Anja Prexl Nachhaltigkeit kommunizieren – nachhaltig kommunizieren
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Nachhaltigkeit kommunizieren – nachhal...
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Anja Prexl Nachhaltigkeit kommunizieren – nachhaltig kommunizieren
Anja Prexl
Nachhaltigkeit kommunizieren – nachhaltig kommunizieren Analyse des Potenzials der Public Relations für eine nachhaltige Unternehmensund Gesellschaftsentwicklung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Zugleich Dissertation an der Paris Lodron Universität Salzburg, 2009 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und der Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Paris Lodron Universität Salzburg.
. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Tanja Köhler Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Jens Ossadnik Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17245-3
Meiner lieben Familie
“At its best, communication has an extraordinary power, not simply to inform, but to challenge, and to inspire. It can achieve lasting and meaningful change. That is why it is vital for communications to be an integral part of the journey towards sustainable development“ (United Nations Environmental Programme/futerra 2005, 7).
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
1
Themenbegründung und Forschungsansatz........................................... 17 1.1 Ausgangslage: Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeitsforschung.................................................................... 17 1.2 Einführung in die Thematik der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation .......................................................... 20 1.3 Zielsetzung und Begründung des Forschungsvorhabens .................... 23 1.4 Herangehensweise und Forschungsfragen .......................................... 27 1.5 Forschungsmethodisches Vorgehen im Überblick .............................. 29 1.6 Inhalte der Arbeit im Überblick .......................................................... 32
2
Nachhaltiges Wirtschaften: Begriffsdiskussion, Business Case, Managementtools und die Rolle der Public Relations ........................... 37 2.1 Einleitung ............................................................................................ 37 2.2 Begriffsdiskussion............................................................................... 39 2.2.1 Nachhaltige Entwicklung als politisches und gesellschaftliches Leitbild........................................................ 40 2.2.2 Nachhaltiges Wirtschaften als unternehmerisches Leitbild ..... 44 2.2.3 Unternehmerische Nachhaltigkeit – Versuch einer Begriffsbestimmung 1: Reportive Definitionen und stipulative Arbeitsdefinition ............................................. 49 2.3 Exkurs: Nachhaltigkeit als „Luxus“ in wirtschaftlichen „Schönwetterperioden“? Entwicklungslinien vom Umweltschutz zu nachhaltigem Wirtschaften ............................................................. 52 2.4 „Mapping the Territory“: Unternehmerische Nachhaltigkeit im Kontext verwandter Konzepte ............................................................ 56 2.4.1 Instrumentelle Ansätze ............................................................ 58 2.4.2 Politische Ansätze .................................................................... 62 2.4.3 Integrative Ansätze .................................................................. 65 2.4.4 Ethische Ansätze ...................................................................... 82 2.5 Unternehmerische Nachhaltigkeit – Versuch einer Begriffsbestimmung 2: Verortung im Kontext verwandter Konzepte ... 86 2.6 Der Stellenwert nachhaltigen Wirtschaftens in der Unternehmenspraxis ........................................................................... 89
8
Inhaltsverzeichnis 2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln ............ 93 2.7.1 Nachhaltigkeit als Wert für Shareholder? ................................ 96 2.7.2 Bessere Mitarbeiter durch unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement? ................................................. 100 2.7.3 Image-Bonus durch unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement? ................................................. 101 2.7.4 Nachhaltigkeit als Motor für KonsumentenKaufentscheidungen? ............................................................. 103 2.7.5 Nachhaltigkeitsengagement als Vorbeugung in Krisenzeiten? ......................................................................... 106 2.8 Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in den unternehmerischen Alltag ................................................................. 108 2.8.1 Prozesse in Richtung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung .................................................... 108 2.8.2 Ausgewählte Managementtools für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen ................................................. 114 2.8.3 Personelle Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements und das Berufsbild „Nachhaltigkeitsmanager“ ...................... 120 2.9 Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements in der Unternehmenspraxis: Das Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ ......... 123 2.10 Zukunftsszenarien: Unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement in wirtschaftlich turbulenten Zeiten ..... 128 2.11 Zusammenfassung Kapitel 2 ............................................................. 131
3
Nachhaltigkeitskommunikation als zukunftsorientiertes Aufgabenfeld der Public Relations ........................................................ 133 3.1 Einleitung .......................................................................................... 133 3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im „weiteren Sinne“: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe .............................................. 136 3.2.1 Zum Stellenwert der Kommunikation im Nachhaltigkeitsdiskurs ........................................................... 136 3.2.2 Begriffsbestimmung: Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne ....................................................................... 137 3.2.3 Theoretische Ansätze zur Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne .................................................................. 139 3.3 Exkurs: Theoretische Verortung von Nachhaltigkeitskommunikation in verschiedenen Forschungsdisziplinen....................................................................... 142 3.3.1 Nachhaltigkeitskommunikation im sozialwissenschaftlichen Kontext .......................................... 142
Inhaltsverzeichnis
9
3.3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im Kontext der allgemeinen Kommunikationswissenschaft ........................... 145 3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne: Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation .......................... 146 3.4.1 Begriffsbestimmung von Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne ................................................................... 146 3.4.2 Historische Entwicklung des Aufgabenfeldes der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation .............. 150 3.4.3 Ausgewählte Zieldimensionen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation ............................................. 152 3.4.4 Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation aus unternehmerischer und gesellschaftlicher Sicht: Marketing Case, Business Case, Public Case .......................................... 157 3.4.5 Einbettung der Nachhaltigkeitskommunikation in Mikro-, Meso- und Makrokontexte ................................... 168 3.4.6 Grenzen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation ............................................. 180 3.4.7 Nachhaltigkeitskommunikation als Herausforderung: Hürden in der Praxis der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation ............................................. 182 3.4.8 „Greenwash“ und Scheindialoge: Die dunkle Seite unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation............... 192 3.5 Zusammenfassung Kapitel 3 ............................................................. 196 4
Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation ........................... 201 4.1 Einleitung .......................................................................................... 201 4.2 Zielsetzungen und Nutzen des normativen Theorieentwurfs ............ 203 4.3 Zur Notwendigkeit eines normativen Theorieentwurfs..................... 206 4.4 Wissenschaftstheoretischer Exkurs ................................................... 207 4.4.1 Unterschiede zwischen normativer und empirischer Forschung........................................................... 208 4.4.2 Nachhaltige Entwicklung als Wertmaßstab ........................... 209 4.4.3 Prozess normativer Forschung ............................................... 210 4.5 Vorgehensweise zur Ableitung des normativen Theorieentwurfs unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation .......................... 211 4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations und Unternehmenskommunikation im Hinblick auf Anknüpfungspunkte für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation ........................................................ 213
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Inhaltsverzeichnis 4.6.1 Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit nach Burkart......................................... 214 4.6.2 Reputation Management und Reputationsrisiken moderner Organisationen nach Eisenegger ............................................ 223 4.6.3 Themen von öffentlichem Interesse („Issues“) und Issues Management ................................................................ 227 4.6.4 Grunigs Exzellenz-Theorie und die Modelle der Public Relations nach Grunig und Hunt............................................ 237 4.6.5 Situative Zielgruppentheorie von James E. Grunig ............... 245 4.6.6 Das Konzept der integrierten Kommunikation nach Bruhn ... 251 4.6.7 Bildungs- und Reflektivitätsaspekte der Public Relations nach van Ruler/Vercic ........................................................... 257 4.6.8 „Diffusion of Innovation“-Theorie nach Rogers und das Aufgabenfeld der Innovationskommunikation nach Zerfaß/Mast ........................................................................... 263 4.6.9 Globale Public Relations nach Sriramesh/Vercic .................. 271 4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation .......................... 278 4.7.1 Begründung der Praxis von Nachhaltigkeitskommunikation auf Grundlage der ausgewählten Kontexttheorien ................. 279 4.7.2 Theoretischer Input für die Bewältigung spezifischer Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation ....... 282 4.7.3 Ableitung normativer Qualitätskriterien der Nachhaltigkeitskommunikation als Handlungsorientierungen für Praktiker.................................. 286 4.8 Zusammenfassung Kapitel 4 ............................................................. 294
5
Ausgewählte Good-Practice-Beispiele zu Instrumenten und Methoden der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation .. 299 5.1 Einführung ........................................................................................ 299 5.2 Forschungsmethodologie zur Erfassung der Good-Practice-Beispiele ................................................................... 301 5.2.1 Fallstudie („Case Study“) ...................................................... 301 5.2.2 Das qualitative Interview ....................................................... 303 5.2.3 Teilnehmende Beobachtung .................................................. 306 5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation .................................................. 307 5.3.1 Theoretischer Hintergrund: Motivebenen und Arten von (Multi)-Stakeholder-Dialogen......................................... 308
Inhaltsverzeichnis
11
5.3.2 Good-Practice-Beispiele für nachhaltigkeitsbezogene Stakeholder-Dialoge .............................................................. 313 5.3.3 Ausgewählte Erfolgsfaktoren für Nachhaltigkeitsdialoge ..... 345 5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation ........................................................ 347 5.4.1 Theoretischer Hintergrund: Der Stellenwert der internen Kommunikation im Rahmen nachhaltigkeitsorientierter Organisationsentwicklung ..................................................... 347 5.4.2 Good-Practice-Beispiele für interne Kommunikation für Nachhaltigkeit ........................................................................ 351 5.4.3 Ausgewählte Erfolgsfaktoren für interne Nachhaltigkeitskommunikation ............................................. 374 5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation ........................................................ 375 5.5.1 Theoretischer Hintergrund: Begriffsbestimmung, Status Quo, Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung und unternehmerische Motive ............................................... 376 5.5.2 Aktuelle Entwicklungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung............................................ 380 5.5.3 Stakeholder-Erwartungen an Nachhaltigkeitsberichterstattung............................................ 385 5.5.4 Gelungene Elemente der Nachhaltigkeitsberichterstattung ... 387 5.5.5 Berücksichtigung normativer Prinzipien in Nachhaltigkeitsberichten ....................................................... 398 5.6 Zusammenfassung Kapitel 5 ............................................................. 399 6
Erhebung der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in österreichischen Energieversorgungsunternehmen ............................. 401 6.1 Einleitung .......................................................................................... 401 6.2 Kontextbeschreibung: Energieversorger und Nachhaltigkeit ............ 403 6.3 Sample und Methodik ....................................................................... 408 6.4 Zielsetzung und Forschungsfragen ................................................... 412 6.5 Empirische Ergebnisse ...................................................................... 415 6.5.1 Was war ursprünglich ausschlaggebend für das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens? ................... 415 6.5.2 Wie hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens über die Zeit hinweg entwickelt? ................... 417 6.5.3 Wer hat das Nachhaltigkeitsengagement unternehmensintern in Gang gebracht, und wer ist für den Nachhaltigkeitsprozess verantwortlich? ................................ 420
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Inhaltsverzeichnis 6.5.4 Wer ist unternehmensintern für die Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen zuständig?......................................... 423 6.5.5 Welche Ziele verfolgt das Unternehmen mit der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen? ....................... 425 6.5.6 Welche unternehmensinternen Faktoren prägen Nachhaltigkeitskommunikation? ........................................... 428 6.5.7 Welche unternehmensexternen Faktoren prägen Nachhaltigkeitskommunikation? ........................................... 431 6.5.8 An welche Zielgruppen/Stakeholder richtet sich Nachhaltigkeitskommunikation, und wie werden diese ausgewählt? ........................................................................... 434 6.5.9 Welcher Kommunikationsstil dominiert in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation? ........................................... 438 6.5.10 Welche sind die Hauptthemen der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie werden diese identifiziert? ....................................... 442 6.5.11 Welche Kommunikationsinstrumente kommen zur Anwendung, und wie werden Nachhaltigkeitsthemen in die sonstigen Kommunikationsaktivitäten integriert? ................. 446 6.5.12 Welche Herausforderungen stellen sich für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie wird versucht, diese zu bewältigen? .............................................................. 449 6.5.13 Wie wird Nachhaltigkeitskommunikation im internationalen Raum durchgeführt?...................................... 453 6.5.14 Inwiefern werden die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung im Kommunikationsprozess berücksichtigt? ... 455 6.6 Neue Aspekte und Verbesserungspotenziale .................................... 456 6.7 „Weiße Flecken“ in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitskommunikation: Forschungsdesiderate.............. 458 6.8 Zusammenfassung Kapitel 6 ............................................................. 461
7
Gesamtzusammenfassung und Ausblick ............................................... 463 7.1 Evaluation der Zielerreichung ........................................................... 464 7.2 Resümee ............................................................................................ 469 7.3 Limitation der Erkenntnisse .............................................................. 476 7.4 Ausblick ............................................................................................ 478
Literaturverzeichnis ....................................................................................... 481
Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22: Abbildung 23:
Forschungsfragen im Überblick ................................................. 28 Übersicht über die Inhalte der vorliegenden Arbeit ................... 35 Übersicht über die Inhalte von Kapitel 2 ................................... 39 Das dreidimensionale Modell der nachhaltigen Entwicklung .... 43 Mindeststandards nachhaltigen Wirtschaftens ........................... 46 Framework of sustainable development on the microeconomic level (Steurer et al. 2005, 27) ........................... 47 Charakterisierung von Definitionen unternehmerischer Nachhaltigkeit ............................................................................ 49 Sieben Nachhaltigkeits-Revolutionen ........................................ 55 Begriffliche Systematisierung unternehmerischer Nachhaltigkeit und verwandter Begriffe .................................... 57 Sustainability Sweet Spot........................................................... 61 The Pyramid of Corporate Social Responsibility (Carroll 1991, 39ff) .................................................................... 68 Standards, Codes und Prinzipien zur unternehmerischen Verantwortung ........................................................................... 73 Der Code of Conduct von Dow Chemicals ................................ 76 Vor- und Nachteile von „Corporate Sustainability“ aus Stakeholder-Sicht ....................................................................... 81 Die zehn Grundsätze des Global Compact ................................. 85 Begriffsverständnis dieser Arbeit zu unternehmerischer Nachhaltigkeit ............................................................................ 88 Assoziationen zum Begriff gesellschaftliche Verantwortung .... 90 Gründe für unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement ...... 92 Der „Business Case“ für Corporate Social Responsibility ......... 94 Nutzen der Nachhaltigkeitsorientierung aus Sicht des Verbund-Konzerns ..................................................................... 95 Auswirkungen einer besseren Sozial- und Umweltperformance auf die ökonomische Performance ........... 98 Entwicklung der Börsenperformance ......................................... 98 12-Punkte-Plan von Dow Chemicals zu Nachhaltigkeit .......... 112
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 24: Beispiel für ein Stärken/Schwächenprofil in Sachen Nachhaltigkeit. ......................................................................... 114 Abbildung 25: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard ........................ 116 Abbildung 26: Leitbild und Unternehmensvision von Gartenbau Herneth ...... 118 Abbildung 27: Sustainability Balanced Scorecard der Firma Herneth............. 119 Abbildung 28: Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements im Verbund ... 121 Abbildung 29: Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements bei Henkel..... 122 Abbildung 30: Ausprägungen von unternehmerischer Nachhaltigkeit ............ 124 Abbildung 31: Das Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ ................................... 127 Abbildung 32: Übersicht über die Inhalte des 3. Kapitels................................ 135 Abbildung 33: Zusammenhang zwischen Sichtweisen der Public Relations und Zieldimensionen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 161 Abbildung 34: Zwiebelmodell der Zieldimensionen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 165 Abbildung 35: Einige Nachhaltigkeitsziele von Bayer .................................... 167 Abbildung 36: Mögliche Positionierung der Nachhaltigkeitsziele von Bayer im Zwiebemodell…………………………………………….167 Abbildung 37: Zwiebelmodell der Kontexte der Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 180 Abbildung 38: Zwiebelmodell der Zieldimensionen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 196 Abbildung 39: Zwiebelmodell der Kontexte unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 197 Abbildung 40: Zwiebelmodell der Herausforderungen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 198 Abbildung 41: Übersicht über die Inhalte des 4. Kapitels................................ 203 Abbildung 42: Übersicht über die ausgewählten Kontexttheorien zur Ableitung eines Theorieentwurf der Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 212 Abbildung 43: Charakterisierung der idealen Sprechsituation ......................... 215 Abbildung 44: Phasen und Teilziele der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit................................................................. 216 Abbildung 45: Lebenszyklusmodell von Issues ............................................... 229 Abbildung 46: Mögliche Lebenszyklus-Entwicklungen von Nachhaltigkeits-Issues ............................................................. 231 Abbildung 47: Formen der integrierten Kommunikation im Überblick........... 253 Abbildung 48: Vernetzung der Kommunikationsmaßnahmen im Rahmen eines Nachhaltigkeitskommunikationskonzepts....................... 255
Abbildungsverzeichnis
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Abbildung 49: Zeitliche Verteilung der Anwendergruppen in der „Diffusion of Innovation“-Theorie .......................................... 266 Abbildung 50: Herausforderungen und Chancen durch Innovationskommunikation ..................................................... 267 Abbildung 51: Infrastruktur als Einflussfaktor internationaler Public Relations ....................................................................... 273 Abbildung 52: Kultur als Einflussfaktor internationaler Public Relations ....... 274 Abbildung 53: Medien als Einflussfaktor internationaler Public Relations ..... 276 Abbildung 54: Kontexttheorien und Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation ............................................... 285 Abbildung 55: Beispiel für eine grafische Darstellung der Evaluation normativer Qualitätskriterien ................................................... 293 Abbildung 56: Übersicht über die Inhalte des 5. Kapitels................................ 300 Abbildung 57: Motivebenen für Nachhaltigkeitsdialoge ................................. 310 Abbildung 58: Arten von Stakeholderdialogen ................................................ 312 Abbildung 59: Unternehmensprinzipien der Bundesforste .............................. 315 Abbildung 60: Die „weiche“ Neupositionierung der Bundesforste ................. 317 Abbildung 61: Stakeholder der österreichischen Bundesforste ........................ 318 Abbildung 62: Ergebnisse der Stakeholderbefragung der Österreichischen Bundesforste ................................................. 320 Abbildung 63: Ansprüche an den Forstbetrieb Wienerwald ............................ 324 Abbildung 64: Evaluation des Nachhaltigkeitsdialogs des Forstbetriebs Wienerwald aus normativer Sicht ............................................ 334 Abbildung 65: Die Stakeholder der österreichischen Kontrollbank ................. 336 Abbildung 66: Themen und Tischmoderatoren des OeKB Sustainability Cafés ...................................................... 340 Abbildung 67: Impressionen des „Sustainability Cafés“ der österreichischen Kontrollbank ........................................... 341 Abbildung 68: Evaluation des Sustainability Cafés der OeKB aus normativer Sicht ....................................................................... 344 Abbildung 69: Selbstverständnis und Vision von Gugler ................................ 354 Abbildung 70: Werte von Gugler ..................................................................... 355 Abbildung 71: Evaluation der internen Nachhaltigkeitskommunikation bei Gugler aus normativer Sicht..................................................... 363 Abbildung 72: Evaluation der internen Kommunikation von TNT im Bereich Diversity Management aus normativer Sicht......... 373 Abbildung 73: Typen von nicht-finanziellen Berichten ................................... 376 Abbildung 74: Nachhaltigkeitsberichterstattung als Prozess ........................... 377 Abbildung 75: Inhaltliche Gestaltungswünsche von Stakeholdern .................. 386 Abbildung 76: Durchschnittliche Lesedauer von Nachhaltigkeitsberichten .... 386
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 77: Ausschnitt aus dem Nachhaltigkeitsbericht der Bundesforste ............................................................................ 389 Abbildung 78: Faktoren zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit von CSR-Berichten .................................................................. 392 Abbildung 79: Palfingers Position auf den Stufen des gesellschaftlichen Engagements ............................................................................ 395 Abbildung 80: Problematische Arbeitsbedingungen bei Lieferanten von Nike ................................................................................... 396 Abbildung 81: Übersicht über die Inhalte des 6. Kapitels................................ 403 Abbildung 82: Entwicklung des Energieverbrauchs in der EU........................ 404 Abbildung 83: Arten der Energiegewinnung 2000 bis 2050 ............................ 405 Abbildung 84: Aspekte einer nachhaltigen Energieentwicklung ..................... 407 Abbildung 85: Übersicht über die Interviewpartner......................................... 410 Abbildung 86: Forschungsfragen und zugrunde liegende theoretische Überlegungen ........................................................................... 412 Abbildung 87: Die Unternehmenslandschaft von Unternehmen C .................. 436
1 Themenbegründung und Forschungsansatz 1 Themenbegründung und Forschungsansatz
1.1 Ausgangslage: Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeitsforschung 1.1 Ausgangslage: Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeitsforschung Die größten Herausforderungen des beginnenden 21. Jahrhunderts lassen sich in drei Dimensionen bündeln: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Zum einen ist es die Finanz- und Wirtschaftskrise, ausgelöst von Spekulanten in einem immer komplexeren Finanzsystem, die globale Besorgnis erregt. Zum anderen sind es ökologische Probleme wie Klimawandel, schwindende natürliche Rohstoffen zur Energieerzeugung oder Verlust der Biodiversität, die in Wirtschaft und Bevölkerung Unsicherheit hervorrufen. Zum dritten sind es soziale Probleme wie Verteilungsungerechtigkeiten, brisante demografische Entwicklungen, lebensstilabhängige Gesundheitsprobleme, Seuchen oder Landflucht, die weltweit zu den größten Herausforderungen der heutigen Zeit zählen. Schon im Jahr 1987 veranlassten solche Entwicklungen die BrundtlandKommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (vgl. Hauff 1987) zu der folgenschweren Prognose: „Mögen die Bilanzen unserer Generation auch noch Gewinne aufweisen – unseren Kindern werden wir Verluste hinterlassen. Ohne Absicht und Aussicht auf Rückzahlung borgen wir heute von künftigen Generationen unser Umwelt- bzw. Sozialkapital“ (Hauff 1987, 9).
Als möglichen Ausweg aus dieser Misere und als Gegenströmung zu wirtschaftlichem Profitdenken erweckte die Brundtland-Kommission das Konzept der nachhaltigen Entwicklung wieder zum Leben. Dieses Konzept, das in der Forstwirtschaft schon seit Jahrhunderten als Credo galt, solle helfen, globale Probleme langfristig besser in den Griff zu bekommen. Im Sinne der BrundtlandKommission sei unter einer nachhaltigen Entwicklung zu verstehen: „Eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen“ (Hauff 1987, 4).
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
Die Idee der nachhaltigen Entwicklung ist gedacht als ein an Langfristigkeit orientiertes Leitbild für die Umwelt-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik (vgl. Österreichische Bundesregierung 2002, 3). Sie richtet sich neben der Politik aber auch direkt an den Wirtschaftssektor, der für ökologische und soziale Probleme sowie auch für ein stabiles Finanz- und Wirtschaftssystem (mit)verantwortlich ist. Umgelegt auf den Wirtschaftssektor mündet die Leitidee der nachhaltigen Entwicklung im Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit („corporate sustainability“). Es impliziert, dass unternehmerische Verantwortung darüber hinausgeht, Shareholder mit Renditen, Regierungen mit Steuern, Mitarbeiter1 mit Löhnen und Konsumenten mit Produkten und Dienstleistungen zu versorgen. Stattdessen müssten Unternehmen auch „moralische Akteure“ sein, die für ihr „Tun und Lassen verantwortlich“ (Karmasin 2000, 199) sind und auf ökologische und gesellschaftlich-soziale Herausforderungen reagieren. Das Streben nach einer solchen ganzheitlicheren, wirtschaftlichen Orientierung kann als Ausdruck sich verändernder globaler Rahmenbedingungen interpretiert werden: Gab es noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die Situation, dass Unternehmen und Regierungen klare, voneinander weitgehend unabhängige Rollen und Verantwortlichkeiten hatten, so kam es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu spürbaren Veränderungen. Wirtschaft und Regierung gerieten in wechselseitige Abhängigkeit. Die Zivilgesellschaft gewann an Bedeutung. Und Nationalstaaten mussten (angesichts leerer Staatskassen) Machtverluste hinnehmen, während der privatwirtschaftliche Sektor einen Bedeutungsgewinn und erweiterte Handlungsspielräume erlebte (vgl. Hansen/Schrader 2005, 378). Damit begannen sich auch die gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber der Wirtschaftswelt zu ändern. So sieht sich der Wirtschaftssektor heute verstärkt dem Druck ausgesetzt, „quasi-öffentliche“ Funktionen2 (vgl. Kanatschnig 2005) zu erfüllen und ethisch zu handeln. Diese Entwicklung scheint sich auch angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 nicht zu ändern, wie Prexl/Signitzer (2009) in Experteninterviews mit Nachhaltigkeitsmanagern aus dem deutschsprachigen Raum herausgefunden haben3. Jedoch trotz hoher praktischer Relevanz ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung und unter-
1 2 3
Ich bitte um Verständnis, dass im weiteren Verlauf der Arbeit gendergerechte Bezeichnungen nicht verwendet werden können, da sie die Lesbarkeit beeinträchtigen würden. So etwa beim Pensionssystem, wo die gesetzlichen Pensionen teilweise durch betriebliche ergänzt werden (vgl. Jasch et al. 2005, 16). Zu den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf das Nachhaltigkeitsmanagement siehe Kapitel 2.11.
1.1 Ausgangslage: Nachhaltige Entwicklung und Nachhaltigkeitsforschung
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nehmerischer Nachhaltigkeit4 noch nicht weit über das Anfangsstadium hinausgewachsen. Es gilt, das Konzept klarer zu fassen, denn im jetzigen Stadium der Forschung ist es noch zu offen, auf zu viele verschiedene Arten zu interpretieren und schließlich zu komplex (vgl. Jüdes 1997, 29). Für die unternehmerische Praxis beinhaltet das Nachhaltigkeitsleitbild zwar vage Zielvorstellungen, es wirft jedoch derzeit tendenziell noch mehr Fragen auf (vgl. Hopkins 2002, 7ff), als die Wissenschaft bisher beantworten konnte: Was ist unternehmerische Nachhaltigkeit, und wie steht der Ansatz in Relation zu anderen, verwandten Konzepten? Welche Vorteile bringt es Unternehmen, sich mit der Nachhaltigkeitsidee zu befassen? Wie kann das Nachhaltigkeitsdenken in die unternehmerische Tätigkeit integriert werden? Etc. Diese und viele andere Fragen werden auf wissenschaftlicher Basis (in der Managementlehre, der Wirtschaftspsychologie, der Wirtschaftsethik, der Wirtschaftsökologie, der Umweltwissenschaft, etc.) zwar behandelt (siehe Kapitel 2), aber noch gibt es keinen in sich schlüssigen, theoretischen Ansatz der unternehmerischen Nachhaltigkeit. Weder „Zustandswissen“ (wo stehen Unternehmen?), noch „Zielwissen“ (wie konkret und wohin wollen/sollen sich Unternehmen entwickeln?) oder „Transformationswissen“ (wie ist unternehmerische Nachhaltigkeit zu erreichen?) ist in ausreichendem Maße vorhanden (vgl. Schellnhuber/Reusswig 2001, 102). Trotz vieler offener Fragen – eines scheint mittlerweile klar: Eine um Nachhaltigkeit bemühte Forschung braucht interdisziplinäre Betrachtungsformen und Kooperationen sowie transdisziplinäre Brückenschläge zur Unternehmenspraxis (vgl. Franz-Balsen 2001, 60). Immer lauter wird auch der Ruf, ein „breites sozialwissenschaftliches Fächerspektrum“ in die Nachhaltigkeitsforschung mit einzubeziehen (Lass/Reusswig 2001, 33). Denn gerade die Sozial- und Geisteswissenschaften hätten laut Schnellnhuber/Reusswig (2001, 102) ein „häufig unterschätztes Nachhaltigkeits-Potenzial“. Dieser Appell wird in der vorliegenden Arbeit aufgegriffen. Aus Sicht der Kommunikationswissenschaft (mit ihrer Teildisziplin der Public Relations) soll ein Beitrag geleistet werden zur Schließung der Forschungslücke im Bereich der unternehmerischen Nachhaltigkeit.
4
Für die Zwecke dieser Arbeit erscheint es günstiger, den Ansatz der unternehmerischen Nachhaltigkeit als Trägerkonzept zu verwenden und nicht das Konzept „Corporate Social Responsibility“. Eine ausführliche Begründung dafür erfolgt in Kapitel 2.4.
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
1.2 Einführung in die Thematik der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation 1.2 Einf. in die Thematik unternehm. Nachhaltigkeitskommunikation Die Rio-Konferenz und das Bekenntnis vieler Staaten zur Agenda 215 haben verdeutlicht, dass eine nachhaltige Entwicklung mit ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension nur dann eine Chance hat, wenn die hinter dem Nachhaltigkeitsleitbild stehenden Ideen in der Bevölkerung auf Resonanz stoßen. Einigkeit besteht darin, dass eine nachhaltige Entwicklung nur dann zu realisieren ist, wenn möglichst viele Menschen an deren Gestaltung mitwirken (vgl. Michelsen/Godemann 2005, 19). In der Agenda 21, dem derzeit umfangreichsten Aktionsplan zur Durchsetzung einer nachhaltigen Entwicklung, werden daher der Partizipationsgedanke bzw. die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Gestaltung des Nachhaltigkeitsprozesses sowie Empowerment6 hervorgehoben. In der Präambel heißt es konkret: „Ein wesentlicher Faktor für die wirksame Umsetzung der Ziele, Maßnahmen und Mechanismen, die von den Regierungen in allen Programmbereichen der Agenda 21 gemeinsam beschlossen worden sind, ist das Engagement und die echte Beteiligung aller gesellschaftlicher Gruppen“ (Bundesministerium für Umweltschutz, Naturschutz und Reaktorsicherheit o.A., 217).
Nun ist es aber so, dass das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung noch kaum in die Köpfe der Menschen Eingang gefunden hat (vgl. Michelsen/Godemann 2005, 19; Kuckartz 2002, 20 ff). Die öffentliche Diskussion nimmt nachhaltigkeitsrelevante Aspekte nur in Teilbereichen wahr, und generell wird Nachhaltigkeit eher negativ assoziiert mit „Last“ als positiv mit „Lust“ und Lebensqualität (vgl. Spiegel 2008, 13). Mit ein Grund dafür ist wohl eine nicht vorhandene oder nicht gut funktionierende Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit. Dabei sollte gerade im Nachhaltigkeitsprozess Kommunikation eine außerordentlich wichtige Rolle spielen. Deshalb bezeichnet Karmasin (2002) auch Nachhaltigkeit explizit als „Kommunikationsproblem“:
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6
Mit dem Aktionsprogramm Agenda 21 wurde die Grundlage für eine qualitativ neue, weltweite Zusammenarbeit in der Umwelt- und Entwicklungspolitik geschaffen. Die Agenda 21 beruht auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992, auf der unter Beteiligung von 179 Staaten wesentliche Fragestellungen der Umwelt- und Entwicklungspolitik erörtert wurden. „Empowerment“ meint in diesem Zusammenhang, Personen Mittel und professionelle Unterstützung zu geben, damit sie ihre Gestaltungsspielräume wahrnehmen können und gegebenenfalls ihr Verhalten ändern.
1.2 Einf. in die Thematik unternehm. Nachhaltigkeitskommunikation
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„Kommunikation über Nachhaltigkeit ist von essenzieller Bedeutung. [...] Überall dort, wo Nachhaltigkeit nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann – und das ist eigentlich fast überall – bedarf sie der Erklärung.“
Auch Alfons (2004, 8f) betont den hohen Stellenwert der Kommunikation auf dem Weg in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung. Er betrachtet den Nachhaltigkeitsprozess als einen „Kommunikationsprozess, in dem die Wege und Ziele nachhaltiger Entwicklung immer wieder neu ausgehandelt werden müssen.“ In der vorliegenden Arbeit steht der Aspekt der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen im Vordergrund. Die Dissertation beruht auf der Ausgangsthese, dass Unternehmen mittels Public Relations7 zur gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen beitragen können und damit das Potenzial haben, eine nachhaltige Entwicklung direkt und indirekt voranzutreiben. Nachhaltigkeitskommunikation wird also in dieser Arbeit vorwiegend als ein Aufgabenfeld der Public Relations erachtet. Dies bietet sich an, wenn man davon ausgeht, dass die „zentrale Funktion“ der Public Relations „in der Legitimation der Organisationsinteressen und des Organisationshandelns gegenüber allen – also auch nicht-marktverbundenen – Stakeholdern liegt“ (Röttger 2004, 9). Eine detaillierte Begriffsklärung zum Ausdruck der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation erwartet den Leser in Kapitel 3. Zum besseren Verständnis der weiteren Ausführungen wird hier das Begriffsverständnis dieser Arbeit, wenn auch vorerst nur vage, skizziert: Das für diese Arbeit gewählte Begriffsverständnis beruht auf drei Säulen. Erstens, Nachhaltigkeit wird aus inhaltlicher Sicht als integratives Thema der Public Relations betrachtet, d.h. Nachhaltigkeitskommunikation bedeutet die Integration von Nachhaltigkeitsthemen in die Gesamtkommunikation. Zweitens, Nachhaltigkeitskommunikation wird aus funktionaler Sicht als strategisch wichtig für die Erreichung der Organisationsziele betrachtet, d.h. Nachhaltigkeitskommunikation kann zur Zielerreichung der Organisations- und insbesondere der Nachhaltigkeitsziele beitragen. Drittens, Nachhaltigkeitskommunikation wird in dieser Arbeit auch aus normativer Sicht betrachtet, d.h. die gesellschaftlichen Potenziale unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation 7
Der Begriff „Public Relations“ wird für die Zwecke dieser Arbeit definiert als „alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 1996, 287). Diese Definition von Zerfaß, die sich genau genommen auf den Begriff der Unternehmenskommunikation bezieht, wählte ich deshalb, weil sie „Anschlussstellen zur gesellschaftstheoretischen, kommunikationswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Diskussion“ (Zerfaß 1996, 290) bietet, die auch für diese Arbeit passend erscheinen.
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
(wie Bewusstseinsbildung, Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sensibilisierung für eine nachhaltige Entwicklung) rücken in der Vordergrund der Betrachtung. In diesen begrifflichen Ausgangsüberlegungen kommt bereits die normative Orientierung dieser Arbeit zum Ausdruck: Nachhaltigkeitskommunikation ist im Verständnis dieser Arbeit sowohl Kommunikation über Nachhaltigkeit, indem ökologische und soziale Themen und deren Bezug zur Wirtschaftlichkeit inhaltlich in Public-Relations-Aktivitäten integriert werden. Sie kann aber auch Kommunikation für Nachhaltigkeit sein, im Sinne einer Kommunikation für eine nachhaltigere Unternehmens- und auch Gesellschaftsentwicklung. Voraussetzung dafür ist, die unternehmerischen Aktivitäten sind ernstgemeint und folgen so weit wie möglich bestimmten normativen Qualitätskriterien, die im späteren Verlauf dieser Arbeit noch zu erörtern sind (siehe Kapitel 4). Werden diese Kriterien bestmöglich erfüllt, so kann das Kommunizieren von Nachhaltigkeit zu einer „nachhaltigen Kommunikation“ werden. In der Unternehmenspraxis – international wie auch im deutschsprachigen Raum – hat die Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen (wie Ressourcenverbrauch, ökologische Risken, Produktverantwortung, Gleichberechtigung & Diversity, Familienfreundlichkeit, Menschenrechte, etc.) in den vergangenen Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Dies zeigt der starke Zuwachs an Unternehmen, die freiwillig sogenannte Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen oder Stakeholder Dialoge zu Nachhaltigkeitsthemen veranstalten (siehe Kapitel 5). Ich gehe davon aus, dass hinter diesen Entwicklungen verschiedene „Push“- wie auch „Pull“-Faktoren stecken: Die „Push“-Faktoren beziehen sich auf externe Entwicklungen, auf die Unternehmen mittels Nachhaltigkeitskommunikation reagieren können. Zu diesen externen Entwicklungen zählen zum Beispiel die zunehmende öffentliche Exponiertheit von Unternehmen in Folge von Globalisierung sowie in Folge von Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, vehemente Forderungen von Stakeholdern8 nach mehr Transparenz bzw. erhöhte öffentliche Sensibilität für Ethik-, Umwelt-, Sozial-, und Gesundheitsfragen. Die „Pull“-Faktoren beziehen sich auf mögliche Wettbewerbsvorteile, die Unternehmen durch Nachhaltigkeitsmanagement und die damit verbundene Kommunikation erzielen können. Zu diesen Wettbewerbsvorteilen zählen zum Bei8
Die Ausdrücke „Stakeholder“, „Zielgruppen“, „Teilöffentlichkeiten“ und „Anspruchsgruppen“ werden in dieser Arbeit äquivalent verwendet. Eine Zielgruppe definiert sich dadurch, dass sie in irgendeiner Weise durch ein Problem mit dem Unternehmen verknüpft ist. Es kann entweder das Verhalten der Zielgruppe Auswirkungen auf das Unternehmen haben, oder umgekehrt das Verhalten des Unternehmens Auswirkungen auf die Zielgruppe. Es kann aber auch wechselseitige Konsequenzen geben (vgl. Signitzer 1996, 9).
1.3 Zielsetzung und Begründung des Forschungsvorhabens
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spiel Imageverbesserung, Bildung von Vertrauen bei verschiedenen Zielgruppen bzw. gesteigerte Attraktivität für bestehende und potenzielle Mitarbeiter.
1.3 Zielsetzung und Begründung des Forschungsvorhabens 1.3 Zielsetzung und Begründung des Forschungsvorhabens Die vorliegende Dissertation aus dem Fachgebiet der Public Relations zielt darauf ab, aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive einen Beitrag zur Schließung einer Forschungslücke im Bereich der unternehmerischen Nachhaltigkeit im allgemeinen und im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation im besonderen zu leisten. Die Arbeit soll der theoretischen Fundierung unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation dienen9 und dabei kommunikationswissenschaftliche, betriebswirtschaftliche und normative Überlegungen verbinden. Dies stellt ein durchaus exploratives10 Vorhaben dar: Denn vereinzelte wissenschaftliche Arbeiten zum Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation sind bisher zwar in den Wirtschaftswissenschaften (Schwerpunkte Management, Unternehmensethik bzw. Marketing) bzw. Umweltwissenschaften zu verorten. Eine umfassende Studie aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht, die ganzheitlich und theoriebildend angelegt wäre und über rein empirische Untersuchungen hinausginge, ist mir trotz ausführlicher Recherchen nicht bekannt11. Auch in der Literatur kommt der Mangel an intensiver Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitskommunikation an mehreren Stellen zum Ausdruck: Botan/ Hazleton (2006, 15) attestieren, dass das Forschungsfeld der sozialen bzw. ökologischen Verantwortung von Unternehmen bisher trotz seiner hohen praktischen Relevanz viel zu wenig Aufmerksamkeit („far too little attention“) seitens der Public Relations Forschung erfahren habe. Alfons (2004, 59) stellt fest, dass „die Konsolidierungsphase der Nachhaltigkeitskommunikation“ erst begonnen habe und es daher „noch großer Anstrengungen in der Grundlagenarbeit“ bedürfe. Freitag (2005, 39) schreibt sogar von „conspicious absence of references to communication in CSR [erg. corporate social responsibility] literature“.
