Kontraktmodelle – Konstituierende Merkmale
Die Projektgesellschaft, die das Unternehmen im Geschäftsfeld Kontraktmodelle für das jeweilige Projekt gründet, generiert durch die Erhebung von Nutzungsgebühren oder den Verkauf eines Gutes wie z.B. elektrischer Energie Einnahmen; daraus muss sie die Bau-, Finanzierungs-, Betriebsund Unterhaltskosten sowie ihren Gewinn erwirtschaften. Die Eigenkapi-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 507
talrendite (Grössenordnung ca. 20 %) sollte den mit dem Projekt verbundenen hohen Risiken entsprechen. Bietet ein Projekt in Ausnahmefällen keine hinreichenden Einnahmemöglichkeiten für die Betreibergesellschaft, so sind entsprechende Unterstützungskonzepte durch den Staat, z.B. in Form von Subventionen, Bürgschaften oder Risikobegrenzungen, notwendig oder das Projekt muss vom Staat selbst durchgeführt werden. Bei BOT-Projekten [7-19] ist es wichtig, dass der Wettbewerb lebenszyklusorientiert ist und sich auf die Planungs-, die Bau- und die Betriebsphase bezieht; man bezeichnet ihn als Systemanbieterwettbewerb [7-20]. Die Gebühren, die der Konzessionsnehmer von den Nutzern erheben darf, sind, einschliesslich der notwendigen Anpassungsregelungen, im Konzessionsvertrag festgelegt. Damit verhindert der Konzessionsgeber auch, dass aufgrund der Monopolstellung, die BOT-Projekte oft haben, unangemessen hohe Gebühren verlangt werden können. Andererseits kann der Konzessionsvertrag ggf. auch die Garantie durch den Konzessionsgeber enthalten, dass keine Konzessionen für eventuelle Konkurrenzprojekte vergeben werden. Leistungsangebot
Im Mittelpunkt eines PPP-Geschäftsmodells steht die Projektentwicklungs- und Projektträgerfunktion. Das Geschäftsmodell hat Finanzierungsund Leistungsfunktionen. Die Leistungsfunktion beinhaltet die Planung, den Bau und den Betrieb mit dem Leistungsoutput an Abnehmer oder Benutzer. Die Finanzierungsfunktion beinhaltet die Bereitstellung von Eigenund Fremdkapital sowie die Erzeugung von Einnahmen durch den Betrieb zur Generierung der Amortisation und Verzinsung des Kapitals sowie zur Abdeckung der Betriebs- und Unterhaltskosten. Im PPP-Geschäftsmodell werden z.B. bei BOT-/BOO-Projekten Off-Balance-Sheet-Projektträgergesellschaften gegründet, die aus den Trägern der Projektgesellschaft, den so genannten Sponsoren, als Eigenkapitalgeber bestehen. Die Projektträgergesellschaft ist Konzessionsnehmer, nimmt das erforderliche Fremdkapital auf, schliesst allfällige Versicherungen ab, bindet Consultants als Berater ein und vergibt die Planungs-, Bau- und Betriebsaufträge an entsprechende Unternehmer. Interorganisationelle Struktur
Die typische interorganisationelle Struktur von PPP-Kontraktmodellen ist in Bild 257 dargestellt.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Konzessionsgeber Staat Aktionäre
Banken Konzessionsnehmer Projektgesellschaft
Betreiber
Ausführungsunternehmen
Kunde
Bild 257: Interorganisationelle Aufbaustruktur [7-25]
Die Projektgesellschaft (Bild 257) ist der Konzessionsnehmer bei einem BOT-Projekt (Kontraktmodell); ihre Rechte und Pflichten sind im Konzessionsvertrag, den sie mit dem Konzessionsgeber (Staat, Versorgungsgesellschaften) abschliesst, geregelt. Sie muss zu Beginn die Nachfragesituation untersuchen, Machbarkeitsstudien vorbereiten und ein Angebot ausarbeiten. Ihre Aktionäre müssen ausreichend Eigenmittel bereitstellen, um die weitere Finanzierung zu sichern. Die Projektgesellschaft ist eine Beteiligungsgesellschaft, die meist für weitere am Projekt interessierte Aktionäre offen ist. Weiter dient sie dazu, die Anleihen zur Finanzierung des Projekts (neben den eingebrachten Eigenmitteln) zu besorgen. In Spezialfällen ist es möglich, dass sich der Konzessionsgeber (z.B. bei Energieversorgern) direkt mit Eigenmitteln an der Projektgesellschaft beteiligt. Im Rahmen der Finanzmittelbeschaffung mittels weltweit agierender Investitionsunternehmen wird durch deren Prüfung eine zusätzliche Sicherheit gegenüber ökonomischen Fehlern geschaffen. Typische Beteiligte an einer PPP-Projektgesellschaft sind: x x x x
Bauunternehmer Ausrüster Betreiber Investoren
Die dynamische Veränderung der Kooperations- und Organisationsstruktur in den verschiedenen Projektentwicklungs- und Projektlebensphasen sind in Bild 258 dargestellt.
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 509
Wettbewerbsphase
Ausschreibungsphase
Programm-, Konzept- & Projektentwicklungsphase
Organisationen und Zusammenarbeitsformen
Konzessionsgeber Projektmanagement
Planer: Technik
Berater: Volkswirtschaft
Berater: Finanzen
Projektgesellschaft
Realisierungsphase der Projektgesellschaft
Berater
Gesellschafter / Eigenkapital
Kreditgeber
Versicherungen
Geschäftsleitung EPC-Unternehmen
Betreiber
Konzessionsgeber Projektmanager / Berater
Projektgesellschaft Berater
Gesellschafter / Eigenkapital
Kreditgeber
Geschäftsleitung Betreiber- und Transferphase
Konzessionsphase der Projektgesellschaft
Formierungsphase der Projektgesellschaften
Projektentwicklung des Konzessionsgebers
Phasen
Versicherungen EPC-Unternehmen
Planer
M+E
Betreiber
Subunternehmer
Bild 258: BOT-Projektablauf – Organisationen und Zusammenarbeitsformen in den Projektphasen
Beziehungen zwischen den Projektbeteiligten
Die Beziehungen zwischen den Projektbeteiligten/Partnern in diesem Geschäftsmodell sind durch die vier Hauptaspekte (Bild 259) x x x x
finanzielle Ströme, rechtliche Beziehungen, Risikoverteilung, organisatorische Abläufe
geprägt. Dieses Beziehungsnetz wird über ein kompliziertes Vertragswerk geregelt.
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Berater
Investor Fremdkapitalgeber
Versicherer
Projektvorbereitung, Ausschreibung, Vertrag, Controlling
Öffentliche Hand
Eigenkapital
Fremdkapital
Versicherung
Tarife*) Gebühren
Konzession
Tarife*) Gebühren
Projektgesellschaft
Betreibervertrag
Betreiber
Instandhaltungsvertrag*)
Instandhaltungsvertrag*)
Errichtungsauftrag
Berater
Tarife*) Gebühren
Instandhaltung
Ausführungsunternehmen
*) Alternativen
Kunde
Planung Lieferanten
Bild 259: Hauptbeziehungsaspekte zwischen den an einem Konzessionsprojekt Beteiligten [7-19]
Interessen der Projektpartner
Die primären Projektpartner in diesem Geschäftsmodell lassen sich in Leistungsbezieher und Leistungserbringer aufteilen. Sie verfolgen oft diametrale Interessen (Bild 260). Die Aufgabe der Projektpartner ist es, den Interessenkonflikt zwischen Konzessionsgeber und -nehmer durch einen Partnering-Ansatz aufzulösen. Alle Projektpartner in diesem Geschäftsmodell müssen durch eine partnerschaftliche Win-Win-Strategie einen hohen Anreiz erhalten, das Projekt erfolgreich werden zu lassen. Während der Staat für stabile Rahmenbedingungen sorgt und die Leistungskriterien für Infrastrukturprojekte vorgibt, bringen die privaten Interessenten (Bau- und Anlagenunternehmen, Betreiber, Lieferanten, Eigen- und Fremdkapitalgeber, Versicherungen etc.) ihre operative Effizienz, ihre Kundenorientierung und ihren Kundenservice ein. Das Partnering zwischen Konzessionsgeber und -nehmer verfolgt vor allem eine Risikoteilung und die Sicherstellung eines Finanzierungsmix.
Versicherungen
Kreditoren
Investoren
Lieferanten
Betreiber
Bauunternehmen
Kunden
Interessen
Öffentliche Hand
Interessenten
Projektgesellaschaft
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 511
Versorgungs sicherheit Inanspruchnahme privater Finanzen Hohe Qualität Faire Preise Stabile Rahmenbedingungen Hoher Return on Investment/Gewinn Klare Projekt spezifizierung Staatliche Garantien Definiertes ExitSzenario
Bild 260: Interessen-Interessenten-Matrix bei Konzessionsprojekten [7-19]
Interessenkonflikte
Bauunternehmen als Projektentwickler, Ausführende und Konzessionär in diesem Geschäftsmodell unterliegen in den meisten Fällen einem Interessenkonflikt innerhalb der Projektgesellschaft. Besonders Investoren ohne Ausführungsinteresse, aber auch Kreditgeber haben aufgrund negativer Erfahrungen Vorbehalte gegen die Einbindung ausführender Unternehmen, obwohl deren Kompetenz für das Gelingen des Projekts von entscheidender Bedeutung sein kann. Der Grund ist, dass einige Bauunternehmen als Projektpartner ihren auf dem Verhandlungsweg erworbenen Bauauftrag dazu nutzen, ihren gesamten Eigenkapitalanteil, den sie in die Projektgesellschaft eingebracht haben, in den Baupreis einzurechnen. Dadurch besteht die Gefahr der einseitigen Bereicherung auf Kosten der Partner und der Kreditgeber. Um durch einen Partnering-Ansatz zu einer Symbiose zu
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
kommen, in der die einseitige Vorteilnahme verhindert und das Know-how eines kompetenten ausführenden Unternehmens z.B. als Systemanbieter (besonders bezüglich des Simultaneous Engineering) in einer Win-WinSituation genutzt wird, beauftragt man das Bauunternehmen, das gleichzeitig Partner in der Projektgesellschaft ist, als Construction Manager. Dies bedingt, dass Bauunternehmen als Projektentwickler und / oder Projektpartner einer Konzessionsgesellschaft diesen Geschäftsbereich als selbstständige Unternehmenssparte losgelöst vom Produktionsbereich führen müssen, um gegenüber Investoren und Kreditgebern glaubwürdig zu sein. Bauunternehmen, die dieses Geschäftsfeld als reines Auftragsbeschaffungsinstrument für die Produktion ausserhalb des Wettbewerbs nutzen, werden aus zwei Gründen nicht erfolgreich sein: x Investoren und Kreditgeber schenken dem Unternehmen für solche Projekte wenig Vertrauen. x Der Produktionsbereich wird den Wettbewerbsbedingungen des Marktes zu spät angepasst. Um bei der Beteiligung des ausführenden Unternehmens an der Projektgesellschaft zu marktüblichen Ausführungspreisen zu kommen, gibt es folgende Möglichkeiten: x freihändige Vergabe an das ausführende Unternehmen und unabhängige Prüfung des Angebotspreises auf der Basis von ausgeführten Vergleichsprojekten mit ähnlichem Risikoprofil, die im Wettbewerbsverfahren vergeben wurden x Anwendung des Construction-Management-Konzepts mit Bauvertrag und Vergabewettbewerb Bei Projekten mit erheblichen Markt- und/oder Baugrundrisiken, die möglicherweise die Rentabilität des Projekts in Frage stellen, muss die Projektgesellschaft Massnahmen treffen, um diese Imponderabilien vertraglich einzugrenzen. Dazu stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung: x Übertragung z.B. der Baugrundrisiken auf den Unternehmer x Absicherung der Extremrisiken ab einer Grenze durch den Konzessionsgeber x Übernahme der Projektrisiken durch die Investoren durch entsprechende Eigenmitteleinlagen Finanzierungsstruktur
Ein Kernpunkt der Konzessionsprojektentwicklung ist die Erschliessung von Geldquellen, die das Projekt erst ermöglichen. Die privaten Quellen in
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 513
diesem Geschäftsmodell werden in Investoren und Kreditoren eingeteilt, wobei die Investoren Eigenkapital in das Projekt einbringen und somit Teilhaber sind, während die Kreditoren Anleihen zu festgesetzten Modalitäten und Zinsraten geben. Eine typische Finanzierungscharakteristik von PPP-Kontraktmodellen ist in Bild 261 dargestellt. Fremdkapital 50-70 %
Eigenkapital / Equity 10-20 %
Mezzaninkapital 30-40 %
Bild 261: PPP-Kontraktmodelle – Finanzierungscharakteristik
Die wichtigsten Kapitalarten zur Finanzierung eines Konzessionsprojekts sind in Tabelle 20 zusammengestellt. Tabelle 20: Kapitalarten zur Finanzierung von Konzessionsprojekten [7-19]
In diesem Geschäftsfeld müssen bei der Finanzierung die Einnahmen und die Erstellungs-, Zins- und Betriebskosten sowie erforderliche Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten berücksichtigt werden. Erst aus der Betrachtung des Gesamtprojekt-Cashflows kann die Gesamtwirtschaftlichkeit und Rendite ermittelt werden (Bild 262).
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
ProjektCashflow Planung und Bau
Endinstandsetzung Zwischeninstandsetzung
2-3 Jahre
Konzessionszeit 20-30 Jahre
Bild 262: PPP-Kontraktmodelle – Gesamtprojekt-Cashflow
7.4.9 Struktur eines PPP-Geschäftsmodells im Gesamtunternehmen Ein PPP-Geschäftsmodell in einem Bauunternehmen sollte als selbstständige strategische Geschäftseinheit (SGE-PPP) gebildet werden. Eine solche SGE-PPP muss unabhängig von den anderen operativen Geschäftsfeldern und Geschäftseinheiten des Bauunternehmens geführt werden. Die Kriterien können wie folgt zusammengefasst werden [7-4]: x Langfristige Wirtschaftlichkeitsverantwortung für die PPP-Projekte x Keine Auftragsbeschaffung für eigene operative Abteilungen; die Profitentwicklung der PPP-Projekte als Gesamtes über den Lebenszyklus bzw. über die Konzessionszeit steht im Mittelpunkt. x Partner der Projektträgergesellschaft und Kreditgeber vermuten opportunistisches Verhalten des Baupartners in der Projektgesellschaft, falls es direktes Ziel ist, den Bauauftrag ohne Wettbewerb an den Baupartner zu vergeben. Mit der Organisation des Projektträgergeschäfts als rechtlich selbstständige, direkt der Geschäftsleitung des Geschäftsfelds Kontraktmodelle unterstellte Tochtergesellschaft und der damit verbundenen Trennung von Bauausführung und Projektentwicklung entstehen jedoch Synergiebarrieren, die über geeignete überlagerte Organisationsstrukturen überwunden werden müssen. Dies kann durch Bildung von rechtlich eigenständigen Projektgesellschaften für die Abwicklung konkreter Projekte erfolgen. Deren Gesellschafter sollten diejenigen Organisationseinheiten des Gesamtunter-
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 515
nehmens sein, die einen wesentlichen Kompetenzbeitrag zum Projekterfolg leisten, also vor allem die Projektentwicklungsgesellschaft bzw. Projektgesellschaft und die Ausführungsabteilung. Auch wichtige externe Partnerfirmen, die Schlüsselkompetenzen zum Projekt beisteuern, sollten an der Projektgesellschaft beteilig werden. Durch ein derartiges Beteiligungskonstrukt sind alle wesentlichen Gesellschafter infolge ihrer signifikanten Beteiligung an der Projektgesellschaft primär am gesamtwirtschaftlichen Erfolg des Projekts interessiert. Die Abwicklung konkreter Projekte im PPP-Geschäftsmodell erfolgt, wie bei Betreibermodellen üblich und insbesondere aus Finanzierungsgründen auch zwingend erforderlich, durch speziell dafür gebildete Projektgesellschaften, die von den jeweils zuständigen Sparten der Projektentwicklungsgesellschaft geführt werden sollten, da diese über die projektartspezifische Projektentwicklungskompetenz verfügen. Dementsprechend sollte jeder Spartenleiter die ihm zugeordneten Projektentwicklungsgesellschaften durch Einsitznahme in deren Verwaltungsräten kontrollieren. Entsprechend qualifizierte Mitarbeiter der Sparten sollten als Geschäftsführer in die Projektgesellschaften entsandt werden. Kompetenzen in den Bereichen Projektfinanzierung, Recht und Projektsteuerung kann jede Projektgesellschaft von den entsprechenden Stabsabteilungen der Projektentwicklungsgesellschaft „einkaufen“. Die Projektentwicklungsgesellschaft bei PPP-Geschäftsmodellen ist also vom Charakter her eine Managementholding, die neue Beteiligungsgesellschaften in Form von Projektgesellschaften generiert, überwacht und steuert. Als Basis für den Aufbau eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils muss die Projektentwicklungsgesellschaft dem ressourcenorientierten Ansatz der strategischen Planung entsprechend bestimmte Kernkompetenzen systematisch aufbauen. Diese Kernkompetenzen sind erforderlich, um entsprechende Kernaufgaben kompetent erfüllen zu können. Die Kernaufgaben der Projektentwicklungsgesellschaft sind: x Akquisition und Marketing x Entwicklung und Trägerschaft ausgewählter Arten von Infrastrukturprojekten (z.B. Schulen, Kläranlagen, Stadtautobahnen, Flughäfen, Wasserkraftwerke) x Steuerung von Projekten x Vertragsgestaltung x Projektfinanzierung x Projektcontrolling
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7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Die Zuordnung der Kernaufgaben zu Schlüsselstellen hängt von der Lebenszyklusphase, in der sich das Projektträgergeschäft befindet, ab (Bild 264).
Bild 263: Einbindung des Projektträgergeschäfts in das Gesamtunternehmen [74]
In der Einführungsphase sollte eine Konzentration auf nur eine Projektart wie z.B. Schulen, Kläranlagen, Flughäfen, Hochstrassen, Wasserkraftwerke erfolgen. Die Kernaufgabe des Geschäftsführers der Projektentwicklungsgesellschaft besteht darin, ein erstes Projekt zu akquirieren. Eine Untergliederung in Geschäfts- und Spartenleitung gibt es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Auch die Stabsabteilungen sind noch nicht vorhanden, da sie nicht ausgelastet werden könnten. Entsprechende Kompetenzen in den Bereichen Recht sowie Projektsteuerung und -finanzierung müssen im Bedarfsfall extern eingekauft werden. In der Wachstumsphase sind die ersten Projekte akquiriert. Der strategische Fokus wird auf weitere Projektarten ausgedehnt, und es kommt zur Bildung entsprechender Sparten, die jedoch jeweils nur mit wenigen Mitarbeitern ausgestattet sind. Jeder Sparte steht ein Spartenleiter vor, dessen
7.4 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder lebenszyklusorientierter Systemleistungen 517
Kernaufgaben Akquisition und Marketing sowie Steuerung und Überwachung bestehender Projektgesellschaften sind. In der Reifephase laufen zahlreiche Projekte. Es kommt zur Bildung der Stabsabteilungen für Recht sowie Projektsteuerung und -finanzierung. Alle Sparten und Stabsabteilungen sind entsprechend stark mit Personal ausgestattet. Neben den Spartenleitern sind in jeder Sparte Akquisiteure und eventuell auch ein Marketingleiter vorhanden. In der Sättigungsphase kommt das Wachstum der Projektentwicklungsgesellschaft zum Stillstand. Ihre Personalausstattung erreicht das Maximum. In der Stagnationsphase lassen sich kaum noch neue Projekte akquirieren; dementsprechend werden Akquisitions- und Marketingstellen abgebaut. Die Spartenleiter konzentrieren sich auf die Überwachung laufender Projekte. Die Leiter ablaufender Projekte werden nicht weiter in der Projektentwicklungsgesellschaft beschäftigt, und die Stabsabteilungen für Recht sowie Projektsteuerung und -finanzierung werden aufgelöst. Es liegt im Aufgabenbereich des Gesamtunternehmens, rechtzeitig und unter Verwendung der Ressourcen und Kompetenzen der Projektentwicklungsgesellschaft neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Bild 264 zeigt ein Beispiel, wie sich eine Projektentwicklungsgesellschaft im strategischen Geschäftsfeld PPP-Kontraktmodelle in Bezug auf ihre Organisation, die Anzahl ihrer Mitarbeiter und die Anzahl der abgewickelten Projekte über ihre Lebenszyklusphasen entwickeln kann.
Bild 264: Entwicklung der Projektentwicklungsgesellschaft über den Lebenszyklus [7-4]
518
7 Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder
Literatur [7-1]
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[7-2]
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[7-3]
Bailer, B.: Geschäftsmodelle: Methoden und Qualität. Dissertation an der Universität Zürich, Zürich, 1997
[7-4]
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[7-5]
Bieger, T.; et al. (Hrsg): Zukünftige Geschäftsmodelle: Konzept und Anwendung einer Netzökonomie. Springer Verlag, Berlin, 2002
[7-6]
Bieger, T.; Rüegg-Stürm, J.: Rohr, T. von; Strukturen und Ansätze einer Gestaltung von Beziehungskonfigurationen – Das Konzept Geschäftsmodell. In: Bieger, T.; et al. (Hrsg): Zukünftige Geschäftsmodelle: Konzept und Anwendung einer Netzökonomie. Springer Verlag, Berlin, 2002 S 35–61
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Bolz, U. (Hrsg.): Public Private Partnership in der Schweiz. Grundlagenstudie – Ergebnis einer gemeinsamen Initiative von Wirtschaft und Verwaltung. Schulthess Verlag, Zürich 2005 (in print)
[7-8]
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Teil B Leistungserstellungsprozesse
8 Industrielle Bauprozesse
8.1 Potenziale des industriellen Bauens Eine Untersuchung der Kostenstruktur im Wohnungsbau [8-6] zeigt, dass die reinen Baukosten ca. 50 % der Gesamtinvestitionskosten für ein Wohngebäude ausmachen (Tabelle 21). Dieser Anteil kann sich, je nach den örtlichen Grundstückspreisen, nach oben oder unten verschieben. Die Bauwirtschaft kann jedoch die Baukosten im Rahmen der Industrialisierung beeinflussen. Tabelle 21: Verteilung der Bau- und Investitionskosten auf Kostengruppen [8-9] Baukosten Kostengruppen
Lohn-/ Geräteanteil
Materialanteil
Baukosten
Grundstück
25 %
Planung / Management Erschliessung Rohbau Haustechnik Ausbau Baukosten Aussenanlagen Finanzierung Vermarktung Total
Investitionskosten
~ 10 % 70 % 50 % 40 %
30 % 50 % 60 % 40 %
14 % 36 % 30 % 20 %
~ 50 %
~ 50 %
100 %
5%
53 % 7% 5% 5%
100 %
Aus Tabelle 21 erkennt man, dass die produktionstechnisch bedingten Kosten (Löhne, Geräteeinsatz, Bauverfahren), die ca. 50 % der Baukosten betragen, durch Industrialisierung der Herstellprozesse beeinflussbar sind. Die Einspar- bzw. Effizienzpotenziale, die in diesem Kostenblock immanent vorhanden sind, können wie folgt klassifiziert werden:
526
x x x x x x x
8 Industrielle Bauprozesse
Steigerung der Effizienz der Herstellungsabläufe und -verfahren Eliminierung / Reduzierung von Schlechtwetterstunden Eliminierung / Reduzierung wetterbedingter Leistungsschwankungen Effizienzsteigerung durch klare Workflowprozesse Eliminierung / Reduzierung der Materialsuchstunden Eliminierung / Reduzierung von Materialumstapelungen Reduzierung von Materialverlusten
Damit würden die wertschöpfenden Aktivitäten bei der Herstellung gesteigert und die nicht wertschöpfenden Aktivitäten weitgehend eliminiert (Bild 265). Arbeitstag (eingeplante Arbeitszeit)
Abwesenheiten von der Baustelle und Verspätungen (verlorene Arbeitszeit)
auf der Baustelle (verfügbare Arbeitszeit)
wertschöpfende Arbeitszeit Leistungserstellungsprozess
nicht wertschöpfende Arbeitszeit
Arbeitszeit zur Führung des Leistungserstellungsprozesses Managementprozess
Arbeitszeit zur Unterstützung des Leistungserstellungsprozesses Supportprozess
Verlustzeiten
gesetzlich vorgeschriebene Ausfallzeiten
Materialvorbereitung
Leitung/Aufsicht
Materialtransport
Abwesenheiten vom Arbeitsplatz
offizielle Pausen
Materialeinbau
Distribution der Ressourcen
Nacharbeiten (Korrektur)
inoffizielle Pausen
sicherheitsrelevante Arbeiten
Endreinigung
Vermessungsarbeiten
Be- und Entladen
Umherlaufen/ unnötige Wege
Schlechtwetter
Nacharbeiten
Controlling
Aufräumarbeiten
Wartezeit
Prüfarbeiten
Ausführungsplanung
Vermessungs-/ Anlegearbeiten
Bild 265: Systematisierung der Arbeitszeiten auf einer Baustelle
BOENERT und BLÖMEKE [8-3] zeigen bei einer Untersuchung auf Hochbau-Baustellen mit weitgehend parallelisierten Rohbau-, Haustechnik- und Ausbauaktivitäten, dass ca. 33 % der Stunden für nicht wertschöpfende Arbeitszeit, Suchen und Umstapeln von Material aufgewendet werden (Bild 266), die Potenzial für Effizienzsteigerung aufweisen. Effizienzsteigerungspotenzial auf traditionellen Baustellen wird auch von WINCH und CARR [8-16] identifiziert.
8.1 Potenziale des industriellen Bauens
527
Sonstiges 5.6 %
Haupttätigkeiten 30.9 % Abwesenheit 19.8 %
Persönlich bedingte Unterbrechungen 10.3 % Transporte 8.9 %
Störungsbedingte Unterbrechungen 3.5 % Aufräumen und Umräumen 5.8 %
Wege 14.1 % Materialsuche 1.1 %
Bild 266: Anteile der Tätigkeit gemessen an der Gesamtzeit Ausbau [8-3]
Nicht nur der reine Leistungserstellungsprozess, sondern auch die Supportprozesse im Unternehmen (Bild 267) können durch Industrialisierung wertschöpfender gestaltet werden. Potenziale bei den Supportprozessen ergeben sich u.a. bei der Beschaffung [8-8], beim Wissensmanagement [8-5], [8-12] und bei der Produktionsplanung. Zurzeit kann man in einigen wirtschaftlich wichtigen EU-Ländern jedoch feststellen, dass, bedingt durch Billiglöhne aus Niedriglohnländern, die traditionelle, grossenteils manuelle, individuelle Baustellenfertigung noch weitgehend ungebremst ist. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Anpassung der Löhne im zeitlichen Verlauf relativ schnell zu erwarten ist. Die Industrialisierung der Bauprozesse wird dann grosse Bedeutung gewinnen, um das Effizienzpotenzial systematisch auszuschöpfen; besonders im Hochbau wird der Weg der „on and off site“-Industrialisierung der Bauindustrie unaufhaltsam sein. Im Tunnelbau hat man durch die Entwicklung der Tunnelvortriebsmaschinen (TVM) die Prozesse durch x Mechanisierung der Arbeitsabläufe, x Logistiksysteme der Ver- und Entsorgung im Nachläuferbereich,
528
8 Industrielle Bauprozesse
x Automatisierung der Steuerungskreisläufe der TVM als Leistungsgerät und des Logistiknachläufers sowie x funktionale Trennung parallelisierter Arbeitsabläufe bereits industrialisiert. Da die stationäre Industrie – und nicht nur die Massenproduktion (z.B. Autos), sondern auch die Unikatproduktion (z.B. Turbinen) – ihre Herstellungs- bzw. Leistungserstellungsprozesse als stationäre Linienproduktion mechanisiert und automatisiert sowie die Supportprozesse computerunterstützt integriert hat, ist ein Vergleich bezüglich der Übertragbarkeit auf den Bau unumgänglich. Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmigungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 267: Die Prozesse in einem Bauunternehmen
8.2 Anforderungen an das industrialisierte Bauen Wie in Tabelle 22 gezeigt, lassen sich den Charakteristiken der „klassischen“ Industrieproduktion unter Berücksichtigung der speziellen Bedingungen des Bauens die Anforderungen an das industrialisierte Bauen gegenüberstellen.
8.2 Anforderungen an das industrialisierte Bauen
529
Tabelle 22: Merkmale industrieller Produktion und Parallelen in der Bauproduktion Merkmale industrieller Produktion
Anforderungen an industrielles Bauen
Zentralisierte Produktion
Vorfertigung von Bauteilen im Werk
Massenfertigung / zunehmend variable Fertigung
Entwicklung von variablen Grundtypen
Fertigung auf Basis standardisierter Lösungen und Produktion von Varianten
Standardisierung von Bauteilen bei Flexibilität in der Gestaltung
Spezialisierung
Konzentration auf bestimmte Marktsegmente
Integration von Planung, Produktion und Marketing
Interaktion von Planung, Konstruktion, Produktionsplanung und Produktion sowie Marketing unter Einbezug des Unternehmers
Optimierte Prozesse und Organisation
Optimierung der Planungs- und Produktionsprozesse in Bezug auf Automatisierung und Mechanisierung
Die häufige pauschale Aussage, dass eine industrielle Produktion wegen der typischen und mit den Bedingungen anderer Branchen nicht vergleichbaren Situation der Bauwirtschaft nicht möglich sei, kann damit bereits widerlegt werden. Die Industrialisierung des Bauens lässt sich wie folgt definieren: Rationalisierung von Arbeitsprozessen zur Erreichung von Kosteneffizienz, höherer Produktivität und Qualität Die Industrialisierung kann durch x Prozessorientierung der Arbeitsvorbereitung und der Produktionszyklen, x Mechanisierung und Automatisierung von Maschinen und Geräten zur Baustellenproduktion sowie Vorfertigung erreicht werden. Zur Umsetzung in der Bauwirtschaft sind oft Geschäftsund Kooperationsmodelle erforderlich. Die Industrialisierung der Bauproduktion ist ein generischer Prozess mit folgenden Elementen: x Standardisierung x Systematisierung
530
x x x x
8 Industrielle Bauprozesse
Flexibilisierung Mechanisierung und Automatisierung Prozessorientierung Rationalisierung
Die Bauindustrialisierung kann in unterschiedliche Paradigmen gegliedert werden (Tabelle 23). Die Realisierung verschiedener Industrialisierungsparadigmen verlangt die Kooperation mit Planern und unterschiedlichen Spezialunternehmen. Je nach Industrialisierungsniveau sind neue Projektabwicklungsmodelle notwendig, um Standardisierungen und Vorfertigung bei weitgehend individueller architektonischer und funktionaler Gestaltung zu erreichen. Besonders, wenn am Markt weitgehend modulare Gebäudetypen angeboten werden sollen, ist eine Kooperation bzw. ein Franchisingkonzept zwischen dem fokalen Produzenten und lokalen Planern und Bauunternehmen erforderlich. Dies ist unabhängig davon, ob die Bauleistungen nur auf Investitions- oder auf Life-Cycle-Kosten ausgelegt sind. Tabelle 23: Industrialisierungsparadigmen in der Bauproduktion
Dem Fokus einer Industrialisierung sollte ein gestuftes generisches Entwicklungskonzept wie folgt zugrunde gelegt werden: x Standardisierung und Systematisierung der Arbeitsvorbereitung und prozessorientierte Ausführung x Nutzung der Potenziale von Fertigteilen zur Rationalisierung der Baustellenprozesse sowie Flexibilisierung und Entkopplung der Herstellung
8.3 Konzeptionelle Ansätze für industrielles Bauen in KMU
531
x Mechanisierung und Automatisierung der Baustellen- und Vorfertigungsproduktion x Modularisierung von flexibel gestaltbaren Gebäudetypen mit Standardisierung und Optimierung von nicht kundenspezifischen Elementen für spezifische Kundensegmente mit weitgehend industrialisierter Baustellen- und Vorfertigungsproduktion Die bisherigen Bestrebungen, eine Industrialisierung des Bauens zu erreichen, hatten im Wesentlichen die Ziele, x manuelle Arbeit durch Maschinen zu ersetzen und x immer wieder kehrende Abläufe zu mechanisieren und zu automatisieren. Ein erfolgversprechender Ansatz für die Schaffung industrieller Strukturen in der Bauwirtschaft muss jedoch über diese Prozesse weit hinausgehen und zu einem Reengineering der Prozesse bis hin zum Aufbau von Systemleistungen führen.
8.3 Konzeptionelle Ansätze für industrielles Bauen in KMU Die wesentlichen konzeptionellen Handlungsalternativen einer Industrialisierung sind in Bild 268 dargestellt. Sie werden nachfolgend hinsichtlich ihres generischen Beitrags zur Industrialisierung erläutert. Mechanisierung und Roboterisierung der Baustellenproduktion
Das Ziel dieses konzeptionellen Ansatzes ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität durch die Erhöhung des Mechanisierungs- und Automatisierungsgrads der Baustellenproduktion. Auf Baustellen fallen viele Tätigkeiten an, die x einfach und monoton sind, x häufige Wiederholungen von Handgriffen und Arbeitsabläufen beinhalten, x gleich bleibende Qualität erfordern und x einen hohen Aufwand zum Schutz des ausführenden Mitarbeiters bedeuten.
Supportprozesse
Leistungserstellungsprozesse
Ansätze für Handlungsalternativen
532
8 Industrielle Bauprozesse Unternehmensimage, Beratung für Architekten und Bauherren
Optimierung von Produktionsund Angebotsprogramm
Alternativvergleiche, Kalkulation
Akquisition / Marketing
Angebotsbearbeitung / Kalkulation
Verstärkter Einsatz von Maschinen / Baurobotern, vielseitiges Inventar
Standardisierung von Baustoffen und Bauverfahren
Informationssysteme
Produktionsplanung / AVOR
Intensivierung AVOR: Prozessgestaltung
Einkauf / Beschaffung
Einsatz von vorgefertigten Bauteilen
Prozessorientierung Spezialistenteams
Herstellung (Montage)
Übergabe / Abrechnung
Qualitätsmanagement Controlling Arbeitssicherheit Aus- und Weiterbildung
Bild 268: Industrialisierung des Leistungserstellungsprozesses in KMU
Tätigkeiten mit diesen Merkmalen sind potenzielle Einsatzgebiete für Baumaschinen und eventuell sogar Roboter: Die Entwicklung und Konstruktion von Baumaschinen für einfache und monotone Tätigkeiten ist beim Hersteller mit relativ geringem Aufwand verbunden, was sich für die KMU in vergleichsweise niedrigen Anschaffungskosten für die Maschine niederschlägt. Je häufiger Handgriffe und Arbeitsabläufe sich wiederholen, umso höher ist die Auslastung von Spezialmaschinen. Baumaschinen und Roboter sind – insbesondere über längere Zeiträume – oft in der Lage, genauer zu arbeiten (z.B. gleich bleibende Schichtdicke beim Streichen oder Beschichten). Bei Tätigkeiten mit gesundheitsgefährdenden Substanzen (z.B. Anstrich mit lösemittelhaltigen Farben) oder in grossen Arbeitshöhen (z.B. Fassadenarbeiten) kann auf teure Arbeitsschutzmassnahmen verzichtet werden, wenn sich infolge des Maschineneinsatzes kein Mitarbeiter der Gefahr auszusetzen braucht. Neben dem erzielbaren Produktivitätsgewinn und den Anschaffungskosten muss eine unternehmerische Entscheidung für eine neue Baumaschine auch den eventuell mit dieser Maschine verbundenen logistischen Aufwand berücksichtigen. Baumaschinenhersteller entwickeln ihr Angebot ständig weiter, so dass für immer mehr Arbeitsgänge und -schritte Maschinen zur Verfügung stehen. Dieser Trend wird sich fortsetzen; für die weitere Automatisierung
8.3 Konzeptionelle Ansätze für industrielles Bauen in KMU
533
werden jedoch vor allem technische Robustheit und günstige Anschaffungskosten von Baustellenrobotern Voraussetzung sein. Diesen beiden Forderungen werden ausschliesslich Seriengeräte gerecht. Mit zunehmender Automatisierung gewinnt die exakte Arbeitsvorbereitung an Bedeutung. Standardisierung – Modular bauen
Mit modularen Bauweisen lässt sich erreichen, dass gleiche Bauteile sowohl innerhalb eines Projekts wie auch von Projekt zu Projekt verwendet werden können. Eine solche Wiederholung begünstigt die Industrialisierung des Bauens enorm, da sie die Kleinserienproduktion von Bauteilen ermöglicht. Die Herstellung einer Serie gleicher Bauteile erlaubt eine wirtschaftlichere Vorfertigung und Automatisierung und rechtfertigt es, mehr Arbeitszeit für die Detailplanung und Arbeitsvorbereitung zu verwenden. Neben Bauzeit- und Kostenvorteilen ergeben sich daher auch Qualitätsvorteile. Das industrielle Bauen will die Individualität von Bauwerken, die untrennbar zur heutigen Wohn- und Städtebaukultur gehört, auf keinen Fall beeinträchtigen; es fokussiert auf Bauteile, deren Modularisierung der Kunde im Endzustand nicht wahrnimmt oder sogar wünscht. Für die Planer ist modular planen eine Herausforderung; den Bauunternehmen stellt sich die Aufgabe, modulare Bauweisen anzubieten und den Dialog mit den Planern zu suchen. Auch bei Projekten, die ohne vorgefertigte Bauteile gebaut werden, können Einsparungen erzielt werden, z.B. indem durch geringfügige Massänderungen der mehrmalige Einsatz derselben Schalung ermöglicht wird. Standardisierung – Informationstechnologie nutzen
Da an der Planung und Ausführung eines Bauprojekts in der Regel sehr viele Personen beteiligt sind, verdienen die Kommunikation und der Datenaustausch besondere Beachtung. Ein durchgängiges Datensystem hat folgende Vorteile: x einfacher und schneller Datenaustausch zwischen den Projektbeteiligten x Vermeidung der Mehrfacherfassung von Daten x Vermeidung des Verlusts von Daten und Erkenntnissen aus früheren Projektphasen x einfache Aktualisierung von Kostenschätzungen und -ermittlungen x einfache Erstellung von Soll-Ist-Vergleichen
534
8 Industrielle Bauprozesse
x Nutzung der Daten für die Produktionsplanung einschliesslich Einkauf Standardisierung – Material, Bauteile und Bauverfahren
Die unternehmensinterne Standardisierung muss die verwendeten Baustoffe und Bauverfahren einbeziehen. Unternehmen müssen für sich wiederholende technische Problemstellungen Lösungen entwickeln und dokumentieren. Das Ziel der Standardisierung ist es, die Komplexität der Herstellprozesse zu reduzieren, so dass Ausführungsmängel verringert werden und sich die mit der Wiederholung von Tätigkeiten verbundenen Vorteile (z.B. geringere Einarbeitung und höhere Auslastung von Spezialmaschinen) ergeben. Rationalisierung – Bauteile vorfertigen
Der Vorfertigung kommt im Rahmen der Industrialisierung besonders grosse Bedeutung zu, da sie es ermöglicht, die für eine industrielle Produktion ungünstigen Baustellenbedingungen, insbesondere wechselnde Produktionsorte und Witterungseinflüsse, zu umgehen. Die Produktionsprozesse in einem Fertigteilwerk lassen sich wesentlich leichter wirtschaftlich mechanisieren und automatisieren als auf der Baustelle, und das Bauen mit Fertigteilen entzerrt den Bauablauf. Vorfertigungskonzepte können über die Produktion von Rohbau-Bauteilen hinausgehen und Leistungen mehrerer Arbeitsgattungen in sich vereinen (z.B. Integration von Dämmungen, Installationen und Oberflächenbehandlungen). Bestimmte Konstruktionen und Ausbauarbeiten (z.B. komplizierte Schalungen oder Arbeiten mit hohen Genauigkeitsanforderungen) lassen sich nur in der Vorfertigung wirtschaftlich realisieren. Die Wirtschaftlichkeit der Vorfertigung steigt mit der Seriengrösse, so dass die Weichen für den Fertigteileinsatz bereits in der Planung gestellt werden sollten; industriell bauende Unternehmen müssen daher frühzeitig Kontakt zu den Planern suchen. Nach erfolgter Ausschreibung eines Projekts ist das Potenzial der Vorfertigung begrenzt; die industriell bauende KMU kann dann nur noch für einzelne Bauteile Fertigteile vorschlagen. Ein Ausweg aus diesem Dilemma könnte sich in der Zukunft durch die konsequente Nutzung der Informationstechnologie für die Produktion im Fertigteilwerk ergeben. Wenn der Herstellprozess vollständig automatisiert ist und eine mit dem CIM-System (Computer Integrated Manufacturing System) des Fertigteilwerks kompatible CAD-Planung vorliegt, ist auch die wirtschaftliche Einzelfertigung von architektonisch anspruchsvollen Bauteilen vorstellbar.
8.3 Konzeptionelle Ansätze für industrielles Bauen in KMU
535
Prozessorientierung und Rationalisierung – Entwurfs- und Produktionsplanung abstimmen
Die heute übliche traditionelle Praxis, Bauunternehmen erst in der eigentlichen Ausführungsphase hinzuzuziehen, ist ein grosses Handicap für das industrielle Bauen, da das Know-how oder die unternehmensspezifischen Anforderungen des ausführenden Unternehmens an eine kostengünstige Produktion, z.B. infolge der vorhandenen Ressourcen wie Personal, Inventar, Erfahrungen und Geschäftsbeziehungen, dann nicht mehr berücksichtigt werden können. Erfahrungen aus der Produktion fliessen nur in geringem Umfang in die Planung zurück. Natürlich möchte der Bauherr seinen Auftrag zu Marktpreisen vergeben und fordert deshalb zu Recht Wettbewerb zwischen den Bauunternehmen; er sollte aber nicht nur den Preis, sondern auch die Leistung zum Gegenstand des Wettbewerbs machen. Ein Preis-Leistungs-Wettbewerb erfordert eine funktionale Ausschreibung auf Basis der Baubewilligungsplanung, die aus Plänen und einer den Qualitätsstandard definierenden Baubeschreibung einschliesslich Raumbuch besteht; Ausführungsvarianten sollten ausdrücklich zugelassen werden. Die Wertung der Angebote ist im Vergleich zur Ausschreibung mit Devis aufwendiger; da die Bauunternehmen aber, innerhalb der durch die funktionale Ausschreibung gesetzten Grenzen, innovative Unternehmenslösungen anbieten können, erhält der Bauherr Zugang zu einem Verbesserungs- und Kostensenkungspotenzial, das ihm sonst verschlossen geblieben wäre. In anderen Branchen wie dem Schiffs- und Anlagenbau, in denen ebenfalls Prototypen hergestellt werden, erfolgt die Ausführungsplanung durch den Produzenten bzw. in dessen Auftrag. Das Bauunternehmen, das – im Gegensatz zu Bauherr und Planer – die unternehmensspezifischen Herstellkosten der verschiedenen Ausführungsvarianten kennt, könnte z.B. x Unternehmenslösungen mit Übernahme der Gewährleistung für Anforderungen an Dichtigkeit, Wärmeschutz, Schallschutz und Tragfähigkeit entwickeln, x zwischen Vorfabrikation und Baustellenproduktion einzelner oder aller tragender Bauteile entscheiden, x unbedeutende Änderungen des Architektenentwurfs vornehmen, um mehrfachen Schalungseinsatz und grossformatige Mauersteine zu ermöglichen, x alternative Baustoffe vorschlagen und x ganz allgemein ausgedrückt, die eigenen Stärken beim Bauen zur Geltung bringen. Der Einfluss der Bauunternehmen auf die Ausführungsplanung ist Voraussetzung für ihre Bereitschaft, in neue Maschinen und Informationstechni-
536
8 Industrielle Bauprozesse
ken, die damit verbundene Ausbildung der Mitarbeiter und die Entwicklung von Unternehmenslösungen zu investieren. Prozessorientierung und Rationalisierung – Prozesse optimieren
Verschiedene Bauverfahren und Baumaschinen für die Automatisierung der Baustellenproduktion sind bereits vorhanden und funktionieren unter optimalen Bedingungen gut. Voraussetzung für den Schritt zum produktiven Einsatz ist jedoch, Gebäude nicht nur nutzungsorientiert, sondern auch mit Rücksicht auf eine eveneuell automatisierte Herstellung zu planen und die Baustelle als Herstellungsort den Erfordernissen anzupassen. Hier ist noch Entwicklungsarbeit erforderlich. Neben den Bauverfahren selbst empfehlen sich auch viele Supportprozesse aus den Bereichen Vorbereitung und Logistik zur „Automatisierung“, d.h. zur Definition von Standardabläufen und Unterstützung durch Checklisten und andere Hilfsmittel. Im Sinn der kontinuierlichen Verbesserung müssen die Bauausführung und die Supportprozesse ständig optimiert werden. Flexibilisierung und Rationalisierung – Unternehmensübergreifende Zusammenarbeit
Kooperationen und Allianzen eröffnen besonders KMU die Möglichkeit, angestrebte Leistungsangebote im Verbund mit anderen Unternehmen ressourcenoptimal zu realisieren. Komplementäre Kernkompetenzen der beteiligten Unternehmen lassen sich verknüpfen, um neue, marktgerichtete und vor allem kundenorientierte Gesamt- und Systemangebote zu erarbeiten.
8.4 State of Practice in der Bauproduktion Um der zentralen Rolle der Bauproduktion gerecht zu werden, soll zunächst eine kurze Analyse des State of Practice erfolgen, die sich primär auf die Prozesse des Wohnungsbaus in Massivbauweise bezieht [8-9]. Wenn von Industrialisierung des Bauens die Rede ist, verbindet man damit heute vor allem den Einsatz von mechanisierten und/oder computerunterstützten bzw. -gesteuerten Geräten, die in der Bauproduktion bisher allerdings nur in Teilbereichen verbreitet sind. Während in der Vorfertigung alle Stufen der Mechanisierung und Automatisierung von der rein manuellen Produktion bis hin zu hoch automatisierten Produktionsanlagen zu finden sind, herrscht in der Baustellenproduktion noch immer die
8.5 Baustellenproduktion
537
handwerkliche, manuelle Fertigung vor. Anhand der Baustellenproduktion und der Vorfertigung wird im Folgenden die Entwicklung einiger Teilbereiche der Bauproduktion bis zum heutigen Stand näher betrachtet.
8.5 Baustellenproduktion Auf der Baustelle wird auch heute noch zu einem Grossteil manuell gearbeitet. Mechanisierungs- oder gar Automatisierungskonzepte haben sich bisher nicht in nennenswertem Umfang durchsetzen können. Ein Grund für das Ausbleiben einer entsprechenden Entwicklung ist das permanent sinkende Lohnniveau durch Fremdarbeiter, das es erlaubt, durch Vergabe an Subunternehmer immer wieder einen halbwegs auskömmlichen Preis zu erzielen. Lediglich im Mauerwerksbau sind erste Ansätze für eine Ergänzung der manuellen Arbeit durch mechanische Versetzgeräte erkennbar, während im Betonbau die letzten grösseren Rationalisierungsschübe durch Elementschalungssysteme Ende der 70er Jahre und hydraulisch getriebene Kletter- und Umsetzschalungen in den 80er und 90er Jahren ausgelöst wurden. Im Bereich der Baustofftechnologie hat eine kontinuierliche Fortentwicklung stattgefunden und es ist ein Trend zu Hochleistungswerkstoffen erkennbar; auf dem Gebiet der Materialverarbeitung ist dagegen eine weitgehende Stagnation festzustellen. Im Mauerwerksbau werden zunehmend grossformatige Elemente eingesetzt, die mithilfe von Versetzgeräten „vermauert“ werden müssen. Mit vollautomatisierten Geräten wie Mauerwerksrobotern wurden dagegen bisher nur einige wenige Versuchsprojekte durchgeführt, obwohl weitgehend identische Geräte in der Vorfertigung von Mauerwerksteilen zunehmend Verbreitung finden. Vor allem aufgrund der heutigen Kostenstrukturen sind Mauerwerksroboter gegenüber gut ausgebildeten und motivierten Maurerkolonnen noch nicht konkurrenzfähig. Ihre Effizienz kann jedoch sprunghaft ansteigen, wenn automatisierungsgerechte Konstruktionen und logistische Massnahmen geplant und konsequent im Bauprozess umgesetzt werden. Vergleichsrechnungen zeigen, dass Kostenreduzierungen trotz der erforderlichen Investitionen, die auch für kleine und relativ einfache Geräte bei mehr als € 100'000.- liegen können, möglich sind, wenn ein entsprechendes Arbeitsumfeld gewährleistet ist. Einen erneuten Anstoss erhielten die Bestrebungen zur Automatisierung von Baustellenprozessen [8-2] durch die Entwicklung und permanente Verkleinerung leistungsfähiger, robuster Datenverarbeitungssysteme, den Preisverfall für Elektronik- und Hydraulikbauteile und die Entwicklung von Servicerobotern z.B. in der Weltraum-, Nuklear- und Unterwasser-
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8 Industrielle Bauprozesse
technik. Dort wurde mit kleinen, leicht programmier- und steuerbaren Geräten sehr hohe Zuverlässigkeit und Genauigkeit bei extremen Arbeitsbedingungen erzielt, was eine Übertragung auf die Baustellenproduktion erfolgversprechend erscheinen lässt. Die eigentliche Herausforderung für die Baustellenproduktion wird deshalb in der Sicherstellung einer automatisierungsgerechten Arbeitsumgebung liegen.
8.6 Vorfertigung Im Zug der ersten Automatisierungswelle in der Industrie, die bereits in den 80er Jahren stattfand, gab es auch erste Entwicklungen für die Produktion von Fertigteilen aus Beton oder Mauerwerk. Ausgehend von relativ einfach strukturierten Fertigungsprozessen wie z.B. der Herstellung von Betonrohren wurden Konzepte zur automatisierten, stationären Produktion entwickelt, die im Lauf der Zeit auch auf die Herstellung von Elementen und Modulen für den Wohnungsbau übertragen wurden. So wäre es heute unter Einsatz von CIM-Technologie theoretisch möglich, ein variabel gestaltetes Gebäude aus Elementen und Modulen, die auf der Baustelle mit einem Minimum an Aufwand montiert werden können, stationär mittels computerunterstützten Manipulatoren und Geräten in Produktionshallen in Linie vorzufertigen. Einige Hersteller gehen sogar noch einen Schritt weiter und bieten bereits teil- oder voll ausgestattete Bauteile an. Ob es sich dabei um Beton- oder Mauerwerksteile handelt, ist sekundär. Für beide Materialien gibt es sowohl für den Baustelleneinsatz wie auch für die Fertigteilproduktion entsprechende automatisierte Systeme. Voraussetzung ist allerdings in allen Fällen eine hoch entwickelte Produktionsplanung und -steuerung, die es erlaubt, das gesamte Spektrum der Fertigungsprozesse zu planen und zu steuern. Dies lässt in einem weiten Bereich architektonischer Gestaltungsmöglichkeit eine Standardisierung von Wandquerschnitten, Materialien, Verbindungen tragender Teile, technischer Installationen sowie Installationssystemen und Details zu. Hierdurch wird auch eine systematische kontinuierliche Verbesserung ermöglicht. Das für den Einsatz automatisierter Systeme schon in der Baustellenproduktion als entscheidend lokalisierte Problem der Arbeitsumgebung lässt sich in der Vorfertigung leichter bewältigen [8-10]. Dies ist sicherlich einer der Gründe, warum die Automatisierung in der Herstellung von Fertigteilen bereits so weit fortgeschritten ist, dass heute Beton- oder Mauerwerksfertigteile nahezu vollautomatisiert gefertigt werden können. Der Trend geht dabei zu teilausgestatteten Elementen und Modulen, wobei die
8.6 Vorfertigung
539
Möglichkeit, wie im Holzbau vollständig vorgefertigte Elemente und Module zu produzieren, in der Theorie ebenfalls gegeben ist. Aufgrund der im Massivbau notwendigen Fugenanordnung werden speziell die Ausbauarbeiten nach wie vor am Einbauort durchgeführt. Realisierbar ist jedoch der Einbau von Fenstern, Türen, Dämmungen und Haustechnikkomponenten bis hin zur Verwendung komplett vorgefertigter Module für relativ kompakte Gebäudeteile wie Küchen, Bäder und Treppenhäuser. Zu beachten ist in diesem Fall, dass mit zunehmendem Grad der Integration von Leistungen in einem Bauteil der Grad der Individualität steigt, die Seriengrösse des Bauteils also sinken wird. Vereinfacht ausgedrückt: Ein Haus benötigt tausende identischer Mauersteine, aber nur ein Bad – also eine Seriengrösse 1 bei vollständiger Vorfertigung. Attraktiv ist der Einsatz komplett vorgefertigter Module mit technischem und architektonischem Ausbau für den Bauunternehmer dennoch, da in einem relativ geringen Teil des Gesamtgebäudes eine hohe Wertschöpfung konzentriert ist und dieser Teil des Gebäudes komplett ausserhalb der Baustelle gefertigt werden kann, was zu einer deutlichen Entzerrung und Parallelisierung der Bauprozesse führt (Bild 269). Einen weiteren Ansatz für eine Vorfertigung von Gebäuden, z.B. Einfamilienhäuser, aber auch Bürogebäude, bietet das Plattformkonzept der Industrie. Mittels eines Grundkonzepts lassen sich weitgehend individuelle Lösungen für den Kunden gestalten. Das Plattformkonzept ermöglicht dabei eine weitgehende Standardisierung von Baustoffen, Wandaufbau, Treppen, Installationen etc. bei hoher Individualität.
90 80
fertigteil
Halb-
15
Fertigteil
40
Integriertes Bauteil
70
Raumzelle
Wertschöpfung in %
100
Material
Seriengrösse in ME
Bild 269: Wertschöpfung und Seriengrösse
540
8 Industrielle Bauprozesse
8.7 Übertragung von Technologien und Verfahren aus anderen Industriezweigen Bei sehr allgemeiner Betrachtung sind die Arbeitsgänge in der Bauproduktion und in anderen Industrieproduktionen ähnlich [8-11]. Es handelt sich im Wesentlichen um Handling und Transport von Materialien, Positionieren und Fixieren an einer Einbaustelle, Herstellen von Passstücken und Verbindungen sowie vor- und nachgelagerte Bearbeitungsprozesse mit speziellen Werkzeugen [8-13]. Für viele dieser Arbeitsgänge existieren bereits Geräte, die für die Vor- und Baustellenproduktion adaptiert werden können. Charakteristisch für die Bauproduktion ist, dass häufig mit grossen und schweren Elementen und Modulen gearbeitet wird, was spezielle Anforderungen an den Transport sowie die Leistung und Bewegungsfähigkeit von Versetzgeräten stellen kann; dennoch erscheint ein „Blick über den Zaun“ erfolgversprechend, da die grundlegenden Abläufe vergleichbar sind.
8.8 Aspekte der Logistik Fragen der Logistik werden für die Bauproduktion zunehmend wichtiger. Logistik ist dabei nicht nur als Transportleistung und -organisation zu sehen, sondern als das Verfügbarmachen aller für die Produktion benötigten Ressourcen und Produktionsmittel; dies gilt insbesondere auch für Informationen. Natürlich gehören hierzu auch die Fragen des Transports von Baustoffen und -teilen, die mit zunehmender Vorfertigung immer wichtiger werden. Der am meisten gebrauchte Transportweg ist immer noch die Strasse, wobei in Zukunft alle Transportmittel in optimierter Kombination eingesetzt werden, um einen möglichst reibungslosen Produktionsablauf zu gewährleisten. Die Highlights im Bereich der Logistik sind derzeit Logistikzentren, ohne die in Innenstädten kaum noch ein Grossbauvorhaben realisierbar ist, und der Transport kompletter Gebäude oder grosser Teile mittels Cargoliftern. Es soll jedoch nochmals betont werden, dass Logistik weit mehr umfasst als die reinen Transportaufgaben. Aus diesem kurzen Abriss des State of Practice [8-9] ist bereits deutlich geworden, dass im Umfeld der eigentlichen Bauproduktion eine Vielzahl vor- und nachgelagerter Prozessen koordiniert und integriert werden muss, wenn aus dem konventionellen Bauen eine „echte“ Industrie werden soll. Im Folgenden werden diese Prozesse näher untersucht und ihr Einfluss auf die Entwicklung des Bauens und damit der Bauunternehmen dargestellt.
8.10 Interaktive Bauwerks- und Produktionsplanung
541
8.9 Konsequenzen für Prozesse und Organisation Einer der wichtigsten Einflussfaktoren, die zu den heutigen Problemen der Bauwirtschaft geführt haben, ist das Anbieten fragmentierter Leistungen im reinen Preiswettbewerb. Da aufgrund der herstellerunabhängigen Planung keine spezifischen Qualitätsmerkmale entwickelt wurden, sind Anbieter und Leistungen nahezu beliebig austauschbar und ersetzbar. Anders formuliert: Kaum ein Bauunternehmen mit reinen Rohbauleistungen kann etwas, das andere nicht können. Die Planung ausserhalb des Einflussbereichs des produzierenden Unternehmers ist die „klassische“ Struktur des Bauauftrags mit einem vom Bauherrn eingesetzten Planer und Bauunternehmer sowie technischen und architektonischen Ausbauunternehmen, die diese Planung nach einer Leistungsbeschreibung umsetzen, ohne dass sie ihre Sinnhaftigkeit zu prüfen oder zu akzeptieren haben. Es geht lediglich darum, die Leistung zu einem niedrigeren Preis als die Wettbewerber anzubieten und sie innerhalb des vom Auftraggeber vorgegebenen Terminrahmens auszuführen. Jede Strategie, die auf eine Industrialisierung des Bauens zielt, muss deshalb Ansätze zur Überwindung der Fragmentierung von Bau- und Planungsleistungen, die zu der heutigen Situation auf dem Baumarkt geführt hat, beinhalten.
8.10 Interaktive Bauwerks- und Produktionsplanung Der Unternehmer muss sich durch andere Qualitätsmerkmale als nur den Preis für die Übernahme der Leistung qualifizieren, um einen höheren Kundennutzen zu erzeugen und eine höhere Profitabilität zu erreichen. Dazu gehört vor allem, dem Kunden als Basis der Bauleistung eine auf seine speziellen Bedürfnisse ausgerichtete Ausführungsplanung anzubieten und diese schnell und auf hohem Qualitätsniveau zu realisieren. Voraussetzung ist ein ausreichender Vorlauf für die interaktive Werk- und Produktionsplanung (Bild 270), um dem Unternehmer Zeit für eine detaillierte Planung der Bauproduktionsabläufe zu lassen. Nur durch eine Integration von Werk-/Ausführungs- und Produktionsplanung lassen sich die Potenziale einer Vorfabrikation realisieren: x parallele, zeitsparende Prozesse x höhere Qualität x Minimierung der nicht wertschöpfenden Aktivitäten Das Optimierungspotenzial der Planung liegt in einer Integration aller anfallenden Leistungen in eine Produktionsplanung, die alle technischen,
542
8 Industrielle Bauprozesse
Werk- und Produktionsplanungsprozess Werkplanung Rohbau u. Hülle Ausbau Haustechnik Statik
Architekt / Bauherr
Produktionsplanung Kapazitäten: Personal Geräte u. Anlagen
Produktion Rohbau Leitungen
Termine: Produktion Montage
Fenster Aussendämmung Innenputz
Aussenputz
Bauteilmontage
Funktionale Ausschreibung und Vergabe
Projektplanung Vorentwurf
terminlichen und wirtschaftlichen Aspekte berücksichtigt. Prozesssimulationen, die in anderen Industrien bereits angewendet werden, für die im Bauwesen aber noch die Voraussetzungen, insbesondere durch den Einsatz echter 3D-CAD-Systeme, geschaffen werden müssen, können die integrierte Planung unterstützen.
Finish Ausbau
Finish Haustechnik
Unternehmer
Bild 270: Gestaltung, Werk- und Produktionsplanung
8.11 Informationsfluss Die Sicherstellung eines koordinierten, zuverlässigen und kontinuierlichen Informationsflusses ist heute eines der Hauptprobleme in der Projektabwicklung [8-2]. Durch die fragmentierte Abwicklung der Projekte mit einer Vielzahl selbstständiger Projektbeteiligter, die unterschiedliche Datenverarbeitungsund Informationssysteme nutzen, ergibt sich ein erheblicher Aufwand für die Koordinierung. Einer der Ansatzpunkte zur Verbesserung der Bauabläufe, sowohl in der Planung als auch in der Ausführung, besonders bei der Vorfertigung, ist die Nutzung einer konsistenten Datenbasis, auf die alle Projektbeteiligten zur Verringerung der Schnittstellen zugreifen können (Bild 271). Grundlage dieser neu strukturierten Informationsabläufe sind echte 3DCAD-Systeme mit verknüpften Daten sowie die Schaffung eines branchenübergreifenden Standards für den Informationsaustausch. Die heute üblichen 2D-CAD-Systeme genügen diesen Anforderungen nicht. Vielmehr ist eine Kommunikation der verschiedenen Projektbeteiligten und der zugehörigen Bearbeitungsschritte in den einzelnen Projektphasen auf der Basis objektorientierter Informationen erforderlich.
8.12 Individualisierung und systematische Standardisierung Haustechnik Geometrie Ausbau Aufbau Geometrie Rohbau Einbauteile Aufbau Oberfläche Geometrie Einbauteile Aufbau Oberfläche Einbauteile Oberfläche
543
Produktion von Rohbauteilen Vollständige Planung als CAD-Daten
Ausbau
Produktion integrierter Bauteile
Montage und Fertigstellung auf Baustelle
Haustechnik
Wissens- und Datenbasis für integrierte Werk- und Produktionsplanung sowie Herstellung
Bild 271: Phasengliederung des Planungs- und Bauablaufs mit integrierter Vorfertigung
8.12 Individualisierung und systematische Standardisierung Ein weiterer Schritt hin zu einer kompletten Leistung aus einer Hand ist die Abstimmung der Planung auf die Erfordernisse der Produktion. Dies bedeutet keineswegs, dass die Produktion die Gestaltung eines Bauwerks dominieren soll, im Gegenteil, speziell im Hochbau und vor allem im Wohnungsbau soll die so genannte gestalterische Freiheit nicht eingeschränkt werden. Bei einer Analyse der Gestaltung wird man allerdings feststellen, dass sich diese Freiheit im Wohnungsbau, ausser auf die grundsätzliche Raumeinteilung und die Art des Gebäudes, primär auf die Variation von Bauteilen, Formen und Abmessungen sowie auf die Auswahl aus einer grossen Zahl von Materialien erstreckt. Die technischen Details für Wand- oder Deckenaufbau sowie für die technischen Installationen bei vorbestimmten Abmessungen oder die Anforderungen an Schall- und Wärmeschutz bieten breiten Raum für eine Standardisierung von Bauteilen und somit für Plattformkonzepte. Diese Plattformkonzepte mit Standardisierung sind zugleich die Grundlage für industrielle Produktionsprozesse, die eine gewisse Menge an gleichen Teilen verlangen, um rationell zu sein. Gleiche Elemente und Module bedeutet dabei nicht gleiche Abmessungen, sondern gleich hinsichtlich der Materialien, des Aufbaus der Teile oder der statischen Wirkung. Das Material für die Serienfertigung von Elementen und Modulen, die immer wieder verwendet werden, kann auf Lager vorgehalten oder just-in-time gelie-
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8 Industrielle Bauprozesse
fert werden: Dies kann erheblich zur Reduzierung der Bauzeit beitragen, weil nach Auftragserteilung nur noch die individuell zu produzierenden Elemente und Module gefertigt werden müssen. Standardisierte Materialien in Kombination mit Standarddetails reduzieren Baufehler und ermöglichen einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess.
8.13 Bauleistung als Produkt Wenn man diese Sichtweise konsequent fortführt, lässt sich ein Gebäude auf einer Plattform aus einem Grundentwurf und durch Auswahl der verschiedensten Bauteile und Ausstattungselemente zusammenstellen. Analog der Automobilindustrie können verschiedene Typen oder Baureihen auf einer Plattform zusammengestellt und durch die Variation von Parametern individualisiert werden. Dabei findet ein Übergang von individuellen Bauwerken – Unikaten, die jeweils neu erfunden werden – zu einem industriell geplanten Produkt statt. Dies ist einer der Ansatzpunkte für eine echte Industrialisierung des Bauens – nicht immer wieder die „Erfindung“ des Gebäudes an sich, sondern die industriell geprägte Entwicklung eines Produkts auf einer Plattform aus einer vorhandenen, weitgehend standardisierten Palette von Bauteilen mit der Möglichkeit, dieses Produkt mittels Variation bestimmter Parameter entsprechend dem Kundenwunsch individuell zu gestalten. Die heutige Situation auf dem Baumarkt lässt es nicht zu, allein durch verbesserte Verfahren Kostenvorteile zu generieren. Jeder Vorsprung wird in kürzester Zeit von Wettbewerbern egalisiert, sei es durch Kopieren der Verfahren oder den Einsatz von Nachunternehmern, deren Preise wiederum gedrückt werden. Den Vorteil aus dieser Situation ziehen die Auftraggeber, die lediglich eine Vergabe unter Zeitdruck vermeiden müssen, um die Kostenspirale durch gegenseitiges Unterbieten der Anbieter zu nutzen. Der Unternehmer muss daher darauf hinarbeiten, dass seine Leistung nicht nur unter Preis- und Kostengesichtspunkten, sondern in der Summe ihrer Eigenschaften und im Hinblick auf die Anforderungen des Auftraggebers beurteilt werden kann. Um dies zu erreichen, darf er nicht nur passiv durch Einsetzen von Preisen auf Ausschreibungen reagieren, sondern muss selbst im weitesten Sinn Problemlösungen und nicht nur eine Verarbeitungsleistung verkaufen. Als Konsequenz dieser Art, ein Bauprojekt zu organisieren, ergibt sich die Chance, die Auftragsakquisition von der Reaktion auf Leistungsbeschreibungen hin zu einem aktiven Marketing und Vertrieb von Lösungen zu verlagern. Diese für Bauunternehmen ungewohnten Aktivitäten erlau-
8.13 Bauleistung als Produkt
545
ben es, sich durch die Leistung selbst, durch das Leistungsspektrum und durch Qualitätsmerkmale von Mitbewerbern zu differenzieren [8-14]. Ein systematisch entwickeltes variables Gebäudeprodukt mit dem richtigen Marketing-Mix, das den individuellen Kundenanforderungen gerecht wird, kann erhebliche Vorteile bieten. Da der Aspekt der Gestaltung speziell im Wohnungsbau eine wichtige Rolle spielt, wird man, wenn ein Anbieter es schafft, ein spezifisches Design mit hohem Wiedererkennungswert zu kreieren, bestimmte Qualitätsmerkmale permanent und unbewusst mit genau diesem Design verbinden. Mit zunehmender Industrialisierung erfolgt eine Ausdehnung des Gestaltungsspielraums, aber auch des Umfangs der Verantwortung für das „Produkt“ Bauwerk in einer Hand. Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte für Tätigkeiten, die weit über das eigentliche Bauen hinausgehen. Zunächst waren es Schlüsselfertigbau und Generalunternehmerleistungen, die zu einer Ausweitung des Leistungsspektrums führten, dann kam Projektentwicklung einschliesslich Finanzierungsleistung und Vermarktungstätigkeit hinzu. Heute ist in vielen Bereichen die lebenszyklusorientierte Komplettlösung für einen ganz bestimmten Bedarf eines Kunden gefragt, die Betrieb und Dienstleistungen aller Art umfassen kann. Sei es ein Bauwerk zur eigenen Nutzung, eine Anlage als Produktionsmittel oder eine Kapitalanlage – die Bauunternehmen sind gefordert, all diese Bedürfnisse abzudecken und sich damit Kundenkreise zu erschliessen, zu denen sie vorher noch keinen Zugang hatte [8-7]. Die Bereitstellung von Verarbeitungskapazitäten wird damit durch ein breites Leistungsspektrum abgelöst, innerhalb dessen jeder der Bereiche Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben für sich allein oder in beliebiger Kombination neue Marktpotenziale erschliessen kann. Mit zunehmendem Druck des Wettbewerbs wird von den Unternehmen eine strategische Entscheidung verlangt, ob sie sich auf einige Marktsegmente und Geschäftsfelder spezialisieren und als Wettbewerbsvorteil ein hoch spezialisiertes und auf ihre Kunden zugeschnittenes Know-how entwickeln, oder ob sie sich als Generalisten in einer Vielzahl von Teilmärkten bewegen. Aufgrund der begrenzten Marktpotenziale wird es für die meisten grossen Unternehmen unumgänglich sein, als Generalisten weite Bereiche des Wertschöpfungsprozesses anzubieten. Die Konsequenz ist eine immer stärkere Verlagerung der Grossbetriebe auf Leistungen, die das eigentliche Bauen ergänzen und hohen bzw. langfristigen Kapitaleinsatz, Management-Know-how oder langfristig ausgelegte Entwicklungstätigkeit erfordern. Dies bedeutet gleichzeitig, Teile der klassischen Bauleistung eben jenen Spezialisten zu überlassen, die ein überlegenes Know-how in Technik und Produktion entwickeln konnten.
546
8 Industrielle Bauprozesse
Architekt
Architekt/ Planer
Planung
Architekt/ Planer
Wenn man industriell bauen will, ergibt sich die Notwendigkeit, bei weitgehend individueller Gestaltung Systemkompetenz, z.B. für eine Plattform, zu entwickeln [8-7]. Die Unternehmen müssen schrittweise flexibler werden und in der Lage sein, integrierte Produkte und Leistungen entlang der Bauwerkswertschöpfungskette in beliebiger Kombination anzubieten, wenn der Kunde es wünscht. Entscheidend für den Erfolg ist es, das Systemgeschäft nicht als „Arbeitsbeschaffer“ für den Baubetrieb zu sehen, sondern eine ganzheitliche Sichtweise zu entwickeln, in der alle Komponenten des Leistungsangebots (Bild 272) vom Planen über das Bauen bis hin zu Dienstleistungen wie Finanzierung und Betrieb gleichberechtigt ihren Platz haben. Die rein baubetriebsbezogene Sicht in Bezug auf Industrialisierung ist zumindest für grosse Unternehmen der falsche Weg, wie das Beispiel der Immobilienprojektentwicklung zeigt, bei der viele (Bau-) Unternehmen viel Geld verloren haben. Bauunternehmen, die erfolgreich Projektentwicklung betreiben, halten dieses Geschäft in aller Regel unabhängig vom Baubetrieb. Entwurf Ausschreibung Vergabe
Erdarbeiten Fundamente Bodenplatte Wände Systemanbieter
Baumeister
Gesamtleistungsträger (GU/TU)
Produktion
Einzelleistungsträger
Werkplanung
Gebäudehülle
Decken Dach Fenster Dämmung Aussenputz Innenausbau
Ausbau
Externe Dienstleister
Betrieb/ Nutzung
Externe Dienstleister
Haustechnik Dienstleistung
Bild 272: Leistungsspektrum des Systemanbieters
Die Industrialisierung von Leistungsanbietern mit Systemkompetenz erfordert die Integration von unterschiedlichen Schlüsselstufen der Wertschöpfungskette. Entscheidend für den erfolgreichen Aufbau von Systemkompetenz ist es, das „Kerngeschäft“ in der Hand zu behalten, während alle anderen Komponenten „zugekauft“ werden können. Übertragen auf den Wohnungsbau bedeutet das, vor allem die Entwicklungskompetenz,
8.14 Entwicklungspotenziale
547
also die marktabhängigen Parameter hinsichtlich Nutzung und Standard des Gebäudes und der wichtigsten Kundengruppen, selbst zu definieren und entsprechende Zielvorgaben für Planung und „Produktplattformentwicklung“ zu geben. Der Systemanbieter braucht nicht alle Kompetenzen selbst vorzuhalten. Die moderne Unternehmensarchitektur für Systemleistungen richtet sich auf Kernkompetenzen und auf ein strategisches Netzwerk mit Schlüsselkooperationspartnern aus, z.B. Architekten, Planern und Unternehmen, die zur Systemoptimierung, zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess und zur Innovation der Leistung beitragen. Die Zukunft des industrialisierten Systemanbieters in der Bauwirtschaft verlangt einen Paradigmenwechsel vom „Alleskönner“ oder General- und Totalübernehmer mit wechselnden, austauschbaren Subunternehmern, die nur nach dem billigsten Preis ausgewählt werden, zum Systemanbieter mit strategischen Allianzen mit Schlüsselplanern und -unternehmen (s. Kapitel 5 „Kooperations- und Outsourcingstrategien“).
8.14 Entwicklungspotenziale Die Erfahrung aus anderen Branchen zeigt, dass die Entwicklung automatisierter Verfahren und besonders der Robotertechnik nicht aufzuhalten ist, wenn erst einmal eine „Initialzündung“ stattgefunden hat. Die Voraussetzungen für den Entwicklungsschub sind der Aufbau der benötigten Logistik und des Workflows sowie Kosten- und/oder Qualitätsvorteile gegenüber der konventionellen Produktion; auf der Geräteseite sind einfach zu bedienende und zu programmierende, möglichst autark einsetzbare Einheiten erforderlich. Der in der Maschinentechnik allgemein zu betrachtende Miniaturisierungstrend, d.h. bei gleicher Leistungsfähigkeit kleinere, leichtere und einfachere Geräte zu entwickeln, die aber mit immer komplexeren Steuerungs- und Regelmechanismen versehen sind, wird darüber hinaus auch in der Bauverfahrenstechnik langfristig zu effizienteren Lösungen führen. Besondere Aufmerksamkeit muss der Interoperationalisierung der ineinander greifenden Bauverfahren und der dabei verwendeten Geräte im sequenziellen und zum grossen Teil parallelen „workflow process“ gewidmeten werden. Nicht das optimierte Einzelgerät oder Einzelbau- bzw. Ausbauverfahren führt zur industriellen, kostenoptimalen Effizienz, sondern die optimal aufeinander abgestimmten Prozesse und Geräte. Dies trifft für die Baustellen- sowie für die Linienvorfabrikation zu, um einen ineinander greifenden, ungestörten Prozess mit hoher Kosteneffizienz zu erreichen.
548
8 Industrielle Bauprozesse
Wie bereits beschrieben, werden der Informationsfluss und die Informationstechnologie die zentralen Elemente sein, mit deren Hilfe alle von der Industrialisierung betroffenen Bereiche des Bauens gesteuert und vernetzt werden. Angefangen bei leistungsfähigen Konzepten zur Datenübertragung über die Integration von Projektbeteiligten mittels elektronischem Datenmanagement und Internetlösungen [8-4] bis hin zur Simulation von Fertigungsabläufen, die bereits im Vorfeld Informationen über Effizienz, mögliche Konflikte im Ablauf der Herstellung und Montage sowie Termine und Kosten geben kann, wird die Informationstechnik quasi das Nervensystem einer Industrialisierung bilden. Fertigungsseitig bedingt der Einsatz dieser Verfahren und Technologien einen gewissen Grad an Standardisierung und Logistikplanung, der es erlaubt, häufig benötigte Materialien und Teile in Serie auf Vorrat zu halten oder just-in-time zu liefern. Hierin liegt ein erhebliches Potenzial zur Verkürzung der Bauzeit, weil für das einzelne Bauwerk nach Erteilung des Auftrags nur noch der wirklich individuelle Teil produziert werden muss, während man zu einem grossen Teil auf Standardelemente zurückgreifen kann. Die Standardelemente, die unabhängig von Schwankungen in der Beschäftigungslage und von jahreszeitlichen Bedingungen produziert werden können, schaffen wiederum die Voraussetzung für den rentablen, d.h. gleichförmig ausgelasteten Einsatz von Maschinen und Anlagen. Letztlich als Folge der Energiekrisen wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine zunehmende Zahl von Energie und Ressourcen sparenden Gebäudekonzepten entwickelt. Die Neuorientierung des Bauens in Bezug auf Energie und Rohstoffe war jedoch nur der Auslöser für einen Umdenkprozess weg von den traditionellen Werten und Qualitätsbegriffen des Bauens, z.B. unbedingte Dauerhaftigkeit über Jahrhunderte, hin zu einer mehr nutzungs- und nutzerorientierten Sichtweise. Im Vordergrund der Käuferanforderungen wird künftig neben einem geringen Energieeinsatz die Flexibilität der Gebäude stehen, die es erlaubt, während der Nutzungsdauer immer wieder veränderte Nutzungsanforderungen abzudecken. Dies kann durch nutzungsneutrale Gebäude erreicht werden, deren Tragstruktur und Hülle alle Anforderungen an eine langfristige Nutzung der Gebäude erfüllen, während die nutzungsabhängigen Innenausbauten und die entsprechenden Teile der technischen Gebäudeausrüstung flexibel und leicht ersetzbar sind. Auch die Werthaltigkeit eines Gebäudes wird ein entscheidender Faktor für eine Kaufentscheidung sein, da bei steigender Mobilität der Bevölkerung ein immer grösserer Teil der potenziellen Kunden seine Kauf- oder Bauentscheidung davon abhängig machen wird, dass ein Gebäude auch nach einer relativ kurzen Nutzungsdauer wieder mindestens kostendeckend veräussert werden kann. Bei den traditionellen Wohngebäuden war die
8.14 Entwicklungspotenziale
549
Bauherr
Risikoverteilung
Schnittstellen
Projektmanagement
Zielvorgaben
Werterhaltung des Gebäudes zwar gegeben; eine Wertsteigerung entstand aber vor allem über die knapper und teurer werdenden Grundstücke. Die Forderung nach einer kurzfristigen Verkäuflichkeit bei konstantem oder steigendem Wert impliziert eine veränderte Sichtweise des Nutzers, der das Gebäude nicht mehr als Anschaffung „für das Leben“ sieht, sondern als ein Investitionsgut oder sogar Konsumgut, das nach einer gewissen Nutzungsdauer seinen Zweck erfüllt hat und einer anderen Nutzung oder einem anderen Nutzer zugeführt wird. Auch diese Anforderungen können durch eine mehrstufige, nach Funktionen getrennte Gebäudestruktur erfüllt werden. Mit zunehmender Veränderung des „Produkts“ der Bauunternehmen von der Bereitstellung von Verarbeitungskapazitäten hin zu einem ganzheitlichen, kundenorientiert entwickelten Systemkonzept stossen auch die konventionellen Vertragsmodelle an ihre Grenzen. Neue Arten der Zusammenarbeit sind gefragt, die sich auch in neuen Vertrags- und Vergütungsmodellen dokumentieren. In der Schweiz wurde ein Anfang hierzu mit dem „Bauen nach Smart“ [8-15] gemacht, einem Vertragsmodell, das die ausführenden Unternehmer bereits im Stadium der Projektdefinition integriert und zu einer Realisierung des Bauwerks in Werkgruppen führt, bei denen jeweils mehrere Gewerke zusammengefasst und dem Bauherrn als „Leistungspakete“ einer Gruppe von Unternehmern angeboten und ausgeführt werden; die Koordination innerhalb dieser Leistungspakete ist hierbei Sache der beteiligten Unternehmer (Bild 273).
Diagonale Integration bei den Leistungsträgern
Leistungsträger Einzelleistungsträger
SMART
Generalleistungsträger
Totalleistungs- Systemanbieter träger
- Einzelplaner - Bauausführendes Unternehmen
- Kooperation Bauherr, Planer, Unternehmer - Werkgruppen - Virtuelles Unternehmen
- Generalplaner - Generalunternehmer - Generalübernehmer
- Totalübernehmer - Totalunternehmer
Bild 273: Projektabwicklungsformen
- optimierte, ganzheitliche Lösung - Integration von Ausführung und Planung - permanente Weiterentwicklung und Innovation
Anbieter
550
8 Industrielle Bauprozesse
Auch die in Deutschland zunehmend praktizierten Projektabwicklungsformen des Construction-Management-at-risk (CM at risk) mit GMPVerträgen (garantierter Maximalpreis oder guaranteed maximum price) [8-1] tragen den veränderten Strukturen der Zusammenarbeit Rechnung. Die Vertragsform ist aus dem amerikanischen Vertragsrecht abgeleitet; es geht darum, während der Planung und Ausführung durch eine zielorientierte und offene Zusammenarbeit von Auftraggeber, Planern und Ausführenden eine optimierte Leistung innerhalb eines fixierten Kostenrahmens zu entwickeln. Dieser Typ der Projektabwicklungsform wäre sehr geeignet, die Industrialisierung mit Vorfabrikation zu fördern. Beim CM at risk, z.B. durch spezialisierte Bau- oder Vorfertigungsunternehmen, kann die Integration von Ausführungs- und Produktionsplanung unter Berücksichtigung industrieller Vorfertigung besonders gut realisiert werden. Entsprechende kooperative Geschäftsmodelle müssen entwickelt werden (s. Kapitel 7 „Geschäftsmodelle und Geschäftsfelder“). Aus den vorherigen Ausführungen ist bereits deutlich geworden, dass eine Industrialisierung des Bauens mehr sein muss als die Verbesserung der vorhandenen oder die Erfindung neuer Produktionsmethoden. Die Produktion hat zwar nach wie vor einen hohen Stellenwert, im Reengineering des Bauens ist sie aber nur einer der Erfolgsfaktoren, die sich aus der Orientierung an den Anforderungen und dem konkreten Bedarf des Kunden ergeben. Der Kunde muss in diesem Prozess oberste Priorität haben, und es ist die Erfüllung seiner Anforderungen an eine Bauleistung und die sie ergänzenden Leistungen, an der künftig der Erfolg eines Leistungsangebots auf dem Markt und damit der Erfolg eines Unternehmens gemessen wird.
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Girmscheid, G.: Angebots- und Ausführungsmanagement – Leitfaden für Bauunternehmen. Springer Verlag, Berlin, 2005
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
9.1 Einleitung Das Angebotsmanagement [9-12] ist Teil des Leistungserstellungsprozesses (Bild 274) eines Unternehmens und beschreibt den entscheidenden Prozess zur Gewinnung der projektspezifischen Aufträge. Diesen Prozess kann man in vier Hauptschritte gliedern: x x x x
Akquisition von Ausschreibungen Auswahl der Projekte zur Angebotsbearbeitung Ablauf der Angebotsbearbeitung im Unternehmen Abgabe des Angebots an den Kunden Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebots bearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 274: Die Prozesse in einem Bauunternehmen
Das Angebotsmanagement umfasst die folgenden einzelnen Schritte (Bild 275): x Akquisition: aktive Marktbearbeitung oder Angebotsanfragen x Entscheidung über die Angebotsbearbeitung x Vertragsprüfung
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x x x x x
9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Massenermittlung Angebotskalkulation und Preisbildung Ausarbeitung und Einreichung des Angebots Vergabeverhandlungen Auftragserteilung
Die Angebotsphase entscheidet darüber, ob x das Unternehmen den Auftrag erhält, x der Auftrag den angestrebten Erlös bringt, x die Risiken und damit die Ursachen für eventuelle Projektabweichungen weitgehend erkannt wurden. Daraus wird deutlich, welche wichtigen Aufgaben in dieser Phase zu erfüllen sind. Sie entscheidet somit auch darüber, ob x eine ausreichende Auslastung der vorhandenen Ressourcen in der Zukunft gesichert ist, x ausreichende Erlöse erreicht werden können. Untersuchungen [9-2] zeigen, dass ca. 60 % der möglichen Projektausreisser, d.h. Verluste, ihren Ursprung in der Angebotsphase haben. Gründe dafür sind u.a. unzureichende Vertragskenntnis, falsche Leistungsannahmen, nicht erkannte technische und vertragliche Risiken oder die Auswahl unzuverlässiger Subunternehmer. Über 30 % der Ursachen liegen in mangelhaftem Ausführungsmanagement wie z.B. unzureichender Steuerung bei Leistungsabweichungen, schlecht oder nicht geplanten Ausführungsläufen, unzureichend qualifiziertem Personal oder unzureichender Leistungsfähigkeit der Subunternehmer. Nur ca. 10 % der Ausreisser beruhen auf nicht oder kaum beeinflussbaren Faktoren. In den nachfolgenden Kapiteln werden die einzelnen Schritte des Angebotsmanagements (Bild 276) in Bezug auf eine Risikominimierung und Systematisierung beschrieben.
9.1 Einleitung
Bild 275: Phasen und Meilensteine des Angebotsmanagements [9-12]
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Akquisition der Ausschreibung
Risikobasierte Vorselektion • K.O.-Kriterien • Nutzwertbetrachtung
Entscheidung der Geschäftsleitung
Nein
Kein Angebot
Risikobasiertes Studium der Angebotsunterlagen
Potenzial für Sondervorschläge
Ja
Sondervorschlag: Ausarbeitung eines technischen Konzepts
Nein Ausarbeitung des Angebots
Projektrisikomanagementprozess
Ja
• AVOR • Kalkulation • •
Risikobasierte Entscheidung der Geschäftsleitung
Nein
Kein Angebot
Ja Angebotsabgabe
Vertragsverhandlungen
Bild 276: Grobablauf und Entscheidungsprozesse bei der Angebotsbearbeitung
9.2 Akquisition von Ausschreibungen
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9.2 Akquisition von Ausschreibungen Die Akquisition von Ausschreibungen wird durch die strategischen Zielvorgaben des Unternehmens, die gewählte Markt- und Wettbewerbsstrategie und die abgeleiteten Marketingstrategien sowie den Marketing-Mix für die jeweilige strategische Geschäftseinheit bestimmt. Im traditionellen Vergabeprozess mit Einzelleistungsanbietern erfolgt die Akquisition von Ausschreibungen im Rahmen des Bauprozesses meist am Ende der Planungsphasen. Architekten oder Ingenieure führen in diesen Vorphasen der Bauausführung fast die gesamten Planungsaktivitäten zur Umsetzung der funktionalen, qualitativen, architektonischen, kostenmässigen und terminlichen Vorgaben des Bauherrn durch; dies gilt im Allgemeinen auch für Generalunternehmer- bzw. Generalübernehmerprojekte. Die Ausschreibung erfolgt in der Regel nach Leistungsverzeichnissen oder auf der Basis von funktionalen Beschreibungen und Genehmigungs- bzw. Ausführungsplänen. Bei Totalunternehmerprojekten übernimmt der Unternehmer Generalplaner- wie auch Generalunternehmeraufgaben. Der Totalunternehmer beginnt seine Angebotsbearbeitung nach der Konzept- bzw. Vorplanungsphase des Bauherrn auf der Grundlage einer funktionalen Ausschreibung, in der Funktionalität, Qualität und Termine vorgegeben sind, und übernimmt im Wettbewerb den Totalunternehmerauftrag, das Bauwerk für den Bauherrn zu erstellen. Dabei werden meist ein Pauschalpreis und feste Zwischen- bzw. Endtermine vereinbart. Totalunternehmer können im Wettbewerb einen weiten Spielraum zur Optimierung des Projekts nutzen. Ein Bauunternehmen kann Anfragen und Ausschreibungen aktiv oder passiv akquirieren. Eine Charakteristik vieler Unternehmen ist das passive Verhalten bei der Gewinnung von Kunden; häufig reagiert der Bauunternehmer erst auf die Nachfrage des Bauherrn, d.h. auf die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Ziel eines innovativen Managements muss daher die aktive Kundenwerbung und Kundengewinnung sein, um langfristig im Wettbewerb bestehen zu können. Die aktive und passive Akquisition in den jeweiligen strategischen Geschäftsfeldern wird durch die gewählte Markt- und Wettbewerbsstrategie geprägt und zeichnet sich durch die folgenden Merkmale aus: Aktive Akquisition: x Schlüsselkunden / professionelle Bauherren regelmässig kontaktieren x Architekten und Ingenieuren regelmässig Beratungsleistungen für potenzielle Projekte anbieten x Zielgruppenmarketing bei Nischenangeboten durchführen
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Passive Akquisition: x Ausschreibungsanzeiger regelmässig nach Projektarten, Regionen und Projektgrösse durchlesen x Abonnentenservice mit vorselektierten Projekten in Anspruch nehmen und auswerten x E-Commerce-Plattformen für vorselektierte Ausschreibungen nutzen (wie beim Abonnentenservice, jedoch mit zusätzlichem Informations-, Selektions- und Bearbeitungsservice) Moderne, kundenorientierte Unternehmen haben im Rahmen ihrer Wettbewerbsstrategie und ihres Marketings das Key Account Management als aktives Akquisitionsinstrument etabliert. Die Aufgabe des Key Account Managements ist, Wiederholungs- und Schlüsselkunden des Unternehmens zu identifizieren, zu betreuen und möglichst frühzeitig Kenntnis von ihren Projekten zu erhalten; dies gilt auch für bestimmte Planungsbüros. Durch das Key Account Management steht dem Bauunternehmen eine fachlich kompetente Marketing- und Kommunikationsgruppe zur Verfügung, um Wiederholungs- und Schlüsselkunden zu beraten und sie möglicherweise zu einer Generalunternehmer- oder Totalunternehmerausschreibung zu bewegen. Ziel ist, im Rahmen des Key Account Managements die Wettbewerbsposition durch einerseits Beratungsleistungen und andererseits gezielte Informationssammlung zu verbessern. Wegen der Kundennähe sollte das moderne Key Account Management, besonders in Generalunternehmen, durch die jeweiligen Projekt- und Bereichsleiter durchgeführt werden. Dadurch wird sichergestellt, dass Kontakte, die während der Projektabwicklung entstehen, für die Kundenbindung bei neuen Projekten genutzt werden, und man erreicht damit, dass die Projektleiter an einer fairen Projektabwicklung interessiert sind. Ferner können der bestehende Kontakt und das entwickelte Vertrauensverhältnis bei Folgeaufträgen sehr vorteilhaft sein, einerseits bei der Akquisition und anderseits bei der Abwicklung. Der Projektleiter ist somit für eine erfolgreiche Projektabwicklung und die Beschaffung von Aufträgen unternehmerisch verantwortlich. Allgemeine oder kundenspezifische Aktivitäten wie Events, Corporate Identity etc. werden durch eine Marketingstabsstelle oder -abteilung koordiniert. Die modernste Form der passiven Akquisition sind E-CommercePlattformen. Professionelle Bauherren, General- und Totalunternehmer veröffentlichen ihre meist auf Leistungsverzeichnissen beruhenden Ausschreibungen heute häufig mittels E-Commerce-Plattformen. Dadurch können sie eine hohe überregionale Markttransparenz, besonders in Bezug auf Kosten, gewinnen. E-Commerce-Plattformen sind ein internetbasierter Ausschreibungsservice, zu dessen Leistungsangebot die Vorselektion der Ausschreibungen gemäss den Vorgaben des Bauunternehmens, direkt ab-
9.3 Arten der Ausschreibung, Projektabwicklungs- und Wettbewerbsformen 559
rufbare Leistungsverzeichnisse, elektronische Angebotseingaben sowie die Auswertung der Angebote für den Auftraggeber durch das E-CommerceUnternehmen gehören.
9.3 Arten der Ausschreibung, Projektabwicklungs- und Wettbewerbsformen Die Ausschreibung dient dem Bauherrn dazu, für einzelne Bauleistungen oder das gesamte Bauwerk Angebote von entsprechend qualifizierten Unternehmen einzuholen und im Wettbewerb möglichst den kostengünstigsten und leistungsfähigsten Unternehmer auszuwählen. Wie bereits erläutert, findet die Ausschreibung eines Bauprojekts durch den Bauherrn nach der Konkretisierung seiner Zielvorstellungen statt. Dies kann auf unterschiedlichem Detaillierungsniveau erfolgen [9-11]: x Totalunternehmervergabe: nach der Konzept- bzw. Vorplanungsphase auf der Basis von Funktionalausschreibung und ersten Vorprojektplänen und Raumbüchern x Einzelleistungsträger- und Generalleistungsträgervergabe: nach der Projektierungsphase auf der Basis von Genehmigungsplänen, Massenermittlung, Rahmenterminplan, Leistungsverzeichnis mit allgemeinen und speziellen Bedingungen und Vertragsunterlagen Bei der Totalunternehmervergabe wird die Planungs- und Bauleistung auf der Basis funktionaler Beschreibung und Vorentwurfsplänen ausgeschrieben. Im Regelfall sollte bei der Totalunternehmervergabe die Vor- bzw. Genehmigungsplanung abgeschlossen sein, damit der Unternehmer ein weitgehend spekulationsfreies Leistungsversprechen abgeben kann. Aufgrund der Funktionalbeschreibung und der Vorplanung erfolgt die Vergabe meistens auf der Basis eines Pauschalpreises und fester Zwischen- und Endtermine oder eines garantierten Maximalpreises (GMP) mit Budgets für die einzelnen Gewerke und einer Value-Sharing-Vereinbarung für den Fall der offenen Vergabe unterhalb der Budgets. Da Totalunternehmerleistungen im Regelfall zu einem Zeitpunkt vergeben werden, da aufgrund der oft parallel verlaufenden Vermietungs- und Verkaufsaktivitäten des Bauherrn bzw. Projektentwicklers noch nicht alle Nutzungsanforderungen detailliert wurden, ist es ratsam, dass der Bauherr für mögliche Änderungen Alternativpositionen vorsieht, die zu Pauschalpreisen einfliessen können. Daraus folgt eine weitgehende Kostensicherheit für Bauherr und Unternehmer; Nachträge (Zusatz- oder Mehrforderungen des Unternehmers) werden verhindert. Der Bauherr kann bei der Vermarktung seines Projekts
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
(Verkauf, Vermietung) – die meist noch während der Ausführungsphase läuft – die daraus resultierenden Anforderungen der Nutzer ausreichend berücksichtigen und doch seine Rendite im Voraus sicherstellen. Der Vorteil dieser Vergabeform besteht ferner darin, dass der Bauherr weitgehend von detaillierten Kontroll- und Aufsichtsaufgaben entlastet wird; insbesondere vereinfacht sich auch die Kontrolle der Rechnungsstellung, die nicht nach detailliertem Aufmass erfolgt, sondern im Regelfall nach fertig gestellten Bauabschnitten. Der Pauschalpreis wird nur bei Änderungen der funktionalen Anforderungen und der Planung, die dem Totalunternehmervertrag zugrunde liegen, angepasst. Die Totalunternehmervergabe befreit den Bauherrn weitgehend vom Koordinations- und Schnittstellenmanagement. Ferner werden die Abrechnungs- und Erfolgskontrolle wesentlich vereinfacht. Durch die Pauschalpreisregelung werden die Investitionskosten im Normalfall eingehalten. Bei dieser Vergabeform können Projekte in einem Fast-Track-Prozess [9-6], [9-7] abgewickelt werden, da zumindest die Werkplanung und die Bauausführung in einer Hand liegen (Bild 277).
E+M
Bauleistung
Planung
Aktivität %
6 -12 Monate
24 - 48 Monate
Inbetriebnahme
Normale Projektabwicklung 100
Zeit
3 - 6 Monate 6 -12 Monate
Inbetriebnahme
E+M
Planung
Aktivität %
Bauleistung
Fast Track Projektabwicklung 100
Zeitgewinn Zeit 24 - 48 Monate
Bild 277: Zeitliche Varianten der Projektabwicklung [9-6]
Totalunternehmervergaben bieten Differenzierungspotenzial, da die Unternehmen Gesamtleistungen aus einer Hand anbieten können. Aus ergebnisorientierter Bauherrensicht kann dies als Sachleistung mit sehr hohem Dienstleistungsanteil betrachtet werden. Für die Unternehmen ergeben sich
9.3 Arten der Ausschreibung, Projektabwicklungs- und Wettbewerbsformen 561
neue qualitative und quantitative Wettbewerbspotenziale im Rahmen des Dienstleistungsanteils solcher Generalleistungen, da sie sich von den Mitbewerbern differenzieren können. Die General- und Einzelleistungsträgervergabe wird angwendet, wenn die Anforderungen des Bauherrn in Genehmigungs- und Ausführungspläne umgesetzt wurden und daraus für die Leistungsverzeichnisse eine detaillierte Massenermittlung durch die planenden Ingenieure und Architekten erfolgte. Aufgrund der detaillierten Massenermittlung und der Qualitätsbeschreibung der Leistungspositionen wird dann die Ausschreibung und Vergabe der Leistungen an Einzelleistungsträger vorgenommen. Die Ausschreibung erfolgt im Regelfall nach Gewerken, z.B. an Erdbau-, Rohbau-, Ausbau- und technische Gewerkeunternehmen. Die Leistungsverzeichnisse mit den entsprechenden Einzelleistungspositionen werden auf der Basis von standardisierten Leistungsverzeichnissen erstellt. Dies hat den grossen Vorteil, dass die Leistungsbeschreibungen einzelner Positionen nicht jedes Mal neu erfunden werden müssen, sondern mit den entsprechenden Qualitätsanforderungen, die zur eindeutigen Leistungsbestimmung erforderlich sind, übernommen werden können. Durch diese Art der Ausschreibung wird die Vergleichbarkeit der Angebote der Unternehmer wesentlich vereinfacht. Der Unternehmer gibt die Einheitspreise für die Teilleistungen im Leistungsverzeichnis des Auftraggebers an. Die Einheitspreise der Teilleistungen enthalten, neben den direkt zurechenbaren Kosten, auch Anteile für die Gemeinkosten der Baustelle und des Unternehmens sowie Wagnis und Gewinn. Bei Generalunternehmervergaben werden meist Pauschalpreise vereinbart. Der Bauherr erhält durch diese Vergabeform die Flexibilität, während der Bauphase mögliche Planungsänderungen durchzuführen, soweit die Baumassnahme in den betroffenen Bereichen noch nicht begonnen wurde. Preisänderungsforderungen des Unternehmers können nur entstehen, wenn bestimmte Massenabweichungen unter- oder überschritten, Zusatzanforderungen gestellt oder Zusatzleistungen verlangt werden, oder wenn durch Änderungen der Bauablauf des Unternehmers gestört wird. Die Nachteile dieser Vergabeform bestehen darin, dass der Bauherr bzw. sein Vertreter alle Koordinations- und Schnittstellenaufgaben selbst übernehmen muss und dass der endgültige Preis erst nach der detaillierten Abrechnung gemäss Leistungsverzeichnis am Ende der Bauzeit feststeht. Für den Bauunternehmer führt diese Vergabeform zum reinen Preiswettbewerb. Andere Differenzierungsmerkmale, die ihn z.B. in Bezug auf den Kundennutzen von den Wettbewerbern unterscheiden würden, kommen im Regelfall nicht zum Tragen. Da die Ausführungsplanung weitgehend abge-
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
schlossen ist, kann der Unternehmer meist auch keine weiteren Optimierungen für den Bauherrn in das Projekt einbringen. Eine weitere Variante der Projektabwicklung ist die Ausschreibung nach abgerechnetem Aufwand. Sie wird meist bei Leistungen angewendet, die vor der Bauausführung nicht eindeutig beschrieben werden können, z.B. Umbauten oder Instandsetzungen. In der Regel wird ein Leistungsverzeichnis erstellt, das einerseits nur ungefähre Massen und andererseits noch nicht alle notwendigen Leistungen enthält, da diese erst während der Bauausführung im vollem Umfang erkennbar werden. Die Leistungen werden dann meist nach folgenden Aufwandskategorien ausgeschrieben: x Lohnstundenkosten für verschiedene Kategorien von Arbeitskräften x Materialkosten frei Baustelle, z.B. m3 Mauerwerk, m3 Beton x laufende Kosten der Baustelleneinrichtung und Grossgeräte einschliesslich der Verbrauchskosten pro Tag oder Monat x Kosten für Transport und Auf- und Abbau der Baustelleneinrichtung sowie der Grossgeräte Meist werden die allgemeinen Geschäftskosten prozentual auf die Lohnund Materialkosten aufgeschlagen; die Kosten für Kleingeräte, HandWerkzeuge, Arbeitsbühnen und Kleingerüste werden üblicherweise in den Lohnkosten berücksichtigt. Diese Projektabwicklungsform hat für den Bauherrn folgende Nachteile: x Die Kosten stehen, trotz Grobleistungsverzeichnis, erst am Ende der Bauzeit fest. x Die Abrechnung ist sehr aufwändig, weil jeder Stunden- und Materialrapport zusammengefasst, ausgewertet und geprüft werden muss. x Der Unternehmer hat nur einen geringen Anreiz, die Kosten gering zu halten. x Leistungsdemotivation der Mitarbeiter und Missmanagement der Bauunternehmen wie z.B. zu späte Materiallieferungen oder nicht adäquate Werkzeuge gehen kostenmässig zu Lasten des Auftraggebers. Freie Vergabe- bzw. Verhandlungsverfahren werden angewendet, wenn die Bauleistungen nicht so eindeutig und erschöpfend beschrieben werden können, dass eine einwandfreie Preisermittlung der Gesamt- oder Teilleistungen möglich wäre. Abgerechnet wird nach nachgewiesenem Aufwand und den Selbstkosten des Unternehmens für Personal, Geräte, Material und Aufsicht; hinzu kommt ein auszuhandelnder Zuschlag für Gewinn und allgemeine Geschäftskosten. Um die Vergleichbarkeit der Angebote zu gewährleisten, werden einheitliche Ausschreibungsunterlagen aus Text und Plänen formuliert, die
9.3 Arten der Ausschreibung, Projektabwicklungs- und Wettbewerbsformen 563
die Grundlage der Angebotsbearbeitung darstellen und den Bietern zur Verfügung gestellt werden. In der Ausschreibung sollte der Auftraggeber die Bauleistungen so eindeutig und informativ beschreiben, dass die Bieter sie ohne umfangreiche Vorarbeiten eindeutig und ohne spekulative Aspekte kalkulieren können. Der Bauherr hat folgende Möglichkeiten, sein Projekt auszuschreiben: x die öffentliche Ausschreibung x die beschränkte Ausschreibung x die freihändige Vergabe Eine öffentliche Ausschreibung wird in Ausschreibungsanzeigern und Zeitungen publiziert und ist so jedem Unternehmen zugänglich. Wenn keine weiteren Vorgaben bezüglich Präqualifikation und Leistungsfähigkeit gemacht werden, darf jedes Unternehmen ein Angebot abgeben. Öffentliche Auftraggeber müssen in der Regel diese Ausschreibungsform anwenden. Das Vergabeverfahren erfolgt dann nach Vergabeverordnungen, die den Vergabeprozess vorschreiben. Die beschränkte Ausschreibung wird im Regelfall bei kleineren oder bei sehr komplexen Projekten, die nur von Spezialunternehmen ausgeführt werden können, angwendet. Private Bauherren nutzen diese Art der Ausschreibung auch, um gezielt Unternehmen aufzufordern, die entsprechende Qualifikationskriterien bezüglich Grösse, Kapazität, finanzieller Bonität und Erfahrungen erfüllen. Diese selektive Vorgehensweise erspart dem Bauherrn wesentliche Kosten bei der Auswertung der Angebote und der Auswahl der Unternehmer, da nur Angebote von Unternehmen verglichen werden, die einen vergleichbaren Leistungsstandard für die beabsichtigte Projektabwicklung aufweisen. Bei öffentlichen Bauherren wird die beschränkte Ausschreibung im Regelfall nur im Rahmen einer Präqualifikation durchgeführt. Dabei werden die Anbieter hinsichtlich ihrer technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit nach Qualifikations- und Qualitätsstandards selektiert, die die erfolgreiche Realisierung ihres Leistungsversprechens mit hoher Wahrscheinlichkeit sicherstellen. Die Präqualifikation erfolgt meist nur bei Grossprojekten, die mit relativ hohen Risiken verbunden sind. Nach dieser Selektion erfolgt dann die beschränkte Ausschreibung. Die freihändige Vergabe als dritte Form der Ausschreibung kann ohne Wettbewerb durchgeführt werden; das Verfahren ist beliebig und formfrei. Diese Vergabeart wird angewendet, wenn aus Gründen des Patentschutzes oder der Leistungsfähigkeit nur ein Unternehmer in Frage kommt, wenn die Leistung nach Art und Umfang vor der Vergabe nicht eindeutig und erschöpfend festgelegt werden kann, wenn eine kleine Leistung von einer
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
vergebenen grösseren Leistung nicht getrennt werden kann, wenn die Leistung besonders dringlich ist, oder wenn der wirtschaftliche Aufwand für eine Ausschreibung nicht gerechtfertigt wäre.
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen 9.4.1 Auswahlkriterien für Ausschreibungen Die Erstellung eines Angebots kann in Abhängigkeit von der Projektgrösse einen erheblichen Umfang annehmen. Die Bearbeitung bindet Ressourcen (Task Force) und verursacht, je nach Projekt, erhebliche Kosten, die von den anbietenden Unternehmen getragen werden müssen und einen erheblichen Teil der allgemeinen Geschäftskosten bilden. Es muss also das Ziel eines jeden Unternehmens sein, die Erfolgsquote, d.h. das Verhältnis der Zahl der Aufträge zur Zahl der Angebote, ständig zu erhöhen und dadurch die allgemeinen Geschäftskosten zu reduzieren. Zur Sicherstellung der Chancen für die Auftragserteilung muss jedes Unternehmen Projektauswahlkriterien z.B. wie folgt definieren [9-11]: x x x x x x x x
Kundenbeziehung Konkurrenzsituation eigene Leistungsfähigkeit eigene Auslastung, Ressourcenverfügbarkeit eigene Wertschöpfung Aufwand für die Angebotsbearbeitung Risiken Ertragspotenzial
Insbesondere eine risikoorientierte Projektauswahl und -bearbeitung [9-2] erhöht die unternehmerischen Erfolgsaussichten, da ein Unternehmen dann auch risikoreichere Projekte anbieten und durchführen kann, ohne unerwartet Risiken gegenüberzustehen. Risiken sollten auch als zum Gewinn korrespondierende Grössen betrachtet werden; Projekte mit hohen Risiken haben oft auch ein hohes Gewinnpotenzial und umgekehrt. Vorteile haben Unternehmen, die Risiken systematisch identifizieren, analysieren und schliesslich minimieren; daher kommt Risikobetrachtungen in der Angebotsphase eine ganz entscheidende Bedeutung zu. Eine risikoorientierte Selektion der Ausschreibungen ist unabdingbar, um als Unternehmer längerfristig erfolgreich zu sein. Prinzipiell kann zwischen der qualitativen und der quantitativen Risikobeurteilung unterschieden werden. Bei der
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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Ersteren geht es um das systematische Herausarbeiten von Wirkungszusammenhängen. Zweck der quantitativen Methode ist es hingegen, Risiken in technischer, terminlicher und kostenmässiger Hinsicht zu bewerten, also beispielsweise Schadenswahrscheinlichkeiten und -höhen zu bestimmen. In der Regel werden Risikostrukturen zunächst mit qualitativen Methoden transparent gemacht und im Anschluss daran quantifiziert. Es ist kostengünstiger und erfolgserhöhender, wenige gezielt selektierte Ausschreibungen umfassend zu bearbeiten anstatt viele nur oberflächlich. 9.4.2 Projektselektion nach Art, Grösse, Region und Referenzen Jedes Unternehmen wird seine Ausschreibungen in dem gewählten spezifischen Marktsegment akquirieren. Die daraus folgenden Selektionskriterien sind somit Projektart, Projektgrösse und die Region, in der das Projekt erstellt werden soll. Potenzielle Aufträge sollten mit dem firmeneigenen Leistungsspektrum abgewickelt werden können. Dazu zählen nicht nur die Eigenleistungen des Unternehmens, sondern auch Subunternehmerleistungen und Leistungen, die von Kooperationspartnern, z.B. im Rahmen von Generalunternehmeraufträgen oder in Arbeitsgemeinschaften, erbracht werden. Ist ein erweitertes Leistungsspektrum erforderlich, d.h. unternehmensfremde Leistungen oder Kapazitätserweiterungen in Bezug auf eigene Ressourcen (Kapital, Personal, Geräte, Know-how), so ist zu prüfen, in welcher Form diese realisiert werden können. Hier bietet sich die Bildung von Arbeitsgemeinschaften oder Allianzen mit geeigneten Unternehmen an. Dadurch lassen sich Anbieterkräfte und Kernkompetenzen bündeln und Synergieeffekte erzielen. Ein weiteres Kriterium zur Auswahl von Ausschreibungen zur Angebotsbearbeitung ist die Projektgrösse. Die Grösse eines Projekts bestimmt naturgemäss den unternehmensinternen Ressourcenbedarf. Die Ressourcen müssen sowohl für die Angebotsbearbeitung als auch für die spätere Abwicklung zur Verfügung stehen. Die Auswahl potenzieller Projekte nach ihrer Grösse wird einerseits nach oberen und andererseits nach unteren Grenzen durchgeführt. Projekte mit geringem Auftragsvolumen haben z.B. bei grossen Unternehmen einen sehr hohen Allgemeinkostenanteil. Dies erweist sich im Wettbewerb mit kleinen Unternehmen als nachteilig, da deren Allgemeinkostenanteil geringer ist. Daher legen die Unternehmen, je nach Konkurrenzlage, für die einzelnen Marktbereiche eine untere Grenze für das Auftragsvolumen fest. Die obere Grenze des Auftragsvolumens für ein einzelnes Projekt ergibt sich einerseits aus der finanziellen und andererseits aus der technischen und personellen Kapazität der Unternehmen.
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
In Bezug auf die finanzielle Kapazität ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Jahresumsatz des Unternehmens und des Einzelprojekts sowie den erforderlichen Garantie- und Bürgschaftsleistungen zu achten. Für eine erfolgreiche Angebotsgestaltung muss ferner sichergestellt werden, dass bereits während der Angebotsbearbeitung im Unternehmen ausreichende qualitative und quantitative personelle Kompetenz vorhanden ist. Weiter muss festgestellt werden, ob im Fall der Beauftragung während der Bauausführung genügend Management- und Fachpersonal zur Verfügung steht. Neben der Personalfrage ist zu prüfen, ob ausreichende Ressourcen in Bezug auf Geräte und Bauhilfsstoffe vorhanden sind bzw. ob diese in entsprechender Qualität am Markt beschafft werden können. Auch die Region, in der das Projekt erstellt wird, ist ein Kriterium zur Auswahl von Ausschreibungen; insbesondere ist die Entfernung des Bauorts vom Unternehmensstandort entscheidend. So muss die Frage geklärt werden, inwieweit sich ein wettbewerbsfähiges Angebot realisieren lässt, wenn das Bauvorhaben ausserhalb des logistischen Operationskreises des Unternehmens liegt, da die Transportkosten und die Personalzusatzkosten (längere Fahrzeit, Übernachtungskosten etc.) steigen. Bei Projekten, die ausserhalb des üblichen regionalen Wirkungskreises liegen, ist auch zu prüfen, inwieweit lokale Besonderheiten berücksichtigt werden müssen (Gesetze, Normen, Vorschriften, Kontaktnetzwerk). Wenn die Aussichten, ein Projekt ausserhalb des üblichen Operationskreises zu akquirieren, sehr hoch sind, ist es oft vorteilhaft, lokal ansässige Unternehmen, die im örtlichen „Netzwerk“ integriert sind, schon während der Angebotsbearbeitung im Rahmen einer ARGE einzubinden. Dies ermöglicht es, insbesondere bei Auslandsprojekten, bereits in der Angebotsphase die richtigen lokalen Preise zu ermitteln, Ressourcen für den Fall einer Beauftragung zu binden und so die Erfolgsaussichten für eine Beauftragung wesentlich zu erhöhen. Ein weiteres Auswahlkriterium ist die Erwägung, ob ein Projekt dem Unternehmen als Referenzobjekt für die zukünftige Kundenakquisition dienen könnte. Ausgangspunkt für die Wahl von Referenzobjekten sind strategische Unternehmensüberlegungen; die Auswahl solcher Projekte kann nach folgenden Kriterien erfolgen: x Projekte, die zum Einstieg in einen neuen Marktbereich dienen x Projekte, die aufgrund des zur Umsetzung erforderlichen hohen technischen und Management-Know-hows als besonderer Leistungsausweis für das Unternehmen dienen x Projekte, die aufgrund ihres Bekanntheitsgrads besonderes öffentliches Interesse hervorrufen, daher automatisch in den Medien publiziert werden und somit symbiotisch als Werbeträger genutzt werden können
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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9.4.3 Risikoorientierte Selektion von Ausschreibungen Bauherrenanalyse
Die meisten Bauunternehmen untergliedern die Auftraggeber (Bauherren) nach Marketingüberlegungen (s. Kapitel 3, Marketing von Bauleistungen). Die Unterteilung erfolgt in professionelle Bauherren und Einmalbauherren; innerhalb dieser Untergliederung wird zwischen privaten und öffentlichen Auftraggebern unterschieden. Bei professionellen Bauherren können die Unternehmen aufgrund eigener Erfahrungen oder ihrer Branchenkenntnis das Auftraggeberverhalten häufig im Voraus evaluieren. Bei Einmalbauherren ist dies in der Regel wesentlich schwieriger, insbesondere, wenn es sich um private Bauherren handelt. Die risikoorientierte Selektion von Ausschreibungen erfolgt meist nach folgenden Hauptkriterien: x x x x x
Zahlungs- und Kreditfähigkeit Partneringverhalten während der Bauausführung Handhabung von Streitfällen und Gewährleistungsproblemen Potenzial für zukünftige Bauaufgaben (z.B. Wachstumsbranche) Marketingpartizipation am Image des Bauherrn
Öffentliche Bauherren, ob professionelle oder Einmalbauherren, müssen im Regelfall ihre Bauaufträge im Wettbewerbsverfahren ausschreiben. Im Fall einer öffentlichen Ausschreibung, bei der Qualitäts- und Qualifikationskriterien keine Rolle spielen, nehmen möglicherweise sehr heterogene Unternehmen an der Ausschreibung teil. Das kann dazu führen, dass ein Unternehmen mit Spezialfähigkeiten und -kompetenzen, die aber z.B. bei diesem Projekt nicht direkt nachgefragt werden, aufgrund seiner höheren allgemeinen Geschäftskosten anderen „Billigunternehmen“ unterlegen ist. Andererseits sind öffentliche Auftraggeber oft eine wichtige Quelle für Aufträge, da sie wegen ihrer Nachfragestärke meist zu den Schlüsselkunden einer Region gehören. Aus taktischen Gründen muss ein Unternehmen oft an solchen Ausschreibungen teilnehmen, um zur Preisbildung des Auftraggebers beizutragen. Dies kann auch als Serviceleistung betrachtet werden, wenn das Unternehmen sich dadurch in spezifischen Projektarten eine Position als „Quasi-Partner“ erwirbt, die sich bei anderen Projektarten dann vorteilhaft auswirkt. Bei öffentlichen Bauherren, die regelmässig Bauleistungen nachfragen, ist es wichtig, dass die Bauunternehmen z.B. im Rahmen des Key Account Managements enge Beziehungen zu den Schlüsselpersonen aufbauen, um frühzeitig legale Informationen über Projekte zu erhalten, z.B. auch über die Planungsbüros.
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Private Bauherren sind in der Wahl des Wettbewerbsverfahrens für ihre Ausschreibungen frei. Professionelle Bauherren spielen hier für die Bauunternehmen eine besondere Rolle, da sie aufgrund ihrer komplexen Firmenstruktur, ihrer Marktposition und ihres Wachstums in regelmässigen Abständen Bauleistungen nachfragen. Besonders bei dieser Bauherrengruppe ist es sinnvoll, im Rahmen des Key Account Managements enge Beziehungen aufzubauen. Dadurch erhält das Unternehmen nicht nur frühzeitig Kenntnis von Projekten bzw. kann diese beeinflussen, sondern es erhält auch ein Bauherrenprofil, um die oben angeführten Kriterien hinsichtlich Zahlungsfähigkeit, Streitverhalten und Partnering für eine risikoorientierte Projektauswahl zu nutzen. Bei der Ausschreibungsauswahl ist die Bonität eines Bauherrn frühzeitig zu prüfen. Den üblichen Finanzauskünften können Informationen über den Bauherrn, sein Vermögen und seine Einkünfte entnommen werden. Sofern es sich um ein Unternehmen handelt, sind zusätzlich Informationen zu Geschäftsform, Gründungsjahr, Besitz, Verbindlichkeiten, Organisation und Zahlungsmoral ersichtlich. Von besonderer Bedeutung ist es, in Erfahrung zu bringen, ob der ausschreibende Kunde besondere Beziehungen zu potenziellen Mitbewerbern unterhält bzw. ob er in der Vergangenheit vorzugsweise mit bestimmten Konkurrenten gebaut hat. Es ist auch wichtig zu wissen, wer die Aufgabe des Projektsteuerers, Projektmanagers, Bauleiters, Construction Managers und/oder Architekten übernommen hat. Diese Berater des Bauherrn haben oft entscheidenden Einfluss darauf, wie die Angebote der verschiedenen Unternehmen bewertet werden und welche Empfehlungen der Bauherr für die Vergabe erhält. Hier spielt bei der Entscheidung für oder gegen eine Angebotsbearbeitung die positive oder negative Erfahrung mit solchen Partnern in der Vergangenheit eine grosse Rolle. Das anbietende Unternehmen sollte auch versuchen herauszufinden, ob der Bauherr besondere Vorlieben hat oder auch aus Imagegründen besonderen Wert auf Qualität oder Umweltmanagement legt. Solche Informationen sollten bei der Bearbeitung eines Angebots berücksichtigt werden, um sich als Unternehmen von den Wettbewerbern qualitativ abzuheben. Ferner ist zu prüfen, ob der Bauherr zusätzliche Anforderungen stellt, die nicht jedes anbietende Unternehmen erfüllen kann und die, neben dem Preis, als weitere Kriterien für die Vergabe genutzt werden können. Dies erhöht im Allgemeinen die Erfolgsaussichten einer Angebotsbearbeitung. Mitbewerberanalyse
Neben der Bauherrenanalyse spielt die Mitbewerberanalyse eine entscheidende Rolle, ob eine Ausschreibung bearbeitet wird. Es ist daher sehr
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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wichtig, potenzielle Mitbewerber möglichst bereits im Vorfeld der Ausschreibung zu identifizieren; am einfachsten ist dies bei Ausschreibung mit Präqualifikation zu bewerkstelligen. Manche Unternehmen nutzen auch nicht ganz legitime Wege, z.B. über Kontakte zu Projektsteuerern oder Architekten, um Informationen darüber zu bekommen, welcher Mitbewerber die Ausschreibungsunterlagen erhalten hat. Sofern die Mitbewerber bekannt sind, sollten sie auf ihre Kapazität, ihr Leistungsvermögen und ihr Preisniveau hin analysiert werden. Liegt ihr Preisniveau bei vergleichbarer Kapazität und Leistungsfähigkeit im Allgemeinen niedriger, z.B. durch Einsatz von „billigen“ Subunternehmern oder aufgrund eines besonders hohen Mechanisierungsgrads, so ist es in der Regel nicht erfolgversprechend, ein Angebot einzureichen; es wäre daher besser, die relativ hohen Kosten der Angebotsbearbeitung zu sparen. In speziellen Fällen ist es möglich, solche Mitbewerber durch eine AngebotsARGE zu binden. Dies ist – z. B. aufgrund der zu erbringenden Garantien oder der eigenen freien Kapazitäten – besonders dann sinnvoll, wenn das Projekt eine bestimmte Grössenordnung aufweist oder das Grenzvolumen in Bezug auf den eigenen Jahresumsatz überschritten wird. Eine AngebotsARGE ist auch zu empfehlen, wenn die Einbindung eines Mitbewerbers im Vorfeld der Angebotsbearbeitung unterschiedliche Kompetenzbereiche abdeckt (z.B. führt der Mitbewerber Mauerwerksarbeiten, das eigene Unternehmen Spezialtiefbau- und Spannbetonarbeiten durch). Hat ein Mitbewerber ein ausgesprochen partnerschaftliches Verhältnis zum Bauherrn, ist zu prüfen, ob bei unerheblichen Unterschieden im Angebotspreis die Entscheidung ohnehin zugunsten des Mitbewerbers ausfallen würde und somit eine Angebotsabgabe zu überdenken wäre. Vertragsanalyse
Ein Bauvertrag ist ein entgeltlicher und zweiseitiger Vertrag. Der Auftragnehmer gibt ein Leistungsversprechen ab und verpflichtet sich, eine Bauleistung zu erbringen; der Auftraggeber verpflichtet sich, die Leistung zu vergüten. Der Vertrag kommt zustande, wenn der Auftraggeber das Angebot des Auftragnehmers annimmt; die gemeinsame Grundlage ist dabei die Ausschreibung. Auch wenn gesetzlich keine Schriftform verlangt wird, ist sie bei Bauverträgen die Regel. In den verschiedenen Ländern wurden verschiedene Regelwerke für die Gestaltung von Werkverträgen geschaffen. Meistens dienen die folgenden Regelwerke als Grundlage für Werkverträge:
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
x Schweiz: SIA 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) [9-18] x Deutschland: VOB Teil A, B, C (Verdingungsordnung für Bauleistungen) [9-19] x International: FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils) Conditions of Contract for Works of Civil Engineering Construction (red) [9-4]; EPC Engineering Procurement Contract for Turnkey Projects (silver) [9-3] etc. x England: ICE (Institution of Civil Engineers): The New Engineering Contract [9-13] Die Zielsetzung solcher Regelwerke ist es, den Besonderheiten eines Werkvertrags im Bauwesen gerecht zu werden; dabei steht eine möglichst ausgewogene Risikoverteilung zwischen Auftraggeber (Leistungsziel) und Auftragnehmer (Leistungspotenzial) im Vordergrund. Ferner nehmen die Regelwerke auf die Besonderheit Rücksicht, dass es sich bei solchen Werkverträgen von der Auftragnehmerseite, also den Unternehmen, um ein Leistungsversprechen handelt, denn die Beauftragung zur Erstellung eines Bauwerks basiert im Wesentlichen auf immateriellen Vorstellungen, die z.B. in Plänen und Funktional- und Leistungsbeschreibungen wiedergegeben sind, die dann während des Leistungserstellungsprozesses in eine konkrete Sachleistung (Leistungsergebnis) umgesetzt werden müssen. Die Funktionalität und Qualität eines solchen Leistungsversprechens wird erst am Ende des Ausführungsprozesses sichtbar. Die Regelwerke werden als Grundlage für die Gestaltung des konkreten Vertragswerks für ein Projekt genommen. Die Aufgabe des Unternehmers besteht bei der Prüfung der individuellen Ausschreibung darin, die projektspezifischen Abweichungen von den Standardverträgen zu identifizieren und ihre Konsequenzen und vor allem Kosten aus risikoorientierter Sicht zu analysieren. Grundsätzlich kann man die Werkverträge anhand der Art der Beschreibung der zu erbringenden Leistung und deren Vergütung unterscheiden. Sie können als Totalunternehmervertrag, Generalunternehmervertrag, Einzelunternehmervertrag und Construction-Management-Vertrag mit garantiertem Maximalpreis (GMP) ausgeschrieben werden. In all diesen Fällen sollten folgende Punkte geregelt sein: x x x x
Art und Umfang der Leistung Ausschreibungsunterlagen und Rangordnung Einheitspreis, Globalpreis oder Pauschalpreis Ausmass und Vergütung (Preisänderungen bei langen Bauzeiten, Vergütung von Minder- oder Mehrmengen, Entwurfsänderungen, Stundenlohnarbeiten, Abrechnung etc.)
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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x x x x x x x x x x x x
Ausführungsunterlagen Ausführung sowie Qualität der Ausführung Regelung der Verantwortlichkeiten / Pflichten der Vertragspartner Haftung gegenüber Dritten Ausführungsfristen (Terminplanung, Meilensteine etc.) Konventionalstrafen Behinderungen und Unterbrechungen der Ausführung Verteilung der Gefahr Kündigungen durch den Auftraggeber oder Auftragnehmer Zahlungsmodalitäten Abnahmebedingungen Garantie und Gewährleistung (Dauer, Rückgabe von Bieter- und/oder Ausführungsgarantien etc.) x Streitigkeiten und Gerichtsstand Bei diesen und weiteren Punkten, die im Vertrag geregelt sind, muss geprüft werden, ob sie von den Standardregelungen abweichen und zu welchen Risiken die Abweichungen führen. Dabei ist im Besonderen auf die Haftung für Terminüberschreitungen in Bezug auf Konventionalstrafen und Folgeschäden zu achten. Die bauvertragliche Akzeptierung von Folgeschäden kann zu besonderen Risiken führen, da der Bauherr z.B. entgangenen Gewinn aus verspätetem Produktionsbeginn („too late to market“) geltend machen kann. Die Grössenordnungen sind oft im Angebotsstadium nicht abzusehen und folglich auch meist nicht bewertbar. Sie sollten daher auf eine definitiv festgesetzte Konventionalstrafe begrenzt werden; andernfalls sollte der Bauvertrag nicht eingegangen werden. Im Weiteren sind hervorzuheben: x die verlangte Garantiedauer x die Bedingungen für die Abnahme der Bauleistungen und die damit verbundene Begleichung der Schlussrechnung x die Rückgabe von Bieter- und/oder Ausführungsgarantien (bid bonds, performance bonds) Gewährleistungen, Garantien und Sicherheiten Im Bauwesen bezeichnet man als Gewährleistung (D) bzw. Mängelhaftung (CH) die Haftung des Unternehmers für Mängel aufgrund z.B. unsorgfältiger Arbeit, Verwendung untauglichen Materials oder eigenmächtigen Abweichens von Plänen und Vorschriften. Ein Mangel liegt vor, wenn eine zugesicherte oder gewöhnlich vorhandene Eigenschaft fehlt. Der Auftragnehmer ist im Rahmen der Mängelhaftung dazu verpflichtet, Ersatz- oder Reparaturleistungen vorzunehmen, wenn innerhalb einer bestimmten Frist
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herstellungsbedingte Schäden am Bauwerk entstehen. Der Vertrag ist vor Angebotsbearbeitung auf überzogene Forderungen zu prüfen. Überzogene Forderungen hinsichtlich der Gewährleistungszeiträume lassen sich dadurch erkennen, dass sie deutlich über den marktüblichen Zeiträumen liegen. Beispielsweise beträgt nach einer Richtlinie der Europäischen Union die Gewährleistungsfrist auf Gebrauchsgüter EU-weit mindestens zwei Jahre. Im Bauwesen ist zu unterscheiden, ob sich die Zeiträume auf unbewegliche, mechanische oder elektrische Objekte beziehen. Bei unbeweglichen Objekten sind Zeiträume von 2 bis 5 Jahren üblich (bei Dachabdichtungen bis zu 12 Jahren), bei mechanischen Objekten bis zu 2 Jahren und bei elektrischen Geräten oder Beleuchtungsmitteln zurzeit selten über 6 Monate. Heute verlangen Bauherren vermehrt Sicherheitsleistungen von den Unternehmen, damit ihr Bauwerk in der entsprechenden Zeit, Qualität und Funktionalität entstehen kann. Diese Sicherheitsleistungen, auch Garantien genannt, dienen dazu, die Erfüllung eines Werkvertrags abzusichern. Man unterscheidet dabei zwischen abstrakten und bedingten Garantien. Bei abstrakten Garantien kann der Bauherr die Zahlung der vereinbarten Summe ohne Einwendungen und Einreden des Bauunternehmers einfordern. Die Inanspruchnahme der Garantie ist also nicht an Bedingungen geknüpft oder von Begründungen abhängig, sondern die Bank muss die Zahlung unverzüglich leisten. Bedingte Garantien sind an bestimmte, im Voraus festgelegte Bedingungen geknüpft. Generell kann man sagen, dass für Garantien der Grundsatz „Zuerst Geld, dann der Prozess“ gilt. Folgende Garantieformen sind üblich: x Bietergarantie (bid bond) des Auftragnehmers: Der Bauherr verlangt vom Anbieter während der Angebotsphase eine besondere Sicherheit in Form eines festgesetzten Geldbetrags. Er schützt sich damit weitgehend davor, dass sich der Unternehmer während der Ausschreibungsphase und nach Einreichung des Angebots einfach zurückzieht. Der Betrag wird fällig, wenn der Anbieter ohne Berechtigung von seinem Angebot zurücktritt. x Erfüllungsgarantie (performance bond) des Auftragnehmers mit den beiden Formen Leistungsgarantie (Erfüllungsgarantie im engeren Sinn) und Gewährleistungsgarantie: Mit der Leistungsgarantie sichert sich der Auftraggeber gegen die Nichterfüllung oder unvollständige Erfüllung der Bauleistung ab; er kann in diesen Fällen die Garantien ziehen und andere Unternehmer mit der termingerechten Beendigung der Bauaufgabe betrauen. Die Gewährleistungsgarantie dient zur Absicherung der vertraglich vereinbarten Eigenschaften der Bauleistung.
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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x Vorauszahlungsgarantie (advance payment bond) des Auftragnehmers: Der Bauherr verlangt diese Garantie, wenn z.B. nach Fertigstellung der Baustelleneinrichtung ein Pauschalbetrag hierfür an den Unternehmer überwiesen wird, um die Vorfinanzierung zu reduzieren. Der Auftraggeber sichert sich damit für den Fall ab, dass das Bauunternehmen nach Erhalt einer relativ hohen Vorauszahlung nicht mit den Bauarbeiten beginnt. x Vertragserfüllungsgarantie (payment bond) des Auftraggebers: Diese Garantie sichert dem Bauunternehmer die Zahlung des vereinbarten Werkpreises zu den genannten Zwischen- und Endabrechnungsterminen nach Anerkennung der ausgeführten Leistungen. x Manche Bauherren verlangen von den Auftragnehmern eine Sicherheitsgarantie im Umfang der Vergabe von Subunternehmerleistungen, damit im Fall einer Zahlungsunfähigkeit des Hauptunternehmers die Nachunternehmerforderungen erfüllt werden können. Die Ausschreibung muss sorgfältig auf solche Garantien hin untersucht werden, da deren Kosten in den Angebotspreis eingerechnet werden müssen. Besonders hohe Risiken bergen abstrakte Garantien, die ein Bauherr ziehen kann, ohne dass er ein Verschulden des Unternehmers nachweisen muss. Für den Bauunternehmer ist es wichtig, bei Grossprojekten eine Vertragserfüllungsgarantie (payment bond) vom Bauherrn zu erhalten, um sich gegen den Fall einer Zahlungsunfähigkeit abzusichern. Die Stellung von Sicherheiten in Form von Garantien ist für den Unternehmer mit Kosten in der Grössenordnung von ca. 0.5 % p.a. des Garantiebetrags verbunden. Relevant für die Unternehmen ist auch, dass die von Kredit- oder Versicherungsinstituten verlangten Sicherheiten für Garantien den finanziellen Verfügungsrahmen (Kreditrahmen) eines Unternehmens einschränken. Daher sollte der Unternehmer bei Grossprojekten mit umfangreichen Leistungsgarantien darauf achten, dass diese mit dem Baufortschritt sukzessive reduziert werden, damit er für Folgeaufträge von den Banken wieder einen entsprechend grösseren Kreditrahmen für z.B. weitere Garantien in einem neuen Projekt erhält. Der Vertrag ist daraufhin zu prüfen, ob die verlangten Sicherheiten in den Finanzierungsrahmen des Unternehmens passen. Analyse der Zahlungsmodalitäten
Der Bauunternehmer geht bei der Erstellung von Bauwerken in der Regel in finanzielle Vorleistung, d.h., er erbringt die vertraglich vereinbarte Leis-
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tung und stellt daraufhin nach vertraglich vereinbarten Zeitabständen, z.B. monatlich, für die abrechenbare, erstellte Leistung eine prüfbare Rechnung an den Auftraggeber. Daraus ergibt sich eine Vorfinanzierungsdauer (Bild 278) aus der Summe der Produktionsdauer zur Erbringung der Leistung und der Zahlungsdauer, d.h. der Dauer von der Rechnungsstellung über die Rechnungsprüfung bis zum Zahlungseingang. Je nach Grösse des Projekts und den vereinbarten Zahlungsmodalitäten können die Belastungen aus der Vorfinanzierung den Cashflow eines Unternehmens also erheblich beeinflussen. Insbesondere, wenn die Baustelleneinrichtung nicht in einer gesonderten Position mit dem Bauherrn abgerechnet werden kann, sondern auf die einzelnen Ausführungspositionen der Teilleistungen eingerechnet werden musste, kann die Vorfinanzierung ein beträchtliches Volumen umfassen. Der Bauherr kann vertraglich entweder die Zwischenrechnungstermine oder die Leistungsziele für Zwischenrechnungen festlegen. So kann z.B. bei einem Werkvertrag mit Einzelleistungspositionen (z.B. m3 Mauerwerk, m3 Beton) vereinbart werden, diese nach Aufmass monatlich in Rechnung zu stellen, unabhängig davon, ob die Einzelleistungsposition als Gesamtes erfüllt ist. Bei GU- und TU-Verträgen, die auf einem Pauschalpreis beruhen, wird dagegen meist eine Abrechnung nach Leistungszielen vereinbart, z.B. Fertigstellung der Baugrube oder eines Stockwerks. Jedoch können auch GU- und TU-Leistungen z.B. nach aufgemessenen Einzelleistungspositionen monatlich abgerechnet werden.
Bild 278: Vorfinanzierungsbedarf einer Baustelle
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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Die mängelfreie Abnahme stellt üblicherweise den Zeitpunkt der Schlussrechnungsstellung dar. Damit verbunden ist normalerweise auch die Rückgabe der Erfüllungsgarantie im engeren Sinn (performance bond). Diese Aspekte verdeutlichen die Notwendigkeit, die Zahlungsmodalitäten und die daraus resultierenden Risiken zu regeln. Die Zahlungstermine einschliesslich der vereinbarten Prüfungsfristen sind bei der Angebotsbearbeitung genau zu kontrollieren. Auch können besondere Anforderungen an die Rechnungsstellung zeitaufwändig sein und den Zahlungseingang verzögern. Daher ist bei der Angebotserstellung ein projektspezifischer Cashflow zu erstellen, damit das Vorfinanzierungsvolumen (Integration der Fläche zwischen der Leistungserstellungskurve und der Kurve der erhaltenen Abschlagszahlungen, s. Bild 278) beurteilt und die erforderliche Finanzierung kostenmässig berücksichtigt werden kann. Ferner ist zu beachten, dass der Kreditspielraum des Unternehmens, z.B. für Investitionen, weiter eingeengt wird. Analyse der technischen Risiken
Technische Risiken umfassen ein sehr komplexes und umfangreiches Gebiet. Zu diesen Risiken gehören exemplarisch [9-8], [9-10]: x x x x x x x x x
Planungsrisiken Genehmigungsrisiken und Risiken aus behördlichen Auflagen Funktionalitätsrisiken technischer Installationen Baugrundrisiken Risiken aus Bauverfahren Risiken aus Baustoffen Massenrisiken Risiken aus vertraglichen Ausführungsvorgaben Arbeitssicherheitsrisiken
Technische Risiken können schon in der Konzeption des Bauwerks liegen. So muss sich der Anbieter speziell von der Baubarkeit aller Bauwerkskomponenten überzeugen. Wer Risiken aus Baugrund, Baugenehmigung oder anderen behördlichen Auflagen trägt, wird normalerweise in den Ausschreibungsunterlagen definiert. Der Projektleiter prüft diese Verantwortlichkeiten und berät gemeinsam mit der Unternehmensleitung, inwieweit die Risiken für das Unternehmen kostenmässig zu erfassen sind bzw. akzeptiert werden können. Der Totalunternehmer übernimmt aufgrund seines integralen Auftrags die Planungs- und Ausführungsrisiken. In den meisten Fällen wird der
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Bauherr ein Bauwerk nur als mängelfrei betrachten, wenn es in Qualität und Funktionalität die Anforderungen erfüllt, die er in seinem Leistungsziel definiert hat. Somit übernimmt der Totalunternehmer meist ein weitreichendes Risiko, das aber aufgrund der Einschränkung der spekulativen Aspekte zum Vorteil von Bauherr und Unternehmer phasenbezogen eingegrenzt werden sollte. Bei Generalunternehmeraufträgen wird oft verlangt, dass der GU die Verantwortung für die Richtigkeit der bis zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe vorliegenden Planung übernimmt. Dies ist im Regelfall ein inakzeptabler Risikotransfer, da dem Generalunternehmer oft die Zielsetzung und die Entscheidungsgrundlage fehlen, die dem Planungsprozess vorausgegangen sind. Daher sollten Generalunternehmer, aber auch Einzelleistungsträger, die mit einem solchen Risikotransfer konfrontiert werden, dieses Ansinnen ablehnen. General- und Totalunternehmerausschreibungen umfassen verschiedene Gewerke. Daher ist es unabdingbar, dass für die technische Beurteilung dieser Vielzahl von Gewerken qualifiziertes Management- oder Fachpersonal zur Verfügung steht. Die kosten- und zeitmässige Beurteilung der Fremdgewerke muss durch sorgfältig selektierte Subunternehmer erfolgen. Das eigene Fachpersonal muss jedoch in der Lage sein, die Subunternehmerangebote hinsichtlich der technischen, qualitäts- und kostenmässigen Solidität zu prüfen. Die Aufgabe des Angebotsprojektleiters ist somit, die Zusammenarbeit der externen Spezialisten zu organisieren und die Angebote in Bezug auf Marktpreis und Realisierbarkeit zu überprüfen. Nicht selten verlangen Auftraggeber von Einzelleistungs- oder Generalleistungsträgern, das Baugrundrisiko zu übernehmen. In Ausschreibungsunterlagen ist oft zu lesen, dass das geologische Gutachten und die darin enthaltene bautechnische Interpretation des Baugrunds nur indikativen Charakter haben und der Auftragnehmer die Richtigkeit der Interpretation und der daraus abgeleiteten Gründung verantwortlich übernehmen muss. Der Bauherr versucht hier, eine vertraglich eindeutige Risikozuordnung vom geologischen Sachverständigen auf den Unternehmer zu übertragen, da der geologische Sachverständige aufgrund seiner finanziellen Bonität im Normalfall nicht in der Lage ist, im Fall eines Haftungsanspruchs die Folgekosten einer fehlerhaft interpretierten Geologie zu tragen, z.B. für höhere Ausbruchklassen im Tunnelbau oder längere Pfähle bei einer Pfahlgründung. Auch dies ist in der Regel ein inakzeptabler Risikotransfer für traditionelle Einzel- und Generalleistungsanbieter, da der Baugrund im Eigentum des Bauherrn und nicht des Unternehmers steht. Zudem hat der Bauunternehmer während der Angebotsbearbeitung meist keine ausreichenden Möglichkeiten, den Baugrund zu sondieren und die Ergebnisse auszuwerten und zu interpretieren. In solchen Fällen müssen die Unternehmen überlegen, wie sie im Rahmen der Angebotsbearbeitung bzw. bei
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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der Abgabe des Angebots Vorbehalte formulieren, um diese Risiken auszuschliessen. In die Verantwortung des Unternehmers fällt jedoch die fachgerechte Behandlung des Baugrunds während der Bauausführung. Als Grundlage dazu dienen die vom Bauherrn vorgelegten geologischen Untersuchungen und Interpretationen des Baugrunds. Im Rahmen von Totalunternehmerleistungen oder -angeboten ist die Übernahme von Baugrundrisiken jedoch anders zu bewerten, da der Unternehmer in der Planungsphase für die Bereitstellung der entsprechenden Baugrundinformationen verantwortlich ist, um die Gesamtleistung im angebotenen Kostenrahmen zu realisieren. Die Risiken bei neuen Bauverfahren bestehen darin, dass in der Lernphase die definierte Qualität und die Leistungsvorgaben nicht immer erbracht werden; dadurch entsteht eine Verunsicherung bezüglich der Kosten und Termine. Daher sollten neue Bauverfahren aus strategischen Überlegungen in Angriff genommen werden, um einerseits die Kosteneffizienz des Unternehmens langfristig zu steigern und andererseits neue Marktbereiche mit entsprechendem Erfolgspotenzial zu erschliessen. In der notwendigen Lernphase müssen Ingenieure und Arbeitskräfte die Erfahrungen sammeln, um das neue Bauverfahren effizient und in hoher Qualität anzuwenden. Die Dauer der Lernphase und die daraus resultierenden zusätzlichen Kosten sind üblicherweise nur schwer abschätzbar. Neue Bauverfahren basieren in der Regel auf Neuentwicklungen der Bauzulieferindustrie, deren Vertreter in diesem Fall zu Rate gezogen werden sollten. Die aus diesen strategischen Überlegungen erwachsenden Kosten der Einführung eines neuen Bauverfahrens können möglicherweise aus Wettbewerbsgründen nicht bei einem spezifischen Projekt in Ansatz gebracht werden, sondern müssen oft aus den allgemeinen Geschäftskosten (Innovationen) gedeckt oder über spätere Projekte abgeschrieben werden. Es muss also projektspezifisch aufgrund der Konkurrenzlage geklärt werden, ob die Kosten einer solchen Lernphase direkt in Ansatz gebracht werden können oder nicht; andernfalls wird der Markt dem Unternehmen nicht erlauben, Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln. Dies gilt auch beim erstmaligen Einsatz neuer Baustoffe. Im Fall eines Abrechnungsvertrags werden die wirklich ausgeführten Bauleistungen abgerechnet. Bei einer Umlagekalkulation werden Allgemeinkosten des Unternehmens sowie möglicherweise die Allgemeinkosten der Baustelle auf diese Positionen umgelegt. Daher ist bei jeder Ausschreibung eine Massenanalyse der Hauptleistungspositionen erforderlich, denn eine mögliche Massenmanipulation durch den ausschreibenden Ingenieur des Bauherrn würde im Rahmen einer solchen Analyse entdeckt. Das Massenrisiko bei einem Abrechnungsauftrag besteht darin, dass die Allgemeinkosten des Unternehmens und der Baustelle für den spezifischen Auf-
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trag nur dann gedeckt werden können, wenn die kalkulierten und die abgerechneten Massen zumindest identisch sind. Eine nicht erkannte, geringere Massenbilanz würde also zur Unterdeckung der Allgemeinkosten im Unternehmen führen und eine Gewinnschmälerung bzw. einen Verlust erzeugen. Wird bei Hauptmassen eine höhere Massenbilanz als ausgeschrieben entdeckt, so nutzen manche Unternehmen dies für eine Preismanipulation, indem sie solche Positionen mit höheren Preisen bewerten und gleichzeitig Leistungspositionen, die in Wirklichkeit niedrigere Massenbilanzen als ausgeschrieben vorweisen, umgekehrt mit einem niedrigeren Preis versehen. Dies führt bei gleicher Angebotssumme zu einem verbesserten Unternehmensergebnis, weil damit aufgrund der wirklich eintretenden Massen mit dem Bauherrn höher abgerechnet werden kann. Solche Manipulationen sollten von beiden Seiten unterlassen werden, denn sie lösen oft eine Kettenreaktion aus. Die technischen Spezifikationen müssen auf Ausführungsvorgaben hin geprüft werden, die teilweise von ausschreibenden Ingenieuren mit unzureichenden Kenntnissen baubetrieblicher Optionen festgelegt werden. Darunter fällt z.B. die Vorgabe von Ausschalfristen für Stahlbetondecken, die zu erheblich längeren Einschalzeiten und damit zur erhöhten Vorhaltung von Schalungsmaterial oder zu Behinderungen des antizipierten Bauablaufs führen können. Solche Vorgaben werden oft aufgrund durchaus wichtiger Ursachen festgelegt; die Aufgabe könnte jedoch viel einfacher mit baubetrieblichen Mitteln gelöst werden. Statt Ausschalfristen könnte auch die Frühfestigkeit des Betons vorgegeben werden, die dann vor Ort geprüft werden muss, oder die Standzeit von Hilfsabstützungen, um die hohen Anfangsschwind- bzw. Kriechverformungen zu reduzieren. Ferner müssen Vorgaben bezüglich Maximalverformungen von Baugruben, die zu erhöhten Aussteifungen führen können, berücksichtigt werden. Auch Vorgaben über die Tragfähigkeit von temporären Strassen zur Umlenkung des Verkehrs einschliesslich der dafür notwendigen Leit- und Absperrvorrichtungen sind zu beachten. Werden solche Vorgaben nicht erkannt und kostenmässig nicht richtig bewertet, so kann dies zu erheblichen Verlusten während der Bauausführung führen, da die Bauleitung des Bauherrn im Regelfall auf der Umsetzung solcher technischen Spezifikationen als Vertragsbestandteil besteht, auch wenn ihre Sinnhaftigkeit vielleicht nicht immer gegeben ist. Die technischen Spezifikationen müssen auch auf besondere Anforderungen bezüglich Umwelt- und Arbeitssicherheit untersucht werden. Diese können nicht nur von Land zu Land unterschiedlich sein; auch die unternehmerische Philosophie des Bauherrn kann zu Ansprüchen führen, die über den gesetzlichen Mindestanforderungen liegen. Dies verursacht im
9.4 Risikoorientierte Auswahl und Bearbeitung der Ausschreibungen
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Regelfall zusätzliche Kosten und möglicherweise erhöhten Zeitbedarf, was berücksichtigt werden muss. Analyse der Bearbeitungskapazitäten
Entscheidet sich die Geschäftsleitung für die Angebotsbearbeitung, muss sichergestellt sein, dass in den Fachabteilungen ausreichende Mitarbeiterkapazität für eine qualifizierte Bearbeitung im vorgegebenen Zeitrahmen vorhanden ist. Im Fall von General- und Totalunternehmerangeboten sind diesbezüglich auch Abklärungen bei den entsprechenden Subunternehmern erforderlich. Die notwendigen Bearbeitungskapazitäten sind abhängig von Projektart und Projektgrösse. Die Mitarbeiter müssen die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen für die spezifische Projektart mitbringen. Je nach Projektart sind besondere Kenntnisse erforderlich, was auch zum Einbezug externer Fachingenieure und Spezialisten führen kann; dies erfolgt meistens schon in den Vorabklärungen des Angebotsprojektleiters als Entscheidungsgrundlage für die Geschäftsleitung, ob das Angebot erfolgreich bearbeitet werden kann. Ferner ist zu prüfen, ob im Fall einer Beauftragung mit einem Projekt genügend eigenes Fachpersonal sowie Geräte und Bauhilfsstoffe für den geplanten Ausführungszeitraum zur Verfügung stehen. Diese Abklärung ist im Prinzip hypothetisch, da ein Unternehmen nicht von vornherein davon ausgehen kann, dass es den Auftrag erhält, jedoch sollte es sich überlegen, ob es noch ein zusätzliches Projekt für eine Zeitperiode akquiriert, in der es bereits voll ausgelastet ist. Erscheint ein potenzieller Auftrag aufgrund des erzielbaren Gewinns oder strategischer Marktüberlegungen jedoch sehr interessant, muss sorgfältig geprüft werden, wie die qualifizierte Projektabwicklung sichergestellt werden kann, z.B. durch Bildung von Arbeitsgemeinschaften. Zusammenfassung der risikobasierten Ausschreibungsanalyse
Die risikobasierte Angebotsanalyse muss vom Angebotsprojektleiter zusammengefasst werden. Die Bewertung der einzelnen Risiken wird wie folgt vorgenommen: x Erfüllt eins oder mehrere Risiken die K.O.-Kriterien des Unternehmens? x Wie kann man mögliche K.O.-Kriterien durch Vorbehalte ausschliessen, ohne sich der Gefahr der Disqualifikation auszusetzen? x Wie kann man die analysierten Risiken [9-2] bezüglich Risikowert und Eintretenswahrscheinlichkeit zeit- und kostenmässig bewerten?
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Der Angebotsprojektleiter wird im Vorfeld in seiner Kurzanalyse die Angebotsunterlagen vor allem auf K.O.-Kriterien untersuchen, die das Unternehmen als Entscheidungsgrundlage gegen eine Angebotsbearbeitung festgelegt hat. Ein K.O.-Kriterium kann sein, dass das Unternehmen z.B. aufgrund einer Terminverzögerung zwar eine Konventionalstrafe akzeptiert, aber mögliche Folgeschäden, die sich z.B. als Produktionsausfall oder zu später Markteintritt für ein Produkt manifestieren können, ausschliesst. Ein anderes K.O.-Kriterium kann die Forderung des Bauherrn nach Übernahme des Baugrund- oder Genehmigungsrisikos sein. Im Regelfall handelt es sich also um Schäden, die durch Übernahme von Risiken eintreten können, die das Unternehmen nicht beeinflussen und somit auch nicht abwenden oder reduzieren kann. Derartige Risiken können möglicherweise die Existenz eines Unternehmens gefährden. Sind solche Risiken abgeklärt bzw. treten sie in der untersuchten Ausschreibung nicht auf, so kann weiterhin eine einfache Nutzwertanalyse, in der die möglichen Risiken den Chancen gegenübergestellt werden, sehr hilfreich sein, um zu einer qualifizierten Entscheidung hinsichtlich der Angebotsbearbeitung zu kommen. Das Ziel einer solchen Untersuchung sollte sein, die Erfolgsquote der Angebote zu erhöhen, um damit die allgemeinen Geschäftskosten zu senken. Unter diesem Gesichtspunkt ist es sehr wichtig, bei der Angebotsauswahl und Angebotsbearbeitung selektiv vorzugehen. Es ist besser, wenige Angebote, aber diese sorgfältiger und qualifizierter zu bearbeiten. Dies erhöht nicht nur die angesprochene Erfolgsquote, sondern sichert langfristig auch die Ergebniserwartungen. Die Erfahrung zeigt, dass Ausreisser in Bezug auf das erwartete Ergebnis eines Auftrags in die Verlustzone in den meisten Fällen darin begründet sind, dass in der Angebotsbearbeitung Risiken nicht erkannt bzw. falsch bewertet wurden. Die Ursache für eine solche Fehleinschätzung bzw. das Nichterkennen von Risiken liegt darin, dass keine systematische Risikoanalyse durchgeführt und/oder zu wenig Zeit für die sorgfältige Bearbeitung eines Angebots aufgewendet wurde. Hierin liegt ein erhebliches, unternehmensgefährdendes Risikopotenzial, das durch die hier vorgeschlagene optimierte Vorgehensweise weitgehend reduziert werden kann.
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung 9.5.1 Allgemein Nach der Entscheidung der Geschäftsleitung, ein Angebot abzugeben, sind die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, die einen reibungslosen
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung
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Bearbeitungsablauf gewährleisten. Dazu sind zuerst die folgenden drei Arbeitsphasen zu verfolgen: x Entwicklung und Umsetzung der Angebotsstrategie x Zusammenstellung der projektspezifischen Task Force für die Angebotsbearbeitung x Organisation der formalen Abläufe - Gliederung des Projekts und Strukturierung des Ablaufs der Angebotsbearbeitung - Budgetplanung - Terminplanung für einzelne Aufgabenpakete - Aufgabenverteilung - Organisation der Zusammenarbeit - Meetings - Prüfung und Steuerung der Ergebnisse in den verschiedenen Bearbeitungsphasen - Ergebniszusammenfassung Im den folgenden Kapiteln werden die Punkte der obigen Aufzählung differenziert betrachtet. Bei komplexen Projekten sollte die Bearbeitung möglichst wie folgt untergliedert werden: x nach Bauwerken x nach Gewerken x nach fach- und projektspezifischen Gesichtspunkten Diese Gliederung entspricht dem allgemeinen Organisationsprinzip der funktionalen Differenzierung aufgrund von Spezialisierung, d.h., dass entsprechende Aufgaben von den zuständigen Fachabteilungen bzw. von qualifizierten Mitarbeitern ausgeführt werden. Die Aufgliederung der einzelnen Arbeiten nach den oben genannten Gesichtspunkten erfordert vom Projektleiter im Rahmen der Projektorganisation eine hohe Integrationsleistung, damit die Ergebnisse des nach differenzierten Gesichtspunkten in Einzelteile zerlegten Projekts wieder zu einem einheitlichen, kohärenten Gesamtbild zusammengeführt werden. 9.5.2 Angebotsstrategie Vor der eigentlichen Angebotsbearbeitung ist eine Angebotsstrategie zu entwickeln und zusammenzustellen. Grundlage hierfür bilden die allgemeine Unternehmensstrategie sowie die Ergebnisse der Projektanalyse in der Auswahlphase. Folgende Kriterien können massgebend sein:
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x x x x x
9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Gewinnerzielung (Maximierung / Optimierung) Eignung des Projekts als Referenzobjekt Kapazitätsauslastung im Unternehmen während der Ausführungsphase Test des Wettbewerbs und des Marktpreisniveaus Goodwill gegenüber einem Bauherrn
Die Gewinnmaximierung ist sicherlich eines der dominierenden Kriterien eines jeden Unternehmens bei der Entscheidung für die Bearbeitung eines Angebots. Daher hat die risikoorientierte, selektive Auswahl von Ausschreibungen grösste Bedeutung. Nur aufgrund der erwähnten, einfachen Nutzwertanalyse kann das Potenzial für lukrative Aufträge ausgelotet und eine Unterscheidung zu Aufträgen, die nur im harten Preiswettbewerb gewonnen werden können, getroffen werden. Daher sollte man sich sehr gut überlegen, ob man an Wettbewerben teilnimmt, bei denen von vornherein feststeht, dass die Aufträge auch von weniger qualifizierten Unternehmen mit weniger Spezialpersonal, Spezialgeräten und Spezial-Know-how durchgeführt werden können. In solchen Fällen ist die Kostenstruktur des Unternehmens nicht geeignet, dem Kunden einen wettbewerbsfähigen Preis anzubieten. Mit dem Ziel der Gewinnmaximierung sind daher adäquate Projekte zu suchen, die es ermöglichen, das im jeweiligen Unternehmen vorhandene Know-how mit der dazugehörigen Kostenstruktur anzuwenden. Eine weitere Strategie für die Bearbeitung und die spätere Preisbildung kann sein, ein entsprechendes Projekt später als Referenzobjekt zu nutzen. Solche Projekte, die je nach Wettbewerbslage mit unterschiedlichen Ergebniserwartungen eingeworben werden, sind nur dann sinnvoll, wenn das Unternehmen damit die Tür zu einem neuen Marktbereich öffnen kann. Als Referenzobjekte eignen sich Projekte, die für die entsprechende Bauaufgabe neue Technologien oder grosses Management-Know-how mit einhergehender Integrationsleistung erfordern, oder die aufgrund der lokalen, regionalen oder nationalen Ausstrahlung auf hohe Resonanz in der Presse stossen. Derartige Projekte können als Imageträger für das eigene Unternehmen genutzt werden. Werden Referenzprojekte aus strategischen Marktüberlegungen mittels Unterbietung der Konkurrenzpreise angegangen, führt dies im Regelfall zur Beauftragung, jedoch sollte die negative Wirkung, die sich durch eine reine Preisqualifikation längerfristig etabliert, nicht unterschätzt werden: Bietet das Unternehmen dann ein Folgeprojekt mit entsprechend höheren Gewinnspannen an, wird die Strategie der Marktpenetration nicht erfolgreich sein, da einerseits die Bauherren das Preisniveau zur Kenntnis genommen haben und andererseits die Mitbewerber sich mit Kampfpreisen auf dieses Preisniveau einstellen werden. Will man also bei einem Bauherrn eine neue Technologie einführen, sollte
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung
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man sich nicht durch den reinen Preiswettbewerb, sondern möglichst durch Differenzierungsmerkmale qualifizieren. Auch die Kapazitätsauslastung über eine gewisse Zeitperiode kann ein strategischer Aspekt für eine Angebotsbearbeitung sein. Diese Strategie muss allerdings mit grösster Vorsicht angegangen werden. Ein typischer Fall für ein solches Vorgehen liegt dann vor, wenn das Unternehmen zurzeit voll ausgelastet ist und auch gleichzeitig bereits Aufträge für z.B. das zweite Halbjahr des Folgejahres und die darauf folgenden Jahre vorliegen hat, aber eine unzureichende Auslastung für die Zwischenperiode des ersten Halbjahres des Folgejahres vorliegt. Um das für die zukünftige Vollauslastung benötigte Fachpersonal in der Zwischenperiode auszulasten, kann für diesen Zeitraum ein Auftrag anvisiert werden, der zwar mindestens alle Deckungsbeiträge leistet, die im Unternehmen zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig sind, aber nur einen geringen oder gar keinen Gewinn enthält. Theoretisch könnte nicht nur auf den Gewinn verzichtet werden, sondern auch auf einen gewissen Anteil an den Deckungsbeiträgen, falls die bereits eingeworbenen Aufträge weitgehend den Gewinn und die Deckungsbeiträge eines Jahres sichern. Diese Strategie, die von vielen Bauunternehmen in der Vergangenheit exzessiv genutzt wurde, ist mit grösster Vorsicht anzuwenden, da sie das Überleben des Unternehmens gefährden kann. Jedes Unternehmen muss, bevor es eine solche Strategie zur Auftragsgewinnung einsetzt, überlegen, ob nicht ein Kapazitätsabbau dem zukünftigen Marktgeschehen besser gerecht wird. Tritt dann in Zukunft wieder höherer Kapazitätsbedarf auf, sollte er besser durch entsprechenden Marktbezug (Subunternehmer) abgedeckt werden. Damit wird eine hohe Eigenauslastung an Management, Personal und Geräten sichergestellt. Eine weitere strategische Überlegung für eine Angebotsbearbeitung kann sein, den Wettbewerb und das Preisniveau in einem neuen Marktsegment oder einer neuen Region zu testen. Eine solche Angebotsbearbeitung gibt nicht nur Aufschluss über die Submissionsergebnisse der Konkurrenz, sondern verschafft Transparenz in Bezug auf Qualität und Kosten in einem neuen Wettbewerbsumfeld. Für einen solchen Markttest eignet sich das Eingehen einer Arbeitsgemeinschaft mit einem Unternehmen, das bereits z.B. regionale Marktkenntnisse erworben hat. Die Symbiose einer solchen ARGE wird allerdings nur dann möglich, wenn das eigene Unternehmen dem bereits in der Region erfahrenen Mitbewerber besondere Vorteile anbieten kann, die dieser potenzielle ARGE-Partner nicht aufweist, um ihn von der Attraktivität dieser Ad-hoc-Kooperation zu überzeugen. Als letztes soll eine taktische Überlegung angeführt werden, und zwar die Abgabe eines Angebots aus Goodwill gegenüber einem Bauherrn. Eine solche Situation kann sich ergeben, wenn es sich um einen „Dauerkunden“ des Unternehmens handelt, das den Auftrag aber aus Kapazitätsgründen
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
selbst nicht ausführen kann. Man unterstützt den Bauherrn bei der Preisfindung und sichert sich – hoffentlich – seinen Goodwill für andere, zukünftige Projekte. Hier ist jedoch zu bedenken, dass man langfristig eventuell einen Kunden verliert, weil er herausfindet, dass die Zusammenarbeit mit einem Konkurrenten zu ähnlich guten Ergebnissen führt wie dies in der Vergangenheit mit dem eigenen Unternehmen der Fall war. Es muss also überlegt werden, ob ein solcher Auftrag nicht doch durch das eigene Unternehmen ausgeführt werden kann, aber mit der Unterstützung durch Subunternehmer, die entsprechend qualifiziert geführt werden müssen. 9.5.3 Angebotsprojektorganisation Jedes Unternehmen hat eine seinen Aufgaben entsprechend situativ angepasste Organisationsstruktur, die in der Aufbauorganisation abgebildet ist. Die Aufbauorganisation ist meistens nach dem Verrichtungsprinzip des Wertschöpfungsprozesses im Unternehmen gegliedert. Der Vorteil besteht darin, dass die zu erfüllenden Aufgaben entsprechend ihrer Komplexität von Spezialabteilungen und Spezialisten erledigt werden können. Um jedoch diese Dezentralisierung in den Leistungserstellungsprozess zu integrieren, sind geeignete Projekt- und Ablauforganisationen zu bilden, die sich in einem temporären Team auf das Endprodukt als Ganzes konzentrieren. Daher werden zur Angebotsbearbeitung entsprechend den situativen Anforderungen Angebotsprojektgruppen zusammengestellt, die von der Geschäftsleitung durch Einsetzen eines Angebotsprojektleiters initiiert werden. Die Angebotsprojektgruppe ist dann im Regelfall als temporäre Matrixorganisation (Bild 279) strukturiert, die sich aus Mitarbeitern der entsprechenden Fachabteilungen zusammensetzt. Die Mitarbeiter sind für diese temporäre Aufgabe disziplinarisch weiter dem Leiter der Fachabteilung, ergebnisverantwortlich jedoch dem Angebotsprojektleiter unterstellt. Die besondere Charakteristik der Angebotsmatrixorganisation ist ihre Beschränkung auf den Zeitraum der Projektabwicklung. Es handelt sich um eine rein aufgabenorientierte, projektbezogene Organisation.