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Freilich kann Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur von Unternehmen, sondern auch von anderen Akteuren wie Regierungen, Bildungsinstitutionen oder natürlich NGOs ausgehen (vgl. dazu Kapitel 3.2.). Explorative Untersuchungen werden in erster Linie mit dem Ziel durchgeführt, in einem relativ unerforschten Untersuchungsbereich neue Hypothesen zu entwickeln. Sie sind auch dadurch gekennzeichnet, dass nicht von vornherein Hypothesen formuliert werden. Explorative Forschung ist dem Bereich der qualitativen Forschung zuzurechnen (vgl. Lamnek 2005, 92). „Redaktionsschluss“ für vorliegende Arbeit war im Mai 2009.
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
Dabei betont Jasmin Godemann (2004) vom Lüneburger Institut für Umwelt- und Nachhaltigkeitskommunikation die hohe Relevanz kommunikationstheoretischer Forschung für das Nachhaltigkeitskonzept: “From a scientific point of view, it is necessary to provide a theoretical framework derived from communication theory in order to develop and secure quality [erg. in sustainability communications].”
Der theoretische Entwurf, der im Rahmen dieser Arbeit entstehen soll, versucht, Nachhaltigkeitskommunikation in einer Form darzustellen, wie sie für den langfristigen unternehmerischen Erfolg und auch für das gesellschaftliche Gemeinwohl anstrebenswert ist. Es liegt der Arbeit also in Anlehnung an May (vgl. 2008, 373) die Ausgangsüberlegung zu Grunde: Kommunikation über nachhaltigkeitsrelevantes Handeln stellt sowohl aus Unternehmenssicht wie auch aus gesellschaftlicher Sicht (in dieser Arbeit noch näher zu definierende) Chancen dar, sofern sie bestimmten (in dieser Arbeit noch näher zu definierenden) Qualitätskriterien genügt. Die Zielsetzung der Arbeit ist sehr breit. Sie soll – wie sogleich näher beschrieben wird – auf verschiedenen Ebenen inhaltlichen Input leisten, und zwar auf
Ebene der Public Relations-Praxis: Hilfestellung bei der Bewältigung von Herausforderungen; Handlungsorientierung, Motivation und „Inspiration“ für Praktiker; Beitrag zur Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation. Ebene der Public Relations-Disziplin: Sicherung der Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations; Beitrag zur Professionalisierung der Public Relations. Ebene der Public Relations-Forschung: Beitrag zur Weiterentwicklung der Public Relations-Theorie, vor allem im Bereich gesellschaftstheoretischer Ansätze. gesellschaftlicher Ebene: Präzisierung des Beitrags der Public Relations für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung.
Die theoretische Auseinandersetzung mit unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation aus dem Blickwinkel der Public Relations scheint mir aus mehrerlei Gründen nötig und ergiebig: 1: Nachhaltigkeitskommunikation ist ein empirisch vermehrt beobachtbares Phänomen: Verschiedene quantitative Studien zur strategischen Kommunikation
1.3 Zielsetzung und Begründung des Forschungsvorhabens
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über soziale und ökologische Themen haben gezeigt, dass diese „soft“ Themen immer häufiger von großen, multinationalen, aber auch Klein- und Mittelbetrieben auf Tablett gebracht werden (vgl. Kolk 2004). Eine theoretische Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitskommunikation bietet sich an, einerseits um einen Beitrag zur Public Relations Forschung im allgemeinen zu leisten, andererseits um Public Relations Praktikern Orientierung und Anregungen für ihre Arbeit im Feld der Nachhaltigkeitskommunikation zu liefern. Die gewonnenen (analytischen, deskriptiven wie auch normativen) Erkenntnisse sollen Praktikern das Leben leichter machen. Zielgruppen, Kontexte und Instrumente der Nachhaltigkeitskommunikation werden strukturiert beschrieben, und möglicherweise lässt sich der Leser aus der Public Relations Praxis von der normativen Orientierung der Arbeit inspirieren und zur Berücksichtigung mancher der erarbeiteten normativen Qualitätsstandards motivieren. So soll die Arbeit also einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Public Relations-Forschung und -Praxis liefern. 2. Nachhaltigkeitskommunikation ist mit spezifischen Herausforderungen für Praktiker verbunden: Beim Leser dieser Arbeit könnte die Frage auftauchen: Lohnt es sich denn überhaupt, sich aus theoretischer Sicht mit dem Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation auseinander zu setzen? Können nicht die bisherigen theoretischen und konzeptiven Ansätze der Public Relations das Phänomen bereits ausreichend beschreiben, erklären und gegebenenfalls vorhersehen? Ich gehe davon aus, dass dies nicht der Fall ist. Die Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit stellt an Praktiker nämlich eine Reihe von Herausforderungen, für die bisherige theoretische und konzeptive Ansätze der Public Relations noch zu wenig Hilfestellung bieten. Eine Aufgabe dieser Arbeit soll es hiermit sein, die mit Nachhaltigkeitskommunikation verbundenen spezifischen Herausforderungen (wie Komplexität von Nachhaltigkeitsthemen, hohes Konfliktpotenzial, Zusammenarbeit mit anderen unternehmerischen Subsystemen, Aufmerksamkeitsprobleme etc.) für Praktiker genauer zu charakterisieren und in Teilbereichen Handlungsorientierungen zu bieten. 3: Nachhaltigkeitskommunikation kann unter Berücksichtigung normativer Aspekte zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung beitragen: Es wird in dieser Arbeit aus normativer Sicht davon ausgegangen, dass Public Relations über die Dimension der Nachhaltigkeitskommunikation tatsächlich eine Funktion für die Gesellschaft erbringen kann. Und zwar kann interne und externe Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen – unter bestimmten Voraussetzungen – zu einem höheren Nachhaltigkeitsbewusstsein der Zielgruppen führen
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
sowie eventuell sogar zu einer Einstellungs- oder Verhaltensänderung und einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung. Mit diesem Potenzial muss auch in der Forschung behutsam umgegangen werden. Deshalb bietet sich ein normativer Blickwinkel an. Welche Voraussetzungen sind nötig, damit Unternehmen über Nachhaltigkeitskommunikation tatsächlich zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung beitragen können? Auf diese Frage versucht die Arbeit erste (wenn auch nicht finale) Antworten zu geben. Damit betritt diese Dissertation weitgehend Neuland. Im Rahmen des Literaturstudiums waren kaum Arbeiten aus dem Forschungsfeld der Public Relations mit ähnlich gelagerter normativer Perspektive auszumachen. In den Wirtschaftswissenschaften findet eine gesellschaftsorientierte Forschungsausrichtung ohnehin wenig Beachtung. 4: Forschung über Nachhaltigkeitskommunikation kann einen Beitrag zur Weiterentwicklung gesellschaftstheoretischer Ansätze der Public Relations leisten: Eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema der Nachhaltigkeitskommunikation aus normativer Perspektive scheint für die Public RelationsForschung auch deshalb lohnenswert, weil dadurch dem gesellschaftsorientierten Beitrag von Public Relations zum Funktionieren ausdifferenzierter Gesellschaften eine deutlichere Kontur verliehen werden könnte (vgl. Ronneberger/Rühl 1992; Signitzer 1996, 6ff). Denn bisherige, häufig aus der Praxis gegriffene Ansätze wie Beziehungsmanagement, Sicherstellung von Informationsflüssen oder Schaffung von Vertrauen zwischen Institutionen und Öffentlichkeiten sagen meiner Ansicht nach noch relativ wenig darüber aus, welchen Funktionsbeitrag Public Relations wirklich für die Gesellschaft leisten kann. 5: Public Relations Forscher und Praktiker können zur Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation maßgeblich beitragen: Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung aus dem Blickwinkel der Public Relations erscheint mir auch deshalb dringend, weil im öffentlichen Diskurs zur Nachhaltigkeitskommunikation Stimmen laut werden, welche der Public Relations ihre Expertise absprechen. Public Relations Praktiker würden nur einseitig positiv angelegtes „Greenwash“ (vgl. Greer/Bruno 1996) betreiben und somit die Glaubwürdigkeit nachhaltigen Wirtschaftens gefährden (vgl. Beder 2000). Es wird gefordert, dass eigene „Sustainability Manager“ die Kommunikation über nachhaltiges Wirtschaften übernehmen (vgl. Elkington 2004, 16; Beder 2002). Ich bin der Ansicht, dass sich Public Relations den Vorwurf des „Reinwaschens“ von Unternehmen in vielen Fällen zwar (zurecht) gefallen lassen muss. Gerade deshalb erscheint mir eine Auseinandersetzung mit dem Thema aus Sicht der Public Relations aber wichtig. Die Erkenntnisse dieser Arbeit sollen helfen, Nachhaltigkeitskommunikation als Disziplin der Public Relations zu sichern. Es wird dargestellt,
1.4 Herangehensweise und Forschungsfragen
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warum gerade Public-Relations-Praktiker wertvolle Kompetenzen für eine effektive und effiziente Gestaltung und Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation mitbringen.
1.4 Herangehensweise und Forschungsfragen 1.4 Herangehensweise und Forschungsfragen Grundsätzlich stehen mehrere Möglichkeiten offen, wie man sich dem Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation wissenschaftlich nähern kann. Meiner Ansicht nach bieten sich vier Sichtweisen an, die es lohnt zu beleuchten, um unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation theoretisch besser zu fundieren: 1.
Theoretisch-konzeptive Sichtweise: Ziel sind grundsätzliche Aussagen zur Rolle der Nachhaltigkeitskommunikation innerhalb des Nachhaltigkeitsmanagements sowie innerhalb der Public Relations.
2.
Normative Sichtweise: Ziel sind theoretische Aussagen zu den gesellschaftlichen Wirkungsmöglichkeiten der Nachhaltigkeitskommunikation sowie präskriptive Aussagen zur Rolle der Nachhaltigkeitskommunikation für eine nachhaltigere Gesellschafts- und Unternehmensentwicklung, verbunden mit möglichst konkreten Handlungsorientierungen für die Praxis.
3.
Instrumentelle Sichtweise: Ziel sind analytisch-strategische Aussagen zur Umsetzung und Gestaltung unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation bzw. zum Einsatz konkreter Kommunikationsinstrumente.
4.
Deskriptive Sichtweise: Ziel sind empirische Aussagen zur Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in ausgewählten Unternehmen.
Da es sich bei dieser Arbeit um ein exploratives Vorhaben handelt, bietet sich ein sehr breiter Zugang an. Ich möchte mich – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – mit allen vier Sichtweisen auseinandersetzen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem theoretisch-konzeptiven bzw. auf dem normativen Blickwinkel. Der normative Zugang – „the hardest one to address“, wie Donaldson/Preston (1995, 74) feststellen – drängt sich geradezu auf, da ja auch das Leitkonzept der nachhaltigen Entwicklung stark normativ orientiert ist. Denn wenn wir über Nachhaltigkeit nachdenken, dann geht es im Kern immer auch um ethische Fragen, wie folgendes Zitat von Hinterberger/Schnepf (2004, 1f) belegt:
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz „Nachhaltigkeit ist eine Wertung. Eine Entwicklung, die wir als ,gut’, ,richtig’, und damit wünschenswert erachten. [...Sie] basiert im Kern auf einem ethischen Prinzip: Wir sollten nicht auf Kosten anderer und künftiger Generationen leben.“
Die für diese Arbeit relevanten Forschungsfragen zu jeder der oben angesprochenen vier Sichtweisen (theoretisch-konzeptiv, normativ, instrumentell, deskriptiv) sind in Abbildung 1 dargestellt. Durch den Aufbau der Arbeit wird versucht, die vier Dimensionen so deutlich wie möglich voneinander zu trennen, damit beim Leser keine Verwirrung entstehen kann, auf welcher „Ebene“ die jeweiligen Aussagen zu verstehen sind. Theoretischkonzeptive Dimension (Kapitel 2 und 3)
Normative Dimension (Kapitel 4)
Was bedeutet der Ausdruck „unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation“? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeitskommunikation innerhalb des Nachhaltigkeitsmanagements? Was kann Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung der Ziele des Nachhaltigkeitsmanagements beitragen? Welche Zieldimensionen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation können auf Marketingebene, auf Organisationsebene und auf gesellschaftlicher Ebene identifiziert werden? Inwiefern kann Nachhaltigkeitskommunikation zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung beitragen? Wo stößt Nachhaltigkeitskommunikation an ihre Grenzen? Mit welchen Herausforderungen sind Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation konfrontiert? Welchen Qualitätskriterien sollte unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation aus normativer Sicht genügen? Welche bereits existierenden Konzepte, Modelle und Theorien der Public Relations können dazu beitragen, normative Qualitätskriterien für Nachhaltigkeitskommunikation zu definieren? Wo liefern die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte Ansatzpunkte für die Erklärung der Praxis unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation? Inwiefern liefern die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte Anknüpfungspunkte für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation, die gesellschaftstheoretische Aspekte in den Vordergrund stellt? Welche Handlungsorientierungen für die Praxis lassen sich daraus ableiten? Wo tragen die Theorien, Modelle und Konzepte zu einem Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Bewältigung der in Kapitel 3 herausgearbeiteten Herausforderungen für Nachhaltigkeitskommunikation bei?
1.5 Forschungsmethodisches Vorgehen im Überblick
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Fortsetzung: Abbildung 1 Instrumentelle Dimension (Kapitel 5)
Deskriptive Dimension (Kapitel 6)
Welche Kommunikationsinstrumente bieten sich für Nachhaltigkeitskommunikation an? Wie wird Nachhaltigkeitskommunikation in die sonstige Public Relations integriert? Welche Stakeholdergruppen mit welchen Ansprüchen gilt es zu berücksichtigen? Wie können Stakeholder Dialoge erfolgreich gestaltet werden? Welchen Stellenwert hat die interne Kommunikation? Wie lässt sich die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung steigern? Was gilt es beim Einsatz der Kommunikationsinstrumente aus praktischer und normativer Sicht zu beachten? Welche Nachhaltigkeitsfragen greifen konkrete Unternehmen (der österreichischen Energieversorgerbranche) in ihrer Kommunikation auf und wie? Welche Ziele der Nachhaltigkeitskommunikation werden in den untersuchten Unternehmen verfolgt? Mit welchen Zielgruppen wird kommuniziert? Welche Kommunikationsinstrumente finden in den untersuchten Unternehmen Anwendung? Wer ist unternehmensintern für Nachhaltigkeitskommunikation verantwortlich? Welche Herausforderungen stellen sich für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie wird versucht, diese zu bewältigen? Inwiefern werden die in dieser Arbeit vorgeschlagenen normativen Kriterien in der Praxis berücksichtigt? Etc.
Abbildung 1: Forschungsfragen im Überblick (eigene Darstellung)
1.5 Forschungsmethodisches Vorgehen im Überblick 1.5 Forschungsmethodisches Vorgehen im Überblick Die in dieser Arbeit behandelten Fragestellungen, stark verkürzt auf den Punkt gebracht durch die Frage: „Wie integrieren Unternehmen die Themen soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit in die Public Relations, und wie sollten sie das tun, um im Unternehmen und auch in der Gesellschaft einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung zu leisten?“
sind charakterisiert durch zwei Merkmale: Erstens gibt es noch relativ wenig Literatur und empirische Studien, welche die Themenbereiche Nachhaltigkeit und Public Relations verbinden. Es handelt sich also wie gesagt um explorative Forschung, die gekennzeichnet ist durch wenig Wissen über den Forschungsstand, Flexibilität in der wissenschaftlichen Vorgehensweise und dem herme-
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
neutischen „Suchen“ nach Hypothesen und Antworten (im Gegensatz zum empirischen Überprüfen von Hypothesen). Zweitens ist das Forschungsvorhaben in Teilbereichen normativ orientiert. Während empirische Sozialforschung Wirklichkeitsausschnitte vor allem zu begreifen, zu erklären und zu ordnen sucht, hat normative Forschung im Unterschied dazu die Aufgabe, Bewertungen durchzuführen (vgl. Patzelt 1986, 115; McQuail 2005, 14 ff). Dies stellt für den Forscher eine verantwortungsvolle, äußerst herausfordernde Aufgabe dar. Nähere Ausführungen zu den Charakteristika und Prozessen normativer Forschung finden sich in Kapitel 4. Um den unterschiedlichen Facetten dieser Arbeit gerecht zu werden, erscheint es vernünftig, mehrere Forschungstechniken im Sinne einer MethodenTriangulation miteinander zu kombinieren. Der Begriff der Triangulation stammt ursprünglich aus der Navigation und meint, „durch multiple Bezugspunkte die genaue Position eines Objektes bestimmen zu können“ (Lamnek 2005, 277). In den Sozialwissenschaften zielt Triangulation darauf ab, „verschiedene Forschungsperspektiven und Methoden gezielt so miteinander zu kombinieren, dass sie sich gegenseitig kontrollieren, ergänzen, unterstützen, relativieren oder auch widerlegen können“ (Paus-Haase 2000, 21). Eine solche Triangulation ist laut Paus-Haase (2000) auf vier Ebenen zu vollziehen:
Auf der Theorieebene: Verschiedene Theorien werden zur Untersuchung des Forschungsgegenstandes herangezogen. Diese Form der Triangulation wird in der vorliegenden Arbeit in Kapitel 4 angewandt. auf der Untersucher-Ebene: An allen Auswertungsschritten sind wenn möglich mehrere Mitglieder des Forschungsteams beteiligt. Diese Form der Triangulation kann in der vorliegenden Dissertation nicht berücksichtigt werden. auf der Daten-Ebene: Bei der Erhebung und Auswertung werden die Daten der verschiedenen Quellen zusammengeführt und in einander ergänzender Weise interpretiert. Diese Form der Triangulation wird in der vorliegenden Arbeit vor allem in den Kapiteln 4, 5 und 6 angewandt. und auf der Methoden-Ebene: Der Ansatz der Methoden-Triangulation bedeutet, dass zur Untersuchung eines Forschungsgegenstandes verschiedene wissenschaftliche Forschungsmethoden kombiniert eingesetzt werden, um möglichst adäquate, verlässliche Daten zu bekommen (vgl. Denzin/ Lincoln 1998; Flick 1998). Diese Form der Triangulation wird in der vorliegenden Arbeit in den Kapiteln 5 und 6 angewandt.
In den Kapiteln 2 bis 4 dieser Arbeit steht die Methode der Literaturanalyse im Vordergrund. In Kapitel 5 werden Fallbeispiele eingeflochten, die vor allem auf
1.5 Forschungsmethodisches Vorgehen im Überblick
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Experteninterviews und zum Teil auch auf Inhaltsanalysen von Nachhaltigkeitsberichten beruhen. In Kapitel 6 kommen Tiefeninterviews mit Experten und teilnehmende Beobachtung zur Anwendung. Die Kombination dieser empirischen Methoden, die in den Kapiteln 5 und 6 noch ausführlicher beschrieben werden, soll zu höherem Erkenntnisgewinn beitragen. Vorerst gilt es aber, die Literaturanalyse als Methode zu beleuchten, da diese im nächsten Kapitel 2 im Vordergrund steht: Bonfadelli/Meier (1984, 537) beschreiben die Methode der Literaturanalyse als „alle Aktivitäten, die Ergebnisse verschiedenster Einzelstudien in einem Forschungsbericht oder bezüglich eines bestimmten Forschungsproblems systematisch zusammenfassen und evaluieren, und zwar mit dem Ziel, den Stand der Forschung auf einer höheren Ebene der Generalisierung als der der Einzelstudie zu synthetisieren.“
Als Zieldimensionen der Literaturanalyse identifizieren Bonfadelli/Meier (vgl. 1984, 538) die folgenden drei Bereiche: (1) Das Herstellen neuer Aussagen und übergreifender Erkenntnisse zum Stand eines Forschungsgebietes, (2) die Validierung einer Hypothese, eines Modells oder einer Theorie, und (3) die Nachzeichnung einer historischen Entwicklung eines Forschungsgebietes. Vor allem das erstgenannte Ziel, neue Aussagen und übergreifende Erkenntnisse zum Themenfeld der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu erstellen, soll in vorliegender Arbeit durch die Literaturrecherche erreicht werden. Zuerst wird der aktuelle Stand der Forschung im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement (Kapitel 3) und im Bereich Nachhaltigkeitskommunikation (Kapitel 3) skizziert. Sodann werden die Erkenntnisse aus der Literatur miteinander kombiniert, in neue Zusammenhänge gestellt und darauf aufbauend werden eigene theoretische Aussagen getroffen, Systematiken entwickelt und Modelle entworfen, die im empirischen Teil der Arbeit zur Überprüfung stehen. Bei der Aufarbeitung der Literatur und auch im empirischen Teil wurde darauf geachtet, so weit wie möglich objektiv vorzugehen. Absolute Objektivität ist jedoch nicht möglich. Denn „die Teilnehmer am Wissenschaftsspiel bringen natürlich ihre eigenen Wertvorstellungen und Wertbindungen (exogene Werte) in dieses Spiel ein. Zwar teilen sie meistens den der Wissenschaft endogenen Wert, logisch und empirisch wahre Aus-
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz sagen erarbeiten zu wollen; doch ansonsten unterscheiden sie sich weitgehend in dem, was sie wünschen, hoffen, und anstreben. [...] Je nach persönlichen Wertvorstellungen greift man bestimmte Forschungsfragen auf und übergeht andere; [...] bevorzugt man bestimmte Perspektiven und Wertmaßstäbe und vernachlässigt andere“ (Patzelt 1986, 203).
Auch ich habe mich mit eigenen Wertvorstellungen im Kopf an die Arbeit gemacht und die Dissertation ist sicherlich gefärbt durch persönliche Prädispositionen (vgl. Cooper 1989, 64). Es wurde – quasi als Gegenmaßnahme – angestrebt, die Regeln des „Wissenschaftsspiels“ so gut wie möglich einzuhalten. Umstrittene Themen wurden in der Regel von mehreren Seiten beleuchtet, und es wurde versucht, den wissenschaftlichen Anforderungen der Objektivität, Repräsentativität, Reliabilität und Validität bestmöglich zu genügen. Den kritischen Leser möchte ich an dieser Stelle dazu ermuntern, mir seine Kritikpunkte mitzuteilen, damit diese Arbeit Impulse gibt für Diskussionen und Folgestudien.
1.6 Inhalte der Arbeit im Überblick 1.6 Inhalte der Arbeit im Überblick Nach der Einleitung in Kapitel 1 bekommt der Leser in Kapitel 2 eine Einführung zum Thema „nachhaltiges Wirtschaften“. Unternehmerische Nachhaltigkeit wird im Kontext verwandter Konzepte (wie Corporate Social Responsibility, Shareholder Value, Stakeholder Management, Corporate Governance etc.) betrachtet, und wir entwerfen eine stipulative Definition, die den Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeit für die Zwecke dieser Arbeit beschreibt. Anschließend wenden wir uns der Frage zu, wie wichtig Nachhaltigkeitsthemen für die unternehmerische Praxis sind und welche Triebfedern hinter wirtschaftlichem Engagement im Bereich Soziales und Ökologie stecken. Daraufhin erfolgt ein Schwenk in Richtung betrieblicher Praxis. Es wird erörtert, wie Nachhaltigkeitsprinzipien tatsächlich in den unternehmerischen Alltag integriert werden können. Außerdem wird diskutiert, wie sich das Nachhaltigkeitsmanagement angesichts der aktuellen Finanzkrise in Zukunft entwickeln könnte. Abgerundet wird das 2. Kapitel durch den Entwurf des Modells der „Nachhaltigkeitsleiter“, welches verdeutlichen soll, dass sich unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement auf mehreren „Stufen“ abspielen kann. Je „höher“ hinauf sich ein Betrieb wagt, umso größer ist die langfristige Wertsteigerung für Unternehmen und Gesellschaft. Während in Kapitel 2 der Fokus auf betriebswirtschaftlicher Literatur liegt, steht in den übrigen Kapiteln der Kommunikationszugang klar im Vordergrund.
1.6 Inhalte der Arbeit im Überblick
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Kapitel 3 beschäftigt sich mit Nachhaltigkeitskommunikation aus allgemein-theoretischer Perspektive. Zuerst betrachten wir Nachhaltigkeitskommunikation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von unterschiedlichen Akteuren ausgehen kann (Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Medien, Unternehmen etc.) und in unterschiedlichen Forschungsdisziplinen verankert ist. Dann fokussieren wir auf Unternehmen als Akteure der Nachhaltigkeitskommunikation. Es erfolgt eine Begriffsbestimmung sowie ein kurzer historischer Abriss über die Entwicklung der unternehmerischen Kommunikation über soziale und ökologische Themen. Anschließend stellen wir uns die Frage, aufgrund welcher Motive Unternehmen Nachhaltigkeitskommunikation praktizieren. Anhand eines Zwiebelmodells werden die Potenziale bzw. Zieldimensionen der Nachhaltigkeitskommunikation für Unternehmen und Gesellschaft dargestellt, wobei eine Unterscheidung zwischen „Marketing Case“, „Business Case“ und „Public Case“ vorgeschlagen wird. Aus systemtheoretischer Sicht werden die Einflussfaktoren auf Mikro, Meso und Makro-Ebene – ebenfalls anhand eines Zwiebelmodells – dargestellt. Nach einem Abriss über die Grenzen der Nachhaltigkeitskommunikation erfolgt eine eingehende Analyse der spezifischen Herausforderungen, mit denen Kommunikationspraktiker im Bereich Nachhaltigkeit konfrontiert sind. Den Abschluss des 3. Kapitels bildet das Thema „Greenwash“, also der Missbrauch von Nachhaltigkeitsthemen für kurzfristige Imageverbesserung. Kapitel 4 beleuchtet Nachhaltigkeitskommunikation aus gesellschaftstheoretischer Perspektive. Ziel ist ein normativer Theorieentwurf der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation. Dafür werden zuerst Nutzen und Notwendigkeit eines solchen Entwurfs diskutiert. Nach einem wissenschaftstheoretischen Exkurs über normative Forschung im allgemeinen wird die Vorgehensweise bei der Erarbeitung des konkreten Theorieentwurfs vorgestellt: Wir analysieren ausgewählte Theorien, Modelle und Konzepte der Public Relations und Unternehmenskommunikation (u.a. verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenz-Theorie, Issues Management, Innovationskommunikation, integrierte Kommunikation etc.) im Hinblick darauf, welche Anknüpfungspunkte sie für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation bieten. Gleichzeitig wird untersucht, inwiefern die Theorien, Modelle und Konzepte zu einer besseren Bewältigung der mit Nachhaltigkeitskommunikation verbundenen Herausforderungen beitragen. Im abschließenden Kernteil des 4. Kapitels wird der eigentliche Theorieentwurf präsentiert. Nachhaltigkeitskommunikation, welche die entwickelten normativen Handlungsorientierungen so weit wie möglich erfüllt, wird als „nachhaltige Kommunikation“ bezeichnet. Kapitel 5 stellt ausgewählte Kommunikationsinstrumente in den Vordergrund, die im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation häufig zur An-
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1 Themenbegründung und Forschungsansatz
wendung kommen. Anhand von „Good Practice“-Beispielen einiger österreichischer Betriebe (Österreichische Bundesforste, Österreichische Kontrollbank, TNT Express Austria, Medien- und Druckunternehmen Gugler, etc.) wird gezeigt, wie (a) Stakeholder Dialoge zu Nachhaltigkeitsthemen, (b) interne Kommunikation und (c) Nachhaltigkeitsberichterstattung12 angewandt werden können. Das Kapitel beschränkt sich nicht auf eine reine Beschreibung der Fallbeispiele, sondern analysiert, inwiefern die kommunikativen Ansätze der einzelnen Unternehmen den in Kapitel 4 formulierten normativen Qualitätskriterien bzw. dem Anspruch einer „nachhaltigen Kommunikation“ genügen und wo Verbesserungspotenziale zu orten sind. In der abschließenden „Cross Case“ Analyse erfährt der Leser, worauf es beim Einsatz der Kommunikationsinstrumente für den Nachhaltigkeitsbereich ankommt. Kapitel 6 untersucht die Nachhaltigkeitskommunikation einer konkreten Branche, nämlich der österreichischen Energieversorger-Branche. Basierend auf empirischen Daten aus Experteninterviews und teilnehmenden Beobachtungen wird anhand von 14 Forschungsfragen versucht, ein möglichst präzises Bild zu zeichnen. Die praktischen Aussagen zu Themen wie Zielsetzungen der Nachhaltigkeitskommunikation, Zielgruppen, interne und externe Einflussfaktoren, Herausforderungen etc. werden den theoretischen Erkenntnissen dieser Arbeit gegenübergestellt. Es wird auch erhoben, inwieweit in der Praxis der Energieversorgungsunternehmen die in Kapitel 4 definierten normativen Qualitätskriterien bereits Berücksichtigung finden. Weiters erfährt der Leser, welche neuen Aspekte im Rahmen des empirischen Teils aufgetaucht sind, die im bisherigen Verlauf der Arbeit nicht beachtet worden waren, und wo Theorie und Praxis übereinstimmen bzw. auseinander driften. Den Abschluss dieses Kapitels bildet eine Übersicht über Forschungsdesiderate, also Forschungsfragen, die in der bisherigen (kommunikations)wissenschaftlichen Auseinandersetzung noch zu wenig bearbeitet wurden. Näher beleuchtet wird in diesem Zusammenhang die Frage, wer unternehmensintern für Nachhaltigkeitskommunikation verantwortlich sein sollte, Kommunikationsexperten oder eigene Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Beauftragte. Kapitel 7, die Gesamtzusammenfassung, bietet dem Leser abschließende Reflektionen über die Inhalte der Arbeit, über den Grad der Zielerreichung sowie weiterführende Schlussfolgerungen. Beispielsweise wird auf den Aspekt der Professionalisierung eingegangen: Inwiefern trägt Public Relations zu einer Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation bei? Und umgekehrt: Kann auch die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation zu einer weiteren 12
Mit Nachhaltigkeitsberichterstattung ist in dieser Arbeit das schriftliche, unternehmerische Reporting von Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen gemeint, nicht etwa mediale Nachhaltigkeitsberichterstattung.
1.6 Inhalte der Arbeit im Überblick
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Professionalisierung der Public Relations Disziplin beitragen? Die Gesamtzusammenfassung beinhaltet auch einen Blick auf mögliche Limitationen der Arbeit und schließt mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen der Nachhaltigkeitskommunikation. In Abbildung 2 sind die einzelnen Kapitel der Arbeit und ihre Inhalte grafisch dargestellt.
Abbildung 2: Übersicht über die Inhalte der vorliegenden Arbeit
2 Nachhaltiges Wirtschaften: Begriffsdiskussion, Business Case, Managementtools und die Rolle der Public Relations 2 Nachhaltiges Wirtschaften
2.1 Einleitung 2.1 Einleitung Seit dem Bericht „Our Common Future“ der Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen 1987 wird unter dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung weltweit nach Lösungen für soziale Ungleichgewichte und globale ökologische Probleme gesucht. Was unter einer nachhaltigen Entwicklung verstanden wird, wie diese in Gang gebracht und von verschiedenen Akteuren unterstützt werden kann, darüber gehen die Auffassungen allerdings auseinander: „Bis heute wird um eine Interpretation und Operationalisierung des Leitbildes gerungen. […] Die Klärung der Frage, wie die umfassende, normative Idee der nachhaltigen Entwicklung mit Leben gefüllt werden kann, steht erst am Beginn“ (Behrendt/Erdmann 2004, 3).
Kapitel 2 zielt nun darauf ab, dem Leser mit Bezug auf aktuelle Literatur einen Überblick zu geben, was eine nachhaltige Entwicklung im allgemeinen und unternehmerische Nachhaltigkeit im besonderen bedeutet, und wie Nachhaltigkeitsdenken in der Unternehmenspraxis umgesetzt werden kann. Auch wenn dieses Kapitel als eine Einführung in das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement gedacht ist und vorwiegend betriebswirtschaftliche Literatur herangezogen wird, so kommt in Ansätzen bereits zum Ausdruck, dass ein enger Zusammenhang zwischen erfolgreichem Nachhaltigkeitsmanagement und professioneller Public Relations zu orten ist. Denn Voraussetzungen für gelungenes Nachhaltigkeitsmanagement sind unter anderem Transparenz und wechselseitig fruchtbare Stakeholder-Beziehungen. Umgekehrt ist unternehmerische Nachhaltigkeitsorientierung oftmals Voraussetzung für Glaubwürdigkeit und ein positives Image. Klenk (2004, 112) erklärt diesen Zusammenhang so: „Die Corporate-Communcations-Manager haben [...] nur dann eine echte Chance, die Reputation langfristig strategisch zu gestalten, wenn sich das Unternehmen einer transparenten Nachhaltigkeitsstrategie verschreibt, gepaart mit einer gesell-
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2 Nachhaltiges Wirtschaften schaftsorientierten Unternehmensführung. [...] Kurzfristiges Quartalsdenken muss wieder langfristigen Strategien weichen. Nur auf Basis einer neuen Unternehmensstrategie kann die Konzernkommunikation strategisch wertsteigernde Arbeit leisten.“
Eine solche „neue Unternehmensstrategie“, die sich auf die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung stützt, wird also in Kapitel 2 einer theoretischen Betrachtung unterzogen. Zuerst erfolgt eine Diskussion existierender Definitionen zum Begriff der nachhaltigen Entwicklung wie auch zum Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeit, wobei in praxisorientierte bzw. normative Definitionen unterschieden wird. Anschließend wird eine Systematisierung mehrerer, mit dem Begriff der „Corporate Sustainability“ verwandter Konzepte (wie Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship, Social Accounting, Social Contract, Stakeholder Theorie etc.) vorgeschlagen. Die ausführliche Diskussion solcher und weiterer Konzepte verfolgt zwei Motive: Erstens soll sie dem Leser helfen, sich im Begriffsdschungel zum Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen besser zurecht zu finden. Zweitens ist aus wissenschaftlicher Sicht eine Forschungslücke zu orten, was die Begriffsklärung betrifft. Die Folge ist ein Wirrwarr an unterschiedlichen Ausdrücken und eine oft unpräzise Verwendung ähnlicher Konzepte. Hier soll diese Arbeit einhaken und mit der vorgeschlagenen Systematisierung einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke leisten. Nach der Begriffsdiskussion erfolgt ein Exkurs über die „Nachhaltigkeitslandschaft“ in Österreich. Sodann wird der Leser für kurze Zeit weggeführt von der theoretisch-analytischen Ebene hin zur empirischen Ebene, indem Ergebnisse internationaler Studien zum Stellenwert von Nachhaltigkeitsthemen und zum Status-Quo des Nachhaltigkeitsmanagements vorgestellt werden. Daraufhin erfolgt eine Erörterung des „Business Case“ für nachhaltiges Wirtschaften, wobei in vor-ökonomische und ökonomische Motive für unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement unterschieden wird. Der anschließende Abschnitt befasst sich mit der Umsetzung bzw. Operationalisierung von Nachhaltigkeitsdenken in der unternehmerischen Praxis: Die dafür nötigen Prozesse werden diskutiert, ausgewählte Managementtools werden erklärt (z.B. Sustainability Balanced Scorecard etc.), und das neuartige Berufsfeld des „Sustainability Managers“ wird vorgestellt. Als Abschluss des zweiten Kapitels wird – quasi als Rückblick auf die Ergebnisse des zweiten Kapitels – das Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ entworfen, welches die Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements eines Unternehmens auf einem Kontinuum zwischen Reaktivität und Proaktivität darstellt. Gleichzeitig veranschaulicht das Modell, dass eine intensive, ernstge-
2.2 Begriffsdiskussion
39
meinte Auseinandersetzung mit sozialen und ökologischen Themen zugleich zunehmende Herausforderungen für die Kommunikation bedeutet. Eine grafische Übersicht über die Inhalte von Kapitel 2 ist in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3: Übersicht über die Inhalte von Kapitel 2
2.2 Begriffsdiskussion 2.2 Begriffsdiskussion Der Begriff „Sustainability“ (Nachhaltigkeit) hat seine Wurzeln in dem lateinischen Verb „sustinere“ (erhalten). In der Ökonomie hat der Ausdruck „Nachhaltigkeit“ eine lange Tradition. Das Konzept stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft, wo es bereits ab dem 17. Jahrhundert eine Waldbewirtschaftung kennzeichnet, bei der die Holzernte die Regenerationsfähigkeit des Waldes nicht überschreitet (vgl. Rennings et al. 1997, 11). Dieses Begriffsverständnis ist jedoch für einen wirtschaftlichen, politischen und insbesondere für einen wissenschaftlichen Kontext zu unspezifisch. Dazu kommt, dass der Begriff „nachhaltig“ im allgemeinen Sprachgebrauch eine geradezu inflationäre Verwendung erfahren hat. Kaum ein Redner kommt
40
2 Nachhaltiges Wirtschaften
heute mehr ohne das geflügelte Wort „Nachhaltigkeit“ aus, in allzu vielen Bedeutungen wird es verwendet, meist als „Worthülse für alles, was uns edel, hilfreich und gut erscheint“ (Renn 2001b, 240). Um solche Sprachverwirrungen zumindest in dieser Arbeit zu vermeiden, folgt nun eine ausführliche Begriffsdiskussion: Zuerst wird „nachhaltige Entwicklung“ als politisches und gesellschaftliches Leitbild beschrieben. Im Anschluss wird „nachhaltiges Wirtschaften“ als der Über- bzw. Sammelbegriff von mehreren Ansätzen dargestellt, in deren Mittelpunkt die Konzepte „Corporate Social Responsibility“, „Corporate Governance“ bzw. „Stakeholder Theorie“ stehen, die allesamt in der Public-Relations-Forschung in den vergangenen Jahren hohe Aufmerksamkeit erfahren haben.
2.2.1
Nachhaltige Entwicklung als politisches und gesellschaftliches Leitbild
Populär wurde die Idee der Nachhaltigkeit durch Entwicklungen auf internationaler politischer Ebene. Als Leitbild der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik stieß der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ spätestens seit dem Brundtland Bericht 1987, welcher von der UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung („World Commission on Environment and Development“) herausgegeben wurde, auf weltweite Beachtung. Unter dem Ausdruck „nachhaltige Entwicklung“ wurde ein handlungsleitendes Konzept geschaffen, das die Globalität von Problemen, die systematische Verschränkung von ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsmodelle für zukünftige Generationen in den Vordergrund rückte. Hinter dem Begriff Nachhaltigkeit steckt dem Gremium der Brundtland-Kommission zufolge die Grundidee, dass „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt (werden), ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff 1987, 47).
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung beruht auf der optimistischen Annahme, dass ökologische wie Armutsprobleme keine grundsätzliche Grenze für das Fortschritts- und Wachstumsmodell der Moderne darstellen, sondern dass die Probleme mit neuen, eben nachhaltigen Strategien in den Griff zu bekommen sind (vgl. Brand 2001, 13). Nachhaltige Entwicklung wird daher im Report „Our Common Future“ auch definiert als “a process of change in which the exploitation of resources, the direction of investments, the orientation of technological development, and institutional change
2.2 Begriffsdiskussion
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are all in harmony and enhance both current and future potential to meet human needs and aspirations” (Wilson 2003, 1 nach Brundtland Commission 1987).
Der Report „Our Common Future“ ist vor allem aufgrund zweier Besonderheiten so anschlussfähig für viele gesellschaftliche Akteure geworden (vgl. Alfons 2004, 33 f): Erstens betrachtet das Konzept der nachhaltigen Entwicklung – im Gegensatz zu früheren, rein sozial oder ökologisch orientierten Konzepten (zum Beispiel jenes der „politischen Ökologie“) – das Wachstum menschlicher Gesellschaften nicht per se als ausbeuterisch oder begrenzt. Im Gegenteil: Wirtschaftliches Wachstum wird in diesem Leitbild als notwendiger Teil einer lebenswerten Zukunft verstanden. Dies ermöglicht sowohl den Entwicklungsländern als auch den wirtschaftlichen Eliten die Zustimmung zum Konzept. Zweitens tut die Verknüpfung des bewahrenden Moments von „Nachhaltigkeit“ mit dem dynamischen Moment der „Entwicklung“ eine strategische Perspektive auf, in der Interessensgegensätze zwischen Nord und Süd, zwischen jetzigen und zukünftigen Generationen aufgehoben werden können, und zwar durch gerechtes bzw. ethisches Handeln. Neben der obigen, etwas unscharfen Definition des Brundtland-Reports finden sich in der Literatur zahlreiche weitere Ansätze zur Bestimmung des Begriffes der nachhaltigen Entwicklung. Das Konzept umfassend zu definieren, sei laut Wilson (2003, 1) deshalb eine schwierige Aufgabe, weil es sehr breit und dialektisch angelegt sei. “Sustainable development is a broad concept in that it combines economics, social justice, environmental science and management, business management, politics and law. It is a dialectical concept in that, like justice, democracy, fairness, and other important societal concepts, it defies a concise analytical definition” (Wilson 2003, 1).
Weber-Blaschke/Mosandl/Faulstich (2005, 8) verstehen unter nachhaltiger Entwicklung “not only the durable protection of the environment and resources, but also the achievement of social and economic goals”. Sie fügen ihrer Definition hinzu, dass die Interpretation des sehr breit angelegten Konzeptes je nach Kultur verschieden sei: “There is not one exclusive definition of ,Sustainability’, but it is a social negotiation process that reflects the social circumstances and the power conditions in a specific region at a specific time” (Weber-Blaschke/Mosandl/Faulstich 2005, 10).
Die meisten Definitionen heben den Prozesscharakter nachhaltiger Entwicklung hervor. So vertreten etwa Servaes/Patchanee (vgl. 2004, 11) die Ansicht, dass es sich bei nachhaltiger Entwicklung um einen Prozess handle, der je nach Situation
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
und kulturellem Hintergrund unterschiedlich verlaufen müsse. Jede Gesellschaft und Region solle daher ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und dabei Rücksicht nehmen auf die Anliegen und Ansichten der Bevölkerung sowie auf die vorhandenen Ressourcen. Auch für Leitschuh-Fecht (2005, 600) ist nachhaltige Entwicklung „kein in sich geschlossenes Konzept, das festgelegte Bausteine bereitstellt“. Vielmehr handle es sich bei dem Leitbild nachhaltiger Entwicklung um einen „gesellschaftlichen Such- und Lernprozess, bei dem sich die Akteure auf schwierigem Terrain bewegen, wenn es darum geht, die mitunter widersprüchlichen Zielsetzungen auszutarieren.“ Laut Renn (2005, 33) ist die Idee der nachhaltigen Entwicklung eng mit dem Begriff der Lebensqualität verbunden. Renn begreift nachhaltige Entwicklung als einen Prozess “by which the capital assets of natural, social and cultural resources are preserved to the extent that the quality of life available to future generations will not be inferior to the quality of life of the present generation.”
Rückblickend auf die obige begriffliche Diskussion sei festgehalten: Der Begriff der nachhaltigen Entwicklung lässt breiten Interpretationsspielraum offen. Verschiedene Autoren legen in ihren Definitionen den Fokus auf verschiedene Aspekte und füllen den Begriff mit unterschiedlichen Inhalten, meist abhängig von ihrer wissenschaftlichen Disziplin13. Weil das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in unterschiedlichen Interessenszusammenhängen eine Rolle spielt, „ist der Begriff und das Verständnis von Ungenauigkeit, Mehrdeutigkeiten und z.T. Widersprüchen geprägt“ (Michelsen 2005, 26). Nicht zuletzt deshalb birgt das Konzept der Nachhaltigkeit auch erhebliches Konfliktpotenzial: „Verschiedenste Meinungen konkurrieren um die Wege zur Erreichung von Nachhaltigkeit. Uneins ist man sich, ob Wachstum oder Verzicht, Effizienz oder Innovation, Markt oder Staat die geeigneten Mittel sind“ (Fresner et al. 2005, 9).
Operationalisierung des Nachhaltigkeitsprinzips: Drei-Säulen-Modell Operationalisiert wird der Begriff der nachhaltigen Entwicklung in der Literatur vielfach in Form eines "Drei-Säulen-Modells" (vgl. Abbildung 4), das auf die Notwendigkeit der gleichzeitigen Respektierung ökonomischer, ökologischer und sozialer Ziele hinweist (vgl. Behrendt/Erdmann 2003). Zum dauerhaften Schutz der Umwelt gehört es, nicht mehr erneuerbare Ressourcen zu nutzen als 13
Für weitere Definitionsansätze zur nachhaltigen Entwicklung siehe Kreibich (1996, 40).
2.2 Begriffsdiskussion
43
regeneriert werden, die Verbrauchsraten nicht-erneuerbarer Ressourcen zu senken und die Freisetzung von Schadstoffen unter die Aufnahmekapazität von Ökosystemen zu reduzieren (Umweltdimension). Postulate der ökonomischen Dimension zielen unter anderem auf die Erhaltung und Erweiterung der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft ab sowie auf innovationsfördernde Rahmenbedingungen. Parallel dazu soll dem Nachhaltigkeitsprinzip zufolge ein hinreichendes Maß an sozialer Verteilungsgerechtigkeit vorhanden sein, um dem Kriterium der intra- und intergenerationalen Gerechtigkeit14 zu entsprechen (soziale Dimension). Gerechtigkeit bezieht sich hier nicht nur auf Einkommen, sondern auch auf Geschlechtergerechtigkeit (Gender-Fragen), die Verteilung von Arbeit, Pensionen sowie Chancengleichheit und Lebensqualität (vgl. Behrendt/Erdmann 2003, 3).
Abbildung 4:
Das dreidimensionale Modell der nachhaltigen Entwicklung (eigene Darstellung)
Die Ziele in den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales können aber oft nicht gleichzeitig erreicht werden. Sie widersprechen sich manchmal und können zu schwierigen Dilemmasituationen führen. Mittels verschiedener Begriffsdifferenzierungen wurde bereits versucht, dieses Problem zu beheben. So erlaubt das Konzept „schwache Nachhaltigkeit“ (weak sustainability)15 das vorübergehende Abweichen von einer Zielvorstellung, um eine andere Dimen14
15
Die dem Nachhaltigkeitsleitbild immanente Forderung nach intragenerationaler Gerechtigkeit zielt ab auf den Ausgleich zwischen Nord und Süd und auf die Bekämpfung der Armut. Ebenfalls gefordert wird intergenerationale Gerechtigkeit. Damit ist gemeint, dass auch zukünftigen Generationen stabile und lebenswerte Rahmenbedingungen ermöglicht werden sollen. Innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses lassen sich verschiedene Auffassungen darüber erkennen, wie das Nachhaltigkeitsleitbild zu operationalisieren ist. Häufig unterschieden wird in diesem Zusammenhang in „schwache Nachhaltigkeit“ und „starke Nachhaltigkeit“. Für eine genauere begriffliche Diskussion siehe zum Beispiel Strigl (o.A., 5).
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
sion bzw. eine andere Kapitalart zu berücksichtigen. Demnach würde beispielsweise die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen mehr Ressourcenverbrauch rechtfertigen. Trotz der genannten Schwierigkeiten bei der Konkretisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes kann es aus Sicht dieser Arbeit mindestens in einem Punkt dienlich sein, und zwar in der Betonung des hohen Stellenwerts der Kommunikation. Durch die Nachhaltigkeitsidee können Vertreter verschiedenster Interessen „an einen Tisch gebracht werden und dabei zu Kooperationen bewegt werden. Nachhaltigkeit könnte somit zum Ausgangspunkt einer neuen ,Dialogkultur’ werden, die es ermöglicht, dass unterschiedliche Interessen artikuliert werden, gemeinsame Problemdefinitionen gefunden und schließlich mit Hilfe von innovationsfördernden Maßnahmen Problemlösungen gefunden werden“ (Fresner 2005, 10 f).
Partizipation und stärkeres Engagement der Bürger, kontinuierlicher Dialog und Beziehungspflege nehmen also einen wichtigen Stellenwert für eine nachhaltige Entwicklung ein (vgl. Michelsen 2005, 30). An einer solchen gesellschaftlichen Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen können sich – so die Ausgangsthese dieser Arbeit – auch Unternehmen beteiligen und damit eine nachhaltige Entwicklung direkt und indirekt vorantreiben.
2.2.2
Nachhaltiges Wirtschaften als unternehmerisches Leitbild
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung beruht ursprünglich auf volkswirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Überlegungen. Doch bereits das Brundtland-Gremium argumentierte, dass Unternehmen nicht nur die ökonomische Entwicklung vorantreiben sollten, sondern einen proaktiven Ansatz wählen müssten, indem sie ökonomische Entwicklung in Abstimmung mit sozialen und ökologischen Anforderungen betreiben. Denn einerseits wären gerade Unternehmen die Verursacher vieler Umwelt- und Sozialkrisen, andererseits hätten gerade sie die Ressourcen, welche zur Adressierung der Probleme notwendig wären (vgl. Wilson 2003, 2 nach WCED 1987). Auch nach Willums (vgl. 1998, 87) sind Unternehmen die einzigen Akteure in einer Marktwirtschaft mit den Ressourcen, der Technologie, der globalen Präsenz und auch der Motivation, um Nachhaltigkeit anzustreben. Der Beitrag des Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung zum nachhaltigen Wirtschaften von Unternehmen liege laut Wilson (2003, 2) in zwei Bereichen:
2.2 Begriffsdiskussion
45
“First, it helps set out the areas that companies should focus on: environmental, social and economic performance. Second, it provides a common societal goal for corporations, governments, and civil society to work toward: ecological, social, and economic sustainability” (Wilson 2003, 2).
Strigl (2007, 48) betont ebenfalls, dass Unternehmen zum gesellschaftlichen Ziel der nachhaltigen Entwicklung maßgeblich beitragen können: „Das Konzept [erg. der Nachhaltigkeit] bietet für ein Unternehmen die herausragende Chance, als Gestalter eines gesellschaftlichen Transitionsprozesses – hin zu höherer Nachhaltigkeit – ernst genommen und als Mitspieler anerkannt, ,legitimiert‘ zu werden. Das schafft schließlich Motivation, Loyalität, Reputation, Legitimation.“
Auf Unternehmensebene findet der Nachhaltigkeitsbegriff auch zunehmende Beachtung. Parallel zum „Drei-Säulen-Modell“ der nachhaltigen Entwicklung werden auch für das Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit in der Regel drei Dimensionen unterschieden (vgl. Daschkeit 2001, 86; van Marrewijk 2003, 102; Ki-Cheol 2005, 56): die ökonomische Dimension, die ökologische Dimension und die soziale Dimension16. Minimalanspruch ist dabei, dass Maßnahmen einer Dimension nicht eine andere grob beeinträchtigen, dass also beispielsweise eine ökonomische Entscheidung keine ökologischen Schäden nach sich zieht. Wirken sich Maßnahmen und Entscheidungen auf zwei oder sogar alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit günstig aus, ist das Maximalziel erreicht. In jedem der drei Dimensionen, Ökonomie, Ökologie und Soziales, sollten nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen gewisse Mindeststandards erfüllen. Einiger solcher Mindeststandards sind in Anlehnung an Kramer (vgl. 2002, 61) in folgender Abbildung zusammengefasst.
16
Ökonomie, Ökologie und Soziales sind auf Unternehmensebene die drei am häufigsten genannten Säulen des Nachhaltigkeitsbegriffes und werden deshalb in dieser Arbeit verwendet. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass verschiedene Autoren weitere Dimensionen hinzufügen (z.B. Kultur, Institution etc.).
46
2 Nachhaltiges Wirtschaften
Ökonomie Sicherung der Leistungsfähigkeit der Unternehmen – auch für nachfolgende Generationen Sicherung der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit Erhaltung der Lenkungsfunktion der Preise Ausgleich von Individual- und Gemeinschaftsinteressen
Ökologie schonender Umgang mit natürlichen Rohstoffen (Materialeinsatz, Abfallmanagement)
Soziales Gewährleistung von sozialen Mindeststandards, z.B. der Menschenrechte und Menschenwürde
Reduktion der Umweltbelastung (Schadstoffemissionen, Flächenverbrauch) Ersatz für nicht-erneuerbare Ressourcen
Gewährleistung der freien Entfaltung der Persönlichkeit
Chancengleichheit der Mitarbeiter, Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitszeitmodelle Förderung von Innovations- Vermeiden von Gefahren für Leistung eines Beitrags für fähigkeit und -bereitschaft die Gesundheit von Mensch und die Gemeinschaft Tier (Naturschutz, Artenschutz) Rücksichtnahme auf die Globale ökologische VerErhalt des sozialen wirtschaftlichen Auswirkungen antwortung Leistungspotentials für die der unternehmerischen Tätigkeit nachfolgenden auf Stakeholder Generationen.
Abbildung 5:
Mindeststandards nachhaltigen Wirtschaftens (eigene Darstellung in Anlehnung an Kramer 2002)
Steurer et al. (vgl. 2005, 270) führen in ihrem „framework of sustainable development on the microeconomic level“ zusätzlich zu den drei Säulen unternehmerischer Nachhaltigkeit auch „Themen zweiter Ordnung“ („second-order issues“) als vierte, prozessorientierte Dimension ein (vgl. Abbildung 6). Die Forderungen in dieser Dimension beziehen sich unter anderem auf Transparenz, Partizipation, Stakeholder Dialog und Reflektivität.
2.2 Begriffsdiskussion
47
Aspects
Outline of dimensions and issues
Economic sustainability
Do business in a way that enables the company to continue for an indefinite time
(iii) economic impact
Exhibit sufficient cash-flow and persistent return to shareholders Maintain or improve future competitiveness and company performance Deal with the impact of corporation on particular stakeholder groups
Social sustainability
Contribute to the social well-being of the society and individuals
(i) financial performance (ii) long-term competitiveness
(vii) external social improvements
Strive towards a more equal distribution of income within a corportion in a certain country Strive towards a more equal distribution of income and wealth between countries Improve social conditions within the corporation (i.e. regarding employees) Improve social conditions outside the corporation (i.e. in its neighbourhood)
Environmental sustainability
Maintain natural capital
(viii) resources
Use non-renewable and renewable (energy) resources responsibly
(ix) emissions
Avoid emissions into water, air, soil and neighbourhoods (noise) to a certain degree
(x) environmental damages and risks
Avoid environmental damages and risks to a certain degree
Second order requirements
By advancing economic, social and environmental issues, SD has to obey some general process and concept requirements
(xi) transparency and participation
"Corporate openness" toward stakeholders via communication, reporting, stakeholder relations management etc.
(xii) reflectivity
Continuous learning through monitoring and evaluation
(xiii) integration
Progress in one dimension of SD should not come at the expense of other dimensions ("triple bottom line commitment")
(xiv) intergenerational equity/foresight
Satisfy the needs of an enterprise and its stakeholders today and in the indefinite future.
(iv) equity within a corporation (v) international equity (vi) internal social improvements
Abbildung 6:
Framework of sustainable development on the microeconomic level (Steurer et al. 2005, 270)
48
2 Nachhaltiges Wirtschaften
Obwohl das durchschnittliche Unternehmen zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch nicht den Prinzipien der Nachhaltigkeit entsprechend agiert17, sind in der Wirtschaftswelt Indizien zu erkennen, dass es auch aus wirtschaftlicher Sicht immer relevanter wird, neben ökonomischen auch ökologische und soziale Zieldimensionen in die Managementpraxis zu integrieren. So haben sich etwa im World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) 180 internationale Unternehmen aus 30 Ländern in einer Koalition zusammengeschlossen, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen und die Wettbewerbsvorteile durch nachhaltiges Wirtschaften aufzeigen möchten. Björn Stigson als Präsident des WBCSD argumentiert: “[Companies] must address major social and environmental issues as part of their business strategies because ultimately it makes good business sense. A business’s long-term competitiveness – its license to operate, innovate, and grow – will increasingly depend on how it embraces societal challenges” (WBCSD 2006, 4).
Ausgangspunkt dieser Dissertation ist also, dass Unternehmen sehr wohl zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Alleine „herbeizaubern“ freilich können auch Wirtschaftsbetriebe diese gesellschaftliche Veränderung nicht. Nur wenn verschiedene Institutionen und schließlich auch der einzelne Bürger am selben Strang ziehen, wird eine ernstzunehmende Bewegung in Richtung einer zukunftsfähigen Entwicklung anzustoßen sein, wie folgendes, etwas umfangreiches Zitat von Payne/Raiborn (2001, 160 f) belegt: “Businesses cannot pass laws or treaties to protect the environment, […] or control population. Businesses cannot force consumers to recycle, reuse, or slow consumption. Businesses, in general, cannot produce the scientific knowledge that will end global warming. […] Businesses cannot stop societal development. And businesses cannot decide to pursue totally altruistic environmental goals without any concern for profitability or longevity. [But] businesses can influence passage of laws through lobbying and other efforts. They can influence consumer behaviour (through product development and packaging, encouraging consumer recycling and reuse, and community awareness activities). Business can (through research agendas and new product discovery and development) help reduce and eliminate pollution causes. Businesses can also influence how societal development will occur […]. And business can undertake a strategy of pursuing sustainable development in conjunction with profitability and longevity to the benefit of all organizational stakeholders.”
17
Missstände und Verbesserungspotenzial orten Jasch et al. (vgl. 2005, 10ff) zum Beispiel in den Bereichen Abfall- und Emissionsvermeidung, Nutzung erneuerbarer Energieträger und nachwachsender Rohstoffe, Anbieten von Dienstleistungen statt Produkten, Weiter- und Wiederverwendung bzw. Einbindung der unternehmerischen Tätigkeiten in das soziale System.
2.2 Begriffsdiskussion
49
2.2.3 Unternehmerische Nachhaltigkeit – Versuch einer Begriffsbestimmung 1: Reportive Definitionen und stipulative Arbeitsdefinition In der Literatur finden sich eine Reihe von reportiven Definitionen für das Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit („Corporate Sustainability“). Es bietet sich meiner Ansicht nach an, diese Definitionen anhand ihrer Ausrichtung und ihres Umfangs zu unterscheiden (vgl. Abbildung 7):
Abbildung 7:
Charakterisierung von Definitionen unternehmerischer Nachhaltigkeit (eigene Darstellung)
Während einige Autoren praxisorientiert definieren, also sich in ihrem Begriffsverständnis auf die unternehmerische Umsetzung des Nachhaltigkeitsdenkens konzentrieren (z.B. van Marrewijk 2003, Wilson 2003, Kanatschnig 2005, Paech/Pfriem 2004), dominiert in den Definitionen anderer Autoren (z.B. Wheeler/Colberg/Freeman 2003, Payne/Raiborn 2001) eine normative Ausrichtung. Sie heben die Integration von Nachhaltigkeitsgrundsätzen in die Unternehmensführung als ethisch anstrebenswert hervor. Bezüglich des Umfangs der Definitionen lassen sich enge Definitionen (meist aus den 1980er Jahren), weite Definitionen (z.B. von Autoren wie Loew 2004a, Wilson 2003, van Marrewijk 2003, Paech/Pfriem 2004) und die definitorische Gleichsetzung von nachhaltigem Wirtschaften und Corporate Social Responsibility (z.B. Definition der Europäischen Kommission 2001) unterscheiden. Enge Definitionen verstehen unter unternehmerischer Nachhaltigkeit vor allem Umweltschutzmaßnahmen. In weiten Definitionen wird unternehmerische Nachhaltigkeit als aufkommender Managementansatz beschrieben. Die Gleichsetzung von Nachhaltigkeit und CSR bedeutet, dass die Autoren die beiden Konzepte als äquivalent begreifen.
50
2 Nachhaltiges Wirtschaften
Definitionen mit engem Umfang stammen vor allem aus den 1980er und 1990er Jahren, also aus Zeiten, in denen der Nachhaltigkeitsdiskurs noch am Beginn und die ökologische Perspektive im Vordergrund stand. Dieses Begriffsverständnis scheint jedoch mittlerweile überholt, somit möchte ich mich sogleich den zeitgemäßeren, breiter angelegten Definitionen widmen: In einem aktuellen “Green Paper” der Europäischen Kommission wird unternehmerische Nachhaltigkeit mit Corporate Social Responsibility gleichgesetzt und definiert als “a concept whereby companies integrate social and environmental concerns in their business operations and in their interaction with their stakeholders on a voluntary basis” (Europäische Kommission 2001, 5).
Der Großteil der gängigen Definitionen zum Begriff der „Corporate Sustainability“ ist jenen Definitionen mit weitem Umfang zuzurechen: Für Wilson (2003, 5) zum Beispiel ist unternehmerische Nachhaltigkeit ein neues, aufstrebendes Managementparadigma („new and evolving corporate management paradigm“). Den Unterschied zu bisherigen Konzepten charakterisiert er folgendermaßen: “Although the concept acknowledges the need for profitability, it differs from the traditional growth and profit-maximization model in that it places a much greater emphasis on environmental, social, and economic performance, and the public reporting on this performance” (Wilson 2003, 5).
Unter jenen Autoren, die, wie Wilson, sehr praxisnahe Definitionen anbieten, welche das Konzept der Nachhaltigkeit im Unternehmen umsetzen helfen sollen, herrscht offenbar Einigkeit darüber, dass unternehmerische Nachhaltigkeit kein Zustand an sich sei, sondern ein Prozess: So verstehen Paech/Pfriem (2004, 10) Nachhaltigkeit im Unternehmenssektor als „Gestaltung von Suchprozessen. Diese dienen der Aufdeckung oder Neuschöpfung von Maßnahmen, Instrumenten und Strategien, deren potentieller Nachhaltigkeitsbeitrag im Sinne einer konsistenten Zielrichtung zu begründen ist. Grundlegend dafür sind hochgradig interaktive Innovationsprozesse. Eine immense Bedeutung kommt dabei dem Aufbau von Netzwerken und Unternehmensverbünden zu. Erfahrungssaustausch, Kooperation und Synergieeffekte bei der Generierung von Innovationspotentialen erweisen sich als Triebkräfte eines auf Zukunftsfähigkeit angelegten Strukturwandels.“
Eine ähnliche Ansicht vertritt auch Joshua Joseph (vgl. 2001, 12): Ethische Programme, worunter in dieser Arbeit auch Nachhaltigkeitsprogramme und
2.2 Begriffsdiskussion
51
-maßnahmen fallen, sieht er als einen kontinuierlichen Prozess: “A journey rather than a destination.” Van Marrewijk (2003, 102) hingegen begreift unternehmerische Nachhaltigkeit aus der Perspektive des Praktikers und hebt den Aspekt der Freiwilligkeit des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements hervor: “Corporate Sustainability refers to company activities – voluntary by definition – demonstrating the inclusion of social and environmental concerns in business operations and in interactions with stakeholders.” Wheeler/Colberg/Freeman (2003, 17) nähern sich dem Begriff aus eindeutig normativer Perspektive an: Nachhaltigkeit ist ihrem Verständnis nach ein anstrebenswertes Ideal, “an ideal toward which society and business can continually strive. The way we strive is by creating value, creating outcomes that are consistent with the ideal of sustainability along social, environmental and economic dimensions.”
Für die Zwecke dieser Arbeit wurde in Anlehnung an Wilson (2003, 1) ein weites Begriffsverständnis von unternehmerischer Nachhaltigkeit gewählt. Sowohl die praxisorientierte wie auch die normative Komponente fließen in die folgenden Arbeitsdefinitionen18 der Begriffe „unternehmerische Nachhaltigkeit“, „nachhaltige Unternehmung“ bzw. „nachhaltiges Handeln“ ein: In Anlehnung an Wilson (2003, 1) betrachte ich das Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit als einen neu aufkommenden, strategischen Ansatz der Unternehmensführung. Nicht die Maximierung kurzfristiger Gewinne ist die oberste Prämisse, sondern vorausschauendes Handeln und der langfristige Fortbestand des Unternehmens. Ausschlaggebend dafür sind nicht nur finanzielle, sondern auch soziale und ökologische Einflussfaktoren. Die nachhaltige Unternehmung schlechthin stellt allerdings ein kaum zu erreichendes Ideal19 dar. Denn Nachhaltigkeit ist ein relatives Konzept, welches einen Prozess beschreibt, und keinen Endzustand. Auch wenn ein Unternehmen noch so viele Maßnahmen im Bereich Nachhaltigkeit gesetzt hat, so wird es in einzelnen Handlungsfeldern immer noch Verbesserungsmöglichkeiten geben (vgl. auch Bittencourt/Borner/ Heiser 2003, 27). Alle geplanten und bewusst durchgeführten Handlungen, die das Unternehmen einen Schritt weiter in Richtung des Ideals der Nachhaltigkeit
18 19
Die Arbeitsdefinitionen sollen dem Leser als Orientierung dienen. Eine eingehendere Begriffsdiskussion erfolgt in Kapitel 2.5. Weber-Blaschke/Mosandl/Faulstich (2005, 16) merken in diese Zusammenhang an: “An important recognition is the fact that sustainability is an ideal that can never be fully achieved in reality.”
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
bringen, werden in dieser Arbeit als nachhaltigkeitsrelevantes Handeln bezeichnet.
2.3 Exkurs: Nachhaltigkeit als „Luxus“ in wirtschaftlichen „Schönwetterperioden“? Entwicklungslinien vom unternehmerischen Umweltschutz zu nachhaltigem Wirtschaften 2.3 Exkurs Auffällig an der Entstehungsgeschichte des modernen Nachhaltigkeitsbegriffs ist, dass dieser die vorangegangene Umweltdiskussion scheinbar abgelöst hat (vgl. Martinuzzi 2006). Dem kritischen Leser drängen sich an dieser Stelle zwei Fragen auf: 1.
2.
Handelt es sich um eine bloße „Umetikettierung“ oder um einen „inhaltlich zu begründeten Wandel“ von der (unternehmerischen) Umwelt- zur Nachhaltigkeitsdiskussion? Ist nachhaltiges Wirtschaften nur unternehmerischer „Luxus“ in Zeiten wirtschaftlicher Hochkonjunktur oder hat Nachhaltigkeitsorientierung langfristig Bestand, auch in konjunkturell schwierigen Zeiten?
Ad 1: Zur ersten Frage konstatieren Paech/Pfriem (2004, 13), dass der Übergang von der „Umweltdiskussion“ oder „-bewegung“ der 1970er und 80er Jahre zur neuen Begrifflichkeit „nachhaltige Entwicklung“ eine gewandelte, gesellschaftliche Wahrnehmung globaler, ökologischer und sozialer Problemlagen ausdrücke. Für die damalige Umweltdiskussion bestimmen Paech/Pfriem (vgl. 2004, 13ff) einige strukturelle Merkmale und Orientierungen, die den späteren Popularitätsverlust der Umweltbewegung in den 1990er Jahren und deren Ablösung durch die Nachhaltigkeitsdebatte begründen helfen sollen. Auf diese Merkmale wird im folgenden überblicksmäßig eingegangen:
Wirtschaft in der Täterrolle: Während Verbrauchern und Arbeitnehmern in der öffentlichen Diskussion der 1980er Jahre die Opferrolle zugedacht wurde, mussten sich Unternehmen pauschal in der Täterrolle wieder finden. Dies führte zu einer Polarisierung der Fronten, und eine fruchtbare, gemeinsame Lösungssuche war kaum durchführbar. Umweltschutz als reiner Kostenfaktor: Die Wirtschaft assoziierte Umweltschutz vorwiegend mit Wettbewerbsnachteilen und hohen Kosten. Dies rührte vor allem daher, dass Aktivisten drastische Forderungen stellten und die Unternehmen darauf gänzlich unvorbereitet waren. Vorstellungen darüber, wie sich auf der Basis umweltbewussten Nachfrageverhaltens Ge-
2.3 Exkurs
53
winnchancen und neue Märkte entwickeln könnten, waren noch nicht ausgereift. Ökologie contra Soziales: Der Konflikt zwischen Umweltschutz und Wirtschaftswachstum wurde medial als Konflikt zwischen ökologischen und sozialen Belangen dargestellt. Man vertrat die Ansicht, betriebliche Umweltschutzmaßnahmen würden das Wirtschaftswachstum durch die entstehenden Kosten bremsen und damit soziale Probleme, vor allem Arbeitslosigkeit, mit sich bringen. Gesellschaftliche Institutionen und Interessensgruppen, die soziale Ziele verfolgten (z.B. Gewerkschaften), gerieten so in ein Dilemma, das sich nicht selten in Ablehnung gegenüber Umweltschutzmaßnahmen niederschlug. Blickverengung: Die frühe Umweltdebatte konzentrierte sich rein auf ökologische Aspekte, und das Sozialthema fand kaum Berücksichtigung. Globale Wirkungszusammenhänge wie die Verursachung ökologischer Krisen durch internationale Entwicklungs- und Einkommensungleichgewichte wurden nur am Rande gestreift. Umweltbewusstsein aus unmittelbarer Betroffenheit: In den 1970er und 80er Jahren konnten zahlreiche Bürger Umweltprobleme quasi „vor der Haustüre“ miterleben. Trübe Gewässer, verqualmte Luft, Wald- und Fischsterben sowie Unfälle in Atomreaktoren spielten sich in unmittelbarer Umgebung ab und waren dadurch deutlich wahrnehmbar. Kritik und Ablehnung machen noch keine Vision: Die wichtigsten Träger der Umweltbewegung wie Bürgergruppen, Verbände und die Medien übten zwar scharfe Kritik und schürten Zukunftsängste und Proteste. Eine Antwort auf die Frage, in welche Richtung die zukünftige Entwicklung gehen sollte, konnten sie jedoch nicht geben.
Derartige Charakteristika waren laut Paech/Pfriem (vgl. 2004, 13ff) der Grund, dass die klassische Umweltdebatte immer mehr in eine Sackgasse führte. Sie sei den räume- und generationsübergreifenden, zunehmend abstrakten und immer komplexeren Sozial- und Umweltproblemen kaum mehr gewachsen gewesen. Die Anforderungen an eine adäquate Umweltbewegung wandelten sich vom punktuellen Krisenmanagement zum langfristigen Risiko- und Präventionsmanagement. Mehr Bedeutung bekam auch das Prinzip der Individualverantwortung, wonach das einzelne Individuum und nicht nur das Gesamtsystem für Probleme gerade stehen müsse. Weiters setzte die Suche nach neuen Kooperationen ein, auch zwischen Akteuren und Interessensgruppen, die sich davor als gegenseitige Feinde betrachtet hatten (vgl. Paech/Pfriem 2004, 16f). So wandelte sich die Umweltdebatte im Laufe der 1990er Jahre Schritt für Schritt zu
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einem Nachhaltigkeitsdiskurs20, welcher Modernisierungsszenarien, die durch gemeinsame Entwicklung von Gestaltungsmöglichkeiten charakterisiert sind, an die Stelle von Bedrohungsszenarien stellte (vgl. de Haan 2002, 259). Ad 2: Auf die zweite Frage, ob Nachhaltigkeit nur ein Thema für wirtschaftliche „Schönwetterperioden“ sei, lässt sich nur spekulativ antworten. Natürlich ist es fraglich, inwieweit sich nachhaltiges Denken und Handeln auch in den nun angebrochenen, wirtschaftlich schwierigeren Zeiten durchsetzen wird (vgl. Kapitel 2.11). Noch scheint nachhaltiges Handeln für Unternehmen eher ein Luxus als ein Muss, und Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Management muss sich oftmals den Vorwurf gefallen lassen, es handle sich um Mode-Managementansätze. Klenk (vgl. 2004, 113) prognostiziert unternehmerischer Nachhaltigkeit für die Zukunft jedoch sogar eine Bedeutungszunahme. Er bezeichnet den Trend hin zu CSR als “unumkehrbar“ und begründet das so: „Die nachhaltige Operationalisierung von CSR-Leitlinien rund um Grundwerte wie Menschenrechte, Arbeitsrecht, Ressourceneinsatz, Investitionen, Umweltschutz, Forschung, Datenschutz, Gen- und Biotechnologie oder den Umgang mit Diktaturen – sprich das kulturelle, gesellschaftliche, soziale und ethische Verhalten von Unternehmen und die transparente Kommunikation der Fortschritte in all diesen Bereichen – werden zu wettbewerbsentscheidenden Faktoren. Die Erwartungshaltung der Stakeholder in Bezug auf CSR wird in den nächsten Jahren weiter stark zunehmen“ (Klenk 2004, 113).
Auch Elkington, der den Begriff der „Triple Bottom Line21“ geprägt hat, geht davon aus, dass unternehmerische Nachhaltigkeit in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen wird. Er bezeichnet den Übergang zu einem „sustainable capitalism“ als eine der größten Herausforderungen an die Menschheit (Elkington 2004, 3). Elkington identifiziert sieben derzeit laufende Revolutionen, welche die Nachhaltigkeitsentwicklung vorantreiben würden (vgl. Abbildung 8).
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Eine Entwicklung von der Umweltdebatte hin zur Nachhaltigkeitsdebatte ist meiner Ansicht nach auch im Auftreten politischer Grün-Parteien zu erkennen. In Österreich ist zu beobachten, dass die „Grünen“ den Nachhaltigkeitsbegriff verstärkt in die parteiliche Rhetorik aufzunehmen scheinen. Elkington definiert „Triple Bottom Line“ bzw. „People, Planet, Profit“ als “a situation where companies harmonize their efforts in order to be economically viable, environmentally sound and socially responsible” (van Marrewijk 2003, 103 nach Elkington 1997).
2.3 Exkurs
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Abbildung 8: Sieben Nachhaltigkeits-Revolutionen (Elkington 2004, 3)
Die erste Revolution bezieht sich auf Märkte, welche sich laut Elkington in Richtung eines noch zunehmenden Wettbewerbs entwickeln werden. Die zweite Revolution betrifft gesellschaftliche und unternehmerische Werte, die sich in vielen Bereichen ändern würden. In der Wirtschaft bekämen „weiche“, ethische Werte immer größere Bedeutung für den langfristigen Erfolg. Begleitet würde diese Entwicklung von verstärkter Forderung nach Transparenz (dritte Revolution) – eine Entwicklung, die aufgrund der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien möglich wurde. Eine vierte Revolution ergebe sich laut Elkington dahingehend, dass Unternehmen nicht mehr die Akzeptanz ihrer Produkte am „Point of Sale“ verfolgen müssten, sondern demonstrieren müssten, wie das Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus entstanden ist, welche Auswirkungen und funktionen es hat. Eine verstärkte partnerschaftliche Zusammenarbeit von Unternehmen mit Organisationen oder sogar der Konkurrenz bilde die fünfte Revolution. Die sechste ergebe sich durch ein neues Zeitverständnis: Nicht mehr die kurzfristige, sondern eine langfristige Perspektive würde Unternehmensentscheidungen bestimmen. Die siebte und letzte Revolution beziehe sich auf die steigende Verantwortung des Managements gegenüber der Gesellschaft (vgl. Elkington 2004, 3 ff). Betrachtet man die von Elkington beschriebenen Revolutionen aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht, so zeigt sich einmal mehr der hohe Stellenwert der Kommunikation auf dem Weg in Richtung eines „sustainable capitalism“. Bei den zu erzielenden Veränderungen – also bei den Übergängen von „old paradigm“ zu „new paradigm“ – wird Kommunikation wohl in allen sieben „Revolutionsbereichen“ eine gewisse Rolle spielen. Besonders wichtig erscheint die Kommunikationsfunktion hinsichtlich der von Elkington genannten Werteänderung, hinsichtlich verstärkter Transparenz und symbiotischer Partnerschaften.
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2.4 „Mapping the Territory“: Unternehmerische Nachhaltigkeit im Kontext verwandter Konzepte 2.4 „Mapping the Territory“ Unternehmerische Verantwortung auf gesellschaftlicher und ökologischer Ebene wird in der wissenschaftlichen Literatur wie auch in der Praktikerliteratur durch eine Vielzahl von unterschiedlichen Begriffen beschrieben. Neben unternehmerischer Nachhaltigkeit („Corporate Sustainability“) kommen auch Ausdrücke wie „Corporate Social Responsibility“, „Social Responsibility“, „Organizational Responsibility“, „Corporate Responsibility”, „Corporate Citizenship“ oder „Corporate Governance“ zur Anwendung. Weitere verwandte Ansätze werden bezeichnet als „Corporate Philanthropy“, „Triple Bottom Line“, „Planet, People, Profit“, „Corporate Engagement“ oder Unternehmensethik. All diese Begriffe und im besonderen die Ausdrücke „Corporate Sustainability“ und „Corporate Social Responsibility“ werden in der Literatur häufig als Synonyme verwendet (vgl. Dyllick/Hockerts 2002; Marrewijk 2003; Wilson 2003; Ebner/Baumgartner 2006), ohne deren theoretische Wurzeln und Beziehungen zueinander genauer zu betrachten (vgl. Hediger 2007, 2). Jüdes (1997, 1) spricht gar von „babylonischer Sprachverwirrung“ und Hopkins’ Wunsch nach einer terminologischen Einigung ist nur allzu gut nachzuvollziehen: “A common and agreed set of terms would be very helpful in today’s caleidoscope world where concepts, especially in business, rain like confetti” (Hopkins 2002, 1).