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung
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Bild 279: Angebotsmatrixorganisation
Bau- / Werkhof
Kalkulation
Arbeitsvorbereitung
Technischer Ausbau
Kaufmann
…...
Spezialtiefbau
Tunnelbau
Angebot
Brückenbau
Abteilung
Rechtsabteilung
Das Team setzt sich interdisziplinär aus dem Bauführer, der meistens auch Angebotsprojektleiter ist, den technischen Spezialisten, den Arbeitsvorbereitungsmitarbeitern, dem Kalkulator, Kaufmann, Juristen etc. zusammen (Bild 280).
Angebotsprojekt 1 …... Angebotsprojekt n
Bild 280: Projektspezifische Auswahl der Mitarbeiter der Angebotsprojektgruppe
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Die Anforderungen aus der Projektart bestimmen die Zusammensetzung des Teams. Der Kalkulator nimmt dabei die Schlüsselstellung ein. Die Aufgabe der Angebotsprojektgruppe besteht darin, die Ausschreibung zu analysieren, die Risiken zu identifizieren, die optimalen Bauverfahren festzulegen, Preisanfragen an Subunternehmer vorzubereiten, deren Angebote zu bewerten und auszuwählen sowie die Herstell- und Risikokosten zu ermitteln. Schliesslich arbeitet die Angebotsprojektgruppe die erforderlichen Angebotsunterlagen in einer ansprechenden Form aus, damit bereits die Darstellung des Angebots die Qualifikation des Unternehmens zeigt und bei dem Bauherrn einen positiven Eindruck erzeugt. Es ist ferner Aufgabe der Angebotsprojektgruppe, aufgrund der Ausschreibungsanalyse das Potenzial an unternehmerischen Varianten und Sonderlösungen aufzuspüren und diese, falls vorhanden, entsprechend auszuarbeiten. Die Angebotsprojektgruppe antizipiert und analysiert auch mögliche, von Konkurrenten zu erwartende Alternativvorschläge und stellt deren Nachteile und Problempunkte fest. Im Rahmen der Angebotsunterbreitung teilen manche Bauunternehmen dem Bauherrn mit, dass gewisse Alternativen oder Sondervorschläge (die von der Konkurrenz erwartet werden) untersucht wurden, aber zu diesen und jenen Nachteilen geführt haben und daher dem Bauherrn nicht unterbreitet werden. Damit versuchen solche Bauunternehmen, den Bauherrn (in)direkt zu einem kritischen Verhalten gegenüber potenziellen Sondervorschlägen der Konkurrenz zu bewegen, von denen man erwartet, dass sie möglicherweise preisgünstiger sind. Dieses Wettbewerbsverhalten ist nicht unüblich, entspricht aber nicht einem fairen Marktverhalten. Bild 281 zeigt eine typische Angebotsprojektgruppe für ein Grossprojekt. Bei kleineren Projekten bzw. Unternehmen umfasst die Angebotsprojektgruppe im Regelfall nicht so viele Mitarbeiter. Die Aufgaben, die exemplarisch in diesem Bild enthalten sind, müssen dann von den eingesetzten Mitarbeitern integrativ in Personalunion übernommen werden. Der Angebotspreis wird von der Unternehmensleitung festgelegt. Basis hierfür ist die Summe aller Selbst- und Risikokosten, auf die ein Zuschlag für Wagnis und Gewinn erhoben wird.
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung
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Angebotsprojektleiter (Oberbauleiter)
Jurist *)
Vertragsprüfung
Juristische Risikobetrachtung
Spezialist *)
Technische Spezialaufgaben
MTA *)
Gerätezusammenstellung
Kaufmann *)
TB-Mitarbeiter
Arbeitsvorbereitung
Kalkulator
Baubetriebliche Planung
Ortsbegehung
Versicherungen
Massenermittlung
Brückenbau
Garantien
Baubehelfe
Verfahren
Tunnelbau
Zahlungsbedingungen
Technische Risikobewertung
Equipen
Spezialtiefbau
Finanzielle Risiken
Alternativen
Bauhilfsmaterialien
Preisermittlung
Geräteleistungen
*) nur zeitweise für spezielle Aufgaben benötigt
Terminplanung
Bild 281: Funktionen und Aufgaben der Mitarbeiter einer Angebotsmatrixorganisation
9.5.4 Schritte der Angebotsbearbeitung Die Angebotsbearbeitung erfolgt parallel bzw. sequentiell in folgenden Schritten (Bild 282): x Detaillierte, risikoorientierte Analyse der Ausschreibungsunterlagen durch die Fachabteilungen x Prüfung, ob Alternativen sinnvoll sind x Arbeitsvorbereitung x Technische Bearbeitung x Preisanfrage x Risikoidentifikation und Risikoanalyse x Kalkulation der Einzelkosten der Teilleistungen, Risikokosten und gesamten Herstellkosten x Entscheidung der Geschäftsleitung bezüglich Preisgestaltung und Risikoübernahme x Erstellung des Kalkulationsschlussblatts x Entscheidung über Abgabe des Angebots x Fertigstellung des Angebots
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen Ausschreibungsunterlagen einholen
Studium der Ausschreibungsunterlagen
Materialauszug
Materialpreise und Nachunternehmerangebote einholen
Baustellenbegehung
Mengenkontrolle
Bauverfahren, Leistungsvorgaben, Ablaufplan, Kapazitätsschätzung, Baustelleneinrichtung
Evtl. Sondervorschlag
Schätzwerte (Kontrolle)
Risiko- und Herstellkosten
Erfahrungswerte aus Nachkalkulation
Preis durch geschäftspolitische Entscheidung
Angebot
Bild 282: Ablauf der Angebotsbearbeitung
Die Analyse der Ausschreibungsunterlagen ist die Grundlage einer Angebotsbearbeitung. Aufgrund dieser Analyse werden die Risiken und Chancen festgestellt und die Ausschreibung wird auf mögliche Alternativen und Sondervorschläge geprüft; dies wird insbesondere durch die technische Bearbeitung unterstützt. Die technische Bearbeitung zielt auf die Bewertung der Hauptmassen, der technischen Risiken sowie auf die Ausführbarkeit des Bauwerks hin. Im Rahmen der technischen Bearbeitung werden die Ausschreibungsunterlagen für Subunternehmer angefertigt. Für die Arbeitsvorbereitung und für die Kalkulation werden Bauhilfsmassnahmen entworfen und entsprechend massenmässig für die Kostenermittlung aufbereitet. Auf dieser Grundlage werden die Bauverfahren und Bauabläufe festgelegt und die für die Bauausführung erforderlichen Ressourcen ermittelt. Auf dieser Basis können die Einzelkosten der Teilleistungen, die Kosten der Baustelleneinrichtung, die Allgemeinkosten der Baustelle sowie die Herstellkosten und die dazugehörigen Risikokosten ermittelt werden. Der Projektleiter fasst die Kalkulationsergebnisse auf einem Kalkulationsschlussblatt zusammen und legt sie der Unternehmensleitung vor. Die Plausibilität der Kalkulation muss durch entsprechende Schätzwerte untermauert werden, die zur Kontrolle des Gesamtpreises dienen; dazu werden marktübliche Quadratmeter- bzw. Kubikmeterpreise oder Erfahrungs-
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung
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werte herangezogen. Für z.B. die Überprüfung der Baustelleneinrichtungskosten und deren Anteil an den Einzelkosten der Teilleistungen besitzen die meisten Unternehmen Anhalts- und Kontrollwerte. Die Geschäftsleitung wird auf der Basis der Herstellkosten, der Risikokosten und deren Bandbreite Wagnis und Gewinn festlegen und somit die Preisgestaltung vornehmen. Die Preisgestaltung erfolgt nach zwei Aspekten: Einerseits dienen die Herstellkosten des Unternehmens und der dabei anvisierte Gewinn als Basis. Andererseits muss der erzielbare Marktpreis als weiteres wesentliches Gestaltungsmotiv herangezogen werden. Läge der Marktpreis weit über den eigenen Herstellkosten, wäre es sicher nicht unternehmerisch, nur die anvisierten z.B. 7 % Gewinn auf die Herstellkosten zu schlagen, wenn andererseits das Angebot des Unternehmens am Markt auch bei einem 20 %igen Gewinnzuschlag noch wettbewerbsfähig wäre. Der Umkehrschluss muss ebenso befolgt werden, wenn am Markt keine ausreichenden Gewinnmargen erzielt werden können. Dann muss das Unternehmen bezüglich seiner eigenen Wertschöpfung genauestens überprüfen, in welchen Bereichen es eigene Leistungen am Markt wettbewerbsfähig anbieten kann und in welchen Bereichen seine Leistungen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Nicht mehr wettbewerbsfähige Leistungen müssen dann durch Marktbezug von entsprechend leistungsfähigen Subunternehmern beschafft werden. Aufbauend auf den Ergebnissen der Geschäftsleitung (Gewinn- und Wagniszuschläge bzw. Höhe der Deckungsbeiträge) legt der Kalkulator diese Allgemeinzuschläge nun auf die Einzelpositionen der Teilleistungen um und bildet so die Abrechnungspreise für die einzelnen Positionen. Bei der Umlage der Allgemeinkosten berücksichtigen manche Unternehmen die bereits genannten taktischen Überlegungen bezüglich Mehr- und Mindermassen zur Verbesserung des Abrechnungsergebnisses. Manche Bauherren verlangen, dass der Unternehmer mit seinem Angebot eine Kalkulation hinterlegt. Im Allgemeinen bereiten die Unternehmen diese Kalkulation so auf, dass die entsprechenden Allgemeinkosten der Baustelle bzw. des Unternehmens dargestellt werden, Details, die Einblick in die innerbetriebliche Kostenstruktur geben könnten, jedoch nicht erkennbar sind. Das Angebot, das dem Bauherrn dann vorgelegt wird, wird in einer repräsentativen Aufmachung vorbereitet. Wichtig ist dabei, die methodische Abwicklung durch entsprechende Baubetriebsdiagramme und Terminpläne überzeugend darzustellen. Hier sollte die besondere Kompetenz des Unternehmens erkennbar sein, ohne jedoch bereits zu viele Detailinformationen zu verbreiten, die bei einer Nichtbeauftragung möglicherweise an die Konkurrenz fliessen könnten.
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
9.5.5 Kick-Off-Meeting Nach Festlegung der Angebotsprojektgruppe wird unter dem Vorsitz des Projektleiters ein Projektstartgespräch oder Kick-Off-Meeting durchgeführt, an dem alle Mitglieder der Angebotsprojektgruppe teilnehmen. Ziel des Meetings ist die umfassende Information der Task Force über das Projekt, die Angebotsstrategie und die formalen sowie organisatorischen Abläufe der Bearbeitung. Ein Kick-Off-Meeting kann folgendermassen ablaufen: Zunächst stellt der Projektleiter das Projekt vor und verteilt, soweit vorhanden, erste Pläne zur Visualisierung des Bearbeitungsumfangs. Die dem Projektleiter vorliegenden Informationen zu Projektart, Bauweise und Grösse werden den Mitgliedern der Angebotsprojektgruppe möglichst detailliert vermittelt; Inhalte der Ausschreibung, Randbedingungen und Zielsetzungen des Auftraggebers sind dabei explizit herauszustellen. In diesem Zusammenhang sind auch die Vorgaben der Unternehmensleitung bezüglich der Angebotsstrategie zu nennen und die Art und Weise der Realisierung zu diskutieren. Schliesslich verteilt der Projektleiter entsprechend der jeweiligen Spezialisierung die Aufgaben und Verantwortungen auf die einzelnen Projektbeteiligten. Terminvorgaben in Absprache mit dem Projektleiter konkretisieren die Verantwortungen. Der Umfang und die Art der Baumassnahme bestimmen, inwieweit der Projektleiter das Projekt aufgliedert. Komplexe Projekte werden nach Bauwerken, Gewerken und nach fach- und produktspezifischen Gesichtspunkten aufgeteilt, um so die Übersichtlichkeit der Bearbeitung zu gewährleisten. Zum Abschluss werden die Folgemeetings terminiert; eine gemeinsame Diskussion, ggf. in Form eines Brainstormings, kann das Kick-OffMeeting abrunden. 9.5.6 Budgetplanung Beginnend mit der Entscheidung für die Bearbeitung eines Projekts muss bereits eine Budgetschätzung erfolgen, um in der Nutzwertanalyse den Chancen einer Beauftragung eine Aussage über den eigenen Bearbeitungsaufwand gegenüberzustellen. Entscheidet sich die Geschäftsleitung für die Bearbeitung eines Angebots, wird mit den entsprechenden Fachabteilungen, die in der Angebotsmatrixorganisation einen Leistungsbeitrag erbringen, ein Budget festgelegt. Dies erfolgt meist in der Weise, dass die Fachabteilung auf der Basis des Aufgabenverteilungsplans und der ersten groben Projektdurchsicht den Stundenaufwand für den Beitrag ihrer Mit-
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arbeiter abschätzt und die Kosten aufgrund der festgelegten Verrechnungssätze mit dem Kostenträger verrechnet. Der zuständige Angebotsprojektleiter prüft die Kostenschätzung und verhandelt sie meist nochmals mit der Fachabteilung. Diese Abmachung wird dann als Grundlage für das Budget festgelegt. Dieses Budget dient gleichzeitig auch als Grundlage für die finanzielle Kontrolle während der Projektbearbeitung. Der Projektleiter nutzt die Ergebnisse, um auftretende Über- oder Unterschreitungen der Bearbeitungsstunden frühzeitig zu erkennen und ihre Gründe zu ermitteln. Der kaufmännischen Abteilung dienen diese Daten zur Ermittlung der allgemeinen Geschäftskosten. Der Unternehmensleitung sowie den Abteilungsleitern steht mit der Budgetplanung ein Instrument zur Verfügung, um die Produktivität der Mitarbeiter zu kontrollieren. 9.5.7 Aufgaben- und Terminplanung Voraussetzung für eine erfolgreiche Angebotsprojektabwicklung ist eine wirksame Planung, Steuerung und Kontrolle der Bearbeitung. Instrumente dazu sind u.a. der Aufgabenverteilungsplan und der Bearbeitungsterminplan. Der Aufgabenverteilungsplan garantiert eine für jeden erkennbare Zuweisung der Aufgaben und Verantwortungen. Er gewährleistet zudem, dass kein Bearbeitungsgebiet übersehen wird. Im Aufgabenverteilungsplan sind alle Aufgaben aufgelistet und vernetzt. Der Bearbeitungsterminplan enthält die Terminvorgaben für die Projektbeteiligten. Durch die Darstellung als Balkenplan bietet er zudem die Möglichkeit, arbeitsablauftechnische und terminliche Abhängigkeiten optisch sichtbar zu machen. Ein regelmässig aktualisierter Bearbeitungsterminplan führt zu einer zeit- und kostenoptimierten Bearbeitung. Die Unternehmensleitung kann ihn ausserdem zur Überprüfung der Kapazitätsauslastung heranziehen. 9.5.8 Kommunikation Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Rahmen einer extrem kurzen Projektbearbeitungszeit bei einem ad hoc zusammengestellten Team ist die Erzeugung, Aufrechterhaltung und Motivation zu einer effektiven Kommunikation. Sitzungen bzw. Meetings dienen dem Projektleiter und den Teambeteiligten als Plattform zur Ideengenerierung (Brainstorming) und zum Ideenaustausch sowie zur Überprüfung des Bearbeitungsstands.
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Jeder Projektteilnehmer trägt im Rahmen der Meetings seinen Bearbeitungsstand vor, stellt offene Fragen und berichtet über neue Erkenntnisse, z.B. bezüglich alternativer Bauverfahren oder besonderer Anforderungen an Materialien. Die Projektbeteiligten werden somit in kurzer Zeit auf den aktuellen Informationsstand gebracht. Ändert der Bauherr während der Projektbearbeitung die Ausschreibungsunterlagen, so muss der Projektleiter dies umgehend mitteilen, damit die Projektbeteiligten die Auswirkungen feststellen und bei der weiteren Bearbeitung entsprechend berücksichtigen können. Eine Folge der Meetings ist eine hohe Identifizierung der Beteiligten mit dem Projekt; die Motivation des Teams und damit auch seine Produktivität werden gesteigert. Die Meetings sind regelmässig, z.B. wöchentlich, durchzuführen, wobei die Zeitabstände sich nach den Anforderungen aus dem Projekt und dem notwendigen Kommunikationsbedarf richten. Voraussetzung ist jeweils eine Progression des Bearbeitungsstands. Abhängig von der Projektgrösse kann der Projektleiter die Meetings entsprechend den Arbeitsabhängigkeiten teilen, z.B. in der Form, dass die technischen Abteilungen sich unabhängig von den juristischkaufmännischen Abteilungen zusammen finden. Ein Ergebnisgesprächsprotokoll sichert die bekannt gegebenen Informationen und gibt einen klaren Überblick über die getätigten Beschlüsse mit Angabe der Zuständigkeit für die Erfüllung der Aufgabe sowie der jeweiligen Abgabetermine. Es ist an alle Projektbeteiligten zu verteilen. Die Förderung informeller Kommunikation im Team ist ein weiterer Faktor für eine erfolgreiche Angebotsbearbeitung. Darunter werden Massnahmen verstanden, die z.B. zur Förderung der räumlichen Nähe der Mitglieder der Angebotsprojektgruppe beitragen. Konflikte sollten generell in fairer Weise gelöst werden, wobei die Projektzielsetzung generell Priorität hat. Ein offener Umgang der Mitglieder der Angebotsprojektgruppe untereinander kann Konflikte frühzeitig verhindern. Eine straffe, aber offene, teamorientierte Führung bildet einen weiteren Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Angebotsprojektabwicklung. 9.5.9 Integration der Ergebnisse Da sich die Matrixorganisation für die Projektabwicklung aus den verschiedenen Spezialisten der Fachabteilungen zusammensetzt, wird ein Angebotsprojekt nach differenzierten Aspekten analysiert, d.h., es entstehen in den einzelnen Fachabteilungen singuläre Ergebnisse, die aufgrund der gewählten Organisationsform nicht miteinander vernetzt sind. Dies ist
9.5 Ablauf einer Angebotsbearbeitung
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Einkauf Betriebliches Rechnungswesen Lohnbuchhaltung Finanzbuchhaltung Bauauftragsrechnung
Technische Geschäftsführung
Kalkulation Oberbauleitung
Angebotsprojektleiter
Kaufmännische Geschäftsführung
auch gewollt, da ein Generalist nicht alle technischen, juristischen, finanziellen und bauverfahrenstechnischen Facetten einer komplexen Ausschreibung beurteilen kann. Die Angebotsprojektanalyse erfolgt somit fachspezifisch mit einem hohen Auflösungsgrad gemäss den beteiligten Disziplinen. Diese quasi isolierten hoch qualifizierten Ergebnisse müssen nun zu einem Ganzen integriert werden; dies ist die Aufgabe des Projektleiters. Da, je nach Art der Ausschreibung, die Preisbildung im Mittelpunkt einer Angebotsbearbeitung steht, fliessen die Ergebnisse meist in terminlich und kostenmässig bewertbarer Form in die Kalkulation ein. Damit bilden Kalkulation sowie Termin- und Ablaufplanung den Trichter, durch den die Einzelergebnisse in Bezug auf Herstell- und Risikokosten zusammengeführt werden. In Bild 283 ist der Informationsfluss dargestellt, der dann in der Kalkulation in bewertbare Kosten zusammengeführt wird. Der Projektleiter muss die Integration der durch die Spezialisierung hervorgebrachten Ergebnisse bewirken; der Kalkulator muss sie in einer funktionalen Form zusammenführen.
Arbeitsvorbereitung Technisches Büro Maschinentechnische Abteilung
Bild 283: Integration der im Angebotsteam durch Spezialisten erarbeiteten Ergebnisse
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen 9.6.1 Vertragliche Aspekte Ziel der Analyse des Vertrags ist es, die darin formulierten Vorstellungen des Bauherrn über das Bauobjekt, dessen Eigenschaften (z.B. in Bezug auf Funktionalität, Optik, Ökologie) und seine Anforderungen an Bauzeit, Gewährleistung etc. zu erkennen und kosten- und terminwirksame Risiken und Chancen zu identifizieren, d.h., die Projektbeteiligten sollen das Projekt kennen lernen. Die Analyse des Vertrags wird den Abteilungen nach fachspezifischen Aspekten zugeordnet. Sowohl die technische als auch die juristische und kaufmännische Abteilung haben den Vertrag in Zusammenarbeit mit der Projektleitung auf seine Besonderheiten und Charakteristiken sowie die Risiken und Chancen in ihrem jeweiligen Fachgebiet zu untersuchen. Der Projektleiter integriert dann die Ergebnisse in Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen zu einem Gesamtbild. Die meisten internationalen Standardverträge richten sich nach der FIDIC (Fédération Internationale des Ingénieurs-Conseils) und setzen sich normalerweise aus folgenden Bestandteilen zusammen: x x x x x x x x x x
Instruction to Tenders (Ausschreibungserläuterungen) General Conditions of Contract (Allgemeine Vertragsbedingungen) Technical Specifications (Technische Spezifikationen) Drawings (Zeichnungen) Form of Tender (Ausschreibungsformular) Bill of Quantities (Leistungsverzeichnis) Schedules (Terminpläne) Form of Agreement (Vertragsformular) Form of Performance Guarantee (Garantieformular) Soil Report; Hydrological, Climatical and Other Reports (Bodengutachten; hydrologische, klimatische und andere Gutachten; oft nur zur Information)
Der Aufbau und die Reihenfolge von Vertragsunterlagen sind in Bild 284 dargestellt. Bei widersprüchlichen Unterlagen gilt die vertraglich spezifizierte Reihenfolge, d.h., es gilt die Beschreibung bzw. Anforderung des höher priorisierten Vertragsdokuments. Ist die Reihenfolge nicht individuell vertraglich geregelt, wird sie von der Vertragsgrundlage bestimmt (FIDIC, SIA, VOB).
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen
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Rangfolge
Ausschreibungsunterlagen 1
Vertragstext
2
Besondere Bestimmungen
3
Leistungsverzeichnis bei Einheitspreisverträgen Pläne
4
5
Baubeschreibung bei Gesamtpreisverträgen
Verzeichnis der allgemeinen Bestimmungen Normen, Vorschriften Normen von Fachverbänden Bei Widersprüchen innerhalb der Vertragsunterlagen bestimmt sich die Rangfolge gemäss den vorgenannten Ziffern 1 bis 5
Bild 284: Mögliche Gültigkeitsreihenfolge von Vertragsunterlagen
9.6.2 Juristische Abteilung Die Aufgabe der juristischen Abteilung besteht darin, einerseits die risikoorientierte, juristische Vertragsprüfung durchzuführen und andererseits die rechtlich unangreifbare Formulierung des Angebots bei der Fertigstellung zu sichern. Die juristischen Aspekte des Vertrags werden analysiert, die daraus resultierenden juristischen Risiken bewertet und Massnahmen vorgeschlagen. Ferner werden das Angebotsschreiben sowie mögliche Vorbehalte, die aufgrund von Risikoüberlegungen angestrebt werden, für die Geschäftsleitung entworfen. Bei Sondervorschlägen werden unternehmenseigene Angebotstexte spezifiziert oder abgeändert. Die Vertragsprüfung bezieht sich auf folgende Elemente: x x x x
Vollständigkeit des Vertrags Welche Rechtsnormen sind gültig? Angebotsbindefrist Voraussetzungen für den Baubeginn
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x x x x x x x x x x
9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Abnahmebedingungen Gewährleistung Terminverlängerungen durch Einwirkungen des Bauherrn oder Dritten Vertragsstrafen und Bestimmungen zur Abdeckung von Folgeschäden, z.B. infolge von Terminverzögerungen und Mängeln am Bauwerk Bietergarantien, Leistungserfüllungsgarantien Zahlungsgarantien des Bauherrn Schiedsgericht und Gerichtsstandort Kündigungsklauseln und Vergütungen des entgangenen Gewinns Preisänderungen Abnahmeverfahren und Bedingungen für die Schlussrechnung und Rückgabe von Erfüllungsgarantien
Das Anschreiben zum Angebot wird von der juristischen Abteilung verfasst, um sicherzustellen, dass es den formalen Anforderungen entspricht. 9.6.3 Kaufmännische Abteilung Der Kaufmann analysiert die kaufmännischen Aspekte des Vertrags, ermittelt und bewertet die daraus resultierenden kaufmännischen Risiken und schlägt Massnahmen vor. Die erste Frage richtet sich auf die Bonität des Bauherrn. Wird er während der Bauausführung zahlungsunfähig, kann das Bauunternehmen erhebliche Verluste erleidenen, da es dann seine Forderungen nicht mehr bezahlt bekommt. Eventuell kann diesem Risiko mit entsprechenden Zahlungsgarantien oder, wie in Deutschland, durch Regelungen des Bauhandwerkerpfandrechts begegnet werden. Die weiteren Aufgaben des Kaufmanns konzentrieren sich darauf, x der Kalkulation die Grössenordnung der allgemeinen Geschäftskostenzuschläge (AGK) mitzuteilen, die sich aus der Jahresbudgetplanung und den weitgehend feststehenden fixen Kosten der allgemeinen Geschäftsführung ergeben; x den projektspezifischen Cashflow-Plan zu erstellen und daraus den entsprechenden Finanzierungsplan zu ermitteln, diesen durch Eigen- oder Kreditmittel abzusichern und daraus die Finanzierungskosten festzustellen und an die Kalkulation weiterzuleiten; x die im Vertrag verlangten Garantien bei Kreditinstituten abzusichern; diese Garantien müssen in den Kreditrahmen des Unternehmens passen. Ferner muss der Kaufmann die Kosten der Garantien ermitteln und an die Kalkulationsabteilung weitergeben. Besonders im Auslandsgeschäft muss oder kann sich das Unternehmen zusätzlich durch Exportsiche-
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen
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rungskredite, die die Zahlungsunfähigkeit des Bauherrn, politische Risiken etc. abdecken, vor finanziellem Schaden schützen. Der Kaufmann hat die vom Auftraggeber geforderten Garantieleistungen (Bietergarantien, Erfüllungsgarantien, Vorauszahlungsgarantien) und die notwendigen Versicherungen auf ihre Auswirkungen zu prüfen. Hier sollte besonders eine differenzierte Beurteilung bezüglich abstrakter und bedingter Garantien erfolgen. Werden abstrakte Garantien gefordert, die ohne Einwendungen des Bauunternehmens gezogen werden können, sollten die Erfahrungen mit dem Bauherrn bzw. seiner Projektleitung sowie die Auswirkungen auf das Unternehmen sorgfältig beurteilt werden. Ferner sollten die Auswirkungen auf das Gesamtkreditvolumen des Unternehmens überprüft werden, insbesondere in Bezug auf weitere Aufträge, die das Unternehmen für die Zukunft einwerben muss. Für die Kalkulation ermittelt die kaufmännische Abteilung die Kosten dieser Sicherungsleistungen, da sie in die Kalkulation eingerechnet werden. Von der kaufmännischen Abteilung wird das Vorfinanzierungsvolumen, das sich aus den Vorleistungen des Unternehmens und der meist späteren Zahlungen durch den Bauherrn ergibt (Bild 278), aus dem Cashflow-Plan für das jeweilige Projekt ermittelt. Neben der Grössenordnung der Finanzierungskosten müssen auch geeignete Methoden zur Finanzierung gesucht werden. 9.6.4 Technische Abteilung Die Ingenieure der technischen Abteilung analysieren die technischen Aspekte des Vertrags, ermitteln und bewerten die daraus resultierenden technischen Risiken und schlagen Massnahmen vor. Die Abteilung leistet die Vorarbeit für die Arbeitsvorbereitung und Kalkulation. Während sich die Kalkulation auf die Bewertung der Leistungen konzentriert, fällt der technischen Abteilung die Aufgabe zu, die Leistungen zu prüfen oder zu definieren und die Massen zu ermitteln. Die Tiefe der seitens des Auftraggebers durchgeführten Planung wird überprüft. Zudem wird kontrolliert, welche technischen Normen einzuhalten sind und welche Anforderungen des Bauherrn nicht den Normen entsprechen. Teil des Prozesses ist auch die Analyse vorliegender Gutachten, Baugrundprüfungen etc., die Einfluss auf die Preisbildung haben bzw. technische Risiken in sich bergen. Im Weiteren prüft die technische Abteilung die Übereinstimmung der Hauptmassen in den Plänen mit den im Leistungsverzeichnis angegebenen Werten. Die Hauptmassen sind dabei von zentraler Bedeutung, da sie die Angebotssumme deutlich beeinflussen, jedoch sind auch untergeordnete
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Positionen und Eventualpositionen zu kontrollieren, sofern sie stärkere Auswirkungen auf das Baustellenergebnis haben können. Massen, die zur Erbringung einer Leistung notwendig sind, aber in der Ausschreibung nicht gesondert formuliert wurden, sind zu ermitteln (z.B. Schalung, Beton). Ferner unterstützt die technische Abteilung die Arbeitsvorbereitung und die Kalkulation bei der Ermittlung von Bauwerksdaten, mit denen z.B. die Schalungsflächen oder der Schalungseinsatz bestimmt werden. Hierzu zählen auch die Entwicklung und Ermittlung aller Bauhilfsmassnahmen mit den dazugehörigen Grunddaten für die Arbeitsvorbereitung und Kalkulation. Die gesamte technische Ausschreibung wird auch auf ihr Potenzial für Alternativ- und Sondervorschläge, die das besondere Know-how des Bauunternehmens zur Geltung bringen können, untersucht. Sondervorschläge und Alternativen sind zu entwickeln, Pläne und Baubeschreibungen sind anzufertigen und die Teilleistungen sind in Massen aufzuschlüsseln, die als Grundlage für die weitere Arbeitsvorbereitung und Kalkulation dienen. Ferner werden alternative Bauverfahren definiert oder entwickelt, die eine Grundlage für die Kalkulation bilden. Bei General- und Totalunternehmern gehören die Koordination und die Ausschreibungen der Subunternehmerleistungen mit den dazu gehörigen Zeichnungen, technischen Beschreibungen der Leistung, Leistungsverzeichnissen etc. zur technischen Bearbeitung. Die technische Abteilung erstellt alle notwendigen Pläne, die der Bauherr im Rahmen der Ausschreibungsunterlagen anfordert. Sie fertigt auch die zeichnerischen Darstellungen von Methoden und Verfahren an, die die angebotene Leistung erklären und mit denen sich das Unternehmen besonders von den Mitbewerbern unterscheiden möchte. 9.6.5 Arbeitsvorbereitung Die Arbeitsvorbereitung [9-5] analysiert die bauverfahrenstechnischen Aspekte, ermittelt und bewertet die daraus resultierenden Risiken und schlägt Massnahmen vor. Ferner stellt sie bei der Analyse des Vertrags die Randbedingungen für die effiziente Wahl der Baumethoden und der Baustelleninstallationen fest. Im Rahmen der Arbeitsvorbereitung muss daher zuerst ermittelt werden, x welche Auflagen und welche Bedingungen für den Baustellenzugang zu beachten sind, x welche Grösse die für Baustelleninstallationen nutzbaren Flächen haben, x wie die Ver- und Entsorgung der Baustelle mit Energie, Wasser etc. erfolgen kann.
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen
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Diese Vorbereitungsmassnahmen sollten unbedingt durch eine Baustellenbegehung mit dem Kalkulator abgerundet werden. Während der Begehung entwickelt sich ein genaueres Bild der Baustelleneinrichtung. Mögliche Stellplätze für Installationen und Geräte sind auf ihre Eignung zu prüfen. Insbesondere ist zu untersuchen, ob etwas auf Erschwernisse hindeutet und ob sich das Baufeld in dem vertraglich beschriebenen Zustand befindet. Ferner muss die Arbeitsvorbereitung prüfen, welche Bauverfahren am besten geeignet sind, um eine effiziente und kostengünstige Leistung zu erbringen, und damit die Basis für ein wettbewerbsfähiges Angebot legen. Hierbei ist im Besonderen der vom Bauherrn vorgegebene Terminrahmen zu beachten. Die Arbeitsvorbereitung arbeitet auf der Basis der detaillierten Hauptund Hilfsmassenzusammenstellung, die von der technischen Abteilung angefertigt wurde bzw. aus dem Leistungsverzeichnis entnommen werden kann, und des Rahmenterminplans das Konzept für die Bauabwicklung aus. Im Rahmen dieses Konzepts werden für die einzelnen Aktivitäten die Terminvorgaben festgelegt und interaktiv die erforderlichen Leistungen pro Tag bzw. pro Woche ermittelt. Darauf aufbauend werden entsprechend leistungsfähige Bauverfahren, Geräte, Bauhilfsmassnahmen und die dazugehörigen personellen Ressourcen festgelegt. Dieser Arbeitsplanungsprozess erfolgt iterativ, da die Einzelaktivitäten gemäss den baubetrieblichen Abhängigkeiten parallel bzw. sequenziell geschaltet werden; dabei müssen die Vorgaben des Rahmenterminplans des Bauherrn erfüllt werden. Sind die Bauverfahren und -abläufe sowie die notwendigen Geräte und das Personal festgelegt, wird die Baustelleneinrichtung in ihren Hauptkomponenten entworfen. Folgende Informationen werden dabei an die Kalkulation weitergegeben: x Erforderliche Mannschaftsstärke für die einzelnen Bauphasen und Bauaktivitäten. Die Mannschaftsstärke wird meistens einzelnen Leistungspositionen zugeordnet und in einem Histogramm über die Bauzeit dargestellt. x Geräteliste (in Zusammenarbeit mit der maschinentechnischen Abteilung erstellt) mit allen Hauptbaugerätekomponenten und deren Verweildauer auf der Baustelle. Zusätzlich werden die Hauptkomponenten der Baustelleneinrichtung sowie die erforderlichen Infrastrukturaufwendungen für das Aufstellen der Produktionsanlage vor Ort vorgegeben. x Zusammenstellung der Bauhilfsmassnahmen sowie deren Einsatzhäufigkeit x Leistungsansätze für die kalkulatorischen Ermittlungen der Lohnkosten der Einzelleistungspositionen, z.B. Betonierleistung in h/m3-Beton, Aufstellen und Umsetzen von Schalung in h/m2
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
x Baustellenorganigramm mit Auflistung des entsprechenden Leitungsund Administrationspersonals x Gesamtprojektterminplan als Beilage zur Angebotsabgabe x Beschreibung der Baumethoden (falls im Rahmen der Ausschreibung verlangt) 9.6.6 Kalkulationsabteilung Aufgaben der Kalkulation
Der Ablauf, die notwendigen Informationen und die Aufgaben der Kalkulation [9-9] sind in Bild 285 dargestellt. Überblick der Submissionsunterlagen
Personalbedarf
Begehung der Baustelle
Maschinen- und Geräteliste
Detailstudium der Angebotsunterlagen
Kalkulationslöhne Kalkulationszuschläge
Bauherr
Hauptkubaturen
Approximative Angebotssumme
Installationsplan
Bauprogramm
Subunternehmerpreise, Grundpreis der Hauptmaterialien, Transportkosten
Überprüfung
Plausibilität
Vorkalkulation der Einzelkosten der Teilleistungen
Erfahrungswerte
Vorkalkulation der Gemeinkosten der Baustelle
Preisschätzwerte
Bildung von Schlussblatt und Umlagen sowie der Einheitspreise durch Umlage der Zuschläge
Angebot / Offerte Einheitspreise pro Ausschreibungsposition oder Global- / Pauschalpreis Installationspreis + Regiepreis
Informationen Aufgaben
Bild 285: Ablauf der Kalkulation [9-9]
Der Kalkulator muss alle Ergebnisse der Projektmitarbeiter (Bild 283) integrieren und kostenmässig bewerten; dazu muss er sich mit allen kosten-
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen
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relevanten Einflüssen aus rechtlichen, kommerziellen oder technischen Anforderungen und Bedingungen vertraut machen. Die beteiligten Spezialisten müssen alle Ergebnisse so aufbereiten und zusammenfassen, dass sie, mit den Kostenarten (Lohn, Material, Geräte und Fremdleistungen) multipliziert, zur Kostenbildung führen. Die Aufgabe des Kalkulators ist es, alle hinsichtlich der Herstellung und der Risiken kostenrelevanten Beurteilungen durchzuführen. Dabei besteht seine erste Hauptaufgabe darin, die Einzelkosten der entsprechenden Teilleistungen und die Gemeinkosten der Baustellen festzustellen. Für die einzelnen Risiken muss er die Eintretenswahrscheinlichkeit, die Tragweite und die Risikokosten ermitteln. Des Weiteren entscheidet der Kalkulator mit dem Angebotsteam darüber, welche Leistungen am Markt bezogen werden. Die Kalkulation ermittelt die zulässigen und notwendigen Subunternehmerleistungen und prüft, ob im Vertrag besondere Anforderungen an Materialqualität oder -herkunft gestellt werden. Daher gehören auch die entsprechenden Preisanfragen für Material, Bauleistungen, Gerätemiete etc. für das jeweilige Projekt zu den Aufgaben des Kalkulators; diese Aufgabe kann er jedoch auch an die maschinentechnische Abteilung bzw. Einkaufsabteilung delegieren, da diese entsprechende Fachkompetenz und Marktkenntnisse besitzen. Neben diesen Hauptaufgaben ist es wichtig, dass der Kalkulator vor der endgültigen Angebotsbearbeitung zusammen mit den Mitarbeitern der Arbeitsvorbereitung die zukünftige Baustelle besichtigt. Die gewonnenen Ortskenntnisse sind zwar von der Arbeitsvorbereitung auszuwerten, jedoch benötigt der Kalkulator zur Aggregation seiner Einzelelemente einen umfassenden Überblick. Die Baustellenbesichtigung ermöglicht das visuelle Erkennen eventueller Problemstellungen, die aus zweidimensionalen Planungsunterlagen oft nicht hervorgehen. Man erhält im Regelfall ein klares Bild über Topografie, Oberflächengeologie, Nachbarschaft, Zugangsmöglichkeiten zur Baustelle und die mögliche Baustelleneinrichtung. Auch erkennt man sehr schnell, ob in näherer Umgebung zusätzliche Lagerplätze, Deponien etc. vorhanden sind. Nach Ermittlung der Einzelkosten der Teilleistungen, der Kosten der Baustelleneinrichtungen und der Allgemeinkosten der Baustelle bereitet der Kalkulator das Schlussblatt für die Schlussbesprechung vor. Das Schlussblatt enthält die Herstellkosten, Gerätekosten, Baustelleneinrichtungskosten, die laufenden Kosten für Energie, Kleinmaterialien und Kosten der Baustellenleitung, Versicherungs- und Garantiekosten, allgemeine Geschäftskosten des Unternehmens, Risiko und Profit sowie Preisänderungskosten. Dem Kalkulator fällt damit die Aufgabe zu, die Ergebnisse, die in den einzelnen Fachabteilungen entwickelt worden sind, zu integrieren und kostenmässig zusammenzufassen (Bild 283 und Bild 285).
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Projektrisikoanalyse in der Kalkulations- bzw. Angebotsphase
Der Risikomanagementprozess ist ein integraler Bestandteil des Angebotsmanagements, dessen Ergebnisse der Kalkulator bei der Gestaltung des Angebotspreises berücksichtigen muss (s. Kapitel 11). Die einzelnen Bereiche bzw. Projektmitglieder des Angebotsbearbeitungsteams leisten dabei ihren fachspezifischen Beitrag, der darin darin besteht, die spezifischen x juristischen und vertraglichen, x technischen sowie x finanziellen Risiken zu identifizieren und zu bewerten. Risikomanagement (RM) ist ein integraler Prozess der Angebotsbearbeitung [9-2], in dem alle Beteiligten der Angebotsprojektgruppe ihren spezifischen Beitrag leisten und zu dessen Durchführung mehrere aufeinander folgende Teilprozesse, unterteilbar in sechs Abschnitte, durchzuführen sind (Bild 286): x x x x x x
Identifikation Bewertung Klassifizierung Bewältigung Berechnung der Risikokosten Controlling
Den Ablauf des Risikomanagements im Rahmen der Angebots- und Ausführungsbearbeitung findet man bei BUSCH [9-2]; er ist wie folgt strukturiert: Die Risikoidentifikation ist die „Sammlung“ von Risiken und erfolgt ursachenbezogen. Eine mangelhafte Identifikation wirkt sich negativ auf den gesamten Risikomanagementprozess und damit auf die Projektabwicklung aus. Nur bei Risiken, die das Unternehmen und seine Entscheidungsträger erkannt haben, kann später durch Bewältigungsmassnahmen eine Risikobegrenzung erreicht werden. Die Bewertung und Klassifizierung kann man unter dem Oberbegriff Risikoanalyse zusammenfassen. Ziel der Risikobewertung ist die Prognose von Eintretenswahrscheinlichkeiten (W) und Tragweiten (T) der identifizierten Risiken, d.h., in welchem Grad sie das Erreichen der Projektziele gefährden können. Die Bewertung der Eintretenswahrscheinlichkeit erfolgt in der Regel ursachenbezogen in Prozent. Die Art der Quantifizierung der Tragweite richtet sich nach dem Zweck der Durchführung des Risikomanagementprozesses. Sie erfolgt generell wirkungsbezogen und ergibt sich aus den möglichen Auswirkungen im Fall des Risikoeintritts (W = 1).
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen
603
Risikoidentifikation
Risikoanalyse Risikobewertung
Risikoklassifizierung
Risikobereitschaft
Risikostrategie Risikobewältigung
Eliminieren
Vermindern
Akzeptieren
Versichern
Übertragen
Berechnung der Risikokosten
Risikocontrolling
Bild 286: Risikomanagementprozess
In der Angebotsphase geht es z.B. darum, einen adäquaten Risikozuschlag auf das Angebot zu ermitteln; deshalb ist eine Bewertung in Geldeinheiten sinnvoll. Soll der Fertigstellungstermin prognostiziert werden, so muss man eine Bewertung in Verzugstagen anstreben. Das Produkt aus Eintretenswahrscheinlichkeit W und Tragweite T ergibt den Erwartungswert der Risikokosten, der sich somit aus einer ursachen- und einer wirkungsbezogenen Grösse zusammensetzt. Die Bestimmung der Eintretenswahrscheinlichkeit kann über x die Auswertung statistischer Datensätze oder durch x Expertenschätzungen erfolgen. In Bauunternehmen stehen erfahrungsgemäss kaum umfangreiche Datensätze zur Verfügung, so dass Expertenschätzungen in den meisten Fällen die einzige Möglichkeit zur Bestimmung der Eintretenswahrscheinlichkeit eines Risikos bieten. Die Tragweite eines Einzelrisikos lässt sich generell durch drei verschiedene Methoden bestimmen: x Auswertung statistischer Datensätze x überschlägige Berechnung der Kosten bzw. Terminabweichungen (Kalkulation) x Schätzung der entstehenden Kosten bzw. Terminabweichungen durch erfahrene Personen/Experten
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Auch hier gilt, dass in der Regel keine statistischen Datensätze in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, so dass die Anwendung überschlägiger Berechnungen bzw. Kalkulationen oder Expertenschätzungen zweckmässig ist. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass zuerst ein Szenario des Risikoeintritts aufgestellt werden muss, das eine genaue Analyse der möglichen Ursachen, des Risikoereignisses an sich sowie der sich daraus ergebenden Auswirkungen beinhaltet. Zur Bewertung von Risiken über Schätzungen existieren verschieden aufwendige und genaue Methoden. Allen Bewertungsmethoden ist jedoch gemeinsam, dass die Qualität des Ergebnisses nur so gut ist wie die Qualität der Expertenschätzungen. Mit unpräzisen, oberflächlichen Risikoschätzungen ergeben sich nur wenig aussagekräftige Ergebnisse. Die Risikoklassifizierung stellt die Schnittstelle zwischen Bewertung und Bewältigung dar. Die identifizierten Risiken haben aufgrund der Bewertung unterschiedliche Bedeutung für das Projekt. Risiken mit grosser Tragweite und hoher Eintretenswahrscheinlichkeit werden als bedrohlicher eingestuft als Risiken mit kleiner Tragweite und niedriger Eintretenswahrscheinlichkeit. Aufgabe der Klassifizierung ist es nun, die Risiken nach der Behandlungsbedürftigkeit zu sortieren, so dass man sich in den anschliessenden Teilprozessen auf die wichtigsten Risiken beschränken kann. Für dieses Vorgehen sprechen zwei Gründe: x Für die Projektbearbeitung stehen nur begrenzte Ressourcen (Zeit, Personal und Geld) zur Verfügung. x Die Verhältnismässigkeit zwischen Tragweite und Bewältigungsaufwand muss gewährleistet sein. In der Risikobewältigung wird untersucht und entschieden, wie mit den Risiken umgegangen wird, d.h., welche aktiven und reaktiven Massnahmen geplant und umgesetzt werden sollen. Dieses Vorgehen wird in erheblichem Mass von der im Unternehmen implementierten Risikostrategie bzw. von der Risikobereitschaft der Entscheidungsträger beeinflusst. Zunächst prüft man, welche Behandlungsalternativen überhaupt zur Verfügung stehen, um dann eine Entscheidung über eine angemessene Behandlung zu fällen. Diese muss bestimmte Vorgaben und Neben- bzw. Randbedingungen berücksichtigen und einhalten. Die gewählte Alternative erfordert anschliessend eine angemessene Umsetzung. Da alle Behandlungsarten entweder mit Sicherheit (Versicherungsprämien, Massnahmen zur Minimierung) oder mit einem gewissen Erwartungswert (Schaden bei eingetretenem Risiko) Kosten verursachen, ist eine Auswahl der Behandlungsart über die Risikokosten sinnvoll. Sollen die Gesamtrisikokosten eines Projekts berechnet werden, so erfolgt dies nach der Risikobewältigung. Da sich durch getroffene Entschei-
9.6 Aufgaben der beteiligten Fachabteilungen
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dungen und ergriffene Massnahmen für das Unternehmen eine veränderte Risikosituation ergibt, müssen die vom Unternehmen zu tragenden Restrisiken neu bewertet werden. Die Risikokosten des Projekts werden je nach Unternehmensstrategie im Angebotspreis berücksichtigt. Die Verfahren zur Berücksichtigung der Risikokosten in der Angebotskalkulation findet man bei GIRMSCHEID [9-9]. Am Ende des Risikomanagementprozesses steht das Risikocontrolling, bei dem es darum geht, die Risikosituation, wie sie sich nach der Identifikation, der Analyse und der Bewältigung präsentiert hat, im weiteren Projektverlauf zu beobachten. Zusätzlich erfolgt eine Überprüfung, ob die gewählten Bewältigungsmassnahmen wirksam und effizient waren. Es ist vor allem zu untersuchen, ob die gewünschte Wirkung erreicht wurde bzw. ob die gewählten Massnahmen der Verhältnismässigkeit der Situation angepasst waren. Treten Abweichungen zwischen Soll- und Istgrössen auf oder ergibt sich eine neue Informationslage, so ist eine neue Risikoanalyse durchzuführen. Daraus kann sich erneut die Notwendigkeit ergeben, neue Massnahmen einzuleiten. Da sich die Risikolage eines Unternehmens kurzfristig entscheidend ändern kann, ist das operative Risikomanagement als kontinuierlicher Prozess über den gesamten Leistungserstellungsprozess des Unternehmens anzuwenden, wobei die Schwerpunkte der Durchführung einzelner Prozesselemente je nach Phase der Leistungserstellung variieren können. Mindestens zu Beginn eines neuen Teilprozesses der Leistungserstellung ist der Risikomanagementprozess erneut zu durchlaufen (Bild 287).
Bild 287: Einbindung des Risikomanagements in den Leistungserstellungsprozess eines Bau- bzw. Generaluntenehmens
Der Risikomanagementprozess wird erstmalig in der Angebotsbearbeitung zur Ermittlung der Risikokosten angewendet. Kommt es anschliessend zu Verhandlungen mit dem Bauherrn, führen diese in der Regel durch Forderungen oder Änderungswünsche des Bauherrn zu einer veränderten Risikolage. Dies erfordert wiederum ein erneutes Durchlaufen des Risikomanagementprozesses. Dazu übernimmt man die bereits identifizierten Risiken
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
aus der Angebotsbearbeitung und sucht durch die veränderte Ausgangslage neu entstandene Risiken. Die Risikoanalyse ist nicht nur auf neu identifizierte Risiken anzuwenden, sondern auch bekannte Risiken sind dahingehend zu untersuchen, ob eine Modifikation der getroffenen Massnahmen erforderlich ist. Mit einem neuen Durchlauf des Risikomanagementprozesses sollte man allerdings erst beginnen, wenn er für die vorangegangene Leistungserstellungsphase vollständig abgeschlossen ist, eine Veränderung in der Abwicklung der Leistungserstellung eintritt oder ein vorher nicht erkanntes Risiko sichtbar wird. Anforderungen an die Vorkalkulation
Die Vorkalkulation [9-9] dient zur Ermittlung der zu erwartenden Selbstkosten für die Erstellung des Bauwerks. Die Grundlage für diese Kostenermittlung sind Erfahrungswerte, die unter anderem auch aus der Nachkalkulation vorhergehender Bauvorhaben gewonnen werden. Dazu ist es erforderlich, innerhalb des Bauunternehmens eine einheitliche Methode zur möglichst lückenlosen Erfassung der Kosten zu definieren. Beim Einsatz neuer Geräte oder Verfahren müssen diese Werte geschätzt werden. Anhaltswerte für Abschreibung, Reparatur und Energieverbrauch von Maschinen und Geräten können der Baugeräteliste [9-1], der Schweizerischen Bauinventarliste [9-17], den betriebsinternen Verrechnungssätzen (BIV) [9-15] und den Inventar-Grunddaten (IGD) [9-16] entnommen werden. Für neue Verfahren können Kostenansätze mithilfe der Standardanalysen (SBV) [9-14] gebildet werden. Die Kosten sind bei der internen Kalkulation vor der Umlage verursachergerecht den Leistungspositionen (LV) zuzuordnen. Bei offensichtlichen Fehlern in den Ausschreibungsunterlagen (Mengen) tendieren manche Unternehmen dazu, einzelne Positionen in ihrem Angebot an den Bauherrn spekulativ zu verändern, um von diesen Fehlern zu profitieren. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen muss der Verhandlungsführer die tatsächlichen Kosten kennen, damit er die Folgen von Minder- oder Mehrmengen sowie den Wegfall einzelner Positionen zügiger berechnen kann. Die Übereinstimmung mit dem betrieblichen Rechnungswesen und der Nachkalkulation einzelner Projekte ist sicherzustellen. Übersichtlichkeit in Struktur und Aufbau der Kalkulation dient zur raschen Überprüfbarkeit der Annahmen und Berechnungen. Die Handhabung der Kalkulation sollte einfach und sicher sowie nicht nur dem Ersteller verständlich sein.
9.7 Prüfung, Schlussgespräch und Angebotsabgabe
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9.7 Prüfung, Schlussgespräch und Angebotsabgabe 9.7.1 Angebotsprüfung Nach Fertigstellung der Kalkulation [9-9] ist das Angebot auf Plausibilität zu prüfen. Hierfür bieten sich unterschiedliche Verfahren an. Hauptmassen: Zur Überprüfung der Hauptmassen kann man eine Überprüfung der Beton- und Stahlmassen pro m2 Bauwerkfläche (z.B. Brücken) oder pro m3 (z.B. Stahlbewehrung in Stützen, Decken) durchführen. Preis über Quadratmeter: Aus den Nachkalkulationen ähnlicher Projekte lassen sich Preise pro m2 berechnen, indem die Gesamtbausumme durch die Nutzungsfläche dividiert wird. Eine Differenzierung kann man durch die Darstellung der m2-Preise je nach Typus der Nutzfläche (Sanitärräume, Grünflächen, Büros, Kantine etc.) vornehmen. Preis über Kubikmeter: Analog dem Preis über Quadratmeter lassen sich Vergleichswerte über den Preis pro m3 umbauten Raum darstellen. Preis pro Einheit: Alternativ zu Quadratmeter- oder Kubikmeterpreisen lassen sich je nach Objekt auch andere Vergleichspreisformen ermitteln. Hierbei steht je nach Objektnutzung die funktional gewichtigste Einheit als Berechnungsgrundlage zur Verfügung, z.B. im Parkhausbau der Preis pro Parkplatz oder im Kinobau der Preis pro Sitzplatz. In jedem Fall sind diese unternehmenseigenen Daten mit weiteren Marktpreisen zu vergleichen. Ein weiteres Indiz für die Plausibilität der Kalkulation ist das Verhältnis der Summe der Direktkosten zu den Kosten der Baustelleneinrichtung. Entspricht das Verhältnis nicht dem üblichen Erfahrungswert, ist zu überprüfen, ob entweder Kosten übersehen worden sind oder ob das gewählte Bauverfahren optimiert werden kann bzw. bestimmte Leistungen durch Subunternehmer günstiger anzubieten sind. 9.7.2 Schlussgespräch Das vom Kalkulator aufgestellte Schlussblatt dient als Hauptgrundlage für das Schlussgespräch. Im Schlussgespräch stellen der Projektleiter und der Kalkulater der Geschäftsleitung das Ergebnis der Angebotsbearbeitung vor. Je nach Umfang und Komplexität des Angebots nehmen auch weitere Projektmitglieder am Schlussgespräch teil, um spezifische Fragen gezielt beantworten zu können. Im Schlussgespräch werden im Besonderen die Risiken und die Marktlage diskutiert und bewertet. Die Geschäftsleitung entscheidet in seinem Verlauf einerseits über die Gewinnmarge, andererseits bewertet sie mit den Fachspezialisten die Risikokosten, die sich aus
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
den bewerteten Einzelrisiken ergeben. Zusätzlich wird im Allgemeinen ein Risikozuschlag gewählt, der zusätzliche Imponderabilien, die auch bei sorgfältigster Angebotsbearbeitung nicht erkannt wurden, abdecken soll. Ferner definiert die Unternehmensleitung bereits jetzt weitgehend den Verhandlungsrahmen, falls das Angebot in die engere Auswahl kommt. Die Angebotstaktik wird festgelegt, allfällige Vorbehalte werden formuliert, und das Angebotsschreiben wird in der endgültigen Form abgefasst. 9.7.3 Angebotsabgabe Nach dem Schlussgespräch muss der Kalkulator die entsprechenden Änderungen der Umlagekosten bzw. deren Gewichtung auf die Einzelpositionen vornehmen und die Preise für die ausgeschriebenen Leistungspositionen ins Leistungsverzeichnis eintragen. Ferner müssen alle erforderlichen, in der Ausschreibung verlangtenAngebotsunterlagen zusammengestellt werden. Dazu zählen meist der Terminplan, Pläne zur Darstellung einzelner Bauverfahren und Baumethoden, Beschreibung der Baumethoden und Bauabläufe, Projektqualitätshandbuch, Pläne und Angaben zur Arbeitsund Umweltsicherheit etc. Diese Unterlagen werden in einer möglichst ansprechenden Form übersichtlich gegliedert an den Bauherrn versandt. Dabei ist es besonders wichtig, dass der Abgabetermin eingehalten wird, da eine verspätete Abgabe des Angebots zur Ablehnung führen kann.
9.8 Verhandlungsphase Das Ziel der Auftragsverhandlungen mit dem Bauherrn ist es, einen weitgehend lückenlosen Vertrag auszuarbeiten, um Streitigkeiten in der Phase der Bauausführung möglichst zu vermeiden und für alle Leistungen, die während der Bauzeit auftreten könnten, einen Vergütungsanspruch geltend machen zu können. Der Unternehmer steht in dieser Phase unter starkem Wettbewerbsdruck. Er kann deshalb nicht beliebige und beliebig viele Vorbehalte vorbringen, die er in der Phase der Angebotsbearbeitung festgehalten hat, sonst wird er vor die Wahl gestellt, entweder Vorbehalte fallen zu lassen oder aber den Auftrag nicht zu erhalten. Er befindet sich also auf einer Gratwanderung mit einem meist nur kleinen Spielraum. Das Dilemma des Unternehmers kann folgendermassen verdeutlicht werden: Äussert er in der Verhandlungsphase einen Vorbehalt, den der Bauherr nicht gelten lässt, so wird dies in den entsprechenden Protokollen vermerkt. Dadurch sind nachträgliche Forderungen des Unternehmers, die
9.9 Auswertung der Submissionsergebnisse
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sich auf jenen Vorbehalt beziehen, nicht mehr durchzusetzen, weil er in den Verhandlungen explizit erwähnt und abgelehnt wurde. Bringt der Unternehmer jedoch einen Vorbehalt in der Verhandlungsphase absichtlich nicht zur Sprache und versucht später, daraus eine Mehrvergütung zu fordern, so wird ihm der Bauherr vorwerfen, er hätte sich dazu bereits in den Verhandlungsgesprächen äussern müssen. Das unternehmerische Geschick wird stets einen grossen Einfluss darauf haben, wie die Verhandlungsphase verläuft. Zu viele Vorbehalte belasten das Verhältnis mit dem Bauherrn, zu wenige hingegen können den Gewinn des Unternehmers vermindern. Die Kunst liegt darin, die Risiken aus nicht vorgebrachten Vorbehalten abzuschätzen und schon in der Kalkulation zu berücksichtigen, oder aber die Begründung und Geltendmachung entsprechender Nachträge in der Bauausführung bereits in der Phase der Angebotsbearbeitung vorzubereiten und festzuhalten [9-10].
9.9 Auswertung der Submissionsergebnisse Eine wichtige Aufgabe für ein jedes Bauunternehmen ist die möglichst systematische Auswertung der Submissionsergebnisse. Das Ziel dieser Auswertung sollte die Feststellung der generellen Wettbewerbsposition sowie der spezifischen Wettbewerbsposition im Hinblick auf spezielle Konkurrenten und Bauwerkstypen sein. Der Vergleich soll einer permanenten kritischen Überprüfung der eigenen Leistungsfähigkeit im Vergleich zu den Konkurrenten dienen. Dabei ist nicht das einzelne Ergebnis entscheidend, sondern die Tendenz. Bild 288 zeigt ein Szenario von drei Bauunternehmen, die unterschiedlich erfolgreich am Markt agieren. Neben der Beurteilung der strategischen Erfolgspositionen sind auch einige mögliche Massnahmen angegeben, um erfolgreich Korrekturen vorzunehmen. Diese Massnahmen (Bild 289) müssen dann in der Unternehmensstrategie veranlasst und bei der Angebotsprojektbearbeitung operativ umgesetzt werden.
610
9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
Bild 288: Anpassung der Kosten an den Marktpreis – Beurteilung [9-9]
Bild 289: Anpassung der Kosten an den Marktpreis – Massnahmen [9-9]
Literatur
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9 Angebotsmanagement in Bauunternehmen
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
10.1 Umfang des Ausführungsmanagements Fast jedes Bauwerk besitzt Unikatcharakter und ist gekennzeichnet durch: x Errichtung am Ort der Nutzung und damit individuelle topografische, geologische, verkehrstechnische und nachbarliche Bedingungen x individuelle Architektur und Baustoffkombination x regionale Bau- und Umweltgesetze x individuelle Vertragsgestaltung, Bauherrenorganisation und Projektabwicklungsform Diese Charakteristik beeinflusst und gestaltet den Bauproduktionsprozess, der daher für jedes Bauwerk individuell geplant werden muss, um eine technisch wie ökonomisch optimale Abwicklung zu erreichen. Dies unterscheidet den Bauproduktionsprozess von fast allen anderen Produktionsprozessen in stationären Produktionsanlagen mit Massen- und kundenindividuellen Produkten. Kein individuelles Industrieprodukt hat im Verlauf der Transaktion von der Planung bis zur Herstellung so ausgeprägte Charakteristiken in Bezug auf x x x x
Integrativitätsgrad, Interaktionsgrad, Individualitätsgrad und Immaterialitätsgrad.
Das bedeutet, dass der Bauherr in fast allen Phasen des Bauprozesses seine individuellen Bedürfnisse und Vorstellungen in den Prozess integrieren möchte. Dies ist nur durch eine starke Interaktion möglich. Bei einem individuellen Industrieprodukt spezifiziert der Bauherr seine technischen sowie Qualitäts- und Leistungsanforderungen und überlässt dem Hersteller die Gestaltung und Produktion des Produkts, ohne sich um die Details zu kümmern. Bei einem Bauwerk jedoch müssen die individuellen Wünsche des Bauherrn von der funktionalen und architektonischen Gestaltung bis zur Auswahl der Farben für den Aussenputz oder Form und Grösse der
614
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Keramikplatten im Verlauf des Bauprozesses interaktiv zwischen Bauherr, Architekt und Bauunternehmer integriert werden. Jede im Leistungsverzeichnis ausgeschriebene Bauleistung hat in gewissem Umfang immer noch einen relativ hohen Immaterialitätsgrad. Dieser Besonderheit muss ein Bauunternehmen im Rahmen des Ausführungsmanagements Rechnung tragen, um die Bauausführung zu einer Erfolgsstory für sich werden zu lassen. Als Erfolgsstory wird in den Bauunternehmen und im Besonderen von den Baustellenchefs nur der finanziell erfolgreiche Abschluss der Baustelle verstanden, den weniger kundenorientierte Leistungsanbieter durch möglichst viele Nachträge zu erreichen versuchen. Eine erfolgreiche Abwicklung einer Baustelle muss heute jedoch umfassender als Key Account Management und Bauproduktionsprozessmanagement verstanden werden. Dabei sind x die finanziell erfolgreiche Abwicklung der Baustelle, x die Einbindung des Bauherrn und der Bauherrenvertreter in den Produktionsprozess durch regelmässige Information über Ablauf, Termine und Qualität, ohne jedoch die Kompetenz über den Bauproduktionsprozess zu teilen, und x konstruktive und faire Problemlösungsstrategien sowie problemorientiertes und fairesNachtragsmanagement als Erfolgsdeterminanten zu definieren. Jeder Baustellenchef muss sich als Bauproduktions- und Key Account Manager verstehen. Dies ist eine sehr komplexe Aufgabe, die weit über die reine technische Kompetenz hinaus geht und ein hohes Mass an sozialer Kompetenz verlangt. Nur ein zufriedener, fair und kompetent bedienter Kunde wird mit dem Bauunternehmen in Zukunft wieder zusammenarbeiten oder es weiterempfehlen. Damit ist der Baustellenchef auch für die Kundenbindung verantwortlich, da er die Bauleiter und Entscheidungsträger des Kunden persönlich kennen lernt. Bei entsprechender Kompetenz wird der Kunde diese Kontakte nutzen, um das Bauunternehmen frühzeitig, z.B. beratend, bei neuen Projekten einzubinden. Daher ist, neben der kompetenten technischen Ausführungsvorbereitung und der Durchführung des Bauproduktionsprozesses, der Aufbau einer systematischen, regelmässigen, institutionalisierten Kommunikation zum Bauherrn ein Schlüssel zum Erfolg. Dies verlangt vom Baustellenchef eine starke, offene, flexible Persönlichkeit, die die Interessen des Unternehmens mit Kompetenz umsetzt, die dazugehörigen Massnahmen kommuniziert und trotzdem für die Fragen und Bedürfnisse des Bauherrn offen ist. Das Ausführungsmanagement [10-14] im Leistungserstellungsprozess (Bild 290) eines Bauunternehmens umfasst die Phasen der Ausführungs-
10.1 Umfang des Ausführungsmanagements
615
vorbereitung, des Ablaufs der Bauausführung und der Übergabe bzw. Inbetriebnahme. Die umfassende Planung der Vorbereitung ist der Grundstein für einen technisch und finanziell erfolgreichen Ablauf der Bauausführung. Sie baut auf einer soliden und robusten Angebotsbearbeitung und der daraus resultierenden Angebots- und Auftragskalkulation auf. Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebots bearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions - Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme / Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 290: Die Prozesse in einem Bauunternehmen
Die Schlüsselelemente einer erfolgreichen Ausführungsvorbereitung sind (Bild 291): x Vertragskontrolle nach Auftragserteilung x Baustellenbegehung x Erstellung einer Arbeitskalkulation als Basis der Baustellensteuerung und der Vergabe von Subunternehmeraufträgen x Planung des Bauproduktionsprozesses mit Festlegung der Bauverfahren sowie der erforderlichen Geräte, Bauhilfsstoffe und Leistungsvorgaben x Entwicklung des Projektorganisations- und Kommunikationskonzepts x detaillierter Termin- und Ressourcenplan für Personal, Geräte, Bauhilfsstoffe, Materialien gemäss den zeitlich veränderlichen Anforderungen des Bauproduktionsprozesses x Planung der Baustellen- und Sicherheitseinrichtungen gemäss den aufgabenorientierten, zeitlich veränderlichen Anforderungen des Bauproduktionsprozesses x Erstellung eines Projektqualitätshandbuchs auf der Basis des betrieblichen Qualitätsmanagementsystems
616
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Die Planungsvorgaben der Ausführungsvorbereitung müssen dann situativ flexibel in den Bauproduktionsprozess vor Ort, d.h. am Ort der Entstehung des Bauwerks, umgesetzt werden. „Situativ flexibel“ bedeutet, dass auch eine noch so gute Bauproduktionsplanung stetige Anpassungen vor Ort verlangt, die durch Wetterverhältnisse, Differenzen zwischen prognostizierten und realen geologischen und hydrologischen Bedingungen, Differenzen zwischen prognostizierten und realen Leistungen usw. bedingt sein können. Die Schlüsselelemente einer erfolgreichen Bauausführung, die auf einer soliden Ausführungsvorbereitung aufbaut, sind: x Aufbau einer den Aufgaben und den zeitlichen Phasen der Baustelle angepassten Organisation x zügige Erstellung der Baustelleninstallation sowie technische und zeitliche Anpassung an die Anforderungen des Bauproduktionsprozesses x Wahl der optimalen Bauverfahrenstechnik für die jeweilige Aufgabe und kontinuierliche Verbesserung der Abläufe des Leistungserstellungsprozesses x kontinuierliche Sicherstellung und Überprüfung der Qualität und der Arbeitssicherheit x optimal geplante und situativ angepasste Logistik x wöchentliche Arbeitsprogramme und monatliche Leistungskontrolle x systematisches und faires Nachtragsmanagement x Sicherstellung der offenen Kommunikation mit dem Bauherrn, Dritten, der Baustellenführung und den Baustellenmitarbeitern sowie Subunternehmern durch Routinebesprechungen und informelle Kontakte x systematische monatliche Termin- und Kostenkontrolle und Steuerungsmassnahmen zur Zielerreichung bzw. -verbesserung x regelmässige Rechnungsstellung x mängelfreie Übergabe des Bauwerks Das Ausführungsmanagement gliedert sich in die in Bild 291 dargestellten Prozessphasen mit den dazugehörigen Meilensteinen.
10.1 Umfang des Ausführungsmanagements
Bild 291: Phasen und Meilensteine des Ausführungsmanagements [10-14]
617
618
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
10.2 Bauproduktionsplanung 10.2.1 Einleitung Bei der Bauproduktion sowie bei der Planung der Bauproduktion müssen die folgenden axiomatischen Grundsätze der Bauproduktionstheorie bzw. der Bauproduktionsplanung erfüllt werden: Axiome der Bauproduktionstheorie 1. Axiom: Wertschöpfung erfolgt in einem technologisch getriebenen Transformationsprozess unter Nutzung von Produktionsfaktoren vom Input von Ideen, Material etc. zum Output von Leistungen und Produkten. 2. Axiom: Wertschöpfung ist die Differenz zwischen Kundenwert und Kosten des Inputs und der Produktion. 3. Axiom: Produktion ist die Transformation des Inputs zum Output. 4. Axiom: Technologie ist das Mittel für die Transformation von Input zum Output und die Wertgenerierung. 5. Axiom: Das ökonomische Minimalprinzip ist leitend für definierten Output. 6. Axiom: Nicht wertschöpfende Aktivitäten und Verluste müssen minimalisiert werden. Axiome der Bauproduktionsplanung 7. Axiom: Der Produktionsentscheidungsprozess ist zweidimensional. - Technologie: baut auf vorhandenen Technologien und ihrer selektiven Anwendung auf - Minimum an Kosten: ökonomisches Minimalprinzip, um das Produktionssystem aus den technisch möglichen Varianten zu identifizieren 8. Axiom: Produktionsprozesssteuerung muss als kybernetischer Regelkreis verstanden werden, bei dem ein Zielwert erreicht werden soll. 9. Axiom: Produktion wird durch die P + WBS (process and work break down structure) in einzelne Prozesse und Tätigkeiten geglie-
10.2 Bauproduktionsplanung
619
dert; darauf aufbauend werden mit den Mitteln des Operation Research der kritische Weg / die kritischen Ressourcen und mit dem ökonomischen Minimalprinzip die minimalen Kosten bestimmt. Die Realisierung einer Bauaufgabe findet in zwei unterschiedlichen Bearbeitungsstadien statt: x Planungsprozess/Planungsphase – Gestaltung des Bauwerks x Bauproduktionsprozess/Ausführungsphase – Herstellung des Bauwerks Der Planungsprozess beinhaltet den Entwurf und die technische Planung, um die Idee des Bauherrn realisierbar zu machen, und berücksichtigt dessen Vorstellungen hinsichtlich Funktionserfüllung und Ästhetik sowie die örtlichen und räumlichen Gegebenheiten. Der Bauproduktionsprozess (Herstellungsprozess) dient der Realisierung (Materialisierung) der Planung unter Einsatz baubetrieblicher Mittel mit dem Ziel, die gewünschte Qualität in der vorgegebenen Zeit mit einem Minimum an Kosten zu erreichen. Zu dieser Aufgabe gehören die Produktionsplanung und die Ausführung des Herstellungsprozesses. Der Planungs- und der Bauproduktionsprozess sind je nach Bauwerk in unterschiedlichem Mass voneinander abhängig. So steht im Hochbau im Allgemeinen die Gestaltung im Vordergrund, während im Tiefbau oder Brückenbau die Bauwerksgestalt in starkem Mass durch die Möglichkeiten der Herstellung beeinflusst wird. Da im Bauwesen im Allgemeinen keine Serien- oder Massenproduktion, sondern eine Einzelfertigung stattfindet, hat die auftragsabhängige, objektgebundene Produktionsplanung der Baudurchführung für die Wirtschaftlichkeit der Ausführung eine ausschlaggebende Bedeutung. Sie legt fest, x wie das Objekt ausgeführt werden soll, x welche Produktionsmittel dabei einzusetzen sind, x in welcher Arbeitsfolge der Bauablauf durchgeführt werden soll. Die Produktionsplanung der Baudurchführung, also des Bauproduktionsprozesses, geschieht durch die Bauverfahrensplanung, Bereitstellungsplanung, Arbeitsablaufplanung und durch den Baustelleneinrichtungsplan (Bild 292). Diese vier Planungsaufgaben können nicht losgelöst voneinander ausgeführt werden, da sie sich gegenseitig beeinflussen. So setzt die Planung einer Baustelleneinrichtung die Kenntnis der anzuwendenden Fertigungs- bzw. Bauverfahren voraus, da diese für die maschinelle Ausstattung der Baustelle ebenso wie für den zu erwartenden Personaleinsatz
620
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
massgebend sind. Von der Ausstattung der Baustelle hängt dann wiederum die Ablaufplanung ab [10-9]. Somit steht die Bauverfahrenstechnik an zentraler Stelle bei der Planung des Bauproduktions- bzw. Herstellungsprozesses.
Bild 292: Planung des Ausführungsprozesses
Im Bauwesen wird der Bauproduktionsprozess durch das Bauverfahren in Bezug auf den Einsatz und die Kombination von Produktionsfaktoren (Menschen, Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Vorrichtungen) zur Be- und
10.2 Bauproduktionsplanung
621
Verarbeitung von Baustoffen festgelegt. Im Rahmen des Bauproduktionsprozesses wird der Input durch einen Transformationsprozess in einen Output umgewandelt. Dabei entsteht der Wert, für den der Kunde einen vereinbarten Preis zahlt. Um die Bauaufgabe zu verwirklichen, ist eine Reihe von Teilaufgaben zu erfüllen, die wiederum in einzelne Prozesse und Einzelvorgänge (Elementarprozesse) gegliedert sind.
Bild 293: Kybernetische Produktionsplanung
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Die Bauproduktionsplanung findet in den drei Stadien des Bauprozesses statt (Bild 293). Bei grösseren Projekten muss der Unternehmer bereits in der Angebotsphase eine Produktionsvorplanung für das ausgeschriebene Projekt machen. Diese Angebots-Produktionsplanung dient zur Bestimmung der kalkulatorischen Vorgaben für den Ressourcenverbrauch (Geräteliste / Teamgrösse / Gesamtlohnstunden / Gerätestunden / Vorhaltezeiten etc.) Falls der Auftrag aufgrund eines Angebots gewonnen werden konnte, wird die Bauproduktionsplanung top-down, mit Basisbauproduktionsprozess- und Ressourcenplan, zur Erzielung des Kostenminimums unter Berücksichtigung der Unsicherheiten / Risiken (Bild 293) optimiert. Während der Ausführung muss die Produktionsplanung an Störungen und eingetretene Unsicherheiten angepasst werden. Dabei handelt es sich um die Organisation der Planung durch Wochenplanung (Detailplanung) und tägliche Vorgaben auf der Basis des monatlich aktualisierten Basisausführungsprozess- und Ressourcenplans (top down). Die Wochenpläne werden von den ausführenden Polieren gemacht und mit den zuständigen Bauleitern abgestimmt (bottom up). Sie umfassen mindestens zwei Wochen im Voraus. Der Basisausführungsprozessplan (BAPP) wird jeden Monat angepasst, um Leistungsdefizite und Abweichungen vom Zielplan aufzufangen. Der BAPP wird bezüglich der Abrufplanung für Geräte, Mannschaften, Material und Subunternehmer auf drei Monate im Voraus detailliert. 10.2.2 Bauproduktionsprozess – Prinzipien und Ablauf Die Bauproduktion ist aufgrund der zu erstellenden Bauglieder sowie der verschiedenen Herstellmethoden / -verfahren je Bauglied hochgradig variabel. Auch wenn das Bauwerk bereits durch die Bauwerksplanung vorgegeben ist und das Hauptziel x minimale Bauproduktionskosten festliegt, ist es nicht einfach, das ökonomische Minimalprinzip zu erreichen. Zudem kennt man in der Regel nur eine begrenzte Anzahl von Bauverfahren. Somit wird es sich auch bei Anwendung analytischer Simulationstools um eine Entscheidung auf Basis begrenzter Rationalität handeln (Weber) [10-24]. Zur Erzielung eines rationalen Entscheidungsprozesses für die Produktionsmethode ist eine systematische, analytisch-generische Bauproduktions-
10.2 Bauproduktionsplanung
623
planung, die gemäss Bild 294 strukturiert ist, durchzuführen. Diese wird im Folgenden erläutert. Bauwerk-Systemgliederung Prozessgliederung Haupt-, Modul- und Elementarprozesse Herstellungsreihenfolge Abhängigkeitsbeziehungen Generisch axiomatische Beziehung
Produktionsverfahren B
Produktionsverfahren N
Modulprozesse je Hauptprozess unter Berücksichtigung generischer Abhängigkeiten
Modulprozesse je Hauptprozess unter Berücksichtigung generischer Abhängigkeiten
nein
Elementarprozesse des jeweiligen Modulprozesses mit Ressourcen belegen und Zeitdauer bestimmen
nein
Prüfung der Gesamtprozessdauer
nein
Prüfung der Hauptprozessdauer
nein
Prüfung der Gesamtprozessdauer
Prüfung der Hauptprozessdauer
nein
ja
nein
Gleichmässig je Team
Prüfung der Gesamtprozessdauer
nein
Prüfung der Hauptprozessdauer
ja Optimierung und Vergleichmässigung der Ressourcenauslastung
Modifikation der Ressourcen
Modifikation der Ressourcen
Optimierung und Vergleichmässigung der Ressourcenauslastung
Elementarprozesse des jeweiligen Modulprozesses mit Ressourcen belegen und Zeitdauer bestimmen
nein
Gleichmässig je Team
Optimierung und Vergleichmässigung der Ressourcenauslastung
Modifikation der Ressourcen
Elementarprozesse des jeweiligen Modulprozesses mit Ressourcen belegen und Zeitdauer bestimmen
Modifikation der Ressourcen
Produktionsverfahren A Modulprozesse je Hauptprozess unter Berücksichtigung generischer Abhängigkeiten
Modifikation der Ressourcen
Modifikation der Ressourcen
Dauer der Hauptprozesse abschätzen und auf Rahmenterminplan/ Meilensteine abstimmen
nein
Gleichmässig je Team
ja Optimales Verfahren Ökonomisches Minimalprinzip KA < KB … < KN NWAA > NWAB … > NWAN Auswahl Verfahren A … … Detailoptimierung der Hauptprozesse während der Ausführung Ressourcen Zeit
Optimiertes Verfahren A
Bild 294: Systemische Bauproduktionsplanung
10.2.3 Bauproduktionsprozessplanung – Schritte Das analytische, generische "top down"-Vorgehen zur Gestaltung bzw. Planung von Bauprozessen zur Entwicklung des Basisbauproduktionsprozesses und Ressourcenplans liegt in der Abfolge folgender Analysen (Bild 294):
624
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
1. Fragmentierung des Gebäudes in Module, Elementklassen und Bauelemente 2. Identifikation von Bauproduktionsverfahren für die Bauelemente 3. Abstimmung der Bauproduktionsverfahren der einzelnen Bauelemente auf Elementklassen (z. B. alle vertikalen Bauelemente eines Gebäudestockwerks bzw. alle horizontalen Bauelemente) 4. Bestimmung der generischen Herstellungsreihenfolge aus konstruktiven, statischen und fertigungstechnischen Anforderungen 5. Vorgabe von zeitlichen Meilensteinen für Gewerkegruppen, die in Hauptprozessen hergestellt werden, aufgrund der vorgegebenen Gesamtproduktionsdauer (Rahmenplan des Bauherrn / Investors) 6. Zerlegung der Hauptprozesse einer Gewerkegruppe in - logische Modulprozesse nach Bauelementen zur Bestimmung der Herstellungsreihenfolge aus konstruktiven, statischen und fertigungstechnischen Gesichtspunkten und - logisch-generische Elementarprozesse zur Herstellung der Bauelemente, z. B. im Zyklus Schalen, Berechnen, Betonieren, Abhärten 7. Bestimmung der Ressourcen und Zeitdauer der Elementarprozesse 8. Erstellung von Risikoübersichten und Identifizieren von Unsicherheiten sowie Abschätzung der Auswirkungen 9. Überprüfung der Hauptprozessdauer unter Berücksichtigung der Herstellungsreihenfolge und der Dauer der Elementarprozesse und Unsicherheiten (probabilistische Puffer) sowie Anpassungen von Ressourcen, falls die Hauptprozessdauer aller Hauptprozesse die Vorgabe der Gesamtbauproduktionszeit überschreitet oder wichtige Meilensteine überschritten werden 10. Wirtschaftliche Optimierung der Bauproduktion nach dem x
ökonomischen Minimalprinzip
a. durch Verfahrensvergleich verschiedener Produktionsvarianten zur Bestimmung des robusten, optimalen Bauproduktionsverfahrens b. durch Detailoptimierung des selektierten optimalen Bauproduktionsverfahrens 11. Auf dieser Optimierung entsteht für das optimale Bauproduktionsverfahren je Hauptprozess unter Berücksichtigung der Interaktionen der
10.2 Bauproduktionsplanung
625
Hauptprozesse auf Logistikebene nun der Basis-Bauproduktionsprozessplan mit den zeitlichen Vorgaben der Elementarprozesse materiellen Vorgaben der Ressourcen 10.2.4 Bauprozesssteuerung Während der Bauproduktion muss der Produktionsprozess in einem kybernetischen, kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) „bottom up“ durch Arbeitswochenpläne detailliert organisiert werden. Dies wird wie folgt erreicht: x Aufbauend auf dem Basis-Bauproduktionsprozessplan und Ressourcenplan sowie auf Leistungsvorgaben müssen die Monats- und Wochenarbeitspläne von den Ausführenden (Operativen) erstellt werden. x Die Monatsarbeitspläne mit den Elementarprozessen, Ressourcenallokationen und Leistungsvorgaben dienen als Basis für die Wochenarbeitspläne des jeweiligen Teams. Hier werden den aktuell geplanten Tätigkeiten für jeden Tag Personen, Geräte, Bauhilfsmaterialien zugeordnet. x Die Wochenarbeitspläne werden wöchentlich fortlaufend und mit einem zweiwöchigen Vorlauf bezüglich der Tätigkeiten detailliert, die aufgrund der Leistungsvorgaben bzw. realen Leistungen mit Stunden hinterlegt werden. Zudem müssen die Teams, die den Wochenarbeitsplänen zugeordnet sind, ihre Aktivitäten koordinieren, um nicht wertschöpfende Aktivitäten zu eliminieren. x Die Monatsarbeitspläne werden aufgrund des „bottom up“-Prozesses monatlich überprüft und fortgeschrieben. Bei Abweichungen werden Korrekturmassnahmen bzw. Risikoverhinderungs- / -reduzierungsmassnahmen eingeleitet, um die Meilensteine und die vorgegebene Gesamtdauer sowie das Kostenziel einzuhalten. x Die Monatsarbeitspläne haben eine Vorausschau und sind Grundlage für die Bereitstellungsplanung und den koordinierten Abruf von Materialien, Spezialisten, Subunternehmern, Material, Geräten und Bauhilfsmaterial. x In den Wochenarbeitsplänen werden die Detailtermine für kollaborative Nachfolgeteams und Arbeiten bestimmt. Ferner erfolgt die Abstimmung mit parallel arbeitenden Teams bezüglich gemeinsamer Nutzung der allgemeinen Baustelleneinrichtung, räumliche und zeitliche Abstimmung von Aktivitäten und Tätigkeiten. Ferner werden die Abrufung von Ressourcen im Wochenarbeitsplan „bottom up“ zum übergeordneten Dis-
626
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
ponieren von Bestellungen, Subunternehmern, Geräten und Personaleinsatz zeitlich genau festgelegt, um Verlustzeiten, z. B. durch Warten, zu eliminieren. Der Bauproduktionsprozess wird auf der Grundlage des „top down“-BasisBauproduktionsplans kybernetisch gestaltet durch x „bottom up“-Elementarprozesse und Tätigkeiten und deren Zielerreichungsgrad sowie Vorschläge von Massnahmen zur Zielerreichung durch KVP x „top down“-Überprüfung der Auswirkung der Wochenzielerreichung auf die Vorgaben des Gesamtbauprozesses bzw. der Rückkopplung auf die „bottom up“-Vorschläge bezüglich Wirkung auf die Gesamtzielerreichung. Ziel ist es, eine Teamverantwortung für die Zielerreichung sicherzustellen. 10.2.5 Vorgehensweise bei der Bauproduktionsprozessplanung Zur systematisch-generischen Gliederung des Bauproduktionsprozesses in Modul- und Elementarprozesse sowie Aktivitäten ist folgende Systematik notwendig:
10.2 Bauproduktionsplanung System-Horizontalgliederung
Gesamtsystem / Bauaufgabe
Projekt Ziel Projekt Alternative A
Baustelle Standort Umgebung
Gebäude / System
Gebäude Ziel
Teilsysteme
Baugrund
Geschoss ...
Einheit Ziel
Räume / Makroeinheiten
Bauelemente - Eigenschaften
Geschoss 1
Einheiten
Gründung
Pfähle
Modulprozesse
Alternative B
Baustelle
Geschosse / Teilsysteme Hauptprozesse
System-Hierarchiestufen
Bauproduktionsprozess
Informationsebene
627
Geschoss n
Einheit Ziel
Einheit Ziel
Einheit Ziel
Raum n-1
Raum n
Raum n+1
Ziel Innenausbau
Ziel Innenausbau
Trennelement
Gebäudeaussenhülle
Geschoss n+1
Ziel Innenausbau
Decke Boden Ausmass Standort Ausmass Standort
Pfahlkopfplatte
Alternative N
Trennelement
Trennelement
Befestigung
Bauelemente
Eigenschaften
Beschichtungen Materialien
Bild 295:
Wände
Fenster/Tür
HKL - Elekt.
Fenster
Ausmass Standort
Ausmass Standort
Ausmass Standort
Ausmass Standort
Rahmenelemente
Konstruktive Abmessungen
Geometrische Abmessungen
Konstruktive Abmessungen
Physikalische Eigenschaften
Höhe/Länge/ Breite
Physikalische Eigenschaften
Oberfläche
Material
Oberfläche
Material
Oberfläche
Material
Oberfläche
Material
Oberfläche
Material
Oberfläche
Material
Systemgliederung einer Bauaufgabe
1. Systemgliederung – Gliederung des Gesamtsystems (Endprodukt Gebäude) in Bild 295: Teilsysteme - Geschosse, Räume, Fassade Module / Bauelemente - Decken, Wände, Fassadenelemente, Fussboden, Fenster, Türen, Putz/Anstrich Eigenschaften - physikalische, technische, architektonische Eigenschaften 2. Prozessgliederung – Gliederung des Bauproduktionsprozesses (der Bauaufgabe) in Modul- und Elementarprozese sowie in Tätigkeiten / Aktivitäten (Bild 295 und Bild 296) zur Herstellung der einzelnen Bauelemente
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 296:
Prozessgliederung einer Bauaufgabe
Als Beispiel für die Prozessgliederung dient die Bauaufgabe „Herstellung einer Brücke“. Die Herstellung der Brücke wird als Bauproduktionsprozess betrachtet (Bild 296). Dieser Bauproduktionsprozess lässt sich in folgende Hauptprozesse gliedern: -
Errichtung einer temporären Baustelleneinrichtung als Vor-OrtProduktionseinrichtung Herstellung des permanenten Unter- und Überbaus der Brücke
Zur Erzielung der einzelnen Hauptprozesse sind weitere Modulprozesse für die einzelnen Bauelemente erforderlich, so z. B. für die Herstellung der Gründung, der Widerlager und Pfeiler sowie der erforderlichen Lager und der Entwässerung etc. Die Zerlegung der Modulprozesse in Elementarprozesse (Bild 297) ist Voraussetzung, um geeignete Verfahrenskombinationen aufzustellen, sie miteinander zu vergleichen und das geeignetste Bauverfahren auszuwählen. Grundforderung in der Verfahrenstechnik ist es, unter Berücksichtigung aller relevanten Einflussfaktoren mit möglichst einfachen und robusten Mitteln eine praxisgerechte Lösung zu finden.
10.2 Bauproduktionsplanung
629
Hierzu muss festgestellt werden, welche Entscheidungsvarianten vorhanden sind, mit welchen Auswirkungen bei der Auswahl einer dieser Möglichkeiten zu rechnen ist und wie man sich entscheiden soll, wenn bestimmte Kriterien gegeben sind. Hierzu können methodische Entscheidungsvorbereitungen (Operations Research) dienen.
Bild 297:
Varianten der Herstellung
3. Herstellungsreihenfolge – Gliederung der Herstellungsreihenfolge der Bauelemente / Bauteile in physikalisch bedingte und lagenbedingte generische Folgeebenen (Bild 295) Tragkonstruktion von unten nach oben Ausbau lagenweise, sequenziell von der Konstruktions- zur Oberflächenebene Befestigungselemente vor Elementmontage konstruktive, stabilitätsbedingte Reihenfolge 4. Abhängigkeitsbeziehungen der Modul- und Elementarprozesse sowie Tätigkeiten in (Bild 295 und Bild 297) upstream – Vorgänger- bzw. Überordnungsabhängigkeit downstream – Nachfolger- bzw. Unterordnungsabhängigkeit lateral – Nachbarabhängigkeit auf gleicher Hierarchiestufe müssen aus konstruktiven, statischen und fertigungstechnischen Gründen aufgedeckt und zusammengeführt werden (Bild 298).
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Prozessalternativen/Prozessoptimierung
Bild 298:
Produktionsprozessanalyse und -optimierung
Für die Erstellung der Produktionsprozessabhängigkeiten auf Modulund Elementarprozessebene sowie auf Tätigkeitsebene werden die generischen Dimensionen Systemgliederung top down Prozessgliederung inhaltlich Herstellungsreihenfolge konstruktiv in ihre zeitlichen Abhängigkeitsbeziehungen gebracht (Bild 299 und Bild 300).
10.2 Bauproduktionsplanung
631
Generierungsprozess der Entwurfsparameter NutzerSystemanforderungen anforderungen (F)
Entwurfsparameter (E)
Vorentwurfsplanung (VE)
Genehmigungsplanung (GP)
AP ( t AP t a )i diAP
t iAP ,a
^
BP f >Fi ;Ei; VE i; GPi @rü; >(G P)i ; dBP i ; t i,a @ vor
`
t iAP ,e
Ausführungsplanung (AP) APi
Prüfung + Genehmigung (G+P)i
Baustelleneinrichtung
AVOR
Bauproduktion BPi=f { APi ; (G+P)i }
Inbetriebnahme
Herstellprozesse tBP i,a
t0
dBP i
tBP i,e
Planungsprozess
t
Bauproduktionsprozess I: Herstellprozess Konzept-, Vor- und Genehmigungsprozess
Bauproduktionsprozess II: Integrierter Planungs- und Herstellprozess Gesamter Bauproduktionsprozess III
Bild 299: Generische axiomatische Beziehungen der Planung – zeitlich zum Bauprozess, inhaltlich und zeitlich zu Systemanforderungen, Entwurfsparametern, Vor- und Genehmigungsplanung
632
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 300: Fast-Track-Brückenbau – Optimierter Produktionsprozess für Ortbetonpfeiler und vorgefertigten Überbau
5. Generische axiomatische Beziehung zwischen Produktionsprozess bzw. Modul- und Elementarprozessen sowie Tätigkeiten zu (Bild 300) Nutzer- und Systemanforderungen Entwurfsparametern Planungsprozess Prüfungs- und Genehmigungsprozess muss hergestellt werden. 6. Hauptprozessdauer abschätzen – Dazu ist es erforderlich, in einem iterativen „bottom up“-Ansatz die Dauer der Hauptprozesse auf der Basis von Geschossflächen bzw. Bauvolumen bzw. Stockwerken zu schätzen. Daraus ergeben sich vorläufige Meilensteine für die Hauptprozesse, die in die Vorgabe der Gesamtproduktionsdauer (Rahmenplan) eingepasst werden müssen. 7. Hauptprozessdauer iterieren – Innerhalb der Hauptprozesse kann gemäss der generischen zeitlichen Abhängigkeitsbeziehungen mit der Planung der Modulprozesse begonnen werden. Dazu werden für jeden Modulprozess eines Bauteils die Elementarprozesse mit Ressourcen
10.2 Bauproduktionsplanung
633
belegt und die zeitliche Dauer der Elementarprozesse festgelegt (Bild 298). Die zeitliche Dauer aller Modulprozesse eines Hauptprozesses muss unter Berücksichtigung der sequenziellen und parallelen Abhängigkeiten innerhalb der Hauptprozessmeilensteine erledigt werden können. Ist dies nicht der Fall, so werden im ersten kybernetischen Iterationsprozess die Ressourcen und die Reihenfolge der Elementarprozesse sowie Modulprozesse unter Berücksichtigung der generischen Abhängigkeitsbeziehungen sukzessive iterativ angepasst, bis die Hauptprozesszeitspanne eingehalten ist. Dies erfolgt für jeden Hauptprozess (Bild 298). 8. Vergleichmässigung der Ressourcen – Innerhalb der Hauptprozesse wird nun die Auslastung der Ressourcen im Hinblick auf ihre Gleichmässigkeit untersucht. Bei ungleichmässiger Auslastung der Teams (slack time) werden die entsprechenden abhängigen Elementarprozesse hinsichtlich Vergleichmässigung der Ressourcen (Teams / Geräte / Bauhilfsmaterial) verändert. Dabei muss man zwei Fälle unterscheiden: x x
Die Hauptprozessdauer verkürzt sich: keine weiteren Massnahmen in Arbeitsplanungsstufe 3 notwendig Die Hauptprozessdauer verlängert sich: 1. Es muss geprüft werden, ob durch die Vergleichmässigung anderer Hauptprozesse Zeiteinsparungen möglich sind, um die vertragliche Gesamtproduktionszeit einzuhalten. 2. Wenn auch die Gesamtproduktionszeit überschritten wird, muss geprüft werden, ob eine Ressourcenerhöhung in einem oder mehreren Hauptprozessen bei Beibehaltung der Vergleichmässigung zur Einhaltung der Gesamtproduktionszeit führt.
634
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 301:
Auswahlsystematik für Produktionsprozesse
9. Kostenanalyse – Da das zu erzielende Ergebnis (Bauwerk) der Bauproduktion in der Produktionsphase durch Ausschreibung, Vertrag und Genehmigungs- sowie Ausführungsplanung vorgegeben ist, gilt es, hier das
10.2 Bauproduktionsplanung
635
x ökonomische Minimalprinzip zu ermitteln. Dies kann in zwei Schritten erfolgen: a. Auswahl des bzw. der kostenminimalen Bauproduktionsverfahren aus alternativen Varianten (Bild 301). Im Allgemeinen gibt es eine gewisse Bandbreite aus den verschiedenen Ausführungsbedingungen, innerhalb derer ein Bauverfahren geeignet erscheint und optimal ist (Bild 302). Diese Bandbreite kann unterschiedlich gross sein, je nachdem, ob ein Bauverfahren nur innerhalb recht eng begrenzter äusserer Bedingungen sein Eignungsoptimum besitzt oder ob es weitgehend unempfindlich ist, d. h. auch bei Störungen und ungünstigeren Bedingungen als erwartet immer noch im Kostenrahmen und somit anwendbar bleibt. So kann das Bauverfahren B die absolut kostengünstigste Lösung darstellen, aber bereits bei geringen Abweichungen der Einflussfaktoren von den angenommenen Werten zu erheblichen Verteuerungen führen, während das Bauverfahren A zwar teurer als das Bauverfahren B, aber bei weitem nicht so anfällig gegen Abweichungen von den Ausgangsbedingungen ist (Bild 302). Diese Bedingungen werden bei der Bauverfahrensplanung oft unzureichend berücksichtigt oder verkannt und führen dann zu Fehlentscheidungen. b. Minimierung der Kosten des kostenminimalen Verfahrens durch Variation der Gesamtdauer bzw. Teildauer der Hauptprozesse durch Optimierung der Ressourcen in Bezug auf Reduzierung der - Fixkosten der Produktion durch geringere Vorhaltedauer der Baustelleneinrichtung und des Managements - variablen Kosten durch leistungsfähige Geräte etc. Das Ergebnis führt dann zum optimalen Prozess nach dem Kostenminimum (Bild 294). Während der Planung des Bauproduktionsprozesses sind zudem für jeden Modul- und Elementarprozess die Entscheidungen make-or-buy-or-cooperate zu fällen, d. h. ob man eigene oder fremde Produktionsressourcen einsetzt.
636
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen Kosten / Einheit
Verfahren B
Verfahren A
K B ( t 3B ) ! K A ( t 3B ) Beschleunigung 2 B
Verzögerung
2 B
opt K B ( t1B ) K opt A (t A )
Break-EvenPunkt
'K 2B ( 't 2B )
'K 3B ( 't 3B )
K B (t ) K A (t )
opt K opt B (t B )
'K1B ( 't1B )
t opt B
Zeit / Einheit
t opt A
Zeitoptimum B Zeitoptimum A
't1B 't 2B 't 3B
t 2B t 3B
Bild 302:
Empfindlichkeit von Bauverfahren in Bezug auf Zeit und Kosten
10.2.6. Fazit Die Axiome der Bauproduktionstheorie gelten als wissenschaftlicher Gestaltungsrahmen für die technologische, wirtschaftliche Prozessgestaltung der Bauproduktion. Aus der theoretischen axiomatischen Zielbestimmung der Bauproduktion lassen sich denklogisch-deduktive Prozesse und Modelle für die Bauproduktion entwickeln. Aufbauend auf diesen Gestaltungsrahmen wurde der theoretische Prozess der interaktiven, komplexen projektspezifischen Bauproduktionsprozessplanung entworfen. Basierend auf dem axiomatischen Theoriegebäude der Bauproduktion lassen sich theoriegeleitet weitere Prozessmodelle zur Effizienzsteigerung und Innovation der projektspezifischen Bauproduktion entwickeln.
10.3 Ausführungsvorbereitung
637
10.3 Ausführungsvorbereitung 10.3.1 Phasen der Ausführungsvorbereitung Die Ausführungsvorbereitung beginnt nach der Beauftragung durch den Bauherrn. Man kann die Ausführungsvorbereitung in die folgenden Phasen (Bild 303) untergliedern [10-8]: 1. Vorbereitungsphase: x Auftragsdatenblatt (Übersicht) erstellen x Prüfung der Vertragsunterlagen x Baustellenchef bestimmen x Baustellenbegehung 2. Planungsphase: x Arbeitskalkulation und Controlling vorbereiten x Bauverfahrens- und Bauablaufplanung x Organisations- und Kommunikationsplanung x Qualitäts- und Arbeitssicherheitsplanung x Ressourcen- und Terminplanung x Logistikplanung x Finanzplanung x Sonderpläne erstellen x Baustelleneinrichtungsplanung Die Planungsphase muss als interaktiver Prozess zwischen Arbeitskalkulation und Arbeitsvorbereitung verstanden werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Basiskalkulation der Kosten durch Verbesserungen in Bauverfahren, Materialbeschaffung, Subunternehmervergaben etc. nur unterschritten werden darf. Der Ablauf der Ausführungsvorbereitung in einem Bauunternehmen ist in Bild 303 dargestellt.
638
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 303: Ablauf der Ausführungsvorbereitung
Die Beauftragung durch den Bauherrn stellt den Beginn einer Projektabwicklung dar. Die erste Aufgabe, die sich dem Unternehmen stellt, ist die Überprüfung des Auftragsschreibens und des Vertragswerks mit allen Bedingungen, Anlagen und Leistungsbeschreibungen auf ihre Übereinstimmung mit dem
10.3 Ausführungsvorbereitung
639
Angebot und den Auftragsverhandlungen. Hierfür wird ein Auftragsdatenblatt erstellt, das alle wichtigen Informationen über Auftragsumfang, Baustellenleitung, Bauherrenvertreter sowie über eventuelle Abweichungen vom ursprünglichen Angebot und den Vertragsverhandlungen enthält. Dazu zählt die Überprüfung des Leistungsumfangs, d.h. die Prüfung der beauftragten im Vergleich zu den ausgeschriebenen Massen. Zudem sind die einzelnen Positionen auf Änderungen zu untersuchen, die in Material- oder Qualitätsänderungen, aber auch im Wegfall ganzer Positionen bestehen können. So kann sich der Bauherr zwischenzeitlich für ein anderes Bauverfahren in einer Teilleistung entschieden oder Bauabschnitte massenmässig umgewichtet haben, z.B. durch Planänderungen. Die Ausführung von Alternativ- und Bedarfspositionen sollte schon während der Vergabeverhandlungen geklärt worden sein, jedoch ist nach der Auftragserteilung das Leistungsverzeichnis daraufhin zu untersuchen, ob der Bauherr sich gegebenenfalls zwischenzeitlich für die Ausführung solcher Positionen entschieden hat. Der Vertragstext ist auf Übereinstimmung mit der verhandelten Version zu prüfen (Zahlungsbedingungen, Garantien etc.). Die Prüfung der Unterlagen wird sinnvollerweise von der Angebotsprojektgruppe durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in einer übersichtlichen Tabelle zusammengefasst, mit Querverweisen zu den relevanten Textstellen des Vertrags und der eigenen Angebots- bzw. Auftragskalkulation. Spätestens zu diesem Zeitpunkt muss der Baustellenchef (site manager) bestimmt werden. Zur Vermeidung von Informationsverlusten sollte er bereits aktiv an der Angebotsbearbeitung teilgenommen haben; zumindest sollte er die Leitung der internen Ausführungsvorbereitung übernehmen. Das Ergebnis wird akkumuliert in einem Auftragsblatt dargestellt, das alle wichtigen Informationen über das Projekt enthält: x x x x x x x x x
Projektname und Projektnummer Auftraggeber und Bauherrenvertreter Projektart Auftragsvolumen Budget der verschiedenen Hauptgewerke monatliche Leistungen Schlüsseltermine ARGE-Partner und deren Anteile Name des Baustellenchefs
640
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Baustellenchef
Der Baustellenchef sollte in einem modernen kundenorientierten Bauunternehmen Bauproduktions- und Key Account Manager sein. Dies verlangt ein Qualifikationsprofil, das aus den folgenden vier Schlüsselbereichen besteht: x unternehmerische, betriebswirtschaftliche Kompetenz mit besonderen Kenntnissen im Projektmanagement x menschliche und soziale Fähigkeiten zur Führung und Motivation des Teams sowie zur Kommunikation mit dem Bauherrn und mit Dritten x verfahrenstechnische Kompetenz im Bereich Bauproduktion und Projektmanagement x fachtechnisches Wissen über bauliche Systeme und deren ingenieurwissenschaftliche Grundsätze Die Aufgabe als Manager setzt die Achtung vor den Menschen voraus, die mehr als nur technokratische, theoretische und administrative Grundlagen verlangt. Als Manager muss der Baustellenchef seine Mitarbeiter durch Delegation von Verantwortung motivieren, ihre fachliche Qualifikation schätzen und den Einzelnen respektieren, und zwar über alle Hierarchiestufen bis zum Facharbeiter, denn nur wer sich akzeptiert und respektiert fühlt, ist bereit, das Beste zu geben. Ferner muss er Teamarbeit durch Partizipation anregen, aber gleichzeitig die Arbeitsziele klar und eindeutig im Team kommunizieren. In Bezug auf fachtechnisches Wissen und verfahrenstechnisches Knowhow bietet ein Ingenieur- oder Architekturstudium die besten Voraussetzungen, jedoch können auch erfahrene Berufsleute geeignet sein, die sich als Polier bewährt und durch „learning on the job“ und kontinuierliche Fortbildung weiterentwickelt haben. Zu den einschlägigen managementorientierten Grundlagen gehören: x x x x x x
Baubetrieb (Bauverfahrenstechnik, Kalkulation, Arbeitsvorbereitung) Baubetriebswissenschaften / Bauunternehmensmanagement Projektmanagement Vertragsrecht Bauwirtschaft Datenverarbeitung
Die kontinuierliche Weiterbildung in Bezug auf Menschenführung, Projektmanagementinstrumente, Kommunikations- und Informationssysteme sowie Material-, Verfahrens- und Baumaschinentechnologie ist für einen erfolgreichen Baustellenchef unabdingbar geworden. Er sollte ferner eini-
10.3 Ausführungsvorbereitung
641
ge Jahre praktische Erfahrung in verschiedenen Unternehmensbereichen aufweisen; dazu sollten gehören: x ca. zwei Jahre Planungstätigkeit in einem Ingenieurbüro x ca. ein Jahr Innendienst in einem Bauunternehmen in den Abteilungen Kalkulation, Arbeitsvorbereitung, Controlling, Maschinentechnik (Bau-/ Werkhof) x ca. 5 Jahre als Bauführer Der Baustellenchef sollte im Rahmen einer unternehmensinternen Managementausbildung, die Mitarbeiterführung, Vertragsverhandlungen, Akquisition und Key Account Management beinhaltet, systematisch auf seine Aufgabe vorbereitet werden. Während des ersten Projekts sollte man dem neuen Baustellenchef einen „Paten“ zur Seite stellen, den er nach Bedarf konsultieren kann. Baustellenbegehung
Im Rahmen der ersten vorbereitenden Massnahmen ist die Baufeldbesichtigung durchzuführen. Die Örtlichkeiten sollten dem Unternehmen zwar schon im Rahmen der Angebotsbearbeitung bekannt geworden sein, nach der Auftragsvergabe ist jedoch eine detailliertere Prüfung der örtlichen Bedingungen notwendig. Die Baufeldbesichtigung sollte mit dem Bauherrn bzw. dessen Vertreter gemeinsam durchgeführt werden. Als vorbereitende Massnahme sollte der Bauherr die Grundstücksgrenzen und die Gebäudeecken durch einen amtlich bestellten Vermesser kennzeichnen lassen. Während der Begehung entwickelt sich ein genaueres Bild, wie die Baustelleneinrichtung am besten angeordnet werden könnte. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Nutzung der Nachbargrundstücke, die möglicherweise Einfluss auf die Platzierung der Baustelleneinrichtung hat. Die in Frage kommenden Stellplätze für Installationen und Geräte sind auf die Gründungsmöglichkeiten zu untersuchen; ferner müssen die verkehrstechnischen Randbedingungen und Anschlussmöglichkeiten geprüft werden. Randbedingungen, die bei der ersten Prüfung vielleicht nicht beachtet wurden, z.B. Höhenbegrenzung für Krane im Bereich von Anflugschneisen, können zu erheblichen Verzögerungen des Baubeginns führen, bis z.B. erforderliche Genehmigungen erteilt oder Baumethoden umgestellt werden. Insbesondere sind folgende Punkte zu untersuchen: x Sind die Platzverhältnisse ausreichend für die Baustelleneinrichtung? x Welche Nachbargrundstücke oder Flächen im wirtschaftlichen Operationskreis der Baustelle lassen sich gegebenenfalls anmieten oder kaufen? Wer sind die Ansprechpartner?
642
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
x Ist das Gelände im vertraglich vereinbarten Zustand (bauherrenseitige Leistungen)? x Sind bestimmte Geräte bei den Verhältnissen nicht einsetzbar (Boden, Gefälle, Gebäudetypen und -höhen im direkten Umfeld etc.)? x Deutet etwas auf Erschwernisse hin (Nachträge)? x Ist das Grundstück deutlich markiert (Grenzmarkierungen o.ä.)? x Wo sind die Anschlüsse für die Versorgung mit Strom und Wasser? x Wo sind die Anschlüsse für die Abwasserentsorgung? x Wo kann Baumüll, Erdaushub oder Ausbruchmaterial zwischengelagert bzw. deponiert werden? x Sofern ein Vorunternehmer bereits vorbereitende Tätigkeiten ausgeführt hat (z.B. Herstellung der Baugrube oder die Pfahlgründung): In welcher Bauphase ist die Baustelle; kann die Ausführung zu den vereinbarten Terminen beginnen? x Wie kann die Verkehrsanbindung an das öffentliche Strassennetz am besten gestaltet werden, um ein flüssiges, sicheres Ein- und Ausfahren in die bzw. aus der Baustelle zu ermöglichen? x Ist eine erste Kontaktaufnahme mit dem Vorunternehmer und den Nachbarn erfolgt? x Sind die Adressen der Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen, Polizei, Krankenhäuser, Notfallärzte etc. bekannt? 10.3.3 Planung der Ausführung Prozess der Bauproduktionsplanung
Die Arbeitsvorbereitung sollte auf der ausgearbeiteten Arbeitskalkulation basieren. Da zur Durchführung beider Aufgaben nur begrenzte Zeit zur Verfügung besteht, müssen diese Aufgaben parallelisiert im „Fast Track“Verfahren abgewickelt werden. Die Basisdeterminanten zur Gestaltung der Bauproduktionsplanung (Bild 304) sind: x die externen Determinanten: - der Vertrag - das Projektkonzept bzw. die Projektart - das Baufeld und dessen Nutzung für die Errichtung der Produktionsanlagen und der erforderlichen Hilfseinrichtungen sowie für die Bauverfahren und Bauabläufe x die internen Determinanten: - Arbeitskalkulation - Kapazität an Personal, Geräten und Know-how
10.3 Ausführungsvorbereitung -
643
Anbietervorteile der eigenen Leistungen im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern
Aufgrund der „time to market“-Anforderungen des Bauherrn sollen heute die meisten Projekte sofort nach der Vertragsunterzeichnung beginnen; die Bauunternehmen sollten jedoch eine schnelle Projektabwicklung nicht durch eine reduzierte Ausführungsvorbereitung erkaufen. Oft hört man bei mittelständischen Bauunternehmen, man habe gar keine Zeit für eine Arbeitsvorbereitung und müsse sofort mit einer improvisierten Ausführung beginnen. Dadurch wird im Regelfall, wenn man nicht nur eine bestimmte Art von Bauwerken erstellt, nur ein Pseudovorteil erreicht, der nicht nachhaltig über die gesamte Bauzeit wirkt. Die zusätzlichen Kosten für nicht optimal gewählte Bauverfahren, unzureichende oder zu grosse Ressourcen wie z.B. Bauhilfsmaterialien oder Fachkräfte heben die ersten Vorteile bald auf oder kehren sie sogar ins Gegenteil. Vertrag Projektkonzept Baustellenbegehung Arbeitskalkulation Arbeitsplan - Arbeitsablauf - Zeitbedarf - Leistungen - Baumethoden Baustellenplan Terminplan Bedarfspläne - Stoffe - Bauhilfsmaterial - Geräte - Personal - Subunternehmer
Bild 304: Arbeitsvorbereitungsprozess – Arbeitsplanung
644
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Eigene Produktionsstätte (Baustellen) Lokale Arbeitsbedingungen Vertragsvorgaben
Beschaffungsmärkte Kooperationen, Einkaufsringe, eigene Rohstoffquellen
Eine gute, projektspezifisch abgestimmte Ausführungsvorbereitung mit entsprechenden Leistungs- und Kostenvorgaben, Logistik zur Bereitstellung der richtigen Ressourcen „just in time“ in der richtigen Menge an die richtige Stelle, mit einhergehenden kontinuierlichen Verbesserungsprozessen auf der Baustelle sind die Erfolgsgeneratoren eines modern geführten Bauproduktionsprozesses (Bild 305).
Bild 305: Logistikkonzept eines Bauunternehmens
Zur Aufstellung der Arbeitskalkulation, des risikobasierten Controllingkonzepts und der Termin- und Ressourcenplanung ist es erforderlich, für die eindeutige Zuordnung der Aktivitäten einen Projektstrukturplan zu entwickeln. Dazu muss das Projekt in seine materiellen und erzeugungsorientierten Bestandteile strukturiert werden. Als materielle Bestandteile bezeichnet man die einzelnen Bauwerke, Bauteile und Leistungs- bzw. Ausschreibungspositionen des Projekts. Die materiellen Bestandteile werden dann auf der Basis eines numerischen Systems erzeugungsorientiert in Abläufe und Hilfsprozesse untergliedert. Ein solcher ausführungsorientierter Projektstrukturplan sollte an den Projektstrukturplan des Bauherrn gekoppelt sein, damit eine einfache Kommunikation zwischen den Dokumenten des Bauherrn und dem ausführenden Unternehmen möglich ist. Dies sollte sich möglichst auf die materiellen Be-
10.3 Ausführungsvorbereitung
645
standteile des Vertrags wie Bauwerke, Bauteile und Leistungspositionen beziehen. In der erzeugungsorientierten Strukturierung ist das Bauunternehmen frei. Arbeitskalkulation
Die Arbeitskalkulation [10-13] dient zur Budgetierung der Eigen- und Fremdleistungen und zur Schaffung eines Kontrollmittels für die begleitende Wirtschaftlichkeitsanalyse während der Bauausführung. Sie ist somit Arbeitsgrundlage einer zielorientierten Prognose und Steuerungsinstrument für x die Leistungsvorgaben einzelner Arbeitsabläufe der gewählten Bauverfahren, x die Kostenvorgaben der einzelnen Leistungs- und Bauhilfspositionen in Bezug auf Lohnstunden und Lohnkosten, Material- und Hilfsmaterialkosten, Gerätestunden und Gerätekosten sowie Fremdkosten, x die Kosten- und Zeitvorgaben für Art und Umfang der Baustelleneinrichtung. Die Arbeitskalkulation basiert auf der Auftragskalkulation. Diese wiederum ist eine aktualisierte Angebotskalkulation, in der die Änderungen, die sich während der Auftragsverhandlungen ergeben, eingearbeitet werden. Vor der Erstellung der Arbeitskalkulation sind folgende Überprüfungen durchzuführen: x Kontrolle des Auftragsleistungsverzeichnisses x Welche Alternativpositionen hat der Auftraggeber definitiv beauftragt? x Erstellung eines abschliessenden Bauverfahrensvergleichs mit der Arbeitsvorbereitung zur Wahl des optimalen Bauverfahrens x Welche Leistungspositionen sollen mittels Eigenleistung und welche durch Marktbezug erstellt werden? Die Arbeitskalkulation soll dem Bauausführungsmanagement in der Ausführungsvorbereitung Grundlage für die Planung der Ausführung sein und während der Bauausführung als Basis zur Erfolgssteuerung dienen. In der Arbeitskalkulation werden die Leistungspositionen der Ausschreibung wieder transparent gemacht. Dies erfolgt unter Angabe aller Bauhilfsmassnahmen, die nicht separat ausgeschrieben wurden, aber in der Abrechnungsposition enthalten sein müssen, um den Herstellungsprozess abzubilden. Im Rahmen der Arbeitskalkulation werden die einzelnen Leistungspositionen auf einheitliche Arbeitsschritte gegliedert. Diese Schritte (z.B. Schalung, Bewehrung, Beton) können bei einer ausreichend genauen Mengenermittlung und mithilfe von Aufwandswerten bzw. Leistungswer-
646
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
ten kalkuliert werden, mit dem Ziel, die Dauer für die Fertigstellung einzelner Positionen und Bauabschnitte zu ermitteln und die Kosten der einzelnen Leistungen möglichst genau zu definieren. Die einzelnen Abrechnungspositionen werden nach Leistungsansätzen sowie Kostenarten wie x x x x
Lohn, Material, Bauhilfsmaterial, Geräte und Fremdleistungen
untergliedert. Für die Baustelle definiert die Arbeitskalkulation umlagefreie Sollvorgaben. Aus dem Ergebnis der Arbeitskalkulation und der Berücksichtigung der Gemeinkosten lässt sich eine Aussage zum voraussichtlichen Baustellenergebnis machen. Der somit dokumentierte Stundenbedarf dient später als mögliches Kontrollinstrument auf der Baustelle für die einzelnen Ausführungsschritte (z.B. Aus- und Abbauen der Schalung in m2/h, Verlegen der Bewehrung in t/h, Betonieren in m3/h). Die ermittelten Kosten werden entsprechend den unternehmenseigenen Vorgaben gegliedert und aufgearbeitet. Die Gliederung nach Gewerken dient somit als Budgetplanungsinstrument im eigenen Unternehmensbereich und als Vergabegrenzbewertung für Subunternehmerleistungen. Die Kontrollmöglichkeiten, die sich aus dem Stundenbedarf und dem Kostenaufwand ergeben, werden in verschiedener Form zur Kontrolle auf der Baustelle instrumentalisiert: x als Soll-Ist-Vergleich Stunden x als Soll-Ist-Vergleich Kosten x als Soll-Ist-Vergleich Bauablauf / Terminplan Die Leistungs- und Kostenermittlung erfolgt zu definierten Stichtagen. Ein weiteres Produkt der Arbeitskalkulation ist die Bedarfsermittlung für Baustoffe, Bauhilfsmassnahmen und Geräte. Prozess- und Bauverfahrensplanung
Die Arbeitsvorbereitung [10-8] bildet das Bindeglied zwischen Auftragsbzw. Arbeitskalkulation und Bauausführung. Sie hat das Ziel, den Einsatz der Ressourcen für den Baubetrieb mittels einer Arbeitsplanung zu optimieren und die Vorgaben aus der Arbeitskalkulation in geeignete Steuerungsmittel umzusetzen (Bild 306). Die Arbeitsvorbereitung kann als Modell eines kybernetischen Regelkreises verstanden werden, der aus Planung, Überwachung und Steuerung besteht und aufgrund des Unikat-
10.3 Ausführungsvorbereitung
647
charakters immer wieder Störungen unterworfen ist. Dieser kybernetische Regelkreis hat die Aufgabe, das prognostizierte, in der Arbeitskalkulation dokumentierte Ziel in der geforderten Qualität zu den kalkulierten Kosten und Terminen zu erreichen.
Bild 306: Kybernetische Funktionen der Arbeitsvorbereitung
Die Aufgabe der Arbeitsvorbereitung ist es, den Bauproduktionsprozess durch mechanisierte Abläufe, Einsatz von rationalisierenden Bauhilfssystemen und Vorfertigung von Bauteilen zu rationalisieren und die Arbeitsvorgänge so zu gestalten, dass möglichst wenig Lohnstunden entstehen. Die Rationalisierungen sollen möglichst industrialisierten Charakter aufweisen, mit möglichst vielen parallelisierten Prozessen unter Verwendung leistungsfähiger mechanischer Einrichtungen. Dabei sollte geprüft werden, inwieweit eine industrialisierte Vorfertigung von Bauteilen die Bauabläufe beschleunigen kann. Zur Vorfertigung eignen sich Stützen, Treppen, Decken oder Filigranplatten, Fassadenelemente, Tübbinge, Brückenelemente etc., die bereits während des Aushubs und der Gründungsphase hergestellt werden können. Der Ausführungsablauf ist nach dem Prinzip der Arbeitszerlegung zu gliedern und in technologisch und zeitlich unabhängige Arbeitsschritte zu organisieren. Dazu muss vor der detaillierten Bauproduktionsplanung ein Bauablaufkonzept aufgestellt werden, in dem die Ausführungsaufgabe in folgende Schritte untergliedert wird (Bild 307): x Schritt 1: Zerlegung der Bauaufgabe in Bauteile, Bauabschnitte und Gewerke x Schritt 2: Festlegung der Ausführungsfolgen und Bauhauptphasen des Projekts x Schritt 3: Wahl der potenziellen Bauverfahren und Überprüfung der Kompatibilität mit den Randbedingungen des Vertrags, dem Baugelände, der Umgebung und den gesetzlichen Auflagen sowie Feinplanung der Abläufe
648
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
x Schritt 4: Ansetzen der geschätzten Leistungs- und Aufwandswerte der potenziellen Bauverfahren sowie Prüfung ihrer Auswirkungen im Gesamtterminplan. Die Kostenauswirkungen müssen mittels der Arbeitskalkulation interaktiv überprüft werden. Dazu müssen die Baustelleneinrichtungen für die potenziellen Bauverfahren in den Kostenüberlegungen berücksichtigt werden. x Schritt 5: Überprüfung der Verfügbarkeit von Baugeräten, Personal und Know-how im eigenen Unternehmen oder auf dem Markt x Schritt 6: Untersuchung der Vorgangsdauern für die potenziellen Bauverfahren auf ihren wahrscheinlichsten minimalen und maximalen Wert. Diese Werte werden auch als unscharfe Grössen verstanden und sollten hinsichtlich möglicher Störungen des Bauablaufs (Maximalwerte) auf die Kosten- und Terminstabilität des gesamten Bauablaufs untersucht werden. Dieser Prozess wird bis zur Entwicklung des wirtschaftlichsten Ablaufs des Baubetriebs wiederholt und optimiert. x Schritt 7 und 8: Erstellen der vorläufigen Ablauf- und Logistikplanung; nach Abstimmung der Bauverfahren und -abläufe mit den endgültigen Leistungs- und Kapazitätsplänen werden die endgültigen Ablauf- und Logistikpläne erstellt und die Steuerungsmittel entwickelt. x Schritt 9: Nach der Entscheidung für die Bauverfahren Planung der Baustelleneinrichtung aufgrund der vertraglichen Pläne und Bedingungen, der Erkenntnisse aus der Feldbesichtigung und der Notwendigkeiten der Logistik und der Bauverfahren. Für komplexere Bauabläufe werden Baubetriebspläne und Kurzbeschreibungen entwickelt, in denen die Arbeitsschritte der Bauabläufe untergliedert dargestellt werden. Ergänzend zum detaillierten Terminplan und zur Baustelleneinrichtung wird ein Arbeitssicherheitsplan erstellt, in dem die Sicherheitsmassnahmen bauphasenabhängig dargestellt werden. Die Arbeitsplanung umfasst den Baustelleneinrichtungs-, Ablauf-, Bedarfs-, Logistik- und Terminplan, des Weiteren die Ausführungspläne sowie Sonderpläne.
10.3 Ausführungsvorbereitung
649
Bild 307: Interaktive Arbeitsschritte der Arbeitsvorbereitung
Die Arbeitsvorbereitung ist Grundvoraussetzung für die wirtschaftlich effiziente Gestaltung der interdisziplinär abhängigen Bauproduktion und den reibungslosen Erfolg einer Baustelle. Ferner dient sie als Instrument der kontinuierlichen Arbeitssteuerung während der Bauausführung. Dazu muss aus den Vorgaben der Arbeitskalkulation und den Leistungsvorgaben ein systematisches Kontrollsystem erstellt werden, um die vereinbarten Vorgaben umzusetzen, zu steuern und hinsichtlich der Zielerreichung zu überwachen. Das bedeutet, dass die Arbeitsvorbereitung sich während der Ausführung in einen kybernetischen Regelkreis wandelt. Dies ist erforderlich, da, trotz der Arbeitsvorbereitung, aufgrund nicht geplanter Ereignisse und Auswirkungen von innen oder aussen Modifikationen des Bauablaufs notwendig werden. Da fast jedes Bauwerk Unikatcharakter aufweist, kann auch eine gute Arbeitsvorbereitung nicht jedes Ereignis erkennen und dessen Auswirkungen planen.
650
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Termin- und Ressourcenplanung
Zwei Produkte der Arbeitskalkulation sind der Stundenaufwand und die Kostenerwartung für die einzelnen Leistungen. Im Rahmen der Prozessund Verfahrensoptimierung werden diese als Vorgaben genutzt, um schliesslich die wirtschaftlich optimalen und gegenüber Störeinflüssen robusten Bauverfahren auszuwählen. Der erwartete Stundenaufwand und die Kosten werden dann in detaillierterer Form wieder in der Arbeitskalkulation als Vorgabe für diese Bauverfahren angepasst. Zur Erstellung der Termin- und Ressourcenpläne während der Prozessund Verfahrensoptimierung müssen die Leitprozesse der Bauproduktion identifiziert werden. Diese besonders wichtigen, als Leitprozesse definierten Tätigkeiten sind charakterisiert durch: x die zeitliche Lage auf dem kritischen Weg – jede zeitliche Veränderung des Leitprozesses in seiner Dauer, Start- und/oder Endzeit beeinflusst die Folgeaktivitäten; x den meist beträchtlichen Anteil der zur Abwicklung der Vorgänge aufzuwendenden Kosten an den Gesamtkosten. Werden Leitprozesse verzögert, so müssen zur Korrektur bzw. zur Beibehaltung der Projektziele die Leistungen in den Folgeprozessen durch Kapazitätserhöhung gesteigert werden, wenn dies aus räumlichen Gründen möglich ist, oder die Qualität muss geändert werden. Diese Korrekturen sind im Regelfall nicht ohne Kostensteigerungen oder Wertminderungen erreichbar. Die Vorgangsdauer der Leitprozesse sollte ab einer gewissen Grösse und Komplexität eines Bauvorhabens im Netzplan als stochastische Grösse mit drei Ereignisgrössen – der kürzesten, der wahrscheinlichsten und der längsten Dauer – und den zugehörigen geschätzten Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden. Dabei wird die Vorgangsdauer der Leitprozesse als gewichteter statistischer Mittelwert errechnet bzw. vorgegeben. Mittels der Critical-Path-Methode, der Metra-Potential-Methode und / oder der PERT-Methode wird dann die Gesamtprojektdauer simuliert [1020]. Somit erhält man als Ergebnis die Gesamtdauer mit der stochastischen Verteilung. Damit kann man die Sensitivität des untersuchten bzw. gewählten Bauverfahrens auf Störungen bezüglich des Bauprogramms und des Endtermins erkennen. Die Ergebnisse werden meist im Balkenplan als die gebräuchlichste Form der Terminplanung dargestellt. Unter einer Zeitachse (x-Achse) und einer Ordinate (y-Achse) für Arbeitsschritte wird der Bauablauf dargestellt. Die Dauer eines Vorgangs wird durch einen Balken (Bild 308) angegeben und durch den Anfangs- oder Endtermin zeitlich definiert. Ab-
10.3 Ausführungsvorbereitung
651
hängigkeiten innerhalb dieses Balkenplans lassen sich durch Netzplantechniken verdeutlichen [10-16].
Bild 308: Projektbalkenplan
Die Ressourcenplanung dient als Grundlage des Logistikkonzepts der Baustelle, d.h. für die Bereitstellung von Ressourcen und Informationen zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge, der erforderlichen Qualität und am richtigen Ort. Im Rahmen der Ressourcenplanung sind Materiallieferungen sowie der Personal- und der Geräteeinsatz zu organisieren, ferner die Lieferung der genehmigten Ausführungs- und Werkpläne sowie auf vertraglicher Grundlage bereitgestellter Materialien oder Bauflächen, besondere Genehmigungen, die die Ausführung betreffen, Finanzierungsplanung etc. Mittels Netzplanprogrammen lässt sich der Personal- und Geräteeinsatz durch Gewichtung der Vorgänge relativ einfach planen. Der Personaleinsatz ist in der Form zu planen, dass es keine Warte- oder Fehlzeiten gibt. Ferner sollte über die möglichen Pufferzeiten ein Ausgleich von extremen, kurzfristigen Personal- und Gerätebedarfsspitzen erfolgen. Kolonnen sollten in ihren Arbeitszyklen kapazitätsmässig optimal aufeinander abgestimmt werden bzw. auf andere, nahe gelegene Baustellen ausweichen können. Zudem sollten der Arbeitsablauf und der Kolonneneinsatz so geplant werden, dass sie den Platzverhältnissen entsprechen, um ihren Arbeitsablauf optimal ohne gegenseitige Behinderung zu gestalten. Die Geräte sollten, soweit möglich, auch keine Warte- oder Stillstandzeiten erfahren, wobei sich das bei vielen Geräten nicht ausnahmslos verwirklichen lässt. In jedem Fall sind Geräte nach Beendigung ihres Einsatzes umgehend von der Baustelle frei zu melden und zurückzugeben, um
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Mietkosten zu reduzieren, das Gerät möglicherweise an anderen Baustellen wieder einzusetzen und weitere Lagerflächen oder Arbeitsräume auf der Baustelle zu schaffen. Bei der Planung von Material- oder Gerätelieferungen ist die Bereitstellungszeit zwischen der Beauftragung und der Lieferung bzw. der Einsatzbereitschaft auf der Baustelle zu beachten. Bei Sondergeräten wie z.B. Tunnelbohrmaschinen müssen folgende Zeiten zwischen Bestellung und Einsatz auf der Baustelle berücksichtigt werden: x Auftragsbearbeitungszeit x Planungs- und Genehmigungszeit bei Fertigteilen und Sonderbaumaschinen oder Einbauaggregaten x Produktionsvorbereitungs- und Produktionszeit x Transportzeit x Montage- oder Aufbauzeit auf der Baustelle bei Grossaggregaten und Sondermaschinen, die nicht zusammengebaut geliefert werden können „Just in time“-Lieferung ist bei beengten Baustellenverhältnissen zur Vermeidung von Zwischenlagern und kostspieligem Umsetzen von Material unumgänglich. Diese Lieferform setzt aber eine detaillierte und fehlerfreie Ausführungsvorbereitung voraus und sollte nur für Lieferungen vorgesehen werden, bei denen eine solche Planungstiefe garantiert werden kann.
Bild 309: Terminliche Planungskontrolle
Bestandteil der Terminplanung ist auch die Planung der Lieferungen der Ausführungs- bzw. Werkpläne (Bild 309). Basis hierfür ist die Produktionsplanung der Bauteile. Für die Liefertermine der Ausführungs- bzw. Werkplanung werden die Terminpläne der Bauproduktionsplanung als Meilensteine übernommen [10-11].
10.3 Ausführungsvorbereitung
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Ferner sollten besondere Genehmigungen, die zur Bauausführung notwendig sind, berücksichtigt werden. Zu diesen gehören u.a.: x x x x
verkehrstechnische Sperrungen Sondertransporte Aufstellen besonders hoher Krane, z.B. in Flugschneisen Anschluss an Ver- und Entsorgungssysteme
Eine weitere Aufgabe der Ressourcenplanung ist die Ermittlung des ungefähren Finanzierungsbedarfs der Baustelle. Der Finanzierungsbedarf ergibt sich aus dem Cashflow des Projekts. Zu diesem Zweck werden die Vorgänge des Balkenplans, unter Berücksichtigung der gewichteten Mittelwerte der Vorgangsdauer, mit den Kostenarten (Lohn, Material, Geräte, Fremdleistungen) und deren zeitlicher Verteilung einzeln gewichtet. Dann werden (durch Addieren der Kosten über alle Vorgänge des jeweiligen Monats) die monatlichen Summen gebildet und in einem Histogramm zusammengestellt. Die Summation des Kostenhistogramms führt zur Kostensummenlinie des Projekts; das Kostenhistogramm und die Kostensummenlinie dienen auch gleichzeitig zur Leistungs- bzw. Kostenbudgetierung des Projekts für Controllingzwecke. In diesem Cashflow-Diagramm werden nun die Zahlungseingänge in einer Treppenlinie dargestellt. Die Zahlungseingangstreppenkurve ergibt sich aus der monatlichen Rechnungsstellung für die erbrachten Leistungen unter Beachtung der Zeitverzögerung aus x dem zeitlichen Aufwand zur fundierten monatlichen Rechnungsstellung mit den Aufmassunterlagen, x der Zeit für die Prüfung der Richtigkeit der Rechnungdurch den Bauherrn, x dem Zahlungszeitraum nach Anerkennung durch den Bauherrn. Daraus ergibt sich meist eine Verzögerung zwischen kostenwirksamer Leistungserbringung und Zahlungseingang von ca. eineinhalb Monaten. Aus der Summation der Differenzfläche zwischen Kostensummenlinie und Zahlungseingangskurve ergibt sich der Gesamtfinanzierungsbedarf. Der monatliche Finanzierungsbedarf ergibt sich aus der Differenz der Histogramme Kosten und Zahlungen. Subunternehmerbeauftragung
Für die Subunternehmerausschreibung entscheiden oft Kriterien wie x eigene Kapazitätsauslastung und Terminvorgaben, x Spezialleistungen, die nicht zum Leistungsspektrum des Unternehmens gehören,
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
x Leistungen, die aufgrund der Spezialisierung der Subunternehmer oder aufgrund der geringeren Allgemeinkosten oder auch Lohntarifkosten am Markt billiger eingekauft werden können. Üblich ist die Erstellung von Leistungsverzeichnissen, die an in Frage kommende Firmen versendet werden. Auswahlkriterien sind die firmeneigene QM-Evaluationsliste, die Erfahrungen mit den Unternehmen, die lokale Nähe zur Baustelle, die Marktposition oder der Vorschlag des Bauherrn. Es ist jedoch ratsam, unbekannte Firmen, die sich entweder initiativ beworben haben oder in Fachzeitschriften inserieren, mit anzufragen, um sie unverbindlich kennen zu lernen. Die Erstellung und Auswertung von Leistungsverzeichnissen kann sehr umfangreich und daher zeitlich nicht mehr realisierbar sein. In diesem Fall bietet sich eine Funktionalausschreibung, der die relevanten Ausführungspläne beizufügen sind, an. Ist ausreichende Bearbeitungszeit vorhanden und liegen Ausführungsplanunterlagen vor, so kann der Subunternehmer in einem weiteren Schritt aufgefordert werden, seine Leistungen pauschal anzubieten. Durch den Wegfall aufwändiger Aufmasse vereinfacht dieser Schritt später den Prozess der Rechnungsprüfung. Die Auswertung der Angebote erfolgt üblicherweise nach den Kriterien Preis sowie Erfahrung in Bezug auf Bauverfahren und Auftragsvolumen. Zudem sollte der Ressourcenumfang des Subunterrnehmers hinsichtlich x des Maschinenparks – Anzahl, Alter, Zustand x der Personalverfügbarkeit – Anzahl, Art, Qualifikation x der finanziellen Bonität – Bankenauskunft geprüft werden, um seine Leistungsfähigkeit festzustellen. Im Zug der Vergabeverhandlung ist zu klären, ob das Angebot von der Ausschreibung abweicht, welche Kapazitäten dem Unternehmen zum Bauzeitpunkt zur Verfügung stehen und wie das Unternehmen die Leistungen zu realisieren plant. Die Vorgaben aus der Arbeitsplanung sind deutlich zu machen und im Auftragsfall als Vertragsbestandteil zu definieren. Des Weiteren sind dem Subunternehmer die allgemeinen und speziellen Vertragsbedingungen zu erläutern. Fallweise ist es ratsam, Vertragsstrafen zu vereinbaren, die in erster Linie als Druckmittel zur Termineinhaltung genutzt werden sollten. Oft gestalten Hauptunternehmer die Subunternehmerverträge in Bezug auf Qualität, Leistung, Zahlungs- und Gewährleistungsbedingungen als so genannte „back to back“-Verträge.
10.3 Ausführungsvorbereitung
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Baustellenorganisation
Jedes Unternehmen hat eine seinen Aufgaben entsprechend situativ angepasste Organisationsstruktur, die in der Aufbauorganisation abgebildet ist. Die Aufbauorganisation ist normalerweise nach dem Verrichtungsprinzip und der Differentiation der Leistungserbringung gegliedert. Um die erforderliche Dezentralisierung der Leistungserbringung zu integrieren, müssen entsprechende Projekt- und Ablauforganisationen gebildet werden, die sich in einem temporären Team auf das Endprodukt als Ganzes konzentrieren. Daher werden zur Baustellenabwicklung reine Ausführungsprojektgruppen zusammengestellt, die von der Geschäftsleitung durch Einsetzung eines Baustellenchefs initiiert werden. Die Mitarbeiter sind für diese temporäre Aufgabe disziplinarisch, fachlich und ergebnisverantwortlich dem Baustellenchef unterstellt. Die besondere Charakteristik der Baustellenprojektorganisation ist ihre Beschränkung auf den Zeitraum der Bauabwicklung. Es handelt sich um eine rein aufgabenorientierte, projektbezogene Organisation. Eine typische Baustellenprojektorganisation für ein Grossprojekt ist in Bild 310 dargestellt. Die Ausführungsprojektgruppe ist eine reine Projektorganisation, die sich, je nach Grösse des Ausführungsprojekts, aus Mitarbeitern der Sparte sowie der Arbeitsvorbereitung, des Werkhofs oder auch der kaufmännischen Abteilungen zusammenstellt. Die operative Managementebene unterhalb des Baustellenchefs wird von den Abschnittsbauführern bestimmt. Die Abschnittsbauführer werden meist für einzelne Bauwerke oder Bauabschnitte eingesetzt. Aus Zuständigkeitsgründen ist es wichtig, eine klare Aufgabenabgrenzung, z.B. nach Bauteilen oder Bauabschnitten, vorzunehmen. Den Abschnittsbauleitern sollten klare Leistungspositionen der Ausschreibung zugeordnet werden, um Leistungs- oder Zuständigkeitslücken zu vermeiden. Ferner sollten die Produktionsressourcen eindeutig zugeteilt werden. Gemeinsam genutzte Grossgeräte sind beim Werkstattmeister anzumelden und von ihm zu koordinieren. Dies gilt auch bei der Betonherstellung auf der Baustelle. Zur reibungslosen Koordination der gemeinsam genutzten Ressourcen dienen auch die wöchentlichen Bauproduktionskoordinationssitzungen, in denen die Wochenprogramme der einzelnen Bauführer besprochen und die gemeinsam genutzten Produktionsressourcen koordiniert werden. Die Sitzungen werden vom Baustellenchef geleitet.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 310: Baustellenorganisation eines Grossprojekts
Jedem Abschnittsbauleiter sind Ausführungsgruppen zugeordnet, die von einem Polier fachlich geführt werden. Bei kleineren Projekten bzw. kleineren Unternehmen umfasst die Baustellenprojektorganisation im Regelfall nicht so viele Mitarbeiter (Bild 311); die Aufgaben werden dann nicht von einzelnen Spezialisten, sondern in Personalunion erledigt. In Unternehmen, die viele kleinere oder mittlere Projekte abwickeln, ist ein Baustellenchef für mehrere Baustellen zuständig. Die einzelnen kleineren Baustellen werden dann von den Polieren selbstständig geleitet. Die baustellenbegleitende Arbeitsvorbereitung und das Controlling für die einzelnen dezentralen Baustellen werden von einer Stabsstelle oder Stabsorganisation zentral im Unternehmen durchgeführt. Der Maschinenabruf erfolgt zentral über den unternehmenseigenen Werkhofchef. Man wird in diesem Fall keine Baugeräte und Ersatzteile in einer baustelleneigenen Werkstatt vorhalten. Solche Unternehmen organisieren ihre Ausführungsprojekte in einer Projektorganisation, in der die Stellen der operativen Mitarbeiter vor Ort abgebildet sind, und überlagern dieser Vor-Ort-Organisation eine Projektmatrixorganisation, in der funktional die Servicemitarbeiter des Projekts eingebunden sind (z.B. Arbeitsvorbereitung, Werkhof, kaufmännische Abteilung).
10.3 Ausführungsvorbereitung
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Bild 311: Projektorganisation eines mittleren Bauunternehmens zur Ausführung kleinerer und mittelgrosser Projekte
Integriertes Projektqualitätsmanagement (PQM)
In einem Bauunternehmen stellt die Qualitätssicherung einen kontrollierten, nachvollziehbaren und dokumentierten Prozess in der Wertschöpfungskette dar. Die Qualitätssicherung soll die materiellen und Informationsprozesse regeln, die zur Herstellung des Produkts Bauwerk führen. Damit sollen die Risiken durch mangelhafte und nicht vertragsgerechte Leistungen, Verwendung mangelhafter Materialien, unzureichend qualifizierte Subunternehmer, unzureichende Informationsgrundlagen sowie unzureichende Arbeitssicherheit reduziert werden [10-21]. Im Rahmen der Arbeitsvorbereitung ist die projektspezifische Qualitätssicherung und Arbeitssicherheit, das PQM, zu planen und weitestgehend vorzubereiten. Basis hierfür bilden das unternehmenseigene Qualitäts- und Arbeitssicherheitsmanagement und die Anforderungen des Bauherrn. Der Bauherr formuliert im Vertrag direkte Anforderungen an die Qualität von Materialien, Geräten und Leistungen, die sich aus den späteren Nutzungsanforderungen und der Nutzungsdauer ergeben. Dies kann in Form von z.B. Produktmarken, Garantien und Qualitätskontrollen erfolgen. Indirekt stellt der Bauherr weitere Qualitätsanforderungen durch seine Organisation und Struktur.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Ziel der PQM-Planung ist es, die Baustellenorganisation, die Bauabläufe und das Baumanagement zu organisieren und innerhalb kontrollierter Prozesse zu führen. Das PQM regelt alle Managementprozesse zwischen Unternehmer und Bauherr sowie die Produktionsprozesse innerhalb des Unternehmens [10-2]. Ferner beinhaltet es alle Massnahmen zur Qualitätssicherung des Produkts Bauwerks sowie die notwendige Umsetzung der Arbeitssicherheitsanforderungen und Projektrisikobegrenzung. Die Ausführungsqualität lässt sich nicht allein durch kontrollierte, nachvollziehbare und dokumentierte Prozesse gewährleisten, sondern sie wird entscheidend durch x Qualität und Qualifikation der Mitarbeiter, x Qualität der Produktionsinfrastruktur wie Geräte, Bauverfahren, Bauhilfsmaterialien etc., x Qualität der Baustoffe, x Organisation der Ausführung, x äussere Bedingungen der Bauproduktion wie Wetter, Helligkeit und Umweltbelastung geprägt. In der Arbeitsvorbereitung sind Massnahmen zu treffen, um diese die Qualität beeinflussenden Faktoren zu optimieren. Neben den materiellen Qualitätssicherungsmassnahmen müssen im Projektqualitätsmanagement die Massnahmen zur Sicherung der Information und Kommunikation festgehalten werden. Dazu gehören die Festlegung der externen und internen Besprechungen sowie deren Mindestinhalte: x extern: - Bauherr und Bauunternehmen - Bauherr, Planer und Bauunternehmen sowie Dritte nach Bedarf x intern: - wöchentliche Baustellenkoordinationssitzung - monatliche Controllingbesprechung - monatliche Baustellenchefbesprechung mit der Bereichsleitung Sicherheitsplanung
Im Rahmen der Sicherheitsplanung werden die technischen und physischen Sicherheitsbereiche sowie die Unfallverhütung, der Gesundheitsschutz und die Umweltsicherheit berücksichtigt [10-17], [10-9]. Sicherheitsziele für die Bauphase eines Bauprojekts sind der Schutz der gefährdeten Personen vor Unfällen und Gesundheitsschäden sowie der Schutz der gebauten und natürlichen Umwelt vor schädlichen Einwirkun-
10.3 Ausführungsvorbereitung
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gen [10-22]. Diese Ziele gelten als erreicht, wenn alle Massnahmen gegen Gefährdungen getroffen werden, die nach geltenden rechtlichen Grundlagen notwendig, dem Stand der Technik und der Erfahrung anwendbar und den gegebenen Verhältnissen angemessen sind. Die Massnahmen müssen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen. Die Sicherheit für Bauarbeiter und Dritte muss im Vordergrund stehen [10-12]. Im Einzelnen sollten von der Arbeitsvorbereitung folgende Punkte in Kurzform beschrieben und ihre Gefahren und Gegenmassnahmen dargestellt werden: x x x x x
Standort und Erschliessung der Baustelle Beschreibung und Dauer des Bauvorhabens Komponenten der Baustelleneinrichtung Bauetappen, Bauvorgänge und Bauwerkskomponenten natürliche sowie gebaute Umwelt und Bevölkerung
Zur Umsetzung der geplanten Sicherheitsmassnahmen eignen sich Sicherheitsmassnahmenpläne, die dem phasenweisen Charakter der Baumassnahme gerecht werden, sowie Überwachungspläne, Arbeitsanweisungen, Checklisten, Ablaufschemata etc. Für die Planung und Umsetzung des Sicherheits- und Gesundheitsplans (SiGePlan) [10-23] ist ein Sicherheitskoordinator zu bestimmen. Der SiGePlan soll in der Planungsphase so konzipiert werden, dass er die Schwerpunkte und Besonderheiten des Arbeitsschutzes für das jeweilige Projekt in einer Übersichtszeichnung auf den ersten Blick klar aufzeigt. In folgenden Bauunterlagen dient der SiGePlan als Grundlage zur Planung der Sicherungs- und Arbeitsschutzmassnahmen: x Baustelleneinrichtungsplan: Lage und Ort der permanenten Massnahmen x Arbeitszykluspläne: z.B. Schutzvorrichtungen beim Sprengvortrieb x Terminplan: Dauer der jeweiligen Schutzmassnahmen Der SiGePlan (Bild 312) muss folgende Minimalbedingungen erfüllen: x Er soll in der Vorbereitungsphase des Projekts erstellt und in der Ausführungsphase dem Arbeitsfortschritt und Änderungen angepasst werden. x Die für die jeweilige Baustelle zutreffenden Bestimmungen müssen aufgeführt werden. Die Wechselwirkung Baubetrieb und Produktion oder Verkehr muss, falls relevant, berücksichtigt werden (z.B. Instandsetzungsarbeiten).
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
x Spezifische Massnahmen bei gefährlichen Arbeiten müssen angegeben werden, z.B. Massnahmen gegen Verschüttung beim Niederbruch im Tunnel oder plötzlichen Bergwassereinbruch.
Bild 312: Übersichtsplan zur Darstellung der Gefährdungen und Sicherheitsmassnahmen im Rahmen der Hauptvorgänge des Bauprozesses [10-23]
Der SiGePlan soll nach dem Leitfaden der Berufsgenossenschaften erstellt werden; der schematische Aufbau ist in Bild 312 dargestellt. Er sollte Bestandteil des projektbezogenen Qualitätsmanagements sein und unter Verantwortung des Projektmanagements umgesetzt werden. Die heutigen Anforderungen an das Baustellenmanagement verlangen eine integrale Umsetzung von x Projektmanagement, x Qualitätsmanagement und x Sicherheits- und Gesundheitsmanagement. Diese Managementelemente sollten in ein baustellenbezogenes Projektqualitätsmanagementhandbuch (PQM-Handbuch) integriert werden. Bei aller Betonung der Notwendigkeit einer umfassenden Sicherheitsund Gesundheitsplanung muss vor Übereifer gewarnt werden, da zu detaillierte Vorgaben die Einhaltung und Überwachung während der Bauphase behindern. Um die erfolgreiche Umsetzung auf der Baustelle zu erreichen, muss, analog zum Qualitätsmanagement, die richtige und praktische Konzentration auf die wesentlichen Punkte gefunden werden.
10.3 Ausführungsvorbereitung
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10.3.4 Baustelleneinrichtung Einflussfaktoren auf die Baustelleneinrichtung
Die Besonderheit der Bauproduktion, im Gegensatz zur stationär produzierenden Industrie, ist, dass die gesamte Infrastruktur zur Errichtung eines Gebäudes am jeweiligen Entstehungsort des neuen Bauwerks jedes Mal neu aufgebaut werden muss (mobile Industrie). Daher ist für jedes Bauwerk eine individuelle Baustelleneinrichtung zu planen und zu errichten, die auf folgende Aspekte abgestimmt werden sollte: x Grösse der Baumassnahme x Art der Baumassnahme (Industriebau, Hochhaus, Brückenbau, Tunnelbau etc.) x vorhandene öffentliche Infrastruktur (Stadt, Gebirge, Ausland etc.) x Erbringung der Leistung durch Subunternehmer oder eigene Mannschaft x Baustoffversorgungsmöglichkeiten x Bauzeit etc. Je nach Grösse, Art und Komplexität der Baumassnahme sind die Anforderungen an die Baustelleneinrichtung (Bild 313 bis Bild 315) naturgemäss sehr unterschiedlich. So empfiehlt es sich ab einer gewissen Grösse, Vorfertigungsanlagen in die Baustelleneinrichtung zu integrieren, z.B. Betonmischanlagen anstelle von Transportbeton, Betonfertigteilproduktion auf der Baustelle anstelle der Lieferung ab einem entfernteren Werk. Die Entscheidung hängt jedoch, falls die „just in time“-Liefermöglichkeiten schon positiv geklärt sind, von der Wirtschaftlichkeit ab. Diese Überlegungen sind auch hinsichtlich der Art der Baumassnahme anzustellen. Beispielsweise steigen die Anforderungen an die Planung der Transportlogistik proportional mit dem Umfang der Massen, z.B. bei einer verhältnismässig grossen Erdbaumassnahme oder bei Staudammbauten. Die vorhandene öffentliche Infrastruktur beeinflusst die Baustelleneinrichtung in hohem Mass. Generell ist zwischen Baustellen auf der „grünen Wiese“ und Baustellen im innerstädtischen Bereich zu unterscheiden. Letztere sind meist durch grosse Einschränkungen hinsichtlich Platz, Lärm, Arbeitszeit und Verkehrsanbindung charakterisiert. Besondere Sorgfalt ist bei der Baustelleneinrichtungsplanung der Nutzung des zur Verfügung stehenden Raums zu widmen, um einen möglichst störungsfreien Bauablauf sicherzustellen. Bei Baustellen auf der „grünen Wiese“ (Baustellen in unbesiedelten Gebieten, ohne Versorgungsleitungen etc.) kann es im Extremfall notwendig sein, vor Baubeginn eine Mindestinfrastruktur zu schaffen.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Die Baustelleneinrichtung hängt auch davon ab, ob und welche Teile der Bauproduktion durch Eigen- oder Subunternehmerleistungen erstellt werden. Subunternehmer planen für gewöhnlich ihre eigene Baustelleneinrichtung. In diesem Fall ist abzuklären, welche Leistungen vom Auftraggeber bzw. vom Hauptauftragnehmer zu erbringen sind (Strom, Wasser, Sanitäranlagen etc.), welche Einrichtungen der Subunternehmer benötigt und welche Platzverhältnisse erforderlich sind. Mit fortschreitender Bauzeit, z.B. von der Rohbauphase in die Ausbauphase, sind Anpassungen der Baustelleneinrichtung vorzunehmen. Um unnötige und kostspielige Massnahmen zu vermeiden, sind die Anpassungen konzeptionell als Weiterentwicklungen der ursprünglichen Einrichtung zu planen.
Bild 313: Baustelleneinrichtung
Baustelleneinrichtungsplan
Die Aufgabe der Planung der Baustelleneinrichtung (Bild 313) besteht darin, die optimal angepasste Bauproduktion zur Durchführung einer bestimmten Baumassnahme mit den notwendigen ortsfesten Anlagen, Maschinen und Geräten, Ausstattungen sowie Lager- und Verkehrsflächen vor Ort festzulegen. Des Weiteren ist der Materialfluss durch eine sinnvolle Lagerung mit kürzesten Wegen für die Baustellentransporte und den Einsatz optimaler Transportmittel zu optimieren.
10.3 Ausführungsvorbereitung
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Bild 314: Dock Midfield Zürich
Für die optimale Gliederung der Betriebsabläufe sowie die notwendige Trennung der Materialflüsse wie auch der Arbeits- und Fertigungsabläufe ist die Zweckzuweisung bestimmter Flächen des Baugeländes erforderlich. Die abhängigen Abläufe sollen auf dem kürzesten Weg ohne gegenseitige Behinderungen möglich sein. Die Baustelleneinrichtungsplanung ist auch zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung und für das Zusammenwirken der verschiedenen Unternehmer (Bauhauptgewerbe, technische Gebäudeausrüstung, handwerklicher Ausbau, Einrichtung, Aussenanlagen und Freiflächen) bei komplexen Bauvorhaben notwendig. Der Baustelleneinrichtungsplan (M = 1:500, 1:200) legt die Flächennutzung am Baugelände fest. Das Ergebnis der Planung wird in einem Baustelleneinrichtungsplan zusammengefasst, dieser enthält: x x x x x x
Bauwerke und Nebenanlagen Beschaffenheit des Baugeländes Verkehrsverhältnisse Zufahrten auf das Baugelände Baufeldumschliessungen Baufeldeinrichtungen
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
x Ver- und Entsorgungseinrichtungen der Baustelle x Kanäle, Leitungen, Kabel x Lager- und Betriebsflächen der Baustelle
Bild 315: Baustelleneinrichtung Flughafen Kloten
Versorgungseinrichtungen
Verkehrserschliessung Die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz sollte so erfolgen, dass x der Verkehrsfluss möglichst nicht gestört wird, x die Unfallgefahr, z.B. wegen kreuzenden Verkehrs, nicht erhöht wird, x der Baustellenverkehr schnell und einfach ins öffentliche Strassennetz einfädeln kann, ohne Rückstau in die Baustelle zu erzeugen. Auch auf der Baustelle muss der Verkehr möglichst ohne gegenseitige Behinderungen und aufwändige Wendevorgänge zügig zu den Lager- und Umladestellen geführt werden. An den einzelnen Entladepunkten für die Materialien und Geräte sollten daher Ladebuchten vorgesehen werden, um ein ungehindertes Passieren zu ermöglichen. Die Baustrasse kann als Umfahrt, Durchfahrt oder Stichstrasse angelegt werden. In jedem Fall ist bei der Linienführung darauf zu achten, dass der
10.3 Ausführungsvorbereitung
665
LKW-Transport unproblematisch durchgeführt werden kann und Sicherheitsvorgaben eingehalten werden. Auf dem Baugelände selbst ist für eine jederzeit befahrbare Wegführung zu sorgen. Dies kann von einem Schotterweg über eine Beton- oder Fertigteilelementpiste bis hin zur Herstellung einer asphaltierten Strasse reichen. Der Strassenaufbau richtet sich nach der Verkehrsbelastung und der vorgesehenen Nutzungsdauer. Eine vorgezogene Fertigstellung der permanenten Zuwege und Strassen der Baumassnahme ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll, da schweres Gerät oder Raupenfahrzeuge die Wege hoch beanspruchen und zerstören können. Brauchwasserversorgung Die Brauchwasserversorgung orientiert sich an dem maximalen Bedarf auf der Baustelle, d.h. an der Summe der Wassermengen, die zu einem definierten Zeitpunkt von den anwesenden Gewerkeunternehmen, zuzüglich der Versorgung der Baustelleneinrichtung, für einen reibungslosen Baubetrieb benötigt wird. Ein Mangel an Wasser kann bei einigen Gewerken (Beton) zu kostspieligen Stillständen führen. Ist die Möglichkeit gegeben, die Trinkwasser- und Brauchwasserversorgung zu entkoppeln, so kann es wirtschaftlich sein, getrennte Systeme für bestimmte Verbraucher zu installieren. Abwasserentsorgung Für die Entsorgung des Abwassers ist zu prüfen, ob die vorhandene Infrastruktur für die Aufnahme der anfallenden Mengen ausreicht. Gegebenenfalls sind besondere Genehmigungen einzuholen. Ist das Wasser durch den Baubetrieb einer Kontaminierung ausgesetzt, so sind bauseitig Kläranlagen vorzusehen. Im Extremfall ist das Abwasser aufwändig mit Tanklastzügen abzutransportieren. Stromversorgung Die elektrotechnische Planung setzt die Kenntnis des Strombedarfs der eingesetzten Geräte voraus, zudem sind hier die gesetzlichen Vorschriften und Sicherheitsbestimmungen zu beachten. Die Leistungsabnahme wird, wie beim Wasser, nach der Summe der Anschlusswerte ermittelt, jedoch durch einen Gleichzeitigkeitsfaktor abgemindert. Dieser trägt der Wahrscheinlichkeit Rechnung, dass nicht alle Geräte gleichzeitig mit maximaler Leistung laufen. Zur Elektroplanung zählt ausserdem die Planung der Beleuchtung sowie der Kühlung und Heizung. Beides hängt naturgemäss von den klimatischen Bedingungen auf der Baustelle, dem Bauobjekt (z.B. Hochbau oder Tunnelbau) und den vertraglichen Rahmenbedingungen (z.B. Nachtbaustellen) ab.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Die Baustellenbeleuchtung kann zur Beleuchtung der Arbeitsplätze sowie als Absperrungs- und Sicherheitsbeleuchtung erforderlich werden. Die Arbeitsplatzbeleuchtung erfolgt punktförmig im Einsatzbereich der Mannschaft oder aber grossflächig zur Ausleuchtung der Gesamtbaustelle. Druckluftversorgung In die Berechnung der Druckluftversorgung fliessen Faktoren zur Berücksichtigung des Verschleisses und des Ausnutzungsgrads der Geräte sowie möglicher Verluste durch undichte Leitungen mit ein. Es kommen fahrbare Einzelkompressoren oder ein Druckluftversorgungsnetz mit stationärem Kompressor zum Einsatz. Betriebs- und Infrastrukturgebäude
Baustellenwerkstätten Die Notwendigkeit und der Umfang der Einrichtung von Baustellenwerkstätten hängen von der Art und der Komplexität der Baumassnahme ab. Wenn eine Werkstatt erforderlich ist, sollte sie mindestens einen Stand für Fahrzeuge und sonstige Baugeräte (Raupen, Bagger) haben, darüber hinaus Räume für Werkstattpersonal und die Lagerung von Ersatzteilen und Schmierstoffen. Unmittelbar neben der Werkstatt sind im Freien Abstellplätze vorzusehen, die nach Möglichkeit befestigt sein sollten und auf denen Reparaturen von Baumaschinen oder grösseren Konstruktionsteilen vorgenommen werden können. Grössere Baustellenwerkstätten werden meist in leicht montierbaren Stahlhallen unterbracht. Büros und Magazine Die Notwendigkeit für Bürocontainer oder Büros hängt von der Grösse der Baustelle ab (Bild 316). Das Magazin dient zur Lagerung von Kleingeräten und Werkzeug sowie von Bauhilfs- und Nebenstoffen. Magazine sollten nahe an den Einsatzorten liegen, um Zeitverluste bei der Versorgung zu vermeiden. Container für Mannschaft, Sanitär, Erste Hilfe etc. Bei der Planung der Sozialeinrichtungen, die in Abhängigkeit von der Zahl der Arbeitskräfte, der Jahreszeit und der Art der Arbeit dimensioniert werden, sind in erster Linie lokale Verordnungen und Richtlinien zu beachten. Zur Mindestausstattung einer Baustelle gehören Toiletten, Aufenthaltsund Waschräume bzw. -container. Die Mannschaftscontainer müssen über genügend Sitzgelegenheiten sowie Tische und Spinde verfügen.
Personalbestand
10.3 Ausführungsvorbereitung
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Hilfsbetriebe Kalkulation Chefbauführung Arbeitsvorbereitung Sekretariat Abrechnung Vermessung Bauführer Polier Arbeiter Baustellengrösse Klein-
Mittel-
Grossbaustellen
Bild 316: Baustellenpersonal in Abhängigkeit von der Baustellengrösse
Lager- und Bearbeitungsanlagen
Im Rahmen der Baustelleneinrichtung sind auch die Lagerstätten und Bearbeitungsanlagen zu nennen. Zur Herstellung und Errichtung des Bauwerks werden Roh- sowie Halbfertigprodukte zur Baustelle geliefert; dazu gehören folgende Gruppen: x x x x x
Baustoffe Bauhilfsstoffe Einbauteile Installationsmaterial Haustechnikgeräte
Diese müssen meist kurzfristig zwischengelagert werden, entweder zum späteren Einbau oder aber zur Weiterverarbeitung. Deshalb sind sowohl Lagerflächen wie auch Einrichtungen zur Weiterverarbeitung vorzusehen. Zu diesen Einrichtungen zählen u.a.: x x x x
Betonmischanlage Baustahlbiegeplatz Schalungsvorbereitung / Zimmermannsplatz Kiesaufbereitung
Lagerflächen können für folgende Baustoffe, Bauhilfsstoffe und Einbauteile erforderlich sein:
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x x x x x x x x x x x x
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Baustahl Baustahlmatten Stahleinbauteile Schal- und Rüstmaterial Stahlträger und Einbaubögen Rohre Fertigteile Kies, Sand Zement Ausbaumaterial Installationsmaterial HKL-Geräte
Lagerflächen sollten optimal an die Zufahrt angebunden sein, im Schwenkbereich eines Krans und in möglichst geringer Entfernung von der Verwendungsstelle liegen. Die Materialien müssen so gelagert werden, dass sie gegen Verschmutzung gesichert sind (z.B. Lagerung von Bewehrungsstahl auf Kanthölzern oder in Boxen) und vom Kran leicht aufgenommen werden können. Bei der Lagerung von Fertigteilen ist zudem die Statik für Lageranweisungen zu beachten, ferner sollte die Lagerung eine einfache Handhabung zum Zeitpunkt der Verwendung gewährleisten [1011]. Baugeräte
Die Planung der Baustelleneinrichtung umfasst auch die Auswahl und Dimensionierung der Baugeräte. Der Mechanisierungsgrad einer Baustelle ist den Gegebenheiten und dem Bauobjekt anzupassen, um Bauzeit und Arbeitssicherheit zu optimieren. Es ist zwischen den Geräten für den Tiefbau, Hochbau, Brückenbau und Tunnelbau zu unterscheiden. Geräte im Tiefbau für den Aushub sind in erster Linie die verschiedenen Baggertypen, vor allem Hydraulikbagger oder Seilbagger. Die Hydraulikbagger werden mit Tieflöffel, Ladeschaufel, Grabgreifer oder anderem Sonderzubehör ausgerüstet. Als Fahrwerk wird, je nach Anforderungen, ein Raupenfahrwerk oder Reifenfahrwerk gewählt. Die Seilbagger sind vorzugsweise für Greiferarbeiten sowie als Universalgerät zum Rammen und Bohren ausgelegt. Nach entsprechendem Umbau können sie auch als Hebezeuge eingesetzt werden. Die Auswahl der Geräte wird durch die Vorgaben der Baustelle bestimmt. Die Bodenklassifizierung, die Art der Baustrassen und die Bauzeit sind hierbei die wichtigsten Kriterien. Ladegeräte sind notwendig, um loses oder mittelfestes Aushubmaterial oder allgemeines Baumaterial über kurze Distanzen zu transportieren; ein-
10.3 Ausführungsvorbereitung
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gesetzt werden Raupenlader mit Front- oder Schwenklader, Radlader oder Baggerlader. Die Geräte werden mit Ladeschaufel, Klappschaufel oder Stapelgabel ausgerüstet. Bei Transportwegen über 100 Meter ist der Einsatz von Kippfahrzeugen und LKWs wirtschaftlich. Ankerbohrgeräte kommen in Sonderbaustellen zum Einsatz und werden gemäss den lokalen Anforderungen (Geologie und Mineralogie, Gesteinsdruckfestigkeit, Schichtung, Wasserverhältnisse, Durchmesser) dimensioniert. Unterschieden werden pneumatische oder hydraulische Bohrgeräte. Zur Aufnahme von Geländeflächen und -profilen, für Lageabsteckungen sowie zur Vermessung von Deformationen, Verschiebungen, Setzungen und ähnlichem sind Vermessungsgeräte für die Baustelle vorzusehen. Zum Einsatz kommen Prismeninstrumente und Stahlmessbänder, Theodolite und Nivelliergeräte. Für den Hochbau sind vor allem Turmdrehkrane zu nennen. Jedoch sind auch Schalungen, Gerüste und Betoniergeräte elementare Ausrüstungen einer Hochbaustelle. Die Schalung richtet sich nach den Ansprüchen der Baustelle und den Anwendungsbereichen (Bauteile). Die konventionelle, systemlose Holzschalung findet heute nur noch bei kleinen Bauvorhaben Anwendung und wurde von den Schalungssystemen verdrängt. Der Vorteil der Schalungssysteme ist der mehrmalige Einsatz und die zeitsparende Elementierung der Schalung und ihrer Hilfsbaustoffe (Anker, Systemträger, Laststützen etc.). Die Planung der Betoniergeräte umfasst die Betontransportfahrzeuge, den Einsatz und die Leistungen von Betonpumpen sowie die einzusetzenden Verdichtungsgeräte. Hebezeuge
Die Krantypenklassifizierung ist in Bild 317 dargestellt. Die Kranaufstellung verlangt die Beachtung folgender technischer Grundsätze: x Alle Lagerplätze sollten vom Ausleger zu erreichen sein. x Die Fahrwege der Krane sollten möglichst klein sein, wobei als Fahrweg sowohl die Schwenkbewegung als auch die Katzfahrt in Höhe und Weite verstanden wird.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 317: Kranarten [10-8]
Sind Bereiche auf der Baustelle sehr kranintensiv, so ist zu untersuchen, ob eine Bestreichung dieses Bereichs mit mehreren Kranen wirtschaftlich und arbeitssicherheitstechnisch zu vertreten ist. Die für den Baustellenbetrieb notwendige Hubkraft des Krans bestimmt seine Dimension. So muss an den entsprechenden Anschlagpunkten die Hubkraft grösser sein als die maximal zu hebende Last. Krane arbeiten häufig taktweise. Der einzelne theoretische Arbeitstakt eines Hebevorgangs setzt sich zusammen aus x x x x
der Zeit für das Anschlagen der Last, der Hub-, Dreh- und Verfahrzeit der Last zum Abschlagort, der Zeit für das Lösen der Last und der Rückfahr-, Senk- und Drehzeit des Lasthakens.
Es gibt verschiedene Bemessungsansätze zur Bestimmung der erforderlichen Anzahl der Turmdrehkrane, die alle verschiedene Vor- und Nachteile aufweisen. Die Kranzahl über die Spielzeiten basiert auf der abgeschätzten Spielzeit pro Stunde; die Dauerleistung des Krans wird mittels Geräteausnutzungs- bzw. Behinderungsfaktoren bestimmt.
10.4 Ablauf der Ausführung
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Die Kranzahl mittels Beschäftigtenkennzahlen, d.h. aus der Zahl der Arbeitskräfte, kann aus Erfahrungswerten abgeschätzt werden. In analoger Form wird die Kranzahl über die Baustoffmengen bestimmt. Der Autokran ist eine auf einem LKW aufgebaute Krananlage mit drehbarem Kranturm, Führerkabine, Ausleger und Gegengewicht. In der Regel müssen beim Autokran zusätzliche Stützenfüsse ausgefahren werden, um dem Fahrzeug eine breite Abstützbasis zu geben. Schwere Autokrane mit teleskopierbaren Auslegern oder hydraulisch ausfahrbaren Auslegern sind für Tragfähigkeiten bis 2500 tm entwickelt worden. Autokrane sind auf öffentlichen Strassen verhältnismässig schnell von Baustelle zu Baustelle verschiebbar und werden bei Montagen vorgefertigter Teile, also bei kurzfristig hohen Lastbewegungen, wirtschaftlich eingesetzt.
10.4 Ablauf der Ausführung 10.4.1 Hauptaufgaben Für die Ausführung und die Abwicklung der Baumassnahme ist bei Grossbaustellen der Baustellenchef (CH) bzw. Bauleiter (D) verantwortlich. Er sollte schon an der Angebotsbearbeitung mitgearbeitet haben, zumindest aber der Projektleiter bei der Ausführungsvorbereitung sein, um optimale Kenntnisse des Vertrags und des Projekts zu haben. Bei grossen Projekten werden die einzelnen Bauwerke oder Bauabschnitte wie z.B. Vortrieb und Ausbau auf der zweiten Leitungsebene von den Abschnittsbauführern (CH) bzw. Abschnittsbauleitern (D) verantwortlich geleitet, mit den Polieren, die die Ausführungsmannschaften führen, auf der dritten Leitungsebene. Bei kleineren Projekten übernimmt der Baustellenchef oder Bauführer die Verantwortung für mehrere Baustellen. Die Baustellen werden dann direkt durch den Polier der Ausführungsgruppe geleitet; eine stellenbildende Organisationsstufe entfällt. Die Hauptaufgabe der Baustellenführung in der Ausführungsphase ist das Bauproduktionsmanagement mit x Organisation und Erstellung der Bauproduktionsanlagen am Ort der Nutzung des Bauwerks (Baustelleneinrichtung) sowie x Abwicklung der Bauproduktion. Der Baustellenchef ist direkt – und in gewissem Umfang indirekt die gesamte Führungsmannschaft – auch für das Key Account Management zuständig.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Die erste Hauptaufgabe des Baustellenleiters ist die Erstellung der Baustelleneinrichtung vor Ort auf der Basis des Baustelleninstallationsplans. Ziel ist es, die Baustelle möglichst schnell produktionsfähig zu machen. Das Leistungserstellungs-/Bauproduktionsmanagement ist die zweite Hauptaufgabe des Baustellenleiters. Er koordiniert die Umsetzung der Produktionsplanung und der Produktionssteuerung; diese Arbeit hat das Ziel, das Ineinandergreifen der verschiedenen Arbeitsabläufe, die ggf. von unterschiedlichen Unternehmen ausgeführt werden, vorzubereiten, durchzuführen, zu fördern und zu kontrollieren. Zum Leistungserstellungs-/Bauproduktionsmanagement gehören die folgenden Hauptaufgaben: x Umsetzung der Produktionsplanung (Bauabläufe, Bauverfahren) und Produktionssteuerung (stetige Verbesserung) x Aufbau und kontinuierliche Pflege des Kommunikationsmanagements - extern zum Bauherrn, zu Ingenieuren, Architekten, Nachbarn und der Öffentlichkeit - intern zu Vorgesetzten, der Baustellenführung und internen Serviceabteilungen x Termin-, Ressourcen- und Kostenmanagement x Qualitäts- und Arbeitssicherheitsmanagement x Administrationsmanagement Das Kommunikationsmanagement erfolgt extern und intern. Der Baustellenleiter hat dafür Sorge zu tragen, dass Kommunikationsformen eingeführt und gepflegt werden, die den Ablauf der Ausführung unterstützen und Transparenz erzeugen; dies wird auch im Rahmen des PQM etabliert. In vielen Unternehmen fällt dem Baustellenleiter die Aufgabe des Ansprechpartners für externe Kommunikation zu. Dies hat den Vorteil, dass Informationen zentriert in das Unternehmen gelangen und vom Baustellenleiter entsprechend weitergeleitet werden. Der Informationsverlust wird weitgehend reduziert, und für die externen Partner werden die Informationsstränge vereinfacht. Der wirtschaftliche Erfolg eines Projekts ist das Ziel eines jeden Unternehmens; somit muss der Baustellenleiter jederzeit über den Stand der Termine und Kosten seiner Baustelle informiert sein. Hierzu stehen ihm die Instrumente des Controllings zum Termin- und Kostenmanagement zur Verfügung. Das Qualitäts- und Arbeitssicherheitsmanagement sind zwei weitere Aufgabengebiete, die der Baustellenleiter betreut und für die er verantwortlich ist.
10.4 Ablauf der Ausführung
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Das Administrationsmanagement sichert das Betriebs- und Bestellwesen sowie Abrechnungen, Rechnungsstellungen etc. Es findet in allen vorgenannten Aufgabengebieten des Baustellenleiters Anwendung. 10.4.2 Erstellung der Baustelleneinrichtung Die Erstellung der Baustelleneinrichtung vor Ort ist die erste Hauptaufgabe, die der Baustellenleiter zu erfüllen hat. Sie bildet die Grundlage zur Produktionsaufnahme am Entstehungsort des Bauwerks. Die Baustelleneinrichtung wird auf der Basis der Arbeitsvorbereitungsplanung und der terminierten Bereitstellung von Geräten, Anlagen, Gebäuden und Material durchgeführt. Im Rahmen dieser Aufgabe müssen die Genehmigungen für die Versorgung und Entsorgung auf der Baustelle eingeholt und die Verträge abgeschlossen werden. Ferner sind die notwendigen Versicherungen (s. Kapitel 11) abzuschliessen. Das Aufstellen der Baustelleneinrichtung erfolgt meist durch eine der Ausführungspoliergruppen mit Spezialisten des Werkhofs wie z.B. Elektrikern und Mechanikern. Bei grossen Baustellen sollte für die Erstellung der Baustelleneinrichtung ein separater Termin- und Ressourcenplan angefertigt werden, der Listen über die Art, Menge und Qualität des folgenden Inventars enthält: x x x x x x x x
Geräte und Anlagen Hilfsgebäude/Container Magazinausrüstung Gebäude- / Containerausrüstung Material für die Installation der Ver- und Entsorgung Material für die Erstellung der Verkehrswege Material für die Baustellenabzäunung und Sicherheitseinrichtungen Baustellenschild und andere Warn- und Hinweisschilder
Die Ressourcen werden bereits während der Arbeitsvorbereitung terminiert und abgerufen. Der Aufbau der Produktionsanlage vor Ort umfasst folgende Aufgaben: x Erstellung der Grundinstallationen für die Produktionsinfrastruktur wie Bau der Versorgungs- und Entsorgungsleitungen, Baustrassen, Fundamente für die Anlagen und Gebäude x Errichtung der Gebäude und Anlagen wie Büros, Lagerplätze, Magazine, Baustellenumschliessung, Sicherheitseinrichtungen etc. x Installation der stationären Baugeräte wie Krane, Betonmischanlagen etc.
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x Abschluss der Versorgungs- und Entsorgungsverträge sowie Einholen von Genehmigungen x Anschluss an Ver- und Entsorgung (Strom, Telefon, Wasser, Abwasser) x Ausrüstung der Magazine und Servicegebäude Bei der Einrichtung der Baustelle sind Aufbauzeiten und Lieferzeiten zu beachten. Zudem setzen die einzelnen Grundausrüstungen bestimmte Vorleistungen voraus, die vorab erbracht werden müssen. 10.4.3 Administration Die Baustelle ist im Regelfall eine eigene temporäre Organisationseinheit, die zum geregelten Ablauf eine Administration benötigt. Die Aufgabe der Administration bzw. des Administrationssystems ist es, x Aufgaben zu verteilen, Verantwortlichkeiten festzulegen und diese dem dynamischen Produktionsprozess anzupassen; x Arbeitsroutinen wie z.B. Unterschriftenzuständigkeiten, Bestellwesen, Abrufen von Personal, Geräten und Materialien zu etablieren; x das Ablagesystem für die vertraglichen Unterlagen und die interne Dokumentation festzulegen; x Formulare oder Programmmasken für Stundenerfassung, Geräte- und Materialbestellungen bzw. -abruf, Berichtswesen, Besprechungsprotokolle, Nachtragserfassung, Rechnungsstellung, Aufmassprotokolle vorzubereiten; x Personal zu managen, d.h. die richtigen Fachkräfte zur richtigen Zeit in erforderlicher Quantität bereitzustellen und zurückzuführen; x Geräte, Materialien und Bauhilfsmaterialien in der richtigen Menge, zur richtigen Zeit in der erforderlichen Quantität bereitzustellen und zurückzuführen; x Routinebesprechungen festzulegen: - intern: Baustellenführung mit Bauführern, Polieren, Serviceabteilungen etc. - extern: mit dem Bauherrn, Architekten, Fachingenieuren, Subunternehmern, Behörden etc. x interne Kontrolldaten wie z.B. Lohn- und Gerätestunden nach Bauwerken, Bauteilen und Leistungspositionen, Materialmengen etc. zu erfassen und zu verarbeiten; x den monatlichen Leistungsstand und die Materialreserven etc. abzugrenzen;
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x das Berichtswesen zu etablieren: - intern: Bautagebuch Leistungsmeldung Termin- und Kostenkontrolle Arbeitssicherheitsrapporte Nachtragsmeldungen Rechnungsstellung und Zahlungskontrolle - extern: Leistungsmeldung Terminkontrolle Nachtragsmeldungen Zwischenabnahmen, Rechnungsstellung und Zahlungskontrolle x ein Controllingsystem für Qualität, Termine und Kosten zu etablieren und funktionsfähig zu halten; x Rechnungen an den Bauherrn zu erstellen und Zahlungseingänge zu prüfen; x Subunternehmerrechnungen zu prüfen und die Zahlung durch die Finanzabteilung einzuleiten. Die Administrationsprozesse sollten im Projektqualitätsmanagementhandbuch (PQM-System) in übersichtlicher Form mittels Flussdiagrammen und Beschreibung der Inhalte und Ziele als Routineprozesse niedergeschrieben werden, die nach projektspezifischen Modifikationen auf jede Baustelle übertragen werden können. Damit soll die Organisation der Baustelle schnell arbeitsfähig und wirtschaftlich steuerfähig gemacht werden. Dies setzt ein geregeltes, standardisiertes Administrationsmanagement voraus. 10.4.4 Logistik Wochenarbeitsprogramm
Die Logistik des Baubetriebs sollte regelmässig detailliert für einen definierten, direkt folgenden Zeitabschnitt geplant werden. Eine Form dieser Planung sind Wochenarbeitsprogramme, die in ihrer Grundform den Termin- und Kapazitätsplanungen entsprechen, jedoch detaillierter sind. Die Erstellung der Wochenarbeitspläne zu den entsprechenden Leistungspositionen / Abschnitten ist aber erst kurz vor der Ausführung der jeweiligen Arbeiten möglich, da erst dann Einflüsse wie z. B. Wetter, Ausfälle und Stand der Abhängigkeit von anderen Bauaktivitäten berücksichtigt werden können. Zudem gewährleistet eine solche detaillierte Arbeitsvorbereitung und Logistikplanung die Verfügbarkeit von Materialien, Geräten und
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Fachkräften zum jeweils richtigen Zeitpunkt, da Materialfehlmengen noch rechtzeitig bestellt und Kapazitäten gesichert werden können. Im Wochenarbeitsprogramm werden die täglichen Aktivitäten der Arbeitsgruppen nach detaillierten Leistungsvorgaben wie z.B. Ab- und Aufbau von m2 Schalung, Verlegen von Tonnen Baustahl oder Betonieren von m3 Beton geplant. Neben der Vorgabe der Gruppenleistung werden damit die Vorgaben für die Betonbestellung (Menge, Zeit) und die benötigten Geräte wie Betonpumpen und Innenrüttler, Mobilkrane etc. ermittelt. Dadurch können die gemeinsamen Ressourcen der verschiedenen Ausführungsgruppen, die das Wochenarbeitsprogramm je für sich aufstellen, koordiniert werden. Als Koordinationssitzung dient die wöchentliche Bauführerbesprechung. Ein weiterer Vorteil der detaillierten wöchentlichen Arbeitsvorbereitung und Logistikplanung ist die ständige Kontrolle der Terminvorgaben und folglich die Terminanpassung. Verzögerungen werden frühzeitig erkannt, und es können gegebenenfalls Massnahmen getroffen werden, sie wieder aufzuarbeiten (durch Anpassung der Ressourcen: Extrakolonnen, -geräte, -stunden), um den Gesamtterminplan zu sichern. Arbeitsabläufe und Baumethoden werden in ihrer Leistungsfähigkeit transparent dargestellt und können somit überprüft und verbessert werden. Auch abhängige parallele Bauvorgänge zwischen den Arbeitsgruppen und Subunternehmern lassen sich dadurch gut und meist konfliktfrei koordinieren. Geräte- und Materialabruf
Als Abruf wird die Aufforderung bezeichnet, eine Lieferung zur Baustelle durchzuführen oder eine Leistung auf der Baustelle zu einem bestimmten Zeitpunkt zu beginnen. Abrufe sind erforderlich, da bei Vertragsabschluss oder zum Zeitpunkt des Einkaufs eine genaue Terminierung, trotz Terminplanung, nicht möglich ist bzw. für Materiallieferungen die geeigneten Lagerflächen auf der Baustelle nicht vorhanden sind. Bei der Abwicklung einer Baustelle sollte eine „just in time delivery“Strategie anvisiert werden, d.h., Baustoffe werden nicht auf dem Werkhof zwischengelagert, sondern direkt zum Verbrauchsort, der Baustelle, geliefert. Damit wird das zweifache Anfassen und Transportieren des Materials verhindert und die erforderliche Werkhofzwischenlagerkapazität reduziert, jedoch sind die jeweiligen Vorlauffristen entscheidende Vorgaben für den Geräte- und Materialabruf. Die Lieferung und Lagerung von Subunternehmermaterial muss, bei mangelnden Lagerkapazitäten auf der Baustelle, mit den Subunternehmern bereits bei Vertragsabschluss geregelt werden. Bei einer Subunternehmerbeauftragung während der Bauabwicklung ist unbedingt auf die möglichen
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Liefertermine des Subunternehmermaterials zu achten, da der Subunternehmer das Material erst nach Auftragseingang definitiv bestellen wird. In jedem Fall sollten die Vorlauffristen zur Bestimmung des spätesten Beauftragungstermins berücksichtigt und im Vertrag geregelt werden. Beim Materialabruf sind Produktions- und Lieferzeiten zu beachten. Produktionszeiten resultieren aus den Anforderungen an das Produkt, der Leistungsfähigkeit des Unternehmens und der Menge. Hinzu kommen Lieferzeiten, die je nach Produkt oder Herkunft mehrere Wochen in Anspruch nehmen können. Am Tag der Lieferung ist für ausreichende Lagerflächen, Geräte zum Abladen und ggf. zusätzliche Arbeitskräfte zu sorgen. Beim Abruf von Grossgeräten ist die Aufbau- und Installationszeit in die Terminplanung einzukalkulieren. So kann der Aufbau von besonders grossen Kranen durchaus eine Woche dauern; noch schwieriger verhält es sich bei Produktionsgeräten für den Baustellenbetrieb wie z.B. einer Betonmischanlage oder sogar einer Fertigungsanlage für Betonfertigteile oder Tunnelbohrmaschine. Für den Tag der Anlieferung ist für eine ausreichende und geräumte Installationsfläche zu sorgen. Transportlogistik
Ein zentrales Logistikmanagement der Baustelle im Rahmen der Arbeitsvorbereitung bzw. Baustellenführung, das digitalisiert alle Informationen projektbezogen bündelt, die Menge der notwendigen Materialien ermittelt, sie unter Beachtung der Bereitstellungszeiten bestellt und bauzeitnah vom Baustoffhändler bzw. Produzenten abruft, die Transportvorgänge abstimmt und die Materialien den verantwortlichen Personen auf der Baustelle übergibt bzw. auf den vorbestimmten Lagerflächen abliefert, leistet einen erheblichen Beitrag zum Erfolg einer Baustelle. Dadurch können Material-, Transport- und Zirkulationskosten gesenkt und „just in time“-Lieferungen ermöglicht werden. Die Effizienz der Transporte zur Baustelle hängt von folgenden Kriterien ab [10-3]: x x x x
Lage der Materialbezugsquellen und der Baustelle vorhandene Infrastruktur örtliche Rahmenbedingungen der Baustelle und Bauherrenvorgaben Menge und Beschaffenheit der zu transportierenden Stoffe (Gase, Flüssigkeiten, Stückgut, Schüttgut) x Grösse, Lage und Zustand der Freiflächen für mögliche Zwischenlager x zeitliche Vorgaben aus dem Projektablauf Davon ausgehend müssen in der Arbeitsvorbereitung folgende Basisvorgaben für ein Logistikkonzept entwickelt werden:
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x einfache Erreichbarkeit der Anlieferflächen und Übergabepunkte x Abstimmung von Transportmitteln und -geräten der Baustelle aufeinander x Wegeplanung und Flächennutzung ausserhalb und innerhalb des Gebäudes x Verkehrssicherung und Baustellenzufahrtsregelungen Daraus resultiert ein erheblicher Bedarf an Koordination und Kommunikation, um räumliche und zeitliche Engpässe bei der Materialbereitstellung zu verringern. Transportmeldungen mit Mengen- und Tourenübersichten, Baustellenzufahrtsregelungen sowie Ausweisung von Lagerorten müssen erstellt und koordiniert werden. Die Fahrzeuge sollten sich per Mobilfunk schon vor der Abfahrt bzw. während der Fahrt bei der koordinierenden Stelle melden, um unnötige Wartezeiten beim Abladen zu vermeiden. Die Ergebnisse aus der Umsetzung dieser Konzeptionen sind [10-16]: x Gewährleistung der baubetrieblich abgestimmten Belieferung der Baustelle mit den benötigten Materialien x Erkennung und Vermeidung von Engpässen in der Materialbelieferung x gewerkeübergreifende, frühzeitige Koordination der Materialtransporte und -lagerung x Übersicht über die Materiallagerorte und -mengen durch Barcodes mit zentraler Registrierung von Materialflüssen Anliefer-, Lager- und Umschlagslogistik
Die Baustellenlogistik kann in Planung der Lagerflächen und Planung der Baustellentransporte unterteilt werden. Für die Planung des Materialflusses auf der Baustelle müssen die Materialeinheiten bestimmt, mögliche Transportmittel ausgewählt, Transportketten entwickelt sowie Materiallager am Ort des Verbrauchs festgelegt werden. Ein Grundsatz ist dabei zu beachten: Materialien sind möglichst gleich am zu Einbauort lagern, um zusätzliche Lohnkosten für das Umstapeln zu vermeiden. Dies lässt sich jedoch aufgrund der Platzverhältnisse und des sich zeitlich-räumlich verändernden Projekts nicht immer gewährleisten. Daher müssen Transportmittel und Transportketten mit den dazugehörigen Geräten sowie die Lagerflächen geplant werden. Die Logistikplanung im Rahmen der AVOR ist ein baubegleitender Prozess, der aufgrund der situativen Verhältnisse auf der Baustelle auch dort geplant und angepasst werden sollte. Als Transportmittel stehen Paletten, Kisten und Behälter mit offenen oder vollwandigen Konstruktionen zur Verfügung. Das Material muss aus
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Arbeitssicherheits- und Rationalisierungsgründen auf den Paletten gelagert bzw. in Folie eingeschweisst sein, damit beim Transport nichts herunterfällt. Nach [10-3] ist die Lieferung des angeforderten Materials zum vorgegebenen Lagerplatz oder Arbeitsbereich eine wichtige Voraussetzung für eine ordnungsgemässe Materialversorgung. Hierzu bietet sich die Nutzung von Barcodes an, die an den Ladeeinheiten befestigt werden. Sie ermöglichen die Speicherung von Daten, die beim Materialfluss von Bedeutung sind, wie Inhalt, Menge und die Ausführungsabschnitte, zu denen das Material transportiert werden soll. Die Verwendung mobiler Datenerfassungsgeräte ermöglicht es auf der Baustelle, die Ladeeinheiten jederzeit zu identifizieren, den genauen Verwendungszweck/Bestimmungspunkt zu ermitteln sowie den Verbrauch und die Verschiebung an den Einsatzort zu registrieren und dann täglich in den zentralen Logistikcomputer zur Ermittlung der Gesamtbilanz zu übertragen. Die Planung der Transportkette umfasst den Materialumschlag auf der Baustelle, den vertikalen Materialtransport in die einzelnen Stockwerke und das horizontale Verteilen der Materialien in den Geschossen eines Bauwerks. Folgende Grundsätze sind dabei zu beachten: x Material über den kürzesten Weg transportieren x Handtransporte vermeiden und auf technische Transportmittel zurückgreifen x kleine, produktionsnahe Materiallager anstreben x zweckmässige Transporteinheiten wählen x Übersichtlichkeit der Lager gewährleisten und eine gewerkeübergreifende Stockwerklogistik einrichten „Beim Materialumschlag auf der Baustelle müssen geeignete Abladegeräte zur Verfügung stehen, um ein reibungsloses Entladen zu gewährleisten. Durch den Abruf, die Transportanmeldung und die frühzeitige Einteilung der Materialien in geeignete Einheiten ist der Verantwortliche jederzeit auf die anstehenden Lieferungen vorbereitet. Sofern die LKW nicht über eigene Selbstentladegeräte verfügen, können die Materialien mit den vom Logistikkoordinator bereitgestellten Gabelstaplern, Radladern, Autokranen oder mittels Turmdrehkranen abgeladen werden. Je nach räumlichen Bedingungen ist bei vorhandenen Öffnungen und mobilen Stockwerksladebühnen ein Direktumschlag in die Etagen anzustreben, falls geeignete Krane auf der Baustelle zur Verfügung stehen oder die Selbstentladevorrichtungen genügende Reichweite haben. Daher sind von der Arbeitsvorbereitung zusammen mit der Logistikplanung ausreichend grosse Fassadenöffnungen für die jeweils benötigte Zeit einzurichten. Radlader und
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Gabelstapler können die Materialien zu den Vertikaltransportgeräten befördern. Listen der zur Verfügung stehenden Geräte und Transporteinheiten vereinfachen die Transportkettenplanung und die Geräteauswahl.“ [nach 10-3]. Der vertikale Materialtransport kann mittels Bauaufzug oder Kran mit Stockwerksbühnen durchgeführt werden. Das Material wird zum Anlieferungsplatz gebracht, der im Baustelleneinrichtungsplan so positioniert ist, dass z.B. der Kran das Material zu den Lagerflächen umsetzen kann. Je nach örtlichen Verhältnissen wird das Material auf Zwischenlager umgesetzt oder direkt in die Stockwerke zur Verarbeitung eingehoben. Dies gilt auch für die Lieferung von Rohmaterial, das direkt bei den Verarbeitungsgeräten gelagert und mittels Luftförderverfahren, Aufzügen oder Kran vertikal transportiert wird. Die horizontale Verteilung in den Geschossen erfolgt am günstigsten über Gabelstapler, Hubwagen etc., je nach Materialbeschaffenheit und Entfernung. Die Materialeinheiten sollten ohne Umpacken von dem Vertikaltransportgerät entnommen und zu den Lagerflächen gebracht werden. Die Verkehrswege und die Lagerflächen sind ausreichend zu dimensionieren. Planung von Lagerflächen – Lagerflächenmanagement
Materiallager bilden den Puffer zwischen unregelmässigen Materialanlieferungen und schwankendem Materialverbrauch bei der Herstellung. Daraus resultieren folgende Anforderungen an ein Lagerflächenmanagement [10-16]: x Koordinationsgespräche und Abstimmung mit allen Gewerken x Bereitstellung benötigter Baustoffe in bedarfsgerechten Mengen im Zeitfenster der jeweiligen Bauphase durch bedarfssynchrone Versorgung gemäss der „just in time“-Anlieferung x Aufteilung der Lagerflächen in Teilflächen für die verschiedenen Materialien x Zuweisung der Lagerflächen in den Stockwerken zum Einbau ohne gegenseitige Behinderung in den jeweiligen Zeitfenstern des Baufortschritts x Eintragung des Anlieferungsplatzes, der Lagerflächen sowie der Baustrassen und Standorte der Einrichtungen für die einzelnen Bauphasen im Baustelleneinrichtungsplan x Verkürzen der Wegstrecken x dezentrale und arbeitsplatznahe Lagerung in den Stockwerken bzw. Einbauorten, d.h., bei Anlieferung der Materialien an den Übergabepunkten unmittelbar vertikale Verteilung anstreben.
10.4 Ablauf der Ausführung
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Bild 318: Stockwerklogistikplan – Ausbau
Um dies zu sichern, ist die Entwicklung einer bauphasenabhängigen Stockwerklogistik notwendig, die folgende Grundsätze [10-3] verwirklichen soll (Bild 318): x Transportwege und Lagerflächen je Stockwerk für die jeweilige Bauphase planen x Materialumlagerung vermeiden x gegenseitige Behinderungen der parallel arbeitenden Gewerke im Ausbau verhindern x Materialien und bereits erbrachte Bauleistungen vor Beschädigungen schützen x Sauberkeit auf der Baustelle erhalten x Arbeitssicherheit erhöhen x Lagerflächenbedarf auf dem Baugelände verringern x Trassen freihalten (Ver- und Entsorgung) x Lagerplatzbedarf durch koordinierte Lagerung verringern Als Ausgangspunkt zur Planung der Stockwerklogistik dient der Ausbauterminplan. Aufgrund der Abfolge der Arbeiten erfolgt die Unterteilung der Arbeits- und Lagerflächen (Bild 318). Der Lagerflächenbedarf wird aufgrund der Arbeitsleistung der jeweiligen Gewerke in dem entsprechenden Bauphasenabschnitt, aus dem Arbeitsplatzbedarf für die Ausführung der Leistung und den notwendigen Verkehrswegen ermittelt.
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Im Lagerflächenplan pro Stockwerk werden in Abhängigkeit von der Bauphase die Lager- und Arbeitsflächen sowie die erforderlichen Verkehrswege zur horizontalen Materialverteilung eingezeichnet. Entsorgungslogistik
Die sachgerechte Entsorgung aller im Zuge der Bauproduktion anfallenden Baurestmassen ist Aufgabe der Entsorgungslogistik. Die Wirtschaftlichkeit einer konzeptionell durchdachten Entsorgungslogistik zeichnet sich durch Trennung der Abfallfraktionen zur geordneten Wiederverwertung oder Deponierung aus. 10.4.5 Organisation des Bauablaufs, der Baumethoden und der Arbeitssicherheit Die wichtigste Aufgabe des Ausführungsmanagements ist es, die gewählten Baumethoden zu optimieren und die Bauabläufe dem dynamischen Prozess, der oft verschiedenen internen und externen Störungen unterworfen ist, möglichst flexibel und leistungssteigernd anzupassen. Die Leistungen auf der Baustelle werden im Rahmen der Arbeitskalkulation zeit- und kostenmässig bewertet. Die Organisation des Bauablaufs orientiert sich an diesen Ansätzen; Bauabläufe und Baumethoden sind regelmässig daraufhin zu kontrollieren. Es ist sicherzustellen, dass die geplanten und kalkulierten Bauverfahren angewendet und die Konzepte verwirklicht werden können, wie sie in der Arbeitsvorbereitung und Arbeitskalkulation vorgesehen waren. Da jedes Projekt Unikatcharakter hat, muss für jedes Bauverfahren eine gewisse Lernphase berücksichtigt werden. Auch bei Bauverfahren, die der Baustellenmannschaft bekannt sind, ist bei einer neuen Zusammensetzung der Gruppe und neuen Bedingungen vor Ort mit Lernphasen zu rechnen. Bei neuen Bauverfahren oder Bausystemen (Schalungen etc.) sind Anlaufschwierigkeiten zu erwarten. Die Aufgabe der Baustellenleitung ist es, die Lernphasen zu minimieren. Regelmässige Wochenarbeitsbesprechungen können dazu genutzt werden, technische Probleme anzusprechen und zu klären. In Bezug auf Subunternehmer sind diese Besprechungen besonders wichtig, um ihre Integration in den Bauablauf (z.B. bei einer Taktplanung) zu fördern. Nach der Lernphase sind die Bauproduktionsleistungen einem weiteren kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) zu unterziehen. Dazu müssen für routinemässig wiederkehrende Leistungen Arbeitsstudien durchgeführt werden, um das Verbesserungspotenzial zu erkennen.
10.4 Ablauf der Ausführung
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Ist der Bauablauf mit besonderen Anforderungen an die Belastung der Mitarbeiter verbunden, sind persönliche Anerkennungen, z.B. in Form von Bonuszahlungen, und andere leistungsfördernde Massnahmen einzusetzen. Eine positive Stimmung auf der Baustelle ist der beste Leistungsgarant. Die Durchsetzung des Sicherheits- und Gesundheitsplans zur Gewährleistung der Arbeitssicherheit gehört auch zu den Hauptaufgaben der Bauführung/-leitung. Schutzkleidungen, Absperrungen, Hinweise und die Einhaltung der Sicherheitsmassnahmen sind regelmässig zu kontrollieren. Der Baustellenleiter ist für seine Mitarbeiter verantwortlich und darf nicht in den Glauben verfallen, sie seien von selbst ausreichend sicherheitsbewusst. Das Konzept der Arbeitssicherheit sollte auf präventiven und ausmassvermindernden Massnahmen beruhen. Das Ziel dieses abgestuften Vorgehens ist es, das Eintreten von Ereignissen mit möglichst hoher Wahrscheinlichkeit zu vermeiden. Tritt dennoch ein Ereignis ein, so müssen Massnahmen zur Bekämpfung bereitstehen, um das Ausmass der Auswirkungen auf Personen, Bauwerke und Umwelt möglichst gering zu halten. Neben der Beachtung der technischen Arbeitssicherheit am Arbeitsplatz und an den Geräten ist es erforderlich, das Personal für verschiedene Gefahrensituationen zu schulen. Für grössere Ereignisse sollten Rettungspläne ausgearbeitet werden. 10.4.6 Nachtragsmanagement Die Ursachen für Nachträge, die der Auftragnehmer dem Auftraggeber stellt, kann man wie folgt zusammenfassen [10-10]: x x x x x x
Mengenänderungen Leistungsänderungen Forderungen nach zusätzlichen Leistungen Leistungen ohne Auftrag zur Abwendung von Gefahr oder Schaden Behinderungen und Unterbrechungen Übernahme von Leistungen durch den Auftraggeber selbst oder durch von ihm beauftragte Dritte x Kündigung durch den Auftraggeber Ziel eines funktionierenden Nachtragsmanagements ist es, die Ansatzpunkte für Nachträge bzw. Nachforderungen möglichst früh zu erkennen und danach richtig zu handeln. Hier muss bereits in der Anfangsphase des Leistungserstellungsprozesses, also bei der Angebotsbearbeitung, angesetzt werden. Im Rahmen der Bauausführung ist kontinuierlich zu prüfen, ob die im ausgehandelten Vertrag vereinbarten Leistungen auch wirklich ausgeführt
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werden. Dies gilt sowohl für Leistungsreduzierungen zugunsten des Bauherrn wie auch für zusätzliche Leistungen, die der Bauunternehmer zu erbringen hat, und sollte in einer beidseitig fairen Weise erfolgen. Dazu sind die Ausführungsunterlagen systematisch mit den Angebotsunterlagen zu vergleichen. Dabei festgestellte Abweichungen sind auf ihre Nachtragsfähigkeit hin zu untersuchen; zusätzliche Leistungen sind zu identifizieren und zu fordern. Auffällige Widersprüche in den Vertragsunterlagen oder Ungenauigkeiten werden von Bauunternehmen oft für Nachträge genutzt. Weiterhin müssen die Istleistungen auf Massenminderungen und Massenmehrungen geprüft werden. Bei Überschreitung der Grenzwerte können neue Einheitspreise gefordert werden. Baubehinderungen oder Verzögerungen, die der Auftraggeber, der Vorunternehmer oder der Planer des Auftraggebers zu verantworten hat, sind schriftlich anzumelden; der Auftragnehmer kann den nachweislich daraus entstandenen Schaden bzw. entgangenen Gewinn nachfordern. Zur Untermauerung der Nachtragsforderungen sind Dokumentationen, die der Beweissicherung dienen, systematisch zu erstellen. Dazu gehören Dokumentationen von Leistungsänderungen, Feststellungen im Bauprogramm, Planlieferungslisten, Bautagesberichte, Fotos, Protokolle und Behinderungsanzeigen. Bei Abweichungen vom Vertrag wird eine entsprechende Anzeige an den Bauherrn gerichtet, das Nachtragsbegehren begründet, die zusätzliche bzw. geänderte Leistung beschrieben, die Nachtragskalkulation und das Nachtragsangebot erstellt, eine Einigung mit dem Bauherrn über das Nachtragsangebot erzielt und schliesslich der Vertrag ergänzt. 10.4.7 Risikobasiertes Ausführungscontrolling Qualität, Termine, Leistungen und Kosten Zur Datenerfassung für das Controlling (s. auch Kapitel 12) sollten ein Bautagebuch geführt, Stundenberichte verfasst und regelmässige Kontrollen und Bestandsaufnahmen durchgeführt werden. Zur Beweissicherung, besonders für Nachträge, bieten sich Aufnahmen mit Video- oder Fotokameras mit elektronischem Speichermedium an. Die regelmässige Kontrolle von Baumassen, Detailausführungen und anderen Leistungen sollte zur Arbeitsroutine zählen. Diese Arbeitsroutinen zur Datenerfassung stehen naturgemäss in engem Zusammenhang mit dem Berichtswesen, das auf jeder Baustelle etabliert sein muss. Das Berichtswesen ist in interne und externe Adressaten zu untergliedern. Unter dem internen Berichtswesen sind Leistungsmeldungen, Termin-, Leistungs- und Kostenkontrollen sowie das Bautagebuch zu verstehen;
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ferner zählen dazu das Nachtragsmanagement, die Rechnungsstellung und die Zahlungskontrolle. Das interne Berichtswesen richtet sich ausschliesslich an unternehmensinterne Stellen und sichert den stetigen Informationsfluss zwischen den projektbeteiligten Abteilungen und der Unternehmensführung. Es dient zur Kommunikation mit dem oberen Management, untermauert dessen Vertrauen in den Baustellenleiter und ermöglicht die frühzeitige Erkennung von Abweichungen von den Sollvorgaben und die Einleitung von Steuerungsmassnahmen, damit das Ergebnisziel erreicht wird. Das externe Berichtswesen richtet sich in erster Linie an den Bauherrn, seine Vertreter, beteiligte Ingenieurbüros oder öffentliche Stellen. Es umfasst Leistungsmeldungen, Terminkontrollen, Planbereitstellungskontrollen und -management, Nachtragsmanagement sowie Rechnungsstellungen und Zahlungskontrollen. Das Ablage- bzw. Datenspeichersystem sichert die Ordnung innerhalb der Baustellenadministration. Es erleichtert das gezielte, einfache Auffinden der Vertragsunterlagen und dokumentiert Abläufe, Vorgänge und Entscheidungen. Besondere Beachtung ist dabei Plänen, Verträgen und Baustellenberichten sowie Lieferscheinen, Stundenberichten etc. beizumessen. In der Regel werden Ausführungszeichnungen während des Baubetriebs abgeändert oder angepasst. Daraus resultieren Nachträge, Entwurfsänderungen oder Änderungen der Randbedingungen (baubehördliche Auflagen, Statik, Baugrund etc.). Die neuen Pläne müssen entsprechend verteilt und die alten Pläne archiviert werden. Die Bauausführung muss nach den neuesten, genehmigten Plänen erfolgen. Dies ist bei Grossprojekten eine nicht triviale Organisationsaufgabe im Rahmen der Administration. Ferner müssen die Pläne geprüft werden, ob sie Leistungen enthalten, die nicht vertragskonform sind. Ähnlich sind Vertragsänderungen zu handhaben. Das Ablagesystem für Hartkopien und EDV-Dateien muss gewährleisten, dass alle relevanten Unterlagen nach einem numerischen Ablageschlüssel personenunabhängig abgelegt und schnell und einfach wieder aufgefunden werden können. Zudem muss das System so aufgebaut sein, dass es bei personellen Ausfällen von entsprechenden Ersatzmitarbeitern gehandhabt werden kann. Im Rahmen des internen Informationsmanagements und der Delegation der Verantwortung muss die notwendige Dokumentation und Korrespondenz an die entsprechenden Stellen verteilt werden und/oder jederzeit einsehbar und zugänglich sein. Heute verwendet man für das elektronische Ablagesystem und Informationsmanagement Dokumentenmanagementund Workflowsysteme. Diese Programmhilfsmittel basieren auf Intranetoder Internetplattformen und sind Teil des instrumentellen Wissensmanagements. Das Dokumentenablagesystem ist klar und nach einem einfachen
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numerischen Schlüssel gegliedert. Jeder Teilnehmer verfügt über eine Eingangsdatei, in der er seine Informationen von den Projektbeteiligten erhält. Formularvorlagen haben einen automatischen Verteilerschlüssel, so dass alle Teilnehmer die Informationen zwangsläufig erhalten; ferner können alle Transfers dokumentiert werden. Durch Workflowprogramm kann der Dokumentenprozess verfolgt werden. Dies ist besonders bei der Erstellung der Ausführungspläne mit vielen Fach- und Prüfungsbeteiligten ein grosser Vorteil. Ferner bieten Routinebesprechungen die Möglichkeit eines direkten Informationsaustauschs unter den Projektbeteiligten. Auch sie sind nach internen und externen Besprechungen zu unterscheiden. Während interne Besprechungen mit der Baustellenführung, den Bauleitern, den Polieren, den technischen Angestellten etc. stattfinden, sind die externen gemeinsam mit dem Bauherrn, Ingenieuren, Subunternehmern oder Behörden durchzuführen. Für die wöchentliche baustelleninterne Besprechung zwischen Baustellenchef und Baustellenführer kann eine mögliche Agenda wie folgt gestaltet werden: x x x x x x x x x x x x
Stand der Arbeiten und Termine im Vergleich zum Programm Abnahmen und Rechnungsstellung Planlieferung Nachträge Wochenarbeitsprogramm Gerätedispositionen Materialdisposition Subunternehmer Personal Probleme Informationen aus anderen Sitzungen Allgemeines
Schliesslich ist das Controllingsystem im Rahmen der Organisation administrativ zu etablieren. Die Qualititätssicherungsmassnahmen, Termin-, Leistungs- und Kostenkontrollen des Projektqualitätsmanagements sind umzusetzen und routinemässig zu überprüfen. Im Rahmen des Bauvertrags sind die gestellten Qualitätsanforderungen durch Angabe der Soll- und Grenzwerte der Normen oder in Form einer individuellen, klassifizierenden Beschreibung meist eindeutig formuliert. Zur Überprüfung der Qualitäten stehen Mess- und Prüfverfahren zur Verfügung, deren Anwendung vertraglich vereinbart werden sollte, sofern sie nicht in Normen verankert sind. Die Überprüfungen der Qualität sollten regelmässig während des Produktionsprozesses stattfinden, um Qualitäts-
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minderungen frühzeitig entgegenzuwirken. Die Abnahme stellt den letzten Schritt einer Qualitätsprüfung dar. Insbesondere für Materialien, die die architektonische Gestaltung eines Bauwerks betreffen (Farben, Oberflächen, Innenausbau etc.) werden Muster gefordert; dem Auftraggeber sollte jeweils ein entsprechendes Muster ausgehändigt werden. Monatlich ist eine umfassende Termin-, Leistungs- und Kostenkontrolle [10-6], [10-5], [10-1] mit dem Ziel durchzuführen, Abweichungen aufzudecken und Massnahmen zur Zielerreichung einzuleiten. Bestandteil der allgemeinen Termin-, Leistungs- und Kostenkontrolle ist also, u.a. dafür zu sorgen, dass alle für die Ausführung notwendigen Pläne, Materialien und Geräte termingerecht auf der Baustelle sind und die Bauproduktionsleistung rechtzeitig abgeschlossen werden kann. Im Rahmen des Kapitels „Logistik“ wurde bereits auf die Ausarbeitung eines Wochenarbeitsplans und die Anpassung der Terminplanung hingewiesen. Des Weiteren ist es ratsam, auch den Auftraggeber frühzeitig an die ihn betreffenden Aufgaben und Leistungen zu erinnern. Bei negativen Abweichungen von den Leistungsvorgaben sind Ansätze zur Leistungssteigerung zu entwickeln, um die Termin- und Kostenziele wieder erreichen zu können. Dazu stehen vier Mittel zur Verfügung: Arbeitsabläufe, Arbeitskräfte, Arbeitsverfahren und Arbeitsdauer. Durch zusätzliche Arbeitskolonnen lässt sich die Bauleistung einer Baustelle bis zu einem bestimmten Grad erhöhen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kolonnen so eingesetzt werden können, dass sie sich ergänzen und nicht behindern. Ist eine Erhöhung der Arbeitskräftezahl ungeeignet oder aber nicht ausreichend, so ist zu prüfen ob die tägliche Arbeitszeit in Form von Überstunden, Wochenendarbeiten oder Schichtbetrieb erhöht werden kann. Eine weitere Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, besteht in der Wahl eines alternativen Bauverfahrens. Es ist zu prüfen, ob das Bauverfahren gänzlich geändert werden kann oder muss, oder ob ein Mehreinsatz von Geräten ausreicht. Eine Änderung des Bauverfahrens kostet, im Vergleich zu dem vorher eingesetzten Verfahren, im Regelfall zusätzliche Mobilisations- und Demobilisationszeit für Geräte und Bauhilfsmaterialien sowie Lernphasenzeit für das Personal. In gleicher Form sind die Kosten zu prüfen, die den Bauablauf begleiten. Bei negativen Abweichungen sind die Gründe zu ermitteln, und die Ansätze aus der Kalkulation sind mit den Istwerten zu vergleichen. Es ist zu prüfen, ob bereits in der Kalkulation Fehler aufgetreten sind oder ob die Abläufe auf der Baustelle nicht optimal organisiert sind und durch einen kontinuierlichen Leistungsverbesserungsprozess noch Leistungsreserven aktiviert werden können. Es muss auch untersucht werden, inwieweit sich die Abweichungen auf das Gesamtergebnis auswirken. Im nächsten Schritt müssen Leistungssteigerungs- und Kostensenkungspotenziale untersucht,
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
ausgearbeitet, umgesetzt und kontrolliert werden. In jedem Fall ist die Geschäftsführung von einer solchen Entwicklung zu unterrichten. Im Bereich des Rechnungswesens sind Rechnungsstellungen und Zahlungseingänge zu kontrollieren. Überfällige Zahlungen sind anzumahnen. Zur schnellen Orientierung müssen die monatlichen Termin-, Leistungsund Kostenkontrollen sowie die Rechnungsstellungs- und Zahlungseingangskontrolle grafisch dargestellt werden. Dies erfolgt mittels Histogrammen und dient dem monatlichen Soll-Ist-Vergleich. Die Auswirkungen über die Bauzeit werden mittels Summenlinien dargestellt (Bild 319). Herstellkosten 100 % + 'K/Kt·100
Istkosten
'K
Plankosten ~ Plankosten
100 %
't Dsoll j
Sollkosten ~ Istleistung
Dplan j Kist Kplan Ksoll
'Ki 'ti
ti
tj
Plankosten: geplante Menge x kalkulierte Herstellungskosten pro Mengeneinheit Sollkosten:
geleistete Menge x kalkulierte Herstellungskosten pro Mengeneinheit
Istkosten:
angefallenen Kosten in Bezug auf die geleistete Menge
'ti
Zeitverzögerung oder -vorsprung zum Zeitpunkt t i
'Ki
Kostenüber-/unterschreitung zum Zeitpunkt t i
't
Projektterminüber-/-unterschreitung
'K
Projektkostenüber-/-unterschreitung
Kt
Geplante Projektherstellungskosten total
Dsollj Sollleistung zum Zeitpunkt j Dplanj Istleistung zum Zeitpunkt j
Bild 319: Soll-Ist-Herstellungs- und Leistungskontrolle
T
T+'T
10.4 Ablauf der Ausführung
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10.4.8 Aufmass, Rechnungsstellung, Abnahme Als Aufmass wird das Zählen, Messen und Berechnen der abrechnungsfähigen, am Bauobjekt tatsächlich eingebauten Massen bzw. erbrachten Leistungen verstanden. Das Aufmassergebnis wird in einem Aufmasskontrollblatt festgehalten, das vom Auftraggeber und vom Auftragnehmer gemeinsam zu unterzeichnen ist. Die Einheit, die dem Aufmass zugrunde liegt, muss der Einheit im Leistungsverzeichnis entsprechen. Das Aufmass pro Leistungsposition erfolgt nach den Massgaben des Vertrags bzw. nach den einschlägigen Normen und Regelwerken. Diese Angaben beinhalten Regeln, wie z.B. Bauteile gemessen werden, welche Bauteile übermessen werden etc. Das Aufmass ist in jedem Fall in einer verständlichen, nachprüfbaren und strukturierten Form auszuführen. Das Aufmass bildet im Allgemeinen eine Grundlage zur Rechnungsstellung. Die Rechnung ist dem Auftraggeber in schriftlicher Form zukommen zu lassen. Sie ist prüffähig aufzustellen, d.h. so, dass der Auftraggeber die Aufstellung der Leistungen und Kosten anhand beigefügter Unterlagen, z.B. Aufmass, Stundenzettel, Nachträge und Anzeigen, oder anhand des ursprünglichen Vertrags auf Richtigkeit prüfen kann. Bei Generalunternehmer- und Totalunternehmeraufträgen, die nach Pauschalen abgerechnet werden, werden meist Abschlagszahlungen nach festgesetzten Leistungsständen vereinbart. Zur Dokumentation des Leistungsstands und der Zwischenleistungsziele kann man Aufmasse mit elektronischen Kameras durchführen. Diese Aufmasse können heute auf unterschiedlichem Niveau ausgewertet werden [10-15]: x rein visuelle Auswertung x programmunterstützte Auswertung der Aufnahme durch Vergleich mit CAD-Dreidimensionalsystemen x photogrammetrische Auswertung Dem Auftraggeber ist zur Rechnungsprüfung ein bestimmter Zeitraum einzuräumen bzw. ist im Vertrag ein Zeitraum festgelegt. Die Schlussrechnungsprüfung wird im Allgemeinen mehr Zeit in Anspruch nehmen als die Prüfung von Abschlagsrechnungen.
690
10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
Bild 320: Problematik aus Kosten- und Zahlungsverlauf sowie Rechnungsstellung
Die Bauabnahme sollte möglichst bald nach der Fertigstellung erfolgen. Bei kritischen Bauteilen kann man sich gegebenenfalls schon während des Baubetriebs auf Teilabnahmen einigen. Mit der Abnahme bestätigt der Auftraggeber die vertragsgerechte Erbringung der Leistung; durch seine Unterschrift dokumentiert er dann, dass das Objekt in seinen Verantwortungsbereich fällt (Haftungsübergabe). Die Abnahme ist schriftlich anzumelden; der Termin ist zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber abzustimmen. Eine förmliche Abnahme empfiehlt sich generell, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Die Anwesenden, der Tag und der Ort werden aufgelistet, und das Objekt wird gemeinsam begangen. Mängelpunkte werden schriftlich festgehalten und möglichst durch Fotos dokumentiert. Schliesslich einigt man sich auf einen Bearbeitungszeitraum für die Mängelpunkte, und die Anwesenden unterschreiben das Protokoll. Für das spätere Unterhalten des Gebäudes sollten dem Bauherrn die „as built“-Pläne übergeben werden. Nach der Mängelbeseitigung und der finalen Abnahme ist umgehend die Schlussrechnung zu stellen. Ferner sollte, wenn alle Vertragsbedingungen erfüllt sind, die Rückgabe der Garantiedokumente gefordert werden bzw. erfolgen. Zudem kann der Bauherr vom Unternehmer den Nachweis anfordern, dass alle Subunternehmer bezahlt wurden.
Literatur
691
10.4.9 Räumen der Baustelle Nach Fertigstellung und Mängelbeseitigung ist die Baustelle umgehend zu räumen. Je nach Baumassnahme empfiehlt es sich, den umfangreichsten Teil der Baustelleneinrichtung schon vor der Abnahme zu entfernen und an andere Baustellen oder den Werkhof zu übergeben. In besonderem Mass ist bei der Räumung darauf zu achten, dass die genutzten Flächen wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt oder aber vertragsgerecht rekultiviert werden. Ziel ist es, durch professionelle, qualitativ einwandfreie Bauausführung und Übergabe des sauberen und rekultivierten Bauplatzes einen positiven Eindruck zu hinterlassen. Nach Abwicklung aller Verpflichtungen sollte der Baustellenchef ein Feedback vom Bauherrn einholen. Dieses sollte einerseits der Erkundung der Zufriedenheit des Kunden und der möglichen Verbesserung der Bauproduktionsabwicklung dienen und andererseits dem Kunden das Interesse an einer langfristigen Geschäftsbindung signalisieren.
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10 Ausführungsmanagement in Bauunternehmen
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[10-22] SIA 465: Sicherheit von Bauten und Anlagen. SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (Hrsg.), Zürich, 1997 [10-23] Tiefbau Berufsgenossenschaft TBG (Hrsg.): SiGePlan – Leitfaden zur Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsplanes. Abruf-Nr. 631, München, 1998 [10-24] Weber, M.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. J.C.B. Mohr, Tübingen, 1989
Teil C Supportprozesse
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen 11.1.1 Einbindung des Risikomanagements in die Unternehmensprozesse Bauunternehmen bewegen sich heutzutage in einem dynamischen und komplexen Umfeld. Dies hat auch Auswirkungen auf die Risiken, denen sie ausgesetzt sind. Die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Risikolage der Unternehmen sind technologischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Natur (Bild 321).
Technologische Faktoren
Wirtschaftliche Faktoren
• Wertkonzentration • Komplexe Geräte • Verkettete parallele Prozesse • Neue Materialien und Verfahren
• Internationalisierung des Wettbewerbs • Komplexe Projekte bzw. Grossprojekte • Verstärkt Kooperationen
Rechtliche Faktoren • Produkthaftung • Umwelthaftung • Garantie- und Gewährleistungsanforderungen • Haftungsrecht
Bild 321: Einfluss auf die unternehmerischen Risiken
Alle unternehmerischen Entscheidungen sind in die Zukunft gerichtet. Ihre Auswirkungen sind demzufolge in einem gewissen Ausmass unsicher, d.h., alle Entscheidungen sind letztlich risikobehaftet. Diese Erkenntnis ist
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
der Ausgangspunkt für das betriebswirtschaftliche Konzept des modernen Risikomanagements [11-13]. Das Risikomanagement ist ein Supportprozess des Leistungserstellungsprozesses (Bild 322). Da es jedoch für die erfolgreiche Gegenwartswie auch Zukunftssicherung der Unternehmen höchste Bedeutung hat, sollte es im Managementmodell bereits auf „normativer Ebene“ deutlich gemacht werden (Bild 323). Dies macht die zukunftssichernde Bedeutung des Risikomanagements sichtbar und dient der Gestaltung der Risikokultur, Risikoerfassung und Risikopolitik. Indem das Risikomanagement im strategischen Management berücksichtigt wird, werden die Ziele und die Risikostrategie entwickelt und in das Managementsystem, z.B. das Qualitätsmanagement, des Unternehmens integriert. Dadurch können Massnahmen und Messgrössen für das operative Geschäft festgelegt werden. Supportprozesse: • Kaufmännische Administration
Kunde: Auftraggeber Leistungsziele
Leistungserstellungsprozess Marketing, Akquisitionsphase
Risikoidentifikation
Angebotsphase
Risikoanalyse
Verhandlungsphase
Beschaffungsphase
Risikobewältigung
Risikokosten
Risikomanagementprozess
Ausführungsphase
Risikocontrolling
Kunde: Nutzer des Bauprodukts Leistungsergebnis
• Werkhof • EDV-Service • etc.
Managementprozesse: • Führungsprozess • Organisation • Qualitätsmanagement • etc.
Bild 322: Eingliederung des Risikomanagements als spezifischen Supportprozess
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
Bild 323: Risikomanagement im St. Galler Management-Konzept
699
700
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
11.1.2 Risiko Jede unternehmerische Tätigkeit, so auch die Abwicklung von Bauprojekten, ist mit Risiken verbunden. Das Wort „Risiko“ wurde im 16. Jahrhundert aus dem Italienischen von risico, risco (heute rischio), übernommen. Risico bedeutete eigentlich die „Klippe, die zu umschiffen ist“, „gefährlicher Felsen“ bzw. in einer allgemeineren Form „gewagtes Unternehmen“ [11-3]. Die Suche nach wie auch das Erkennen und Bewerten von Risiken bei der Angebotsbearbeitung, dem Abschluss von Bauverträgen, der Planung einer Produktionsaufgabe und deren Durchführung ist unabdingbar, um allfällige daraus folgende wirtschaftliche Verluste ganz zu vermeiden oder wenigstens zu reduzieren und vorhandene Chancen aktiv zu nutzen. Im Rahmen der Entscheidungstheorie werden die Entscheidungen nach dem Sicherheitsgrad der zugrunde liegenden Informationen unterschieden. Hierbei wird zwischen Entscheidungen unter „Sicherheit“, unter „Unsicherheit“ und unter „Risiko“ unterschieden. Sicherheit ist die Bezeichnung desjenigen (Un-)Kenntnisgrads, „…bei dem nur eine einzige Zukunftslage für möglich gehalten wird.“ Ein Ereignis wird also „sicher“ eintreten (oder „sicher“ nicht eintreten). Unsicherheit ist ein Unkenntnisgrad, „…der auf der Unvorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse basiert.“ Risiko bezeichnet den Unkenntnisgrad, „…bei dem für das Eintreten zukünftiger Ereignisse objektive Wahrscheinlichkeiten vorliegen.“ [11-9] Ein Ereignis ist demnach unsicher, wenn es selbst oder die Wahrscheinlichkeit seines Eintretens nicht bekannt ist. Bei einem Risiko ist das (mögliche) zukünftige Ereignis bekannt, wobei die Wahrscheinlichkeiten „objektiv“ (also nicht nur geschätzt) sein müssen. Für subjektive Wahrscheinlichkeiten kommt in der Entscheidungstheorie der Begriff „Ungewissheit“ ins Spiel. Ungewissheit ist ein Unkenntnisgrad, „…bei dem für das Eintreten zukünftiger Ereignisse zwar keine objektiven Wahrscheinlichkeiten vorliegen (Risiko), aber subjektive Wahrscheinlichkeiten gebildet werden können.“ [11-9] Der Begriff „subjektive Wahrscheinlichkeit“ basiert auf der Ungewissheit und impliziert damit, dass keine objektive, d.h. statistische Datenbasis zur Verfügung steht und die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines bestimmten Risikos oder Fehlers nur geschätzt werden kann. Legt man die Definitionen von Risiko und Ungewissheit zugrunde, wird deutlich, dass das, was normalerweise als Risiko bezeichnet wird, im eigentlichen entscheidungstheoretischen Sinn unter den Begriff „Ungewissheit“ fallen würde. Da sich der Begriff „Risiko“ aber umgangssprachlich auch (und gerade) bei subjektiven Wahrscheinlichkeiten eingebürgert hat, ist eine Ab-
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
701
weichung von der gängigen Praxis aufgrund theoretischer Überlegungen nicht sinnvoll. Daher gilt: Ein Risiko liegt dann vor, wenn bekannt ist, dass ein Ereignis zwar nicht sicher, aber mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Ausgeschlossen sind damit solche Ereignisse, die nicht bekannt sind (Unsicherheit 2. Ordnung), für deren Eintritt keine Wahrscheinlichkeit angegeben werden kann (Unsicherheit 1. Ordnung) oder die sicher eintreten werden (Sicherheit). In der deutschsprachigen Literatur der Volks- und Betriebswirtschaftslehre werden zudem die Begriffe „Risiko“ und „Wagnis“ häufig synonym verwendet. Dies gilt vielfach auch für das Baugewerbe. Allen Definitionen gemeinsam ist die Beschränkung des Risikobegriffs lediglich auf die negativen, d.h. ungünstigen Zielverfehlungen. KRIEG hingegen erkennt im Risikobegriff eine Doppelnatur, nämlich sowohl Gefahr als auch Chance [11-19]. Neben der negativen, d.h. ungünstigen Zielverfehlung sieht er im Risiko auch die Möglichkeit einer positiven, d.h. günstigen Zielverfehlung. Diese Meinung wird von weiteren Autoren gestützt. STEFFEN sieht zusätzlich zum Gefahrenpotenzial (downside risk) im Risiko ein Chancenpotenzial (upside risk) [11-27]. Zusammenfassend lässt sich der Begriff „Risiko“ als Möglichkeit einer Zielverfehlung interpretieren, wobei potenzielle positive Abweichungen „Chance“ und eventuelle negative Abweichungen „Gefahr“ genannt werden. Das Ereignis selbst wird als Risiko bezeichnet. Die Grösse des Risikos definiert sich durch zwei Determinanten, die Eintretenswahrscheinlichkeit und die Tragweite. x Die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Risikos ist die „Eintretenswahrscheinlichkeit“ (relative Häufigkeit der Risikoeintritte). Eine Eintretenswahrscheinlichkeit von 100 % ist kein Risiko, da sie mathematisch ein sicheres Ereignis darstellt und keine potenzielle Gefährdung im Sinn der Risikodefinition beinhaltet. x Die „Tragweite“ des Risikos ist seine Wirkung; sie beschreibt den Grad der Zielabweichung. Im Fall positiver Zielverfehlungen bezeichnet man die Tragweite als „Erfolg“, im Fall negativer Zielverfehlungen als „Schaden“. „Wahrscheinlich“ können der Eintritt des Risikos und/oder die Höhe der Tragweite sein. Die Eintretenswahrscheinlichkeit für die Höhe von Schaden oder Erfolg (Wahrscheinlichkeit der Tragweite) ist unabhängig von der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des Ereignisses (Risikowahrscheinlichkeit). Bei
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
der Wahrscheinlichkeit der Tragweite wird sozusagen davon ausgegangen, dass das Ereignis bereits eingetreten ist. SCHUBERT spricht im Zusammenhang mit Risiko neben der Verlustgefahr auch von der „...Möglichkeit des Risikogewinns.“ [11-23] Diese Auffassung entspricht damit der von KRIEG festgestellten Doppelnatur des Risikobegriffs. Die Schweizer Norm SIA 2007 greift diesen Sachverhalt in ihrer Neugestaltung von 2001 auf, indem Gefahren und Chancen als Risikofaktoren bezeichnet werden [11-24]. In diesem Zusammenhang sind die reinen Risiken von den spekulativen Risiken zu unterscheiden. Reine Risiken können sich grundsätzlich nur negativ auf die Zielerreichung auswirken und werden „asymmetrische Risiken“ genannt, während spekulative Risiken demgegenüber sowohl die Möglichkeit einer positiven wie auch einer negativen Zielabweichung beinhalten und als „symmetrische Risiken“ bezeichnet werden [11-16]. Bei der Beurteilung von Chancen und Gefahren symmetrischer Risiken ist deshalb immer das gewählte Zielniveau zu beachten (Bild 324). Grundsätzlich steigen die Gefahren mit der Höhe des Zielniveaus, wobei die Chancen im selben Mass sinken. Wird als Zielniveau die höchsterreichbare Leistung zugrunde gelegt, so kann es nur ein Risiko im Sinn der Verfehlung dieser Leistung geben. Bezieht man dagegen den Risikoeintritt auf die Normalleistung, so kann das Risiko sowohl zu einem Verlust als auch zu einem Gewinn führen. Bild 324 zeigt, dass sich die Bandbreite des Zielniveaus durch Wahrscheinlichkeitsverteilungen darstellen lässt. Das wahrscheinlichste Zielniveau besitzt immer die grösste Wahrscheinlichkeit, wohingegen dieser Wert in Richtung minimales und maximales Zielniveau abnimmt. Dieser Sachverhalt lässt sich an einem Beispiel anschaulich verdeutlichen. Ein Rohbau lässt sich unter bestimmten Bedingungen in folgenden Bauzeiten erstellen: Fall a: Unter normalen Bedingungen werden 10.0 Monate benötigt (wahrscheinliches Zielniveau). Fall b: Im Idealfall werden die gleichen Arbeiten in der kürzest möglichen Bauzeit von 8.5 Monaten erledigt (maximales Zielniveau). Fall c: Unter den schlechtesten Rahmenbedingungen erreicht die Rohbaufirma die minimale Arbeitsleistung und benötigt 11.5 Monate (minimales Zielniveau). Berücksichtigt man in der Terminplanung auf dem kritischen Weg eine Rohbaudauer von 8.5 Monaten (maximales Zielniveau), so wird diese Zeit im günstigsten Fall eingehalten, ansonsten gibt es nur die Gefahr der Über-
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
703
schreitung der geplanten Bauzeit von 8.5 Monaten. Werden im Terminplan dagegen 10.0 Monate als Bauzeit eingesetzt (wahrscheinliches Zielniveau), so gibt es die Chance der Bauzeitverkürzung bis auf 8.5 Monate bzw. die Gefahr der Bauzeitverlängerung bis auf 11.5 Monate. Bauzeit Rohbau [Monate] Minimales Zielniveau
Wahrscheinlichkeitsverteilungen
11.5
Gefahr Chance
Wahrscheinliches 10.0 Zielniveau
Gefahr
Gefahr
Chance Maximales Zielniveau
gewählte Bauzeit (gewähltes Zielniveau)
Chance
8.5 Theoretisch möglicher Bereich der Zielerfüllung Fall a
Fall b
Fall c
Bild 324: Zielniveau von Risiken; hier: Ansatz für die Bauzeit eines Rohbaus [11-4]
Der Begriff „Risiko“ bedeutet in Bauprojekten die Möglichkeit der Abweichung von konkreten Projektanforderungen in den Bereichen Kosten, Termine und Qualität, wobei potenzielle positive Abweichungen „Chance“ und potenzielle negative Abweichungen „Gefahr“ genannt werden. Es ist erkennbar, dass diese Definition problemlos auf alle unternehmerisch handelnden Personen / Unternehmen und damit auf die Sichtweise von Bauherren, Planern und Bauunternehmen anwendbar ist. Alle Entscheidungen innerhalb eines Bauprojekts sind in die Zukunft gerichtet; ihre tatsächlichen Ergebnisse können nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden. Es handelt sich deshalb um Entscheidungen unter Ungewissheit oder Unsicherheit, da der Entscheidungsträger zum Entscheidungszeitpunkt nur über eine unvollkommene Informationslage verfügt (Entscheidungen unter begrenzter Rationalität). Ungewissheit und Unsicherheit sind vor allem in der Phase der Strukturierung eines Entscheidungsproblems relevant, in der der Entscheidungsträger durch eigene Gestaltungsmassnahmen, z.B. Informationsbeschaffung und Planung, Unsicherheiten reduzieren kann. Ein Risiko entsteht erst, wenn sich der Entscheidungsträger auf eine der möglichen Handlungsalternativen festlegt und die Konsequenzen (also Zielerfüllung oder Zielverfehlung) seiner Auswahl tragen muss. Der gröss-
704
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Projektkosten [%]
te Ungewissheits- und Unsicherheitsgrad tritt zu Projektbeginn, d.h. in den ersten Projektphasen (strategische Planung und Vorstudie) auf, da hier die grundlegenden Projektanforderungen definiert werden und mehrere verschiedene Projektkonzepte ( alternativen) im Raum stehen und bewertet werden müssen. Dies sind für den Bauherrn und den Totalunternehmer die wichtigsten Projektphasen. Alle Entscheidungen, die hier zu Beginn getroffen werden, haben grossen Einfluss auf die endgültigen Kosten der Bauwerkserstellung und den Termin der Bauwerksfertigstellung. Es besteht jedoch ein Zielkonflikt zwischen dem Wunsch, diese Unsicherheiten durch zusätzliche Informationen zu reduzieren, und der Notwendigkeit, diese Projektphasen möglichst kurz und die Kosten möglichst niedrig zu halten, da z.B. im Fall der Vergabe an ein anderes Totalunternehmen die bereits investierten Kosten verloren sind. Nach SMITH belaufen sich die Kosten für die Phasen Strategische Planung, Vorstudien und Projektierung in der Regel auf maximal 10 % der gesamten Projektkosten; in diesen Phasen werden allerdings 80 % der Projektkosten fest fixiert [11-26]. Dass die Möglichkeiten der Kostenreduzierung mit zunehmendem Projektfortschritt abnehmen und in der Phase der Projektumsetzung relativ klein sind, kann Bild 325 entnommen werden. Möglichkeit der Kostenreduzierung Investitionsentscheidung
Akkumulierte Investitionskosten
Entscheidungsstufen
Zeit
Strategische Planung
Vorstudien
Bewertung
Projektierung
Ausschreibung
Realisierung
Umsetzung
Bild 325: Möglichkeiten der Projektkostenreduzierung über den Projektverlauf [11-4]
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
705
Die Basis betriebswirtschaftlichen Handelns ist das unternehmerische Zielsystem. Das Management eines Unternehmens kann dabei nicht davon ausgehen, dass die gesetzten Ziele sicher erreicht werden, da nahezu jedes menschliche Handeln durch unvorhersehbare Ereignisse beeinflusst wird, die einerseits von den externen Einflussfaktoren der Umwelt und andererseits von den internen Einflussfaktoren des Unternehmens herrühren (Bild 326). Globales Umfeld Technik
Wirtschaft
Markt + Branche Konkurrenten
Personal
Unternehmen Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
GenehmiAVOR/ gungen u. Ausführungs- Produktionsplanung planung
Information/ Dokumentation
Bauausführung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Globales Umfeld
Organisationsstruktur
Markt + Branche
Unternehmensstrategie
Kunde
Kunde
Markt + Branche
Globales Umfeld
Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Leitbild / Leistungsauftrag
Support- / Ressourcenprozesse
Lieferanten
Natur
Ersatzprodukte
Markt + Branche
Kapitalgeber
Gesellschaft / Recht
Globales Umfeld
Bild 326: Risikoeinflüsse auf das Unternehmen
Externe Risikoeinflüsse können zum einen durch das globale Umfeld wie Naturereignisse, Technologieentwicklung, Gesellschaftsveränderungen und durch wirtschaftliche nationale und globale Veränderungen ausgelöst werden; sie haben meist längerfristigen Charakter. Zum anderen können externe Risikofaktoren direkt durch den Markt und die Branche, in der das Unternehmen seine strategischen Geschäftsfelder, hat auf das Unternehmen Einfluss nehmen. Zu diesen direkt wirkenden Risikoeinflüssen zählen die fünf Haupttriebkräfte des Branchenwettbewerbs: Kunden, Konkurrenten, neue Anbieter, Beschaffungsmarkt (Personal, Material, Geräte, Kapital und Nachunternehmer) sowie mögliche Ersatzprodukte. Die inneren Risiken (Bild 326) hängen vom gewählten strategischen Geschäftsfeld, den implementierten Unternehmensprozessen, der gewählten Organisationsstruktur sowie der sich daraus ergebenden Kosten- und Finanzstruktur des Unternehmens ab.
706
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Ein Risiko ist unter diesem Blickwinkel die Möglichkeit, dass sich Ziele nicht erfüllen. Unter einem Risiko ist demnach die Gefahr einer Zielabweichung zu verstehen. Daraus folgt, dass Risiken nur in zielorientierten Systemen auftreten können. Der Risikobegriff umfasst in der Interpretation als Zielabweichung auch solche Risiken, die sich nicht mittels monetärer Bewertungsgrössen ausdrücken lassen. Da Unternehmen nicht nur das monetäre Gewinnziel verfolgen, sondern ein ganzes System von finanzwirtschaftlichen, leistungswirtschaftlichen und sozialen Zielen, muss eine auf reine Gewinn- bzw. Rentabilitätsziele ausgerichtete Definition des Risikobegriffs vermieden werden. Zwei Arten von Risiken können unterschieden werden: x Reine Risiken können sich grundsätzlich nur negativ auf die Erreichung der Unternehmensziele auswirken. x Spekulative Risiken können demgegenüber sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Unternehmensziele haben. Der Sinn des unternehmerischen Handelns besteht darin, Risiken einzugehen, um daraus einen Nutzen zu ziehen. Dabei müssen reine Risiken in Kauf genommen werden. Eine weitere Systematisierung von Risiken kann bezüglich ihres Aggregationsgrads erfolgen. So beschreiben primäre Risiken die eigentlichen Ursachen von Zielverfehlungen. Jedes Unternehmen wird durch eine Vielzahl primärer Risiken gefährdet. Sekundäre Risiken stellen eine Aggregation mehrerer primärer Risiken dar, wobei mehrere Aggregationsebenen gebildet werden können. Je konkreter ein Risiko formuliert ist, desto geringer ist sein Aggregationsgrad. Beide Ausprägungsformen von Risiken sind für das Risikomanagement relevant. So können Zielvorstellungen meist nur anhand sekundärer Risiken formuliert werden. Um aber eine effektive Bewältigung der Risiken zu gewährleisten, müssen die primären Risiken, aus denen sich das sekundäre Risiko zusammensetzt, bekannt sein. Beispielsweise kann das sekundäre Risiko von Betriebsunterbrechungen nur dann bearbeitet werden, wenn bekannt ist, welche primären Risiken zu einer Betriebsunterbrechung führen können. Die Versicherung von Risiken ist eine besonders bedeutende Form der Risikofinanzierung. Ausgehend von dieser Tatsache kann eine Systematisierung in versicherbare und nicht versicherbare Risiken vorgenommen werden. Seit den 60er Jahren betreiben insbesondere amerikanische Grossunternehmen „Risk Management“, wobei die versicherbaren Risiken („Risks“) im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Um eine deutliche Abgrenzung zum Risk Management zu schaffen, wird der Begriff „Risikomanagement“ verwendet. Dadurch soll betont
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
707
werden, dass prinzipiell alle Risiken mit negativen Auswirkungen berücksichtigt werden müssen, auch die nicht versicherbaren. Nach der Definition des Risikobegriffs tritt die Frage auf, von welchen konkreten Risiken ein Unternehmen bedroht wird (Bild 327). Diese Frage lässt sich jedoch aufgrund der Vielfalt der möglichen Risiken und der erheblichen Unterschiede zwischen den Unternehmen nicht pauschal beantworten. Auch für einzelne Branchen ist keine erschöpfende Nennung der vorhandenen Risiken möglich. Es ist aber möglich, Risiken zu systematisieren. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Risiken nicht unabhängig voneinander sind, d.h. die einzelnen Arten von Risiken sind interdependent. Tritt ein primäres Risiko einer bestimmten Art auf, so kann es Risiken anderer Art hervorrufen. Beispielsweise kann eine Sabotage (Personenrisiko) zu einem Sachschaden (Sachrisiko) führen oder ein technischer Defekt kann einen Umweltschaden zur Folge haben. Bild 327 gibt einen Überblick über die möglichen Risikoarten. Die Klassifizierung orientiert sich dabei an der „Herkunft“ der Risiken. In Bild 327 wird beispielhaft dargestellt, welche negativen finanziellen Auswirkungen die einzelnen Risikoarten auf das Unternehmen haben können. Marktrisiken
Politische Risiken
Sachrisiken
Personenrisiken
Finanzwirtschaftliche Risiken
z.B.
z.B.
z.B.
z.B.
z.B.
• Wirtschaftliche Entwicklung
• Enteignung von Geräten
• Brandrisiko
• Verlust von Mitarbeitern
• Krieg
• Technische Risiken
• Vertrauensschäden
• Finanzstruktur (Eigen- zu Fremdkapital)
• Ein-/ Ausfuhrbeschränkungen
• Naturgefahren
• Streik
• Ausfall der öffentlichen Versorgung
• Krankheit / Verletzung
• Branchenrisiken • Wettbewerbsrisiken
• Kapitaltransferbeschränkungen
• Haftung bei Schädigung fremder Gegenstände
• Haftungsrisiko bei Schädigung Dritter • Individuelle Fehler von Mitarbeitern
• Forderungsausfälle • Liquidität und Kreditlinien • Änderung der Kreditlinien durch die Banken • Allgemeinkostenrisiko der Auslastung
Negative Auswirkungen auf die Zielerreichung z.B.
z.B.
z.B.
z.B.
z.B.
• Geringere Umsatzerlöse
• Aufwand für Ersatz / Instandsetzung
• Aufwand für Ersatzleistungen
• Aufwendungen für Betriebsunterbrechungen
• Abschreibungen von Forderungen
• Betriebsunterbrechung
• Imageschädigung
• Aufwand für Ausgleich von Sach- / Vermögensschäden
• Höhere Zinsaufwendungen
• Verlust an Inventar
• Liquiditätsengpässe
Zielverfehlung
Bild 327: Arten von Risiken und mögliche Auswirkungen
Das Marktrisiko beschreibt die Risiken, die sich aus dem wirtschaftlichen Umfeld ergeben können, in dem ein Unternehmen tätig ist. Hierbei handelt es sich um das Risiko, das den eigentlichen Gegenstand der unternehmeri-
708
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
schen Tätigkeit darstellt. Jeder Unternehmer geht bewusst das Marktrisiko mit der Absicht ein, Gewinne zu erzielen, jedoch besteht auch die Gefahr, dass sich die mit einer bestimmten Massnahme (z.B. Forschung und Entwicklung, Einführung neuer Produkte) erhofften Wirkungen nicht einstellen und es zu Verlusten bzw. Gewinneinbussen kommt. Politische Risiken sind vor allem für Unternehmen mit ausgeprägtem Aussenhandel relevant, aber auch Unternehmen, die ihre Aktivitäten auf ihr Herkunftsland beschränken, können betroffen sein. Zu den politischen Risiken gehören beispielsweise Krieg, innere Unruhen, Enteignung, politisch bedingte Handels- oder Kapitaltransferbeschränkungen. Der Eintritt solcher Risiken kann z.B. zu Umsatzeinbussen beim betroffenen Unternehmen führen. Unter einem Sachrisiko ist die Gefahr einer Beeinträchtigung von eigenen oder fremden Dingen zu verstehen. Eine derartige Beschädigung kann z.B. durch Brände, technische Störungen, Naturkatastrophen oder den Ausfall der öffentlichen Versorgung verursacht werden. In solchen Fällen entstehen dem Unternehmen finanzielle Einbussen, etwa durch die Instandsetzung, die notwendige Ersatzbeschaffung, Umsatzeinbussen bei Betriebsunterbrechungen oder Ersatzleistungen bei Haftungsansprüchen. Haftungsrisiken beruhen auf möglichen Schädigungen Dritter durch das Unternehmen. Besonders problematisch sind dabei Haftungsansprüche, die auf Umweltschäden oder Produktfehler zurückgehen, da die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen in der jüngeren Vergangenheit verschärft wurden. Darüber hinaus können sich Haftungsrisiken auch aus Garantieansprüchen der Kunden oder bei Nichterfüllung von Verträgen ergeben. Neben dem eigentlichen finanziellen Aufwand zur Erbringung der Ersatzleistungen kommt es des Öfteren auch zu Einbussen durch Imageschädigungen, die eine Schwächung der Marktposition zur Folge haben. Personenrisiken entstehen durch Personen an sich (Überkapazitäten bzw. Abwanderung von Führungskräften), durch direkte Einflussnahme von Personen (Betrug, Unterschlagung, individuelle Fehler etc.) oder durch Schädigung betriebsinterner Personen (Arbeitsunfall, Krankheit) oder betriebsexterner Personen (Haftpflichtrisiko). Personenrisiken können vielfältige finanzielle Auswirkungen haben, etwa Einbussen durch Betriebsunterbrechungen bei Personalmangel, überhöhte Lohnkosten bei Überkapazitäten, Wettbewerbsnachteile bei Vertrauensmissbrauch oder Ersatzleistungen bei Haftungsansprüchen der Geschädigten. Zu den finanzwirtschaftlichen Risiken gehören Marktrisiken (z.B. Schwankungen von Wechselkursen oder des Zinsniveaus), kontrahentenbezogene Gefahren (Forderungsausfälle usw.) sowie Finanz- und Kostenstrukturrisiken. Die Finanzstrukturrisiken werden massgeblich durch die
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
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Höhe des Eigenkapitals und des Cashflows sowie des aufgenommenen Fremdkapitals und der Kreditlinien seitens der Banken beeinflusst. Die Kostenstrukturrisiken bestimmen sich durch das Verhältnis von Fixkosten zu variablen Kosten. In diesem Zusammenhang ist auch die Höhe der allgemeinen Geschäftskosten des Unternehmens und ihr Verhältnis zum Umsatz von grosser Bedeutung. In einem ganzheitlichen Konzept haben die finanzwirtschaftlichen Risiken die gleiche Relevanz wie andere Risikoarten. Finanzwirtschaftliche Risiken können zu Ertragsproblemen und zu Liquiditätsengpässen führen. Bewertung von Risiken
Ein Risiko bewirkt, dass die Erreichung der Unternehmensziele gefährdet ist. Wenn sich diese potenzielle Gefährdung tatsächlich realisiert, ist von einem Risikoeintritt die Rede. Die Kosten eines Risikos (R) bestimmen sich durch zwei Determinanten: x Die Eintretenswahrscheinlichkeit (W) bezeichnet die relative Häufigkeit der Risikoeintritte. Der Sonderfall einer Eintretenswahrscheinlichkeit von 100 % stellt kein Risiko dar, da ein sicheres Ereignis keine potenzielle Gefährdung beinhaltet und somit der Risikodefinition widerspricht. x Die Tragweite (T) eines Risikos beschreibt den Grad der Zielabweichung, der sich durch einen Risikoeintritt ergeben würde. Meist wird die Tragweite in Geldeinheiten gemessen. Wenn sich ein Risiko auf ein nichtmonetäres Ziel bezieht, kann die Tragweite auch über andere Bewertungsgrössen ausgedrückt werden. Beide Risikodeterminanten zusammen ergeben den Grad der Bedrohung, der von dem jeweiligen Risiko ausgeht. Bei der Einschätzung der Dringlichkeit von Risiken müssen folglich sowohl die Eintretenswahrscheinlichkeit als auch die Tragweite eines Risikos in angemessener Weise berücksichtigt werden. Dabei tritt in Bezug auf die Tragweite die Schwierigkeit auf, dass sie bei mehreren Risikoeintritten sehr stark schwanken kann. Beispielsweise ist die Tragweite des Brandrisikos sehr gering, wenn der Brand rechtzeitig bemerkt und sofort gelöscht wird. Bleibt der Brand unbemerkt und breitet sich aus, kann die Tragweite existenzbedrohende Ausmasse annehmen. Dieser Umstand muss im Rahmen der Bewertung von Risiken beachtet werden. Die Dringlichkeit ist das Mass für die Gefährdung der Unternehmensziele, die von einem Risiko ausgeht. Da die Risikobewertung mit Schätzungen verbunden ist, wäre es nicht aussagekräftig, die Dringlichkeit nur durch eine Kennzahl auszudrücken, da ein einzelner Zahlenwert eine Ge-
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
nauigkeit vortäuschen würde, die tatsächlich nicht gegeben ist. Sinnvoll ist es, Risiken nach ihrer Dringlichkeit in verschiedene Klassen einzuteilen. Ein Kleinrisiko besitzt die geringste Dringlichkeit. Es führt dazu, dass Mittel und Wege geändert werden müssen, ohne dass schwerwiegende Folgen für das Unternehmen zu befürchten sind. Die unbedeutendste Form des Kleinrisikos ist das Bagatellrisiko, das praktisch keine weiteren Massnahmen erforderlich macht. Ein mittleres Risiko kann ein Unternehmen vor grössere Probleme stellen; es zwingt ein Unternehmen zur Änderung von Zielen und Erwartungen. Insofern sind mittlere Risiken Gegenstand des Risikomanagements. Ein Grossrisiko ist schliesslich ein Risiko der höchsten Dringlichkeitsklasse. Grossrisiken können die Existenz des Unternehmens bedrohen. Eine Untergruppe der Grossrisiken sind die Katastrophenrisiken, die am obersten Ende der Dringlichkeitsskala angesiedelt sind. Sofern möglich, sind Grossrisiken zu vermeiden. Zielsetzung des Risikomanagements
Obwohl Risiken die Zielerreichung gefährden, sind sie untrennbar mit den Aktivitäten eines Unternehmens verbunden. Das Ziel des Risikomanagements ist es zunächst, im gesamten Unternehmen ein Bewusstsein für das Vorhandensein der Risiken zu schaffen. Alle Entscheidungsträger sollen sich systematisch mit den Risiken auseinandersetzen [11-13]. Das moderne Risikomanagement ist ein integratives Konzept, bei dem das Unternehmen als Ganzes betrachtet wird, d.h. es werden nicht einzelne Risiken isoliert voneinander gesteuert. Stattdessen soll die gesamte Risikosituation des Unternehmens erfasst, beschrieben und aufeinander abgestimmt gestaltet werden (Bild 328). Das Unternehmensrisikomanagement kann in das strategische und das operative Risikomanagement strukturiert werden. Das strategische Risikomanagement lässt sich in die folgenden Dimensionen unterteilen: x Strategische Risiken, die mit der risikostrategischen Ausrichtung des Unternehmens verbunden sind. Die strategischen Risiken ergeben sich aus den Gefahren und Chancen des Marktes sowie aus den Stärken und Schwächen des Unternehmens. x Risikostrategie und Risikoprozess. Im Rahmen der normativ entwickelten Risikopolitik wird die Risikostrategie des Unternehmens und der strategischen Geschäftseinheiten festgelegt. Zudem werden die Prozesse entwickelt, mit denen die Risikotragfähigkeit und die Risikobelastung des Unternehmens und der strategischen Geschäftseinheiten ermittelt werden.
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
711
Management- und Support- / Ressourcenprozesse
Risiken aus Management- und Support- / Ressourcenprozessen (z.B. Markt-, Kosten- und Finanzstrukturrisiken)
Risiken aus den Leistungserstellungsprozessen Akquisition
Angebotsbearbeitung
Auftragsverhandlungen
Genehmigungen Ausführungsplanung
AVOR/ Produktionsplanung
Bauausführung
Abnahme/ Übergabe
Betrieb / Erhaltung
Gesamtrisiko
x Die Risikotragfähigkeit wird aus der Finanz- und Vermögensstruktur und den Zielen des Unternehmens abgeleitet. Basierend auf diesen Grundsätzen werden Mess- und Bewertungsgrössen, z.B. in Form der Balanced Scorecard (BSC), vorgegeben.
Einzelprojektrisiken Risiko A Risiko A Risiko A Risiko A
Risiko B Risiko B Risiko B Risiko B
Risiko C Risiko C Risiko C Risiko C
Risiko D Risiko D Risiko D Risiko D
Risiko ... Risiko ... Risiko ... Risiko ...
Risiko i
Projekt 1
Risiko k
Projekt 2
Risiko l
Projekt n
Risiko m
Projekt n+1
Bild 328: Ganzheitliches Risikomanagement in Bauunternehmen
Das operative Risikomanagement setzt die Prozesse und Vorgaben aus dem strategischen Risikomanagement um. Die Dimensionen des operativen Risikomanagements umfassen folgende Elemente: x Risikomanagementprozess, der z.B. im Rahmen des Qualitätsmanagements des Unternehmens zu entwickeln ist. Er muss gezielt als Supportprozess den Leistungserstellungsprozess zur Erreichung der Unternehmens- bzw. strategischen Geschäftseinheitsziele unterstützen. x Systematische Durchführung des Risikomanagementprozesses bei jedem Projekt x Bestimmung der Risikobelastung der strategischen Geschäftseinheiten und des Gesamtunternehmens x Bestimmung der Risikotragfähigkeit aus der Bilanz sowie dem Cashflow für das Gesamtunternehmen und Aufteilung auf die strategischen Geschäftseinheiten x Auditieren der Prozesse, um einen einheitlichen Standard des Risikomanagements in allen strategischen Geschäftseinheiten sicherzustellen
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Damit eine Gestaltung im Sinn einer Optimierung möglich ist, müssen Kriterien entwickelt werden, mit denen die Risikosituation beurteilt werden kann. Dazu ist zunächst eine Zielvorstellung für die Risikolage zu definieren, was auch bedeutet, dass der Ausgangspunkt des Risikomanagements im strategischen Bereich liegt. Anhand der Ziele kann die aktuelle Risikosituation eingeschätzt werden. Bei Abweichungen sind operative Massnahmen zur Optimierung der Risikolage einzuleiten. Der Begriff „Optimierung“ macht deutlich, dass das Risikomanagement nicht nur der Verhinderung von Risikoeintritten, sondern auch dem zweckmässigen Eingehen von Risiken dient. Demzufolge ist das operative Risikomanagement ein systematischer Prozess, in dem die Risiken analysiert und unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Aspekten sowie unter Beachtung der unternehmerischen Ziele bewältigt werden. Das strategische Risikomanagement ist demgegenüber eine Führungsaufgabe. Unter Führung ist die „zielgerichtete Gestaltung der Strukturen und Prozesse eines Unternehmens“ zu verstehen. Die Aufgabe des strategischen Risikomanagements ist folglich die Bereitstellung der für den operativen Risikomanagementprozess benötigten Strukturen und Zielvorgaben. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Risikomanagement primär der Sicherung und der erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens dient, indem es zu einem Bestandteil der Unternehmenskultur gemacht wird und geeignete Massnahmen zur operativen Gestaltung der Risikosituation erarbeitet werden. 11.1.3 Gestaltung des Risikomanagements in Bauunternehmen Koordination
Risikomanagement ist eine komplexe Aufgabe, in die alle Geschäftseinheiten, Abteilungen und Unternehmensebenen sowie viele Mitarbeiter involviert sind. Dies macht eine Abstimmung der Aktivitäten erforderlich, denn es muss sichergestellt sein, dass die Beteiligten miteinander und nicht gegeneinander handeln. Bei der Gestaltung der Aktivitäten muss auf ein unternehmensbezogenes Optimum hingearbeitet werden. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Einzelaktivitäten in geeigneter Weise koordiniert werden. Darüber hinaus benötigen die beteiligten Mitarbeiter ein ausgeprägtes Risikobewusstsein und gewisse Kenntnisse der Methoden des Risikomanagements. Der Prozess des Risikomanagements ist in Bild 329 dargestellt.
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
713
Bild 329: Risikomanagementprozess und Abwehrlinien
Die Einrichtung eines Risikomanagementsystems ohne eine entsprechende Verankerung in der Aufbauorganisation ist prinzipiell möglich. Hierzu müssen in den einzelnen Fachressorts speziell geschulte Mitarbeiter mit der Durchführung des Risikomanagements beauftragt werden. Eine solche Lösung hat aber den Nachteil, dass die gewünschte Koordination der Risikomanagementaktivitäten nur schwer erreicht werden kann, d.h. der integrative Charakter des Risikomanagements ginge weitgehend verloren. Zu einer befriedigenden Koordination des Risikomanagements kommt es nur, wenn eine entsprechende zentrale Stabsstelle errichtet wird, die z.B. für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zuständig ist. Zudem ist eine zentrale Risikomanagementstabsstelle bei einem integrativen Risikomanagement unabdingbar, um einen Überblick über die gesamte Risikolage des Unternehmens zu erhalten. Zweckmässigerweise hat die Risikomanagementstelle die Form einer Stabsstelle, die direkt der Unternehmensleitung unterstellt ist (Bild 330). sie ist dadurch frei von Einflüssen einzelner Fachabteilungen. Zur Verbesserung der Kommunikation zwischen der Risikomanagementstelle und den Abteilungen sollten in allen Fachabteilungen Ansprechpartner für Angelegenheiten des Risikomanagements benannt werden, d.h. die Abteilungen haben auch bei dieser Organisationsform Mitarbeiter mit risikopolitischen Aufgaben bereitzustellen. Auf diese Weise wird ein akzeptabler Kompromiss zwischen der für
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
die Koordination erforderlichen Zentralisation und der für die praktische Durchführung notwendige Dezentralisation des Risikomanagements erreicht. Grosse Bauunternehmen
Mittelgrosse Bauunternehmen bzw. einzelne Divisionen
Unternehmensleitung Corporate Management Stabsstelle Risikomanagement Koordination
Divisionsleitung 1 1 Division Management
Stabsstelle Staff Risikomanagement
position CIP
position CIP
Projektmanager Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Stabsstelle Staff Risikomanagement
Divisionsleitung n n Division Management
Stabsstelle Staff Risikomanagement
Projektorganisation Project organisation
Unternehmensleitung Corporate Management/ / Divisionsleitung Division Management
Projektorganisation Project organisation Projektmanager Projektmitarbeiter
position CIP
Projektorganisation Project organisation Projektmanager Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Bild 330: Organisatorische Einbindung der Risikostabsstelle exemplarisch in eine Linien-Stabs-Organisation [11-2]
Durch die Ansiedlung der Risikomanagementstelle direkt unterhalb der Unternehmensleitung wird zudem die Bedeutung des strategischen Risikomanagements unterstrichen. Die Formulierung von Strategien zur Risikobewältigung muss durch die Unternehmensleitung erfolgen. Die Risikomanagementstelle muss die Unternehmensleitung hierbei unterstützen und die so entstandenen Vorgaben in den Risikomanagementprozess einbringen. Dazu gehört auch, die Führungsebene auf die Existenz bestimmter Risiken aufmerksam zu machen. Die Stabsstelle Risikomanagement hat damit primär folgende Aufgaben: x Unterstützung der Unternehmensleitung in Fragen des strategischen Risikomanagements x Erarbeitung allgemeiner Richtlinien und Verhaltensanweisungen zur Risikohandhabung x risikoorientierte Information und Motivation der Mitarbeiter x Ausbildung der Mitarbeiter in den Methoden des operativen Risikomanagements x Sicherstellung des Reportings (Unternehmens- und Projektcontrolling)
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
715
Strategische Komponenten des Risikomanagements
Die vollkommene Sicherheit ist nicht das Ziel des Risikomanagements; es ist nicht die maximale, sondern die optimale Sicherheit anzustreben. Dadurch stellt sich automatisch die Frage, wo der optimale Sicherheitsgrad liegt, d.h. in welchem Mass Risiken akzeptiert werden sollen. Konkret heisst dies: Wann sollen Massnahmen zur Risikobewältigung ergriffen werden und wann nicht? Eine wichtige Rolle bei solchen Entscheidungen spielt die persönliche Risikofreudigkeit des Entscheidungsträgers. Jeder Mitarbeiter eines Unternehmens hat eine eigene Risikoneigung, die seine Entscheidungen beeinflusst. Entscheidungen werden oft nicht als Ergebnis eines logisch überprüfbaren Prozesses, sondern (auch) auf der Basis der persönlichen Anschauung des Entscheidungsträgers getroffen und haben in der Risikobewertung kognitive Aspekte. Wenn jeder Mitarbeiter eines Unternehmens seine Entscheidungen nach eigenem Ermessen treffen kann, wirkt dies kontraproduktiv. Eine in einem Unternehmenssegment aufgebaute Sicherheit kann durch zu grosse Risiken in anderen Bereichen zunichte gemacht werden. Folglich muss die Entscheidung über den anzustrebenden Risikograd für das gesamte Unternehmen getroffen werden. Es handelt sich hierbei um eine strategische Entscheidung, die die zukünftige Entwicklungsrichtung des Unternehmens massgeblich bestimmt und daher in der Zuständigkeit der Unternehmensleitung liegen muss. Das strategische Risikomanagement ist dabei nicht als eine den Führungsprozess begleitende, sondern als eine untrennbar mit dem Führungsprozess verbundene Funktion zu betrachten. Die Unternehmensleitung sollte einen Sollzustand der Risikolage des Unternehmens definieren. Zweckmässigerweise geschieht dies, indem Risikoziele in das Zielsystem des Unternehmens integriert werden. Aus diesem Grund ist es für die Installation eines Risikomanagementsystems nützlich, wenn schon ein zielorientiertes Management vorhanden ist. Die Zielbildung ist die unbedingte Voraussetzung für alle Planungs- und Entscheidungsprozesse. Ohne eine konkrete Zielvorstellung ist es nicht möglich, optimale Entscheidungen zu treffen. Dies gilt auch für das industrielle Risikomanagement. Es bedarf konkreter Vorgaben, wie Risiken zu behandeln sind. In einem Unternehmen, das eher risikoscheu ausgerichtet ist, sind andere Massnahmen zu ergreifen als in einem Unternehmen mit risikofreudigem Management. Risikoziele können als Haupt- oder Nebenziele in das unternehmerische Zielsystem integriert werden. Sie können aber auch implizit in anderen Zielen enthalten sein. So kann etwa das Ziel der Verringerung des Produktrisikos durch Qualitätsziele abgedeckt werden. Im Sinn der Etablierung eines Risikobewusstseins ist die explizite Nennung der Risikoziele
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
aber vorzuziehen. Die Risikoziele können das Risikobewusstsein nur dann fördern, wenn sie kommuniziert werden, d.h. die Ziele müssen allen Entscheidungsträgern bekannt sein. Die Risikoziele eines Unternehmens müssen die Risikophilosophie, also die grundsätzliche Einstellung zum Risiko, deutlich machen. Sie sollen die Diskrepanzen in der Einstellung der Mitarbeiter verringern, indem sie den Rahmen vorgeben, in dem die Entscheidungen zu treffen sind. Dadurch soll eine gemeinsame Orientierung aller Mitarbeiter eines Unternehmens im Hinblick auf Risikoaspekte erreicht werden. Bei der Formulierung der Unternehmensziele (nicht nur der Risikoziele) werden in der Regel wirtschaftliche Erwägungen im Vordergrund stehen, d.h. finanzielle Ziele haben die grösste Relevanz innerhalb des Zielsystems. Daneben sind aber auch weitere Arten von Zielen (Bild 331), die ein Unternehmen verfolgen kann, denkbar. Zum einen sind dies leistungswirtschaftliche Ziele, etwa bezüglich des Marktanteils, der Produktqualität usw. Zum anderen kann sich ein Unternehmen auch soziale Ziele setzen. Dies können sowohl mitarbeiterbezogene als auch gesellschaftsbezogene Ziele sein. Beispielsweise setzen sich in der jüngeren Vergangenheit etliche Industrieunternehmen Umweltziele, die in die Kategorie der gesellschaftsbezogenen sozialen Ziele fallen.
Unternehmensziele Leistungswirtschaftliche Unternehmensziele - Marktziele - Produktionsziele - Qualitätsziele
Soziale Unternehmensziele - Mitarbeiterbezogene Ziele - Gesellschaftsbezogene Ziele
Finanzielle Unternehmensziele - Gewinn - Rentabilität - Liquidität
Risikoziele Existenzsicherung
Zukunfts- und Erfolgssicherung
Bild 331: Arten von Unternehmenszielen
Senkung der Risikokosten
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
717
Auch in Bezug auf das Risikomanagement sollten die Zielvorstellungen nicht auf die finanzielle Sphäre des Unternehmens beschränkt bleiben. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Bei ausgeprägter Fixierung auf ökonomische Zielvorstellungen könnte etwa ein Brandrisiko akzeptiert werden, weil der Abschluss einer Feuerversicherung im Vergleich zu teureren technischen Brandverhütungsmassnahmen wirtschaftlich sinnvoller erscheint. Das Risiko selbst bleibt in diesem Fall unverändert, weder die Eintretenswahrscheinlichkeit noch die Tragweite ändern sich. Wenn es sich bei dem betreffenden Objekt aber um eine grosse Produktionshalle handelt, in der viele Menschen arbeiten, dürfen die ökonomischen Aspekte angesichts des potenziellen Verlustes von Menschenleben nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, d.h. die Minimierung des gesundheitlichen Risikos für die Mitarbeiter ist ebenfalls ein relevantes Risikoziel. In solchen Situationen sind also auch im Rahmen des Risikomanagements soziale Aspekte neben den ökonomischen Planungen zu berücksichtigen. Zu den Aufgaben der Risikomanagementstabsstelle im Rahmen des strategischen Risikomanagements gehört zum einen die Unterstützung der Unternehmensleitung bei der Definition der Risikoziele. Zum anderen muss die Risikomanagementstabsstelle die eher abstrakt formulierten Zielvorstellungen in das operative Risikomanagement einbringen. Dies geschieht, indem aus den Zielen konkrete, risikopolitische Leitlinien oder sogar direkte Richtlinien abgeleitet und den betroffenen Entscheidungsträgern vermittelt werden. Das Risikomanagement wird nur dann Erfolg haben, wenn es als ganzheitliches Konzept verstanden und umgesetzt wird. Es muss das gesamte Spektrum an Aufgaben – von den Leitlinien des strategischen Risikomanagements über die operative Risikoanalyse und -bewältigung bis hin zur Umsetzung von Sicherheitsmassnahmen durch die Mitarbeiter vor Ort – umfassen. Das Risikobewusstsein muss zu einem Element der Unternehmenskultur werden. Zuvor wurde erläutert, dass die Entscheidung über den akzeptablen Risikograd im Allgemeinen subjektiv getroffen wird, insbesondere also unter Beachtung der persönlichen Risikoneigung. Dennoch lässt sich – zumindest in der Theorie – ein wirtschaftlich optimaler Risikograd definieren. Der ökonomisch optimale Risikograd wird durch die Kosten, die durch Risikoeintritte entstehen, und die Kosten, die durch Risikomanagementmassnahmen verursacht werden, determiniert. Die beiden Kostenkomponenten ergeben insgesamt die Risikokosten eines Unternehmens (Bild 332).
718
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Bild 332: Wirtschaftlich optimaler Risikograd [11-13]
Der Verlauf der beiden beschriebenen Kostenkomponenten ist nicht linear. Die Kosten für das Risikomanagement sind zunächst gering, d.h. bei einem geringen Sicherheitsgrad ist ein grosser Sicherungsgewinn bei vergleichsweise geringem Kostenzuwachs möglich. Die Kosten für Massnahmen des Risikomanagements steigen aber überproportional zum Sicherheitsgrad an, d.h. bei einem hohen Sicherheitsniveau lässt sich eine weitere Verbesserung nur mit grossem Aufwand realisieren. Der Verlauf der Kosten durch Risikoeintritte ist entgegengesetzt, d.h. die Risikoeintritte verursachen bei einem geringen Sicherheitsgrad hohe Kosten, bei höherer Sicherheit geringere Kosten. Durch den nichtlinearen Charakter der Kostenfunktionen ergibt sich eine progressive Summenfunktion, d.h., es existiert ein Sicherheitsgrad, bei dem die Risikokosten minimal sind. Bei ökonomischer Perspektive ist die Erreichung dieses optimalen Sicherheitsgrads anzustreben. In der Praxis ist es letztlich nicht möglich, den Zielwert des Sicherheitsgrads auf diese Weise exakt zu bestimmen. Dies hat verschiedene Gründe: x Die Kostenfunktionen haben für jedes Risiko einen individuellen Verlauf, d.h. prinzipiell müsste für jedes einzelne Risiko, das Betrachtungsgegenstand des Risikomanagements ist, ein optimaler Sicherheitsgrad bestimmt werden. Ein solches Vorgehen dürfte aber kaum praktikabel sein. x Der genaue Verlauf der Kostenfunktionen, insbesondere der der Kosten durch Risikoeintritte, ist nicht bekannt, d.h. es müssten Schätzungen vorgenommen werden, die das Ergebnis verfälschen.
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
719
x Trotz der problematischen Ermittlung kann es sinnvoll sein, den optimalen Sicherheitsgrad zumindest grob abzuschätzen, um daraus die Zielvorstellungen bezüglich der Risikolage des Unternehmens abzuleiten. 11.1.4 Risikoaggregation und Ermittlung der Risikotragfähigkeit Das Bauunternehmen muss grundsätzlich jederzeit in der Lage sein, die übernommenen Risiken auch tragen zu können. Dies führt zwingend zur Forderung, dass es keine existenzgefährdenden Risiken eingeht. Die Gefährdung des Unternehmensfortbestands besteht bei der Möglichkeit des Eintritts mindestens eines der folgenden beiden Insolvenztatbestände: x Zahlungsunfähigkeit (finanzwirtschaftliche Dimension) x Überschuldung (vermögenswirtschaftliche Dimension) Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die liquiden Mittel eines Unternehmens nicht ausreichen, den Zahlungsverpflichtungen rechtzeitig nachzukommen. Bei einer Überschuldung ist das Eigenkapital durch Verluste aufgezehrt und das Fremdkapital übersteigt das (bilanzielle) Vermögen. Um diese zwei Situationen zu vermeiden, gilt es im Rahmen eines Risikotragfähigkeitskalküls, das Risikopotenzial aus bereits übernommenen und noch zu übernehmenden Risiken mit der vorhandenen Risikotragfähigkeit des Unternehmens abzugleichen. Die Risikotragfähigkeit eines Unternehmens ergibt sich zum einen aus der Fähigkeit, die mit den eingetretenen Risiken in finanzwirtschaftlicher Hinsicht verbundenen Auszahlungen durch einen ausreichenden Bestand an liquiden Mitteln begleichen zu können, und zum anderen aus der Fähigkeit, die eingetretenen Risiken in vermögenswirtschaftlicher Hinsicht durch die Abdeckung mit Eigenkapital zu tragen. Die ganzheitliche, quantitative Risikosteuerung erfordert für jede Unternehmensebene eine Anpassung der Belastung aus eingegangenen Risiken an die Risikotragfähigkeit des Unternehmens, die durch die vorhandenen monetären Ressourcen zur Risikodeckung limitiert ist. Die Durchführung der ganzheitlichen, quantitativen Risikosteuerung umfasst folgende Schritte: x die Risikoaggregation auf verschiedenen Verdichtungsstufen, die, ausgehend vom Gesamtrisiko eines einzelnen Projekts bis hin zum Gesamtrisiko des Unternehmens, die Basis zur Bestimmung der potenziellen Risikobelastung bildet;
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
x die Ableitung der Risikotragfähigkeit aus den Ressourcen zur Risikodeckung für die Stufen Liquidität und Überschuldung; x die quantitative Risikosteuerung, die für den Abgleich von Risikotragfähigkeit und Risikobelastung die Einführung von Kennzahlen auf der jeweiligen Aggregationsstufe erfordert; x das Risikocontrolling zur Durchführung der ganzheitlichen, quantitativen Risikosteuerung. Risikoaggregation auf verschiedenen Verdichtungsstufen Die Risiken, denen ein Bauunternehmen ausgesetzt ist, können auf unterschiedlichen Aggregationsebenen analysiert und gesteuert werden. Die Unterscheidung der verschiedenen Verdichtungsstufen ist auch erforderlich, da die einem Bauunternehmen zur Verfügung stehenden Instrumente des Risikomanagements an unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Oberstes Ziel ist es, eine Aussage über das gesamte Risiko des Bauunternehmens zu treffen. Gesamtunternehmen
Strategische Geschäftseinheit SGE
Allgemeine Risiken der Supportprozesse operative Unternehmens- • Finanzrisiken (Zinsen/Währung) • Budgetrisiko (Allgemeine Geschäftskosten) • Investitionsrisiko (Auslastung) risiken
Risiken des Leistungserstellungsprozesses
Akquisition
Angebotsbearbeitung
Auftragsverhandlungen
Facilitymgt.
Genehmigungen und Ausführungsplanung
Contracting in der Nutzungsphase
AVOR/ Produktionsplanung
Bauausführung
Abnahme / Übergabe
Operative Projektrisiken
SGEn SG En +1
Strategieüberarbeitung
Quantitativ
Quantitativ
Auftrags- und Ausführungsmanagement
E1 SG SGE2
SG E2
Angebotsmanagement
Qualitativ durch Portfolio- und SWOT-Analyse
SGE 1
Allgemeine Risiken der Managementprozesse strategische • Führungs- und Organisationsrisiken • Personalrisiken Unternehmens- • Marktrisiken • Wettbewerbsrisiken • Soziale und ökologische Risiken risiken
Operatives Gesamtergebnis
Operatives Ergebnis der SGE n
SG En
Einzelprojektrisiken Projekt B
Projekt C
Projekt N
Risiko A1 Risiko A2 Risiko A3 Risiko Ai
Risiko B1 Risiko B2 Risiko B3 Risiko Bi
Risiko C1 Risiko C2 Risiko C3 Risiko Ci
Risiko N1 Risiko N2 Risiko N3 Risiko Ni
1 En + SG
Projekt A
Bild 333: Vernetzung und Zusammenfassung der Risiken von der operativen Ebene (Projekte) zum Gesamtunternehmen [11-11]
Bild 333 zeigt den Zusammenhang der verschiedenen Aggregationsebenen. Auf Einzelprojektebene fasst die singulare Aggregation alle bewerteten und vom Bauunternehmen zu tragenden Einzelrisiken eines Projekts zum Gesamtrisiko des jeweiligen Projekts zusammen. Die superponierende Aggregation der vom Bauunternehmen übernommenen Risiken baut auf der singularen Aggregation auf, indem sie die Gesamtrisiken der einzelnen Projekte zum Gesamtrisiko aller Projekte einer strategischen Geschäftseinheit (SGE), Niederlassung/Sparte oder des kompletten Unter-
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
721
nehmens aggregiert. Die ganzheitliche Aggregation geht bei der Zusammenfassung von Risiken noch einen Schritt weiter; sie schliesst zusätzlich die allgemeinen operativen Unternehmensrisiken ein und liefert so einen Überblick über das operative Gesamtrisiko des Bauunternehmens. Singuläre Risikoaggregation – Gesamtrisiko eines Projekts: Voraussetzung für jede Risikoaggregation ist eine Risikobetrachtung, bei der jedes Projekt individuell analysiert wird. Das systematische Risikomanagement auf Projektebene ist ein Prozess. Oberstes Ziel dieses Prozesses ist die ergebnisorientierte, erfolgreiche Projektabwicklung. Dazu müssen in der Angebotsphase die zu bearbeitenden Aufträge risikobewusst selektiert und, im Fall der Entscheidung für die Angebotserstellung, adäquate Risikokosten ermittelt werden. In der Ausführungsphase fokussiert das systematische Risikomanagement auf die aktive Risikobewältigung und das Controlling der getroffenen Massnahmen. Zur Durchführung des Risikomanagementprozesses sind mehrere aufeinander folgende Teilprozesse innerhalb eines Regelkreises durchzuführen (Bild 334) [11-4]. Auf die genaue Erläuterung der Teilschritte wird in Kapitel 11.2.7 noch detailliert eingegangen. Summenhäufigkeit
Risikoidentifikation
95%
Risikoanalyse Risikobewertung der Einzelrisiken
1.0
Verteilungsfunktion der Risikokosten
[-]
0.8
Risikoklassifizierung der Einzelrisiken
0.6
Risikostrategie
Risikobereitschaft
0.4 0.2
Risikobewältigung Eliminieren
Übertragen
Versichern
Vermindern
Akzeptieren
0.0
0
0.625
1.25
1.875
2.5
[Mio. CHF]
Mittelwert 0.82
Berechnung der Risikokosten
Risiko-Controlling
Vertraglich vereinbarte Risikokosten Restrisiko des Unternehmens = Statistisches Sicherheitsniveau 95% 5%
90% .32
5% 1.39
Bild 334: Risikomanagementprozess und Verteilungsfunktion der Risikokosten [11-4]
Die Risikoidentifikation ist die „Sammlung“ von Risiken. Eine mangelhafte Identifikation wirkt sich negativ auf den gesamten Risikomanagementprozess und damit auf die Projektabwicklung aus. Nur bei Risiken, die das Unternehmen und seine Entscheidungsträger erkannt haben, kann später durch Bewältigungsmassnahmen eine Optimierung erreicht werden. Die Risikoidentifikation erfordert Erfahrung, Know-how und Kreativität. Sie gestaltet sich am effektivsten bei einer Kombination aus intuitiven Verfahren (z.B. „Pondering“, Brainstorming) und systematischen Verfahren (Checklisten).
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Die Bewertung und Klassifizierung kann man unter dem Oberbegriff Risikoanalyse zusammenfassen. Ziel der Risikobewertung ist die Prognose von Eintretenswahrscheinlichkeiten und Tragweiten der identifizierten Risiken, d.h. in welchem Grad sie die Erreichung der Projektziele gefährden können. Generell lassen sich Eintretenswahrscheinlichkeit und Tragweite durch die Überlegung von Szenarien ermitteln. Diese Szenarien müssen eine genaue Analyse der möglichen Ursachen des Risikoereignisses an sich sowie der sich daraus ergebenden Auswirkungen beinhalten. Anschliessend erhält man über empirische Daten, überschlägige Kalkulation oder Expertenschätzungen Werte für beide Risikodeterminanten. Die Risikoklassifizierung ist die Schnittstelle zwischen Bewertung und Bewältigung. Die identifizierten Risiken haben aufgrund der Bewertung unterschiedliche Bedeutungen für das Projekt. Das Gesetz des italienischen Mathematikers Pareto der „significant few“ and „insignificant many“ sagt aus, dass nur ca. 20 % aller identifizierten Risiken eine signifikante Bedeutung für die Erreichung der Projektziele besitzen [11-6]. Aufgabe der Klassifizierung ist es nun, die Risiken nach ihrer Bedeutung für den weiteren Projekterfolg zu sortieren. In der Risikobewältigung wird untersucht und entschieden, wie mit den Risiken umgegangen, also auf sie reagiert werden soll. Dieses Vorgehen wird in erheblichem Mass von der im Unternehmen implementierten Risikostrategie bzw. der Risikobereitschaft der Entscheidungsträger beeinflusst. Zunächst prüft das Projektteam, welche Behandlungsalternativen überhaupt zur Verfügung stehen, um dann eine Entscheidung zugunsten einer angemessenen Behandlungsalternative zu fällen. Die generell in Frage kommenden Bewältigungsmöglichkeiten sind Vermeidung, Verminderung, Versicherung, Übertragung auf Dritte und schliesslich Übernahme. Im Rahmen der Angebotserstellung müssen die Kosten der vom Unternehmen übernommenen Risiken kalkuliert werden. Dieser Schritt erfolgt nach der Entscheidung über Massnahmen zur Bewältigung. Da sich durch die getroffenen Entscheidungen und ergriffenen Massnahmen eine veränderte Risikosituation ergibt, muss das Unternehmen die selbst zu übernehmenden Risiken neu bewerten. Als aussagekräftiges Verfahren zur Kalkulation der Restrisiken erweist sich die Monte-Carlo-Simulation. Sie generiert im Gegensatz zur deterministischen Modellbildung, bei der für jede Eingangsvariable lediglich ein (Schätz-)Wert verwendet wird, eine beliebige Anzahl Was-Wäre-WennSzenarien. Die Idee dieser Nachbildung einer empirischen Datenbasis ist auf HERTZ zurückzuführen [11-15]. Das Verfahren berücksichtigt zusätzlich, dass jede Eingangsvariable einen zwischen Minimum und Maximum gelegenen Wert annehmen kann, und gewichtet diesen Wert mit seiner Eintretenswahrscheinlichkeit [11-28]. Ergebnis der Simulation ist eine
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
723
Dichtefunktion der Restrisikokosten, die die Bandbreite der Kosten und deren Mittelwert angibt. Aus der zugehörigen Verteilungsfunktion lässt sich zu einer vorab gewählten statistischen Sicherheit ein Wert ablesen, der das Maximum der Restrisikokosten angibt. Aufgrund der in Bild 334 gewählten statistischen Sicherheit von 95 % ergibt sich ein Wert von 1.39 Mio. CHF für die maximalen Kosten des Restrisikos in diesem Projekt. Am Schluss des Risikomanagementprozesses steht das Risikocontrolling. Es beinhaltet die weitere Steuerung der Risikosituation und die Überprüfung der gewählten Bewältigungsmassnahmen hinsichtlich Wirksamkeit und Effizienz. Superponierender Ansatz – Gesamtrisiko aller Projekte einer Unternehmenseinheit: Der superponierende Ansatz auf Projektebene als zweite Aggregationsebene beinhaltet die projektübergreifende Risikoaggregation für eine Unternehmenseinheit. Dazu werden alle abzuwickelnden bzw. in Abwicklung befindlichen Projekte einer Unternehmenseinheit, z.B. einer Sparte, einer Niederlassung oder einer strategischen Geschäftseinheit (SGE), bzw. bei kleineren Unternehmen des ganzen Unternehmens in einem Projektportfolio zusammengefasst, um einerseits den Diversifikationseffekt, d.h. die Möglichkeit des Risikoausgleichs innerhalb eines Portfolios, zu nutzen und andererseits einen Überblick über das gesamte im Unternehmen akkumulierte Projektrisiko zu erhalten. Voraussetzung für den superponierenden Ansatz ist die zuvor durchgeführte singulare Risikoaggregation der Einzelprojekte. Die superponierende Risikoaggregation baut ebenfalls auf dem statistischen Formelwerk bzw. den Grundlagen der Monte-CarloSimulation auf. Ganzheitlicher Ansatz – Gesamtrisiko des Unternehmens: Zusätzlich zum superponierenden Ansatz erfasst der ganzheitliche Ansatz die allgemeinen Unternehmensrisiken wie z.B. Marktrisiken, Wettbewerbsrisiken, Leistungsrisiken, Finanzrisiken, Führungs- und Organisationsrisiken sowie soziale und ökologische Risiken, die u.a. von der Unternehmensstrategie, der Organisation, der Finanz- und Kostenstruktur des Unternehmens sowie dem Personal, dem Management und der Informatik beeinflusst werden. Der ganzheitliche Ansatz liefert den Überblick über die gesamte Risikosituation eines Unternehmens und lässt damit frühzeitige Schlüsse über eine risikoadäquate Rendite und mögliche Unternehmensgefährdungen zu. Zunächst erfolgt die Zusammenfassung der unternehmerischen Einzelrisiken zum allgemeinen Unternehmensrisiko. Die dazu notwendige Vorgehensweise ist gleiche wie bei der Aggregation der Einzelrisiken im Rah-
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
men eines Projekts. Problematisch gestaltet sich allerdings die quantitative Erfassung der allgemeinen Unternehmensrisiken. Während es z.B. für Wechselkursschwankungen oder den Krankenstand von Mitarbeitern möglich ist, objektive Eintretenswahrscheinlichkeiten anzugeben, ist z.B. die Quantifizierung von Führungs- und Organisationsrisiken äusserst schwierig. Es ist daher zu überlegen, ob die quantitative Risikoaggregation aufgrund der Praktikabilität nur für das operative Projektgeschäft, d.h. für den Leistungserstellungsprozess sowie die direkt die Projekte beeinflussenden Management- und Supportprozesse, durchgeführt wird und die Erfassung der Unternehmensrisiken eher qualitativ-deskriptiv erfolgt. Ermittlung der Risikobelastung Die Ermittlung der Risikobelastung basiert auf der Wahrscheinlichkeitsverteilung des erwarteten Gesamtergebnisses des Unternehmens. Um aus der vorhandenen Risikotragfähigkeit Rückschlüsse für die zu übernehmende Risikobelastung ziehen zu können, muss ein Modell konzipiert werden, das Vorhersagen über x den probabilistischen Cashflow und Gewinn/Vermögen des Unternehmens in Bezug auf die Risikobelastung und x die kalkulatorischen Risiko-/Gewinnzuschläge in Bezug auf die Risikotragfähigkeit des Unternehmens machen kann. Hierfür stehen die folgenden probabilistischen Parameter zur Verfügung: x die gesamten Risikokosten und Risikorestkosten des Unternehmens infolge der probabilistischen Risikoaggregation x die gesamten Risiko- und Gewinnzuschläge, die in den Projektpreisen berücksichtigt wurden Dazu wurde ein Cashflow-/Gewinn-Risiko-Modell (CRM/GRM) mit einer Cashflow-Risiko-Funktion (CRF) und einer Gewinn-Risiko-Funktion (GRF) entwickelt [11-10]. Das Cashflow-/Gewinn-Risiko-Modell mit einer Cashflow-Risiko-Funktion (CRF) und einer Gewinn-Risiko-Funktion (GRF) soll zur Risikosteuerung im Unternehmen dienen, um den geplanten Gewinn und Cashflow zu erzielen. Zudem soll deutlich werden, wie hoch die Risikobelastung ist und inwieweit dadurch die finanziellen Werte und Vermögenswerte beeinflusst werden können. Die CR-Funktion und die GR-Funktion werden wie folgt gestaltet: x probabilistische Risikoaggregation auf den Ebenen Projekt, strategische Geschäftseinheit (SGE) und Gesamtunternehmen
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
725
x Transformation der probabilistischen Gesamtrisikoverteilungsfunktion in eine CRM-Cashflow-Risiko-Funktion und GRM-Gewinn-RisikoFunktion Die Risikokostenaggregation für das Gesamtunternehmen erfolgt mittels Monte-Carlo-Simulation oder stochastisch; sie wird wie folgt gebildet: x Erwartungswert der Gesamtprojektrisiken auf Unternehmensebene: § RE, ges ¦ ¦¦ ¨¨ RE,i, j,k RE,i, j,k ¦ l1Ti, j,k ( pi, j,k,l1 )* pi, j,k,l1 * Pi, j,k W j i © l1 k
x Varianz der Gesamtprojektrisiken auf Unternehmensebene: § l1 2 ı ges Ti, j,k (pi, j,k,l1 ) TE,i, j,k 2 * pi, j,k,l1 ¦k ¦j ¦i ¨¨ ıi,2 j,k ıi,2 j,k ¦ l1 ©
·¸¸ ¹
·
¸¸ ¹
x Probabilistische Gesamtrisikodichtefunktion des Unternehmens: 2 f Rges f RE, ges ; ı ges x Probabilistische Gesamtrisikoverteilungsfunktion des Unternehmens: 2 F Rges F RE, ges ; ı ges Berücksichtigung nur der Projektrisiken in einem Unternehmen: RE, Projekt, ges d RE, ges RProjekt,ges d Rges 2 2 ı Projekt, ges d ı ges
f RProjekt, ges | f Rges
F RProjekt, ges | F R ges
Die CR- und GR-Funktion geht von einem bestimmten Zielreferenzpunkt in der Gesamtrisikoverteilungsfunktion aus, der auch als Gewinn-VerlustPivot-Punkt bezeichnet werden kann. An diesem Punkt kann man ablesen, ob bei Eintritt von Risiken ein Gewinn oder Verlust entsteht. Zudem sollen mittels dieser Funktionen die Tragfähigkeitsgrenzen unter Berücksichtigung der Risikodeckungsmassen ermittelt werden. Dabei werden nur der Projektgewinn und Projekt-Cashflow als Hauptquelle des Unternehmenserfolgs bei projektorientierten Unternehmen betrachtet. Der Zielreferenzpunkt ist einerseits aus der Summe des deterministischen antizipierten Projektgesamt-Cashflows CFkalk,ges bzw. Projektgesamtgewinns Gkalk,ges und den gesamten Projektrisikozuschlägen Rkalk,ges
726
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
und andererseits aus den Gesamtrisikokossten bestimmbar. Daraus ergeben sich folgende deterministischen Transformationsgrössen: Rkalk, ges CFkalk, ges für die CR-Funktion
R1CF G 1
R
Rkalk,ges Gkalk, ges
für die GR-Funktion
Der Referenzpunkt zur Bestimmung der Risikoeinwirkung auf den Gewinn bzw. Cashflow liegt also dort, wo die Restrisiken in der Risikoverteilungsfunktion beginnen. Die CRM-Funktion und GRM-Funktion wird durch zwei Transformationen bestimmt: 1. Spiegelung der Gesamtrisikoverteilungsfunktion 1. Horizontalverschiebung des Koordinatennullpunkts der gespiegelten Gesamtrisikoverteilungsfunktion um CF RTrans
Rmin R1CF
G RTrans
Rmin R1G
Modellbildung (Modellentwicklung) Modellbasis ist die Gesamtrisikoverteilungsfunktion des Gesamtunternehmens (Bild 335). f(Rges )
def
F(Rges )
f(RProjekt,ges )
def
F(RProjekt,ges )
1 ı Projekt,ges 0.5
m in R Projekt, ges
RE,Projekt,ges
m ax RProjekt, ges
R P rojekt,ges
m in R Projekt, ges
m ax R Projekt, ges
R E ,Projekt,ges
R ges
Bild 335: Probabilistische Gesamtrisikodichte f(Rges) und Gesamtrisikoverteilungsfunktion F(Rges)
F R
2 2 f Rges f RE,ges , ı ges | f RProjekt; ges f RE,Projekt,ges ; ı Projekt, ges
F RProjekt,ges
E, Projekt, ges
2 ; ı Projekt, ges
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
727
Erster Transformationsprozess – Spiegelung: f(R ges )
f( R ges )
ı ges
ı ges m ax R ges
min R ges
R ges
R ges
R E,ges
R E,ges
F(Rges )
F( R ges )
1
1
0.5
0.5 R ges
R ges m in R ges
max R ges
min R ges
m ax R ges
Bild 336: Spiegelung der Gesamtrisikodichte- und Gesamtrisikoverteilungsfunktion
F R
o F R
F R
2 2 f RProjekt,ges f RE,Projekt,ges ; ı Projekt, f RE,Projekt,ges ; ı Projekt, ges o f RProjekt,ges ges
F RProjekt,ges
E, Projekt, ges
;ı
2 Projekt, ges
Projekt, ges
E, Projekt, ges
Zweiter Transformationsprozess – Horizontalverschiebung: f G Projekt,ges f( R ges )
R E ,Projekt,ges
G kalk,ges
Rkalk,ges
Rm in
G Rtrans
Bild 337: Gewinn-Risiko-Dichtefunktion des GRM
;ı
2 Projekt, ges
728
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
^
f RProjekt,ges Rmin Rkalk,ges Gkalk,ges
`
f GProjekt,ges
def
f CFProjekt,ges f( R ges )
CFkalk,ges
Rkalk,ges
Rmin
CF Rtrans
Bild 338: Cashflow-Risiko-Dichtefunktion des CRM
^
`
f RProjekt, ges Rmin Rkalk, ges CFkalk, ges
def
f CFProjekt, ges
F G Projekt,ges F( R ges )
R E,Projekt,ges
G kalk,ges
Rkalk,ges
Rm in
G Rtrans
Bild 339: Gewinn-Risiko-Funktion des GRM
^
F RProjekt,ges Rmin Rkalk,ges Gkalk,ges
`
def
F GProjekt,ges
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
729
F CFProjekt,ges F( R ges )
CFkalk,ges
Rm in
R kalk,ges CF Rtrans
Bild 340: Cashflow-Risiko-Funktion des CRM
^
F RProjekt,ges Rmin Rkalk,ges CFkalk,ges
`
def
F CFProjekt,ges
Gesamtunternehmens-Risikodichtefunktion, transformiert in die GewinnRisikodichtefunktion:
f ^ R f ^ R
G f RProjekt,ges Rtrans
Projekt, ges
f R
Projekt,ges
G 2 Rtrans , ı Projekt, ges
Rmin Rkalk, ges G kalk, ges
E, Projekt, ges
`
2 Rmin Rkalk, ges G kalk, ges ; ı Projekt, ges
`
def
f G Projekt, ges
Gesamtunternehmens-Risikoverteilungsfunktion, transformiert in die Gewinn-Risiko-Funktion:
F ^ R F ^ R
G F RProjekt, ges Rtrans
Projekt, ges
F R
Projekt, ges
Rmin Rkalk, ges Gkalk, ges
E, Projekt, ges
G 2 Rtrans , ı Projekt, ges
`
2 Rmin Rkalk, ges Gkalk, ges ; ı Projekt, ges
`
def
F GProjekt, ges
730
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Analoge Transformation für das Cashflow-Risiko-Modell (CRM): Cashflow-Risikodichtefunktion:
^
f RProjekt,ges Rmin Rkalk,ges CFkalk,ges
`
f CFProjekt,ges
`
F CFProjekt,ges
def
Cashflow-Risiko-Funktion:
^
F RProjekt,ges Rmin Rkalk,ges CFkalk,ges
def
Anhand dieser Graphen ist es möglich, für ein bestimmtes statistisches Sicherheitsniveau D den voraussichtlichen operativen UnternehmensCashflow CFProjekt,ges bzw. den operativen Unternehmensgewinn GProjekt;ges zu prognostizieren. Dies bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit D mindestens der operative Unternehmenscashflow CFD,Projekt,ges bzw. der operative Unternehmensgewinn GD,Projekt,ges erzielt wird. Basierend auf den Verteilungsfunktionen für den operativen Unternehmens-Cashflow CFProjekt,ges und den operativen Unternehmensgewinn GProjekt,ges kann die Anpassung der Risikobelastungsdimension an die Risikodeckungsdimension für das Normal-, das Stress- und das Crashszenario vorgenommen werden. Vorhandene Ressourcen zur Risikodeckung Die in einem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Risikodeckung (Risikodeckungsmassen) weisen eine unterschiedliche Qualität hinsichtlich der Komplexität ihrer Verfügbarkeit und des Vorgangs der Inanspruchnahme auf. Je schwieriger über bestimmte Deckungsmassen verfügt werden kann, so z.B. über das Aktienkapital einer Aktiengesellschaft, desto seltener sollten sie in Anspruch genommen werden. Innerhalb der Risikodeckungsdimension ist deshalb eine stufenweise Abgrenzung der Risikodeckungsmassen im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Inanspruchnahme sinnvoll. KREMERS unterscheidet dabei drei Klassen von Risikodeckungsmassen [11-18]: 1. Risikodeckungsmassen erster Klasse (RDM1) Risikodeckungsmassen erster Klasse dienen dem Ausgleich von Risiken, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden. Eine sehr wahrscheinliche Nichterfüllung der Unternehmensziele ist nicht wünschenswert, daher kommen zur Deckung dieser Risiken ausschliesslich überschüssige Cashflows bzw. die den Mindestgewinn übersteigenden Übergewinne in
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
731
Frage. Der Mindestgewinn ist der für die Erreichung der Unternehmensziele erforderliche Überschuss. 2. Risikodeckungsmassen zweiter Klasse (RDM2) Die Nutzung dieser Deckungsmassen erfolgt mit einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit, um schwer wiegende Auswirkungen auf das Unternehmen zu vermeiden. Auf vermögenswirtschaftlicher Seite fallen hierunter der Mindestgewinn und die stillen Reserven. In finanzwirtschaftlicher Hinsicht fallen unter die RDM2 z.B. nicht ausgeschöpfte Kreditlinien, die Neukreditaufnahme, leicht liquidierbare Finanzanlagen und veräusserbare Forderungen. 3. Risikodeckungsmassen dritter Klasse (RDM3) Die dritte Klasse der Risikodeckungsmassen enthält Ressourcen, die nur im äussersten Notfall für die Risikodeckung in Anspruch genommen werden, da ihr Einsatz das Unternehmen in erheblicher Weise beeinträchtigt. Vermögenswirtschaftliche Deckungsmassen dritter Klasse beinhalten die offenen Reserven, das Aktienkapital und das Partizipationskapital. In finanzwirtschaftlicher Hinsicht bestehen diese Ressourcen zur Risikodeckung aus liquidierbaren Vermögensgegenständen, die nicht zur zweiten Klasse gehören. Weiterhin gehören Liquiditätszuflüsse aus Kapitalerhöhungen dazu. Der Risikotragfähigkeit steht die Risikobelastung gegenüber. Den oben genannten Klassen von Risikodeckungsmassen können nun verschiedene, mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit auftretende Risikobelastungsszenarien gegenübergestellt werden. SCHIERENBECK und LISTER unterscheiden dabei folgende Fälle [11-20]: 1. Normalbelastungsszenario Der erste Fall tritt mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit von z.B. 40 % ein und wird daher Normalbelastungsszenario genannt. Innerhalb dieses Szenarios kommt es häufig zu Abweichung vom erwarteten Gewinn bzw. Cashflow. Bedingt durch die Häufigkeit stehen lediglich die Risikodeckungsmassen erster Klasse zur Verfügung. 2. Stressbelastungsszenario Dieses Szenario tritt mit einer mittleren bis geringen Wahrscheinlichkeit von z.B. 10 % auf und besitzt somit einen gewissen Seltenheitscharakter. Das Risikopotenzial übersteigt die Risikodeckungsmassen erster Klasse und muss zusätzlich durch die Risikodeckungsmassen zweiter Klasse aufgefangen werden.
732
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
3. Crashbelastungsszenario Dieser bedrohlichste Fall tritt nur mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit von z.B. 1 % auf und stellt den „worst case“ dar. Der Eintritt dieses Szenarios erfordert die Mobilisierung sämtlicher Ressourcen zur Risikodeckung (Risikodeckungsmassen 1., 2. und 3. Klasse), die dem Unternehmen zur Verfügung stehen, da es den Fortbestand des Unternehmens stark gefährdet. Bild 341 beinhaltet die Gegenüberstellung von Belastungsszenarien und zugehörigen Klassen der Risikodeckungsmassen. Gesamtrisikopotenzial
=
f(Klassen der Risikodeckungsmassen RDM) Finanz-RDM für Cashflow-at-Risk
Eintretenswahrscheinlichkeit = 40 %
Stressbelastungsszenario Eintretenswahrscheinlichkeit = 10 %
Crashbelastungsszenario Eintretenswahrscheinlichkeit =1%
= RDM 1. Klasse + RDM 2. Klasse
= RDM 1. Klasse + RDM 2. Klasse + RDM 3. Klasse
RDM 2. Klasse
= RDM 1. Klasse
RDM 3. Klasse
Normalbelastungsszenario
RDM 1. Klasse
Risikotragfähigkeitskalkül
Vermögens-RDM für Earnings-at-Risk
- Überschüssige Cashflows (nach Fremdkapitalzinsen, Dividenden, geplanten Investitionen und sonstigen geplanten Ausgaben)
- Übergewinn
Zusätzlich zu den RDM 1. Klasse - nicht ausgeschöpfte Kreditlinien - Neukreditaufnahme - leicht liquidierbare Finanzanlagen - leicht liquidierbare Vermögensgegenstände, die nicht betriebsnotwendig sind - veräusserbare Forderungen
Zusätzlich zu den RDM 1. Klasse - Mindestgewinn - Stille Reserven
Zusätzlich zu den RDM 1. und 2. Klasse - sonstige liquidierbare Vermögensgegenstände - Liquiditätszufluss durch Kapitalerhöhung
Zusätzlich zu den RDM 1. und 2. Klasse - Offene Reserven - Aktienkapital - Partizipationskapital
Bild 341: Gegenüberstellung von Risikobelastungsfällen und Klassen der Ressourcen zur Risikodeckung (in Anlehnung an [11-18])
Risikosteuerung – Abgleich von Risikopotenzial und Risikotragfähigkeit Um die Risikotragfähigkeit sicherzustellen, darf das vom Unternehmen übernommene Risiko die Existenz nicht gefährden. Zunächst wird die vom Unternehmen übernommene bzw. zu übernehmende Risikobelastung bestimmt. Die Ermittlung der periodischen Risikobelastung erfolgt über das VaR-Konzept (Value-at-Risk) [11-18], dem zwei unterschiedliche Risikobelastungen zugrunde liegen können. In Bezug auf die finanzwirtschaftliche und damit liquiditätsbezogene Risikobelastung stellt der so genannte Cashflow-at-Risk eine geeignete Massgrösse dar. Er drückt die maximale negative Abweichung des tatsäch-
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
733
lichen Cashflows in einer Planungsperiode vom erwarteten Cashflow aus, die mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Bezüglich der vermögenswirtschaftlichen Risikobelastung ist zu prüfen, zu welcher maximalen Abweichung des tatsächlichen Periodengewinns vom geplanten Ergebnis es kommen kann. Die zugehörige VaR-Kennzahl wird als Earnings-at-Risk bezeichnet. Zur Berechnung der Earnings-atRisk kann ebenfalls von den Perioden-Cashflows ausgegangen werden, die allerdings um die nicht zahlungswirksamen Aufwendungen zu verringern und um die nicht zahlungswirksamen Erträge zu erhöhen sind. Für jede zukünftige Planungsperiode können nun diese beiden Kennzahlen jeweils mit der korrespondierenden Risikotragfähigkeit, die den zur Verfügung stehenden Risikodeckungsmassen entspricht, verglichen werden. Dabei darf die durch den Cashflow-at-Risk und die Earnings-at-Risk gemessene Risikobelastung die zugehörige Risikodeckung grundsätzlich nicht übersteigen. Folgende Gleichgewichtsbedingung drückt diesen Sachverhalt aus: Festgestellte Gesamt-Risikobelastung d verfügbare Risikodeckungsmassen F(CFProjekt;ges) =D F(GProjekt;ges) = D 100 %
Zielwert für den Unternehmenscashflow CFkalk;ges bzw. den Unternehmensgewinn Gkalk;ges
Normalbelastungsszenario z.B. D = 60 %
Stressbelastungsszenario z.B. D = 90 %
Crashbelastungsszenario z.B. D = 99 %
Summe der Kalkulatorischen Projektcashflows CFkalk;ges bzw. Projektgewinne Gkalk;ges
Summe der vertraglich vereinbarten Risikozuschläge Rkalk;ges
50 % Statistisches Sicherheitsniveau
RDMF3 bzw. V3 Risktragfähigkeitsgrenze RDMFC bzw. VC
Verteilungsfunktion des Gesamtprojektcashflows/ Unternehmenscashflows bzw. Gesamtprojektgewinns/ Unternehmensgewinns
RDMF2 bzw. V2
Risktragfähigkeitsgrenze RDMFS bzw. VS
0
D
Gesamtprojektcashflow/ Unternehmenscashflow CFProjekt,ges
RDMF1 bzw. V1
Risktragfähigkeitsgrenze RDMFN bzw. VN
Gesamtprojektgewinn/ Unternehmensgewinn GProjekt,ges VaRN d RDM1 für D = 60 % VaRS d RDM1 + RDM2 für D = 90 % VaRC d RDM1 + RDM2 + RDM3 für D = 99 %
Verlustbereich
Gewinnbereich
R60;Projekt;ges R90;Projekt;ges R99;Projekt;ges
Bild 342: Cashflow-Risiko- und Gewinn-Risiko-Funktion – Beziehung zwischen Belastungsfällen und benötigten Risikodeckungsmassen für die vermögenswirtschaftliche Betrachtung [11-11]
734
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Die Wirkungsweise der verschiedenen Risikodeckungsmassen ist in Bild 342 dargestellt. Prinzipiell bestimmt die Risikodeckungsdimension mit den daraus resultierenden Deckungsmassen die Risikotragfähigkeit des gesamten Unternehmens. Ziel ist es, mithilfe der Risikodeckungsdimension die potenziellen Abweichungen des probabilistischen, projektbezogenen Unternehmens-Cashflows CFProjekt,ges und Unternehmensgewinns GProjekt,ges vom angestrebten Unternehmens-Cashflow CFkalk,ges und Unternehmensgewinn Gkalk,ges aufzufangen. Die quantitative Steuerung der Risikoübernahme lässt sich insgesamt auf zwei Hauptmodule zurückführen (Bild 343): Quantitative Risikosteuerung
Risikotragfähigkeit
Risikotragfähigkeit
Vermögensorientierte
Finanzielle Risikotragfähigkeit
Risikotragfähigkeitskalkül Gefahren-Chancen-Profil
Angemessenheit des Gefahren-ChancenProfils
Abgleich des Risikopoten- Abgleich des Risikopotenzials mit den vermögenszials mit den finanzwirtwirtschaftlichen Risikoschaftlichen Risikodeckungsressourcen deckungsressourcen
Earnings-at-Risk (EaR) Cashflow-at-Risk (CaR) Return on Risk adjusted Capital (RoRaC)
Risikodeckungsdimension
Relation zwischen angestrebtem Ergebnis und eingesetzten Risikodeckungsressourcen
Minimierung der Gefahr der Überschuldung Minimierung der Gefahr der Zahlungsunfähigkeit
Steuerungsgrössen (Kennzahlen)
Minimierung der Gefahr unrentabler Projekte
Hauptziel: Gewinnerzielung
Risikobewertung, -aggregation und -quantifizierung
Superponierende Aggregation Superponierende Aggregation
Singulare Aggregation
Aus den Bauprojekten - Rechtliche Risiken - Terminliche Risiken - Finanzielle Risiken - Technische Risiken - Managementrisiken - Risiken des Umfelds
Singulare Aggregation
Operative Projektrisiken:
Singulare Aggregation
• Marktrisiken • Wettbewerbsrisiken • Leistungsrisiken • Finanzrisiken • Führungs- und Organisationsrisiken • Soziale und ökologische Risiken
Ganzheitliche Aggregation
Allgemeine Unternehmensrisiken:
Unbedingtes Nebenziel: Dauerhafter Bestand des Unternehmens
Unternehmensziele der quantitativen Risikosteuerung
Risikobelastungsdimension
Bild 343: Die quantitative Risikosteuerung und ihre Kennzahlen [11-11]
Einerseits müssen die neu zu übernehmenden Risiken vor der Übernahme mit den bereits früher aus anderen Projekten übernommenen Risiken aggregiert und mit der Risikotragfähigkeit auf Ebene der Risikodeckungsdimension des Unternehmens, sowohl in vermögenswirtschaftlicher als auch in finanzwirtschaftlicher Hinsicht, abgeglichen werden. Eine Überschreitung der Risikotragfähigkeit des Unternehmens ist nicht erlaubt. Die verwendeten Steuerungsgrössen sind unter dem Begriff „Risikotragfähig-
11.1 Risikomanagement in Bauunternehmen
735
keitskalkül“ zusammengefasst und beinhalten die Earnings-at-Risk (EaR) und den Cashflow-at-Risk (CaR). Andererseits sollen die vom Unternehmen zu übernehmenden Risiken ein angemessenes Chancen-Gefahren-Profil aufweisen, um die Gefahr unrentabler Projekte zu minimieren und damit das unternehmerische Hauptziel der Gewinnerzielung zu erreichen. Das Chancen-Gefahren-Profil kann auf verschiedenen Unternehmensebenen angewendet werden, um die effiziente Verwendung der Risikodeckungsmassen zu überprüfen. Bild 343 zeigt die einzelnen Bestandteile der quantitativen Risikosteuerung auf. 11.1.5 Risikoversicherungsmanagement Bei der Risikobewältigung obliegt es dem Versicherungsmanagement, gemäss den strategischen Risikomanagementvorgaben einen dem Risikoniveau und der Risikobereitschaft angemessenen Versicherungsschutz mit optimalem Nutzen-Kosten-Verhältnis zu beschaffen. Das Versicherungsmanagement hat primär folgende Aufgaben: x Auf der Basis einer umfassenden Risikoanalyse und in Verbindung mit der Planung anderer Risikobewältigungsmassnahmen ist der Umfang des Versicherungsbedarfs zu ermitteln. x Nach der Feststellung des Bedarfs ist der Einkauf von Versicherungen die zweite Aufgabe des Versicherungsmanagements. Aus einer meist grösseren Anzahl von Angeboten verschiedener Versicherungsgesellschaften sind die optimalen Verträge und Anbieter auszuwählen. Dabei sollte die Prämienhöhe nicht das alleinige Auswahlkriterium sein. Mit dem Deckungsumfang, den angebotenen Serviceleistungen, der Zeichnungskapazität usw. sind eine Reihe weiterer relevanter Aspekte zu berücksichtigen. x Nach der Beschaffung des Versicherungsschutzes ist eine laufende Pflege des Versicherungsprogramms erforderlich. Da ein Industrieunternehmen eine dynamische Wirtschaftseinheit darstellt, darf auch das Versicherungsprogramm nicht statisch sein. Die permanente oder in kurzen Intervallen durchzuführende Prüfung der Versicherungssummen ist erforderlich, um einen Anpassungsbedarf frühzeitig erkennen zu können. x Bei erkanntem Bedarf ist eine Anpassung der Verträge an das veränderte Umfeld vorzunehmen.
736
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
x Eine letzte, aber nicht zu unterschätzende Aufgabe des Versicherungsmanagements ist die Wahrnehmung der Pflichten eines Versicherungsnehmers, deren Vernachlässigung den Versicherungsschutz gefährden kann. Zu diesen Pflichten gehören beispielsweise die Anzeigepflicht, die Pflicht zur Prämienzahlung und die rechtzeitige Meldung von Versicherungsfällen. Zusammenfassend können die Aufgaben des Versicherungsmanagements mit der Zusammenstellung und der Pflege des Versicherungsprogramms beschrieben werden. Unter dem Versicherungsprogramm ist der Bestand an Versicherungen in einem Unternehmen zu verstehen. Das optimale Versicherungsprogramm zeichnet sich dadurch aus, dass es zwei Kriterien erfüllt: x Die zu entrichtenden Versicherungsprämien dürfen die Liquidität und die Rentabilität des Versicherungsnehmers nicht zu stark belasten. x Bei Risikoeintritten muss ein schneller und ausreichender finanzieller Schutz zur Verfügung stehen. Besonders wichtig ist die Abstimmung des Versicherungsschutzes mit den anderen Massnahmen der Risikobewältigung. Das Versicherungsprogramm ist ständig in Frage zu stellen und an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Wegen der Komplexität der Bauindustrieunternehmen ist es schwierig, ein risikogerechtes Versicherungsprogramm zu entwickeln und zu pflegen. Zudem wird es in den Unternehmen oft als unangenehm empfunden, sich mit der Versicherungsproblematik auseinanderzusetzen. Das hat zur Folge, dass man in der Praxis oft nur weiter den Wegen folgt, die schon vor langer Zeit eingeschlagen wurden. Statt umfassender Bedarfsanalysen durchzuführen, wird lediglich das bereits vorhandene Versicherungsprogramm fortgeschrieben. Zur Gewährleistung eines aktuellen und angemessenen Versicherungsprogramms sollten am Versicherungsmanagement eines Bauindustrieunternehmens zumindest zwei Parteien beteiligt sein. Einerseits ist eine Verbindung zum Risikomanagement herzustellen, damit die Versicherung von Risiken in das Gesamtkonzept zur Risikobewältigung integriert werden kann. Andererseits ist der Versicherungsmarkt sehr komplex und dynamisch; daher sollte ein Experte, der den Markt genau kennt, mit der Beschaffung des Versicherungsschutzes betraut werden. Dies kann – insbesondere in kleineren Unternehmen – auch ein externer, aber unabhängiger Versicherungsmakler sein. Demzufolge ist es sinnvoll, wenn das Versicherungsmanagement entweder von der Risikomanagementstelle oder von einer eigenen Versicherungsabteilung, die mit dem Risikomanagement eng zusammenarbeitet,
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
737
wahrgenommen wird. Der Kontakt zwischen Risiko- und Versicherungsmanagement ist insbesondere deswegen erforderlich, weil das Versicherungsmanagement die Aufgabe hat, die Versicherungsdeckung im Verhältnis zur übrigen Risikofinanzierung zu optimieren. Ein vom Risikomanagement losgelöstes Versicherungsmanagement ist nicht in der Lage, ein optimales Versicherungsprogramm aufzubauen, da Interdependenzen zwischen den verschiedenen Formen der Risikobewältigung unberücksichtigt bleiben. Ein isoliertes Versicherungsmanagement hat zudem den Nachteil, dass die Geschäftsleitung diesem Bereich oft nicht genug Aufmerksamkeit schenkt, worunter seine Qualität leidet.
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement 11.2.1 Einleitung Im ersten Kapitel wurde das Thema Risikomanagement (RM) auf der Ebene des Gesamtunternehmens betrachtet. Da Bauunternehmen ausgesprochen stark vom Projektgeschäft geprägt sind, kommt dem Risikomanagement auf Projektebene eine besondere Bedeutung zu [11-12]. Es ist daher in Bauunternehmen besonders wichtig, die Unternehmens- und Projektrisikomanagementprozesse sorgfältig aufeinander abzustimmen (Bild 344). Operatives Risikomanagement in den Leistungserstellungsprozessen Angebotsbearbeitung
Akquisition
RM-Prozess Identifikation
Controlling
Auftragsverhandlungen
RM-Prozess Identifikation Analyse Controlling
Genehmigungen Ausführungsplanung
RM-Prozess Identifikation Analyse Controlling
AVOR/ Produktionsplanung
RM-Prozess Identifikation
Analyse Controlling
Bewältigung
Bauausführung
RM-Prozess Identifikation Analyse Controlling
Bewältigung
Abnahme / Übergabe
RM-Prozess Identifikation Analyse Controlling
Bewältigung
Betrieb / Erhaltung
RM-Prozess Identifikation Analyse Controlling
Bewältigung
Analyse
Bewältigung
RM-Prozess
Controlling
Bewältigung
Bewältigung
Identifikation
Analyse
Bewältigung / Kosten
Bild 344: Eingliederung des Risikomanagementprozesses in den Leistungserstellungsprozess eines Bauunternehmens
738
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Unternehmen
Projekte
Risikoidentifikation
1
Risikoanalyse
Risikoanalyse
Risikoidentifikation
2 n
n+1
Risikoidentifikation Risikoidentifikation
Risikoanalyse Risikoanalyse Risikoanalyse
Risikobewältigung
Risikobewältigung
Risikocontrolling
Risikocontrolling
Risikobewältigung
Risikocontrolling
Risikobewältigung Risikobewältigung
Risikocontrolling
Projektrisiken
Risikoidentifikation
Kumuliertes Unternehmensrisiko
Die Aggregation der Projektrisiken ergibt das Gesamtprojektrisiko des Unternehmens. Dazu ist es erforderlich, alle Projekte einem systematischen Risikomanagement zu unterziehen (Bild 345).
Risikocontrolling
Bild 345: Vernetzung und Zusammenfassung der Risiken von der operativen Ebene (Projekte) zum Gesamtunternehmen
Das projektbezogene RM ist primär die Aufgabe der operativen Geschäftseinheiten. Dazu sind in den operativen Geschäftseinheiten entsprechende RM-Prozesse notwendig, die so zu konzipieren und zu implementieren sind, dass sie integraler Bestandteil der Geschäftsprozesse der jeweiligen Einheiten werden. RM ist also keine „Sonderveranstaltung“ und kein Parallelprozess, sondern einfach normaler Bestandteil eines guten Managementsystems. Eine Integration des RM in den Leistungserstellungsprozess des Unternehmens ist daher unumgänglich. Die Durchführung des projektbezogenen RM sollte, wie bereits beschrieben, in das bestehende Managementsystem eingebettet werden, so dass der Prozess des operativen RM auch für jedes Projekt durchgeführt wird, bereits in der Angebotsphase beginnt, um die Frühwarnfunktion zu ermöglichen, und erst mit Projektübergabe bzw. mit Ablauf der Gewährleistungsfristen abgeschlossen ist [11-4]. 11.2.2 Risiken bei Bauprojekten Risiken sind in allen Situationen und Branchen gegenwärtig. Die der Bauwirtschaft lassen sich in folgende Arten einteilen [11-12]: x Umfeldrisiken x Technische Risiken
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
x x x x
739
Terminliche Risiken Rechtliche und vertragliche Risiken Finanzielle Risiken Managementrisiken
In Bild 346 ist der Zusammenhang zwischen Risikofeldern, Risikoarten und Einzelrisiken dargestellt [11-12]. Ein Risikoeintritt kann verschiedene Auswirkungen nach sich ziehen: x x x x x x
Finanzielle Folgen Terminliche Folgen Folgen in Bezug auf die Bauwerksqualität/-funktionalität Folgen für das Firmenimage Folgen in Bezug auf die Gesundheit von Mitarbeitern/Dritten Sachschäden an Bauwerk/Firmeneigentum/Eigentum Dritter
Da selten nur eine einzige Auswirkung folgt, ist eine Gliederung nach den Auswirkungen für die Risikobewältigung nicht sinnvoll. Besser eignet sich die Untergliederung nach Risikoarten im Hinblick auf die Ursache. Die Risikoarten fassen also Einzelrisiken zusammen, die auf gleiche oder ähnliche Ursachen zurückzuführen sind. Die Bereiche, in denen die Risikoursachen liegen, nennt man Risikofelder. In der Hierarchiestufe unterhalb der Risikoarten sind die Einzelrisiken angeordnet, welche eine Differenzierung der Risikoarten darstellen. Risikofelder des Bauprojekts
Verträge
Gesetze / Normen
Garantien
Terminvorgaben
Ausschreibung
Volkswirtschaft
Art + Komplexität des Bauwerks
Arbeitssicherheit
Örtliche Gegebenheiten
AVOR
Projektplanung
Projektausführung
Bauherr
Architekt
Sonstige Planer
Lieferanten
Subunternehmer
ARGE-Partner
Projektorganisation
Personal
Schnittstellen
Führung / Controlling
Natur / Umwelt
Politik
Öffentlichkeit / Nachbarn
Risikoarten des Bauprojekts Rechtliche Risiken
Terminliche Risiken
Finanzielle Risiken
Technische Risiken
Managementrisiken
Risiken des Umfelds
Einzelrisiken des Bauprojekts
Bild 346: Zusammenhang zwischen Risikofeldern, Risikoarten und Einzelrisiken [11-12]
Die am Bau beteiligten Institutionen wie Bauherren, Planern und Unternehmern messen den Risikoarten unterschiedliche Bedeutungen zu. Ausserdem bestehen natürlich unterschiedliche Standpunkte darüber, wer wel-
740
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
che Risiken übernehmen sollte. Im Extremfall übernimmt der Bauunternehmer einen Grossteil der Risiken, die gewöhnlich der Bauherr trägt. Dies zieht normalerweise erhöhte Baukosten nach sich, da der Bauunternehmer gegenüber dem Bauherrn als eine Art Versicherer auftritt. Übernimmt der Bauherr hingegen die Risiken in maximalem Umfang selbst, so führt dies zu einem entsprechend niedrigen Baupreis. Wo sich ein Bauherr zwischen diesen beiden Extremen einordnet hängt u.a. von seiner Baukompetenz ab. Eine grosse Stadt mit eigenen hoch qualifizierten Planungs- und Projektsteuerungsressourcen beispielsweise, kann Risiken in einem relativ hohen Umfang selbst tragen und dadurch von niedrigeren Baupreisen profitieren. Andere Faktoren, welche den Bauherrn in seiner Bereitschaft zur Risikoübernahme beeinflussen, sind die Art des Bauwerkes, der Detaillierungsgrad, die Qualität und Vollständigkeit der Planungsunterlagen sowie die Projektdringlichkeit. In Bild 347 sind die wichtigsten Einzelrisiken der jeweiligen Risikoarten zusammengestellt. Sie werden im Folgenden näher beschrieben, soweit ihre Bezeichnung nicht selbsterklärend ist. Zudem wird dargestellt, welche der am Bau beteiligten Parteien die Einzelrisiken jeweils übernehmen sollten. Es kommt oft vor, dass ein Risiko unter mehreren Parteien aufgeteilt wird (Risk Sharing). Rechtliche und vertragliche Risiken
Finanzielle Risiken
Terminliche Risiken
z.B.
z.B.
z.B.
• Rechtliche Änderungen (Gesetze, Steuern, Umweltschutzbeschränkungen usw.)
• Terminplanung
• Finanz- und Kostenstrukturrisiko
• Vertragskonflikte (Lieferant, Bauherr, Auftragnehmer usw.) • Baubewilligung, Einsprachen und damit verknüpfte Auflagen
• Verspätete Baubewilligung • Einsprachen • Nicht eingehaltene Zwischen- und Endtermine (Konventionalstrafen, Imageschäden)
• Subunternehmer• Baustellenzugänglichkeit zuverlässigkeit • Vertrags- und Rechtsgrundlagen • Vertragsabweichungen
• Konkurs von Subunternehmern • Liquidität • Eigenkapital • Allgemeinkostenflexibilität • Garantien und Haftung sowie Folgeschäden • Abnahme- und Zahlungsbedingungen
Technische Risiken z.B. • Planungsfehler • Neue technische Methoden • Fehler im Bauablauf • Neue Materialien und Geräte • Leistungsfähigkeit der Geräte • Fehler in der Planumsetzung • Arbeitsunfälle • Geologie/Untergrund • Kontaminierter Baugrund • Hydrologie
Managementrisiken
Umfeldrisiken (natürlich und sozial)
z.B.
z.B.
• Managementkompetenz
• Wetter
• Ungenügende Ressourcenbereitstellung
• Höhere Gewalt • Streiks • Umweltrisiken
• Unzweckmässige Projektorganisation
• Verzögerung des Bewilligungsverfahrens
• Mangelhafter Informationsfluss
• Politisches Umfeld
• Mangelnde fachliche Qualifikation der eingesetzten Mitarbeiter
Bild 347: Risikoarten eines Bauprojekts
Unvorhergesehener Baugrund: Das Baugrundrisiko trägt normalerweise der Bauherr, da er den Baugrund bereitstellt. Der Unternehmer ist allerdings am besten dazu qualifiziert, die Einflüsse von Bodenbeschaffenheit, Geologie und Grundwasser auf den Bauprozess abzuschätzen; er sollte daher auch die entsprechenden Risiken übernehmen. Dies setzt jedoch unbedingt voraus, dass der Bauherr zuvor in hinreichendem Umfang entsprechende Erkundungen durchgeführt hat
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
741
und auch die Verantwortung für deren Richtigkeit übernimmt. Ausserdem muss die Planung auf die erwarteten Baugrundverhältnisse abgestimmt sein, wofür der Planer die Verantwortung hat. Kann der Baugrund nicht hinreichend erkundet werden, so muss der Bauherr die damit verbundenen Risiken selber tragen (Klausel zu unvorhergesehenen Baugrundverhältnissen im Bauvertrag). Ungünstige Witterungsverhältnisse: Für die Auswirkungen ungünstiger Witterungsverhältnisse kann der Unternehmer wegen der ihm daraus erwachsenden Mehraufwendungen nur dann eine zusätzliche Vergütung verlangen, wenn dies vereinbart wurde. Höhere Gewalt: Das Risiko ausserordentlicher Umstände wie z.B. Fluten, Erdbeben, Sturm (höhere Gewalt) trägt gewöhnlich der Bauherr, der sich jedoch zumeist dagegen versichern kann. In einem gewissen Umfang trägt jedoch der Planer die Verantwortung dafür, dass das von ihm geplante Bauwerk bestimmten Naturgewalten standhalten kann. Soweit es in seinem Einflussbereich liegt, kann der Unternehmer an Feuerrisiken beteiligt werden. Umweltrisiken: Umweltrisiken, die sich aus dem Bauwerk oder dessen Betrieb ergeben, sind offensichtlich vom Bauherrn zu tragen, soweit sie nicht in Zusammenhang mit der eigentlichen Bauproduktion stehen und somit der Bauunternehmer verantwortlich ist. Streiks: Das Risiko von Streiks ist vom Unternehmer zu tragen. Politischer und öffentlicher Druck: Opposition von Politik und Öffentlichkeit kann die Realisierung eines Bauwerks stark verzögern oder sogar verhindern. Gerade in der jüngeren Vergangenheit hat dieses Risiko an Bedeutung gewonnen. Es sollte nicht unterschätzt und durch gezielte Massnahmen (Öffentlichkeitsarbeit etc.) verringert werden. Unfälle: Das Unfallrisiko trägt der Bauunternehmer, der sich jedoch dagegen versichern kann. Dies ist sinnvoll, weil der Bauunternehmer die Verhältnisse auf seiner Baustelle und damit das sich daraus ergebende Unfallrisiko am besten beeinflussen kann. Fehlleistungen: Erbringt eine Partei im Rahmen eines Bauprojekts ihre vertraglich vereinbarten Leistungen nicht oder fehlerhaft, so sollte sie für die sich daraus er-
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
gebenden Konsequenzen die Verantwortung tragen. In der Realität ist dies jedoch nicht immer der Fall. So kann ein Planer meist aufgrund mangelnder Kapitalkraft nicht vollumfänglich für die Konsequenzen einer Fehlplanung haften. Leidtragender ist dann der Bauherr oder der Bauunternehmer. Mangelhafte Bauausführung: Für mangelhafte Bauausführung trägt der entsprechende Unternehmer die Verantwortung, sofern sie nicht auf Planungsfehler zurückzuführen ist. Massenabweichungen: Wer das Massenrisiko trägt, hängt vom Bauvertrag ab. Bei Einheitspreisverträgen trägt es der Bauherr; die Bauleistungen werden auf der Grundlage von Ausmass oder Ausführungsplänen und den vereinbarten Einheitspreisen vergütet. Wurde hingegen ein Global- oder Pauschalpreis vereinbart, so trägt der Bauunternehmer das Massenrisiko. Für Massenänderungen infolge von Bestelländerungen ist natürlich der Bauherr verantwortlich. Bei Massenänderungen von mehr als 10/20 % können neue Einheitspreise vereinbart werden. Gesetzesänderungen: Gesetzesänderungen können vielfältige Auswirkungen auf ein Bauwerk sowie die an seiner Erstellung beteiligten Unternehmen haben. Es ist daher rechtzeitig darauf zu achten. Konkurse: Der Ausfall einer am Bau beteiligte Partei infolge Konkurses kann gravierende Folgen haben; jede Partei sollte daher neben ihrer eigenen finanziellen Situation auch die der anderen analysieren. Bauherren fordern besonders bei Grossprojekten verstärkt Ausführungsgarantien von den Unternehmen, um herauszufinden, wie deren Finanzlage von den Banken eingestuft wird. Zudem kann der Bauherr bei Konkurs des Unternehmers die Garantie ziehen, um die Zusatzkosten zu bestreiten, die bei Beauftragung eines Ersatzunternehmers entstehen. Nachunternehmerversagen: Das Risiko des Versagens seiner Nachunternehmer trägt der Hauptunternehmer. Ausnahmen entstehen, wenn das Nachunternehmerversagen auf Sachverhalte zurückzuführen ist, für die andere Parteien die Verantwortung tragen. Mangelnde Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit des Bauherrn: Dieses Risiko kann das Bauunternehmen offensichtlich nicht kontrollieren. Verzögerungen von Abschlagszahlungen durch den Bauherrn verursachen unvorhergesehene Zinskosten. Nicht wenige Bauunternehmen sind durch stark verspätete oder ausgebliebene Bezahlung der von ihnen erbrachten
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
743
Leistungen in den Ruin getrieben worden. Es ist leider keine Seltenheit, dass Bauherren Streitigkeiten bewusst provozieren, um damit Gründe für die Zurückhaltung von Zahlungen zu haben, womit sie sich Zinsvorteile auf Kosten des Unternehmers verschaffen. Inflation: Während Inflation in anderen Ländern ein grosses Risiko für Bauherren und Bauunternehmer darstellen kann, ist sie in Deutschland, der Schweiz und Österreich eher von untergeordneter Bedeutung. Gewöhnlich bekommt der Bauunternehmer Mehrkosten, die ihm durch Teuerung entstanden sind, auf Nachweis vom Bauherrn vergütet. Ausnahmen bilden Pauschalpreisverträge. Wirtschaftskrisen: Der Unternehmer erhält die Mehraufwendungen infolge der Auswirkungen einer Wirtschaftskrise vom Bauherrn vergütet, falls dies vereinbart wurde. Mangelnde Managementkompetenz: Das Risiko mangelnder Managementkompetenz muss von jeder Partei für sich selbst getragen werden. Es ist eine wichtige Aufgabe eines jeden Unternehmens, für die von ihm zu erbringenden Leistungen hinreichend qualifiziertes Managementpersonal verfügbar zu halten. Mangelnde Arbeitskräfte, Materialien und Ausrüstungen: Oft geraten Bauunternehmen bei der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen in Schwierigkeiten, weil sie nicht über ausreichende Ressourcen an Arbeitskräften, Geräten und Ausrüstungen verfügen. Natürlich sind sie dafür selbst verantwortlich. 11.2.3 Minderung von Risiken Durch ein systematisches und effizientes Risikomanagementprogramm können Projektrisiken wirkungsvoll minimiert und unnötige Verluste stark vermindert werden. Folgende Grundsätze sollten bei der Formulierung eines solchen Programms berücksichtigt werden: x Gründliche, moderne und kompetente Planung zur Minimierung von Verzögerungen x Adäquate Baugrunderkundungen und Interpretationen der daraus gewonnenen Daten hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Planung und Bauausführung x Vollständige Erschliessung aller relevanten Informationen, die dem Bauherrn, Planer und Unternehmer zur Verfügung stehen
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
x Rechtzeitige Einholung aller notwendigen Genehmigungen durch den Bauherrn x Starkes und kompetentes Management bei allen Parteien x Hinreichende Entscheidungskompetenz auf der Baustelle x Schaffung geeigneter Prozeduren zur schnellen Behandlung und Beilegung von Streitigkeiten x Hinreichende finanzielle Sicherheit bei allen beteiligten Parteien x Einbindung des Bauunternehmens in die Planungsphase x Einbindung einer „Value-Engineering“-Klausel in den Bauvertrag, die u.a. den Schlüssel festlegt, nach dem Einsparungen zwischen Bauherren und Bauunternehmern aufgeteilt werden x Verbesserung der Produktivität Von den in dieser Liste beschriebenen Massnahmen unberührt bleiben hingegen die Risiken, welche von Behörden ausgehen. Diese können zu erheblichen Projektverzögerungen und Mehrkosten führen. Sie liegen jedoch weitgehend ausserhalb des Einflussbereiches des Bauherrn, der Planer und des Bauunternehmens, sofern die rechtlichen Grundlagen eingehalten wurden. Managementstrukturen: Von grösster Bedeutung für die Risikominimierung sind die Managementstrukturen, die für die Projektdurchführung zur Verfügung stehen. Sie umfassen die Management-, Überwachungs- und Arbeitsebenen des Bauherrn, der Planer und des Unternehmens. Streitigkeiten: Auch im Bereich von Streitigkeiten besteht Raum für kostensenkende Massnahmen. Schon wenn sich eine Streitigkeit anbahnt, muss eine wohldurchdachte Prozedur zu ihrer Beilegung ausgelöst werden. Der zweitschlechteste Weg, eine Streitigkeit zu behandeln, ist es, sie zu ignorieren; der schlechteste ist der über ein Gericht. Durch promptes und energisches Handeln kann oft vermieden werden, dass sich Streitigkeiten zu grossen Problemen auswachsen, die negativen Einfluss auf Bauzeit und kosten haben. 11.2.4 Verteilung von Risiken Bereits in Kapitel 11.2.2 wurde neben der Beschreibung der bei Bauprojekten auftretenden Risiken auch darauf eingegangen, welche der beteiligten Parteien sie jeweils am besten tragen sollten. Prinzipiell gilt, dass ein Baurisiko solange beim Bauherrn liegt, bis es vertraglich einer anderen
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
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Partei zugewiesen ist. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Partei auch über die notwendige Kompetenz und Gestaltungsfreiheit zur Behandlung des Risikos verfügt (Bild 348).