Für die Zwecke dieser Arbeit erscheint es mir nicht nötig, Begrifflichkeiten zum Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeit bis ins letzte Detail zu klären22. Ziel des folgenden Abschnitts ist es aber, die verschiedenen, bereits genannten Konzepte zu systematisieren und sie miteinander in Beziehung zu setzen. Die Systematisierung soll dem Leser einen Vorschlag präsentieren, wie er sich im begrifflichen Wirrwarr rund um das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen besser zurechtfinden kann. Gleichzeitig wird das spezifische Verständnis des Begriffs der unternehmerischen Nachhaltigkeit für diese Arbeit – und nicht allgemein gültig – festgelegt. Dies schafft die Voraussetzung dafür, dass der Begriff der Nachhaltigkeitskommunikation in Kapitel 3 entsprechend definiert werden kann. Konkret schlage ich vor, die begriffliche Landschaft und die verschiedenen theoretischen Ansätze, die zum Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen existieren, in Anlehnung an Garriga/Melé (2004, 51 ff) in vier 22
Viele Managementkonzepte – man denke etwa an „Shareholder Value“ bzw. „Stakeholder Value“ – sind bis heute nicht allgemeingültig definiert worden, sondern erfahren immer wieder neue Betrachtungsweisen und Auslegungen (vgl. Hockerts 2001, 3).
2.4 „Mapping the Territory“
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Kategorien einzuteilen (vgl. Abbildung 9): Instrumentelle Ansätze, politische Ansätze, integrative Ansätze sowie ethische Ansätze. Ausgangsüberlegung ist dabei, dass die verschiedenen Ansätze in unterschiedlichem Maß Teilaspekte der Nachhaltigkeit aufgreifen (vgl. auch Loew et al. 2004, 17). Die folgende Systematik greift die grundsätzliche Unterteilung von Garriga/Melé (2004, 51ff) auf und ergänzt sie durch eigene Überlegungen hinsichtlich Ausgangsthesen und Kernfragen sowie durch Beispiele konkreter, theoretischer Ansätze. Politische Ansätze Instrumentelle An(political theories): sätze (instrumental theories): Unternehmen hätten Unternehmerisches heutzutage auch innerNachhaltigkeitsengagement sei nur ein halb der politischen Mittel zum Zweck, um Arena große Macht. kurzfristig höheren finanziellen Erfolg zu erzielen. Die soziale Verantwortung von Unternehmen beschränke sich allein auf wirtschaftlichen Erfolg.
Integrative Ansätze Ethische Ansätze (integrative theories): (ethical theories):
Kernfrage
Wie lässt sich Inwieweit verwenden wirtschaftlicher Erfolg Unternehmen ihre erzielen? (politische) Macht auf verantwortungsvolle Art und Weise?
Worin genau liegt Wie können Unteraus ethischer Sicht nehmen die an sie gestellten gesellschaft- die Verantwortung lichen Anforderungen von Unternehmen? erkennen und inwieweit erfüllen sie diese Ansprüche?
Theoretische Ansätze
“Shareholder Value”Ansatz
Ansätze
Ausgangsthese
dreidimensionale Bilanzierung („Triple Bottom Line“)
Gesellschaftlicher Vertrag („Social Contract“), Legitimationstheorie
das Unternehmen als Bürger („Corporate wohlfahrtsorientiertes Citzenship“) Marketing („CauseRelated Marketing“)
Um wachsen zu können, seien Wirtschaftsunternehmen von der Gesellschaft abhängig.
Corporate Social Responsibility – eine „Konzept-Familie“
Es ist für Unternehmen aus ethischer Sicht eine Verpflichtung, gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen.
Normative Stakeholder Theorie
Weltweit anerkannte Grundrechte („Uni„Corporate Governance“ und Verhaltens- versal Rights Theory“) codices („Codes of Conduct“) Rechenschaftslegung gegenüber der Gesellschaft („Social Accounting“) Stakeholder Management
Abbildung 9:
Begriffliche Systematisierung unternehmerischer Nachhaltigkeit und verwandter Begriffe (eigene Darstellung)
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
2.4.1 Instrumentelle Ansätze In den folgen Ausführungen werden die theoretischen Ansätze „Shareholder Value“, „Triple Bottom Line“ und „Cause-Related Marketing“ näher beschrieben. Diese drei Ansätze sind instrumenteller Natur, da sie unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement als ein Mittel zum Zweck betrachten, um kurzfristig höhere Gewinne zu erzielen. Bei allen drei Ansätzen wird davon ausgegangen, dass sich die soziale Verantwortung von Unternehmen auf das Erzielen von wirtschaftlichem Erfolg beschränke. 2.4.1.1 „Shareholder Value“-Ansatz Wem gegenüber sind Unternehmen verantwortlich? Für wen sollen Unternehmen Wert schaffen? In der Literatur werden zur Beantwortung dieser Fragen zwei Ansätze gegenübergestellt: Dem klassischen Shareholder Value-Ansatz (kurz Shareholder Ansatz) zufolge bestehe das unternehmerische Credo primär darin, kurzfristg Gewinne zu vergrößern. Milton Friedman (1962) formulierte das in seiner vielzitierten Aussage: „The business of business is business.“ Ziel des Unternehmens sei es, den Wert eines Unternehmens für den Eigenkapitalgeber, d.h. den Aktionär, zu maximieren. Im Sinne des Stakeholder Value-Ansatzes (kurz Stakeholder Ansatz) hingegen wird eine „umfassende Berücksichtung anderer Interessensgruppen gefordert, die in betrieblichen Prozessen involviert sind oder von diesen betroffen sind“ (Zimmermann 1998, 3). Unternehmen sollen neben Beziehungen zu Shareholdern auch Beziehungen zu anderen Stakeholdern eingehen und deren Interessen entsprechend handeln. Der Stakeholder-Ansatz wird in den Kapiteln 2.4.3.4 bzw. 2.4.4.1 erörtert, im folgenden wird näher auf den Shareholder Value-Ansatz eingegangen. Als Ahnherr des Shareholder-Ansatzes gilt Milton Friedman (vgl. 1962). Seiner Ansicht nach wäre es unangebracht für Unternehmer, soziale Aufgaben zu übernehmen: “If businessmen do have a social responsibility other than making profits for their shareholders, how are they to know what it is? Can self selected private individuals decide what the social interest is?” (Friedman 1962).
In Friedman’scher Tradition des Shareholder-Ansatzes beschäftigt sich Empt (2004) in seiner Dissertation aus juristischer Sicht mit der Frage, ob es für Unternehmen im allgemeinen und Aktiengesellschaften im besonderen überhaupt zulässig sei, finanzielle Mittel in soziale und ökologische Investitionen zu stecken, sofern diese nicht zur unmittelbaren Profitmaximierung beitragen. Empt
2.4 „Mapping the Territory“
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spricht sich in seinen Analysen gegen ein interessenspluralistisches Verständnis der Unternehmensfunktion aus, und argumentiert folgendermaßen (vgl. Empt 2004, 163ff): Eine nicht allein auf Gewinnsteigerung für die Anteilseigner ausgerichtete Managementtätigkeit bringe das Problem mangelnder Kontrollierbarkeit mit sich. Persönliche Interessen des Managements könnten in den Vordergrund gestellt werden. Weiters könnte soziales Engagement von Unternehmen die Marktsignale in einem auf Konkurrenz, Ressourcenknappheit und Profitmaximierung basierenden marktwirtschaftlichen System verfälschen und so zu einer suboptimalen Ressourcenallokation führen. Corporate Social Responsibility ermächtige Manager dazu, nach ihrem eigenen Ermessen öffentliche Interessen wahrzunehmen, ohne dass diese Tätigkeit demokratisch legitimiert oder kontrolliert wäre. Damit erweitere das Konzept der sozialen Verantwortung „tendenziell die Macht einer ohnehin sehr mächtigen Gruppe privater Akteure“ (Empt 2004, 186). Solchen durchaus angebrachten Kritikpunkten an sozialem und ökologischem Engagement von Unternehmen seien aber auch positive Aspekte gegenüber zu stellen (vgl. Loew et al. 2004, 50): Unbestritten ist, dass unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement die Gesamtsumme der in einer Gesellschaft für soziale und umweltschützerische Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel erhöht. Dies stellt meiner Ansicht nach gerade in Zeiten leerer öffentlicher Kassen einen wichtigen Gesichtspunkt dar. Weiters verfügen Unternehmen über die besondere Fähigkeit, im Einzelfall schnell und unbürokratisch Projekte umzusetzen und so die Arbeits- und Lebensbedingungen verschiedener Anspruchsgruppen unmittelbar zu verändern. In Praxis vieler Unternehmen ist der Shareholder-Ansatz, also die alleinige, eher kurzfristig-orientierte Verantwortung des Unternehmens den Aktionären und Kapitaleignern gegenüber, nach dominierend. Aus Sicht der Gesellschaft dürfte der Shareholder-Ansatz jedoch immer mehr an Bedeutung verlieren, wie eine Studie des Forschungsunternehmens MORI unter der britischen Bevölkerung zeigt: Hatten im Jahr 1976 noch mehr als die Hälfte der befragten Personen gesagt, „that the profits of large companies help make things better for all consumers“, so zeigte sich 1999 ein gewandeltes Meinungsbild: Nur mehr etwas mehr als ein Viertel der Bevölkerung war dieser Ansicht, während die Hälfte sogar die gegenteilige Meinung vertrat (vgl. Dawkins/Lewis 2003, 186 nach MORI). In der Management-Literatur ist daher immer öfter von einer Modulation des Shareholder-Ansatzes die Rede. Mit Begriffen wie „enlightened shareholder value“ (vgl. Empt 2004, 197) oder „long-term shareholder value“ (vgl. Zimmermann 1998) wird zum Ausdruck gebracht, dass Unternehmen vor allem langfristige Wertsteigerung für die Shareholder anstreben sollen. Dies könne nur
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durch die Einbeziehung jener Stakeholder gelingen, die dem Unternehmen eine „licence to operate“ (vgl. Kapitel 2.4.2.1) erteilen bzw. diese dem Unternehmen auch entziehen können. Auch Unternehmen selbst bekennen sich immer häufiger zu dieser langfristig orientierten Wertsteigerung. So heißt es in einem Bericht des World Business Council for Sustainable Development (2006) mit dem Titel “The Role of Business in Tomorrow’s Society”: “Simply by adding the word long-term to shareholder value, we embrace everything necessary for the survival and success of the company” (WBCSD 2006, 8).
2.4.1.2 Dreidimensionale Bilanzierung („Triple Bottom Line“) Das Konzept der „Triple Bottom Line“ (vgl. Savitz/Weber 2006) geht davon aus, dass sich Nachhaltigkeitsorientierung positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens auswirke. Das Konzept besagt, dass Unternehmen neben Bilanzen über den Umgang mit finanziellem Kapital auch Bilanzen über den Umgang mit natürlichen Ressourcen und sozialem/humanem Kapital erstellen können. Der „Triple Bottom Line“-Ansatz erscheint für Unternehmen deshalb attraktiv, weil er die ökonomische Existenzfähigkeit eines Unternehmens voraussetzt und davon ausgeht, dass nachhaltigkeitsrelevante Aktivitäten auch der rein wirtschaftlichen „Bottom Line“ gut tun. In diesem Kontext gehen Savitz/Weber (vgl. 2007) von folgender Überlegung aus: Wenn Unternehmen nachhaltigkeitsrelevante Maßnahmen setzten, die ihrem Geschäft nahe liegen, könnten sie den sogenannten „Sweet Spot“ (Savitz/Weber 2007) erreichen, also jenen Punkt, an dem sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Vorteile überschneiden. “Think about sustainability as the common ground shared by your business interests (those of your financial stakeholders) and the interests of the public (your nonfinancial stakeholders). This common ground is what we call the sustainability sweet spot: the place where the pursuit of profit blends seamlessly with the pursuit of the common good” (Savitz/Weber 2007, 17).
Abbildung 10 macht auf der linken Seite allgemein die Idee des „Sustainability Sweet Spots“ (grau eingefärbt) deutlich, wonach nachhaltigkeitsorientierte, neue Produkte, Prozesse, die Erschließung neuer Märkte und Managementmethoden Unternehmen zu größerem wirtschaftlichen Erfolg führen könnten. Auf der rechten Seite zeigt Abbildung 10 ein Beispiel für einen „Sustainability Sweet Spot“, und zwar im Konzern General Electrics (GE). Das vordergründige Geschäftsinteresse sei Profitmaximierung, das öffentliche Interesse hingegen konzentriere sich derzeit laut Savitz/Weber vor allem auf das Thema des dro-
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henden Klimawandels. Hier könne General Electrics einhaken durch die Entwicklung „sauberer“ Technologien: “Addressing climate change presents GE with a huge business opportunity. GE’s wind energy business has already quadrupled in revenues since it was acquired in 2002 from Enron, and its fuel-efficient jet and locomotive engines and natural gas turbines are proving to be essential to customers needing additional ways to reduce their emissions” (Savitz/Weber 2007, 18).
Abbildung 10: Sustainability Sweet Spot allgemein und bei General Electrics (Savitz 2007, 18)
2.4.1.3 Wohlfahrtsorientiertes Marketing („Cause-Related Marketing“) Wohlfahrtsorientiertes Marketing („Cause-Related Marketing“) beschreibt eine Verkaufsstrategie, bei der das Unternehmen verspricht, einen bestimmten Prozentsatz der Erlöse aus dem Verkauf eines spezifischen Produktes an eine wohltätige Organisation zu spenden. Kunden gewinnen dabei die besondere Befriedigung, mit ihrem Kauf „Gutes“ zu tun (vgl. Empt 2004, 31 f). Der Begriff des „Cause-Related Marketing“ fand seinen Ursprung im Rahmen einer Kampagne des Kreditkartenunternehmens American Express in den achtziger Jahren. Für einen Zeitraum von drei Monaten hatte sich American Express dazu verpflichtet, für jede Benutzung seiner Kreditkarten einen Beitrag zur Renovierung der New Yorker Freiheitsstatue zu leisten. Kunden konnten somit durch ihre Entscheidung, die American Express Kreditkarte zu benutzen, die Höhe der Unterstützungszahlung mitbestimmen. Der Umsatz, der durch bereits vorhandene Karteninhaber erzielt wurde, sowie die Zahl der neuen Kunden stiegen in jenem Quartal deutlich an (vgl. Empt 2004, 31).
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Varadarajan/Menon (1998) gehörten zu den ersten, die sich aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Konzept des “Cause-Related Marketing” beschäftigt haben. Sie schlugen folgende Definition vor: “Cause-related marketing is the process of formulating and implementing marketing activities that are characterized by an offer from the firm to contribute a specified amount to a designated cause when customers engage in revenue-providing exchanges that satisfy organizational and individual objectives” (Varadarajan/Menon 1998, 60).
Typische Vereinbarungen des „Cause-Related Marketings“ legen genau fest, welchen Prozentsatz des Umsatzes das Unternehmen für einen bestimmten Zweck spendet, während im Gegenzug die Empfängerorganisation der Gesellschaft das Recht einräumt, den Namen sowie das Logo (z.B. des Roten Kreuzes) für Werbezwecke zu benutzen. Wirtschaftlich handelt es sich bei der Spende oftmals um Mittel, die ansonsten für klassische Werbung ausgegeben würden. Von anderen verwandten Konzepten unterscheidet sich jenes des „Cause-Related Marketings“ vor allem in zwei Punkten, wie Koten (1997, 161) ausführt: “First, the source of its funds usually comes from the advertising or sales promotion budgets [and not from the] profits of the company, thereby allaying any shareowner concerns about spending ,their’ money. […] Second, it is directly associated with sales. This puts a premium on achieving measurable near-term results – whether they are improving revenue, number of units sold, market share, or, simply, volume”.
2.4.2 Politische Ansätze Nach den instrumentellen Ansätzen konzentrieren wir uns nun auf solche Ansätze, die Unternehmen innerhalb der politischen Arena große Macht zuschreiben. Näher beschrieben werden die Idee des „Social Contract“ (gesellschaftlicher Vertrag) und der Ansatz des „Corporate Citizenship“ (das Unternehmen als Bürger). 2.4.2.1 Gesellschaftlicher Vertrag/ Legitimationstheorie Die Idee eines “Social Contract“, eines Vertrags zwischen zwei oder mehreren gesellschaftlichen Akteuren, taucht schon sehr früh, unter anderem in den Werken der Philosophen Thomas Hobbe, John Locke oder Jean-Jacques Rousseau, auf. Heute wird der Begriff „Social Contract“ nach wie vor in der Philosophie,
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aber auch in der Politik und in der Wissenschaft verwendet. Er beschreibt ein reales oder hypothetisches Abkommen in einem Staat zwischen Institutionen, Organisationen bzw. Bürgern, oder allgemeiner formuliert, ein Abkommen zwischen einer Gruppe und ihren Mitgliedern. Zeitgenössische Erörterungen einer „Social Contract Theory“ gehen davon aus, dass individuelle Rechte und Gruppenrechte sowie individuelle Freiheiten und Gruppenfreiheiten auf solchen gesellschaftlichen Abkommen basieren würden (vgl. Khor o.A., 4 nach Rawls 1999). Aus unternehmerischer Perspektive hat sich auf Grundlage der „Social Contract“-Theorie die ebenfalls systemtheoretisch orientierte „Legitimacy Theory“ (Legitimationstheorie) entwickelt. Hierbei wird davon ausgegangen, dass das langfristige Bestehen eines Unternehmens abhängig ist davon, inwieweit es die von der Gesellschaft auferlegten Erwartungen, Grenzen und Normen einhält bzw. befolgt: “Failure to comply with societal expectations may lead to a revocation of the [erg. social] contract. The firm then risks sanctions forced upon it by society. […] In such instances whereby the society perceives that an organisation’s cost is greater than its benefits to society, the organisation effectively loses the authority to own and use natural resources and to hire employees” (Khor o.A., 5).
Im Zentrum der „Legitimacy Theory“ steht das Konzept der „licence to operate“. Dabei handle es sich um eine „Lizenz“ zum Wirtschaften, die Unternehmen von der Gesellschaft erhalten. Umgekehrt können Stakeholder der Unternehmung die „licence to operate“ auch entziehen, und zwar wenn gegen den „Social Contract“, also gegen gesellschaftliche Erwartungen langfristig verstoßen wird. Die „licence to operate“ sei also „just like money, a resource a business requires in order to operate“ (Tilling o.A., 3). Wesentlich geprägt haben die Forschung zur „Social Contract Theory“ und „Legitimacy Theory“ Donaldson und Dunfee. Die beiden Autoren gehen in ihren jüngeren Arbeiten („Integrative Social Contract Theory“) (vgl. 1999/2000) davon aus, dass sich gesellschaftliche Verträge zwischen Unternehmen und Gesellschaft in ihren Grundsätzen unterscheiden, je nachdem in welcher Kultur und zu welcher Zeit sie geschlossen würden. Außerdem heben Donaldson/Dunfee sie die Wandelbarkeit solcher gesellschaftlicher Verträge hervor: “As social contracts change, so too do the challenges for business. The ethical ,game’ of business today is played by different rules, and harbors different penalties and benefits, than it did decades ago. […] Managers and members of the general public have gradually redefined their view of the underlying responsibilities of large corporations. Half a century ago, companies were basically expected to focus on
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2 Nachhaltiges Wirtschaften producing goods and services at reasonable prices; today, corporations are held responsible for a variety of issues involving fairness and quality of life” (Donaldson/Dufee 2000, 438).
Wenn Unternehmen für Lebensqualität („quality of life“) mit in die Verantwortung gezogen werden, wird der gesellschaftliche Druck stärker, dass sie ökologische und soziale Ansprüche erfüllen, um ihre “licence to operate” behalten zu können. Solche Überlegungen seien laut Tilling (o.A., 6f) ausschlaggebend dafür, warum immer mehr Untenrhemen soziale Aspekte und Umweltaspekte in ihre öffentliche Rechenschaftslegung („Accounting“) integrieren (vgl. Tilling o.A., 6 f). 2.4.2.2 Das Unternehmen als Bürger: Corporate Citizenship Corporate Citizenship ist in der Diskussion um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ein vergleichsweise junger Begriff, der erst seit Ende der 1990er Jahre – ausgehend von den Vereinigten Staaten – breitere Verwendung gefunden hat. Der Kerngedanke besteht darin, dass Unternehmen als Teil der Gesellschaft nicht nur als wirtschaftliche Akteure fungieren, sondern auch als „Corporate Citizens“. Unter Corporate Citizenship verstehen Loew et al. (2004, 54) „das über die eigentliche Geschäftstätigkeit hinausgehende Engagement des Unternehmens zur Lösung sozialer Probleme im lokalen Umfeld des Unternehmens und seiner Standorte.“ Zentral für das Konzept des Corporate Citizenship sei die Betonung des strategischen Eigennutzens (vgl. Loew et al. 2004, 51f). Ein Unternehmen engagiere sich in der lokalen Gemeinschaft („Community“) nicht nur deswegen, weil es „gut“ sein wolle oder „Gutes“ tun wolle, sondern das Unternehmen verspreche sich „win-win“-Situationen. Gesellschaftliches Engagement ziele somit auf einen konkreten, strategischen Nutzen für das Unternehmen ab ab. “Being a good corporate citizen is rather a matter of outreaching self-interest, because managers become aware that long-term success of companies can only be ensured by linking it with the common good of its environment” (Herzig 2004, 10).
In der Literatur wird das Konzept des Corporate Citizenship häufig gleichgesetzt mit den Ansätzen „Corporate Giving“ bzw. „Corporate Volunteering“: Corporate Giving kann als Spezialform des Sponsorings betrachtet werden. Es kommt zum Beispiel zur Anwendung, wenn ein Unternehmen Geld oder Sachspenden an eine gemeinnützige Organisation spendet. Im Rahmen von Corporate Volunteering Programmen werden Mitarbeiter für soziale Dienste von ihrer Arbeit freigestellt (Backhaus-Maul 2003, 91 ff; Schout 2003, 153 ff).
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In den USA waren im Jahr 1999 56 Prozent der Erwachsenen (109 Millionen Menschen) ehrenamtlich tätig (vgl. Schout 2003). In Europa begannen Corporate Volunteering Programme zuerst in Großbritannien, dann in Deutschland. In Deutschland ergab eine Studie unter den 120 größten Unternehmen im Jahr 2004 folgendes Bild (vgl. Herzig 2004): Corporate Volunteering stecke zwar noch in den Kinderschuhen und habe eher den Charakter von einmaligen Maßnahmen. Jedoch immerhin 38 Prozent der befragten Manager hatten nach eigenen Angaben bereits Erfahrung mit Corporate Volunteering. Vier Prozent sagten, sie möchten ein solches Programm in den kommenden Jahren einführen. Davon versprachen sie sich vor allem den Nutzen, dass die sozialen Kompetenzen, die sogenannten „soft skills“, der Mitarbeiter gefördert würden, sowie dass die Motivation der Mitarbeiter und das Image des Unternehmens steige.
2.4.3 Integrative Ansätze Integrative Ansätze – wie „Corporate Social Responsibility“, „Corporate Governance“, „Social Accounting“ und „Stakeholder Management“ – betonen die wechselseitige Abhängigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Konzepte „Corporate Social Responsibility“ und „Corporate Governance“ wie auch die Stakeholder-Theorie haben in der Public Relations-Forschung zuletzt verstärkt Niederschlag gefunden (vgl. z.B. L’Etang 2006; May 2008; Karmasin 2008). Da die Begriffsverwendung aber bisher oft wenig reflektiert erscheint, wird auf diese Konzepte nun genauer eingegangen, und Bezugspunkte zu „unternehmerischer Nachhaltigkeit“ werden herausgearbeitet. 2.4.3.1 Corporate Social Responsibility: Eine „Konzept-Familie“ Die praktische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Idee, dass Unternehmen freiwillig eine soziale Verantwortung in der Gesellschaft („Corporate Social Responsibility“) übernehmen, hat eine facettenreiche Geschichte (vgl. Furrer/Sampietra 2007, 4). Schon in der Zwischenkriegszeit haben einzelne Unternehmen vor allem in den USA erkannt, dass sie soziale Maßnahmen in ihre Geschäftstätigkeit proaktiv integrieren müssen, um strengere, von der Politik aufgesetzte Rechtsbestimmungen in diese Richtung zu verhindern. Parallel dazu entwickelte sich in den USA eine wissenschaftliche Debatte um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Noch heute stammen die führenden Forscher aus den USA, wie Archie B. Carroll (vgl. 1991; 1999; 2006), Sandra Waddock (vgl. 2002; 2003) oder Donna J. Wood (vgl. 1991).
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Es werden nun zuerst einige Definitionen von „Corporate Social Responsibility“ (CSR) vorgestellt. Sodann werden ausgewählte Ansätze der jüngeren Forschung aufgegriffen, um zu zeigen, dass es genaugenommen nicht das eine CSR-Konzept gibt, sondern mehrere. Aus diesem Grund erscheint es mir passend, von einer „Konzept-Familie“ zu sprechen. Schließlich erfährt der Leser, warum ich mich in dieser Arbeit für „unternehmerische Nachhaltigkeit“ als Trägerkonzept entschieden haben und nicht für das Konzept der „Corporate Social Responsibility“. Definitorische Vielfalt Eine allgemein anerkannte Begriffsklärung für den Ausdruck „Corporate Social Responsibility“ gibt es bis heute nicht. Zu viele unterschiedliche Inhalte und Auslegungen von CSR wurden bereits diskutiert. In seiner breitesten Auslegung bezieht sich der Begriff heute auf die Rolle des Unternehmens in der Gesellschaft, wobei CSR-Aktivitäten meist freiwilliger Natur sind und nicht gesetzlich vorgeschrieben. In engerer Auslegung wird CSR heute als die soziale Komponente der unternehmerischen Nachhaltigkeit interpretiert (vgl. Willums 1998, 26). Weit gefasst ist die CSR-Definition in einem aktuellen “Green Paper” der Europäischen Kommission, wo „Corporate Social Responsibility“ beschrieben wird “as a concept whereby companies integrate social and environmental concerns in their business operations and in their interaction with their stakeholders on a voluntary basis“ (Europäische Kommission 2001, 5).
Ähnlich liest sich die Definition der Arbeitsgruppe „Corporate Social Responsibility“ des Public Relations Verbands Austria (PRVA): „CSR kann [...] als Ansatz verstanden werden, der gesellschaftliche Beziehungen so organisieren will, dass sich unternehmerisches Handeln aus eigenem Antrieb und zum eigenen Vorteil an gesellschaftlichen Wertehaltungen ausrichtet“ (PRVA 2005, 2).
Eine andere, enger gefasste Definition stammt vom „World Business Council on Sustainable Development” (WBCSD 2000, 10), das sich in seiner inhaltlichen Konkretisierung explizit auf das Nachhaltigkeitsprinzip bezieht: “Corporate Social Responsibility is the commitment of business to contribute to sustainable economic development, working with employees, their families, the local community and society at large to improve their quality of life.”
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Dem WBCSD zufolge ist soziale Verantwortung also die „dritte Säule“ des nachhaltigen unternehmerischen Handelns, neben wirtschaftlichem Wachstum und ökologischem Gleichgewicht. Die „CSR-Familie“ Bei genauerer Betrachtung der wissenschaftlichen Literatur wird klar: Das eine CSR-Konzept gibt es nicht. Vielmehr haben sich verschiedene Autoren jeweils aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Thema „Corporate Social Responsibility“ beschäftigt. Drei vielzitierte Beispiele werden nun herausgegriffen: 1. 2. 3.
den konzeptiv-orientierten Ansatz der CSR-Pyramide (Carroll 1999) den evaluationsorientierten Ansatz der Corporate Social Performance (Wood 1991) den historisch-orientierten Ansatz der CSR-Entwicklungsmodelle (Frederick 1987)
Carroll (1999, nach Snider/Hill/Martin 2003, 176) identifiziert in seiner „CSRPyramide“ vier Ebenen von Corporate Social Responsibility: Ökonomie, Recht, Ethik und Philanthropie (siehe Abbildung 11). Die ökonomische Komponente bezieht sich auf die existentielle Verantwortung des Unternehmens, Gewinne und Wachstum zu erzielen. Die rechtliche Komponente bezieht sich auf die Befolgung der Gesetze als Voraussetzung für das langfristige Bestehen des Unternehmens. Die ethische Komponente meint die Verpflichtung, die Rechte von anderen zu respektieren und gesellschaftlichen Erwartungen zu entsprechen. Die Dimension Philanthropie schließlich bezieht sich auf die Verantwortung hinsichtlich des lokalen Umfeldes, in dem der Betrieb tätig ist. Demnach kann sozial verantwortliches Unternehmenshandeln verstanden werden als „continuum from what is required to what is expected to what is desired“ (Freitag 2005, 39).
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Abbildung 11: The Pyramid of Corporate Social Responsibility (Carroll 1991, 39ff)
Stärker praxisorientiert ist ein Ansatz von Donna J. Wood (vgl. 1991), der ebenfalls der „CSR-Familie“ zuzuordnen ist, nämlich das Konzept „Corporate Social Performance“ (CSP). Es bietet Richtlinien zur Evaluation von CSR und versteht sich als „assessment tool […] helpful in pointing scholars and practitioners alike at the policies, processes, and performance arenas that must be evaluated to assess social responsibility” (Waddock 2003, 12). Konkret schlägt Wood (vgl. 1991, 694ff) vor, die „Corporate Social Performance“ eines Unternehmens anhand verschiedener Kriterien auf drei Ebenen zu beurteilen: Eine Ebene bezieht sich darauf, ob bzw. wie umfassend das Unternehmen verschiedene CSRPrinzipien (z.B. moralisches Handeln der Führungskräfte, Verantwortungsübernahme in der Gesellschaft etc.) verfolgt. Eine zweite Ebene bezieht sich darauf, ob und wie umfassend das Unternehmen verschiedene mit CSR verbundene Prozesse (zb Issues Management, Stakeholder Management, Umweltzertifizierung etc.) in Gang gesetzt hat. Die dritte Ebene schließlich bezieht sich auf die CSR-relevanten Resultate unternehmerischen Handelns (z.B. tatsächliche Auswirkungen auf das lokale Umfeld, Programme für Mitarbeiter etc.). Eine historische Richtung schlägt Frederick (1987) mit seiner Anlayse verschiedener CSR-Ansätze ein: Er zeichnet die wissenschaftlichen Schwerpunkte in der Auseinandersetzung mit CSR nach, indem er vier Entwicklungsmodelle – CSR1 bis CSR4 – beschreibt. CSR1 („Corporate Social Responsibility“) basiert auf den Prinzipien Wohltätigkeit („Charity“) und Verantwortung („Stewardship“) und geht davon aus, dass unter dem Druck von Aktivisten Unternehmen freiwillig Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen, gleichsam als anti-
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zipative Strategie gegen die zunehmende Regulierungspolitik in den USA in der Mitte des 20. Jahrhunderts (vgl. Waddock 2003, 28 f, nach Frederick 1987). In der Unternehmenspraxis entstanden Maßnahmen wie Partnerschaften, Community Relations, Philanthropieprogramme etc. Seinen ursprünglichen CSR-Ansatz (CSR1) ergänzte Frederick durch das Konzept CSR2 („Corporate Responsiveness“), das die aktive Einflussnahme des Unternehmens auf sein gesellschaftliches Umfeld in den Mittelpunkt stellt und dem Unternehmen eine „boundary-spanning function“ zuschreibt. Betriebe sollten demnach nicht nur auf Einflüsse aus der Gesellschaft reagieren, sondern auch aktiv auf die Stakeholder zugehen, um damit gesellschaftliche Probleme oder Ereignisse besser steuern zu können (vgl. Loew et al. 2004, 22). Der praktische Aspekt des „Wie“, mit welchen Methoden und Managementinstrumenten eine solche aktive Steuerung erfolgen kann, steht im Mittelpunkt des Corporate Responsiveness-Ansatzes. CSR2 geht somit über CSR1-Ansatz hinaus und befasst sich mit konkreten Managementinstrumenten für den Umgang mit externen Stakeholdern, z.B. Issues Management, Public Affairs, Corporate Giving, Corporate Volunteering, etc. Ende der 1980er Jahre, als sich Unternehmen und Wissenschaft verstärkt mit dem Themenfeld der Unternehmensethik auseinandersetzten, entwickelte Frederick das Konzept CSR3 („Corporate Social Rectitude“), welches allerdings weder in der Unternehmenspraxis noch in der Wissenschaft tiefergreifende Berücksichtigung fand. Laut Frederick sollte durch ethische Entscheidungsfindungsprozesse, durch unternehmerische Verhaltensregelen („Codes of Conducts“) und durch die Diskussion von Unternehmenswerten eine Abkehr von der Konzentration auf das ökonomische Selbstinteresse erreicht werden (vgl. Waddock 2003, 13). CSR 4 („Cosmos, Science and Religion“) schließlich – ein Konzept das Frederick erst 1998 entwarf – soll die Bedeutung der einzelnen Unternehmen relativieren. Stattdessen stellt es die naturwissenschaftlichen Dimensionen bei der Entwicklung gesellschaftlicher Institutionen in den Vordergrund. Auch dieses Konzept erlangte weder in der theoretischen Debatte noch in der unternehmerischen Praxis große Bedeutung. Positionierung von „Corporate Social Responsibility“ im stipulativen Begriffsverständnis dieser Arbeit Vor dem Hintergrund dieser Arbeit stellt sich nun die Frage: Worin unterscheiden sich die Konzepte „unternehmerische Nachhaltigkeit“ und „Corporate Social Responsibility“? Handelt es sich um „zwei Seiten“ derselben „Medaille“, um „two sides of the same coin“ (Hopkins 2000)? Ich gehe davon aus, dass beide
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Konzepte sehr eng miteinander verknüpft sind. Jedoch halte ich unternehmerische Nachhaltigkeit für das breitere und damit für die Zielsetzungen dieser Arbeit besser geeignete Konzept. Ich möchte unternehmerisches Nachhaltigkeitsstreben als Voraussetzung für CSR-Programme verstehen. Deshalb wird in der von mir vorgeschlagenen Begriffssystematik (vgl. Kapitel 2.5) die CSRKonzeptfamilie auch unter den Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeit subsummiert. Dies wird durch folgende drei Argumente begründet: Erstens, das Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit bezieht sich explizit auf den langfristigen Erhalt und Fortbestand des Unternehmens, während bei CSR-Programmen eher „kurfristige, geringfügige und isolierte Aktivitäten“ (Hansen/Schrader 2005, 376) im Vordergrund stehen. Steurer et al. (2005, 274) bringen diese unterschiedliche zeitliche Ausrichtung der beiden Ansätze folgendermaßen zum Ausdruck: “While the societal concept of SD [erg. sustainable development of companies] is covering a time-span of several generations […], CSR is more or less implicitly about meeting the demands of (primary or key) stakeholders today in order to secure resources which are vital for the company’s performance in the near future.”
Zweitens spricht der Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeit eher die Sprache des Managements. CSR bezieht sich zumeist auf freiwillige Aktivitäten (vgl. Severin 2005, 72). Unternehmerische Nachhaltigkeit geht jedoch über das Credo, „freiwillig Gutes zu tun“ hinaus. Es kann als Management-Ansatz betrachtet werden, wobei Ressourceneffizienz und langfristiger Erfolg im Vordergrund stehen. Ansätze des Nachhaltigkeitsmanagements sind auch bereits in den unternehmerischen Alltag vieler Konzerne eingeflossen (vgl. Kapitel 2.7). Was aus Unternehmenssicht unter den Begriff CSR fällt, beschränkt sich hingegen häufig auf einzelne Projekte bzw. Programme. Drittens gehe ich davon aus, dass der Ausdruck der unternehmerischen Nachhaltigkeit auf Deutsch weniger begriffliche Unschärfe aufweist als der Ausdruck „Corporate Social Responsibility“. Unternehmerische Nachhaltigkeit bezieht sich explizit auf die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Der Ausdruck „Corporate Social Responsibility“ hingegen sorgt aus linguistischer Sicht für Unsicherheit23. Im Deutschen wird er allzu oft übersetzt mit dem Ausdruck „soziale Verantwortung von Unternehmen“. Diese Übersetzung ist jedoch 23
Andriof und McIntosh (vgl. 2001, 15) beschäftigten sich aus linguistischer Sicht mit dem Begriff der sozialen Verantwortung. Sie erkennen die Mehrdeutigkeit des Begriffes und schlagen vor, von „societal responsibility“ (gesellschaftliche Verantwortung) bzw. „societal accountability“ (Rechenschaft der Gesellschaft gegenüber) zu sprechen, um eine Einschränkung auf soziale Themen im engeren Sinne zu vermeiden. Ebenfalls aus sprachlichen Gründen schreiben andere Autoren nur noch von „Corporate Responsibility“.