Umfeld (natürlich und sozial) Baugrund Wetter Höhere Gewalt Umweltrisiken Streiks Technik Unfälle Fehlerhafte Arbeit FehlerhaftesMaterial Fehlerhafte Planung Recht und Vertrag Baustellenzugänglichkeit Vertrags- und Rechtsgrundlagen Mengenabweichungen Vertragsabweichungen Vertragskonflikte Finanzen Konkurs von Nachunternehmern Zahlungsunfähigkeit des Bauherrn Inflation Wirtschaftskrise Management Managementkompetenz Qualifikation der Mitarbeiter Leistungsfähigkeit der Geräte Projektverzögerungen Arbeitssicherheit
Bauherr
Unternehmer
Planer
Versicherer
Hauptrisikoträger Bedingte Risikoträger
Bild 348: Risikoverteilung bei Bauprojekten
Welche der beteiligten Parteien bei einem Bauprojekt welche Risiken zu tragen hat, wird in den entsprechenden Verträgen, z.B. dem Bauvertrag, fixiert. Bauunternehmen müssen vor Unterzeichnung des Vertrags sehr genau analysieren, welche Risiken ihnen damit übertragen werden. So findet sich beispielsweise in Bauverträgen nicht selten die Klausel, dass der Bauunternehmer die Verantwortung für sämtliche Fehler und Unvollständigkeiten der vom Bauherrn beigestellten Planung zu übernehmen hat. Bauleistungen, die aufgrund falscher oder unvollständiger Pläne mangelhaft sind, werden demnach nicht vergütet. Auch wird vom Unternehmer oft die Übernahme der Verantwortung dafür verlangt, dass das von ihm erstellte Bauwerk in allen Punkten den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. In Extremfällen werden sämtliche Risiken der Bauausführung, also z.B. auch das Baugrundrisiko, auf den Unternehmer übertragen. Dennoch ver-
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
bleibt das nicht unerhebliche Restrisiko beim Bauherrn, dass der Bauunternehmer nicht in der Lage ist, den Vertrag hinsichtlich Qualität und Zeit zu erfüllen. Auch wenn in einem solchen Fall Garantien gezogen werden können, entsteht dem Bauherrn doch zumeist erheblicher Schaden. Der Bauherr muss sich ausserdem darüber im Klaren sein, dass der Bauunternehmer für Risiken, die er übernehmen muss, obwohl er sie nur eingeschränkt kontrollieren kann, entsprechende Reserven im Baupreis vorsehen wird. Das Projekt wird sich also erheblich verteuern. Des Weiteren steigt in solchen Fällen auch das Risiko teurer und langwieriger Gerichtsprozesse erheblich. Eine Überfrachtung des Unternehmers mit Risiken schadet also oft dem Bauherrn selbst. Prinzipiell sollten bei der Risikoverteilung folgende Grundsätze beachtet werden: x Es soll immer derjenige ein bestimmtes Risiko übernehmen, der am besten dazu in der Lage ist es zu kontrollieren und der es auch finanziell tragen kann. x Übernimmt eine Partei ein bestimmtes Risiko, so muss sie dafür vergütet werden. x Durch geeignete Kontrollmassnahmen muss sichergestellt werden, dass die Risiken auch tatsächlich so verteilt sind, wie es beabsichtigt war. 11.2.5 Ziele des systematischen, projektbezogenen Risikomanagements Mit dem systematischen, projektbezogenen RM sollen mehrere Ziele verfolgt werden. Generell wollen Bauunternehmen durch die Einführung des RM die Ertragslage steigern, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten verschaffen und damit die Existenz des Unternehmens langfristig sichern. Das Risikobewusstsein der Projektbeteiligten soll durch einen klar strukturierten und verständlichen Prozess deutlich verbessert werden. Eine erhöhte Sensibilisierung für mögliche Projektrisiken und eine adäquate Risikobewältigung führen insgesamt zu einem professionelleren Umgang mit Projektrisiken. Sobald die operativen Risiken eines Projekts erkannt sind, kann man bewusst auf sie reagieren und so die möglichen Risikofolgen vermeiden oder minimieren. In der Angebotsphase verfolgt das systematische, projektbezogene RM folgende Ziele: x Risikoorientierte Auswahl von Ausschreibungen, um den Quotienten aus der Anzahl abgegebener Angebote und der Anzahl erteilter Zuschläge zu erhöhen (aktive Selektion von Bauaufträgen)
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x Risikoorientierte Bearbeitung und Abgabe des Angebots, um den Projekterfolg zu erhöhen und die Ergebnisse zielorientierter sicherzustellen Dies erfordert eine monetäre Bewertung sämtlicher identifizierten Projektrisiken, um einen adäquaten Risikozuschlag ermitteln zu können. Es wird in diesem Fall kein prozentualer Risikozuschlag auf den Angebotspreis aufgeschlagen, sondern die expliziten Risikokosten, die sich über eine Kombination aus den Einzelrisiken ergeben, werden berücksichtigt. Nur über dieses Verfahren kann die Unternehmensleitung entscheiden, ob sie aufgrund der projektspezifischen Risikosituation ein Angebot mit adäquaten Risikokosten abgeben oder auf eine Angebotsabgabe verzichten will. In der Ausführungsphase soll das systematische, projektbezogene RM zu einer erfolgreicheren Projektabwicklung in Bezug auf Kosten, Termine, Qualität und Sicherheit führen. Dies beinhaltet z.B. die Vermeidung von Konventionalstrafen, Baufehlern und -schäden sowie Bauzeitverzögerungen und Arbeitsunfällen. Zwar können in der Praxis nie alle Risiken ausgeschlossen und im Normalfall noch nicht einmal wirklich alle entdeckt werden. Durch die Anwendung eines systematischen, methodengestützten RM kann aber die Gefahr, die von Risiken für ein Bauprojekt – und damit ggf. für ein ganzes Unternehmen – ausgeht, auf ein Minimum reduziert werden. Ausschlaggebend hierfür ist das früh- und damit rechtzeitige Erkennen möglichst vieler Risiken, die aufgrund einer genauen Einschätzung gezielt und „gefahrenabhängig“ behandelt werden können. Ein weiteres Ziel des systematischen RM-Prozesses ist die Aufbereitung von Risikoeintritten zur Erfahrungsakkumulation. Dazu muss der RMProzess von der Angebotsphase bis zum Ablauf der Gewährleistungsphase systematisch dokumentiert werden. Hier ergibt sich eine Schnittstelle zum Wissensmanagement, das im Wesentlichen die systematische Erfassung, Aufbereitung und Nutzung von Projekterfahrungen zum Ziel hat. 11.2.6 Anforderungen an das operative Risikomanagement Folgende Anforderungen stellen sich an das operative Risikomanagement: x Der für Bauunternehmen zu erarbeitende RM-Prozess soll als Führungsinstrument vor allem einfach in der Anwendung sein und nicht zu einer grossen zusätzlichen Belastung der Projektleitung bzw. Bauführung beitragen, wenngleich sich zusätzliche Arbeit nicht ganz vermeiden lässt. Der Durchlauf des RM-Prozesses muss für die Bearbeitenden zu einer selbstverständlichen Routine werden.
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
x Ein an die Projektkomplexität anpassbares Konzept wäre als gestaffelte Variante in Form eines einfach verwendbaren, EDV-basierten RisikoTools für die Anwendung in Standardprojekten und einer umfangreicheren und detaillierteren Anwendung in Grossprojekten denkbar. x Das zu erarbeitende RM-Konzept soll aufgrund seiner Systematik und Praxistauglichkeit von allen im Bauprozess involvierten Stellen (Bauherr / Architekten / Planer / Generalunternehmer / Nachunternehmer / Banken) anerkannt werden und signalisieren, dass die Baufirmen systematisch und bewusst mit Projektrisiken umgehen. x Das RM-Konzept sowie die darin enthaltenen Entscheidungshilfen, Handlungsempfehlungen und das EDV-basierte Risiko-Tool sollen phasenorientiert gestaltet sein. x Die Daten des operativen RM-Prozesses eines Projekts sollen gebündelt vorliegen, um eine einfache, schnelle und vollständige Weitergabe an Mitarbeiter zu ermöglichen. x Der RM-Prozess muss verständlich und für die Mitarbeiter leicht nachvollziehbar sein, um einen hohe Akzeptanz zu erreichen. Der RMProzess muss leicht an die betroffenen Mitarbeiter kommunizierbar sein und diesen über gezielte Ausbildungsmassnahmen, z.B. Schulungen, auch kommuniziert werden. x Die Ergebnisse der Risikoanalyse müssen von den Entscheidungsträgern verstanden und akzeptiert werden können, da sie ansonsten wertlos sind. Diesen Sachverhalt bezeichnet man auch mit „ownership of results“. Wenn Entscheidungsträger die Ergebnisse der Risikoanalyse aus mangelndem Verständnis für die eingesetzten Bewertungsmethoden ablehnen, dann besitzen diese Informationen für das RM auch keinen Wert mehr [11-26]. x Der RM-Prozess muss im QM-Handbuch verpflichtend in die entsprechenden Abläufe integriert werden, d.h. explizit als Prozessstufe in Form von Prozeduren / Flow-Charts. Ansonsten kann und wird keine externe Anerkennung erfolgen. 11.2.7 Teilprozesse des projektbezogenen Risikomanagements Die Aufgabe des Risikomanagements ist es, den Risiken eines Werkvertrags/Auftrags zu begegnen, Risiken zu begrenzen, Wagnisse zu übernehmen, zu teilen, zu verteilen oder zu kompensieren. In der Angebotsphase verfolgt der Risikomanagementprozess mehrere Ziele:
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x Risikoorientierte Auswahl von Ausschreibungen, um den Quotienten aus der Anzahl erteilter Zuschläge und der Anzahl abgegebener Angebote zu erhöhen (aktive Selektion). x Risikoorientierte Bearbeitung und Abgabe des Angebots (Berücksichtigung der adäquaten Risikokosten), um den Projekterfolg zu erhöhen und die Ergebnisse und den Gewinn zielorientierter sicherzustellen. Um diese Ziele zu erreichen, sind in der Angebotsphase verschiedene Arbeitsschritte des Risikomanagements auszuführen: x Festlegung der Kriterien für einen vorzeitigen Abbruch der Angebotsbearbeitung x Durchführung des Risikomanagementprozesses x Integration der Risikokosten in das Angebot Bevor mit der eigentlichen Angebotsbearbeitung begonnen wird, sind die Go-/No-Go-Kriterien für den vorzeitigen Abbruch der Angebotsbearbeitung bzw. den Verzicht auf die Angebotsabgabe festzulegen. Dies ist in der Regel die Aufgabe der Geschäftsleitung. Sie kann z.B. vorgeben, dass die Tragweite eines Einzelrisikos einen Höchstbetrag nicht überschreiten darf. Dieser kann projektunabhängig oder projektspezifisch als Bruchteil des Projektvolumens oder kalkulierten Projektgewinns angegeben sein. Auch ein genereller Abbruch der Angebotsbearbeitung bei Identifikation eines bestimmten Einzelrisikos ist denkbar, wie z.B. die Übernahme von Folgekosten bei Überschreitung des Fertigstellungstermins. Der Risikomanagementprozess unterteilt sich in sechs Teilprozesse (Bild 349) [11-4]: x x x x x x
Identifikation Bewertung Klassifizierung Bewältigung Berechnung der Restrisikokosten Controlling
Die Risikoidentifikation stellt die „Sammlung“ von Risiken dar. Unter dem Oberbegriff Risikoanalyse sind die Bewertung und die Klassifizierung von Einzelrisiken zusammengefasst. In der Bewältigung wird untersucht und entschieden, wie mit den Risiken umzugehen ist, d.h., welche aktiven und reaktiven Massnahmen zu planen und umzusetzen sind. Die im Unternehmen implementierte Risikostrategie und die Risikobereitschaft der Entscheidungsträger beeinflussen dieses Vorgehen erheblich. Sollen die Gesamtrisikokosten eines Projekts berechnet werden, so erfolgt dies nach der Risikobewältigung. Da sich durch die getroffenen Entscheidun-
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
gen und ergriffenen Massnahmen eine veränderte Risikosituation ergibt, muss das Unternehmen die Risiken, die es selbst übernimmt (Restrisiken), neu bewerten. Das Risikocontrolling umfasst die Überwachung und ggf. Anpassung der Bewältigungsmassnahmen sowie die strukturierte Dokumentation der Aussagen aus den vorangegangenen Phasen. Risikoidentifikation Risikoanalyse Bewertung der Einzelrisiken
Klassifizierung der Einzelrisiken
Risikostrategie
Risikobereitschaft
Risikobewältigung Eliminieren
Übertragen
Versichern
Vermindern
Akzeptieren
Berechnung der Risikokosten
Risikocontrolling
Bild 349: Projektbezogener Risikomanagementprozess [11-4]
Der RM-Prozess ist ein Regelkreis, bei dem die auf der Grundlage der Risikoidentifikation erfassten und in der Risikoanalyse bewerteten Risiken sowie die hierauf bezogenen Bewältigungsmassnahmen laufend überwacht werden und der bei auftretenden Abweichungen bzw. bei der Feststellung neuer Risiken immer wieder durchlaufen wird. Risikocontrolling ist in diesem Sinn keine einmalige Aktion, bei der man sich nach dem Erkennen von Risiken, dem Eingreifen und dem Durchführen steuernder Massnahmen beruhigt zurücklehnen kann. Vielmehr erfordern die sich ständig und schnell verändernden Risiken, dass der RM-Prozess kontinuierlich in allen Phasen der Leistungserstellung durchgeführt wird. Darüber hinaus ist es sinnvoll, den RM-Prozess so flexibel zu gestalten, dass man auch neue, veränderte Risikostrukturen erkennen und entsprechende Massnahmen einleiten kann.
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
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Die gängigste Variante, den RM-Prozess durchzuführen, besteht darin, Risiken mit Personen aus Schlüsselpositionen des Projekts in Gruppenarbeit zu identifizieren und zu analysieren. Gruppen sind dabei definiert als mindestens zwei Einzelpersonen, die derart miteinander umgehen, dass jede Person beeinflussend wirkt und von den anderen beeinflusst wird [11-26]. Hochqualifizierte Einzelpersonen geben häufig genaue Beurteilungen ab. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass Gruppen in der Regel eher als Einzelpersonen in der Lage sind, kritische Fragen realistisch und ausgewogen zu beantworten, und dadurch bessere Entscheidungen treffen und sich mit den Ergebnissen der Risikoanalyse stärker identifizieren können [11-26]. Zusätzlich verfügt die Gruppe über kumuliertes, sich ergänzendes Wissen und breitere Erfahrungen, die es ermöglichen, dass in einem Team falscher Optimismus oder unbegründeter Pessimismus rasch korrigiert wird. Die optimale Gruppe setzt sich nach SMITH [11-26] aus fünf Personen zusammen. Bei der Zusammenstellung der Gruppe ist es wichtig, die Risikofreudigkeit der einzelnen Mitglieder (z.B. Projektleiter, Projektmanager und Entscheidungsträger) einzuschätzen; es sollte eine gute Mischung risikofreudiger und risikoaverser Personen angestrebt werden. Risikoidentifikation
Der erste Teilschritt des RM-Prozesses, die Risikoidentifikation, ist die „Sammlung“ von Risiken. Sie beinhaltet die bewusste Suche nach Risiken und deren Ursachen und erfolgt ursachenbezogen. Die Besonderheit des Identifizierens von Risiken liegt darin, dass hierbei erst das Aufgabenobjekt geschaffen wird, auf das sich die weiteren operativen Tätigkeiten des RM-Prozesses beziehen. Dies bedeutet, dass sich eine mangelhafte Risikoidentifikation negativ auf den gesamten RM-Prozess und damit auf die Projektabwicklung auswirkt. Nur bei Risiken, die das Unternehmen und seine Entscheidungsträger erkannt haben, kann später durch Bewältigungsmassnahmen eine Risikobegrenzung erreicht werden. Die Risikoidentifikation sollte vollständig abgeschlossen sein, bevor mit der Risikoanalyse begonnen wird [11-5]. Bedingt durch die spezifischen Eigenschaften von Risiken ist es unmöglich, einen vollständigen Katalog möglicher Unsicherheiten in der Planung und Ausführung eines Projekts aufzustellen. Die Notwendigkeit, diesem Ziel sehr nahe zu kommen, ergibt sich allerdings aus der Erkenntnis, dass identifizierte Risiken nur noch einen Bruchteil der Verlustgefahren unerkannter Risiken bergen. Diese Erkenntnis liegt in der Tatsache begründet, dass sich allein durch den Prozess der Risikoidentifikation im Projektteam ein latentes Risikobewusstsein einstellt, das dazu beiträgt, dass erkannte Risiken nicht eintreten [11-1].
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Interne und externe Risikofaktoren: Bauprojekte sind mit unterschiedlichen Risiken behaftet. Der Begriff „Risiko“ umfasst alle aus Unsicherheit entstehenden Chancen und Gefahren. Interne und externe Risikofaktoren beeinflussen die Erfüllung der Projektziele. x Interne Risikofaktoren gehen vom gesamten Bauwerk, von Teilbauwerken bzw. dem Bauprozess und den Beteiligten selbst aus. Sie sind von den Projektbeteiligten entweder vollständig oder zumindest teilweise beeinflussbar (Technologie der Bauverfahren und Baumaterialien, Organisation des Projekts etc.). x Externe Risikofaktoren sind Faktoren, die von den Projektbeteiligten nicht oder nur sehr schwer beeinflusst werden können, da sie von aussen auf das Bauwerk bzw. den Bauprozess einwirken (Geologie, Bewilligungs- und Genehmigungsverfahren, politische Akzeptanz etc.). Zwischen den Projektzielen einerseits und den internen bzw. externen Risikofaktoren andererseits besteht ein enges Netzwerk von Wirkungsbeziehungen. So bestehen unter den Zielgrössen Abhängigkeiten im Sinn von Zielharmonie und Zielkonkurrenz. Aber auch die externen und internen Risikofaktoren beeinflussen die Zielgrössen oder können sich gegenseitig beeinflussen. Dieser Sachverhalt ist in Bild 350 in einem systemorientierten Ansatz dargestellt.
Umsystem System
Projektanforderungen (Zielgrössen) Interne Risikofaktoren (Handlungsfaktoren) Externe Risikofaktoren (Einflussfaktoren)
Bild 350: Systemorientierter Ansatz zur Erläuterung der Risikoentstehung
Die internen beeinflussbaren Risikofaktoren werden auch Handlungsfaktoren genannt. Zum Umsystem gehören die externen, nicht beeinflussbaren
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
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Risikofaktoren als externe Einflussfaktoren. Eine Projektgefährdung liegt dann vor, wenn zwischen einem internen oder externen Risikofaktor und einem Projektziel ein direkter, intensiver Zusammenhang im Sinn eines Negativereignisses besteht. Risikosequenz – Zusammenhang zwischen Ursache/Ereignis/Auswirkung: Im Rahmen der Risikoidentifikation müssen möglichst sämtliche Risikofaktoren, d.h. Risikoursachen, identifiziert werden. Dabei ist ein konsequentes Vorausdenken möglicher Störfaktoren der operationellen Prozesse Voraussetzung. Häufig sind Risiken jedoch kaum erkennbar und treten in Bereichen auf, in denen man sie nicht vermutet. Um dennoch eine möglichst vollständige Risikoidentifikation zu erreichen, ist eine eindeutige Unterscheidung zwischen Ursache, Ereignis und Auswirkung eines Risikos notwendig. Die Risikosequenz, also der Ablauf eines Risikos, ist in Bild 351 dargestellt. Die Ursache eines Risikos (Risikofaktor) führt zu einem Ereignis, das wiederum Auswirkungen auf die definierten Projektanforderungen hat.
Ursache = Risikofaktor
Ereignis
Auswirkung auf die Projektanforderungen
Bild 351: Risikosequenz
Es ist nicht immer nahe liegend, die Begriffe Ursache, Ereignis und Auswirkung klar zu unterscheiden. Dies sei an einem Beispiel veranschaulicht: Das Ereignis, dass z.B. ein Heizkessel explodiert, könnte durch die Fehlplanung des technischen Ingenieurs oder durch einen Montagefehler (Ursache) entstanden sein, mit der möglichen Folge, dass die Projektfertigstellung Verzögerungen und / oder eine Kostensteigerung erfährt. Im Fall einer verspäteten Fertigstellung kann der Bauherr den Unternehmer über eine Konventionalstrafe zur Rechenschaft ziehen (Auswirkung). Ein systematischer, strukturierter Ansatz, Ursache, Ereignis und Wirkung von Risiken logisch darzustellen, kann für das Risiko „Einsturz von Halbfertigteilen beim Betonieren einer Decke“ wie in Bild 352 aussehen.
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Ereignis
Mögliche Ursachen Ungenügende Sicherheitsvorkehrungen Ungenügende Sicherheitsüberprüfungen auf der Baustelle
Mögliche Auswirkung
Tod der Arbeitskraft
Einsturz der Halbfertigteile beim Betonieren der Decke
Schwere Verletzung der Arbeitskraft
Subunternehmer ist mit dem Arbeitsablauf nicht vertraut
Baustopp durch Behörde
Schadhafte Maschinen, Geräte, Ausrüstung
Verzögerung der Bauausführung
Unerfahrene Arbeitskräfte
Verlust an Arbeitsmoral und Motivation bei den Arbeitskräften
Nicht vorhergesehene Witterungsbedingungen
Strafrechtliche Verfolgung und Bestrafung durch Behörden
Mangelhafte Sorgfalt bei den Arbeitskräften
Ausfall der Arbeitskraft
Herstellungs- bzw. Materialfehler bei Halbfertigteilen
Anstieg bei den Prämien für die Unfallversicherung
Bild 352: Beispiel einer Risikosequenz
Notwendige Daten und Informationen: Für die Durchführung der Risikoidentifikation sind sowohl projektspezifische als auch unternehmensspezifische Daten und Informationen erforderlich. Je detaillierter sie sind, desto wahrscheinlicher ist eine umfassende Identifikation der relevanten Projektrisiken. Während die notwendigen unternehmensspezifischen Informationen während des ganzen Projekts in etwa gleich bleiben, hängen die projektspezifischen Informationen stark von der jeweiligen Projektphase ab. In der Akquisitionsphase sind es z.B. vor allem die Submissionsunterlagen (Werkvertrag, Pflichtenheft, Leistungsverzeichnisse, Pläne, besondere Bestimmungen, Gutachten und die Qualitätsanforderungen des Bauherrn), in der Ausführungsphase die Istwerte der Projektdurchführung und die Projektänderungen. Projektspezifische Informationen: x Submissionsunterlagen x Vertragsverhandlungen
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
755
x Vergabedaten an Subunternehmer und Lieferanten x Informationen über Projektänderungen x Daten aus der Projektplanung (Kosten, Termine, Leistung, Qualitätssicherung) x Daten aus der Projektüberwachung (Soll-Ist-Vergleiche, Abweichungsanalysen, Massnahmenempfehlungen) Unternehmensspezifische Informationen: x Firmeneigenes Know-how x Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten x Zur Verfügung stehende Ressourcen (personell und maschinell) x Finanzielle Daten des Unternehmens x Unternehmensspezifisches Qualitätsmanagementsystem. Für die Risikoidentifikation kommen mehrere verschiedene Möglichkeiten kombiniert zum Einsatz. Es handelt sich dabei um x die intuitive, unstrukturierte Identifikation durch Pondering, Studium von Ausschreibungsunterlagen und Vertrag, durch Literaturanalysen sowie durch Befragung, x die intuitive, strukturierte Identifikation durch Brainstorming, Brainwriting oder andere Befragungstechniken und um x die systematische Identifikation durch Anwendung von Checklisten. Ziel der Risikoidentifikation ist die umfassende und systematische Erfassung aller für die Abwicklung eines Bauprojekts relevanten Risiken. Zu diesen Risiken zählen einerseits externe Risiken, die sich beispielsweise aus einer Veränderung des Markt- und Branchenumfelds (z.B. Risiken bei der Beschaffung von Nachunternehmerleistungen) wie auch aus projektspezifischen Randbedingungen (z.B. besondere Baugrundbeschaffenheit) ergeben, sowie andererseits interne Risiken des Unternehmens (z.B. ungenügende Qualitätssicherung, nicht ausreichend qualifiziertes Fachpersonal). Durch die Risikoidentifikation sollen alle Risiken, die gegenüber der Projektabwicklung ein Bedrohungspotenzial besitzen, erkannt werden. Meist ist das Wissen um die Existenz eines Risikos auf Erfahrungen und Know-how begründet. Sollte ausreichende Erfahrung bei der mit der Durchführung beauftragten Person fehlen, so können Fachleute oder Spezialisten hinzugezogen werden. Die intuitive Risikoidentifikation erfolgt vor der systematischen Risikoidentifikation, um die Personen, die mit der Projektbearbeitung betraut sind, nicht durch eine vorgegebene Risikosystematik in ihrer Kreativität bei der Identifizierung einzuschränken. Sie erfordert die Fähigkeit, Diskrepanzen zu erkennen, Phantasie sowie Kombinationsfähigkeit.
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11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Intuitive, unstrukturierte Risikoidentifikation – „Pondering“ Die einfachste intuitive, unstrukturierte Methode ist das „Pondering“ (engl. „Grübelei“). Pondering ist ein Standardansatz zur Risikoidentifikation, für den lediglich eine Person, Papier, ein Stift und die Projektunterlagen benötigt werden [11-9]. Es werden ausschliesslich die Chancen und Gefahren sowie deren Ursachen in einem Projekt identifiziert, und zwar ohne Leitfaden, Checklisten oder andere Hilfsmittel. Die Gedanken bringt der Durchführende sofort zu Papier. Dieses einfache Verfahren sollte in jedem Fall durchgeführt werden, und zwar bevor andere Personen zur Risikoidentifikation hinzugezogen und die Projektunterlagen detailliert studiert werden. Mithilfe dieser Methode können sich die für die Risikoidentifikation verantwortlichen Personen einen ersten Überblick über die möglichen Projektrisiken verschaffen. Intuitive, strukturierte Risikoidentifikation – Brainstorming Die Methoden des Brainstormings zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass eine bestimmte Anzahl von Personen (die optimale Teilnehmerzahl liegt bei fünf Personen [11-26]) in einer gemeinsamen Sitzung Risiken eines bestimmten Projektes suchen. Unter Ausnutzung gruppendynamischer Aspekte greifen die Teilnehmer alle Ideen auf und entwickeln sie weiter. Um das Brainstorming erfolgreich zu gestalten, sind in der Sitzung vier Regeln zu beachten [11-21]: x x x x
Quantität vor Qualität Aufgreifen bereits vorgebrachter Ideen Keine Kritik an vorgebrachten Ideen „Impulsive“ Nennung der Ideen
Der Moderator schreibt die genannten Ideen für alle sichtbar auf ein Flipchart oder eine Tageslichtprojektorfolie. Bewährt hat sich auch die Kartentechnik (Metaplantechnik), bei der der Teilnehmer seine Ideenkarten an eine Wandtafel heftet. Nach einer vorgegebenen Dauer (maximal eine halbe Stunde, ansonsten wird die Veranstaltung ineffizient) bricht der Moderator die Sitzung ab. Im Anschluss an die Sitzung prüft der Protokollführer die notierten Risiken auf identische Nennung und fasst sie zusammen. Danach betrachtet man sie im Hinblick auf ihre Bedeutung für das Projekt und ordnet sie entsprechend ein. Systematische, strukturierte Risikoidentifikation – Checklisten Checklisten sind keine spezielle Erfindung zur Risikoidentifikation, können dort jedoch als Risikochecklisten sinnvoll eingesetzt werden. Sie enthalten eine Zusammenstellung von Einzelrisiken unterschiedlicher Risikoarten. Optimal sind eine Gliederung nach Risikoarten sowie eine weitere
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
757
Gruppierung/Zusammenfassung von Einzelrisiken zu bestimmten Bereichen. Für die technischen Risiken können diese Gruppierungen z.B. für die Bereiche Baugrund/Baugrube/Gründung etc. vorgenommen werden. Im Projektverlauf kann die mit der Durchführung betraute Stelle diese Checklisten aufgrund weiterer Erkenntnisse laufend ergänzen. Sämtliche nach Durchlauf der drei Verfahren identifizierten Risiken werden auf einer projektspezifischen Risikosammelliste zusammengefasst und anschliessend gebündelt den weiteren Teilprozessen des RM zugeführt. Eine Anwendung projektspezifischer Risikosammellisten ist sinnvoll, um die Ergebnisse der Risikoidentifikation anderen Projektmitgliedern für den projektbegleitenden Gebrauch zur Verfügung zu stellen. Auszug Checkliste - Vertragliche Risiken Niederlassung:
Auszug AuszugCheckliste Checkliste--Angebotsbedingungen Angebotsbedingungen
Projekt:
Niederlassung:
Projekt:
Projektnummer:
Bearbeitungstermin:
Projektnummer:
Bearbeiter:
Bearbeitungstermin:
Bearbeiter:
1.
Spezielle Risiken
Wichtige Hinweise auf besondere, noch nicht genannte Risiken aufgrund der Ausschreibung oder des Vertrags
1.1
Vertragsart? (Einheitspreis-, Global- oder Pauschalpreisvertrag)
1.1
+
_
Bemerkungen
1.
1.1.1 Mengenabweichungen? (SIA 118, 39/86) 1.1.2 Teuerung? (SIA 118, 64) 1.2
Baugrund, Umwelt
1.2.1 Klausel zu unvorhergesehenen Bodenverhältnissen? Regelungen bezüglich ungünstiger 1.2.2 Witterungsverhältnisse oder ausserordentlichen Umständen? (SIA 188, 59-60) Sind gewisse Nachunternehmer oder Lieferanten 1.3 vorgeschrieben?
Private Auftraggeber
1.2 1.3 1.4
finanziell hochbelastetes Grundstück keine unwiderrufliche Finanzierungszusage der Bank keine Direktzahlungszusage der Bank an den Anbieter ungenügende Sicherung der Vorleistung des Anbieters
Allgemein 1.5
Festpreis ohne Nachbesserung
1.6
Bauzeit - Zwischentermine gefährlich?
1.7
Beweissicherung erforderlich
1.4
Wurden Bestimmungen der SIA 118 ergänzt oder geändert?
1.8
1.5
Entsprechen die Pläne den gewünschten Spezifikationen?
1.9
1.6
Sind die Zufahrten, Installations- und Deponieplätze usw. klar umschrieben?
1.10
1.7
Entspricht der Zahlungsplan den tatsächlichen Leistungen?
1.8
Können die Zahlungsfristen (30 oder 60 Tage) eingehalten werden?
2.
Kalkulationsbedingte Risiken
1.14
2.1
Kostenbeteiligungen bei Überschreitung von Toleranzgrenzen zu erwarten?
1.15
2.2
Preisnachlass oder Rabatt gewährt?
1.16
2.3
Preisbildung, Preispolitik bei Akquisition?
1.17
Bedenken gegen geforderte Ausführung
2.4
Umlagebeträge auf Positionen mit zu erwartenden Mehrmengen verlagert?
1.18
Baugrund riskant (Felsrisiko, Hindernisse, Bodenaustausch etc.)
3.
Garantien
1.19
Wasserstand und Hochwasserrisiko
3.1
Terminliche Zusagen
1.20
Vorflut-, Kanaleinleitungsrisiko
1.21
Setzungen bei Grundwasserabsenkungen
1.22
Planungsrisiko = Risiko des AN
1.23
Baugrubenverbau = Risiko des AN (Anker, Abrechnungsmodus etc.)
1.24
Baugrundrisiko beim Anbieter
1.25
Unterfangung = Risiko des AN
3.1.1 Wurden verbindliche terminliche Zusagen gemacht? 3.1.2 Sind Einschränkungen der Arbeitszeit festgelegt? 3.1.3 3.1.4
Bestehen terminliche Abhängigkeiten zu Nachbarprojekten? Konventionalstrafen oder Bonus/Malus auf Zwischenoder Endtermine?
Bild 353: Beispiel für eine Checkliste [11-4]
Behördenauflagen (sind in den Preis einzurechnen) verantwortliche Prüfung von Ausführungsunterlagen durch AN Für Fehler und Masstoleranzen in Plänen haftet der AN
1.11
Massenrisiko liegt beim AN
1.12
Preisrisiko liegt beim AN (Stahl, Zement, Bitumen)
1.13
Stahlermittlung erfolgt durch Dritte Anbieter trägt Risiko für Vorleistungen anderer Unternehmer Bedenken gegen Vorleistungen anderer Unternehmer zweifelhafte Bonität zwischengeschalteter Unternehmen
+
_ Bemerkungen
758
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Risikobewertung
Ziel der Risikobewertung ist die Prognose von Eintretenswahrscheinlichkeiten (W) und Tragweiten (T) der identifizierten Risiken, d.h. in welchem Grad die identifizierten Risiken die Erreichung der Projektziele gefährden können. Die Bewertung der Eintretenswahrscheinlichkeit erfolgt in der Regel ursachenbezogen in Prozent. Die Art der Quantifizierung der Tragweite richtet sich nach dem Zweck der Durchführung des RM-Prozesses. Sie erfolgt generell wirkungsbezogen und ergibt sich aus den möglichen Auswirkungen im Fall des Risikoeintritts (W = 1). In der Angebotsphase geht es z.B. darum, einen adäquaten Risikozuschlag auf das Angebot zu ermitteln; deshalb ist eine Bewertung in Geldeinheiten sinnvoll. Soll der Fertigstellungstermin prognostiziert werden, muss man eine Bewertung in Verzugstagen anstreben. Das Produkt aus W und T ergibt den Erwartungswert der Risikokosten. Er setzt sich somit aus einer ursachen- und einer wirkungsbezogenen Grösse zusammen. Das Produkt aus beiden Grössen ergibt die Erwartungshaltung für die Risikohöhe und damit den Grad der Bedrohung, die von dem jeweiligen Risiko ausgeht. Je grösser das Produkt dieser Grössen z.B. in Bezug auf den kalkulierten Projektgewinn ausfällt, desto stärker sind die Projektziele vom jeweiligen Risiko bedroht, desto dringender bedarf es einer Risikobewältigung. Generell zeigt sich eine Tendenz, die Tragweite über- und die Eintretenswahrscheinlichkeit unterzubewerten [11-14]. Ein charakteristisches Merkmal von Risiken ist ihr Zukunftsbezug, der sich in unvollkommenen Informationen über die Ausprägung der Risikodeterminanten äussert. Diese Eigenschaft der Risiken tritt bei der Ermittlung sowohl der Eintretenswahrscheinlichkeit als auch der Tragweite zutage, da meist nur Vergangenheitswerte in die Zukunft extrapoliert werden können. Die Bestimmung der Eintretenswahrscheinlichkeit kann über x die statistische Auswertung empirischer Datensätze und x Expertenschätzungen. erfolgen. Die Tragweite eines Einzelrisikos lässt sich generell über drei verschiedene Methoden bestimmen: x statistische Auswertung empirischer Datensätze x überschlägige Berechnung der Kosten- bzw. Terminabweichungen (Kalkulation) x Schätzung entstehender Kosten- bzw. Terminabweichungen durch erfahrene Personen / Experten
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
759
Damit eine statistische Auswertung vorhandener Daten möglich ist, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: x Die zur Verfügung stehende Datenmenge muss einen hinreichenden Umfang aufweisen. x Den zur Verfügung stehenden Daten müssen gleiche bzw. der einzuschätzenden Situation sehr ähnliche Rahmenbedingungen zugrunde liegen. Vor diesem Hintergrund ist die statistische Auswertung empirischer Daten vor allem für technische Risiken im produzierenden Gewerbe (im Bauwesen z.B. bei der Produktion von Fertigteilen) möglich, da hier oft entsprechendes Datenmaterial zur Verfügung steht. Ferner sind in diesem Bereich häufig auch betriebsexterne Schadensstatistiken verfügbar, die z.B. von Versicherern geführt werden. Dabei ist aber zu beachten, dass externe Daten unter Umständen den Grundsatz der Situationsgleichheit verletzen. Dies muss im Einzelfall überprüft werden. Für wirtschaftliche Risiken sind empirische Datensätze in den meisten Fällen nicht anwendbar, da das ökonomische Umfeld eines Unternehmens eine so grosse Dynamik aufweist, dass kaum empirische Daten in hinreichendem Umfang gesammelt werden können, ohne die Forderung nach ähnlichen Rahmenbedingungen zu verletzen [11-16]. Da in Bauunternehmen bisher kaum empirische Daten vorliegen und damit nur selten eine passende Datenbasis zur Verfügung steht, werden überschlägige Berechnungen bzw. Kalkulationen oder Expertenschätzungen erforderlich. Zur Bewertung von Risiken über Expertenschätzungen existieren verschiedene Methoden (so z.B. die Delphi-Methode nach [11-21] oder [11-8]). Bei den meisten Verfahren werden immer mehrere Personen befragt, um gravierende Fehleinschätzungen zu vermeiden. Alle Bewertungsmethoden haben die Gemeinsamkeit, dass die Qualität des Ergebnisses nur so gut ist wie die Qualität der Expertenschätzungen. Mit unpräzisen, oberflächlichen Risikoschätzungen ergeben sich nur wenig aussagekräftige Ergebnisse. Die zuvor beschriebenen allgemeinen Probleme der Quantifizierung von Risiken bezogen sich sowohl auf die Eintretenswahrscheinlichkeit als auch auf die Tragweite. Ein zusätzliches Problem bei der Einschätzung der Tragweite von Risiken ergibt sich daraus, dass es „den“ Risikoeintritt in einem Unternehmen nicht gibt. Der Schadenverlauf wird praktisch bei jedem Risiko anders sein, was dazu führt, dass die Tragweite schwankt. Um die Folgen eines Risikos leichter quantifizieren zu können, muss genau bekannt sein, in welcher Weise ein Risiko die Projektziele beeinflussen kann. Hierbei sind auch mögliche Abhängigkeiten zwischen einzelnen Risiken zu berücksichtigen.
760
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Alle Verfahren erfordern zuerst die Aufstellung eines Szenarios für den Risikoeintritt. Dieses Szenario beinhaltet eine genaue Analyse der möglichen Ursachen, des Risikoereignisses an sich sowie der sich daraus ergebenden Auswirkungen. Ist z.B. bei einer Flussbaustelle die Berechnung der Risikokosten eines möglichen Hochwasserschadens der Baugrube das Ziel, so muss, basierend auf der vorgesehenen Spundwandhöhe, die z.B. auf ein 50-jähriges Hochwasser ausgelegt ist, abgeschätzt werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein höheres 100-jähriges Hochwasser eintreten kann, z.B. W = 5 %. Zur Bewertung der Tragweite von Risiken durch eine kalkulatorische Berechnung wird dann die Auswirkung des Risikos beim Eintreten simuliert. Dazu „spielt“ man das wirkungsbezogene Szenario der Tragweite (Schaden) durch. Im Fall des Hochwassereintritts sind folgende zusätzlichen Arbeiten und Aufwendungen gegenüber dem ausgeschriebenen Projekt „Baugrube als Pauschalpreisleistung“ als Tragweitenerwartungswert TE zu berücksichtigen (Störfall): x Bei Erkennen des Hochwassers (Hochwasserwarnung): Räumung der Baugrube von allen Maschinen und Geräten x Zusätzliche Sicherungsmassnahmen am Bauwerk (falls notwendig) x Kontrolliertes Fluten der Baugrube x Stillstandszeit der Baustelle mit - Ausfallzeit für Geräte und Arbeitsgruppen und - allgemeinen Geschäftskosten der Baustelle von Beginn der Massnahmen bis zur Wiederaufnahme der Arbeit x Nach Abklingen der Flut: Auspumpen der Baugrube, Säubern und Reinstallieren der Geräte, Gerüste etc. Im Fall des Szenarios „Nichteintreten des Ereignisses Hochwasser“ ist die Tragweite Tmin = 0 als untere Grenze zu betrachten. Als obere Grenze der Tragweite Tmax kann das Szenario gelten, dass das Hochwasser plötzlich auftritt und die Baugrube einschliesslich Baugeräten und Bauhilfseinrichtungen überschwemmt und verschlammt werden. Damit erkennt man, dass die Tragweite innerhalb der Grenzen (Tmin; Tmax) liegt. Aus diesen Szenarien ermittelt man kalkulatorisch die Tragweiten bzw. den Schaden. Das Produkt des so ermittelten Erwartungswerts der Tragweite mit der zuvor geschätzten Eintretenswahrscheinlichkeit ergibt den Erwartungswert der Risikokosten dieses „Störfalls“. Die auf der Sammelliste enthaltenen Risiken müssen meist getrennt nach Risikogruppierungen durch die jeweiligen Spezialisten bewertet werden, wenn dies nicht – wie bei kleinen Projekten – durch den Projektleiter in Personalunion erfolgen kann. Anzugeben sind Werte für die Eintretens-
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
761
wahrscheinlichkeit W und den Erwartungswert für die Tragweite T der Einzelrisiken. Die quantitative Bewertung von W und T über deren absolute Grösse besteht darin, den Risikodeterminanten „absolute“ Werte für W [%] und T [€] anzugeben. Können verschiedene Szenarien auftreten, so sollte das wahrscheinlichste Szenario bewertet werden. In Bild 354 ist die quantitative Bewertung mithilfe einer Risikosammelliste dargestellt. Bewertungsfelder
Risikoart Rechtliche Risiken R1
R2
Risikogruppe
Einzelrisiko
Beschreibung des Einzelrisikos
Vertragsbedingungen
Komplettheitsklausel
Die Komplettheitsklausel ist in Offertartikel 15.3 enthalten.
Leistungsbeschreibung / Leistungsabgrenzung
Der Bauherrn hat Teile der von ihm gewünschten Leistung nicht explizit ausgeschrieben. Es besteht Unklarheit hinsichtlich Leistungsumfang, Leistungsstand, Leistungsabgrenzung. (LV, Baubeschrieb nicht vollständig bzw. eindeutig, Qualität der Pläne (Spezifikationen))
Die Planung für das 4. und 5. Geschoss sowie für die Gestaltung von Cafeteria und Restaurant ist noch nicht abgeschlossen und in der Leistungsbeschreibung noch nicht vollständig enthalten.
OffertArtikel Nr.
Quantitative Bewertung W [%]
T [€]
15.3
60 %
240'000
36.1-3 37.1-5 38.2-4
40 %
320'000
Finanzielle Risiken F1
Bonität / Zahlungsmoral
Bonität / Zahlungsmoral des Bauherrn
Die Bonität des Bauherrn wird momentan nicht als optimal eingestuft. Es werden Zahlungsverzögerungen von durchschnittlich 2 Monaten erwartet
---
70 %
300'000
F2
Fremdleistungskalkulation
Kalkulation Haustechnik
Haustechnik: Die Angebotsfrist ist zu kurz. Kosten müssen ohne genauen NU-Preis über Gewerkekenngrössen geschätzt werden
II-2.3
55 %
350'000
III-4.2
35 %
30'000
IIII-4.4
15 %
150'000
IIII-5.1
15 %
65'000
III-5.3
55 %
500'000
IV-16.0
50 %
65'000
IV-16.0
80 %
120'000
10.1
90 %
200'000
Technische Risiken T1 Aushubarbeiten
Meisselarbeiten
Es kann sein, dass beim Aushub eine Felsschicht auftritt, die durch Meisseln zerkleinert werden muss.
T2
Aushubarbeiten
Altlasten
T3
Baugrube
Spundwandrammen - Findlinge
Eventuell befindet sich ein ausgelaufener Öltank im Boden. Dies führt zu langsamerem Aushub und Deponiekosten. Im Boden werden vereinzelt Findlinge vermutet. Dies kann beim Rammen der Spundwand zu starken Verzögerungen führen. Die Nachbarbebauung grenzt direkt an die Baugrube. Bei einer zu weichen Ausführung der Spundwand kann es zu Setzungen über der Toleranzgrenze kommen. Die vom Bauherrn geforderte Raumakustik in den drei Vortragsräumen erfordert den Einsatz neuer Materialien.
T3
Baugrube
Setzungen
T3
Bauphysik
Raumakustik
T3
Architektur
Qualität / Toleranzen
Terminliche Risiken D1 Ausführungsfrist
Konventionalstrafe
Der Entwurf des Gebäudes sieht Ortbetonwände mit sehr engen Radien vor. Die Toleranzen für vorgefertigte Einbauteile sind sehr niedrig.
Der vom Bauherrn vorgegebene Termin kann mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht eingehalten werden.
Bild 354: Risikosammelliste [11-12]
Durch eine Multiplikation von W und T berechnet sich der Erwartungswert der Risikokosten des jeweiligen Einzelrisikos, der Grundlage der Risikoklassifizierung über die ABC-Methode ist. Die Bewertung der Risiken muss ohne die Berücksichtigung eventueller Bewältigungsmassnahmen erfolgen. Ohne klare Trennung ist keine abgegrenzte Ermittlung der Risikokosten für das Angebot möglich, da ein Teil der tatsächlichen Kosten ansonsten bereits „versteckt“ in den einzelnen Leistungspositionen enthalten ist.
762
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Bei der Multiplikation von W und T entsteht aus zwei Werten ein Erwartungswert. Er differenziert nicht zwischen Risiken mit kleinem W und grossem T und solchen mit hohem W und geringem T. Für die spätere Risikobewältigung ist dieser Unterschied allerdings sehr wichtig, da grundlegend verschiedene Massnahmen ergriffen werden müssen. Abhilfe schafft z.B. die Portfolio-Darstellung als Methode der Risikoklassifizierung, die eine Differenzierung von W und T beibehält. Risikoklassifizierung
Die Risikoklassifizierung stellt die Schnittstelle zwischen der Risikobewertung und der Risikobewältigung dar. Die identifizierten Risiken besitzen aufgrund der Bewertung unterschiedliche Bedeutungen für das Projekt. Risiken mit grosser Tragweite und hoher Eintretenswahrscheinlichkeit werden als bedrohlicher eingestuft als Risiken mit kleiner Tragweite und niedriger Eintretenswahrscheinlichkeit. Diese Phase verdeutlicht quasi die Wichtigkeit bestimmter Risiken und lässt damit Schlüsse zu, welche Risiken mit oberster Priorität zu behandeln sind. Aufgabe der Klassifizierung ist es nun, die Risiken nach der Behandlungsbedürftigkeit zu sortieren, so dass man sich in den anschliessenden Teilprozessen auf die wichtigsten Risiken beschränken kann. Die Grundlage hierfür bildet die geeignete Kombination von Tragweite T und Eintretenswahrscheinlichkeit W der Risiken. Für dieses Vorgehen sprechen zwei Gründe: x Für die Projektbearbeitung stehen nur begrenzte Ressourcen (Zeit, Personal und Geld) zur Verfügung. x Die Verhältnismässigkeit zwischen Tragweite und Bewältigungsaufwand muss gewährleistet sein. Alle Methoden der Risikoklassifizierung setzen eine Risikobewertung hinsichtlich Erwartungswert der Tragweite und Eintretenswahrscheinlichkeit voraus. Zur Klassifizierung von Risiken eignen sich beispielsweise folgende Verfahren: x Portfolio-Methode (Risk Map) x ABC-Analyse Portfolio-Methode (Risk Map) Die Portfolio-Methode benötigt ein Koordinatensystem mit der Abszisse für die Erwartungswerte der „Tragweite“ und der Ordinate „Eintretenswahrscheinlichkeit“. In dieses Diagramm werden nun sämtliche Risiken aufgrund der quantitativen Bewertung unter Berücksichtigung absoluter Zahlenwerte für W [%] und T [€] eingezeichnet. Je nach Lage der Einzelrisiken im Portfolio müssen unterschiedliche Bewältigungsmass-
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
763
nahmen ergriffen werden. Generell gilt: Je weiter rechts oben ein Risiko liegt, desto grösser ist seine Gefahr für das Projekt und damit die Behandlungsbedürftigkeit. Eintretenswahrscheinlichkeit %
Eintretenswahrscheinlichkeit %
100
100
Bereich 7
Bereich 8
Bereich 9
D1
90 T6
80
80 F1
60
T4
R1 T4
Akzeptanzbereich eines risikofreudigen Unternehmens Rmax = 50'000 € Tmax = 450'000 €
T5
40 Bereich 6
T1
R2 T1
30
T3
20
T2
T3
10
T2
10 Bereich 1
0
60
F2
R2 Bereich 5
Bereich 4
30
F1
50
40
20
F2
R1
T5
T6
70
70
50
Akzeptanzbereich eines risikoaversen Unternehmens Rmax = 30'000 € D1 Tmax = 250'000 €
90
50
Bereich 2
100
150
200
Bereich 3
250
300
350
400
450 500 Tragweite T€
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450 500 Tragweite T€
Bild 355: Portfolioauswertung der Risikosammelliste und Risikoakzeptanzbereich [11-12]
Um die Bereiche hoher bzw. niedriger Tragweitenerwartung und Eintretenswahrscheinlichkeiten voneinander zu trennen, wurde das Diagramm in Bild 355 zusätzlich in neun Felder unterteilt. In diesem Beispiel sind die Felder alle gleich gross. Oberste Priorität besitzen die Risiken in den Bereichen 5, 6, 8 und 9, da von ihnen die grösste Gefahr für das Projekt ausgeht. Bei diesen Risiken ist es erforderlich, durch geeignete Massnahmen eine Verminderung von Eintretenswahrscheinlichkeit und/oder Tragweite anzustreben. Da die Risiken in Bereich 3 lediglich über eine grosse Tragweite verfügen, aber nur selten auftreten, ist eine Absicherung über eine Versicherung denkbar. Die Risiken aus den Bereichen 1, 2, 4, 7 können vom Unternehmen übernommen und durch die Bildung von Rücklagen abgedeckt werden. Zusätzlich zur Unterteilung des Portfolios in die neun erwähnten Bereiche kann auch ein Grenzbereich festgelegt werden, ab dem es nicht mehr akzeptabel ist, ein Risiko selbst zu übernehmen. Zur Ermittlung dieses Grenzbereichs sind folgende Arbeitsschritte erforderlich: x Die Geschäftsleitung definiert einen Wert für den maximal akzeptablen Erwartungswert der Risikokosten eines Einzelrisikos Rmax. Er ergibt sich aus dem Produkt von W und T des betreffenden Risikos. Der Wert für
764
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Rmax kann z.B. in Relation zum Projektvolumen oder zum geplanten Projektgewinn gewählt werden. x Löst man die Funktion Rmax = W u T = const. nach W auf, so ergibt sich die Funktion einer Hyperbel: W = Rmax/T x Da es Risiken gibt, die selbst bei geringster Eintretenswahrscheinlichkeit nicht mehr akzeptabel sind, muss die Geschäftsleitung zusätzlich einen Wert für die maximal akzeptable Tragweite Tmax eines Einzelrisikos vorgeben; diese Vorgabe ergibt im Diagramm eine senkrechte Linie. Der sich daraus ergebende Risikoakzeptanzbereich ist in Bild 355 dargestellt. Die Form und die Grösse hängen massgeblich von der individuellen Risikoeinstellung des Unternehmens ab. Je risikofreudiger ein Unternehmen ist, desto kleiner wird der Bereich ausfallen, in dem es Risiken nicht akzeptiert. ABC-Analyse Mithilfe der ABC-Analyse werden Risiken in drei unterschiedliche Klassen aufgeteilt. Für ihren Einsatz als Klassifizierungsmethode bedeutet dies, dass eine Gruppierung der Risiken nach ihrer Behandlungsbedürftigkeit erfolgt. Durch eine „Grenzziehung“ wird die Teilung in die drei Gruppen (A-, B- und C-Risiken) vorgenommen. Dies sind: x A-Risiken: sehr behandlungsbedürftig x B-Risiken: behandlungsbedürftig x C-Risiken: weniger behandlungsbedürftig Die gängigste Variante ist die Sortierung der Risiken nach der Grösse ihrer Erwartungswerte. Die Sortierung in A-, B- und C-Risiken ist Bild 356 zu entnehmen. Kumulierte %-Anteile des Risikoerwartungswerts R = W x T 100 90
94.2 %
60
100 %
52.1 %
40
37.3 %
30
0
99.3 %
65.9 %
50
10
98.4 %
77.0 %
70
20
96.7 %
86.8 %
80
21.1 %
A-Risiken
B-Risiken
Risiko F1 Risiko F2 Risiko D1 Risiko R1 Risiko R2 Risiko T4 rT4 = 21.1 % rF1 = 16.2 % rF2 = 14.8 % rD1 = 13.8 % r R1 = 11.1 % rR2 = 9.8 %
C-Risiken Risiko T6 rT6 = 7.4 %
Risiko T5 Risiko T2 rT5 = 2.5 % rT2 = 1.7 %
Risiko T1 rT1 = 0.9 %
Risiken Risiko T3 rT3 = 0.7 %
Bild 356: Sortierung der Risiken nach der Grösse des Risikoerwartungswerts [11-12]
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
765
Bei der Grenzziehung haben sich für die kumulierten Risikoerwartungswerte folgende Prozentzahlen durchgesetzt: Die A-Risiken machen ca. 70 % der Summe der Risikoerwartungswerte aus. Die B-Risiken vereinen 20 % auf sich, die restlichen 10 % verbleiben für die C-Risiken. Risikobewältigung
Die Risikobewältigung als dritte Phase des RM-Prozesses umfasst folgende Schritte: x Prüfen der Risiken auf Behandlungsalternativen x Entscheidung für eine Behandlungsalternative x Umgang mit der Behandlungsalternative, d.h. Ergreifen der erforderlichen Massnahmen In der Risikobewältigung untersucht und entscheidet das Projektteam, wie mit den identifizierten und analysierten Risiken umgegangen wird, d.h. welche aktiven und passiven Massnahmen geplant und umgesetzt werden sollen. Dieses Vorgehen ist stark von der im Unternehmen implementierten Risikostrategie bzw. von der Risikobereitschaft der Entscheidungsträger beeinflusst. Zunächst prüft man, welche möglichen Behandlungsalternativen überhaupt zur Verfügung stehen, um dann eine Entscheidung über eine angemessene Behandlung zu fällen, die bestimmte Vorgaben / Nebenbzw. Randbedingungen berücksichtigen und einhalten muss. Die gewählte Alternative erfordert anschliessend eine angemessene Umsetzung. Generell kommen folgende Behandlungsalternativen in Frage (Bild 357): x x x x
Vermeidung Verminderung Übertragung Übernahme
Es gibt keine bestimmte Rangordnung der Vorzüge der Behandlungsalternativen – etwa Vermeiden, Vermindern, Versichern, Selbsttragen – für die Anwendung auf bestimmte Risikoarten; stattdessen kommt es stets auf das Verhältnis von Aufwand und Wirkung an. Bei den meisten Projektrisiken stehen dem Bauunternehmen mehrere Bewältigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Grundsätzlich kann man zwischen aktiven und passiven Massnahmen der Risikobehandlung unterscheiden. Die aktiven Massnahmen nehmen direkt Einfluss auf die Risikostruktur, es wird also auf die Eintretenswahrscheinlichkeit und/oder die Tragweite bei Eintritt eingewirkt. Passive Massnahmen haben dagegen zum Ziel, für den Fall des Risikoeintritts eine ausreichende Deckung aufzubauen. Häufig kommt es zu einer Kom-
766
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
bination mehrerer Bewältigungsmassnahmen, um ein möglichst geringes Restrisiko zu erreichen. Risikobewältigung
Risikovermeidung
Risikoverminderung
Ursachenbezogen
Risikoübertragung
Wirkungsbezogen
Schadenbegrenzung
Versicherung
Risikoübernahme
Übertragung auf Dritte
Schadenvorsorge
Bild 357: Risikobewältigungsmöglichkeiten
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von kontrollierbaren und nicht kontrollierbaren Risiken. Kontrollierbare Risiken sind Risiken, die der Entscheidungsträger freiwillig eingeht und deren Folgen er zumindest teilweise direkt beeinflussen kann. Im Gegensatz dazu kann er nicht kontrollierbare Risiken nicht beeinflussen. Die Koordination zwischen dem Haustechnikinstallateur und dem mit dem Trockenbau beauftragten Unternehmen ist ein kontrollierbares Risiko. Andere Risiken wie das Auftreten von extrem schlechten Wetterbedingungen können nicht kontrolliert werden, allerdings ist eine Beeinflussung der Folgen, z.B. durch entsprechende Vorausplanung mit Gefahrenabwendung und Zeitpuffern, möglich. FLAGRAN und NORMAN unterscheiden in diesem Zusammenhang für einen Entscheidungsträger vier verschiedene Risiken [11-7]: x kontrollierbare Risiken, die komplett durch den Entscheidungsträger selbst kontrollierbar sind x kontrollierbare Risiken, die durch andere Projektbeteiligte kontrollierbar sind x schwer kontrollierbare Risiken, die lediglich durch politische / öffentliche Organe beeinflussbar sind x nicht kontrollierbare Risiken Die zu ergreifenden Bewältigungsmassnahmen richten sich nach der Kontrollierbarkeit des Risikos. Im Fall kontrollierbarer Risiken ist der Entscheidungsträger angehalten zu untersuchen, welche Massnahmen ergriffen bzw. welche Ressourcen bereitgestellt werden müssen, um negative Auswirkungen zu vermeiden bzw. positive Auswirkungen zu ermöglichen. Zusätzlich muss er den Nutzen seiner Entscheidung über eine ChancenGefahren-Abschätzung nachweisen. Grosse unkontrollierbare Risiken sind
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
767
immer zu analysieren, um die Tragweite negativer Auswirkungen zu vermindern. In Bild 358 ist das systematische Vorgehen bei der Bewältigung von Risiken anhand eines Flow-Charts dargestellt. Der Prozess der Entscheidung ist mit der Auswahl der scheinbar besten Alternative nicht abgeschlossen, da jede Entscheidung Folgen (Ereignisse) haben kann, die wieder zu überprüfen und zu berücksichtigen sind. Erkennung eines Risikos Abschätzung der möglichen Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit Ja
„Grosses“ Risiko ?
Nein
Risikobeeinflussende Faktoren analysieren Risiko mindern
Risikoursache beseitigen Ja
Übertragung auf andere
Ja
„Grosses“ Restrisiko ?
Nein
Kommerzielle Versicherung; Selbstversicherung; Diversifizierung
Restrisiko zu gross?
Projektabbruch
Nein Mit Projektbearbeitung fortfahren
Bild 358: Flow-Chart zu Risikoentscheidungen
Risikostrategie, Risikobereitschaft und Risikofähigkeit Risikobewusste Unternehmensführung hat zum Ziel, die Existenz und eine gesunde Weiterentwicklung des Unternehmens zu gewährleisten. Das lässt sich aber nur erreichen, wenn immer wieder Unsicherheiten in Kauf genommen und Risiken bewusst eingegangen werden, denn Unsicherheiten sind in den meisten Fällen auch mit Chancen verbunden. Es kann also keinesfalls darum gehen, alle möglichen Risiken eliminieren zu wollen. Die grösste Gefahr für ein Unternehmen kann daraus entstehen, dass Entscheidungsträger gar keine Risiken eingehen. Erfolgreiche Unternehmen verstehen es in der Regel besonders gut, nur solche Risiken einzugehen, bei denen die vorhandenen Chancen die damit verbundenen Gefahren deutlich überwiegen [11-27].
768
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Die steigende Komplexität und Dynamik des unternehmerischen Umfelds sowie ein verstärkter Anpassungsdruck mit immer kürzerer Reaktionszeit erfordern jedoch tendenziell eine höhere Risikobereitschaft. Die Risikostrategie eines Bauunternehmens legt u.a. in Form von Richtlinien fest, wie unter bestimmten Umständen mit Risiken umzugehen ist, d.h. welche Risikobewältigungsmassnahmen zu ergreifen sind. Diese Richtlinie für das operative Geschäft eines Bauunternehmens kann z.B. beinhalten, dass das Baugrundrisiko immer beim Auftraggeber zu belassen ist, dass Risiken aus einzelnen Arbeitsgattungen back-to-back an die ausführenden Nachunternehmer weiterzugeben sind bzw. welche Risiken immer durch bestimmte Versicherungen abgedeckt werden sollen. Die Einstellung, Entscheidungen zu treffen, besteht aus objektiven und subjektiven Komponenten [11-7]. Bei der objektiven Komponente lässt sich neutral feststellen, dass z.B. Subunternehmer A der Vorzug vor Subunternehmer B zu geben ist, da er in der Vergangenheit wesentlich zuverlässiger gearbeitet hat. Die subjektive Komponente betrifft die Risikobereitschaft des einzelnen Entscheidungsträgers. Er hat sich für eine oder eine Kombination aus mehreren Risikobewältigungsmöglichkeiten zu entscheiden, deren Ergebnis im Voraus nicht genau abgeschätzt werden kann. Verschiedene Personen entscheiden sich für unterschiedliche Bewältigungsmöglichkeiten. Manche Entscheidungsträger gehen von Natur aus höhere Risiken für einen zusätzlichen Gewinn ein als andere; manche haben eine Abneigung gegen Risiken und sind nicht bereit, ein relativ kleines zusätzliches Risiko mit der Möglichkeit eines deutlich besseren Projektergebnisses einzugehen. In der Praxis besteht die optimale Entscheidungsfindung aus einer komplizierten Mischung objektiver und subjektiver Entscheidungsfaktoren. Die kognitiven Risikobeurteilungseinflüsse lassen sich durch einen systematischen Risikomanagementprozess nicht gänzlich ausschalten, jedoch objektivieren. Risikofähige Unternehmen brauchen risikofähige und risikobereite Mitarbeiter. Das ist gleichbedeutend mit Eigeninitiative und Eigenverantwortung, die das Unternehmen bzw. die Vorgesetzten am besten fördern, indem sie Mitarbeiter zu Mitunternehmern machen und sie an Entscheidungen sowie den daraus entstehenden Folgen möglichst direkt beteiligen. Eine offene Zusammenarbeitskultur ist ein wichtiger Bestandteil einer risikofähigen Unternehmenskultur. Sie verlangt möglichst viel Transparenz; dafür ist ein hohes Mass an Offenheit, Ehrlichkeit und Vertrauen erforderlich. Risikofähige Unternehmenskulturen basieren stark auf Information und Kommunikation. Flache, kommunikationsdurchgängige Organisationsstrukturen können viel dazu beitragen, die Fehlertransparenz zu verbessern und die Risiken zu reduzieren [11-27].
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
769
In ganz besonderem Mass ist die Risikofähigkeit eines Unternehmens von der risikogerechten Finanzierung abhängig, um eventuell auftretende Verluste aus Bauprojekten auffangen zu können und unternehmerischen Handlungsspielraum zu gewährleisten, damit das Unternehmen risikobewusst investieren und wachsen kann. Grundsätze der Risikoverteilung Durch immer kompliziertere Bauvorhaben nimmt die Neigung der Bauherren zu, Risiken auf ihre Vertragspartner abzuwälzen. In der Risikoverteilung geht es darum, zwischen den verschiedenen Projektbeteiligten vor Vertragsabschluss zu klären, wer am zweckmässigsten welche Risiken zu welchen Konditionen übernimmt. Für das Bauunternehmen spielt dabei die Risikoverteilung zwischen Bauherr, Bauunternehmen und Nachunternehmern die wichtigste Rolle, da es diese Vertragsverhältnisse direkt beeinflussen kann, im Gegensatz zu den Verträgen zwischen Bauherr und Planern, die in der Regel bereits vor Hinzuziehung eines Bauunternehmens bestehen. Um eine für das Bauunternehmen optimale Risikoverteilung zu erreichen, muss es möglichst alle operativen Risiken kennen und ihre potenziellen Auswirkungen quantifiziert haben. Zusätzlich muss es zwischen Risiken unterscheiden, die bereits aufgrund der Rechtslage bzw. über vom Bauherrn oder anderen Institutionen vorgeschriebene Normen fix einer oder mehreren Projektparteien zugewiesen werden, und Risiken, die über vertragliche Regulierungen quasi nach Belieben verteilt und zugewiesen werden können. Ist beispielsweise die VOB/B oder die Norm SIA 118 Bestandteil des Vertrags zwischen Bauherr und Bauunternehmen, so liegt das Baugrundrisiko generell beim Bauherrn, sofern er durch eine Bauleitung vertreten, selbst sachverständig oder durch einen hinzugezogenen Sachverständigen beraten war [11-25]. Im Rahmen einer fairen und optimalen Risikoverteilung sollten die Projektbeteiligten (Bauherr / Bauunternehmen / Nachunternehmer) bei der Vertragsformulierung folgende Grundsätze beachten: x Zuweisung in Abhängigkeit von der Risikoursache: Das Risiko sollte diejenige Vertragspartei übernehmen, die es am besten beeinflussen kann. Liegen Risiken in der Willensphäre des Generalunternehmers, z.B. die Schnittstellengestaltung zum Nachunternehmer, so sollte er das Risiko einer lückenhaften und ineffektiven Nachunternehmerorganisation übernehmen. Dieser Sachverhalt gilt bei allen anderen Risiken analog für die anderen Projektbeteiligten. x Zuweisung aufgrund der Kosten für Bewältigungsmassnahmen: Das Risiko sollte derjenige übernehmen, der es am kostengünstigsten behandeln kann. Dabei sind die Gesamtkosten entscheidend, die am En-
770
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
de vom Bauherrn zu tragen sind. Kann der Bauherr Risiken selbst kostengünstiger bewältigen als andere Projektpartner, so sollte er sie auch selbst übernehmen. Die Verhandlungspartner sollten diese Grundsätze bei Vertragsausarbeitung mit zwei Einschränkungen beachten: x Die Risikofähigkeit eines Projektbeteiligten ist von seiner Finanzkraft abhängig. Es ergibt keinen Sinn, dass ein finanziell schwacher Partner existenzgefährdenden Risiken übernimmt und im Fall des Risikoeintritts in Konkurs geht, damit als weiterer Projektpartner ausfällt und der entstandene Schaden letztlich beim eigentlich stärkeren Vertragspartner verbleibt. Aus diesem Grund sollten Vertragspartnern nur Risiken zugewiesen werden, die sie im Fall des Eintritts auch wirklich tragen können. x Wer ein Risiko übernimmt, muss eine angemessene Risikoprämie erhalten. Die Risikoprämie sollte in Abhängigkeit vom Erwartungswert des Risikoschadens und vom Risikoportfolio bestimmt werden. Die Höhe der Prämie ist generell Verhandlungssache und zwischen den Vertragspartnern frei vereinbar. Eine „richtige“ Höhe der Risikoprämie gibt es in der Regel nicht, da für die meisten Risiken keine empirische Datenbasis zur Verfügung steht und die exakten Risikokosten erst nach Risikoeintritt ermittelbar sind. Vielmehr muss der Risikoträger die ihm eventuell entstehenden Kosten gegenüber dem Vertragspartner, z.B. über geeignete Szenarien, darlegen und plausibel begründen. Die Durchsetzung angemessener Risikoprämien gegenüber dem Bauherrn gestaltet sich für General- und Bauunternehmen in der gegenwärtigen Marktverfassung schwierig. Die immer noch vorhandenen Überkapazitäten und der dadurch hohe Wettbewerbsdruck der General- und Bauunternehmen untereinander führen dazu, dass der Bauherr Risiken, die in seiner Willenssphäre liegen, teilweise ohne angemessene Risikoprämie abwälzen kann. In diesem Fall steht das General- bzw. Bauunternehmen vor der Alternative, dass Projekt ohne entsprechende Risikodeckung trotzdem anzunehmen (mit eventuell existenzgefährdenden Folgen) oder auf den Vertragsabschluss zu verzichten. Die angemessene Lösung dieses Konflikts obliegt der Geschäftsführung, die den Gesamtüberblick über das Unternehmen hat und darauf basierend entscheiden muss. Grundlage einer fairen und optimalen Risikoverteilung ist ein diszipliniert und sorgfältig durchgeführtes Risikomanagement des Bauunternehmens in der Angebotsphase, mit dem es die projektimmanenten Risiken erkennt und bewertet. Damit verbessert sich auch das Verhältnis zum Kunden, dem Bauherrn. Das Unternehmen verschafft dem Bauherrn eine
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
771
grösstmögliche Planungssicherheit, indem es ihm signalisiert, dass es das Projekt sehr genau angesehen und geprüft hat und von daher wesentlich weniger Unstimmigkeiten und Nachtragsverhandlungen anstehen. Eine faire Risikoverteilung kann so auch zu einer langfristigen Kundenbindung beitragen. Wahl der geeigneten Risikobewältigung „Sicherheit hat ihren Preis. Risiko bedeutet Unsicherheit und beinhaltet neben Chancen auch Gefahren. Ein sichtbarer Preis muss dann dafür bezahlt werden, wenn eine negative Entwicklung oder ein Schadenfall eintritt. Die versteckten Risikokosten werden auch transparent, wenn man sich gegen Gefahren versichert oder diese auf eine andere Art an Dritte abtreten möchte (z.B. Factoring).“ [11-27]. Da alle Behandlungsarten entweder mit Sicherheit (Versicherungsprämien, Massnahmen zur Minimierung) oder mit einem gewissen Erwartungswert (Schaden bei eingetretenem Risiko) Kosten verursachen, ist eine Auswahl über die Risikokosten sinnvoll. Eine bestimmte Rangordnung der Vorzüge von Bewältigungsmassnahmen – etwa Vermeiden, Vermindern, Versichern, Selbsttragen – für bestimmte Risikoarten gibt es nicht; es kommt stattdessen stets auf das Verhältnis von Aufwand und Wirkung an. Bei den meisten Projektrisiken stehen dem Bauunternehmen zudem mehrere Bewältigungsmassnahmen zur Verfügung. Für jede Situation muss somit geprüft werden, welche Behandlungsart die effizienteste Risikobehandlung ermöglicht. Die wichtigsten Auswahlkriterien sind dabei – neben den entstehenden Kosten – die Auswirkungen der verfügbaren Behandlungsarten auf Termine und Qualität und mögliche Beschränkungen bezüglich der Einsetzbarkeit Bild 359 gibt Aufschluss über mögliche Ansatzpunkte zur Risikobewältigung. Sie lassen sich in menschliche, technische, wirtschaftliche und rechtliche Eingriffsmöglichkeiten untergliedern. Für die Beurteilung des Einsatzes der ursachen- und wirkungsbezogenen Bewältigungsmassnahmen sind folgende Fragen zu klären: x Welche Massnahmen sind bei der Reduktion der Unsicherheiten bzw. der Risikobewältigung prinzipiell geeignet? x Lässt sich etwas über die ökonomische Effizienz der Massnahmen aussagen? x Gibt es eine generelle Überlegenheit hinsichtlich Effizienz und Effektivität der ursachenbezogenen gegenüber den wirkungsbezogenen Massnahmen oder umgekehrt? x Sind Massnahmen kombinierbar? Gibt es einen optimalen InstrumentenMix?
772
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Risikobewältigung
Mensch
Technik
• Schulung • Fachkenntnis • Informationen • Instruktion • Aus Fehlern lernen (QS / QM) • geeignete Projektorganisation
• Erkannte Risiken durch technische Massnahmen reduzieren (z.B. durch Absperren einer Baugrube) • Einsatz alternativer Verfahren
Wirtschaft • Erkannte Risiken bewerten und kalkulatorisch erfassen • Risiken versichern • Rücklagen bilden
Recht • Vertragsgestaltung (z.B. Schnittstellen) • Übertragung von Risiken auf Vertragspartner oder Dritte
Bild 359: Ansatzpunkte für die Risikobewältigung
Das in Bild 360 dargestellte Baumdiagramm untergliedert die verschiedenen Entscheidungsarten. Prinzipiell kann man zwischen bewussten und unbewussten Entscheidungen unterscheiden. Im Rahmen des RM sollten stets bewusste Entscheidungen getroffen werden. Diese unterteilen sich in Entscheidungen, die für häufig wiederkehrende Risiken auf Entscheidungsroutinen basieren, in Entscheidungen mit methodischer Unterstützung und in improvisierte Entscheidungen. Entscheidung Bewusste Entscheidung
Entscheidungsroutinen sind nicht vorhanden / werden nicht verwendet
Entscheidung mit methodischer Unterstützung
Unbewusste Entscheidung
Entscheidungen aufgrund vorhandener Entscheidungsroutinen
Improvisierte Entscheidung
Bild 360: Differenzierung von Entscheidungsarten
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
773
Berechnung der Kosten des Restrisikos
Im Anschluss an die Risikobewältigung müssen die Kosten der beim Unternehmen verbleibenden Risiken ermittelt werden. Sie setzen sich aus den deterministischen Kosten der geplanten Massnahmen (Verminderungsmassnahmen, Versicherungen etc.) und den probabilistischen Kosten des verbleibenden Risikos zusammen und fliessen als Risikoentschädigung in die Angebotssumme ein. Aufgrund von Risikobewältigungsmassnahmen stellt sich die Höhe von Eintretenswahrscheinlichkeit und Tragweite einzelner verbleibender Risiken anders dar als zu Beginn des Risikomanagementprozesses. Risiken, die vermindert wurden, müssen neu bewertet werden. Zu unterscheiden sind zwei verschiedene Verfahren: x Praktikermethode x Berechnung der Gesamtrisikokosten mittels Monte-Carlo-Simulation Berechnung der Risikokosten über die Praktikermethode Die Praktikermethode ist das einfachste und übersichtlichste Verfahren zur Berechnung der Risikokosten. Zur Durchführung muss die Risikosituation, wie sie sich für das Bauunternehmen nach Ergreifen der Bewältigungsmassnahmen ergibt, neu bewertet werden. Für jedes Einzelrisiko wird wiederum eine quantitative Schätzung für die Eintretenswahrscheinlichkeit W und den Erwartungswert der Tragweite T benötigt. Durch die Multiplikation beider Werte ergibt sich der Risikoerwartungswert des Einzelrisikos. Die Praktikermethode verlangt nun eine Addition sämtlicher Risikoerwartungswerte. Man erhält den Erwartungswert des Gesamtrisikos für die identifizierten Risiken. Nachteilig an der Praktikermethode kann sich auswirken, dass diese Summe nichts über die Bandbreite der Risikokosten (Minimum und Maximum) und über die statistische Sicherheit des Ergebnisses aussagt. Das Ergebnis der Praktikermethode stellt lediglich ein mögliches (wenn auch wahrscheinliches) Szenario dar. Letztlich ist aber der Zufall für den Eintritt einer bestimmten Kombination von Einzelrisiken verantwortlich. Berechnung der Risikokosten mittels Monte-Carlo-Simulation Die Monte-Carlo-Simulation (MCS) ermöglicht es, die Wahrscheinlichkeitsverteilung für den monetären Risikoschaden darzustellen. In einer vorher festgelegten Anzahl von Simulationsläufen, wobei jeder Simulationslauf einem möglichen Risikoszenario entspricht, kombiniert eine Software zufallsabhängig Einzelrisiken zum Gesamtprojektrisiko. Der Umfang der Schätzwerte der Praktikermethode reicht allerdings für diese Simulation nicht aus; um eine reale Bandbreite der Risikokosten zu erhalten, müssen Experten für jedes Einzelrisiko eine minimale, eine wahrscheinliche und eine maximale Tragweite sowie eine Eintretenswahrscheinlichkeit
774
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
schätzen. Für jedes Einzelrisiko benötigt die Simulation somit vier InputWerte. Diese Daten übernimmt man in ein Excel-Tabellenblatt, das als Grundlage für die Durchführung der Simulation dient (Bild 361). City-Arealüberbauung, Zürich MC-Simulation des Risikozuschlags auf Angebot Nr. 59/1999 Verteilungsfunktion BetaPERT Nr.
Kürzel Bezeichnung
1 2 3
R1 R2 F1
4
F2
5 6 7 8 9 10 11
T1 T2 T3 T4 T5 T6 D1
Vertragsbedingungen - Komplettheitsklausel Leistungsbeschreibung unvollständig Bonität / Zahlungsmoral des Bauherrn Kostenüberschreitung Fremdleistungskalkulation Haustechnik Aushubarbeiten - Meisselarbeiten Aushubarbeiten - Altlasten Öltank Baugrube - Findlinge beim Spundwandrammen Baugrube - Setzungen an der Nachbarbebauung Bauphysik: Raumakustik Schwierige Architketur: Qualität / Toleranzen Ausführungsfrist: Konventionalstrafe
(a) Eintretenswahrscheinlichkeit [%] 60 % 25 % 30 %
(b) Minimaler Schaden [€] 100'000 200'000 100'000
(c) Wahrscheinlicher Schaden [€] 150'000 260'000 200'000
(d) Maximaler Schaden [€] 300'000 480'000 350'000
(e) Schadenssimulation [€] 166'667 286'667 208'333
(f) Schadenssimulation inkl. Eintretenswahrscheinlichkeit [€] 166'667 0 0
40 %
200'000
265'000
340'000
266'667
0
30 % 15 % 15 % 35 % 35 % 80 % 90 %
25'000 70'000 45'000 150'000 35'000 60'000 45'000
30'000 140'000 55'000 250'000 65'000 100'000 150'000
90'000 200'000 85'000 310'000 100'000 200'000 230'000
39'167 138'333 58'333 243'333 65'833 145'833 110'000
0 0 0 0 65'833 145'833 110'000 Total
488333
Legende: Spalten (a), (b), (c ), (d): Von Experten geschätzte Eingangsvariablen (BetaPert-Verteilung) Ausgangswerte der Simulation für einen Simulationslauf Spalten (e), (f): Total: Excel-Addition
Bild 361: Excel-Tabellenblatt zur Monte-Carlo-Simulation [11-12]
Der praktische Mehraufwand der MCS gegenüber der Praktikermethode ist gering, da bei der MCS nur die untere und obere Grenze der Tragweite zusätzlich zum Erwartungswert der Tragweite abgeschätzt werden muss. Die Rechnung erfolgt mittels einer käuflichen Software. Mit den kalkulierten oder geschätzten Werten der Tragweite erstellt die Software eine Schadensverteilung für das betreffende Einzelrisiko. In Bild 362 ist die häufig verwendete BetaPERT-Verteilung für das Einzelrisiko Nr. 5 „Fels in der Baugrube – Meisselarbeiten“ (Bild 361) mit den Werten minimaler Schaden 25’000 €, wahrscheinlicher Schaden 30'000 € und maximaler Schaden 90'000 € dargestellt. Aus dieser auf den Flächeninhalt gleich 1 normierten Dichtefunktion wird durch Integration die Verteilungsfunktion der Tragweite ermittelt.
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
775
PERT (25000; 30000; 90000) Relative Häufigkeit x 10-5
Relative Summenhäufigkeit 1.000
5.0 4.5
0.800
4.0 3.5
0.600
3.0 2.5
0.400
2.0 1.5 1.0 0.5 90
100
80
70
60
50
40
30
0.0
Dichtefunktion
Tragweite [€]
Zufallszahl 0.10
0.200 0.000
2025’000 Tragweite 27‘411 €
40’000 37.5
50’000
5560’000
70’000 72.5 80’000
Tragweite [€]
90’000 90
90% Verteilungsfunktion
Bild 362: BetaPERT-Verteilung für den Risikoschaden (Aushubarbeiten – Meisselarbeiten) – Auswahl der Tragweite je Szenario [11-12]
Über eine Zufallszahl zwischen 0 und 1 wählt die Software eine Schadenshöhe aus der Verteilungsfunktion aus; eine weitere Zufallszahl, ebenfalls zwischen 0 und 1, bestimmt, ob das Risiko im aktuellen Simulationsdurchlauf überhaupt eintritt. Jedes Einzelrisiko benötigt damit zwei Zufallszahlen. Ist dieser Vorgang für jedes Einzelrisiko abgeschlossen, kommt es zur Addition der eingetretenen Risiken zum Gesamtprojektrisiko dieses Szenarios. Die Vorgänge werden für jedes Szenario erneut durchgeführt, bis die gewünschte Anzahl Simulationsdurchläufe erreicht ist. Im Gegensatz zur Praktikermethode, die nur ein mögliches Szenario beinhaltet, spielt die Monte-Carlo-Simulation eine grosse Anzahl möglicher Szenarien durch. 10’000 Simulationsdurchläufe ergeben 10'000 verschiedene Szenarien und damit Werte für das Gesamtprojektrisiko. Die Verteilung dieser Werte lässt sich in einer Grafik als Dichte- und Verteilungsfunktion darstellen. Aus diesen Diagrammen kann man für eine gewählte statistische Sicherheit die maximalen Risikokosten ablesen. Bei einer statistischen Sicherheit von 90 % liegen die Risikokosten z.B. bei maximal 1.107 Mio. €.
776
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen 90 %-Fraktile
1.600
Mean = 746128.7
1.400 Values in 10-6
1.200 1.000 0.800 0.600 0.400 0.200 0.000
0
0.6
1.2
1.8
Values in Millions 90 %
10 % 1.107
Bild 363: Dichtefunktion der Risikokosten [Mio. €] [11-12]
90 %-Fraktile 1.000 Mean = 746128.7 0.800 0.600 0.400 0.200 0.000
0
0.6
1.2 90 %
1.8 10 %
1.107
Bild 364: Verteilungsfunktion der Risikokosten [Mio. €] [11-12]
Risikocontrolling
Am Schluss des RM-Prozesses steht das Risikocontrolling, das im risikobewussten Projektcontrolling (Kapitel 12) als unterste Controllingschleife des Unternehmens eingebunden ist (Bild 329). Dabei geht es darum, dass die Risikosituation, wie sie sich nach der Identifikation, der Analyse und der Bewältigung präsentiert, im weiteren Projektverlauf beobachtet wird und dass die gewählten Bewältigungsmassnahmen auf ihre Wirksamkeit und Effizienz hin überprüft werden. Dabei ist vor allem zu ermitteln, ob die gewünschte Wirkung erreicht wurde bzw. ob die gewählten Massnahmen der Verhältnismässigkeit der Situation angepasst sind. Treten Abweichungen zwischen Soll- und Istgrössen auf bzw. ergibt sich eine neue Informationslage, so ist eine neue Risikoanalyse durchzuführen. Daraus kann sich wiederum die Notwendigkeit ergeben, neue Massnahmen einzuleiten.
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
777
Verfolgung der Risiken Projektrisiken sind keine statischen Gegebenheiten, die während aller Phasen eines Projekts von gleich bleibender Bedeutung sind. Es ist daher nicht nur erforderlich, den RM-Prozess periodisch durchzuführen, sondern auch, die identifizierten Projektrisiken zu überwachen. Die Überwachung soll sicherstellen, dass Veränderungen bei den Projektrisiken rechtzeitig festgestellt werden. So muss beispielsweise erkannt werden, ob Risiken, die als nicht schwerwiegend bewertet und klassifiziert wurden, plötzlich doch efolgsbedrohend werden. Die Projektleitung muss aber auch feststellen, ob Risiken ab einer gewissen Projektphase nicht mehr aktuell und damit aus dem Risikocontrolling auszuschliessen sind. Auch entsteht durch jede Projektentscheidung eine neue Risikosituation, deren Einzelrisiken es wiederum zu identifizieren, analysieren und bewältigen gilt. Getroffene Entscheidungen müssen daher immer wieder in Frage gestellt werden. Frühwarnindikatoren können das Risikocontrolling in der rechtzeitigen Erkennung von relevanten Veränderungen und sich abzeichnenden Zielverfehlungen unterstützen. Sie sind laufend zu beobachten und zu interpretieren. Für die operative Ergebnisplanung und Projektsteuerung sind die mittel- und kurzfristigen Indikatoren, die eine Vorlaufzeit von 3 bis 12 Monaten haben, von Bedeutung. So kann z.B. ein Planungsrückstand als Folge verspäteter Planlieferung ein Indiz für bevorstehende Projektänderungen und somit für eine Veränderung der terminlichen und finanziellen Risikosituation sein. Unordnung auf der Baustelle kann darauf hinweisen, dass die Unfallgefahr erhöht ist und ausserdem mit einem zunehmenden Risiko ungenügender Bauwerksqualität gerechnet werden muss. Massnahmenüberwachung Neben der Überwachung der eigentlichen Risiken muss auch die Wirksamkeit der Behandlungsmassnahmen laufend überprüft werden. „Ohne regelmässige Überprüfung im Sinn einer Massnahmenkontrolle ist eine Risikosteuerung im Rahmen des risikobewussten Projektcontrollings nicht möglich.“ [11-8]. So muss beispielsweise kontrolliert werden, ob durch die Anpassung des Bauablaufs ein terminliches Risiko tatsächlich wie geplant vermindert werden konnte, oder es ist zu prüfen, ob bestimmte Qualitätsrisiken wirklich vertraglich auf die Nachunternehmer übertragen wurde. Zudem ist zu beachten, dass nur durch eine regelmässige Wiederholung des RM-Prozesses eine Massnahmenkontrolle möglich ist, die die Wirkung eingeleiteter Massnahmen zur Risikominimierung beurteilen kann [11-8]. In erster Linie ist der Projektleiter als primärverantwortlicher „Process Owner“ für die Steuerung der jeweiligen projektspezifischen Risiken verantwortlich. Die Steuerung bzw. die Beeinflussung der Risiken setzt an der Risikoursache an. Aufgrund der monatlichen bzw. quartalsmässigen Ana-
778
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
lyse der Projekte lässt sich sehr schnell erkennen, welche Projekte innerhalb der im Angebotspreis berücksichtigten Risikokosten bleiben, welche diese mit hoher Wahrscheinlichkeit überschreiten und bei welchen Projekten die Entwicklung in einen kritischen Bereich läuft. Für eine SGE können dann sämtliche Projekte in einer „Project Risk Map“ übersichtlich dargestellt werden (Bild 365). Eine farbige Zuordnung der Projekte in verschiedene Beobachtungskategorien hilft der Geschäftsleitung anschaulich zu erkennen, welche Projekte eine besondere Beachtung seitens des Managements erfordern. Bei dieser einfachsten Form des Unternehmensrisikomanagements erfolgt keine Aggregation auf Ebene der SGE oder des Gesamtunternehmens. In allen folgenden Aggregationsstufen auf den weiteren Unternehmensebenen, z.B. den SGE bis hin zum Gesamtunternehmen, erfolgt weiterhin die primäre Steuerung der Projektrisiken durch den jeweiligen „Process Owner“ bzw. Projektleiter. Falls ein bedeutendes Risiko eintritt, ist zwingend eine detaillierte Risikonachbereitung durchzuführen. Dabei ist es notwendig festzustellen, ob x das Risiko nicht identifiziert wurde, x die Auswirkungen des Risikos falsch eingeschätzt wurden oder x die falschen Bewältigungsmassnahmen gewählt wurden. Basierend auf den Ergebnissen der systematischen Auswertung dieser Daten sind die Methoden der Risikoanalyse und -bewältigung entsprechend zu modifizieren. Im Rahmen des Risikocontrollings sind auf Unternehmensebene zusätzlich die finanziellen Auswirkungen der aufgetretenen Risiken auf die Gesamtrisikokosten des Unternehmens zu prüfen.
11.2 Projektbezogenes Risikomanagement
Bild 365: Risk Map zur übersichtlichen Darstellung aller Projekte einer SGE
779
780
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion Innerhalb des Projektrisikomanagementprozesses findet die Gestaltung des Bauproduktionsprozesses statt. Unter Bauproduktionsprozess versteht man das kybernetisch systemorientierte Zusammenwirken von Bauverfahren und Logistikprozessen. Die Gestaltung des Bauproduktionsprozesses ist ein generischer Entscheidungsprozess auf kybernetisch systemorientierter Basis. Um diesen Prozess, der weitgehend auf begrenzter Rationalität erfolgt, zumindest zwischen den systematisch ermittelten Varianten nicht nur hinsichtlich deterministischer Grössen (Zeit und Kosten) zu beurteilen, soll mit dem risikobasierten Ansatz die Streubreite bzw. die Robustheit der Lösung gegenüber umweltbedingten und baubetrieblichen Störungen überprüft werden. Innerhalb eines ganzheitlichen Risikomanagementprozesses sollten daher auch die projektspezifischen, prozessorientierten Bauproduktionsverfahren risikobasiert auf x die Erwartungswerte und x die Robustheit bei Eintritt von Risiken, die umwelt- oder baubetriebsbedingt verursacht wurden, in Bezug auf Zeit und Kosten betrachtet werden. Die risikobasierte Bauproduktionsselektion muss als zielorientierte schnelle Entscheidungsmethode, möglichst bereits in der Angebotsphase nach der prinzipiellen Go-/ No-Go-Entscheidung, wie folgt eingebettet werden (Kapitel 9): x x x x x
risikobasierte Vorselektion Go-/No-Go risikobasiertes Studium der Vertragsunterlagen risikobasierte Bauproduktionsselektion (RBPS) Ausarbeitung des Angebots auf Basis der RBPS Angebotsabgabe
11.3.1 Anforderungen an die risikobasierte Bauproduktionsselektion An den risikobasierten Bauproduktionsvariantenvergleich werden folgende Anforderungen gestellt: x Die Unternehmen sollen ihn einsetzen können, um die Risikosituation ihrer Projekte systematisch zu erfassen und zu überblicken. x Er soll den Vergleich von Projekt- und Bauverfahrensvarianten ermöglichen.
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
781
x Er soll die Ermittlung der Projektkosten und der Bauzeit unter korrekter Berücksichtigung der Risiken für die Bauverfahrensvarianten ermöglichen. x Er soll den Unternehmen ein Hilfsmittel bei der Erstellung eines konkurrenzfähigen, risikoreduzierten Angebots sein. x Die „Risiko“-Werte müssen klar von den „Optimal“-Werten getrennt werden, so dass sie immer nachvollziehbar bleiben. x Er soll den Unternehmen ermöglichen, Risiken bewusst einzugehen oder zu vermeiden, um so gezielt eine festgelegte Unternehmensstrategie zu verfolgen. x Er soll praxistauglich sein, d.h. er muss einfach, verständlich, nachvollziehbar und damit auch vertrauenswürdig sein, um überhaupt eingesetzt zu werden. 11.3.2 Ablauf der risikobasierten Bauproduktionsselektion Die Durchführung des risikobasierten Bauproduktionsvariantenvergleichs setzt sich aus mehreren aufeinander folgenden Teilschritten zusammen, die in Bild 366 dargestellt sind.
o Grundlagenermittlung:
n
ƒ Grobanalyse
Projektstrukturierung: ƒ Teilabschnitte
ƒ Gesamtbeurteilung der Varianten ƒ Variantenvergleich (Erwartungswert/ Streubreite)
ƒ technisch und vertraglich kompatibel
Variantenbildung:
ƒ produktionsabschnittsweise
ƒ Bauteile
ƒ risikobasiertes Studium der Angebotsunterlagen
Risikobasierte Variantenentscheidung:
p
Selektion von Bauverfahren und Logistiksystem:
q
ƒ homogene adaptive Prozesse ƒ integrative Abläufe
Risikoidentifikation:
u Risikobasierte Kosten- und Terminanalyse:
t
s Risikoanalyse Risikobewältigung:
ƒ optimal ohne Risiken
ƒ Zeitwirkung
ƒ risikobedingt
ƒ Kostenwirkung
r
ƒ umweltbedingte Risiken ƒ baubetriebsbedingte Risiken
ƒ Plausibilitätsprüfung
Bild 366: Ablauf der risikobasierten Bauproduktionsselektion
782
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Beim Hochausbau und im Besonderen beim Tunnel- und Brückenbau sowie bei komplexen Tiefbauaufgaben gibt es meist verschiedene technisch machbare Bauproduktionsprozesse mit den dazugehörigen Bauverfahrensund Logistikvarianten. In den meisten Unternehmen, oft aber auch bei Planern bei der Auswahl von Projektvarianten, werden die Entscheidungen wegen der Komplexität oft intuitiv auf Erfahrung beruhend gefällt. In manchen Fällen wird die Entscheidung mit einer deterministischen Kostenabschätzung hinterlegt. Daraus ergibt sich jedoch kein Bild über die Streubreite dieser Erwartungswerte bei Störungen des Bauablaufs, die umweltbedingt (Geologie) oder baubetriebsbedingt (Logistikstörungen, Bauverfahrensstörungen) sind. Der Ablauf einer risikobasierten Bauproduktionsselektion ist in folgenden Schritten durchzuführen: x Grundlagenermittlung durch Grobanalyse und Studium der Angebotsunterlagen x Projektstrukturierung in Teilabschnitte und Bauteile x Selektion von Bauverfahren und Logistiksystem pro Produktionsabschnitt und Produktionsstufe x Bildung von Bauverfahrens- und Logistikprozessvarianten nach produktionstechnisch homogenen, adaptiven Gesichtspunkten zur Strukturierung eines integrativen Gesamtproduktionsprozesses x Risikoidentifikation in den Varianten nach Umwelt- und baubetrieblichen Ursachen x Analyse und Bewältigung der Risiken in den Varianten und Plausibilitätsprüfung der Risikoanalysen x Risikobasierte Kosten- und Terminanalyse der Varianten x Gesamtbeurteilung der Varianten (risikobasierter Variantenvergleich) und Variantenentscheidung Grundlagenermittlung
Die Grobanalyse und das detaillierte, risikobasierte Studium der Angebotsunterlagen dienen dazu, einen umfassenden Überblick über das Projekt zu gewinnen. Diese allgemeine Beurteilung der Situation muss zu einem möglichst frühen Zeitpunkt durchgeführt werden, also unmittelbar nach der Go-Entscheidung für eine Angebotsbearbeitung. Das Projekt soll aus möglichst vielen verschiedenen Perspektiven analysiert werden, um die ersten und grundsätzlichen Entscheidungen nicht schon am Anfang durch eine einseitige Betrachtungsweise zu beeinflussen (s. Kapitel 9). Für die Durchführung der Analyse stehen dem Unternehmer z.B. die Projektbeschreibung (Allgemeine und Besondere Bestimmungen, Nut-
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
783
zungsplan, geologische Gutachten etc.) sowie Erfahrungswerte und Berichte von früheren Projekten des eigenen Unternehmens mit ähnlichen Aufgabenstellungen zur Verfügung. Die Grundlagenermittlung mit dem risikobasierten Studium der Angebotsunterlagen dient als Basis, um die projektspezifischen Bauverfahrensund Logistikalternativen zu identifizieren und das Projekt gut genug kennen zu lernen, um es in Produktionsabschnitte und Produktionsstufen zu gliedern. Projektstrukturierung
Aufgrund der gewonnenen Projektkenntnisse wird das Projekt in Produktionsabschnitte und -stufen aufgegliedert, z.B. würde man ein Tunnelbauwerk in die geologischen Homogenbereiche mit zugeordneten Ausbrucharten und Sicherungsklassen gliedern sowie in Bauteilabschnitte mit den Produktionsstufen Vortrieb und Ausbau mit Schale, Unterbau, technischer Ausbau; ferner würde man umweltbedingte, geologische Störzonen identifizieren. Ein Hochbauwerk würde man in Roh- und Ausbau gliedern; den Rohbau würde man fertigungstechnisch in die Abschnitte mit horizontalen und vertikalen Bauteilen strukturieren.
Teilabschnitt X
Modulprozesse
Elementarprozesse
Hauptprozess 1
Vortrieb
Ausbruch, Sichern
Hauptprozess 2
Sohle herstellen
Isolieren, Schalen, Bewehren, Betonieren
Hauptprozess 3
Auskleidung des Gewölbes
Isolieren, Schalen, Bewehren, Betonieren
Bild 367: Einteilung der Produktionsabschnitte in Prozesse
Selektion von Bauverfahren und Logistiksystemen
Den identifizierten Produktionsabschnitten und Produktionsstufen werden alle technisch und vertraglich kompatiblen Bauverfahren und Logistikprozesse zugeordnet. Im Tunnelbau würde man z.B. den geologischen Homogenbereichen einzeln die technisch und vertraglich möglichen Bauverfahrens- und Logistikvarianten zuordnen.
784
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Im Hochbau würde man z.B. den horizontalen und vertikalen Bauteilen getrennt die technischen und vertraglich kompatiblen Schalungssysteme zuordnen. Die geschieht getrennt mit der Abschätzung / Überprüfung, welche Verfahren produktionsabschnittsweise optimal wären. Variantenbildung
Nun wird geprüft, welche Bauverfahren und Logistiksysteme produktionsabschnittsübergreifend je Produktionsstufe einen homogenen, aber adaptiven Gesamtprozess ergeben. Im Tunnelbau bedeutet dies z.B., dass in allen Homogenbereichen eine TBM eingesetzt werden kann und sich nur der Umfang an Sicherungsmassnahmen, z.B. Anzahl der Anker, Spritzbetonsicherungsschalenstärke in den verschiedenen Homogenbereichen ändert. Im Hochbau bedeutet dies, dass die Stützendickenänderung mit steigenden Stockwerken mit der gewählten Schalungsvariante mühelos angepasst werden kann. Die wichtigsten Risiko bestimmenden Die wichtigsten risikobestimmenden Merkmale Merkmale Bauverfahrensvarianten von verschiedenen verschiedener Bauverfahrensvarianten
Ausbruchart
Vortriebsmethode
Variante A
Ausbau und Installationen
Variante B
Variante C Bauablauf
Bild 368: Risikobestimmende Einflussfaktoren auf die Bauverfahrensvarianten im Tunnelbau
Im Regelfall sind aufgrund einer teilabschnittsübergreifenden Produktionstechnik meist mehrere Bauproduktionsprozesse möglich. Im Tunnelbau können das z.B. ein konventioneller Sprengvortrieb und ein TBM-Vortrieb sein, im Hochbau die Kombination aus einer Stockwerkbauweise und einer vorlaufenden Bauweise zwischen horizontalen und vertikalen Bauteilen. Dies erreicht man einerseits durch den Einsatz einer Self Climbing Platform (SCP) für die Schächte und Systemträgerdeckentischen für die De-
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
785
cken oder andererseits durch Wand- und Schachtschalungen für die vertikalen Bauteile und Fallkopfkassettenschalungen für die Decken. In die Variantenbildung sind die bauproduktionsabschnitts- und produktionsstufenübergreifenden Logistikprozesse einzubinden. Risikoidentifikation
Der Risikomanagementprozess verläuft nach Kapitel 11.2 in den folgenden Stufen: x x x x
Risikoidentifikation Risikoanalyse mit Bewertung und Klassifizierung Risikobewältigung Risikokosten
Aufgrund der gebildeten Varianten erfolgt der Risikomanagementprozess für die jeweilige Variante. Die Risikoidentifikation wird unterteilt in x umweltbedingte Risiken x bauverfahrensbedingte Risiken Die umweltbedingten Risiken gelten für alle Varianten gleichermassen; zu ihnen gehören beispielhaft: x Tunnelbau: - Varianz der felsmechanischen Kennwerte - Varianz der Homogenbereichslängen - Anzahl der Störzonen - Länge der Störzonen - hydrologische Varianz x Hochbau - Varianz der geotechnischen Kennwerte - Wasserstände Die bauverfahrensbedingten Risiken sind für jede Variante getrennt zu untersuchen. Sie können nochmals unterteilt werden in: x Risiken durch Interaktion von Umwelt und Bauverfahren x bauverfahrenstechnische Risiken Die Risiken durch Interaktion von Umwelt und Bauverfahren werden durch die Umweltrisiken/Umweltungewissheiten ausgelöst. Die Risiken, d.h. die Tragweite dieser Risiken, werden durch die Bauverfahren entscheidend beeinflusst.
786
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Im Tunnelbau kann z.B. eine Kakiritstörzone von 5 bis 6 m Länge einer Tunnelbohrmaschine höchste Schwierigkeiten mit grossen Zeit- und Kostenrisiken verursachen; mit einem konventionellen Vortrieb dagegen kann man die Störzone relativ adaptiv mit vorauseilender Sicherung ohne grosse Risiken durchörtern. Zur Risikoidentifikation werden die in Kapitel 11.2 dargestellten Methoden verwendet. Risikoanalyse und Risikobewältigung
Im Rahmen der Risikoanalyse werden die Risiken getrennt für jede Variante hinsichtlich ihrer zeitlichen und kostenmässigen Auswirkungen bewertet und klassifiziert, und die baubetrieblichen Massnahmen zur Risikobewältigung werden analysiert und gestaltet. In der Risikoanalyse der Bauverfahrensvarianten werden für die Risikoarten, die Hauptrisiken und die Teilrisiken Erwartungswerte sowie untere und obere Grenzwerte abgeschätzt bzw. statistisch oder mittels modifizierter Delphi-Methode ermittelt. Somit werden z.B. in den einzelnen Homogenbereichen eines Tunnels x die Umweltrisiken variiert: - Homogenbereichslänge - Störzonenanzahl und -länge - Geologie bzw. Ausbruch- und Sicherungsklasse x die Technik- und Terminrisiken variiert: - Leistungsvorgaben Vortrieb unter unterschiedlichen geologischen und hydrologischen Bedingungen und Sicherungsanforderungen - Logistikinteraktion mit den nachfolgenden baubetrieblichen Haupt-, Modul- und Elementarprozessen - Robustheit der Leistungen des Bauverfahrens bei Veränderungen der Ausbruchart und Sicherungsklasse Diese Risiken werden pro Bauverfahren und Homogenbereich des Projekts mit folgenden Werten belegt: x Erwartungswert x Maximalwert x Minimalwert Der Erwartungswert wird zur terminlichen und kostenmässigen deterministischen Bestimmung des Bauprogramms und der Kosten genutzt. Dies ist dann für jedes Bauverfahren der deterministische Erwartungswert. Darauf aufbauend werden die unteren und oberen Werte jedes Risikos einge-
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
787
setzt, um die Gesamtkosten bzw. Termine sowie die Streubreite möglicher Kosten- und Terminabweichungen vom Erwartungswert zu bestimmen. Daraus lässt sich die Sensibilität der Bauverfahren in Bezug auf Störungen oder das Auftreten von Risiken ableiten. Risikobasierte Kosten- und Terminanalyse der Varianten
Die risikobasierte Kosten- und Terminanalyse der Varianten erfolgt nach Bild 369 zweistufig für einen x optimalen ungestörten Bauproduktionsprozess, x risikobeeinflussten Bauproduktionsprozess (reine Risikobetrachtung). Die Vorgehensweise wird so gewählt, dass die Termine und Kosten für einen optimalen Produktionsprozess pro Variante mit den jeweiligen Erwartungswerten der Eingangsgrössen für die Zielfunktion der jeweiligen Zielgrösse (Kosten/Termine) deterministisch gebildet werden. Anschliessend werden die Risiken als Zusatzkosten bzw. Zeitverlängerungen pro Ergebnis separat je Variante mit ihren Erwartungswerten und Verteilungsdichten im Rahmen einer Monte-Carlo-Simulation (MCS) ermittelt, und deren probabilistische Mittelwerte/Erwartungswerte werden den deterministischen Erwartungswerten überlagert. Risikobasierte Variantenentscheidung
Die Variantenentscheidung wird aufgrund folgender Determinanten gefällt: x minimaler Erwartungswert der Zielgrössen x geringe Streubreite der Zielgrössen x Robustheit der Zielgrössen gegen Störungen Diese Determinanten der Zielgrössen sind teilweise konkurrenzierend. Der Lösungsansatz muss dann über eine Sensitivitätsanalyse gefunden werden.
“Total”-Werte (inkl.Risiken)
Risikozuschläge
“Optimal”Werte
Abschnittslänge [m]
Abschnittslänge [m]
Projektdaten
Auftretenswahrscheinlichkeit [Anzahl E] 0
0.02
0.04
0.06
0.08
0.1
0.12
0
5
PERT
p
10
15
min most likely max
Mehrkosten durch 1 Ereignis [CHF pro E]
Zeitverzögerung durch 1 Ereignis [d pro E]
Fixkosten [CHF]
Kosten pro m [CHF/m]
Fixdauer [d]
Leistung (optimal) [m/d]
Expertenschätzungen oder Werte aus Datenbanken
20
Anz. E 25
Bild 369: Überblick über die Risikoanalyse in einem Tunnelbauprojekt Sensitivitäten
Projektkosten
¦Risiken
¦Risiken
1
p
-0.2
/B7
/B9
/B5
0 450
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
0
460
0.2
470
0.4
480
0.428
0.491
0.6
490
[d]
0.802
0.8
500
1
510
Mehrkosten [CHF]
re ti
o o e üc
R T re ti
o o o
M S
k h
e o üc
S R
n
h
rb
a
V S
k
h
a l
sta
S
In V S
k
k
le
u
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le
b
e
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le
b
to i
b
b
n
g
u
tC
n
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n
a
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d
e
.S
h
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T
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a
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n
T
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B
h
B
mb
re
h
rA
M
e
rA
e
M
re
u
r
u
r
sb
sb
a
a
u
u
0
0.05
0.1
0.15
0.2
0.25
0.3
0.35
0.4
10
11
12
13
14
15
16
NORMA L
Normal(14; 1)
17
Bauprogramm (optimal)
18
19
s
h
h
k
n
e rti
e
o üc
o o
R
o
S
S
V S M
rb
k
k
üc
R T
a
b h
l e
u
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l e
b
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to i e rti
k
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V S S
In
b
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n
T
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B
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B
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h
rA
M
e
rA
e
M
re
u
r
u
r
sb
sb
a
a
u
u
Bauprogramm (inkl. Risiken)
Sensitivitäten
Projektdauer
p
-0.2
/B7
/B9
/B5
0 450
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1
0
460
Projektdauer t = ... [d]
Rückwirkungen auf die Pauschalkosten
arbeitsschritte
¦Haupt-
s
Kosten (opt.) [CHF]
Kosten (inkl. Risiken) [CHF]
arbeitsschritte
¦Haupt-
Verzögerung [d]
Kosten (opt.) [CHF]
Dauer (opt.) [d]
Werte für die einzelnen Hauptarbeitsschritte
0.2
470
0.4
480
0.428
0.491
0.6
490
[d]
0.802
0.8
500
1
510
788 11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
789
11.3.3 Beispiel – Bauproduktionsselektion Tunnelbau Für ein Tunnelprojekt sollen zwei Varianten x TBM-Vortrieb x konventioneller Vortrieb bezüglich der Termin- bzw. Kostenminimierung untersucht werden. Die beiden Varianten haben sich aus dem vorausgegangenen Prozess der risikoorientierten Bauproduktionsselektion mit x Grundlagenermittlung, x Projektstrukturierung und x Selektion von Bauverfahren und Logistiksystemen ergeben. Dazu wurde für jeden Teilabschnitt eine Liste mit x x x x x
Länge des Teilabschnitts, Dimension des Tunnelquerschnitts, Ausbruchvolumen, Gebirgsklasse und Vortriebsmethoden mit Ausbruchart und Sicherungsmethoden
erstellt. Die Variantenbildung erfolgte durch produktionsabschnittsübergreifende Bauverfahren und Logistiksysteme. Optimaler Erwartungswert der Projektdauer
Die Projektdauer unter optimalen Bedingungen liefert bei der jeweiligen Bauverfahrens- bzw. Bauproduktionsvariante optimale Projektdauererwartungswerte, also ohne Risiken und Störungen. Für jeden Hauptprozess einer Bauverfahrensvariante existieren zwei Tabellenblätter (Bild 370). Dort können die „optimalen“ Leistungswerte der jeweiligen Bauverfahrensvariante für jeden Hauptprozess eingetragen werden. Die Angaben können über Leistungswerte [m pro d] und/oder als Fixdauer [d] einem Hauptprozess zugeordnet werden. Das Feld „Fixdauer“ kann verwendet werden, wenn der gesamte Hauptprozess eine konstante Erstellungsdauer benötigt (unabhängig von der Länge des Teilabschnitts) oder wenn eine gewisse Fixdauer nötig ist, z.B. zum Umsetzen einer Maschine. Im Feld „Optimal“-Dauer wird dann die für die Haupt-, Modul- oder Elementarprozesse die benötigte Zeitdauer [d] berechnet. Die Werte der jeweiligen Bauverfahrensvariante müssen ganz spezifisch den Gegebenheiten des jeweiligen Teilabschnitts angepasst werden, d.h. auf die entsprechende Gebirgsklasse und Vortriebsmethode abgestimmt
790
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
sein. Die nötigen Angaben für Leistungen und Fixdauern sind Erfahrungswerte von Experten, Angaben von Herstellern oder Werte aus Datenbanken. MS Excel 4
NEUTRINO ACCESS GALLERY 150M 4.1
Fixdauer
Vortrieb und Sichern a)
"Optimal"-Werte (ohne Risiken)
Leistung:
[m pro d]
9.4
Kosten pro m:
Leistung
Kosten 1
Fixdauer:
[d pro Abschnitt]
Fixkosten: [CHF pro m]
Kosten1
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 2
[CHF pro m]
Kosten2
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 3
[CHF pro m]
Kosten3
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 4
[CHF pro m]
Kosten4
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 5
[CHF pro m]
Kosten5
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 6
[CHF pro m]
Kosten6
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 7
[CHF pro m]
Kosten7
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 8
[CHF pro m]
Kosten8
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 9
[CHF pro m]
Kosten9
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 10
[CHF pro m]
Kosten10
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 11
[CHF pro m]
Kosten11
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 12
[CHF pro m]
Kosten12
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 13
[CHF pro m]
Kosten13
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 14
[CHF pro m]
Kosten14
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 15
[CHF pro m]
Kosten15
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 16
[CHF pro m]
Kosten16
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 17
[CHF pro m]
Kosten17
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 18
[CHF pro m]
Kosten18
Kosten 19
[CHF pro m]
Kosten19
Kosten 20
[CHF pro m]
Kosten20
[CHF pro m]
Total:
Total:
1'770
1'770
[CHF pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt] 0
[CHF pro Abschnitt]
"Optimal"- Dauer:
16.0
"Optimal"- Kosten:
265'500
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
„Optimal“-Dauer
MS Project
Bild 370: Erstellung des deterministischen Bauprogramms (Optimal)
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
791
Als so genannte Aufgaben werden die definierten Hauptprozesse sowie Modul- und Elementarprozesse, und falls erforderlich, je nach Detaillierungsgrad des Vergleichs die Tätigkeiten eingetragen. Die dazugehörigen „Optimal“-Dauern (Erwartungswert) aus der Tabellenberechnung können hier direkt aufgenommen werden. Wenn die einzelnen Hauptprozesse logisch verknüpft werden, erhält man die gesamte Projektdauer („Optimal“-Dauer) und das „optimale“ Projektende (Erwartungswert). Optimaler Gesamtkostenerwartungswert
Auch das Bauprogramm unter optimalen Bedingungen liefert Kostenerwartungswerte, die bei der optimalen Abwicklung des Projekts, also ohne Risiken und Störungen, bei der jeweiligen Bauverfahrens- bzw. Bauproduktionsvariante auftreten würden. Für die Berechnung der Gesamtkosten werden die Kosten pro m und / oder gewisse Fixkosten für jeden Haupt-, Modul- oder Elementarprozess der jeweiligen Bauverfahrensvariante in das Tabellenblatt eingetragen (Bild 371). Das Ergebnis sind die Werte für die „Optimal“-Kosten des entsprechenden Hauptprozesses. Über eine Summation der „Optimal“-Kosten der einzelnen Hauptprozesse erhält man die „optimalen“ deterministischen Gesamtkosten der jeweiligen Bauverfahrensvariante. Auch die Berechnung der „optimalen“ deterministischen Gesamtkosten kann anhand von Bild 371 nachvollzogen werden. Bei der Berechnung der „optimalen“ Projektdauer wurde die Summation für die verschiedenen Bauverfahrensvarianten über das ganze Projekt im MS Project vollzogen. Bei der Berechnung der „optimalen“ Gesamtkosten hingegen wird die Summation über das ganze Projekt durchgeführt, indem die Kosten der einzelnen Hauptprozesse addiert werden. Diese Summation ist im Schema (Bild 369) durch ein Summenzeichen dargestellt. Nach der Durchführung der Risikoanalyse für jede Bauverfahrensvariante sollen die Risikokosten im Vergleich zu den „Optimal“-Kosten abgeschätzt werden können. Zudem soll daraus hervorgehen, welche Teilrisiken sich am stärksten auf die Totalkosten je Bauverfahrensvariante auswirken, um sie während der Ausführung gezielt im Auge behalten zu können. Bei jedem Projekt werden die variablen und die fixen Kosten berücksichtigt. Die Kosten für Aufsicht (Kader), Verwaltung und Projektmanagement und die allgemeinen Betriebskosten der Baustelle werden als Endzuschlag zusammengefasst und bei diesem Verfahren als Meter-Kosten bei den einzelnen Positionen berücksichtigt.
792
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen MS Excel 4
NEUTRINO ACCESS GALLERY 150M
Fixkosten
4.1 Vortrieb und Sichern a)
"Optimal"-Werte (ohne Risiken)
Leistung:
[m pro d]
9.4
Fixdauer:
Kosten pro m: Kosten 1
Kosten pro m
[d pro Abschnitt]
Fixkosten: [CHF pro m]
Kosten 1
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 2
[CHF pro m]
Kosten 2
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 3
[CHF pro m]
Kosten 3
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 4
[CHF pro m]
Kosten 4
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 5
[CHF pro m]
Kosten 5
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 6
[CHF pro m]
Kosten 6
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 7
[CHF pro m]
Kosten 7
[CHF pro Abschnitt]
Kosten8
[CHF pro m]
Kosten 8
[CHF pro Abschnitt]
Kosten9
[CHF pro m]
Kosten 9
[CHF pro Abschnitt]
Kosten10
[CHF pro m]
Kosten 10
[CHF pro Abschnitt]
Kosten11
[CHF pro m]
Kosten 11
[CHF pro Abschnitt]
Kosten12
[CHF pro m]
Kosten 12
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 13
[CHF pro m]
Kosten 13
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 14
[CHF pro m]
Kosten 14
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 15
[CHF pro m]
Kosten 15
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 16
[CHF pro m]
Kosten 16
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 17
[CHF pro m]
Kosten 17
[CHF pro Abschnitt]
Kosten 18
[CHF pro m]
Kosten 18
Kosten 19
[CHF pro m]
Kosten 19
Kosten 20
[CHF pro m]
Kosten 20
[CHF pro m]
Total:
Total:
1'770
1'770
[CHF pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt] 0
[CHF pro Abschnitt]
"Optimal"-Dauer
16.0
"Optimal"-Kosten
265'500
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
„Optimal“-Kosten Totalkosten Projektvariante A (1 TBM, 1 TSM) "Optimal"-Kosten INSTALLATIONSPLATZ Installationen (inkl. Pauschalkosten) Material und Ausrüstung Rückbau Shaft PGCN 56 m Vortrieb und Sichern Sekundäre Auskleidung Kaverne Schachtfuss Ausbau Schacht und Kaverne TBM Montage der TBM Demontage der TBM Neutrino Access Gallery 150 m Vortrieb und Sichern Sohle Sekundäre Auskleidung Neutrino Access Gallery 620 m
"Gesamt"-Kosten pro Abschnitt
"Risiko"-Kosten
10'824'000 2'000'000 300'000
CHF CHF CHF
0 0 0
CHF. CHF CHF
10'824'000 2'000'000 300'000
CHF CHF CHF
632'800 84'000 51'000 65'000
CHF CHF CHF CHF
111'667 37'500 89'000 84'000
CHF CHF CHF CHF
744'467 121'500 140'000 149'000
CHF CHF CHF CHF
0 0
CHF CHF
85'667 73'667
CHF CHF
85'667 73'667
CHF CHF
265'500 78'000 70'500
CHF CHF CHF
126'967 0 153'667
CHF CHF CHF
392'467 78'000 224'167
CHF CHF CHF
Vortrieb und Sichern Sohle Sekundäre Auskleidung Hilfsstollen 100 m Vortrieb und Sichern Definitive Auskleidung und Verschluss Proton Beam Tunnel 595 m Vortrieb und Sichern Sohle Sekundäre Auskleidung Target Chamber 123 m
1'587'200 297'600 341'000
CHF CHF CHF
589'597 0 108'333
CHF CHF CHF
2'176'797 297'600 449'333
CHF CHF CHF
260'000 110'000
CHF CHF
125'231 0
CHF CHF
385'231 110'000
CHF CHF
1'547'000 654'500 357'000
CHF CHF CHF
401'981
Vortrieb (mit TBM) u. prov. Sicherung Aufweitung (mit TSM) und Sicherung Sohle Sekundäre Auskleidung Decay Tunnel 995 m Vortrieb und Sichern Sohle
910'200 1'420'650 356'700 516'600
CHF CHF CHF CHF
1'611'900 1'611'900
CHF CHF
976'811 CHF 0 CHF
25'953'050 CHF
3'861'628 CHF
Total (ganzes Projekt)
CHF 0 Fr. 185'537 Fr.
0 Fr. 527'004 Fr. 0 Fr. 185'000 Fr.
"Gesamt"-Kosten pro Abschnitt 13'124'000
CHF
1'154'967
CHF
159'333
CHF
694'633
CHF
2'923'731
CHF
495'231
CHF
3'146'018
CHF
1'948'981 CHF 654'500 Fr. 542'537 Fr.
„optimale“ Gesamtkosten
3'916'154
Fr.
4'200'611
Fr.
910'200 Fr. 1'947'654 Fr. 356'700 Fr. 701'600 Fr.
2'588'711 1'611'900
einschl. Vertragsstrafen für [d] 11.8
CHF CHF
29'814'678 CHF 30'406'344 CHF
Bild 371: Berechnen der deterministischen Gesamtkosten (optimal)
Bewertung und Gewichtung der Teilrisiken
Welche Input-Werte für die Gesamtrisikobewertung jeder Bauverfahrensvariante nötig sind, erkennt man in Bild 369; es sind dies die Zeitverzögerung durch ein Ereignis, die Mehrkosten durch ein Ereignis und die Eintretenswahrscheinlichkeit des Ereignisses.
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
793
Bei der Risikobewertung wird jedes gefundene Teilrisiko zuerst bezüglich seiner Tragweite (T) quantifiziert, um für alle weiteren Berechnungen immer von definierten Mehrkosten [CHF] und Zeitverzögerung [d] ausgehen zu können. Bei der Berechnung der Mehrkosten müssen drei Aspekte berücksichtigt werden: x Durch das Eintreten des negativen Ereignisses entsteht ein primärer Schaden (z.B. Kosten für das Ersetzen eines defekten Getriebes der TBM). x Durch das Eintreten des negativen Ereignisses entsteht meistens eine Zeitverzögerung, die Kosten verursacht (z.B. Personal, Miete von Geräten usw.) x Die durch das negative Ereignis verursachte Verzögerung muss in vielen Fällen wieder aufgeholt werden; somit entstehen Beschleunigungskosten. Die effektive Zeitüberschreitung des Gesamtprojekts kann erst am Schluss ermittelt werden und wird dann als wahrscheinlichkeitsverteilte Terminüberschreitung rückwirkend in die Kostenberechnung integriert. Die Risiken in der erstellten Liste der Teilrisiken je Bauverfahrensvariante werden durch Tragweite mit Schadenshöhe [CHF] und Verzögerung [d] quantifiziert. Dann werden alle Teilrisiken in Tabellenblätter eingetragen (Bild 372). Es stehen dafür jeweils auf dem zweiten Tabellenblatt (Bild 373) die Zellen Teilrisiko-Nr., Zeitverzögerung durch ein Ereignis und Mehrkosten durch ein Ereignis zur Verfügung. Alle Angaben beziehen sich immer auf den betreffenden Projektabschnitt. Quantifizierung der Teilrisiken bei Vortrieb und Sichern mit TBM Teilrisiko Nr.
Ursache
Risiko
Massnahmen
Tragweite eines Ereignisses Kosten
Zeit
1
Fehlplanung durch Unternehmer / Maschinenlieferant
2
Zu weicher Fels
Lieferungsverzögerung Programm umstellen; der TBM; verspätete konventioneller VorBereitstellung trieb / Durchlaufbetrieb Absinken des Bohrkopfes
3
Bild 372: Quantifizierung der Teilrisiken
Injektionen
10d
100'000 CHF
2d
130'000 CHF
794
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Quantifizierung der Tragweite der Teilrisiken b)
Risikozuschläge Ereignisse (E) mit negativen Folgen: Teilrisiko 1 Teilrisiko 2 Teilrisiko 3 Teilrisiko 4 Teilrisiko 5 Teilrisiko 6
Zeitverzögerung durch 1 Ereignis: Mehrkosten durch 1 Ereignis: Anzahl E pro Abschnitt: (@risk-Wahrscheinlichkeitsverteilung) Zeitverzögerung: Mehrkosten
13
14
15
16
18
19
2.0 30'000
0.3 10'000
1.0 30'000
1.0 40'000
5.0 180'000
20.0 1'000'000
0.67
0.50
0.22
0.53
0.01
0.01
1.3 20'000
0.2 5'000
0.2 6'500
0.5 21'333
0.1 2'100
0.2 10'053
[d pro E] [CHF pro E] [E pro Abschnitt] [d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
Teilrisiko 7 Teilrisiko 8 Teilrisiko 9 Teilrisiko 10 Teilrisiko 11 Teilrisiko 12
Zeitverzögerung durch 1 Ereignis Mehrkosten durch 1 Ereignis Anzahl E pro Abschnitt: (@risk-Wahrscheinlichkeitsverteilung) Zeitverzögerung: Mehrkosten:
20
24
27
10.0 300'000
0.0 50'000
10.0 170'000
0.01
0.43
0.22
0.1 3'480
0.0 21'667
2.2 36'833
[d pro E] [CHF pro E] [E pro Abschnitt] 0.0 0
0.0 0
0.0 0
Verzögerungen im ganzen Abschnitt (durch Risiken): Mehrkosten im ganzen Abschnitt (durch Risiken):
c)
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
4.8 126'967
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
20.8 392'467
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
"Gesamt"-Werte ("optimal"-Werte plus "Risiko"-Werte) Dauer für ganzen Abschnitt (einschl. Risiken): Kosten für ganzen Abschnitt (einschl. Risiken):
Bild 373: Ermittlung der Risikokosten bzw. Zeitverzögerung sowie der Gesamtkosten und Herstellungsdauer je Homogenabschnitt
Dem Umstand, dass nicht jedes Risiko genau einmal und mit genau der definierten Tragweite eintritt, wird Rechnung getragen, indem die Tragweite des Risikos mithilfe einer PERT-Verteilung angegeben wird. Dies entspricht der Gewichtung des Ereignisses. PERT (0; 0.5; 4) 0.7
0.6
0.5
0.4
0.3
0.2
0.1
0 0
0.5
min.
most likely
1
1.5
2
2.5
3
3.5
Bild 374: PERT-Verteilung für ein Beispielrisiko
4
max.
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
795
Für jedes Risikoereignis sind deshalb pro betrachteten Teilabschnitt drei Schätzwerte für die Tragweite notwendig: x minimaler Wert in diesem Homogenbereich (min) x Risikoerwartungswert in diesem Homogenbereich (most likely) x maximaler Wert in diesem Homogenbereich (max.) Auch hier ist wieder zu beachten, dass sich alle Angaben auf die jeweiligen Risiken der Bauverfahrensvariante im betreffenden Teilabschnitt beziehen.
b)
Risikozuschläge Ereignisse (E) mit negativen Folgen: Teilrisiko 1 Teilrisiko 2 Teilrisiko 3
Zeitverzögerung durch 1 Ereignis: Schadenskosten durch 1 Ereignis: Anzahl E pro Abschnitt: (@risk-Wahrscheinlichkeitsverteilung) Zeitverzögerung: Risikokosten
Mittelwert der PERT-Verteilung min., most6 Teilrisiko 4 aus Teilrisiko 5 Teilrisiko likely, max. 16 18 19
13
14
15
2.0 30'000
0.3 10'000
1.0 30'000
1.0 40'000
5.0 180'000
20.0 1'000'000
0.67
0.50
0.22
0.53
0.01
0.01
1.3 20'000
0.2 5'000
0.2 6'500
0.5 21'333
0.1 2'100
0.2 10'053
[d pro E] [CHF pro E] [E pro Abschnitt] [d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
Teilrisiko 7 Teilrisiko 8 Teilrisiko 9 Teilrisiko 10 Teilrisiko 11 Teilrisiko 12
Zeitverzögerung durch 1 Ereignis Mehrkosten durch 1 Ereignis Anzahl E pro Abschnitt: (@risk-Wahrscheinlichkeitsverteilung) Zeitverzögerung: Risikokosten
20
24
27
10.0 300'000
0.0 50'000
10.0 170'000
0.01
0.43
0.22
0.1 3'480
0.0 21'667
2.2 36'833
[d pro E] [CHF pro E] [E pro Abschnitt] 0.0 0
0.0 0
0.0 0
Verzögerungen im ganzen Abschnitt (durch Risiken): Risikokosten im ganzen Abschnitt (durch Risiken):
c)
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
4.8 126'967
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
20.8 392'467
[d pro Abschnitt] [CHF pro Abschnitt]
"Gesamt"-Werte ("optimal"-Werte plus "Risiko"-Werte) Dauer für ganzen Abschnitt (einschl. Risiken): Kosten für ganzen Abschnitt (einschl. Risiken):
Bild 375: Eintragung der Risikoverteilung (min., most likely, max.)
Terminprogramm unter Berücksichtigung der Risiken: Mittels Monte-Carlo-Simulation berechnet man aus den einzelnen Zeitverzögerungen durch Teilrisiken die Verzögerung für jeden Hauptarbeitsschritt. Man erhält also für die Zeitverzögerung pro Hauptarbeitsschritt wieder eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Die „Optimal“-Erwartungswerte der Hauptprozesse werden nun zu den wahrscheinlichkeitsverteilten Erwartungswerten der Verzögerungen addiert, allerdings mit der Verteilungsdichte (Bild 376).
796
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Bild 376: Ablauf der Berechnung der probabilistischen Gesamtprojektdauer einer Variante (einschl. Risiken)
Die Verteilung der Output-Werte nähert sich einer Normalverteilung; dies umso genauer, je mehr verschiedene Teilrisiken berücksichtigt wurden. Deshalb werden die Output-Werte durch eine Normalverteilung modelliert und so wieder als Input-Werte im MS-Project verwendet. MS-Project berechnet jetzt mithilfe einer zweiten Monte-Carlo-Simulation die ganze Projektdauer neu, unter Berücksichtigung der Risikoszenarien (Bild 376).
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
797
Schliesslich erhält man als Resultat die neue Projektdauer (einschliesslich Risiken) und beliebig viele weitere Resultate von Teilabschnitten oder Hauptprozessen. Diese Resultate sind wiederum wahrscheinlichkeitsverteilt und lassen deshalb viel genauere Schlüsse über die bestehende Risikosituation zu. Berechnung der Gesamtkosten unter Berücksichtigung der Risiken
Die Berechnung der Gesamtkosten unter Berücksichtigung der wahrscheinlichkeitsverteilten Risikokosten wird für jede Bauverfahrensvariante durchgeführt (Bild 377). Den optimalen Kosten z.B. der einzelnen Teilabschnitte, die die deterministischen Erwartungswerte des optimalen Bauablaufs repräsentieren, werden die probabilistischen Risikokosten, die durch mögliche umwelt- und baubetriebsbedingte Risiken entstehen, z.B. pro Teilabschnitt überlagert. Die Überlagerung erfolgt über die Erwartungswerte der deterministischen optimalen Kosten und der probabilistischen Risikokosten (Bild 377). Da durch die Berechnung des Bauprogramms das wahrscheinlichkeitsverteilte Projektende bekannt ist, kann jetzt die Terminüberschreitung berechnet werden. Auch die Terminüberschreitung ist wieder mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung hinterlegt. Wenn für die Terminüberschreitung eine Konventionalstrafe bezahlt werden muss, ist dies in der Berechnung der Gesamtkosten zu berücksichtigen. Man erhält so eine vom Bauprogramm abhängige Kostenpauschale. Interessant dabei ist, dass eine Terminverzögerung nicht nur Mehrkosten infolge der zu bezahlenden Vertragsstrafen verursacht, sondern dass zusätzliche „Risiko“-Kosten entstehen. In Bild 369 ist dieser Effekt mit dem gestrichelten Pfeil „Rückwirkungen auf die Pauschalkosten“ dargestellt. Mithilfe einer Regressionsberechnung können die Sensitivitäten der einzelnen Teilrisiken berechnet werden. So kann bestimmt werden, wie stark die Auswirkungen der Teilrisiken auf die Gesamtkosten oder die Projektdauer sind. Je grösser der Regressionskoeffizient eines Teilrisikos ist, desto grösser ist dessen Einfluss auf das Gesamtresultat.
798
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Bild 377: Ablauf der Berechnung der probabilistischen Gesamtprojektkosten einer Variante (einschl. Risiken)
Da durch die Berechnung des Bauprogramms das wahrscheinlichkeitsverteilte Projektende bekannt ist, kann jetzt die Terminüberschreitung berechnet werden. Auch die Terminüberschreitung ist wieder mit einer Wahrscheinlichkeitsverteilung hinterlegt. Wenn für die Terminüberschreitung eine Konventionalstrafe bezahlt werden muss, ist dies in der Berechnung der Gesamtkosten zu berücksichtigen. Man erhält so eine vom Bauprogramm abhängige Kostenpauschale. Interessant dabei ist, dass eine Terminverzögerung nicht nur Mehrkosten in-
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
799
folge der zu bezahlenden Vertragsstrafen verursacht, sondern dass zusätzliche „Risiko“-Kosten entstehen. In Bild 369 ist dieser Effekt mit dem gestrichelten Pfeil „Rückwirkungen auf die Pauschalkosten“ dargestellt. Mithilfe einer Regressionsberechnung können die Sensitivitäten der einzelnen Teilrisiken berechnet werden. So kann bestimmt werden, wie stark die Auswirkungen der Teilrisiken auf die Gesamtkosten oder die Projektdauer sind. Je grösser der Regressionskoeffizient eines Teilrisikos ist, desto grösser ist dessen Einfluss auf das Gesamtresultat. Gesamtbeurteilung von Kosten und Zeit
Beurteilung der durchgeführten Berechnungen Alle Resultate der verschiedenen Berechnungen für die Bauverfahrensvarianten stehen nun zur Verfügung und müssen ausgewertet und beurteilt werden. Je nach Projekt sind entweder nur die Aussagen über das Projektende, die Projektdauer und die Projektkosten von Interesse, oder es sollen auch einzelne Projektabschnitte des Bauwerks ausgewertet und verglichen werden. Selbst wenn genaue Analyseresultate bezüglich einzelner Teilabschnitte verlangt werden, wird der zusätzliche Rechenaufwand deshalb kaum grösser. Bevor mit der Interpretation der Resultate begonnen wird, sollte man sich darüber Gedanken machen, ob sie grundsätzlich richtig ermittelt wurden. Es stellen sich dabei folgende Fragen: x War das Berechnungsmodell für das Projekt geeignet? x Mussten aufgrund mangelnder Erfahrungswerte zu unsichere Annahmen getroffen werden? x Wurden die Annahmen tatsächlich wertungsfrei getroffen? x Waren der Person, die die Risikoberechnung durchgeführt hat, alle Teilschritte der Berechnung klar? x Wurden die nötigen Vereinfachungen sinnvoll vorgenommen? x Wurden Aspekte vergessen, die man in einem zweiten Durchgang der Risikoberechnung noch berücksichtigen müsste? x Sind die wichtigsten Resultate plausibel? All diese Fragen müssen für jede Projekt- bzw. Bauverfahrensvariante beantwortet werden. Falls man zum Schluss kommt, dass die bisherigen Berechnungen zuverlässig sind, kann man zur Auswertung des Zahlenmaterials und zur Beurteilung der Varianten übergehen.
800
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Auswertung des Datenmaterials Zur Interpretation der Resultate stehen verschiedenen Darstellungsformen der Output-Daten zur Beantwortung unterschiedlicher Fragestellungen zur Verfügung: Wahrscheinlichkeitsdichte: Alle möglichen Ereignisse werden auf der Abszisse (z.B. Schadenshöhe, Projektdauer oder Endtermin) aufgetragen. Die Ordinate beschreibt die zu diesen Werten gehörenden Wahrscheinlichkeiten.
Wahrscheinlichkeitsdichte 0.2
Modalwert x = 6.99: Mittelwert (mean) x = 6.50:
0.15 0.1 0.05 Mio. €
0 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
6.50 6.99
Bild 378: Wahrscheinlichkeitsdichte von Kosten/Projektdauer mit Modalwert und Mittelwert
In einer Wertmenge ist der Modalwert der häufigste Wert; in der Wahrscheinlichkeitsdichte ist es der Wert, bei dem die Funktion das Maximum erreicht. Er ist für die Interpretation der Ergebnisse von geringer Bedeutung, denn es interessiert nicht in erster Linie, wie viele Ereignisse es gibt, die ganz genau die gleiche Schadenshöhe verursachen. Der Mittelwert hingegen sagt aus, welches die durchschnittlichen Risikokosten bzw. Projektkosten sind. Der Durchschnitt (arithmetisches Mittel) wird über alle Ereignisse gebildet. Es werden also sowohl die extremen Maxima als auch die extremen Minima berücksichtigt. Der Mittelwert ist für die gesamtheitliche Beurteilung einer Situation oder eines Portfolios ein wichtiger Parameter. Aus der Wahrscheinlichkeitsdichte können die Varianz und Streubreite vom Erwartungswert als wichtige Vergleichsparameter der Varianten untereinander ermittelt werden. Der Median (Zentralwert) stellt den „mittleren“ Wert dar. Er kann ermittelt werden, indem alle vorkommenden Werte sortiert werden. In der Summenkurve (Verteilungsfunktion) findet man ihn, indem man beim 50 %-Wert der Ordinate den entsprechenden Wert der Abszisse abliest.
11.3 Risikobasierte Bauproduktionsselektion
801
Verteilungsfunktion 1 0.8
0.76
Median (Zentralwert) x = 6.62:
0.6
0.5
0.4 0.2 0
Mio. € 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
6.62 8.10
Bild 379: Verteilungsfunktion für Kosten/Projektdauer mit unterschiedlichen probabilistischen Aussagen – Median in der Verteilungsfunktion
Variantenentscheidung
Ein aussagekräftiges Analyseresultat erhält man beim Vergleich mehrerer Varianten (Bild 380). f(K) Variante 1
V V1
Wahrscheinlichkeitsdichte
V V1
V V2
V V2
Variante 2 Risikokosten K [€]
F(K) 95 %
Variante 1 Variante 2
Verteilungs50 % funktion
Risikokosten K [€]
5%
K 5V1 K 5V2
V1 KM V2 KM
V1 K 95 V2 K 95
Bild 380: Kostenanalyse eines Variantenvergleichs
Ein wichtiger Punkt bei der Beurteilung von Varianten ist die Kontrolle, ob die im Schritt 1 definierten Go-Kriterien erfüllt sind. Es darf keine Variante gewählt werden, die den Go-Kriterien widerspricht. Durch die Auseinandersetzung mit dem Projekt entwickelt man mit der Zeit automatisch
802
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
subjektive Präferenzen für eine Variante. Diese ungewollte und unbegründete Abweichung von den Zielen soll vermieden werden. Die vorgegebenen Wunsch- und Mussziele und die Kosten- und Terminziele müssen also erfüllt sein. Wenn das Datenmaterial ausgewertet ist und verschiedene Aussagen zu den einzelnen Varianten gemacht werden können, muss überprüft werden, welche Variante die beste ist. Meist ist dies anhand der vorliegenden Resultate offensichtlich (Bild 380). Falls zwei Varianten ähnlich gut sind, entscheidet die Unternehmensstrategie darüber, welche bevorzugt wird. Aus der Wahrscheinlichkeitsdichte (Bild 380, oben) erkennt man, dass x der Mittelwert (Erwartungswert) der Variante 1 kleiner ist als der der Variante 2, x die Standardabweichung der Variante 2 viel grösser ist als die der Variante 1, x die maximalen Gesamtkosten der Variante 1 geringer sind als die der Variante 2, x die minimale Gesamtkosten der Variante 2 kleiner sind als die der Variante 1. Aus der Höhe der Standardabweichung kann man schliessen, dass die Variante 1 weniger kostensensibel (weniger Streuung) als die Variante 2 ist; zudem ist der Medianwert der Variante 1 kleiner. Daher würde man Variante 1 wählen, um ein kostenoptimales, robustes Ergebnis zu erzielen. Die eigentliche Risikoanalyse ist mit der Beurteilung der Varianten abgeschlossen. Die Risikobehandlung wird hier trotzdem noch erwähnt, da man sich schon zu diesem Zeitpunkt darüber Gedanken machen sollte, wie man mit den in der ausgewählten Variante verbleibenden Risiken umgehen wird. Jede Variante, auch die Best-Variante, beinhaltet gewisse Risiken.
11.4 Praxistauglichkeit des Verfahrens Die risikobasierte Bauproduktionsselektions-/Bauverfahrensvariantenvergleichsmethode hat bei der Anwendung in Tunnelbauprojekten gute Resultate geliefert. Die Aussagen über die Projektkosten und Projektdauer sind plausibel und können begründet werden. Gegenüber den bisherigen Methoden ist ein Umdenken nötig, insbesondere bei der Trennung zwischen „Optimal“-Werten und „Risiko“-Werten. Zudem sind der Umgang und die richtige Interpretation von wahrscheinlichkeitsverteilten Resultaten für viele Anwender neu.
11.4 Praxistauglichkeit des Verfahrens
803
Durch vorbereitete Tabellenblätter können die nötigen Input-Werte relativ schnell und ohne grösseren Bearbeitungsaufwand aufgenommen werden. Der Aufwand ist eventuell etwas grösser als bisher, trotzdem hält er sich im Rahmen. Ein grosser Vorteil liegt darin, dass nachträgliche Änderungen der Input-Werte sehr schnell vorgenommen werden können. Das neue Resultat steht sofort zur Verfügung. Die risikobasierte Bauproduktionsselektions-/Bauverfahrensvariantenvergleichsmethode kann flexibel eingesetzt und je nach Komplexität des Projekts beliebig vereinfacht oder ausgebaut werden. Einige vorbereitende Arbeiten können beispielsweise abgekürzt oder detaillierter ausgeführt werden. Es ist möglich, Teilaspekte des Projekts ohne Mehraufwand genauer zu analysieren. So können die einzelnen Arbeitsvorgänge noch in weitere Arbeitsschritte aufgeteilt werden, um die Genauigkeit der Berechnung zu erhöhen. Dabei ist zu beachten, dass die Struktur des Projektes nicht feiner gegliedert ist, als die zur Verfügung stehenden Input-Werte. Die klar strukturierte Vorgehensweise ermöglicht es, dass mehrere Projektbearbeiter gleichzeitig am selben Projekt arbeiten können, z.B. getrennte Teams je Variante, ohne dass Überschneidungsprobleme entstehen. Die verschiedenen Teilrisiken werden definiert und nicht untereinander vermischt. Objektive und subjektive Beurteilungen werden strikt getrennt. Der Aufbau der Analyse ermöglicht einen guten Überblick über das Gesamtprojekt. Am Anfang definierte Projektziele werden am Schluss kontrolliert. Die Go-/No-Go-Entscheidung basiert auf begründeten und festgelegten Kriterien. Die Beurteilung eines Projekts nach dem „standardisierten Risikoanalyseverfahren“ ist auch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar und für Aussenstehende verständlich. Durch die genauere Analyse kann der Unternehmer bei gleichem Gewinn ein tieferes Angebot unterbreiten und so die Chance für den Auftrag erhöhen. Ein anderer, ebenso wichtiger Vorteil ist die genaue Auseinandersetzung mit den Risiken. Erkannte Risiken bergen ein viel geringeres Gefahrenpotenzial. Besonders wichtige Risiken („kritische Punkte“) werden systematisch erfasst, überwacht und gesteuert. Durch das Vergleichen von Varianten können Vor- und Nachteile verschiedener Baumethoden systematisch ermittelt werden. Der Variantenvergleich dauert bei grösseren Projekten pro Variante ca. zwei Tage mit jeweils ein bis zwei Mitarbeitern. Das Verhältnis Aufwand zu Nutzen ist damit bei Grossprojekten optimal.
804
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
Verwendete Software: Neben den von Microsoft entwickelten und vertriebenen Programmen MSExcel© und MS-Project© wird zur Durchführung der Risikoanalyse zusätzlich Simulationssoftware für die Monte-Carlo-Simulation benötigt [11-29].
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806
11 Risikomanagement in Bauprojekten und Bauunternehmen
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12 Risikobewusstes Projektcontrolling
12.1 Einleitung Bauunternehmen erstellen Grossprojekte entweder allein oder in Form von Arbeitsgemeinschaften (ARGE) und übernehmen dabei in einem vergleichsweise hohen Mass Baurisiken gegenüber dem Auftraggeber (Termin-, Kosten-, Fertigstellungs-, aber auch Funktionalitätsrisiken etc.) [12-9]. Nicht erkannte oder falsch eingeschätzte Projektrisiken stellen für das Bauunternehmen bzw. die ARGE-Partner eine teilweise existenzbedrohende Gefahr dar, da sie u.a. aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung im Fall der ARGE auch für Fehler der Partner herangezogen werden können. Daher gilt es, Projektrisiken bereits in der Angebotsbearbeitung zu identifizieren und zu bewerten sowie im Falle einer Auftragserteilung kontinuierlich zu überprüfen und neu zu beurteilen [12-8]. Dazu kann in der Praxis ein um die Risikokomponente erweitertes Projektcontrolling im Leistungserstellungsprozess (Bild 381) als zielorientierte Managementfunktion dienen, das sich von der Akquisitionsphase bis hin zur Übergabephase erstreckt. Das um das Risikocontrolling erweiterte Projektcontrolling umfasst neben Planung und kontrollierter Steuerung von Terminen, Arbeitsfortschritt und Kosten eines Projekts auch die Identifizierung, Bewertung, Klassifizierung, Bewältigung und Kontrolle der operativen Risiken, die mit der Abwicklung eines einzelnen Bauvorhabens verbunden sind. Dadurch lassen sich jederzeit der Projektablauf hinsichtlich Leistungserbringung und der Kostenanfall im Rahmen der geplanten Zielvorgaben sicherstellen sowie Prognosen über den weiteren Verlauf aufstellen. Das Risikocontrolling arbeitet dabei voraussehend und fungiert als wirksames Frühwarnsystem gegenüber möglichen negativen Einwirkungen im Projektablauf.
808
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Bild 381: Controllingprozess im Leistungserstellungsprozess
12.2 Controllingfacetten Controlling als betriebswirtschaftliche Aufgabe hat seinen Ursprung in der Praxis amerikanischer Unternehmen. Die Schwerpunkte des Controllings lagen dabei in der Buchhaltung, der Finanzplanung, der Kostenrechnung und der Kalkulation. Heute werden die Aufgaben des Controllings umfassender definiert. Es beinhaltet nicht nur die Kontrolle, sondern auch die Lenkung, Steuerung und Regelung und umfasst damit den gesamten Regelkreis Planen – Organisieren – Realisieren – Kontrollieren. Das moderne Controlling ermöglicht es dem Projektmanagement, das Projekt durch Planung zielorientiert an Veränderungen anzupassen und die dazu erforderlichen Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Weit verbreitet, aber nicht unumstritten ist die Definition des Controllings von HORVÁTH [12-10] (Bild 382). Das Controlling(system) gehört zu den kybernetischen Supportprozessen im Bauunternehmen und ist ein Subsystem der Führung, aber nicht die Führung (beispielsweise Unternehmensleitung) selbst. Die Führung koordiniert durch die Primärkoordination den Leistungserstellungsprozess. Das Controlling(system) koordiniert das Informationsversorgungssystem (im Wesentlichen das betriebliche Rechnungswesen) mit dem Planungs- und Kontrollsystem (die Planung und Kontrolle der Prozesse). Das Controlling hat keinen unmittelbaren Einfluss auf den Leistungserstellungsprozess. Es
12.2 Controllingfacetten
809
verknüpft die Informationsversorgung (Rechnungswesen) mit der Planung und Kontrolle. Dabei initiiert das Controllingsystem diese Prozesse und ist für die laufende Verknüpfung zuständig. Vereinfacht dargestellt soll das Controlling im Rahmen der Supportprozesse unterstützend tätig werden und Entscheidungshilfen für die Unternehmensleitung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben erarbeiten. Führungssysteme Zielsystem
Controllingsystem
Planungs- und Kontrollsystem
Informationsversorgungssystem
Sekundärkoordination
Primärkoordination
Ausführungssystem Leistungserstellungsprozesse
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
GenehmiAVOR/ gungen + Ausführungs- Produktionsplanung planung
Information/ Dokumentation
Bauausführung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Controlling/ Recht/
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Angebotsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse Geldfluss
Bild 382: Koordinationsaspekte des Controllings [12-10]
In der Literatur wird zwischen dem strategischen Unternehmenscontrolling, dem operativen Unternehmenscontrolling und dem Projektcontrolling unterschieden (Bild 383). Das strategische und operative Controlling begleitet den strategischen Planungsprozess und die Strategieumsetzung durchgängig und überprüft deren Vollzug und Richtung. In Bild 383 sind die zwei Kreisläufe zum strategischen und zum operativen Controlling der Strategieumsetzung dargestellt. Die beiden Kreisläufe überschneiden sich bei der Umsetzung der in der Regel für fünf Jahre vorgegebenen strategischen Ziele in jährliche strategische Zielvorgaben, deren Erfüllung durch operative Kontrollgrössen gemessen werden kann.
810
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Strategisches Controlling - Diskontinuitätenmanagement - Strategische Prämissenkontrolle - Controlling der Kontrollgrössen der BSC (Durchführungscontrolling I)
Strategische Prämissen
Strategische Planung
Strategische Umfeld-/Unternehmensanalyse
Strategische Zielvorgaben (BSC), z.B. jährlich Operative Umsetzung (BSC)
Operative Planung
Rückkopplung
Strategische Ziele (ca. 5 Jahre)
Operatives Controlling - Controlling der Kontrollgrössen der BSC (Durchführungscontrolling II)
Bild 383: Zwei Controllingkreisläufe zum Controlling der Strategieumsetzung
Das strategische und das operative Controlling bestehen aus vier Hauptaufgaben: Das Diskontinuitätenmanagement für die ungerichtete Informationsbeschaffung verfolgt das Ziel, ähnlich einem Radar so genannte „schwache“ Signale für Umfeldveränderungen, die für die Strategieentwicklung bzw. -anpassung relevant sein könnten, einzufangen. Die zweite Aufgabe umfasst die strategische Prämissenkontrolle. Neben der Entwicklung der Prämissen ist auch zu überprüfen, ob die ausgewählten Prämissen nach wie vor für die zukünftige Strategieentwicklung und -anpassung relevant sind. Die dritte Aufgabe besteht im strategischen Controlling der Kontrollgrössen der Balanced Scorecard (BSC) im Rahmen des Durchführungscontrollings I. Controllinggegenstand sind die eher abstrakt gehaltenen Kontrollgrössen auf der obersten Unternehmensebene.
12.2 Controllingfacetten
811
Als vierte Aufgabe ist das operative Controlling der Kontrollgrössen der BSC, das so genannte Durchführungscontrolling II, anzusehen. Controllinggegenstand sind die aus den eher abstrakt gehaltenen Kontrollgrössen der obersten Unternehmensebene abgeleiteten operativen Kontrollgrössen für die BSC der unteren Unternehmensebenen. In Bild 384 ist der prinzipielle Ablauf der strategischen Planung, unterteilt in die kurzfristige und die mittel- bis langfristige Planung, über einen Zeitraum von neun Jahresperioden dargestellt. Die kurzfristige strategische Planung erfolgt jährlich mithilfe der BSC. Die mittel- bis langfristige strategische Planung, die die Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien umfasst, wird für einen Zeitraum von fünf Jahren aufgestellt. Nach drei Jahren überprüfen die Geschäftsleitung und der Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat die Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien und formulieren sie ggf. neu, wiederum mit einem strategischen Zielhorizont von fünf Jahren. Im unteren Abschnitt von Bild 384 ist die Wirkung von Prämissenänderungen und Diskontinuitäten auf die strategische Planung aufgezeigt. Jede Änderung der umfeld- und unternehmensbezogenen Randbedingungen kann zu einer Abweichung vom geplanten, durch die strategische Planung definierten Geschäftsablauf führen. Aufgabe der kurzfristigen strategischen Planung ist es, schnell auf diese Änderungen zu reagieren, um den ursprünglichen Kurs beizubehalten. Steht nach drei Jahren die Überprüfung der mittel- bis langfristigen strategischen Planung an, müsssen sämtliche Prämissenänderungen und Diskontinuitäten, die im Rahmen des operativen und strategischen Controllings identifiziert wurden, in den aktualisierten Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategien adäquat berücksichtigt werden. Es wird also laufend versucht, die Frage „Tun wir das Richtige?“ zu beantworten. Dabei sind für ein Bauunternehmen folgende Bereiche zu betrachten: x Marktpolitik (Kunden, anzubietende Spezialitäten, Prognosen) x Personalpolitik (Kader, Einsatz, Beschäftigung) x Investitionspolitik (Maschinenpark, Immobilien) Das strategische Controlling lässt sich heute durch die Balanced Scorecard (BSC) instrumentalisieren. Je nach Rechtsform des Unternehmens ist der Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat oder der Geschäftsführer für die Ausgestaltung und Durchführung zuständig.
Betrachtungst0 zeitpunkt
Umsatz / (Gewinn) der SGE
t0
Basisanalyse t0 der SGE
t1
t1
t3
t4
t2
t3
t4
igen mittel-/langfrist Ziele aus der ng t0 nu Pla en ch strategis
t2
Strategischer Zielhorizont t0
Kurzfristige strategische Planung Jahresplanung der BSC
t6
t7
t8
t5
t6
t7
t8
t9
t9
Strategischer Zielhorizont t6
n tige gfris /lan g t 6 le t n mit nu der en Pla aus ch Ziele trategis s tigen ngfris a /l lte it t m g 3 n r u e aus d chen Plan Ziele gis te a tr s
t5
Strategischer Zielhorizont t3
Mittel- bis langfristige strategische Planung - Unternehmensstrategie - Geschäftsfeldstrategie
Zeit t [in Jahren]
Prämissenänderung bzw. Diskontinuität
Dritte strategische Planung t6
Zweite strategische Planung t3
Erste strategische Planung t0
Tatsächlicher Geschäftsverlauf
Zeit t [in Jahren]
Strategische Prämissenkontrolle und Diskontinuitätenmanagement
812 12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Bild 384: Wirkung von Prämissenänderungen und Diskontinuitäten auf die strategische Planung
12.2 Controllingfacetten
813
Das Projektcontrolling innerhalb des operativen Controllings der strategischen Ziele ist eine Teilaufgabe des Projektmanagements und wird heute als Unterstützungsfunktion angesehen [12-5]. In Unternehmen wie Bauunternehmen, deren Leistungserstellungsprozess auf unikate, projektorientierte Aufträge ausgerichtet ist, ist das Projektcontrolling innerhalb des operativen Controllings die wesentliche Säule zur Erreichung der strategischen Vorgaben in Bezug auf x x x x
Umsatz, Deckungsbeiträge, Kundenzufriedenheit, Leistungseffizienz.
Das Projektcontrolling soll die durch die strategischen Vorgaben definierten Projektziele, die jeweils in den Angeboten manifestiert sind, koordinieren und hinsichtlich der Zielerreichung unterstützen. Für die operative Projektebene sind die strategischen Ziele, z.B. Deckungsbeitragshöhe, durch die BSC vorgegeben. Das Projektcontrolling muss nun auf Projektebene die Vorgaben der BSC, die im Projekt u.a. in sekundäre Steuerungsgrössen x x x x x x x x x x
Leistungsansätze Lohnkosten Materialkosten Inventarkosten Nachunternehmerkosten Vorgangsdauern Zwischentermine Rahmentermine Geamtkosten Projektgewinn
aufgegliedert wurden, kontrollieren, steuern und koordinieren, denn die sekundären Steuerungsgrössen müssen eingehalten werden, um z.B. die primäre Zielvorgabe DB = x % pro Projekt zu erzielen. Diese Controllingfunktion umfasst Planung, Steuerung und Überwachung von Kosten, Terminen, Leistung, Qualität und Verträgen eines Projekts sowie die Versorgung des Managements mit Informationen während allen Projektphasen. Zudem soll das Projektcontrolling Entwicklungen, die die Zielverwirklichung gefährden, rechtzeitig erkennen. Die Ergebnisse des Projektcontrollings müssen im Unternehmen im Rahmen des operativen Cntrollingkreislaufs aggregiert werden. Auch in den Supportprozessen ist die Durchführung eines systematischen Controllings (z.B. Finanzcontrolling) erforderlich. Das Projektcontrolling des
814
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Leistungserstellungsprozesses und das Supportcontrolling bezeichnet man als operatives Unternehmenscontrolling. Im heutigen operativen Controlling ist das Projektrisikocontrolling als Schnittstelle zum Risikomanagement integriert. Das Risikomanagement setzt sich aus den Tätigkeiten Risikoidentifikation, Risikoanalyse (Bewertung und Klassifikation), Risikobehandlung und Risikocontrolling zusammen [12-8]. Bei Bauprojekten liegt die Managementaufgabe einerseits in der Organisation der permanenten Durchführung des Risikomanagementprozesses über den gesamten Lebenszyklus eines Projekts und andererseits in der Entscheidung über Massnahmen der Risikominimierung sowie der Festlegung einer dem jeweiligen Projektstatus entsprechenden Risikovorsorge. Das Risikocontrolling greift als Teil des operativen Controllings im Rahmen des Projektcontrollings in den Risikomanagementprozess ein, koordiniert die notwendigen Projektdaten und -informationen und unterbreitet dem Projektmanagement mögliche Massnahmen zur Risikobehandlung. Erweitert man das Projektcontrolling um die Komponente Risikocontrolling, entsteht das risikobewusste Projektcontrolling. Es beinhaltet neben der Planung, Steuerung und Überwachung der wesentlichen Projektparameter auch die systematische Identifizierung, Analyse, Behandlung und Überwachung der operativen Risiken, die mit der Abwicklung eines einzelnen Bauvorhabens verbunden sind.
12.3 Aufbau des risikobewussten Projektcontrollings 12.3.1 Funktionen und Parameter des risikobewussten Projektcontrollings Wie bereits dargelegt, bestehen die Funktionen des Projektcontrollings in der Planung, Steuerung und Überwachung des Projekts sowie in der Versorgung des Projektmanagements und der Unternehmensleitung mit Informationen. Das risikobewusste Projektcontrolling begleitet den Leistungserstellungsprozess eines Projekts von der Angebotsakquisition über die Angebotsbearbeitung und die Vertragsverhandlungen sowie im Besonderen in der Ausführungsphase. Die Stufen des projektorientierten, risikobewussten Controllings sind mit den Projektphasen Angebotsbearbeitung, Vertragsverhandlungen und Arbeitsvorbereitung in Bild 385 dargestellt; Bild 386 zeigt die Ausführungs- und Übergabephase.