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unpräzise. Denn im Deutschen bezieht sich das Adjektiv „sozial“ eher auf die humane Umwelt, also auf Mitmenschen und Mitarbeiter, und somit eher auf die soziale Dimension der Nachhaltigkeit (vgl. Loew 2004). Geeigneter wäre die Übersetzung „gesamtgesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“. Diese hat sich aber in der deutschsprachigen Literatur (wohl wegen ihrer Kompliziertheit) bisher nicht durchgesetzt. Aufgrund dieser Überlegungen möchte ich Corporate Social Responsibility bzw. genaugenommen CSR1, CSR2 und Corporate Social Performance in der Begriffssystematik dieser Arbeit als Komponenten des breiteren Nachhaltigkeitskonzeptes verstehen. Sie steuern einerseits wichtige normative, andererseits umsetzungsorientierte Komponenten bei. So liefert CSR1 ethische Argumente, warum Unternehmen einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung anstreben sollen (vgl. Wilson 2003, 3). CSR2 beschäftigt sich mit Umsetzungsmöglichkeiten und Instrumenten, etwa Corporate Giving und Corporate Volunteering (vgl. Geserick et al. 2006, 9 ff). Der Ansatz der Corporate Social Performance legt den Schwerpunkt auf Evaluationsmöglichkeiten. Eine zusammenfassende grafische Darstellung, inwiefern die einzelnen Ansätze zum „Dachkonzept“ der unternehmerischen Nachhaltigkeit beitragen, erfolgt in Abbildung 16. 2.4.3.2 Rechenschaftslegung gegenüber der Gesellschaft („Social Accounting“) Die Idee der unternehmerischen Rechenschaftslegung gegenüber der Gesellschaft bezieht sich darauf, dass Unternehmen nicht nur über ihren Umgang mit finanziellem Kapital, sondern auch über ihren Umgang mit sozialem und natürlichem Kapital (vgl. Dyllick/Hockerts 2002, 132ff) Rechenschaft ablegen müssen, meist in Form von schriftlichen Berichten. Rasche/Esser (2006, 252) definieren unternehmerische Rechenschaftslegung “as the readiness or preparedness of an organization to give an explanation and a justification to relevant stakeholders for its judgements, intentions, acts, and omissions. […] Accountability thus entails a mechanism of effective control by customers, citizens and beneficiaries allowing an evaluation of the private or public good provided. […] Consequently, accountability also presupposes responsibility in the sense of being willing to accept judgments, acts, and omissions as one’s own burden.”
In der Literatur umfasst der Begriff „Social Accountability“ sowohl Rechenschaftslegung auf freiwilliger Basis wie auch Rechenschaftslegung auf rechtlich vorgeschriebener Basis. Rechtlich vorgeschriebene Rechenschaftslegungspflicht besteht in der Regel gegenüber den Anteilseignern. Das Unternehmen muss offen legen, wie das zur Verfügung gestellte Kapital eingesetzt wurde und wie
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sich der „Return on Investment“ entwickelt. Andere, wenn auch oftmals nicht rechtlich vorgeschriebene Rechenschaftspflichten ergeben sich durch die Beziehungen des Unternehmens zu nicht-finanziellen Stakeholdern. So müssen Betriebe, welche beispielsweise Umweltgenehmigungen für den Bau von Anlagen bekommen haben, nachweisen, dass die Auflagen tatsächlich erfüllt werden. Noch keine umfassenden rechtlichen Vorschriften gibt es in den meisten Ländern zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (vgl. Kapitel 5.5.2.3). Soziale und ökologische Aspekte des Wirtschaftens offenzulegen, ist schwierig, denn unter rein monetären Gesichtspunkten sind sie oft schwer zu erfassen (vgl. Norman/MacDonald 2003). Rasche/Esser (vgl. 2006, 253) schlagen vor, die Rechenschaftslegung als Prozess zu begreifen, der drei Stufen zu durchlaufen hat: 1. 2. 3.
Accounting: Issues identifizieren, Indikatoren für qualitative Entwicklungen festlegen, Performance-Ziele definieren und evaluieren Auditing: externe oder interne Verifikation der evaluierten Daten Reporting: Daten kommunizieren (meist in Form von Berichten), Feedback einholen, Verbesserung.
Als Umsetzungshilfen für gesellschaftliche Rechenschaftslegung wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Leitfäden und Standards entwickelt. Diese sollen Unternehmen helfen, die für sie relevanten, nachhaltigkeitsrelevanten Anforderungen zu definieren. Diese Standards, z.B. Social Accountability 8000 (Schwerpunkt auf interne Nachhaltigkeit und Mitarbeiter), Global Reporting Initiative GRI (Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsberichterstattung), ISO 14001 und Environmental Management and Audit Scheme EMAS (Schwerpunkt auf Umweltthemen), unterscheiden sich
in ihrem Umfang (global, regional, lokal) in ihrer Fokussierung (breit ausgerichtet, auf eine bestimmte Branche spezialisiert, auf ein bestimmtes Thema konzentriert), bzw. in ihrer Zielsetzung (Prozessevaluation als Ziel, Performanceevaluation als Ziel, Zertifizierung als Ziel).
Eine Übersicht über solche Standards bietet Abbildung 12 (vgl. Waddock/ Bowes/Graves 2002, 137).
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Auswahl verschiedener Standards Codes and Principles CERES Prinziples (Coalition for Environmentally Responsible Economies) ISO 14000 and 14001 Responsible Care Principles Labor Standards and Principles International Labour Organization's (ILO) Fundamental Principles ILO Conventions ILO's Tripartite Declaration of Principles Concerning Multinational Enterprises and Social Policy Fair Labor Association Guidelines Human Rights Standards and Principles UN Declaration on Human Rights and the Environment UN International Convention on Economic, Social and Cultural Rights
General Business Principles, Standards and Standard-Setting Bodies The UN's Global Compact OECD Guidelines for Multinational Enterprises American Apparel Manufacturers Association Caux Principles Clarkson Principles of Stakeholder Management Anti-Corruption Conventions OECD 1997 Convention on Combating Bribery of Foreign Officials in International Business Transactions Transparency International Core Principles and Integrity System
Abbildung 12: Auswahl von Standards, Codes und Prinzipien zur unternehmerischen Verantwortung (eigene Darstellung in Anlehnung an Waddock/Bowes/Graves 2002, 137)
Im Lichte dieser Arbeit erscheint es besonders interessant, dass das internationale Normungsinstitut ISO (International Organization for Standardization)
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bereits seit 2005 daran arbeitet, einen eigenen Standard für „Social Responsibility“ (ISO 26000) zu entwerfen. Das Ziel des ISO 26000 Prozesses ist es, ein Leitdokument zu erstellen, das in einfacher und verständlicher Sprache verfasst ist und auch von Nicht-Spezialisten verstanden werden kann – und dennoch CSR in seiner ganzen Komplexität erfasst. Der Standard soll von Unternehmen jeder Größe und in Ländern mit unterschiedlichem Entwicklungsstand anwendbar sein und sie bei der Umsetzung von CSR unterstützen (vgl. Konrad 2006). Jedoch handelt es sich nicht um einen verpflichtenden Zertifizierungsstandard, sondern um einen freiwilligen Standard “to encourage voluntary commitment to social responsibility” (ISO 2008). Bis zum Jahr 2010 soll der Standard, an dem 225 Experten aus 43 Ländern und 80 Personen aus internationalen Organisationen wie der ILO (International Labor Organization), WHO (Weltgesundheitsorganisation) und UNIDO (United Nations Industrial Development Organization) mitarbeiten, fertiggestellt werden. 2.4.3.3 „Corporate Governance“ und freiwillige Verhaltensregeln („Codes of Conduct“) „Corporate Governance“24 meint jene unternehmerischen Regeln, welche die Beziehung zwischen Managern und Stakeholdern (allen voran Shareholdern) einer Unternehmung bestimmen. Es geht also um die „Funktionsweise der Leitungsorgane eines Unternehmens, ihre Zusammenarbeit und die Kontrolle ihres Verhaltens“ (Konrad 2006). Der Begriff „Corporate Governance“ ist trotz seiner weiten Verbreitung noch vergleichsweise jung. Er wird auch im Englischen erst seit den frühen 1990er Jahren verwendet. Prinzipien und Regeln zur Umsetzung von „Good Corporate Governance“ wurden bisher von Institutionen, Ländern sowie einzelnen Unternehmen ausgearbeitet: Die OECD (Organization for Economic Cooperation and Development) gab 1999 erstmals Richtlinien heraus, die laufend überarbeitet werden und mittlerweile als internationale Benchmark gelten (vgl. OECD 2004). Der österreichische Corporate Governance Kodex besteht seit 2002 und erschien Anfang 2006 in einer überarbeiteten Fassung. Er soll österreichischen Aktiengesellschaften einen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung des Unternehmens zur Verfügung stellen. In der Präambel heißt es: „Der Kodex verfolgt das Ziel einer verantwortlichen, auf nachhaltige und langfristige Wertschaffung ausgerichteten Leitung und Kontrolle von Gesellschaften und 24
Im Deutschen wird der englische Ausdruck „Corporate Governance“ zumeist beibehalten. Falls er doch übersetzt wird, dann mit Begriffen wie „Unternehmensverfassung“, „Strukturregelungen des Unternehmens“ oder „Leitungsstruktur eines Unternehmens“.
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Konzernen. Mit dieser Zielsetzung ist den Interessen aller, deren Wohlergehen mit dem Erfolg des Unternehmens verbunden ist, am besten gedient. Mit dem Kodex wird ein hohes Maß an Transparenz für alle Stakeholder des Unternehmens erreicht“ (Österreichischischer Corporate Governance Kodex 2006, 1).
Der Kodex richtet sich vorrangig an börsennotierte Aktiengesellschaften. Es wird empfohlen, dass sich auch nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften daran orientieren, soweit die Regeln auf diese anwendbar sind. Geltung erlangt der Österreichische Corporate Governance Kodex durch freiwillige Selbstverpflichtung. Alle börsennotierten Gesellschaften sind aufgerufen, sich durch eine öffentliche Erklärung (meist in den Geschäftsberichten) zur Beachtung des Kodex zu verpflichten und die Einhaltung der einzelnen Regelungen freiwillig durch eine externe Institution evaluieren zu lassen. Insgesamt umfasst der österreichische Kodex in der Fassung aus dem Jahr 2006 80 Regeln: 29 davon beruhen auf Rechtsvorschriften und sind damit verbindlich. 45 Regeln sollen eingehalten werden, wobei eine Abweichung erklärt und begründet werden muss. Sechs Regeln haben Empfehlungscharakter, wobei eine Nichteinhaltung weder offenzulegen noch zu begründen ist. Kritisch angemerkt wird häufig, dass einige Punkte nicht verbindlich vorgeschrieben, sondern nur empfohlen werden. Zum Beispiel ist im österreichischen Kodex auch in der jüngsten Fassung die Aufschlüsselung der Vorstandsgehälter, welche aktuell im deutschsprachigen Raum aber auch international ein viel diskutiertes Thema sind, nicht verbindlich, sondern nur eine Empfehlung. Trotz solcher Kritikpunkte gewinnt der Kodex zunehmend an praktischer Bedeutung für die heimische Wirtschaft. Zu Jahresbeginn 2006 orientierten sich bereits rund 90 Prozent der im Prime Market der Wiener Börse notierten Unternehmen an diesen Verhaltensregeln. Eine Studie aus dem Jahr 2003 hatte noch ergeben, dass sich damals erst 47 Prozent der Prime Market-Unternehmen zur Einhaltung des Kodex verpflichtet hatten (Österreichischer Arbeitskreis für Corporate Governance 2006). Zusätzlich zu den länderweiten Codices haben sich zahlreiche Unternehmen auch selbst bereits individuelle Regeln auferlegt. Meist geschieht das in Form eines „Corporate Code of Conduct“ oder eines „Code of Ethics“, einer freiwilligen Selbstverpflichtung zu unternehmens- bzw. branchenspezifischen Verhaltensregeln. Gegenstand solcher Verhaltenscodizes sind oft Arbeitsverhältnisse, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Mindestlöhne, Diskriminierungsverbote, Ausschluss von Kinderarbeit, Qualitätsstandards, Umweltstandards, Sicherheitsstandards, Produktsicherheit, Bekenntnis zu freiwilliger Publikation von Umwelt- und Sozialdaten etc.
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Im Jahr 2003 hatten bereits 60 Prozent der FTSE350 Unternehmen25 einen spezifischen „Code of Conduct“ erarbeitet, wie Webley/Le Jeune (2004) in ihrer Studie „Corporate Use of Codes of Ethics“ im Auftrag des “Institute of Business Ethics“ (IBE) zeigen. Das Thema Nachhaltigkeit findet in vielen dieser Codes Berücksichtigung. Ein Beispiel dafür ist der „Code of Conduct“ des multinationalen Konzerns Dow Chemicals in Abbildung 13: Fundamental to our success are the values we believe in and practice. We want to achieve financial, environmental, and social excellence in all parts of the world where we do business. We will make continuous progress toward our vision by adhering to the following set of Sustainable Development Guiding Principles: Measurement and Transparency We will report our progress in an open and transparent manner. Eco-Efficiency We will create shareholder value by designing our products and operating our facilities to reduce material content, natural resource use, and energy requirements, while maximizing their service life through sound reuse and recycling activities. Local Versus Dow Standards Our products and operations will meet applicable government or Dow environmental, health, and safety standards, whichever is more stringent. Product Stewardship We will endorse, fulfill and promote the Responsible Care® Guiding Principles and Codes of Management Practices world-wide and promote their application by sharing experiences and supporting the efforts of our suppliers and customers to understand and continuously improve the full life-cycle impacts of our products and services. Stakeholder Partnerships and Dialogue We will seek inputs and promote partnerships between industry, government, non-government organizations, communities and other key stakeholders to focus on responsible solutions to common problems and concerns. Eco-System Integrity We will understand and respect the limits to the regenerative capacity of eco-systems and protect valued areas of recognized ecological and cultural significance. Employee and Public Outreach We will enhance the human potential of our employees through education and training. We will contribute to the development of public policy, and to business, governmental and non-governmental initiatives, which lead to progress in sustainable development. Equity and Quality of Life We will create shareholder value through environmentally sustainable economic development, social equity and ethical behavior.
Abbildung 13: Der Code of Conduct von Dow Chemicals (vgl. Dow Chemicals o.A.)
25
Der FTSE 350 Index ist ein britischer Aktienindex, der die 350 größten an der Londoner Börse gehandelten Aktien umfasst.
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Kritisiert wird an solchen freiwilligen Verhaltensregeln häufig, dass Unternehmen bloß darauf abzielen würden, die Erstellung gesetzlicher, unfreiwilliger Regeln abzuwenden. Die unternehmerischen „Codes of Conduct“ seien vage definiert, stellen meist eine Vision des Top-Managements dar und würden zu wenig implementiert. Stakeholder würden nicht in die Erstellung der Verhaltensregen mit einbezogen, und die Überprüfung der Einhaltung der Richtlinien sei meist gar nicht oder zumindest nicht in unabhängiger Form gegeben (vgl. Bondy/Matten/Moon 2007, 171). Befürworter von freiwilligen Verhaltensregeln halten dem entgegen, dass Selbstverpflichtungen besser auf die jeweilige Ausgangssituation in einer Branche oder in einem Unternehmen und den sich daraus ergebenden Ansprüchen anzupassen seien als starre gesetzliche Richtlinien. Positionierung von „Corporate Governance“ im stipulativen Begriffsverständnis dieser Arbeit Das Konzept „Corporate Governance“ weist einige Schnittstellen mit dem Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit auf, in zwei Punkten unterscheiden sich die beiden Ansätze meiner Meinung nach aber deutlich: Erstens steht bei „Corporate Governance“ das wechselseitige, innere Verhältnis zwischen den Eigentümern eines Unternehmens und dessen Geschäftsleitung im Mittelpunkt, während das Nachhaltigkeitsdenken auch die Beziehungen zu externen, nicht-finanziellen Stakeholdern berücksichtigt. Zweitens setzt sich der „Corporate Governance“-Ansatz vor allem mit Anreiz- und Kontrollstrukturen auseinander, um Fehlverhalten des Managements zu vermeiden (vgl. Konrad 2006), während unternehmerische Nachhaltigkeit proaktive Verbesserung und eine prozessorientierte Sicht anstrebt. In ihrer Publikation „Corporate Governance and Sustainability“ beschäftigen sich Benn/Dunphy (vgl. 2007) explizit mit der Frage, „how corporate governance can help to deliver sustainability?“ Die Autoren gehen davon aus, dass es neue Formen der Unternehmensführung brauche, um unternehmerisches Handeln auf Nachhaltigkeitsprinzipien abzustimmen. Eine rein hierarchische, auf Kontrolle ausgerichtete „top-down“-Führung sei kontraproduktiv. Stattdessen brauche es ein Umschwenken in Richtung eines partizipativen Führungsstils: “Governance systems that can address sustainability criteria must have the capacity to respond to differences in power and access to resources between and within stakeholder groups and to enable inclusive decision-making. [...] Sustainable corporations are likely to be less mechanistic and hierarchical, more holistic in their management planning and to have more networking-based multidirectional information flows and feedback mechanisms fostering reflexive management” (Benn/ Dunphy 2007, 2ff).
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Im Rahmen der „Corporate Governance“-Diskussion stellt sich die Frage, inwieweit “Codes of Conduct“ das Nachhaltigkeitshandeln eines Unternehmens unterstützen bzw. vorantreiben können. In ihrer Untersuchung von „Codes of Conduct“ von 50 multinationalen Unternehmen mit Hauptsitzen in Kanada, Großbritannien und Deutschland (Forschungsfrage: „Can codes encourage corporations to act sustainably?“) kommen Bondy/Matten/Moon (vgl. 2007, 177ff) zum Schluss, dass lange nicht alle, aber einige der untersuchten Codes sehr wohl exzellente Beispiele dafür seien, wie Unternehmen Nachhaltigkeitsthemen im Rahmen von freiwilligen Richtlinien vorantreiben können. Codes alleine könnten aber das Unternehmenshandeln nicht verändern: “Codes provide one way of helping corporations understand the complexities of sustainability, and act as a guide for awareness and implementation of these issues. […But] codes themselves cannot change a corporation’s behaviour”(Bondy/Matten/ Moon 2007, 179).
2.4.3.4 Stakeholder Management: Instrumentelle Perspektive der Stakeholder- Theorie Wem gegenüber sind Unternehmen verantwortlich? Die vielschichtigen Antworten auf diese Frage wurden oben bereits im Rahmen des „Shareholder Value“-Ansatzes skizziert. Während das Shareholder-Denken darauf ausgerichtet ist, dass Unternehmen in erster Linie für ihre Finanzgeber Wert zu schaffen haben, streicht der Stakeholder-Ansatz eine Reihe von zu berücksichtigenden Stakeholdegruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen hervor. Der StakeholderAnsatz wird nun zuerst aus der instrumentellen Perspektive des StakeholderManagements betrachtet, bevor im Rahmen der ethischen Ansätze der Stakeholder-Ansatz aus normativer Perspektive beschrieben wird. Populär wurde das Stakeholder-Denken in der Managementliteratur durch Edward Freeman (1984) und seine Publikation „Strategic Management: A Stakeholder Approach“, die als Basiswerk des Stakeholder Managements gilt, sowie durch Archie B. Carroll (1989) und sein Buch „Business & Society: Ethics and Stakeholder Management“, das mittlerweile in der 5. Auflage (vgl. Carroll 2005) erschienen ist. Freemans Kernthese ist, dass intensive Beziehungen zu Stakeholdern die Voraussetzung seien für Vertrauen, Respekt und Kooperation. Stakeholderbeziehungen würden die Erreichung der Geschäftsziele erleichtern und somit einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Unter dem Begriff Stakeholder versteht Freeman dabei „any group or individual who can affect or is affected by the achievement of the organization’s objectives.“
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Freeman beschäftigte sich damit, wie Unternehmen die Beziehungen zu Stakeholdern stärken könnten und ortet hierbei Herausforderungen vor allem im Hinblick auf Stakeholder-Identifikation und Stakeholder-Management-Strategien. Zur Identifikation von Stakeholdern liefert die Literatur aus der Betriebswirtschaftslehre (jene mit kommunikationswissenschaftlichem Fokus wird erst in Kapitel 3 präsentiert) verschiedene Ansätze: Manche Autoren sind der Meinung, dass es – wenn das Stakeholder-Konzept bedeutungsvoll sein soll – auch „nichtStakeholder“ geben müsse, und ein Weg gefunden werden müsse, Stakeholder und „nicht-Stakeholder“ voneinander zu unterscheiden. Andere Autoren schlagen vor, jedes Individuum (alle Menschen, auch Tiere und Pflanzen) als Stakeholder zu betrachten. Wiederum andere (vgl. Janisch 1992, 4; Zimmermann 1998, 3) betrachten als Stakeholder nur solche Personengruppen, die ein Anliegen („stake“) haben bezüglich der Unternehmensaktivitäten. Neben der Stakeholderdefinition ist die nächste Herausforderung an Unternehmen, Strategien zur Umsetzung des Stakeholderkonzeptes zu entwerfen. Dies gestaltet sich als schwierig, da verschiedene Zielgruppen oftmals verschiedene Ziele, Prioritäten und Ansprüche haben. Haksever, Chaganti und Cook schufen ein Modell (vgl. 2004, 292 ff), welches helfen soll, die Auswirkungen von Unternehmensentscheidungen auf verschiedene Stakeholder zu verstehen. Sie gehen davon aus, dass Unternehmen für Stakeholder entweder Wert schaffen oder Wert vernichten können: Finanzieller Wert bzw. im negativen Sinne Kosten wirken sich durch einen kurzzeitigen monetären Effekt auf die Stakeholder aus. Nichtfinanzielle Auswirkungen sind jene, die keine unmittelbare finanzielle Relevanz besitzen (z.B. Auswirkungen durch Mitarbeiterfortbildung, Umweltgestaltung). Die zeitliche Komponente hat drei Subdimensionen, nämlich Geschwindigkeit des Zugangs zu Vorteilen, Zeitersparnis und Ausweitung des Zeithorizonts, während dem sich die Vorteile auswirken (vgl. Haksever/Chaganti/Cook 2004, 295). Für verschiedene Stakeholder haben die Dimensionen jeweils verschiedene Ausprägungen. So ist es für den Shareholder von finanziellem Wert, wenn die Firma Profit macht, was beispielsweise durch die Entwicklung neuer Produkte, erhöhte Kundenloyalität oder bessere Qualität oder Effizienz geschehen kann. Nichtfinanzieller Wert entsteht für den Shareholder beispielsweise dadurch, dass er aufgrund finanzieller Sicherheit ein angenehmes Leben führen kann, oder dass er stolz auf seinen Anteil am Unternehmen sein kann. Zeitliche Vorteile ergeben sich für Shareholder durch Langzeitinvestitionen des Unternehmens in neue Technologien, durch zeitintensiven Beziehungsaufbau zu Kunden etc. Für Mitarbeiter bedeutet eine Lohnerhöhung, bessere Versicherungen oder Pensionen, Firmenfahrzeuge etc. eine finanzielle Wertsteigerung. Außerfinanziell kann sich
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für sie der Wert durch eine angenehme, sichere, kooperative Arbeitsplatzgestaltung, herausfordernde Aufgaben, Schulungen, Freizeitangebote wie Fitnessraum etc. steigern. Entlang der Zeitlinie wirken sich für sie Jobsicherheit, Karriereaufstiegsaussichten etc. positiv aus. Aus der obigen Analyse der Bedürfnisse der beiden Stakeholdergruppen Mitarbeiter und Shareholder ist schon zu erkennen, dass sich für das Unternehmen Konflikte ergeben können, welche Anliegen es zu priorisieren hat. Haksever/Chaganti/Cook (2004) erstellen diesbezüglich fünf Szenarios von Managemententscheidungen: (1) Sie schaffen Wert für eine oder mehr Stakeholder Gruppen ohne negative Auswirkungen auf andere Gruppen: z.B. restriktive, die Kreativität einschränkende Arbeitsvorschriften werden eliminiert. Das kann die Zufriedenheit und Produktivität der Mitarbeiter erhöhen, was wiederum aus Shareholdersicht positiv ist, aber keine anderen Gruppen betrifft. (2) Sie schaffen Wert für eine oder mehr Gruppen, aber zerstören Wert für eine oder mehr der anderen Gruppen: z.B. wenn der Preis von Produkten erhöht wird, wirkt sich das eventuell (kurzfristig) positiv aus für die Shareholder, aber negativ für die Kunden. (3) Sie zerstören Wert für eine oder mehr Gruppen ohne positive Auswirkungen auf andere: z.B. wenn ein Lieferantenvertrag gekündigt wird, erhöht das die Unsicherheit für den Lieferanten und wirkt sich womöglich auch auf anderen Gruppen negativ aus. (4) Sie zerstören Wert für alle Gruppen: z.B. unethisches oder ineffektives Managementverhalten. (5) Sie schaffen Wert für alle Gruppen: z.B. Entscheidungen, die dazu führen, die Qualität der Produkte oder die Effizienz der Produktion zu erhöhen, wirken sich auf alle Gruppen positiv aus. Die damit verbundene mögliche Kostenreduzierung hat positive Effekte für Shareholder, Kunden und Mitarbeiter. Weniger Müll oder Stromverbrauch wirkt sich positiv auf die Umwelt aus. Auch für die Lieferanten ergeben sich womöglich längerfristige Geschäftsbeziehungen. Die Ausführungen von Haksever/Chaganti/Cook (2004) zeigen, dass nachhaltiges Wirtschaften dazu beitragen kann, für alle Zielgruppen Nutzen („benefits“) zu schaffen. Gleichzeitig betonen die Autoren aber auch, dass unternehmerische Nachhaltigkeit neben Vorteilen den verschiedenen Stakeholdergruppen auch Nachteile („costs) bringen kann. Abbildung 14 zeigt eine Gegenüberstellung der Vorzüge und Nachteile des Nachhaltigkeitsmanagements aus Stakeholder-Sicht:
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Abbildung 14: Vor- und Nachteile von „Corporate Sustainability“ aus Stakeholder-Sicht (Hopkins 2002, 8)
Positionierung von „Stakeholder Management“ im stipulativen Begriffsverständnis dieser Arbeit Wie stehen nun die Konzepte der unternehmerischen Nachhaltigkeit und der Stakeholder-Orientierung miteinander in Beziehung? Damit beschäftigen sich
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zum Beispiel Steurer et al. (vgl. 2005, 263 ff) in einem Paper im Journal of Business Ethics. Sie gehen davon aus, dass unternehmerische Nachhaltigkeit/ CSR und Stakeholder Management einige Parallelen aufweisen. Während sich das Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit/CSR mit den Beziehungen zwischen Wirtschaft und Gesellschaft im allgemeinen beschäftigt, setzt sich Stakeholder Management mit der tatsächlichen strategischen Umsetzung, dem Beziehungsmanagement, auseinander. Der Stakeholder-Ansatz kann als Wegbereiter unternehmerischer Nachhaltigkeit betrachtet werden. Er brachte ein Denken in Gang, wonach es Voraussetzung für langfristigen Unternehmenserfolg sei, die Meinungen und Erwartungen von Anspruchsgruppen zusätzlich zu Shareholdern ernst zu nehmen (vgl. Wilson 2003, 4). Weiters leistet der Stakeholder-Ansatz aus meiner Sicht auch wichtigen Input für das Konzept unternehmerischer Nachhaltigkeit. So kann, wie es Hopkins (2002, 8) darstellt, anhand des Stakeholder-Konzeptes analysiert werden, welche Gruppen von unternehmerischen Nachhaltigkeitsbestrebungen betroffen sind und welche Vor- aber auch Nachteile aus deren Sicht entstehen könnten. Ich möchte Stakeholder-Orientierung also als ein zentrales Element unternehmerischer Nachhaltigkeit betrachten. Denn eine nachhaltige (Unternehmens-) Entwicklung kann wohl kaum in einer „top-down“ Strategie von der Politik oder der Unternehmensleitung verordnet werden (Alfons 2004, 8f), sondern das Leitbild ist auf die Partizipation vieler gesellschaftlichen Akteure angewiesen.26
2.4.4 Ethische Ansätze In den nun folgenden Ausführungen stehen ethische Ansätze im Vordergrund. Die Stakeholder Theorie wird diesmal aus normativer Perspektive betrachtet. Außerdem werden weltweit anerkannte Grundrechte bzw. der „Global Compact“ diskutiert. 2.4.4.1 Stakeholder Theorie: Normative Perspektive Begriffe wie Stakeholder Management oder Stakeholder-Theorie werden von verschiedenen Autoren sehr unterschiedlich benützt und mit oft widersprüchlichen Argumenten begründet. Im Laufe der Zeit haben sich deshalb mehrere 26
Kanatschnig (2004) verwendet für ein stakeholder-orientiertes Nachhaltigkeitsmanagement den Begriff eines „koevolutionäres Managements“. „Koevolutionäres Management bedeutet für Kanatschnig, das Umfeld müsse in die Mangementaufgabe integriert werden, denn Unternehmen und Umfeld können sich nur gemeinsam weiterentwickeln.
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Autoren mit einer Meta-Betrachtung der Stakeholder-Theorie beschäftigt und sogenannte Theorien zweiter Ordnung („second order theories“) entwickelt. Vielbeachtet ist in diesem Zusammenhang der theoretische Entwurf von Donaldson/Preston (1995), der aus der „Conference on Stakeholder Theory“ im Mai 1993 an der Universität Toronto hervorging27. Ihre Taxonomie unterscheidet zwischen drei Zielen, welche durch den Stakeholder-Ansatz zu erreichen versucht werden (Donaldson/Preston 1995, 70 ff): 1.
2.
3.
deskriptiv/empirisch: Der deskriptive Zugang steht im Vordergrund, wenn Stakeholder-Theorie darauf abzielt “to describe and sometimes to explain specific corporate characteristics and behaviors” (70). instrumentell: Der instrumentelle Zugang steht im Vordergrund, wenn Stakeholder-Theorie darauf abzielt “to identify the connections, or lack of connections, between stakeholder management and the achievement of traditional corporate objectives (e.g. pofitability, growth)” (71). normativ: Der normative Zugang steht im Vordergrund, wenn StakeholderTheorie darauf abzielt “to interpret the function of the corporation, including the identification of moral or philosophical guidelines for operation and management of corporations”.
Der empirische Blickwinkel ist neutral-beschreibend. Aus instrumenteller Sicht steht im Vordergrund der Betrachtung, wie Stakeholder-Management zu besserer finanzieller Performance führen kann (Stakeholder als Mittel zum Zweck). Im Gegensatz dazu wird aus normativer Sicht davon ausgegangen, dass Unternehmen Stakeholderinteressen zu befriedigen haben (Stakeholdererwartungen als Maß der Dinge), und zwar aus moralischen Gründen, denen wiederum verschiedene Konzepte und Theorien wie Utilitarismus, Grundrechte etc. zugrunde liegen. In ihrem normativen Ansatz definieren Donaldson/Preston (1995, 67) den Stakeholder-Begriff so: (1)
(2)
27
“Stakeholders are persons or groups with legitimate interests in procedural and/or substantive aspects of corporate activitity. Stakeholders are identified by their interests in the corporation, whether or not the corporation has any corresponding functional interest in them. The interests of all stakeholders are of intrinsic value. That is, each group of stakeholders merits consideration for its own sake and not merely because of its ability to further the interests of some other groups, such as shareowners.”
An dieser Konferenz nahmen namhafte Repräsentanten des Stakeholder-Ansatzes teil, wie A. B. Carroll oder R. E. Freeman.
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Aufbauend auf ihre Analysen der verschiedenen Aspekte der StakeholderTheorie kommen Donaldson/Preston (1995, 86) zum Schluss: „The stakeholder theory is fundamentally normative”. Die Autoren begründen diese Aussage, indem sie den jeweiligen Beitrag der drei Ansätze (empirisch, instrumentell, normativ) für die Mangementlehre analysieren: “The theory goes beyond the purely descriptive observation that ,organizations have stakeholders’, which, although true, carries no direct managerial implications. Furthermore, the notion that stakeholder management contributes to successful economic performance, although widely believed […] is insufficient to stand alone as a basis for stakeholder theory. Indeed, the most thoughtful analyses of why stakeholder management might be casually related to corporate performance ultimately resort to normative arguments. […] For these reasons, we believe that the ultimate justification for the stakeholder theory is to be found in its normative base” (Donaldson/Preston 1995, 87f).
Eben jener normative Kern der Stakeholder Theorie sei schlussendlich dafür verantwortlich, warum sie sich in der Literatur gegenüber anderen Theorien dermaßen durchsetzen konnte (vgl. Donaldson/Preston 1995, 81). 2.4.4.2 Weltweit anerkannte Grundrechte („Universal Rights“) Als ethisch-orientierte Grundlage für unternehmerische Verantwortung in der Gesellschaft dienen universell anerkannte Grundrechte („universal rights“), wie zum Beispiel die Menschenrechte, die in der „United Nations Universal Declaration of Human Rights“ festgelegt sind. Weltweite Beachtung auf wirtschaftlicher Ebene findet in diesem Zusammenhang der sogenannte „UN Global Compact“. Dieser Pakt wurde vom damaligen Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, erstmals auf dem Weltwirtschaftsforum 1999 in Davos präsentiert und wird mittlerweile von einer Vielzahl internationaler Konzerne befolgt. Mit Stand April 2008 hatten mehr als 4000 Unternehmen aus 120 Ländern den Global Compact unterzeichnet. Auch Nichtregierungsorganisationen haben den Pakt von Beginn an unterstützt, darunter Amnesty International und Human Rights Watch. 2008 zählte der Global Compact rund 1300 nichtwirtschaftliche Mitglieder (vgl. United Nations Global Compact 2008, 7). Im Zentrum des Pakts stehen folgende zehn Grundsätze, die aus zentralen internationalen Rechtsdokumenten zum Menschrechts-, Arbeits- und Umweltschutz stammen:
2.4 „Mapping the Territory“
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Die zehn Prinzipien, um deren Einhaltung der UN-Generalsekretär ersucht ("The Secretary-General asked world business to ..."), lauten: Menschenrechte 1. Die Wirtschaft solle den Schutz der international verkündeten Menschenrechte unterstützen und achten und 2. möge sicherstellen, dass ihre eigene Gesellschaft sich nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Arbeitsstandards 3. Die Wirtschaft solle die Vesammlungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Tarifverhandlungen wahren sowie 4. für die Beseitigung aller Formen der Zwangs- und Pflichtarbeit, 5. für die effektive Abschaffung der Kinderarbeit und 6. für die Beseitigung von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf eintreten. Umweltschutz 7. Die Wirtschaft solle umsichtig mit ökologischen Herausforderungen umgehen, 8. Initiativen zur Förderung eines verantwortlichen Umgangs mit der Umwelt durchführen und 9. sich für die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien einsetzen. Antikorruption 10. Die Wirtschaft solle gegen alle Formen der Korruption vorgehen, einschließlich Erpressung und Bestechung.
Abbildung 15: Die zehn Grundsätze des Global Compact (United Nations Global Compact 2008, 13)
Mit dem „Global Compact“ beschritten die Vereinten Nationen insofern Neuland, dass sie erstmals Unternehmen quasi als Partner anerkannten: „In einem bis dato unbekanntem Ausmaß öffnet sich die Weltorganisation für den Privatsektor, indem Unternehmen das Angebot unterbreitet wird, durch die Umsetzung der GC-Grundsätze in die Praxis, unmittelbar an der Aufgabenerfüllung der UN mitzuwirken“ (von Schorlemer 2003, 509).
Dieses Erstarken von Unternehmen innerhalb der Vereinten Nationen führte vielerorts zu Kritik, Kontroversen und sogar Gegenbewegungen (z.B. Alliance for a Corporate-Free UN). So fragt sich etwa von Schorlemer (2003, 507ff), ob der “Global Compact” ein “Faust’scher Pakt mit der Wirtschaftswelt“ sei. Bei den Prinzipien handle es sich nur um Minimalstandard, die ohnehin großteils bereits in nationale Rechtssprechungen eingeflossen seien. Darüber hinaus be-
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
mängelt von Schorlemer, dass die Einhaltung der Prinzipien freiwillig ist. Ein Unternehmen muss seine Teilnahmeabsicht am Globalen Pakt nur in einem kurzen Brief an den UN-Generalsekretär kundtun. Verhaltensvorschriften oder gar rechtsverbindliche Pflichten sind dabei nicht vorgesehen, was Umüßig (vgl. 2005, o.A.) zur Aussage verleitet: „Mit der Teilnahme am Global Compact erklären die Konzerne lediglich ihre Bereitschaft, ihre Geschäftspolitiken an die 10 Prinzipien anzupassen – handeln müssen sie erst mal nicht.“ Das derzeit einzige Druckmittel des Global Compact ist die Verpflichtung der Unternehmen zur jährlichen Publikation von Informationen über die Fortschritte und Probleme in der Unternehmensentwicklung. Nicht kommunizierende Unternehmen werden auf der Website der Organisation gesondert angeführt, bei zweimaligem Versäumnis wird die Teilnahme am Global Compact beendet. Die Inhalte der abgegebenen Berichte werden jedoch nicht überprüft, sondern stellen nur eine freiwillige Auskunft dar. Nach wie vor befinden sich deshalb auf der Liste der Teilnehmer am Global Compact auch Unternehmen, die gegen die Grundprinzipien verstoßen. Den Mitgliedsunternehmen des Global Compact ist es grundsätzlich erlaubt, die Symbolkraft und das Ansehen der Vereinten Nationen für ihre Vermarktungsstrategien und ihre Imagepflege zu verwenden (vgl. Unmüßig 2005, o.A.). In Anspielung auf die blaue Farbe der UNO wird dieses Verhalten als „Bluewash“ (vgl. Kapitel 3.4.8) bezeichnet.
2.5 Unternehmerische Nachhaltigkeit – Versuch einer Begriffsbestimmung 2: Verortung im Kontext verwandter Konzepte 2.5 Unternehmerische Nachhaltigkeit Im vorhergehenden Abschnitt wurde der Versuch unternommen, die begriffliche Vielfalt zum Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen zu erkunden sowie Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen Konzepten heraus zu arbeiten. Auffällig war dabei, dass sämtliche der oben diskutierten Konzepte, die sich mit der Interaktion von Unternehmen in einer Gesellschaft befassen, implizit oder explizit Komponenten des Leitbildes einer nachhaltigen Entwicklung zu beinhalten scheinen. Wenngleich in manchen Konzepten Nachhaltigkeitsaspekte stärker verankert sind als in anderen und obwohl die verschiedenen Konzepte unterschiedliche Ausgangspunkte vertreten, so gehe ich doch davon aus, dass die Leitidee einer nachhaltigen Entwicklung einen integrativen Faktor in den obigen Ansätzen darstellt. Für die Zwecke dieser Arbeit soll unternehmerische Nachhaltigkeit als Überbegriff über verschiedene verwandte Konzepte betrachtet werden. Diese Auffassung, dass sich Nachhaltigkeit als „Dachkonzept“ („umbrella term“) über
2.5 Unternehmerische Nachhaltigkeit
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eine Reihe inhaltlich ähnlicher Konzepte eignet, teilen auch eine Reihe anderer Autoren (vgl. Ebner/Baumgartner 2006, 8). Ähnliche Begriffssystematiken, welche Corporate Sustainability als das Trägerkonzept und Ansätze wie Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship oder People, Planet, Profit als untergeordnete Konzepte bzw. „intermediate stages“ betrachten, stammen zum Beispiel von Loew (vgl. 2004, 13) und Wilson (vgl. 2003) bzw. wurden auch im Rahmen der EU-Corporate Sustainability Conference 2002 an der Erasmus Universität Rotterdam entwickelt (vgl. van Marrewijk 2003, 101 nach Wempe/Kaptein 2002). Begrifflicher Rahmen für die Zwecke dieser Arbeit Für die Zwecke dieser Arbeit möchte ich an den Prinzipien der Nachhaltigkeit orientiertes unternehmerisches Handeln (kurz: „unternehmerische Nachhaltigkeit“) betrachten als einen modernen Managementansatz, der in den Vordergrund stellt, wie Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften und inwiefern sie dabei soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Erst in zweiter Linie geht es darum, wofür Unternehmen ihre Gewinne verwenden (z.B. für Sponsoring, Charity etc.). Unternehmerische Nachhaltigkeit steht damit nicht im Widerspruch zur Unternehmensaufgabe, nämlich Produkte oder Dienstleistungen herzustellen und zu vertreiben. Das Konzept verfolgt jedoch eine weitere Perspektive, indem es darauf abzielt, dass Management wie auch Mitarbeiter die Unternehmensaufgabe möglichst so erledigen, dass wirtschaftliche Ziele mit sozialen und ökologischen Anliegen in Balance stehen. Meinem Begriffsverständnis zufolge kann unternehmerische Nachhaltigkeit maßgeblich beitragen zu einer nachhaltigen Gesellschaftsentwicklung und kann somit als Teilaspekt der Leitidee der nachhaltigen Entwicklung verstanden werden. Konzeptiv soll unternehmerische Nachhaltigkeit als der integrative Überbegriff („umbrella term“) über eine Reihe von verwandten Konzepten verstanden werden. Diese (oben beschriebenen) Ansätze instrumenteller, politischer, integrativer bzw. ethischer Art können als Felder unternehmerischer Nachhaltigkeit verstanden werden, die wiederum inhaltlich ineinander greifen. Sie überschneiden sich in einigen Teilbereichen, sind kaum von einander abgrenzbar, unterscheiden sich jedoch in ihrer Schwerpunktsetzung und Ausrichtung. Dadurch sind sie auch imstande, unterschiedliche Argumente, Elemente und Umsetzungsmöglichkeiten zum Konzept des nachhaltigen Handelns beizutragen (vgl. Abbildung 16).
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
Abbildung 16: Übersicht über das Begriffsverständnis dieser Arbeit zu unternehmerischer Nachhaltigkeit
Die Leitidee der nachhaltigen Entwicklung legt die Vision, PerformanceBereiche und Ziele fest, auf die sich Unternehmen konzentrieren sollen (nämlich Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Entwicklung). Instrumentelle Ansätze (wie Shareholder Value, Triple Bottom Line und Cause-Related Marketing) bieten wirtschaftliche Argumente, warum Nachhaltigkeitsziele für Unternehmen durchaus lohnend sind. In Teilbereichen legen diese Ansätze auch Aufgabenfelder für die Nachhaltigkeitsorientierung fest. Aus der Definition des „Sustainability Sweet Spots“ zum Beispiel können sich effizienzsteigernde, ressourcenschonendere Produkte, Produktions- bzw. Vertriebsprozesse entwickeln. Politische Ansätze (wie Corporate Citizenship, Licence to Operate) liefern politisch-orientierte Argumente für nachhaltiges Wirtschaften und bringen Aufgabenfelder wie Corporate Volunteering oder Legitimationsmanagement ein. Integrative Ansätze argumentieren gestützt auf die drei Dimension unternehmerischer Tätigkeit (soziale, ökologische, wirtschaftliche Dimension), wa-
2.6 Der Stellenwert nachhaltigen Wirtschaftens
89
rum Unternehmen einen nachhaltigen Weg einschlagen sollen. Weiters beschreiben die Konzepte verschiedene Aufgabenfelder innerhalb des Nachhaltigkeitsmanagements: Corporate Governance schafft die strategischen Voraussetzungen und strukturellen Rahmenbedingungen für nachhaltiges Handeln. Die instrumentelle Stakeholder-Theorie („Stakeholder Management“) erklärt, warum und wie Unternehmen Beziehungen zu Stakeholdern aufbauen. Im Rahmen von CSR-Programmen werden stakeholder-orientierte Aktivitäten im Bereich der Nachhaltigkeit umgesetzt. Corporate Social Responsiveness bezieht sich auf Issues Management-Programme, Corporate Social Performance stellt die Evaluationskomponente in den Vordergrund. Gesellschaftliche Rechenschaftslegung schließlich bezieht sich auf das Assessment und die öffentliche Berichterstattung zu nachhaltigkeitsrelevanten Themen. Ethische Ansätze (wie normative Stakeholder-Theorie, weltweit anerkannte Grundrechte) schließlich liefern normativ-philosophische Argumente für unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement und argumentieren, dass nachhaltiges Handeln aus moralischer Sicht „the right thing to do“ ist. Ethische Ansätze gehen außerdem teilweise auf die mit ethischem Handeln verbundenen Herausforderungen für Unternehmen ein. Schon an dieser Stelle sei vorweggenommen, dass Kommunikationsprozesse für nachhaltiges Wirtschaften eine wesentliche Rolle spielen. Viele der soeben genannten Aufgabenfelder und damit verbundenen Nachhaltigkeitsprozesse (etwa die Suche nach nachhaltigeren Lösungen, das Austauschen von Erfahrungen und das Errichten von Netzwerken) beruhen – explizit oder implizit – auf kommunikativem Austausch. Professionelle Kommunikation im Sinne einer Kommunikation über und für Nachhaltigkeit, wie sie in Kapitel 3 ausführlich beschrieben wird, bietet hier wesentliche Unterstützungspotenziale, sie kann quasi als „Schmiermittel“ wirken, besonders wenn sie (normativen) Kriterien entspricht, die im weiteren Verlauf der Arbeit (vgl. Kapitel 4) noch diskutiert werden.
2.6 Der Stellenwert nachhaltigen Wirtschaftens in der Unternehmenspraxis 2.6 Der Stellenwert nachhaltigen Wirtschaftens Welchen Stellenwert hat nachhaltiges Handeln nun tatsächlich für Unternehmen? Um diese Frage zu beantworten, schweifen wir kurz vom „theoretischen Kurs“ ab und betrachten die Ergebnisse ausgewählter empirischer Studien zum StatusQuo des nachhaltigen und verantwortungsbewussten Wirtschaftens. Eine Befragung unter 500 Führungskräften der deutschen Wirtschaft zum Thema gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (vgl. Bertelsmann
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
Stiftung 2005) unterstreicht den praktischen Stellenwert des unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements. Telefonisch befragt wurden Manager von Unternehmen, die mindestens 200 Beschäftigte oder 20 Millionen Euro Umsatz aufweisen. 93 Prozent der Führungskräfte waren der Meinung, dass für wirtschaftlichen Erfolg soziale und ökologische Belange eine große Rolle spielen. Die Assoziationen der Manager zum Begriff „gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“ sind in Abbildung 17 dargestellt28.
Abbildung 17: Assoziationen zum Begriff gesellschaftliche Verantwortung (Bertelsmann Stiftung 2005, 6)
Die Mehrheit der Befragten schätzt das gesellschaftliche Engagement des eigenen Betriebs als „aktiv“ ein, man setze sich mit den für das Unternehmen relevanten Nachhaltigkeits- und CSR-Themen aktiv auseinander (vgl. Bertelsmann Stiftung 2005, 12). Als „reaktiv“ bezeichnen sich 18 Prozent der Unternehmen. Immerhin jeder fünfte Manager beurteilt den Einsatz seines Unternehmens für Nachhaltigkeits- und CSR-Themen als „proaktiv“ und sieht sein Unternehmen in der Vorreiterrolle. Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) gehen davon aus, dass die gesellschaftliche Verantwortung der Wirtschaft durch die Finanzkrise des Staates zugenommen hat. 57 Prozent der Unternehmen weisen ein eigenes Budget für CSR auf, das durchschnittlich rund 800.000 Euro beträgt. 28
Mehrfachnennungen waren jeweils möglich, Angaben in Prozent.
2.6 Der Stellenwert nachhaltigen Wirtschaftens
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Haupttreiber für gesellschaftliches Engagement ist für 87 Prozent der Befragten die Unternehmenskultur, für 83 Prozent die wirtschaftliche Situation des Unternehmens. Eine relativ geringfügige Rolle spielen hingegen der Kapitalmarkt (27 Prozent), NGOs (5 Prozent) und die Politik (5 Prozent) als Beweggründe für gesellschaftliches Engagement. In welchen Bereichen übernehmen die Unternehmen Verantwortung? Hier wurden als Felder des gesellschaftlichen Engagements vor allem die Förderung von Aus- und Weiterbildung (83 Prozent) genannt, das Kunden- und Beschwerdemanagement (83 Prozent), die Chancengleichheit der Mitarbeiter (78 Prozent) sowie Sozialleistungen für Mitarbeiter wie z.B. Altersvorsorge (70 Prozent). Ein mittlerer Stellenwert wurde Spenden im Sozialbereich (56 Prozent) zugemessen oder Recylingsystemen für Büromaterial bzw. Produkte (42 Prozent). Von eher geringer Relevanz sind für die Führungskräfte offenbar Themen wie Corporate Volunteering (32 Prozent), Programme für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (27 Prozent) bzw. die Kontrolle der Zulieferkette im Hinblick auf Umwelt- und Menschenrechtsaspekte (26 Prozent). Welche Ziele verfolgen Unternehmen mit dem gesellschaftlichen Engagement? Auf diese Frage geben 84 Prozent die Mitarbeitermotivation als wesentlichen Grund an, 66 Prozent die Fortschreibung der Tradition und Unternehmenskultur, 65 Prozent nennen Reputationsgründe, 56 Prozent die Erschließung neuer Kundenkreise und 54 Prozent die Anforderungen der Shareholder. Ziele wie Risikoabsicherung (36 Prozent) und Anforderungen durch NGOs (11 Prozent) scheinen geringere Bedeutung zu haben. Auch nach den Hindernissen für gesellschaftliches Engagement wurden die 500 deutschen Führungskräfte befragt. An vorderer Stelle rangieren hier zu hohe zeitliche Belastung (42 Prozent), zu hohe Kosten (39 Prozent), fehlende Messbarkeit der Wirkung (36 Prozent) und zu wenig Unterstützung von staatlicher Seite (31 Prozent). Fehlende Kenntnisse über effektives CSR-Management ist für 21 Prozent ein Hinderungsgrund. Unkooperative Partner, fehlende Kenntnisse über sinnvolle Themen bzw. Partner sowie keine entsprechende Unternehmenskultur rangieren zwischen 20 und 16 Prozent. Die Bedeutung unternehmerischen Nachhaltigkeitshandelns werde in Zukunft steigen, davon geht die Mehrheit der in der Bertelsmann-Studie befragten Manager aus. 67 Prozent messen der gesellschaftlichen Verantwortung künftig eine größere Rolle zu, 28 Prozent eine unveränderte Rolle, 5 Prozent gehen von einer geringeren Rolle aus. Eine zweite, häufig zitierte Studie über den Stellenwert des Nachhaltigkeitsthemas in der nordamerikanischen Wirtschaft stammt von Savitz (vgl. 2002) im Auftrag von Pricewaterhouse Coopers (PwC). Die Untersuchung unter 140 USamerikanischen Großunternehmen ergab bereits im Jahr 2002, dass Nachhaltig-
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
keitsengagement für zahlreiche Unternehmen durchaus Relevanz besitzt. 89 Prozent der befragten Manager gaben an, die Prinzipien der Nachhaltigkeit in die Geschäftstätigkeit zu integrieren. Die Aussagen zu den inhaltlichen Schwerpunkten der Nachhaltigkeitsmaßnahmen unterscheiden sich in einigen Punkten von den Ergebnissen der deutschen Befragung. Der US-Studie zufolge rangiere an oberer Stelle die Verhinderung von Verschmutzungen, ein Aufgabenfeld, das in weiten Teilen gesetzlich geregelt ist. Freiwillige Umweltmanagementsysteme wenden 88 Prozent der Unternehmen an. Darauf folgt soziales Engagement durch freiwillige, gemeinnützige Arbeiten von Mitarbeiten, Unterstützung der lokalen Gemeinden und philantrope Programme (vgl. Savitz 2002, 9). Die PwC-Studie ergab weiter, dass 52 Prozent der Unternehmen bereits eine unternehmensspezifische Definition von Nachhaltigkeit ausgearbeitet haben. 17 Prozent planen, dies zu tun. Generell sei der Stellenwert der Nachhaltigkeit für das Management höher, je größer das Unternehmen ist. Auch sei die Bereitschaft für soziales und ökologisches Engagement abhängig von der jeweiligen Branche. Die befragten Unternehmen der Papier- und Verpackungsindustrie beispielsweise hatten sich alle definitorisch mit dem Nachhaltigkeitsbegriff auseinandergesetzt, während etwa in der Konsumgüterbranche nur jedes dritte Unternehmen Nachhaltigkeit definiert. Was die Gründe für Nachhaltigkeitsengagement betrifft, so gaben die befragten Manager der PwC-Studie am häufigsten an, dass sie dadurch den Ruf des Unternehmens verbessern wollen (90 Prozent). 75 Prozent sehen im Nachhaltigkeitsmanagement einen Wettbewerbsvorteil, 73 Prozent eine Kostenersparnis. 57 Prozent engagieren sich im Bereich Nachhaltigkeit, weil dies der Wunsch der Kunden sei. Nur jedes fünfte befragte Unternehmen verfügt über ein Nachhaltigkeitsmanagement, weil dies der Wunsch der Shareholder ist (vgl. Abbildung 18). Im folgenden Kapitel wird nun noch näher auf die unternehmerischen Motive für nachhaltiges Wirtschaften eingegangen.
access to capital shareholder demand top line growth SRI demand customer demand CEO/board commitment industry trends cost saving comp etitive advantage enhanced reputation
12% 20% 37% 42% 57% 58% 62% 73% 75% 90%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Abbildung 18: Gründe für unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement (Savitz 2002, 7)
2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln
93
2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln 2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln Die Frage nach dem „Business Case“ für nachhaltiges Handeln, also ob und inwiefern nachhaltiges Handeln tatsächlich Unternehmenswert schaffe und sich daher wirtschaftlich lohne, wurde in den Wirtschaftswissenschaften in den vergangenen Jahren zunehmend behandelt (vgl. Schaltegger/Wagner 2006; Porter/ Kramer 2006, 78ff etc.). Manche Studien konzentrieren sich auf den Zusammenhang zwischen nachhaltigem Handeln und kurzfristigem, finanziellen Ergebnis, andere sind ganzheitlicher orientiert. In ihrer „Sustainable Business Value Matrix“ analysieren etwa van Heel et al. (vgl. 2001) die Intensität der Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten des Nachhaltigkeitsengagements (wie Arbeitsplatzbedingungen, Corporate Governance, Einhaltung der Menschenrechte oder Umweltmanagement) und verschiedenen Wertbereichen des Unternehmens (wie Reputation, Innovationsfähigkeit, Markenwert oder Attraktivität für Kunden). Mitunter liegen auch Studien vor, die sich auf die Untersuchung des „Business Case“ für Klein- und Mittelbetriebe beschränken (vgl. Fox 2005, 5ff) oder Studien, die die Motive für CSR in Entwicklungsländern (vgl. Raynard/Forstater 2002) untersuchen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind schwer zu vergleichen. Als gemeinsamer Nenner ist aber zu erkennen, dass Unternehmen offenbar verschiedenste Motive verfolgen, wenn sie sich in Sachen Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung engagieren. Smith (2003, 59) spricht deshalb von einem „mixed-motive“-Ansatz. Die Bandbreite reiche von strategisch-wirtschaftlichen Motiven, über defensive Motive bis zu altruistisch-ethischen Motiven. Die verschiedenen Nutzenbereiche nachhaltigen Wirtschaftens unterteilen Hansen/Schrader (vgl. 2005, 383ff) in vorökonomische und ökonomische Erfolgsauswirkungen (vgl. Abbildung 19). Vorökonomische Erfolgsauswirkungen beziehen sich laut Hansen/Schrader vor allem auf den Reputationsaufbau bzw. Imagegewinn durch Nachhaltigkeitsorientierung. Unternehmerisches Nachhaltigkeitsmanagement intensiviere die Beziehungen zu Stakeholdern. Durch unternehmensinterne Initiativen könne Nachhaltigkeitsorientierung dazu beitragen, aktuelle Mitarbeiter zu halten und potenzielle neue Mitarbeiter zu gewinnen. Außerdem verbessere das Nachhaltigkeitsengagement die Kooperation zwischen Unternehmen, NGOs und staatlichen Institutionen. Neben Imagezielen bringe die intensive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen Unternehmen auch einen sogenannten „good-will“-Puffer als Vorbeugung in möglichen Krisenzeiten. Zu den ökonomischen Erfolgsauswirkungen zählen Hansen/Schrader (2005, 384) unter anderem den Einfluss des Nachhaltigkeitsengagements auf die Aktienkurse. Ein direkter Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsmanagement
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
und einer Umsatzsteigerung wurde bisher allerdings nur in Einzelfällen und nicht generell nachgewiesen (vgl. Kapitel 2.8.1). Als weitere ökonomische Erfolgsauswirkung bezeichnen die Autoren die Attraktivität der Leistungen bei den Kunden. Auch hier müssen sie allerdings zugestehen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und gesteigerter Kaufbereitschaft schwer nachweisbar ist (vgl. Kapitel 2.8.4). Auf der Hand liege aber, dass das Nachhaltigkeitsstreben Kostensenkungen in bestimmten Bereichen mit sich bringe, z.B. durch verringerten Material- bzw. Energieeinsatz.
Abbildung 19: Der „Business Case“ für Corporate Social Responsibility (Hansen/Schrader 2005, 385)
Wirft man einen Blick in die unternehmerische Praxis, so finden einige der von Hansen/Schrader (2005) beschriebenen Nutzenbereiche von CSR bzw. nachhaltigen Wirtschaftens Bestätigung. Der österreichische Energiekonzern Verbund zum Beispiel definiert für seine Nachhaltigkeitsorientierung gleich neun verschiedene Nutzenbereiche. Diese sind in folgender Abbildung, die einer Präsentation der Verbund-Nachhaltigkeitsbeauftragten Renate Pretscher (2007) entnommen ist, dargestellt:
2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln
95
Abbildung 20: Der Nutzen der Nachhaltigkeitsorientierung aus Sicht des Energiekonzerns Verbund (Pretscher 2007, überarbeitete Version der Abbildung)
Auf den nächsten Seiten erfährt der Leser nun Hintergründe und vor allem empirische Daten zu fünf ausgewählten Aspekten des „Business Case“. Wir erläutern die Zusammenhänge zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und (1) Shareholder-Value: Lässt Nachhaltigkeitsengagement den Aktienkurs steigen? (2) Personalakquise: Bekommen nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen die besseren Mitarbeiter? (3) Unternehmensimage: Bringt Nachhaltigkeitsengagement einen „Image-Bonus“? (4) Konsumenten/Kaufverhalten: Wie beeinflusst Nachhaltigkeitsengagement die Kaufentscheidungen von Konsumenten? (5) Krisen-Management: Kann Nachhaltigkeitsengagement als Vorbeugung für Krisenzeiten dienen?
96
2 Nachhaltiges Wirtschaften
2.7.1 Nachhaltigkeit als Wert für Shareholder? Das Angebot an „nachhaltigen Geldanlagen“, „ethischem Investment“, „grünem Geld“, „ökologischen Geldanlagen“ etc. ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Seit den 1990er Jahren sind auf dem Kapitalmarkt vermehrt „ethische“ oder „nachhaltige“ Fonds, Anleihen und Aktien zu finden (vgl. SiRi Group 2003, 7). Als erstes vielbeachtetes SRI („socially-responsible and sustainable investment“)-Produkt auf dem internationalen Finanzmarkt galt der Domini 400 Social Index. Mittlerweile bieten internationale Indices wie FTSE, Ethibel, Humanix, Vigeo, Calvert Group etc. sogenannte Nachhaltigkeitsindices an. Der wohl bekannteste ist der Dow Jones Sustainability Group Index (DJSI)29. Hintergedanke für die Gründung solcher Fonds und Indices, die in ihrer Unternehmensbewertung neben den finanziellen Daten auch ethische, soziale und ökologische Kriterien heranziehen, ist einerseits, dass Investoren im Rahmen von sozial-verantwortlichen Investitionen eigenen Wertansprüchen genügen können (vgl. Fowler/Hope 2007, 244). Andererseits stelle unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement ein potentielles Element für langfristige Wertsteigerung dar, von der Investoren finanziell profitieren könnten (López/Garcia/ Rodriguez 2007, 289). Der Direktor des Dow Jones Sustainability Group Index, Tauni Sanchez (2000, 198), bringt diese Ansicht auf den Punkt: “Sustainability is built on the fact that well-run companies incorporate the economy, the environment and society into their long-term business strategy. The result is increasing long-term shareholder value. […] Success now has a name, Sustainability.”
Noch ist der Anteil der ethisch-ökologischen Produkte am gesamten Fonds- bzw. Wertpapiermarkt eher marginal30, aber trotz allem nicht zu vernachlässigen. Immerhin machten in Europa im Jahr 2008 SRIs bereits fast 2,7 Billionen Euro 29
30
Der Dow Jones Sustainability Index wurde 1999 von Dow Jones, dem weltgrößten Ersteller von Börsenindices, und der Schweizer SAM Group (Sustainable Asset Management) ins Leben gerufen. Rund jedes zehnte Unternehmen, das im Dow Jones gelistet ist, gehört mittlerweile auch dem Dow Jones Sustainability Index an. Voraussetzung für die Aufnahme in den Nachhaltigkeitsindex ist unter anderem die Vorreiterrolle des Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit/CSR in der jeweiligen Branche. Darüber hinaus müssen Unternehmen bestimmte wirtschaftliche, soziale und ökologische Kriterien erfüllen und werden basierend auf diesen Kriterien auch geratet. Als Nachhaltigkeitskriterien zieht der DJSI u.a. heran: Einführung von Innovationen im Bereich Nachhaltigkeit, Standards der Unternehmensführung, Organisation, Verantwortung des Managements, Unternehmenskultur, Berücksichtigung der Interessen von Mitarbeitern und anderen Stakeholdern, Grad der Transparenz etc. Für das Jahr 2003 gingen Deml/May (vgl. 2003, 4f) davon aus, dass ethisch-ökologische Publikumsfonds weltweit nur ein Prozent des Gesamtmarktes ausmachten.
2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln
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aus, weltweit ist in der „European SRI Study 2008“ von einem SRI-Volumen von knapp 5 Billionen Euro die Rede (vgl. European Social Investment Forum 2008). Nachhaltigkeitsorientierte Produkte sind also am Kapitalmarkt in steigendem Ausmaß vorhanden und werden seitens der Investoren auch zunehmend gefragt. Aber wie entwickeln sie sich? Hat eine Investition in „grüne“ oder „ethische“ Papiere größere Aussichten auf Rendite als die Investition in „mainstream“-Papiere? Mit dieser Frage nach der Performance von SRI-Geldanlagen haben sich bereits viele Studien beschäftigt und kommen dabei zu völlig unterschiedlichen, ja oft gegensätzlichen Resultaten. Diese Heterogenität der Ergebnisse lässt sich vermutlich auf die unterschiedlichen Zielsetzungen, Methoden und zeitlichen Ausrichtungen der Studien zurückführen. Dazu kommt, dass die meisten Studien mit einem „Henne-Ei“-Prinzip umzugehen haben, das sich in der Frage ausdrücken lässt, „whether a firm does well by doing good or [...] does good by doing well“? (Peloza 2005, 26). Zu Deutsch also: Steigern Unternehmen, die einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, dadurch auch ihren Unternehmenswert – oder handeln ohnehin schon erfolgreiche Unternehmen eher nachhaltig als weniger erfolgreiche? Diese Frage kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Dem Leser soll aber kurz ein Eindruck vermittelt werden, wie unterschiedlich die Aussagen zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsstreben und Shareholder Value sind: In der Wahrnehmung von Führungskräften besteht offenbar ein Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Shareholder Value. Das zeigt eine Befragung des deutschen Aktieninstituts (vgl. Kachel 2003) unter 964 börsennotierten Unternehmen (Rücklaufquote etwa 10 Prozent). Mehr als drei Viertel der befragten Manager sehen demnach grundsätzlich einen positiven Zusammenhang zwischen ökologischen und sozialen Aktivitäten und langfristigem Unternehmenswert, wie die folgende Abbildung 21 zeigt:
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
Abbildung 21: Auswirkungen einer besseren Sozial- und Umweltperformance auf die ökonomische Performance (Kachel 2003)
Auch die Analysten von Pricewaterhouse Coopers (2004) gehen davon aus, dass unternehmerisches CSR- bzw. Nachhaltigkeitsengagement durchaus zu finanziellen Erfolgen führe. Sie verglichen beispielsweise die Performance des Nachhaltigkeitsindices FTSE4Good mit der Performance des „mainstream“ Rankings FTSE All World. Das Ergebnis ist in Abbildung 22 dargestellt. Wie die obere Kurve zeigt, haben im Zeitvergleich jene Unternehmen in der Bewertung besser abgeschnitten, die im Nachhaltigkeitsindex FTSE4Good gelistet waren.
Abbildung 22: Entwicklung der Börsenperformance (Pricewaterhouse Coopers 2004)
2.7 Der „Business Case“ für nachhaltiges Unternehmenshandeln
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Deutlich kritischer betrachten manche andere Autoren den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsstreben und Shareholder Value. López/Garcia/ Rodriguez (vgl. 2007, 285ff) zum Beispiel kommen in ihrer im „Journal of Business Ethics“ publizierten Untersuchung zu dem Ergebnis, dass sich unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement zumindest in den ersten Jahren eher negativ auf die Wirtschaftlichkeit und auch auf die Börsenperformance auswirke (vor allem, weil hohe Kosten anfallen). Langzeitstudien könnten ihrer Ansicht nach jedoch ein gegenteiliges Ergebnis bringen31. Klare Aussagen über den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsengagement und finanziellem Erfolg kann auch Wippich (2003, 12) nicht treffen, der in einer Meta-Betrachtung die Ergebnisse verschiedenster Studien analysiert. Er stellt zusammenfassend nur fest: „Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Asset- Management führt zu keinem signifikant schlechteren Ergebnis. Einige Studien kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Performance verbessert. Statistisch wurde aber noch keine signifikante Verbesserung nachgewiesen. Indizien weisen auf eine Reduzierung des Investitionsrisikos hin“ (Hervorhebungen im Original).
In einem Punkt unterscheiden sich aber Unternehmen, die in sozial-ökologischen Fonds gelistet sind, deutlich von anderen Unternehmen, und zwar hinsichtlich Transparenz (vgl. López/Garcia/Rodriguez 2007, 289): Unternehmen, die etwa im Dow Jones Sustainability Index oder im FTSE4Good aufscheinen, müssen Informationen über ihre soziale bzw. ökologische Performance erheben und auch öffentlich bekannt geben, meist in Form von Nachhaltigkeitsberichten, aber auch in Form von Fragebögen32 und persönlichen Gesprächen zwischen Führungsverantwortlichen und Analysten. Darüber hinaus beziehen die Ratingagenturen ihre Informationen zur Nachhaltigkeitsperformance des jeweiligen Unternehmens aus dem Internet, aus Pressemitteilungen, Selbstverpflichtungen des Unternehmens, Auditreporten von Zertifizierungsgesellschaften und aus Leitbildern. Viele dieser 31
32
Methodologisch gingen López/Garcia/Rodriguez (2007) wie folgt vor: Sie verfolgten über die Jahre 1998 bis 2004 hinweg die finanzielle Performance von 110 europäischen Firmen, 55 davon waren in einem Nachhaltigkeitsindex (Dow Jones Sustainability Index) gelistet, 55 davon im gewöhnlichen Dow Jones Index. Investor-Relations Abteilungen von Unternehmen sehen sich heute mit einer kontinuierlich wachsenden Zahl von Fragebögen von Research-Instituten und Ratingagenturen konfrontiert. Bei einer schriftlichen Befragung des Deutschen Aktieninstituts (vgl. Kachel 2003) unter deutschen börsennotierten Unternehmen wurde unter anderem die Frage gestellt „Wie häufig in den letzten 12 Monaten hat das Unternehmen Anfragen zu sozialen oder ökologischen Aspekten erhalten?“ 42,7 Prozent der Unternehmen (N= 96) antworteten, sie hätten zwischen einer und zehn solcher Anfragen erhalten, 18,8 Prozent zwischen elf und 20 Anfragen.
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Informationskanäle liegen im Aufgabenbereich der Public Relations. Schon hier zeigt sich der hohe Stellenwert der Kommunikation, um unternehmerisches Nachhaltigkeitsstreben tatsächlich zu einem entscheidenden Faktor für langfristigen (auch wirtschaftlichen) Erfolg zu machen.
2.7.2 Bessere Mitarbeiter durch unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement? Der Wettkampf um die besten Mitarbeiter wird immer mehr zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Nicht nur gehören Mitarbeiter zu den „Aushängeschildern“ und „Botschaftern“ eines Unternehmens. Angesichts des zunehmenden Facharbeitermangels in gewissen Berufsfeldern ist das Rekrutieren und Halten von Talenten für manche Unternehmen längst auch überlebenswichtig geworden. Aber kann unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement dazu beitragen, gute Mitarbeiter anzuwerben bzw. zu halten? Gilt ein nachhaltigkeitsorientiertes Unternehmen bei (potenziellen) Mitarbeitern als attraktiverer Arbeitsgeber? Die wenigen Studien, die sich bisher mit dem Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsorientierung und Personalfragen beschäftigt haben, deuten auf einen positiven Zusammenhang hin (vgl. Rynes/Barber 1990, Bauer/AimanSmith 1996, Turban/Greening 1998). Turban/Greening (1998, 659ff) etwa gehen davon aus, dass Corporate Social Responsibility Aktivitäten zu einem besseren Image des jeweiligen Unternehmens beitragen würden, was zu einer gesteigerten Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber führe. Ein attraktiverer Arbeitgeber wiederum ziehe mehr Bewerber an und könne so aus einem größeren „Pool“ an potenziellen Talenten wählen33. Konkret geht zum Beispiel aus einer empirischen Untersuchung des deutschen „brands&values“ Instituts (vgl. 2007) hervor, dass die Generation der 25- bis 45-jährigen Führungskräfte immer stärker darauf achte, ob sich ein Unternehmen auch für die Gesellschaft engagiert. Bei 80 Prozent der Stellensuchenden sei das soziale Engagement des Unternehmens sogar ausschlaggebend für eine Bewerbung. Eine noch genauere empirische Untersuchung über den Zusammenhang zwischen „Corporate Social Performance“, Unternehmensimage und Attraktivität des Unternehmens als potenzieller Arbeitgeber machten Turban/Greening (1998, 659ff), indem sie 75 Wirtschaftsstudenten im letzten Jahrgang ersuchten, 189 bekannte Unternehmen hinsichtlich deren CSR-Performance und deren Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber zu bewerten. Das Ergebnis zeigte eine 33
Vergleiche z.B. den Erfolg des jährlichen Rankings „Best Places to Work“ des amerikanischen Fortune-Magazins (vgl. Fortune 2005).
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positive Korrelation zwischen der CSR-Performance, dem Image und der Attraktivität als Arbeitgeber. Turban/Greening interpretierten ihre empirischen Forschungsergebnisse mit Bezug auf Prinzipien der „Signal Theory“ (Rynes 1991) und „Social Identity Theory“ (Ashforth/Mael 1989). Diesen Theorien zu Folge würde wahrgenommene Nachhaltigkeitsorientierung potenzielle Mitarbeiter eher dazu bewegen, sich in dem konkreten Unternehmen zu bewerben,
weil sie davon ausgehen, dass das Unternehmen auch soziale Programme für die Mitarbeiter anbiete (Nachhaltigkeitsorientierung als Signal für positive Arbeitsbedingungen); weil sie sich durch die Tätigkeit in dem sozial und ökologisch verantwortungsvollen Unternehmen auch ein gesteigertes Selbstwertgefühl versprechen (nachhaltigkeitsorientierte Unternehmen als Identitätsstifter).
Inwiefern unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement auch zu geringerer Fluktuation beitragen kann, also dazu, Mitarbeiter trotz des immer heftiger werdenden „war for talents“ auch im Unternehmen zu halten, wurde bisher empirisch noch kaum erforscht. Ein positives Einzelfallbeispiel dafür ist der Expressdienstleister TNT Austria, dessen Engagement in Kapitel 5.4.2.2 ausführlich beschrieben wird. Im Verlauf der Fallstudie hat sich gezeigt, dass Nachhaltigkeitsdenken – in dem Fall der Diversity-Gedanke – nicht „top down“ durchgesetzt und über existierende Strukturen übergestülpt werden kann. Eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ (vgl. Jüdes 2000) bedarf vielmehr der Integration der Mitarbeiter in Form von (symmetrischer) interner Kommunikation. Wenn die Mitarbeiter im Rahmen eines permanenten Dialogs bzw. Diskurses mit einbezogen werden und sich aktiv zu Fragen in Sozial- bzw. Umweltbelangen einbringen können, kann das aus Sicht des Personalmanagements nur förderlich sein.
2.7.3 Image-Bonus durch unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement? Ein Unternehmensimage wird über Jahre hinweg aufgebaut und stellt – im positiven Fall – einen der größten Unternehmenswerte dar (vgl. Peloza 2005, 6). In diesem Kontext drängt sich die Frage auf: Kann unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement langfristig gesehen ein besseres Unternehmensimage mit sich bringen? Einige erfolgreiche Unternehmen, wie The Body Shop, Patagonia und Ben & Jerry’s, betrachten ökologische bzw. soziale Verantwortung bereits als immanenten Teil ihres Markenbildes. Dass das auch Sinne mache, belegen die
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Ergebnisse einer groß angelegten und viel zitierten Studie der britischen Forschungsorganisation MORI (1999): 25.000 Erwachsene aus 23 Ländern wurden im Rahmen der Untersuchung gefragt, was für sie ausschlaggebend dafür sei, um sich ein Bild von einem Unternehmen zu machen („What are the things that matter most to you in forming an impression of a particular company?“). 56 Prozent der Befragten (Mehrfachnennungen möglich) gaben an, dass unternehmerische Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, der Gemeinschaft, der Umwelt und ethisches Verhalten für sie ausschlaggebend wären. 40 Prozent machten ihre Meinung abhängig von der Produkt- bzw. Markenqualität. 34 Prozent schätzten bei der persönlichen Unternehmensbewertung die finanzielle Unternehmensperformance als besonders wichtig ein (vgl. Dawkins/Lewis 2003, 186, nach MORI). Auch laut van Heel et al. (vgl. 2001) wirke es sich grundsätzlich positiv auf das Image (und infolgedessen auch auf den Markenwert) des Unternehmens aus, wenn Stakeholder den Eindruck haben, das Unternehmen handle unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten korret. Es gelten van Heel et al. zufolge allerdings einige Einschränkungen:
Philantropische Investitionen können den Markenwert nur erhöhen, wenn die Aktivitäten in der Öffentlichkeit als authentisch und nicht als reiner Marketing-Gag oder kurzfristige „Image-Kosmetik“ wahrgenommen würden (vgl. van Heel et al. 2001). Zu aggressiv vermarktete CSR-Aktivitäten würden zu einer negativen Einschätzung der Unternehmensmotive führen (vgl. Prabu/Kline/Dai 2005, 296). So kam es in den vergangenen Jahren häufig zu „Greenwash“-Vorwürfen gegen die Ölindustrie, der häufig unterstellt wurde, mehr Geld in die Werbung ihrer „grünen Initiativen“ zu stecken als in die Entwicklung der nötigen Technologien. Nachhaltigkeitsengagement kann nur dann zu einer Imageverbesserung beitragen, wenn verschiedene Stakeholdergruppen in die Planung externer CSR-Aktivitäten mit einbezogen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Aktivitäten auch mit den Werten der Zielgruppen übereinstimmen (vgl. Prabu/Kline/Dai 2005, 296). Ist das nicht der Fall, könnte Engagement im sozialen oder ökologischen Bereich sogar negative Konsequenzen haben. Als Beispiel ist hier der nordamerikanische Telekommunikationskonzern AT&T (vgl. Peloza 2005, 15 f) zu nennen. Dieser unterstützte in den frühen 1990er Jahren die NGO „Planned Parenthood“, die sich unter anderem für die Themen Geburtenkontrolle und Abtreibung stark macht. Durch diese nicht auf die externen Erwartungen abgestimmte, finanzielle Unterstützung handelte sich der Konzern Kritik von so gut wie allen Stakeholder-Seiten ein, sowohl von Gegnern als auch Befürwortern
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der Abtreibung. In Folge des (gut gemeinten) Engagements stand AT&T sogar einem organisierten Boycott gegenüber. Auch in der Frage nach dem potenziellen Beitrag des Nachhaltigkeitsmanagements zur Imageverbesserung zeigt sich bereits der hohe Stellenwert professioneller Unternehmens- bzw. Nachhaltigkeitskommunikation. Eine transparente Kommunikation, die auf Partizipation verschiedener Stakeholdergruppen ausgelegt ist, trägt offenbar dazu bei, dass sich nachhaltigkeitsorientiertes Wirtschaften positiv auf das Unternehmensimage auswirken kann.