12.3 Aufbau des risikobewussten Projektcontrollings Input - Submissionsunterlagen - Unternehmensspezifische Informationen
Risikocontrolling
Projektplanung
Projektsteuerung
Projekt-
u. -überwachung
durchführung
Risikomanagement
Output
Risikoidentifikation: vertragliche Risiken technische Risiken finanzielle Risiken Umweltrisiken
Risikoidentifikation
Akquisitionsphase
Risikoanalyse
Vertragsverhandlungen
Risikobehandlung
Angebotskalkulation
Risikoüberwachung
- Kostenplanung -Terminplanung - Leistungsplanung - Preisbildung
Risikoanalyse: Risikobewertung Risikoklassifizierung
Angebot
Änderungen neue Risikosituation Risikomanagement
Auftragskalkulation Berücksichtigung der Änderungen und Resultate der Vertragsverhandlungen
Risikobehandlung: Entscheidung bezüglich der Risikostrategie
Arbeitsvorbereitungsphase
Vertragsabschluss
Vergabedaten Subunternehmer / Lieferanten
815
Arbeitskalkulation Vertragssicht
Vergabegrenzwerte
Planwerte
Risikoüberwachung:
Risikomanagement
bezüglich identifizierter Risiken und neuer Risiken aus der Kalkulation
- Kostenplanung - Terminplanung - Leistungsplanung - Qualitätssicherungskonzept Sollwerte Ausführungssicht
Sollwerte Start Ausführung
Bild 385: Ablauf des risikobewussten Projektcontrollings (Teil 1)
Input
Risikocontrolling
Projektplanung
Projektsteuerung u. -überwachung
Projektdurchführung
Output
Arbeitskalkulation Ausführungssicht
Sollwerte
Sollwerte Start Ausführung Istwerte
Überwachung: (Soll-Ist-Vergleich Abweichungsanalysen) Kosten, Termine, Leistung, Qualität, Verträge, Risiken Abweichungen Soll-Ist
Risikomanagement
Risikoidentifikation:
Risikoanalyse: Risikobewertung Risikoklassifizierung
Projektänderungen
Risikoidentifikation
Risikoanalyse
Ausführungsphase
vertragliche Risiken technische Risiken finanzielle Risiken Umweltrisiken
Prognose
Steuerung: - Empfehlung
Wird-Werte Risikobehandlung
Entscheidungen durch Projektmanagement
Risikoüberwachung
neue Sollwerte
neue Istwerte
Risikobehandlung: Empfehlung von Behandlungsmassnahmen
Massnahmen
Nachtragskalkulation -Projektänderungen -Regiearbeiten -zusätzliche Leistung
regelmässige Berichte, Reporting
neue Sollwerte
Verfolgung der Risiken Überwachung der Massnahmen
Übergabephase
Risikoüberwachung: Auswertung und Analyse bezüglich der Projektrisiken, Wirksamkeit des Risikocontrollings
Nachkalkulation - tatsächliche Kosten - Überprüfung der Ansätze - Vorkalkulation
Bild 386: Ablauf des risikobewussten Projektcontrollings (Teil 2)
Erfahrungswerte für Folgeprojekte
816
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Dadurch wird sichergestellt, dass die Vorgaben der BSC im Rahmen des Projektcontrollings in allen Phasen des Leisstungserstellungsprozesses eingehalten bzw. umgesetzt werden. Das Projektcontrolling erfolgt damit nicht, wie üblich, nachdem alle Vorgaben in der Angebotsphase gemacht wurden, sondern gestaltet an den strategischen und operativen Zielvorgaben die Angebotsziele. Damit die gesteckten Projektziele erreicht werden können, muss das Projektcontrolling seine Funktionen hinsichtlich der Projektparameter Kosten, Termine, Leistung, Qualität und Verträge erfüllen [12-5]. In Bild 387 bilden diese fünf Parameter den inneren Kreis des risikobewussten Projektcontrollings. Sie sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. So hat z.B. jede terminliche Abweichung von der Planung oder jede Abweichung im Stundenverbrauch und somit in der Leistung eine kostenmässige Auswirkung. Anders können auch qualitätsmässige Vorgaben einen Einfluss auf Leistung, Termine und Kosten haben. Solche Zielkonflikte sollten früh erkannt und minimiert werden. Risiken
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Risikobewusstes Projektcontrolling
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Überwachen Berichten
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Qualität
Bild 387: Funktionen und Parameter des risikobewussten Projektcontrollings [12-3]
Einen weiteren Projektparameter bilden die Risiken, die sich aus den rechtlichen/vertraglichen, terminlichen, finanziellen, technischen und managerialen Risikoarten der jeweiligen Projektabwicklung und aus der Projektumgebung ergeben. Da diese Risiken auf die fünf inneren Parameter – Kosten, Termine, Leistung, Qualität und Vertragserfüllung – einwirken, nehmen sie einen umfassenden Einfluss auf die Projektergebnisse. Das Risikomanagement mit seinen Prozessen Identifizierung, Analyse, Bewer-
12.3 Aufbau des risikobewussten Projektcontrollings
817
tung und Überwachung ist daher auf alle fünf Projektparameter ausgerichtet. Es bezieht sich sowohl auf die Kosten und Termine als auch auf die Leistungen, die Qualität und die Verträge, die dann im Rahmen des risikobewussten Projektcontrollings zur intendierten Zielerreichung gesteuert werden müssen. Tabelle 24 gibt einen Überblick über die Aufgaben, die das risikobewusste Projektcontrolling bezüglich der verschiedenen Projektparameter übernehmen muss. Tabelle 24: Aufgaben des risikobewussten Projektcontrollings
12.3.2 Abgrenzung des Projektcontrollings Aufgabenabgrenzung
In Bild 388 ist der Zusammenhang zwischen Projektmanagement, Projektcontrolling, Risikocontrolling und risikobewusstem Projektcontrolling anhand eines Regelkreises mit den Funktionen Projektplanung, -steuerung, -überwachung und -durchführung dargestellt.
818
12 Risikobewusstes Projektcontrolling Planwerte (gemäss Projektauftrag): sachliches Ergebnis, Zwischen- und Endtermine (Meilensteine), zur Verfügung stehende Mitarbeiter, freigegebenes Budget
Projektplanung
Projektänderungen
Organisations- und Zielplanung, Projektstrukturierung, Entscheidungen
Risikobewusstes Projektcontrolling Sollwerte
Planung bezüglich Kosten, Terminen, Leistung, Qualität und Verträgen
Risikocontrolling
Risikoanalyse und Prognose Entscheidungen
neue Sollwerte
Projektmanagement
Abweichungen Veränderte Risikosituation
Wird-Werte
Projektcontrolling Soll-Ist-Vergleich und Abweichungsanalysen bezüglich:
Projektsteuerung Risiken
Risikobehandlung Erarbeiten von Massnahmen und Massnahmenempfehlungen
Abweichungen aus Soll-Ist-Vergleich
Kosten, Terminen, Leistung, Qualität und Verträgen
Anordnung von Massnahmen, Koordinierung der Projektbeteiligten Massnahmen Sollwerte
Istwerte
Projektdurchführung (alle Projektphasen)
Störungen (aus Projektablauf): - Projektänderungen - Mitarbeiterprobleme - Terminüberschreitungen - sonstige - Kapazitätsprobleme
Bild 388: Regelkreis des Projektmanagements [12-3]
Projektmanagement Das Projektmanagement dient zur Lenkung der Projektausführung und nimmt die Funktionen Projektplanung, Projektsteuerung und Projektüberwachung wahr [12-4]. Die Projektplanung erarbeitet Vorgaben für die Projektdurchführung; die Projektüberwachung führt einen Soll-Ist-Vergleich durch und meldet Abweichungen an die Projektsteuerung. Die Projektsteuerung erarbeitet und leitet Massnahmen ein, um Abweichungen in der Projektdurchführung zu korrigieren. Sollten die ihr zur Verfügung stehenden Regelmechanismen hierzu nicht ausreichen, schlägt sie Änderungen in der Projektplanung vor. Planungsänderungen sind auch vorzunehmen, wenn sich bestimmte Voraussetzungen und Annahmen geändert oder als unzutreffend erwiesen haben [12-11]. Projektcontrolling Das Projektcontrolling, das bereits als Teilsystem des Projektmanagements definiert wurde, beinhaltet die Projektüberwachung sowie Teile der Planung und Steuerung. Bei der Projektplanung werden dem Projektcontrolling die Termin-, Leistungs-, Qualitäts- und Kostenplanung sowie die Koordination der Verträge zugerechnet. Planungsaufgaben wie die Erstellung einer Projektorganisation, die Planung von Projektzielen, die Ableitung von Teilaufgaben, die Planung der Abläufe sowie das Treffen von Entscheidungen sind hingegen ausserhalb des Controllings anzuordnen. Bei
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
819
der Projektsteuerung gehören die Steuerung des Projektverlaufs bezüglich Kosten, Terminen, Leistung, Qualität und Verträgen sowie das Treffen von Massnahmen bei Plan- und Zielabweichungen zu den Aufgaben des Projektcontrollings. Die Anordnung und Durchsetzung von Massnahmen, die Anleitung und Motivierung von Mitarbeitern und die Koordinierung der Projektbeteiligten fallen dagegen nicht in den Bereich des Controllings. Risikocontrolling Das Risikocontrolling ist eine spezifische Aufgabe des Projektcontrollings; es beinhaltet Aspekte der Projektplanung, -steuerung und -durchführung. Der Projektplanung werden die Risikoidentifikation, die Risikoanalyse (Bewertung und Klassifizierung) und die Wahl der Risikobehandlung zugeordnet, der Projektsteuerung unterliegt die eigentliche Handhabung der Risiken und der Projektüberwachung die Kontrolle der Risikoentwicklung.
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase 12.4.1 Kosten Kostenplanung
Die Kostenermittlung für einen Bauauftrag wird in verschiedene Kalkulationsphasen eingeteilt. Während die Vorkalkulation die bei der Erstellung eines Bauwerks zu erwartenden Kosten ermittelt, liefert die Nachkalkulation die tatsächlich entstandenen Kosten [12-6]. Die Vorkalkulation besteht weiter aus den Kalkulationsphasen Angebots-, Auftrags-, Arbeits- und Nachtragskalkulation. Bild 389 zeigt die Zusammenhänge der Kalkulationsphasen und ihre zeitliche Eingliederung in den Projektablauf. Angebots- und Auftragskalkulation Die Angebotskalkulation endet mit der Abgabe des Angebots. Sie dient dem Auftraggeber als Grundlage für die Wahl eines Unternehmers. Bei der anschliessenden Auftragskalkulation werden Überarbeitungen und Anpassungen als Folge der Vertragsverhandlungen berücksichtigt. Diese Änderungen können Einheitspreise, Mengen oder auch den Entfall oder das Hinzukommen von Positionen betreffen. Am Schluss dieser Phase steht die Unterzeichnung des Vertrags, der die Grundlage für die Ermittlung der Plandaten und für die anschliessende Arbeitskalkulation darstellt. In der Angebots- und Auftragskalkulation sind die in der Angebotsphase ermittelten und bewerteten Risiken, zumindest die mit den Risikokosten Rkalk berücksichtigten, enthalten. In dieser Phase wurde die erste Phase des Ri-
820
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Ausführungsphase
ArbeitsvorAquisitionsphase bereitungsphase
sikomanagementprozesses bereits durchlaufen. In den Folgephasen des Projekts sind diese Risiken dem Risikocontrolling zu unterziehen; sollten sich Projektbedingungen ändern, muss der RM-Prozess erneut durchgeführt werden.
Angebotskalkulation Abgabe des Angebots Vertragsverhandlungen
Arbeitskalkulation Vertragssicht Beginn der Ausführung
Ausführungssicht
Projektänderungen, zusätzliche Leistungen
Vergabegrenzwerte
Plandaten
Subunternehmer, Lieferanten
Solldaten
Sollkostenermittlung
Istkostenermittlung
Leistungsbewertung
auf der Baustelle
Risikocontrolling Soll-Ist-Vergleich
Nachtragskalkulation
neue Solldaten
Übergabephase
Auftragskalkulation
Vertragsabschluss
Abweichungsanalysen
Prognosesicht
Wird-Daten
Projektsteuerung
Steuerungsmassnahmen
neue Solldaten
Ausführungsende
Nachkalkulation
Überprüfung und Erfahrungswerte für Folgeprojekte
Bild 389: Kalkulationsarten im Projektcontrolling
Arbeits- und Nachtragskalkulation Die Arbeitskalkulation stellt die baustellengerechte Aufarbeitung der Angebotskalkulation dar. Die Angebotskalkulation berechnet die Positionen zu Verkaufspreisen; in der Arbeitskalkulation dagegen wird mit internen Kosten gerechnet. Grundsätzlich muss jede Position der Angebotskalkulation in der Arbeitskalkulation mit den internen voraussichtlichen Kosten dargestellt werden. Es ist die Aufgabe der Arbeitskalkulation, die Leistungen des Angebots so nach Kostenarten aufzubereiten, dass eine ausreichend gegliederte Vorgabe der Sollwerte entsteht. Die Arbeitskalkulation dient somit primär der Ermittlung der Sollwerte, die als Vorgaben für die Projektdurchführung dienen und die Grundlage des Projektcontrollings der Soll-Ist-Vergleiche darstellen. Die Ergebnisse aus der Betriebsbuchhaltung zeigen die Istkosten einer Baustelle. Vermehrt wird aber auch bei der Arbeitskalkulation eine Unterscheidung in Plan-,
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
821
Soll- und Wird-Daten als notwendig erachtet. So schlagen verschiedene Autoren vor, die Arbeitskalkulation bezüglich der Trennung nach Plan-, Soll- und Wird-Werten nach drei Sichtweisen zu betrachten. Die Arbeitskalkulation soll alle Basisinformationen für die verschiedenen Aufgabenstellungen des Controllings und der Baustellenführung enthalten, die eine getrennte Auswertung nach Plan-, Soll- und Wird-Werten ermöglichen. Dies betrifft zum einen die Festlegung von Plandaten nach Auftragserteilung (aber noch vor Arbeitsbeginn auf der Baustelle) und zum anderen von Solldaten während der Auftragsbearbeitung. Aus den ermittelten Daten lassen sich Budgetwerte gewinnen, die als Mess- und Orientierungsgrössen im Controlling für die wirtschaftliche Steuerung des Bauprojekts dienen. Den Plandaten liegen die Auftragskalkulation und die aktuell abrechenbaren Mengen in den Vertragspositionen (einschl. Nachträge) zugrunde. Solldaten sind Daten auf der Grundlage der Arbeitskalkulation ohne Berücksichtigung von Risiken in Kosten und Erlös. Weiter wird die Ermittlung von Wird-Daten, basierend auf den monatlichen Ergebnis- und Soll-Ist-Vergleichsrechnungen, zunehmend wichtiger, da nur die permanente Sicht auf das Projektende eine zielgerichtete Steuerung des Projekts ermöglicht. Die Grundlage der Wird-Daten bildet ebenfalls die Arbeitskalkulation; es werden jetzt aber zusätzlich Vorgabeabweichungen, Risiken in Kosten und Erlös sowie bereits angefallene Istkosten bis zum Stichtag berücksichtigt. Falls während der Ausführungsphase Leistungen zu erbringen sind, für die das Leistungsverzeichnis keine Einheitspreise angibt, muss der Unternehmer, basierend auf den vertraglichen Grundlagen, Nachtragspreise anbieten. Nachkalkulation Die Nachkalkulation, die bereits während der Bauausführung beginnt, dient der Ermittlung der tatsächlich entstandenen Kosten. Durch Vergleich mit den Werten der Vorkalkulation ergibt sich im Projektcontrolling ein Soll-Ist-Vergleich, mit dem eine effiziente Kostensteuerung, eine Überprüfung der Ansätze der Vorkalkulation und eine Verbesserung der Angebotskalkulation für zukünftige, ähnliche Bauvorhaben erreicht werden [12-6]. Kostenüberwachung
Die Kostenüberwachung ist eine zentrale Aufgabe des Projektcontrollings durch den Bauleiter. Die Kosten spiegeln alle Auswirkungen der einzelnen Projektgrössen aus dem Projektablauf wider [12-2]. Bei der Kostenüberwachung kommt es auf eine möglichst schnelle und regelmässige Erfas-
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12 Risikobewusstes Projektcontrolling
sung der pro Arbeitspaket angefallenen Istkosten an, die dann mit den geplanten Kosten zu vergleichen sind. Der Kostenüberwachungszyklus sollte möglichst kurz gehalten werden, um Planungsabweichungen rasch zu erkennen und Korrekturmassnahmen schnell einleiten zu können. Damit eine wirksame Kostenüberwachung möglich ist, sind folgende Voraussetzungen zu schaffen [12-1]: x Die Überwachung muss sich auf einzelne Arbeiten im Projekt beziehen. x Die Baukostenüberwachung muss regelmässig erfolgen, je nach Grösse und Komplexität des Bauvorhabens meist monatlich bis vierteljährlich. x Der Kostenstand muss kurzfristig verfügbar sein. x Die Überwachung sollte Kosten nicht erst bei ihrer Entstehung, sondern schon bei ihrer Veranlassung erfassen. x Um die verursachten Kosten möglichst präzise abschätzen zu können, muss häufig ausgemessen und die Regierapporte müssen täglich unterschrieben werden. x Die Mehr- und Minderleistungen, Nachträge bzw. Kosten sind laufend zu erfassen. x Die Teuerung muss getrennt ausgewiesen werden. x Die mutmasslichen Endkosten (Prognose) sind bei jeder Kostenüberwachungsrunde anzugeben. Der Soll-Ist-Kostenvergleich Als Grundlage der Kostenüberwachung im Projektcontrolling dient die Auftragskalkulation. Durch eine auf einen Stichtag bezogene Ausmassberechnung kann der Bauführer die verbrauchten Sollkosten je Vorgang aufgrund der Auftragskalkulation bestimmen. Die Ausmassberechnung muss mit dem für die Aufbereitung der Baustellenbuchhaltungen günstigen Datum übereinstimmen. Die auf den gleichen Stichtag bezogenen Istkosten können der Betriebsbuchhaltung entnommen werden; sie sollten acht Tage nach dem Stichtag vorliegen. Um dies zu erreichen, ist ein Berichtswesen notwendig, das dem Rechnungswesen die Kostenabgrenzungen (Abgrenzung der Leistungsstunden und der Projektkosten) und die Rapporte innerhalb weniger Tage liefert. Eine Aufbereitung der Istkosten und die Durchführung des Soll-Ist-Vergleichs sind mit einem vertretbaren Aufwand nur einmal im Monat möglich. Integriertes Projektcontrolling Die Kosten stehen in engem Bezug zu den (erbrachten) Leistungen und den Terminen. Das integrierte Projektcontrolling berücksichtigt diese Verknüpfung. Voraussetzung dafür ist aber, dass pro Arbeitspaket eine technische Leistungsbeschreibung, eine darauf abgestellte Terminplanung und ein detaillierter Kostenplan erstellt werden. Dem zeitlichen Verlauf einzel-
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
823
ner Vorgänge werden die eingeplanten und erbrachten Leistungen und die geplanten und benötigten Verbrauchsgrössen (Stunden, Tonnagen etc.) gegenübergestellt. Zu aufeinander folgenden Zeitpunkten werden simultan die aufgelaufenen Projektkosten und der Arbeitsfortschritt (Leistung) erfasst und grafisch dargestellt. Kosten Prognose
Projektkosten gemäss Prognose 4
Kostenüberschreitung des Projekts
Geplante Projektkosten (Prognose 0)
' Kosten
Verspätung des Projekts
' Zeit
Zeit (Perioden) 1
2
3
4
Geplantes Projektende Summe der geplanten Kosten der geplanten Vorgänge
Projektende gemäss Prognose 4
Summe der geplanten Kosten der effektiven Vorgänge Summe der effektiven Kosten der effektiven Vorgänge
Bild 390: Integriertes Projektcontrolling [12-6]
Zu den jeweiligen Berichtszeitpunkten können Verspätung und/oder Kostenüberschreitungen aus dem Vergleich der Summenkurven herausgelesen werden. Wichtig ist, dass zu jedem Berichtszeitpunkt die Lage auf das Projektende hin beurteilt wird. Beim integrierten Projektcontrolling kommt insbesondere der korrekten Bestimmung des Leistungswerts der Bauleistungen eine grosse Bedeutung zu. Neben fehlerhaften Mengenermittlungen zu Leistungsstichtagen ist die Bewertung der Leistungsmengen mit dem Vertragspreis die wesentliche Ursache für falsche Aussagen, die häufig zu unerklärlichen Ergebnisschwankungen im Verlauf der Bauzeit führen. Ursachen für Kostenüberschreitungen Für Kostenüberschreitungen gibt es verschiedene Ursachen [12-11]:
824
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
x Ungenaue Abgrenzung des Projekts; es werden Arbeiten ausgeführt, die nicht zum ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang gehören. x Preisbildung; es wurde tief angeboten (Managemententscheidung), um den Auftrag zu erhalten. x Unkontrollierte Abänderung oder Erweiterung der Zielsetzungen durch den Auftraggeber; nachträglich wird eine erhöhte Qualität gefordert. x Fehler in der Arbeitsausführung (ungenügende Qualität der Arbeitsergebnisse) x Aufholen von zeitlichen Verzögerungen; es entstehen zusätzliche Kosten aus Überzeit, gesteigerter Kapazität usw. x Unrealistisch tiefe Schätzung bei der Kalkulation x Unvorhergesehene technische Schwierigkeiten oder unvorhergesehene Änderungen im Projektablauf x Ungenaue Abgrenzung des Projekts vom übrigen Betrieb, d.h. es werden dem Projekt projektfremde Kosten verrechnet. Ganz allgemein lassen sich einige Kostenbereiche nennen, in denen häufig Verluste entstehen; dazu gehören Lohn, Material, Betriebsstoffe und Bauhilfsstoffe, Transportkosten, Geräte und Maschinen, allgemeine Kosten und Fremdleistungen. 12.4.2 Termine Terminplanung
Bevor die eigentliche Terminplanung beginnt, ist das ganze Projekt in Haupt-, Modul- und Elementarprozesse sowie einzelne Arbeitsvorgänge zu unterteilen, bis vollständig überschaubare Teilaufgaben vorliegen [12-2]. Bei der Durchführung der Terminplanung muss nun die Zeitdauer für diese Teilaufgaben geschätzt werden. Die Ermittlung der Dauer aller Vorgänge setzt eine exakte Beschreibung der jeweiligen Arbeitsumfänge und der vorgesehenen Hilfsmittel sowie eine gedankliche Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Ausführung voraus. Für die Zeitschätzung gelten folgende Randbedingungen [12-11]: x Soweit wie möglich sollte die Zeitdauer ähnlicher Aktivitäten aus früheren Projekten zugrunde gelegt werden (Ähnlichkeitsbildung). x Die Schätzung sollte frei von Terminvorstellungen sein (Objektivität statt Wunschvorstellungen). x Zuteilung mit ausreichender Kapazität, d.h., es sollte zunächst davon ausgegangen werden, dass genügend Kapazität zur Durchführung der Aktivitäten vorhanden ist (Kapazitätsbeschaffung oder Eigenkapazität).
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
825
Nach der Schätzung aller Vorgangsdauern kann die Berechnung der Terminsituation erfolgen. Die Randbedingungen für eine solche Berechnung sind durch die im Werkvertrag festgelegten Fristen und Termine gegeben. Dabei wird oft zwischen verzugsbegründenden und übrigen Fristen und Terminen unterschieden [12-5]. Eine Vorwärts- und Rückwärtsrechnung ergibt für jeden Vorgang den frühest möglichen und den spätest erlaubten Anfangs- und Endtermin sowie den dazugehörigen Puffer. Ist kein Puffer vorhanden, handelt es sich um den kritischen Weg. Es gibt heute verschiedenste Terminplanungstechniken (Balkenpläne und vernetzte Balkenpläne, Netzplantechnik) und auch die dazugehörige Software, die eine solche Planung ermöglicht. Folgende Vorraussetzungen hinsichtlich der Terminplanung und der Terminüberwachung sollten allen Projektbeteiligten bewusst sein [12-5]: x Der Terminplan ist ein Instrument der Entscheidungsvorbereitung. Er wird vom Projektteam zum Planen, Verfolgen, Steuern, Berichten und als Instrument zur Prognose zukünftiger Terminentwicklungen gebraucht. x Der Terminplan wird von allen Projektbeteiligten benutzt. x Der Terminplan ist als dynamisches Dokument zu verstehen, das sowohl die Planungsvorgabe als auch diese Vorgabe beeinflussende Ereignisse, die den ursprünglichen Plan verändern, aufzeigt. x Der Terminplan enthält die Prioritäten der einzelnen Vorgänge und lenkt die Aufmerksamkeit auf den kritischen Weg. Zur Darstellung von Terminplänen eignen sich Balkenpläne, vernetzte Balkenpläne, Netzplantechnik, Liniendiagramme und Terminlisten. Terminüberwachung
Grundlage für die Terminüberwachung im Projektcontrolling sind wahlweise Netzplan, Balken- oder Liniendiagramm, EDV-Listen usw. Die Termine der auszuführenden Teilarbeiten werden mit den geplanten Anfangs- und Endterminen verglichen, Abweichungen werden festgestellt und ihre Konsequenzen untersucht. Anschliessend sind korrektive Massnahmen einzuleiten. Die Überwachung ist nur möglich, wenn die verschiedenen Stellen, die Teilarbeiten ausführen oder überwachen, Informationen über den Stand der Arbeiten und Prognosen für deren Fertigstellung liefern [12-1]. Im Rahmen des Projektcontrollings gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Vergleich der Planung mit den effektiven Verhältnissen darzustellen. Im Folgenden soll auf zwei Arten kurz eingegangen werden. Bei der Verwendung von Balkenplänen werden den geplanten Werten der einzelnen Vorgänge die Istwerte entweder mit einem zusätzlichen
826
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
1.Okt. 1.Okt.
M1
1.Sept. 1.Sept. 1.Aug. 1.Aug.
M2 M3
1.Juli 1.Juli 1.Juni 1.Juni 1.Mai 1.Mai 1.April 1.April 1.März 1.März 1.Feb. 1.Feb. 1.Jan. 1.Jan.
Bild 391: Meilenstein-Trendanalyse
1.Dez.
1.Nov.
1.Okt.
1.Juli
1.Feb. 1.April 1.Juni 1.Aug. 1.Okt. 1.März 1.Mai 1.Juli 1.Sept. 1.Nov.
1.Nov. 1.Nov.
Meilenstein-Termine Meilenstein-Termine
1.Sept.
1.Aug.
1.Juni
1.Mai
Berichtszeitpunkte Berichtszeitpunkte 1.April
1.März
1.Jan. 1.Dez. 1.Dez.
1.Feb.
1.Jan.
Istbalken, einer Prozentangabe oder durch Einfärbung gegenübergestellt. Bei Vorgängen, die noch in der Ausführung sind, muss der erreichte Stand in Prozenten sowie eine Prognose auf den Endtermin angegeben werden. Die Aufnahme des Fertigstellungsgrads eines einzelnen Vorgangs stellt die grösste Schwierigkeit bei der Terminüberwachung dar. Ein weiteres Hilfsmittel zur Beurteilung von Terminentwicklungen sind Trendanalysen. Im Grunde genommen kann jedes definierte Arbeitspaket Betrachtungsgegenstand einer solchen Analyse sein; man sollte sich aber auf projektentscheidende Arbeitsvorgänge oder Ereignisse beschränken. Eine Möglichkeit zur Ermittlung von risikobehafteten Aktivitäten ist die Meilenstein-Trendanalyse. Mit diesem Instrument werden in einem hohen Aggregationsniveau Projektmeilensteine überwacht, indem monatlich geprüft wird, zu welchem Termin die Meilensteine voraussichtlich erreicht werden können. Bild 391 zeigt eine Trendanalyse für drei Meilensteine.
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
827
Auf Basis des Kurvenverlaufs ist für alle drei Meilensteine eine Terminschätzung möglich. Bei einem fallenden Verlauf (M1) wird der Termin unterschritten, bei einem horizontalen (M2) kann er eingehalten werden und bei einem ansteigenden Verlauf (M3) ist mit einer Terminüberschreitung zu rechnen. Ursachen für Terminabweichungen
Die möglichen Ursachen für Terminabweichungen sind vielfältig. Bild 392 gibt eine strukturierte Übersicht.
Terminabweichungen
Änderung der Rahmenbedingungen
Kapazitätsausfall
Know-howAusfall
Sachmittel
Kündigung
Personen
Schulung nicht durchgeführt
Falsche Terminplanung
Leistungsänderung
Kapazität reicht nicht aus
Systembedingte Änderungen
Auftraggeber
Aufwand grösser als geplant
Managementtermine
Kapazität temporär überlastet
Aufgabe vergessen
„“Salamitaktik“
Kapazitätsausfall
Risikoeintritt
Ungeprüfte Termine
Know-how nicht bedacht
Keine systematische Aufwandsabschätzung
Bild 392: Ursachen für Terminabweichungen
12.4.3 Leistung Die Leistungsplanung und -überwachung im Rahmen des Projektcontrollings soll sich hier auf die für die Bauausführung eingesetzten Stunden und Kapazitäten beziehen. Auf die Leistungsüberwachung im Sinn einer Fortschrittskontrolle und somit auf die enge Beziehung zwischen Leistung, Terminen und Kosten wurde bereits bei der Kostenüberwachung (integriertes Projektcontrolling) hingewiesen.
828
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Leistungsplanung
Stunden Aufgrund des Leistungsverzeichnisses oder der Devisierung können die für die Bauausführung notwendigen Leistungsstunden ermittelt werden. In Zusammenarbeit mit der Arbeitskalkulation müssen sie für die einzelnen Vorgänge separat berechnet werden. Damit ist die Grundlage des Projektcontrollings für den Soll-Ist-Vergleich der Leistungsstunden geschaffen. Kapazität Aus der Ermittlung der Leistungsstunden für ein Bauprojekt kann in einer Verknüpfung mit der Terminplanung ein Belastungsdiagramm erstellt werden, das als Grundlage für die Kapazitätsplanung dient. Die Kapazitätsplanung beinhaltet in erster Linie die Ermittlung des Aufwands, der erforderlich ist, um den einzelnen Vorgang (Aktivität) fertig zu stellen. Unter Aufwand versteht man den Einsatz von Hilfsmitteln wie Personal, Maschinen und Geräte. In der Regel stellen diese Hilfsmittel eine knappe Ressource dar und können den Projekten nicht grenzenlos zur Verfügung gestellt werden; sie müssen daher in der Projektplanung optimal eingesetzt werden, um eine möglichst gleichmässige Auslastung zu erreichen. Mit der Kapazitätsanalyse (Einsatzmittelplanung) können wahlweise zwei Zielsetzungen erfüllt werden: x Minimierung der Kapazitäten bei Einhaltung eines vorgegebenen Projektendpunktes x Minimierung der Gesamtprojektdauer bei vorhandenen Kapazitätsschranken Ein ideales Instrument zur Planung der Einsatzmittel sind die Belastungsdiagramme. Um die Planung nicht zu sehr zu komplizieren und den Aufwand im Rahmen zu halten, muss vorerst genau überlegt werden, welche Einsatzmittel überhaupt geplant werden sollen. Meist beschränkt man sich auf eine Auswahl an knappen und teuren Einsatzmitteln (Leitkapazitäten). Leistungsüberwachung
Stunden Die zu erbringende Leistung ist durch die Qualität und Quantität umschrieben. Grundlage für die Überwachung der Leistungen im Rahmen des Projektcontrollings ist das Leistungsverzeichnis (Devis), in dem die auszuführenden Arbeiten in Menge und Qualität genau beschrieben sind. Auf die Überwachung der Qualität wird im nächsten Abschnitt speziell eingegangen, weshalb hier die quantitative Leistung (Stunden) betrachtet werden soll.
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
829
Als Basis für die Überwachung dient der Terminplan, und es ist sicherzustellen, dass den einzelnen Teilarbeiten neben der Dauer auch die Kenngrössen für die zu erbringenden Leistungen (Quantität und Qualität) zugeordnet werden. Der Stunden-Soll-Ist-Vergleich basiert auf der Erfassung der Iststunden in der Betriebsbuchhaltung in Übereinstimmung mit der Gliederung in der Arbeitskalkulation. Damit lässt sich ein Vergleich zwischen den geplanten und den effektiven Stunden, getrennt nach einzelnen Vorgängen, vornehmen. Die Stundenüberwachung sollte per gleichem Stichtag vorgenommen werden wie die Kosten- und Terminüberwachung. Falls einzelne Vorgänge separat geprüft werden sollen, ist ein Stunden-Soll-Ist-Vergleich nur für die gewünschte Teilarbeit vorzunehmen. Kapazität Zielsetzung der Kapazitätsüberwachung im Rahmen des Projektcontrollings ist es, unter Berücksichtigung der Terminplanung eine gleichmässige Auslastung der verfügbaren Kapazität sicherzustellen. Sie soll zudem dafür sorgen, dass die passenden Hilfsmittel in der notwendigen Menge vorliegen, um den Terminplan einhalten zu können. Durch monatliche Vergleiche zwischen den produktiven Stunden und der Gesamtstundenzahl für die eingesetzten Maschinen kommen Engpässe oder unausgelastete Bereiche schnell zum Vorschein. Diese Vergleiche ermöglichen die Wahl der notwendigen Massnahmen. 12.4.4 Qualität Die Aktivitäten der Qualitätsplanung und der Qualitätslenkung haben zum Ziel, die geforderte Bauwerksqualität, die Arbeitssicherheit und den Umweltschutz zu gewährleisten bzw. die wirtschaftlichen und anderen Konsequenzen diesbezüglicher Fehler zu minimieren. Qualitätsplanung
Neben dem unternehmensbezogenen Qualitätsmanagement, das heute in der Regel auf die Anforderungen einer der ISO-Normen 9001, 9002 oder 9003 ausgerichtet ist, soll ein projektbezogenes Qualitätsmanagement (PQM) eingeführt werden. Mithilfe des PQM sollen einerseits die Arbeitsprozesse innerhalb eines Projekts optimal gestaltet und andererseits auch Instrumente zur Verfügung gestellt werden, die sicherstellen, dass Kundenanforderungen auch wirklich systematisch erfasst, bereinigt und erfüllt werden.
830
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Die verschiedenen PQM-Instrumente dienen den Projektbeteiligten zur Planung, Übermittlung, Umsetzung bzw. vertraglichen Regelung der Belange des Qualitätsmanagements. Auftraggeber (Bauherr, Bauleitung) QM-System
Projektanforderungen
Risikoanalyse
Risiken Projektrisiken
keine bzw. kleine
Werkvertrag
Auftragsanalyse (Risikoanalyse)
PQM
eigene Q-Schwerpunkte
Q-Lenkungsplan Q-Schwerpunkte QMAnforderungen
QM-Konzept
QM-Vereinbarung
Umsetzung QM-Plan Projektsteuerung Diagnose
Berichterstattung Nachweise
Q-Prüfung
Q-Lenkung
QM-Plan evtl. Anpassung
neue Risikosituation
grosse
QM-System
Q-Planung
Externe Einflussfaktoren
Auftragnehmer (Unternehmer)
Bild 393: Übersicht PQM-Instrumente [12-13]
Der Auftragnehmer erarbeitet aufgrund der QM-Anforderungen des Auftraggebers ein QM-Konzept. Die QM-Anforderungen beinhalten zu beachtende Qualitätsschwerpunkte, Anforderungen an das QM-System und einen allfälligen QM-Plan des Auftragnehmers sowie Forderungen bezüglich weiterer qualitätsrelevanter Massnahmen und Nachweise. Das Konzept des Auftragnehmers bildet zusammen mit dem Qualitätslenkungsplan des Auftraggebers einen Bestandteil des Werkvertrags. Diese QMVereinbarung ist die vertragliche Absicherung aller QM-relevanten Anforderungen und Abmachungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Im QM-Plan legt der Auftragnehmer die Massnahmen, Abläufe und Verantwortlichkeiten fest, um die Erfüllung der Projektanforderungen sicherzustellen, allenfalls in Ergänzung zu einem bestehenden QM-System. Der QM-Plan ist die Grundlage für die Qualitätslenkung während der Ausführungsphase. Im Rahmen des PQM übernimmt der Auftragnehmer die folgenden Aufgaben:
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
831
x Durchführen der Auftragsanalyse zur Ermittlung der eigenen materiellen QM-Anforderungen sowie der Anforderungen an das eigene QMSystem x Eingabe eines Konzepts für das Qualitätsmanagement (QM-Konzept) als Teil des Angebots x Nachweis, konsequente Durchsetzung und laufende Überprüfung des eigenen QM-Systems (Unternehmen oder Arbeitsgemeinschaft) x Erarbeitung und Umsetzung des QM-Plans unter besonderer Berücksichtigung der Qualitätsschwerpunkte x Erfüllung der übrigen QM-Anforderungen x Sicherstellen der Zielerreichung, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen und Kriterien in den Qualitätsschwerpunkten, durch eine systematische Q-Lenkung (Umsetzung des QM-Plans, Q-Prüfung, Anordnen erforderlicher Korrekturmassnahmen) x Information aller Beteiligten im eigenen Verantwortungsbereich (einschliesslich Subunternehmer) über die Projektziele und die QMAnforderungen und Durchsetzen der entsprechenden Abmachungen x Gewährleistung des zeit- und stufengerechten, qualitätsrelevanten Berichtswesens (Nachweise) zuhanden des Gesamtleiters Qualitätslenkung
Die Qualitätslenkung beinhaltet die Umsetzung des QM-Plans, die Durchführung der festgelegten Q-Prüfungen und das Anordnen erforderlicher Korrekturmassnahmen. Der Auftragnehmer ist für die Durchführung der festgelegten Q-Prüfungen verantwortlich und hat im Regelfall periodisch über deren Ergebnisse Bericht zu erstatten. Falls Abweichungen auftreten, ist eine sofortige Meldung erforderlich, und in Absprache mit dem Auftraggeber sind allfällige Korrekturmassnahmen zu treffen. Das unternehmensbezogene Qualitätsmanagement begleitet ein Unternehmen bei allen Prozessen und Tätigkeiten. Es übt daher die Funktion der Qualitätsüberwachung bereits in der Akquisitionsphase aus. Das PQM hingegen kommt erst in der Arbeitsvorbereitungs- und der Ausführungsphase zum Tragen. 12.4.5 Verträge Unter Vertragscontrolling im Rahmen des Projektcontrollings wird die Koordination der Informationsversorgung hinsichtlich der Verträge subsumiert [12-5]. Die Gestaltung, der Abschluss und die Abwicklung der Verträge sollen so koordiniert und gesteuert werden, dass die definierten
832
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Projektziele erreicht oder übertroffen werden. Das Vertragscontrolling unterstützt das Projektmanagement bei der Erfassung, Verfolgung und Durchsetzung aller vertraglichen Rechte und Pflichten. Man unterscheidet dabei die Koordinations- und Steuerungsmassnahmen vor Vertragsabschluss und die Koordination nach Vertragsabschluss. Koordinations- und Steuerungsmassnahmen vor Vertragsabschluss
In dieser Phase ergeben sich die grössten Möglichkeiten, auf eine optimale Projektdurchführung einzuwirken. Nach Abschluss des Vertrags kann das Ergebnis nur noch geringfügig positiv verändert werden, da die Bedingungen wie Erlös, Kosten, Leistungen und Termine mehrheitlich vereinbart wurden. Wesentliche Elemente des Vertragscontrollings in dieser Phase sind der Entwurf des Vertrags, die Verhandlungen zur Steuerung der Vertragsgestaltung und die Konsistenzprüfung der Verhandlungsergebnisse. Basis für ein kompetentes Vertragscontrolling ist eine Risikoanalyse mit dem Ziel, Risiken rechtzeitig zu erkennen und, falls möglich, im Vertrag auszuschliessen oder auf andere Partner der Projektabwicklung zu übertragen. Die Vertragsanalyse soll in strukturierter Form die Vertragsgrundsätze ausarbeiten und die vertraglichen Regelungen zu einzelnen Themen wie Änderungen, Verzögerungen, Vertragsstrafe, Projekteinstellung etc. analysieren. Koordination nach Vertragsabschluss
Zur Information der am Projekt beteiligten Mitarbeiter sind die Vertragsinhalte in komprimierter Form und an den jeweiligen Informationsbedarf angepasst weiterzuleiten. Das Vertragscontrolling hat im Rahmen des Projektcontrollings alle vertraglich relevanten Schriftstücke zu Kunden, Partnern, Subunternehmern und Lieferanten zu prüfen und zu verwalten. Wesentlicher Aspekt des Vertragscontrollings nach Vertragsabschluss ist die permanente Verfolgung und Ereignisanalyse des Vertragswerks. Als wesentliche administrative Aufgabe des Vertragscontrollings wird die Unterstützung des Claim-Managements angesehen. Die Durchsetzung von Ansprüchen der Vertragspartner richtet sich nach dem abgeschlossenen Werkvertrag. Die bauleitenden Mitarbeiter, die oft nicht mit den vertragsunterzeichnenden Mitarbeitern identisch sind, müssen daher die Vertragsvorschriften kennen, um die gerechtfertigten Ansprüche aus dem Vertrag wirkungsvoll durchsetzen zu können. Deswegen ist es auch Aufgabe des Projektcontrollings, dafür zu sorgen, dass die Führungskräfte auf der Baustelle das Instrument des Claim-Managements [12-7], also das Durchsetzen eigener und das Abwehren fremder Ansprüche, beherrschen.
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
833
Wichtig ist eine umfassende, nachvollziehbare Dokumentation der beschlossenen Projektänderungen. Die Projektleitung hat zusammen mit den beteiligten Stellen sicherzustellen, dass Projektänderungen umfassend und revisionsfähig dokumentiert werden. Der Nachweis der Zusatzkosten oder des eingetretenen Schadens erfolgt auf der Basis der für den ungestörten Ablauf kalkulierten Kosten, die dem Vertrag zugrunde liegen. Nachforderungen ergeben sich aus den Mehrkosten für den gestörten Ablauf. Es erfolgt ein Soll-Ist-Vergleich, dessen Differenz zu begründen ist [12-12]. 12.4.6 Berichtswesen Das Informations- und Berichtswesen stellt einen wesentlichen Teil des Projektcontrolling-Konzepts dar. Ein Bauprojekt lässt sich nur dann optimal planen und steuern, wenn sichergestellt ist, dass die Informationen möglichst schnell in verständlicher und übersichtlicher Form an die richtigen Empfänger gelangen. Für ein Bauunternehmen kommen vor allem die Informationsmittel Besprechungen, Berichte und Protokolle zur Anwendung. Für alle Informationsmittel gilt, dass Inhalt und Detaillierung dem jeweiligen Empfänger angepasst sein sollten [12-2]. Der Informationsfluss in einem Bauprojekt im Rahmen des Projektcontrollings bezieht sich auf die Projektparameter Kosten, Termine, Leistung, Qualität und Verträge sowie auf die Projektrisiken. Die Projektleitung soll mit allen verfügbaren Informationen versorgt werden, die für die Planung, Entscheidung, Ausführung und Überwachung nötig sind. Eine häufige Schwachstelle des Informations- und Berichtswesens auf Baustellen ist, dass der Informationsaustausch zwischen den einzelnen Hierarchiestufen oft nur informell stattfindet. Inhalt und Intervall der Informationsweitergabe sind in der Regel nicht festgelegt, und die Informationen werden bei sich ergebenden Gelegenheiten ausgetauscht. Dabei ist gerade in der Arbeitsgemeinschaft das Informations- und Berichtswesen ein wichtiges Instrument, um eine gleichmässige Versorgung der Gesellschafter mit den notwendigen Informationen sicherzustellen. Für eine zuverlässige, aktuelle und massnahmenorientierte Berichterstattung wird ein hierarchisches Berichtssystem gefordert, das wie folgt strukturiert sein sollte [12-5]: x Projekthandbuch, um dem Projektteam ausreichende Informationen über das Projekt und die beteiligten Organisationen sowie die eingesetzten Methoden und Instrumente zu geben. x Statusberichte (Standberichte), die periodisch den Stand und die Entwicklung der Projektparameter Kosten, Termine, Leistung, Qualität und
834
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
Verträge wiedergeben. Die Berichte sollen knapp und aktionsorientiert gehalten werden, auf die Bedürfnisse des Empfängers ausgerichtet sowie übersichtlich und logisch im Aufbau sein. x Blitzberichte mit operativ steuerndem Charakter, die, massnahmenorientiert und mit Handlungsempfehlungen versehen, die Entscheidungen der Projektleitung vorbereiten. x Projektbesprechungen, die die regelmässigen Informationen der Statusberichte ergänzen und mit ihrem operativen Charakter ein steuerndes Element der Projektdurchführung darstellen sollen. Beschlüsse und Pendenzen sind in einem Protokoll festzuhalten. x Abschlussberichte, die das durchgeführte Projekt zusammenfassend analysieren und Erkenntnisse zur Risikominimierung für neue Projekte geben. Sie sollen dazu dienen, möglichst schnell einen Überblick über die wesentlichen Punkte des abgeschlossenen Projekts zu gewinnen. 12.4.7 Risikocontrolling Im Rahmen des risikobewussten Projektcontrollings werden die identifizierten Risiken stets hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Kosten und Termine beurteilt und gezielt gesteuert. Die Risikobewertung und -beurteilung wird in jedem Projektcontrollingbericht separat ausgewiesen. Zudem wird einerseits bei umwelt- und bauverfahrensbedingten Veränderungen sowie andererseits bei vertragsbedingten Änderungen der Risikoprozess angeregt, um mögliche neue Risiken zu identifizieren. Für die Häufigkeit der Risikobewertungen und somit der Durchführung des Risikomanagementprozesses ergeben sich unterschiedliche Ansatzpunkte: x regelmässige Risikobewertung im Rahmen de periodischen Kosten- und Terminüberwachungen x regelmässige Risikobewertung bei Phasenübergängen, z.B. vom Rohbau zum Ausbau x Risikobewertung bei besonderen Ereignissen im Projekt oder im Projektumfeld x umfassende Risikobewertung mindestens einmal pro Jahr 12.4.8 Projektänderungen Projektänderungen, vor allem bei grösseren Projekten, haben einen markanten Einfluss auf alle Projektparameter (Kosten, Termine, Qualität, Leistung und Verträge); zudem können sie die Risikosituation verändern (Bild
12.4 Risikobewusstes Projektcontrolling in der Ausführungsphase
835
386). Bei Vorschlägen zu Projektänderungen müssen daher alle Auswirkungen auf die Projektparameter und die Risikosituation berücksichtigt werden. Die Projektänderungen fliessen somit in die Risikoidentifikation ein. Zudem sind die Planungsgrundlagen zwingend an die neuen Gegebenheiten anzupassen, um weiterhin aussagekräftige Soll-Ist-Vergleiche zu ermöglichen [12-2]. Dazu wird bei Projektänderungen eine Nachtragskalkulation durchgeführt (Bild 386). Die Nachtragskalkulation führt zu neuen Sollwerten für die Projektdurchführung, die schliesslich, nach der Umsetzung, ebenfalls zu neuen Istwerten werden. Basierend auf den vertraglichen Grundlagen bietet der Unternehmer für Leistungen, für die im Leistungsverzeichnis keine Einheitspreise vorgesehen sind, Nachtragspreise an. Auch bei Mengenabweichungen von ± 10 % bis 20 % infolge Bestellungsänderungen können, auf Verlangen eines Vertragspartners, neue Einheitspreise auf der Basis der ursprünglichen Kostengrundlage vereinbart werden. 12.4.9 Nachkalkulation Die Nachkalkulation dient der Ermittlung der tatsächlich entstandenen Kosten und der nachträglichen Überprüfung der Ansätze der Vorkalkulation (Bild 386). Der Kosten-Soll-Ist-Vergleich ist nicht nur während der Projektdauer vorzunehmen, sondern auch nach Abschluss des Projekts. Im Sinn einer Nachkalkulation muss das ganze Projekt nochmals durchgerechnet werden, um allfällige Planungsfehler in der Arbeitskalkulation festzustellen und damit die Planungsgrundlagen für kommende Kalkulationen zu verbessern. Überprüfung der Wirksamkeit des risikobewussten Projektcontrollings Ein sehr wichtiger Bestandteil des risikobewussten Projektcontrollings ist die Risikonachbereitung, die in jedem Fall durchgeführt werden sollte, wenn bedeutende Risiken eingetreten sind. Das Ziel der Risikonachbereitung ist es, die Wirksamkeit des Risikomanagements und des risikobewussten Projektcontrollings zu beurteilen und – falls erforderlich – zu verbessern. Durch jedes eingetretene Risiko können Erkenntnisse gewonnen werden, die in zukünftige Risikomanagementprozesse einfliessen sollen. Dabei geht es primär um folgende Fragestellungen: x Welche eingetretenen Risiken wurden im Rahmen der Risikoidentifikation nicht erkannt? Warum nicht? x Welche Risiken wurden bezüglich ihrer Auswirkungen falsch eingeschätzt? Warum?
836
12 Risikobewusstes Projektcontrolling
x Welche Risikobehandlungsmassnahmen zeigten nicht die erwartete Wirkung? Warum nicht? Daher sind, um die Wirksamkeit des risikobewussten Projektcontrollings zu überprüfen, alle bedeutenden Risikoeintritte systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Die Ergebnisseder Auswertung dieser Daten müssen in zukünftigen Risikomanagementprozessen berücksichtigt werden. Zudem erleichtert eine solche systematische Sammlung der wesentlichen Projektrisiken die Risikoidentifikation in nachfolgenden Projekten.
12.5 Ausblick Ein um die Risikokomponente erweitertes Projektcontrolling dient dazu, ein Bauprojekt von der Ausschreibungs- bis zur Übergabephase hinsichtlich Kosten, Terminen, Leistung, Qualität und Verträgen zu planen, zu steuern und zu überwachen. Von zentraler Bedeutung für den Projektverlauf ist dabei der Risikomanagementprozess zu Beginn eines Projekts. Er muss umfassend und detailliert erfolgen, denn er führt schlussendlich zu einem „guten“ oder „schlechten“ Vertrag. Das risikobewusste Projektcontrolling als Basis für das Controlling einer Baustelle in der Ausführungsphase muss in das bestehende Unternehmenscontrolling integriert werden. Dies ist ein zielorientierter Schritt hin zur erfolgreichen Abwicklung von Bauprojekten.
Literatur [12-1]
Brandenberger, J.; Ruosch, E. (Hrsg.): Projektmanagement im Bauwesen. 4. Aufl., h.e.p. Verlag, Bern, 1996
[12-2]
Brunner, C.: Controlling von Baustellen. h.e.p. Verlag, Bern, 1997
[12-3]
Busch, Th. A.: Risikomanagement in Generalunternehmungen. Identifizierung operativer Projektrisiken und Methoden zur Risikobewertung. Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 2003
[12-4]
DIN 69901: Projektmanagement. DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), August 1987
[12-5]
Franke, A.: Risikobewusstes Projekt-Controlling. 1. Aufl., TÜV Rheinland GmbH, Köln, 1993
Literatur
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[12-6]
Girmscheid, G.: Kostenkalkulation und Preisbildung in Bauunternehmen. Prozessorientierte, risikobasierte Ermittlung von Angebotspreisen. h.e.p. Verlag, Bern, 2004
[12-7]
Girmscheid, G.; Briner, H.; Glättli, M.: Faires Nachtragsmanagement – Leitfaden für Bauunternehmen und Bauherren. h.e.p. Verlag, Bern, 2003
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Girmscheid, G.; Busch, Th. A.: Risikomanagement in Bauunternehmen – Projektrisikomanagement in der Angebotsphase. In: Bauingenieur 78, 12/2003, S. 571–580
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Girmscheid, G.: Ganzheitliches Risikomanagement in Bauunternehmen. In: Bauingenieur 76, 6/2001, S. 287–293
[12-10] Horváth, P., Urban, G.: Qualitätscontrolling. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1990 [12-11] Litke, H.-D.: Projektmanagement: Methoden, Techniken, Verhaltensweisen. 3. Aufl., Hanser Verlag, München, 1995 [12-12] Rösel, W.: Baumanagement: Grundlagen, Technik, Praxis. 4. Aufl., Springer Verlag, Berlin, 1999 [12-13] SIA 2007: Qualität, Umwelt, Arbeitssicherheit im Bauwesen. SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (Hrsg.), Zürich, 2001
13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung
13.1 Kernressourcenmanagement Zum optimalen Angebots- und Ausführungsmanagement gehört eine holistische, kybernetische Auslastungsplanung in dem jeweiligen Strategischen Geschäftsfeld (SGF), bzw. in der Strategischen Geschäftseinheit (SGE). Eine SGE bzw. ein Unternehmen kann nur optimale Ergebnisse erzielen, wenn die Kernressourcen an Know-how, Man-Power und Inventar (Geräte und Bauhilfsmaterial) ausreichend ausgelastet sind. Eine Unterschreitung des optimalen Auslastungsgrads der Ressourcen führt zwangsläufig zu höheren Jahresfixkosten, die nicht durch die avisierten Deckungsbeiträge der SGE erwirtschaftet werden. Auf der anderen Seite führt eine Überbelastung der Ressourcen und besonders des Personals meist zu Termin- und Qualitätsproblemen bei den Kunden. Diese Probleme verursachen sehr schnell Imageprobleme, die bei den Kunden und in der Branche negativ registriert werden und Auswirkungen auf die zukünftige Auftragsvergabe haben. Jede SGE muss definieren, welche Ressourcen x Kernressourcen x Hauptunterstützungsressourcen x Sub-Ressourcen sind. Zu den Kernressourcen gehören im Projektgeschäft unabdingbar und an allererster Stelle die Projektleiter. Die Kernressourcen stellen das differenzierende Schlüssel-Know-how bzw. die Produktionstechnologie im jeweiligen Geschäftsbereich bereit. Die Kernressourcen müssen in-house abgedeckt werden und können aufgrund ihrer Bedeutung für die Erbringung der Kundenleistung in der SGE nicht durch externe Subunternehmer erbracht werden. Die Kernressourcen müssen flexibel sein und die Maximalkapazität im jeweiligen Geschäftsfeld abdecken. Die Hauptunterstützungsressourcen werden für eine mittlere bzw. durchschnittliche Jahreskapazität bemessen. Zu dieser Gruppe gehören Planungs- und Ausführungsteams sowie Inventar (Geräte und Bauhilfsma-
840
13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung
terial). Diese Hauptunterstützungsressourcen bilden die Qualität des Kerngeschäftes der SGE ab. Auslastungsspitzen, die nicht durch optimierte, integrale Projektplanung abgedeckt werden können, werden durch die Beiziehung von externen Ressourcen abgedeckt. Dies kann durch Vergabe von überschaubaren und einfach abgrenzbaren Planungs- und Ingenieurleistungen erfolgen oder durch den temporären Einsatz von Subunternehmen auf der Baustelle, durch zusätzliche Mietgeräte oder z. B. Mietschalungen. Stahlbau- und Fassadenunternehmen können auch begrenzte Produktionsaufgaben wie Fassadenunterkonstruktionen an Subunternehmen vergeben. Die Hauptunterstützungsressourcen stellen den direkten Wertschöpfungsprozess dar, das sogenannte Kerngeschäft. Diese Ressourcen sind die kostenintensiven Ressourcen der SGE bzw. des Unternehmens. Eine kontinuierliche Vollauslastung über das ganze Jahr ist unabdingbar zur Erzielung der Kostenführerschaft. Aus diesem Grund ist eine Vorhaltung notwendig, die sich am durchschnittlichen Jahresbudget orientiert. Durch Aktivitätsverschiebungen unter den Projekten und durch den Einsatz von Subleistungen für die verbleibenden Spitzen wird die Kostenführerschaft erzielt. Mit Sub-Ressourcen werden Leistungen erbracht, die der Geschäftsbereich im Rahmen der Kernleistung als Nebenleistung anbieten muss, aber aufgrund der Spezifität oder Auslastung nicht oder nicht ausreichend im eigenen Haus vorhält. Somit werden diese Leistungen immer über ein Netzwerk von Subunternehmen abgerufen. Zusammenfassend muss nochmals auf die Bedeutung der ausreichenden Kapazität des Kern-Kompetenzpersonals hingewiesen werden, die mit Rücksicht auf die Spitzenbelastung geplant werden muss. Zu diesem KernKompetenzpersonal gehören: x x x x x x x
Projektleiter Baustellenchefs / Bauführer Montageleiter Qualitäts- und Sicherheitsfachleute Kalkulatoren AVOR-Mitarbeiter Einkauf
Je nach Unternehmen kann dieser Kreis auch erweitert werden. Die Vorhaltung von Personalressourcen in allen anderen Bereichen muss sich an den notwendigen Durchschnittsjahreskapazitäten orientieren. Der Koordinations- und Leitungsstab muss genügend Ressourcen haben, um SpitzenAuslastungen zu managen. Nur wenn diese Steuerung und Koordination sichergestellt werden kann, können die Projekte zur Kundenzufriedenheit
13.2 Auslastungsplanung
841
abgewickelt werden und zielorientiert für den inneren Unternehmenserfolg abgeschlossen werden.
13.2 Auslastungsplanung Im Folgenden wird nun die holistische, integrale Projekt-, Produktionsund Montage-Auslastungsplanung konzeptualisiert. Die projektbezogene Auslastungsplanung wird allgemein für Unternehmen mit Projektgeschäft wie: x x x x x x
Generalunternehmen mit Produktion Bauunternehmen mit Bauproduktion Generalunternehmen Stahlbaufirmen Fassadenbauunternehmen Systemgebäudehersteller des Holz-, Stahl- und Betonbaus mit Vorfertigung
dargestellt. Daher wird der gesamte Wertschöpfungszyklus von der Ausführungsplanung über die Produktion bis zur Montage (APM) dargestellt (Bild 394). Bei reinen Rohbauunternehmen bezieht sich die Auslastungsplanung somit nur auf die Angebotsbearbeitung und Bauproduktion (P). Bei GU, Systembauherstellern, Stahlbau- und Fassadenunternehmen ist meist die gesamte APM-Kette eingeschlossen. Aus Bild 394 wird ersichtlich, dass ausgehend von End- bzw. Fertigstellungstermin sowie Anfangstermin der Baustelle die Montage auf der Baustelle (bei Vorproduktion) bzw. die Produktion auf der Baustelle für die einzelnen Gewerke und Bauteile geplant werden muss. Im Stahlbau und auch im Fassadenbau wird die Montage im vertraglichen Zeitfenster (Anfang – Endtermin) zuerst in Lose gegliedert, und dann in die Leistungsgruppen Unterkonstruktion und Verkleidungselemente. Aufgrund dieser Aufteilung erhält man innerhalb des vertraglichen Zeitfensters Zwischentermine bzw. Unterzeitfenster für die Lose und Leistungsgruppen. Daraus ergeben sich beim Stahl- und Fassadenbau die Liefertermine für die Lose und innerhalb der Lose für die Elemente der Leistungsgruppen. Dabei ist es wichtig, dass die Montageleitung die Zugänglichkeit der Baustelle prüft und sicherstellt, sowie ausreichend Kran-, Zwischenlager- und Mannschaftskapazität bereitstellt. Aus diesen Lieferterminen auf die Baustelle ergeben sich aus der Produktionszeit für die Elemente die Produktionsstartzeiten für die Lose, beginnend mit der Un-
842
13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung
terkonstruktion und den folgenden Hauptfassadenbauelementen sowie den seitlichen, oberen und unteren Abschlüssen. Aktivitätszeiten
Produktion
Planung
Abfolge/Rückwärtsplanung: Leittermin I:
Fertigstellungstermin
Leittermin IIa:
Montage
Leittermin IIb:
Produktion
(Folgetermin IIb: Bestellung)
Montage
Folgetermin IIb: TB-Planung
t
Kapazität [Mann-h]
TB
Kapazität [Mann-h]
Produktion
Montage
tStart
Pro t Start
Mon t Start
t
KapazitätsVorhalteplanung
Fertigstellungstermin
Kapazitätsplanung
Kapazität [Mann-h]
Terminplanung
Aufgaben
t Ende
Bild 394: APM-Kette – Kybernetische, integrale, rekursive Aktivitäten-
Kapazitäts- und Terminplanung (kir-AKT) für das Projekt Pi N Aufgrund der Produktionsanfangstermine und des Produktionsablaufes müssen die Produktionspläne genehmigt vorliegen. Dies erfordert eine Vorlaufzeit für die Materialbestellung nach den Plänen sowie für die AVOR. Dieser Planungs-, Produktions- und Montageprozess muss innerhalb folgender vertraglicher Zeitfenster eingepasst werden: x Zeitfenster 1: Auftragsvergabe – Fertigstellung x Zeitfenster 2: Baustellenfreigabe – Fertigstellung Somit muss der rekursive AVOR-Prozess für Planung, Produktion und Montage in die kapazitätsmässigen Ressourcen des Unternehmens eingepasst werden. Dazu ist die AVOR-Planung des Projektes in die Auslastungsplanung des SGF bzw. der SGE einzupassen. Somit ist sofort nach Auftragsvergabe die Ressourcen- bzw. Kapazitätsplanung auf Basis der verfügbaren Kapazität des Unternehmens durchzuführen (Bild 395).
13.2 Auslastungsplanung
Pmn21
P
P6n
P2n
alt
P5n
n 1 m2
P P alt
Pmn11
P4n
n 1 m
P
Pmn21
P3n
P1n
Pmn11
P4n
P2n
n 1 m
P
843
P6n
P6n
P5n
P1n
P2n
P3n
Bild 395: Kybernetische,
integrale Projekt-, Auslastungsplanung der SGE
Produktions-
Montage-
844
13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung
Kapazität [h]
Aus dem Zeitfenster für die Montage und Produktion (Leittermine) erhält man die Ausführungsplanungszeitfenster. Ferner wird man, falls die Produktions- bzw. die Montagezeitfenster nicht ausreichend sind, prüfen, ob man zwischen den verschiedenen Projekten der SGE – z. B. solchen mit Vorlauf – einen Zeit- und Kapazitätsausgleich vornehmen kann (Bild 396). Dadurch kann man die Produktions- und Montageressourcen optimal nutzen. Diese beiden Bereiche müssen optimal ausgelastet werden, um die Kostenführerschaft zu erhalten. Denn hier stecken die laufenden hohen Personal- und Inventarkosten, die möglichst ohne Verlust (waste) auf die Wertschöpfung ausgerichtet werden müssen. Verbleibende Überkapazitäten müssen aus vertraglichen Gründen des jeweiligen Projektes über Subvergabe mit klar abgrenzbaren Leistungen vergeben werden. Wichtig ist dabei, dass im eigenen Unternehmen die Steuerungs- und Koordinationskapazitäten vorhanden sind, auch und besonders bei Sub-Leistungen.
P1n P
P3n
P8n
P5n
n 2
P7n P4n
P6n
Bild 396: Leittermine – Produktionskapazitätsplanung und -ausgleich in
der SGE Für die Ausführungsplanung ergeben sich analoge Überlegungen (Bild 397). Hier muss sichergestellt werden, dass einerseits genügend Kapazität
für die Angebotsunterstützung (z. B. Massenkontrollen, Sondervorschlägen) vorgehalten wird sowie anderseits für die Genehmigungsplanung und Materialdisposition (Mengen, Liefertermin, Qualität). Die Ausführungsplanung kann ganz oder in abgrenzbaren Abschnitten mit einfachen Schnittstellen in einem Netzwerk von Planern mit der spezifischen Kompetenz umgesetzt werden, falls die Planungskapazität nicht ausreicht, um
13.2 Auslastungsplanung
845
Kapazität [h]
die Produktion und Montage termingerecht mit den Ausführungsplänen zu versorgen. Ist-Kap.
Angebot
P2n
P3n
P5n P4n
P1n
P6n
Angebot Jan
Feb
März
April
Jahr n
Bild 397: TB-Auslastungsplanung
Nach Auftragsvergabe eines Projektes ist es unabdingbar, dass eine sofortige AVOR detailliert vorgenommen wird. Die Montage- und Produktionsstunden sind für die Elemente nach Losen und Leistungsgruppen zu ermitteln. Diese müssen über die Zeitfenster Montage und Produktion verteilt werden. Dies ergibt dann die Tagesleistung. Die Tagesleistung muss dann mit der eigenen zur Verfügung stehenden Kapazität abgeglichen werden. Wird die eigene Tageskapazität mit der Kapazität über das Zeitfenster überfordert, muss geprüft werden, ob ein Zwei-Schichtbetrieb vertraglich und kostenmässig möglich ist oder ob eine Sub-Vergabe notwendig ist bzw. geprüft werden muss. Um Sub-Unternehmerkapazität und Preise frühzeitig zu kennen, sollte schon bei jeder Angebotsvergabe geprüft werden, wie die Leistung intern bzw. kombiniert erbracht werden kann. Nachdem die Montage- und Produktionstermine feststehen, müssen die Genehmigungs- und Ausführungsplanung geplant werden. Die Planung der Planung wird aufgrund der kooperativen Montage- und Ausführungsplanung mit dem Projektleiter, dem AVOR-Mitarbeiter,dem Montage- und Produktionsleiter sowie dem TB-Planungskoordinator bzw. dem TBPlanungsprojektleiter vorgenommen. Der TB-Planungsprojektleiter ermittelt jetzt für die Ausführungsplanung (im Vergleich mit der Angebotsplanung) x Statikstunden / Statik-Subpreis x Bauphysikstunden / Bauphysik-Subpreis x Genehmigungsplanungsstunden
846
13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung
x Ausführungsplanungsstunden x Materialauszug- und Bestellstunden x Koordinationsstunden Diese dürfen nur aus vertraglich veränderten Vorgaben höher sein als die kalkulierten bzw. von TB angebotenen Stunden für die Angebotserstellung. Aufgrund der terminlichen Taktung des Outputs an Ausführungsplänen und Produktionsplanungsdaten ergibt sich zwischen Planungsbeginn und Bereitstellungsterminen der einzelnen Pläne die notwendige Kapazität im technischen Büro. Reicht die Kapazität trotz Ausgleichsplanung (Bild 397) nicht aus, erfolgt eine Sub-Vergabe an das Netzwerk von Planungsteams mit klar abgegrenztem Leistungsumfang. Wichtig dabei ist, dass man die Kernaufgaben im Haus behält. Zu diesen gehören: x Koordination mit internen und externen Planern sowie Produktion und Montage x Genehmigung der Ausführungskonzeption x Materialbestellung Der generelle, zusammenhängende AVOR-Planungsablauf mit der APMAuslastungsplanung der SGE ist in Bild 398 dargestellt. Das vorgestellte Konzept der projektspezifischen APM-Auslastungsplanung einer SGE gilt für alle projektorientierten, systemgeschäftlichen Unternehmen, die die Ausführungsplanung, Produktion und Montage (APM) als Gesamt- bzw. Teilleistung integral anbieten. Ausführende Bauunternehmen konzentrieren ihr Leistungsangebot meist auf die Produktion des Rohbaus eines Gebäudes oder einer Infrastruktur – z. B. Brücken, Tunnel oder Industriegebäude. Diese Unternehmen konzentrieren ihre projektspezifische AVOR und die Auslastungsplanung auf die on-site Bauproduktion. Die Bauproduktion muss wie vorher dargelegt systematisch in Bauabschnitte sowie in Modulund Elementarprozesse gegliedert werden. So muss der Bauabschnitt „Baugrube herstellen“ in die Modulprozesse Baugrubenumschliessung mit Aussteifung und Ankerung sowie Aushub, Transport und Lagerung untergliedert werden. Die Rohbauherstellung der Stahlbetonskelettkonstruktion wird dann unterteilt in die Bauabschnitte x Fundamentplatte, x Kellergeschoss und x Stockwerk 1 bis N.
13.2 Auslastungsplanung
847
Pnj
Bild 398: Kybernetischer, integraler APM-Auslastungsplanungsablauf ei-
nes Projektes Pi N in der SGE
848
13 Integrale Projekt-, Produktions- und Montageauslastungsplanung
Der Bauabschnitt Stockwerk untergliedert sich wiederum in die Modulprozesse x vertikale Bauteile – Kern / Stützen / Wände x horizontale Bauteile – Decken Diese gliedern sich wiederum in die Elementarprozesse Schalen, Bewehren, Betonieren, Nachbereiten / Vorbereiten. Aufgrund dieser systematischen Gliederung kann man für jeden Elementarprozess aufgrund der Massen, die hergestellt bzw. verarbeitet werden müssen, die Nutzleistungsstunden und Kapazitäten ermitteln [13-1]. Diese müssen in das vertraglich vereinbarte Terminfenster (Beginn / Ende) mit den Zwischenterminen für die Bauabschnitte und den zugeordneten Modulprozessen eingetaktet werden. Durch Abgleich mit der vorhandenen Auslastung durch die anderen Projekte (Bild 396) erhält man die Ressourcenverfügbarkeit an x Ausführungsmannschaft und x Inventar. Bei ungenügender eigener Kapazität, die entsprechend streng überprüft werden muss bezüglich Kapazitäts- und Terminausgleich mit anderen Projekten, muss möglicherweise Inventar wie x Kräne x Schalung gemietet werden. Sollte das Team nicht ausreichend sein, sollte die Möglichkeit der Subvergabe von Elementarprozessleistungen wie Bewehren geprüft werden. Zudem sollte neben Kostenaspekten auch die Vorfabrikation von Frischbeton geprüft werden. Aufgrund dieser systematischen integralen, kybernetischen AVORAuslastungsplanung wird man die zielgerichteten internen sowie externen Projektergebnisse erzielen und zur Gewinnmaximierung der SGE beitragen.
Literatur [13-1]
Girmscheid, G.: Leistungsermittlungshandbuch für Baumaschinen und Bauprozesse. Springer Verlag, Berlin, 2005
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
14.1 Strategische Bedeutung der Bauhöfe in den Bauunternehmen Aus der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie ergeben sich die inneren Handlungsfelder eines Bauunternehmens zur Optimierung der operativen Tätigkeit in Bezug auf die Leistungsbereitstellung. Der Einkauf und der Bauhof (D) bzw. Werkhof (CH) – Inventar, Logistik, Instandhaltung, Lagerung – stellen im Rahmen der Supportprozesse wichtige Handlungsfelder dar (Bild 399). Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebots bearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme / Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 399: Die Prozesse in einem Unternehmen – Werkhof und Einkauf
Die strategischen Unternehmensziele zur marktorientierten Unternehmensentwicklung sind in Bild 400 dargestellt. In diesem Zusammenhang ergeben sich die folgenden strategischen Fragen für Bauunternehmen: x Was sind die Kundenwünsche in Bezug auf Leistungsumfang, Preis, Termine, Qualität? x Welche Optimierungsmassnahmen sind zur kostengünstigen Erfüllung der Kundenwünsche möglich?
850
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
x Was sind die operativen Kernkompetenzen des Unternehmens? x Was sind die zukünftigen Kundenforderungen an das Bauunternehmen?
Wettbewerbsziele
Marktziele
Ertragsziele
Leistungsziele
Umweltziele
Bild 400: Strategische Unternehmensziele
Auf der Grundlage der Antworten auf diese übergeordneten strategischen Fragen aus der Unternehmens- und Geschäftsfeldstrategie wird, in Zusammenarbeit mit dem Einkauf, das Konzept für den Bauhof und das Inventarmanagement festgelegt. Der Trend in den Unternehmen führt heute häufig zur Reduzierung der Leistungstiefe durch Konzentration auf die Kernkompetenzen. Die Kernkompetenzen erfüllen die in Bild 401 dargestellten Merkmale und dienen zur strategischen Leistungsabgrenzung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Mitbewerbern am Markt. Der Aufbau von Kernkompetenzen ist sehr herausfordernd für ein Unternehmen und erfordert mehr als nur eine vertikale Integration, sondern verlangt die Verpflichtung, über die eigenen organisatorischen Grenzen hinaus zu wirken. Indem dadurch Synergien in verschiedenen Sparten des Unternehmens geweckt werden, vervielfältigt sich die Wirkung der Kernkompetenzen. Infolgedessen werden zum Erbringen von Leistungen in Bereichen, in denen ein Unternehmen keine Kernkompetenzen aufweist und daher die Leistung kostengünstiger im Wettbewerb am Markt einkaufen kann, Subunternehmer eingesetzt. Damit wird sichergestellt, dass man die Kostenführerschaft [14-24] anstrebt. Auf diese Entwicklung müssen sich die internen Servicefunktionen und -abteilungen ausrichten.
14.1 Strategische Bedeutung der Bauhöfe in den Bauunternehmen
851
Bild 401: Merkmale für Bauunternehmen mit Kernkompetenzen [14-18]
Jedes Unternehmen muss für sich herausfinden was die eigenen Kernkompetenzen sind. Ein Bauunternehmen, das z.B. im U-Bahnbau sein Marktsegment „Schildvortrieb im Lockergestein“ ausbaut, muss das eigene führende Know-how gegenüber der Konkurrenz zur Optimierung und Entwicklung der Bohr- und Maschinentechnik stetig weiterentwickeln. Das Gleiche gilt für Unternehmen, die sich auf TBM-Vortrieb im Felsgestein spezialisiert haben; hier kann die maschinentechnische Abteilung das Kompetenzzentrum für die Weiterentwicklung und Vorhaltung von Geräten und Bedienungsmannschaften sowie bestimmten Serviceleistungen darstellen. Die Kenntnisse in der Bohrtechnik können auf weitere Geschäftsfelder, z.B. den Bereich der Horizontalbohrtechnik, synergetisch übertragen werden. Das gleiche synergetische Muster lässt sich im Bereich von Hydroschilden [14-15] auf den Tunnelbau sowie auf den Rohrvortrieb, bentonitgestützte Bohrpfähle, Schlitz- und Dichtwände übertragen. Dagegen stellt der Fuhrpark bei einem Bauunternehmen keine Kernkompetenz, sondern eine Randtätigkeit dar. Die Vorhaltung eines Fuhrparks mit sämtlichen Serviceeinrichtungen ist nur dann berechtigt, wenn es wirtschaftlich günstiger ist, die Leistung selbst bereitzustellen, als sie auf dem Markt zu beziehen. Dies ist im Rahmen der anzustrebenden Kostenführerschaft unumgänglich. Instandhaltungsarbeiten an Baumaschinen und sonstigen Anlagen sind für Bauunternehmen im Allgemeinen auch keine eigentlichen Kernkompetenzen. Daher gehören Tank- und Waschanlagen, Fuhrpark und diverse Werkstätten zu den potenziellen Outsourcingkandidaten. Die meisten Bauunternehmen haben im Baufhofbereich nur geringe Kernkompetenzen. Bei der Leistungsbereitstellung kann die Entscheidung
852
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
make
über eine Make-or-Buy-or-Cooperate-Strategie [14-12] gemäss der in Bild 402 dargestellten Vorgehensweise gefällt werden. Die Entscheidung ergibt sich aus der Beantwortung der Frage, wer die Anforderungen des internen Kunden am kostengünstigsten erfüllt.
cooperate
hoch
buy
gering
• Verknüpfung komplementärer Kernkompetenzen • Schnelle und effiziente Ausarbeitung ganzheitlicher Lösungsansätze • Entwicklung der Unternehmen vom Bauleistungsanbieter zum Systemanbieter
Erfolgsrelevanz
Chancen
Kernkompetenzbereiche Anforderungen • Langfristige, projektübergreifende Zusammenarbeit • Interessengleichrichtung als Voraussetzung eines innovationsfördernden Ressourcenaustauschs • Zweckmässige Zusammenstellung des kooperationsinternen Kompetenzportfolios
Bild 402: „Make, buy or cooperate“-Überlegungen
Leistungen, die keine Kernkompetenzen darstellen, können von einem Outsourcing-Bauhof oder durch das eigene Unternehmen erbracht werden, wenn die Wirtschaftlichkeitsprüfung ergibt, dass die internen Kosten geringer sind als der externe Marktpreis (Bild 403). Zu diesem Zweck können Bauunternehmen gemeinsame Werkhöfe durch Outsourcing gründen und ihr Inventar einbringen. Der Trend zur regionalen Konzentration im Bauhofbereich ist eine sehr erfolgreiche Strategie. Die gemeinsame Bewirtschaftung des Inventars kann dabei zu erheblichen Kostenvorteilen führen, die dem Anspruch einer Kostenführerschaft besonders in kapitalintensiven Sparten gerecht werden, da die gemeinsame Nutzung vorhandener Einrichtungen über die Steigerung der durchschnittlichen Kapazitätsauslastung die effizientere Nutzung der vorhandenen Produktionsfaktoren ermöglicht. Die Realisierung von Synergien und Skalenvorteilen führt zu gesteigerter Konkurrenzfähigkeit. Steigt die Auslastung der Geräte, des Personals und der Infrastruktur, kommt es zu einer Senkung der entsprechenden Kosten, und die beteiligten Unternehmen werden konkurrenzfähiger. Geräte und Schalungssysteme werden für das jeweilige Projekt nach den spezifischen Projektanforderungen angemietet. Dadurch setzt man je-
14.1 Strategische Bedeutung der Bauhöfe in den Bauunternehmen
853
weils das optimale Schalungssystem und die leistungsfähigsten Geräte zur Optimierung von Leistung und Kosten ein, ohne auf suboptimale eigene Bestände zurückgreifen zu müssen. Dies trifft auch für andere Unternehmensbereiche zu, die keine zentralen Kernkompetenzen in Bezug auf das kundenorientierte Leistungsangebot aufweisen. Es gibt bereits Grossunternehmen, die für den gesamten Hochbaubereich keine Bauhöfe (Werkhöfe) mehr unterhalten. Unternehmensspezifische Kernkompetenz ?
Outsourcing / Make oder Buy ?
Markt
Buy: Subunternehmer
Verfügbarkeit Wirtschaftlichkeit bzgl. Kosten
nein
Intern
Outsourcing / Make: Eigenes Inventar
ja
Make: Eigenes Inventar Eigenes Personal
Innovationsmanagement: technische und wirtschaftliche Optimierung
Bild 403: Entscheidungskonzept zur Bereitstellung von Werkhofleistungen
Die Zielfelder einer Outsourcingstrategie mit ihren Vorteilen und Problemfeldern sind in Bild 164 (s. Kapitel 5) dargestellt. In dem in Kapitel 5 gezeigten Beispiel haben drei mittelständische Strassenbauunternehmen durch ein gemeinsames Outsourcing die Auslastung ihrer Asphalteinbaukapazitäten annähernd verdoppelt. Durch die höhere Auslastung von Geräten und Mannschaften konnten die Kosten in den Unternehmen gesenkt, die Kostenführerschaft gegenüber Konkurrenten erreicht sowie Umsatz und Gewinn gesteigert werden. Eine weitere Variante bildet ein virtueller Baugeräte-Pool (BGP), der eine überregionale Baugerätevermietung aufbaut. Die beteiligten Unternehmen melden ihre freien Geräte dem BGP, der sie dann an interessierte Unternehmen vermittelt. Dies ist ein zukunftsweisendes Konzept, z.B. auf Verbandsebene, entbindet aber die Bauunternehmen nicht vom eigenen konkurrenzunterscheidenen, strategischen Handeln. Bei Serviceleistungen im Bereich der Bauhöfe, die nicht zu den Kernkompetenzen des Bauunternehmens zählen, gelten folgende Kriterien: x Ist die interne oder die externe Bereitstellung kostengünstiger? x Ist die externe Bereitstellung zuverlässig genug?
854
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
x Erfolgt die Kapitalbindung zur Beschaffung neuer Geräte im richtigen strategischen Bereich zur Stärkung der Kernkompetenzen? Bauunternehmen müssen jede legitime Chance zur Verbesserung ihrer Ergebnissituation nutzen. Viele traditionelle Serviceleistungen der Bauhöfe sind wirtschaftlich zu unrentabel, um am Markt im Wettbewerb bestehen zu können. Daher müssen Mitarbeiter und Management die Fremdvergabe auf folgende Vorteile überprüfen: x flexibler Ausgleich von Leistungsschwankungen x Konzentration der eigenen Investitionen auf Bereiche mit hohen Wertschöpfungen und Margen x Nutzung des Markt-Preis-Wettbewerbs x eventuell geringerer Koordinationsaufwand x Verminderung von Fehlinvestitionen Erst offene Grenzen innerhalb und ausserhalb des Bauunternehmens erlauben ein effizientes Kapazitäts- und Kompetenzmanagement. Die Nachteile der Fremdvergabe sind: x Der direkte Zugriff auf die Ressourcen ist nicht gegeben. x Die Zuverlässigkeit der Bereitstellung ist nur indirekt beeinflussbar. x Eine Steuerungs- und Kontrollmöglichkeit besteht nur indirekt. Durch konsequentes Outsourcing und Fremdvergabe kann der Einkauf als Hebel zur Verbesserung der Ergebnis- und Liquiditätslage eines Bauunternehmens genutzt werden. Für Bauunternehmen lohnt sich die Optimierung des Einkaufs durch x dezentrale Konzentration auf Regionen, x Nutzung von internationalen Beschaffungsmärkten, die erfahrungsgemäss einen erheblichen Beitrag zur Kostensenkung leisten, x Nutzung von Volumeneffekten (economies of scale) durch unternehmensinternes oder kooperatives Pooling mit anderen Unternehmen, z.B: - Einkaufskooperationen - Group Buying - Subunternehmer-Vergabeteams. Dadurch sichern sich Bauunternehmen globale Rabattsysteme für Massenprodukte bei möglichst flexibler lokaler Einkaufsdisposition. Wenn man in gewissem Umfang Nachunternehmer einsetzt, muss in den Bauhöfen ausreichende Koordinationskapazität vorhanden sein. Diese Transaktionskosten lassen sich im Bauhof nicht eliminieren, weder beim Einsatz eigener Geräte noch bei der Fremdvergabe.
14.2 Aufgaben der Bauhöfe
855
Damit man die Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, Preise und Qualität der Subunternehmer kontrollieren kann, ist es notwendig, sie systematisch zu bewerten und zu steuern. Subunternehmer sollten nach folgenden zwei Kriterien erfasst werden: x Besitzen sie wichtiges Know-how? x Wie schwer ist es, geeigneten Ersatz zu finden (einfach oder schwierig >> problemlos austauschbar oder nicht)? Mit Subunternehmern, die wichtiges Know-how besitzen und/oder schwer austauschbar sind, sollte möglichst eine langfristige Zusammenarbeit / strategische Kooperation angestrebt werden. Dies gilt auch für Lieferanten.
14.2 Aufgaben der Bauhöfe Für das Inventar sind in den meisten Bauunternehmen separate Abteilungen, Profit- oder Servicecenter, Pools etc. verantwortlich; dieser Bereich wird auch als Werkhof (CH) oder Bauhof (D) bezeichnet. Unabhängig von der optimalen Organisationsform, die sicherlich in den meisten Betrieben unterschiedlich sein wird, gehören folgende Serviceaufgaben zum Bauhof oder der maschinentechnischen Abteilung eines Bauunternehmens: x Evaluation und Einkauf von Maschinen, Geräten und Ersatzteilen sowie Leasing, Miete etc. x Verwaltung und Vermietung x Einsatzplanung und Bereitstellung von Inventar x Beratung der Baustellen zum effizienten, wirtschaftlichen Einsatz der Maschinen und Geräte x Instandhaltung x Transport und Lagerung x Montage und Demontage x Führung der Werkstätten und Ersatzteillager x Führung des Personals und der Maschinisten x Konstruktive Änderungen an Maschinen und Geräten x Anfertigen von Sonderkonstruktionen Diese Serviceaufgaben sind meist in die in Bild 404 dargestellten Infrastrukturen und Aufgabenbereiche gegliedert.
856
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Lager- und Magazinbereich
Administration Bewirtschaftung Rechnungswesen
Materialdisposition Umschlag / Einkauf
Baumaschinen Geräte
Fuhrpark
Einsatz Lagerung Transporte Einsatz Standortkontrolle Zumietung Ausmietung
Stück- und Meterwaren Gerüste Schalungen Kanaldielen Spundwände Rohre Baracken Wagen Container
Magazin
Werkstatt
Baumaterial Bauwerkzeuge Betriebsstoffe Chemikalien
Malerei Elektroservice Kranmontage Waschservice Service Reparaturen Revisionen Werkstattmagazin Ersatzteillager Pneulager
Installation, Unterhalt, Reparatur / Revision Gerätedisposition Zu- / Ausmietung
Schlosserei Schmiede Bau- und Konstruktionsschlosserei Wasserinstallationen Heizungen
Zimmerei Holzlager Schalungen
Bild 404: Infrastruktur und Aufgabenbereiche eines Werkhofs
Die internen Kunden der Bauhöfe sind die operativen Einheiten wie Baustellen oder sogar ganze Niederlassungen. In einem ständigen Wechselspiel müssen einerseits die Wünsche der Kunden ermittelt und erfüllt werden; andererseits ist die Leistungserbringung bzw. -bereitstellung in Bezug auf x Kosten, x Kapazität und Verfügbarkeit, x Kompetenz der Bereitsteller zu prüfen. Oft besteht das optimale Leistungsangebot für die internen Kunden darin, den bestmöglichen Mix zwischen eigenen Leistungen und Subunternehmerleistungen zur Verfügung zu stellen, um die oben genannten drei Kriterien möglichst gleichzeitig zu erfüllen. Die Interaktion der Leistungsbereitstellung des Bauhofs mit der Unternehmensstrategie, dem Leistungsangebot und dem Bauprojekt ist in Bild 405 dargestellt; es zeigt die Komplexität des Zusammenspiels zwischen Leistungsangebot des Unternehmens bzw. der strategischen Geschäftseinheit und der Vorhaltung an Inventar und Material. Zudem wird der projektspezifische Einfluss auf die strategische und operative Entscheidung hinsichtlich der Bereitstellung des Inventars deutlich. Die Aufgabe der Bauhöfe ist es, x logistische Leistungen für die Baustellen und Niederlassungen bereitzustellen, x die Wünsche der internen Kunden leistungs- und kostenoptimal zu erfüllen.
14.2 Aufgaben der Bauhöfe
857
Baumarkt Marktforschung
Absatzschätzung
Unternehmensplanung Leistungsangebot Leistungsangebot Sparten
Leistungsumfang (Erlösplanung)
Marketing
Herstellungskosten
Inventar- und Lagerplanung Inventarumfang und Lagermengen
Werkhofeinrichtung und Personalkosten
Werkhofkosten
Projektspezifische AVOR der Leistungserstellung Planung der Leistungserstellung
Durchführung der Leistungserstellung, Bereitstellungs- u. Ablaufplanung
Herstellungskosten, projektspezifische Geräte, Bauhilfsmassnahmen u. Materialplanung
Lagerplanung für Material und Teile Planung der Lagermengen
Planung Lagereinrichtung und -personal
Planung der Lagerkosten
Beschaffungsplanung Geräte
Verschleissteile und Werkzeuge
Bauhilfsmaterialien
Beschaffungsmarkt
Arbeitskräfte
Beschaffungskosten
Geld- und Kapitalmarkt
Verwaltungsplanung Einnahmen
Finanzplanung
Ausgaben
Ergebnisplanung Bilanzplanung
Bild 405: Interaktion Unternehmensstrategie, Geschäftsprozesse und Inventarbereitstellung
Der Bauhof hat Servicefunktionen gegenüber den operativen Bereichen. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine falsch verstandene interne Kundenorientierung ohne Anknüpfen an den externen Leistungs- und Preiswettbewerb eine x ungünstige Ressourcenauslastung und x hohe Kapitalbindung verursacht. Dies führt zu einer hohen Komplexität in der Bereitstellung des Inventars, verbunden mit Ineffizienz und hohen Kosten. Der Bauhof muss in der Bereitstellung seiner Leistungen für die internen Kunden des operativen Bereichs eine optimale Kombination anstreben, die einerseits die Wünsche der internen Kunden befriedigt und andererseits für das gesamte
858
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Bauunternehmen zur Kostenoptimierung und Sicherstellung der Kernkompetenzen führt. Den operativen Einheiten müssen differenzierte Leistungspakete zu möglichst geringen Kosten termin- und leistungsgerecht bereitgestellt werden. Für das Gesamtunternehmen muss der Bauhof folgende Ziele anstreben: x hohe Auslastung des Inventars x günstige Bereitstellungskosten im Marktvergleich x Sicherstellung und Weiterentwicklung von konkurrenzunterscheidenden Kernkompetenzen Die Hauptfunktionen des Bauhofs werden durch Unterstützungsfunktionen ergänzt, um den externen Markt in die interne unternehmerische Leistungsbereitstellung einzubinden. Die Unterstützungsfunktionen sind x Einkauf sowie x Lagerhaltungs- und Instandhaltungsmanagement. Hierzu ist ein gewandtes Kapazitäts- und Kompetenzmanagement seitens des Bauhofs erforderlich, dessen Ziel es sein muss, nur solche Leistungen selbst zu erbringen, die entweder Kernkompetenzen darstellen oder wirtschaftlich günstiger erbracht werden können. Daher muss im Bauhof die gesamte logistische Leistungspalette konsequent auf die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Leistungen überprüft werden. Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie mit Intranet und Internet macht die Auslastungsplanung innerhalb des Unternehmens oder der Outsourcingpartner transparent. Zu den Kernprozessen der Bauhöfe gehören: x Kapazitäts- und Kompetenzmanagement mit Kapazitäts- und Bereitstellungsplanung x Service- und Instandsetzungsmanagement x Lagerhaltung x Einkauf (möglichst angeschlossen) Die Servicebereiche Einkauf und Bauhof mit Inventar, Instandhaltung und Lagerhaltung sollten miteinander verzahnt werden, damit sie nicht nur eine Kette von Einzelelementen sind, sondern Synergien optimal entfalten können, was zur Ertragssteigerung und Kostensenkung führt. Daher müssen die Servicebereiche proaktive, innovative, kooperative Problemlöser sein, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Aspekte für die Partner aus den operativen Bereichen. Die mögliche Organisation eines Werkhofs ist in Bild 406 dargestellt.
14.2 Aufgaben der Bauhöfe
859
Inventarchef Lager / Magazin
Administration EDV Support
Werkstatt
Einkauf
Elektrodienst
Disposition
Bild 406: Organisation eines Werkhofs
Gleisanschluss
Bild 407 zeigt ein Beispiel für die Anordnung der Werkstätten, Magazine, Lagerplätze und Verwaltung.
Lagerfläche 26 000 m2
.00 50
20.00
28.00
Tankstelle
Waschplatz
38.00
Geräteabstellfläche
Erweiterung
Werkstatt
Werkstatt Erweiterung
45.00
150.00
Lagerfläche 9 000 m 2
10.00
Tor Büro
Gastank
Parkplatz Trafo
Bundesstrasse
Bild 407: Werkhof der Porr AG
un Za
Bahnstrecke
205.00
Portalkran
Magazin Erweiterung
Gerätemagazin
29.70
Turmdrehkran
860
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
14.3 Grossbaustellenwerkstätten und Service – Operative Gesichtspunkte Bei sehr grossen Baustellen mit vielen Spezialmaschinen kann es wirtschaftlich sein, eine Baustellenwerkstatt (Bild 408) für den regelmässigen Wartungsdienst (Schmierdienst) der Geräte zu unterhalten, entweder mit eigener Mannschaft oder im Rahmen von Wartungs- und Serviceverträgen. Das trifft für TBM-Vortriebe und grosse Tiefbaustellen mit einer Vielzahl von Bohr-, Schlitzwand- und Separationsgeräten mit hohem Geräte- und Werkzeugverschleiss zu; eine eigene Baustellenwerkstatt vor Ort empfiehlt sich auch bei schwer zugänglichen Baustellen, bei denen der externe Service nicht innerhalb weniger Stunden erbracht werden kann.
Abstellgleis
Grobbleche
SKW - Wartung, zgl. Abstellplatz
Hauptzufahrt Klärgrube
E - Werkstatt, darüber Meisterbüro
Wartung des fahrbaren Grossgerätes
Flugdach für Reparaturgeräte
zum S tollen
14 m W erks t att m agazin
Werkzeugmaschinen
Werkstatt
0.5% Gefälle
Laufkatze
100 kN
Werkbank
Rep. der Fahrzeuge und der Grossgeräte
Schw eiss erei
Sc hmiede
S tollen - Hauptgleis
Rep. Stollengeräte
Kfz - Batterien
Waschboxen
Stabeisenlager (Flugdach)
für Stollenloks (50kN-Laufkatze)
4m
Batterie-Ladestation
Kleingeräte - Flugdach
Lagemässiger Anschluss an Magazinbereich
8 x 3 = 24 m 10
Grundriss Werkstatthalle
0
10
20
30
40
50
Lageplan Werkstattbereich
Bild 408: Baustellenwerkstatt
Für Geräte und Gerätekomponenten, deren Leistungen den kritischen Weg des Bauablaufs beeinflussen, müssen Störfallszenarien bereits bei der Konzeption der Baustelle und des Bauablaufs vorbereitet werden. Geräte- und Aggregatekomponenten mit hohem Verschleiss müssen besonders robust konstruiert bzw. ausgewählt werden; die Konstruktion muss einfaches und schnelles Auswechseln zulassen. Teile mit besonderem Verschleiss sollten,
14.4 Flottenmanagement
861
wenn sie eine längere Herstellungszeit benötigen (Antriebslager bei TBM, TVM etc.) [14-15] und damit beim Eintreten eines Schadens einen längeren Stillstand der Baustelle bewirken könnten, als Ersatzteile bereitgehalten werden. Auch hier sollte eine Wirtschaftlichkeitsabwägung auf probabilistischer Basis zwischen den Kosten des Ersatzteils und den Kosten der probabilistisch gewichteten Ausfallzeit erfolgen. In allen anderen Fällen, in denen der Service und die Reparaturen für Krane, LKW, Rad- und Raupenlader, Bagger etc. in kurzer Zeit extern durch die jeweiligen Herstellerfirmen oder durch Spezialservicebetriebe gewährleistet werden können, sollten aus wirtschaftlichen Gründen weder Servicegruppen noch Ersatzteile bereitgehalten werden. Auch hier ist für alle Geräte, die die Bauprozesskette kritisch beeinflussen, die Ersatzbeschaffung durch einen externen Service bei Störfällen mit längeren Ausfallzeiten bereits bei der Einsatzplanung zu berücksichtigen.
14.4 Flottenmanagement 14.4.1 Grundsätze des Inventarmanagements Analog zum Bauhof treffen die strategischen Überlegungen auch auf die Gestaltung des Flottenmanagements als wichtige Produktionsressource in Bauunternehmen zu. Die steigende Dynamik des Unternehmensumfelds zwingt Bauunternehmen dazu, auch die Bewirtschaftung ihres Maschineninventars durch ein gezieltes Management effizient zu gestalten. So erlauben Unternehmenszusammenschlüsse eine maximale Auslastung der Werkhöfe. Die Internationalisierung des Baugeschäfts führt zu einer Preisnivellierung und zunehmender Mobilität. Der immer noch bestehende Erlösverfall gewichtet die Investitionskosten gegenüber den Betriebskosten noch stärker. Die Tendenz geht daher in Richtung einer Reduzierung der Fixkosten, denn nur mit tiefen Fixkosten können Auslastungsschwankungen relativ schadlos überstanden werden, aber auch der Akquisition von Aufträgen um jeden Preis kann damit ausgewichen werden. Das führt dazu, dass der eigene Maschinenbestand auf Basismaschinen reduziert wird, deren Einsatz langfristig gesichert werden kann, dass folglich die innerbetrieblichen Selbstreparaturen zurückgehen, und dass gesamtheitliche Dienstleistungsmodelle an Bedeutung gewinnen. Die grossen Auslastungsschwankungen, ihre schwierige Prognostizierbarkeit und die sich von Baustelle zu Baustelle ändernden Anforderungen an das Inventar lassen die Beschaffung und den Unterhalt von Bauinventar
862
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
zu einer wichtigen Aufgabe des Bauunternehmensmanagements werden. Folgende Fragen sind zu beantworten: x Wurde das für die anstehenden Aufgaben richtige Baumaschineninventar gewählt? x Wurde die richtige Ausrüstung für das Inventar gewählt? x Sind die Mitarbeiter für das Inventar optimal geschult? x Kann die Werkstatt ausgelastet werden? x Können die Reparaturen zügig erledigt werden? Zudem werden die Produktlebenszyklen der Modellreihen kürzer und die technische Komplexität der Maschinen steigt. Daraus folgen steigende Anforderungen an Ausbildung, Werkzeuge und Hilfsmittel; der Schulungsaufwand für die korrekte und effiziente Wartung von Baumaschinen wird in Zukunft weiter zunehmen. Daher wird auch die Frage, ob die Wartung einer Baumaschine zur Kernkompetenz eines Bauunternehmens gehört, stärker in den Mittelpunkt unternehmerischer Entscheidungen rücken. 14.4.2 Profitabilität des Inventars Für die Entscheidungsfindung müssen Baumaschinen hinsichtlich ihrer Profitabilität beurteilt werden. Die Beurteilungskriterien sind dabei über die gesamte Lebensdauer einer Maschine anzusetzen; der Beschaffungspreis ist nur ein Kriterium (Bild 409). Produktivität
Auslastung Zuverlässigkeit
Betriebskosten
Profitabilität Wiederverkaufswert
Finanzierung Einstandspreis
Bild 409: Beurteilungskriterien für die Profitabilität von Maschinen
Anhand der folgenden Dimensionen kann die Wirtschaftlichkeit einer Inventarinvestition beurteilt werden: x Produktivität: Mit der Produktivität wird die Anzahl Tonnen Materialumschlag pro Zeiteinheit bewertet.
14.4 Flottenmanagement
863
x Betriebskosten: Zu den zu bewertenden Betriebskosten zählen u.a. der Zeitaufwand für die Wartung und der Brennstoffverbrauch. x Auslastung: Die Auslastung einer Baumaschine bewertet die Anzahl der Betriebsstunden über die Lebensdauer. x Zuverlässigkeit: Die Zuverlässigkeit bewertet u.a. die Anzahl der Ausfälle der Maschine über die Lebensdauer und die Lieferzeit von Ersatzteilen. x Finanzierung: Die Finanzierung bewertet die möglichen Finanzierungsarten und den Zinssatz. x Einstandspreis: Der Einstandspreis gibt den Kaufpreis einer Baumaschine wieder. x Wiederverkaufswert: Der Wiederverkaufswert gibt den realisierten Verkaufspreis beim Eintausch der Baumaschine an. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Baumaschine mithilfe dieser Faktoren ist sehr anspruchsvoll. Drei Beispiele sollen das verdeutlichen. Die Betrachtung des Dieselverbrauchs über die Betriebsstunde allein ist irreführend. Für die richtige Bewertung dieses Faktors muss der Dieselverbrauch in Relation zur umgeschlagenen Tonne Material pro Zeiteinheit gesetzt werden, unter identischen Bedingungen mit demselben Fahrer. Die Lieferfähigkeit von Ersatzteilen ist über die gesamte Lebensdauer einer Baumaschine zu beurteilen. Ein Produktionsausfall über 48 Stunden wegen eines fehlenden Ersatzteils verursacht erhebliche Kosten. Der schnelle Zugriff auf eine schlagkräftige Serviceorganisation kann Produktionsausfälle vermeiden oder reduzieren. 14.4.3 Inventar – Kauf oder Miete? Eine Grundsatzentscheidung bei der Bewirtschaftung des Baumaschineninventars betrifft die Frage, ob eine Baumaschine gekauft oder gemietet werden soll. Die folgenden Pauschalurteile übersehen dabei wesentliche Einflussgrössen: x „Abgeschriebene Maschinen kosten nichts.“ Hier wird oft übersehen, dass auch abgeschriebene Maschinen Kosten für Reparaturen, Wartung und Versicherungen verursachen. Je älter die Maschine ist, umso mehr steigen diese Kosten an; zudem ist oft die Leistungsfähigkeit und Leistungssicherheit geringer (Bild 410). x „Mietmaschinen sind nicht schnell genug verfügbar.“ Das Argument trifft nur für kleinere Vermieter zu; landesweit operie-
864
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
rende Unternehmen verfügen über grosse Maschinenpools, die untereinander vernetzt sind. x „Wer mietet, hat kein Geld zum Kaufen.“ Gemietet wird, weil die Liquidität eines Unternehmens wichtiger ist als das Anlagevermögen. Erfolgreiche Unternehmen müssen heute schnell und flexibel reagieren können, und das ist nur bei vorhandenen ungebundenen Mitteln oder nicht ausgeschöpften Kreditrahmen möglich.
Bild 410: Kosten überalterter Geräte
Eine Ausnahme sind strategisch wichtige Maschinen oder Maschinen, die das Know-how des Unternehmens gegenüber der Konkurrenz verbessern; diese sollten nicht gemietet werden. Die Entscheidung, ob Miete oder Kauf, wird wesentlich durch die Einsatztage und Betriebsstunden beeinflusst. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Schritt 1: Ermitteln der Betriebsstunden und der Einsatztage Theoretisch kann eine Baumaschine ca. 252 Tage (ca. 1830 Betriebsstunden) pro Jahr eingesetzt werden. In diesem Beispiel wurden 90 Einsatztage (ca. 640 Betriebsstunden pro Jahr) ermittelt. Dabei fällt auch die zeitliche Verteilung des Maschineneinsatzes auf (Bild 411).
14.4 Flottenmanagement
100
90
865
90
85
90 80
Einsatztage kumuliert
Einsatztage
70 60
53
53
68 53
48
50 40
32
30 20 10
15 0
0
jan
feb
17
16
Einsatztage
15
17
5
5
0 mrz
apr
mai
jun
jul
aug
sep
okt
nov
dez
Bild 411: Ermittlung der Einsatztage
Schritt 2: Ermitteln der Kosten Man ermittelt die Kosten für Abschreibung, Zinsen, Reparatur, Wartung und Verschleiss und teilt sie durch die zu erwartenden Betriebsstunden. Schritt 3: Break-Even-Analyse und Entscheidung Das Beispiel führt zur Entscheidung für die Miete (CHF 355.- pro Tag), da der Tagessatz der Miete günstiger ausfällt als die zu erwartenden Kosten bei Besitz (CHF 624.- pro Tag) (Bild 412).
Bild 412: Break-Even-Analyse und Entscheidung für Eigentum oder Miete
866
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Bedingungen für einen professionellen Mietservice sind eine moderne und leistungsstarke Maschinenflotte und eine ausgebaute Serviceinfrastruktur, damit bei Problemen sofort interveniert werden kann. Folgende Leistungen sollten angeboten werden: x x x x
Bereitstellen einer Baumaschine für eine beschränkte Einsatzdauer Wartung, Reparaturen und Versicherung flächendeckendes Baumaschinenangebot einfache und unkomplizierte Abwicklung
Für das Bauunternehmen ergibt sich daraus folgender Nutzen: x x x x x x
Kurzfristige Dispositionen sind möglich. Die für den Auftrag optimale Baumaschine kann eingesetzt werden. Es wird kein Kapital gebunden; die Liquidität ist gesichert. Es besteht Kalkulationssicherheit. Das Reparaturrisiko entfällt. Die Kompatibilität mit den Anbaugeräten ist gewährleistet.
Ein europäischer Vergleich der Besitzformen zeigt, dass das Verhältnis von Besitz zu Miete in einzelnen Ländern verschieden stark ausgeprägt ist (Tabelle 25). Tabelle 25: Besitzform von Baumaschinen in europäischen Ländern (2000) Land
Besitzanteil
Mietanteil
Serviceverträge
Schweiz
90 %
10 %
5%
Frankreich
20 %
80 %
10 %
England
20 %
80 %
15 %
Italien
90 %
10 %
30 %
14.4.4 Dienstleistungsmodelle für Baumaschinen Hat man sich für den Besitz einer Baumaschine entschieden, stehen verschiedene Dienstleistungen zur Verfügung, die einen optimalen Einsatz der Baumaschine sicherstellen (Bild 413).
14.4 Flottenmanagement
867
Miete Kunde Besitz
Gebraucht kauf
Finanzierung
Neukauf
Servicevertrag
Kauf von Betriebsstunden
Vollservice vertrag
Bild 413: Dienstleistungsmodelle für den Besitz von Baumaschinen
Traditioneller Kauf
Der traditionelle Kauf mit eigenem Service und eigenen Reparaturen ist nach wie vor eine der meistverbreiteten Besitzformen in Europa. Das Reparatur- und Restwertrisiko, aber auch die Maschinenkompetenz liegt beim Bauunternehmen. Mit dem traditionellen Kauf von Baumaschinen können folgende Probleme auftreten: x Das Werkstattpersonal muss umfassend ausgebildet werden. x Die Auslastung des Werkstattpersonals muss gewährleistet sein. x Mit dem Kauf ist eine Festlegung auf bestimmte Leistungsbereiche und damit ein zukünftiges Einsatzrisiko verbunden. Häufig kann die Besitzform „Eigentum“ mit verschiedenen Dienstleistungen kombiniert werden. Finanzdienstleistungen Das Bauunternehmen schliesst in diesem Fall zwei Verträge ab (Bild 414), x einen Kaufvertrag für die Baumaschine und x einen Finanzierungsvertrag über die Finanzierungssumme.
Bild 414: Bereitstellung von Finanzdienstleistungen
868
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Servicevertrag Der Kauf einer Baumaschine, ob fremd- oder eigenfinanziert, kann mit modularen Serviceverträgen kombiniert werden. Solche Serviceverträge umfassen: x x x x
Servicearbeiten ab 250 bzw. 500 Betriebsstunden Lohn- und Reisekosten Ersatzteile Ölanalysen
Sie bieten folgenden Nutzen: x x x x x
fixe Kosten für einen definierten Leistungsumfang Zahlung nach effektiv geleisteten Stunden Früherkennung von sich anbahnenden Schäden durch Ölanalyse reduzierte Betriebs- und Unterhaltskosten optimale Einsatzbereitschaft
Vollservicevertrag Der Vollservicevertrag stellt eine Erweiterung des Servicevertrags dar. Er kann über verschieden lange Laufzeiten abgeschlossen werden; je länger die Laufzeit, umso teurer werden die Kosten pro Betriebsstunde. Der Vollservicevertrag entspricht einer verlängerten Garantie einschliesslich der Serviceleistungen. Auch Vollserviceverträge sind modular gestaltet. So kann beispielsweise entschieden werden, ob Betriebsstoffe, Verschleisskosten, Batterien etc. mit eingeschlossen sein sollen. Vollserviceverträge können danach x x x x x x
Servicearbeiten ab 250 bzw. 500 Betriebsstunden, Lohn- und Reisekosten, Ersatzteile, Ölanalysen, Reparaturarbeiten einschl. Ersatzteile sowie Lohn- und Reisekosten, Schmiermittel
umfassen. Sie bieten folgenden Nutzen: x x x x x x
fixe Kosten für einen definierten Leistungsumfang Es wird nur eine minimale Infrastruktur benötigt. Die Zahlung erfolgt nach effektiv geleisteten Stunden. Es besteht kein Risiko einer Kostenüberschreitung. Die Verfügbarkeit der Maschine ist hoch. Dank optimaler Wartung ist der Wiederverkaufswert hoch.
Nicht im Vollservicevertrag eingeschlossen sind:
14.4 Flottenmanagement
x x x x x
869
Glasbruch tägliche und wöchentliche Wartung Reifen Reinigung Schäden aufgrund von Wartungs-/Bedienungsfehlern und Vandalismus
Mögliche Zusatzpakete können z.B. Ladeschaufel, weitere Verschleissteile und Anbauteile umfassen. Auch kann eine Verfügbarkeitsgarantie abgeschlossen werden. Kauf von Betriebsstunden
Eine weitere Nutzungsform ist der Kauf von Betriebsstunden, der eine Kombination von Finanzierung und Vollservicevertrag darstellt. Man kann auch von einer langfristigen Miete sprechen. Die Maschine verbleibt im Eigentum des Maschinenhändlers. Die Kosten für das Bauunternehmen können somit über die Betriebsstunde definiert werden. Der Kauf von Betriebsstunden umfasst: x x x x x x x x
Servicearbeiten ab 250 bzw. 500 Betriebsstunden Lohn- und Reisekosten Ersatzteile Ölanalysen Reparaturarbeiten einschl. Ersatzteile sowie Lohn- und Reisekosten Fahrerschulung Bereitstellen (Kapitalkosten) der Maschine Maschinenkaskoversicherung
Folgender Nutzen ergibt sich daraus: x alle Vorteile eines Vollservicevertrags x keine Kapitalbindung x volle Transparenz Da beim Abschluss eines Vertrags „Kauf von Betriebsstunden“ die Kalkulation auf einer linearen Abschreibungsbasis erfolgt, die effektive Abschreibung aber entsprechend Bild 415 vonstatten geht, entsteht bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags ein Delta-Wert. Dieses Delta muss durch den Vertragnehmer entschädigt werden. Der Kunde bezahlt die Differenz aus linearer und effektiver Amortisation plus Zinsverluste.
870
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Wert [CHF] 350'000 300'000
Der Kunde bezahlt die Differenz aus linearer und effektiver Amortisation plus Zinsverluste.
250'000 200'000 150'000 100'000 50'000 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Jahre effektiv amortisiert
linear amortisiert
Bild 415: Entschädigung der Kapitalkosten bei vorzeitiger Vertragsauflösung
Die Vollservicekosten werden zur Vereinfachung über die gesamte Vertragsdauer hinweg zu einem einheitlichen Satz verrechnet. Zu Beginn der Lebensdauer der Maschine fallen jedoch geringere Vollservicekosten an, die mit fortschreitendem Betriebsalter zunehmen. Deshalb besteht bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags die Möglichkeit der Teilrückerstattung der bereits einbezahlten Vollservicekosten (Bild 416); dies ist abhängig von der jeweiligen Vertragsgestaltung. Wert [CHF] 120'000 100'000 80'000 60'000
Der Händler bezahlt die Differenz zwischen erbrachten und bezahlten Aufwendungen zurück.
40'000 20'000 0 0
800
1600
3200
4000
4800
5600
6400
7200
8000
Stunden bezahlt
effektiv
Bild 416: Rückzahlung der Servicekosten bei vorzeitiger Vertragsauflösung
Beim Modell „Kauf von Betriebsstunden“ trägt der Händler alle Risiken wie Reparatur- und Restrisiko; der Kunde trägt einzig das Risiko der Maschinenauslastung. Das bedeutet, dass bei Unterschreitung der vertraglich
14.4 Flottenmanagement
871
festgesetzten Stunden die fixen Kapitalkosten pro Stunde entsprechend höher liegen werden und nachgezahlt werden müssen. Jeder Entscheidung sollte eine transparente Rechnungslegung zugrunde gelegt werden (Tabelle 26). Tabelle 26: Transparenz der Kalkulation Kostenart
CHF pro Stunde
Finanzierung der Abschreibung
CHF total
39.10
351'900
Service
5.40
48'600
Reparaturen
6.70
60'300
Kaskoversicherung
2.15
19'350
Öl einschl. für tägliche / wöchentliche Wartung
1.80
16'200
55.15
496'350
Total
Tabelle 27: Risikoverlagerung bei unterschiedlichen Dienstleistungsmodellen Kauf
Miete
Kauf von Betriebsstunden
Auslastungsrisiko
Unternehmer
Händler
Unternehmer
Reparaturrisiko
Unternehmer
Händler
Händler
Aktiven
Unternehmer
Händler
Händler
Liquidität
Unternehmer
Händler
Händler
Die Betrachtung der Dienstleistungsmodelle unter dem Gesichtspunkt der Betriebskosten allein genügt nicht; die Anzahl der Einsatztage muss ebenfalls berücksichtigt werden. Das Diagramm in Bild 417 soll diesen Sachverhalt qualitativ verdeutlichen. Letztendlich muss jede Konstellation gesondert beurteilt und bewertet werden.
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Ge
6 Stunden pro Tag
8 Stunden pro Tag er ät
in e ch t m a sch Geb rau
300
4 Stunden pro Tag
Ne ug
2 Stunden pro Tag
Einsatztage (Tage pro Jahr )
br Ne auc u e ht r e ma sc hin e
872
10 Stunden pro Tag
200
20 Stunden pro Tag
t en -R A
100
Unmöglich
500
1000
1500
2000
Auslastung (Std. pro Jahr )
Bild 417: Dienstleistungsmodelle in Abhängigkeit von der Einsatzcharakteristik
Die potenziellen Einsparungen bei den Mietkosten von Maschinen, die den Einsatzort häufig wechseln, können die zusätzlich entstehenden Logistikkosten nicht decken.
14.5 Zukünftige Investitionsanforderungen an die Bauunternehmen Der effiziente Kapitaleinsatz beim Inventar und Werkhof gehört zu den obersten Prioritäten der Bauunternehmensführung. In Zukunft steht nicht an oberster Stelle, dass man jedes Gerät selbst besitzt, sondern Kapital freisetzt für neue Geschäftsfelder [14-26] und erweiterte Dienstleistungsangebote im Bereich der Instandhaltung, der Altbaurenovierung, des altengerechten Wohnens, der Projektentwicklung, der Private Public Partnership usw. Es müssen ausreichend liquide Mittel zur Verfügung stehen, um die Mitarbeiter für die Entwicklung und Übernahme neuer, komplexerer Aufgaben in neuen Geschäftsfeldern weiterzubilden, denn in Zukunft wird nichts beständiger sein als der Wandel.
14.5 Zukünftige Investitionsanforderungen an die Bauunternehmen
873
Die jetzige Wirtschaftsentwicklung deckt insbesondere die „hausgemachten“ wirtschaftlichen Probleme in der Führung und Organisation von Bauunternehmen auf. In einem „Inventarsee“ ist es einfach, das operative Geschäft abzuwickeln, ohne auf Hindernisse zu stossen, da zum Einsatz des Inventars nur eine geringe Logistik notwendig ist. Die Mängel in der Kompetenz zur Steuerung der Prozesse muss man aber durch eine extrem hohe Kapitalbindung mit den dazugehörigen hohen Kosten teuer bezahlen. In wirtschaftlich guten Zeiten können diese Kosten bei einem Überangebot auf der Nachfrageseite auf die Kunden abgewälzt werden. Ändert sich die wirtschaftliche Lagezum Schlechten, lassen sich diese „Ineffizienzkosten“ nicht auf den Markt abwälzen. Dann muss man aus Liquiditätsproblemen das „Wasser“ aus dem komfortablen Inventarsee ablassen, d.h. man muss den Inventarbestand senken. Bei geringerem Inventarbestand mit hoher Auslastung ist eine optimale Baustellenabwicklung nur mit effizienten Prozessen und Logistikmitteln zur Ressourcenplanung und transparenter Kostenrechnung möglich (Bild 418). Hier liegt eine der in Zukunft konkurrenzunterscheidenden Strukturen qualifizierter Bauunternehmen gegenüber den Mitbewerbern auf dem Baumarkt. Der Schlüssel liegt im Wesentlichen bei gut ausgebildetem Humankapital in den Bauunternehmen.
Bild 418: Auswirkungen von Logistik und Lagerhaltung auf die Kosten
874
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Besonders im Inventarbereich haben die Bauunternehmen noch grosse Chancen, durch x x x x x
regionale Bauhöfe, Outsourcing-Bauhöfe, Werkhof-Kooperationen, Inventarallianzen, gemeinsame Inventarpools
Synergien zu nutzen. In diesen Kooperationen, Allianzen [14-1], [14-17] und gemeinsamen Inventarpools könnten Bauunternehmen ihr Inventar und zum grossen Teil ihr maschinentechnisches Personal zusammenführen. Durch eine effiziente Logistik kann eine hohe Auslastung mit dem einhergehenden Kosteneinsparungspotenzial erreicht werden. Auch hier muss gelten, dass der Inventarbestand auf die obere Grenze der mittleren Auslastungsbandbreite ausgelegt werden sollte (Bild 419). Zur Erhaltung der eigenen Kostenführerschaft sollte für kurze Spitzenlasten das Standardinventar von Subunternehmen gemietet werden.
Bild 419: Anpassung des Inventarbestands an die Durchschnittsauslastung
Diesen betriebswirtschaftlich logischen Zwängen mögen die meisten Bauunternehmer noch nicht folgen, da auf eigenen Geräten nicht nur das Firmenemblem angebracht ist, sondern der Zugriff auf das Inventar im Regelfall auch geplant werden müsste. Das Inventar darf aber nicht länger als Repräsentationsinstrument angesehen werden. Die notwendigen Strategien im Bereich Inventarmanagement kann man wie folgt zusammenfassen: x Optimierung des Einsatzes der finanziellen Mittel bei der Inventarbeschaffung und -nutzung
14.6 Anforderung an Fachpersonal und Management
875
x Reduzierung des Inventars auf das operativ und konkurrenzunterscheidend Notwendige bei hoher Auslastung x Kopplung von Inventar und Kerngeschäftsfeldern x Bildung von gemeinsamen Werkhof- und Inventarpools x verstärktes Logistik- und Ressourcenmanagement
14.6 Anforderung an Fachpersonal und Management Die Technisierung und die Mechanisierung der Bauausführung auf den Baustellen haben, mit einer einhergehenden Steigerung der Produktivität, in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies erfordert eine hohe fachspezifische Baumaschinenkompetenz, um für die jeweilige Bauaufgabe und die relevanten Randbedingungen die robustesten und effizientesten Geräte zu selektieren. Die Anforderungen an die Geräte werden zudem immer vielfältiger; ferner hat die elektronische Regeltechnik in den Geräten eine immer grössere Bedeutung gewonnen. Die Qualifikation des maschinentechnischen Personals steigt mit der Mechanisierung, Automatisierung und Spezialisierung des Baubetriebs. Je stärker der Baubetrieb von hochmechanisierten, aus Spezialmaschinen aufgebauten Systemen abhängt, umso unverzichtbarer ist eine professionelle Betreuung. Dies betrifft vielfältige Serviceleistungen für den operativen Ausführungsbereich: x Angebotsphase: maschinentechnische Beratung, optimale Geräteauswahl, Erstellen einer Systemkonzeption und Zusammenstellung von Gerätelisten sowie Vorbereitung von Preisanfragen x Vorbereitung der Ausführungsphase: Realisierung der Konzeption durch Erstellen des Logistikkonzepts für den Geräteeinsatz, Beratung beim endgültigen Entwurf von Spezialmaschinen sowie Bestellung der notwendigen Geräte und Systeme, Unterstützen der Baustelleneinrichtung x Ausführungsphase: Logistik der Bereitstellung, Wartung und Reparatur der Geräte auf der Baustelle, Abtransport und Revision der Geräte sowie Verkauf oder Vorhaltung
876
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung 14.7.1 Einleitung Viele Bauunternehmen verwenden weder bei der Produktionssystemauswahl für die Projekte noch für die langfristige strategische Entscheidung bezüglich Besitz- oder Mietmodell für Produktionseinrichtungen systematische Analyse- und Prognosetools. Bei Investitionen in bzw. bei der Miete von Produktionseinrichtungen muss ein Bauunternehmen neben der projektspezifischen bzw. projektgruppenspezifischen auch eine längerfristige unternehmensspezifische Wirtschaftlichkeitsbeurteilung durchführen, um zu einer fundierten Entscheidung zu gelangen. Für eine fundierte Entscheidung von strategischen Geschäftseinheiten (SGE) bzw. Gesamtunternehmen über Investitionsgüter im Bereich von Produktionseinrichtungen für Baustellen muss man sich auf der Basis einer Wirtschaftlichkeitsanalyse mit den folgenden Bedingungsgrössen x Markt und Marktwachstum, x Kundenbedürfnisse und Kundenwünsche, x Produktionstechnik und Produktionstechnikentwicklung sowie mit den Konkurrenten und Strategien und auch mit der Situation des eigenen Unternehmens auseinandersetzen. Mit dieser Fokussierung und dem damit einhergehenden Monitoring dieser Einflussparameter erhält jede Wirtschaftlichkeitsanalyse eine fundierte Basis, trotz der Unsicherheiten in der Prognose der Bedingungsgrössen. Jedoch erfolgt heute bei fast allen Bauunternehmen besonders der Kauf von Geräten in Form einer Ersatzbeschaffung oder auf einer intuitiven Einschätzung des zukünftigen Bedarfs aufgrund der Auslastung bzw. des Mietbedarfs aus den letzten abgewickelten Aufträgen. Um eine langfristige zielorientierte Unternehmensentwicklung zu sichern, ist jedoch eine systematische Entscheidungsfindung notwendig, die die Strategie des Unternehmens und/oder der strategischen Geschäftseinheit in den Fokus rückt, sowie die genannten Bedingungen und die potentielle Marktverfügbarkeit der jeweiligen Produktionsgeräte beachtet. Die heutigen modernen Strukturkonzepte der Unternehmensgliederung in strategische Geschäftsfelder (SGF) gemäss den Gliederungskriterien x Kundengruppen, x Leistungs-/Produktgruppen,
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
877
x analoge Prozesse der Herstellung, x gleichartige Produktionsgeräte ermöglichen eine geschäftseinheitsspezifische Inventarbereitstellung. Die Zusammenfassung der SGF zu strategischen Geschäftseinheiten (SGE) erfolgt anhand gleicher Herstellungsprozesse und Produktionseinrichtungen trotz unterschiedlicher Kundengruppen und möglicherweise unterschiedlichen, sich ausgleichenden Nachfragezyklen. Das führt zu einer spartenorientierten Produktionseinrichtungsbereitstellung in den SGE (Bild 420). Dann kann die Geschäftsstrategie der SGE gezielt wie folgt umgesetzt werden: x x x x
Spartenstrategie – Kostenführerschaft/Differenzierung/Konzentration Spartenumsatzprognose – Nachfrageentwicklung/Konkurrenz Kernkompetenzprofilstrategie – Differenzierung oder nicht Wertschöpfungstiefenstrategie – Eigenherstellung oder durch Nachunternehmer
In modernen, nach SGE organisierten Unternehmen muss die Gerätebereitstellung spartenorientiert geplant und organisiert werden, um die strategische Ziele der SGE durch Supportleistungen zu unterstützen. Bauunternehmen XY
SGE Hochbau SGF Wohnungsbau
SGE Tiefbau
SGF Bürogebäude
Inventarcluster Kräne Schalungs- Betonsystem anlagen
Gerüste
SGE Spezialtiefbau
SGF - Erdbau
SGF - Spezialtiefbau
Inventarcluster
Inventarcluster
Bagger Lader LKWs Träger- Werkzeuge, Anker- ZusatzVerbaugeräte Rammbohr- geräte material einrichtung geräte Injektions- - Spund geräte wände - Träger - etc.
SGF Pfahlgründungen
SGF – Spezialbaugrubenwände
Inventarcluster Träger- Werkzeuge SchlitzZusatzgeräte geräte zur Pfahl- wand- Entsander herstellung herstellungs- - Betonitwerkzeuge geräte
Inventargruppe allgemeine Baustelleneinrichtung Container / Absperrungen / Handwerkzeug / Vermessungseinrichtungen etc.
Bild 420: Inventarbereitstellung – Strategisches Konzept4
4 Anmerkung: Gliederung des Unternehmens in strategische Geschäftsfelder (SGF) und strategische Geschäftseinheiten (SGE) sowie die Bauproduktionseinrichtungen.
878
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
14.7.2 Planung von Inventarinvestitionen Bei der Anschaffung von Inventar wird unterschieden zwischen: x Ersatzinvestitionen x Rationalisierungsinvestitionen x Erweiterungsinvestitionen Als Ersatzinvestitionen werden Erneuerungen von Inventar bezeichnet, das x durch lange Nutzungszeit zunehmend reparaturanfällig ist, wodurch erhöhte Ausfallzeiten entstehen, x technisch, leistungsmässig und wirtschaftlich überholt ist, x einen plötzlichen Totalschaden erlitten hat. In den ersten beiden Fällen kann der Zeitpunkt des Ersatzes vorher geplant werden. Als Rationalisierungsinvestitionen werden Inventarerneuerungen bezeichnet, die bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktionsleistung den Aufwand an menschlicher Arbeit, Material und Energie verringern. Der Zeitpunkt des Ersatzes wird geplant und kann vorher bestimmt werden. Markt • zukünftiger Baumarkt • Konkurrenzsituation • Subunternehmermarkt
Betriebswirtschaftliche Kostenrechnung • Projektkalkulation • Wirtschaftlichkeitsvergleich • Finanzlage • steuerrechtliche Überlegungen
Evaluation
Firmenstrategie • Kerngeschäft • Kernkompetenzen • Liquidität
Projekt • Kauf (neu oder gebraucht) • Miete / Mietkauf • Leasing
Bild 421: Entscheidungsprozess für Inventarinvestitionen
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
879
Die Erweiterungsinvestition erfolgt bei günstiger finanzieller und guter Umsatzentwicklung, z. B. bei einem neuen grossen Auftrag. Der Zeitpunkt des Ersatzes kann nicht immer vorherbestimmt werden. Die Investitionsplanung und -entscheidung (Bild 421) sollte die Beurteilung der folgenden Elemente umfassen: x x x x
gegenwärtiger und zukünftiger Markt eigene Firmenstrategie interne betriebswirtschaftliche Kostenrechnung projektbezogene Überlegungen und Entscheidungen
Im Vordergrund der Serviceaufgabe des Bauhofs steht die Bereitstellung der notwendigen Geräte und Maschinen für die effiziente Ausführung der projektspezifischen, in der Ausschreibung geforderten Arbeiten. Im Hinblick auf die angestrebte Kostenführerschaft und/oder die Erlangung und Stärkung der Kernkompetenzen des Bauunternehmens muss die Unternehmens- und Bauhofführung für die wirtschaftliche Leistungserbringung die verschiedenen Möglichkeiten des internen und externen Wettbewerbs nutzen. Um längerfristig die richtigen Entscheidungen für Investitionen in Grossgeräte zu treffen, müssen über die Projektphase hinaus strategische und betriebswirtschaftliche Massstäbe angelegt werden. In der Regel wird bei einer Angebotsbearbeitung zuerst geprüft, ob eigene Geräte für das zukünftige Projekt eingesetzt werden können. Müssen für die zu erbringende Leistung ein oder mehrere neue Grossgeräte gekauft werden, ist in der Kalkulation festzulegen, bis zu welchem Prozentsatz das Gerät im Rahmen des jeweiligen Projekts abgeschrieben werden kann. Üblicherweise behält sich jedoch die Geschäftsleitung die Festlegung der Abschreibungsquote bei Gross- oder Spezialgeräten vor. Bevor eine Grossinvestition getätigt wird, sollten folgende Überlegungen in die Entscheidung einfliessen: x Markt - Wie wird sich das Volumen des zukünftigen Baumarkts in Bezug auf die Nutzungszeit des Geräts und die mit dem Gerät zu erbringenden Bauleistungen entwickeln? - Wie sieht die gegenwärtige und zukünftige Konkurrenzsituation für diesen Baumarkt aus? x Firmenstrategie - Stärkt die Investition das zukünftige Kerngeschäft und verbessert sie die Kernkompetenzen gegenüber den Konkurrenten? - Bringt die Effizienz des Geräts kurz- und längerfristig wirtschaftliche Vorteile gegenüber den Konkurrenten?
880 -
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Will man die Liquidität des Unternehmens bzw. den Kreditrahmen mit dieser Investition belasten oder hat man andere strategische Prioritäten in Bezug auf andere Geschäftsfelder gesetzt?
x Betriebswirtschaftliche Kostenrechnung - Ausgehend von der Projektkalkulation erfolgt eine Investitionsrechnung unter Annahme einer realistischen Verzinsung des Restkapitals, das nicht in dem Projekt abgeschrieben werden kann. Daraus ergeben sich die restlichen Mindesteinsatzstunden des Geräts in der technischwirtschaftlichen Nutzungszeit, die dann mit dem zukünftigen Marktpotenzial verglichen werden müssen. - Anhand der Gewinn- und Verlustrechnung muss unter Abwägung anderer betrieblicher Investitionen überprüft werden, wie hoch die Bankfinanzierung sein wird. Die meisten Banken verlangen für die Genehmigung solcher Investitionskredite neben Unterlagen zur kurzund längerfristigen Gewinn- und Verlustbeurteilung auch einen längerfristigen Businessplan. - Steuerliche Aspekte Bei den Geräten unterschiedet man zwischen hoch spezialisierten und leistungsstarken Geräten und Geräten mit vielseitiger Verwendung und geringem Einsatzrisiko, die einfach und schnell umgerüstet werden können. Im Rahmen der Evaluation der Baugeräte sollte eine Investitionsrechnung und Nutzwertanalyse mit dem Ziel erfolgen, das technisch und wirtschaftlich optimal geeignete Gerät für die anstehenden Aufgaben zu beschaffen. Mittels dieser Analyse können die Rentabilitäts-Grenzergebnisse aufgezeigt werden. Bei einer vorausgeschätzten Innovationszeit, nach der das Gerät technisch bzw. leistungsmässig überholt ist, kann man die Mindesteinsatz- bzw. Nutzungszeit feststellen, um den Break-Even-Point für den Kauf zu ermitteln. Erwartet man aufgrund der Kerngeschäftsfelder eine höhere Auslastung, wird sich die Investition lohnen. Andernfalls sollte man das Kapital im Unternehmen gewinnbringender einsetzen und andere Modelle der Gerätebereitstellung nutzen, z. B. Miete, Mietkauf, Leasing. An dieser Stelle kommt das marktorientierte Führungskonzept des Bauunternehmens zum Tragen. In dieser interaktiven Entscheidungsverflechtung wird die Evaluation mittels Wirtschaftlichkeitsvergleich durchgeführt, und zwar unter Berücksichtigung verschiedener Gerätehersteller und der Kosten für die verschiedenen Arten der Bereitstellung. Bei der Evaluation der Geräte verschiedener Hersteller müssen neben den reinen Investitionskosten auch die Betriebs-, Instandhaltungs- und Ersatzteilkosten berücksichtigt werden. Ferner müssen die Aspekte der Leistung, der Flexibilität des Einsatzes, der Umweltbelastung und der Qualität als Entscheidungsfaktoren einfliessen.
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
881
Zudem sollte man den Typen- und Herstellermix in den Gerätegruppen wegen der x Ersatzteilvorhaltung, x Service- und Reparaturverwandschaft, x Maschinistenschulung und Einsatzflexibilität möglichst gering halten. Aus diesen technischen, wirtschaftlichen, finanziellen und unternehmerischen Überlegungen erfolgt die Entscheidung in Bezug auf Gerätetyp, Gerätegrösse, Hersteller, Ausrüstung etc. sowie die Art der Beschaffung: x x x x x
Neuanschaffung Gebrauchtkauf Mietkauf (Option) Leasing Miete
Die Entscheidung über die Varianten der Inventarbeschaffung hat neben den strategischen Überlegungen auch eine determinierende Finanzdimension. Die Selektion von Inventar (Maschinen, Geräte, Bauhilfsmaterialien) erfolgt nach den Dimensionen (Bild 422) x x x x x
Auslastung Kosten Bilanzwirksamkeit Eigenkapital und Fremdkapital Verfügbarkeit
882
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Baumaschinenbedarf
Stehen Kosten im Vordergrund?
Auswahl der Baumaschine
Ja
Auswahl der Form mit dem kleinsten Gesamtbarwert
Nein
Auswahl der Beschaffungsform Ja
Gerät erst testen? Nein Miete
Hohe Auslastung der Maschine? Ja Erwerb
Nein
Erwerb bilanzneutral?
Erarbeitung von Finanzierungsplänen für die verschiedenen Erwerbsformen
Ermittlung der Gesamtbarwerte
Operate-Leasing-Vertrag
Ja
abh. v. Grundmietzeit und Übernahmekosten
Finanzierungs-Leasing-Vertrag (Mietkauf)
Nein
Eigenkapital einsetzen?
Ja
Kauf mittels Eigenkapital Kauf mittels Fremdkapital
Nein
Sale-and-lease-back-Vertrag (Spezial-Leasing-Vertrag)
Bild 422: Entscheidungsablauf für Inventarinvestitionen: Miete – Kauf – Leasing
Für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich der Beschaffungsalternativen sind in Bild 423 die Kostenelemente der Varianten zusammengestellt. Gesamtkostenanalyse, bezogen auf die Nutzungsdauer •
•
Kauf mit Eigenkapital Anschaffungskosten, Wartungs- und Reparaturkosten während der Nutzungsdauer, abzüglich des Zeitwerts nach der Nutzungsdauer und der Steuerersparnis während der Nutzungsdauer Kauf mit Fremdkapital Anschaffungskosten, Zinsen (an den Kreditgeber zu zahlen), Wartungs- und Reparaturkosten, abzüglich des Zeitwerts nach der Nutzungsdauer und der Steuerersparnis während der Nutzungsdauer
•
Leasing (ausser Finanzierungs-Leasing-Verträge) Leasingraten, ggf. Wartungs- und Reparaturkosten, abzüglich der Steuerersparnis während der Laufzeit
•
Mietkauf (Leasingform: Finanzierungs-Leasing-Verträge) Mietzahlungen, ggf. Wartungs- und Reparaturkosten, Übernahmekosten (Kaufpreis, Mietzahlungen) nach der Grundmietzeit, abzüglich des Zeitwerts nach der Nutzungsdauer und der Steuerersparnis
•
Miete Summe aller Mietzahlungen, abzüglich der Steuerersparnis
Bild 423: Wirtschaftlichkeitsvergleich bei der Inventarbeschaffung
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
883
Die wichtigsten Vor- und Nachteile der Beschaffungsvarianten sind in Bild 424 dargestellt. Vorteil
Nachteil
Kauf
Flexibilität, der Käufer ist Eigentümer
Kapitalbindung, laufende Kosten für Abschreibung und Verzinsung
Miete
Kosten nur für die Einsatzdauer
Abhängigkeit von Beständen und Preisen der Vermieter
Leasing
Die Kosten sind vorher bekannt, keine Kapitalbindung
Der Käufer ist nicht Eigentümer, ggf. unrealistische Festsetzung des Restwerts
Bild 424: Vergleich der Beschaffungsvarianten: Kauf – Miete – Leasing
Die meisten Unternehmen müssen bei jeder Investition risikobasiert zwischen mehreren Investitionsvorhaben auswählen. Bei knappen Finanzmitteln muss entschieden werden, welches Investitionsvorhaben verwirklicht werden kann und welches Inventar z. B. nur für das jeweilige Projekt gemietet wird. Erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie folgende Indikatoren aufweisen: x Gewinn als kurzfristiger Erfolgsparameter x Nachhaltiges Wachstum und Mehrung des Eigenkapitals als langfristiger Erfolgsparameter Auf diese Indikatoren müssen auch die Inventarinvestitionen in Geschäftsfeldbereichen, die den Querschnitt der Kernkompetenzen stärken bzw. erweitern, ausgerichtet werden, denn jede Investition muss die Ertragskraft des Bauunternehmens steigern. Investitionen sollten in möglichst kurzer Zeit durch einen entsprechenden Ausnutzungsgrad abgeschrieben sein, damit das Unternehmen vor den Konkurrenten wieder in leistungsfähigeres und betriebskostensparenderes Inventar investieren und den konkurrenzunterscheidenden Vorteil am Markt für den eigenen Gewinn ausbauen kann. Erfolgreiche Unternehmen reagieren sehr flexibel auf neue Investitionschancen am Markt; „time to market“ ist ein wichtiger Erfolgsparameter, um vor den Konkurrenten neue Marktchancen zu nutzen, Know-how zu
884
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
entwickeln und dadurch Marktanteile ohne oder mit nur einer geringen Anzahl von Mitbewerbern zu erreichen. Dadurch lassen sich in der Regel höhere Gewinne und ein nachhaltiges Wachstum erzielen. Diese Überlegungen beziehen sich auf die Geschäftsfelder des Bauunternehmens, die gleichzeitig im Querschnitt der Kernkompetenzen liegen und zukünftiges Entwicklungspotenzial aufweisen. Neben der schnellen Investitionsentscheidung sind auch die Lernbereitschaft des Personals und die Investitionen des Unternehmens in die Fortbildung der Mitarbeiter entscheidend, um mit dem ständigen Wandel erfolgreich zu sein. Bei jeder grösseren Investition ist eine Risikobetrachtung notwendig, bei der das optimistischste, das pessimistischste und das wahrscheinlichste Marktszenario hinsichtlich des Einsatzes und der Nutzung des Inventars betrachtet werden. Insbesondere bei Grossinvestitionen in Spezialgeräte empfehlen sich zur Absicherung des Risikos Überlegungen in Bezug auf x Kundenbindung, Marktvolumen und Konkurrenzsituation sowie x Wiederverkauf des Inventars (Erlös). Erfolgreiche Unternehmen investieren kontinuierlich. Zur Ausweitung der Kostenführerschaft gegenüber Konkurrenten fliessen die Investitionen im Bereich der Kernkompetenzen nicht nur ins Inventar, sondern auch in die Entwicklung neuer Bauverfahren und Ablaufprozesse in alten und neuen Geschäftsfeldern sowie in die Weiterbildung der Mitarbeiter. Damit wird gewährleistet, dass das Know-how auf die beabsichtigten Investitionen abgestimmt wird. Die Weiterbildung darf nicht nach dem Giesskannenprinzip erfolgen, sondern muss sich dem permanenten Wandel der Anforderungen flexibel anpassen. Diese systematische Entwicklung erfolgt in Abstimmung auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens. 14.7.3 Modellansatz – Bedarfsermittlung und Wirtschaftlichkeitsanalyse Eine Prognose bezeichnet die Vorhersage eines Ereignisses, Zustandes oder einer Entwicklung [14-19]. Ein wesentliches Merkmal von Investitionsentscheidungen ist ihre Zukunftsbezogenheit, weshalb solche Entscheidungen stets auf Prognosen oder prognostischen Erwartungen beruhen. Da dem Entscheidungsträger zum Entscheidungszeitpunkt nur unvollkommene Informationen vorliegen, müssen Investitionsentscheidungen somit objektiv unter Unsicherheit gefällt werden. Quantitative Prognosetechniken basieren auf Heuristiken und Rechenverfahren und demzufolge hauptsächlich auf der Aufarbeitung von vor-
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
885
handenem retrospektivem Datenmaterial und auf einem prognostizierten Szenario. Im Gegensatz zu qualitativen Prognosen geben sie konkrete, zahlenmässige Resultate für zukünftige Entwicklungen und werden deshalb zur Vorbereitung der Investitionsentscheidung und damit zur Entscheidungsfindung bezüglich der alternativen Bereitstellungsvarianten von Produktionseinrichtungen wie Bauhilfsmaterialien und Geräte verwendet. Bei diesem Wirtschaftlichkeitsbewertungsmodell von alternativen Bereitstellungsvarianten muss zuerst der mögliche zukünftige Bedarf an Geräten und Bauhilfsmaterialien prognostiziert werden. Darauf aufbauend wird der projekt- bzw. projektgruppenspezifische statische Kostenvergleich für die Systemwahl (Selektion) der Bauproduktionseinrichtung ^:` wie Geräte, Anlagen, Schalungssysteme, Baugrubenverbau etc. durchgeführt. Anschliessend wird das alternative unternehmensspezifische Bereitstellungsmodell (Miet- oder Besitzmodell) mittels dynamischen Net-Present-Value-Vergleichs (NPV), basierend auf dem Net-Present-Value-Axiom und dem Net-Present-Value-Effizienzaxiom, bewertet [14-10]. Hierbei werden zunächst die einzelnen Ausgangskomponenten für die Systemvarianten für Produktionseinrichtungen : : A , : B , :C .. und für die beiden alternativen Bereitstellungsvarian-
^
`
ten O ^B M ` erhoben und anschliessend unter Beachtung der jeweiligen Preissteigerungen und Geldwertentwicklung als Berechnungsgrundlage für den Wirtschaftlichkeitsvergleich benutzt. Das Wirtschaftlichkeitsbewertungsmodell wird somit untergliedert in ein: x Prognosemodell zur Ermittlung der prospektiven Geräte, Anlagen und des Bauhilfsmaterialbedarfs auf der Grundlage von retrospektiven Ausgangsdaten x Prognosemodell zur Analyse der Wirtschaftlichkeit projektspezifischer bzw. projektgruppenspezifischer Geräte, Anlagen und Bauhilfsmaterialien mittels statischen Kostenvergleichs (Projektebene) x Prognosemodell zur Analyse der Wirtschaftlichkeit der unternehmensspezifischen Bereitstellungsvarianten (Miet- oder Besitzmodell) von Geräten, Anlagen und Bauhilfsmaterialien mittels dynamischen Kostenvergleichs (Unternehmensebene) Die Unsicherheiten des zukünftigen Bauproduktionsgeräte- und Bauhilfsmaterialbedarfs und der damit verbundenen Ausgaben können in der Wirtschaftlichkeitsanalyse mittels einer probabilistischen Berechnung unter Zuhilfenahme der Monte Carlo Simulation (MCS) durch Vorgabe der Bandbreiten der Auslastung und der Kosten abgeschätzt werden.
886
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Die Monte Carlo Simulation wird derzeit in der Wissenschaft zur Bewertung von unscharfen Ereignissen herangezogen, die auf keiner statistischen Grundbasis beruhen, so z. B. auch bei der Bewertung von Risiken eines Bauprojekts [14-16] und der anschliessenden Wahl des geeigneten Bauvertrags [14-4] bzw. der geeigneten Projektabwicklungsform [14-11]. Prognosemodell zur Ermittlung des Bauproduktionsmittelbedarfs
Zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeitsprognose der projektspezifischen Produktionssysteme sowie der Bereitstellungsvarianten (Besitz- bzw. Mietmodell) verschiedener Geräte, Anlagen und Bauhilfsmaterialien muss für eine spezifische strategische Geschäftseinheit (SGE) der zukünftige Bedarf bzw. der zusätzliche zukünftige Bedarf an Inventar wie Geräten, Anlagen sowie Bauhilfsmaterialien ermittelt werden. Der Inventar- und Bauhilfsmaterialbedarf muss aus den zukünftig prognostizierten Umsatzzahlen abgeleitet werden. Für solche Investitionsplanungen sind damit Umsatzprognosen der SGE für die nächsten n ~ 5 Jahre erforderlich. Folgendes Bedarfsprognosekonzept wird zugrunde gelegt (Bild 425): x Retrospektiv – Umsatzzahlen z. B. der letzten 5 Jahre sowie Summe der jährlich (ungefähr) ausgeführten Leistungen nach SGF-Cluster (Bild 425) x Retrospektiv – Vorhaltemengen an Inventar und Bauhilfsmaterial sowie die mittlere Einsatzhäufigkeit pro Jahr ª¬ e:,m º¼ bzw. Vorhaltedauer pro Jahr / Vorhalteausnutzungsgrad in x [%] der Gesamtjahresarbeitstage nach SGF-Cluster x Prospektiv – Prognostizierte Umsatzentwicklung in den nächsten 5 Jahren entsprechend der Marktentwicklung/-tendenz im SGF-Cluster x Prospektiv – Ermittlung zukünftig notwendiger Vorhaltemengen an Inventar und Bauhilfsmaterial für das SGF bzw. die SGE aufgrund der prospektiven Umsatzentwicklung und der proportional hochgerechneten Vorhaltemengen pro Einheitsumsatz
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
tB
Referenz- bzw. Betrachtungszeitpunkt
l
Laufindex für den retrospektiven Analysezeitraum
nA d l d 0
k
Laufindex für den prospektiven Analysezeitraum
0dk dn
887
Bild 425: Betrachtungszeiträume für den Wirtschaftlichkeitsvergleich
Systemkonfiguration des Wirtschaftlichkeitsbewertungsmodells
Grundlage eines aussagekräftigen Wirtschaftlichkeitsvergleichs für alternative Bereitstellungsvarianten von Produktionseinrichtungen ist eine klare Systemabgrenzung des verwendeten Modells. Dazu ist es erforderlich, von vergleichbaren Randbedingungen auszugehen. Es muss also sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Systemabgrenzung für die Betrachtung definiert werden. Im Folgenden werden zwei interagierende Modelle zur Wirtschaftlichkeitsbewertung von Bauproduktionseinrichtungen bzw. Bauhilfsmaterialien einer SGF bzw. SGE für die unikate, projektspezifische Baustellenproduktion vorgestellt: x Projektebene – projektspezifische bzw. projektgruppenspezifische Systemauswahl x Unternehmensebene – unternehmensspezifische Bereitstellungsvariante bezüglich Miet- oder Besitzmodell Die prinzipiellen Prozessabläufe in der Bauindustrie z. B. im Betonhochbau ähneln sich zwar von Baustelle zu Baustelle in Bezug auf das Schalen, das Bewehren und das Betonieren. Doch trotz dieser Ähnlichkeit der Elementarprozesse unterscheiden sich diese oft grundsätzlich hinsichtlich des Einsatzes der optimalen Bauhilfsmaterialien und Geräte (Produktionseinrichtungen) durch den Unikatcharakter des herzustellenden Gebäudes, der sich aus Geometrie, Bauelementen und äusseren Randbedingungen ergibt
888
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
und der in einem relativ breiten Spektrum variiert. Im Gegensatz zur stationären Fertigungsindustrie ist deshalb in jeder strategischen Geschäftseinheit (SGE) der Bauunternehmen für jedes Projekt und damit für jeden Auftrag zunächst der projektspezifisch optimale Prozessablauf mit den optimalen Bauhilfsmaterialien und Geräten (Produktionseinrichtungen) zu ermitteln. Die Prozessanalyse und die Auswahl der Produktionseinrichtung können in der Bauindustrie demzufolge nicht einfach auftrags- bzw. projektübergreifend wie in der stationären Fertigungsindustrie erfolgen. Für eine auftrags- bzw. projektübergreifende, langfristige Entscheidung ist eine systematische Prognose hinsichtlich der Konstruktions- und Gebäudearten notwendig, die nach der Art der optimalen Produktionseinrichtungen/Bauhilfsmaterialien und Geräte zu gliedern ist. Daher muss man bei einer langjährigen, projektspezifischen Betrachtung die Projekte in Projektgruppen gliedern. Diese Projektgruppen P ^ A, B, C...` müssen nach den potentiellen Bauprozessen B(), :) und Bauproduktionseinrich-
^Z ,Z ,...`
tungen :
1
2
sowie den Bauelementen )
^M1...Mn `
gegliedert
bzw. zusammengefasst werden. Nach Girmscheids Bauproduktionstheorie [14-6], [14-7], [14-8] werden die Projekte denjenigen Produktionsprozessen und den dazugehörigen Produktionseinrichtungen : Z1 , Z2 ,... zu-
^
`
geordnet, dass die minimalen Gesamtkosten z. B. für den Rohbau erzeugt werden. Mit dieser Zuordnung erhält man die Projektgruppen P
^A B
A
), : ; B B B ), : ; C BC ), : ...` , die nach den Produk-
tionsbedingungen bzw. Produktionsprozessen B geordnet sind. Zudem ist zu beachten, dass speziell Bauproduktionseinrichtungen einen primären Einsatzhäufigkeitsbezug hinsichtlich ihrer Nutzungsdauer aufweisen. Das bedeutet für eine projektübergreifende Wirtschaftlichkeitsanalyse, dass sich der Betrachtungshorizont der Wirtschaftlichkeitsanalyse aus der Grenzeinsatzhäufigkeit und der jährlich prognostizierten mittleren Einsatzhäufigkeit ergibt (Bild 426).
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
889
ȍ
e a [n/a]
Bauhilfsmaterial A Bauhilfsmaterial B
Zeit t [Jahre] tB
tB + 1 . . . tB + k . . . tB + nP
...
tB + nND
E [n]
Einsatzgrenzwert
E grenz Et
B
+ nND, grenz
m e ȍ, a
Zeit t [Jahre] tB
tB + 1 . . . tB + k . . . tB + nP
...
tB + nND, grenz = t grenz
Bild 426: Einsatzhäufigkeit pro Jahr, Einsatzgrenzwert und Zeitgrenzwert sowie die mittlere jährliche Einsatzanzahl von Bauhilfsmitteln
Daher können Investitionsentscheidungen aufgrund ihrer zum Grossteil längerfristigen Gültigkeit nicht rein projektbezogen getroffen werden. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsvergleichen zur Bestimmung der zu bevorzugenden Bereitstellungsvariante von Produktionseinrichtungen und Bauhilfsmaterialien im Hinblick auf die projektspezifische Systementscheidung und die unternehmensspezifische Bereitstellungsvarianten Miete oder Besitz (Kauf) sind deshalb folgende Endscheidungsarten für die Produktionseinrichtungen zu unterscheiden:
x Die projektspezifische bzw. projektclusterspezifische Entscheidung (Projektebene), bei der die optimale Lösung für ein aktuell anstehendes Projekt bzw. für eine Projektgruppe P ^ A, B, C...` gesucht wird.
890
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Als Entscheidungsbasis kann hierbei einerseits das konkrete Projekt dienen oder andererseits die projektgruppenspezifische Betrachtung einer Projektgruppe P einer SGE über einen festgelegten Betrachtungszeitrahmen nND. Bei der projektspezifischen bzw. projektgruppenspezifischen Entscheidung für die Systemvariante genügt aufgrund des relativ kurzen Untersuchungszeitraums zwischen Ausschreibung, Vergabe, und Bauausführung bzw. Bauabschluss die statische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Kosten- bzw. Ausgabenseite des Projektes oder der Projektgruppen. x Die projektübergreifende Entscheidung auf Unternehmensebene bzw. SGE, die die prinzipielle Wahl zwischen Miete (Mietmodell) oder Kauf (Besitzmodell) eines benötigten Produktionsinvestitionsgutes behandelt, wird aufbauend auf einer projektgruppenspezifischen Entscheidung für ein Produktionssystem gefällt. Die Gültigkeit dieser Entscheidung hat längerfristig Bestand und beschränkt sich in der Regel nicht auf ein Projekt, sondern auf einen produktionsstrukturierten Projektcluster (Projektgruppen P
^ A B
A
), : ; B B B ), : ; C BC ), : ...` ).
Als Entscheidungsbasis dienen hierbei allgemeine generische produktionstechnische Überlegungen zum „fit for purpose“ sowie Verfahren der dynamischen Wirtschaftlichkeits- bzw. Investitionsrechnung, die auf Prognosen über die Art und Anzahl der zukünftig zu erwartenden Projekte, über die zu erwartenden Produktionsmengen und damit über die prognostizierte Auslastung der Produktionseinrichtung bzw. des Investitionsguts sowie über die allgemeine Umsatz- und Mietpreisentwicklung beruhen. Die Auswahl der zu bevorzugenden Bereitstellungsvariante (Miet- bzw. Besitzmodell) wie auch der Produktionseinrichtungen erfolgt bei beiden Entscheidungsarten nach dem ökonomischen Minimalprinzip, da ein vorab definierter Nutzen oder Output mit einem Minimum an Kosten, Ausgaben oder Aufwand erzielt werden soll. Die Entscheidungsfindung – sowohl projektspezifisch wie auch projektübergreifend – kann aufgrund der verschiedenen Systemvarianten für Produktionseinrichtungen separat erfolgen. Die Kompatibilität der Produktionseinrichtungen in ihrer Prozesskombination muss jedoch sichergestellt werden.
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
891
Stufen der Wirtschaftlichkeitsanalyse bei Bauproduktionseinrichtungen bzw. Bauhilfsmaterialien
Bei einem ökonomischen Entscheidungsvergleich zwischen Miet- und Besitzmodell ist es daher erforderlich, zuerst das effizienteste projektspezifische Produktionssystem nach dem ökonomischen Minimalprinzip zu bestimmen. Daher ist folgende Systematisierung notwendig:
x Projektgruppierung
P B P ); :
^ A, B, C...`
f B P ); :
nach
den grundsätzlichen operativen Charakteristiken der Produktionssysteme bilden x Projektgruppen P ^ A, B, C...` nach Umsatz- und Mengenkennwert ordnen Aufbauend auf dieser Systematisierung erfolgt die Wirtschaftlichkeitsanalyse nach einer zweistufigen Systembetrachtung. Diese zweistufige Selektionsmethode fokussiert wie auf die folgenden Punkte:
x Projektsicht – Minimierung der Projektausgaben/Kosten x Unternehmens-/Werkhofsicht – Minimierung der langfristigen Unternehmensausgaben/-kosten Zuerst muss man das Ausgaben- bzw. Kostenminimalprinzip bezüglich des effizientesten Produktionssystems : Proj
^:
A
`
, : B , :C ...
Proj
auf das Pro-
jekt bzw. auf die Projektgruppe anwenden. Erst dann findet das Ausgaben- bzw. Kostenminimalprinzip auf Unternehmensebene bezüglich der Entscheidung für das Miet- bzw. Besitzmodell Anwendung. Somit gliedert sich das ökonomische Minimalprinzip für baustellenspezifische Bauproduktionseinrichtungen bzw. Bauhilfsmaterialien in die
x Projektebene – projektspezifische bzw. projektgruppenspezifische Entscheidung bezüglich der Produktionssysteme und x Unternehmensebene – unternehmensspezifische Miet- oder Besitzmodellentscheidung. Bei der projektspezifischen bzw. projektgruppenspezifischen Produktionssystementscheidung werden die Ausgaben/Kosten für
x die Bereitstellung der Produktionseinrichtungen inkl. aller Nebenkosten sowie
892
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
x die Nutzung der Produktionseinrichtung, z. B. bei Schalungen das Einschalen und Ausschalen bzgl. der operativen Effizienz zusammengefasst und die Produktionssysteme entsprechend der minimalen Ausgaben/Kosten für das Projekt bzw. die Projektgruppe beurteilt. Bei der unternehmensspezifischen Miet- oder Besitzentscheidung werden die grundsätzlichen Ausgaben der Modelle miteinander verglichen. Da man sich beim Besitzmodell meist für ein Allround-Produktionssystem
: : A mit den geringsten Kosten C :
A
MinC : P
N P A
in der Projekt-
gruppe A mit der höchsten projektspezifischen Anwendung (z. B. nach dem Pareto-Prinzip) entscheidet, werden die Projektgruppen P ^B, C , D...` nicht mit den optimalen Aufwandswerten bzw. geringsten Kosten bedient. In der Wirtschaftlichkeitsanalyse werden jedoch nicht die Aufwandswerte, sondern die Differenzwerte zwischen der suboptimalen und der optimalen Lösung berücksichtigt. Bei der optimalen Lösung (meist das Mietmodell) wird den Projekten P ^B, C , D...` die Nutzung der optimalen Produktionsmittelgruppe : Proj
^:
A*
*
*
`
, : B , :C ,...
Proj
zugeord-
net. Im Gegensatz dazu wird bei der Zuordnung der Nutzung der Produkti* onsmittelgruppe : : A zu den Projekten P ^ B, C , D...` eine suboptimale Lösung (meist Besitzmodell) erreicht. Die mit der suboptimalen Lösung entstehenden Ineffizienzaufwendungen bei einer Investitions- und Besitzmodellentscheidung müssen dem Gesamtunternehmen bzw. dem Werkhof als allgemeine Geschäftskosten belastet werden. Dies ist damit zu begründen, dass nicht das projektspezifische Produktionssystem mit den geringsten Gesamtkosten gewählt werden kann. Daher müssen diese Differenzausgaben bzw. Ineffibei den Projektgruppen P ^B, C , D...` beim zienzausgaben 'A^BB,,Ineff C ,...`, t wirtschaftlichen Systemvergleich zwischen Miet- und Besitzmodell berücksichtigt werden. Systemabgrenzung des Prognosemodells
Die Systemabgrenzung für die wirtschaftlichen Entscheidungsmodelle muss einerseits auf Projektebene, andererseits aber auch auf Unternehmensebene erfolgen. Auf Projektebene wird zur Wahl der Bauprozesse und der Bauproduktionsgeräte aufgrund der kurzen Betrachtungszeit die
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
893
statische Wirtschaftlichkeitsanalyse in Anlehnung an die Projektkalkulation angewandt. Die inhaltliche und zeitliche Systemabgrenzung auf der Projektebene für die Produktionssystementscheidung und die dazugehörigen Geräte erfolgt unter der Betrachtung der Gesamtkosten der verschiedenen Prozessvarianten im Projekteinsatz mit x den Vorbereitungskosten: AVOR-Planung, Transaktionen, Transport, Rüsten, x den Gerätekosten: AVS/Miete und Reparatur und x den Betriebskosten: Lohn und andere Aufwendungen. Die zeitliche Abgrenzung ergibt sich aus der Prozessdauer im Projekt. Auf Unternehmensebene wird die langfristige Entscheidung aufgrund
der Produktionssystemauswahl :
^:
A
`
, : B , :C ,...
für Projektcluster
P ^ A, B, C...` für das Besitz- oder Mietmodell mit einer dynamischen Wirtschaftlichkeitsanalyse durchgeführt. Girmscheid in [14-13], [14-10] sowie Fastrich und Girmscheid in [14-5] heben die konsequente inhaltliche und zeitliche Systemabgrenzung beschrieben. Diese wird hier analog angewendet. Bei der Betrachtung von Bauproduktionseinrichtungen muss bei der Analyse auf die Grenznutzungsdauer geachtet werden (Bild 426). Diese ergibt sich einerseits aus der Grenzeinsatzzahl Egrenz (z. B. von Schalungssystemen, maximale Betriebsstunden von Geräten) und andererseits aus dem Zeitgrenzwert nND,grenz, der das technische Grenzalter in Bezug auf technische Überalterung im Hinblick auf Leistung, Energieverbrauch etc. angibt. Daraus ergeben sich unterschiedliche Nutzungszeiten für die Produktionseinrichtungen. Daher müssen gemäss Bild 427 die Ersatzinvestitionen, die innerhalb des Betrachtungszeitraums anfallen, und der jeweilige Restwert am Ende des Betrachtungszeitraums beachtet werden [14-13].
894
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Bild 427: Lebenszyklusbetrachtung bei Wirtschaftlichkeitsanalysen von Produktionssystemen
Damit ergibt sich die inhaltliche und zeitliche Systemabgrenzung für die Besitz- und Mietentscheidungsmodelle wie in Bild 428 dargestellt.
Bild 428: LC-NPV-Wirtschaftlichkeitsvergleichsmodell
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
895
14.7.4 Bedarfsanalyse – Ermittlung der Vorhaltemengen
Für die prospektive Ermittlung der Vorhaltemengen von Produktionsmitteln wie Geräten, Anlagen und Bauhilfsmaterialien müssen zuerst retrospektive Kennzahlen als Basisdaten sowie prospektive Umsatz- bzw. Leistungs- und Produktionsmengenprognosen erhoben werden. Die retrospektive Analyse kann projekt- bzw. projektgruppenspezifisch erfolgen und sollte die letzten 5 Jahre umfassen. Sie muss für ein spezifisches strategisches Geschäftsfeld (SGF), z. B. Rohbau Hochbau, erfolgen und umfasst Relationskennzahlen wie x Umsatz zu Produktionsmenge, z. B. Schalflächen, x Umsatz zu Vorhaltemengen von Produktionseinrichtungen, z. B. Schalmaterial, x Auslastungsgrad der Bauproduktionseinrichtungen bezogen auf den Umsatz, z. B. Vorhaltetage bzw. Einsatzhäufigkeit pro Jahr und Umsatz.
Die projektgruppenspezifische Gliederung und Auswertung erfolgt nach den produktionstechnischen Charakteristiken, z. B. bezüglich Eignung der Schalung für spezifische Konstruktions- und Gebäudearten. Diese retrospektiven Kennzahlen müssen jedoch kritisch nach wirtschaftlichem Auslastungsgrad und Einsatzhäufigkeit überprüft werden. Aufbauend auf diesen retrospektiven umsatzbezogenen bzw. produktionsmengenbezogenen Vorhaltekennwerten und den prospektiven Umsatzprognosen können zukünftige Vorhaltemengen an Produktionseinrichtungen prognostiziert werden. Diese Vorhaltemengen können pauschal oder differenziert, z. B. entsprechend der drei Hauptschalsysteme (Rahmenschalungen, Systemträgerschalungen, Spezialschalungen) oder in Wandund Deckenschalsysteme, aufgegliedert werden. Die prospektive Bedarfsermittlung basiert meist auf der Umsatzplanung der strategischen Geschäftseinheit (SGE) bzw. des Unternehmens für die nächsten 5–10 Jahre. Zur Ermittlung der prospektiven Vorhaltemengen auf der Basis zielorientierter, prognostizierter Umsatzkennzahlen ist es daher erforderlich, diese auf retrospektive Ist-Basiskennwerte von Vorhaltemengenbedarf sowie den Auslastungsgrad bezogen auf den erzielten Umsatz bzw. auf die Produktionsmenge der letzten 5 Jahre zu stellen. Die einzelnen Schritte der Bedarfsanalyse ergeben sich wie folgt: x Analyse – retrospektive Ermittlung von Kennzahlen bezüglich Vorhaltemenge und Umsatz bzw. Produktionsmenge unter Beachtung möglicher Effizienzsteigerungen
896
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
x Prognose – prospektive Bedarfsermittlung für Vorhaltemengen von Produktionseinrichtungen (Geräte, Schalung, etc.) auf der Grundlage von prospektiven Umsatzzielen der strategischen Geschäftseinheit (SGE) oder des Unternehmens Retrospektive Vorhaltemengen je Einheitsumsatz der jeweiligen SGE
Für die Retrospektive werden z. B. die letzten 5 Jahre der SGE-Hochbau (Rohbau) herangezogen. Dieser Zeitraum mittelt einerseits die möglichen Schwankungen, andererseits lässt sich daraus eine gute Korrelation für die prospektive Prognose erstellen, welche ebenfalls einen Zeithorizont von 5– 10 Jahren umfasst.
Bild 429: Projekttypenspezifische Umsatzentwicklung einer SGE
Zur Prognose werden zwei Analysevarianten verfolgt: x Variante 1 – geht davon aus, dass sich in Zukunft der Anteil der verschiedenen Produktionssysteme am zukünftigen Umsatz des SGF bzw. der SGE proportional zur Vergangenheit verhält. Damit geht man von einer mittleren Invarianz hinsichtlich vergangener und zukünftiger Projektarten und Projektgrössen aus (Bild 429: Projekttyp A). x Variante 2 – geht davon aus, dass sich in Zukunft der Anteil der verschiedenen Produktionssysteme am zukünftigen Umsatz des SGF bzw. der SGE gegenüber der Vergangenheit verändert. Damit kann man Ver-
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
897
änderungen im Nachfrageverhalten des Marktes antizipieren. Dieses Nachfrageverhalten steht in Bezug zur Varianz zukünftiger Anteile von Projektarten und Projektgrössen am Umsatz (Bild 429: Projekttyp B und C). Die retrospektive Analyse erfolgt auf der Ebene des SGF oder der SGE. Mittlerer Jahresumsatz der SGE f über den retrospektiven Analysezeitraum na (Bild 429): na
U m{S }
¦U {t S}l B
l 1
na
[CHF/a]
Die zum Gesamtumsatz des Unternehmens gehörenden Produktionseinrichtungen setzen sich aus den Geräte- und Bauhilfsmaterialclustern der SGE {S}={Hochbau, Tiefbau…} wie folgt zusammen (Bild 420):
^:`
Cluster
^^:`
S Hochbau
;^:`
S Tiefbau
;^:`
S Spezialtiefbau
`
;...
Der mittlere jährliche Produktionsmittelbedarf einer SGE ergibt sich über den retrospektiven Analysezeitraum na zu: na
^:`m
{S }
¦^:` t l {S } B
l 1
na
Dabei setzen sich die Produktionsmittel einer SGE {S}={S=Hochbau; S=Tiefbau; S=…} zum Zeitpunkt (tB–l) aus folgenden Gerätearten i und Gerätetypen W zusammen:
898
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
^S
^:`t
B l
^S
^:`t
° Bagger ® nW ZW ° ¯
Tiefbau`
B l
^S
^:`t
° Turmkräne ® nW ZW ° ¯
Hochbau`
° Träger ® nW ZW ° ¯
Spezialtiefbau`
B l
n ytm
W xtm
n ym3
W xm3
n yto
W xto
; nW ZW Betonanlagen
; nW ZW
Lader
n ym3
W xm3
nW ZW
W
; nW ZW
; nW ZW Rammeinrichtung
Ankerbohr
½ ° ... ¾ xm 3 h ° ¿t B l
n ym 3
h
LKW
n yto
W xto
½ ° ... ¾ xm3 ° ¿t B l
n ym3
W
;
½ ° ... ¾ x /l ° ¿t B l
n y /l
W
Nun wird der retrospektive mittlere jährliche Produktionsmittelbedarf der SGE im Analysezeitraum na für die Geräteart i und den Gerätetyp W gebildet: ^S `
^D ` i
W
m
def
n
W
^S `
ZWi
na
^S `
l 1
B
¦ nW ZWi t l na
m
Somit kann man die retrospektiven mittleren jährlichen Produktionsmittel einer SGE ={S} in Vektorschreibweise wie folgt darstellen:
^:`^mS`
^nZ ` W
W
i
^S ` m
i Geräteart
W Gerätetyp
Die mittlere jährliche Anzahl von Projekten über den retrospektiven Zeitraum na ergibt sich wie folgt:
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
899
na
¦ ml l 1
m
na
Die mittlere Anzahl von retrospektiven Projekten m pro Jahr bezogen auf den mittleren Umsatz zur prospektiven Ermittlung einmaliger Projektkosten pro Jahr ergibt sich wie folgt: m
J UProj ,m
U m^ ` S
Aufgegliedert auf die Geräte ZWi erhält man die folgende Beziehung für die retrospektive Vorhaltemenge:
^n Z `
^S `
^D ` i
W
W
W
i
^S `
Um
U ,m
^S `
^S ` m
i Geräteart
W Gerätetyp
ªD1i º « i» «D 2 » « ... » « » «DW i » « » « ... » «D i » ¬ n ¼U ,m
` ª n1 Z1i º ^i SGeräteart W Gerätetyp « » i « n2 Z2 » « » 1 « ... » S U m^ ` « nW ZW i » « » « ... » «n Z i » ¬ n n ¼m
^S ` ^S
Hochbau S
DW
i
ZWi nW i W
Tiefbau ...`
= retrospektive Vorhaltemenge des jeweiligen Geräts pro mittleren Jahresumsatz der SGE = Produktionsmittel mit Spezifikation des Geräts bezüglich Geräteart i und Gerätetyp W = Anzahl der Geräte = Geräteart (Bagger, LKW, Radlader, …) = Gerätetyp (Leistung, Grösse, … )
900
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
In einem weiteren Schritt wird die Auslastung der Geräte und der Bauhilfsmaterialien überprüft bzw. gemäss einem Mindestauslastungsgrad angepasst. Wird die Sollauslastung retrospektiv nicht erreicht, wird die Vorhaltemenge nW mittels Reduktionsfaktor *T für die Geräteart i und den Gerätetyp W wie folgt reduziert: TiWvorh ,: (Z ) ° i *T ,W ® *Ti ,W *Ti ,W für TiWvorh ,: (Z ) T Vorgabe,: (Z ) Vorgabe ,: (Z ) T ° ¯ ½ ° tT 1 wenn TiW ¾ ° ¿ Vorgabe ,: (Z ) T = Mindestauslastungszeit des Geräts Z der Gerätegruppe : der SGE {S}. vorh ,: (Z )
*Ti ,W
Vorgabe ,: (Z )
Für Bauhilfsmaterialien (Betriebsmaterial) wie Schalungen und Spundwände kann z. B. die Schalfläche bzw. Vorhaltemenge an Schalung wie folgt herangezogen werden: Retrospektive Mittelbildung: Mittlerer Umsatz pro Jahr na
Um
¦ U t l B
l 1
na
[CHF/a]
Mittlere Vorhaltemenge aller Schalungssysteme, Spundwände etc. :
^:
A
`
^
`
, : B , :C ,... im Zeitraum t B na bis tB : na
Vorh Fges ,m
Vorh ¦ Fges , t l B
l 1
na
[m2]
Retrospektive Vorhaltemenge an Bauhilfsmaterialien pro mittleren Jahresumsatz:
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
901
na
^
DUVorh ,m
Vorh ¦ Fges , t l
^S `
`
B
l 1 na
=
¦ U t l l 1
Vorh Fges ,m
Um
[m2/CHF pro Jahr)]
B
Prospektive Bauproduktionsmittelprognose-Vorhaltungen
Die Prognose des zukünftigen Produktionsmittelbedarfs einer SGE oder eines Unternehmens wird aus den retrospektiven Relationen aufgebaut und mittels zukünftigen prognostizierten Umsatzes ermittelt (Bild 430). Gesamtproduktionsmittel einer SGE {S} gemäss Investitionsalternative IA-1 (Bild 430) zum Zeitpunkt tB, abgestützt auf die mittleren Vorhaltungen der retrospektiven Periode: ^S `
^: ` i
tB
^n Z ` W
W
i
^S ` tB
S
i Geräteart
W Gerätetyp
^ ` ^ `^ `
U t^B ` *Ti ,W DWi
S
U , m i Geräteart W Gerätetyp
Aufgegliedert auf die einzelnen Geräte, Anlagen und Bauhilfsmaterialien unter Berücksichtigung des Auslastungsreduktionsfaktors *Ti ,W ergeben sich die Vorhaltemengen an Bauproduktionsmitteln bezogen auf den Umsatz zum Zeitpunkt tB wie folgt (Bild 430):
^ S`
^: ` i
tB
` ª n1 Z1i º^i SGeräteart « » i W Gerätetyp « n2 Z2 » « ... » « » « nW ZW i » « » « ... » « i» ¬ nn Zn ¼ t B
` ª *Ti ,1 D1i º^i SGeräteart « i » i W Gerätetyp « *T ,2 D 2 » « ... » S » U t^B ` « i « *T ,W DW i » « » « ... » « i i» ¬ *T , n D n ¼ U ,m
Zukauf von Vorhaltemengen an Produktionsmitteln (z. B. Mietkauf) zum n Zeitpunkt t t B ND (Bild 430): 2
902
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
^': ` i
^S ` tB
^ `^ `
S S 'U ^ ` nND *Ti ,W DWi U^ ,`m
nND 2
tB
2
i Geräteart
W Gerätetyp
Investitionsalternative 1 (IA-1): Zum Zeitpunkt
tB
0
wird das notwendige Schalmaterial für den Umsatz
tB
gekauft. Zum Zeitpunkt
0
sukzessiv zusätzlich benötigte Mietschalmaterial das den Umsatzzuwachs bis zum Zeitpunkt
n t B ND 2
tB
nND 2
wird das
abdeckt, zusätzlich
angekauft (z.B. durch Mietkauf). Wie in der 1. Folgephase wird in der 2. Folgephase gemäss der Umsatzsteigerung zwischen dem Zeitpunkt ( t B
nND 2
) und
t B nND sukzessive das notwendige Zusatzschalmaterial ausgeliehen. Diese Variante beinhaltet keine Ineffizienzkosten
durch nicht genutztes Bauhilfsmaterial. Weitere Investitionsvarianten sind möglich.
Investitionsalternative 2 (IA-2): Zum Zeitpunkt tB
nND gekauft. 4 ( t B nND ) und 4
0 wird das Schalmaterial für den Umsatz zum Zeitpunkt t B
nochmals Schalmaterial für den Umsatzzuwachs zwischen dem Zeitraum
Zum Zeitpunkt ( t B 3 u nND 4
tB
nND 2
wird
) zugekauft. Das
ungünstige an dieser Investitionsalternative (IA-2) ist, das jeweils ein Überschuss an Schalmaterial in einem Zeitraum von t B bis ( t B
nND 4
) vorliegt. Zudem muss trotzdem im jeweiligen Folgequartal
n · n · § § ¨ t B ND ¸ bis ¨ t B ND ¸ 4 ¹ 2 ¹ © ©
zusätzliches Schalmaterial
ausgeliehen werden. Diese Ineffizienz trifft auch für das Folgezeitintervall zu: x
n · 3 § § · ¨ t B ND ¸ bis ¨ t B nND ¸ 2 ¹ 4 © ¹ ©
-Überschuss
x
3 § · ¨ t B nND ¸ bis t B nND 4 © ¹
- Zusatzmietschalung
Bild 430: Umsatzentwicklung im prospektiven Prognosezeitraum
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
903
14.7.5 Projektebene – Systementscheidung für Produktionseinrichtungen
Die Systementscheidung für das jeweilige Projekt erfolgt für die Produktionsprozesskette sowie für die einzelnen Geräte, Anlagen und Betriebsmaterialien nach der Bauproduktionstheorie von Girmscheid [14-6], [14-7], [14-8] nach folgenden Entscheidungskriterien: x Eignung für die produktionstechnische Aufgabenart, z. B. für die: o o o
geologischen und hydrologischen Bedingungen Qualitätsanforderungen geometrischen Operationsbereiche
x Erfüllung der produktionstechnischen Leistungsanforderungen x Erfüllung der Vertrags- und Umweltanforderungen
Da alle zu vergleichenden Prozesse B ), : sowie die dazugehörigen Produktionseinrichtungen : die definierte vertragliche Leistung in der geforderten Qualität und im Zeitrahmen erfüllen müssen, ist der Nutzen für alle Prozesse gleich. Daher wird das ökonomische Minimalprinzip zur Minimierung der Projektausgaben/-kosten [14-7] angewendet. Zudem wird für die projektspezifische bzw. projektclusterspezifische Selektion
des
wirtschaftlichsten
Produktionssystems
:
Z G
^Z1 , Z2 , Z3 ...`
für die Bauaufgabe des Projekts P eine statische Ausgaben- bzw. Kostenvergleichsanalyse auf Basis einer Kalkulation durchgeführt. Unter ^:` versteht man die Produktionsmittel (System) mit Gerätegruppen oder Betriebsmaterialien, die dem Bauproduktionsprozess mit den jeweiligen Bauverfahrensvarianten F zugeordnet sind.
^B`
Für die Bauproduktionsprozesse gilt:
^B ), : ` ^B ), :
Baug
; B ), :
Rohbau
` ^ B ), : `
;!
G
Der Bauproduktionshauptprozess ^ B` für die Bauelementgruppe )G wird mit der Gerätegruppe bzw. den Betriebsmaterialien (Produktionsmittel) :G hergestellt [14-7]. Somit gilt: G
904
^
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
`
B ), :
° F ® E M , Z ¯°
G mG FG 1
- mF- 1
; E M , Z
- 1 m- 1 F- 1
½° mG ;!¾ 1 F ¿° G
1
Der Bauproduktionsprozess ^ B` für ein Bauwerk ) mit den Hauptherstellungsprozessen für die Baustelleneinrichtung, die Baugrube, den Rohbau etc. wird in die Modul- bzw. Elementarherstellprozesse E der Bauverfahren für die einzelnen Bauelemente M (z. B. Baugrubenverbau, Aushub, Stützen, Decken etc.) mit den dazugehörigen Produktionseinrichtungen Z (z. B. Bagger, Radlader, LKWs, Stützenschalung, Deckenschalung etc.) untergliedert. Der gesamte Bauprozess
^B`
für ein Bauwerk ) bestehend aus den
G
Hauptprozessen ^B` :
^
`
B ), :
G nG n)G
Proj
G mG ½ ° ) : B , F 1°¾ ® G °¯ °¿ mBG ° Baug . Rohbau ) : B , ; B ), : ® FG 1 ¯°
^
`
mRB
FG
½° ;!¾ 1 ¿°
= Bauelementgruppenindex (Baugrube, Rohbau,…) = Bauelementindex (Stützen, Decken,…) = Anzahl der Bauelementgruppen = Anzahl der Bauelemente
M FG
= Bauelementgruppe = Bauelement der Bauelementgruppe = Bauprozessvariante für die Herstellung der
F-
Bauelementgruppe )G = Bauverfahrensvariante für die Herstellung der
mG m-
Bauelemente M G ,= Anzahl der Bauprozessvarianten für die Elementgruppen = Anzahl der Bauverfahrensvarianten für die Bauelemente
G ,-
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
^ `
Dabei bildet der Vektor )G
905
das bauliche System in Elementgruppen,
z. B. Baugrube oder Rohbau, ab sowie die einzelnen Bauelemente M G ,- (z. B. Stützen, Decken, Wände):
^)`
^) ` G
^ ^)`
nG
G 1
Baustelleneinrichtung
;^)`
Baugrube
;^)`
Rohbau
`
;!
Für die Elementgruppe )G lassen sich die Bauelemente M G ,- wie folgt darstellen:
^ ) ` ^M ` G
G ,- n- 1
^M
G ,1
;M G ,2 ;!M G ,- ;!M G , n-
`
Für jeden Bauhauptprozess { BG }, z. B. Baugrubenherstellung, gibt es FG Bauprozess- und F- -Bauverfahrensvarianten mit den dazugehörigen Produktionsmitteln : :
^:`
^^: ` ` G
mG
FG 1
Die Bauelementgruppen )G werden durch die Hauptprozesse BG und die Elemente M G ,- mittels Bauverfahren/Elementprozessen E - hergestellt. Somit kann man die Bauproduktionsmittelgruppen :G den Hauptprozes-
sen BG und die Produktionsmittel nW ZWi
-
zur Herstellung der Bauele-
mente M G ,- wie folgt zuordnen [14-7]:
^: ` ^ n G
^:`
W
ZWi
` ^Z `
- G
G ,iW
def
^Z ` ®¯ Z ; Z G ,iW
1,iW
m-
- 1
2,iW
m-
-
½ ;!¾ 1 ¿
Z G ,-
def
Die Produktionsmittelzuordnung zu den Bauprozessen und den Bauverfahrensvarianten kann man vereinfacht wie folgt darstellen:
906
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
^: ` Z Z ,Z ,!Z ^: ` Z Z ,Z ,Z ,! G
G ,-
G
i
W G -
G
1,1
1
2
1,2
2,1
Z
, Z 2,2 ,!Z 3,1 ,!
def
G
3
= Ressourcengruppe/Baugeräteart (Bagger, LKW…) = Ressourcentyp/Gerätetyp (Geräteleistung etc.) = Bauelementgruppenindex (Baugruppe/Rohbau/etc.) = Bauelementeindex (Stützen/Wände/Decken/etc.)
Ausgaben- bzw. Kostenanalyse für ein projektspezifisches Produktionssystem
Für das jeweilige Projekt P müssen nun die Bauproduktionsprozesse B und die Bauproduktionssysteme : zugeordnet werden. Zudem soll mittels ökonomischen Minimalprinzips der Bauproduktionsprozess B* und das Produktionssystem : min :* identifiziert werden, so dass die geringsten Gesamtkosten bei gleichem definierten Nutzen (vorgegeben durch die Ausschreibung) erzielt werden. Wenn man die Bauproduktionsprozesse nach projektspezifischen und produktionsspezifischen Charakteristiken der Projektcluster P ^ A, B, C...` ordnet, erhält man folgende Bauprozess- und Bauproduktionssystemcluster:
^
`
B ), :
P=^ A,B,C...`
° P ® BFG °¯
A
mA
), : F
G
; BFPG
B
BFPG
C
1
mB
), : F
G
mC
), : F
G
;
1
½° ;! ¾ 1 °¿
Jeder Bauproduktionsprozess, z. B. für den Projektcluster P A , wird in die Hauptproduktionsprozesse BG für die Bauelementgruppen )G mit den jeweiligen Verfahrensvarianten F wie folgt strukturiert:
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
° P ® BFG ¯°
A
mA
), : F
G
½° ¾ 1 ¿°
Proj
° P A Baug ® BFG ,- ), : ¯° BFG ,- ), : P A
mBG ,- mBG ,G
F- 1 FG 1
Rohbau
; ½° ;! ¾ 1 °¿
mRB ,- mRB ,G
F- 1 FG
907
Proj
Die Produktionsmittel : mit den Geräten Z werden dem Projektcluster P ^ A, B, C...` analog zugeordnet:
^:`
P
^ A, B ,C ...`
° P A G ,® : FG Z ¯°
° PC ® : FG def ¯°
^:`
P
^ A, B ,C ...`
° P ® : FG °¯
mP
FG
mPC
FG
FG 1
; : PFG B Z G ,-
P
^ A, B ,C ...`
P
^ A, B ,C ...`
½° ¾ 1 ¿°
½° ¾ 1 °¿
mA
def
^:
A
mB
FG
½° ;!¾ def 1 ¿°
`
, : B , : C ,!
P
^ A, B ,C ...`
Die Produktionsmittel, z. B. für das Projekt P=A, werden den Bauelementgruppen mit den Bauprozess- und Bauverfahrensvarianten wie folgt zugeordnet:
^:`
P= A
° P A G ,®: FG ,- Z ¯°
Baug mBG ,- mBG ,G
F- 1 FG 1
; : PFG ,-A Z G ,-
½° ;!¾ 1 ¿°
Rohbau mRB ,- mRB ,G
F- 1 FG
Die Bauproduktionsprozesse und die Produktionsmittel, die nach technischen, vertraglichen und umweltbedingten Anforderungen den Projektclustern zugeordnet werden, bezeichnet man wie folgt:
^B`
B P
^:`
: P
P P
^ A, B ,C ...` ^ A, B ,C ...`
^B , B , B ,...` ^: , : , : ,...` A
A
B
B
C
C
908
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Bei der Ausgabe- und Kostenanalyse des Bauproduktionsprozesses ^B` für die Systemauswahl der Produktionseinrichtung A B C ^:` : P : , : , : ,... im Projekt P der SGE werden nicht nur die
^
`
Gerätekosten, sondern auch die Betriebskosten (Lohn) sowie andere Kostenelemente kalkulatorisch wie folgt berücksichtigt: C:Proj
AVS / Miete A:Fix A:Rüst A:Plan A:Transp , Proj A: , Proj
A:R & R A:Verlust A:Transakt A:Betrieb
Proj
:
^
`
[CHF]
: A : B :C ...
Dabei sind die folgenden Ausgaben bzw. Fixkosten für alle zu vergleichenden Produktionssysteme ^:` : P : A , : B , :C ,... in etwa
^
`
gleich:
^A
Fix
A:Fix ; APlan
AVerlust
A:Plan ; ATransp
A:Verlust ; ATransakt
Die Angaben bzw. taProj d t d teProj :
A:Transakt Kosten
A:Transp ; AR & R
`
:
^:
A
`
, : B , :C ...
umfassen
A:R & R ; [CHF]
die
gesamte
Projektzeit
AFix
= Aufsichts- bzw. Allgemeinkosten
A:Rüst , Proj
= Kosten für die projektspezifische Vorbereitung des Systems
/ Miete A:AVS , Proj
wie z. B. Aufbau, Montage etc. = Interner AVS oder externer Mietsatz pro Einsatz oder pro
A:Plan A:Transp A:R & R A:Transakt
Vorhaltezeit = Kosten der spezifischen AVOR-Leistungen = Transportkosten zur und von der Baustelle = Revisions- und Reparaturkosten = Transaktionskosten bei Marktbezug der Produktionssysteme (Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle etc.)
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
A:Betrieb A:Verlust
909
= Betriebskosten der Produktionseinrichtung bezogen auf die Betriebszeit oder auf Flächeneinheiten = Kosten für beschädigtes Gerät/Bauhilfsmaterialien
Entscheidungsfindung für das projektspezifische Produktionssystem
Die Auswahl des kostengünstigsten Bauproduktionsprozesses bzw. Bauproduktionssystems für das jeweilige Projekt bzw. für den jeweiligen Projektcluster erfolgt mittels ökonomischen Minimalprinzips des statischen Wirtschaftlichkeitsvergleichs (kurze Projektzeit/Kostenkalkulation), indem alle Prozessvarianten FG mit den dazugehörigen Bauverfahrensvarianten F- , die die technischen und projektspezifischen sowie umweltspezifischen Bedingungen erfüllen, wie folgt auf die Wirtschaftlichkeit hin untersucht werden:
C:Prminoj
° Pr oj Pr oj ® C:min C:min ° ¯ mit H
§ Min ¨ ¦ A:H , F- , FG ¨ H © ®H H ¯
m-
F-
· ¸ FG 1 ¸ ¹ mG
1
teProj teProj
Rüst ª º ½ « AVS / Miete » ½ ° [CHF] « » ¾¿ ¾ ° «¬ Betrieb »¼ ¿
Damit wird das Projekt P mit dem Produktionssystem und Bauproduktionsprozess ausgeführt, das die minimalen Gesamtkosten erzeugt. Als Produktionssystem : min wird das System mit den niedrigsten Kosten für das Projekt P definiert.
910
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Somit gilt: C:Proj P min
P
^ A, B ,C ,...`
° Proj P ^ A, B ,C ...` Proj C:Proj A für P A :min ®C:min P min ° ¯ Proj C:Proj B für P B : min min
C:Proj min
C für P
C
*
: A Z G ,-
*
: B Z G ,-
Proj : min
:
C*
Z G ,-
*
:A
*
:B
:
C*
½ ° ....¾ ° ¿
Dies führt gleichzeitig zu den kostengünstigsten Produktionsprozessen B in den Projekten P: B ), : min
P
^ A, B ,C ,...`
A* ® B ), : ¯
P A
; B ), :
B*
P B
½ ;...¾ ¿
Proj
Ausgaben- bzw. Kostenanalyse für projektgruppenspezifische Produktionssysteme
Für die Analyse der unternehmerischen Bereitstellungsvarianten (Besitz/Miete) ist es erforderlich, eine projektspezifische Gliederung der Produktionseinrichtungen nach Projektclustern der SGF bzw. SGE retrospektiv wie auch prospektiv durchzuführen. Diese Gliederung erfolgt in produktionstechnisch analogen Projektclustern P ^ A, B, C...` nach Umsatz und Produktionsleistung, die durch Bauproduktionsprozesse ^B ), : ` mit den Produktionssystemen ^:` : A , : B , :C ,... herge-
^
`
stellt werden können. Für die projektclusterspezifische Systemauswahl werden die statische Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und das ökonomische Minimalprinzip herangezogen.
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
911
Die inhaltliche und zeitliche Systemabgrenzung wird wie folgt durchgeführt: x Bildung von Projektclustern P
^B ), : `
zess-
^:
A
und
^ A, B, C...`
nach bauproduktionspro-
produktionstechnischen
^:`
: P
`
, : B , :C ,... Gesichtspunkten
x Auswahl des Projekthauptclusters P=A oder mehrerer Projekthauptcluster nach dem Pareto-Prinzip (A-B-C-Analyse) x statische Wirtschaftlichkeitsanalyse des oder der Hauptprojektcluster nach dem Kostenminimalprinzip x Aus retrospektivem Umsatz, Vorhaltemengen, Hauptleistungsmengen und Auslastungsgrad in Bezug zu produktionstechnisch bedingten Projektgruppen werden über die vergangenen na-Jahre Referenzindizes/parameter gebildet (s. o.). x Aufgrund der prospektiven Umsatzprognosen über den Betrachtungszeitraum nND werden mittels der Referenzindizes der retrospektiven Betrachtung die zukünftigen Leistungs- und Vorhaltemengen ermittelt (s. o.). x Zur Systemanalyse verschiedener Produktionssysteme A B C ^:` : P : , : , : ,... für die spezifischen Projektcluster
^
`
P ^ A, B, C ...` werden die Jahresmittelwerte der Ausgaben bzw. Kosten über den Prognosezeitraum gebildet und im Zahlungsstrom berücksichtigt (s. o.). Die Projekte werden nach folgenden produktionsspezifischen Kriterien in Projektcluster P ^ A, B, C ,...` geordnet: x Konstruktionscharakteristiken der Projekte x Gleichartige Bauproduktionsprozesse ^B` für die Projektcluster x Gleichartige Ressourcen bzw. Produktionssysteme ^:` für die Projektcluster z. B. A: Hochbauten mit offener Aussenfassade, hergestellt mit grossflächigen Schaltischen B: Hochbauten mit geschlossener Fensterfassade, hergestellt mit kleinrastiger Kassettenschalung
912
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Das bedeutet, dass die Projektcluster nach Bauprozessen und Produktionssystemen geordnet werden. Daraus ergibt sich folgende Zuordnung für die Bauprozesse:
^B ), : `
P
^ B ), :
^ A, B ,C ,...`
P A
; B ), :
P B
; B ), :
P C
`
;...
Bauproduktionsmittelmatrix:
^:`
P
^ A, B ,C ,...`
Z
G ,- P
° A ® : FG °¯
^:`
P
^ A, B ,C ,...`
mA
; : FBG
FG 1
° P ®: F P °¯
mP
FP
° P ® : FG °¯
^ A, B ,C ,...`
°½ ¾ 1° ¿
P
mB
FG
mP
FG
°½ ¾ 1° ¿
P
^ A, B ,C ,...`
°½ ;...¾ 1 °¿
^ A, B ,C ,...`
A B C ½ : , : , : ,... ¾ ® def ¯ ¿
P
^ A, B ,C ,...`
Somit können die Bauproduktionsprozesse für die Projektcluster P ^ A, B, C...` durch die Zuordnung der spezifischen Produktionsmittel wie folgt dargestellt werden: B ), :
P A
B ), :
P B
B ), :
P C
° P ® BFG °¯ ° P ® BFG °¯
A
B
), : A
), : B
mA
mB
FG
FG
½° ¾ 1° ¿ ½° ¾ 1° ¿
...
Die projektgruppenspezifische statische Wirtschaftlichkeitsanalyse für den Projektcluster erfolgt analog zur projektspezifischen Analyse. Das bedeutet, dass für jeden Projektcluster P ^ A, B, C...` aus den möglichen Bauproduktionsprozessen der optimale Bauproduktionsprozess A B C mit dem optimalen Produktionssystem B B P B , B , B ...
^
`
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
^:`
: P
^:
A
913
`
, : B , :C ,... aus dem Gesamtumfang der Produktions-
systeme für die Mietanalyse wie folgt ermittelt wird:
P A, B ,C ,...` C:min^
° ° P ^ A, B ,C ,...` P ^ A, B ,C ,...` C:min ® C:min ° °¯
mK
Min ¦
¦
KP 1 H
H , P A, B ,C ,... A:, F ^,K ;K ` P - G
m-
mG
F- 1 FG 1
te
Rüst ª º « AVS / Miete » ½ m K « » ¿¾ «¬ Betrieb »¼
®H H ¯
mit H
° ® mK mK ¯°
Diese Berechnung wird für jeden Projektcluster P rücksichtigung der Projektanzahl mK
½ ª mA º ° «m » ½ ° « B » ¾¿ ¾ ° «¬ ... »¼ °¿ tB
^ A, B, C...`
unter Be-
im prospektiven Zeitintervall
^tB d t d te ` durchgeführt. Damit erhält man für jeden Projektcluster P das optimale Produktionssystem :* aus den möglichen Produktionssystemvarianten : P sowie den optimalen Bauproduktionsprozess B* aus den Varianten B P . Somit gilt: P ^ A, B ,C ,...` P A, B ,C ,...` A C:min^ C:Amin für P A : min ®C:min ¯
C:Bmin für P
B B : min
C:Cmin für P C :Cmin ½ ¾ ¿
... sowie
* B ), : min ® B ), : A ¯
P A
; B ), : B
*
P B
½ ;...¾ ¿
914
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Die Eingangsgrössen werden wie folgt ermittelt: x
Rüstkosten Rüstkosten bzw. -ausgaben für (Vor-)Montage und Demontage von Produktionseinrichtungen (z. B. Vormontage einer Tunnelbohrmaschine auf der Baustelle, Rüsten von Deckentischen auf dem Werkhof) ergeben sich über die Prognosezeit ^t B d t d te ` wie folgt zu: A:Rüst
nND t 1
Rüst Rüst ® A: A: ¯
m: a Rüst z 0 für Produktionseinrichtungen mit Vor- und Demontage
A:Rüst
0 für Produktionseinrichtungen ½
nND
¿
t 1
ohne Vor- und Demontage ¾
Somit ergeben sich die mittleren jährlichen Rüstkosten (Erwartungswert) zu:
A:Rüst nND
A:Rüst ,m x
Mietkosten Mietkosten bzw. -ausgaben ergeben sich extern aus Marktpreisen oder setzen sich intern aus Abschreibung, Verzinsung und Stationierung (AVS) zusammen und ergeben sich aus der Anzahl mK der Projekte und der Projektlaufzeit t Proj über die Prognosezeit ^t B d t d te ` zu: Mietkosten oder AVS für Bauhilfsmaterialien :
A:Miete BH
te tB
mK
Vorh Miete ¦ F:Vorh ,K T: ,K a:
K 1
BH :
te : BH t B
Mietkosten oder AVS für Geräte und Anlagen : G :
A:Miete G
te tB
mK
te
K 1
tB
Miete ¦ T:Vorh ,K a: : G
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
915
Somit ergeben sich die mittleren jährlichen Mietkosten (Erwartungswert) zu:
A:Miete ,m x
t nND t 1
#
A:Miete nND
Betriebskosten Betriebskosten enthalten die Verbrauchskosten sowie die Lohnkosten zum Betrieb des Produktionssystems : im Produktionsprozess B über die Prognosezeit. Für die Bauhilfsmaterialien : BH gilt:
A:Betrieb BH
te tB
mK
te
K 1
tB
¦ F:ges,K a: a:, Lohn : BH
Betriebskosten für Geräte und Anlagen : G zu:
A:Betrieb G
te tB
mK
te
K 1
tB
a: , Lohn ¦T:Betrieb ,K : G
Somit ergeben sich die mittleren jährlichen Betriebskosten zu:
A:Betrieb ,m
A:Betrieb nND
Legende: m: = Anzahl der Montage- und Demontagevorgänge von Geräten oder von Bauhilfsmaterial der Gruppe : im Zeitraum nND ^t B d t d te `
aRüst
= Fixrüstkosten pro Montage- und Demontagevorgang
F:ges ,K
= Gesamte Schalfläche oder Wandflächen bei Bauhilfsmaterialien : (pro Projekt K oder pro Jahr t)
F:Vorh ,K
= Fläche an vorgehaltenem Bauhilfsmaterial : (pro Projekt
K oder pro Jahr t) T:Vorh ,K
= Vorhaltedauer von Bauhilfsmaterial : (pro Projekt j oder pro Jahr t)
916
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement Miete aBH
= Mietsatz für Bauhilfsmaterial (pro Flächeneinheit und Zeit)
aGMiete
= Gerätemiete pro Zeiteinheit
a:
= Aufwandswert bei Bauhilfsmaterial [z. B. m2/h]
a:, Lohn = Gruppenlohnansatz
K
= Projektlaufindex im prospektiven Zeitintervall ^t B d t d te `
mK
= Anzahl der Projekt im Zeitraum ^t B d t d te `
nND
= Betrachtungs- bzw. Nutzungszeitraum
Damit erhält man die projektgruppenspezifische Systementscheidung
^:`
: P
^:
A*
*
*
`
, : B , :C ,... für
den
jeweiligen
Projektcluster
P ^ A, B, C...` . Auf dieser Entscheidungsgrundlage erfolgt die MietBesitzmodellanalyse. 14.7.6 Unternehmensebene – Miet- oder Besitzmodelle
Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen Miet- und unterschiedlichen Besitzmodellen kann nur dann vollzogen werden, wenn die projektclusterorientierte Systemauswahl stattgefunden hat. Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ist somit zweimal durchzuführen, einmal für die Systemselektion auf Projektebene bzw. Projektclusterebene mit den projektgruppenspezifischen Bedingungen und ein zweites Mal für die Miet- oder Besitzmodellentscheidung aus Unternehmens- bzw. Werkhofsicht (Unternehmensebene). Daher ist es erforderlich, vorher die projektgruppenspezifische Systementscheidung ^:`
Proj
: Proj P
^:
A*
*
`
*
, : B , :C ,... für die produktions-
technisch gegliederten Projektcluster P ^ A, B, C...` nach dem ökonomischen Minimalprinzip durchzuführen. Für diese projektgruppenspezifische
^:` ^ A, B, C...`
^:
`
Systementscheidung
: P
jektgruppe P füllt
das ökonomische Minimalprinzip wie folgt er-
A*
*
*
, : B , :C ,... , die für jede Pro-
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
^
P P
A o :min B o : min
P C o : min P !
*
: A mit C P
A *
:min : A
:
B*
:
C*
mit C
P B
mit C
P C
*
:min : B
:min :C
*
^ ` Min ^ C ` Min ^ C ` Min C:P
A
P B :
P C :
:
^:
:
^:
:
^:
A
A
917
`
, : B , :C ...
`
, : B , :C ...
A
`
, : B , :C ...
`
wird jetzt geprüft, ob das Miet- oder Besitzmodell die gesamtunternehmerisch wirtschaftlichste Lösung ist. Die Entscheidung darüber, welche Variante die wirtschaftlichere ist, erfolgt aufgrund der Langfristigkeit der Entscheidung durch den anschliessenden Vergleich der alternativen Bereitstellungsvarianten durch Anwendung des ökonomischen Minimalprinzips mittels des Net-Present-ValueDifferenzaxioms [14-10]. Die Ausgaben und sekundären Einnahmen fallen in den definierten Zeitspannen immer an. Daher müssen bei der Net-Present-ValueDifferenzmethode die Ausgaben und Einnahmen obligatorisch berücksichtigt werden gemäss den Ansätzen: x jährlich x einmalig in einer bestimmten Zeitspanne x einmalig Mietmodell – Berechnung des Miet-NPV
Zur Ermittlung des gegenwärtigen Gesamtwertes der im Prognosezeitraum anfallenden Zahlungsströme in der SGE={S} wird die NPV-Methode auf der Basis von primären Ausgaben angewendet, weil der Nutzen durch die Auftraggebervorgaben gegeben ist. Dazu werden die Zahlungsströme für den zukünftigen Einsatz der kostengünstigsten projektgruppenspezifischen Produktionssysteme
^:`
: P
^:
A*
*
*
`
, : B , :C ,... , die in der SGE={S} gemietet werden,
berücksichtigt. Die Ausgaben bei Mietsystemen fallen projektbezogen an und sind variabel bezogen auf die Nutzungszeiten bzw. ihren Einsatz oder fix aufgrund des einmaligen Auftretens (Fix- und Zusatzkosten). Als Voraussetzung für die Berechnung des NPV sind deshalb zunächst sämtliche Zahlungsströme in jährliche Grössen zu transformieren.
918
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Da sowohl beim Miet- als auch beim Besitzmodell der gleiche Nutzen entsteht (z. B. Herstellung einer Stahlbetondecke nach klar definierten Spezifikationen) werden bei der Wirtschaftlichkeitsanalyse nur die CashDrains berücksichtigt. Dazu werden die Cash-Drains als jährliche projektspezifische Miet-Zahlungsströme für die jeweiligen optimalen Produkti-
^:`
onssysteme
^ A, B, C...`
P
:P
^:
A*
*
*
`
, : B , :C ,...
je
Projektcluster
gebildet. Damit gilt das ökonomische Minimalprinzip.
Miet-Cash-Drains Die Cash-Drains für Produktionsmittel wie Inventar und Bauhilfsmaterialien zur Entscheidung für Besitz- oder Mietmodell kann auf dem folgenden Aggregations- bzw. Differenzierungsstufen erfolgen: x aggregiert auf die generelle Vorhaltung bzw. Bereitstellung aller Produktionssysteme x differenziert für die verschiedenen projektgruppenspezifischen Produktionssysteme und deren Anteile an der Gesamtbereitstellung Mietmodell Mietbedingung:
^:
*
:A o P
min
A : min
*
:B o P
B : min
`
*
:C o P C ..
^S `
bedeutet, dass für jedes Projekt das optimale und kostengünstigste Produktionssystem verwendet wird. Miet-Cash-Drain – Gesamtbetrachtung: CtM
A
M , Fix ges , t
M , Miete M , Plan M , Transp M , R& R M ,Verlust Ages Ages Ages Ages Ages ,t ,t ,t ,t ,t
Miet-Cash-Drain der verschiedenen Projektcluster P zugeordneten Produktionsmitteln : P punkt t:
^:
*
A
*
^S `
M , Transakt Ages ,t
^ A, B, C...`
mit den
*
`
, : B , :C ,... zum Zeit-
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung ^B ,C ,...`
K P ,t
¦
CtM
§ M , Fix M , Miete M , Plan ¨ AK P: , P : , t AKP : , P : , t AKP : , P : , t ©
¦
P : A K P : 1
AKM ,Transp P : , P : , t ^B ,C ,...`
¦ ¦
P : A K P : 1
H
®H H ¯
mit H
AKM , R ,&PR : , t P :
AKM ,Verlust P : , P : , t
^S `
· ¸ ¹
AKM ,Transakt P : , P : , t
° M ,H ® AKP: , P : , t ° ¯
K P ,t
¦
CtM
919
ª Fix º « Miete » « » « Plan » « » ½ «Transp » ¾ K P ,t «R & R » ¿ « » «Verlust » «Transakt » ¬ ¼
®K P ,t K P ,t ¯
ªK A,t º « » «K B ,t » ^S ` «K » « C ,t » ½ ½° «. » ¾ ¾ « » ¿ ° ¿ «. » «. » « » «¬. »¼
Zuordnung der optimalen, kostengünstigsten Produktionsprozesse und Produktionssysteme zu dem Projektcluster: P ^:`
K P ,t
^ AK ; :
^K
A
P ,t
*
min
: A B K B ; : min
*
: B C KC ; : min
*
`
:C ..
`
K P ,t K A,t ; K P ,t K B ,t ;... Anzahl der Projekte im Jahr t im t
jeweiligen Projektcluster Zeitabhängige Mietausgaben pro Jahr t für die Geräte und Bauhilfsmaterialien : nW ZWi im Projektcluster P : pro Projekt K P : :
^
`
^S `
AKM , Miete , P : , t P :
Miete ,i ,W ¦ ¦ nW ZWi :,t TPVorh : ,K ,t ai ,W i
W
P:
i Geräteart
W Gerätetyp
920
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
AKM , Miete = Mietausgaben im Projektcluster P : pro Projekt K P ,t für , P : , t P :
i
die nW Geräte ZWi der Geräteart i und den Gerätetyp W im Jahr t = Geräteart, z. B. Bagger, Lader, LKW
W
= Gerätetyp (welcher Bagger, Leistung …)
TKVorh,,Pi ,W : , t = Vorhaltedauer der Geräteart i und des Gerätetyps W im ProP :
jektcluster P : des Projektes
K P :
im Jahr t
aiMiete ,W
= Mietkosten der Gerätart i und des Gerätetyps W pro Zeitein-
nW
heit = Anzahl der Geräte
ZWi
= Ressource/Gerät der Geräteart ( i ) und Gerätetyp ( W )
^S `
= SGE
Die jährlich einmaligen projektabhängigen Ausgaben werden wie folgt prognostiziert: 1. Ermittlung der retrospektiven einmaligen Kosten pro Umsatz. Diese Kosten erhält man durch Summieren aller einmaligen Kosten je Projektcluster dividiert durch die Summe des jährlichen Umsatzes über den Zeitraum ^t B na d t d t B ` :
aKH , P : , m P :
° ° °° ® ° ° ° °¯
KP
¦
K P : 1
AKH
t t B na P : , P
t B na
:
¦ U t^ `
t tB
S
t tB
mit H
®H H ¯
ª Fix º « Plan » « » «Transp » ½ « » ¾ «R & R » ¿ «Verlust » « » «¬Transakt ¼»
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
P :
921
ª Aº «B » « » «C » ½ « » ¾ «. » ¿ «.. » « » «¬. »¼
® P : P : ¯
t na
K P:
ªK A º B « » «K B » «KC » « » «. » «.. » « » «¬. »¼ t
®K P : K P : ¯
^B ,C ,...`
½ ¾ K ¿
¦
[ A
K[
B
½ ° ° ° ° ¾ ° ° ° ° ¿
2. Ermittlung der prospektiven einmaligen Kosten bezogen auf den jährlichen Umsatz der SGE im projektspezifischen Cluster P : : ^S ` M ,H
AK
P : , P
^S `
Ut
: ,t
aKH , P : ,m P :
Die Betriebs- und Lohnkosten werden weder beim Miet- noch beim Besitzmodell berücksichtigt, da beim gleichen Produktionssystem *
: min : A beim Besitz- und Mietmodell im Projektcluster P A die gleichen Kosten auftreten und sich beim Vergleich somit aufheben. Jedoch werden beim Besitzmodell sogenannte Ineffizienzkosten ( 'A:B , Ineff )angenommen, wenn für die Projektcluster P
^B, C...`
das Produktionssystem
*
*
: : A angewendet wird und nicht die optimalen : : B für P * sowie : :C für P C usw.
B
Berechnung des Miet-NPV über die Systemnutzungsdauer nND ,min oder über den festgelegten Betrachtungszeitraum nND der in der SGE {S} betrachteten Produktionssysteme ^:` : P jektclusterspezifisch P
^ A, B, C...`
^:
A*
*
*
`
, : B , :C ,... , die pro-
eingesetzt werden:
922
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
NPVtBM
te t B nND
¦
1
1 q t t
t tB
® HH ¯
mit H
B
^B , C ,..`
K P ,t
P : A
K P : 1
¦
¦
ª Fix º « Miete » « » « Plan » « » ½ «Transp » ¾ K P,t «R & R » ¿ « » «Verlust » «Transakt » ¬ ¼
° ° ¦ ® AKMP,:H ,P : ,t H ° °¯ ªK A,t º « » «K B ,t » ^S ` ½ «K » « C ,t » ½ °° ® K P,t K P ,t «. » ¾ ¾ « » ¿ ° ¯ «. » °¿ «. » » « «¬. »¼
mit P ^:`
K A ,t *
:A
^ AK ; : A
*
min
: A B K B ; : min
*
: B C KC ; : min
*
`
:C ..
= Anzahl der Projekte A im Jahr t (analog: K B ,t ; KC ,t ;…) = optimales und kostengünstigstes Produktionssystem : für den * * Projektcluster A (analog : B ; :C ;…)
Zusammenfassung: Bei der Miete wird davon ausgegangen, dass für jedes Projekt das in Bezug auf minimale Herstellkosten wirtschaftlichste Produktionssystem verwendet wird, also das Produktionssystem mit den geringsten Aufwandswerten, wie dies bereits bei der projektspezifischen Systemwahl vorgestellt wurde. Besitzmodell – Berechnung des Besitz-NPV
Beim Besitzmodell wird man sich meist auf einige wenige bestimmte Produktionssysteme für alle Projekttypen P ^ A, B, C...` festlegen. Das bedeutet, dass man sich nach dem Pareto-Prinzip für den Projekttyp mit dem höchsten Umsatz bzw. den grössten Produktionsmengen entscheidet und das optimale, kostengünstigste Produktionssystem : A wählt, welches die geringsten Rohbaukosten (Fix- und Variablekosten) verursacht. Das Minimalprinzip umfasst dann:
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
923
x die Investitionsausgaben sowie die Ausgaben für Instandhaltung und Instandsetzung x die Lohn- und Inventarausgaben für den Betrieb der Produktionseinrichtung *
Wenn man sich z. B. für das optimale Schalungssystem : : A für den Projekttyp P A im Besitzmodell entscheidet, werden die Aufwandswerte zum Aufstellen und Umsetzen der Schalung bei den Projekttypen P ^B, C...` möglicherweise höher ausfallen [14-9]. Die höheren Aufwandswerte kann man auch als Differenzaufwandswerte zu den optimalen Schalungssystemen : P
^:
B*
`
*
, :C ... betrachten, die bei den Projekttypen
^B, C...`
zum Minimalprinzip führten. Die zusätzlichen Ausgaben für die Differenzaufwandswerte (Ineffizienzausgaben) für die Projekttypen P ^ B, C...` ergeben sich z. B. für *
Schalungssysteme : : A aus dem Produkt aus Differenzaufwandswert A*
'a::,e,a (e = Einschalen; a = Ausschalen), Schalfläche F:Sch ,t und Mittellohn aLohn .
Ineffizienzausgaben für suboptimale Projektschalung im Rahmen des Besitzmodells: ª 'a : A* º Sch ª 'ABIneff º « B , e, a » ª FB , t º ,t « » « « » * Sch :A » « 'ACIneff » « a F ' « » C , e, a C,t » ,t « » « « » » B , Ineff . . . 'At aLohn « » « » « » P ^ B ,C ..` « . » « . » « . » « » « » « Sch » * Ineff « 'A..., » » :A » « F « t ..., t ¬ ¼ « 'a..., e, a » ¬ ¼ ¬ ¼
'A
B , Ineff t
P
^B ,C ..`
§ : A* · Sch ¨ 'a^B ,C ...`, e, a ¸ F^B ,C ...`, t aLohn © ¹
Dies trifft auch für Produktionsgeräte zu, die z. B. eine geringere Leistung erbringen und damit höhere Kosten erzeugen als die projektspezifisch op-
924
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement *
timalen Geräte bzw. Gerätegruppen. Wenn Produktionsgeräte : : A , die im Projektcluster P=A optimale Leistungen und geringste Kosten erzeugen, in anderen Projektclustern P={B,C…} eingesetzt werden, werden Ineffizienzkosten 'AtB; P, Ineff gegenüber den optimalen Geräten ^B ,C ...` :
^:
B*
*
`
, :C ... für die Projekte erzeugt.
Somit gilt: 'AtB; P, Ineff ^ B ,C ...`
° B , Ineff B , Ineff ® 'At ; P ^ B,C ...` 'At ; P ^ B,C ...` ° ¯ ^C , D..`
¦
P B
AtBetrieb, P
: A*
AtBetrieb, P
: P
½ ° ¾ P B ,C ... ° ^ B`* C* ¿ : P : ,: ...
^
`
mit:
o ®¯
AtBetrieb , P : A*
P
A o : min
*
*
: A P
B o : :A
* ½ P C o : : A " ¾ ¿
AtBetrieb, P : P o ® P ¯
A o :min
*
:A P
B o :min
P C o : min
^
`
*
:B * ½ :C " ¾ ¿
: P = Bauproduktionseinrichtungen B* , C * ... P
= Projektcluster ^B, C...`
Die projektabhängigen jährlichen Besitzausgaben werden analog zu den projektabhängigen jährlichen Mietausgaben ermittelt.
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
^S ` ^S `
B ,H
AK
Ut
P : , P : , t
aKH , P : , m P :
mit H
®H H ¯
ª Plan º « Rüst » « » «Transp » « » «R & R » «Verlust » ¬ ¼
925
B
½ ¾ ¿
Die Lagerungskosten für das gekaufte System werden wie folgt berechnet:
¦ nW ZWi atMiete Lager
AAB,,tLager
Es wird davon ausgegangen, dass die allgemeinen technischen Installationen für die Baustelleneinrichtung für die verschiedenen Produktionssysteme identisch sind. Damit erhält man für das Besitzmodell den jährlichen Cash-Drain unter Beachtung folgender Besitzbedingung:
^:
*
:A o P
min
A:
*
:A o P
*
B : :A o P
`
C"
*
Das heisst z. B., dass ein Produktionssystem : : A (z. B. Schalungssystem) in allen produktionsspezifischen Projektclustern P ^ A, B, C...` eingesetzt wird. Dadurch entstehen, ausser im Projektcluster P A mit * : min : A , in allen anderen Projektclustern P ^B, C...` , die mit *
: : A hergestellt werden, Mehraufwendungen gegenüber dem projektgruppenspezifischen Produktionsgeräten. Diese Mehraufwendungen werden als Ineffizienzkosten in der SGE={S} berücksichtigt. Besitz-Cash-Drain über alle Produktionseinrichtungen: CtB
A
B , Plan ges , t
B , Rüst B , Transp B, R& R B ,Verlust Ages Ages Ages , t Ages , t ,t ,t B , Lager B , Ineff Ages 'Ages ,t ,t
*
^S `
bzw. auf das Produktionssystem : : A der SGE bezogen:
926
CtB
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
¦ H
° °° ® ° ° °¯
K A ,t
¦
KA 1
mit K P ,t
AKBA,H, P
A ,t
®K P ,t K P ,t ¯
^C , D ,..`
K P ,t
P B
KP 1
¦ ¦
A
B ,H KP , P
ªK B ,t º « » «KC ,t » «K » ½ mit H « D ,t » ¾¿ «.. » « » ¬«. ¼»
B , Ineff
^ B ,C ,..`,t 'AKP , P ^B ,C ,..`,t
®H H ¯
ª Plan º « Rüst » » « «Transp » » « «R & R » «Verlust » « » ¬« Lager »¼
B
^S `
½ ° ½ °° ¾ ¾ ¿ ° ° °¿ *
Da man sich beim Besitzmodell für das Produktionssystem : : A entscheidet, das für die Projektgruppe des Typs P A mit dem höchsten Umsatz bzw. mit der höchsten Produktionsmenge die geringsten Ausgaben/Kosten, aber bei den Projekttypen P ^ B, C , D...` höhere Ausgaben/Kosten im Betrieb z. B. zum Ein- und Ausschalen verursacht, ergibt sich der Besitz-NPV zu:
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
B
NPVtB
° ° t ° B , Invest e ® AA* ,tB ° ° ° ¯
^C , D ,..`
¦
P B
mit K P ,t
mit H
tB nND
¦
t tB
° 1 ° ¦® t t 1 q B H ° °¯
° ¦® KP 1 ° ¯ K P ,t
A
B ,H KP , P
A* ,t
¦
K
A*
1
AKBA, ,HP
B , Ineff
A ,t
^B ,C ,..`,t 'AK P , P ^B ,C ,..`,t
ªK B ,t º « » «KC ,t » «K » ½ °½ « D ,t » ¾ ¾ «. » ¿ ° ¿ « » «. » «¬. »¼
®K P ,t K P ,t ¯
®H H ¯
K
ª Plan º « » « Rüst » «Transp » « » «R & R » «Verlust » « » «¬ Lager »¼
B
^S `
½ ° ½ ° ° ½ ° 1 ° E B , Rest ¾ ¾ te t B A* , te ¾ ¿ ° 1 q ° °¿ ° ° ¿
mit
^
*
P : :A
`
® A K A ; :min ¯
927
*
*
: A B KB ; : : A
* ½ C KC ; : : A ! ¾ ¿
928
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Unternehmensebene – NPV – Besitz- oder Mietmodellentscheidung
Die hier betrachtete unternehmensspezifische Bereitstellung von Produktionsmitteln nach dem Miet- oder Besitzmodell erfolgt nach dem ökonomischen Minimalprinzip. Dazu werden die projektspezifischen Produktionsmittel mit den geringsten Kosten bei gleichem Nutzen in der langjährigen unternehmerischen Bereitstellungsanalyse für die Miet- bzw. Besitzmodellentscheidung berücksichtigt. Um zu entscheiden, ob das Besitzmodell wirtschaftlich vorteilhafter ist als das Mietmodell, kann z. B. das ökonomische NPV-Minimalprinzip anwendet werden [14-13]: NPVtBmin
^
Min NPVtB: , Miete ; NPVtB: , Besitz
`^
:
^:
A
``
,: B ,:C ,..
Auch das NPV-Differenzaxiom kann dazu benutzt werden [14-13]: 'NPVtBB M
^NPV
: , Besitz tB
NPVt B: , Miete
`^
:
^
! 0 ``
: A ,: B ,:C ,...
mit: 'NPVtB ! 0
ĺ
Mietmodell ist günstiger
'NPVtB 0
ĺ
Besitzmodell ist günstiger
Beim Mietmodell geht man davon aus, dass für jede Projektgruppe P ^ A, B, C..` das technisch passende und wirtschaftlichste Produktionsmittel (ökonomisches Minimalprinzip) bereitgestellt wird (Projektebene). Beim Besitzmodell werden die Produktionsmittel bereitgestellt, die entweder für x die dominierende Projektgruppe der SGE P ^ A` oder x für alle Projektgruppen P ^ A, B, C..` der SGE die geringsten Kosten bzw. Ausgaben verursachen.
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
929
Daher gilt für das NPV-Differenzaxiom: ° ° ° K A* ,t te tB nND 1 ° B , Invest ° BM AB ,H 'NPVtB ® AA* ,tB ¦ t t B ¦ ® ¦ K A , P A ,t t tB H ° K * 1 1 q ° A ° ¯° ° ¯ ^C , D ,..` K P ,t ° ¦ ¦ ® AKBP,H, P ^ B ,C ,..`,t 'AKB ,,Ineff P P ^ B , C ,..`, t P B KP 1 ° ¯ ªK B ,t º « » ½ «KC ,t » ½ ° mit K P ,t ®K P ,t K P ,t «K D,t » ¾ ¾ « » ¿ ¯ ° «. » ¿ « » «¬. ¼»
te t B nND
¦
t tB
mit H
®H H ¯
ª Plan º « Rüst » « » «Transp » « » «R & R » «Verlust » « » ¬« Lager ¼»
®H H ¯
mit H
1
1 q t t
B
B
½ ° ½ ° 1 E B ,Re st ¾ ¾ te t B A* , te ¿ ° 1 q °¿
^B , C ,..`
K P ,t
P : A
K P : 1
¦
ª Fix º « Miete » « » « Plan » « » ½ «Transp » ¾ K P ,t «R & R » ¿ « » «Verlust » «Transakt » ¬ ¼
¦ ¦ H
®K P ,t K P ,t ¯
° M ,H ® AK P: , P : , t ° ¯ ^S ` ªK A,t º ½ « » ° ½ ° «K B ,t » «K » ½ ° ° « C ,t » ¾¿ ¾ ¾ ° ° «. » ¿ ° « » ¿° ¬«. ¼»
930
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Im Folgenden werden vereinfachende Annahmen getroffen. Die Kosten, die projektspezifisch quasi einmalig auftreten, werden heuristisch daraufhin überprüft, ob sie von einem alternativen x Produktionssystem bzw. x Bereitstellungsmodell relativ unabhängig sind. Wir gehen davon aus, dass die x x x x
AVOR- und technischen Planungsausgaben / -kosten Transportausgaben / -kosten Verlustausgaben / -kosten für Kleinmaterial und Bruch Reinigungs- und Reparaturausgaben
bei jedem Projekt relativ unabhängig vom alternativen Produktionssystem sowie Miet- oder Besitzmodell sind. Daher werden sich diese Ausgaben/Kosten, die von Projekt- auf Jahresausgaben/-kosten umgerechnet wurden, bei der Differenzbildung aufheben. ° ®¦ ¯° P
¦ KP
AKB ,H, P P
^ A , B ,C ,..`,t *
dies gilt für:
H
®H H ¯
ª Plan º «Transp » « » ½¾ «R & R » ¿ « » ¬Verlust ¼
¦ ¦
P : K P :
½° AKM ,H , P : A, B ,C ,.. ,t ¾ | 0 P : ¿°
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
931
Somit wird das NPV-Differenzaxiom: ° ° °° 1 st 'NPVtBB M ® AAB,,tInvest E AB*,Re , te B te t B 1 q ° ° ° °¯ ° § ^B ,C ..` K P ,t § te tB nND · 1 ° ¨ B , Rüst B , Lager ¨ ¸ ¦ A A ® * * ¦ ¦ ¨ t t t tB 1 q B ° ¨ P A* A KP A* 1¨© KP A* , P A , t KP A* , P A , t ¸¹ °¯ ©
^C , D ,..`
K P ,t
P B
KP 1
¦
¦
te t B nND
1
¦
1 q
t tB
*
mit P A
A*
^B ,C ..`
¦
K P ,t
¦
P : A K P : 1
A
M , Fix
K P : , P : , t
AKM , Miete AKM ,Transakt , P : , t , P : , t P :
A*
® A K A ; : min ¯
B
:
A*
B K ; :
: B C KC ; : min
:C
*
:
B
½ ! ¾ mit P : ® A K A ; : min ¿ ¯ *
P :
ªK A,t º « » ½ «K B ,t » ° «K » ½ ° « C ,t » ¾¿ ¾ ° «. » °¿ « » «¬. »¼
P : :
C KC ; : : B K B ; :min
t t B
®K P,t K P ,t ¯
mit K P ,t
· ¸ ¸ ¸ ¹
ff 'AKB ,,Ine P P ^ B , C ,..`,t
½ ! ¾ ¿
M
*
A*
:A
^S `
½ ° ° ° ° ¾ ° ° ° ° ¿
932
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Für die notwendige Bedingung gilt: 'NPV B M ! 0 'NPV
BM
Mietmodell ist die kostengünstigere Lösung.
0
Besitzmodell ist die kostengünstigere Lösung.
Probabilistische NPV-Differenz Simulation
Zur vereinfachten Darstellung der probabilistischen NPV-Analyse für das Besitz- oder Mietmodell werden die Ausgabenterme jeweils für die Mietausgaben sowie für die Besitzausgaben zusammengefasst. Dabei wird berücksichtigt, dass alle Cash-Drains C0 zum heutigen Wert bekannt sind. Die heutigen Cash-Drains C0 müssen daher für den Zeitpunkt t t B k über ihren Ausgaben- bzw. Kostensteigerungsindex P I hochgezinst werden. Das Net-Present-Value-Differenzaxiom lässt sich wie folgt vereinfacht darstellen: t t te § 1 P I HB · B ° B ,H1 B M 'NPVtB ¦ ® ¦ C0 ¨¨ 1 q 1 ¸¸ t t B ° H1 © ¹ ¯ :
¦ C0M ,H 2 H2
C0B ,H1
Zeitpunkt t
H
O
t tB ½
^ A, B ,C ,...`
° ¾ ° ¿
tB
= Cash-Drain-Element des Mietmodells zum
H1 , P I H 2 B
· ¸ ¸ ¹
= Cash-Drain-Element des Besitzmodells zum
C0M ,H 2
PI
§ 1 P I HM 2 ¨ ¨ 1 q ©
M
Zeitpunkt t
tB
= Kostensteigerungsindizes = { H1 – Ausgabengruppen – Besitzmodell; H 2 – Ausgabengruppen – Mietmodell} = B M Bereitstellungsvariante: B =Besitzmodell M =Mietmodell
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
933
Der Cash-Drain der Ausgaben- und Einnahmengrössen sowie die Ausgaben-/Kostensteigerungsindizes und der Diskontierungssatz treten meist mit Unsicherheiten behaftet in Bandbreiten auf. Somit kann man die Unsicherheiten, die in diesen Bandbreiten liegen, durch probabilistische Dichteund Verteilungsfunktionen für die Cash-Drain-Funktion mit Einnahmen und Ausgaben sowie für die Ausgaben-/Kostensteigerungsindizes und den Diskontierungssatz darstellen [14-13]. Damit gilt für die Cash-Drain-Elemente [14-13]:
^C
O ,H O ,H O ,H min ; C EW ; Cmax
` f ^ A
O ,H O ,H O ,H min ; AEW ; Amax
E
Rest Rest Rest min ; E EW ; Emax
`
Die Ausgabensteigerungsindizes und der Diskontierungssatz [14-13] werden in folgenden Intervallen definiert:
PI
O
min ;
O O P I EW ; P I max qmin ; qEW ; qmax
Für die Cash-Drain-Elemente der Miet- und Besitzmodelle kann mangels genauer oder statistisch abgesicherter Ist-Daten eine Dreiecks- oder BetaPERT-Dichtefunktion angenommen werden:
O ,H O ,H O ,H Dreieck Cmin , CEW , Cmax
f C O ,H
O ,H O ,H O ,H , CEW , Cmax BetaPERT Cmin
mit
O ,H O ,H O ,H Cmin d CEW d Cmax
O ,H Cmin
= Minimaler Wert des Cash-Drain-Elements C O ,H
O ,H CEW
= Erwartungswert des Cash-Drain-Elements C O ,H
O ,H Cmax
= Maximaler Wert des Cash-Drain-Elements C O ,H
f C O ,H bzw.
Die dazugehörige Verteilungsfunktion für die Cash-Drain-Elemente lauet:
F C
O ,H
O ,H Cmax
³ f C dC O ,H
Cmin
O ,H
O ,H
934
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
Net-Present-Value-Differenz – Ergebnis aller Simulationsläufe
Die Monte Carlo Simulation (MCS) führt nun über die Dichte-, Verteilungs- und Umkehrfunktion der Cash-Drain-Elemente, Ausgabensteigerungsindizes sowie des Diskontierungssatzes ca. 10.000 Simulationen durch, die mittels Latin Hypercube Sampling Methode unterstützt werden. Die Methode wird bei Girmscheid in [14-13] und [14-14] beschrieben. Die Bedingungsbeziehungen der Umkehrfunktionen für die probabilistisch verteilten Inputgrössen sind wie folgt: Cash-Drain aus Ausgaben und sekundäre Einnahmen im Simulationslauf ȣ:
^C
CXO ,H
O ,H X
CXO ,H
G Z C O ,H X
^Z
mit Z C O ,H X
CXO ,H
``
\ 0 d ZC O ,H d 1 X
Ausgabensteigerungsindexfunktion im Simulationslauf ȣ:
^P
P IXO ,H
O, H O, H IX P IX
^Z
mit Z P I O ,H X
O, H P IX
G Z P I O ,H X
`
½ \ 0 d Z P I O ,H d 1 ¾ X ¿
Diskontierungsfunktion im Simulationslauf ȣ: qX
^q
X
qX
G Z qX
mit Z qX
^Z
qX
``
\ 0 d Z qX d 1
Daraus ergibt sich die Net-Present-Value-Differenz im Simulationslauf ȣ:
'NPVtBB,XM
t t ª ª1 P I B, H1 º B a1 ,X « B ,H 1 ¦ C0,MX,H 2 ¦ «¦ C0,X «« 1 q »» tB H2 X «¬ H1 ¬ ¼ te
ª 1 P I M , H 2 º H 2 ,X » « 1 qX » « ¬ ¼
t t B º
» » »¼
Nach Durchlauf aller Simulationen ȣ § 10.000 erhält man die Dichtefunktion der Net-Present-Value-Differenz (Bild 431):
f 'NPVtBB,XM
M f 'NPVtBB,EW ; V B2 M
X df
14.7 Bauinventarbereitstellung – Produktionsressourcenplanung
935
Die Verteilungsfunktion der Net-Present-Value-Differenz ist somit (Bild 431):
F 'NPVtBB,XM C0,OX,H
'NPVmax
³
'NPVmin
M f 'NPVtBB,EW ; V B2 M d 'NPV
X df
= Cash-Drain-Element H der Bereitstellungsvariante O im Simulationslauf ȣ zum Zeitpunkt t
0 bzw. t B
P IXO ,H
= Ausgabensteigerungsindexfunktion P der Bereitstellungsvariante
O
= ^M B` Besitz- oder Mietmodell
qX
= Diskontierungsfunktion im Simulationslauf ȣ
O im Simulationslauf ȣ
'NPVtBB,XM = Net-Present-Value-Differenz bezogen auf den Zeitpunkt tB im Simulationslauf ȣ M 'NPVtBB,EW
= Erwartungswert der Net-Present-Value-Differenz bezogen auf den Zeitpunkt tB
V
2 BM
= Standardabweichung der Net-Present-Value-Differenz
Z C O ,H
= Zufallszahl für die Cash-Drain-Element C0,OX,H
Z P I O ,( H )
= Zufallszahl für Ausgabensteigerungsfunktion P IX
Z qX
= Zufallszahl für die Diskontierungsfunktion qX
H
= H = { H1 – Ausgabengruppen – Besitzmodell;
X
X
O , H
H 2 – Ausgabengruppen – Mietmodell} – Cash-DrainElemente
X
= Simulationslauf / Szenario ȣ
936
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
f 'NPVtBB M
M 'NPVt B,min B
M 'NPVt B,EW
M 'NPVt B,max
'NPV
'NPV
B
'NPVt B M B
B
F ( 'NPVtBB M )
'NPV
B M t B , min
B M t B , EW
B M t B , max
'NPVt B M B
Bild 431: Dichte- und Verteilungsfunktion der Net-Present-Value-Differenz
14.7.7 Fazit
Das hier vorgestellte Modell ermöglicht es den Bauunternehmen, rational begründete Entscheidungen bei der Baugerätewahl auf Projektebene zur optimalen Systemauswahl zu treffen, sowie auf der Unternehmensebene bezüglich Besitz- oder Mietmodell. Dieses Analyse- und Prognosemodell unterstützt die qualitative strategische Ausrichtung eines Unternehmens und der SGE. Damit wird die ziel- und ergebnisorientierte Unternehmensführung durch quantitative Aussagen des probabilistischen Modells, das die Bandbreite der Unsicherheiten von Prognosen widerspiegelt, unterstützt. Somit kann die Unternehmensführung bei ihren Entscheidungen Szenarien über Nachfrage, Marktangebot und Finanzsituation antizipieren.
Literatur
937
14.8 Zusammenfassung Die Serviceleistungen der Bauhöfe können heute nicht mehr aus rein traditionellen operativen Gesichtspunkten bewertet werden. Die Unternehmensleitung muss den Bauhof als strategisches Element zum Erbringen konkurrenzunterscheidender Leistungen und Erlangen der Kostenführerschaft betrachten. Die internen Kunden aus den operativen Bereichen müssen hinsichtlich der Bereitstellung von Geräten und Dienstleistungen logistisch und kostenmässig optimal bedient werden. Daher muss der externe Markt als Massstab für die kundenorientierte und kostengünstige Bereitstellung von Inventar und Service dienen. Investitionsentscheidungen müssen bei den immer knapper werdenden finanziellen Mitteln auf einer tragenden, marktorientierten Geschäftsvision geplant und getroffen werden. Banken, die Kredite an Bauunternehmen vergeben, erwarten von den Unternehmen für die Bewilligung der Gelder eine klar begründete, kunden- und marktorientierte Erfolgsstrategie. Bauunternehmen müssen alle vertretbaren Möglichkeiten zur Verbesserung der Gewinnchancen ausschöpfen. Das knappe Kapital muss zukunftsorientiert und zur Erreichung von Marktvorteilen gegenüber den Konkurrenten eingesetzt werden. Dabei muss systematisch die Make-or-Buy-or-CooperateStrategie angewendet werden. Die Sicherstellung des optimalen Kundenservices auf kostengünstiger Basis muss dabei im Vordergrund stehen. Bauunternehmen müssen die Potenziale zur Effizienzsteigerung auch im Inventarmanagement nutzen, um die internen Synergien im Bereich ihrer Kernkompetenzen zu erschliessen und dem internen Kunden leistungsund kostenoptimale Lösungen zu garantieren. Dabei freigesetzte Kapazitäten und Kapital können dann zum erfolgreichen Erschliessen neuer Geschäftsfelder genutzt werden.
Literatur [14-1]
Balling, R.: Kooperationen, Strategische Allianzen, Netzwerke, Joint Ventures und andere Organisationsformen zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit in Theorie und Praxis. 2. Aufl., Peter Lang Verlag, Frankfurt, 1998
[14-2]
Bitz, M.: Investitionsplanung bei unsicheren Erwartungen. In: Wittmann, W.: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre I Teilband 2 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 5. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1993, S. 1965-1982
938
14 Bauhof- und Bauinventarmanagement
[14-3]
Boussabaine, H.; Kirkham, R:. Whole Life-cycle Costing: Risk and Risk Responses. Blackwell Publishing Ltd., Oxford (UK), 2004
[14-4]
Cadez, I.: Risikowertanalyse als Entscheidungshilfe zur Wahl des optimalen Bauvertrags. In: Fortschritts-Berichte VDI, Reihe 4, Bauingenieurwesen, Nr. 149, VDI Verlag, Düsseldorf, 1998
[14-5]
Fastrich, A.; Girmscheid, G.: Public Private Partnership for maintenance activities – System boundaries for a life cycle oriented economic efficiency analysis. In: Proceedings of CIB World Building Congress 2007 – Construction for Development, CIB, Cape Town, South Africa, 2007, p. 636-648
[14-6]
Girmscheid, G.: Bauproduktionstheorie – Bauingenieur (D), Vol. 82, 9/2007, S. 397-403
[14-7]
Girmscheid, G.: Bauproduktionstheorie – Struktur des Bauproduktionsprozesses. In: Bauingenieur (D), Vol. 82, 9/2007, S. 404-413
[14-8]
Girmscheid, G.: Bauproduktionstheorie – Bauproduktionsprozessplanung und -steuerung. In: Bauingenieur (D), Vol. 83, 1/2008, S. 36-48
[14-9]
Girmscheid, G.: Leistungsermittlungshandbuch für Baumaschinen und Bauprozesse. Springer Verlag, Berlin / vdf Hochschulverlag der ETH Zürich, Zürich, 2005
Strukturrahmen.
In:
[14-10] Girmscheid, G.: NPV-Wirtschaftlichkeitsanalysemodell: Lebenszyklusbetrachtung von kommunalen Strassenunterhalts-PPPs. In: Bauingenieur (D), Vol. 81, 10/2006, S. 455-463 [14-11] Girmscheid, G.: Projektabwicklung in der Bauwirtschaft - Wege zur Win-Win-Situation für Auftraggeber und Auftragnehmer. Springer Verlag, Berlin / vdf Hochschulverlag der ETH Zürich, Zürich, 2004 [14-12] Girmscheid, G.: Restrukturierung von Bauunternehmungen – Chancen für die Zukunft? Einführungsvorlesung, Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1998 [14-13] Girmscheid, G.: Risikobasiertes probabilistisches LC-NPV-Modell Bewertung alternativer baulicher Lösung. In: Bauingenieur (D), Vol. 81, 9/2006, S. 394-405 [14-14] Girmscheid, G.: Risikomanagement-Prozess-Modell für Bauunternehmen - Risikobelastungsdimension. In: Bauingenieur (D) Vol 82, 2/2007, S. 53-61 [14-15] Girmscheid, G.: Schildvorgetriebener Tunnelbau in heterogenem Lockergestein, ausgekleidet mittels Stahlbetontübbingen. In: Bautechnik 74, H. 1–2/1997, S. 1–10
Literatur
939
[14-16] Girmscheid, G.; Busch, T.: Risikomanagement in Bauunternehmen – Projektrisikomanagement in der Angebotsphase. In: Bauingenieur (D) Vol 78, 12/2003, S. 571-580 [14-17] Girmscheid, G.; Schulte, M.: Kooperationen – Erfolgsfaktoren für marktorientierte Bauunterenhmen. In: BW Bauwirtschaft 52, H. 10–12/1998 [14-18] Hamel, G.; Prahalad, C. K.: Competing for the Future. Harvard Business School Press, Boston, 1996 [14-19] Hüttner, M.: Prognoseverfahren und ihre Anwendung. Walter de Gruyter, Berlin/New York, 1986 [14-20] Inderfurth, K.: Investitionsprogrammplanung. In: Wittmann, W.: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre I Teilband 2 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 5. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1993, S. 2011-2020 [14-21] Krahnen, J. P.: Investitionsmodelle, integrierte. In: Wittmann, W.: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre I Teilband 2 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 5. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1993, S. 1952-1965 [14-22] Kruschwitz, L.: Investitionsrechnung. In: Wittmann, W.: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre I Teilband 2 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 5. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1993, S. 2020-2032 [14-23] Lüder, K.: Investitionsplanung und -kontrolle. In: Wittmann, W.: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre I Teilband 2 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 5. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1993, S. 1982-1999 [14-24] Porter, M. E.: Wettbewerbsstrategie (Competitive Strategy): Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. 7. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1992 [14-25] Schmidt, R.: Investitionstheorie. In: Wittmann, W.: Enzyklopädie der Betriebswirtschaftslehre I Teilband 2 Handwörterbuch der Betriebswirtschaft. 5. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart, 1993, S. 2033-2044 [14-26] Schulte, M.; Girmscheid, G.: Auswege aus dem Dilemma des reinen Preiswettbewerbs: Marktorientierte Lösungsansätze für Bauunternehmen. Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 1998
15 Qualitätsmanagement
15.1 Geschichte und Definitionserklärung des Qualitätsmanagements Die Ursprünge des Qualitätsmanagements (QM) können auf zwei Grundgedanken zurückgeführt werden, zum einen auf die mit der Arbeitsteilung verbundene Haftung für mangelhafte Leistungen und zum anderen auf die Notwendigkeit, feste Massstäbe für einen freien Warenhandel zu setzen. Die älteste Bauregel stammt aus dem Codex Hammurabi des Königs Hammurabi von Babylon (1728-1686 v. Chr.): „Wenn ein Baumeister für jemanden ein Haus baut und es nicht fest ausführt, so dass es einstürzt und den Eigentümer totschlägt, so soll jener Baumeister getötet werden…“. Unter Xerxes I. wurde 480 v. Chr. der Baumeister hingerichtet, als die Strömung des Hellespont die erste Landverbindung zwischen Asien und Europa zerstörte [15-10]. Marcus Vitruvius Pollio schrieb in seinem ca. 33-22 v. Chr. entstandenen zehnbändigen Werk „De Architectura Libri Decem“ Anforderungen an Personal und Baustoffe nieder: „Man streiche die Ziegel im Frühjahr und Herbst, damit sie gleichmässig trocknen; denn diejenigen, die in der Sonnenwende gestrichen werden, haben den Fehler, dass sie von der heftigen Sonnenhitze äusserliche eine Kruste bekommen und trocken scheinen, obwohl sie innerlich noch feucht sind…“. Im 19. Jahrhundert wurden mit der Meterkonvention (Paris 1875) erstmals international einheitliche, reproduzierbare und nachprüfbare Masseinheiten festgelegt. Das englische Gesetz über die Kennzeichnung ausländischer Produkte zu ihrer Abwehr bewirkte das Gegenteil, denn das Markenzeichen „Made in Germany“ entwickelte sich damals zum Qualitätsmerkmal. Im 20. Jahrhundert begründete F.W. Taylor den Taylorismus, der die systematische Zerlegung von Arbeitsabläufen fordert. Die Prüfung der Arbeitsergebnisse wurde von Inspektoren übernommen, dadurch entstand die Kontrolle. Seit 1987 gilt die internationale Normenreihe ISO 9000 bis ISO 9004 (Modelle für Qualitätssicherungssysteme). Diese Norm zur Qualitätssicherung fokussiert auf die Systematisierung der Prozesse zur Erzielung definierter, möglichst gleichmässiger Ergebnis-
942
15 Qualitätsmanagement
se. In ihrem Grundgedanken liegt die Verantwortung für die Qualität bei den Prozessbeteiligten und nicht erst bei einem unabhängigen Inspektor. Im Baugewerbe ist es erforderlich, den Leistungserstellungsprozess und die Supportprozesse systematisch abzusichern und den projektspezifischen Gegebenheiten anzupassen.
15.2 Bedeutung von Qualitätsmanagement im Unternehmen 15.2.1 Bedeutung von Qualität
Anforderungen an die Qualität der Leistungen und Produkte können entweder von Kunden, vom Unternehmen (Organisation) oder durch behördliche Vorschriften festgelegt werden. Die Anforderungen können z.B. in technischen Spezifikationen, Produkt- oder Prozessnormen, Vertragsvereinbarungen oder behördlichen Anforderungen enthalten sein, d.h., eine Leistung oder ein Produkt guter Qualität ist nicht notwendigerweise hochwertig und teuer, sondern erfüllt lediglich die Erwartungen des Kunden, der letztendlich die Qualität definiert, da er auch derjenige ist, der mit dem Resultat zufrieden sein muss (Kundenzufriedenheit). Die Qualität im Bauwesen äussert sich vorwiegend in der Funktionalität, der Architektur- und Ausführungsqualität sowie der Einhaltung der vereinbarten Termine und Kosten. Die Qualitätsanforderungen der Kunden an die Bauunternehmen richten sich nach der Leistungstiefe der Angebote:
x Totalunternehmer müssen in der Regel die Anforderungen an die Funktionalität, die Architektur- und Ausführungsqualität sowie die Kosten und Termine eines Bauwerks erfüllen. x Generalunternehmer müssen in der Regel die Anforderungen an die Ausführungsqualität sowie die Kosten und Termine für das gesamte Bauwerk erfüllen. x Einzelleistungsträger müssen in der Regel nur die Anforderungen an die Ausführungsqualität ihres Gewerks nach vereinbarten Einheitspreisen erfüllen. Neben der Produktqualität steht die Prozessqualität, die dann optimal ist, wenn der Herstellungsprozess mit einem minimalen Einsatz von Ressourcen stattfindet und das Unternehmen dadurch wirtschaftlich arbeitet. Bild 432 zeigt die Optimierung von Produkt- und Prozessqualität.
15.2 Bedeutung von Qualitätsmanagement im Unternehmen
943
mittel
d en ch ei sr au nd he ic re zu un
unzureichend
Effiziente Prozesse und ausreichende / hohe Kunden zufriedenheit
Unwirtschaftliche Abwicklung, aber ausreichende Kundenzufriedenheit
ch ho
hoch
Leistungs-/ Produktqualität
Unwirtschaftliche Abwicklung und unzureichende Kundenzufriedenheit unzureichend
Wirtschaftliche Abwicklung, aber unzureichende Kundenzufriedenheit mittel
hoch
Prozessqualität
Bild 432: Optimierung von Produkt- und Prozessqualität
15.2.2 Ziele des Qualitätsmanagements
Der Weg zum Unternehmenserfolg erfordert ein systematisches und klares Managementsystem, das auf die ständige Verbesserung von Effizienz und Leistung ausgerichtet ist und die Erfordernisse aller beteiligten Parteien berücksichtigt. Neben anderen Managementdisziplinen spielt dabei das Qualitätsmanagement eine wichtige Rolle. Das Qualitätsmanagement beschreibt alle Tätigkeiten, die dazu dienen, ein Unternehmen (Organisation) bezüglich der Qualität zu lenken [15-5]. Aufgabe des Qualitätsmanagement ist es, in Zusammenarbeit mit den Kunden und intern (mit allen betroffenen Abteilungen) die festgelegten Anforderungen so kostengünstig wie möglich zu realisieren. Dazu müssen alle Bereiche des Unternehmens frühzeitig informiert werden (offene Kommunikation) und prozessorientiert zusammenarbeiten (interdisziplinäre Zusammenarbeit – cross functional management) [15-1]. Aufgrund von Wettbewerbsdruck und technischen Fortschritten werden Unternehmen (Organisationen) zur ständigen Optimierung ihrer Prozesse
944
15 Qualitätsmanagement
angeregt, wobei das Qualitätsmanagement den Rahmen dafür bietet, dass die Zufriedenheit der Kunden und anderer beteiligter Parteien zunimmt. Ziel und Zweck eines Managementsystems (MS) ist somit, die wertschöpfenden Prozesse (Leistungserstellungs- und Supportprozesse) in einem Unternehmen zu optimieren und die nicht wertschöpfenden Prozesse zu eliminieren oder effizienter zu gestalten (Bild 433). Managementprozesse Markt- / Geschäftsfeldstrategie
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Unternehmensentwicklung
Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebots bearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungsplanung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions- Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme/ Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Kunde Betreiber Nutzung Leistungsergebnis
Kunde Besteller Bedürfnis Leistungsziel
Leitbild / Leistungsauftrag
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 433: Prozesse im Bauunternehmen [15-8]
15.2.3 Prozessorientierter Ansatz (DIN EN ISO 9000:2000)
Eine Organisation (Unternehmen, Projekt) kann als eine Ansammlung von Tätigkeiten gesehen werden, die miteinander verknüpft sind. Jede Tätigkeitsabfolge, die Ressourcen verwendet, um den Input in Ergebnisse umzuwandeln, kann als Prozess angesehen werden. Das Ergebnis eines Prozesses kann Eingabe für einen anderen Prozess und Steuerungsgrösse für einen weiteren Prozess sein [15-1]. Das systematische Erkennen und Handhaben dieser verschiedenen Prozesse innerhalb eines Unternehmens (Organisation) und vor allem ihrer Wechselwirkungen ist ein wesentlicher Bestandteil des prozessorientierten Qualitätsmanagementsystems [15-5] (Bild 434). Die Zuständigkeit für einen Prozess muss eindeutig geregelt sein. Verantwortlicher ist der so genannte „Process Owner“, der für den notwendigen Input (Ressourcen) sowie für den Prozess selbst und das Leistungsergebnis zuständig ist. Durch Soll-Ist-Vergleiche ist es ihm möglich, den Prozess zu steuern und zu optimieren.
15.2 Bedeutung von Qualitätsmanagement im Unternehmen
945
Bild 434: Modell eines prozessorientierten Qualitätsmanagementsystems [15-5]
15.2.4 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP)
„Suche ständig nach den Ursachen von Problemen, um alle Systeme von Produktion und Dienstleistung sowie alle anderen Aktivitäten im Unternehmen beständig und immer wieder zu verbessern.“ [15-4]. Prozesse können nicht nur einmal analysiert und dann für immer festgelegt werden. Da sich die Anforderungen an die Leistung bzw. das Produkt ändern oder Fehler bzw. Optimierungspotenziale erkannt werden, unterliegen sie einem ständigen Wandel; es ist also eine laufende Überarbeitung der Prozesse notwendig. Das Prinzip der ständigen Verbesserung basiert auf dem Deming-Kreis oder PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) (Bild 435). Der Deming-Kreis besteht aus vier Schritten: Planen – Ausführen – Überprüfen – Verbessern [15-11]. Unter Planen versteht man das Ausarbeiten eines Qualitätsplans für einen Prozess, z.B. um wirksame Verbesserungen zu erreichen. Im Schritt „Ausführen“ wird der entwickelte Plan umgesetzt, und alle Beobachtungen werden gesammelt. Dann sind die Veränderungen zu überprüfen, um im nächsten Schritt festzustellen, ob die erwarteten Verbesserungen eingetreten und welche Eingangsgrössen im nächsten Durchlauf von Bedeutung sind. Der Zyklus wird bei jedem Projekt durchlaufen. So ist es möglich, Probleme immer enger einzugrenzen,
946
15 Qualitätsmanagement
Q
Act
ng nu la sp ät lit ua Q
ua lit ät sv er be ss er un g
da das Wissen des Anwenders und die Erfahrung aus den vorherigen Zyklen zunehmen. Aufgrund des Lerneffekts und aus den Wiederholungen der Zyklen entsteht der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP).
Plan
Do
r he si c g un
Q ua li t ät s
s ät li t ua Q
Check
le nk un g
Kontinuierliche Verbesserung
Bild 435: Deming-Kreis bzw. PDCA-Zyklus [15-15]
15.2.5 Informationen zum Kontinuierlichen Verbesserungsprozess
Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ist die deutsche Übersetzung für Kaizen, die japanische Philosophie des mitarbeiterorientierten Managements. Es bedeutet soviel wie kontinuierliche Veränderung zum Besseren, um den sich ständig verändernden Erfordernissen der Umwelt zu entsprechen. KVP basiert im Wesentlichen auf Gruppen- bzw. Teamkonzepten. Die Philosophie der permanenten Veränderung und der Flexibilität, um auf die neuen Anforderungen der Umwelt reagieren zu können, lässt sich in Teamarbeit am besten umsetzen. Oberstes Ziel des KVP ist die Qualität, die der Kundenzufriedenheit dienen soll. Qualität bedeutet hier aber nicht in erster Linie Produktqualität, sondern Qualität des Faktors Mensch. Nur wenn die Mitarbeiter eine hohe Qualität in Form einer hervorragenden, den aktuellen Erfordernissen entsprechende Ausbildung besitzen, können die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens Kundenwünsche optimal befriedigen. KVP wendet sich direkt an den Mitarbeiter vor Ort und fördert seine Eigeninitiative und Weitsicht. Zweck des Prozesses ist eine kontinuierliche
15.2 Bedeutung von Qualitätsmanagement im Unternehmen
947
Verbesserung aller Arbeitsaspekte in kleinen Schritten, wobei alle betroffenen Mitarbeiter einbezogen werden und die aktive Mitarbeit primär in Gruppen erfolgt. In den Prozess einbezogen werden nicht nur technische Produktionsabläufe, sondern auch administrative Abläufe. Ziele des KVP sind:
x Kontinuierliche Verbesserung aller Arbeitsaspekte in kleinen Schritten unter Einbeziehung aller Mitarbeiter des Unternehmens. KVP findet in kleinen Gruppen während der Arbeitszeit statt. x Verbesserung aller Arbeitsabläufe und Arbeitsplatzorganisationen, die ohne grosse Investitionen oder Projekte umgesetzt werden können. Dazu gehören ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitssicherheit und Umweltschutz unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Gesundheitsvorsorge. x Verbesserung des Umgangs der Mitarbeiter mit Material, Maschinen und Methoden sowie die Verbesserung des Zusammenwirkens dieser Faktoren x Verbesserung der unternehmensweiten Zusammenarbeit und Kommunikation und des Arbeitsklimas durch Kennen und Erkennen von Problembereichen anderer Unternehmenseinheiten x Erreichen eines hohen Qualitätsstandards und damit die Schaffung zufriedener Kunden x Steigerung der Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter und der Fähigkeit, Probleme zu erkennen, zu analysieren und unmittelbar durch kurzfristige Massnahmen zu beseitigen sowie Fehlerwiederholungen vorzubeugen. Benötigt wird der Mitarbeiter, der mitdenkt und mithandelt. Kern des KVP ist die Einsicht, dass gewohnte Arbeitsabläufe nicht als gegeben hingenommen werden dürfen, sondern ständig kritisch hinterfragt werden müssen. KVP ist aber keine Überlebensstrategie für angeschlagene Unternehmen. Zum Überleben ist, neben der kontinuierlichen Verbesserung aller Prozesse, auch eine hinreichende Innovationsfähigkeit der Unternehmen notwendig. Nur Innovationen ermöglichen die Erarbeitung neuartiger Problemlösungen und schaffen damit einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz. Produkt-, Prozess- und Sozialinnovationen helfen dem Unternehmen, sich besser am Markt zu platzieren. Kontinuierliche Verbesserungen wiederum helfen, die eingeführten Innovationen im Hinblick auf Kundennutzen und Qualität zu optimieren. Damit wird deutlich, dass der kontinuierliche Verbesserungsprozess und Innovationen ein für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen notwendiges Paar bilden. Sie können einander nicht ersetzen, sondern ergänzen sich. KVP dient dabei der Innovation als Ideenliefe-
948
15 Qualitätsmanagement
rungsinstrument. Durch das ständige Nachdenken über Verbesserungen am Arbeitsplatz können auch Ideen mit weit reichendem Nutzen für das Unternehmen entstehen.
Bild 436: Verhältnis von KVP und Innovation
15.3 Integriertes Qualitätsmanagement Die Managementprozesse umfassen alle Aufgaben, die mit der Lenkung, Entwicklung und Gestaltung eines Unternehmens zu tun haben [15-14]. Nach dem St. Galler Management-Modell wird das Management bzw. der Managementprozess in drei Ebenen unterteilt (s. Kapitel 1.2):
x Normative Orientierungsprozesse x Strategische Entwicklungsprozesse x Operative Führungsprozesse
15.3 Integriertes Qualitätsmanagement
949
Der Ansatz des Integrierten Qualitätsmanagements (IQM) von SEGHEZZI [15-15] orientiert sich stark an den Bezeichnungen des St. Galler Management-Modells von BLEICHER [15-2]. Die Ebenen und Unterebenen des Integrierten Qualitätsmanagementmodells werden an die Begriffe des Qualitätsmanagements angepasst. Damit werden die allgemein gehaltenen Erläuterungen des Modells von BLEICHER für das Qualitätsmanagement konkretisiert.
Bild 437: Integriertes Qualitätsmanagementmodell (IQM) von SEGHEZZI [15-15]
Das Integrierte Qualitätsmanagement ist eine Form des Qualitätsmanagements, bei der das St. Galler Management-Modell herangezogen wird. Die Inhalte des Qualitätsmanagements werden vollständig und inhaltlich widerspruchsfrei in die Struktur des Managementmodells eingebaut, wobei die wichtigen Gesichtspunkte der Führung von Organisationen (Unternehmen, öffentliche Verwaltung, Verbände etc.) enthalten sind [15-15], [15-19].
950
15 Qualitätsmanagement
Durch operative Aktivitäten werden die Produkte bzw. Dienstleistungen eines Unternehmens gestaltet, produziert/erstellt und abgesetzt. Die dazu dienenden Einzeltätigkeiten werden dabei zu Prozessen verknüpft. Qualitätsprobleme oder -fehler treten hauptsächlich an den Schnittstellen der Prozesse und weniger innerhalb der einzelnen Bereiche eines Unternehmens auf. Durch eine prozessorientierte Gliederung des Qualitätsmanagements werden diese Probleme gemildert, indem Schnittstellen zu Nahtstellen gemacht werden. Auf operativer Ebene lassen sich vier verschiedene Aufgabenbereiche definieren:
x Planung, Gestaltung, Entwicklung (Qualitätsplanung) x Beschaffung, Leistungserstellung/Produktion, Vertrieb (Qualitätslenkung) x Sicherung (Qualitätssicherung) x Verbesserung (kontinuierliche Verbesserung bzw. Qualitätsverbesserung) Bei der Aufgabenbeschreibung des Qualitätsmanagements werden die normativen und strategischen Aufgaben zusammengefasst und lediglich nach den drei Säulen Aktivitäten, Strukturen und Verhalten des St. Galler Management-Modells unterteilt:
x Politik und Strategie (Aktivitäten) x Unternehmensverfassung, Führungssysteme und Organisation (Struktur) x Unternehmenskultur und Verhaltensentwicklung (Verhalten) Qualitätsmanagement ist eine Führungsaufgabe, die im gesamten Unternehmen von den Führungskräften wahrgenommen wird. Eine klare Verantwortungszuteilung und -wahrnehmung ist ein wesentliches Erfolgskriterium für ein effizientes bzw. funktionierendes Qualitätsmanagement. Qualitätssysteme als harte Faktoren bilden die Basis des Qualitätsmanagements; weitere Rollen spielen Organisation (organisatorische Massnahmen) und strategische Ausrichtung mit dem Aufbau von Erfolgspotenzialen und einer klarer Zielsetzung. Qualität hängt aber auch sehr stark von den weichen Faktoren ab. Der Stil im Unternehmen, die Mitarbeiter und die fachliche Kompetenz tragen wesentlich zur Qualität der Produkte oder Dienstleistungen bei [15-15]. Das Qualitätsmanagement ist Teilaufgabe des allgemeinen Managements (Führung) einer Organisation. Die Verantwortung für das Qualitätsmanagement wird somit sämtlichen Führungskräften übertragen, ist also ein integrierter Bestandteil des allgemeinen Führungssystems der Organi-
15.4 Die Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff.
951
sation. Das qualitätsbezogene Entscheiden, Handeln, Kontrollieren und Verbessern wird durch diese Verantwortungsübertragung erleichtert. Das Integrierte Qualitätsmanagement verändert auch die Rolle der „Qualitätsspezialisten“, da sie heute nur interne Berater in qualitätsrelevanten Fragen sind. Die Führungs- und Prozessverantwortlichen sind die primären Verantwortlichen für die Qualität der Prozesse und Leistungen.
15.4 Die Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff. Die Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff. (Dezember 2000) [15-5] wurde als Hilfe für Arbeiten mit wirksamen Qualitätsmanagementsystemen für Organisationen jeder Art und Grösse entwickelt.
x ISO 9000 [15-5] beschreibt Grundlagen für Qualitätsmanagementsysteme und legt die Terminologie für Qualitätsmanagementsysteme fest. x ISO 9001 [15-6] legt die Anforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem für den Fall fest, dass eine Organisation ihre Fähigkeiten darlegen muss, Produkte bereitzustellen, die die Anforderungen der Kunden und die behördlichen Anforderungen erfüllen, und die Erhöhung der Kundenzufriedenheit anstrebt. x ISO 9004 [15-7] stellt einen Leitfaden bereit, der sowohl die Wirksamkeit als auch die Effizienz des Qualitätsmanagementsystems betrachtet. Das Ziel dieser Norm besteht in der Verbesserung der Leistung der Organisation sowie der Zufriedenheit der Kunden und anderer interessierter Parteien. 15.4.1 Grundsätze des Qualitätsmanagements
„Das erfolgreiche Führen und Betreiben einer Organisation erfordert, dass sie in systematischer und klarer Weise geleitet und gelenkt wird.“ [15-5]. In der ISO 9000:2000 wurden acht Grundsätze des Qualitätsmanagements (Bild 438) aufgestellt, die für die oberste Leitung zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation beitragen sollen. Da die Organisation von ihren Kunden abhängt, ist es von grundlegender Bedeutung, die Erfordernisse der Kunden zu verstehen und ihre Anforderungen zu erfüllen bzw. möglichst zu übertreffen. Qualitätspolitik und Qualitätsziele dienen dazu, Schwerpunkte für das Führen der Organisation zu setzen. Beide legen die gewünschten Ergebnisse fest und unterstützen die Organisation dabei, ihre Ressourcen einzuset-
952
15 Qualitätsmanagement
zen, um diese Ergebnisse zu erreichen. Die Qualitätspolitik bietet einen Rahmen für das Festlegen und Bewerten von Qualitätszielen. Die Qualitätsziele müssen mit der Qualitätspolitik und der Verpflichtung zu ständiger Verbesserung übereinstimmen, und ihr Erreichen muss messbar sein. Qualitätsziele zu erreichen, kann eine positive Wirkung auf die Qualität der Produkte, die Effizienz der Betriebsabläufe und die finanzielle Leistung und somit die Zufriedenheit und das Vertrauen der Kunden haben.
Bild 438: Acht Grundsätze des Qualitätsmanagements
Die Führungskräfte sind dafür verantwortlich, die Übereinstimmung von Zweck und Ausrichtung der Organisation, d.h. das interne Umfeld, zu schaffen, in dem sich das Personal für die Erreichung der Ziele einsetzt. Die Effizienz der Organisation beim Erreichen ihrer Ziele wird von der Handhabung der in Wechselbeziehung stehenden Prozesse bestimmt. Die acht Grundsätze des Qualitätsmanagements bilden die Grundlage der Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff. Grundsätzlich wird in der Normenfamilie zwischen Anforderung an das Produkt und Anforderungen an das Qualitätsmanagementsystem unterschieden. Die Anforderungen an das Produkt werden vom Kunden selbst oder von Behörden bestimmt. Die Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme sind in der ISO 9001 festgehalten und gelten für Organisationen in jedem Sektor. 15.4.2 Arten der im QM verwendeten Dokumente
In Qualitätsmanagementsystemen können folgende Arten von Dokumenten verwendet werden [15-5]:
15.4 Die Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff.
953
x Dokumente, die Informationen über das Qualitätsmanagement eines Unternehmens geben, werden als QM-Handbücher bezeichnet. x Als QM-Pläne bezeichnet man Unterlagen, die zeigen, wie das Qualitätsmanagementsystem auf ein spezifisches Projekt (auch Produkt oder Vertrag) angewendet wird. Sie sind für das Projektqualitätsmanagement (PQM) relevant (s. auch Kapitel 15.6). x Dokumente, die Anforderungen enthalten, werden Spezifikation genannt. x Informationen darüber, wie Tätigkeiten und Prozesse auszuüben bzw. auszuführen sind, findet man in dokumentierten Verfahren, Arbeitsanleitungen und Zeichnungen. x Den Nachweis über ausgeübte Tätigkeiten oder erreichte Ergebnisse liefern die Aufzeichnungen. In Bild 439 sind die verschiedenen Dokumente nochmals grafisch dargestellt. Information
Dokument
Daten mit Bedeutung
Information und Trägermedium
Spezifikation Dokument, das zusätzliche Anforderungen angibt
Qualitätsmanagementplan (PQM)
Verfahrensdokument
Dokument, das festlegt, welche Verfahren und zugehörigen Ressourcen wann und durch wen bezüglich eines spezifischen Projekts, Produkts, Prozesses oder Vertrags anzuwenden sind
Qualitätsmanagementhandbuch Dokument, in dem das Qualitätsmanagementsystem einer Organisation festgelegt ist
Beispiele: Verfahrensanweisungen, Arbeitsanweisungen, Prüfanweisungen
Aufzeichnung Dokument, das erreichte Ergebnisse angibt oder einen Nachweis ausgeführter Tätigkeiten bereitstellt
Bild 439: Dokumentationsbezogene Begriffe (DIN EN ISO 9000:2000)
Bild 440 zeigt den hierarchischen Aufbau der verschiedenen Qualitätsmanagementdokumente eines Unternehmens. An der Spitze steht das QMHandbuch; es ist das übergeordnete Dokument und dient sozusagen als Leitfaden für das Qualitätsmanagement im gesamten Unternehmen. Wo die globale Beschreibung der Verantwortung, der Zuständigkeit oder der Abläufe noch detaillierter werden muss, werden entsprechende Regelungen in den Verfahrens- bzw. Arbeitsanweisungen festgelegt.
954
15 Qualitätsmanagement
AnwendungsInhalt bereich
Ganzes Unternehmen
Bereiche Abteilungen
Sachgebiet Arbeitsplatz
Aufbau- und Ablauforganisation, qualitätsbezogene Aufgaben und Zuständigkeiten Aufgabenorganisatorische Regelungen (organisations- und fachbezogen) Vorgaben zur Arbeitsausführung
QMHandbuch
Verfahrensanweisungen Prozessbeschreibungen
Arbeitsanweisungen, Prüfanweisungen, Zeichnungen, Pflichtenhefte, Prozess- und Produktspezifikationen, Arbeits- und Prüfpläne, Auditpläne, Liefer- und Qualitätsvereinbarungen, gesetzliche, technische u. behördliche Vorschriften
Zweck
Bewertung der Wirksamkeit
Qualitätsfähigkeit des Unternehmens sicherstellen
- Systemaudit - Qualitätsberichtwesen
Qualitätsgerechtes Verhalten der Mitarbeiter sicherstellen
- Verfahrensaudit - Schwachstellen
Qualitätsgerechtes Umfeld zur Erzielung der geplanten Produktqualität schaffen
- Produktaudit - Fehlermeldungen - Ausschuss - Nacharbeit
Bild 440: Hierarchie der Dokumente im Qualitätsmanagementsystem [15-1], [15-15]
15.4.3 Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme
Die DIN EN ISO 9001 [15-6] ist in Abschnitte unterteilt, die die verschiedenen Verantwortungsbereiche in einer Organisation beschreiben (Bild 441). Abschnitte der DIN EN ISO 9001:2000 Qualitätsmanagement system
Verantwortung der Leitung
Management von Ressourcen
Produktrealisierung
Messung, Analyse und Verbesserung
Bild 441: Abschnitte der DIN EN ISO 9001:2000
Die Organisation muss entsprechend den Anforderungen der internationalen Norm ein Qualitätsmanagementsystem aufbauen, dokumentieren, verwirklichen und aufrechterhalten bzw. ständig verbessern. Sie muss
x die für das Qualitätsmanagementsystem (QMS) erforderlichen Prozesse erkennen, x die Abfolge und Wechselwirkung der Prozesse festlegen, x die Kriterien und erforderlichen Methoden für das wirksame Durchführen und Lenken der Prozesse festlegen, x die Verfügbarkeit von Ressourcen und Informationen sicherstellen, die zur Durchführung und Überwachung der Prozesse benötigt werden,
15.4 Die Normenfamilie DIN EN ISO 9000 ff.
955
x die Prozesse überwachen, messen und analysieren, x Massnahmen treffen, um die geplanten Ergebnisse sowie eine ständige Verbesserung der Prozesse zu erreichen. Neben diesen allgemeinen Anforderungen sind in der ISO 9001:2000 auch die Dokumentationsanforderungen festgehalten:
x Die Qualitätspolitik und die Qualitätsziele müssen dokumentiert sein. x Das Qualitätsmanagementhandbuch muss in schriftlicher Form vorliegen und eventuell zusätzlich im Intranet abrufbar sein. x Im Leistungserstellungsprozess angewandte Verfahren müssen in Form von Verfahrensanweisungen dokumentiert sein. x Das QM-System fordert Dokumente zur wirksamen Planung, Durchführung und Lenkung der Prozesse. x Die Norm fordert Aufzeichnungen zum Nachweis der Funktionsfähigkeit des QM-Systems. Die oberste Leitung muss ihre Verpflichtung bezüglich der Entwicklung, Verwirklichung, ständigen Verbesserung und Wirksamkeit des Qualitätsmanagementsystems durch Kundenorientierung, Qualitätspolitik, Planung, Verantwortung, Befugnis, Kommunikation und Managementbewertung nachweisen. Das Management von Ressourcen umfasst die Bereitstellung der Ressourcen, die Infrastruktur und die Arbeitsumgebung. In der ISO 9001 sind die Aufgaben der Organisation bezüglich des Managements der Ressourcen festgelegt. Mit der Produktrealisierung sind in der ISO 9001 alle Schritte vom Wunsch des Kunden bis hin zur Abnahme und Nutzung des Produkts (Inbetriebnahme) gemeint. Die Organisation muss auch die Überwachungs-, Mess-, Analyse- und Verbesserungsprozesse planen und verwirklichen, um
x die Konformität des Produkts darzulegen, x die Konformität des QM-Systems sicherzustellen, x die Wirksamkeit des QM-Systems ständig zu verbessern. Dazu müssen die zutreffenden Methoden (einschliesslich statistischer Methoden) und das Ausmass ihrer Anwendung festgelegt werden [15-6]. 15.4.4 Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems
Als Zertifizierung wird der Vorgang des Nachweises der Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit eines entsprechenden Managementsystems einer Orga-
956
15 Qualitätsmanagement
nisation bezeichnet. Dieser Nachweis wird durch eine externe, neutrale Zertifizierungsstelle (Verein, Behörde) erbracht. Bei Erfüllung der von der Norm ISO 9000 ff. verlangten Anforderungen wird der Organisation ein Zertifikat ausgestellt, das gegenüber Kunden als „Beweis“ dienen soll, so dass sie auf eigene Audits des QM-Systems verzichten können. Es handelt sich somit um eine vertrauensbildende Massnahme. Das Zertifizierungsverfahren beginnt mit einem Antrag an die anerkannte (akkreditierte) Zertifizierungsstelle, die sich mit Vertragsabschluss verpflichtet, die Organisation durch das Verfahren zu begleiten. In Bild 442 sind die einzelnen Schritte eines Zertifizierungsverfahrens aufgelistet [15-11].
Vertragsabschluss
Anfrage bei einer akkreditierten Zertifizierungsstelle Vorabinformation, Vertragsabschluss
Erste Beurteilung anhand einer Kurzfragenliste Vorbereitung
Auf Wunsch: Durchführung eines Voraudits, Erstellung eines Vorauditberichts
Unterlagenprüfung
Beurteilung des Qualitätsmanagementhandbuchs sowie der mitgeltenden Unterlagen
Systemaudit
Systemaudit im Unternehmen, Erstellung eines Auditberichts
Gesamtbeurteilung eines Qualitätsmanagementsystems Zertifikatserteilung
Bei positivem Ergebnis: Erteilung des Zertifikats, sonst Nachauditierung
Bild 442: Ablauf einer Zertifizierung [15-11]
In der Vorbereitung erhält die Organisation eine Kurzfragenliste, um der Zertifizierungsstelle eine Vorbeurteilung zu ermöglichen. Eventuelle Schwachstellen können hier bereits aufgedeckt und beseitigt werden. Im nächsten Schritt werden das Qualitätsmanagementhandbuch und andere
15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen
957
QM-relevante Dokumente wie Verfahrens- oder Arbeitsanweisungen geprüft. Die Organisation bekommt einen kurzen Ergebnisbericht und kann mögliche Mängel beheben. Anhand einer auf der Norm basierenden Stichprobenprüfung wird das Systemaudit durchgeführt, bei dem überprüft wird, ob alle in den schriftlichen Unterlagen dokumentierten Tätigkeiten in der Organisation auch tatsächlich umgesetzt werden. Abweichungen werden im Auditbericht festgehalten, der der Organisation übergeben wird. Bei positivem Abschluss des Zertifizierungsverfahrens erhält die Organisation das Zertifikat. Wurden kritische Abweichungen festgestellt, müssen sie vor der Erteilung des Zertifikats korrigiert werden. Im Allgemeinen gilt ein Zertifikat für drei Jahre, wenn mindestens einmal pro Jahr ein Überwachungsaudit durchgeführt wird.
15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen 15.5.1 QM-Struktur im Unternehmen Aufbauorganisation
Zur Gestaltung einer Aufbauorganisation [15-17] wird zuerst die Gesamtaufgabe eines Unternehmens in Prozesse und Teilaufgaben oder auch Elementaraufgaben zerlegt. Durch eine anschliessende Gliederung der Teilaufgaben entstehen Stellen, die wiederum zu einer Gesamtstruktur zusammengefasst und in Beziehung zueinander gesetzt werden. Das Resultat ist die Aufbauorganisation eines Unternehmens, die mittels Organigramm oder Funktionendiagramm dargestellt werden kann (Bild 443). Zur organisatorischen Abgrenzung der Stellen dienen die Stellenbeschreibungen. Im Organigramm bzw. Funktionendiagramm wird auch die Stelle des Qualitätsmanagementbeauftragten – in der Regel eine Stabsstelle – festgehalten und durch die Stellenbeschreibung genau definiert und abgegrenzt. Aufgabe des QM-Beauftragten ist es, alle für das Qualitätsmanagementsystem notwendigen Prozesse einzuführen und aufrechtzuerhalten und der Leitung über notwendigen Änderungsbedarf zu berichten. Dazu gehört auch das Erstellen des QM-Handbuchs.
958
15 Qualitätsmanagement Unternehmensleitung Qualitätsmanagement Unternehmensplanung und -organisation Risikomanagement
Finanz-/ Rechnungswesen
Bauausführung
Werk-/Bauhof
Kalkulation
Hochbau
Arbeitsvorbereitung
Infra
GU
Werbung
Administration
Marketing
Marktforschung
Akquisition
Key Account Management
Bild 443: Funktionales Organigramm eines Bauunternehmens
Ablauforganisation
In der Ablauforganisation steht die Erfüllung der eigentlichen Unternehmensaufgaben, d.h. die Leistungserstellungs- und Supportprozesse und ihre Schnittstellen unter Berücksichtigung von Raum, Zeit, Sachmitteln und Personen, im Vordergrund. Die Ablauforganisation umfasst die Planung und Steuerung der Leistungserstellung und stellt sie in Form eines Prozessdiagramms dar (Bild 444). Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Angebotsbearbeitung
Auftragsverhandlung
Auftrags- und Ausführungsmanagement Genehmi gungen und Ausführungs planung
AVOR/ Produktions- Bauaus führung planung
Abnahme / Übergabe
Contracting in der Nutzungsphase
Bild 444: Leistungserstellungsprozesse
Jeder einzelne Prozess der Leistungserstellung, aber auch alle Supportund Ressourcenprozesse (Bild 445), die für die Leistungserstellung notwendig sind, werden durch das QM-System überwacht bzw. genau defi-
15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen
959
niert. Wie schon in Kapitel 15.2.2 beschrieben, besteht das Ziel darin, die Prozesse im Unternehmen zu optimieren und effizienter zu gestalten. Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement
Akquisition
Marketing
Angebotsbearbeitung
Auftrags- und Ausführungsmanagement
Auftrags verhandlung
Personal/ Administration
Genehmi gungen und Ausführungs planung
Information/ Dokumentation
AVOR/ Produktions - Bauausführung planung
Beschaffung/ Dienstleistung
Abnahme / Übergabe
Finanzen/ Recht
Contracting in der Nutzungsphase
Wissens- und Innovationsmanagement
Support- / Ressourcenprozesse
Bild 445: QM relevante Prozesse
Die Fokussierung auf die Qualität der Prozesse bietet betriebswirtschaftliches Potenzial, dessen Ausschöpfung Kostenvorteile gegenüber den Wettbewerbern zulässt [15-11]. 15.5.2 Ablauf der Einführung
Die Umsetzung des QM-Systems, für das sich die oberste Leitung der Organisation entschieden hat, erfordert genaue Planung, aber auch eine sachorientierte Führung. Soll der Wandel gelingen, muss er unbedingt geplant werden. Dabei ist es ratsam, auf Konzepte der Organisationsentwicklung oder des Change-Managements zurückzugreifen [15-20]. Neben der sorgfältigen Planung des Umsetzungsverfahrens besteht der zweite wichtige Punkt im Einbezug und der Motivation der Mitarbeiter. Ein gut funktionierendes QM-System erfordert von jedem aktive, kontinuierliche Mitarbeit und die Bereitschaft, die Ergebnisse auch messen zu lassen [15-12]. Der Prozess der Einführung eines Qualitätsmanagementsystems wird in Bild 446 gezeigt.
960
15 Qualitätsmanagement
Bild 446: Einführung eines QM-Systems
15.5.3 QM-Handbuch
Alle sich regelmässig wiederholenden Abläufe und Regelungen werden im QM-Handbuch festgelegt. Damit das Handbuch eine Unterstützung für die Mitarbeiter ist, muss es verständlich und aufs Nötigste beschränkt sein; Informationen sind nur dann nützlich, wenn sie auch leicht zu finden sind.
15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen
961
Wegen der laufenden Veränderung des QM-Systems muss das Handbuch immer den aktuellen Istzustand der Arbeitsprozesse in der Organisation beschreiben. Der Inhalt muss nicht alle Prozesse vollständig abdecken; wichtig sind deren Wechselwirkungen. Der Anhang kann noch die wichtigsten Formblätter enthalten. Viele Organisationen stellen ihr QM-Handbuch ins Intranet, was die Aktualisierung erheblich erleichtert und die Verfügbarkeit für die Mitarbeiter sicherstellt. Eine zweite, für externe Zwecke bestimmte Ausgabe dient der Reputation der Organisation und wird auch als Vertragsgrundlage oder Nachweis für Kunden verwendet. 15.5.4 Beispiel der Firma „Bauqualität“
Gliederung des Qualitätsmanagementhandbuchs der Firma „Bauqualität“: A A1 A2 A3 A4 A5 B B1 B2 B3 B4 B5 B6 B7 B8 B9 B10 B11 B12 B13 B14
Einleitung Verbindlichkeitserklärung Vorwort Inhaltsverzeichnis Aufbau, Änderung und Verteilung des QM-Handbuchs Das Prozessmanagement QM-Handbuch Verantwortung der obersten Leitung Das Qualitätsmanagementsystem Vertragsprüfung Planungslenkung Lenkung der Dokumente und Daten Beschaffung Lenkung des Leistungserstellungsprozesses Prüfungen, Prüfmittel, Prüfstatus Korrektur und Vorbeugungsmassnahmen Lenkung von Qualitätsaufzeichnungen Interne Audits Schulungen Gewährleistung und Kundendienst Statistische Methoden Anhang
Der Aufbau des Qualitätsmanagementsystems ist in Bild 447 dargestellt (vgl. dazu auch Bild 440).
962
15 Qualitätsmanagement
QMHandbuch QM-Verfahrensanweisungen QM-Routinen QM-Arbeits- und QM-Prüfanweisungen Bild 447: Aufbau des Qualitätsmanagementsystems
An der Spitze steht das Qualitätsmanagementhandbuch, das das gesamte Unternehmen betrifft und Informationen über die Firmenpolitik und die Aufbau- bzw. Ablauforganisation enthält. Da das Handbuch aber nicht detailliert genug ausgeführt ist, findet man genauere Beschreibungen der aufgeführten Verfahren in Verfahrensanweisungen und Qualitätsmanagementroutinen (Verfahrensschritte). Die Verfahrensanweisungen betreffen nur Teilbereiche des Unternehmens und regeln die Tätigkeiten und Zuständigkeiten der Bereiche unter Einbezug der Schnittstellen zwischen den einzelnen Prozessen. Die Arbeits- und Prüfanweisungen liegen an den entsprechenden Arbeitsplätzen bereit und geben Detailanweisungen für die einzelnen Tätigkeiten. Verfahrensanweisungen und Arbeits- bzw. Prüfanweisungen sind nur für den internen Gebrauch gedacht und dürfen nicht an Personen ausserhalb des Unternehmens weitergegeben werden. 15.5.5 Beispiel der Firma „BMW Group“
Bei der BMW Group wurde gemeinsam mit dem Umwelt- und Arbeitsschutz ein Managementhandbuch für Qualität erstellt, mit dem Zweck
x der Darstellung des Managementsystems hinsichtlich der Qualität und des Umwelt- und Arbeitsschutzes, x der Handlungsanleitung für Führungskräfte und Mitarbeiter und Grundlage für erforderliche Regelungen in den einzelnen Fachbereichen. Gliederung des Managementhandbuchs für Qualität, Umwelt- und Arbeitsschutz der BMW Group:
15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen
Übersicht Vorwort Zweck des Handbuchs Die BMW Group Grundsätze der Konzernstruktur Marken, Markt und Kunde 1 Führung, Politik und Strategie 1.1 Ziele und Zielmanagement 1.2 Unternehmenspolitik zu Qualität, Umwelt- und Arbeitsschutz 1.3 Verantwortung der Leitung 1.4 Mitarbeiter- und Führungsleitbild 1.5 Prinzip der ständigen Verbesserung 1.6 Aufbau und Aufgabe des Managementsystems 1.7 Managementreview 2 Mitarbeiterorientierung 2.1 Personalentwicklungen 2.2 Interne Information und Kommunikation 2.3 Arbeitsschutz (Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit) 3 Ressourcen 3.1 Produkt-Umweltverträglichkeit 3.2 Umweltschutz 3.3 Produkt- und Investitionscontrolling 3.4 Finanzwirtschaft 3.5 Personalplanung und Personalflexibilisierung 3.6 IT-Management 3.7 Konzernsicherheit, Informationsschutz 3.8 Immobilien- und Facility Management 4 Prozesse 4.1 Produktentstehung 4.2 Produktion 4.3 Vertrieb 4.4 Unterstützungsprozesse 5 Ergebnisse 5.1 Kundenbezogene Ergebnisse 5.2 Mitarbeiterbezogene Ergebnisse 5.3 Öffentlichkeitsbezogene Ergebnisse 5.4 Weitere wichtige Ergebnisse des Unternehmens Änderungsdokumentation Der Aufbau des Managementsystems ist in Bild 448 dargestellt:
963
964
15 Qualitätsmanagement
Managementhandbuch
BMW Group
Verfahrensanweisungen Richtlinien
Unternehmenseinheiten Arbeitsplatz
Regelungen für die Unternehmenseinheiten
Arbeits-, Prüf- und Betriebsanweisungen
Bild 448: Aufbau des Qualitätsmanagementsystems (BMW Group)
15.5.6 Verfahrensanweisungen
Wie schon erwähnt, sind Verfahrensanweisungen Regelungen, wie eine Tätigkeit oder ein Prozess in einem gewissen Bereich auszuführen ist. Bild 449 zeigt eine Verfahrensanweisung „Erstellung von projektbezogenen Qualitätsmanagementplänen“ der Bilfinger Berger AG (Hauptniederlassung Ausland).
15.5 Umsetzung des Qualitätsmanagementsystems im Unternehmen
965
Bild 449: Verfahrensanweisung Bilfinger Berger AG (Hauptniederlassung Ausland) „Erstellung von projektbezogenen Qualitätsmanagementplänen“
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15 Qualitätsmanagement
15.6 Interaktion von Qualitätsmanagement und Projektqualitätsmanagement Man kann beim QM zwei Stossrichtungen [15-3] unterscheiden, die beide das Ziel der optimalen Erfüllung der Kundenanforderungen verfolgen, aber unterschiedlichen Ansatzpunkte haben:
x unternehmensbezogenes Qualitätsmanagement (QM) x projektbezogenes Qualitätsmanagement (PQM) Auf das unternehmensbezogene QM wurde in Kapitel 15.2 eingegangen; der folgende Abschnitt behandelt das projektbezogene QM. Im Bauwesen wechseln die Beteiligten, die Rahmenbedingungen und die Ziele von Projekt zu Projekt. Daher müssen die Projektorganisation und die Projektanforderungen immer wieder neu erarbeitet werden. Das Zusammenwirken verschiedenster Randbedingungen und Vorgaben, z.B. gesetzlicher Vorschriften, ökologischer Randbedingungen, terminlicher Fixpunkte und betrieblicher Anforderungen, muss entsprechend den Zielen des Auftraggebers optimiert werden. Dieser Prozess sollte von Projektbeginn an in allen Projektphasen weitergeführt werden, damit sichergestellt ist, dass alle beteiligten Auftragnehmer den Projektanforderungen gerecht werden. Unklare Zielformulierungen und mangelhafte Definition der Projektorganisation sind mögliche Gründe für Probleme an den verschiedenen Schnittstellen. Das Projektqualitätsmanagement (PQM) hat die Aufgabe, alle Projektbeteiligten auf eine gemeinsame Qualitätspolitik und ein gemeinsames Qualitätsziel auszurichten. Durch das PQM-System soll die Qualität der Bauwerke und Bauprozesse im jeweiligen Projekt sichergestellt sowie die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Projektabwicklung gesteigert werden. Die richtige Wahl der projektbeteiligten Personen und Unternehmen ist ein wesentliches Kriterium, um die Gesamtqualität des Projekts zu sichern, da nur qualifizierte, verantwortungsbewusste Projektbeteiligte in der Lage sind, ein qualitativ hochwertiges Produkt zu erstellen. Es gibt keine gemeinsame Verantwortung (Solidarhaftung) für das Qualitätsmanagement; daher muss die Verantwortung der einzelnen Projektbeteiligten und ihr Zusammenspiel klar definiert und rechtlich bindend vereinbart werden. PQM beruht auf dem Grundsatz, dass alle Projektbeteiligten die Verantwortung für die Qualität ihres Beitrags (Teilprojekts) übernehmen und somit auf das Qualitätssystem (oder auch Managementsystem MS) in ihrem Unternehmen achten [15-16]. Aufgrund der spezifischen Projektanforderungen des Bauherrn ergänzt der Unternehmer sein eigenes Unternehmens-
15.6 Interaktion von Qualitätsmanagement und Projektqualitätsmanagement 967
QM-System zu einem spezifischen PQM-Plan für das jeweilige Bauprojekts (Bild 450) [15-8]. Normative Ebene:
• Ziele Strategische Ebene:
• Richtlinien Operative Ebene:
• Verfahrensanweisungen projektunabhängig
projektabhängig
projektspezifische Anforderungen des Bauherrn
QM-System Unternehmen PQM-Plan Projekt
Bild 450: QM-System des Unternehmers sowie des spezifischen Projekts
Bauherr, Nutzer, Betreiber Schnittstelle Gesamtleiter, Planer, Bauleiter Tätigkeitsfeld des Unternehmens im Projekt
Ausführende, Zulieferer
Managementsystem (MS) Bild 451: Zusammenwirken von MS und PQM [15-16]
Projektqualitätsmanagement (PQM)
Die verschiedenen Beteiligten wirken im Projekt an einer gemeinsamen Aufgabe in übergreifenden Prozessen. PQM bezieht sich deshalb in erster Linie auf das Zusammenwirken auf der vertikalen Projektachse, d.h. auf die Zusammenarbeit der Beteiligten (Bild 451).
968
15 Qualitätsmanagement
Bild 452 stellt den Zyklus und die Instrumente des projektbezogenen Qualitätsmanagements dar, die den Projektbeteiligten zur Planung, Übermittlung, Umsetzung bzw. vertraglichen Regelung der QM-Belange dienen.
Externe Einflüsse
Auftraggeber
Auftragnehmer
Managementsystem des Unternehmens
Managementsystem des Unternehmens
Ziele / Rahmenbedingungen Projektanforderungen
Ausschreibungsunterlagen
Risikoanalyse und -bewertung
Auftragsanalyse
Auftrag bzw. Werkvertrag
PQM
Q-Lenkungsplan Q-Schwerpunkte Auftragnehmer
Massnahmen Auftraggeber
Q-Planung
Projektanforderungen Q-Schwerpunkte Gefahren / Chancen Risikostrategie
Nahtstelle
keine grossen Projektrisiken
neue Risikosituation
Risikobeurteilung
QM-Konzept
QM-Anforderungen an Auftragnehmer
(als Bestandteil des Angebots)
QM-Vereinbarung
Projektsteuerung Analyse betreffend Q-Schwerpunkte
Massnahmen umsetzen (aus QM-Plan) Berichtswesen / Nachweise
Massnahmen umsetzen (aus QM-Plan)
Prüfung (Nachweis der Wirksamkeit)
Q-Lenkung
Q-Schwerpunkte Gefahren / Chancen Verantwortlichkeiten Vorbeugemassnahmen Korrekturmassnahmen
Evtl. Anpassung
QM-Plan
Bild 452: Zyklus und Instrumente des projektbezogenen Qualitätsmanagements [15-16]
Die QM-Anforderungen des Bauherrn werden im Q-Lenkungsplan festgelegt; sie resultieren aus den Qualitätsschwerpunkten, die stark gefährdeten
15.6 Interaktion von Qualitätsmanagement und Projektqualitätsmanagement 969
Projektanforderungen gelten (z.B. Baukosten, Zwischen- und Endtermine) und für den Projekterfolg entscheidend sind. Q-Schwerpunkte sind die kritischen Erfolgsfaktoren eines Projekts(Bild 452). Sie ergeben sich aus der Beurteilung der Risikosituation und werden vom Bauherrn (Gesamtleiter) unter Einbezug der betroffenen Auftragnehmer (projektierende, ausführende Unternehmen) festgelegt. Die Risikostrategie des Bauherrn (Auftraggebers) zeigt auf, wer für welche Risikofaktoren verantwortlich ist. Die QM-Anforderungen des Auftraggebers beinhalten die von den beteiligten Unternehmen zu beachtenden Q-Schwerpunkte, Gefahren und Chancen sowie geforderte Massnahmen und Nachweise. Basierend auf der Risikostrategie werden sie für jeden Projektbeteiligten konkretisiert und sind Grundlage des Angebots. Während des Projektverlaufs können die QM-Anforderungen Anpassungen erfahren. Im QM-Plan legt der Auftragnehmer, basierend auf der QMVereinbarung bzw. den QM-Anforderungen des Auftraggebers, die Massnahmen und internen Verantwortlichkeiten fest. Die Massnahmen werden während der Projektabwicklung sukzessive umgesetzt und auf ihren Erfolg überprüft. Vorstudien
Projektierung
Ausschreibung
Realisierung
Phasen
Auftrag
Projektsteuerung
Q-Lenkungsplan
Überwachung des Q-Lenkungsplans
Berichtswesen
Bauherr
Auftragsanalyse
Angebot QM-Konzept
QM-Vereinbarung
QM-Plan
Prüfung
Planer
Auftragsanalyse
Ausführende
Bild 453: PQM im Bauablauf [15-16]
Angebot QM-Konzept
QM-Vereinbarung
QM-Plan
Prüfung
970
15 Qualitätsmanagement
Wie bereits erwähnt, integriert das PQM alle beteiligten Projektpartner. In Bild 453 ist der Bezug der Instrumente des PQM zu den Beteiligten und den Phasen des Bauablaufs schematisch dargestellt.
15.7 Weiterführende Entwicklungen Folgende Entwicklungen stellen eine Weiterführung bzw. eine Ergänzung zum Qualitätsmanagement dar:
x x x x
Total Quality Management (TQM) European Quality Award (EQA) Umweltmanagementsystem (UMS) Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS)
15.7.1 Total Quality Management (TQM)
Unter Total Quality Management [15-11] versteht man die Managementmethode einer Organisation, die sich auf die Mitwirkung aller Mitarbeiter stützt. Die Organisation zielt auf den langfristigen Geschäftserfolg durch die Zufriedenstellung der Kunden ab, wobei die Qualität immer im Mittelpunkt steht.
Einbeziehung der Kunden Einbeziehung aller Mitarbeiter Einbeziehung der Lieferanten
T
Q
Qualität des Unternehmens Qualität der Prozesse Qualität der Arbeit Qualität der Produkte
Ständige Verbesserung
M Führungsqualität Qualitätspolitik, Qualitätsziele Team- und Lernfähigkeit Beharrlichkeit
Bild 454: Grundpfeiler des TQM [15-11]
15.7 Weiterführende Entwicklungen
971
Begriff und Inhalt des Total Quality Management entwickelten sich 1961 aus dem „Total Quality Control“-Ansatz (TOC) des Amerikaners Feigenbaum. Darauf aufbauend entwickelte der Japaner Ishikawa das „CompanyWide Quality Control“-Konzept, das als Erweiterung der Total Quality Control im Hinblick auf eine verstärkte Einbeziehung der Mitarbeiter angesehen werden kann. Die Strategie des Total Quality Management beinhaltet wiederum Elemente der Company-Wide Quality Control, geht aber darüber hinaus, indem auch die übergeordnete Unternehmensphilosophie auf das Qualitätsziel ausgerichtet wird. Das Total Quality Management erfasst alle Bereiche einer Organisation, vom Kunden über die eigenen Mitarbeiter bis hin zum Zulieferer. Somit werden die Qualitätsziele in die gesamte Organisationsstruktur miteingebunden. Bild 454 zeigt die Grundpfeiler des TQM. 15.7.2 European Quality Award (EQA)
Nach der intensiven Qualitätsförderung in Japan und den USA wurde auch ein europäisches Qualitätszeichen geschaffen. Die European Foundation for Quality Management (EFQM) entwickelte zusammen mit der European Organisation for Quality (EOQ) und der Kommission der Europäischen Union den European Quality Award (EQA), der 1992 erstmals verliehen wurde. Ziel der EFQM, eines Zusammenschlusses von Unternehmen, ist die Verbreitung des Total Quality Management und die Stärkung der Position europäischer Firmen am Weltmarkt. Die Bewertungsmethode für den EQA setzt sich aus mehreren Schritten zusammen und wird nach ihren Anfangsbuchstaben „RADAR“ genannt. Das Akronym entstand aus den Worten Results, Approach, Deployment, Assessment und Review (Bild 455). Die Bewertungsmethode RADAR folgt der PDCA-Logik (PDCAZyklus, s. Bild 435) indem sie von den Ergebnissen ausgeht und dazu Vorgehensweise, Umsetzung und Bewertung als Folgeschritte einsetzt.
x Results (Ergebnisse): Das Unternehmen muss die Ergebnisse festlegen, die es mithilfe seiner Politik und Strategie erreichen will. Dabei sind die verschiedenen Interessengruppen (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten) zu berücksichtigen. x Approach (Vorgehen): Strategische Planung und Entwicklung von Vorgehensweisen, um die angestrebten Ergebnisse zu erreichen x Deployment (Umsetzung): Systematische Umsetzung der geplanten Vorgehensweise und Massnahmen
972
15 Qualitätsmanagement
x Assessment (Bewertung) und Review (Nachprüfung): Bewertung und Begutachtung der Massnahmen. Diese werden regelmässig gemessen, Lernaktivitäten werden vorgenommen und daraus wieder Massnahmen abgeleitet, um Verbesserungen zu identifizieren und einzuführen. [15-21] Beabsichtigte Ergebnisse festlegen (Results)
R Act Bewertung der Vorgangsweise und der Umsetzung (Assessment und Review)
R Check
Plan
A
A
Planung und Entwicklung der Vorgehensweise (Approach )
Do
D Umsetzung des Vorgehens (Deployment )
Bild 455: Aufbau der RADAR-Bewertung nach der PDCA-Logik [15-20]
15.7.3 Umweltmanagementsystem (UMS)
Umweltmanagement umfasst die Planung, Steuerung, Überwachung und Verbesserung aller Massnahmen des betrieblichen Umweltschutzes sowie eine umweltorientierte Betriebs- und Mitarbeiterführung. Das Umweltmanagementsystem ist der Teil des übergeordneten Managementsystems, der den betrieblichen Ablauf systematisiert, um ökonomische und ökologische Leistungen zu steigern und ökologisches Bewusstsein zu demonstrieren. Es unterstützt die Umsetzung der Umweltpolitik und das Erreichen der Umweltziele des Unternehmens. In Europa wird vorwiegend die weltweit gültige Normenreihe DIN EN ISO 14000 (Umweltmanagementsysteme) oder die EMAS-Verordnung (Eco-Management and Auditing Scheme) der EU angewandt. Beide Standards verpflichten zur Erfüllung aller umweltrelevanten Gesetzesauflagen,
Literatur
973
wobei die EMAS die zusätzliche Anfertigung einer Umwelterklärung fordert. Nach den Vorgaben der jeweiligen Umweltnorm müssen für jede Organisation ein individuelles Umwelthandbuch und Umweltprogramm erarbeitet werden. Das Handbuch legt eine spezielle Organisationsstruktur und die entsprechenden Verantwortlichkeiten des Personals fest, das Umweltprogramm die zu erreichenden Umweltziele und die dafür notwendigen Massnahmen. Die Einhaltung aller Auflagen bzw. die Umsetzung des Umwelthandbuchs und des Umweltprogramms werden regelmässig durch einen unabhängigen Sachverständigen kontrolliert. Nur bei Erfüllung aller Anforderungen wird die betreffende Organisation zertifiziert [15-12], [15-18]. 15.7.4 Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS)
Wie Qualität und Umwelt ist auch der Arbeitsschutz eine selbstständig zu steuernde Managementaufgabe, die ihren Ausgangspunkt bei der Leitung der Organisation hat. Das AMS ist in die Organisationsstruktur des Unternehmens eingefügt. Arbeits- und Gesundheitsschutz sind gleichwertige Unternehmensziele. Eine Normung auf dem Gebiet Arbeits- und Gesundheitsschutz ist weder national noch international abgeschlossen [15-19]. In der Bauwirtschaft ist es in der Zwischenzeit verpflichtend, gemäss Richtlinie 92/57/EWG für jede Baustelle einen Sicherheits- und Gesundheitsplan (SiGePlan) zu erstellen.
Literatur [15-1]
Becker, P.: Prozessorientiertes Qualitätsmanagement: nach der Ausgabe Dezember 2000 der Normenfamilie DIN EN ISO 9000 – Zertifizierung und andere Managementsysteme. 2. Aufl., Expert Verlag, Renningen, 2002
[15-2]
Bleicher, K.: Das Konzept Integriertes Management. 2. Aufl., Campus Verlag, Frankfurt, 1992
[15-3]
Brandenberger, J.; Ruosch, E. (Hrsg.): Projektmanagement im Bauwesen. 4. Aufl., h.e.p. Verlag, Bern, 1996
[15-4]
Deming, W.E.: Out of Crisis. 2. Aufl., Cambridge MIT Press, MA, 1986
[15-5]
DIN EN ISO 9000:2000: Qualitätsmanagementsysteme Grundlagen und Begriffe. DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), Berlin, Dezember, 2000
974
15 Qualitätsmanagement
[15-6]
DIN EN ISO 9001:2000: Qualitätsmanagementsysteme Anforderungen. DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), Berlin, Dezember, 2000
[15-7]
DIN EN ISO 9004:2000: Leitfaden zur Leistungsverbesserung. DIN Deutsches Institut für Normung (Hrsg.), Berlin, Dezember, 2000
[15-8]
Girmscheid, G.: Angebots- und Ausführungsmanagement – Leitfaden für Bauunternehmen. Springer Verlag, Berlin, 2005
[15-9]
Girmscheid, G.: Projektabwicklung in der Bauwirtschaft. Wege zur WinWin-Situatuon für Auftraggeber und Auftragnehmer. Springer Verlag, Berlin, 2005
[15-10] Jungwirth, D.: Qualitätsmanagement im Bauwesen. VDI Verlag, Düsseldorf, 1994 [15-11] Kamiske, G. F.; Brauer, J.P.: Qualitätsmanagement von A bis Z. 4. Aufl., Carl Hanser Verlag, München, 2003 [15-12] Kanzian, R.; List, W.: Integrierte Managementsysteme – auf der Basis von Umweltmanagementsystemen zum Unternehmenserfolg. Verlag Österreich, Wien, 2002 [15-13] Meyers grosses Taschenlexikon. Verlag Bibliografisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim, 1990 [15-14] Rüegg-Stürm, J.: Das neue St. Galler Management Modell: Grundkategorien einer integrierten Managementlehre – Der HSG-Ansatz. Haupt Verlag, Bern, 2002 [15-15] Seghezzi, H. D.: Integriertes Qualitätsmanagement. Carl Hanser Verlag, München, 1996 [15-16] SIA Merkblatt 2007: Qualität im Bauwesen. SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (Hrsg.), Zürich, 2001 [15-17] Thommen, J. P.: Betriebswirtschaftslehre – Band 3: Personal, Organisation, Führung: Spezielle Gebiete des Managements. 4. Aufl., Versus Verlag, Zürich, 1999 [15-18] Umwelt-Lexikon Homepage: www.umweltdatenbank.de/lexikon/umweltmanagementsystem.htm, 2004 [15-19] Zollonz, H.: Lexikon Qualitätsmanagement, Oldenbourg Verlag, München, 2001 [15-20] Zollonz, H.: Grundlagen Qualitätsmanagement: Einführung in die Geschichte Begriffe, Systeme und Konzepte, Oldenbourg Verlag, München, 2002 [15-21] 4 Managers Homepage: www.4managers.de, European Foundation for Quality Management (EFQM), 2005
16 Wissensmanagement
16.1 Einleitung Im Rahmen des ressourcenorientierten Ansatzes der Strategieforschung hat Wissen für Unternehmen eine wichtige Bedeutung, um
x nachhaltige Wettbewerbsvorteile aufbauen und bewahren zu können, x die Leistungsqualität zu standardisieren und kontinuierlich zu verbessern, x den Erfolg bei der Leistungserstellung zu steigern, d.h. das Erreichen der mit den Projekten verfolgten Ziele zu unterstützen. Umsatz [CHF]
Leistungsinnovation 1
Gewinn [CHF]
Umsatz
Leistungsinnovation 2
Gewinn
Zeit Einführung
Bild 456: Marktphasen von Leistungsinnovationen [16-1]
Degeneration
Reife
Expansion
Einführung
Entwicklung
Marktphasen:
Entwicklung
976
16 Wissensmanagement
Die Bedeutung von Wissen liegt darin begründet, dass Wettbewerb ein dynamischer Prozess ist. Die Leistungsangebote eines Unternehmens (z.B. Gesamtleistungsangebot im Hochbau) durchlaufen verschiedene Marktphasen von der Entwicklung und der Einführung über die Expansion bis zur Reife und Degeneration (Bild 456). Der Grund für den Lebenszyklus eines Leistungsangebots ist, dass die Konkurrenz durch Nachahmung oder Ersatzleistungen ein Unternehmen laufend zu verbesserten Leistungen herausfordern oder sogar neue Standards setzen kann. Auch verändern sich über längere Zeit die Kundenanforderungen, so dass ein Leistungsangebot und das im Unternehmen vorhandene Wissen nach einer gewissen Zeit den Anforderungen eventuell nicht mehr gerecht werden, was nach einem neuen adäquaten Leistungsangebot (Leistungsinnovation) verlangt. Unter Berücksichtigung des Lebenszyklus von Marktleistungen sind für das Wissensmanagement zwei grundsätzliche Aufgabenbereiche abzugrenzen:
x Ein Unternehmen muss bestehende Leistungsangebote, die sich in den Marktphasen der Einführung, Expansion oder Reife befinden, kontinuierlich verbessern, um nachhaltige Wettbewerbsvorteile bzw. komparative Konkurrenzvorteile aufzubauen sowie eine Effizienz- und Erfolgssteigerung bei der Leistungserstellung zu erreichen. Im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) kann das Wissensmanagement dabei als Supportprozess die Abwicklung der Bauprojekte aktiv unterstützen (systematisches Lernen aus Fehlern und Erfolgen). x Ein Unternehmen muss frühzeitig Leistungsinnovationen für die Bedürfnisse neuer attraktiver Teilmärkte initiieren und entwickeln, da angebotene Marktleistungen aufgrund sich verändernder Marktbedürfnisse oder des Verlusts des Wettbewerbsvorsprungs in eine Degenerationsphase treten können. Das Wissensmanagement muss dabei den Aufbau von Fähigkeiten, die für das erfolgreiche Anbieten und Umsetzen der entsprechenden Marktleistungen erforderlich sind, in der Entwicklungsphase unterstützen; es dient somit der Umsetzung neuer Strategien. Eine zentrale Rolle in der Realisierung solcher Vorhaben nimmt die gezielte Bündelung, Nutzung und Weiterentwicklung des wertschöpfungsrelevanten Firmen-Know-hows in den Leistungserstellungsprozessen (Bild 457) der jeweiligen Geschäftsfelder ein. Damit diese Vorgänge nicht unstrukturiert und unkontrolliert ablaufen und nur geringen Nutzen erzielen, bedarf es einer gezielten Lenkung im Sinne eines Wissensmanagements. Die zunehmende Daten- und Informationsflut macht es schwierig, wichtige von unwichtigen Informationen zu trennen; die Halbwertszeit des Wissens nimmt stetig ab. In vielen Firmen liegt das Wissen der Mitarbeiter der ver-
16.1 Einleitung
977
Kunde: Auftraggeber Leistungsziele
Supportprozesse: Kaufmännische Administration Werkhof EDV-Service etc. Leistungserstellungsprozess Marketing Akquisitionsphase
Wissensidentifikation
Angebotsphase
Verhandlungsphase
Wissensklassifizierung
Beschaffungsphase
Wissensbereitstellung
Ausführungsphase
Wissensnutzung
Kunde: Nutzer des Bauproduktes Leistungsergebnis
schiedensten Unternehmensstufen noch weitgehend brach, weil der Austausch des Fachwissens und der schnelle Zugriff darauf schlecht oder gar nicht organisiert sind. Abhilfe verspricht das Wissensmanagement. Es macht sich die Identifikation aller relevanten Wissenspotenziale und deren systematische Verwendung durch Optimierung der Wissensflüsse entlang der unternehmerischen Kernprozesse zur Aufgabe. Dadurch sollen die Innovationsfähigkeit verstärkt, Reaktionszeiten verkürzt sowie Kundenzufriedenheit und Produktivität gesteigert werden.
Managementprozesse: Führungsprozess Organisation Qualitätsmanagement (Wissensmanagement) etc.
Bild 457: Einbindung des Wissensmanagements in die Unternehmensprozesse
Die gezielte Nutzung der Ressource „Wissen“ kann entscheidend zur Erarbeitung und Sicherung von Wettbewerbsvorteilen beitragen. Wissensmanagement ist jedoch keine leichte Aufgabe; es ist kein Selbstzweck, sondern kann seine Wirkung nur mit der Verfolgung konkreter Zielen entfalten. Im Sinn einer ganzheitlichen Betrachtungsweise versteht man unter Wissensmanagement die gezielte Lenkung von Wissensidentifikation (Transparenz und Zugriff), Wissensverteilung, Wissensnutzung, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensbewahrung und Wissensbewertung im Unternehmen [16-21]. Wissensmanagement ist ein Supportprozess (Bild 457) im Unternehmen zur Verbesserung des Leistungserstellungsprozesses und zur systematischen, zielorientierten Nutzung der wichtigen Ressource Wissen. Da das Wissensmanagement zwar kein Primärprozess ist, aber eine gewichtige Rolle im Wettbewerb spielt, muss das Management seine Bedeutung bereits auf „normativer Ebene“ verankern, damit es auf „strategischer Ebene“ und auf „operativer Ebene“ umgesetzt wird (Bild 458). Daraus folgt, dass
978
16 Wissensmanagement
eine Wissensstrategie entwickelt werden muss, in der Ziele sowie Massnahmen und Messgrössen festgelegt werden. Umwelt
Unternehmen
Externe Willensbildung
Interne Willensbildung
Normatives Management Wissensverfassung
Wissenspolitik
Wissenskultur
Organisationsstufe 2
Organisationsstufe 1
Wissens Policy Deployment Strategisches Management Wissensmanagement systeme Wissensmanagement strukturen
Wissensstrategie
Wissensbezogene Verhaltensentwicklung
Wissensplanung Operatives Management
Wissenssicherung
Wissensverbesserung
Wissenslenkung STRUKTUREN
VERHALTEN AKTIVITÄTEN (Unternehmensentwicklung ) Entwicklung der Qualitätsfähigkeit
Bild 458: Verankerung des Wissensmanagements im Managementmodell
Damit Wissensmanagement den Unternehmenserfolg konkret erhöhen kann, ist es zwingend notwendig, dass die dabei ergriffenen Massnahmen direkt zum Erreichen der unternehmerischen Erfolgsziele beitragen. Aus-
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
979
gehend von den unternehmerischen Erfolgszielen eines Bauunternehmens sind in Bezug auf die Abwicklung von Projekten die drei folgenden prominenten projektbezogenen Erfolgsziele massgebend:
x Kundenakquisition und Gewinnen von Aufträgen x Erreichen der Kundenzufriedenheit x Erzielen des Gewinns Ein für Bauunternehmen geeignetes Wissensmanagementmodell muss in der Lage sein, die projektbezogenen Erfolgsziele direkt zu unterstützen. Das bedeutet, dass man mithilfe solcher Wissensmanagementmodelle aus Projektfehlern und -erfolgen lernen und systematisch ein „best practice“ im Unternehmen aufbauen können muss. Nur so kann in einem Bauunternehmen die Aufwand-Nutzen-Frage bezüglich der Implementierung von Wissensmanagementmassnahmen nachvollziehbar diskutiert werden, was eine der grössten Hürden für das konkrete Umsetzen von Wissensmanagement in Bauunternehmen darstellt.
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement 16.2.1 Konkretisierung des Wissensbegriffs
Der Begriff „Wissensmanagement“ versteht sich heute als begriffliches Dach für eine Vielzahl wissensbezogener Thematiken und Probleme. Die zunehmende Zahl von Veröffentlichungen zu diesem Thema zeigt die Vielfältigkeit der damit angesprochenen Probleme und Lösungen auf. Wissensmanagement ist eine sehr junge wissenschaftliche Disziplin; sie existiert seit ca. 1996. Unsystematisch und ohne wissenschaftliche Beachtung wurde Wissensmanagement jedoch schon immer ausgeübt; nur so kam es zur kontinuierlichen Entwicklung der Menschheit. Die älteste erhalten gebliebene, tiefer gehende Abhandlung über Wissen stammt von Platon ca. 400 v. Chr. (Bild 459). Die Unterscheidung zwischen explizitem und implizitem Wissen führte der ungarische Biologe, Chemiker, Philosoph und Ökonom Michael Polanyi 1960 ein. In den 70er Jahren wurde das Wissensmanagement meist von der volkswirtschaftlichen und soziologischen Seite betrachtet. Ab Mitte der 80er Jahre widmete sich die Betriebswirtschaftslehre dem Themenumfeld. DRUCKER [16-5] erläuterte Ende der 80er Jahre die Wissensgesellschaft und den Wissensarbeiter. In den 90er Jahren beschrieben NONAKA und TAKEUCHI [16-15] ein auf Taylor (Arbeitsteilung), POLANYI [16-19] und der japanischen Wirtschaft beruhendes Wissensmanagementmodell, das
980
16 Wissensmanagement
Grundlage vieler weiterer Ausführungen auf diesem Gebiet war. Das von PROBST et al. [16-21] entwickelte Bausteinmodell (s. Kapitel 16.2.4) wurde in der Literatur vielfach zitiert. Drucker : Produktivität von Wissensarbeitern
Polanyi : explizites vs . implizites Wissen
Wissensmanagement eigenständige Disziplin Nonaka: Wissens managementmodell
Probst: Wissens managementmodell
Platon : Definition Wissen
Ca. 400 v.Chr.
1960
1970
1980
1990
2000
Wissensmanagement durch Volkswirtschaftslehre und Soziologie Wissensmanagement durch Betriebswirtschaftslehre
Grössere Unternehmen beginnen mit Wissensmanagement
Bild 459: Historische Entwicklung des Wissensmanagements
Zeichen, Daten, Information Zeichen sind die Rohmaterialien für Daten (z.B. „2“; „°“; „C“). Daten sind die Basis von Informationen (z.B. „22 °C“). Daten als solche haben keinerlei Werturteil oder Interpretation; sie sind als Handlungsbasis nicht tragfähig. Aus Daten werden Informationen, wenn sie in einen Problembezug eingeordnet und für die Erreichung eines Ziels verwendet werden, z.B. „Die Lufttemperatur beträgt 22 °C“. Informationen sind die Rohstoffe für das Wissen. Wissen Leider ist die Abgrenzung zwischen Information und Wissen in der Literatur uneinheitlich. Teilweise werden Wissen und Information synonym verwendet; dies ist unzutreffend. Andere Autoren definieren ein Kontinuum zwischen Information und Wissen. Hinsichtlich der Eigenschaften von Wissen liegt in der Forschung ein höheres Übereinstimmungsniveau vor. Wissen stellt eine Mischung aus Erfahrungen, Wertvorstellungen, Informationen und Fachkenntnissen dar, die in ihrer Gesamtheit einen Strukturrahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen bietet. Wissen bildet somit den Kern eines jeden Unternehmens. Es steckt in den Produkten, Dienstleistungen, Prozessen, Teams und in den Köpfen der Mitarbeiter. Zum besseren Verständnis des Begriffs Wissen wird der Wissenstransfer erläutert: Im Gespräch zweier Individuen möchte der Sender dem Empfänger „Wissen“ transferieren. Der Sender besitzt dieses Wissen; es ist in seinen Strukturrahmen aus Erfahrungen, Werten und Normen eingebunden. Der
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
981
Sender löst das Wissen aus seinem Strukturrahmen und wandelt es in Informationen um (Bild 460). Zum Sprechen werden diese Informationen in Daten umgewandelt und dem Empfänger übermittelt. Der Empfänger fügt die Daten zu Informationen zusammen und bindet diese in seinen Strukturrahmen ein; sein Wissen wurde ergänzt. Nur wenn Sender und Empfänger identische Strukturrahmen besitzen, besitzen beide nach dem Wissenstransfer identisches Wissen. In der Regel weicht das Wissen des Empfängers vom Wissen des Senders ab. Beide interpretieren das Wissen anders. Störungen Sender
z.B. Gespräch, Vortrag, Publikation
Empfänger
Kanal / Medium Kodierung
Signale
Störungen
Dekodierung
z.B. Zeitdruck, Nachrichtenflut
Bild 460: Sender-Empfänger-System
Mit dieser Sichtweise stimmt die nachfolgende Definition überein, die im Folgenden als Arbeitsdefinition für den Begriff „Wissen“ verwendet werden soll: Wissen ist eine fliessende Mischung aus strukturierten Erfahrungen, Wertvorstellungen, Kontextinformationen und Fachkenntnissen, die in ihrer Gesamtheit einen Strukturrahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Erfahrungen und Informationen bietet [16-4]. Eine einheitliche Definition für den Begriff „Wissen“ existiert nicht. In den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen wird dem Wissensbegriff eine unterschiedliche Bedeutung zugesprochen, was durch die jeweils unterschiedlichen Erkenntnisinteressen der Disziplinen wie Philosophie, Psychologie, Soziologie oder Wirtschaftswissenschaften verursacht wird. Aus betriebswissenschaftlicher Perspektive definiert ROMHARDT Wissen wie folgt [16-22]: „Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in einem bestimmten Kontext.“ Diese Definition des Wissensbegriffs weist auf ein bedeutsames Wissensmerkmal hin: Wissen ist immer an Personen gebunden.
982
16 Wissensmanagement
Inwiefern grenzt sich nun Wissen von Daten und Informationen ab? Daten setzen sich aus einzelnen Zeichen oder einer Folge von Zeichen zusammen, die einen sinnvollen Zusammenhang ergeben. Dabei wird aber noch keine Aussage über den Verwendungszweck der Daten gemacht. Daten werden zu Informationen, indem sie in einen Problemzusammenhang (Kontext) gestellt und zum Erreichen eines konkreten Ziels verwendet werden. Für Organisationen stellen Informationen somit diejenigen Daten dar, die für die Vorbereitung geschäftsorientierter Handlungen nützlich und beschaffbar sind. Als Ergebnis der Verarbeitung von Informationen durch Individuen entsteht Wissen, das gemäss HAUN als „verstandene Information“ bezeichnet werden kann [16-12]. Wissen stellt die Vernetzung von Informationen dar, die es dem Träger ermöglicht, Handlungsvermögen aufzubauen und Aktionen auszuführen. Bei der Auseinandersetzung mit Wissensmanagement ist folgender Grundsatz wichtig [16-17]: Nicht das Wissen selbst ist für ein Unternehmen von ökonomischem Potenzial, sondern erst die Handlungen, Tätigkeiten und Entscheidungen, die es ermöglicht. Erst die Handlungen, Tätigkeiten und Entscheidungen führen konkret zum Erfolg bzw. zur Zielerreichung.
In der Literatur wird der Wissensbegriff unterschiedlich systematisiert. Eine häufig verwendete Systematisierung ist die Strukturierung in begriffliche Gegensatzpaare wie implizit/explizit oder individuell/kollektiv. Eine klassische Differenzierung des Wissensbegriffs beschreibt die Verbalisierbarkeit des Wissens und geht auf POLANYI zurück [16-19]. Er unterscheidet zwischen implizitem und explizitem Wissen.
x Implizites Wissen (tacit knowledge) ist schwierig verbalisierbar und versteht sich als Wissen, das eine Person aufgrund ihrer Erfahrung und ihrer Praxis als „Know-how“ besitzt. Dieses Wissen wird in der Regel personalisiert transferiert. x Explizites Wissen (explicit knowledge) ist dagegen ein formuliertes, verbalisiertes oder dokumentiertes (kodiertes) Wissen, das beispielsweise in Handbüchern oder Arbeitsanweisungen enthalten ist. Der Begriff des expliziten Wissens steht allerdings im Widerspruch zu der vorher unterstellten Personengebundenheit von Wissen. In diesem Kontext müsste explizites Wissen somit als explizierbares Wissen verstanden werden, das in seiner verbalisierten und dokumentierten Form für andere Individuen vorerst eine Information darstellt, die für diese Individuen erst wieder durch die kognitive Verarbeitung und das Einsetzen in Handlungen oder Entscheidungen zu Wissen wird.
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
983
Des Weiteren wird in der Literatur oft zwischen individuellem, kollektivem und organisationalem Wissen unterschieden. Während individuelles Wissen auf einzelne Personen bezogen ist, wird unter kollektivem Wissen das gemeinsame Wissen mehrerer Personen verstanden, das sich Arbeitende durch gemeinsames Handeln erwerben und das eine unerlässliche Voraussetzung für ein rationelles Kooperieren ist. Vergegenständlicht werden Teile dieses gemeinsamen handlungsleitenden Wissens in schriftlichen Dokumenten wie z.B. Qualitätsmanagementhandbüchern, Arbeitsanweisungen oder Leitbildern. Demnach wird das Wissen in dieser Form der gesamten Organisation als organisationales Wissen zugänglich. Damit explizites (bzw. kodiertes) Wissen wiederum wirksam wird, muss es von den Individuen aufgenommen und in Handlungen umgesetzt werden (Bild 461). Individuelles Wissen in Organisationen, partiell „geteilt“ als kollektives Wissen Person C Wissen Person A Wissen Fixierung von Teilen gemeinsamen Wissens
Organisationales Wissen, vergegenständlicht und überdauernd Als explizites bzw. kodiertes Wissen: Dokumentationen wie • Arbeitsanweisungen • Qualitätsmanagementhandbuch • Leitbilder • Erfahrungsberichte, Dateien etc. Als implizites Wissen in der Organisation: • Informelle Regeln in der Organisation • Kernkompetenzen des Unternehmens • latente Innovativität des Unternehmens
Person B Wissen Wirksamwerden als personell gemeinsames Wissen
Bild 461: Handlungswissen von Individuen, Gruppen und Organisationen [16-11]
16.2.2 Lernende Organisation
Wissensmanagement umfasst systematische Massnahmen, damit der Wissenstransfer von implizitem und explizitem Wissen unter ökonomischen Gesichtspunkten verbessert wird. Dies beinhaltet die drei Dimensionen Mitarbeiter, Technik, Organisation. Ein effektives Wissensmanagement sollte sowohl explizites als auch implizites Wissen berücksichtigen. Verborgenes, implizites Wissen ist Teil der unternehmerischen Wissensbasis. Es kann nur durch Beobachtung und Praxis transferiert und weitergeben werden: Der Meister gibt wesentliche Teile seines Know-hows in seiner Zusammenarbeit mit dem Lehrling wei-
984
16 Wissensmanagement
ter. Explizites Wissen hingegen ist beschreibbar und kann formalisiert, standardisiert und strukturiert sowie in Form von Dokumenten, Datenbanken, Patenten, Produktbeschreibungen und Formeln, aber auch in Systemen, Prozessen und Technologien angelegt werden. Ohne gewichtigen externen Zufluss von Wissen kann sich die kollektive, unternehmerische Wissensbasis nur langsam über den Interaktionsprozess der Mitglieder einer Organisation verändern. Ziel des organisationalen Lernens ist, dass Individuen ihr Wissen den verschiedensten Bereichen der Organisation zur Verfügung stellen, damit die Organisation es wiederum ihren Mitgliedern bereitstellen kann. Durch die Kombination des Wissens der Einzelmitglieder ist das Wissen der Organisation grösser als die Summe des Wissens der Einzelmitglieder. Dieser Sachverhalt lässt sich mit folgendem Gedankenexperiment verdeutlichen: Zwei Fussballmannschaften haben Spieler mit exakt gleichen Fähigkeiten. Bei der ersten Mannschaft versucht jeder Mitspieler während des Spiels, ohne Unterstützung der anderen Spieler seines Teams selbst ein Tor zu erzielen. Bei dieser Mannschaft entspricht das Gesamtfähigkeitsniveau der Summe der Fähigkeiten der einzelnen Mitspieler. Bei der zweiten Mannschaft erfolgt eine gemeinsame Koordination und gegenseitige Unterstützung während des Spiels. Es ist leicht einsehbar, dass die zweite Mannschaft potenziell höhere Siegchancen hat. So sind auch bei der lernenden Organisation die Fähigkeiten der Organisation höher als die Summe der Einzelfähigkeiten ihrer Mitglieder. Die Herausbildung der Wissenskombination bedarf zu ihrer Realisierung einer besonderen Anstrengung. Das Wissen muss durch geeignete Verfahren auf die übrigen Mitglieder transferiert werden. Möglichkeiten hierfür sind:
x informelle Kommunikationsmöglichkeiten (Kaffeeküche etc.) x offizielle Informationsveranstaltungen (Kongresse, Besprechungen etc.) x Anwendung besonderer Teamtechniken (Brainstorming, Teamorganisation etc.) Daten, Information und Wissen führen zur lernenden Organisation. Durch Können, Handeln und Kompetenz kommt es zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit (Bild 462).
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
ent anagem issensm isches W g e at tr S
Zeichen
Daten + Syntax
Opera
Information + Bedeutung
srmation tives Info
Wissen + Kontext
Können + Anwendungsbezug
Handeln + Wollen
Kompetenz + richtiges Handeln
985
Wettbewerbsfähigkeit + Einzigartigkeit
t agemen sensman und Wis
Bild 462: Richtungen des strategischen und operativen Wissensmanagements [16-16]
16.2.3 Grundaspekte des Wissensmanagements
Für den erfolgreichen Umgang mit Wissen ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise notwendig. Wissensmanagement erfordert ein geschicktes Zusammenspiel zwischen den Aspekten Mitarbeiter, Informations- und Kommunikationstechnik und Organisation (Bild 463). Das wertschöpfungsrelevante Wissen muss gesammelt und in einer Art und Weise präsentiert und weitergegeben werden, die das Wissen zukünftig leicht zugänglich und nutzbar macht.
Organisation
Mitarbeiter
Informations- und Kommunikationstechnik
Bild 463: Einflüsse auf das Wissensmanagement in Unternehmen
Fokus Mitarbeiter
Der Erfolg von Massnahmen des Wissensmanagements hängt im Wesentlichen von der Bereitschaft der Mitarbeiter bezüglich
986
16 Wissensmanagement
x Akzeptanz und Nutzung der neuen Instrumentarien, x Akzeptanz und Anwendung der neuen Arbeitsweisen, x Motivation zur Weitergabe von Erfahrungen oder Wissen ab. Mitarbeiterbezogene Massnahmen sind: Demografische Mitarbeiterzusammensetzung Die demografische Zusammensetzung der Belegschaft hat einen Einfluss auf das Arbeitsklima und auf die „Unterstützungskultur“, deren Auswirkungen sich nicht nur auf das Wohlbefinden, sondern auch auf die Produktivität erstreckt. Leute zusammenbringen Mitarbeiter tauschen Informationen bei Gelegenheiten aus, die nicht direkt mit der Arbeit zu tun haben. Das Unternehmen sollte seinen Mitarbeitern Möglichkeiten für Kontakte bieten und kurze, persönliche Gespräche auch während der Arbeitszeit zulassen. Zuteilung der Arbeitsplätze Bei der Zuteilung der Arbeitsplätze sollte nicht nur die organisationale Struktur, sondern auch die informellen Beratungs- und Kommunikationsnetzwerke, die nicht mit der organisationalen Struktur übereinstimmen müssen, beachtet werden. Durch eine geeignete Platzzuteilung sollen möglichst effiziente Kommunikationswege erreicht werden. Dies unterstützt den Informationsfluss und spart Zeit. Mitarbeiterauswahl Durch systematische Zusammenarbeit von erfahrenen und weniger erfahrenen Mitarbeitern findet Wissenstransfer statt, der gezielt durch die Auswahl der Mitarbeiter beeinflusst werden kann. Auf diese Art bleibt dem Unternehmen auch nach dem Ausscheiden eines Mitarbeiters ein grosser Teil von dessen Wissen erhalten.