2.7.4 Nachhaltigkeit als Motor für Konsumenten-Kaufentscheidungen? Aus Marketingsicht stellt sich vor allem in Unternehmen der KonsumgüterBranchen die Frage, ob Nachhaltigkeitsengagement im allgemeinen und nachhaltigkeitsorientierte Produktentwicklung im speziellen auch zu einer stärkeren Nachfrage der Produkte führen. Inwieweit schätzen Konsumenten, dass Produkte unter verstärkter Rücksichtnahme auf die Umwelt, die lokale Gemeinschaft oder unter Berücksichtigung von Menschenrechten hergestellt werden? Und inwieweit sind Konsumenten dann auch bereit, höhere Preise für solche „nachhaltigen Produkte“34 zu bezahlen? Verschiedene empirische Studien haben sich bereits mit unterschiedlichen Facetten dieser Fragen auseinandergesetzt (vgl. Creyer/Ross 1997). Die meisten kamen (wenn auch mit unterschiedlichen Signifikanzgraden) zu dem grundsätzlichen Ergebnis, dass sich nachhaltiges bzw. ethisches Unternehmenshandeln und das Anbieten nachhaltiger Produkte positiv auf das Kaufverhalten zumindest bestimmter Konsumentengruppen auswirken dürfte. In diesem Zusammenhang wird in den vergangenen Jahren verstärkt die Konsumentengruppe der sogenannten LOHAS genannt. Der angelsächsisch geprägte Begriff steht als Abkürzung für „Lifestyle of Health and Sustainability“, also einen auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausgerichteten Lebensstil. Inwieweit es einen solchen Lebenstil tatsächlich gibt, haben Schommer/Harms/ Gottschlich (vgl. 2008) von der Unternehmensberatung Ernst&Young in Deutschland untersucht. Mehr als 1.000 Personen wurden nach der Relevanz 34
Unter „nachhaltigen Produkten“ verstehen Schoenheit et al. (2002, 22) Produkte, die „neben der privaten Nutzenstiftung auch Problemlösungsbeiträge für die Umwelt und soziale Ziele [bereit halten]. Ein nachhaltiges Produkt nutzt der Umwelt insofern, als es beispielsweise eine definierte Leistung für den Konsumenten in einer ressourcenschonenderen Art und Weise erbringt als es andere zu einer gegebenen Zeit am Markt erhältliche Produkte mit einer ähnlichen Nutzenstiftung tun.“
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ethisch-ökologischer Produkteigenschaften für ihre Kaufentscheidungen befragt. Dabei zeigte sich, dass Konsumenten eine hohe Bereitschaft zeigen, aus Nachhaltigkeitsgründen andere Produkte zu kaufen als die gewohnten. 93 Prozent der Befragten gaben an, sie würden die Marke wechseln, wenn ihnen bekannt würde, dass der Produzent Kinder beschäftigt. 92 Prozent würden wechseln, wenn der Produzent gesundheitsschädigende Arbeitsbedingungen schafft. 90 Prozent sehen die Diskriminierung von Mitarbeitern als Grund, die Marke zu wechseln. Für 89 Prozent ist die Verschwendung natürlicher Ressourcen ein Grund zum Wechseln (vgl. Schommer/Harms/Gottschlich 2008, 33). Aber was ist mit Produkten, die in ihren Produktions- und Verwertungsprozessen als nachhaltig gelten, dafür aber teurer sind? Hier deuten Studienergebnisse darauf hin, dass Problem- bzw. Umweltbewusstsein nicht unbedingt zu einem entsprechenden Kaufakt führen: Studien von Billig (vgl. 1995, 87 ff) etwa ergaben, dass zwar 80 Prozent der deutschen Bevölkerung angeben, ökologische Produkte eher kaufen zu wollen, dass aber nur 36 Prozent bereit sind, dafür bis zu 5 Prozent höhere Preise zu zahlen und nur 12 Prozent bis zu 10 Prozent höhere Preise akzeptieren. Höhere Benzinpreise wurden sogar von 80 Prozent der Bevölkerung direkt abgelehnt. Größer ist die Toleranz gegenüber höheren Preisen bei Lebensmitteln. In der Studie von Schommer/Harms/Gottschlich (vgl. 2008, 6) zeigten sich 78 Prozent der Befragten grundsätzlich bereit, einen Aufpreis für Bioprodukte zu zahlen. Jedoch sollte der Aufpreis mehr als 10 Prozent ausmachen, dann würden nur mehr 39 Prozent zur Biovariante greifen. Ob Konsumenten das CSR-Engagement eines Unternehmens belohnen, hängt auch stark davon ab, als wie ehrlich und authentisch die Konsumenten das Engagement einstufen. Studien haben ergeben, dass Konsumenten einen Betrieb sogar dafür „bestrafen“ können (durch Nicht-Kauf), wenn sie den Eindruck haben, die Firma versucht mit bestimmten CSR-Maßnahmen nur Blößen in anderen Bereichen zu vertuschen (vgl. Hill/Becker-Olsen 2005, 3). Neben der wahrgenommen Authentizität des CSR-Engagements hängt es offenbar auch von der Branche bzw. Art des Produkts ab, inwiefern Nachhaltigkeitsorientierung die Kaufintentionen beeinflusst. Wheale/Hinton (vgl. 2007, 302ff) zeigen basierend auf ihrer schriftlichen Befragung von 250 Lesern der britischen Zeitschrift „Ethical Consumer“, dass Lebensmittelkäufe am stärksten vom Ruf des Erzeugers abhängen. Deutlich geringer ist der Einfluss ethischer Aspekte beim Kauf von Elektroartikeln oder Autos. Ähnliches fanden auch Prabu/Kline/Dai (2005, 291 ff) in ihrer Befragung von 359 (großteils USamerikanischen) Studenten heraus. Die Autoren wollten wissen, inwiefern soziale und ökologische Verhaltensweisen bestimmter Anbieter Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen der Befragten hätten. Im Fall des Sportartikel-
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Erzeugers Nike und der Fast-Food-Kette Wendy’s maßen die Studenten den sozialen und ökologischen Werten der Unternehmen große Bedeutung zu, die sich auch auf ihre Kaufentscheidungen auswirke. Besonders schwerwiegend war der Faktor „CSR Values“ beim Tabak-Riesen Philip Morris, wo eine stark positive Beziehung zwischen Kaufintention und Unternehmenswerten zu bestehen scheint. Im Fall von Microsoft hingegen zählte für die Studenten eher die Expertise des Unternehmens als die Nachhaltigkeits-Performance, wenn es um den Kauf eines konkreten Produktes geht. Zusammenfassend sei mit Seydel (vgl. 1998, 45ff) festgehalten: Es ist ein Bündel von Faktoren, die sich auf umweltbewusstes Kaufverhalten auswirken, unter anderem:
persönliche Betroffenheit wahrgenommene eigene Verantwortung Bereitschaft zu persönlichen Einschränkungen (z.B. längere Wege zum Geschäft) und finanziellen Opfern Anreize für umweltbewusstes Kaufverhalten ökologischer Informations- und Kenntnisstand Umweltbewusstsein soziodemografische Merkmale Vertrauen in das Unternehmen und seine Produkte Kaufsituation
In der Entwicklung, Vermarktung und im Verkauf von nachhaltigen Produkten nimmt Kommunikation einen wichtigen Stellenwert ein. Darauf wird in Kapitel 3.4.4.2 noch näher eingegangen. An dieser Stelle seien nur drei Aspekte herausgreifen, die die Rolle der Kommunikation aus Marketingperspektive verdeutlichen sollen: Erstens, in der Entwicklung nachhaltiger Produkte scheint es angebracht, auch die Konsumenten im Rahmen von Dialogen mit einzubeziehen. Nur so können die (absatzrelevanten) Erwartungen an nachhaltige Produkte bestmöglich erfüllt werden. Zweitens, in der Vermarktung nachhaltiger Produkte sind Unternehmen in der heutigen Zeit damit konfrontiert, dass zwar eine Vielzahl von Labels (fair trade, grüner Punkt, blauer Engel etc.) nachhaltigkeitsorientierte Produkte kennzeichen. Der Konsument findet sich bei der Vielzahl an Labels und öko-orientierten Vermarktungsstrategien aber nicht mehr zurecht. Hier ist meiner Meinung nach Informationsarbeit und kreative Kommunikationsarbeit nötig, um nachhaltige Produkte besser zu verkaufen. Drittens, es ist entscheidend für das Kaufverhalten der Konsumenten, wie ein Unternehmen sein Nachhaltigkeitsengagement und vor allem die Motive dafür nach außen kommuniziert. Die entsprechenden Kommunikationsstrategien und Botschaften zu
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gestalten, ist eine sensible Aufgabe innerhalb der Nachhaltigkeitskommunikation.
2.7.5 Nachhaltigkeitsengagement als Vorbeugung in Krisenzeiten? „Corporate Social Responsibility as Reputation Insurance“, so lautet der Titel eines Forschungspapiers des kanadischen CSR-Forschers John Peloza (2005). Aber kann sozial und ökologisch verantwortliches Handeln Unternehmen tatsächlich als „Versicherungspolizze“ dienen im Fall von unvorhersehbaren negativen Ereignissen, wie Arbeitsunfällen oder Produktrückhol-Aktionen? Eine Reihe von Wirtschaftswissenschaftern nimmt das zumindest an und geht davon aus, dass Nachhaltigkeitsmanagement einen wichtigen Beitrag zum Risikomanagement35 eines Unternehmens leisten kann: Empirische Untersuchungen von Klein/Dawar (Vgl. 2004, 203 ff) etwa deuten darauf hin, dass im Falle eines Produktfehlers Konsumenten weniger die Schuld beim Produzenten suchen, wenn sie über dessen sozial verträgliches Handeln bescheid wissen und es auch schätzen. Unternehmen mit negativem CSR-Ruf hingegen müssten weit schwerer an den Folgen tragen. Dass nicht-nachhaltiges Unternehmenshandeln ein signifikantes Risiko darstelle, darüber herrscht in der Literatur mittlerweile weitgehend Einigkeit (vgl. van Heel et al. 2001, Frooman 1997, Bansal 2001). Begründet wird dies so: In den vergangenen Jahren entwickelte sich sowohl die Gesetzgebung wie auch die Zivilgesellschaft dahingehend, dass Unternehmen für ihr Handeln und dessen Auswirkungen immer mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Im Bezug auf Umweltthemen prägen Ernst&Young (2008, 18) dafür den Begriff „radical greening“. Stark steigendes Umweltbewusstsein betrachten die Risikoforscher von Ernst&Young als eines der zehn größten unternehmerischen Risiken für die kommenden Jahre. Das „polluter pays principle“, das mittlerweile in vielen westlichen Ländern zur Anwendung kommt, führt dazu, dass Umweltverschmutzung den Firmen nicht nur Imageschäden, sondern auch immense direkte finanzielle Kosten verursachen kann. Bereinigungskosten, Strafzahlungen und Gerichtskosten können ganze Konzerne ruinieren. Unternehmen hingegen, die proaktiv nachhaltigkeitsorientiertes Handeln über längere Zeit erfolgreich demonstriert haben, können im
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Risikomanagement definieren Francis/Armstrong (2003, 376) als “the application of policies and procedures to the tasks of identifying, analysing and assessing risks, determining the degree of exposure to risk that organisations can accommodate, and taking appropriate steps to avoid litigatio, loss of reputation or injury.”
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Krisenfall auf einen Vertrauenspolster hoffen. Bansal (2001, 49) drückt das im folgenden Zitat aus: “In the event of an environmental accident, a firm that is perceived as moving in the direction of sustainable development, is likely to be shown more leniency by government officials and customers” (Bansal 2001, 49).
In seiner Publikation “Corporate Survival: The Critical Importance of Sustainability Risk Management” widmet sich Anderson (2006) der Frage, welche Risiken es für ein Unternehmen beinhaltet, nicht-nachhaltig zu agieren, also keine oder zu wenig Rücksicht zu nehmen auf Themen wie Klimaerwärmung, Wasserverschmutzung, Korruption, Diskriminierung oder auf die Anliegen von nicht-finanziellen Stakeholder-Gruppen. Er unterscheidet verschiedene Arten von Risiken durch Nicht-Nachhaltigkeit, nämlich Risiken, die sich ergeben durch
NGO-Boycotte: Beispiel: Greenpeace-Proteste im Fall der Shell-Ölplattform Brent-Spar haben zu Konsumentenboycotten von Shell-Produkten geführt. In Deutschland gingen die Verkaufszahlen innerhalb einer Woche um 30 Prozent zurück. Klimaerwärmung: Beispiel: Naturkatastrophen, die in Folge der Klimaerwärmung zuzunehmen scheinen, haben allein im Jahr 2005 nach Schätzungen der Münchner Rückversicherung versicherte Verluste in der Höhe von 75 Billionen Dollar beschert. Die unversicherten Verluste liegen noch deutlich höher. Soziale Ungerechtigkeit: Beispiel: Wegen systematischer Diskriminierung weiblicher Angestellter hat eine US-Richterin im Jahr 2004 eine Sammelklage einiger Wal-Mart-Verkäuferinnen gegen den Supermarkt zugelassen. Fast 1,6 Millionen weiterer Frauen könnten sich der Klage anschließen und Wal-Mart immensen finanziellen Schaden wie auch Imageschaden zufügen. Ob der Prozess – es wäre die größte zivile Sammelklage in der US-Justizgeschichte – zustande kommt, war zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Dissertation noch nicht klar. Korruption: Beispiel: Neben den vieldiskutierten Korruptionsfällen bei Enron und WorldCom sorgte in Europa im Jahr 2007 zum Beispiel der Verdacht auf Korruption beim VW-Konzern für Aufregung. Ein Unternehmer aus Nordbayern soll bestochen worden sein.
Betrachtet man unternehmerisches Nachhaltigkeitsmanagement als Beitrag zum Risikomanagement, wird wiederum der Stellenwert der Kommunikation deutlich. Nachhaltigkeitskommunikation wird in vielen Fällen Risikokommunikation sein
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müssen, wenn es beispielsweise darum geht, die lokale Community über die Risiken eines Chemieparks offen und ehrlich zu informieren. Auch ist es mit Aufgabe der Kommunikation, im Rahmen ihrer „boundary-spanning“-Funktion auszuloten, welche Nachhaltigkeitsthemen für Mitarbeiter bzw. für die Stakeholder im jeweiligen lokalen Umfeld Priorität haben.
2.8 Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in den unternehmerischen Alltag 2.8 Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien Der Leser hat in den vorherigen Kapiteln erfahren, welche wirtschaftlichen Motive Unternehmen zu nachhaltigkeitsorientiertem Wirtschaften veranlassen. Gehen wir nun einen Schritt weiter und sehen uns an, wie Nachhaltigkeitsprinzipien tatsächlich in den betrieblichen Alltag integriert werden können. Dazu sind vor allem Prozesse in Richtung Nachhaltigkeit vonnöten, die wiederum von bestimmten Managementtools geprägt sind. Dann bleibt auch noch die Frage zu diskutieren, wer unternehmensintern für die Koordination von Nachhaltigkeitsfragen zuständig sein kann/soll. Alle drei Aspekte – Prozesse, Managementtools und personelle Verantwortlichkeit – werden nun theoretisch beleuchtet und zum Teil mit praktischen Beispielen untermauert.
2.8.1 Prozesse in Richtung einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung Einen „one best way“ in Richtung unternehmerischer Nachhaltigkeit kann es nicht geben. Vielmehr muss jedes Unternehmen individuell und situativ herausfinden, welche Aspekte des Leitbildes, welche Umsetzungsschritte, welche Stakeholder Priorität haben36. Auch unterschiedliche Branchenzugehörigkeit, 36
Der Konsumgütererzeuger „Procter & Gamble“ zum Beispiel setzt das Thema Wasser ganz oben auf seine Nachhaltigkeitsagenda, denn 85 Prozent der verkauften Produkte (darunter z.B. Spülmittel, Waschmittel, Shampoos, Hygieneartikel etc.) haben in der einen oder anderen Form Einfluss auf den Wasserverbrauch eines Haushalts. In seinen Nachhaltigkeitsinitiativen konzentriert sich P&G nicht nur auf das eigene Wassermanagement, sondern will auch Haushalten beim schonenden Umgang mit Trinkwasser helfen (vgl. Global Environmental Management Initiative GEMI, o.A.). Henkel wiederum definiert mehrere Felder, in denen Nachhaltigkeit für das Unternehmen eine Rolle spielt, nämlich Gesundheit & Sicherheit, Wasser & Abwasser, Energie & Klima, Materialien & Abfall, gesellschaftlicher/sozialer Fortschritt (vgl. Zengerling 2007). Naturgemäß anders fällt zum Beispiel die Fokussierung der österreichischen Bundesforste aus: Sie legen in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie folgende Schwerpunkte (vgl. Langmair-Kovacs 2007): Größtmögliche Schonung von Boden und verbleibendem Bestand, Schutz von Kleinstbiotopen und Schaffung von Ersatzlebensräumen, Einsatz geschulter Fachkräfte, Gesundheits-
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Unternehmenswerte und Motivationen tragen dazu bei, dass jedes Unternehmen seinen eigenen Nachhaltigkeitsansatz wählen muss, betonen van Marrewijk/ Werre (vgl. 2003, 107): “Each organization should choose its own specific ambition and approach regarding corporate sustainability, matching the organization’s aims and intentions and aligned with the organization’s strategy, as an appropriate response to the circumstances in which it operates.”
Ähnlich wie van Marrewijk/Werre gehen Schellnhuber/Reusswig (vgl. 2001, 106 ff) in ihrem „Leitplanken-Konzept“ davon aus, dass es nicht nur einen definierten Pfad Richtung Nachhaltigkeit geben kann, sondern einen Korridor möglicher Entwicklungen (jenseits dessen mit hoher Wahrscheinlichkeit kritische Entwicklungen lägen). Innerhalb des Korridors könnten Suchprozesse (vgl. Paech/Pfriem 2004, 38) gestaltet werden zur Aufdeckung und Neuschöpfung nachhaltigkeitsrelevanter Veränderungen. Wenn auch jedes Unternehmen seinen eigenen „Pfad“ finden muss – eines gilt für alle Unternehmen: Ernst gemeintes Nachhaltigkeitsmanagement bedeutet Change Management (vgl. Martin/Benn/Dunphy 2007, 94 ff), also einen strategischen Veränderungsprozess innerhalb der Organisation. Nachhaltigkeitsmanagement ist verbunden mit dynamischen Prozessen (vgl. Hockerts 2001, 4) und geht – im besten Falle – weit über einzelne Projekte hinaus, wie Dietmar Kanatschnig (vgl. 2005) vom Österreichischen Institut für Nachhaltigkeit erklärt. Kanatschnig geht davon aus, dass Nachhaltigkeitsmanagement am besten umgesetzt werden kann durch kybernetische Planung, die nicht, wie bisherige Planung, von der Gegenwart in die Zukunft denkt, sondern umgekehrt, also an der gewünschten Zukunft ausgerichtet ist. Für eine solche kybernetische Planung sei in erster Linie Prozessmanagement und weniger Projektmanagement nötig. Den Unterschied zwischen Projekten und Prozessen beschreibt Kanatschnig folgendermaßen: Projekte seien problemorientiert, sachbezogen und eher topdown angelegt. Es handle sich inhaltlich in der Regel um die Gestaltung von Teilbereichen. Meist sind nur wenige Experten eingebunden, die Informationen austauschen, aber auch auf die Durchsetzung ihrer spezifischen Interessen ausgerichtet sind. Prozesse hingegen seien eher leitbildorientiert, wertebezogen und bottom-up angelegt. Es gelte Interessen auszugleichen und Systeme zu optimieren, nicht einzelne Teilbereiche. Bei Prozessen müssten viele Mitarbeiter eingebunden sein, die miteinander kommunizieren. Für das Management von management für Mitarbeiter, Einhaltung von Mindeststandards bei Aufträgen an Schlägerungsunternehmen, Bewusstseinsbildung bei eigenen Mitarbeitern und Partnern, Zuverdienstmöglichkeiten für Bauern, Best- statt Billigstbieterprinzip, Erhöhung des Kostenbewusstseins.
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Nachhaltigkeitsfragen im Unternehmen seien zwar Projekte und Prozesse wichtig, die Projekte müssten jedoch in Prozesse integriert sein. Aber wie konkret könnten diese Nachhaltigkeitsprozesse bzw. diese Veränderungs-, Such-, und Lernprozesse in Richtung Nachhaltigkeit aussehen? In der Literatur finden sich hierzu vor allem Anleitungen von Unternehmensberatungen, die aber wenig wissenschaftlich fundiert erscheinen. In Deutschland und Österreich wurden auch von Unternehmensverbänden und Forschungseinrichtungen verschiedene Werkzeuge für eine nachhaltige Organisationsentwicklung entworfen. Drei Ansätze werde nun näher betrachtet: Der „initiale Nachhaltigkeitscheck“ (vgl. Merten et al. 2005) und das Instrumentariums SAFE (vgl. Baedeker et al. 2002) dienen vor allem zur Erhebung des Nachhaltigkeitspotenzials eines Unternehmens im Rahmen einer systematischen Selbstbewertung. Das in Österreich entwickelte Instrumentarium SUMMIT (vgl. Fresner et al. 2005) geht über die Selbstbewertung hinaus und soll Klein- und Mittelbetrieben helfen, die für sie am besten geeigneten Managementtools herauszufinden.
Der „initiale Nachhaltigkeitscheck“ (INC): Als Einstieg zur Initiierung eines internen Dialogs über nachhaltige Entwicklung wurde der „Initiale Nachhaltigkeitsscheck“ (INC) vom Unternehmensverband future e.V., dem Wuppertal Institut, dem Deutschen Kompetenzzentrum für Nachhaltige Entwicklung und einer Beratungsgesellschaft gemeinsam entwickelt. Bei der Online-Beantwortung von 21 Fragen (download unter www. fruehwarnsysteme.net) können Führungskräfte rasch eine erste Selbstbewertung des Unternehmens hinsichtlich Zukunftsthemen durchführen. Best Practices sowie Handlungsoptionen werden aufgezeigt. Genützt hat den INC beispielsweise die deutsche Ernährungsindustrie. 230 Unternehmen haben im Jahr 2005 auf Basis des Checks ein Nachhaltigkeitsprofil ihrer Branche erstellt (vgl. Merten et al. 2005). SAFE Sustainability Assessment for Enterprises: Dieses vom Wuppertal Institut entwickelte Instrumentarium dient zur tiefergreifenden nachhaltigkeitsbezogenen Selbstbewertung eines Betriebs und soll auch die ersten Umsetzungsschritte eines Nachhaltigkeitsprozesses in Gang bringen. Im Rahmen dieser dialogisch orientierten Methode werden die Mitarbeiter als betriebliche Experten aktiv in die Veränderungsprozesse einbezogen. Der SAFE-Prozess dauert drei bis sechs Monate und wird in sechs Phasen durchlaufen: (1) Bildung des SAFE-Teams mit Beteiligten aus allen Hierarchieebenen (2) Status-Quo-Analyse mittels Fragebogen
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(3) Auswertung des Fragebogen durch das SAFE-Team und Präsentation in einem Zukunftsworkshop (4) Entwicklung eines Stärken-Schwächen-Profils und Maßnahmen mit Zeitplan und Verantwortlichkeiten (5) Durchführung der Maßnahmen (6) Evaluation.
SUMMIT Sustainable Management Methods Integrating Tool-Kit: Dieses dreiteilige Instrumentarium haben österreichische Forscher im Auftrag des Ministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie im Rahmen des Forschungsprogramms „Fabrik der Zukunft“ gemeinsam mit österreichischen Betrieben entwickelt. Die drei Bausteine sehen folgendermaßen aus: (1) Erster Baustein ist das SUMMIT Methods Register. Hier werden bekannte Managementpraktiken, Systeme und Tools hinsichtlich sozialer, ökologischer und ökonomischer Kriterien evaluiert und in einer Datenbank kategorisiert. (2) Der zweite Baustein ist der SUMMIT Sustainability Check, ein Bewertungstool, das eine umfangreiche, nach nachhaltigen Kriterien ausgelegte Unternehmensanalyse beinhaltet. Die Ergebnisse der Befragung ermöglichen eine Bewertung der „nachhaltigen Entwicklungsstufe“ des Betriebes. Daraus ergeben sich nachhaltigkeitsorientierte Visionen und Ziele für den Betrieb. (3) Der dritte Baustein ist die SUMMIT Tools Matrix (SpinnennetzMatrix). Dieses Instrument hilft Unternehmen jene Managementtools herauszufinden, die zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung im Betrieb am effektivsten beitragen.
Trotz solcher Leitfäden muss schlussendlich jedes Unternehmen seinen eigenen Weg finden. Dieser wird auch stark davon abhängen, in welcher Region, in welcher Branche sowie unter welchen kulturellen, sozialen und natürlichen Gegebenheiten die wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet. Um nun den Weg von der Theorie zur unternehmerischen Praxis einzuschlagen, werden dem Leser im folgenden praktische Beispiele von Herangehensweisen an Nachhaltigkeitsprozesse vorgestellt, und zwar anhand von zwei völlig unterschiedlichen Unternehmen. Herausgegriffen werden der globale Chemie- und Plastikkonzern Dow Chemicals und der österreichische Mittelbetrieb Demontage- und Recycling-Zentrum (DRZ).
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Dow Chemicals entwickelte im Jahr 2001 seinen eigenen 12-Punkte-Plan zur Umsetzung und Kontrolle von Nachhaltigkeit (vgl. Dow Chemicals 2003, 25). Seitdem wird die weltweite Einhaltung jedes einzelnen Punktes von jeweils einem Verantwortlichen kontrolliert, und die Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit werden evaluiert. Die zwölf Punkte sind in Abbildung 23 beschrieben. Diese Punkte, so heißt es in der Beschreibung des Plans, sollte man sich wie die Farbpalette eines Malers („The Painter's Palette“) vorstellen. Der Plan sorge für Organisation, Ordnung und Struktur. Den Dow Managern bleibe aber die Freiheit, die Färbung des Nachhaltigkeitsmanagements im jeweiligen Land, der jeweiligen Niederlassung etc. selbst zu wählen und auf ihre strategischen Pläne abzustimmen. Jede Dow Niederlassung und Abteilung könne so ihr eigenes „Nachhaltigkeitsbild“ zusammenstellen und Nachhaltigkeitspotenziale individuell nützen. 1. People: Implementation of a comprehensive people strategy throughout the company
2. Brand: Education and communication through a reputation and branding strategy 3. Transparency: Transparency in our activities and performance 4. Integration: Integration of the Sustainable Development Guiding Principles into business, function, and site strategies
5. Dialogue: Better understanding of diverse viewpoints through active stakeholder partnerships and dialogue
6. Advocacy: Proactive management of emerging issues and trends consistent with the Sustainable Development Guiding Principles
7. Globalization: Achievement of value growth in a manner contributing to Responsible Globalization
8. Solutions Development: Development and production of value-added, essential-tolife products that positively contribute to a sustainable society
9. Community: Improvement of societal value through corporate contributions, initiatives and activities, volunteerism and ecosystem enhancement projects
10. Six Sigma: Breakthrough improvements in sustainability through the use of Six Sigma methodology
11. EH&S: Continuous improvement of Environmental, Health and Safety performance for 2005 and beyond
12. Industry Alignment: Living the Responsible Care® principles and promoting their implementation throughout the industry Abbildung 23: Der 12-Punkte-Plan von Dow Chemicals zur Umsetzung und Kontrolle von Nachhaltigkeit (Dow Chemicals 2003, 25)
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Das Demontage- und Recycling-Zentrum (DRZ) mit Sitz in Wien ist ein Mittelbetrieb (ca. 40 Mitarbeiter), in dem unter anderem Langzeit-Arbeitslose Dienstleistungen im Bereich Demontage und Wieder- bzw. Weiterverwendung elektronischer Geräte anbieten. Das DRZ hat kurz nach seiner Gründung im Jahr 2004 einen Nachhaltigkeitsprozess basierend auf dem SUMMIT-Instrumentarium gestartet (vgl. DRZ 2005). Das Ergebnis mehrerer Intensivworkshops, an denen acht Personen (Geschäftsführung, Mitarbeiter, Sozialarbeiter, etc.) teilnahmen, war ein präzises Stärken- und Schwächenprofil des Unternehmens in Sachen Nachhaltigkeit, in dem zehn wesentliche Unternehmensbereiche hinsichtlich wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer Kriterien beurteilt wurden (vgl. Abbildung 24). „Als die Stärke des DRZ ging der ganzheitliche Ansatz des DRZ in seiner Produktund Dienstleistungserstellung hervor, der sowohl die ökologische als auch soziale Dimension der Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Auch die Analyse anderer Bereiche wie z.B. ,Kooperation und Innovation’ ergab, dass das DRZ die sich bietenden Möglichkeiten weitestgehend optimal nutzt. Die größten Verbesserungspotentiale wurden im Bereich der internen Kommunikation, der Aus- und Weiterbildung der Schlüsselkräfte und im Bereich der Vermarktung unserer Produkte identifiziert“ (DRZ 2005, 22).
Im Anschluss an die Stärken-Schwächen-Analyse wurden konkrete Verbesserungsmaßnahmen festgesetzt, die auch in die Jahreszielsetzungen des Betriebs für das Folgejahr mit aufgenommen wurden. Das Monitoring der Ziele, eine Evaluation sowie neuerliche Selbstbewertung und Maßnahmensetzung schließen den Kreis des DRZ-Nachhaltigkeitsprozesses.
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Abbildung 24: Entstehung des Stärken/Schwächenprofils in Sachen Nachhaltigkeit im Rahmen eines Workshops des Demontageund Recycling-Zentrums (DRZ 2006, 15).
2.8.2 Ausgewählte Managementtools für nachhaltig wirtschaftende Unternehmen Damit das Leitbild nachhaltiger Entwicklung auf Unternehmensebene anschlussfähig ist und operationalisiert werden kann, ist es notwendig, im Rahmen eines Prozesses die Prinzipien des Leitbilds in bestehende Unternehmensbereiche zu integrieren und in die Sprache von Unternehmen zu übersetzen. Statt des oft schwammigen Begriffs der Nachhaltigkeit ist dann häufig die Rede von „Arbeitsbedingungen“, „Chancengleichheit“, „Reduktion der Umweltbelastung“, „Umweltmanagement“, „Innovationsfähigkeit und -bereitschaft“, „gesellschaftliche Verantwortung“, etc. Im letzten Jahrzehnt wurden viele Managementtools und Konzepte zur Umsetzung nachhaltigkeitsorientierter Ambitionen entwickelt. Schaltegger et al. (2004) identifizieren und beschreiben in ihrer Studie zum Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen gleich 46 (!) verschiedene Managementinstrumente. Ein gemeinsames Merkmal dieser Ansätze besteht darin, dass sie auf eine Komplexitätsreduktion abzielen. Sie projizieren den aus der Praktikerperspektive recht diffusen Nachhaltigkeitsbegriff durch Schwerpunkt-
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setzung (zum Beispiel auf nur eine Nachhaltigkeits-Säule) und jeweils eine spezifische Problemwahrnehmung auf die Ebene der konkreten Umsetzung. Die Managementtools und Ansätze, die derzeit die Diskussion zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsorientierung beherrschen, möchte ich gruppieren in die folgenden vier Bereiche: (1) Technik & Produktion & Vertrieb: z.B. Nachhaltigkeitsorientiertes Innovationsmanagement nachhaltiges Produkt(re)design Öko-Bilanz, Sozio-Bilanz, Lebenszyklusansatz Stoffstrommanagement Dematerialisierung, Öko-Effizienz, Sozio-Effizienz Öko-Effektivität, Sozio-Effektivät Nutzung von Nebenproduktsynergien (2) Managementsysteme & Kontrolle: z.B. Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsmanagementsysteme (EMAS, Sustainability Excellence SusEx basierend auf EFQM etc.) Standards (AA 1000, SA 8000, ISO 26000 etc.) Nachhaltigkeitskostenrechnung “Sustainability Balanced Scorecard” Kennzahl „Sustainable Value Added“ (3) Unternehmenskultur für Nachhaltigkeit: z.B. „Sustainable Leadership“ Codes of Conduct, Nachhaltigkeitsleitbild, Vision Interne (Nachhaltigkeits-) Kommunikation Mitarbeiteraus- und fortbildung für Nachhaltigkeit, Mitarbeiter-Partizipation (4) Unternehmensübergreifende Ansätze & Partizipation: z.B. Nachhaltigkeitskommunikation bzw. -berichterstattung Management der Lieferantenkette CSR, Corporate Citizenship, Sozio/Öko-Sponsoring, Volunteering Stakeholder-Dialoge Kooperationen Einige dieser Ansätze wurden im bisherigen Verlauf der Arbeit schon beschrieben (Standards, Codes of Conduct, CSR). Auf andere wiederum wird später, in Kapitel 5, noch Bezug genommen (Mitarbeiter-Partizipation, Stakeholder-Dialoge, Nachhaltigkeitsberichte). Genauer betrachtet wird nun die „Sustainability Balanced Scorecard“ (SBSC) als Controllinginstrument.
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„Sustainability Balanced Scorecard“ als Instrument des Nachhaltigkeitscontrollings Das Konzept der „Balanced Scorecard“ (BSC) entstand Anfang der 1990er Jahre als ein neues System zur Leistungsmessung von Unternehmen. Ausschlaggebend war die damalige Kritik am Rechnungswesen, dass rein finanzielle, „harte“ Kennzahlen zu einseitig, kurzfristig und vergangenheitsorientiert seien, um ein ausgewogenes Bild der Unternehmenssituation zu vermitteln. Die Besonderheit der „Balanced Scorecard“ liegt nun darin, dass sie neben harten Faktoren auch „weiche“ Faktoren, sogenannte „intangibles“ (wie Kundenbeziehungen, Mitarbeiterqualifikation, intellektuelles Kapital) systematisch berücksichtigt und auf den langfristigen Unternehmenserfolg bezieht. Unternehmerisches Handeln wird hier also aus unterschiedlichen, nicht ausschließlich marktbezogenen Perspektiven beleuchtet. In der Literatur finden sich unterschiedliche Konzeptionen der „Balanced Scorecard“. Als klassische BSC gilt jene von Kaplan/Norton (vgl. 1996, 755 ff). Die Autoren schlagen vor, neben den Finanzen auch Kunden, interne Prozesse sowie Lernen und Entwicklung als Leistungsfaktoren mit einzubeziehen (vgl. Abbildung 25).
Abbildung 25: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard (Bieker et al. 2003, nach Kaplan/Norton 1996)
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Das Instrument der BSC erscheint aus mehreren Gründen besonders geeignet für ein integriertes Nachhaltigkeitsmanagement (vgl. Hahn/Wagner o.A.; Bieker et al. 2003; Fresner et al. 2006; Schaltegger/Dyllick 2002). Erstens, die BSC ist – wie der Name schon sagt –„balanced“. Sie bietet Platz für nicht-monetäre, qualitative Erfolgsfaktoren wie eben Umwelt- und Sozialaspekte. Zweitens, die BSC zeigt Kausalbeziehungen auf. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten des unternehmerischen Handelns können erhoben werden. Die BSC macht Unternehmen deutlich, wie die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsaktivitäten zu (langfristigen, wirtschaftlichen) Erfolg beitragen. Drittens, die BSC erlaubt Unternehmen individuelle Zugänge zum Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeit, bei denen entweder der reine Business Case im Vordergrund steht oder aber auch eine breitere Gesellschaftsperspektive im Rahmen des Controllings berücksichtigt werden kann. Damit die Ausführungen zur „Sustainability Balanced Scorecard“ (kurz SBSC) nicht zu abstrakt werden, erfährt der Leser nun, wie in der Praxis mit dieser neuartigen Form der Planung und Steuerung gearbeitet werden kann. Dabei orientieren wir uns an den idealtypischen Arbeitsschritten zur Erstellung einer Sustainability Balanced Scorecard nach Fresner et al. (vgl. 2006, 22 ff): 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Erstellung einer Unternehmensvision, die Nachhaltigkeitsprinzipien berücksichtigt SWOT-Analyse der Vision (an der auch Mitarbeiter und andere Stakeholder beteiligt sein können) Ableitung der Nachhaltigkeits-Perspektiven und strategischen Stoßrichtungen, Ableitung strategischer Nachhaltigkeitsziele Diskussion von Ursache-Wirkungsbeziehungen Festlegen von Kennzahlen sowie Zielwerten für die einzelnen Kennzahlen Planung von strategischen Maßnahmen
Wie diese Prozessschritte bis zur Erstellung einer Sustainability Balanced Scorecard (SBSC) in der Praxis ablaufen können, wird nun anhand eines Beispiels dargestellt. Als Beispiel dient das Familienunternehmen Gartenbau Herneth, ein Gartenbaubetrieb mit 115 Mitarbeitern und Produktionsstätten in Graz, Ungarn und Kenia, der sich auf Balkon-, Beet- und Topfpflanzen spezialisiert hat. Im Rahmen des Programms „Fabrik der Zukunft“ (ausgehend vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) nahm der Betrieb an einem Nachhaltigkeitsmanagement-Prozess teil. Es sollte eine nachhaltige Unternehmensvision und daraus abgeleitet eine SBSC entworfen werden (vgl. Fresner et al. 2006, 46).
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Das Nachhaltigkeitsteam der Firma Herneth war zuerst aufgefordert, eine für den Betrieb geeignete Arbeitsdefinition von Nachhaltigkeit zu entwerfen. Darauf aufbauend wurden im Rahmen einer Kreativphase Leitsätze formuliert, die die Vision der Firma (bisher hatte das Unternehmen keine Vision formuliert) beschreiben. Das Nachhaltigkeitsteam beantwortete zu diesem Zweck die Fragen: Was wollen wir bis zum Jahr 2015 erreichen? Womit wollen wir das erreichen? Wozu wollen wir das erreichen? Schließlich entstand folgende Unternehmensvision (vgl. Abbildung 26).
Abbildung 26: Leitbild und Unternehmensvision von Gartenbau Herneth (Fresner et al. 2006)
Diese Vision galt es alsdann der kritischen Reflexion der Mitarbeiter zu unterziehen. Als Instrument dazu wurde die SWOT-Analyse („Strength, Weaknesses, Opportunities, Threats“) verwendet. Ziel war es, den Betrieb in Bezug auf seine internen Stärken und Schwächen sowie externen Chancen und Risiken in Hinblick auf die Erreichung der Vision zu analysieren. Dieser Prozessschritt wurde vom Nachhaltigkeitsteam klar als Aufgabe der Mitarbeiter (und nicht der Geschäftsleitung) definiert. Diese Vorgehensweise sollte einerseits gewährleisten, dass das gesamte kreative Potenzial erschlossen wird, andererseits, dass die Mitarbeiter eine größere Offenheit an den Tag legen können. Aus Vertraulichkeitsgründen können die Ergebnisse der SWOT-Analyse hier nicht veröffentlicht werden.