Die Einführung neuer Massnahmen bedeutet für die Mitarbeiter immer eine Veränderung des Gewohnten. Natürliche Reaktionen sind Verunsicherung oder Ablehnung, was allerdings für die Zwecke des Wissensmanagements nicht besonders förderlich ist. Die Mitarbeiter müssen vom Nutzen der neuen Massnahmen überzeugt sein und darin eine sinnvolle Unterstützung ihrer Arbeit erkennen. Zur Motivation sind entsprechende Anreize zu schaffen, die finanzieller oder persönlicher Natur sein können. Finanzielle Anreizsysteme erweisen sich nicht in jedem Fall als optimale Lösung; persönliche Anreize, die durch Anerkennung und Nutzung persönlicher Beiträge oder durch verstärkte Eigenverantwortung erreicht werden, sind bei der Erarbeitung eines Anreizsystems ebenfalls zu berücksichtigen. Die Barrieren gegenüber Wissensmanagement sind beispielsweise:
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
987
Fehlende Zeit Mangel an Zeit und Kapazität führt dazu, dass Unternehmen keine Ressourcen frei machen können, um gezielt an ihrem Wissen zu arbeiten. Massnahmen wie die Erstellung von Projektdatenbanken, die schliesslich Ressourcen einsparen, können nicht eingeleitet werden, da zu Beginn eine Investition von Zeit und Arbeit nötig ist. Abteilungs- und Bereichsgrenzen Abteilungs- und Bereichsgrenzen stellen dem Wissensfluss Hindernisse entgegen, da die Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen nicht im gleichen Ausmass strukturiert sind wie abteilungsintern. Profitcenterdenken In einer Profitcenterorganisation werden die einzelnen Bereiche an ihrem eigenen wirtschaftlichen Ergebnis gemessen und in der Regel auch miteinander verglichen. Das kann zu einem Konkurrenzdenken zwischen den einzelnen Profitcentern führen, das einem Wissensaustausch im Wege steht. Kosten Ein Unternehmen muss kostenbewusst wirtschaften. Der Nutzen einer Massnahme muss in der Regel ersichtlich und absehbar sein, damit die zu ihrer Realisierung nötigen Ausgaben auch getätigt werden. Fehlende persönliche Beziehungen Der Austausch von Wissen funktioniert am besten, wenn die beteiligten Personen sich kennen, da sie einander vertrauen und sich auf die Informationen des anderen verlassen. Anders formuliert stellt es eine Schwierigkeit und damit eine Barriere dar, wenn man sich nicht kennt. Mangelnde Fehlerkultur Eine Einstellung wie „Bei uns passieren keine Fehler“ führt dazu, dass gemachte Fehler verschwiegen werden oder dass versucht wird, sie zu rechtfertigen. Dadurch wird aber eine Analyse der Fehlerursache erschwert, und Lehren können nicht gezogen werden, so dass die gleichen Fehler wiederholt werden. Mangelnder Willen Der Wille der Mitarbeiter zum Wissensaustausch ist die Voraussetzung für eine effiziente Wissensnutzung innerhalb des Unternehmens. Ist dieser Wille bei einigen Mitarbeitern nicht vorhanden, besteht für das Management Handlungsbedarf.
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16 Wissensmanagement
Mangelnde Kommunikationsfähigkeit Der Austausch von Wissen stellt hohe Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit aller Beteiligten. Nicht alle Mitarbeiter bringen die dazu nötige Eignung mit, was einen Wissensaustausch behindern kann. Sprachprobleme Wissen wird nur in seltenen Fällen direkt von einem Menschen zum anderen übertragen, z.B. bei der Lehrlingsausbildung. Häufig wird es über die Sprache vermittelt, wobei zum einen der Wissensträger sein Wissen durch die Sprache beschreiben und zum anderen der Wissensempfänger das Wissen wiederum aus der Sprache extrahieren muss. Daraus können sich erhebliche Probleme ergeben, da die Sprache nur ein Modell der Wirklichkeit ist und der Detaillierungsgrad eines Modells immer geringer als der der Wirklichkeit selbst sein muss. Die Unzulänglichkeiten der Sprache erschweren eine exakte Reproduktion des ursprünglichen Wissens.
„Gate keeper“-Funktionen In hierarchisch strukturierten Organisationen steuern einige Personen willentlich oder unbewusst den Informationsfluss und üben somit eine „gate keeper“-Funktion aus. Dies sind Personen, die direkten Zugang zu Informationen haben und wiederum für die Information untergeordneter Stellen zuständig sind. Der „gate keeper“ hat folglich grossen Einfluss auf die Verfügbarkeit der Informationen, da die Mitarbeiter auf ihn als Informationsvermittler angewiesen sind. Eine Ausnützung der Situation als „gate keeper“ kann zu Unsicherheit und Motivationsverlust der Mitarbeiter führen Statusdenken Für viele Menschen ist es schwierig, Wissen anzunehmen; sie denken, es sei ein Zeichen der Schwäche, da man damit eingestehe, dass ein anderer mehr wisse oder besser sei. Wenn zu dieser Schwierigkeit auch noch ein Hierarchiegefälle kommt, z.B. vom Polier zum Bauführer, wird das Annehmen von Wissen teilweise als eine Infragestellung der eigenen Kompetenzen und damit der eigenen Autorität betrachtet. Der potenzielle Wissensempfänger sträubt sich gegen eine Annahme des Wissens, da er dadurch seinen Status bedroht fühlt.
Folgende Anreize können geschaffen werden: Materielle Anreize: Erfolgsbeteiligung Die direkte Beteiligung am Erfolg von Projekten fördert die gegenseitige Unterstützung innerhalb eines Projektteams, da sie sich materiell auf jeden Einzelnen auswirkt.
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
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Leistungsprämien für die Abteilung Leistungsprämien für Abteilungen haben denselben Einfluss wie Erfolgsbeteiligungen; es kann jedoch zwischen den Abteilungen eine Konkurrenzsituation entstehen, die den Wissenstransfer wiederum behindert. Die Prämie sollte neben dem kollektiven Anteil auch einen individuellen Anteil enthalten; eine Kollektivprämie allein ist kein Anreiz. Bonus für Individualleistungen Bei einem Bonus auf Individualleistungen sieht der Mitarbeiter die Verbindung zwischen seinem Verhalten und seinen Leistungen zu einer entsprechenden Belohnung am deutlichsten. Der Bonus kann vielfältige Ausprägungen haben; belohnt werden können Arbeitsleistungen, Unterstützung anderer Mitarbeiter, die Weitergabe von Wissen usw. Bonus für Wissensaustausch Die Annahme von Wissen ist oft viel schwerer als dessen Weitergabe. Da für ein erfolgreiches Wissensmanagement beide Aspekte wichtig sind, sind auch beide zu fördern. Wird z.B. ein Projekt mithilfe der Projektbeschreibung eines ähnlichen Projekts erfolgreich durchgeführt, können sowohl die am alten wie auch die am neuen Projekt Beteiligten gemeinsam belohnt werden. Bonus beim Stellenwechsel Bei einem Stellenwechsel ist es für das Unternehmen und für den Stellennachfolger von grosser Bedeutung, dass die Stellenübergabe und damit auch die Weitergabe des relevanten Wissens ausführlich erfolgt. Finanzielle Anreize können den Abgänger dazu motivieren, die Stellenübergabe entsprechend den Wünschen des Unternehmens zu gestalten, da er daraus auch selbst einen Profit zieht. Mitarbeiterbeurteilung Der Umgang mit Wissen, die Bereitschaft, fremdes Wissen anzunehmen und eigenes weiterzugeben, kann Bestandteil der Mitarbeiterbeurteilung sein und so direkte finanzielle Auswirkungen für den Mitarbeiter haben. Immaterielle Anreize: Unternehmenskultur Die Unternehmenskultur kann der grösste Anreiz, aber auch eine grosse Barriere sein. Es ist Aufgabe der Unternehmensleitung, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter sich wohl fühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren. In einem solchen Fall ist der Informations- und Wissensfluss in der Regel intensiv und von hoher Qualität.
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16 Wissensmanagement
Partizipativer Führungsstil Durch Einbezug der Mitarbeiter in Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse wird einerseits auf eine breitere Wissensbasis zurückgegriffen; andererseits sind die Mitarbeiter besser motiviert und engagieren sich für eine erfolgreiche Umsetzung. Kriterium für die Beförderung Die Qualität des Wissensbeitrags ist ein Kriterium für Beförderungen. Ohne aktive Mitarbeit am Wissensaustausch werden Mitarbeiter nicht befördert. Interessante Arbeitsinhalte Interessante Projekte werden vermehrt an Mitarbeiter vergeben, die sich aktiv am Wissensaustausch beteiligen. Eine solche Vergabepraxis muss jedoch klar kommuniziert werden und sich auf objektiven Kriterien stützen. Schulung und Weiterbildung Im Bereich des Wissensmanagements aktive Mitarbeiter erhalten die Möglichkeit, vermehrt an Schulungen und Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen oder Tagungen zu besuchen. Auch diese Praxis muss klar kommuniziert werden und auf objektiven Kriterien beruhen. Anerkennung Lob und Anerkennung sind wichtig für das Selbstwertgefühl und sollen daher, wenn angebracht, vom Vorgesetzten auch geäussert werden. Wenn möglich, sollen die Mitarbeiter vor ihren Kollegen gelobt werden; dies verstärkt die Wirkung des Lobs. Auszeichnung für Wissensteilung Für aussergewöhnliche Leistungen im Bereich des Wissensaustauschs, z.B. Übernahme einer bestehenden best practice, können Auszeichnungen verliehen werden. Die Auszeichnung soll mit Prestige, Privilegien oder auch einer finanziellen Belohnung verbunden sein. Hitliste Durch Veröffentlichung einer Hitliste der am häufigsten verwendeten Dokumente, z.B. einer Datenbank mit Projektdokumentationen, gewinnen die Autoren dieser Dokumente an Prestige. Kommunikation des Erfolgs Erfolge sollten unternehmensweit kommuniziert werden. Sie dienen für andere als Ansporn und können ihnen Anregungen für eigene Ideen geben. Erfolg der Handlung sehen und erleben Erfolge oder Resultate ihres Wirkens sollten den Mitarbeitern kommuniziert werden. Das Wissen, für das Unternehmen etwas Sinnvolles oder Er-
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
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folgreiches geleistet zu haben, wirkt als Anreiz für Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren. Dazu gehört auch, dass Mitarbeiter die Gelegenheit haben, von ihnen eingebrachte Ideen zu verwirklichen. Zitierpflicht Analog zur Zitierpflicht von publiziertem Wissen kann auch eine unternehmensinterne Zitierpflicht eingeführt werden. Verwendetes Wissen eines anderen muss kenntlich gemacht werden und verhilft dadurch dem ursprünglichen Wissensträger zu mehr Ansehen. Fokus Informations- und Kommunikationstechnik
Die neuen Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie bieten für Unternehmen Unterstützung beim
x x x x
Identifizieren, Zugriff, Verteilen, Speichern und Archivieren
von Dokumenten. Die technische Umsetzung ist heute relativ einfach, z.B. mit dem Einsatz von Dokumentenmanagementsystemen (Bild 464), Groupware (Bild 465), Internetplattformen als Kommunikationsforum (Bild 466) und Intranet. Wichtiger als die technischen Features ist die Frage, welche Dokumente und Inhalte welchen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden sollen und wie die Aktualität der vorhandenen Informationen gewährleistet werden kann. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Grundsatz, dass die Informationstechnologie lediglich als Werkzeug dient und dementsprechend den Bedürfnissen der Anwender angepasst werden muss. Bei einem Missbrauch der neuen IT-Tools als Instrument zur Kontrolle oder Überwachung der Mitarbeiter sind Ablehnung dieser Tools oder kreative Ausweichtechniken der Mitarbeiter nicht auszuschliessen.
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16 Wissensmanagement
Bild 464: Informations- und Kommunikationstechnik – Dokumentenmanagementsystem
Bild 465: Unterstützungsfunktionalitäten von Groupware-Anwendungen [16-23]
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
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Bild 466: Einsatz einer Internetkommunikationsplattform, Projekt CERN
Fokus Organisation und Prozesse
Durch Mitarbeitermotivation und unterstützender Informationstechnologie allein kann das Potenzial des Wissensmanagements noch nicht ausgeschöpft werden. Entsprechende organisatorische und prozessorientierte Massnahmen bieten hier eine ideale Ergänzung. Das Spektrum dieser Massnahmen reicht von der Bildung von Erfahrungsgruppen bis zur Neugestaltung der Unternehmensorganisation und -prozesse. Das Ausmass der organisatorischen Gestaltung wird vom angestrebten Ziel, der vorhandenen Organisationsstruktur und der Vorgeschichte von Organisationsumgestaltungen bestimmt. Die folgenden Punkte sollen Möglichkeiten von organisatorischen und prozessorientierten Massnahmen aufzeigen: Formen der Zusammenarbeit: Arbeiten in Teams „Der häufigste Entstehungsort kollektiven Wissens in modernen Organisationen ist das Team oder die Arbeitsgruppe.“ [16-21]. Aus der Übertragung von Aufgaben und Projekten an Teams anstatt an Einzelpersonen resultiert also für das Unternehmen ein Wissensgewinn.
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16 Wissensmanagement
Jobrotation Durch gezielte Stellenwechsel kann sich ein Mitarbeiter durch die eigene Arbeit Wissen und Erfahrungen von verschiedenen Stellen aneignen. Sein Wissen vergrössert sich und befähigt ihn, bei seiner Tätigkeit die Anforderungen und Schwierigkeiten aus verschiedenen Bereichen zu berücksichtigen. So können z.B. Erfahrungen aus der Instandsetzung gezielt auch beim Neubau einfliessen und damit Quellen späterer Mängel vermieden werden. Austausch der Mitarbeiter Durch einen Austausch von Mitarbeitern zwischen einzelnen Niederlassungen kann vom gegenseitigen Wissen profitiert werden, z.B. lernen Mitarbeiter während eines begrenzten Zeitraums gezielt für ein anstehendes Projekt vom vorhandenen Wissen der Gastniederlassung. Gleichzeitig arbeiten sie für die Gastniederlassung, um eine Win-Win-Situation zu erreichen. Dadurch wird die Bereitschaft der Gastniederlassung, ihr Wissen weiterzugeben, erhöht. Interne ARGE Durch Zusammenschluss einzelner Niederlassungen zu einer internen ARGE können, analog zu einer externen ARGE, Ressourcen besser genutzt und die einzelnen Stärken eingebracht werden. Dies ist eine zusätzliche Möglichkeit, vom Wissen des oder der Partner zu lernen. Qualitätszirkel Qualitätszirkel sind Gesprächsrunden von fünf bis zehn Mitarbeitern aus unteren Hierarchieebenen. Sie besprechen in Eigenverantwortung auf freiwilliger Basis selbstgewählte Probleme aus ihrem Arbeitsbereich und versuchen, diese zu lösen. Im Rahmen der Problembearbeitung sollen Qualitätszirkel Probleme identifizieren, auswählen und analysieren, Lösungsvorschläge entwickeln sowie genehmigte Problemlösungen möglichst auch selbst umsetzen und den Erfolg kontrollieren. Betriebliches Vorschlagswesen Ein betriebliches Vorschlagswesen kann von den Erfahrungen und dem Wissen von Mitarbeitern profitieren, die durch Vorschläge dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Zufriedenheit der Menschen zu erhöhen und die Produktivität zu steigern. Gewonnene Erfahrungen nutzen: Projektdokumentationen Ziel ist eine systematische Projektdokumentation auf elektronischer Basis mit einfachen Zugriffsmöglichkeiten. Die Projekte sind dabei mit allen notwendigen Details zu dokumentieren, um Rückschlüsse und Lehren für
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
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spätere Projekte ziehen zu können. Im Sinn einer grösseren Benutzerfreundlichkeit können die Dokumentationen mit einem Rating für ihre Aussagekraft versehen werden. Best practices Bei regelmässig wiederkehrenden Handlungen oder Prozessen können Handlungsweisen oder Prozessabläufe lokalisiert werden, die zum besten Resultat führen. Sie können durch schriftliches Festhalten mit allen ihren Details, Randbedingungen und Zusammenhängen reproduziert und von allen betroffenen Anwendern des Unternehmens benützt werden. Die Verwendung dieser best practices spart unternehmensweit Zeit und Geld ein. After Action Review / Schlussgespräch Am Ende eines Projekts wird mit allen Beteiligten ein Rückblick auf das bearbeitete Projekt gehalten und sowohl das Projekt als auch das Projektmanagement und die Zusammenarbeit untereinander kritisch betrachtet. Dabei werden Verbesserungsmöglichkeiten gesucht und Lehren für die Zukunft gezogen. Aus einem After Action Review / Schlussgespräch können „lessons learned“ resultieren. Lessons learned In einem Projekt gemachte Erfahrungen, die auch für andere von Nutzen sein können, werden als lessons learned dokumentiert und allen betroffenen Mitarbeitern z.B. über Intranet zur Verfügung gestellt. Dies verhindert die Wiederholung begangener Fehler und reduziert den Aufwand für die Erarbeitung neuer, ähnlicher Projekte. Austrittsinterviews Bei einem Austritt oder internen Stellenwechsel kann durch ein gezieltes Interview mit dem betreffenden Mitarbeiter ein Teil seines impliziten Wissens für die Organisation erhalten werden. Dabei geht es um Inhalte, die auf Erfahrungen beruhen und nicht schriftlich festgehalten wurden oder nicht festgehalten werden können. Erfahrungsgruppen Mitarbeiter, die an vergleichbaren Aufgaben arbeiten, treffen sich regelmässig, um Probleme zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Sie erhalten dadurch Hilfestellung bei ihren spezifischen Problemen sowie Tipps und Anregungen zur effizienteren Bearbeitung ihrer Aufgaben. Wissensgemeinschaften Wissensgemeinschaften sind Gruppen von Mitarbeitern, die in Bezug auf ihre Aufgaben ein ähnliches Wissensbedürfnis haben und entsprechendes Wissen nun gemeinsam erarbeiten. Wissensgemeinschaften können auch mit der Absicht gegründet werden, neue Wissensgebiete zu erschliessen.
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16 Wissensmanagement
Expertennetzwerke Expertennetzwerke ermöglichen einen schnellen Zugriff auf Spezialwissen. Man weiss, wen man im Bedarfsfall ansprechen kann, und muss nicht erst nach dem entsprechenden Wissen bzw. Wissensträger suchen. Expertenzirkel Eine Gruppe erfahrener Projektleitern beurteilt zusammen mit dem zuständigen Projektleiter zu Beginn eines Projekts dessen Chancen und Risiken, schlägt mögliche Lösungsansätze vor und lässt ihr Wissen in das Projekt einfliessen. Dies trägt dazu bei, gemachte Erfahrungen zu nutzen und das Wiederholen von Fehlern zu vermeiden. Wissenskarten Das relevante Wissen des Unternehmens wird systematisch erfasst und kartiert. Zweck einer Wissenskarte ist die Steigerung der Transparenz des vorhandenen Wissens [16-21]. In den Wissenskarten werden Wissensträger für bestimmte Wissensfelder identifiziert, damit andere Mitarbeiter bei ähnlichen Fragestellungen auf einen Wissensträger zurückgreifen können. Zeitschriftenauswertung Durch die Auswertung von Fachzeitschriften bleibt man in Kontakt mit dem Wissensstand auf dem entsprechenden Gebiet und kann vom Wissen und den Erfahrungen anderer Fachkräfte profitieren. Kontaktmöglichkeiten schaffen: Sitzungen Sitzungen zu spezifischen Themen oder Projektaufgaben dienen der direkten Kommunikation zwischen einzelnen Personen. Sie können auf allen Hierarchiestufen und zu verschiedensten Themen und Zwecken stattfinden. Fachbereichsleiter / Know-how-Träger Über alle Niederlassungen eines Unternehmens hinweg kann ein Fachbereichsleiter u.a. für die fachliche Beratung in Spezialfragen, die Ausbildung der Mitarbeiter, den Wissensfluss oder die Koordination zwischen den Niederlassungen in seinem Fachgebiet zuständig sein. Er kann z.B. in einem Wissenskataster als Know-how-Träger registriert sein. Arbeitstagungen Arbeitstagungen können auf Kaderniveau zur Erarbeitung oder Kommunikation von neuen Strategien, Konzepten, Systemen usw. eingesetzt werden und haben den positiven Nebeneffekt, dass sich die Teilnehmer dadurch auch besser kennen lernen. Bei entsprechender Ausgestaltung stellen sie
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
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auch eine Belohnungs- oder Motivationsmöglichkeit für die Teilnehmer dar und können das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Schulungen Schulungen, wie sie in jedem Bereich abgehalten werden sollten, können bei geschäftsbereichsübergreifender Durchführung einen positiven Nebeneffekt haben. Die Mitarbeiter lernen sich gegenseitig kennen und vergrössern dadurch ihr persönliches Beziehungsnetz, was ihnen bei der Arbeit wieder zugute kommt. Gemeinsame Kaffeepause und Mensa Gemeinsame Pausen werden häufig zum Besprechen von Problemen oder zum Informationsaustausch benutzt. Sie verursachen dem Unternehmen keine Kosten, erzielen jedoch einen grossen Nutzen. Gemeinsame, ungezwungene Anlässe Gemeinsame Anlässe fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit dem Unternehmen. Ausserdem werden an solchen Anlässen häufig Informationen im Zusammenhang mit der Arbeit ausgetauscht, was schliesslich wieder dem Unternehmen zugute kommt. Türen geöffnet lassen Die Arbeitsumgebung soll so gestaltet werden, dass man sich gern auch zwischendurch kurz unterhält. Geschlossene Türen würden solche informellen Gespräche, bei denen auch Informationen ausgetauscht und Anregungen für Problemlösungen gewonnen werden, oft schon unterbinden, bevor sie überhaupt entstehen, und das Arbeitsklima negativ beeinflussen.
Bei all diesen Massnahmen muss der intendierte Nutzen den Kosten gegenüber gestellt werden. Offene Türen z.B. stärken die fachliche Kommunikation; werden sie aber nur für Privatgespräche genutzt, sind sie kontraproduktiv. In solchen Fällen müssen die organisationale Aufgabenverteilung und die Leistungsanforderung an die Mitarbeiter angepasst werden. Die Umsetzung einfacher Wissensmanagementinstrumente in einem Bauunternehmen ist phasenbezogen in Bild 467 dargestellt.
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16 Wissensmanagement Gestaltungsdimensionen
Phase 3
Organisation / Kommunikation
Best practice
Erweiterte Mitarbeiterbeurteilung
Informations - und Kommunikations technik Datenbanken DMS
Erweiterte Jobrotation
Projektdokumentation
Phase 2
Personal
GL-Fachbereichsleiter/ Wissenskoordinator
Lessons learned
Beförderung / Anreize
Expertenzirkel
Mitarbeiterrotation
Erfahrungsgruppen
Internet
Erfolgsprämie
Phase 1
Austrittsinterview
SpartenFachbereichsleiter/ Wissenskoordinator Betriebliches Vorschlagswesen Lokalisation von Experten
After Action Review / Schlussgespräch
Teamzusammensetzung
E- Mail
Experten / Wissenstransfer
Seminar Mitarbeiterführung
Intranet
freie Mitarbeiterkommunikation
Projektarchivierung
Wissensmanagement der Bau AG
Bild 467: Aufbauphasen und Massnahmen zur Einführung eines einfachen Wissensmanagements in einem Bauunternehmen
16.2.4 Prominente Wissensmanagementmodelle
Unternehmen haben bis anhin schon immer Anstrengungen unternommen, ihre Wissensressourcen aktiv und zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sie stellen beispielsweise gezielt neue Mitarbeiter ein, die wichtige und im Unternehmen eventuell fehlende Fähigkeiten für die Leistungserstellung mitbringen. Unternehmen versuchen auch, das Wissen erfahrener Mitarbeiter anderen Mitarbeitern zugänglich zu machen, indem sie z.B. neuen und jüngeren Mitarbeitern einen „Paten“ zuweisen. Des Weiteren werden oft auch in regelmässigen internen Seminaren Erfahrungen zu spezifischen Themen ausgetauscht. Wissensmanagementkonzepte oder -modelle beabsichtigen nun, eine Systematik zu entwerfen, mit der diese oft willkürlich eingesetzten Massnahmen im Rahmen einer Wissensstrategie gezielt gestaltet und umgesetzt werden können. Die Nutzung und Pflege erfolgsrelevanten Wissens wird somit nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern systematisch initiiert und durchgeführt. In der Literatur ist eine Vielzahl von Ansätzen und Modellen für das Wissensmanagement zu finden, die oft unterschiedliche Ziele verfolgen. So existieren Modelle, die beispielsweise die Wissensumwandlung von
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
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implizit zu explizit usw. betrachten (NONAKA und TAKEUCHI, [16-15]) oder die grundlegenden Aktivitäten eines Wissensmanagements als Bausteine beschreiben (PROBST et al., [16-21]). Im Folgenden werden die beiden erwähnten Modelle kurz erläutert. Modell der Wissensspirale von Nonaka und Takeuchi
Die beiden Japaner NONAKA und TAKEUCHI [16-15] präsentierten 1995 anhand von Untersuchungen japanischer Unternehmen ein theoretisches Modell mit der Idee der „Wissensspirale“. In diesem Modell werden die Übergänge vom impliziten zum expliziten Wissen über die Stufen der Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung in einem sich selbst verstärkenden dynamischen Prozess der Kreation organisationalen Wissens (Bild 468) erklärt und dargestellt. In Bezug auf die Wissensnutzung und den Wissenstransfer beschreibt NONAKA den kontinuierlichen Kreislauf des Wissens: Implizites Wissen identifizieren, durch Externalisierung explizieren, um es nutzbringend bei Wissenslücken einzusetzen, und das erlernte explizite Wissen durch Internalisierung zu implizitem Wissen zurückführen. Für das Wissensmanagement bedeutet dies, dass der Wissenstransfer vorwiegend mittels Übergabe von explizitem Wissen geschieht. Eine weitere Möglichkeit für den Wissenstransfer wäre die Sozialisation, die durch den Übergang vom impliziten Wissen einer Person zum impliziten Wissen einer anderen Person charakterisiert ist. Dies geschieht durch Beobachtung, Nachahmung und Übung einer Handlung in einer gemeinsamen Handlungspraxis. Zielpunkt
Implizites Wissen
Explizites Wissen
Sozialisation Implizites Wissen
Sozialisation
Externalisierung
Internalisierung
Kombination
Externalisierung
Ausgangspunkt
Explizites Wissen
Internalisierung
Kombination
Bild 468: Formen der Wissenstransformation und Wissensspirale nach NONAKA und TAKEUCHI [16-15]
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16 Wissensmanagement
Bild 469: Erklärungsmodell: Wissensspirale nach NONAKA und TAKEUCHI [16-15]
Wissensmanagement-Bausteinmodell von Probst, Raub, Romhardt
Aus der Zusammenarbeit mit Führungskräften verschiedenster Branchen wurden von PROBST, RAUB und ROMHARDT [16-21] die Probleme in Bezug auf das Wissen in Organisationen identifiziert, gruppiert und zu Problemkategorien zusammengefasst. Diese Systematisierung ergab eine Reihe von Aktivitäten, die PROBST, RAUB und ROMHARDT als Bausteine des Wissensmanagements bezeichnen (Bild 470). Diese Bausteine stehen in Interaktion zueinander. Die Autoren weisen darauf hin, dass eine isolierte Optimierung einzelner Bausteine ohne Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die anderen Bausteine vermieden werden sollte. Die einzelnen Wissensmanagement-Bausteine können wie folgt charakterisiert und beschrieben werden [16-21]:
x Wissensziele: Die Wissensziele geben den Aktivitäten des Wissensmanagements eine Richtung vor. Normative Wissensziele richten sich auf die Schaffung einer wissensbewussten Unternehmenskultur, um die Voraussetzungen für ein effektives Wissensmanagement in der Unternehmensorganisation zu schaffen. Strategische Wissensziele definieren das organisationale Schlüsselwissen und beschreiben somit auch den zukünftigen Kompetenzbedarf eines Unternehmens. Operative Wissensziele sorgen für die Umsetzung des Wissensmanagements und stellen die Konkretisierung der normativen und strategischen Zielvorgaben dar.
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
Wissensziele
Feedback
Wissensidentifikation
1001
Wissensbewertung
Wissensbewahrung
Wissenserwerb
Wissensnutzung
Wissensentwicklung
Bild 470: Wissensmanagement-Bausteinmodell ROMHARDT [16-21]
Wissens(ver)teilung
von
PROBST,
RAUB
und
x Wissensidentifikation: Die Massnahmen der Wissensidentifikation dienen der Schaffung einer Transparenz über intern und extern vorhandenes Wissen. Mangelnde Transparenz führt zu ineffizienten Abläufen, mangelhaft abgestützten Entscheidungen und Doppelspurigkeiten. Die Wissensidentifikation unterstützt neben der Transparenz auch die Mitarbeiter bei der Suche nach relevantem Wissen. x Wissenserwerb: Der Wissenserwerb behandelt das Erwerben von Fähigkeiten aus externen Quellen. In den Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Konkurrenten und Kooperationspartnern besteht ein erhebliches und oft unausgeschöpftes Potenzial des Wissenserwerbs. Unternehmen können sich durch Rekrutierung von Experten oder durch die Akquisition von innovativen Firmen Know-how beschaffen, das sie aus eigener Kraft nicht entwickeln könnten oder dessen Aufbau zu lange dauern würde. x Wissensentwicklung: Die Wissensentwicklung gilt als komplementärer Baustein zum Wissenserwerb. Im Mittelpunkt steht dabei die Produktion neuer Fähigkeiten, neuer Produkte, innovativer Ideen und leistungsfähigerer Prozesse. Die Wissensentwicklung umfasst alle Managementaktivitäten, mit de-
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16 Wissensmanagement
nen die Organisation sich bewusst um die Produktion bisher intern noch nicht existierender Fähigkeiten bemüht. Das für den Unternehmenserfolg relevante Wissen kann, neben der klassischen Verankerung der Wissensentwicklung in der Forschung und Entwicklung, auch in allen anderen Bereichen der Organisation entstehen.
x Wissens(ver)teilung: Die Wissens(ver)teilung stellt die Nutzbarkeit isoliert vorhandener Erfahrungen, Informationen oder Wissens in der gesamten Organisation sicher. Dabei müssen nicht alle Personen alles wissen; das ökonomische Prinzip der Arbeitsteilung verlangt eine sinnvolle Beschreibung und Steuerung des Wissensverteilungsumfangs. Die Wissens(ver)teilung betrifft somit den Prozess der Verbreitung bereits vorhandenen Wissens innerhalb der Organisation und umfasst auch den Übergang des individuellen Wissens in die organisationale Wissensbasis. x Wissensnutzung: Die Wissensnutzung ist das Hauptziel eines Wissensmanagements; sie stellt mit entsprechenden Massnahmen die Anwendung bzw. den produktiven Einsatz organisationalen Wissens zum Nutzen des Unternehmens sicher. Im Baustein der Wissensnutzung müssen die Barrieren überwunden werden, die eine Nutzung von fremdem Wissen beschränken. x Wissensbewahrung: Damit sich ein Unternehmen vor Wissensverlusten schützen kann, bedarf es des Bausteins der Wissensbewahrung. Einmal erworbene Fähigkeiten stehen nicht automatisch für die Zukunft zur Verfügung. Mit gezielten Managementaktivitäten muss eine gezielte Bewahrung von Erfahrungen, Informationen oder Dokumenten sichergestellt werden. Der Wissensbewahrungsprozess beruht auf der effizienten Nutzung verschiedenster organisationaler Wissensspeichermedien und gestaltet bewusst die Prozesse der angemessenen Speicherung bewahrenswerten Wissens und dessen regelmässiger Aktualisierung. x Wissensbewertung: Die Wissensbewertung beinhaltet die Messung der Lernprozesserfolge. Bei der Bewertung zeigt sich, welche Qualität die formulierten Zielvorstellungen und die dafür implementierten Wissensmanagementprozesse hatten. Die Messung weicher Faktoren bedarf des Einsatzes entsprechend geeigneter Messverfahren und Indikatoren. Da die Massnahmen des Wissensmanagements Unternehmensressourcen (Zeit der Mitarbeiter, Kosten für Massnahmen) beanspruchen, muss ihre Erfolgswirksam-
16.2 Grundlagen zum Wissensmanagement
1003
keit mit der Wissensbewertung belegt werden. Dieser Controllingprozess ermöglicht Kurskorrekturen und Anpassungen bei der Durchführung von längerfristigen Wissensmanagementmassnahmen. Wissensverteilung – Personalisierung vs. Kodierung
Für den Teilprozess der Wissensverteilung werden zwei konträre Strategien unterschieden: die Kodierung und die Personalisierung. Kodierung (codification strategy): Das Wissen wird sorgfältig kodiert und in z.B. Datenbanken und Handbüchern abgelegt, wo jeder Mitarbeiter auf das Wissen zugreifen kann. Das Wissen wird vom Individuum getrennt. Personalisierung (personalization strategy): Der Wissenstransfer findet durch Interaktion der Individuen statt (z.B. Gespräch, Mentorenmodell). Das Wissen wird nicht von den Individuen getrennt aufbewahrt.
Für die Wahl der geeigneten Wissensverteilungsstrategie können die in Tabelle 28 genannten Kriterien herangezogen werden. Es wird zwischen Kriterien der Organisation und Kriterien des Wissens differenziert. Tabelle 28: Kriterien für die Strategieentscheidung Kodierung vs. Personalisierung
Kriterien der Organisation
Kriterien des Wissens
Dezentralisation
Vertraulichkeit des Wissens Komplexität Klassifizierbarkeit Wissensdynamik Anteil an implizitem Wissen
Die Anwendung der Kodierungs- oder Personalisierungsmethode ist von sechs Dimensionen abhängig: Dezentralisation Da der Wissenstransfer bei der Personalisierung durch die Interaktion der Individuen erfolgt, hemmt eine ausgeprägte Dezentralisation, wie sie im Bauwesen gegeben ist, die Personalisierungsstrategie. Wie in Kapitel 16.2.3 (Fokus Mitarbeiter) gezeigt wurde, muss für ein funktionierendes Wissensmanagement ein hohes Vertrauensniveau gegeben sein; die Ver-
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16 Wissensmanagement
trauensbildung beruht jedoch auf persönlichen Kontakten, denen die Dezentralisation entgegensteht. Vertraulichkeit des Wissens Die Berücksichtigung der Vertraulichkeit des Wissens ist mit beiden Strategien möglich. Wird den Individuen kodiertes Wissen zur Verfügung gestellt, damit sie es im Bedarfsfall abholen können (Holschuld des Individuums), entsteht ein etwas höherer Aufwand für die Geheimhaltung. Komplexität Komplexes Wissen ist nicht für die Kodierung geeignet, da die für Dritte verständliche Explizierung sehr schwierig ist und komplexes, kodiertes Wissen von Dritten nicht aufgenommen wird bzw. nicht aufgenommen werden kann. Klassifizierbarkeit Die Klassifizierbarkeit ist eine notwendige Bedingung für das Kodieren; nur so ist ein effektives Finden bzw. Wiederfinden möglich. Auf die Personalisierung hat die Klassifizierbarkeit keinen Einfluss. Wissensdynamik
Für die Kodierung eignet sich lediglich Wissen mit geringer Dynamik, da eine kodierte Wissensbasis zu jedem Zeitpunkt gültig sein muss. Die Wissensdynamik ist proportional zu dem erforderlichen Aufwand für die Pflege der kodierten Wissensbasis. Auf die Personalisierung hat die Wissensdynamik keinen Einfluss. Anteil an implizitem Wissen Wissen weist einen sehr starken Kontextbezug auf; es ist untrennbar mit den Erfahrungen und Werten des jeweiligen Individuums verbunden. Beim Explizieren des Wissens muss theoretisch entweder der gesamte Kontext mit expliziert werden, oder der Empfänger muss über den gleichen Kontext verfügen. Beides ist praktisch nicht gegeben bzw. schwierig. Wissen mit einem zu hohen Kontextbezug, d.h. mit einem zu hohen Anteil an implizitem Wissen, z.B. das Lernen von Radfahren mit einer Gebrauchsanweisung, ist nicht für die Kodierung geeignet.
16.3 Wissensmanagement in Bauunternehmen 16.3.1 Einsatzmöglichkeiten des Wissensmanagements
Bei der Planung eines Wissensmanagements ist zwischen der normativen, strategischen und operativen Geschäftsebene zu unterscheiden. Während
16.3 Wissensmanagement in Bauunternehmen
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auf normativer und strategischer Ebene die Entwicklung neuer Geschäftsfelder und die Existenzsicherung des Unternehmens im Vordergrund stehen, umfasst das operative Geschäft in Unternehmen der Bauwirtschaft die Abwicklung von Bauprojekten und bildet zeitlich und inhaltlich den Schwerpunkt der Mitarbeitertätigkeit. Aus dieser einfachen Gegenüberstellung lässt sich erkennen, dass – je nach Fokus – unterschiedliche Anforderungen an ein Wissensmanagement gestellt werden müssen. Auf operativer Ebene soll Wissensmanagement ein Beitrag zur Optimierung von Bauprojekten (Qualität, Zeit, Kosten) leisten; auf strategischer Ebene ist in Bezug auf das Leistungsangebot eher der Überblick über im Unternehmen vorhandene bzw. erforderliche Kompetenzen von Bedeutung. Das Setzen von Wissenszielen gibt den Aktivitäten des Wissensmanagements eine Richtung. Dabei kann sowohl auf die Schaffung einer Unternehmenskultur, die Wissen als wichtige Ressource erkennt und stützt, wie auch auf die Definition unternehmerischen Kernwissens oder konkreter operativer Wissensziele fokussiert werden. Die Gestaltungsmassnahmen eines intendierten Wissensmanagements im Bauwesen und insbesondere in Unternehmen der Bauwirtschaft werden einerseits durch Branchenspezifika und andererseits durch die bekannten Ansätze und Instrumente des Wissens-, Informations- und Kommunikationsmanagements geprägt. Dies führt als Synthese zu einem branchenspezifischen Ansatz (Bild 471).
Komplexität ( Bau - Umwelt) Viele Schnittstellen
Zeitdruck durch Preiswettbewerb
“Projektsicht ” (kurzfristig)
Unikatcharakter Spezifität
Branchen- und technologiegetriebener Ansatz
Organisatorische Aspekte
Kulturelle Aspekte
Gestaltungsmassnahmen für Wissens management in Bauunternehmen
Tools / IT - Instrumente Personelle Aspekte
Bekannte Modelle und Ansätze
Bild 471: Einflüsse auf die Gestaltungsmassnahmen des Wissensmanagements in Bauunternehmen
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16 Wissensmanagement
Die folgenden Ausführungen sollen beispielhaft mögliche Ansatzpunkte für ein Wissensmanagementprojekt aufzeigen. Der gesamte Ablauf eines Bauprojekts wird durch unzählige kleinere und grössere Entscheidungen der Projektbeteiligten beeinflusst. Dies wird in Bild 472 am Beispiel der Selektion der Fassade für ein Gebäude deutlich. In der Regel werden einige der Entscheidungen durch bestehende Instrumente unterstützt; der der Grossteil jedoch wird intuitiv oder unter Unsicherheiten gefällt.
Grösserer Problemfokus
Befestigung ?
Konstruktionselemente ?
Umgebung ?
Wahl der Fassade ? Investitionskosten ? Architektur ?
Engerer Problemfokus
Instandhaltung ?
Abriss ?
Heizung / Lüftungssystem ? Einfluss auf die Umwelt ? Herstellungs- und Unterhaltskosten ? Betrieb ?
Bild 472: Interaktion des Wissens um die Entscheidung für die Fassade eines Gebäudes
Die Auswirkungen der mangelnd fundierten Entscheidungen können in unnötigen und wiederholten Fehlern, grösserem Zeitaufwand, unnötigen Kostenüberschreitungen und unzufriedenen Kunden bestehen und den wirtschaftlichen Erfolg eines Bauprojekts massgeblich gefährden. Eine Optimierung der zur Verfügung stehenden Entscheidungsgrundlagen könnte z.B. durch
x systematische Analyse der Kundenbedürfnisse in der Projektfrühphase, x Dokumentation und Austausch von Projekterfahrungen zur Vermeidung gleicher Fehler innerhalb des Unternehmens, x gegenseitige Kenntnis von parallelen Projekten mit ähnlichen Problemstellungen,
16.3 Wissensmanagement in Bauunternehmen
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x Minimierung der Informationsüberflutung und verbesserte Informationsqualität, x interne Bekanntmachung entwickelter Verfahren oder Technologien, x verbesserte Kenntnis der Fähigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter, x vermehrten Austausch wettbewerbsentscheidenden Wissens (über Kunden, Markt, Konkurrenz, Verfahren etc.) zwischen verschiedenen Abteilungen, x verbesserten Überblick über extern verfügbares Wissen (Lieferanten, Unternehmer, Planer etc.) erreicht werden. Bei der Identifizierung der Probleme, die mit Wissensmanagement bzw. klaren, zielorientierten Wissensmanagementprozessen gelöst oder zumindest verbessert werden sollen, ist kritisch darauf zu achten, dass möglichst die Ursache des Problems und nicht seine Auswirkung Gegenstand des Wissensmanagements ist. 16.3.2 Grenzen der Übertragbarkeit bestehender Wissensmanagementmodelle
Aus den spezifischen Aspekten und Prozessen der Bauwirtschaft ergeben sich Grenzen für die Übertragbarkeit bestehender Wissensmanagementmodelle und -konzepte. Die folgenden Eigenschaften von Bauprojektabwicklungen und Bauobjekten haben massgeblichen Einfluss auf die Gestaltung und Wirkung von Wissensmanagementmassnahmen (Bild 471):
x x x x x x
Unikatcharakter der Bauprojektabwicklungen und Bauobjekte Abstellung des Herstellungsprozesses auf den Unikatcharakter Produktion am Ort der Nutzung Komplexität der Problem- und Aufgabenstellungen Komplexität des Bauleistungsprozesses (Planung und Ausführung) Lebensdauer der baulichen Anlagen (Interaktion von Investitions- und Nutzungskosten)
Für die Nutzung von Projekterfahrungen und projektspezifischen Informationen bei anderen Projekten bedeutet der Unikatcharakter der Bauobjekte vor allem, dass der jeweilige Kontext des Wissens beim Einsatz in neuen Projekten berücksichtigt und hinsichtlich seiner Gültigkeit geprüft werden muss.
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16 Wissensmanagement
16.3.3 Konzept des Wissensmanagements in Bauunternehmen
Um die brachliegenden Effizienzreserven zu mobilisieren und zur wettbewerbsdifferenzierenden Entwicklung von lebenszyklusoptimierten Komplettlösungen – so genannten SysBau-Leistungen – im Rahmen von Kooperationen und Allianzen gewerke- und funktionsübergreifend zu nutzen, bedarf es als Voraussetzung für Innovationen einer Verknüpfung der dazu erforderlichen Kompetenzen sowie einer Identifizierung und Nutzung des vorhandenen Know-hows. Ein auf strategischer Ebene ansetzendes Wissensmanagement stellt hierbei die Basis für das Erbringen neuer, kundenorientierter Leistungsangebote dar. Ziele des Wissensmanagements sind (Bild 470):
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Wissenserwerb Wissensentwicklung Wissensverteilung Wissensnutzung Wissensbewahrung Wissensbewertung
Der Einsatz eines Wissensmanagements verfolgt z.B. bei einem Gesamtleistungsanbieter zwei unterschiedliche Zielsetzungen:
x Auf strategischer Ebene ist die Frage zu beantworten, welches Schlüsselwissen der Systemführer notwendigerweise vorhalten muss, um die Gesamtoptimierung der verschiedenen Teilsysteme und die flexible Weiterentwicklung der Komplettlösungen in den verschiedenen Projektund Objektphasen zu gewährleisten. x Auf operativer Ebene müssen die verschiedenen Teilleistungen des Systemführers und der Kooperationspartner über die Schnittstellen hinweg im Bauprozess derart vernetzt werden, dass einerseits Teiloptimierungen im Planungs- und Ausführungsprozess, andererseits aber auch – trotz teilweise unterschiedlicher Optimierungsbestrebungen der beteiligten Leistungsträger – eine Gesamtoptimierung erreicht werden kann. Das Wissensmanagement ist jedoch auch für Planer, Bauunternehmer und Ausbauunternehmer, die ihr Geschäft mit konventionellen Leistungsangeboten betreiben, immer wichtiger für die optimale Bewirtschaftung und Nutzung ihres Wissens und Know-hows. Für eine erfolgreiche Anwendung von Wissensmanagement in Bauunternehmen reicht es nicht aus, nur die bekannten Werkzeuge des Wissensmanagements zu übertragen, sondern die branchenspezifischen Besonderheiten (Bild 471) müssen in diesen Managementprozess integriert werden.
16.3 Wissensmanagement in Bauunternehmen
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Prinzip der Optimierung von Systemleistungen Damit ein Systemführer überhaupt eine Gesamtoptimierung der einzelnen Teilleistungen erreichen kann, muss er die Fähigkeit zu einem entsprechenden Problemlösungsverhalten besitzen. Oft wird durch den Zeitdruck in der Projektabwicklung die für die Problemlösung notwendige Informationsgewinnung auf nur einen Ausschnitt des Entscheidungsfelds beschränkt, oder es wird nur nach Lösungsvarianten gesucht, die zwar einen befriedigenden Umsetzungserfolg versprechen, aber nicht unbedingt die optimale Lösung darstellen. Diese „Strategie der kleinen Schritte“ schränkt die Handlungsmöglichkeiten bei später folgenden Entscheidungen bezüglich einer Optimierung massiv ein. Aus diesem Grund muss der Systemführer nicht nur über eine Problemlösungsmethodik verfügen, die eine Gesamtoptimierung der miteinander verbundenen Entscheidungen im Planungs- und Bauprozess ermöglicht, sondern auch über spezifisches Systemwissen hinsichtlich der gegenseitigen Abhängigkeiten aller Entscheidungsfelder. Bei z.B. der Wahl der Fassade müssen, neben der Abhängigkeit von der Architektur, der Lüftung, den Kosten etc., auch wiederum die weiteren Abhängigkeiten dieser Kriterien berücksichtigt werden. Ferner sind, neben den planerischen Aspekten, die Erfahrungen der Ausführung, der Nutzung, der Instandhaltung und evtl. des Rückbaus mit einzubeziehen (Bild 472). Wissensmanagement auf strategischer Ebene Das für eine solche Entscheidungsfindung notwendige Wissen kann als Schlüsselwissen bezeichnet werden. Der angehende Systemführer muss deshalb zuerst die geplante Systemleistung derart „simulieren“, dass er die wesentlichen Entscheidungsabhängigkeiten bestimmen kann. Die daraus resultierenden Erkenntnisse bezüglich des Systemwissens werden, unter Berücksichtigung der aus Planung, Ausführung, Nutzung und Rückbau gewonnenen Erfahrungen, als Sollwissen aufgelistet. Ferner sollte versucht werden, das Systemführerwissen zu identifizieren. Durch eine Unternehmensanalyse werden die in dem Unternehmen vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeiter erfasst und die derzeitigen Kernkompetenzen dargestellt. Für den angehenden Systemführer (Bild 473) stellt sich die Frage, ob die im Unternehmen fehlenden Kompetenzen intern aufgebaut oder über Kooperationspartner vervollständigt werden sollen. Aus der Beantwortung dieser Frage ergibt sich die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern, die das komplementäre Schlüsselwissen zum Erbringen einer ganzheitlich optimierten Systemleistung einbringen. Das weitere Know-how kann von Subunternehmen eingekauft werden.
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16 Wissensmanagement
Leistungsbündel / Leistungsumfang definieren
Identifikation des notwendigen Know-hows in den einzelnen Projektphasen
Schlüsselwissen des Systemführers
Im eigenen Unternehmen
Erfassen von Mitarbeitern und deren Know-how
vorhanden
Bereitstellung organisieren
Beurteilung der Wissensart
nicht vorhanden
Strategische Allianz
Ergänzungs- und Detailwissen
• Inhouse-Spezialist • Fachplaner • Subunternehmer
Erfassen von Mitarbeitern und deren Know-how
Bild 473: Stufen der Wissensidentifikation
Um die angebotenen Systemleistungen kontinuierlich zu optimieren bzw. weiterzuentwickeln, müssen die aus der operativen Abwicklung gewonnenen Erfahrungen systematisch analysiert und entsprechende Änderungen in die neuen Entscheidungs- und Ablaufprozesse eingeführt werden. Wissensmanagement auf operativer Ebene Damit nun auf Projektebene eine Gesamtoptimierung der anzubietenden Gesamt- bzw. Systemlösung überhaupt erreicht werden kann, muss das für einen bestimmten Entscheidungsprozess erforderliche Schlüsselwissen (prozessorientiertes Schlüsselwissen) über die Schnittstellen hinweg vernetzt werden. Mit anderen Worten ausgedrückt: Aufgrund der Abhängigkeiten der zu fällenden Entscheidung werden die betroffenen Projektmitglieder lokalisiert und entsprechende Wissensträger aus Planung, Ausführung, Instandhaltung bzw. Rückbau in den Entscheidungsprozess mit einbezogen. Das Ziel der Entscheidungsfindung ist, eine Lösung zu ermitteln, die eine möglichst grosse Handlungsfreiheit für die weiteren abhängigen Entscheidungen zulässt. Dies kann nur mit einer entsprechenden kooperativen Problemlösungsmethodik erreicht werden. In der Planung muss der Wissensstand durch gezielte Informationsflüsse so gestaltet werden, dass eine interaktive Planung möglich ist, bei der die Vielzahl der heutigen Planänderungsrunden zukünftig vermieden wird. Auch das Erbringen von Systemleistungen wird nicht ganz von Planungsänderungen oder Unsicherheiten bewahrt sein. Fehler in der Planung soll-
16.3 Wissensmanagement in Bauunternehmen
1011
ten jedoch durch Erkennen der jeweiligen Abhängigkeiten (z.B. Auswirkungen nachträglicher Änderungen von Heizung-Klima-Lüftung auf Schalungs-, Bewehrungs- und Werkpläne) minimiert werden. Pläne sollten den Planungsprozess nicht mehrmals durchlaufen müssen, weil z.B. einer der Fachplaner noch nicht die richtigen Informationen besitzt und somit noch keine endgültigen Entscheidungen treffen kann. Ein mehrmaliges Ändern von Plänen steigert die Fehleranfälligkeit und erhöht den entsprechenden Zeit- und Kostenaufwand. Dies sollte in zukünftigen Bauprozessen durch gezielte und rechtzeitige Bereitstellung der notwendigen Informationen für die am Bauprozess Beteiligten reduziert bzw. vermieden werden.
Bild 474: Strategischer Entscheidungsablauf – Personalisierung vs. Kodierung des Wissens
Jedes Unternehmen muss ein seiner Struktur angepasstes Wissensmanagementsystem installieren, so dass eine optimale Kosten-Nutzen-Relation erreicht wird. Explizierbares Wissen kann grundsätzlich durch Kodierung oder Personalisierung bereitgestellt werden. Entscheidend für die Strategie der Wissensnutzung (Bild 474) sind die Kriterien:
1012
16 Wissensmanagement
x Benutzerfreundlichkeit x Schnelligkeit des Zugriffs bzw. der Beantwortung von Fragestellungen x Aufbereitung von Wissen zur Übertragung auf analoge Zusammenhänge
Bild 475: Massnahmen und Verantwortung für die Wissensbewahrung
Um bei Wissensgebern und Wissensnutzern auf Akzeptanz zu stossen, muss das Wissensmanagement in den vorhandenen Managementprozess, z.B. in das Qualitätsmanagementsystem, integriert werden. Daher muss genau geprüft werden, ob das Konzept der Personalisierung oder der Kodierung zu bevorzugen ist (Bild 475). Die grundlegenden Unterschiede sind wie folgt:
x Bei der Personalisierung werden Wissensträger des Unternehmens systematisch zentral identifiziert. Entsteht Nachfrage nach spezifischen Wissensthemen, können die Wissensträger z.B. innerhalb von 24 oder 48 Stunden herangezogen werden. Diese Methode ist sicherlich aufgrund der oft komplexen Randbedingungen und Zusammenhänge, die das Wissen relativ schwierig prägnant kodierbar machen, für die Bauwirtschaft von Vorteil. x Bei der Kodierung wird das jeweilige identifizierte Wissen aus einem Projekt abstrahiert und auf Datenträgern nach Schlagworten auffindbar bereitgestellt. Diese Methode hat den Vorteil, dass das gespeicherte
16.4 Wissensmanagementprozessmodelle für Bauunternehmen
1013
Wissen bei Personalwechseln oder weit auseinander liegenden Baustellen und Niederlassungen stabil ist. In der Bauwirtschaft ist jedoch die sinnvolle Auswertung und Betreuung der Informationen und des Wissens in manchen Fällen sehr aufwendig. Aufgrund dieser Überlegungen ist es erforderlich, das Wissen in einem Unternehmen genauer nach Wissensclustern zu typologisieren und dann festzulegen, welche der beiden Methoden effizienter ist. Möglicherweise sollten Bauunternehmen einen differenzierten Mix anstreben.
16.4 Wissensmanagementprozessmodelle für Bauunternehmen 16.4.1 Ansätze für das Wissensmanagement in Bauunternehmen
Während etliche Unternehmen aus der stationären Industrie (z.B. Siemens, Audi) und Beratungsunternehmen (z.B. Boston Consulting Group, McKinsey) seit einigen Jahren aktiv Wissensmanagement in ihren Betrieben einsetzen, ist der systematische Einsatz in Bauunternehmen bisher nur gering. Die Wissensmanagementlösungen aus Forschung und Praxis (s. Kapitel 16.2.4) können zwar prinzipiell in Bauunternehmen eingesetzt werden; sie bieten aber keine systematische und konsequente Unterstützung für deren unternehmerische Erfolgsziele [16-2], [16-25] und stellen sich deshalb vor dem Hintergrund der Aufwand-Nutzen-Frage oft als wenig attraktiv dar. Wie schon erläutert, sollte ein für Bauunternehmen adäquates Wissensmanagementmodell Folgendes leisten können:
x Generieren eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses bei bestehenden Leistungsangeboten mit direkter Unterstützung der projektbezogenen Erfolgsziele (Aufträge gewinnen, Kundenzufriedenheit erreichen, Gewinn erzielen) x Unterstützen beim Aufbau der für die Entwicklung neuer Leistungsangebote (Leistungsinnovationen) notwendigen Fähigkeiten Ausgehend von dieser Situation wurden am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich zwei sich ergänzende Wissensmanagementprozessmodelle entwickelt, die folgende Ziele verfolgen:
x Systematisches Lernen aus Fehlern durch konsequente Fokussierung auf ereignisorientiertes Wissen aus Projekten durch den Controllingansatz (SCHMIDLE [16-25], s. Kapitel 16.5)
1014
16 Wissensmanagement
x Systematisches Lernen aus Erfolgen durch konsequente Fokussierung auf das Wissen über „best practice“-Erfolgsfaktoren von Projekten (BORNER [16-2], s. Kapitel 16.6) Als gemeinsame Basis beider Wissensmanagementprozessmodelle werden im Folgenden zuerst die Akteure beschrieben, die darin eine Rolle spielen. 16.4.2 Akteure und organisatorische Stellen für die Abwicklung der Wissensmanagementprozesse
Zur Strukturierung der Aufgabenzuteilung wurden in Analogie zur organisationstheoretischen Einteilung von KOSIOL [16-14] die Akteure in operativ und strategisch tätige Akteure eingeteilt. Die Gruppe der operativen Projektausführenden umfasst die Projektleiter und die Projektmitarbeiter (Handlungsakteure). Die Akteure im Management der Ablauforganisation (Unternehmensleitung, Divisionsleitung) sind übergeordnet und strategisch koordinierend tätig (Entscheidungsakteure). Bei der Durchführung der Wissensmanagementprozesse fallen allerdings Aufgaben wie z.B. die Identifikation des „best practice“-Wissens aus abgeschlossenen Projekten an, die von einer zentralen Stelle, z.B. einer Stabsstelle, in der Aufbauorganisation ausgeführt werden sollten. Die Akteure der Unternehmens- oder Divisionsleitung (Entscheidungsakteure) delegieren entsprechende Aufgaben zur Umsetzung und Anwendung der Wissensmanagementprozesse an diese zentrale Stabsstelle, die im weiteren Verlauf als Orga-Stelle KVP (Organisationsstelle Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) bezeichnet wird. Gemäss den obigen Ausführungen stellt das Wissensmanagement ein Element für einen gesamtunternehmerischen KVP im Rahmen einer lernenden Organisation dar. Weitere Elemente, die im Rahmen eines gesamtunternehmerischen KVP unterstützend wirken, sind beispielsweise das Qualitätsmanagement oder das Risikomanagement; die Umsetzung und Anwendung der entsprechenden Managementprozesse fällt auch in den Aufgabenbereich der Orga-Stelle KVP. Die Orga-Stelle KVP integriert demnach verschiedene Supportprozesse, die jeweils der Nutzung von Erfolgspotenzialen im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses einer lernenden Organisation dienen und somit Anbietervorteile im Wettbewerb erzeugen sollen. Im weiteren Verlauf wird aber hinsichtlich der Orga-Stelle KVP nur auf den Aufgabenbereich Wissensmanagement eingegangen. Die Form der Einbindung der Orga-Stelle KVP in die Organisation eines Bauunternehmens hängt im Wesentlichen von dessen Organisationsstruktur ab. In Bild 476 sind die organisatorische Einbindung der Orga-Stelle
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 1015
KVP und die entsprechenden Verantwortungsstrukturen sowohl für grosse Bauunternehmen mit Niederlassungs- oder Spartenstruktur als auch für mittelgrosse Bauunternehmen skizziert. Grosse Bauunternehmen
Mittelgrosse Bauunternehmen bzw. einzelne Divisionen
Unternehmensleitung Zentrale Orga-Stelle KVP
Divisionsleitung 1
Unternehmensleitung / Divisionsleitung Orga-Stelle KVP
Divisionsleitung n
Orga-Stelle KVP
Orga-Stelle KVP
Projektorganisation Projektleiter
Projektorganisation
Projektorganisation
Projektleiter
Projektleiter
Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Projektmitarbeiter
Bild 476: Organisatorische Einbindung der Akteure des Wissensmanagements [16-2]
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 16.5.1 Einführung in das Prozessmodell
Das hier vorgestellte Wissensmanagementmodell für Bauunternehmen hat das Ziel, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess einzuleiten und auszubauen. Es fokussiert ausschliesslich auf ereignisorientiertes Projektwissen in Bauunternehmen. Das identifizierte Wissen wird als ereignisorientiert bezeichnet, da es mittels Methoden des Projektcontrollings und somit aufgrund von Soll-Ist-Abweichungen ermittelt wird. Wegen dieser Fokussierung stellt das Modell kein umfassendes Wissensmanagementmodell für Bauunternehmen dar. Basis des Prozessmodells ist das Wissen aus Projekten, da die Projektorganisation die bevorzugte Organisationsform von Baumassnahmen ist und die Teammitglieder aus Bauprojekten lernen. Das grosse Potenzial
1016
16 Wissensmanagement
von Projektorganisationen als Quelle des Lernens ist durch folgende Kriterien gekennzeichnet [16-24]:
x Durch die hohe Komplexität und Andersartigkeit ergibt sich ein Lernprozess für die Projektmitglieder und eine Anreicherung ihrer Erfahrungen. Teammitglieder mit verschiedenen Erfahrungen ergänzen sich und lernen voneinander. x Der meist vorhandene hohe Zeitdruck führt zu Problemlösungsdruck. Die Teammitglieder werden gezwungen, sich mit den gestellten Aufgaben fokussiert auseinander zu setzen. x Durch den hohen Grad an Autonomie und Flexibilität der Teams ergeben sich umfangreiche Freiräume, die ein besonders lernförderndes Umfeld darstellen. In diesem Kontext gedeihen Kreativität und Innovation. x Die flache Hierarchie führt zu einer erhöhten Interaktionsdichte der Teammitglieder und damit zu einem verstärkten Lernprozess. Aufgrund des in den meisten Unternehmen gehemmten Wissenstransfers wird das in der Projektarbeit gewonnene Wissen häufig nicht in die Organisation übertragen. Nach Projektende werden die Teammitglieder meist in neue Projekte integriert, und die gesamten Projekterfahrungen sind oft nur noch über informelle Netzwerke zugänglich. Hinzu kommt, dass das Wissensmanagement durch den bestehenden Zeitdruck von den Individuen unterpriorisiert wird. Insbesondere bei Projektwissen muss der Aspekt der Übertragbarkeit auf Folgeprojekte und -aufgaben berücksichtigt werden. Aufgrund des Unikatcharakters der Projekte im Bauwesen wird dies vielfach unterschätzt. 16.5.2 Prozessmodell: Wissensidentifikation, Wissensklassifizierung, Wissensbereitstellung und Wissensnutzung
Das in Bild 477 dargestellte Prozessmodell besteht aus den Prozessphasen
x x x x
Wissensidentifikation, Wissensrelevanzbestimmung Wissensklassifizierung und Wissensbereitstellung und Wissensnutzung
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 1017
Bild 477: Prozessmodell für die Identifikation, Klassifizierung, Bereitstellung und Nutzung ereignisorientierten Wissens [16-9], [16-25]
1018
16 Wissensmanagement
Wie in Bild 477 dargestellt, wird mit den Instrumenten des Controllings das ereignisorientierte Wissen aus den Bauprojekten identifiziert (Prozessphase Wissensidentifikation) und in Wissen für Entscheidungs- und Handlungsakteure differenziert (Prozessphase Wissensklassifizierung). Der Entscheidungsakteur kann entweder die Randbedingungen für den Handlungsakteur für dessen ergebnisorientiertes Handeln verbessern oder ihn mit Daten, Informationen und Wissen versorgen (Prozessphase Wissensbereitstellung und -nutzung). Die dem Handlungsakteur bereitgestellten Daten, Informationen und das Wissen reichern die organisationale Wissensbasis der Organisation an, d.h., die individuelle Wissensbasis des Handlungsakteurs steht in Interaktion mit der organisationalen Wissensbasis. Die Anreicherung der organisationalen Wissensbasis dient der Unterstützung des Handlungsakteurs bei der optimalen Erfüllung seiner Aufgaben. Damit die Handlungsakteure die bereitgestellten Daten, Informationen und das Wissen auch nutzen, müssen sie entsprechend motiviert werden und von der Vorteilhaftigkeit überzeugt sein. Dies wird der Fall sein, wenn sie ihre Aufgaben gezielter mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis, d.h. geringeren Transaktions- bzw. Gesamtkosten, erfüllen können. Die Faktoren einfache Zugänglichkeit, Verständlichkeit, Relevanz für die eigene Nutzung etc. stehen im Vordergrund. 16.5.3 Prozessphase: Wissensidentifikation
Die Identifikation von ereignisorientiertem Wissen erfolgt mittels Instrumenten des Controllings [16-13] nach Abschluss des dezentral abgewickelten Projekts. Mithilfe des Controllings werden die relevanten Soll-IstAbweichungen der Kostengruppen der verschiedenen Gewerke in den einzelnen Phasen der Wertschöpfung [16-8]
x x x x x
Angebotsphase Vertragsverhandlungsphase Arbeitsvorbereitung Beschaffung der Lieferanten und Subunternehmer Bauausführung
untersucht. Dadurch kann festgestellt werden, in welcher Phase die Abweichung verursacht wurde [16-7]. Darauf aufbauend erfolgen eine gezielte Abweichungsanalyse auf der Basis des Projektschriftverkehrs und ein Interview mit dem Projektverantwortlichen. Das relevante Wissen (Aussagen) wird aus einer Ursachen-Wirkungs-Beziehung extrahiert.
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 1019 Gewerk wird nicht weiter beachtet
Ursache wird nicht weiter beachtet
Instrumente des Controllings Soll-Ist-Vergleich
Abweichungsanalyse
Nein
Nein
Abgeschlossene Projekte Liegt eine relevante Soll-IstAbweichung vor ?
Gewerk 1 Gewerk 2
Ja
Ist Wissen vermutlich die Ursache für die Abweichung ?
Dokumentenanalyse auf Basis des Projektschriftverkehrs
Gewerk n
Interview mit Projektverantwortlichem Ja
Aussage 1 Aussage 2
Aussagen, die vermutlich relevantes und übertragbares Wissen beinhalten
Aussage i
Bild 478: Identifikation von ereignisorientiertem Wissen mit den Instrumenten des Controllings
In einem nächsten Prozessschritt wird die zukünftige Relevanz [16-21] des durch die Abweichungsanalyse identifizierten ereignisorientierten Wissens für das Unternehmen bewertet und seine Übertragbarkeit geprüft. Die Bewertung der zukünftigen Relevanz des Wissens für das Unternehmen erfolgt nach der zukünftigen Auftretenswahrscheinlichkeit des identifizierten Wissens (Aussagen) und wird nach den Aspekten (Bild 479)
x Kostenrelevanz x Terminrelevanz x Qualitätsrelevanz durchgeführt. Bewertung der Relevanz und Übertragbarkeit
Vertiefte Abweichungsanlyse Nein
Aussagen, die vermutlich relevantes und übertragbares Wissen beinhalten
Bewertung der Relevanz und Übertragbarkeit je Aussage Kostenrelevanz Terminrelevanz
Ist die Aussage relevant und übertragbar?
Qualitätsrelevanz
Ja
Wurde das Problem vollständig erfasst?
Ja
Identifiziertes Wissen zur weiteren Verwendung im Wissensmanagementprozess
Nein
Auftretenswahrscheinlichkeit der jeweiligen Aussage
Wissen ohne Anwendungsrelevanz
Bild 479: Beurteilung der Relevanz und Übertragbarkeit der identifizierten Aussagen über ereignisorientiertes Wissen
Die Abschätzung der zukünftigen Auftretenswahrscheinlichkeit erfolgt aufgrund der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, zukünftiger Marktpotenziale und technischer Entwicklungen.
1020
16 Wissensmanagement
Kostenrelevanz Zur Ermittlung der Kostenrelevanz werden die zukünftige Auftretenswahrscheinlichkeit der Aussage / des Problems / des Ereignisses und die Grösse der direkten Soll-Ist-Abweichung herangezogen. Die Kostenabweichung kann ins Verhältnis zum intendierten Projektergebnis gesetzt werden. Die absoluten Relevanzwerte müssen situativ von jeder Organisation individuell gemäss ihren internen finanziellen und externen Umfeldbedingungen festgelegt werden. Terminrelevanz Zur Ermittlung der Terminrelevanz werden die indirekten Kostenelemente wie
x mehr Aufsichtspersonal bei Terminverzug, x (Beschleunigungs- oder Anpassungs-)Kosten in anderen Gewerken, x Vertragsstrafen betrachtet, die bei der Untersuchung der Kostenrelevanz mit den direkten Kosten nicht erfasst werden konnten. Diese indirekten Kosten werden den Direktkosten zugewiesen. Qualitätsrelevanz Die Qualität des Produkts, das der Unternehmer für den Kunden herstellt, hat einerseits eine Kosten- und Terminrelevanz und andererseits einen Imageeinfluss. Die Kosten- und Terminrelevanz durch Minderung der Vergütung oder Reparaturkosten sowie die zeitliche Wirkung können als sekundäre indirekte Kosten festgestellt und zu den direkten Kosten hinzugefügt werden; damit erhält man die Gesamtkostenrelevanz. Der Imageeinfluss kann nur indirekt qualitativ bewertet werden. Auch in diesem Fall ist die situative Beurteilung des Unternehmens in Bezug zum unternehmerischen Wertesystem entscheidend. 16.5.4 Prozessphase: Wissensklassifizierung
Das identifizierte relevante Wissen wird nach situativen Kriterien [16-21] in Wissen, das dem operativen Projektakteur
x direkt oder x über die strategische Unternehmens- oder Divisionsleitung bereitgestellt wird, klassifiziert (Bild 477). Zudem wird es in schon bekanntes und organisationell neues Wissen unterteilt. Wurde ein dem Projektakteur bereits in der Vergangenheit bereitgestelltes Wissen bei der Wissensidentifikation erneut als Ursache einer negati-
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 1021
ven Abweichung identifiziert und als relevant eingestuft, so hat der Projektakteur die Anwendung des bereitgestellten Wissens unterlassen, und dies wird der Unternehmens- oder Divisionsleitung mitgeteilt. In Zusammenarbeit zwischen der Unternehmensleitung und der Orga-Stelle KVP wird über die Differenzierung nach den drei Dimensionen des Wissensmanagements (Bild 480)
x Technik x Organisation x Human Resources die Ursache der unterlassenen Wissensnutzung ermittelt. Die Unternehmensleitung kann dann beispielsweise Verbesserungen an den bestehenden Prozessen veranlassen, Sanktionen oder zusätzliche motivierende Massnahmen für die Projektakteure initiieren. Ziel der Analyse ist eine kontinuierliche Verbesserung des Wissenstransfers unter Beachtung der drei vorgenannten Dimensionen des Wissensmanagements.
Noch nicht bereitgestelltes Wissen
Ja/Nein Wissen mit höchster Relevanz?
Ja
Kann Handlungsakteur im Rahmen der Selbstentscheidung tätig werden?
Ja
Nein
Nein Identifiziertes Wissen zur weiteren Verwendung im Wissensmanagementprozess
Kann Orga-Stelle KVP Wissen für Handlungsakteur im Rahmen der Selbstentscheidung bereitstellen?
Ja
Nein
Bereitzustellendes Wissen für Handlungsakteur
Hätte das Wissen dem Handlungsakteur bekannt sein müssen?
Handlungsfeld Entscheidungsakteur
Ja
Unterlassene Anwendung des bereitgestellten Wissens durch den Handlungsakteur
Wissen den Handlungsakteuren bereitstellen
Technische Probleme z.B. Infornationstechnologie Warum wurde es nicht angewendet?
Organisatorische Probleme z.B. extremer Zeitdruck
Organisationelle Veränderungen
Human-Resources-Probleme z.B. Motivation
Bild 480: Prozessphase der Wissensklassifizierung
Das in der Vergangenheit noch nicht bereitgestellte Wissen wird dem Projektakteur zeitnah bereitgestellt oder aber dem Handlungsfeld der Unternehmensleitung zugeordnet. Für diese Zuordnung werden die in Bild 480 dargestellten Kriterien verwendet:
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16 Wissensmanagement
1. Differenzierung: Wissen mit höchster Relevanz? 2. Differenzierung: Kann der Projektakteur im Rahmen der Selbstentscheidung tätig werden? 3. Differenzierung: Kann die Orga-Stelle KVP im Rahmen der Selbstentscheidung tätig werden? Die Zuordnungskriterien umfassen folgende Aspekte: 1. Differenzierung: Wissen mit höchster Relevanz? Ist das gewonnene Wissen für den wirtschaftlichen Bestand der Organisation von höchster Relevanz, so ist es die Aufgabe der Unternehmensleitung, im Einzelfall das weitere Vorgehen zu bestimmen. Die Unternehmensleitung kann in ihrem autoritären Handlungsfeld eine organisationelle Veränderung im Aufgabengebiet des Projektakteurs initiieren oder aber das Wissen dem Projektakteur in einer angemessenen Form bereitstellen. Die Definition, wann Wissen von höchster Relevanz ist, obliegt der Unternehmensleitung. Hierfür kann beispielsweise die ermittelte Gesamtrelevanz herangezogen werden. Unabhängig vom Verhalten der Unternehmensleitung wird mithilfe der nächsten beiden Zuordnungskriterien geprüft, ob das Wissen dem Projektakteur durch die Orga-Stelle KVP umgehend zur Verfügung gestellt werden kann. Wenn ja, besteht theoretisch die Möglichkeit, dass Wissen dem Projektakteur redundant, sowohl durch die Orga-Stelle KVP als auch durch die Unternehmensleitung, zur Verfügung gestellt wird. Die Zweckmässigkeit dieser redundanten Bereitstellung ist einzelfallbezogen durch die Unternehmensleitung zu prüfen. 2. Differenzierung: Kann der Projektakteur im Rahmen der Selbstentscheidung tätig werden? Aufgrund der zunehmenden Informationsüberflutung der Projektakteure sollte dem Individuum primär nur das für ihn relevante Wissen zugeordnet werden. Wissen ist relevant für den Projektakteur, wenn er unmittelbar autonom und umfassend tätig werden kann und es in Bezug auf sein Tätigkeitsfeld bedeutsam ist. Aus Gründen der Motivation sollte dem Projektakteur neben dem Wissen, das er unmittelbar zur Aufgabenerfüllung benötigt, aber auch Wissen übermittelt werden, das ihm erlaubt, seine Tätigkeiten in den Gesamtkontext des Unternehmens einzuordnen. Die Unternehmensleitung hat eine übergeordnete strategische Sichtweise und damit einen Informationsvorsprung vor den rangniedrigeren operativen Stellen wie z.B. der Orga-Stelle KVP, an die sie aufgrund der hierarchischen Organisationsstruktur Teilaufgaben delegiert. Theoretisch besteht nun die Möglichkeit, dass die Orga-Stelle KVP eine fachlich unzutreffende Zuordnung von Wissen vornimmt. Im Rahmen eines kontinuierlichen
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 1023
Lernprozesses müssen die fachlich unzutreffenden Zuordnungen hinsichtlich der Ursachen analysiert und bei den folgenden Zuordnungen berücksichtigt werden. 3. Differenzierung: Kann die Orga-Stelle KVP im Rahmen der Selbstentscheidung tätig werden? Die Unternehmensleitung delegiert verschiedene Verfahren für die Bereitstellung von Wissen an die Orga-Stelle KVP, die hier im Rahmen ihrer Selbstentscheidung tätig werden kann. Es besteht beispielsweise die Möglichkeit, dass die Orga-Stelle KVP im Rahmen ihrer Selbstentscheidung befugt ist, Wissen/Informationen in einer Datenbank zur Verfügung zu stellen, das Bereitstellen von Wissen/Informationen im Rahmen einer Geschäftsanweisung jedoch nicht in ihrem Selbstentscheidungsbereich liegt. Die Orga-Stelle KVP wird tätig, wenn dem Projektakteur Wissen unter Verwendung der an sie delegierten Verfahren sinnvoll bereitgestellt werden kann. Wird Wissen dem Handlungsfeld der Unternehmensleitung zugeordnet, so kann sie es dem Projektakteur bereitstellen oder organisationelle Veränderungen veranlassen. Organisationelle Veränderungen haben das Ziel, die Rahmenbedingungen des Projektakteurs für ein ergebnisorientiertes Handeln zu verbessern. Im konkreten Fall könnte dies beispielsweise eine Kapazitätserhöhung in der Ausschreibungs- und Vergabephase darstellen. 16.5.5 Prozessphase: Wissensbereitstellung und -nutzung
Wissensbereitstellung Das identifizierte relevante Wissen kann den Projektakteuren durch
x die Orga-Stelle KVP oder x die Unternehmens- bzw. Divisionsleitung bereitgestellt werden. Die Bereitstellung des Wissens [16-21] erfolgt zweidimensional durch die Verfahren (Bild 481):
x Bringschuld vs. Holschuld (push vs. pull) x Personalisierung vs. Kodierung Die diametrale Verfahrensdifferenzierung in Bring- und Holschuld macht deutlich, wie der Akteur zeitgerecht an das relevante Wissen kommt.
1024
16 Wissensmanagement Wissensnutzung durch Handlungsakteure Wissensbereitstellung für Handlungsakteure Ebene 1: Verfahren der Entscheidungsakteure
Identifiziertes Wissen zur weiteren Verwendung im Wissensmanagementprozess
Bringschuld / Kodierung: z.B. Geschäftsanweisung
Bringschuld / Personalisierung: z.B. mündliche Anordnung
Holschuld / Kodierung: z.B. Erweiterung Bibliothek
Holschuld / Personalisierung: z.B. Mentorenmodell
Motivierende Massnahmen für die
Ebene 2: Verfahren der Orga-Stelle KVP Bringschuld / Kodierung: z.B. Newsletter
Bringschuld / Personalisierung: z.B. Vorträge
Holschuld / Kodierung: z.B. Datenbank
Holschuld / Personalisierung: z.B. Kompetenzzirkel
Wissensnutzung durch die Handlungsakteure
Wissen bereitstellen, entwickeln, bewahren
Bild 481: Methoden für die Wissensbereitstellung
Bringschuld Es wird zentral autoritär (Unternehmensleitung) entschieden, welches Wissen in welchem Umfang an wen verteilt werden soll. Die Organisation ist verantwortlich, dass das Individuum das gesamte zur Aufgabenerfüllung notwendige Wissen zeitgerecht und vollständig erhält. Bei der Bringschuld wird zwischen einer Anordnung, die alleiniges Instrument der Unternehmensleitung ist, und einer Information unterschieden. Geschäftsanweisungen sind Anordnungen, Schulungen sind Information. Beide Verfahren sind eine Bringschuld der Organisation [16-14]. Holschuld Das Individuum muss das benötigte Wissen eigenverantwortlich autonom erarbeiten bzw. abholen. Die Organisation kann das Individuum unterstützen, indem sie Wissen bereitstellt und förderliche Randbedingungen generiert [16-21]. Für die Wissensbereitstellung und Wissensverteilung sind zudem die diametralen Verfahren der Kodierung oder Personalisierung bekannt. Kodierung Das Wissen wird vom Individuum getrennt und kodiert bereitgestellt. Auf dieses kodierte Wissen / Informationen, z.B. Handlungsanweisungen, Qualitätsmanagementhandbücher, Datenbanken, kann jeder Mitarbeiter mit entsprechendem Zugang zugreifen [16-21].
16.5 Systematisches Lernen aus Fehlern – Prozessmodell basierend auf dem Controllingansatz 1025
Personalisierung Das Wissen wird beim Individuum belassen und durch die Interaktion zwischen den Individuen transferiert [16-15], z.B. durch Kompetenzzirkel. Die Zuteilung des Wissens erfolgt im situativen Kontext der Unternehmensorganisation sowie im Kontext der Art und des Nutzens des Wissens (Bild 481).
Die situativen Determinanten im Kontext der Unternehmensorganisation sind:
x Grad der organisatorischen Dezentralisierung x Grad der hierarchischen Struktur x Grad des Wissens in der Organisation Die situativen Determinanten im Kontext der Art und des Nutzens des Wissens sind:
x x x x x x x
Wissen für koordinationssichernde Bereiche Fähigkeitsstandards für Projektakteure Unmittelbare Einsetzbarkeit des Wissens Vertraulichkeit des Wissens Komplexität des Wissens Klassifizierbarkeit des Wissens Dynamik des Wissens
Wissensnutzung Zu Beginn eines jeden Bauprojekts werden nach Analyse der spezifischen Anforderungen die entsprechenden Wissensgebiete identifiziert. Die OrgaStelle KVP unterstützt den anschliessend stattfindenden Workshop [16-21] durch Bereitstellung des entsprechenden Wissens (lessons learned) bzw. nutzt die zweidimensionalen Wissensverteilungsverfahren Personalisierung – Kodierung sowie Bringschuld – Holschuld (Bild 481). Aufbauend auf diesem Briefing müssen die Projektakteure selbstverantwortlich tätig werden. Dabei müssen sie das bereitgestellte Wissen (Bringschuld) sowie spezifisches Wissen (Holschuld) zielorientiert für die erfolgreiche Durchführung ihrer Tätigkeiten nutzen. Dies kann je nach Organisationsstruktur des Unternehmens und Art des Wissens durch Personalisierung oder Kodierung erfolgen.
1026
16 Wissensmanagement
16.5.6 Realisierbarkeitstest des ereignisorientierten Wissensmanagementprozessmodells
Der Prozess der Wissensidentifikation und Wissensbewertung wurde im Rahmen des Realisierbarkeitstests in einem grossen deutschen Bauunternehmen (Ed. Züblin AG, Stuttgart) in sieben Projekten insgesamt bei etwa 140 Kostengruppen (Gewerken) getestet. Um die Wirksamkeit des Prozesses beurteilen zu können, wurden die Ergebnisse mit den Resultaten der Qualitätsmanagementmethode verglichen. Die Soll-Ist-Abweichungen wurden auf Basis der vorliegenden Projektdokumentation ermittelt. Die hierauf aufbauende Abweichungsanalyse und Bewertung der Relevanz und Übertragbarkeit verwendet halbstrukturierte Interviews und eine vertiefte Analyse der Projektdokumentation. Der Vergleich des hergeleiteten Prozesses mit der bereits im Unternehmen etablierten Methode (Qualitätsmanagementmethode) zeigt, dass mit den Instrumenten des Controllings erheblich mehr (nahezu das 10fache) relevantes, übertragbares Projektwissen gefunden wird als mit dem derzeit praktizierten Weg der Baustellenschlussgespräche (Tabelle 29). Tabelle 29: Quantitative Gegenüberstellung der gefundenen relevanten und übertragbaren Aussagen zu Projektwissen mittels WM- und QMMethode Anzahl der identifizierten relevanten und übertragbaren Aussagen zu Projektwissen je Prozess der Wissensidentifikation Wissensmanagementmethode
Qualitätsmanagementmethode
Projekt 1
48
6
Projekt 2
52
7
Projekt 3
63
4
Projekt 4
79
6
Projekt 5
23
6
Projekt 6+7
75
6
Summe
340
35
Eine vertiefte Analyse der Ergebnisse zeigt, dass mit den Instrumenten des Controllings hauptsächlich gewerkespezifische Sachverhalte ermittelt werden. Da die Analyse auf der kostenmässigen Bewertung der Gewerke mittels Accounting basiert, kann dieser Schwerpunkt plausibel erklärt werden. Zudem wird mit dem neu entwickelten Prozessmodell die zukünftige Relevanz des identifizierten Wissens abgeschätzt und berücksichtigt, was mit
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1027
dem Verfahren des Qualitätsmanagements nicht erfolgt. Die aus der Wissensbewertung resultierende zukünftige Relevanz kann dazu verwendet werden, das identifizierte Wissen in verschiedene Relevanzklassen einzuteilen, um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, das gewonnene Wissen unter Berücksichtigung ihres eigenen Wissensstandes selektiv zu nutzen. Die Einteilung in Relevanzklassen dient dazu, die Mitarbeiter vor einer Wissensüberflutung zu schützen. Das ereignisorientierte Wissensmanagementprozessmodell wird nach der Implementierungsphase im Rahmen des Forschungsprojekts zurzeit in einem grossen deutschen Bauunternehmen genutzt. Daher konnte der Realisierbarkeitstest der Prozessmodule Wissensklassifizierung, Wissensbereitstellung und Wissensnutzung nur mittels einer denklogischanalytischen Ziel-Mittel-Prüfung erfolgen. Hierbei wurde geprüft, ob die vom Prozessmodell intendierte Wirkung erreicht wird oder ob alternative Deutungen möglich sind. Die empirischen und denklogisch-analytischen Prüfungen im Rahmen des Realisierbarkeitstests wurden erfolgreich bestanden.
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 16.6.1 Ansatz: Wissen über „best practice“-Erfolgsfaktoren
Wie eingangs erläutert wurde, muss ein für Bauunternehmen geeignetes Wissensmanagementmodell direkt zum Erreichen der unternehmerischen bzw. projektbezogenen Erfolgsziele beitragen, damit auf Stufe der Unternehmensleitung die Aufwand-Nutzen-Frage bezüglich der Implementierung eines Wissensmanagementsystems nachvollziehbar diskutiert werden kann. Daher stellt sich als erstes die Frage, welche Faktoren das Erreichen der projektbezogenen Erfolgsziele (Auftrag gewinnen, Kundenzufriedenheit erreichen, Gewinn erzielen) besonders beeinflussen. In der Betriebswissenschaft wird seit den 80er Jahren allgemein anerkannt, dass es Faktoren gibt, die den unternehmerischen Erfolg, d.h. die Zielerreichung, massgeblich determinieren [16-18]. Bei der Untersuchung von Erfolgsfaktoren wird dabei oft, wie beispielsweise in der PIMS-Studie [16-3], das Gesamtunternehmen als Bezugsgegenstand zugrunde gelegt. Andere Forschungsarbeiten über Erfolgsfaktoren beziehen sich aber auch auf Projekte als Bezugsgegenstand der Untersuchung [16-6].
1028
16 Wissensmanagement
Des Weiteren wird in der Literatur nach instrumentalen und nichtinstrumentalen Erfolgsfaktoren unterschieden [16-10]. Im Folgenden werden lediglich instrumentale Erfolgsfaktoren betrachtet. Instrumentale Erfolgsfaktoren sind Variablen, die durch konkrete Massnahmen erzeugt werden und demnach, je nach ergriffenen Massnahmen, unterschiedliche Ausprägungen aufweisen [16-10]. Zudem haben Erfolgsfaktoren eine zeitlich variable Relevanz. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass Erfolgsfaktoren vom Unternehmen gestaltbare Faktoren bzw. Variablen sind, die das Erreichen der projektbezogenen Erfolgsziele massgeblich beeinflussen. Das Identifizieren, Verbessern und gezielte Reaktivieren von Erfolgsfaktoren stellt demnach Aufgaben dar, deren systematische Umsetzung das jeweilige Erreichen der entsprechend fokussierten projektbezogenen Erfolgsziele wie Auftrag gewinnen, Kundenzufriedenheit erreichen und Gewinn erzielen massgeblich unterstützen kann. Um als Unternehmen diese Aufgaben in Bezug auf Projekte systematisch ausführen zu können, wird folgendes Wissen benötigt [16-2]:
x 1. Wissensebene: Das Unternehmen muss wissen, welche Erfolgsfaktoren bei Projekten einer bestimmten Projektart für das Erreichen der fokussierten Erfolgsziele (Auftrag gewinnen etc.) überhaupt massgebend sind. x 2. Wissensebene: Das Unternehmen muss wissen, mit welchen konkreten Massnahmen und Vorgehensweisen die Akteure in den Projekten die Erfolgsfaktoren so generieren können, dass sie eine positive Ausprägung erreichen („best practice“-Massnahmen und -Vorgehensweisen). x 3. Wissensebene: Für die Umsetzung von Massnahmen und die Durchführung von spezifischen Vorgehensweisen in Projekten benötigen die Akteure zum einen entsprechende Informationen und Daten und zum anderen spezifische Fähigkeiten und Erfahrungen. An einem vereinfachten Beispiel erläutert, stellen sich die drei Wissensebenen wie folgt dar: Ein Bauherr benötigte ein neues Bürogebäude, das aufgrund des raschen Wachstums seines Unternehmens so schnell wie möglich betriebsbereit sein sollte. Hierzu veranstaltete er einen Gesamtleistungswettbewerb, zu dem fünf Totalunternehmen eingeladen wurden. Aufgrund des Zeitdrucks standen den TU nur zwei Monate für die Ausarbeitung des Wettbewerbsprojekts zur Verfügung. Nach der Bewertung der eingereichten Wettbewerbsprojekte stellte sich heraus, dass der TU, der den Wettbewerb gewonnen hatte, im Vergleich zu den Mitbewerbern eine ausgereiftere Lösung ausgearbeitet hatte. Der Grund hierfür war, dass der TU mit sei-
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1029
nem Team eine höhere Anfangsgeschwindigkeit erreichen konnte (Erfolgsfaktor: 1. Wissensebene), da er vor Wettbewerbsbeginn für sein Team Architekten und Planer selektierte, mit denen er schon früher ähnliche Projekte erfolgreich abgewickelt hatte (Vorgehensweise: 2. Wissensebene). Hierzu musste der TU innerhalb des Unternehmens auf Informationen und Beurteilungen über frühere Projektpartner zurückgreifen (Kenntnisse und Informationen: 3. Wissensebene). Das Wissen dieser drei Wissensebenen stellt das erfolgsrelevante Wissen für die weitere Arbeit eines Bauunternehmens dar. Für das entwickelte Projekterfolgswissensmanagementprozessmodell [16-2] charakterisiert dieses Wissen die inhaltliche Perspektive und stellt somit die Ressourcenebene des Prozessmodells dar. Damit das auf der Ressourcenebene fokussierte „best practice“-Wissen in den Bauunternehmen seinen intendierten Nutzen entfalten kann, müssen entsprechende Prozesse gestaltet werden, die den betrieblichen Umgang mit diesem Wissen beschreiben (Ebene der Wissensmanagementprozesse). Das Wissen auf der Ressourcenebene stellt somit den Input und Output für die einzelnen Wissensmanagementprozesse dar (Bild 482), die zudem zur Gewährleistung einer Umsetzung in den Bauunternehmen entsprechend in die Organisationsstrukturen eingebunden werden müssen (Organisationsebene). Die Verknüpfung der Wissensmanagementprozesse mit der Organisation des Gesamtleistungsanbieters ist unabdingbar, da zu ihrer Umsetzung ihre Integration in die unternehmerischen Supportprozesse erforderlich ist. Hierfür sind entsprechende organisatorische Voraussetzungen im Unternehmen zu schaffen, da die einzelnen Wissensmanagementprozesse schlussendlich durch die Akteure des Unternehmens abgewickelt werden.
1030
16 Wissensmanagement
Projektabwicklungsebene Leistungserstellungsprozesse
Erfolgsfaktoren identifizieren
Erfolgsfaktoren nutzen
Ebene der Wissensmanagementprozesse Output
Anwenden Input
Ressourcenebene (Inhalte auf den drei Wissensebenen)
Integrieren
Organisatorische Ebene
Bild 482: Dimensionen des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells
Damit mit dem erfolgsrelevanten Wissen aber überhaupt ein Wissensmanagement in Bauunternehmen initialisiert werden kann, müssen folgende Hypothesen erfüllt sein [16-2]:
x Hypothese 1: Es gibt Erfolgsfaktoren, die bei Bauprojekten die fokussierten Erfolgsziele wie Auftrag gewinnen, Kundenzufriedenheit erreichen und Gewinn erzielen jeweils massgeblich determinieren. x Hypothese 2: Eine Mehrheit der in einem spezifischen Bauprojekt massgebenden Erfolgsfaktoren ist auch in weiteren Projekten derselben Projektart und Projektabwicklungsform erfolgsdeterminierend und somit übertragbar. x Hypothese 3: Die Erfolgsfaktoren werden durch konkrete Massnahmen und Vorgehensweisen der Akteure in den Projekten erzeugt. Im weiteren Verlauf müssen diese drei auf die Ressourcenebene bezogenen Hypothesen im Rahmen eines Realisierbarkeitstests empirisch geprüft werden.
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1031
16.6.2 Realisierbarkeitstest auf Ressourcenebene – Erfolgsfaktoren von Hochbauprojekten
Zur Durchführung des ersten Realisierbarkeitstests wurden, basierend auf der Klassifikation der Methoden zur Identifizierung von Erfolgsfaktoren von GRÜNIG et al. [16-10] und dem „multiple case design“ von YIN [16-27], vier Hochbauprojekte selektiert, die von verschiedenen Schweizer Totalunternehmen als Gesamtleistungsprojekte realisiert wurden. Das Ablaufschema der Multiple-Case-Studie ist in Bild 483 dargestellt. Untersuchungsplan: Entwicklung des Forschungsdesigns / Forschungsmethodik / Selektion der Fälle (Hochbauprojekte) Klassifikation der Erfolgsziele in „Gewinnen des Auftrags“, „Erreichen der Kundenzufriedenheit“ und „Erzielen des Gewinns“
Problemzentrierte Interviews mit den Projektbeteiligten (TU-intern, TU-extern) Wörtliche Transkription der Interviews und Erstellen strukturierter Interviewprotokolle Einzelauswertungen aus jedem Interview (Identifikation erfolgsrelevanter Elemente)
Durchführung der Fallstudie Projekt A (PA)
Durchführung der Fallstudie Projekt B (PB)
Durchführung der Fallstudie Projekt C (PC)
Durchführung der Fallstudie Projekt D (PD)
Gesamtauswertung: Vergleich der Einzelauswertungen und Abgrenzung der Erfolgsfaktoren Diskussion der Ergebnisse
Cross-case und Schlussfolgerungen: • Vergleich der identifizierten Erfolgsfaktoren aus den vier Fallstudien in Bezug auf Ähnlichkeiten und Unterschiede • Bestimmen der situativen Relevanzbedingungen sowie Beschreiben der drei Wissensebenen für die fallspezifischen und übertragbaren Erfolgsfaktoren • Diskussion der Ergebnisse in Bezug auf die Basishypothesen
Bild 483: Ablaufschema der Multiple-Case-Studie [16-1]
Die vier Hochbauprojekte wurden nach definierten Kriterien selektiert [16-27]. Sie wurden mit unterschiedlichen Projektabwicklungsformen und von verschiedenen Schweizer Totalunternehmen abgewickelt (Tabelle 30). Bei jeder Einzelfallstudie (PA bis PD) wurden mit den Interviews nicht nur die Schlüsselpersonen der jeweiligen Totalunternehmen befragt, sondern auch, je nach Schlüsselfunktion, die Vertreter der Bauherrschaft, Planer und Architekten. Dabei wurde jeweils die folgende Anzahl Interviews mit den Schlüsselpersonen aus den untersuchten Projekten geführt: Fallstudie PA zehn Interviews, Fallstudie PB sechs Interviews, Fallstudie PC sechs
1032
16 Wissensmanagement
Interviews und Fallstudie PD vier Interviews. Insgesamt wurden für die gesamte Multiple-Case-Studie somit 26 problemzentrierte Interviews geführt. Tabelle 30: Relevante Meilensteine der untersuchten Projekte
In den Einzelfallstudien wurden gemäss dem Ablauf in Bild 483 die jeweiligen Erfolgsfaktoren identifiziert, die das Erreichen der projektbezogenen Erfolgsziele jeweils determiniert haben. Dabei konnten in den Projekten A und C jeweils 15 Erfolgsfaktoren und in den Projekten B und D jeweils 13 Erfolgsfaktoren identifiziert werden. Die Erfolgsfaktoren der Einzelfallstudien wurden anschliessend im Cross-Case mittels definierter Kriterien auf Ähnlichkeiten verglichen [16-1]. Aus der Vergleichsanalyse resultierten
x spezifische Erfolgsfaktoren, die nur im jeweils untersuchten Gesamtleistungsprojekt vorhanden und von Relevanz waren,
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1033
x bedingt übertragbare Erfolgsfaktoren, die in zwei oder drei der untersuchten Gesamtleistungsprojekte auftraten und dabei alle drei Vergleichskriterien erfüllten, x vollständig übertragbare Erfolgsfaktoren, die in allen vier untersuchten Gesamtleistungsprojekten auftraten und dabei alle drei Vergleichskriterien erfüllten. In Bezug auf die zu prüfenden Hypothesen ergeben sich dabei folgende Schlüsse: Hypothese 1: „Es gibt Erfolgsfaktoren, die bei Bauprojekten die fokussierten Erfolgsziele wie Auftrag gewinnen, Kundenzufriedenheit erreichen und Gewinn erzielen jeweils massgeblich determinieren.“ Diese Hypothese konnte mit der empirischen Untersuchung hinreichend bestätigt werden (Tabelle 31). Tabelle 31: Übersicht der Anzahl identifizierter Erfolgsfaktoren in den Fallstudien [16-1] Projekt
Erfolgsfaktoren in Bezug auf den Wettbewerbserfolg
Erfolgsfaktoren in Bezug auf den Projekterfolg
Gesamte Anzahl Erfolgsfaktoren
Projekt A
3
12
15
Projekt B
2
11
13
Projekt C
3
12
15
Projekt D
3
10
13
Hypothese 2: „Eine Mehrheit der in einem spezifischen Bauprojekt massgebenden Erfolgsfaktoren ist auch in weiteren Projekten derselben Projektart und Projektabwicklungsform erfolgsdeterminierend und somit übertragbar.“ Bei der Durchführung des Cross-Case wurde festgestellt, dass die „best practice“-Erfolgsfaktoren in spezifische, bedingt übertragbare und vollständig übertragbare Erfolgsfaktoren differenziert werden können. In Tabelle 32 werden nun für jedes untersuchte Bauprojekt die Anzahl der spezifischen Erfolgsfaktoren mit der Anzahl der auf andere Projekte übertragbaren Erfolgsfaktoren verglichen.
1034
16 Wissensmanagement
Tabelle 32: Übersicht der Anzahl spezifischer und übertragbarer Erfolgsfaktoren aus dem Cross-Case [16-1] Spezifische Erfolgsfaktoren
Übertragbare Erfolgsfaktoren
Projekt
Gesamte Anzahl Erfolgsfaktoren
Anzahl
Anteil
Anzahl
Anteil
Projekt A
15
5
33 %
10
67 %
Projekt B
13
3
23 %
10
77 %
Projekt C
15
6
40 %
9
60 %
Projekt D
13
4
31 %
9
69 %
Aus Tabelle 32 lässt sich erkennen, dass unter den Bedingungen dieser Multiple-Case-Studie ca. ein Drittel der in einer Fallstudie identifizierten Erfolgsfaktoren jeweils nur im spezifischen Fall des untersuchten Bauprojekts auftraten, während sich ca. zwei Drittel der in den einzelnen Fallstudien relevanten Erfolgsfaktoren auf mehrere Projekte übertragen liessen. Infolgedessen ist die Hypothese 2 hinreichend bestätigt. Eine Mehrheit der Erfolgsfaktoren (ca. zwei Drittel), die bei den untersuchten Hochbauprojekten relevant waren, können auf verschiedene Projekte derselben Projektart übertragen werden. Fünf Erfolgsfaktoren waren dabei bei allen vier untersuchten Projekten gleichsam massgebend (vollständig übertragbare Erfolgsfaktoren):
x Optimierungspotenziale im Wettbewerbsprojekt erkennen und kostenwirksam im Angebot umsetzen x Frühzeitige Identifikation von Risiken x Transparentes Verhalten des TU gegenüber dem Kunden (in Bezug auf Änderungswünsche) x Förderung einer konstruktiven Zusammenarbeit im Team x Seriosität bei Garantiepflicht und Mängelbehebung Hypothese 3: „Die Erfolgsfaktoren werden durch konkrete Massnahmen und Vorgehensweisen der Akteure in den Projekten erzeugt.“ Diese Hypothese bezüglich der 2. Wissensebene kann durch drei Beispiele bestätigt werden [16-1]:
x Spezifischer Erfolgsfaktor ED2 „Erhöhung der Anfangsgeschwindigkeit bei den Wettbewerbsteams durch Aktivierung bestehender Beziehungen“: Der TU selektierte bei der Zusammenstellung des Wettbewerbsteams bewusst die Architekten und Planer, mit denen er schon bei früheren Projekten erfolgreich zusammen gearbeitet hatte. x Bedingt übertragbarer Erfolgsfaktor BE2 „Konstruktive Zusammenarbeit mit dem Architekten in Bezug auf Änderungswünsche“: In der Fallstudie A verhandelte der Projektleiter TU mit dem Stararchitekten über
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1035
eine Kostenreduktionen bei Gebäudezonen, die für den Architekten nur von sekundärer Wichtigkeit waren, damit der TU die Zusatzwünsche des Stararchitekten ohne Mehrkosten umsetzen konnte. x Vollständig übertragbarer Erfolgsfaktor VE2 „Frühzeitige Identifikation von Risiken“: In der Fallstudie A prüfte der TU die Ausschreibungsunterlagen systematisch auf Fehler und Lücken. Bei allen diesen „best practice“-Erfolgsfaktoren konnten somit die Akteure des Bauunternehmens (z.B. der Projektleiter) durch aktive Vorgehensweisen und Massnahmen die Ausprägungen (z.B. hohe Anfangsgeschwindigkeit) gezielt beeinflussen, womit die Hypothese 3 hinreichend bestätigt ist. Fazit: Mit den empirisch gewonnenen Ergebnissen der Multiple-CaseStudie konnten alle drei Hypothesen hinreichend bestätigt werden. Dementsprechend hat die Ressourcenebene des Wissensmanagementprozessmodells den Realisierbarkeitstest bestanden, und die für die Wissensmanagementprozesse als Input und Output notwendigen Ressourcen existieren. 16.6.3 Erfolgsorientiertes Wissensmanagementprozessmodell
Der Gesamtprozess des entwickelten Wissensmanagementprozessmodells besteht aus zwei Hauptphasen (Initialisierungs- und Nutzungsphase) und verschiedenen Kernprozessen. Die Kernprozesse repräsentieren die erste Prozessebene des Wissensmanagementprozessmodells und stellen die zentralen Wissensmanagementprozess-Bausteine dar. Die einzelnen Kernprozesse untergliedern sich in Modulprozesse. Die Modulprozesse repräsentieren die zweite Prozessebene und beschreiben die Aufgabenfelder, die innerhalb der Kernprozesse abzuwickeln sind. Um die Modulprozesse bzw. die Aufgabenfelder im Unternehmen optimal durchführen zu können, wurden sie weiter in Elementarprozesse untergliedert. Die Elementarprozesse repräsentieren die dritte Prozessebene und umfassen die einzelnen Aktivitäten und Entscheidungen, die zur Abwicklung der Modulprozesse und damit der Kernprozesse notwendig sind. Im Weiteren wird nur auf die erste und zweite Prozessebene eingegangen. Basierend auf den von PROBST et al. [16-21] (s. Kapitel 16.2.4) definierten Wissensmanagement-Bausteinen wird in Bild 484 der Gesamtprozess des entwickelten Wissensmanagementprozessmodells dargestellt.
2. Wissensebene: Vorgehensweisen zur Aktivierung
Ressourcenebene
3. Wissensebene: Know-how & Infos für das Vorgehen
1036
16 Wissensmanagement Initialisierungsphase: Initialisierung des erfolgsorientierten Wissensmanagements Identifikationsprozess: Erfolgsfaktoren aus abgeschlossenen Projekten
Quervergleichs- und Relevanzprüfungsprozess: „best practice“Erfolgsfaktoren
Verbesserungs- und Verteilungsprozess: Wissen zu den „best practice“-Erfolgsfaktoren
Nutzungsphase: Nutzung und Aktualisierung des „best practice“-Wissens Reaktivierungs- und Nutzungsprozess: Projektspezifische Reaktivierung von Erfolgsfaktoren (Projekt i) Vom Unternehmen initiierte Projekte • Bestehende Leistungsangebote • Leistungsinnovationen
Überprüfungs- und Verbesserungsprozess: Identifikation, Bewertung, Massnahmeninitiierung und Verteilung nach Projektabschluss
Projekte durch Marktangebote
1. Wissensebene: Relevante Erfolgsfaktoren
Projekt i = i+1
Periodischer Prüfungsprozess: Prüfung der Aktualität des „best practice“-Wissens
Strategiebezogener Entwicklungsprozess: Wissensorientierte Unterstützung bei der Entwicklung von Leistungsinnovationen
Marktgetriebene Strategie
Bild 484: Erste Prozessebene des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells auf Ebene der Kernprozesse [16-2]
Initialisierungsphase – Identifikationsprozess
Der Identifikationsprozess (erster Kernprozess) gliedert sich in die folgenden Modulprozesse (Bild 485):
x einleitende Festlegungen und Projektselektion x Ermitteln der Erfolgsfaktoren des Projekts j x Strukturieren in Erfolgsfaktoren und Massnahmen Die Aufgaben der einzelnen Modulprozesse sind jeweils den Akteuren bzw. der Orga-Stelle KVP zugeordnet.
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1037 Identifikationsprozess Erfolgsfaktoren aus abgeschlossenen Projekten
Einleitende Festlegungen und Projektselektion
j=1 Projekt 1
Ermitteln der Erfolgsfaktoren des Projekts j
Strukturieren in Erfolgsfaktoren und Massnahmen
j=j+1
j>n
Quervergleichsund Relevanzprüfungsprozess
jn Entscheidungsakteur (EA) und Orga-Stelle KVP
Orga-Stelle KVP: Ausführen Projektleiter: Prüfen
Bild 485: Modulprozesse des: Identifikationsprozesses
Im ersten Modulprozess müssen die zu fokussierende Projektart und Projektabwicklungsform sowie die zu unterstützenden projektbezogenen Erfolgsziele festgelegt werden. Basierend auf dieser grundlegenden Fokussierung erfolgt die Selektion der zu untersuchenden und vom Unternehmen bereits abgeschlossenen Projekte. Für jedes der selektierten Projekte werden die zwei folgenden Modulprozesse je für sich durchgeführt:
x Durch Interviews mit den internen und externen SchlüsselProjektbeteiligten werden die einzelnen Erfolgsfaktoren ermittelt, die für das Erreichen der fokussierten Erfolgsziele im Projekt j massgebend waren [16-10]. Die Aussagen zu den einzelnen ermittelten Erfolgsfaktoren werden auf ihre Konsistenz geprüft, und der Beitrag der Erfolgsfaktoren zum Erreichen der entsprechenden projektbezogenen Erfolgsziele wird bestimmt. x Die ermittelten Informationen zu den einzelnen Erfolgsfaktoren werden strukturiert, indem auf einem Formblatt für jeden Erfolgsfaktor (1. Wissensebene) jeweils die projektspezifischen Massnahmen und Vorgehensweisen der Akteure beschrieben werden, die diesen Erfolgsfaktor im Projekt j erzeugt haben (2. Wissensebene). Initialisierungsphase – Quervergleichs- und Relevanzprüfungsprozess
Der Quervergleichs- und Relevanzprüfungsprozess (zweiter Kernprozess) gliedert sich in die folgenden Modulprozesse (Bild 486):
x Quervergleich der identifizierten Erfolgsfaktoren auf Ähnlichkeiten x Relevanzanalyse der Erfolgsfaktoren
1038
16 Wissensmanagement Quervergleichs- und Relevanzprüfungsprozess „best practice“-Erfolgsfaktoren
Identifikationsprozess
Erfolgsfaktoren aus den Projekten 1-n
Quervergleich der identifizierten Erfolgsfaktoren auf Ähnlichkeiten
Verbesserungsund Verteilungsprozess
Relevanzanalyse der Erfolgsfaktoren
Orga-Stelle KVP: Vorschlag und Umsetzung Entscheidungsakteur (EA): Prüfen
Bild 486: Modulprozesse des Quervergleichs- und Relevanzprüfungsprozesses
Die identifizierten und strukturierten Erfolgsfaktoren aus den einzelnen untersuchten Projekten 1 bis n stellen den Input für diesen zweiten Kernprozess dar. In dessen erstem Modulprozess müssen die identifizierten Erfolgsfaktoren aus den unterschiedlichen Projekten zuerst auf Ähnlichkeiten geprüft und die Informationen zu ähnlichen Erfolgsfaktoren entsprechend verglichen und zusammengefasst werden. Anschliessend werden die Erfolgsfaktoren zur Herstellung einer Übersicht den projektbezogenen Erfolgszielen sowie den entsprechenden Projektphasen zugeordnet (Bild 487). Leistungserstellungsprozesse Angebotsmanagement Angebotsbearbeitung
Akquisition
Ausführungsmanagement
Auftragsverhandlung
AVOR / Produktionsplanung
Bauausführung
Abnahme / Übergabe
Contracting Betrieb / Erhaltung
EF1 Gewinnen von Aufträgen
EF2 EF3 EF4 EF5
Erreichen der Kundenzufriedenheit
EF8
EF6
EF12
EF9
EF7
Erzielen des Gewinns
EF10 EF11
EF13
Bild 487: Zuordnung der identifizierten Erfolgsfaktoren zu den Projektphasen und Erfolgszielen
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1039
Der zweite Modulprozess befasst sich mit der Relevanzanalyse der identifizierten und zusammengefassten Erfolgsfaktoren im Gesamtkontext (Bild 488). Die erste Dimension für die Relevanzprüfung besteht aus dem jeweiligen Zielbeitrag der Erfolgsfaktoren, der im ersten Kernprozess für jeden Erfolgsfaktor ermittelt wurde. Die zweite Dimension für die Relevanzprüfung besteht in der Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendbarkeit des Erfolgsfaktors in neuen Projekten. Anhand der Relevanzprüfung können Erfolgsfaktoren ausgeschieden werden, die für das Unternehmen nur von untergeordneter Bedeutung sind und demnach den weiteren Kernprozessen nicht mehr zugeführt werden sollen (z.B. Kategorie C). Dadurch kann die Verbreitung irrelevanter Informationen minimiert werden [16-21].
hoch (3)
Wahrscheinlicher Zielbeitrag EF3
EF8
B
A
EF14
EF15
EF9
EF5
A
EF7 EF16
mittel (2)
EF6
gering (1)
EF11
EF12
EF2
C
B EF1
C gering (1)
A EF4
C
B
EF10
EF13
mittel (2)
hoch (3)
Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendbarkeit
Bild 488: Relevanzmatrix zur Relevanzanalyse der Erfolgsfaktoren – Beispiel
Initialisierungsphase – Verbesserungs- und Verteilungsprozess
Der Verbesserungs- und Verteilungsprozess (dritter Kernprozess) gliedert sich in die folgenden Modulprozesse (Bild 489):
x Optimieren der Massnahmen (2. Wissensebene) x Entwickeln von erforderlichen Informationen und Fähigkeiten (3. Wissensebene) x Beurteilung und Umsetzung der initialen Wissensverteilung
1040
16 Wissensmanagement Verbesserungs- und Verteilungsprozess Wissen zu den „best practice“-Erfolgsfaktoren
Quervergleichsund Relevanzprüfungsprozess
Relevante Erfolgsfaktoren gemäss Priorisierung
Optimieren der Massnahmen (2. Wissensebene)
Entwickeln von erforderlichen Informationen und Fähigkeiten (3. Wissensebene)
Projektleiter und Orga-Stelle KVP: Vorschlag / EA: Genehmigung
Beurteilung und Umsetzung der initialen Wissensverteilung
Nutzungsphase
EA: Aufgaben an Orga-Stelle KVP delegiert
Bild 489: Modulprozesse des Verbesserungs- und Verteilungsprozesses
Basierend auf der durchgeführten Relevanzanalyse können die Erfolgsfaktoren entsprechend priorisiert werden, was den Input für den dritten und letzten Kernprozess der Initialisierungsphase darstellt. Dessen erster Modulprozess beschäftigt sich im Rahmen eines Verbesserungsprozesses mit der Optimierung der Massnahmen und Vorgehensweisen (2. Wissensebene), die für das Reaktivieren der einzelnen Erfolgsfaktoren (1. Wissensebene) erforderlich sind. Im zweiten Modulprozess wird für die prioritären Erfolgsfaktoren die 3. Wissensebene betrachtet und entwickelt, indem geprüft wird, welche Informationen zum Umsetzen der Massnahmen und Vorgehensweisen auf der 2. Wissensebene erforderlich sind und welche Anforderungen sich entsprechend an die jeweiligen Mitarbeiter bzw. Handlungsakteure aus der Wissensperspektive stellen. An dieser Stelle werden entsprechende Verbesserungs- oder Entwicklungsmassnahmen für die Optimierung der 3. Wissensebene initiiert und durchgeführt [16-21]. Im dritten Modulprozess wird beurteilt, ob das Wissen zu den „best practice“-Erfolgsfaktoren proaktiv oder erst situationsspezifisch an die entsprechenden Akteure im Unternehmen verteilt werden soll [16-21]. Hierzu werden die Erfolgsfaktoren in zwei Gruppen differenziert: in Standard„best practice“-Erfolgsfaktoren und in konkurrenzunterscheidende, situative „best practice“-Erfolgsfaktoren (Bild 490). Das Wissen zu den Standard-„best practice“-Erfolgsfaktoren sollte proaktiv an die Akteure im Unternehmen verteilt werden; die Verfahren zur Verteilung orientieren sich wiederum an der Klassifizierung „Bringschuld – Holschuld“ und „Kodierung – Personalisierung“ (s. Kapitel 16.5.5). Das Wissen zu den konkurrenzunterscheidenden und situativen „best practice“-Erfolgsfaktoren wird erst im Reaktivierungs- und Nutzungsprozess bei der Akquisition entsprechender neuer Projekte, d.h. situativ und projektspezifisch, an die Akteure verteilt.
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1041
hoch (3)
Wahrscheinlicher Erfolgs- bzw. Zielbeitrag
Tendenziell konkurrenzunterscheidende und situative „best practice“-Erfolgsfaktoren
EF3
EF8
B EF14
EF9
A EF15
EF5
A EF16
mittel (2) gering (1)
EF11
EF6
EF12
Tendenziell Standard-„best practice“-Erfolgsfaktoren
EF7
EF2
C
B
A
EF1
C gering (1)
EF4
C
B
EF10
EF13
mittel (2)
hoch (3)
Wahrscheinlichkeit der Wiederverwendbarkeit
Bild 490: Einteilung der Erfolgsfaktoren in Standard oder konkurrenzunterscheidend
Damit sind die grundlegenden Aufgaben zur Initialisierung des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells beendet. Nutzungsphase – Reaktivierungs- und Nutzungsprozess
Der Reaktivierungs- und Nutzungsprozess in einem neuen Projekt i gliedert sich in die folgenden Modulprozesse (Bild 491):
x x x x
Analyse der situativen Kundenziele und Wettbewerbssituation Bestimmen der anwendbaren Erfolgsfaktoren Phasenbezogene Wissensverteilung und -nutzung Überprüfen der Erfolgsfaktoren für Folgephase (nach Phase k) Reaktivierungs- und Nutzungsprozess Projektspezifische Reaktivierung von Erfolgsfaktoren (Projekt i) Projektphasen k
Akquisitionsphase Analyse der situativen Kundenziele und Wettbewebssituation
Bestimmen der anwendbaren Erfolgsfaktoren
k=1 Angebotsbearbeitung
Phasenbezogene Wissensverteilung und -nutzung
Nach Phase k Überprüfen der Erfolgsfaktoren für Folgephase
k=k+1
k=n Projektende
k
EA und Projektleiter: Ausführung Unterstützung: Orga-Stelle KVP
Projektleiter: Ausführung Unterstützung: Orga-Stelle KVP
Bild 491: Modulprozesse des Reaktivierungs- und Nutzungsprozesses
Überprüfungsund Verbesserungsprozess
1042
16 Wissensmanagement
Dieser Kernprozess kann entweder durch vom Unternehmen initiierte Projekte, basierend auf bestehenden Leistungsangeboten oder Leistungsinnovationen, oder durch Projekte, die vom Markt angeboten werden (z.B. TUWettbewerb), angestossen werden. Der erste Modulprozess beschäftigt sich mit der Identifikation der situativen Ziele des Bauherrn und des Unternehmens sowie der Analyse des situativen Wettbewerbsumfelds und der Marktkräfte [16-20]. Darauf aufbauend werden im zweiten Modulprozess die anwendbaren und relevanten Erfolgsfaktoren bestimmt, die in der Angebotsphase differenzierend eingesetzt werden sollen. Die Modulprozesse der Wissensverteilung und -nutzung [16-21] sowie des anschliessenden Überprüfens der Erfolgsfaktoren für die Folgephase werden für jede Projektphase erneut durchgeführt. Nutzungsphase – Überprüfungs- und Verbesserungsprozess
Der ein jeweils abgeschlossenes Projekt betreffende Überprüfungs- und Verbesserungsprozess gliedert sich in folgende Modulprozesse (Bild 492):
x Identifikation der tatsächlich massgebenden Erfolgsfaktoren x Ergebnisabhängige Massnahmeninitiierung x Verbesserungs- und Verteilungsprozess (analog) Überprüfungs- und Verbesserungsprozess Identifikation, Bewertung, Massnahmeninitiierung und Verteilung nach Projektabschluss • Neues Projekt Reaktivierungsund Nutzungsprozess
Identifikation der tatsächlich massgebenden Erfolgsfaktoren
Orga-Stelle KVP und Projektleiter: Durchführung / EA: Prüfung
Ergebnisabhängige Massnahmeninitiierung
Verbesserungsund Verteilungsprozess (analog)
• Periodischer Prüfungsprozess • Leistungsinnovationen
EA: Aufgaben an Orga-Stelle KVP und Projektleiter delegiert
Bild 492: Modulprozesse des Überprüfungs- und Verbesserungsprozesses
Nach Abschluss eines Projekts i werden im ersten Modulprozess die im Projekt tatsächlich massgebenden Erfolgsfaktoren identifiziert (siehe Identifikationsprozess); anschliessend erfolgt der Vergleich der tatsächlich massgebenden Erfolgsfaktoren mit den im Projekt i gezielt reaktivierten Erfolgsfaktoren. Je nach Ergebnis dieses Vergleichs resultieren im zweiten Modulprozess entsprechende Massnahmen wie z.B. die Verarbeitung neu identifizierter Erfolgsfaktoren. Im dritten Modulprozess wird, analog zur Initialisierungsphase, wiederum ein Verbesserungs- und Verteilungsprozess in Bezug auf die reaktivierten und neu identifizierten Erfolgsfaktoren durchgeführt [16-21].
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1043 Periodischer Prüfungsprozess
Der periodische Prüfungsprozess gliedert sich in die folgenden Modulprozesse (Bild 493):
x Prüfen der Aktualität der drei Wissensebenen x Ergebnisabhängige Massnahmeninitiierung Periodischer Prüfungsprozess Prüfung der Aktualität des „best practice“-Wissens
1. Erfolgsfaktoren 2. Massnahmen 3. Informationen / Fähigkeiten
Prüfen der Aktualität der drei Wissensebenen
Ergebnisabhängige Massnahmeninitiierung
Eventuell Input für Leistungsinnovation
Orga-Stelle KVP: Prüfung durchführen EA: Massnahmen delegieren/einleiten
Bild 493: Modulprozesse des periodischen Prüfungsprozesses
Die Kernprozesse der Nutzungsphase werden laufend wieder bei neuen Projekten angewendet. Damit langfristig die Aktualität und Erfolgsrelevanz der drei Wissensebenen sichergestellt werden kann, muss periodisch eine Aktualitätsprüfung erfolgen [16-21]. Hierzu werden in einem ersten Modulprozess für jeden Erfolgsfaktor die drei Wissensebenen auf ihre Aktualität geprüft. Je nach Ergebnis dieser Prüfung müssen in einem zweiten Modulprozess entsprechende Massnahmen, wie z.B. die Anpassung der Wissensverteilung oder die Aktualisierung der Informationen auf der 3. Wissensebene, eingeleitet werden. Strategiebezogener Entwicklungsprozess
Der strategiebezogene Entwicklungsprozess gliedert sich in die folgende Modulprozesse (Bild 494):
x Marktanalyse und Konzeptentwicklung der Leistungsinnovation x Ermittlung der potenziellen Erfolgsfaktoren für die Leistungsinnovation x Prüfung und Aufbau des Wissens zum Umsetzen der neuen Erfolgsfaktoren x Marketing etc.
1044
16 Wissensmanagement
Anstoss:
Strategiebezogener Entwicklungsprozess Wissensorientierte Unterstützung des Entwicklungsprozesses
• Strategie • Initialisierungsphase • Nutzungsphase • Periodischer Prüfungsprozess
Marktanalyse und Konzeptentwicklung der Leistungsinnovation
Ermittlung der potenziellen Erfolgsfaktoren für die Leistungsinnovation
EA bzw. Marktentwicklung
EA, Marktentwicklung und Orga-Stelle KVP
Prüfung und Aufbau des Wissens zum Umsetzen der neuen Erfolgsfaktoren
EA delegiert Aufgaben an Orga-Stelle KVP
Marketing etc.
Reaktivierungsund Nutzungsprozess
Marketing
Bild 494: Modulprozesse des strategiebezogenen Entwicklungsprozesses
Das Entwickeln von Leistungsinnovationen kann durch verschiedene Ausgangspunkte haben; der Anstoss kann einerseits „top-down“ durch eine marktgetriebene Strategie und andererseits „bottom-up“ durch Erkenntnisse aus dem operativen Geschäft erfolgen. Der erste Modulprozess beschäftigt sich mit der Entwicklung des Konzepts für die Leistungsinnovation. Ausgehend von der Idee für die Leistungsinnovation muss eine Markt- und Konkurrenzanalyse durchgeführt [16-20] und die Innovation konzeptionell entwickelt werden. Im zweiten Modulprozess werden die potenziellen Erfolgsfaktoren für das Erreichen der vom Unternehmen fokussierten projektbezogenen Erfolgsziele antizipiert und ermittelt. Für jeden potenziellen Erfolgsfaktor werden sowohl die zweite Wissensebene (Massnahmen und Vorgehensweisen zur optimalen Umsetzung des Erfolgsfaktors) als auch die dritte Wissensebene (Informationen und Anforderungen, die Mitarbeiter zum Durchführen der Massnahmen und Vorgehensweisen benötigen) entwickelt. Im dritten Modulprozess wird im Unternehmen geprüft, ob das erforderliche Wissen der dritten Wissensebene im Unternehmen bereits vorhanden ist oder ob entsprechende Massnahmen für die Entwicklung oder den Erwerb dieses Wissens notwendig sind [16-21]. Im Anschluss an den Aufbau des zur Umsetzung der Erfolgsfaktoren erforderlichen Wissens kann im vierten Modulprozess das Leistungsangebot am Markt lanciert werden [16-26]. 16.6.4 Zusammenfassende Beurteilung des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells
Das denklogisch-deduktiv entwickelte Wissensmanagementprozessmodell wurde abschliessend einem Realisierbarkeitstest unterzogen. Es galt dabei, denklogisch zu prüfen, ob die Elementarprozesse in der unternehmerischen Realität machbar sind und keine alternativen Deutungen zulassen, so dass
16.6 Systematisches Lernen aus Erfolgen – Prozessmodell mit Fokussierung auf „best practice“-Erfolgsfaktoren 1045
die intendierten Zielwirkungen der einzelnen Prozesse erreicht werden können. Das Prozessmodell hat diese Prüfung bestanden. In einem weiteren Schritt muss nach Anwendung des Prozessmodells in der Praxis eine empirische Gesamtsystemevaluation durchgeführt werden. Dieser Schritt ist weiteren Forschungsarbeiten vorbehalten. Die Frage nach dem Aufwand-Nutzen-Verhältnis von Wissensmanagement-Initiativen kann mit dem Einsatz des neu entwickelten Wissensmanagementprozessmodells in Bauunternehmen einfacher und klarer beantwortet werden. Der Aufwand bestimmt sich vorwiegend über die zeitliche Belastung, die mit der Abwicklung der einzelnen Kernprozesse verbunden ist, und die daraus resultierenden Lohnkosten. Der für das Unternehmen resultierende Nutzen ist aus der direkten Unterstützung der „best practice“Erfolgsfaktoren erkennbar. Durch die Identifikation, Verbesserung, Verteilung und Nutzung des Wissens zu den zielrelevanten Erfolgsfaktoren kann das Erreichen der fokussierten projektbezogenen Erfolgsziele bei der Abwicklung neuer Bauprojekte direkt gefördert werden. Der resultierende Nutzen besteht dabei im planmässigen Erreichen dieser Erfolgsziele. Durch den Einsatz des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells können die damit verbundenen Verbesserungspotenziale im Unternehmen systematisch ausgeschöpft und gepflegt werden. Die Anwendung des Wissensmanagementprozessmodells muss auf Projekte derselben Projektart und Projektabwicklungsform bezogen werden, um die Übertragbarkeit der Erfolgsfaktoren zu gewährleisten; sie kann in einem Unternehmen aber auch auf mehrere Projektarten und Projektabwicklungsformen ausgeweitet werden. Die denklogisch-deduktiv ausgestalteten Wissensmanagementkernprozesse können in jedem Unternehmen eingesetzt werden, das in der Bauwirtschaft projektorientiert arbeitet. Was sich dabei von Unternehmen zu Unternehmen unterscheidet, sind die konkreten Elemente auf der Ressourcenebene, d.h. das identifizierte Wissen zu den „best practice“Erfolgsfaktoren. Auch die dabei fokussierten projektbezogenen Erfolgsziele sowie die mit der Anwendung des Wissensmanagementprozessmodells fokussierte Projektart und Projektabwicklungsform können sich unterscheiden. Dadurch können sich die Unternehmen trotz der identischen Wissensmanagementprozesse gegenüber der Konkurrenz individuelle Positionierungen erarbeiten, die auf ihren Erfahrungen und ihrem Know-how hinsichtlich der projektbezogen massgebenden Erfolgsfaktoren sowie ihren Ideen für Verbesserungs- und Entwicklungspotenziale beruhen [16-17]. Des Weiteren erlaubt das Prozessmodell eine unterschiedliche Tiefe der Anwendung. Die Spannweite der Anwendungstiefe reicht von der einfachen Nutzung eines Notizblocks in kleinen Unternehmen bis zu einer aus-
1046
16 Wissensmanagement
gereiften IT-Unterstützung in grossen Unternehmen. Zu beachten ist ausserdem die zeitliche Variabilität der Erfolgsfaktoren. Im Laufe der Zeit können Erfolgsfaktoren an Bedeutung gewinnen, aber auch verlieren; das Wissen auf der Ressourcenebene ist somit dynamisch und nicht statisch zu betrachten. Eine kontinuierliche Anwendung der Kernprozesse der Nutzungsphase sowie der periodischen und strategiebezogenen Kernprozesse ist daher zur Gewährleistung einer langfristigen Erfolgswirksamkeit des „best practice“-Wissens unerlässlich.
16.7 Aspekte der Kultur und Motivation Die Aspekte der Unternehmenskultur und Motivation der Mitarbeiter spielen bei der erfolgreichen Umsetzung eines Wissensmanagementprozessmodells eine wichtige Rolle, denn die einzelnen Prozesse sollen schlussendlich von den Akteuren im Unternehmen durchgeführt werden, die zudem bereit sein müssen, ihr Wissen anderen Mitarbeitern verfügbar zu machen sowie „fremdes“ Wissen bei ihrer Tätigkeit anzuwenden. Hier können zum einen auf Unternehmensebene (Unternehmenskultur) und zum anderen auf individueller Ebenen (Mitarbeiter) vielfältige Barrieren bestehen, denen mit entsprechenden förderlichen Massnahmen begegnet werden muss. Die kulturellen und motivatorischen Aspekte sind sehr facettenreich. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser Thematik würde den Rahmen dieses Buchs sprengen, und eine nur oberflächliche Betrachtung würde der Vielfältigkeit dieses Themas nicht gerecht werden. Bei ernsthafter Absicht, Wissensmanagement im eigenen Unternehmen zu implementieren, empfiehlt sich ein Auseinandersetzen mit diesen Aspekten. Es sei hierzu auf die umfangreichen Ausführungen in den Arbeiten von SCHMIDLE [16-25] und BORNER [16-2] verwiesen.
Literatur [16-1]
Borner, R.: Win-Win-Erfolgsfaktoren bei Gesamtleistungen – Erfolgsorientiertes Wissensmanagement in GU- und TU-Leistungserstellungsprozessen. Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich (Hrsg.), Zürich, 2003
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16 Wissensmanagement
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17 Innovationsmanagement
17.1 Einleitung Erst mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann die Bauwirtschaft, sich als eigenständiger und bedeutender Teil der Volkswirtschaft zu entwickeln. Mit dem Aufkommen neuer Baustoffe wie Stahl und Beton entstanden innerhalb weniger Jahrzehnte verschiedene Bauweisen, die noch heute in ihren Grundzügen Gültigkeit haben. Hier vollzogen sich enorme Entwicklungssprünge, ebenso in der Maschinentechnik. Die zunehmende Substitution der menschlichen Arbeit durch Maschinen, der Einsatz neuer oder verbesserter Materialien sowie die Verknüpfung von material- und maschinentechnischen Entwicklungen in optimierten Bauund Betriebsweisen führten zu einer gesteigerten Qualität der Bauprodukte, einem erheblichen Leistungszuwachs bei der Bauwerkserstellung und einer drastischen Senkung der Unfallrisiken während des Bauprozesses. Nicht jede Idee war umsetzbar, nicht jede Entwicklung konnte sich in der Praxis bewähren. Versuch und Irrtum war anfänglich der übliche Weg, sich an Problemlösungen heranzutasten. Der Prozess von der Ideenfindung bis zur Ideenrealisierung verlief unstrukturiert und war zumeist an Einzelpersonen gekoppelt. Heute verlangen das vorhandene technische Wissen und die gewachsenen Anforderungen an Bauwerk und Bauprozess vom Neuerungsprozess eine gezielte Suche und Umsetzung von technisch und wirtschaftlich realisierbaren sowie sozial- und umweltgerechten Lösungen komplexer Problemstellungen innerhalb interdisziplinär arbeitender Entwicklungsteams. Dies erfordert ein systematisches und gesteuertes Vorgehen, damit im Ergebnis eine effektive und effiziente Neuerung steht. Ob die Neuerung Erfolg hat, hängt zudem in entscheidendem Mass von ihrer Kundenorientierung ab. Erst wenn sie zum Nutzen des Kunden eingesetzt werden kann, wird sie am Markt bestehen können. Die Neuerung kann als Innovation bezeichnet werden. Das Innovationsmanagement ist ein Prozess, der separat von den Routineaufgaben der Leistungserstellungs- und Supportprozesse durchgeführt werden muss. Im Rahmen der Innovationsprozesse sollen neue Produkte
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17 Innovationsmanagement
und Leistungen sowie Verbesserungen der laufenden Unternehmensprozesse entstehen. Da dies eine Aufgabe ausserhalb des Tagesgeschäfts ist, muss der Wille zum Innovationsmanagement auf „normativer Unternehmensebene“ verankert werden (Bild 495). Nur dadurch findet das Innovationsmanagement Eingang in die Unternehmenspolitik, die Unternehmensstrategie und die operative Umsetzung. Umwelt
Unternehmen
Externe Willensbildung
Interne Willensbildung
Normatives Management Innovationsverfassung
Innovationspolitik
Innovationskultur
Organisationsstufe 2
Organisationsstufe 1
Innovations Policy Deployment Strategisches Management Innovationsmanagement systeme Innovationsmanagement strukturen
Innovationsstrategie
Innovationsbezogene Verhaltensentwicklung
Innovations planung Operatives Management
Innovationssicherung
Innovationsverbesserung Innovationslenkung
STRUKTUREN
VERHALTEN AKTIVITÄTEN (Unternehmensentwicklung ) Entwicklung der Qualitätsfähigkeit
Bild 495: Verankerung des Innovationsmanagements im Managementmodell
17.2 Bedeutung von Innovationen
1051
Durch den Aufbau eines Innovationsmanagements (Bild 496) können Unternehmen den Markterfolg von Neuerungen nachhaltig verbessern. Die Erkenntnis, dass damit dem Unternehmen ein Instrument zur Verfügung steht, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, hat sich spätestens seit dem erhöhten Wettbewerbsdruck und dem eingesetzten Strukturwandel auch in der Bauwirtschaft durchgesetzt. Supportprozesse: Kaufmännische Administration Werkhof EDV-Service etc.
Leistungserstellungsprozess Marketing AngebotsAkquisitionsphase phase
IdeenIdeengenerierung generierung
Verhandlungsphase
IdeenIdeenbewertung bewertung
Beschaffungsphase
IdeenIdeenentwicklung entwicklung
IdeenIdeenImplemenimplementierung tierung
Ausführungsphase
Innovations- rückrückmeldung
Innovationsprozess Managementprozesse: Führungsprozess Organisation Qualitätsmanagement (Wissensmanagement) etc.
Bild 496: Eingliederung der Innovationsprozesse in die Unternehmensprozesse
17.2 Bedeutung von Innovationen 17.2.1 Volkswirtschaftliche Bedeutung
Obwohl die Bauwirtschaft in zahlreichen Volkswirtschaften einer der grössten Sektoren der privaten Wirtschaft ist und die Technisierung weiter voranschreitet, liegt im Vergleich zu anderen Branchen (Industrie, Dienstleistungen) die Produktivität der Bauwirtschaft nur bei ~80 % des Gesamtdurchschnitts. Das offenbar vorhandene Steigerungspotenzial könnte vor allem durch ein gesamthaftes Überdenken und Neugestalten der Bauprozesse genutzt werden. Dazu gehören neben einer signifikanten Verbesserung des Prozessablaufs durch moderne Kommunikations- und Computer-
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17 Innovationsmanagement
technologien und der innovativen Neu- und Weiterentwicklung einzelner Maschinen und Materialien zur weiteren Automatisierung der Bauprozesse auch die strukturelle Veränderung des Bauens von der Planung über die Ausführung bis zum Unterhalt und Betrieb. Auch andere Branchen der Volkswirtschaft werden indirekt von einer gesteigerten Produktivität der Bauwirtschaft profitieren können, da die Bauwirtschaft die Grundlage für eine effiziente Leistungserbringung schafft. Für Bauherren erhöht sich mit innovativen Entwicklungen z.B. die Durchführbarkeit technisch anspruchsvoller Bauwerke. Vor einigen Jahrzehnten wären Projekte wie NEAT und Swissmetro technisch und wirtschaftlich kaum realisierbar gewesen. Innovationen können dem Bauherrn letztendlich zu zeit- und kostenoptimal erstellten Bauwerken verhelfen, die in Form, Funktion, Qualität und Wirtschaftlichkeit seinen Ansprüchen und Vorstellungen entsprechen. Markante Produktivitätssteigerungen in der Bauwirtschaft werden im internationalen Vergleich Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft eines Landes besitzen. 17.2.2 Betriebswirtschaftliche Bedeutung
Die Baumärkte haben sich stark verändert. Im Angesicht einer steigenden Internationalisierung der Bautätigkeiten, eines weitgehenden Abbaus national differierender Regulierungen, der anhaltenden schlechten Konjunkturlage und des damit verbundenen Wettbewerbsdrucks wird insbesondere den Unternehmen der Bauwirtschaft die Dringlichkeit einer Neuausrichtung ihrer unternehmerischen Leistungen zunehmend bewusst. Zudem rückt mit der weiteren Privatisierung der Bauherrenseite die Frage nach dem Wert einer Bauleistung bei erhöhten Anforderungen an das Bauwerk stärker in den Mittelpunkt. Unter den bauausführenden Unternehmen setzte aufgrund der geringen Differenzierung der angebotenen Leistungen ein reiner Preiswettbewerb ein, der bis heute weitgehend anhält. Als Mittel zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen dient im Wesentlichen die stetige, auf Optimierung beruhende Senkung der Herstellkosten. Dieses Vorgehen verspricht kurzfristig eine hohe Rentabilität; auf Dauer kann es aber den Unternehmenserfolg nicht sicherstellen, da der erzielbare Wettbewerbsvorteil gering und das Optimierungspotenzial begrenzt ist. Um langfristig den Herausforderungen des Marktes erfolgreich begegnen zu können, bedarf es innovativer, konkurrenzunterscheidender, sich an den Bedürfnissen des Marktes orientierender Veränderungen in den Leistungen und Organisationsstrukturen der Unternehmen. Trotz der Erkenntnis, dem sich verändernden Unternehmensumfeld begegnen zu müssen, liegt derzeit die Ein-
17.3 Charakterisierung von Innovationen
1053
führung von technischen Innovationen in den meisten Bauwirtschaften mit ~33 % noch deutlich hinter der Industrie mit ~72 % zurück. 17.2.3 Gesellschaftliche Bedeutung
Bauen bedeutet auch gesellschaftliche Verantwortung. Innovationen in der Bauwirtschaft tragen massgeblich dazu bei, indem sie funktional verbesserte, kostengünstigere, sicherere, langlebigere und umweltgerechtere Bauwerke gewährleisten. Gerade mit Blick auf die kürzlichen Brandkatastrophen in europäischen Strassentunneln wird die Notwendigkeit innovativer Sicherheitskonzepte und -einrichtungen sowie neuer Materialien für die Wahrnehmung dieser Verantwortung überdeutlich. Ein weiteres Beispiel sind kostengünstigere, weil innovativ verbesserte Bauwerke. So greifen Tunnel als Teil von Ortsumfahrungen und innerstädtischen Strassen weitaus weniger in das Landschafts- und Stadtbild ein als offene Trassierungen und leisten dadurch einen enormen Beitrag zur Beruhigung von Städten und Gemeinden. Das vorhandene und ständig wachsende Umweltbewusstsein betrachtet nicht nur das erstellte Bauwerk, sondern blickt auch auf den Erstellungsprozess. Bauvorhaben sind durch ihre Ortsabhängigkeit meist mit stärkeren Beeinträchtigungen für das Umsystem verbunden. Innovationen tragen zu einer Reduzierung der Belastungen bei, wobei im Mittelpunkt die Senkung von CO2-Emissionen, die Verringerung der Stickoxide, des CO-Gehalts und der Kohlenwasserstoffe in den Abgasen von Verbrennungsmotoren, die Reduzierung des Lärmpegels bei Maschinen und Baumassnahmen sowie die Sammlung, Sortierung und das Recycling von Baustoffen stehen.
17.3 Charakterisierung von Innovationen Innovation ist heute ein häufig benutzter Begriff für jegliche Art von Neuerungen. Der Ursprung liegt im lateinischen „innovatio“ mit der Bedeutung „Erneuerung“. Verschiedenartige Begriffsauffassungen lassen eine innerbetriebliche Auseinandersetzung mit dem, was als innovativ anzusehen ist, erforderlich werden, denn Erneuerung verlangt die Auseinandersetzung mit vorher nicht bekannten Problemen bzw. die Lösung dieser Probleme auf neuartige Weise. Die Behandlung von innovativen Problemstellungen mit in Routinetätigkeiten bewährten Lösungen ist nicht Erfolg versprechend. Je nach Bedeutung und Ausmass der angestrebten innovativen Entwicklung ist der Innovationsgehalt des Problems vorab zu klären und eine sachgerechte Einstufung und Inangriffnahme der Innovations-
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17 Innovationsmanagement
problematik vorzunehmen. Gleichzeitig wird zur Reduzierung der Unsicherheit, die mit jeder Neuerung verbunden ist, die Wahl geeigneter und angemessener Methoden und Mittel notwendig. Voraussetzung für die richtige innerbetriebliche Einschätzung und Einordnung innovativer Problemstellungen bildet demnach das Verständnis der Charakteristik von Innovationen. Eine grundsätzliche Charakterisierung von Innovationen kann über die Merkmale
x x x x
Neuartigkeit, wirtschaftliche Relevanz, Komplexität und Risiko
vorgenommen werden, durch die sich Innovationen von Routinelösungen absetzen. Sie werden nachfolgend genauer betrachtet und sollen für die Bauwirtschaft konkretisiert werden. 17.3.1 Neuartigkeit
Das konstitutive Merkmal einer Innovation ist die Neuartigkeit, die mit der Entfernung von bekannten Problemlösungsschemata zunimmt. Mit sinkender Neuartigkeit nähert sich die Innovations- der Routinetätigkeit an. Das Spektrum der Neuartigkeit reicht danach von inkrementalen Innovationen, bei denen das vorhandene Marktbedürfnis durch die vorhandene Unternehmensleistung wesentlich besser erfüllt wird, bis zu radikalen Innovationen, bei denen mit einer völlig neuen Unternehmensleistung ein völlig neuer Markt bedient wird. Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Innovationen in der Bauwirtschaft meist von radikalem Charakter, beruht heute ein Grossteil der Innovationen auf inkrementalen Veränderungen. Die erstmaligen Anwendungen von z.B. verschiedenen Prinzipien des maschinellen Vortriebs im Tunnelbau (TBM, Schildmaschinen) gehen bis in das 19. Jahrhundert zurück und haben in kurzen Zeitabständen revolutionäre, manchmal abenteuerlich anmutende Maschinensysteme hervorgebracht. Bewährte Konzepte wurden beibehalten und im Lauf der Zeit vor allem die Maschinenkomponenten schrittweise verbessert (z.B. Antrieb, Meissel) sowie neue Komponenten hinzugefügt (z.B. Verlegeeinrichtung für Tübbinge). Für die Neuartigkeit ist des Weiteren der Betrachtungsstandpunkt entscheidend. Für ein Unternehmen stellen alle erstmalig wirtschaftlich angewendeten Neuerungen Innovationen dar, unabhängig davon, ob sie von anderen Unternehmen bereits seit längerem eingeführt sind. Entsprechend
17.3 Charakterisierung von Innovationen
1055
lassen sich weiterhin regionale, nationale und Weltneuheiten unterscheiden. 17.3.2 Wirtschaftliche Relevanz
Innovationen sind immer zweckgerichtet und erfüllen in diesem Sinn Unternehmensziele auf neuartige Weise. Sie stellen Investitionen zur Erwirtschaftung künftiger Erträge dar und sichern dadurch in der Regel langfristig den Unternehmenserfolg. Am Ende eines Innovationsprojekts muss daher die wirtschaftlich erfolgreiche Einführung einer Entwicklung im Unternehmen oder am Markt stehen. Innovationen beschränken sich damit nicht auf die blosse Ausarbeitung neuer Lösungsansätze für Problemstellungen und deren technische Realisierung, sondern schliessen die praktische und wirtschaftliche Anwendung der gefundenen Lösungen mit ein. Um in der Anwendung einen wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen, sind die Marktorientierung, die Anwendungsbreite, der erzielbare Vorsprung gegenüber der Konkurrenz und das Potenzial für die Weiterentwicklung bei der Lösungssuche mit zu berücksichtigen. Die Bauwirtschaft ist stark kundenorientiert, da der Bauherr als Besteller eines Bauwerks von Beginn an im Bauprozess integriert ist. Er verbindet mit dem Bauwerk ganz bestimmte Vorstellungen und stellt mehr oder weniger konkrete Anforderungen an dessen funktionale, formale und qualitative Parameter. Innovationen in der Bauwirtschaft müssen sich, um erfolgreich zu sein, an diesen Vorstellungen und Anforderungen orientieren. Sie müssen sich durch ihren Kundennutzen auszeichnen. Eine Ursache für die vergleichsweise geringen Innovationsaktivitäten in der Bauwirtschaft ist in der leichten Kopierbarkeit bautechnischer Entwicklungen zu suchen. Der Anreiz, innovativ aktiv zu werden, sinkt, wenn bei hohen Entwicklungskosten die Aussicht auf einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg als niedrig eingestuft wird. Zudem ist die Anwendungsbreite einer Entwicklung oft beschränkt, da Bauwerke in gewissem Umfang den Charakter von Prototypen besitzen. Standardisierungseffekte mit signifikanten Kosteneinsparungen sind nur begrenzt möglich. Auch wenn Ideen nicht realisiert werden können oder der Markterfolg einer Entwicklung nicht sicher ist, sollten Ideen und Konzepte nicht vollständig verworfen oder gänzlich vergessen werden. Ein eindrückliches Beispiel, wie frühe Ideen und Versuche erst nach Jahren den Durchbruch erzielten, ist mit der Hydraulik gegeben. Auch der Stahlfaserbeton, schon längere Zeit bekannt, konnte im Tunnelbau erst mit dem Nassspritzverfahren wirtschaftlich zur Anwendung gelangen.
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17 Innovationsmanagement
17.3.3 Komplexität
Innovationen sind Reaktionen auf Veränderungen im Unternehmensumfeld und können gleichzeitig neuartige Veränderungen unternehmensinterner und -externer Strukturen und Abläufe zum Inhalt haben. Sie beeinflussen verschiedene Unternehmensbereiche und das Unternehmensumfeld, wobei mit dem Grad der Neuerung die Einflussnahme zunimmt. Häufig zieht die Einführung einer Innovation weitere Veränderungen nach sich bzw. ist mit diesen verknüpft. Einflüsse auf und Auswirkungen von Innovationen können daher sehr vielfältig und zeitlichen Änderungen unterworfen sein. Sie müssen im Prozess von der Problemerkenntnis bis zur Markteinführung richtig erkannt und bewertet werden. Bauwerke sind zum einen technische Systeme, die sich aus einer Vielzahl in Abhängigkeit zueinander stehender Untersysteme (Konstruktionsteile) und Komponenten (Bauteile) zusammensetzen, und zum anderen sind sie durch die Einbindung in ein natürliches und gesellschaftliches Umfeld geprägt. Innovationen greifen in das Bauwerkssystem entweder direkt über Konstruktion und Materialien oder indirekt über die Art und Weise der Erstellung ein und beeinflussen als Folge die Eigenschaften und das Verhalten des Gesamtsystems Bauwerk. Beispielsweise wird beim Einsatz von externer Vorspannung in Brücken die Qualität des Überbaus zum einen durch einen verbesserten Stegbeton und zum anderen durch die Nachspann- und Austauschbarkeit der Spannglieder erhöht. Durch die Interaktion Bauwerk – Umfeld wirken Innovationen sich auch auf die Bauwerksumgebung aus bzw. werden von dieser beeinflusst. Zum Beispiel erlauben elektronische Zünder erschütterungsarmes Sprengen, wodurch Beeinträchtigungen von Bauten bei Arbeiten im oberflächennahen Bereich reduziert werden. Das noch nicht umfassend geklärte Verhalten von GFK-Ankern bei aggressiven Bergwässern unterstreicht die gegenseitige Einflussnahme von Innovation und Bauwerksumgebung. Erschwert wird das richtige Erkennen und Bewerten der Abhängigkeiten durch die Veränderlichkeit des Erstellungsortes und den Prototypcharakter von Bauwerken, die häufig wechselnde Randbedingungen im Umgebungsbzw. Bauwerkssystem mit sich bringen. 17.3.4 Risiko
Eng mit der Neuartigkeit und der Komplexität ist das Risiko, die Gefahr eines Scheiterns der Neuentwicklung, verbunden. Je weiter entfernt von bekannten Lösungen eine Neuerung ist und je mehr Abhängigkeiten mit
17.4 Arten von Innovationen
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der Neuerung zu berücksichtigen sind, umso schwieriger gestaltet sich im Vorfeld die Einschätzung der Auswirkungen. Das vollständige Erreichen der Innovationsziele kann nicht zugesichert werden; das Risiko eines wirtschaftlichen Misserfolgs nimmt zu. Bauwerke haben in der Regel eine lange Lebensdauer, die vom Bauherrn auch bewusst angestrebt wird. Aussagen über das Langzeitverhalten von neuen Materialien oder die Gebrauchstauglichkeit von veränderten Konstruktionsprinzipien lassen sich aber nur schwer treffen. Die Vorhersage wird durch rechnergestützte Simulationstechniken erleichtert; die Schwierigkeit, alle relevanten Randbedingungen richtig zu erfassen, begrenzt jedoch die Aussagefähigkeit der simulierten Ergebnisse. Aussagekräftiger sind Grossversuche unter realen Bedingungen; ihre Zeit- und Kostenintensität rechtfertigt eine Anwendung aber nur im Sonderfall. Daher verwundert es nicht, dass Bauherren vielfach auf bewährte Konzepte zurückgreifen oder im Vorfeld einer Baumassnahme ausgedehnte Materialuntersuchungen und -prüfungen verlangen. So wurden beispielsweise im Rahmen des NEAT-Projekts umfangreiche Nachweise und praktische Versuche für alkalifreie Beschleuniger gefordert. Das Gefährdungs- bzw. Versagensrisiko einer Neuentwicklung erhält mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Bauwerken besonderes Gewicht. Zur Minimierung müssen eine Anzahl von Vorschriften, Normen und Gesetzen eingehalten werden, die auf der einen Seite die Freiheiten innovativer Tätigkeiten in gewissem Masse einschränken, auf der anderen Seite jedoch zur Suche nach neuen Lösungen zwingen können. Dass im Ergebnis vormals zu beachtende Vorschriften ihre Relevanz verlieren können, zeigt das Beispiel von Tübbingen aus Stahlfaserbeton. Die hohen Anforderungen, die bei Stahlbetontübbingen an die Wasser- und Gasundurchlässigkeit gestellt werden, gelten bei Tübbingen aus Stahlfaserbeton nicht, da das Korrosionsverhalten der Fasern als zerstörungsfrei eingestuft wird.
17.4 Arten von Innovationen 17.4.1 Unterscheidung nach dem Gegenstand
Um Aussagen treffen zu können, in welchen Bereichen ein Unternehmen der Bauwirtschaft innovativ tätig werden kann, werden nachfolgend Innovationen nach ihrem Gegenstand unterschieden und näher betrachtet. Das Hauptaugenmerk innovativer Veränderungen in Unternehmen gilt der Unternehmensleistung. Danach lassen sich zwei Arten von Innovationen voneinander abgrenzen, die zusammenfassend auch als technische Innovationen bezeichnet werden:
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17 Innovationsmanagement
x die Leistungs- und Produktinnovation x die Prozessinnovation Darüber hinaus hat sich ein Innovationsverständnis entwickelt, das alle denkbaren Neuerungen in einem Unternehmen berücksichtigt. Es integriert neben den technischen Innovationen auch innovative Entwicklungen im organisatorischen, Human- und Geschäftsbereich, so dass weiterhin
x organisatorische Innovationen, x soziale Innovationen, x unternehmensstrategische Innovationen
Instrumente
Aufgaben Prozesse
unterschieden werden können. Im Folgenden werden die technischen Innovationen näher betrachtet. Der Innovationsprojektablauf ist in Bild 497 dargestellt.
Ideengewinnung
Ideenbewertung
Suchen und Kreieren neuer Ideen
Screening und Analyse neuer Ideen
Betriebliches Vorschlagswesen
Wertanalyse
Qualitätszirkel
Nutzwertanalyse
Kreativitätstechnik
Ideenrealisierung Entwicklung, Test und Vermarktung neuer Ideen Marketinginstrumente Marketing-Mix weitere
weitere
Controlling der Ergebnisziele Bild 497: Innovationsprozess
Leistungs- und Produktinnovationen
Unter Leistungs- und Produktinnovation ist die Veränderung vorhandener und die Schaffung neuer Leistungsangebote bzw. Produkte sowie deren erfolgreicher Absatz zu verstehen. Im Mittelpunkt der Veränderungen stehen die Leistungs- bzw. Produktfunktionen, die neue oder bestehende Bedürfnisse besser erfüllen sollen. Ziele, die mit Leistungs- bzw. Produktinnova-
17.4 Arten von Innovationen
1059
tionen verfolgt werden, sind z.B. ein höherer Ertrag oder die Erschliessung neuer Absatzmärkte. Bei Leistungsinnovationen wird das Bauunternehmen seine Leistungen von Totalunternehmerleistungen auf z.B. Systemanbieterleistungen ausweiten. Zum Umfang dieser Leistungsinnovation gehört somit auch der Unterhalt der Anlage über einen Nutzungsabschnitt. Das Produkt im Bauwesen ist primär das Bauwerk. Demnach könnte bei einer neuen Funktion oder einer funktionalen Verbesserung des Bauwerks von einer Innovation gesprochen werden. Bauwerke mit neuen Funktionen werden selten hervorgebracht. So besteht die Funktion von z.B. Tunneln seit jeher im Durchführen eines Verkehrswegs u.a. durch ein natürliches Hindernis. Oft werden vorher getrennte Funktionen in einem Bauwerk vereint, z.B. die Integration von Haltebahnhöfen in ein Tunnelbauwerk, oder Bauwerke werden mit der Option einer späteren Funktionserweiterung entworfen. Im Wesentlichen ändern sich die Funktionen von Bauwerken nicht; vielmehr werden Eigenschaften des Bauwerks wie Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit so verändert, dass eine bessere Funktionserfüllung erreicht bzw. die Erstellung des Bauwerks unter gegebenen Randbedingungen erst ermöglicht wird. Bei der Suche nach Ansätzen für Veränderungen von Bauwerkseigenschaften gelangt man von der gesamthaften zu einer detaillierten Betrachtung des Bauwerks. Seine verschiedenen technischen Komponenten (Bauteile) haben wiederum bestimmte Funktionen und Eigenschaften. Im Beispiel eines Tunnelbauwerks übernimmt das Bauteil Tunnelschale statische Funktionen und trägt durch neue und verbesserte Eigenschaften wie Dichtigkeit und Herstellbarkeit zur Verbesserung der Gesamteigenschaften des Tunnels bei. Eine weitere Detaillierung führt zu den Grundelementen des Bauwerks, den Baustoffen. Neue und verbesserte Baustoffe bzw. Baustoffeigenschaften bilden einen Ausgangspunkt für innovative Produktentwicklungen in der Bauwirtschaft. Als Beispiel kann hier der Self Compacting Concrete (SCC) genannt werden, bei dem die Nachverdichtung mittels Tauch- oder Schalungsrüttler ganz entfällt und auch kleine, enge Hohlräume zuverlässig verfüllbar sind. Einen weiteren Ausgangspunkt stellt das zwischen den drei Betrachtungsebenen Baustoffe – Bauteile – Bauwerk als Verbindungselement fungierende Konstruktionsprinzip dar. Beispielsweise sind beim Tunnelbauwerk als Konstruktionsprinzip die zwei- oder einschalige Tunnelauskleidung zu nennen. Die Abhängigkeit zwischen Konstruktionsprinzip und Bauteil- bzw. Bauwerkseigenschaften wird bei Anwendung des SCC für die Tunnelschale ersichtlich. Mit dem SCC könnte die Verknüpfung der Vorteile des zwei- und des einschaligen Ausbaus gelingen. Dünne Gewöl-
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17 Innovationsmanagement
beschalen, die nur die statisch notwendige Stärke aufweisen, werden mit einem Beton kombiniert, der mit normalem Schalbeton vergleichbare Eigenschaften besitzt. Prozessinnovationen
Prozessinnovationen dienen in erster Linie der Neugestaltung der im Unternehmen für die Leistungserstellung notwendigen Produktionsprozesse. Darüber hinaus können auch die Prozesse von Planungs- und Betreiberleistungen Gegenstand innovativer Entwicklungen sein. Im Mittelpunkt der Veränderungen stehen die Produktionsfaktoren, die in neuartiger Weise miteinander kombiniert oder selbst neu- bzw. weiterentwickelt werden, hier insbesondere die Arbeitsmittel. Ziele, die mit Prozessinnovationen verfolgt werden, sind z.B. die Senkung der Herstellkosten oder die Steigerung der Produktqualität. Die Lebensphasen von Bauwerken betrachtend, lassen sich folgende Bereiche für Prozessinnovationen unterscheiden:
x Planungsprozesse x Erstellungsprozesse x Betreiberprozesse Innovationen in Planungsprozessen zielen vor allem auf eine weitere Computerunterstütztung der Planungstätigkeiten. Neue Computerprogramme erlauben nicht nur eine schnellere Berechnung der Bauwerke; die verbesserten Simulationsmöglichkeiten optimieren auch die Dimensionierung der Konstruktion. Darüber hinaus lässt sich die Fehlersicherheit erhöhen. Animationen des fertigen Bauwerks geben z.B. bei Tunneln Aufschluss über die Sichtverhältnisse für den Autofahrer und die Wirksamkeit sicherheitsrelevanter Ausrüstungen bei Unfällen. Innovationen in den Erstellungsprozessen beinhalten vornehmlich die weitgehende Übernahme von Teilfunktionen menschlicher Arbeit durch maschinelle Einrichtungen. Mechanisierung und Automatisierung sind in allen Teilprozessen anzutreffen:
x in den Fertigungsprozessen, in denen die Baustoffbearbeitung und -verarbeitung zur Herstellung des Bauwerks erfolgt, z.B. Einsatz von Mauerwerksrobotern x in den Transportprozessen zur Orts- und Lageveränderung von Materialien und Geräten, z.B. der Cargolifter als neues Transportmittel für schwere Lasten
17.4 Arten von Innovationen
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x in den Kontrollprozessen zum Erfassen von Istzuständen, um diese mit Sollzuständen zu vergleichen und gegebenenfalls Korrekturmassnahmen zu ergreifen, z.B. GPS-gesteuerte Strassen- und Erdbaugeräte x in den Wartungsprozessen, die sich auf das eingesetzte Arbeitsmittel beziehen mit das Ziel haben, deren Gebrauchswert zu erhalten, wiederherzustellen und zu verbessern, z.B. Fernüberwachung von Baumaschinen Innovationen in Betreiberprozessen sind in erster Linie darauf ausgerichtet, die Kosten für das Erhalten, Wiederherstellen und Verbessern des Gebrauchswerts eines erstellten Bauwerks zu senken. Die Onlineüberwachung der Spannungszustände von Verpressankern kann als Entwicklungsbeispiel genannt werden. Darüber hinaus berücksichtigen sie auch die Prozesse, in denen das Bauwerk nach seiner Lebensdauer abgetragen wird. Die Entwicklung von Aufbereitungsanlagen zur Wiedergewinnung der abgetragenen Baustoffe ist ein Beispiel für eine innovative Lösung in diesem Bereich. 17.4.2 Unterscheidung nach der Projektbezogenheit
Konnten im vorhergehenden Abschnitt die Bereiche bestimmt werden, in denen Unternehmen der Bauwirtschaft innovative Veränderungen durchsetzen können, wird nachfolgend eine Unterscheidung gewählt, die stärker die Möglichkeiten und Bedingungen für eine erfolgreiche Realisierung von Innovationen betont. Aufgrund der dezentralen Durchführung von Bauvorhaben, die sich an lokale Gegebenheiten und spezifischen Vorgaben des Bauherrn anzupassen haben, erscheint eine Unterscheidung nach der Projektbezogenheit von Innovationen als sinnvoll. Danach lassen sich
x projektunabhängige Innovationen, x projektübergreifende Innovationen, x projektabhängige Innovationen differenzieren. Projektunabhängige Innovationen
Projektunabhängige Innovationen haben einen breiten Anwendungsbereich, der einzelne Phasen oder den gesamten Bauprozess von der Planung bis zur Ausführung umfassen kann. Sie stellen Entwicklungen dar, die aus anderen Industriebereichen direkt oder modifiziert übernommen wurden (z.B. Kommunikationstechnik) bzw. grundlegende Problemlösungen für die Bauwirtschaft anbieten (z.B. Fernüberwachung von Baumaschinen). Danach erfolgt der Anstoss zum einen durch technische Neuerungen ande-
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17 Innovationsmanagement
rer Industriebereiche und zum anderen durch Veränderungen in den Rahmenbedingungen des Baumarktes bzw. die Rahmenbedingungen selbst. Projektunabhängige Innovationen sind meist das Ergebnis von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten (F&E) in Unternehmen der Maschinen- und Baustoffindustrie, aber auch von Softwareherstellern. Unternehmen der Bauwirtschaft treten in erster Linie als Nutzer projektunabhängiger Innovationen auf. Ihre Aufgabe ist, projektunabhängige Innovationen in ihrem Nutzen für das Unternehmen richtig zu bewerten und rechtzeitig einzuführen. Da mit der Anschaffung von Neuerungen häufig hohe Investitionen verbunden sind, sieht sich ein Einzelunternehmen vielfach nicht in der Lage, sein technisches Equipment laufend zu erneuern. Gerade für projektunabhängige Innovationen bietet sich deshalb z.B. die gemeinsame Nutzung durch mehrere Unternehmen an. Durch die gemeinsame Bewirtschaftung können die Neuerungen bedeutend besser ausgelastet und die Kosten für Neueinkäufe und Unterhalt gesenkt werden. Projektübergreifende Innovationen
Projektübergreifende Innovationen sind Entwicklungen, deren Anwendungsbereiche sich aus einer für verschiedene Bauprojekte gültigen Problemstellung ergeben und Projekte gleicher oder verschiedener Sparten der Bauwirtschaft (z.B. Tunnelbau, Brückenbau) umfassen können. Der Prozessablauf solcher Innovationen ist in Bild 498 dargestellt. Den Anstoss geben Erkenntnisse aus der Forschung und das gesammelte Know-how aus früheren Projekten, die Potenzial für innovative Neu- und Weiterentwicklungen erkennen lassen bzw. projektübergreifende Problemstellungen aufdecken. Die von konkreten Projekten losgelöste Problemstellung erlaubt für die Lösungssuche einen der Problemstellung angemessenen Zeit- und Kostenrahmen. Entsprechend lassen sich mit projektübergreifenden Innovationen auch Lösungen entwickeln, die auf Erkenntnisse tiefergehender F&E-Tätigkeiten und Marktuntersuchungen zurückgreifen können; die Neuartigkeit der angestrebten Lösung kann steigen.
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Bild 498: Prozess bauprojektübergreifende Innovationen
Unternehmen der Bauwirtschaft kann bei der Realisierung projektübergreifender Innovationen sowohl eine passive als auch eine aktive Rolle zukommen. In der passiven Rolle treten sie als Kunden auf, die ihre Erfahrungen als Bedürfnisse an Maschinen-, Baustoff- und Softwarehersteller weitergeben, die diese dann in Neuentwicklungen umsetzen. Die Entwicklungsergebnisse stehen in der Regel dem gesamten Baumarkt zur Verfügung. Für das einzelne Planungs- bzw. ausführende Unternehmen beschränkt sich damit der erzielbare Wettbewerbsvorteil auf eine frühzeitige Beteiligung bei der Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in wirtschaftlich anwendbare Neuerungen. In der aktiven Rolle können Unternehmen der Bauwirtschaft, aufbauend auf ihrem Know-how, Lösungsansätze für erkannte Problemstellungen selbst erarbeiten. Sie können je nach Bedarf Kooperationen mit anderen Unternehmen oder mit Forschungseinrichtungen eingehen. Die Zusammenarbeit kann in mehreren oder einzelnen Phasen des Innovationsprozesses stattfinden, z.B. können maschinelle Einrichtungen eines neuen Verfahrens durch einen Maschinenhersteller konstruiert und gebaut werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die komplette Problemlösung als Auftrag zu vergeben. Mit der aktiven Realisierung von projektübergreifenden Innovationen können Unternehmen der Bauwirtschaft einen Know-
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how-Vorsprung erwerben, der sich in Verbindung mit einer strategischen Grundausrichtung in langfristige Wettbewerbsvorteile umsetzen lässt. Projektabhängige Innovationen
Projektabhängige Innovationen sind Entwicklungen, deren Anwendungsbereich sich auf konkrete Bauprojekte beschränkt (Bild 499). Die Übertragbarkeit der Entwicklung auf andere Projekte ist normalerweise gering. Dennoch kann eine im Zusammenhang mit einem speziellen Projekt entstandene Innovation durchaus für spätere Projekte zur Anwendung gelangen. Entwurfsplanung
Projektphasen
Ausführungsplanung
Ausführung
100 % Kreativer Gestaltungsspielraum im Bauprojekt
Routinemässig zu lösende Bauaufgaben Innovativ zu lösende Bauaufgaben
Tunnelbau Hochbau
100 % Grad der Zielerreichung im Bauprojekt Typische Innovationsaufgaben im Bauprojekt
Typische Routineaufgaben im Bauprojekt
Ästhetisch-funktionales Entwerfen (Architekturkonzept)
Statisch-konstruktives Entwickeln (z.B. Tragsystem)
Verfahrenstechnisches Gestalten (Bauverfahren) Organisatorisches Gestalten (Bauablauf)
Statisch-konstruktives EntAusbautechnisches Entwerfen (Konstruktionskonzept) wickeln (z.B. Heizungssystem) Beschaffen amtlicher Unterlagen Aufstellen von Zeit- und Kostenplänen Erarbeiten von Finanzierungsplänen
Zeichnerisches und rechnerisches Darstellen des Bauprojekts Ermitteln von Mengen und Aufstellen von Leistungsbeschreibungen
Kalkulieren der Leistungspositionen Aufstellen und Kontrolle von Zeit- und Kostenplänen Beschaffen von Material und Maschinen
Bild 499: Routine- und Innovationsaufgaben in Bauprojekten
Den Anstoss geben die spezifischen Gegebenheiten und Vorgaben eines Projekts, die Problemstellungen zur Folge haben, die mit den bekannten, konventionellen Methoden und Mitteln nicht zu lösen sind. Die an ein konkretes Projekt gebundene Problemstellung zwingt den zeitlichen und finanziellen Rahmen, sich am Zeit- und Kostenbudget des Projekts auszurichten. Wenn der Bauherr nicht ausdrücklich innovative Lösungen fordert, ermöglichen die kurzen Projektbearbeitungszeiten sowie die begrenzten finanziellen und personellen Mittel oft nur Neuerungen mit inkrementalen Charakter bzw. kann der mögliche Nutzen nicht vollständig erreicht werden. Der Prozessablauf von projektabhängigen Innovationen ist in Bild 500 dargestellt.
17.4 Arten von Innovationen
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Bild 500: Prozess projektabhängiger Innovationen
Meist basieren die Lösungen projektabhängiger Innovationen auf bereits bestehenden Konzepten, die verbessert und den neuen Randbedingungen angepasst werden. Entsprechend kann mit dem gewonnenen Know-how aus früheren Projekten ein Wettbewerbsvorteil errungen werden, der im Ausarbeiten und Anbieten einer besonders günstigen, qualitativ hochwertigen und/oder originellen Problemlösung für die anstehende Bauaufgabe besteht und die Erteilung des Auftrags zur Folge hat. Die Chance, diesen Wettbewerbsvorteil nutzen zu können, erhöht sich beim frühzeitigen Zusammenführen des Know-hows durch verschiedene Formen der Kooperation unter Einbeziehung des Bauherrn und nötigenfalls administrativer Stellen. Formen der Zusammenarbeit konnten sich im Tunnelbau bereits auf verschieden Ebenen bewähren, z.B. zwischen Unternehmen der Bauwirtschaft und Maschinenherstellern oder Bauherren und Maschinenherstellern. Zu beachten bleibt immer, dass der Vorteil, der mit projektabhängigen Innovationen zu erzielen ist, nur für die Dauer des Projekts wirksam bleibt.
1066
17 Innovationsmanagement
17.4.3 Unterscheidung nach dem Beeinflussungsgrad
Wurde vorgängig die Perspektive des Einzelunternehmens in der Bauwirtschaft eingenommen, soll jetzt eine Einteilung der Innovationen gewählt werden, die die Möglichkeiten und Bedingungen einer erfolgreichen Realisierung von Innovationen aus der Perspektive des Bauprojekts betrachtet, denn die Vielzahl der an einem Bauprojekt Beteiligten erfordert für eine erfolgreiche Einführung von Innovationen die gezielte Koordination unter den Projektbeteiligten, die Bereitstellung spezieller Ressourcen usw. Das Ausmass dieser organisatorischen Massnahmen lässt sich über den Einfluss der Neuerung auf Bauwerk und Bauprozess bestimmen. Verbunden mit dem Neuigkeitsgrad lassen sich
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Inkrementalinnovationen, Modularinnovationen, Strukturinnovationen, Systeminnovationen und Radikalinnovationen
unterscheiden. Inkrementalinnovationen
Inkrementalinnovationen sind geringfügige technische Veränderungen. Sie basieren auf vorhandenem Wissen und Erfahrungen und haben nur geringfügige Auswirkungen auf andere Komponenten und Systeme. Der Fallkopf bei Deckenschalungen kann als Beispiel aufgeführt werden; er erlaubt das frühzeitige Ausschalen von Decken, da die Stütze stehen bleibt und die Decke weiterhin trägt. Modularinnovationen
Modularinnovationen sind signifikante Veränderungen im Konzept von Komponenten des Bauwerks bzw. Bauprozesses, wobei die Beeinflussung anderer Komponenten und Systeme gering ist. Ein Beispiel für Modularinnovationen sind Brückenkabel aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK), die im Brückenbauwerk mehrere Funktionen übernehmen: Zum einen tragen sie die Brückenlasten und zum anderen erlauben faseroptische Sensoren in den Kabeldrähten die Langzeitüberwachung des statischen Verhaltens der Brücke.
17.5 Management von Innovationen
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Strukturinnovationen
Strukturinnovationen sind kleine Veränderungen in den Komponenten von Bauwerk bzw. Bauprozess, die aber grosse Auswirkungen auf andere Komponenten und Systeme haben. Ein Beispiel ist die gespritzte Abdichtungsfolie für den Tunnelbau. Die Verwendung einer beim Auftrag flüssigen anstatt festen Folie führt zu einem Verbund zwischen den angrenzenden Spritzbetonschichten. Das Verbundsystem zeigt ein völlig anderes Verhalten als die vormals getrennten Teilsysteme. Der einschalige Tunnelbau wird wirtschaftlich und konstruktiv möglich. Systeminnovationen
Systeminnovationen verknüpfen unabhängige Innovationen, die die Funktion des Bauwerks bzw. den Ablauf des Bauprozesses als Ganzes verbessern. Als Beispiel kann ein neuartiges Konzept für Tunnelbohrmaschinen (TBM) genannt werden, das durch innovative Einzelentwicklungen wie kurzer Bohrkopfschild, radial und axial verfahrbare Lafetten zum Bohren von Ankern sowie mechanisierte Versetzeinrichtungen für Stahlträger zur frühzeitigen Felssicherung den Einsatzbereich von Gripper-TBM erweitert und die Effizienz von Tunnelvortrieben erhöht. Radikalinnovationen
Radikalinnovationen sind revolutionäre technische Veränderungen, die mit völlig neuartigen Problemlösungsansätzen den Charakter der gesamten Branche ändern. Ein Beispiel ist die Einführung völlig neuartiger Werkstoffe wie z.B. des Spannbetons. Völlig neuartige Konstruktionen, die gleichzeitig neue Verfahren für ihre Realisierung erforderten, waren möglich. Im 21. Jahrhundert wird ferner E-Commerce die Wettbewerbsbedingungen, die Fokussierung und die Leistungsangebote sowie das Kooperationsverhalten der Unternehmen auch in der Bauwirtschaft stark verändern.
17.5 Management von Innovationen Bisher wurden die Möglichkeiten der Unternehmen aufgezeigt, durch kundenorientierte Innovationen ihren Wertschöpfungsprozess effektiver und effizienter zu gestalten. Neben dem Erkennen der Bereiche für innovative Tätigkeiten gehört das systematische und zielorientierte Hervorbringen von Innovationen zu den wesentlichsten Voraussetzungen, um sich durch eine gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit langfristig erfolgreich am Markt
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17 Innovationsmanagement
behaupten zu können. Zur erfolgreichen Initiierung und Durchführung entsprechender Innovationsprojekte bedarf es eines Innovationsmanagements, das die Innovationsfähigkeit und die Innovationsbereitschaft des Unternehmens erhöht, indem es die dazu erforderlichen internen Rahmenbedingungen schafft. Ein derartiges Innovationsmanagement ist gesamtunternehmerisch und bereichsübergreifend zu verstehen, und sein Erfolg entscheidet sich in diesem Sinn über folgenden Determinanten:
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Unternehmenskultur Innovationsstrategie Führungsstil Organisationsstruktur Organisationsprozesse Kommunikationssystem Mitarbeitermanagement
17.5.1 Unternehmenskultur
Unter dem Begriff der Unternehmenskultur versteht man die Gesamtheit der Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen, die das Verhalten der Unternehmensmitglieder aller Hierarchiestufen und somit das Erscheinungsbild eines Unternehmens prägen. Sie schafft ein Werte- und Bezugssystem, das eine gemeinsame Interpretation und ein gemeinsames Verständnis verschiedener Unternehmensbereiche ermöglicht, und prägt letztendlich die Art, wie ein Unternehmen Probleme erkennt, bearbeitet und löst. Es handelt sich folglich um eine ganzheitliche Denkweise, die eine gewisse Stabilisierungsfunktion übernimmt. Für die Innovationstätigkeit ist von Bedeutung, dass Platz für neue Ideen bleibt, die Kommunikation offen gestaltet wird und eine gewisse Risikobereitschaft sowie gegenseitige Vertrauensbasis besteht. Ein gemeinsames Wertesystem fördert zudem die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und steigert die Motivation. 17.5.2 Innovationsstrategie
Innovationsstrategien sind als Bestandteil von Unternehmensstrategien zu sehen. Sie geben den strategischen Rahmen für alle Aktivitäten vor, die auf die Entwicklung und Vermarktung neuer Leistungsangebote und Formen der Leistungserstellung zielen, organisatorische Veränderungen anstreben und die Erschliessung neuer Geschäftsfelder bzw. Märkte bezwecken. Welche von verschiedenen denkbaren Strategien gewählt wird, hängt von
17.5 Management von Innovationen
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den verfügbaren Ressourcen, der Wettbewerbssituation, der Beziehung zu Kunden, dem Wachstumspotenzial des Marktes und weiteren Faktoren ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Innovationen sich am Markt bewähren müssen, um wirtschaftlich relevant zu sein. Sie haben sich konsequent auf die Bedürfnisse der Kunden und die gegebenen Situationen des Marktes einzustellen. Die gewählte Innovationsstrategie muss daher Aussagen zur Ausrichtung der Innovationstätigkeit, zum angestrebten Wettbewerbsvorteil, zum Markteintritt sowie zur Art und Weise des Know-how-Erwerbs machen. Mit der strategischen Ausrichtung der Innovationstätigkeit legen Unternehmen die Bereiche für Innovationen fest und bestimmen dadurch, wie hoch die Neuartigkeit der Innovation ausfallen soll. Es ist zu entscheiden, ob nur Verbesserungen einzelner Materialien und Konstruktionsprinzipien oder eine Senkung der Herstellkosten im Bauprozess angestrebt werden oder ob völlig neue Materialien, gekoppelt mit neuen Herstellungsverfahren, zur Erschliessung neuer Geschäftsfelder Ziele der Innovationstätigkeit sein sollen. Durch die Festlegung einer Wettbewerbsstrategie wird entschieden, welche innovativen Entwicklungen durch ein Unternehmen angegangen werden müssen, um Wettbewerbsvorteile am Markt zu erringen. Beispielsweise werden beim Strategietyp Kostenführerschaft sehr stark Prozessinnovationen zum Tragen kommen, die eine Senkung der Baukosten mit sich bringen. Eine weitere Entscheidung ist mit der Markteintrittsstrategie zu treffen. Sie betrifft die Frage, wann ein Unternehmen Innovationen einführt. Es kann als erstmaliger Entwickler bzw. Anwender einer Neuerung in der Branche auftreten oder warten, bis die Neuerung sich am Markt bewährt hat. Schlussendlich muss das Unternehmen entscheiden, wie das Know-how für die Innovationstätigkeit zu erwerben ist. Dazu sollten internes und externes Wissen sinnvoll miteinander verknüpft werden. Neben einer eigenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit spielen insbesondere in der Bauwirtschaft temporäre und/oder langfristige Kooperationen in vertikaler und/oder horizontaler Richtung und der externe Wissenserwerb (z.B. Auftragsforschung) eine zentrale Rolle. 17.5.3 Führungsstil
Das Verhalten von Führungspersonen prägt Innovationsprozesse massgeblich. Für den Innovationsprozess förderlich ist ein Führungsstil dann, wenn das vorhandene Mitarbeiterkapital genutzt, die Identifikation der
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17 Innovationsmanagement
Mitarbeiter mit den übertragenden Aufgaben unterstützt und Arbeitszufriedenheit sowie Motivation erhöht werden. Der Führungsstil ist von der Phase des Innovationsprozesses und den konkret anstehenden Aufgaben abhängig. Im Allgemeinen sollte die Führung mit zunehmendem Konkretisierungsgrad der Idee straffer werden, da der Ressourcenaufwand mit der Konkretisierung zunimmt. Locker sind z.B. Ideenentwicklung, Alternativenwahl usw. zu führen. Analysen, Tests, Markteinstieg usw. bedürfen einer strafferen Führung. 17.5.4 Organisationsstruktur
Die Organisationsstruktur des Unternehmens kann in geeigneter Form auf die Förderung von Innovationsaktivitäten ausgerichtet werden. Mögliche interne Aufbauorganisationen im Rahmen des Innovationsmanagements sind
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Projektorganisation, Stabsstelle Innovation, teamorientierte Organisationsform und Matrix-Projektmanagement.
Mit der Projektorganisation wird eine Projektgruppe, die nur am Projekt arbeitet, aus der Unternehmensstruktur herausgelöst. Eine selbstständige und rasche Erledigung des Projekts, die Identifikation der Projektmitarbeiter mit dem Projekt, die Reduktion der Bearbeitungskosten etc. sind die Vorteile dieser Organisationsform. Nachteilig ist unter anderem, dass sie sich aufgrund der Organisationskosten nur für grosse Projekte eignet, der Erfolg stark vom Projektleiter abhängt und Fachwissen nicht optimal genutzt werden kann. Bei der Stabsstelle Innovation werden qualifizierte Mitarbeiter neben ihren Routinetätigkeiten als Koordinierungsbeauftragte für Innovationsprojekte eingesetzt. Sie unterhalten mit allen relevanten Stellen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens Informations- und Arbeitsbeziehungen. Als Vorteile können die Unterstellung der Projektmitarbeiter beim Linienvorgesetzten und die zentrale Koordination genannt werden. Nachteilig sind die schwache Stellung des Projektleiters und der schwerfällige Ablauf. Die teamorientierte Organisationsform eignet sich vor allem bei progressiven Aufgaben, bei denen ein Rückgriff auf bekannte Informationen nicht möglich ist; ein Vorgreifen auf informelles Neuland ist notwendig. Der herkömmlichen Linienorganisation wird eine Planungsgruppe zur Seite gestellt, die sich hauptsächlich auf das Innovationsprojekt konzentriert. Vorteilhaft sind u.a. die effektive Nutzung des Wissenspotenzials im Un-
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ternehmen und die Reduzierung interner Konflikte. Nachteilig wirkt sich die Isolierung der Experten in Teams und die Ausgliederung der Mitarbeiter aus der bestehenden Struktur aus. Beim Matrix-Projektmanagement besteht neben der üblichen funktionalen oder divisionalen Gliederung eine projektspezifische Arbeitsgruppe. Sie wirkt quer in das klassische Gefüge ein. Hierbei wird bewusst vom Prinzip der einheitlichen Auftragserteilung abgewichen, d.h. einzelne Stellen unterstehen mehreren Vorgesetzten; es sind dies die Fachvorgesetzten und die Projektleiter. Die Mehrfachunterstellungen können zu Problemen führen, dafür kann in dieser Organisationsform Fachwissen gezielt genutzt werden. 17.5.5 Organisationsprozesse
Der Ablauf innovativer Tätigkeiten ist normalerweise weniger stark organisiert und formalisiert als Routinetätigkeiten. Kreatives Arbeiten setzt einen gewissen Freiraum voraus, der mit fixem Vorgehen nicht zu erreichen ist. Um dennoch den Ablauf effizient gestalten und Ressourcen in optimaler Weise einsetzen zu können, wird das Aufstellen eines Ablaufschemas notwendig. Die Ablauforganisation von Innovationstätigkeiten gliedert den Innovationsprozess in einzelne Phasen, denen bestimmte Aufgaben zuzuordnen sind. Dabei werden die einzelnen Tätigkeiten so zusammengefasst, dass sie in sinnvoller Weise den einzelnen Stellen und Abteilungen der Aufbauorganisation zugewiesen werden können. Die Übergänge zwischen den Phasen sind meistens fliessend, und iterative Schleifen sowie nichtlineare Abfolgen der Tätigkeiten kennzeichnen besonders Innovationsprozesse in der Bauwirtschaft, u.a. eine Folge der Komplexität bautechnischer Innovationen. Für die Phaseneinteilung existieren verschiedene Modelle. Beispielsweise ist eine Unterteilung des Innovationsprozesses in fünf Phasen denkbar (Bild 501); das Grundschema kann auch in der Bauwirtschaft angewendet werden.
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1
Ideengenerierung
2
Screening und Analyse
3
Entwicklung
4
Test
5
Vermarktung
Bild 501: Unterteilung des Innovationsprozesses in fünf Phasen
Wird die Differenzierung der Innovationen nach Anwendungsbereichen zugrunde gelegt, lassen sich auf Branchenebene beispielhaft die in Bild 502 dargestellten Abläufe für Innovationsprozesse erkennen. Projektunabhängige Innovation
Projektübergreifende Innovation
Projektabhängige Innovation
Abklären der Bedürfnisse durch Hersteller
Problemstellung durch Beteiligte am Bauprozess
Planer / Bauherr erkennt Problem; Weiterleitung an Hersteller
Variantenstudium durch Hersteller
Lösungsstudien durch Hochschule (theoretische Grundlagen)
Wahl einer Variante, evtl. in Zusammenarbeit mit Planer / Bauherr
Entwicklung
F&E in Eigenregie (evtl. Kooperationen)
Entwicklung durch Hersteller in Zusammenarbeit mit Hochschule
Entwicklung durch Hersteller
Test
Test in Zusammenarbeit mit Unternehmern
Test durch Hersteller und Anwender
Test in Zusammenarbeit mit Unternehmern
Vermarktung
Vermarktung durch den Hersteller
Vermarktung durch Hersteller
Markteinführung und Vermarktung durch Planer
Ideengenerierung
Screening und Analyse
Bild 502: Abläufe von Innovationsprozessen
Es ist zu erkennen, dass es sich bei den meisten technischen Innovationen in der Bauwirtschaft um Entwicklungen der Zulieferindustrie wie Bauprodukte- und Baumaschinenhersteller handelt. Der Innovationsprozess auf Unternehmensebene besteht daher in erster Linie aus folgenden Phasen:
x Identifikation neuer technischer Entwicklungen zur Verbesserung bzw. Weiterentwicklung der angebotenen Leistungen
17.5 Management von Innovationen
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x Bewertung der neuen technischen Entwicklungen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen und technischen Eignung für und ihrer Auswirkungen auf das Leistungsangebot x Implementierung der neuen technischen Entwicklungen in das Leistungsangebot durch entsprechende Verknüpfung mit anderen technischen Systemen (Realisierung des veränderten Leistungsangebots) x Rückmeldung über den Verlauf der Implementierung zur Aufbereitung für Optimierungen bei zukünftigen Anwendungen Die mit den Innovationsphasen verbundenen Aufgaben müssen in Abhängigkeit von der Innovationsart organisatorisch in die Unternehmensstruktur des Unternehmens eingegliedert bzw. die Unternehmensstruktur muss den Anforderungen an eine optimale Aufgabenbewältigung angepasst werden. Insbesondere der Implementierungsphase ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da sie auf Projektebene stattfindet und die erstmalige Realisierung des veränderten Leistungsangebots umfasst. Wesentliche Aufgaben des Unternehmens in dieser Phase sind:
x Koordination der Projektbeteiligten x Bereitstellen spezieller Ressourcen x Überwachung der Implementierung Unter Berücksichtigung der Innovationsart nach dem Beeinflussungsgrad ergeben sich die organisatorischen Ausprägungen der einzelnen Aufgaben. Inkrementale Innovationen z.B. erfordern keine Koordination unter den Projektbeteiligten. Das Unternehmen implementiert die Innovation eigenverantwortlich, andere Projektbeteiligte sind gegebenenfalls zu informieren. Auch sind keine speziellen Ressourcen bereitzustellen; die Überwachung der Implementierung kann auf Stufe Bauführung erfolgen. Bei Systeminnovationen hingegen werden alle Projektbeteiligten involviert, da Bauwerk und Bauprozess als Ganzes von der Neuerung betroffen sind. Die Projektbeteiligten erfassen die wirtschaftlichen und technischen Implikationen der Neuerung für das Bauwerk bzw. den Bauprozess bereits in der Identifizierungs- und Bewertungsphase. Insbesondere die Chancen und Risiken einer langfristigen Anwendung sind für die Realisierung mitbestimmend. Für die Integration der Einzelentwicklungen in das Gesamtsystem sind dann spezielle Ressourcen notwendig. Dabei kann es sich um eigenes, speziell ausgebildetes Fachpersonal oder um Spezialfirmen handeln. Die Überwachung erfolgt auf Projektebene durch das oberste Management aller Beteiligten.
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17 Innovationsmanagement
17.5.6 Kommunikationssystem
In innovativen Unternehmen herrscht die Überzeugung, dass sich Organisationsabläufe selbst gestalten, wenn die Kommunikation gezielt gefördert wird und eine entsprechende Unternehmenskultur gegeben ist. Ziel sollte es sein, den Mitarbeitern eine gemeinsame Informationsbasis zur Verfügung zu stellen. Der Nutzen von neuen Erkenntnissen soll nicht nur einzelnen Unternehmensteilen, sondern möglichst dem Gesamtunternehmen zugute kommen. Dies setzt speziell bei dezentral gegliederten Unternehmen eine ausgeklügelte Kommunikationsstruktur voraus. Zu unterscheiden ist die formale (von der Aufbauorganisation vorgegebene) und die informale (von der Struktur unabhängige) Kommunikation. Bei der formalen Kommunikation ist die abteilungsübergreifende Verbindung zu unterstützen, da besonders bei eindimensionalen Aufbauorganisationen die Gefahr besteht, dass nur im Rahmen der eigenen Abteilung oder Gruppe gedacht wird. Durch eine (teilweise) zentrale Informationskoordination (z.B. via interner Publikation) können Doppelspurigkeiten bei der Informationsbeschaffung vermieden werden. Die Bedeutung der informalen Kommunikation für den Innovationsprozess wird im Allgemeinen als sehr hoch eingestuft. Innovative Unternehmen versuchen, sie durch die Schaffung von Kommunikationsmöglichkeiten wie Cafeterien und Pausenräumen sowie eine geeignete Auslegung von Büroräumlichkeiten gezielt zu fördern. Ebenso wie die interne ist die externe Kommunikation mit Kunden, Lieferanten usw. bedeutsam. Ausgebaute Informationssysteme mit Kunden und Lieferanten bieten ein beträchtliches Wissenspotenzial, das für die Marktorientierung von Innovationen unabdingbar ist. 17.5.7 Mitarbeitermanagement
Mitarbeitermanagement oder Personalentwicklung soll die personellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmensführung schaffen. Ausgangsdaten sind relevante Informationen über Personen (Ausbildung, Eignungen, soziale Kompetenz), über Anforderungsprofile an einzelne Stellen sowie den Bildungs- und Arbeitsmarkt. Dadurch lassen sich Mitarbeiter nach Bedarf gezielt fördern, und durch horizontale und vertikale Versetzungen kann vorhandenes Wissen am richtigen Ort genutzt werden. Kreative Leistungen, wie sie für innovative Entwicklungen gefordert werden, sind besonders von der Motivation der Mitarbeiter abhängig. Voraussetzungen dafür sind ein gesundes Mass an Freiraum in der Tätigkeit
17.6 Innovationen in kleinen Bauunternehmen
1075
und ein definiertes Anreizsystem, das zur Entwicklung neuer Ideen anspornt. Als Anreize für kreative Leistungen werden angesehen:
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herausfordernde Tätigkeit stimulierende Zusammenarbeit mit fähigen Kollegen Gelegenheit, eigenen Ideen nachgehen zu können Fortbildung Ansehen im Unternehmen und in der Öffentlichkeit Anerkennung durch Vorgesetzte gute Kooperation mit Vorgesetzten leistungsgerechtes Gehalt Sicherheit des Abeitsplatzes Aufstiegsmöglichkeiten günstige Arbeitsbedingungen Möglichkeit der Job Rotation Möglichkeit, sich einen Ruf in der Fachwelt zu verschaffen
Je mehr Anreize sich dem einzelnen Mitarbeiter bieten, desto eher wird er zu ausserordentlichen Leitungen bereit sein. Die Mitarbeiter müssen sich auch gegen aussen orientieren, um die aktuellen Entwicklungen verfolgen und auf neue Ideen stossen zu können. Beispielsweise können Besuche an Fachtagungen oder Messen die Informationsbeschaffung der Mitarbeiter unterstützen.
17.6 Innovationen in kleinen Bauunternehmen In kleinen Bauunternehmen liegt die technische und kaufmännische Leitung meist in den Händen einer Person, die in vielen Fällen gleichzeitig Firmeninhaber ist. Deshalb sollten auch Innovationen vollständig vom Unternehmensleiter getragen werden, d.h., er übernimmt alle Aktivitäten des Innovationsprozesses von der Identifizierung neuer Entwicklungen bis zur Rückmeldung über den Verlauf der Innovationseinführung; er ist gleichzeitig der Innovationsmanager des Unternehmens (Bild 503). In der Identifizierungsphase interagiert der Unternehmensleiter mit Lieferanten, Angestellten und Subunternehmen; er beobachtet Konkurrenten und studiert Fachzeitschriften, um neue Verfahren und Produkte für die Geschäftsfelder seines Unternehmens erkennen zu können.
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17 Innovationsmanagement
Subunternehmen
Mitarbeiter
Lieferanten
Kosten Konkurrenz
Amortisation
Ziele
Mitarbeiter
Unternehmensleiter
Unternehmensleiter
Identifizierung
Bewertung
Subunternehmen
Mitarbeiter
Lieferanten
Ausbilden Bauherr
Dokumentieren Unterstützen
Planen
Unternehmensleiter
Unternehmensleiter
Rückmeldung
Implementierung
Bild 503: Innovationsprozess in kleinen Bauunternehmen
In der Bewertungsphase untersucht der Unternehmensleiter die neuen Produkte und Verfahren und bewertet sie im Hinblick auf die Unternehmensbedingungen. Zu berücksichtigen sind u.a. die Unternehmensziele, der beabsichtigte Einsatzmarkt, die verfügbaren Ressourcen, die Anschaffungskosten sowie die Amortisierungshöhe und -dauer. Auch müssen die Fähigkeiten der Mitarbeiter, die mit der Innovation arbeiten sollen, bewertet und die Kosten und die Zeit für eventuelle Ausbildungsmassnahmen abgeschätzt werden. In der Implementierungsphase übernimmt der Unternehmensleiter verschiedene Rollen. Er plant das Projekt, um mögliche Probleme vorhersehen zu können. Er bildet die Mitarbeiter im Umgang mit der Innovation aus und dokumentiert den Implementierungsfortschritt, um eventuelle Anpassungen vornehmen zu können. Er unterstützt die Innovation nachdrücklich und steht hinter den Mitarbeitern, die an der Implementierung beteiligt sind. In der Rückmeldephase muss der Unternehmensleiter mit allen am Innovationsprojekt Beteiligten wie Mitarbeitern, Subunternehmen, Lieferanten und Bauherr interagieren. Er muss die Auswirkungen der Neuerung auf den Bauprozess, die Kosten, die Qualität und die Termine der Bauleistung identifizieren. Weiteres Lernen aus dem Einsatz und Verbesserungen in der Anwendung sichern einen hohen Return on Investment. Für erfolgreiche Neuerungen in kleineren Bauunternehmen muss der Unternehmensleiter die Fähigkeit besitzen, sich voll für die Innovation zu engagieren, und die Energie aufbringen, um den gesamten Prozess zu tragen und voranzutreiben. Er muss seine Mitarbeiter motivieren und ein kollegiales Klima im Unternehmen schaffen können.
17.6 Innovationen in kleinen Bauunternehmen
1077
17.6.1 Beispiel teilautomatisiertes Planieren
Der Unternehmensleiter eines kleinen Spezialunternehmens für Erdarbeiten hatte das Ziel, die Effizienz der Bauleistungen seiner Firma zu verbessern. Seine Anstrengungen für Verbesserungen umfassten detaillierte Analysen der Arbeiten, um Wege zur Verkürzung der Zykluszeiten und zur Verringerung des Maschinen- und Personaleinsatzes zu finden. Auch wollte er die Qualität der ausgeführten Arbeiten verbessern, weil die Dicke des eingebauten Materials immer wieder stark schwankte, was teure Nacharbeiten mit sich brachte.
Bild 504: Prinzip des lasergesteuerten Planierens
Obwohl andere Unternehmen bereits erfolglos versucht hatten, die Lasertechnik zum Planieren anzuwenden, hielt der Unternehmensleiter sie aufgrund ihrer Einfachheit für sehr viel versprechend. Da seine Firma sehr viel Planierarbeiten ausführte, glaubte er, dass der Einsatz der Lasertechnik zu einer entscheidenden Qualitäts- und Produktivitätssteigerung beitragen könnte (Bild 504). Der Unternehmensleiter wusste von der steigende Nutzung der Lasertechnik in anderen Bereichen des Bauens und versuchte, Hersteller grosser Erdbaumaschinen für die Anwendung der Lasertechnik in seinen Maschinen zu interessieren. Da die Hersteller davon ausgingen, dass der kleine Anwendungsbereich dieser Maschinen die notwendigen Entwicklungskosten nicht rechtfertigen würde, nahm der Unternehmensleiter die Anpassung selber vor. Er machte Zulieferer für Lasertechnik und Hydrauliksysteme ausfindig und legte seine angestrebten Adaptionen dar. Die ersten Anstrengungen schlugen fehl, aber er erhielt wertvolle Informationen über Probleme und
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17 Innovationsmanagement
mögliche Lösungen. Dann fand er einen Zulieferer, der lasergesteuerte Vorrichtungen für die Landwirtschaft herstellte, bereits einige Erfahrung in der Bauindustrie hatte und ein Potenzial für die weitere Anwendung der Lasertechnik sah. Das Bauunternehmen und der Zulieferer versuchten nun gemeinsam, die Lasertechnik für Erdbauarbeiten einzusetzen. Der Unternehmensleiter musste viel Kapital investieren, was zu einer sehr angespannten finanziellen Lage seines kleinen Unternehmens führte. Daneben waren weitere Hürden und Rückschläge zu überwinden, die verdeutlichen, dass für innovative Entwicklungen Überzeugung, Ausdauer und Mut zum Risiko notwendig sind. Zu Beginn war aufgrund des schweren Planierschilds die automatische Kontrolle sehr unstetig. Modifikationen des hydraulischen Kontrollsystems erlaubten ein weicheres Arbeiten. Auch waren die Gestelle für die Lasereinrichtungen nicht widerstandsfähig genug für den Baustelleneinsatz und mussten durch stärkere Gestelle ersetzt werden. Letztlich bedurfte es einiger Feldtests, um die Lasertechnik und das Hydrauliksystem so aufeinander abzustimmen, dass eine befriedigende Leistung erreicht werden konnte. Jedoch waren die mit der Entwicklung erzielten Resultate die Anstrengungen wert. Die durchschnittliche Leistung einer Planierraupe konnte von 3000 m3 auf 20000 m3 gesteigert und die Kosten von 0.86 US$/m2 auf 0.41 US$/m2 gesenkt werden. Das System erfüllte auch die Erwartungen an eine verbesserte Qualität; die Planumstoleranzen wurden beständig eingehalten. Neben der erwarteten Verbesserung der Produktivität konnten auch einige unerwartete Vorteile gewonnen werden, z.B. die Ausdehnung der Arbeiten auch auf schlechte Lichtverhältnisse und die Nutzung des Systems als Ausbildungshilfe für Maschinisten. Letztlich konnte das Bauunternehmen durch die Neuentwicklung einen Wettbewerbsvorteil erzielen, der sich darin äusserte, dass sein Umsatz im Zeitraum von 1976 bis 1984 von 500.000 US$ auf über 50.000.000 US$ anstieg. 17.6.2 Beispiel Doppelwandelemente und Systemdecken
Ein kleines Hochbauunternehmen, das hauptsächlich im Einfamilienhausbau tätig ist, suchte nach neuen Möglichkeiten, die Effizienz seiner Baustellenprozesse zu verbessern. Es führte anhand ausgeführter Objekte diverse Studien zum Arbeitsaufwand für einzelne Bauwerkssysteme durch. Insbesondere für die Wand- und Deckenelemente konnte erhebliches Optimierungspotenzial erkannt werden, das vor allem in einer Verringerung der Fertigungstiefe auf der Baustelle gesehen wurde. Man suchte und bewertete verschiedene Lösungen für den Einsatz vorgefertigter Wand- und
17.7 Innovationen in grossen Bauunternehmen
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Deckenelemente. Wesentlich war dabei, dass die Elemente sowohl eine Kosten sparende Montage erlauben als auch genügend Flexibilität besitzen sollten, um projektspezifische Anpassungen vornehmen zu können. Das Unternehmen entschied sich für den Einsatz von neuartigen Doppelwänden und Systemdecken. Die vorgefertigten Doppelwände bestehen aus zwei Stahlbetonschalen, die mit Gitterträgern verbunden sind (Bild 505). Nach der Montage auf der Baustelle werden sie mit Ortbeton ausgegossen. Fenster- und Türöffnungen sowie Aussparungen für Elektroinstallationen sind bereits eingebaut. Dadurch können aufwendige Arbeitsgänge wie Schalen und Verputzen entfallen. Die eingesetzten Systemdecken bestehen aus einer fünf Zentimeter dicken Betonplatte, die als verlorene Schalung dient. Gleichzeitig enthalten sie die untere Armierung und können ebenso Leerrohre und Dosen für die Elektroinstallation beinhalten. Dadurch werden Schalungs- und Bewehrungsarbeiten auf der Baustelle verringert und die Effizienz der Arbeit gesteigert. (1) Türzargen, Holzabschalung oder Glasfaserbeton (2) Fenster oder Holzabschalungen (3) Aussparungen und Wandschlitze oder Treppenauflager (4) Armierungsanschlussschienen für Ortbetonanbindungen (5) Maueranschlussschienen (6) Elektrodosen (7) Elektrorohre für die vertikale Zuführung der Elektroinstallation
Bild 505: Aufbau Doppelwand
Für den erfolgreichen Einsatz der neuen Bauwerkselemente musste das Unternehmen mehr Augenmerk auf eine systematische Arbeitsvorbereitung legen. Insbesondere die enge Zusammenarbeit mit einem Fertigteilwerk stellte die rechtzeitige und qualitätsgerechte Lieferung der Elemente auf die Baustelle sicher.
17.7 Innovationen in grossen Bauunternehmen In grossen Bauunternehmen ist es möglich, eine eigens für Innovationen verantwortliche Stelle eines Innovationsmanagers zu schaffen. Der Innovationsmanager muss über die Ziele und Strategien des Unternehmens und
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insbesondere über die Richtung der technischen Entwicklung gut informiert sein. Er benötigt sowohl gute technische Fähigkeiten für die Bewertung von alternativen Lösungen als auch sehr gute kommunikatorische Fähigkeiten für die intensive Zusammenarbeit mit Personen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens (Bild 506). Bewertung Amortisation
Kosten Ziele Subunternehmen Lieferanten
Mitarbeiter
Innovationsmanager
Mitarbeiter
Unternehmensleiter
Konkurrenz
Businessplan
Forschung
Identifizierung
Analysieren
Geschäftsleitung
Empfehlen
Sammeln
Treffen
Informieren
Innovationsmanager
Dokumentieren
Planen
Projektteam
Rückmeldung
Unterstützen
Implementierung
Bild 506: Innovationsprozess in grossen Bauunternehmen
In der Identifizierungsphase interagiert der Innovationsmanager mit Lieferanten und Subunternehmern und beobachtet den Wettbewerb. Neue Ideen können auch von den Mitarbeitern kommen und über ein internes Vorschlagswesen erfasst werden. Darüber hinaus sind Kontakte des Innovationsmanagers zu Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen hilfreich, damit er neue Entwicklungen erkennen und rechtzeitig für das Unternehmen adaptieren kann. In der Bewertungsphase muss der Innovationsmanager beurteilen, ob die neue Idee die strategische Ausrichtung des Unternehmens unterstützt. Weiterhin sind die Zeit, die Kosten sowie die Amortisationshöhe und -dauer einzuschätzen, die für die Adaption der Ideen benötigt werden. Auch sind die Auswirkungen auf die bisherige Unternehmenstätigkeit und die Ausbildung der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Der Innovationsmanager wird dann einen Businessplan für die Umsetzung der neuen Ideen erstellen, der alle diese Punkte beinhaltet. Der Businessplan wird der Geschäftsleitung vorgelegt, die endgültig über die Umsetzung entscheidet.
17.7 Innovationen in grossen Bauunternehmen
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In der Implementierungsphase geht die Verantwortung auf das umsetzende Projektteam über, das neben dem Bauunternehmen Lieferanten, Planungsbüros und Bauherren umfassen kann. Es plant die Innovationseinführung frühzeitig, trifft sich regelmässig zur Identifizierung und Lösung möglicher Probleme und dokumentiert den Projektfortschritt und die Auswirkungen der Neuerung auf den Bauprozess. Das Projektteam sollte mit ausreichenden Ressourcen ausgestattet sein, um die Innovation implementieren und aufkommende Probleme lösen zu können. In der Rückmeldephase verschiebt sich die Verantwortung wieder auf den Innovationsmanager. In dieser Phase müssen die Dokumentationen und die Rückmeldungen des Projektteams sowie aller Personen, die in das Projekt integriert waren, gesammelt und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Die Auswirkungen der Innovation auf alle Phasen des Bauprozesses sind zu analysieren, und es wird festgestellt, ob die Neuerung erfolgreich war. Weiterhin ist zu entscheiden, ob die Innovation das Potenzial besitzt, um daraus zu lernen. Der Innovationsmanager kann dann eine Empfehlung für die Anwendung der Innovation in zukünftigen Projekten abgeben und das gesamte Unternehmen über die Neuerung informieren. 17.7.1 Beispiel automatisierte Bauwerkserstellung
Ein grosses japanisches Bauunternehmen, das bereits automatisierte Baumethoden einsetzte, suchte nach neuen Möglichkeiten für eine verstärkte Automatisierung. Zu Hilfe kam ihm dabei das neue Wissensgebiet der Mechatronik, das aufgrund seines interdisziplinären Ansatzes versprach, einzelne automatisierte Bautechniken verknüpfen zu können. Als ein mögliches Anwendungsgebiet wurde das Errichten von hohen Gebäuden identifiziert. Es entstand die Idee für ein automatisiertes System zur Bauwerkserstellung, das unter Einsatz mechanischer und elektronischer Techniken verschiedenste Baumethoden miteinander verbindet. Die Idee umfasste fünf Komponenten, ein automatisiertes Transportsystem, ein neues Stahlmontagesystem (Bild 507), ein neues automatisiertes Schweisssystem (Bild 508), ein neues Hebesystem und ein neues integriertes Informationsmanagementsystem. Um dieses anspruchsvolle Projekt realisieren zu können, ging das Bauunternehmen eine Kooperation mit einem Zulieferer für Automatisierungssysteme ein. Dadurch konnte zum einen das fehlende Know-how ergänzt und zum anderen die entstehenden Risiken besser verteilt werden. Die Zusammenarbeit umfasste die Technikentwicklung und die Technikeinführung.
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17 Innovationsmanagement
Bild 507: Transport- und Montagesystem
Bild 508: Schweisssystem
Wesentlich für das Projekt war der Einbezug von Personen aus allen Funktionsbereichen des Bauprozesses (Bauplanung, Bauausführung, Maschinenplanung, Maschinenproduktion etc.) in das Projektteam. Ein Prototyp des neuen Systems wurde entwickelt und getestet. Weiterhin wurde eine
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Animation gestaltet, die den Erstellungsprozess simuliert. Sie diente dazu, Bauherren über die neue Bautechnik zu informieren und von deren Vorteilhaftigkeit zu überzeugen. Eine Reihe von Treffen und Workshops lieferte wertvolle Informationen, besonders in der Anfangsphase des Projekts. Ideen wurden sowohl durch Kreativitätstechniken entwickelt als auch durch die Auswertung verschiedenster Informationsquellen, z.B. über intelligente Produktionssysteme, neue Vorfertigungsmethoden und neue Materialhandhabungssysteme. Während der Erstanwendung des neuen Systems besuchten jeden Monat durchschnittlich 800 Personen die Baustelle, darunter Bauherren, Architekten, Ingenieure, Forschungsgruppen aus verschiedenen Ländern und Regierungsvertreter. Dadurch verschaffte sich das Bauunternehmen eine hohe Reputation vor allem bei den Bauherren, denn es konnte mit einem innovativen System von Baumethoden werben, das eine höhere Produktivität, eine bessere Qualität und eine sicherer Arbeitsweise erlaubte. 17.7.2 Beispiel Tunnelbohrmaschine
Ein grosses Schweizer Bauunternehmen mit weitreichender Erfahrung im Tunnelbau wollte die Vortriebsleistungen von Tunnelbohrmaschinen (TBM) unter stärker nachbrüchigen Gebirgsverhältnissen verbessern. Bisherige TBM-Konzepte zeigten die Schwierigkeit, dass der Stahlringeinbau mit Netzverzug und Spritzbetoneinbau mit grossem Abstand zur Ortsbrust bei Zonen mit grösserer Auflockerung zur Ansammlung von aufgelockertem Material in den Netzen führte. Vor Einbau des Spritzbetons musste dieses Material mit grossem Aufwand und Risiko von Hand entfernt werden. Hauptsächlich aus Gründen der Verschmutzung von Maschinenteilen hatte man bisher den Einbau eines kraftschlüssigen AnkerSpritzbetonausbaus gemieden. Die Vortriebsgeschwindigkeiten waren primär von den Sicherungsmassnahmen und nicht von der Bohrleistung abhängig. Zur Entwicklung und Umsetzung eines neuen Maschinenkonzepts kooperierte das Bauunternehmen mit einem Maschinenhersteller und einer Forschungseinrichtung. Der Maschinenhersteller erarbeitete das neue Konzept der Maschinen, indem er die baubetrieblichen Kennwerte und die Erfahrungen des Bauunternehmens in Maschinenparameter umsetzte. Die Forschungseinrichtung lieferte Daten zum Umfang der notwendigen Sicherungsmassnahmen.
1084
17 Innovationsmanagement
Bild 509: TBM Sicherungskonzept – Sicherungsbereich hinter dem Bohrkopf
Bild 510: TBM-Sicherungskonzept – Ankersetzeinrichtungen
Das Ergebnis der Zusammenarbeit war ein neues Sicherungskonzept für den TBM-Vortrieb (Bild 509). Durch einen sehr kurzen Bohrkopfschild und schräge Vorschubzylinder, die die Gripperebene weiter nach hinten setzen, können bereits im Bereich von 4 bis 7 m hinter der Ortsbrust Siche-
17.7 Innovationen in grossen Bauunternehmen
1085
rungen aus Stahlringen, Spritzbeton und Ankern über den gesamten Tunnelumfang eingebaut werden. Dabei werden die Ankerarbeiten aus optimaler Position aus einem geschützten Korb durchgeführt (Bild 510). Der Spritzbetoneinbau erfolgt mechanisiert. Durch den kurzen Abstand bis zum Einbau der Sicherungsmittel konnte die Gefahr von Niederbrüchen verringert und deren aufwendiges Beseitigen verhindert werden. Das Bauunternehmen erhielt vom Baumaschinenhersteller die Zusage, dass es die Maschinen bevorzugt einsetzen darf. Darüber hinaus sicherte es sich das Know-how durch Patentierung des Konzepts.
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Strategieplanungsprozess ......................................................... 4 Umfeldsphären und Unternehmensprozesse ............................ 5 Handlungsebenen des Managements [1-46]............................. 6 St. Galler Management-Modell in Anlehnung an [1-6] ........... 7 Bestandteile des strategischen Managements........................... 9 Modell des strategischen Managements [1-25] ...................... 12 Controllingprozess der strategischen Vorgaben [1-27] .......... 13 Die Prozesse in einem Bauunternehmen ................................ 15 Interaktion der internen und externen Bestimmungsgrössen zur Gestaltung des Unternehmensverhaltens [1-45]............... 17 Kondratieff: Langfristige Konjunkturzyklen.......................... 18 Kybernetisches Führungsmodell ............................................ 19 Führungsmodell – Willensbildung und Willensumsetzung [1-45] ....................................................... 20 Führungsmodell – Umsetzungsprozess der Wertvorstellung in eine Unternehmensstrategie ............................................... 20 Führungsmodell – Führungsfunktionen im Unternehmen [1-45] ...................................................................................... 23 Zielsystem von Unternehmen................................................. 25 Strategieplanung – Unternehmens-, Geschäftsfeld- und Funktionsstrategien ................................................................ 27 Zusammenhang zwischen Geschäftsfeldstrategie und strategischer Erfolgsposition .................................................. 29 Dimensionen strategischer und operativer Unternehmensziele ................................................................. 30 Strategieebenen in divisionalen Unternehmen [1-20] ............ 32 Ablauf einer Unternehmensstrategieplanung ......................... 33 Strategische Einheiten in funktional und divisional organisierten Unternehmen [1-45] ......................................... 34 Strategischer Problemlösungsprozess .................................... 36 Ablauf der strategischen Analyse und Planung in einem Unternehmen .......................................................................... 38 Funktion der SWOT-Analyse bei der Analyse strategischer Handlungsalternativen [1-31] ................................................. 40
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SWOT-Analyse eines Zürcher Generalunternehmens für den Einstieg in das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ (Handlungsalternativen) ................................................ 41 Das globale Umfeld und der Markt eines Unternehmens in Anlehnung an die fünf Wettbewerbskräfte von PORTER [1-33] ...................................................................................... 43 Umfeldanalyse I – Chancen und Gefahren aus dem globalen Umfeld für Bauunternehmen (allgemeine Tendenzen und schwache Signale) .................................................................. 46 Umfeldanalyse II - Chancen und Gefahren aus dem direkten Markt- und Branchenumfeld für die strategischen Geschäftseinheiten ................................................................. 48 Segmentierung der Auftraggeber von Generalunternehmen [1-39] ...................................................................................... 50 Beispiele für Chancen und Gefahren aus der Umfeldbetrachtung ................................................................. 55 Die Ressourcenpyramide eines Unternehmens [1-31] ........... 56 Unternehmens- bzw. Geschäftseinheitsanalyse – Stärken und Schwächen eines Bauunternehmens................................ 58 Beispiele für strategische Risiken in Form von Stärken und Schwächen aus den unternehmerischen Einflussfaktoren ...... 61 Qualitative Bewertung der Einflussfaktoren des Umfelds anhand einer kardinalen Punkteskala ..................................... 63 Denkmodell für Szenarien [1-19] ........................................... 65 Mögliche Zukunftsbilder mithilfe der Szenarioanalyse [1-11] ...................................................................................... 67 Qualitative Bewertung der internen Einflussfaktoren des Unternehmens anhand einer kardinalen Punkteskala ............. 68 Unternehmensleitbild der Ernst Schweizer AG, Metallbau ... 74 Funktionskonzept der Unternehmensstrategie ....................... 76 Umsatz-Risikoausgleichs-Portfolio ........................................ 77 Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix [1-16] ................... 78 Nachfrageausgleichsbewertung der Geschäftsfelder.............. 79 Markt-Wettbewerbs-Matrix für Entscheidungen bezüglich Marktanteil und Wettbewerbsverbesserungen ....................... 80 Indikatoren für die Marktattraktivitäts-Wettbewerbs-Matrix . 81 Fähigkeitsmatrix der Geschäftsfelder..................................... 82 Entwicklungspotenzial des Schweizer Baumarkts [Quelle: Wüest und Partner, Zürich] .................................................... 83 Unterschiedliche Unternehmensentwicklungsstrategien ........ 84 Von der Unternehmensstrategie „Aktives Wachstum“ zur Geschäftsstrategie [1-14]........................................................ 85
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Erfolgsfaktor der Geschäftsstrategie – Maximierung des Kundennutzens [1-14] ............................................................ 85 Strategien zur Erlangung von Wettbewerbvorteilen .............. 86 Marktstrategie: Wachstums-Produkt-/Markt-Matrix nach ANSOFF [1-2] .......................................................................... 87 Leistungs-/Produktlebenszyklus............................................. 90 Triebkräfte des Branchenwettbewerbs [1-33] ........................ 91 Varianten der Wettbewerbsstrategien nach PORTER [1-33] ... 92 Interaktion von Strategie und Geschäftsorganisation (in Anlehnung an [1-9]) ............................................................. 100 Gestaltungsalternativen der Innovationsstrategie [1-40] ...... 101 Strategische Wahl- und Entwicklungsmöglichkeiten von Unternehmen ........................................................................ 102 Stufen der Strategieanpassung.............................................. 104 Arten von Strategien auf der Ebene des Planungssystems ... 104 Zwei Controllingkreisläufe zum Controlling der Strategieumsetzung [1-16] ................................................... 106 Strategieanpassung – Veränderung von Umfeld und Strategie................................................................................ 108 Wirkung von Prämissenänderungen und Diskontinuitäten auf die strategische Planung ................................................. 109 Vorgehen bei der risikobasierten strategischen Planung ...... 112 Entwicklung der Konsumentenstimmung seit 1992 [1-41] .. 113 Entwicklung der Erwerbstätigkeit im tertiären Sektor [1-7] 115 Wichtige Einflussfaktoren auf die Nachfrage nach Büroneubauten ..................................................................... 116 Büroflächen und Bauprojekte in den grössten Büromärkten [1-7] ...................................................................................... 117 Ausblick für den Schweizer Büroimmobilienmarkt [1-7] .... 118 Auswertung der Einflussfaktoren auf die Marktattraktivität des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ ...................................... 123 Analyse der Marktattraktivität des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ im Vergleich mit den beiden stärksten Konkurrenten........................................................................ 124 Auswertung der Einflussfaktoren auf die relative Wettbewerbsposition des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ (externer Ansatz) .................................................................. 125 Analyse der relativen Wettbewerbsposition des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ im Vergleich mit den beiden stärksten Konkurrenten ........................................................ 126 Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den externen Vergleich der SGE „Bürogebäude“ ....................... 127
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Analyse der Marktattraktivität des Geschäftsfelds „Bürogebäude“ im Vergleich zu zwei weiteren Geschäftsfeldern eigener strategischer Geschäftseinheiten.............................. 128 Auswertung der Einflussfaktoren auf die relative Wettbewerbsposition des Geschäftsfelds „Bürogebäudeneubau“ (interner Ansatz) ............................. 129 Analyse der relativen Wettbewerbsposition SGE „Bürogebäude“ im Vergleich zu zwei weiteren eigenen SGE ....... 130 Wettbewerbspositions-Marktattraktivitäts-Portfolio für den internen Vergleich der SGE „Bürogebäude“........................ 131 Gewinnpotenzial-Risikopotenzial-Matrix für den Vergleich der eigenen SGE ................................................................... 133 SWOT-Analyse für die strategische Geschäftseinheit „Bürogebäude“ ..................................................................... 134 Unternehmenssteuerungsdimensionen der Balanced Scorecard .............................................................................. 141 Die Integration der Balanced Scorecard in den strategischen Planungsprozess [2-5] .......................................................... 142 Immaterielle Werte sind indirekt – Beispiel......................... 143 Grundsätze der strategiefokussierten Organisation [2-5] ..... 145 Strategie als kontinuierlicher Unternehmensprozess [2-5]... 148 Kontinuum zur Umsetzung der Unternehmensmission in Prozesse der operativen Unternehmensebenen mittels einer Strategie [2-3]....................................................................... 150 Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Strategie [2-5]..... 152 Aufbau einer Finanzperspektive für die Strategy Map [2-5] ...................................................................................... 154 Strategische Wettbewerbsdifferenzierungsansätze .............. 156 Interne Prozessperspektive zur Umsetzung der intendierten Strategien des Unternehmens und der SGE, in Anlehnung an [2-5] ................................................................................. 157 Anforderungen an die internen Geschäftsprozesse in Abhängigkeit von der gewählten Wettbewerbsstrategie, in Anlehnung an [2-5] .............................................................. 158 Aufbau einer Lern- und Entwicklungsperspektive für die Strategy Map [2-5] ............................................................... 159 Strategy Map – Verknüpfung der Unternehmenssteuerungsdimensionen zur Erzielung der intendierten Unternehmens- und SGE-Strategie [2-5] ......... 160 Umsetzung der Vision und der strategischen Ziele in die Unternehmenserfolgsdimensionen und deren Treiber, Messgrössen und operative Aktivitäten [2-6] ...................... 163
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Entwicklung der Balanced Scorecard für die Jahresziele der SGE „TU/Hochbau“ ....................................................... 165 Kybernetisch-systemorientiertes Ursache-Wirkungsnetz zwischen Unternehmenssteuerungsdimensionen und den interagierenden strategischen Zielen .................................... 166 Strategy Map der SGE „TU/Hochbau“ ................................ 167 Herunterbrechen der BSC-Jahresziele auf das operative Management und die Teamleiter .......................................... 168 Strategieumsetzung mit Sustainable Balanced Scorecard – SBSC .................................................................................... 171 Synergien durch strategisch ausgerichtete Shared-ServiceEinheiten (in Anlehnung an [2-5]) ....................................... 171 Prozesse in einem Bauunternehmen – Marketing als Funktionsstrategie ................................................................ 174 Marketing als Unternehmensphilosophie ............................. 175 Unterscheidung des Marketings ........................................... 177 Der Transaktionsprozess bei Kundenintegration in Anlehnung an [3-27], [3-24] ................................................ 191 Schritte der Marketingstrategieplanung [3-26] .................... 201 Strategisches Marketing [3-9] .............................................. 201 Steuerung des Marketing-Problemlösungsprozesses ........... 203 Market Research im Baubetrieb ........................................... 203 Marktsegmentierung zur strategischen Angebots ausrichtung ........................................................................... 205 Auftraggebersegmentierung im Bereich des Business-toBusiness-Bau-Marketings [3-17] ......................................... 207 Projektabwicklungsform mit Einzelleistungsträgern (ELT) [3-15] .................................................................................... 212 Projektabwicklungform mit Generalleistungsträgern (GLT) [3-15] .................................................................................... 213 Projektabwicklungsform mit Totalunternehmer (TU) [3-15] .................................................................................... 216 Projektabwicklungsform mit Systemanbieter (SysBau) [3-15] .................................................................................... 216 Ablauf des Gesamtleistungswettbewerbs (TU-Wettbewerb), in Anlehnung an [3-5] .......................................................... 219 Typologie von GU-/TU- und SysBau-Leistungen hinsichtlich des Leistungsergebnisses und des Leistungserstellungsprozesses, in Anlehnung an [3-11] und [3-24] ..................... 225 Dienstleistungscharakter von ELT-, GU-, TU- und SysBauLeistungserstellungsprozessen [3-15] .................................. 228
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Bild 117: Transaktionstypen in Abhängigkeit von der Intensität der Geschäftsbeziehung und vom Integrativitätsgrad [3-23] ..... 230 Bild 118: Einfluss des Umfangs des Leistungsbündels auf die Relevanz seiner Bewertung [3-46] ....................................... 236 Bild 119: Einflussfaktoren auf den markt- und kundenspezifischen Marketing-Mix ..................................................................... 240 Bild 120: Baumarketing-Mix ............................................................... 241 Bild 121: Einfluss der Anbieterbewertung nach erfolgter Präqualifikation auf die Vergabeentscheidung, differenziert nach Auftraggeberarten [3-46]...................................................... 250 Bild 122: Einfluss der Beurteilung des Anbieterleistungspotenzials auf die Vergabeentscheidung [3-46] .......................................... 251 Bild 123: Optimierungspotenzial eines Anbieters in Abhängigkeit vom Projekteintritt sowie dem Umfang seines Leistungsbündels [3-46] .................................................................................... 252 Bild 124: Positionierungsgesichtspunkte zur Bestimmung des Leistungspotenzials eines GU-/TU-Anbieters, differenziert nach gewerblichen Selbstnutzern und institutionellen Investoren ............................................................................. 254 Bild 125: Entwicklungen bei den Kunden der Bauwirtschaft .............. 262 Bild 126: Wettbewerbsvorteile durch ressourcen- und marktorientierte Ansätze zur Erzielung eines höheren Kundennutzens.......... 263 Bild 127: Restrukturierungschancen von Bauunternehmen ................. 264 Bild 128: Stagnierende Märkte – Erschliessung neuer Marktanteile und Märkte durch Leistungsinnovationen ............................ 266 Bild 129: Markterschliessungsstrategien für neue Märkte und Marktanteile ......................................................................... 267 Bild 130: Leistungsinnovationen – Konsequenzen aus Sicht des Kunden und des Marktes ...................................................... 268 Bild 131: Forschungsprojekte Systemanbieter Bau (SysBau®) .......... 269 Bild 132: Definition des Systemanbieterbegriffs ................................. 271 Bild 133: Gegenüberstellung von herkömmlichen Leistungsangeboten und SysBau-Leistungsangeboten ......................................... 273 Bild 134: Erschliessung neuer Märkte durch die SysBau-Rückkopplung aus dem Management baulicher Systeme ............................ 274 Bild 135: Durchführung einer Zielmarktsegmentanalyse .................... 276 Bild 136: Zukünftige Umsetzungsproblematik bei Leistungsinnovationen in der Bauwirtschaft ........................ 280 Bild 137: Die Prozesse in einem Bauunternehmen .............................. 280 Bild 138: Dynamische Entwicklung von Systemanbieterleistungen ... 282 Bild 139: Definition: Kernkompetenzen eines Bauunternehmens [4-11] .................................................................................... 283
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Bild 140: Konfliktpotenzial und Konfrontationsorientierung bei Kostenoptimierungen über Preiswettbewerb........................ 288 Bild 141: Supply Chain Management in der Automobilindustrie ........ 290 Bild 142: Partnerschafts- und Kooperationsmodell zur Entfaltung von Synergien (Kostenführerschaft und Differenzierung von Wettbewerbern) .................................................................... 291 Bild 143: Projektabwicklungsform als konzeptionelle Hülle am Beispiel der Totalleistungsträgerabwicklung ....................... 292 Bild 144: Wertsteigerung durch Kooperation von Systemführer, Schlüsselplanern und Schlüsselunternehmen ....................... 293 Bild 145: Synergieelemente in einer Anbieterkooperation zur Unterstützung einer Kostenführerschafts- und Differenzierungsstrategie ..................................................... 294 Bild 146: Erfolgsdeterminanten einer Partnerschaft und Kooperation .......................................................................... 295 Bild 147: Hermeneutische KVP-Spirale: Kosteneffizienz, Vertrauen, Kontrolle .............................................................................. 296 Bild 148: Partnerschafts- und Kooperationsspektrum verschiedener Projektabwicklungsformen................................................... 297 Bild 149: Generischer Prozess der Partnerschaft und Kooperation der Leistungsanbieter ........................................................... 300 Bild 150: Partnerschafts- bzw. Kooperationsentscheidungsmatrix ...... 301 Bild 151: Strategisches Netzwerk mit fokaler Unternehmensorgani sation eines strategischen Geschäftsfelds am Beispiel der Integration von Contracting-Leistungen [5-13], [5-15]........ 303 Bild 152: Charakterisierung der prozessorientierten Bauleistung aus Transaktionssicht [5-16] ....................................................... 304 Bild 153: Anforderungsmanagement – Nutzer- und Systemanforderungen ........................................................... 305 Bild 154: Interaktion von Anforderungs- und Planungsmanagement sowie der Verifikation und Systemvalidierung .................... 306 Bild 155: Eingliederung von Kooperationen........................................ 310 Bild 156: Kooperationsmatrix Bau ...................................................... 314 Bild 157: Anforderungen an Kooperationsstruktur und -partner ......... 315 Bild 158: Kooperationsnetzwerk .......................................................... 319 Bild 159: Strategisches Netzwerk mit fokaler Management organisation [5-13] ............................................................... 320 Bild 160: Netzwerk-Projektorganisation in einem Grossunternehmen (NL = Niederlassung) ........................................................... 329 Bild 161: Outsourcing-Entscheidungsmatrix: Strategiekriterien ......... 332 Bild 162: Bewertungskriterien zur Outsourcingentscheidung ............. 333 Bild 163: Entscheidungsfelder des Outsourcings ................................. 334
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Bild 164: Ziel- und Problemfelder des Outsourcings........................... 335 Bild 165: Dimensionierung des Bauinventarbestands zur Maximierung der Flexiblität................................................. 339 Bild 166: Outsourcing – Kooperationsnetzwerk Beteiligungsgesellschaft ....................................................... 342 Bild 167: Bedeutung verschiedener Outsourcinggesichtspunkte ......... 345 Bild 168: Verhältnis Besteller zu ARGE ............................................. 352 Bild 169: Innen- und Aussenverhältnis einer deutschen ARGE .......... 353 Bild 170: Organigramm einer „unechten“ ARGE................................ 354 Bild 171: Organisation einer „echten“ ARGE nach SBV (Schweizerischer Baumeisterverband) ................................. 356 Bild 172: Organisationsstruktur des Unternehmens und Prozessorientierung im St. Galler Management-Konzept .... 364 Bild 173: Das „7-S“-Konzept von PETERS und WATERMAN [6-9]...... 365 Bild 174: Die Prozesse in einem Bauunternehmen – Organisation ..... 366 Bild 175: Organisationsperspektiven [6-3] .......................................... 368 Bild 176: Allgemeines Konzept der Organisationsgestaltung ............. 374 Bild 177: Interaktion von Umfeldanforderungen und Unternehmensbereichen ....................................................... 375 Bild 178: Organisationsprozess – Arbeitsteilung und Koordination.... 376 Bild 179: Strukturierungsprinzipien für den Entwurf einer Unternehmensorganisation ................................................... 378 Bild 180: Stellenbildungsprinzipien ..................................................... 379 Bild 181: Beispiele zur Stellengliederung eines Bauunternehmens auf drei Leitungsstufen ......................................................... 380 Bild 182: Mögliche Gliederungskriterien einer Bauunternehmensorganisation auf einer Leitungsstufe .................................... 381 Bild 183: Prinzip der reinen Linienorganisation .................................. 383 Bild 184: Prinzip der Stablinienorganisation ....................................... 384 Bild 185: Prinzip einer Matrixorganisation .......................................... 386 Bild 186: Prinzip einer Tensororganisation ......................................... 387 Bild 187: Einbettung der Prozessorganisation in ein Bauunternehmen .................................................................. 388 Bild 188: Entwicklung der Prozessorganisation in Unternehmen der Bauwirtschaft ....................................................................... 389 Bild 189: Reine Prozess-/Projektorganisation, z.B. Baustellenorganisation zur Ausführung eines Projekts ........ 390 Bild 190: Prinzip der Spartenorganisation ........................................... 392 Bild 191: Prinzip einer Managementholding ....................................... 395 Bild 192: Entwicklungsphasen eines Unternehmens und mögliche Organisationsformen [6-3] ................................................... 396
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Bild 193: Ablauf des reorganisatorischen Gestaltungsprozesses [6-14] .................................................................................... 398 Bild 194: Prozessorganisation – Kernprozesse und Wertkette [6-4].... 399 Bild 195: Segmentierungskriterien für strategische Geschäftsfelder (SGF) und Geschäftseinheiten (SGE) eines Bauunternehmens ................................................................. 401 Bild 196: Segmentierungskriterien für strategische Geschäftsfelder (SGF) und Bildung von strategischen Geschäftseinheiten (SGE).................................................................................... 402 Bild 197: Struktur eines Baukonzerns mit dezentralen Regionalorganisationen und Zentralabteilungen .................. 404 Bild 198: Organisationsstruktur einer Niederlassung .......................... 405 Bild 199: Prinzip einer Angebotsmatrixprojektorganisation................ 406 Bild 200: Organisation einer Angebotsprojektgruppe.......................... 406 Bild 201: Organisation einer Grossbaustelle mit ausschliesslicher Eigenleistung ........................................................................ 407 Bild 202: Schlanke Baustellenorganisation (Tunnelbau) mit Eigenund Fremdleistung ................................................................ 407 Bild 203: Mitarbeiter einer Baustelle in Abhängigkeit von der Baustellengrösse ................................................................... 408 Bild 204: Organisationsstruktur eines Baukonzerns mit Spartengliederung................................................................. 410 Bild 205: Organisationsform eines kleinen Bauunternehmens ............ 411 Bild 206: Organisation der Infra AG – Gliederung Gesamtunternehmen ............................................................. 413 Bild 207: Organisation der Infra AG – Regionalniederlassung Zürich ................................................................................... 413 Bild 208: Organisation der Bau-Gruppe – Gliederung Gesamtunternehmen ............................................................. 414 Bild 209: Organisation der Bau-Gruppe – Regionalniederlassung Basel/Nordwestschweiz ....................................................... 414 Bild 210: Organisation der Allround -Gruppe – Gliederung Gesamtunternehmen ............................................................. 415 Bild 211: Organisation der Allround-Gruppe – Konzernbereich Generalunternehmung .......................................................... 416 Bild 212: Organisation der Allround-Gruppe – Funktionalbereich Finanzen und Administration ............................................... 416 Bild 213: Organisation Basel AG – Gliederung Gesamtunternehmen ............................................................. 417 Bild 214: Organisation Basel AG – Konzernbereich Sparte Infra ....... 417 Bild 215: Werkhof Bau AG Bauunternehmung, Zürich ...................... 418 Bild 216: Organisation der Ro AG ....................................................... 421
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Bild 217: Unterschiede GMU und KMU ............................................. 421 Bild 218: Baustellenprojektorganisation: N4-Trasseearbeiten Entlisberg 1.Teil ................................................................... 422 Bild 219: ARGE-Projektorganisation: Baustelle Brunau, Bahn 2000, Zürich-Thalwil ..................................................................... 422 Bild 220: ARGE-Projektorganisation: Baustelle Überdeckung Entlisberg, Nationalstrasse A3 ............................................. 423 Bild 221: Perspektiven eines Geschäftsmodells [7-45] ........................ 428 Bild 222: Aussen- und Innensicht eines Geschäftsmodells [7-32]....... 430 Bild 223: Interaktion der Realisationselemente eines Geschäftsmodells ................................................................. 432 Bild 224: Interaktive Prozesse eines Geschäftsmodells ....................... 433 Bild 225: Strategische Elemente eines Geschäftsmodells .................... 434 Bild 226: Gestaltung eines Geschäftsmodells ...................................... 434 Bild 227: PPP-Geschäftsmodell mit Interaktion von Kunde und Leistungsanbieter ................................................................. 435 Bild 228: Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform – Interaktion der Leistungsanbieter- und Bauwerkserstellungsprozesse ... 438 Bild 229: Gesamtleistungsträgerprojektabwicklungsform – Interaktion der Leistungsanbieter- und Bauwerkserstellungsprozesse ... 442 Bild 230: Totalleistungsträgerprojektabwicklungsform – Interaktion der Leistungsanbieter- und Bauwerkserstellungsprozesse ... 446 Bild 231: Life-Cycle-Kosten – Jährliche Betriebskosten im Verhältnis zu den Baukosten (Quelle: Bayerische Staatsbauverwaltung, zitiert in [7-25]) ................................. 451 Bild 232: Paradigmenwechsel von Investitionskosten zu Life-CycleKosten .................................................................................. 453 Bild 233: Leistungs-/Produktlebenszyklus........................................... 454 Bild 234: Potentielle Zielkunden für lebenszyklusorientierte Systemleistungsangebote ..................................................... 455 Bild 235: Verlauf von Umsatz und Gewinn in den Marktphasen des Leistungslebenszyklus einer Leistungsinnovation ............... 460 Bild 236: Geschäftsmodell LC-Gebäude – Entwicklung in den Marktphasen ......................................................................... 464 Bild 237: Kostenstrukturanalyse von Gebäudearten ............................ 470 Bild 238: Rechnungswesen-Struktur zur Cashflow- bzw. KostenErlös-Betrachtung ................................................................ 471 Bild 239: Begriffe und Struktur von Lebenszykluskosten im Hochbau ............................................................................... 475 Bild 240: Leistungsintegration sowie Marktphasen von systemgeschäftlichen LC-Leistungsangeboten .................... 478
Abbildungsverzeichnis
1097
Bild 241: Systemanbieterleistung – Interaktion der Unternehmensund Bauwerkserstellungsprozesse ........................................ 486 Bild 242: Funktionen der öffentlichen Hand und potenzielle Funktionen mit privater Beteiligung .................................... 488 Bild 243: Alternativraum für die Infrastrukturbereitstellung [7-33], [7-25] .................................................................................... 488 Bild 244: Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership............................................................................ 490 Bild 245: Kooperationsgrad der Vertrags- und Organisationsformen einer Public Private Partnership ........................................... 491 Bild 246: PPP-Modelle – Aufgaben-Kooperations-Portfolio (AKP) ... 491 Bild 247: PPP-Synergie-Matrix ........................................................... 492 Bild 248: PPP-Realisierungskonzepte .................................................. 492 Bild 249: PPP-Entscheidung mittels Public Sector Comparator (PSC) .................................................................................... 493 Bild 250: PPP-Modelle – Aufgabenschwerpunkte ............................... 498 Bild 251: Abwicklung eines PPP-Projekts – Stadtentwicklung / Immobilienentwicklung ....................................................... 499 Bild 252: Prozessablauf einer Public Private Partnership im Strassenunterhalt .................................................................. 502 Bild 253: Prozessmodell einer Public Private Partnership ................... 503 Bild 254: PPP- Kooperationsmodell – Interorganisationsstruktur und Interaktion ..................................................................... 504 Bild 255: Strukturmodell eines PPP-Dienstleistungsanbieters............. 504 Bild 256: PPP-Kontraktmodelle – Konstituierende Merkmale ............ 506 Bild 257: Interorganisationelle Aufbaustruktur [7-25] ........................ 508 Bild 258: BOT-Projektablauf – Organisationen und Zusammenarbeitsformen in den Projektphasen ................... 509 Bild 259: Hauptbeziehungsaspekte zwischen den an einem Konzessionsprojekt Beteiligten [7-19] ................................. 510 Bild 260: Interessen-Interessenten-Matrix bei Konzessionsprojekten [7-19] .................................................................................... 511 Bild 261: PPP-Kontraktmodelle – Finanzierungscharakteristik........... 513 Bild 262: PPP-Kontraktmodelle – Gesamtprojekt-Cashflow ............... 514 Bild 263: Einbindung des Projektträgergeschäfts in das Gesamtunternehmen [7-4] .................................................... 516 Bild 264: Entwicklung der Projektentwicklungsgesellschaft über den Lebenszyklus [7-4] ........................................................ 517 Bild 265: Systematisierung der Arbeitszeiten auf einer Baustelle ....... 526 Bild 266: Anteile der Tätigkeit gemessen an der Gesamtzeit Ausbau [8-3]......................................................................... 527 Bild 267: Die Prozesse in einem Bauunternehmen .............................. 528
1098
Abbildungsverzeichnis
Bild 268: Industrialisierung des Leistungserstellungsprozesses in KMU .................................................................................... 532 Bild 269: Wertschöpfung und Seriengrösse ......................................... 539 Bild 270: Gestaltung, Werk- und Produktionsplanung ........................ 542 Bild 271: Phasengliederung des Planungs- und Bauablaufs mit integrierter Vorfertigung ...................................................... 543 Bild 272: Leistungsspektrum des Systemanbieters .............................. 546 Bild 273: Projektabwicklungsformen................................................... 549 Bild 274: Die Prozesse in einem Bauunternehmen .............................. 553 Bild 275: Phasen und Meilensteine des Angebotsmanagements [9-12] .................................................................................... 555 Bild 276: Grobablauf und Entscheidungsprozesse bei der Angebotsbearbeitung ........................................................................... 556 Bild 277: Zeitliche Varianten der Projektabwicklung [9-6] ................. 560 Bild 278: Vorfinanzierungsbedarf einer Baustelle ............................... 574 Bild 279: Angebotsmatrixorganisation ................................................ 585 Bild 280: Projektspezifische Auswahl der Mitarbeiter der Angebotsprojektgruppe ....................................................................... 585 Bild 281: Funktionen und Aufgaben der Mitarbeiter einer Angebotsmatrixorganisation................................................................ 587 Bild 282: Ablauf der Angebotsbearbeitung ......................................... 588 Bild 283: Integration der im Angebotsteam durch Spezialisten erarbeiteten Ergebnisse ........................................................ 593 Bild 284: Mögliche Gültigkeitsreihenfolge von Vertragsunterlagen ... 595 Bild 285: Ablauf der Kalkulation [9-9] ................................................ 600 Bild 286: Risikomanagementprozess ................................................... 603 Bild 287: Einbindung des Risikomanagements in den Leistungserstellungsprozess eines Bau- bzw. Generaluntenehmens ... 605 Bild 288: Anpassung der Kosten an den Marktpreis – Beurteilung [9-9] ...................................................................................... 610 Bild 289: Anpassung der Kosten an den Marktpreis – Massnahmen [9-9] ...................................................................................... 610 Bild 290: Die Prozesse in einem Bauunternehmen .............................. 615 Bild 291: Phasen und Meilensteine des Ausführungsmanagements [10-14] .................................................................................. 617 Bild 292: Planung des Ausführungsprozesses ..................................... 620 Bild 293: Kybernetische Produktionsplanung...................................... 621 Bild 294: Systemische Bauproduktionsplanung .................................. 623 Bild 295: Systemgliederung einer Bauaufgabe .................................... 627 Bild 296: Prozessgliederung einer Bauaufgabe ................................... 628 Bild 297: Varianten der Herstellung .................................................... 629 Bild 298: Produktionsprozessanalyse und optimierung ...................... 630
Abbildungsverzeichnis
1099
Bild 299: Generische axiomatische Beziehungen der Planung zeitlich zum Bauprozess, inhaltlich und zeitlich zu Systemanforderungen, Entwurfsparametern, Vor- und Genehmigungsplanung ......................................................... 631 Bild 300: Fast-Track-Brückenbau – Optimierter Produktionsprozess für Ortbetonpfeiler und vorgefertigter Überbau ................... 632 Bild 301: Auswahlsystematik für Produktionsprozesse ....................... 634 Bild 302: Empfindlichkeit von Bauverfahren in Bezug auf Zeit und Kosten .................................................................................. 636 Bild 303: Ablauf der Ausführungsvorbereitung ................................... 638 Bild 304: Arbeitsvorbereitungsprozess – Arbeitsplanung.................... 643 Bild 305: Logistikkonzept eines Bauunternehmens ............................. 644 Bild 306: Kybernetische Funktionen der Arbeitsvorbereitung ............ 647 Bild 307: Interaktive Arbeitsschritte der Arbeitsvorbereitung ............. 649 Bild 308: Projektbalkenplan ................................................................. 651 Bild 309: Terminliche Planungskontrolle ............................................ 652 Bild 310: Baustellenorganisation eines Grossprojekts ......................... 656 Bild 311: Projektorganisation eines mittleren Bauunternehmens zur Ausführung kleinerer und mittelgrosser Projekte .......... 657 Bild 312: Übersichtsplan zur Darstellung der Gefährdungen und Sicherheitsmassnahmen im Rahmen der Hauptvorgänge des Bauprozesses [10-23] ..................................................... 660 Bild 313: Baustelleneinrichtung ........................................................... 662 Bild 314: Dock Midfield Zürich........................................................... 663 Bild 315: Baustelleneinrichtung Flughafen Kloten .............................. 664 Bild 316: Baustellenpersonal in Abhängigkeit von der Baustellengrösse ................................................................... 667 Bild 317: Kranarten [10-8] ................................................................... 670 Bild 318: Stockwerklogistikplan – Ausbau .......................................... 681 Bild 319: Soll-Ist-Herstellungs- und Leistungskontrolle ..................... 688 Bild 320: Problematik aus Kosten- und Zahlungsverlauf sowie Rechnungsstellung ............................................................... 690 Bild 321: Einfluss auf die unternehmerischen Risiken ........................ 697 Bild 322: Eingliederung des Risikomanagements als spezifischen Supportprozess ..................................................................... 698 Bild 323: Risikomanagement im St. Galler Management-Konzept ..... 699 Bild 324: Zielniveau von Risiken; hier: Ansatz für die Bauzeit eines Rohbaus [11-4] ..................................................................... 703 Bild 325: Möglichkeiten der Projektkostenreduzierung über den Projektverlauf [11-4] ............................................................ 704 Bild 326: Risikoeinflüsse auf das Unternehmen .................................. 705 Bild 327: Arten von Risiken und mögliche Auswirkungen ................. 707
1100
Abbildungsverzeichnis
Bild 328: Ganzheitliches Risikomanagement in Bauunternehmen ...... 711 Bild 329: Risikomanagementprozess und Abwehrlinien ..................... 713 Bild 330: Organisatorische Einbindung der Risikostabsstelle exemplarisch in eine Linien-Stabs-Organisation [11-2] ...... 714 Bild 331: Arten von Unternehmenszielen ............................................ 716 Bild 332: Wirtschaftlich optimaler Risikograd [11-13] ....................... 718 Bild 333: Vernetzung und Zusammenfassung der Risiken von der operativen Ebene (Projekte) zum Gesamtunternehmen [11-11] .................................................................................. 720 Bild 334: Risikomanagementprozess und Verteilungsfunktion der Risikokosten [11-4] .............................................................. 721 Bild 335: Probabilistische Gesamtrisikodichte f(Rges) und Gesamtrisikoverteilungsfunktion F(Rges) ............................. 726 Bild 336: Spiegelung der Gesamtrisikodichte- und Gesamtrisikoverteilungsfunktion ......................................... 727 Bild 337: Gewinn-Risiko-Dichtefunktion des GRM............................ 727 Bild 338: Cashflow-Risiko-Dichtefunktion des CRM ......................... 728 Bild 339: Gewinn-Risiko-Funktion des GRM ..................................... 728 Bild 340: Cashflow-Risiko-Funktion des CRM ................................... 729 Bild 341: Gegenüberstellung von Risikobelastungsfällen und Klassen der Ressourcen zur Risikodeckung (in Anlehnung an [11-18]) ................................................................................ 732 Bild 342: Cashflow-Risiko- und Gewinn-Risiko-Funktion – Beziehung zwischen Belastungsfällen und benötigten Risikodeckungsmassen für die vermögenswirtschaftliche Betrachtung [11-11] ............................................................. 733 Bild 343: Die quantitative Risikosteuerung und ihre Kennzahlen [11-11] .................................................................................. 734 Bild 344: Eingliederung des Risikomanagementprozesses in den Leistungserstellungsprozess eines Bauunternehmens .......... 737 Bild 345: Vernetzung und Zusammenfassung der Risiken von der operativen Ebene (Projekte) zum Gesamtunternehmen ...... 738 Bild 346: Zusammenhang zwischen Risikofeldern, Risikoarten und Einzelrisiken [11-12] ............................................................ 739 Bild 347: Risikoarten eines Bauprojekts .............................................. 740 Bild 348: Risikoverteilung bei Bauprojekten ....................................... 745 Bild 349: Projektbezogener Risikomanagementprozess [11-4] ........... 750 Bild 350: Systemorientierter Ansatz zur Erläuterung der Risikoentstehung .................................................................. 752 Bild 351: Risikosequenz ...................................................................... 753 Bild 352: Beispiel einer Risikosequenz ............................................... 754 Bild 353: Beispiel für eine Checkliste [11-4]....................................... 757
Abbildungsverzeichnis
1101
Bild 354: Risikosammelliste [11-12] ................................................... 761 Bild 355: Portfolioauswertung der Risikosammelliste und Risikoakzeptanzbereich [11-12] ........................................... 763 Bild 356: Sortierung der Risiken nach der Grösse des Risikoerwartungswerts [11-12] ............................................ 764 Bild 357: Risikobewältigungsmöglichkeiten ....................................... 766 Bild 358: Flow-Chart zu Risikoentscheidungen .................................. 767 Bild 359: Ansatzpunkte für die Risikobewältigung ............................. 772 Bild 360: Differenzierung von Entscheidungsarten ............................. 772 Bild 361: Excel-Tabellenblatt zur Monte-Carlo-Simulation [11-12] ... 774 Bild 362: BetaPERT-Verteilung für den Risikoschaden (Aushubarbeiten – Meisselarbeiten) – Auswahl der Tragweite je Szenario [11-12] .............................................. 775 Bild 363: Dichtefunktion der Risikokosten [Mio. €] [11-12] .............. 776 Bild 364: Verteilungsfunktion der Risikokosten [Mio. €] [11-12]....... 776 Bild 365: Risk Map zur übersichtlichen Darstellung aller Projekte einer SGE ............................................................................. 779 Bild 366: Ablauf der risikobasierten Bauproduktionsselektion ........... 781 Bild 367: Einteilung der Produktionsabschnitte in Prozesse................ 783 Bild 368: Risikobestimmende Einflussfaktoren auf die Bauverfahrensvarianten im Tunnelbau ................................ 784 Bild 369: Überblick über die Risikoanalyse in einem Tunnelbauprojekt ................................................................. 788 Bild 370: Erstellung des deterministischen Bauprogramms (Optimal) .............................................................................. 790 Bild 371: Berechnen der deterministischen Gesamtkosten (optimal) .. 792 Bild 372: Quantifizierung der Teilrisiken ............................................ 793 Bild 373: Ermittlung der Risikokosten bzw. Zeitverzögerung sowie der Gesamtkosten und Herstellungsdauer je Homogenabschnitt ................................................................ 794 Bild 374: PERT-Verteilung für ein Beispielrisiko ............................... 794 Bild 375: Eintragung der Risikoverteilung (min., most likely, max.) .. 795 Bild 376: Ablauf der Berechnung der probabilistischen Gesamtprojektdauer einer Variante (einschl. Risiken) ......... 796 Bild 377: Ablauf der Berechnung der probabilistischen Gesamtprojektkosten einer Variante (einschl. Risiken) ....... 798 Bild 378: Wahrscheinlichkeitsdichte von Kosten/Projektdauer mit Modalwert und Mittelwert ................................................... 800 Bild 379: Verteilungsfunktion für Kosten/Projektdauer mit unterschiedlichen probabilistischen Aussagen – Median in der Verteilungsfunktion ................................................... 801 Bild 380: Kostenanalyse eines Variantenvergleichs ............................ 801
1102
Abbildungsverzeichnis
Bild 381: Controllingprozess im Leistungserstellungsprozess ............ 808 Bild 382: Koordinationsaspekte des Controllings [12-10] ................... 809 Bild 383: Zwei Controllingkreisläufe zum Controlling der Strategieumsetzung .............................................................. 810 Bild 384: Wirkung von Prämissenänderungen und Diskontinuitäten auf die strategische Planung ................................................. 812 Bild 385: Ablauf des risikobewussten Projektcontrollings (Teil 1) ..... 815 Bild 386: Ablauf des risikobewussten Projektcontrollings (Teil 2) ..... 815 Bild 387: Funktionen und Parameter des risikobewussten Projektcontrollings [12-3] .................................................... 816 Bild 388: Regelkreis des Projektmanagements [12-3] ......................... 818 Bild 389: Kalkulationsarten im Projektcontrolling .............................. 820 Bild 390: Integriertes Projektcontrolling [12-6]................................... 823 Bild 391: Meilenstein-Trendanalyse .................................................... 826 Bild 392: Ursachen für Terminabweichungen ..................................... 827 Bild 393: Übersicht PQM-Instrumente [12-13] ................................... 830 Bild 394: APM-Kette – Kybernetische, integrale, rekursive Aktivitäten- Kapazitäts- und Terminplanung (kir-AKT) für das Projekt Pi N ............................................................... 842 Bild 395: Kybernetische, integrale Projekt-, Produktions- MontageAuslastungsplanung der SGE ............................................... 843 Bild 396: Leittermine - Produktionskapazitätsplanung und -ausgleich in der SGE........................................................... 844 Bild 397: TB-Auslastungsplanung ....................................................... 845 Bild 398: Kybernetischer, integraler APM-Auslastungsplanungs ablauf eines Projektes Pi N in der SGE ................................. 847 Bild 399: Die Prozesse in einem Unternehmen – Werkhof und Einkauf ................................................................................. 849 Bild 400: Strategische Unternehmensziele .......................................... 850 Bild 401: Merkmale für Bauunternehmen mit Kernkompetenzen [14-18] .................................................................................. 851 Bild 402: „Make, buy or cooperate“-Überlegungen ............................ 852 Bild 403: Entscheidungskonzept zur Bereitstellung von Werkhofleistungen ............................................................... 853 Bild 404: Infrastruktur und Aufgabenbereiche eines Werkhofs........... 856 Bild 405: Interaktion Unternehmensstrategie, Geschäftsprozesse und Inventarbereitstellung .................................................... 857 Bild 406: Organisation eines Werkhofs ............................................... 859 Bild 407: Werkhof der Porr AG ........................................................... 859 Bild 408: Baustellenwerkstatt .............................................................. 860 Bild 409: Beurteilungskriterien für die Profitabilität von Maschinen .. 862
Abbildungsverzeichnis
1103
Bild 410: Kosten überalterter Geräte ................................................... 864 Bild 411: Ermittlung der Einsatztage ................................................... 865 Bild 412: Break-Even-Analyse und Entscheidung für Eigentum oder Miete .................................................................................... 865 Bild 413: Dienstleistungsmodelle für den Besitz von Baumaschinen.. 867 Bild 414: Bereitstellung von Finanzdienstleistungen ........................... 867 Bild 415: Entschädigung der Kapitalkosten bei vorzeitiger Vertragsauflösung ................................................................ 870 Bild 416: Rückzahlung der Servicekosten bei vorzeitiger Vertragsauflösung ................................................................ 870 Bild 417: Dienstleistungsmodelle in Abhängigkeit von der Einsatzcharakteristik ............................................................ 872 Bild 418: Auswirkungen von Logistik und Lagerhaltung auf die Kosten .................................................................................. 873 Bild 419: Anpassung des Inventarbestands an die Durchschnittsauslastung ....................................................... 874 Bild 420: Inventarbereitstellung – Strategisches Konzept ................... 877 Bild 421: Entscheidungsprozess für Inventarinvestitionen .................. 878 Bild 422: Entscheidungsablauf für Inventarinvestitionen: Miete – Kauf – Leasing ..................................................................... 882 Bild 423: Wirtschaftlichkeitsvergleich bei der Inventarbeschaffung ... 882 Bild 424: Vergleich der Beschaffungsvarianten: Kauf – Miete – Leasing ................................................................................. 883 Bild 425: Betrachtungszeiträume für den Wirtschaftlichkeits vergleich ............................................................................... 887 Bild 426: Einsatzhäufigkeit pro Jahr, Einsatzgrenzwert und Zeitgrenzwert sowie die mittlere jährliche Einsatzanzahl von Bauhilfsmitteln ..................................................................... 889 Bild 427: Lebenszyklusbetrachtung bei Wirtschaftlichkeitsanalysen von Produktionssystemen ..................................................... 894 Bild 428: LC-NPV-Wirtschaftlichkeitsvergleichsmodell .................... 894 Bild 429: Projekttypenspezifische Umsatzentwicklung einer SGE ..... 896 Bild 430: Umsatzentwicklung im prospektiven Prognosezeitraum ..... 902 Bild 431: Dichte- und Verteilungsfunktion der Net-Present-ValueDifferenz .............................................................................. 936 Bild 432: Optimierung von Produkt- und Prozessqualität ................... 943 Bild 433: Prozesse im Bauunternehmen [15-8] ................................... 944 Bild 434: Modell eines prozessorientierten Qualitätsmanagement systems [15-5] ...................................................................... 945 Bild 435: Deming-Kreis bzw. PDCA-Zyklus [15-15] ......................... 946 Bild 436: Verhältnis von KVP und Innovation .................................... 948
1104
Abbildungsverzeichnis
Bild 437: Integriertes Qualitätsmanagementmodell (IQM) von SEGHEZZI [15-15] ................................................................. 949 Bild 438: Acht Grundsätze des Qualitätsmanagements ....................... 952 Bild 439: Dokumentationsbezogene Begriffe (DIN EN ISO 9000: 2000) .................................................................................... 953 Bild 440: Hierarchie der Dokumente im Qualitätsmanagement system [15-1], [15-15] .......................................................... 954 Bild 441: Abschnitte der DIN EN ISO 9001:2000............................... 954 Bild 442: Ablauf einer Zertifizierung [15-11]...................................... 956 Bild 443: Funktionales Organigramm eines Bauunternehmens ........... 958 Bild 444: Leistungserstellungsprozesse ............................................... 958 Bild 445: QM relevante Prozesse ......................................................... 959 Bild 446: Einführung eines QM-Systems ............................................ 960 Bild 447: Aufbau des Qualitätsmanagementsystems ........................... 962 Bild 448: Aufbau des Qualitätsmanagementsystems (BMW Group) .. 964 Bild 449: Verfahrensanweisung Bilfinger Berger AG (Hauptniederlassung Ausland) „Erstellung von projektbezogenen Qualitätsmanagementplänen“............................................... 965 Bild 450: QM-System des Unternehmers sowie des spezifischen Projekts ................................................................................. 967 Bild 451: Zusammenwirken von MS und PQM [15-16] ...................... 967 Bild 452: Zyklus und Instrumente des projektbezogenen Qualitätsmanagements [15-16] ........................................................... 968 Bild 453: PQM im Bauablauf [15-16].................................................. 969 Bild 454: Grundpfeiler des TQM [15-11] ............................................ 970 Bild 455: Aufbau der RADAR-Bewertung nach der PDCA-Logik [15-20] .................................................................................. 972 Bild 456: Marktphasen von Leistungsinnovationen [16-1] .................. 975 Bild 457: Einbindung des Wissensmanagements in die Unternehmensprozesse ......................................................... 977 Bild 458: Verankerung des Wissensmanagements im Managementmodell ................................................................................... 978 Bild 459: Historische Entwicklung des Wissensmanagements ............ 980 Bild 460: Sender-Empfänger-System................................................... 981 Bild 461: Handlungswissen von Individuen, Gruppen und Organisationen [16-11] ........................................................ 983 Bild 462: Richtungen des strategischen und operativen Wissensmanagements [16-16] ........................................................... 985 Bild 463: Einflüsse auf das Wissensmanagement in Unternehmen ..... 985 Bild 464: Informations- und Kommunikationstechnik – Dokumentenmanagementsystem................................................... 992
Abbildungsverzeichnis
1105
Bild 465: Unterstützungsfunktionalitäten von Groupware-Anwen dungen [16-23] ..................................................................... 992 Bild 466: Einsatz einer Internetkommunikationsplattform, Projekt CERN ................................................................................... 993 Bild 467: Aufbauphasen und Massnahmen zur Einführung eines einfachen Wissensmanagements in einem Bauunter nehmen ................................................................................. 998 Bild 468: Formen der Wissenstransformation und Wissensspirale nach NONAKA und TAKEUCHI [16-15]................................. 999 Bild 469: Erklärungsmodell: Wissensspirale nach NONAKA und TAKEUCHI [16-15] .............................................................. 1000 Bild 470: Wissensmanagement-Bausteinmodell von PROBST, RAUB und ROMHARDT [16-21] .......................................... 1001 Bild 471: Einflüsse auf die Gestaltungsmassnahmen des Wissensmanagements in Bauunternehmen...................................... 1005 Bild 472: Interaktion des Wissens um die Entscheidung für die Fassade eines Gebäudes ..................................................... 1006 Bild 473: Stufen der Wissensidentifikation........................................ 1010 Bild 474: Strategischer Entscheidungsablauf – Personalisierung vs. Kodierung des Wissens ...................................................... 1011 Bild 475: Massnahmen und Verantwortung für die Wissens bewahrung .......................................................................... 1012 Bild 476: Organisatorische Einbindung der Akteure des Wissensmanagements [16-2] ........................................................... 1015 Bild 477: Prozessmodell für die Identifikation, Klassifizierung, Bereitstellung und Nutzung ereignisorientierten Wissens [16-9], [16-25] .................................................................... 1017 Bild 478: Identifikation von ereignisorientiertem Wissen mit den Instrumenten des Controllings ........................................... 1019 Bild 479: Beurteilung der Relevanz und Übertragbarkeit der identifizierten Aussagen über ereignisorientiertes Wissen ............ 1019 Bild 480: Prozessphase der Wissensklassifizierung ........................... 1021 Bild 481: Methoden für die Wissensbereitstellung ............................ 1024 Bild 482: Dimensionen des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells ................................................................... 1030 Bild 483: Ablaufschema der Multiple-Case-Studie [16-1] ................ 1031 Bild 484: Erste Prozessebene des erfolgsorientierten Wissensmanagementprozessmodells auf Ebene der Kernprozesse [16-2] .................................................................................. 1036 Bild 485: Modulprozesse des: Identifikationsprozesses .................... 1037 Bild 486: Modulprozesse des Quervergleichs- und Relevanzprüfungsprozesses .............................................................. 1038
1106
Abbildungsverzeichnis
Bild 487: Zuordnung der identifizierten Erfolgsfaktoren zu den Projektphasen und Erfolgszielen ........................................ 1038 Bild 488: Relevanzmatrix zur Relevanzanalyse der Erfolgsfaktoren – Beispiel ............................................................................... 1039 Bild 489: Modulprozesse des Verbesserungs- und Verteilungs prozesses ............................................................................ 1040 Bild 490: Einteilung der Erfolgsfaktoren in Standard oder konkurrenzunterscheidend ................................................. 1041 Bild 491: Modulprozesse des Reaktivierungs- und Nutzungs prozesses ............................................................................ 1041 Bild 492: Modulprozesse des Überprüfungs- und Verbesserungsprozesses ............................................................................ 1042 Bild 493: Modulprozesse des periodischen Prüfungsprozesses ......... 1043 Bild 494: Modulprozesse des strategiebezogenen Entwicklungs prozesses ............................................................................ 1044 Bild 495: Verankerung des Innovationsmanagements im Managementmodell ..................................................................... 1050 Bild 496: Eingliederung der Innovationsprozesse in die Unternehmensprozesse ................................................................ 1051 Bild 497: Innovationsprozess ............................................................. 1058 Bild 498: Prozess bauprojektübergreifende Innovationen ................. 1063 Bild 499: Routine- und Innovationsaufgaben in Bauprojekten .......... 1064 Bild 500: Prozess projektabhängiger Innovationen............................ 1065 Bild 501: Unterteilung des Innovationsprozesses in fünf Phasen ...... 1072 Bild 502: Abläufe von Innovationsprozessen .................................... 1072 Bild 503: Innovationsprozess in kleinen Bauunternehmen ................ 1076 Bild 504: Prinzip des lasergesteuerten Planierens.............................. 1077 Bild 505: Aufbau Doppelwand .......................................................... 1079 Bild 506: Innovationsprozess in grossen Bauunternehmen ............... 1080 Bild 507: Transport- und Montagesystem .......................................... 1082 Bild 508: Schweisssystem .................................................................. 1082 Bild 509: TBM Sicherungskonzept – Sicherungsbereich hinter dem Bohrkopf ............................................................................ 1084 Bild 510: TBM-Sicherungskonzept – Ankersetzeinrichtungen ......... 1084
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Analyse des globalen Umfelds für das Geschäftsfeld „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ mittels der kardinalen Punkteskala ............................................................................ 64 Tabelle 2: Stärken-Schwächen-Profil des Geschäftsfelds „Schlüsselfertiger Wohnungsbau“ anhand einer kardinalen Punkteskala ............................................................................ 71 Tabelle 3: Ausgangsdaten zur Bildung der GewinnpotenzialRisikopotenzial-Matrix......................................................... 132 Tabelle 4: Raster der Marketingtheorien ............................................... 181 Tabelle 5: Elemente von Nutzen und Kosten in der Austauschrelation [3-40] .................................................................................... 183 Tabelle 6: Implikationen der Integrativität für das Marketing [3-32] ... 191 Tabelle 7: Typologie der Interaktionsansätze im Industriegüter marketing in Anlehnung an [3-22] und [3-1] ....................... 193 Tabelle 8: Relationship Buying und Relationship Selling [3-39] ......... 199 Tabelle 9: Merkmale der Nachfragerorganisation als Marktsegmentierungskriterien für den Business-to-Business-Bereich [3-1] . 206 Tabelle 10: Definition verschiedener Auftraggeberarten ........................ 206 Tabelle 11: Transaktionstyp und Programme der Marktorientierung [3-41], [3-1] .......................................................................... 229 Tabelle 12: Typen von Leistungseigenschaften in Anlehnung an [3-42] .................................................................................... 232 Tabelle 13: Typen von Transaktionsprozessen in Abhängigkeit von Informations- und Unsicherheitsproblemen [3-24] .............. 233 Tabelle 14: Inhalte des Leistungsbündels „Gebäudemanagement“ eines SysBau-Anbieters (in Anlehnung an [3-54]) .............. 238 Tabelle 15: Dimensionen von Leistungsbündeln [3-24] ......................... 239 Tabelle 16: Vor- und Nachteile von Arbeitsgemeinschaften .................. 350 Tabelle 17: ARGE-Bildung – Agieren oder reagieren............................ 350 Tabelle 18: Phasen der Leistungserstellung im ConstructionManagement-Prozess ........................................................... 450 Tabelle 19: PPP-Kontraktmodelle – Arten von Konzessions projektformen [7-18] ............................................................ 505
1108
Tabellenverzeichnis
Tabelle 20: Kapitalarten zur Finanzierung von Konzessionsprojekten [7-19] .................................................................................... 513 Tabelle 21: Verteilung der Bau- und Investitionskosten auf Kostengruppen [8-9] ........................................................................ 525 Tabelle 22: Merkmale industrieller Produktion und Parallelen in der Bauproduktion ...................................................................... 529 Tabelle 23: Industrialisierungsparadigmen in der Bauproduktion .......... 530 Tabelle 24: Aufgaben des risikobewussten Projektcontrollings ............. 817 Tabelle 25: Besitzform von Baumaschinen in europäischen Ländern (2000) ................................................................................... 866 Tabelle 26: Transparenz der Kalkulation ................................................ 871 Tabelle 27: Risikoverlagerung bei unterschiedlichen Dienstleistungsmodellen ............................................................................... 871 Tabelle 28: Kriterien für die Strategieentscheidung Kodierung vs. Personalisierung ................................................................. 1003 Tabelle 29: Quantitative Gegenüberstellung der gefundenen relevanten und übertragbaren Aussagen zu Projektwissen mittels WM- und QM-Methode ......................................... 1026 Tabelle 30: Relevante Meilensteine der untersuchten Projekte ............ 1032 Tabelle 31: Übersicht der Anzahl identifizierter Erfolgsfaktoren in den Fallstudien [16-1] ........................................................ 1033 Tabelle 32: Übersicht der Anzahl spezifischer und übertragbarer Erfolgsfaktoren aus dem Cross-Case [16-1] ...................... 1034
Sachverzeichnis
2
2000-Watt-Gesellschaft 465, 480 7
7-S-Konzept .......................... 365 A
ABC-Analyse ........................ 764 abgerechneter Aufwand ........ 562 Abhängigkeitsbeziehung ....... 629 Ablauf der Ausführung ......... 671 Ablauf der Ausführungsvorbereitung . 638 Ablauf Unternehmensstrategieplanung ............................... 33 Ablauforganisation 367, 397, 584 Abnahme ............................... 689 Abrechnungspreise ............... 589 Absatzmarkt ............................ 49 Abschlussbericht ................... 834 abstrakte Garantie ................. 573 Abwasserentsorgung ............. 665 Ad-hoc-Kooperation ..... 310, 312 Ad-hoc-Netzwerk.................. 317 Ad-hoc-Organisation .... 390, 408 Administration .............. 418, 674 Advance Payment Bond........ 573 Akquisition ........................... 557 Akquisitionsförderung .......... 255 Akquisitionsvorteil ............... 309 aktive Akquisition ................. 557
aktives Wachstum ................... 84 Allianz ........................... 395, 536 Alternativvorschlag ............... 586 A-Modell ............................... 495 Amortisation .......................... 869 Analyse der Ausschreibungsunterlagen 588 Anbieterbewertung ................ 250 Anbieterkooperation ...... 223, 294 Anbieterleistungspotenzial ... 249, 251 Anbieterstruktur .................... 264 Anforderungen an Kooperationsstruktur ......... 315 Anforderungsmanagement ... 304, 305, 306 Angebotsabgabe .................... 608 Angebotsbearbeitung.... 579, 580, 587 Angebotsmanagement ........... 553 Angebotsmanagement-Phasen ........................................... 555 Angebotsmatrixorganisation 405, 584 Angebotsphase ...................... 388 Angebotsprojektgruppe . 406, 584 Angebotsprojektorganisation 584 Angebotsprüfung ................... 607 Angebotsstrategie .................. 581 Angebotsteam ........................ 601 Angebotsunterlagen............... 586 Anliefer-, Lager- und Umschlagslogistik ............. 678 APM-Auslastungsplanung .... 846
1110
Sachverzeichnis
Ablauf ............................... 847 Arbeits- und Nachtragskalkulation ........ 820 Arbeitsgemeinschaften .......Siehe ARGE Arbeitskalkulation................. 645 Arbeitskoordination .............. 398 Arbeitsschutzmanagementsystem .......................................... 973 Arbeitssicherheitsrisiko ........ 578 Arbeitsteilung ............... 374, 398 Arbeitsvorbereitung ..... 598, 642, 647, 649 Arbeitsvorbereitungsprozess . 643 Arbeitszeiten ......................... 526 ARGE ... 224, 346, 347, 409, 569 Arten ................................. 351 Beendigung ....................... 359 Bildung ............................. 350 echte .......................... 351, 356 Entscheidung..................... 349 Gewinn und Verlust .......... 360 Haftung ............................. 357 interne ............................... 994 Organisation ...................... 409 Projektorganisation ........... 423 unechte .............................. 353 Arten von Innovation .......... 1057 Arten von Risiken ................. 707 Arten von Strategien ............. 104 Aufbauorganisation...... 367, 397, 584 Aufgaben-KooperationsPortfolio ............................ 491 Aufgabenschwerpunkte ........ 498 Aufgabenverteilungsplan ...... 591 Aufmass ................................ 689 Auftraggeberarten ................. 206 Auftraggebersegmentierung.. 207 Auftragsakquisition............... 247 Auftragsblatt ......................... 639 Auftragserteilung .................. 639
Auftragsverhandlungen ......... 608 Ausführung............................ 671 Ausführungsablauf ................ 647 Ausführungscontrolling......... 684 Ausführungsmanagement ...... 613 Ausführungsphase ................. 389 Ausführungsprozess Planung.............................. 620 Ausführungsrisiko ......... 575, 578 Ausführungsvorbereitung ..... 615, 616, 637 Auslastung ............................. 853 Auslastungsbandbreite .......... 874 Auslastungsplanung ...... 839, 841 Ausschreibung ............... 557, 559 Ausschreibung mit Präqualifikation ................. 569 Aussensicht eines Unternehmens ........................................... 429 Austausch der Mitarbeiter ..... 994 Austauschtheorie ................... 184 Austrittsinterviews ................ 995 Auswahlkriterien ................... 564 Auswahlsystematik für Produktionsprozesse .......... 634 automatisierte Bauwerkserstellung ......... 1081 AVOR-Planungsablauf ......... 846 AVOR-Prozess ...................... 842 Axiome Bauproduktionsplanung .... 618 Bauproduktionstheorie ...... 618 B
B2B Leistungsbündel ................ 236 Transaktionstypologie ....... 224 Balanced Scorecard ...... 139, 140, 141, 151, 163, 169 für die Jahresziele .............. 165 Methode .............................. 12
Sachverzeichnis
Bauablaufkonzept ................. 647 Bauausführungsunternehmen 223 Bauelemente ......................... 905 Bauelementgruppe 903, 905, 906 Bauen nach Smart ................. 549 Baugeräte .............................. 668 Baugeräte-Pool ..................... 853 Baugrundrisiko ..................... 576 Bauhandwerkerpfandrecht .... 596 Bauherren ................................ 49 Bauherrenanalyse .................. 567 Bauhilfsmaterial .................... 887 -bedarf ....................... 885, 886 Bauhof........................... 849, 855 Bauhofmanagement .............. 849 Bauindustrialisierung ............ 530 Bauinventarmanagement ...... 849 Baukonzern ........................... 403 Baukosten ............................. 525 Baukostengliederung ............ 473 Baukostenplan....................... 473 Bauleistungen ....................... 179 Baumarketing ........................ 174 Mix .................................... 240 Baumarkt............................... 264 Bauproduktion .............. 536, 540 Bauproduktionseinrichtung .. 885, 887, 888, 889, 891, 897, 903, 908 Bauproduktionsgerätebedarf . 885 Bauproduktionsmittel... 907, 912, 918 -bedarf ............... 886, 897, 901 -zuordnung ........................ 905 Bauproduktionsplanung618, 622, 623, 642 Axiome ............................. 618 Bauproduktionsprozess 622, 888, 903, 904, 906, 907, 910, 912, 919 Planung ..................... 623, 626
1111
Bauproduktionsselektion ...... 780, 781 Bauproduktionssysteme909, 910, 918, 921 Auswahl............................. 893 Entscheidung ............. 891, 893 Bauproduktionstheorie .. 618, 888 Axiome .............................. 618 Bauproduktionsvariantenvergleich ............................ 780 bauprojektübergreifende Innovation ....................... 1063 Bauprozess ............................ 613 Steuerung........................... 625 Baustellenbegehung ...... 599, 641 Baustellenchef ....................... 640 Baustelleneinrichtung ... 661, 662, 673 Baustelleneinrichtungsplan ... 662 Baustellenorganisation . 407, 422, 655 Baustellenpersonal ........ 408, 667 Baustellenproduktion .... 531, 537 Baustellenwerkstatt ....... 666, 860 Baustoffrisiko ........................ 577 Bauunternehmensorganisation ........................................... 411 Bauverfahren ......................... 783 Empfindlichkeit in Bezug auf Zeit und Kosten ............. 636 Bauverfahrensplanung........... 646 Bauverfahrensrisiko .............. 577 Bauverfahrensvarianten......... 909 Bauwerkserstellungsprozess .................................... XXXVI Bearbeitungskapazität ........... 579 Bedarfsermittlung .................. 895 begrenzte Rationalität............ 370 Bereitstellung ........................ 210 Bereitstellungskosten ............ 858 Bereitstellungsunternehmen .. 180
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Sachverzeichnis
Bereitstellungsvarianten ...... 886, 887, 889, 890, 910 Berichtswesen ....................... 833 Beschaffung .......................... 121 Beschaffungsvarianten .......... 883 beschränkte Ausschreibung .. 563 Besitzausgaben ..................... 924 Besitz-Cash-Drain................. 925 Besitzentscheidung ............... 892 Besitzform von Baumaschinen .......................................... 866 Besitzmodell ......... 891, 933, 936 -entscheidung ............ 916, 928 Besitz-NPV ........................... 922 Best Practice ......................... 995 Best-Practice-Erfolgsfaktoren ........................................ 1027 Beteiligung............................ 419 betriebliches Vorschlagswesen .......................................... 994 Betriebs- und Infrastrukturgebäude ......... 666 Betriebskosten............... 863, 915 Betriebsstunden............. 864, 869 Bewältigungsmassnahme ...... 769 Bewertung von Risiken... 63, 709 Bewertungskriterien Outsourcingentscheidung.. 333 Bid Bond ............................... 572 Bietergarantie ........................ 572 Bilanzkennzahlen .................. 120 Blitzbericht ........................... 834 Bonus-Malus-System ............ 463 BOT .............................. 505, 508 BOT-Projektablauf ............... 509 Brainstorming ....................... 756 Brauchwasserversorgung ...... 665 Break-Even-Analyse ............. 865 Bringschuld ......................... 1024 BSC-Jahresziele .................... 168 Budgetplanung ...................... 590 Budgetschätzung ................... 590
Build Operate Transfer ...... Siehe BOT Bürgschaftsleistungen ........... 566 Büros und Magazine ............. 666 Business Reengineering ........ 397 Business Strategy .................... 11 Business Units ....................... 429 Business-to-Business-Marketing ........................................... 189 Buying Center ............... 180, 251 Buying Network .................... 182 C
Cash-Drain-Elemente ............ 933 Cashflow ............................... 574 Cashflow-Betrachtung........... 472 Cashflow-Gesamtprojekt....... 514 Cashflow-Plan ....................... 596 Cashflow-Risiko-Dichtefunktion ........................................... 728 Cashflow-Risiko-Funktion .... 733 Cashflow-Risiko-Modell ....... 730 Chancen und Gefahren .......... 702 Umfeldbetrachtung .............. 55 Charakter des Baugeschäfts .. 265 Charakterisierung prozessorientierter Bauleistung........................ 304 Charakterisierung von Innovationen.................... 1053 Checkliste ...................... 756, 757 CIM-Technologie .................. 538 CO2-Emmissionen ................. 465 Computer Integrated Manufacturing ................... 534 Computer-aided-design . 534, 542 Construction Manager ... 447, 512 Construction-Management-atrisk ..................................... 550 Construction-ManagementGeschäftsfeld ..................... 447
Sachverzeichnis
Construction-ManagementLeistungsanbieter .............. 447 Construction-ManagementProjektabwicklungsform ... 436 Construction-ManagementVertrag .............................. 570 Container............................... 666 Contracting-Leistungsangebote .......................................... 483 Controllingfacetten ............... 808 Controllingkreislauf ...... 106, 810 Controllingprozess .......... 13, 808 Controllingsystem ................. 686 Corporate Strategy .................. 11 Cost-Center ........................... 393 Crashbelastungsszenario ....... 732 D
Dauerhaftigkeit ..................... 548 Deckungsbeitrag ................... 583 Definition des Systemanbieterbegriffs ..... 271 Degenerationsphase .............. 468 Delphi-Methode .................... 759 derivative Diversifikationsstrategie ..... 89 Design to Cost....... 220, 306, 500 deterministisches Bauprogramm .......................................... 790 Dezentralisation .................. 1003 diagonale Kooperation .......... 313 Dichtefunktion der Risikokosten .......................................... 776 Dienstleistungen XXXI, XXXIV, 226 Dienstleistungscharakter226, 228 Dienstleistungsmarketing...... 178 Dienstleistungsmodell ... 866, 872 Differenzierung ............... 94, 545 der Wettbewerber .............. 118 Differenzierungsstrategie ...... 448
1113
Dimensionen eines Geschäftsmodells .............. 428 Direkte Beauftragung ............ 221 Diskontierungssatz ................ 933 Diskontinuitätenmanagement ................................... 107, 810 Diversifikation................. 89, 392 divisionale Organisation........ 391 divisionale Organisationsstruktur ........................................... 378 Divisionsstruktur ................... 416 Dokumentenmanagementsystem ........................................... 992 Druckluftversorgung ............. 666 duale Kompetenz und Verantwortlichkeitsunterstellung . 385 Dual-Partner-Kooperation ..... 310 E
E-Commerce-Plattform ......... 558 EDV .............................. 418, 537 Einflussfaktor ........................ 373 Einflusssphäre des Unternehmens ..................... 17 Einführung eines QM-Systems ........................................... 960 Einführungsphase .......... 460, 461 Eingliederung von Kooperationen ................... 310 Einheitspreisvertrag............... 217 mit Kostendach.................. 217 Einkauf .................................. 854 Einkaufsmotiv ....................... 344 Einliniensystem ..................... 382 Einsatztage ............................ 864 Eintretenswahrscheinlichkeit579, 709, 758, 761 Einzelleistungsanbieter ......... 438 Einzelleistungsträger ..... 211, 212 Einzelleistungsträgerprojektabwicklungsform ............... 438
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Sachverzeichnis
Einzelleistungsträgervergabe 561 Einzelrisiko ........................... 739 Einzelunternehmervertrag ..... 570 Elementkostengliederung ..... 473 Empfindlichkeit von Bauverfahren in Bezug auf Zeit und Kosten................. 636 Energetische LC-Integration . 478 Energetische LC-Optimierung .......................................... 479 Entscheidungsablauf für Inventarinvestitionen ........ 882 Entscheidungsdezentralisation .......................................... 394 Entscheidungsfelder des Outsourcings ..................... 334 Entscheidungsfindung........... 909 Entscheidungskompetenz ..... 382 Entsorgungslogistik .............. 682 Entwicklungsphase ....... 396, 460 Entwicklungspotenzial .... 83, 547 Entwicklungsprozess .......... 1043 Entwurf einer Unternehmensorganisation 378 ereignisorientiertes Wissen . 1017 ereignisorientiertes Wissensmanagementprozessmodell ........................................ 1026 Erfahrungsgruppen ............... 995 Erfolg ............................ 175, 176 Erfolgsdeterminantenkooperation ....................... 295 Erfolgsfaktoren ..................... 591 Erfolgsfaktoren eines fokalen Kooperationsnetzwerks..... 325 Erfolgskonzepte .................... 176 erfolgsorientiertes Wissensmanagementprozessmodell .............................. 1030, 1035 Erfolgspotentiale ................... 176 Erfolgsthesen ........................ 175 Erfüllungsgarantie......... 572, 575
Ermittlung der Risikokosten . 794 Ersatzinvestition .................... 878 Ersatzteile .............................. 861 Ertragsmechanik .................... 428 Erwartungswert der Risikokosten ........................................... 758 Erweiterungsinvestition......... 878 European Quality Award....... 971 Expertennetzwerke ................ 996 Expertenzirkel ....................... 996 explicit knowledge ................ 982 explizites Wissen ................... 982 externer Einflussfaktor .......... 373 externes Berichtswesen ......... 685 F
Fachpersonal ......................... 875 Fachspartenorganisation 403, 409 Facility Manager ................... 453 Fähigkeitsmatrix der Geschäftsfelder .................... 83 faires Marktverhalten ............ 586 Familienunternehmen ............ 420 Fast-Track-Brückenbau – Optimierter Produktionsprozess ........... 632 Fast-Track-Prozess ................ 560 Fehlentwicklung ................. XXV Fertigteilwerk ........................ 534 FIDIC ............................ 570, 594 Finanzen .................................. 57 Finanzholding........................ 394 finanzielle Kapazität.............. 566 Finanzierungscharakteristik .. 513 Finanzierungsvertrag ............. 867 Finanzperspektive ......... 151, 153 finanzwirtschaftliches Risiko 708 Firmenzusammenschluss....... 330 Flottenmanagement ............... 861 F-Modell................................ 495
Sachverzeichnis
fokale Managementorganisation .......................................... 320 fokale Unternehmensorganisation....................... 303 formalisierter Vergabeprozess .......................................... 222 Formalziel ............................... 24 fragmentierte Leistungen ...... 541 freier Marktbezug ................. 340 freihändige Vergabe .............. 563 Fuhrpark ................................ 851 Führungsfunktion .................... 22 Führungsmodell .......... 19, 20, 23 Führungsmotiv ...................... 343 Führungsstil ........................ 1069 Fünf-Kräfte-Modell von PORTER ............................................ 43 Funktionalausschreibung ...... 483 Funktionalbeschreibung ........ 559 funktionale Organisation....... 391 funktionale Organisationsperspektive ........................ 372 funktionale Serviceabteilung 404 funktionale Spezialisierung... 374 funktionale Strategie ............... 99 Funktionalisierung ................ 375 Funktionsstrategie ................... 31 Fusion ................................... 330 G
ganzheitlicher Ansatz ............ 723 ganzheitliches Management .. 3, 4 ganzheitliches Risikomanagement............ 711 Garantie......................... 566, 572 Garantieleistungen ................ 597 garantierter Maximalpreis ..... 550 Gebildegliederung................. 376 Gebrauchtkauf....................... 881 Gelegenheitsauftraggeber ..... 207 Generalisierung ..................... 545
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Generalleistungen .................. 443 Generalleistungsanbieter ....... 440 Generalleistungsträger... 212, 213 Generalleistungsträgervergabe ........................................... 561 Generalplaner ........................ 213 Generalunternehmer ...... 213, 222 Generalunternehmerleistungen ........................................... 441 Generalunternehmervertrag... 570 generische axiomatische Beziehungen der Planung . 631, 632 Geräte- und Materialabruf ..... 676 Gesamtkostenerwartungswert791 Gesamtleistungsträgerprojektabwicklungsform.... 442 Gesamtleistungswettbewerb .. 219 Gesamtrisikokosten ............... 604 Gesamtrisikoverteilungsfunktion ........................................... 726 Gesamtunternehmensorganisation ....................... 363 GesamtunternehmensRisikoverteilungsfunktion . 729 Gesamtunternehmensstrategie 31, 261 Geschäftsbeziehung............... 340 Geschäftseinheit ...................... 12 Geschäftseinheitenorganisation ........................................... 363 Geschäftseinheitsanalyse......... 37 Geschäftsfeld/Geschäftsbereichsstrategie . 31 Geschäftsfelddefinition ......... 204 Geschäftsfelder ...................... 425 Geschäftsfeldstrategie 11, 29, 86, 261 Geschäftsfeldziel ..................... 31 Geschäftsidee ........................ 431 Geschäftsmodell .................... 426 Geschäftsmodellansatz .......... 427
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Sachverzeichnis
Geschäftsprozess........... XXXVI, XXXVII, 31, 158 Gestaltungsmassnahmen des Wissensmanagements ..... 1005 Gewährleistung ..................... 571 Gewährleistungsfrist ............. 572 gewerblicher Selbstnutzer .... 210, 458 Gewinn.................................. 119 Gewinnmargen ...................... 589 Gewinnmaximierung ............ 582 GewinnpotenzialRisikopotenzial-Matrix ...... 78, 131, 132, 133 Gewinn-Risiko-Dichtefunktion .......................................... 727 Gewinn-Risiko-Funktion ..... 728, 733 Global Core ........................... 429 Globalisierung................... XXVI Grobleistungsverzeichnis ...... 562 Grösse eines Unternehmens .. 411 Grossgerät ............................. 879 Group Buying ....................... 854 Groupware-Anwendung ....... 992 Grundsätze des Qualitätsmanagement ....... 952 Guaranteed Maximum Price . 550 H
Haftung der ARGE ............... 357 Haftungsrisiko....................... 708 Hauptprozessdauer ................ 632 Hauptunterstützungsressourcen .......................................... 839 Hebezeug .............................. 669 Herstellungsprozess .......... XXXI Herstellungsreihenfolge ........ 629 hierarchische Unterstellung .. 376 Hochleistungswerkstoff ........ 537 Holding ................................. 394
Holschuld ............................ 1024 horizontale Diversifikation...... 89 horizontale Kooperation ........ 313 Human-Relation-Bewegung .. 370 I
Identifikationsprozess ......... 1036 Immaterialitätsgrad ....... 196, 613 immaterielle Güter ................ 190 immaterielle Werte ................ 143 Immobilienentwicklung ........ 498 Implementierungsanalyse ...... 433 implizites Wissen .................. 982 Individualisierung ................. 543 Individualisierungsgrad ......... 195 Individualitätsgrad................. 613 Industrialisierung........... 527, 529 Industrialisierungsparadigma 530 industrielles Bauen ........ 525, 531 Industrieproduktion ............... 528 Ineffizienzaufwendungen ...... 892 Ineffizienzausgaben............... 923 Informationsfluss................... 542 Informationsprobleme ........... 233 informelle Kommunikationsmöglichkeit........................ 984 Infrastrukturbereitstellung ..... 488 Inkrementalinnovation ........ 1066 Innensicht eines Unternehmens ........................................... 430 Innovation in grossen Bauunternehmen ............. 1079 Innovation in kleinen Bauunternehmen ............. 1075 Innovationen........................ 1051 Innovationsaufgaben in Bauprojekten ................... 1064 Innovationsfähigkeit .............. 121 Innovationsmanagement ..... 1049 Innovationsmanagement im Managementmodell ......... 1050
Sachverzeichnis
Innovationsprozess.... 1072, 1076 Innovationsprozess im Unternehmensprozess ..... 1051 Innovationsstrategie .... 100, 1068 Insolvenz .................XXV, XXVI Insolvenztatbestände ............. 719 Insourcing ............................. 487 institutionelle Organisationsperspektive ........................ 370 institutioneller Investor ......... 209 instrumentale Organisationsperspektive ........................ 368 Integration ............................. 592 Integrativitätsgrad ......... 189, 613 integriertes Projektcontrolling .......................................... 823 integriertes Qualitätsmanagement........ 948 Interaktion des Wissens ...... 1006 Interaktionsgrad ............ 192, 613 interaktive Bauwerksplanung 541 interdisziplinäre Angebotsgruppe .......................................... 405 Interessenkonflikt ................. 511 interne ARGE ....................... 994 interne Kunden...................... 856 interne Prozessperspektive ... 151, 157 interner Einflussfaktor .......... 373 interner Prozess ..................... 121 internes Berichtswesen ......... 684 internes Outsourcing ............. 341 Internetkommunikationsplattform ........................... 993 Interoperationalisierung ........ 547 Inventarbedarf ....................... 886 Inventarbereitstellung ........... 857 Inventarbestand ..................... 873 Inventarmanagement..... 861, 874 Investitionsentscheidung ...... 884, 889 Investitionsfokussierung ....... 482
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Investitionsgütermarketing .... 178 investitionskostenorientierte Projektabwicklungsformen 435 Investitionsplanung ............... 879 Investment-Center ......... 394, 409 Investor.................................... 49 Investorenwettbewerb ........... 455 J
Jobrotation ............................. 994 Joint Venture ......................... 330 juristische Abteilung ............. 595 just in time ............................. 644 K
K.O.-Kriterien ....................... 579 Kalkulation ............................ 600 Kalkulationsschlussblatt 588, 601 Kalkulator...................... 585, 600 Kapazitätsausgleich ............... 844 Kapazitätsauslastung ..... 583, 852 Kapazitätsmanagement ......... 854 Kapazitätsmotiv..................... 342 Kapitalbindung .............. 854, 857 Kauf ....................................... 863 Kauf von Betriebsstunden ..... 870 kaufmännische Abteilung...... 596 kaufmännische Leitung ......... 356 Kauftyp.................................. 198 Kernkompetenz ...... 56, 283, 331, 850, 851 Kernkompetenz-Paradigma ... 287 Kernkompetenz-Personal ...... 840 Kernressourcen ...................... 839 -management ..................... 839 Key Account Management .... 558 Key Account Manager .......... 640 Kick-Off-Meeting ................. 590 Kletterschalung ..................... 537 KMU ............. 410, 412, 420, 483 Know-how-Vorteile .............. 309
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Sachverzeichnis
Kodierung ................. 1003, 1024 Kommunikationstechnik ....... 991 Kompetenz ............................ 339 Kompetenzbereich ................ 273 Kompetenzmanagement ....... 854 Komplexität ........................ 1056 Komplexitätsgrad .................. 234 Konflikte ............................... 592 Konjunkturzyklus ................... 18 Konkurrenzanalyse ............... 609 Konkurrenzverfahren ............ 441 Konkurs...............................XXV Konsortien............................. 223 konstituierende Merkmale .... 506 Konsumgütermarketing ........ 177 Kontaktmöglichkeit .............. 996 kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) 485, 544, 625, 945, 946, 1013, 1014 Kontrolle der Angebotsbearbeitung ........ 588 kontrollierte Diversifikation . 420 Kontrollproblem ................... 338 Konventionalstrafe ................ 571 Konzentration ......................... 97 Konzentrationsstrategie ........ 445 Konzeptplanungskompetenz . 447 Konzern................................. 394 Konzernkoordinationsmassnahme ........................ 404 Konzernleitungsprogramme.. 404 Konzessionsgeber ................. 510 Konzessionsnehmer .............. 510 Konzessionsprojekt ............... 511 Kooperation . 291, 293, 297, 300, 340, 536 Kooperationsentscheidungsmatrix ................................ 301 Kooperationsform ................. 309 Kooperationskonstrukt .......... 301 Kooperationsmodell .............. 291
Kooperationsnetzwerk........... 319 Kooperationspotenzial........... 288 Kooperationsrichtung ............ 312 Kooperationsspektrum .......... 297 Kooperationsstrategie .... 287, 307 Kooperationsvorteil ............... 308 Koordination ................. 374, 376 Koordinationsaspekte des Controllings ....................... 809 Koordinationskapazitäten ...... 844 Koordinationsprozess ............ 376 Kosten des Restrisikos .......... 773 Kosten im Bauwesen ............. 473 Kosten- und Nutzenelemente 248 Kosten- und Terminanalyse .. 787 Kosten und Zeit ..................... 799 Kostenanalyse ............... 634, 910 eines Variantenvergleichs . 801 Kostenaspekt ......................... 335 Kosteneffizienz ..................... 529 Kostenelemente ..................... 908 Kosten-Erlös-Betrachtung ..... 472 Kostenführerschaft .......... 92, 440 Kostenkontrolle ..................... 687 Kostenminimalprinzip ........... 891 Kostenplanung....................... 819 Kostensicherheit .................... 336 Kostenstrukturanalyse ........... 470 Kostenstrukturen ................... 470 Kostentreiber ................. 470, 471 Kostenüberschreitungen ........ 823 Kostenüberwachung .............. 821 Kostenvorteil ......................... 308 Kranarten ............................... 670 Kunde ...................... 49, 117, 458 Kunden-Anbieter-Beziehung 247 Kundenbedürfnisse ........ 175, 261 Kundengruppe ....................... 456 Kundengruppenorganisation . 391 Kundennutzen ....................... 263 Kundenorientierung............... 278 Kundenperspektive ........ 151, 154
Sachverzeichnis
Kundenstruktur ..................... 204 Kundenziel ............................ 376 Kundenzufriedenheit..... 121, 173 KVP ...................................... 946 KVP-Spirale .......................... 296 Kybernetik ........................ XXIX kybernetische integrale Projekt-, Produktions-, Montage-, Auslastungsplanung .......... 843 kybernetische Produktionsplanung .......... 621 Kybernetische, integrale, rekursive AktivitätenKapazitäts- und Terminplanung (kir-AKT) 842 kybernetischer Regelkreis . XXIX L
Lager- und Bearbeitungsanlagen .......................................... 667 Lagerflächenmanagement ..... 680 Lagerhaltung ................. 858, 873 laterale Diversifikation ........... 89 LC-Gesamtoptimierung ........ 480 LC-Kostentreiber .......... 470, 471 LC-Leistungsangebot, systemgeschäftliches 454, 459, 464, 465, 467 LC-Leistungsinnovationen, systemgeschäftliche .......... 466 LC-NPV-Wirtschaftlichkeitsvergleichsmodell ............... 894 Leasing .................................. 881 Lebenszyklusausgaben.......... 472 Lebenszyklusbetrachtung...... 894 Lebenszykluskosten, Struktur475 lebenszyklusorientierte Geschäftsfelder ................. 431 lebenszyklusorientierte Immobilien ........................ 457
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lebenszyklusorientierte Komplettlösung ................. 545 lebenszyklusorientierte Systemleistungen............... 450 Lebenszykluswettbewerb ..... 289, 451 Leistung .................. XXXIII, 827 Leistungs- und Produktinnovationen ....... 1058 Leistungsangebot............ XXXIV Leistungsangebotsentwicklung ........................................... 475 Leistungsbereitstellung ......... 856 Leistungsbeziehung ........ XXXIV Leistungsbündel ... 235, 236, 237, 238, 437, 462 Leistungsdifferenzierung....... 443 Leistungseigenschaft ............. 231 Leistungserbringung ....... XXXIV Leistungserstellung ........... XXX, XXXIV Leistungserstellungsprozess ....... XXXIII, XXXIV, XXXV, XXXVIII, 14, 18, 440, 527, 553 Leistungsfaktor ...................... 173 Leistungsinnovation ..... 266, 268, 280, 466, 1013 Leistungsintegration .............. 478 Leistungskontrolle ......... 687, 688 Leistungslebenszyklus........... 459 Leistungsplanung .................. 828 Leistungspotenzial. XXXIV, 173, 235, 252, 263 Leistungsprogramm........ XXXII, XXXIV Leistungsprozess ................... 388 Leistungsüberwachung .......... 828 Leistungsversprechen ............ 569 Leistungsverzeichnis .... 561, 597, 639 Leistungswettbewerb............. 220
1120
Sachverzeichnis
Leistungsziel .................. XXXIV Leitbild.................................... 36 Lern- und Entwicklungsperspektive . 151, 158 Lernen aus Erfolgen .. 1014, 1027 Lernen aus Fehlern ... 1013, 1015 lernende Organisation ........... 983 Lessons Learned ................... 995 Liegenschaftenkontenplan .... 473 Life-Cycle-Contracting . 452, 484 Life-Cycle-Kosten ................ 451 life-cycle-optimiertes Bauwerk .......................................... 302 life-cycle-orientieres Leistungsangebot .............. 302 life-cycle-orientierte Gesamtlösung ................... 270 life-cycle-orientierte Leistungsinnovation .......... 267 life-cycle-orientiertes Wettbewerbsverfahren ...... 267 Life-Cycle-Wettbewerb ........ 267 Linienorganisation ........ 382, 422 Logistik ................. 540, 675, 873 Logistikkonzept .................... 644 Logistiksystem ...................... 783 logistischer Operationskreis .. 566 M
Make-or-Buy-Entscheidung.. 331 Make-or-Buy-or-CooperateStrategie ............................ 852 Management von Innovationen ........................................ 1067 Managementfehler ........... XXVII Managementholding .... 394, 413, 515 Managementmodell .... XXIX, 16 Managementprozess ....... XXXV, XXXVIII
Managementsystem ............... 944 Managementtheorie ........... XXIX Mängelhaftung ...................... 571 Mannschaftsstärke ................. 599 Market Research.................... 203 Marketing ...................... 174, 175 strategisches .............. 200, 201 Marketingbudget ................... 256 Marketinginstrumente .. 241, 242, 246 Marketing-Mix ..... 240, 245, 277, 545 Marketingplan ....................... 255 Marketingplanung . 200, 201, 255 Marketingprozess .................. 173 Marketingstrategie......... 173, 200 Marketingtheorien ................. 180 Marktanalyse ........................... 47 Marktanteil ............................ 119 Marktattraktivität.... 47, 123, 124, 128 Marktdurchdringung ............... 88 Markteintrittsbarriere .............. 52 Marktentwicklung ............. 47, 88 Markterfolg ........................... 175 Markterschliessung ......... 88, 267 Marktforschung ..................... 202 Marktgruppen ........................ 202 Marktimage ........................... 242 marktorientierte Wettbewerbsstrategie .... XXIX marktorientierter Ansatz........ 265 Marktphase ............ 453, 478, 975 Marktposition ........................ 200 Marktpotenzial ................ 49, 115 Marktpräsenz ................. 246, 256 Marktpreis ............................. 610 Marktrisiko ............................ 707 Marktsegmentierung .... 204, 205, 206, 277 Marktstrategien nach Ansoff ... 87 Marktstruktur................... 49, 117
Sachverzeichnis
Markttest ............................... 583 Marktuntersuchung ............... 275 Markt-Wettbewerbs-Matrix ... 80, 81 maschinentechnisches Personal .......................................... 875 Massenproduktion................. 528 Massenrisiko ......................... 577 materielle Güter .................... 190 Matrixkonzernorganisationsstruktur .............................. 414 Matrixorganisation ........ 377, 385 Matrix-Projektorganisation .. 390, 405 Mauerwerksroboter ............... 537 Measurement for Cost Planning .......................................... 474 Mechanisierung..................... 531 mehrdimensionale Kooperationsstrukturen ..... 314 Mehrlinienorganisation ......... 387 Mehrliniensystem ................. 382 mehrstufige Gliederung ........ 382 Meilenstein-Trendanalyse..... 826 Mietanalyse ........................... 913 Mietausgaben ........................ 919 Miet-Cash-Drains.................. 918 Miete ............................. 863, 881 Mietentscheidung .................. 892 Mietkauf ................................ 881 Mietkosten ............................ 914 Mietmodell .... 891, 918, 933, 936 -entscheidung ............ 916, 928 Miet-NPV ............................. 921 Mietservice ........................... 866 Miet-Zahlungsströme ............ 918 Minderung von Risiken ........ 743 Mindestauslastungsgrad ........ 900 Mission ......................... 8, 21, 24 Mitbewerberanalyse .............. 568 modulare Bauweisen ............. 533 Modularinnovation.............. 1066
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Modularisierung .................... 533 Monte-Carlo-Simulation ...... 773, 774, 795 N
Nachfrageausgleichsbewertung ............................................. 79 Nachfragehäufigkeit .............. 207 nachhaltiges Energy-Contracting ........................................... 479 Nachhaltigkeit ....................... 482 Nachhaltigkeitsperspektive ... 170 Nachkalkulation .... 606, 821, 835 Nachtrag ................................ 609 Nachtragsmanagement .......... 683 Nachunternehmer .................... 52 Netzwerkkompetenz .............. 322 Netzwerk-Kooperation .. 310, 315 Netzwerk-Organisationsform ........................... 327, 328, 329 Netzwerkpartner .................... 321 Netzwerk-Projektorganisation ........................................... 329 Neuanschaffung..................... 881 Neuartigkeit ......................... 1054 Neuausrichtung ..................... 420 Neuorganisation .................... 397 New Business Model............. 429 nichtfinanzielle Erfolgsfaktoren ........................................... 142 Niederlassung ........................ 419 Niederlassungsleiter .............. 404 Normalbelastungsszenario .... 731 normatives Management ....... 5, 8 NPV-Differenz .............. 934, 935 NPV-Differenz Simulation, probabilistische ................. 932 NPV-Differenzaxiom ... 928, 929, 931, 932 NPV-Methode ....................... 917 NPV-Minimalprinzip ............ 928
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Sachverzeichnis
Nutzeranforderungsmanagement .......................................... 305 Nutzungskosten..................... 474 Nutzungskostengliederung.... 473 Nutzungsprozess ................. 1041 Nutzwertanalyse ........... 580, 590 O
objektorientierte Organisation .......................................... 378 Objektzentralisation .............. 378 Off-Balance-SheetProjektträgergesellschaften507 öffentliche Ausschreibung .... 563 öffentliche Hand ................... 488 öffentlicher Auftraggeber ..... 208 öffentlicher Bauherr .............. 567 öffentlicher Selbstnutzer ....... 458 offizielle Informationsveranstaltung ..................... 984 ökonomisches Minimalprinzip .......... 622, 624, 635, 890, 903 On and Off SiteIndustrialisierung .............. 527 Online-Marketing ................. 246 Open Books .......................... 449 Operationalisierung der Strategie .................................. 144, 149 operative Aufgabenstellung .. 434 operative Umsetzungsphase .. 281 operatives Controlling .. 107, 811 operatives Management ...... 5, 13 operatives Risikomanagement .......................... 605, 711, 747 Optimierungspotenzial eines Anbieters ........................... 252 Organisation des Bauablaufs 682 Organisationseinheit ............. 413 Organisationsentwicklung .... 397 Organisationsform ........ 377, 402 Organisationsgestaltung ........ 374
Organisationsgliederungsschritte ........................................... 376 Organisationskultur ............... 367 Organisationslehre......... 368, 371 Organisationsperspektive ...... 368 Organisationsprozess... 376, 1071 Organisationsstruktur ..... 57, 122, 363, 366, 1070 organisatorische Spezialisierung ................................... 376, 377 organisatorischer Wandel ...... 396 originäre Diversifikationsstrategie ..... 89 Outsourcing .. 330, 332, 345, 410, 851 Outsourcingentscheidung ...... 334 Outsourcing-Entscheidungsmatrix ................................ 332 Outsourcingpartner ................ 341 Outsourcingstrategie .... 287, 330, 853 P
Parallelorganisation ............... 389 Partnering ...................... 290, 510 Partnerschaft. 289, 291, 294, 297, 300 Partnerschaftsdimension ....... 296 Partnerschaftsprozess ............ 294 passive Akquisition ............... 558 passives Wachstum ................. 84 Pauschal- und Globalvertrag . 218 Payment Bond ....................... 573 Performance Bond ................. 572 Personalisierung ........ 1003, 1025 Personalisierung vs. Kodierung des Wissens ..................... 1011 Personalunion ................ 410, 586 Personenrisiko ....................... 708 Perspektiven eines Geschäftsmodells .............. 428
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Phasen des Ausführungsmanagements .................... 617 Phasengliederung .................. 543 Planung des Ausführungsprozesses ...... 620 Planungskapazität ................. 844 Planungskontrolle ................. 652 Planungskoordination ........... 448 Planungsrisiko....................... 575 Planungsunternehmen ........... 223 Plattformkonzepte ................. 543 politisches Risiko .................. 708 Pondering .............................. 756 Portfolioanalyse ................ 39, 76 Portfolioauswertung der Risikosammelliste ............. 763 Positionierungselemente ....... 253 Positionierungsgesichtspunkte .................................. 248, 254 Potenzialanalyse ................... 432 PPP........................................ 489 PPP- Kooperationsmodell ..... 504 PPP-Abwassernetz ................ 502 PPP-Anfangsphase ................ 501 PPP-Beschaffungsprojekt ..... 456 PPP-Betriebssystem .............. 501 PPP-Dienstleistungsanbieter . 504 PPP-Finanzierung ................. 513 PPP-Geschäftsfeld ................ 497 PPP-Geschäftsmodell............ 435 PPP-Kontraktmodell ............. 505 PPP-Kostenanalyse ............... 493 PPP-Kunden, öffentliche ...... 458 PPP-Lebenszyklusgeschäftsfeld .......................................... 493 PPP-Permanentphase ............ 501 PPP-Projekt ................... 451, 463 PPP-Projektgesellschaft 497, 500 PPP-Realisierungskonzept .... 492 PPP-SGE ............................... 514 PPP-Strassenunterhalt ........... 501 PPP-Synergie-Matrix ............ 492
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PPP-Systemleistungsanbieter 486 PQM im Bauablauf ............... 969 Präferenzbildung ................... 251 Praktikermethode .................. 773 Prämissenänderung ............... 109 Prämissenänderungen und Diskontinuitäten ................ 812 Präqualifikation ............. 222, 250 PR-Arbeit .............................. 244 Preisgestaltung ...................... 589 Preis-Leistungs-Wettbewerb . 219 Preisniveau ............................ 583 Preiswettbewerb .... 218, 437, 541 primärer Wertschöpfungsprozess ..................................... XXXV Primärmarktforschung... 202, 204 Principal-Agent-Theorie 184, 185 Private Finance Initiative ...... 489 privater Auftraggeber ............ 209 privater Bauherr .................... 568 Privatkunden ......................... 481 privatwirtschaftliche Projektgesellschaft ............ 505 probabilistische Gesamtprojektdauer .......... 796 probabilistische Gesamtrisikodichte ............ 726 Probabilistische NPV-Differenz Simulation ......................... 932 Process Owner ....................... 944 Produkt ........................... XXXIII Produkt- oder Leistungsspartenorganisation ....................... 391 Produktherstellung ............. XXX Produktion ....... XXXIII, XXXIV Produktionsfaktoren ....... XXXIX Produktionskapazitätsplanung ........................................... 844 Produktionsprozess ....... XXXIII, XXXV, 783 Auswahlsystematik ........... 634
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Produktionsprozessanalyse und optimierung ....................... 630 Produktivitätsstrategie .......... 153 Produktlebenszyklus ....... 90, 454 Produkt-Markt-Kombination 428 Produktplattformentwicklung 547 Produktprogramm ............. XXXI Produktqualität ...................... 942 Produkttypologie............... XXXI professionelle Auftraggeber .. 208 professioneller Kunde ........... 262 Profitabilität des Inventars .... 862 Profitabilität von Maschinen . 862 Profit-Center ......................... 393 Prognosemodell ............ 885, 892 Prognosetechniken ................ 884 projektabhängige Innovation .............................. 1064, 1065 Projektabwicklung ................ 579 Projektabwicklungsform211, 549 Projektänderungen ................ 834 Projektauswahlkriterien ........ 564 Projektbalkenplan ................. 651 Projektbesprechung............... 834 projektbezogener Risikomanagementprozess 750 projektbezogenes Qualitätsmanagement 966, 968 projektbezogenes Risikomanagement ... 737, 748 Projektcluster ................ 911, 913 Projektcontrolling 807, 813, 814, 815, 817, 818, 819 Projektdokumentation ........... 994 Projektentwicklungsfunktion 507 Projektentwicklungsgesellschaft .......................................... 515 Projektgesellschaft ................ 515 Projektgruppe ........................ 376 Projekthandbuch ................... 833 Projektmanagement .............. 818 Projektorganisation ............... 389
projektorientierte Unternehmen ................................... 387, 388 Projektqualitätsmanagement 657, 966 Projektrisiken ........................ 738 Projektrisikoanalyse .............. 602 Projektrisikocontrolling......... 814 Projektselektion ..................... 565 Projektstrukturierung............. 783 Projektträgerfunktion ............ 507 Projektträgergeschäft............. 516 projektübergreifende Innovation ......................................... 1062 projektunabhängige Innovation ......................................... 1061 Prozess .......................... 433, 528 Prozess der Leistungserstellung ............................................. 14 Prozessarchitektur ............. XXIX Prozesse im Bauunternehmen 15, 281, 615, 944 Prozesse optimieren .............. 536 Prozessgliederung einer Bauaufgabe ................ 627, 628 Prozessinnovation ............... 1060 Prozessinstabilität .................. 453 Prozessmodell ....................... 503 Prozessmodell der Wertschöpfungskette ....... XXXVIII Prozessorganisation ...... 376, 387, 388, 389, 398, 399 prozessorientiertes Qualitätsmanagementsystem ........... 945 Prozessorientierung XXIX, XXX, XXXI, 535 Prozessqualität....................... 942 Prozessverantwortlicher ... XXXI, 376 Prozessverantwortungen ....... 388 Prüfungsprozess .................. 1043 Public Private Partnership .. Siehe PPP
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Public Relations .................... 243 Public Sector Comparator ..... 493 Q
QM ........................................ 966 QM-Beauftragter................... 957 QM-Handbuch .............. 957, 960 QM-Struktur im Unternehmen .......................................... 957 QM-System ................... 952, 954 QM-Zertifizierung ................ 955 Qualität ......................... 829, 942 Qualitätslenkung ........... 831, 950 Qualitätsmanagement.... 941, 951 Qualitätsplanung ........... 829, 950 Qualitätspolitik ..................... 955 Qualitätssicherung ................ 950 Qualitätsverbesserung ........... 950 Qualitätsziele ........................ 955 Qualitätszirkel ....................... 994 R
Radikalinnovation ............... 1067 Rahmenterminplan ................ 599 Rationalisierung .................... 529 Rationalisierungsinvestition.. 878 Räumen der Baustelle ........... 691 Realisationselemente ............ 432 Rechnungsstellung ........ 689, 690 Rechnungswesen-Struktur .... 471 Referenzobjekt .............. 566, 582 Regelkreis des Projektmanagements ......... 818 Regelwerke ........................... 570 Regionalorganisation .... 393, 403 Regionalorganisationsstruktur .................................. 403, 412 regionalorientierte Organisation .......................................... 378 Reifephase..................... 460, 468 reine Preisqualifikation ......... 582
1125
reine Risiken.......................... 706 reiner Preiswettbewerb .......... 561 Relationship Buying .............. 199 Relationship Selling .............. 199 relevantes Wissen ................ 1018 Relevanzprüfungsprozess .... 1037 Reorganisation....................... 397 Reparaturrisiko ...................... 867 Ressourcen .................... 279, 839 Hauptunterstützungs- ........ 839 Kern- ................................. 839 Sub- ........................... 839, 840 Ressourcenauslastung ........... 857 ressourcenorientierter Ansatz ............................... XXIX, 279 Ressourcenplanung ....... 651, 873 Ressourcenpyramide ............... 56 Restrisiko ...................... 722, 867 Restrisikokosten .................... 723 Restrukturierungschancen ..... 264 Risiko .......... 700, 738, 797, 1056 Risikoaggregation ......... 719, 720 Risikoanalyse 602, 606, 722, 786, 788 Risikoart ........................ 739, 740 risikobasierte Ausschreibungsanalyse ..... 579 Risikobelastung ..................... 724 Risikobelastungsfall .............. 732 Risikobereitschaft .................. 767 Risikobewältigung 604, 722, 735, 765, 771, 772, 786 Risikobewältigungsmöglichkeiten .................... 766 Risikobewertung ........... 602, 758 Risikocontrolling .. 605, 776, 807, 819, 834 Risikodeckung ............... 730, 732 Risikodeckungsmasse ... 730, 731 Risikodeterminante ....... 709, 761 Risikoeinfluss ........................ 705 Risikoentscheidung ............... 767
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Risikoentstehung................... 752 Risikofähigkeit .............. 767, 770 Risikofeld.............................. 739 Risikograd ............................. 718 Risikoidentifikation ..... 602, 721, 749, 751, 785 Risikoklassifizierung ... 604, 722, 762 Risikokosten ......... 605, 717, 718 Risikokostenaggregation....... 725 Risikomanagement ...... 602, 697, 699, 710, 746 Risikomanagementprozess... 711, 713, 721, 749 Risikomanagementstelle ....... 713 Risikominimierung ............... 554 risikoorientierte Projektauswahl .......................................... 564 risikoorientierte Selektion ..... 567 Risikoprämie ......................... 770 Risikosammelliste ................. 761 Risikoschaden ....................... 775 Risikosequenz ............... 753, 754 Risikosteuerung ............ 732, 734 Risikostrategie .............. 710, 767 Risikotragfähigkeit 711, 719, 731 Risikoursache ........................ 769 Risikoverlagerung ................. 871 Risikoversicherungsmanagement .......................................... 735 Risikoverteilung ... 570, 745, 769, 795 Risikowert ............................. 579 Risikoziele ............................ 716 Risk Map....................... 762, 779 Roboter ................................. 532 Roboterisierung..................... 531 RoRaC .................................... 78 S
Sachleistung ........... XXXIV, 226
Sachleistungscharakter .......... 226 Sachrisiko .............................. 708 Sachziel ................................... 24 Schlüsselfertigbau ................. 445 Schlüsselgewerke .................. 443 Schlüsselpartner .................... 480 Schlussgespräch ............ 607, 995 Schlussrechnung .................... 575 Schul-Facility-Management .. 495 Scientific-Management-Ansatz ........................................... 368 Segmentierung....... 200, 204, 205 sekundärer Wertschöpfungsprozess ......................... XXXV Sekundärmarktforschung ...... 202 Selbstkosten .......................... 606 Selektionskriterien................. 565 Sender-Empfänger-System ... 981 Seriengrösse .......................... 539 Serviceabteilung .................... 418 Serviceaufgaben .................... 855 Service-Center ....................... 418 Servicekosten ........................ 870 Service-Level-Agreements .... 463 Servicevertrag ....................... 868 Shared-Service-Einheit ......... 171 Sicherheit .............................. 571 Sicherheitsgarantie ................ 573 Sicherheitsleistung ................ 572 Sicherheitsplanung ................ 658 Simultaneous Engineering .... 512 Situations-Struktur-Konstellation ........................................... 372 Situationsvariablen ................ 373 situatives Denken .................. 372 Soll-Ist-Kostenvergleich ....... 822 Sondervorschlag ............ 586, 598 soziotechnische Systeme ....... 366 Spartengliederung ................. 410 Spartenorganisation ....... 391, 415 Spartenstruktur ...................... 416 spekulative Risiken ............... 706
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Spezialgerät........................... 884 Spezialisierungsmotiv ........... 343 Spezifität ....................... 188, 234 St. Galler Management-Modell .............................. XXIX, 4, 7 Stablinienorganisation .......... 383 Stab-Projektorganisation ....... 390 Stabsstellen ........................... 417 Stadtentwicklung .................. 499 Standardelemente .................. 548 Standardisierung ........... 534, 544 Standortentwicklung ............. 496 Stärken-Schwächen-Analyse .. 67 Stärken-Schwächen-Profil ...... 71 Statusbericht ......................... 833 Stellenbildung ....................... 377 Steuerungsdimensionen ........ 149 Stockwerklogistikplan .......... 681 Strategie Neuorientrierung ...... 84 Strategie Schrumpfen .............. 84 Strategie und Geschäftsorganisation ....... 100 Strategie Wachsen................... 84 Strategie Zielerreichung .......... 22 Strategieanpassung ............... 108 Strategiecontrolling............... 103 Strategieebene ......................... 32 Strategieentwicklung .............. 30 strategiefokussierte Unternehmen..................... 144 Strategie-Mix ........................ 101 Strategieplanung ............. 27, 110 Strategieplanungsprozess ...... 3, 4 Strategieumsetzung ....... 139, 261 Strategieumsetzungsprozess . 139 Strategiezementierung ............ 84 strategische Analyse ............... 38 strategische Ausrichtung ....... 122 strategische Elemente ........... 434 strategische Erfolgspositionen .......................................... 609
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strategische Geschäftseinheiten (SGE)................... 34, 400, 425 Bildung .............................. 399 Segmentierungskriterien.... 401 Strukturierung ................... 402 strategische Geschäftsfelder (SGF) ................... 86, 400, 401 Bildung ...................... 399, 401 Segmentierungskriterien.... 401 strategische Kooperation ...... 309, 310 strategische NetzwerkKooperation ....................... 318 strategische Planungsphase ... 281 strategische Position ................ 11 strategische Positionierung... 122, 134 strategische Prämissenkontrolle ................................... 107, 810 strategische Risiken ............... 111 strategische Wahl- und Entwicklungsmöglichkeiten ........... 102 strategischer Analyseprozess... 37 strategischer Planungsprozess ... 3 strategischer Problemlösungsprozess ....... 36 strategischer Problemlösungsprozess ................................. 30 strategisches Controlling ...... 107, 810 strategisches Geschäftsfeldziel 28 strategisches Management ... 5, 9, 12 strategisches Marketing . 200, 201 strategisches Netzwerk . 303, 315, 320 strategisches Risiko ............... 710 strategisches Risikomanagement ........................................... 710 strategisches Unternehmensziel ............................................. 28
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Strategy Map 149, 150, 160, 161, 166, 167 Strengths-OpportunitiesStrategien ............................ 40 Strengths-Threats-Strategien .. 40 Stressbelastungsszenario....... 731 Stromversorgung................... 665 Strukturierung von Geschäftsmodellen ............ 427 Strukturinnovation .............. 1067 Strukturmodell ........................ 22 Stufen der Strategieanpassung .......................................... 104 Sub-Ressourcen ............ 839, 840 Subunternehmerbeauftragung653 superponierender Ansatz ...... 723 Supply Chain Management... 290 Supportprozess ................ XXXV, XXXVIII, 14, 15, 18, 388, 527 Sustainable Balanced Scorecard .......................................... 172 SWOT-Analyse.... 39, 40, 41, 63, 72, 134 Synergiebarrieren .................. 514 Systemabgrenzung ................ 894 Systemanbieter ..... 216, 281, 283, 321, 323, 326, 512, 546 Systemanbieter Bau (SysBau) .......... 269, 270, 272, 274, 452 Systemanbieterkonzept ......... 452 Systemanbieterleistung 272, 277, 281, 282, 327, 486 Systemanforderungsmanagement .......................................... 305 Systemangebot ...................... 273 systematische Standardisierung .......................................... 543 Systementscheidung ............. 903 Systemfertigteillösung .......... 485 Systemführer ................. 324, 327 Systemgliederung einer Bauaufgabe ....................... 627
Systeminnovation ................ 1067 systemische Bauproduktionsplanung .... 623 Systemkultur ......................... 367 Systemleistung ...................... 273 Systemstruktur....................... 366 Systemtheorie .................... XXIX Systemwahl ........................... 885 Szenario ............................. 65, 66 Szenarioanalyse ....................... 67 Szenariotechnik ....................... 64 T
Tacit Knowledge ................... 982 Task Force ..................... 390, 407 technische Abteilung ............. 597 technische Leitung ................ 356 technische Zentralabteilung .. 418 technisches Risiko ................. 575 Teilrisiko ............................... 792 Tensororganisation ................ 387 Termin- und Ressourcenplanung ........................................... 650 Terminabweichung ................ 827 Terminkontrolle..................... 687 Terminplanung .............. 591, 824 Terminüberwachung ............. 825 theoretischer Bezugsrahmen .................................... XXVIII Time to Market ...................... 487 Tochtergesellschaft ............... 413 Total Quality Management ... 970 Totalleistungsanbieter ........... 444 Totalleistungsträgerprojektabwicklungsform ............... 446 Totalunternehmer .......... 215, 216 Totalunternehmervergabe ..... 559 Totalunternehmervertrag ....... 570 Tragweite ...... 709, 758, 760, 761 Transaktionskosten ................ 337
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Transaktionskostentheorie ... 184, 187 Transaktionsprozess .............. 191 Transaktionsrisiko................. 234 Transaktionstypen ................. 230 Transformationsprozess 376, 388 Transportlogistik ................... 677 Triebkräfte des Branchenwettbewerbs ......... 91 TU-Wettbewerb .................... 455 U
Übergabezustand................... 466 Umfeldanalyse 37, 42, 46, 47, 48, 62, 72, 112, 115, 275, 432 Umsatz .................................. 120 Umsatzentwicklung .............. 896 Umsatz-RisikoausgleichsPortfolio .............................. 77 Umweltmanagementsystem .. 972 Ungewissheitsgrad ................ 704 Unikatcharakter..................... 613 Unikatproduktion .................. 528 Unsicherheit .................. 187, 234 Unsicherheitsgrad ................. 704 Unsicherheitsprobleme ......... 233 Unternehmens- bzw. Geschäftseinheitsanalyse .... 58 Unternehmensanalyse 55, 67, 72, 119, 275 Unternehmensentwicklungsstrategie ............................... 83 unternehmensinterner Ressourcenbedarf .............. 565 Unternehmenskultur.... 122, 1068 Unternehmensleitbild .. 21, 71, 72 Unternehmensmission........... 150 Unternehmensmodell .............. 16 Unternehmenspolitik.. 22, 37, 73, 74, 75
1129
Unternehmensprozess ... XXXVI, XXXVII, 5, 157 Unternehmenssteuerungsdimensionen ...................... 140 Unternehmensstrategie ..... 11, 29, 76, 85, 581 Unternehmensverfassung ........ 22 Unternehmensziel 24, 26, 30, 716 unternehmerisches Risiko ..... 697 Unternehmervariante ............. 586 Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Strategie ...................... 152 V
Value for Money ................... 289 Value-Sharing-Vereinbarung 559 Varianten der Herstellung ..... 629 Variantenbildung ................... 784 Variantenentscheidung .......... 787 Verbesserungsprozess1039, 1042 Vereinfachung Konzernstruktur ........................................... 419 Verfahrensanweisung ............ 964 Verfahrensvarianten .............. 906 Verfügungsrecht .................... 488 Vergabeprozess ..................... 557 Vergabeverfahren .................. 221 Vergleichmässigung der Ressourcen ........................ 633 verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie ...... 370, 371 Verhandlungsverfahren ......... 221 Verkehrserschliessung........... 664 Verluste ................................. 554 Vermarktungsmotiv............... 343 Verrichtungsfunktion ............ 391 verrichtungsorientierte Organisation ...................... 378 Verrichtungsprinzip............... 584 Versorgungseinrichtungen .... 664 Verteilung von Risiken ......... 744
1130
Sachverzeichnis
Verteilungsfunktion der Risikokosten ..................... 776 Verteilungsprozess .............. 1039 vertikale Diversifikation ......... 89 vertikale Kooperation ........... 312 Vertrag .................................. 831 vertragliche Aspekte ............. 594 Vertrags- und Organisationsformen......... 490 Vertrags- und Vergütungsmodell .......................................... 549 Vertragsabschluss ................. 832 Vertragsanalyse..................... 569 Vertragserfüllungsgarantie.... 573 Vertragsform ......................... 217 Vertragsprüfung .................... 595 Vertragstext........................... 639 Vertragsunterlagen ................ 594 Verwaltungsratspräsident ..... 413 virtuelle Unternehmen .......... 224 Vision.......................... 8, 21, 163 Vollservicevertrag................. 868 Vollzugsorgane der Baustelle 355 Vorauszahlungsgarantie ........ 573 Vorbehalt .............................. 608 Vorfertigung ................. 534, 538 Vorfinanzierung .................... 574 Vorfinanzierungsbedarf ........ 574 Vorhaltemengen ... 895, 896, 900, 901 Vorkalkulation ...................... 606 W
Wachstumsphase........... 460, 464 Wachstumsstrategie .............. 153 Wagnis und Gewinn ............. 589 Wartungsdienst ..................... 860 Weaknesses-OpportunitiesStrategien ............................ 41 Weaknesses-Threats-Strategien ............................................ 41
Wechselspiel des Marktumfelds ........................................... 375 Werkhof ................ 394, 849, 859 Werkhofleistungen ................ 853 Werkleistungen ..................... 439 Werkvertrag........................... 569 Werthaltigkeit........................ 548 Wertschöpfungsaktivität ....... 428 Wertschöpfungsanalyse......... 433 Wertschöpfungsintegration ... 482 Wertschöpfungskette ........ XXIX, XXX Wertschöpfungsprozess.... XXIX, 18 Wertsteigerung durch Kooperation ....................... 293 Wertvorstellung ........... 20, 36, 71 Wettbewerber .......................... 50 Wettbewerbsarten .................. 218 Wettbewerbsdifferenzierungsansatz ................................. 156 Wettbewerbsinstrument......... 265 Wettbewerbsintensität ........... 265 Wettbewerbsposition .... 125, 129, 609 WettbewerbspositionsMarktattraktivitäts-Portfolio ................................... 127, 131 Wettbewerbsproblem ...... XXVII Wettbewerbsstrategie90, 92, 265, 440 Win-Win-Strategie ................ 510 wirtschaftliche Relevanz ..... 1055 Wirtschaftlichkeitsanalyse .... 892 Wirtschaftlichkeitsvergleich bei der Inventarbeschaffung .... 882 Wirtschaftsgüter ................ XXXI Wirtschaftsinformatik ........... 427 Wissen ................................... 980 Wissen mit höchster Relevanz ......................................... 1022 Wissens(ver)teilung............. 1002
Sachverzeichnis
Wissensbegriff ...................... 979 Wissensbereitstellung ......... 1023 Wissensbewahrung .. 1002, 1008, 1012 Wissensbewertung .... 1002, 1008 Wissensdynamik ................. 1004 Wissensebene ...................... 1028 Wissensentwicklung . 1001, 1008 Wissenserwerb .......... 1001, 1008 Wissensgeber ...................... 1012 Wissensgemeinschaften ........ 995 Wissensidentifikation......... 1001, 1010, 1018 Wissenskarten ....................... 996 Wissensklassifizierung........ 1020 Wissensmanagement..... 975, 985 auf operativer Ebene ....... 1010 auf strategischer Ebene ... 1009 im Managementmodell ..... 978 im Unternehmensprozess .. 977 -modell .................... 998, 1000 -prozess ........................... 1014 Wissensnutzer ..................... 1012 Wissensnutzung ....... 1002, 1008, 1025 Wissensspirale nach NONAKA und TAKEUCHI ............................ 999, 1000
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Wissensverteilung ..... 1003, 1008 Wissensziele ........................ 1000 Wochenarbeitsprogramm ...... 675 Wohnungsbau ........................ 525 Z
Zahlungsmodalitäten ............. 573 Zahlungstermin ..................... 575 Zahlungsunfähigkeit .............. 573 Zeitschriftenauswertung ........ 996 Zeitvorteil .............................. 308 zentrale Dienste ..................... 418 Zentralisationskriterium ........ 415 Zertifizierung......................... 956 Ziel des Risikomanagements . 715 Zielkomplementarität .............. 25 Zielkonkurrenz ........................ 25 Zielkunden, potentielle .. 454, 455 Zielmarktsegment .................. 274 Zielmarktsegmentanalyse ...... 276 Zielneutralität .......................... 25 Zielniveau von Risiken ......... 703 zielorientiertes Geschäftsmodell ........................................... 431 Zielsystem ........................... 3, 25 Zwischenrechnung ................ 574