2.8 Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien
119
Basierend auf den Ergebnissen der SWOT-Analysen wurde die Vision überarbeitet, und in einem nächsten Schritt erfolgte die Erstellung des Grundrasters für die SBSC, der sich aus Perspektiven und strategischen Stoßrichtungen zusammensetzt. Als Perspektiven definierte die Firma Herneth „Nachhaltigkeit“, „Kunden“, „Prozesse“ und „MitarbeiterInnen“, als strategische Stoßrichtungen „Wachstum“, „Qualität“ und „Effizienz“. Innerhalb des so entstandenen Rasters wurden im Anschluss die strategischen Nachhaltigkeitsziele definiert (vgl. Abbildung 27). Daraufhin wurden die Einzelziele durch Ursache-Wirkungsbeziehungen (Pfeile in der Abbildung) miteinander verknüpft. Anhand dieser Verknüpfungen konnten die Strategien in den einzelnen Stoßrichtungen systematisch diskutiert werden. Dann definierte das Nachhaltigkeitsteam für jedes der Ziele zwei bis drei Messgrößen. Die so erstellte SBSC soll jedoch nicht einfach ein Strategiepapier bzw. „ein Papier für die Schublade“ sein, sondern dem Unternehmen ein Instrument in die Hand geben, mit dem die unternehmerische Nachhaltigkeitsentwicklung regelmäßig überprüft und auch gemessen werden kann. Die in der SBSC definierten Ziele muss das Unternehmen Herneth deshalb nun regelmäßig (quartalsweise) überarbeiten, planen und mit Kennzahlen versehen. Den kontinuierlichen Lernzyklus rundet schließlich eine regelmäßige Evaluation ab.
Abbildung 27: Sustainability Balanced Scorecard der Firma Herneth (Fresner et al. 2006, 58)
120
2 Nachhaltiges Wirtschaften
2.8.3 Personelle Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements und das Berufsbild „Nachhaltigkeitsmanager“ Wer ist unternehmensintern für Nachhaltigkeitsmanagement verantwortlich? Diese Frage ist empirisch noch auffallend wenig untersucht worden. Dunphy/ Andrew/Benn (vgl. 2007, 18f) gehen davon aus, dass Nachhaltigkeitsmanagement mehrere „Change Agents“ nötig hat: “Progress can only take place through the action of various change agents […] Internal change agents are board members, CEOs, executives, managers, supervisors, professionals in staff roles and other members of the work force. External change agents include politicians and bureaucrats, investors, consultants, suppliers and subcontractors, financial analysts, social consumers. […] Concerted action among different kinds of change agents will be needed to create the significant changes we are advocating.”
Es bedarf also unterschiedlicher Personen, die einen gewissen Druck in Richtung proaktiver Veränderung auf das Unternehmen von intern oder extern ausüben. In der Praxis zeigt sich, dass Unternehmen verschiedene Herangehensweisen an die personelle Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements verfolgen: In manchen Betrieben werden Nachhaltigkeitsthemen in verschiedenen Abteilungen „untergebracht“, z.B. in Abteilungen für Unternehmensentwicklung, Umweltschutz, Personal bzw. in der Kommunikationsabteilung (vgl. Loew et al. 2004, 79). In anderen Betrieben heißt es, der Vorstand allein sei für Nachhaltigkeitsfragen zuständig. Besonders innovative Betriebe wiederum haben bereits eigene „Stakeholder Councils“ geschaffen, welche die Funktion eines „Watchdog“ bzw. einer „Loyal Opposition“ einnehmen sollen (Turnbull 2009, 34). Immer mehr große Unternehmen gehen mittlerweile aber offenbar dazu über, die Verantwortlichkeiten für Nachhaltigkeitsthemen klar zu definieren. Es werden dem Vorstand unterstellte Nachhaltigkeitsräte bzw. Nachhaltigkeitsausschüsse ins Leben berufen, in denen ausgewählte Experten aus verschiedenen Abteilungen zusammen Strategien und Zielsetzungen entwickeln. Die Koordination der operativen Umsetzung übernimmt zumeist ein sogenannter Nachhaltigkeitsbeauftragter bzw. „Sustainability Manager“. Eine solche Organisationsform des Nachhaltigkeitsmanagements haben beispielsweise die Unternehmen Verbund und Henkel gewählt. Ihre Form der Organisation wird nun exemplarisch dargestellt (vgl. Pretscher 2007; Zengerling 2007). Im Verbund liegt die oberste Verantwortung für Nachhaltigkeit beim Konzernvorstand, der Nachhaltigkeitsziele und -politik festlegt (vgl. Abbildung 28). Dem Konzernvorstand unterstellt ist ein Nachhaltigkeitsrat, besetzt durch eine
2.8 Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien
121
Nachhaltigkeitsbeauftragte, Vorstandsassistenten, Vertreter der Tochtergesellschaften, dem Leiter der Konzernkommunikation, dem Leiter der Investor Relations und dem Leiter des Geschäftsfelds Beteiligungen. Die Aufgaben des Nachhaltigkeitsrates sind die Festlegung von Zielen und Schwerpunkten im Bereich Nachhaltigkeit, Weitergabe von Impulsen aus den Tochtergesellschaften an den Nachhaltigkeitsausschuss, Vermittlung der Prinzipien der Nachhaltigkeit an Führungskräfte und Mitarbeiter sowie die Genehmigung des Grundkonzeptes für den Nachhaltigkeitsbericht. Das Arbeitsgremium des Nachhaltigkeitsrates ist der Nachhaltigkeitsausschuss. Er koordiniert konzernweit Tätigkeiten auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit und erstellt den Nachhaltigkeitsbericht. Die Nachhaltigkeitsbeauftragte des Konzerns leitet den Nachhaltigkeitsausschuss, der aus Sozial-, Umwelt-, Wirtschafts-, Kommunikations-, und Forschungsexperten besteht. Der Ausschuss schlägt konkrete Ziele und Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit im Konzern vor, berichtet über die laufende Umsetzung der Projekte in den verschiedenen Gesellschaften und ist für die Erstellung des
Nachhaltigkeitsberichts zuständig. Abbildung 28: Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements im Verbund (Pretscher 2007, überarbeitete Version der Abbildung)
Bei Henkel (vgl. Abbildung 29) untersteht ein „Sustainability Council“ direkt der Geschäftsführung und fungiert als globales Steuerungsgremium, das Entscheidungsvorlagen im Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements erarbeitet und deren Umsetzung im weltweiten Konzern kontrolliert. Die Mitglieder des Sustainability Councils arbeiten eng zusammen mit konzernweiten Funktionen wie Forschung & Entwicklung, Personal, Sustainability Communications und Unternehmenskommunikation. Außerdem besteht eine enge Zusammenarbeit mit
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
den einzelnen Unternehmensbereichen wie Produktentwicklung, Produktion, Marketing und Vertrieb sowie mit den regionalen und nationalen Gesellschaften, die wiederum die Vorgaben des Sustainability Councils auf die lokalen Verhältnisse anpassen und umsetzen. Aktivitäten, die eine enge Kooperation zwischen Konzernfunktionen, Unternehmensbereichen und regionalen Gesellschaften erfordern sind zum Beispiel das „Kommunikationsforum Product Stewardship“, in dessen Rahmen Produktentwickler und Fachleute Fragen der Produktverantwortung und Produktsicherheit über den gesamten Lebenszyklus hinweg diskutieren, sowie internationale Konferenzen mit dem Ziel des Erfahrungsaustausches.
Abbildung 29: Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements bei Henkel (Zengerling 2007, überarbeitete Version der Abbildung)
An der Spitze des „Sustainability Councils“ steht auch bei Henkel ein Nachhaltigkeitsmanager. Über das Kompetenzprofil von Nachhaltigkeitsmanagern gibt es noch kaum fundierte Forschungsergebnisse. In einem ersten Versuch der Zusammenstellung eines Anforderungsprofils bezeichnet Leitschuh-Fecht (2006, 1ff) Nachhaltigkeitsmanager viel sagender Weise als „emphatische Helikopterpiloten“. Sie sollten die Fähigkeit besitzen, Dinge aus einer Art „Helikopterperspektive“ zu sehen, also Zusammenhänge erkennen, die nur durch eine ganzheitliche Betrachtung möglich sind. Dann sollten sie aber auch wieder „auf den Boden der Realität“ zurückkommen können und sich um Detailfragen kümmern. Darüber hinaus sollte der Nachhaltigkeitsmanager imstande sein, „sich in die Lage eines externen Betrachters zu versetzen und das eigene Unternehmen mit fremden Augen zu betrachten“ (Leitschuh-Fecht 2006, 3). Er sollte einschätzen können, wie sich Werthaltungen in der Gesellschaft künftig entwickeln werden,
2.9 Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements
123
wie Stakeholder denken und welche Kultur und Philosophie hinter den Handlungsweisen und Erwartungen von Stakeholdern stecken. Zu diesem Zweck suchen Nachhaltigkeitsmanager eine vertrauensvolle Beziehung zu Stakeholdern (vgl. Leitschuh-Fecht 2006, 4). Sie sollten also gute, konfliktfähige Kommunikatoren sein, und zwar nach außen und nach innen. Sie müssen „die Denkweise der anderen Unternehmensbereiche verstehen und lernen, deren Sprache zu sprechen“, also „die Ziele der Nachhaltigkeit in die Kategorien und Erfolgsfaktoren der anderen Unternehmensbereiche übersetzen“ (Leitschuh-Fecht 2006, 4). Der hohe Stellenwert kommunikativer Kompetenzen kommt auch in den Ausbildungsmöglichkeiten für Nachhaltigkeitsmanager zum Ausdruck: Die europaweit einzige, umfassende Ausbildung zum „Sustainability Manager“ (Abschluss mit dem Titel MBA) bietet das „Center for Sustainability Management“ der Universität Lüneburg an. Das Studium dauert vier Semester für TeilzeitStudenten und zwei Semester für Vollzeit-Studenten. Es kostet rund 10.000 Euro Studiengebühren. Als Ziele der auf Fernstudium aufgebauten Ausbildung mit dem Titel „MBA Sustainability Management (Sustainament)“, die seit dem Jahr 2003 läuft, werden unter anderem die folgenden genannt (CSM 2005): Nachhaltige Innovationspotenziale erkennen; Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln; Nachhaltigkeitsideen überzeugend kommunizieren; Stakeholderbeziehungen zu beiderseitigem Vorteil gestalten; Marktpotenziale nachhaltiger Produkte erkennen; Nachhaltigkeitsperformance messen. Auch in Österreich gibt es seit dem Jahr 2008 spezifische Ausbildungslehrgänge für CSR und Nachhaltigkeit: Die Fachhochschule Wien bietet seit Herbst 2008 einen zweisemestrigen Lehrgang zum „Akademischen CSR-Manager“ an, an dem mit Stand Jänner 2009 14 Studenten teilnehmen. Österreichische Unternehmensberater können mittlerweile die Akkreditierung „CSR Consultant“ erwerben. Um von der Wirtschaftskammer als „CSR Consultant“ akkreditiert zu werden, bedarf es „einer umfassenden Ausbildung sowie auch Praxis auf dem Gebiet der CSR“ (Schneider 2008). Mit Stand Jänner 2009 haben acht österreichische Unternehmensberater den Titel „CSR Consultant“ verliehen bekommen. Spezielle Seminare für „integriertes CSR-Management“ bieten auch Agenturen wie beispielsweise die Wiener „plenum akademie“ an.
2.9 Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements in der Unternehmenspraxis: Das Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ 2.9 Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements Das nachhaltige Unternehmen schlechthin kann es nicht geben (vgl. Schellnhuber/Reussig 2001, 106 ff). Unternehmerische Nachhaltigkeit bedeutet vielmehr einen ständigen „Prozess“ (Hockerts 2001, 4) der Verbesserung. Somit
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
stellt absolute Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene ein kaum zu erreichendes Ideal dar (vgl. Baedeker et al. 2005, 631). Sehr wohl ist es Betrieben aber möglich, ihre soziale, ökologische bzw. wirtschaftliche Performance schrittweise zu verbessern. Je nachdem, wie umfassend ein Unternehmen die Nachhaltigkeitsprinzipien aufgreift, unterscheiden verschiedene Autoren unterschiedliche Ausprägungen bzw. Entwicklungsstufen des Nachhaltigkeitsmanagements37. Zwei dieser Modelle zu den Ausprägungen unternehmerischer Nachhaltigkeitspraxis werden dem Leser nun kurz vorgestellt. Daran anschließend wird ein selbst entworfenes Stufenmodell der „Nachhaltigkeitsleiter“ präsentiert, in dem auch der sich verändernde Stellenwert der Public Relations und die damit verbundenen Ansprüche an Kommunikatoren integriert sind. Das österreichische Institut für Nachhaltigkeit (vgl. 2004, 5) unterscheidet vier Stufen des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements (vgl. Abbildung 30), nämlich passive, reaktive, aktive und pro-aktive Unternehmen:
Abbildung 30: Ausprägungen von unternehmerischer Nachhaltigkeit (vgl. Österreichisches Institut für Nachhaltige Entwicklung 2004, 5)
Eine noch feinere Abstufung trifft Griffiths (2004, 3ff), der ein sechsstufiges Phasenmodell mit jenen Entwicklungsstufen entwirft, die ein Unternehmen auf seinem Weg in Richtung Nachhaltigkeit durchlaufen kann:
37
Van Marrewijk/Werre (2003, 107 ff) sprechen in diesem Zusammenhang von „multiple levels of corporate sustainability“.
2.9 Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements
125
(1) Als erste Phase („rejection“) nennt Griffiths eine ablehnende Haltung der Geschäftsleitung gegenüber den Nachhaltigkeitszielen. Im Vordergrund des Managerdenkens steht die kurzfristige Ausbeutung aller Ressourcen (Mitarbeiter, Umwelt etc.) zur Gewinnsteigerung. (2) Auf der nächsten Stufe („non-responsiveness“) stehen Manager den Nachhaltigkeitsprinzipien zwar nicht mehr offen ablehnend gegenüber, jedoch fehlt das Bewusstsein und Wissen über Themen, die Nachhaltigkeit betreffen. (3) Phase drei („compliance“) ist jene der Erfüllung von außen auferlegten (gesetzlichen) Normen und Vorschriften. Veränderungen sind reaktiv im Sinne von Reaktionen auf gesetzliche Änderungen. (4) In der darauffolgenden Phase („efficiency“) erkennt das Management die Vorzüge eines proaktiven Handelns in Bereichen der Nachhaltigkeit. Man sieht, dass nachhaltiges Handeln Kosten verringern und die Effektivität erhöhen könnte. (5) Proaktives Handeln wird in Entwicklungsphase 5 („strategic proactivity“) als Strategie verstanden. Beispielsweise gilt es als Wettbewerbsvorteil, wenn sich das Unternehmen als Vorreiter nachhaltigen Handelns in seiner Branche etabliert. Nachhaltigkeit wird nicht als Kostenminimierungsfaktor betrachtet, sondern als Faktor, der zur Erhöhung von Wert, Flexibilität und Innovation führt. (6) Die höchste zu erreichende Phase („sustaining corporation“) ist jene der zukunftsfähigen Unternehmung. Diese Phase stellt ein ideales Stadium dar, in dem die Aspekte der Nachhaltigkeit internalisiert wurden. Dunphy/ Griffiths/Benn (2007, 18ff) beschreiben diese höchste Stufe des nachhaltigkeitsorientierten Unternehmens so: “The sustaining corporation represents a transformation of the corporation into a truly sustainable business that is adding value for the business itself and also adding value to society as a whole and for the environment. [...] The sustaining corporation goes beyond self interest to work actively for a fully sustainable world.”
Nur wenige Unternehmen haben dieses Idealstadium erreicht. In der Literatur werden Ben and Jerry’s, Patagonia und Interface oftmals als Vertreter genannt. Die oben dargestellten Modelle berücksichtigen die Rolle der Public Relations kaum bis gar nicht. Wie die bisherigen Ausführungen in Kapitel 2 gezeigt haben, ist aber davon auszugehen, dass im Rahmen der Entwicklung von reaktivem zu proaktivem Nachhaltigkeitsengagement gerade die Kommunikation intern wie extern eine Schlüsselfunktion einnimmt. Dieser Zusammenhang zwischen den Stufen des Nachhaltigkeitsengagements und dem Unterstützungs-
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
potenzial der Public Relations wird nun im Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ veranschaulicht: Das Modell sieht vor, dass Unternehmen Stufe für Stufe voranschreiten können von einer defensiven über eine reaktive hin zu einer proaktiven Nachhaltigkeitsorientierung. Sie steigen die „Nachhaltigkeitsleiter“ nach oben, und ihr Weg führt sie von der Erfüllung rechtlicher Normen („Compliance“), über Umwelt-, Sozio- bzw. Kultursponsoring („Corporate Giving“) und Cause-related Marketing, dann über tatsächliche Prozess- und Produktveränderungen in einer lernenden, innovationsorientierten Organisation hin schließlich zu einer partizipativ angelegten Lösungssuche für Nachhaltigkeitsprobleme, die eine unternehmerische Kultur der Nachhaltigkeit voraussetzt. Parallel dazu vollzieht sich ein Wandel in den unternehmerischen Motiven für das Nachhaltigkeitsengagement von rein Marketing-orientierten Motiven, über breitere „Business Case“-Motive instrumenteller Art hin zu gesellschaftlichen Motiven mit ethischmoralischen Wurzeln (vgl. Kapitel 3.4.4). Das Bild der Leiter mit ihren vielen Sprossen lässt – umgelegt auf unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement – mehrere Metaphern zu: Manche Ziele zum Beispiel sind nicht zu erreichen, wenn man nur eine Sprosse nach oben steigt. Es bedarf des Erklimmens mehrerer Sprossen, um schwierige, sehr hoch gesteckte Ziele zu erreichen. Es kann auch aber passieren, dass ein Unternehmen einen Fehltritt macht oder einen Rückschlag erleidet. Eine Sprosse „bricht durch“, zum Beispiel weil die angestrebte „Kultur der Nachhaltigkeit“ noch nicht alle Mitarbeiter verinnerlicht haben und es deshalb zu folgenschweren Fehlentscheidungen kommt. Das Unternehmen rutscht daraufhin wieder einige Sprossen zurück. Auch das kann nicht ausgeschlossen werden, denn der Weg die Nachhaltigkeitsleiter hinauf ist selbstverständlich nicht ohne Risiken, besonders wenn das Unternehmen bereits eine respektable Höhe erklommen hat. Aber nicht immer müssen Unternehmen ganz unten in die Leiter einsteigen. So kann ein Kleinbetrieb zum Beispiel, dessen Chef Sozial- und Umweltbelange als wichtigen Wert schätzt, gleich relativ weit oben beginnen. Vielleicht muss der Betrieb aber zwischenzeitlich wieder Schritte nach unten machen, zum Beispiel um bestimmte rechtliche Normen zu erfüllen. In folgender Abbildung ist das Modell der Nachhaltigkeitsleiter dargestellt. Die x-Achse bezieht sich auf die zunehmende Wertsteigerung, die das Unternehmen für sich selbst und die Gesellschaft durch ernstgemeintes Nachhaltigkeitsmanagement erreichen kann. Die y-Achse bezieht sich auf den Stellenwert der Kommunikation. Ich gehe davon aus, dass interne wie externe Kommunikation immer wichtiger wird und größere Unterstützungspotenziale aufweist, je weiter das Unternehmen die Nachhaltigkeitsleiter nach oben „klettert“. Damit
2.9 Ausprägungen des Nachhaltigkeitsengagements
127
verbunden sind auch steigende Anforderungen und Herausforderungen an Kommunikatoren. Je höher nämlich die Stufe des Nachhaltigkeitsmanagements,
desto wichtiger ist Transparenz; desto mehr Stakeholdergruppen werden berücksichtigt; desto symmetrischer muss die Kommunikation mit den verschiedenen Stakeholdern angelegt sein.
Abbildung 31: Das Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ (eigene Darstellung)
Zweifelsohne repräsentiert das Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ vorrangig eine normative Sichtweise. Es ergeben sich daraus aber auch Implikationen und offene Fragen für die (Kommunikations-)Praxis. Worin konkret liegen die Unterstützungspotenziale der Kommunikation bei zunehmender Nachhaltigkeitsorientierung? Welche Beiträge kann interne wie externe Kommunikation zur Erreichung der verschiedenen Ziele des Nachhaltigkeitsmanagements leisten? Welche Herausforderungen an Kommunikationsmanager sind damit verknüpft?
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
Welche Instrumente kommen im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation zur Anwendung? Auf diese und andere Fragen werden dem Leser in den Kapiteln 3, 4 und 5 Antworten geboten. Im empirischen Teil der Arbeit (Kapitel 5 und 6) wird ansatzweise auch überprüft, inwieweit das vorerst spekulative Modell der Nachhaltigkeitsleiter in der Praxis zutrifft.
2.10 Zukunftsszenarien: Unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement in wirtschaftlich turbulenten Zeiten 2.10 Zukunftsszenarien Bei aller Euphorie über die Potenziale unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements drängt sich die Frage auf: Wie wird es weitergehen? Wird es zur Selbstverständlichkeit, dass Unternehmen neben finanziellen Aspekten auch soziale und ökologische Belange als gleichberechtigt in den unternehmerischen Alltag integrieren? Oder aber sind unternehmerische Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung nur ein „Hype“ in Zeiten der Hochkonjunktur gewesen, und werden nun, in wirtschaftlich turbulenteren Zeiten, wieder hintangestellt? Oder ist es vielleicht sogar umgekehrt, dass in Krisenzeiten CSR und Nachhaltigkeit noch stärker als Chance betrachtet werden? Unter dem Titel „Fade, Integrate or Transform?“ beschäftigt sich White (2005) intensiv mit der Frage nach der Zukunft der unternehmerischen CSR- und Nachhaltigkeitsorientierung. Er entwirft drei Szenarien, die im Jahr 2015 eintreten könnten: 1.
2.
Unternehmerisches Nachhaltigkeits- und CSR-Engagement verblasst und verliert an Bedeutung (fad-and-fade scenario): Wirtschaftlicher Abschwung und finanzielle Krisen bewegen Unternehmen dazu, sich wieder rein ökonomischen Themen zuzuwenden. Rechtliche Vorschriften werden zwar erfüllt, darüber hinaus schwindet das ökologische und soziale Engagement aber. Unternehmen streichen die Hindernisse unternehmerischer Nachhaltigkeitsorientierung hervor. Dazu zählt, dass die finanziellen Vorteile nicht empirisch bewiesen wurden, dass nachhaltigkeitsrelevante Unternehmensinformationen sehr aufwändig zu sammeln sind, dass zu wenig Information und professionelle Beratung bestehe (vgl. European Multistakeholder Forum on CSR 2004, 8 f). Die Prinzipien der Nachhaltigkeit werden in den unternehmerischen Alltag integriert (embed-and-integrate scenario): Nachhaltigkeitsorientierung und „Corporate Social Responsibility“ wird die Regel für große wie auch kleine Betriebe aller Branchen. Ohne länger über den „Business Case“ zu diskutieren, werden ökologische und soziale Werte in die Unternehmenskultur
2.10 Zukunftsszenarien
3.
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so gut wie möglich eingebettet. Die drei Säulen der Nachhaltigkeit finden ihren Niederschlag in möglichst allen Unternehmensbereichen, von der Forschung, über Marketing, bis zu Kommunikation. Unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement setzt eine Transformation von Unternehmen und ihrer Beziehung zu Gesellschaft und Umwelt in Gang (transition-and-transformation scenario): White (2005, 3) spricht von „fundamental rethinking of the purpose of the corporation“. Diese Veränderungen drücken sich dadurch aus, dass die traditionelle ShareholderOrientierung einer breiteren Auffassung weicht, nämlich dass Unternehmen Wert für verschiedene Zielgruppen zu schaffen haben. Alle Zielgruppen, nicht nur Shareholder, werden als Investoren des Unternehmens betrachtet, als „investors [...] who deserve to participate in its [erg. the company’s] governance and benefit from its surplus.“
Wie plausibel sind nun diese Szenarien aus Sicht der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise? Natürlich ist zu befürchten, dass in zahlreichen Unternehmen ein „fad-and-fade“-Szenarium zutrifft. Vor allem in solchen Betrieben, die Nachhaltigkeit nicht auf ihr Kerngeschäft bezogen haben, sondern Sponsoringund Marketingaktivitäten in den Vordergrund stellen, wird es meiner Ansicht nach in der näheren Zukunft zu Budgetkürzungen für soziale und ökologische Aktivitäten kommen. In Unternehmen hingegen, die Nachhaltigkeit als strategischen Wettbewerbsvorteil betrachten, könnte sich die aktuelle Krise künftig sogar positiv auswirken. Unternehmen bemerken ein generell niedriges Vertrauen in die Wirtschaftswelt und den Wunsch nach verstärkter Transparenz. Als mögliche Reaktion kommt eine Intensivierung des Nachhaltigkeitsmanagements in Frage (vgl. Prexl/Signitzer 2009). White hält das durchaus für möglich, denn in der Vergangenheit hätten Krisensituationen häufig zu schwerwiegenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen geführt: “In historical perspective, major shifts of this magnitude – including the modern environmental, womens and civil rights movements – have ocurred with regularity, spurred by grievance, galvanized by a handful of visionaries, and driven by the intersection of crisis and opportunity” (White 2005, 4).
Auch Porter/Kramer (vgl. 2006, 78), van Heel et al. (2001, 47) und Klenk (vgl. 2004, 113) gehen davon aus, dass sich Nachhaltigkeitsorientierung – zumindest dem zweiten von Whites Szenarien, dem „embed-and-integrate“-Szenarium entsprechend – halten wird und Unternehmen sich sogar verstärkt an Nachhaltigkeitsprinzipien orientieren werden. Klenk (2004, 115) formuliert das so:
130
2 Nachhaltiges Wirtschaften „Natürlich werden, wie damals bei der ökologischen Thematik, zunächst viele Vorstände wegschauen, sich wegducken und hoffen, dass diese Entwicklung in Richtung CSR nur eine Modeerscheinung bleibt. Viele werden vor dem Hintergrund der flauen wirtschaftlichen Gesamtentwicklung argumentieren, dass man sich CSR im Moment nicht leisten könne. Solche Argumente werden Gehör finden. Sie werden die Entwicklung aber nicht verzögern, nicht aufhalten.“
Van Heel et al. (vgl. 2001, 47) nennen darüber hinaus folgende Gründe, warum Nachhaltigkeitsmanagement in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen werde:
Die zunehmende Forschung zur Frage des „Business Case“ unternehmerischer Nachhaltigkeit deutet auf einen Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsorientierung und finanziellen Vorteilen hin. Die steigende Qualität interner Informationssysteme vereinfacht es, nichtfinanzielle Daten zu erheben. Die Entwicklung von Methoden zur ganzheitlichen Rechenschaftslegung („sustainability accounting“) ermöglicht es, die Entwicklung von „intangibles“ zu verfolgen. Die Standardisierung von Indikatoren unternehmerischer Nachhaltigkeit (z.B. durch die Global Reporting Initiative GRI – siehe Kapitel 5.5.2.2) ermöglicht Evaluierung und Benchmarking. Die Wertschätzung nicht-finanzieller Indikatoren („intangibles“ wie Image, Licence to Operate etc.) nimmt zu, parallel dazu müssen sich Unternehmen auf die Anforderungen der Wissensgesellschaft („knowledge society“) einstellen.
Gänzlich unrealistisch erscheint mir auch Whites „transition-and-transformation“-Szenarium nicht, denn im Kleinen sind die von ihm angesprochenen Ansätze eines wirtschaftlichen „Redesigns“ schon zu erkennen. Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Strömung hin zu „social businesses“, die Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus aufgezeigt hat. „Social businesses“ zeichnen sich laut Yunus (2009, 4) dadurch aus, dass sie „allein zum Zweck der Lösung von sozialen und ökologischen Problemen gegründet [werden], nicht zur Gewinnmaximierung“. Die erste Generation von Sozialunternehmen waren Kleinkreditinstitute wie Yunus’ Grameen Bank, die inzwischen an 130 Millionen besonders armer Menschen weltweit kleine Existenzgründungskredite vergeben hat. Zu einer zweiten Gründerwelle von „social businesses“ zählen z.B. Unternehmen, die Mobiltelefone für Arme herstellen. Wesentliches Merkmal solcher „social businesses“ ist auch, dass sie finanziell langfristig selbsttragend sind. Dass dies möglich ist, haben weltweite Fallstudien von 200 solcher „social businesses“ des Berliner Genisis Institutes gezeigt (vgl. Kuhlemann 2009, 10).
2.11 Zusammenfassung Kapitel 2
131
Schlussendlich werden es aber nicht Forscher, sondern Manager sein, die über den künftigen Stellenwert des Nachhaltigkeitsmanagements entscheiden. Was ihre Meinung betrifft, lässt eine Online-Umfrage des österreichischen Vereins respACT Optimismus zu: Nur 2 Prozent der Umfrageteilnehmer sehen in der derzeitigen Wirtschaftssituation keinen Platz für CSR und antworteten mit „CSR ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht leistbar, deshalb wird das Budget dafür gestrichen“. 27 Prozent sehen Einschnitte kommen und antworteten dass „unternehmensweite Budgetreduktionen auch zu einer Verringerung des CSR-Budgets führen“ werden. Demgegenüber sehen 71 Prozent verantwortungsvolles Wirtschaften gerade in Krisenzeiten als besonders relevant und sehen „gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise eine besondere Bedeutung für CSR“ (vgl. respACT 2008).
2.11 Zusammenfassung Kapitel 2 2.11 Zusammenfassung Kapitel 2 Mit den Ausführungen über unternehmerische Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsmanagement hat Kapitel 2 die Ausgangsbasis geschaffen für die Auseinandersetzung über Nachhaltigkeitskommunikation in den Folgekapiteln. Unternehmerische Nachhaltigkeit wurde beschrieben als ein neues Verständnis der Unternehmensführung, bei dem die Frage im Vordergrund steht, wie Unternehmen Gewinne erwirtschaften und inwiefern sie dabei soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Erst in zweiter Linie geht es darum, wofür Unternehmen ihre Gewinne verwenden (z.B. für Sponsoring, Charity etc.). Konzeptuell wurde der Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeit als der integrative Überbegriff („umbrella term“) über eine Reihe von verwandten Begrifflichkeiten verstanden (wie Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship, Cause-related Marketing, Shareholder Value, Stakeholder Theorie etc.). Im Kern beschäftigen sich all diese Konzepte mit der Rolle von Unternehmen in der Gesellschaft. Der Leser hat in Kapitel 2 auch erfahren, warum es sich aus wirtschaftlicher Sicht lohnt, Nachhaltigkeitsdenken in die strategische Unternehmensführung zu integrieren. Wettbewerbsvorteile wurden zum einen unternehmensintern identifiziert, indem Nachhaltigkeitsmanagement befruchtend wirken kann auf Aspekte des Prozessmanagements, Ressourcenmanagements, Produktmanagements, Innovationsmanagements, Personalmanagements und Issues Managements. Unternehmensextern kann Nachhaltigkeitsmanagement Beiträge leisten zum Shareholder Management, Stakeholder Management/Engagement, Image- und Legitimationsmanagement, Krisen- bzw. Risikomanagement und Issues Management. Um solche potenziellen Vorteile nützen zu können, bedarf es einer ernstgemein-
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2 Nachhaltiges Wirtschaften
ten Integration des Nachhaltigkeitsstrebens in die unternehmerischen Abläufe. Als ein Managementtool dafür wurde das Instrument der „Sustainability Balanced Scorecard“ ausführlich beschrieben. In einem Schwenk von der Praxis zurück in die Theorie wurden schließlich unterschiedliche Ausprägungen des unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements anhand des Modells der Nachhaltigkeitsleiter dargestellt (vgl. Abbildung 31). Ausgangsüberlegung war, dass Unternehmen Stufe für Stufe voranschreiten können von einer defensiven über eine reaktive hin zu einer proaktiven Nachhaltigkeitsorientierung im Sinne einer partizipativ angelegten Lösungssuche für Nachhaltigkeitsprobleme. Parallel dazu vollziehe sich ein Wandel in den unternehmerischen Motiven für das Nachhaltigkeitsengagement von rein Marketingorientierten Motiven, über breitere „Business Case“-Motive instrumenteller Art hin zu gesellschaftlichen Motiven. Je weiter ein konkretes Unternehmen die Nachhaltigkeitsleiter nach oben „klettere“, desto größer werde gleichzeitig auch der Stellenwert professioneller Kommunikation. Mit der Fokussierung auf kommunikative Aspekte soll die Relevanz von anderen Unternehmensbereichen wie Recht, Controlling, Personalwesen, Organisationsentwicklung, Marketing, Umweltmanagement oder Produktentwicklung keineswegs geschmälert werden. Jedoch bin ich der Ansicht, dass die Kommunikationsfunktion oftmals zu wenig Beachtung erfährt, wenn Prozesse in Richtung unternehmerischer Nachhaltigkeit im Gange sind. Das nun folgende Kapitel 3 soll deshalb eine Einführung in das Aufgabenfeld unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation bieten und die Potenziale der Public Relations für eine nachhaltige Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung skizzieren.
3 Nachhaltigkeitskommunikation als zukunftsorientiertes Aufgabenfeld der Public Relations 3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
3.1 Einleitung 3.1 Einleitung Wie das vorherige Kapitel gezeigt hat, befinden sich immer mehr Unternehmen heute in einem auf Nachhaltigkeitsorientierung ausgerichteten Entwicklungs-, und Lernprozess. Das Phänomen unternehmerischer Nachhaltigkeitsorientierung wurde bisher vor allem aus den Perspektiven der Managementlehre und Umweltforschung untersucht. Diese Forschungsdisziplinen betrachten aber die Rolle der Kommunikation nur am Rande. Im Vordergrund stehen meist andere Organisationssysteme wie Forschung&Entwicklung, Personalwesen, Umweltmanagement, Controlling etc. Im Unterschied dazu beschäftigt sich diese Arbeit mit der Rolle von Public Relations38 im Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen. Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive wird davon ausgegangen, dass Nachhaltigkeitskommunikation in der „neuen Ära der kritischen Öffentlichkeiten“ (Klenk 2004, 112) eine immer notwendigere Strategie zum Erhalt bzw. Aufbau von Reputation ist. Außerdem gehe ich davon aus, dass gerade Public Relations nicht nur den innerbetrieblichen, sondern auch den gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitsprozess unterstützen und – in Teilbereichen – sogar vorantreiben kann (vgl. Paech/Pfriem 2004, 41/60). Diese Hypothese stützt sich auf die Tatsache, dass das Nachhaltigkeitsmanagement auf einer verstärkten Außenorientierung und Öffnung des unternehmerischen Systems beruht und Stakeholderbeziehungen einen hohen Stellenwert haben (vgl. Bosch/Hofmann/Rejzlik 2005).
38
Der Begriff „Public Relations“ wird für die Zwecke dieser Arbeit definiert als „alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 1996, 287). Diese Definition von Zerfaß, die sich genau genommen auf den Begriff der Unternehmenskommunikation bezieht, wählte ich deshalb, weil sie „Anschlussstellen zur gesellschaftstheoretischen, kommunikationswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Diskussion“ (Zerfaß 1996, 290) bietet, die auch für diese Arbeit passend erscheinen.
134
3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Seitens der Kommunikationswissenschaft gibt es bisher nur vereinzelte Arbeiten, welche Nachhaltigkeitsthemen als inhaltliche Dimension der Public Relations betrachten. Daher stellt diese Arbeit meines Wissens den ersten umfassenden Versuch dar, eine Theorie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu entwickeln. Über eine aktuelle Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Diskussionsstandes hinaus soll ein Beitrag zur theoretischen Fundierung der Nachhaltigkeitskommunikation von Wirtschaftsunternehmen geleistet werden. Zu diesem Zweck werden nun in Kapitel 3 basierend auf Literaturanalysen, eigenen Überlegungen, eigenen Erfahrungen und Gesprächen mit Praktikern39 die allgemeinen Grundlagen der Nachhaltigkeitskommunikation erörtert. Zuerst wird unterschieden zwischen Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne (als gesamtgesellschaftliche Aufgabe) und Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne (als Aufgabe von Unternehmen). Der Leser erfährt weiters, aus welchen Blickpunkten sozialwissenschaftliche Forschung sich bisher mit der Thematik der Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt hat. Sodann verengen wir in Kapitel 3.4 das Blickfeld und konzentrieren uns auf Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen. Hier wird es eine erste Hürde sein, den Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation den Zwecken dieser Arbeit entsprechend zu definieren. Im Anschluss an die Begriffsklärung erfolgt ein Abriss über die historische Entwicklung der unternehmerischen Kommunikation über soziale und ökologische Themen. Danach kommen wir bereits zu einem der Kernpunkte von Kapitel 3. Es erfolgt eine Diskussion über die Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation aus marketingtheoretischer, organisationstheoretischer und gesellschaftstheoretischer Sicht. Hier kommt bereits die normative Orientierung dieser Arbeit zum Ausdruck. Es wird die These vertreten, dass Unternehmen mithilfe von Nachhaltigkeitskommunikation mitunter auch zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung beitragen können. Anschließend an die Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation werden in Kapitel 3.4.5 die Rahmenbedingungen dargestellt, die auf die Gestaltung der Kommunikation über Sozial- und Umweltthemen beeinflussend wirken können. Dem Leser wird vorgeschlagen, zwischen Kontexten auf Mikro-, Meso- und Makroebene zu unterscheiden. Um aus allgemein-theoretischer Sicht ein ab39
Die Gespräche mit Praktikern fanden statt im Rahmen von CSR-Veranstaltungen sowie im Rahmen von Lehrveranstaltungen zu Nachhaltigkeitskommunikation und CSR, die ich seit 2006 an der Universität Salzburg und ein Semester lang an der „Baltic Film and Media School“ in Tallinn gehalten habe. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltungen referierten Gastvortragende verschiedener (z.B. Henkel International, Österreichische Kontrollbank, ÖBB, IBM Österreich, Verbund, Energie AG, Papierfabrik Norske Skog, Österreichische Bundesforste, Schokoladenerzeuger Zotter) zu Nachhaltigkeitsmanagement und -kommunikation.
3.1 Einleitung
135
gerundetes Bild der Nachhaltigkeitskommunikation zu zeichnen, wird in einem nächsten Schritt auf die Grenzen der Nachhaltigkeitskommunikation hingewiesen und auf die Herausforderungen, die in der Praxis damit verbunden sind. Als eine der größten Herausforderungen werden Glaubwürdigkeitsprobleme beschrieben, die oftmals eine Folge von sogenanntem „Greenwash“, also bewusster Falschinformation oder Verschleierung zu Imagezwecken, sind. In der abschließenden Zusammenfassung von Kapitel 3 werden die wesentlichen Aussagen nochmals übersichtlich dargestellt. Zur Visualisierung der drei Kernpunkte, nämlich der Potenziale, Rahmenbedingungen und Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation, wird jeweils die Metapher der Zwiebel verwendet. Eine Übersicht über die Kerninhalte des dritten Kapitels ist in folgender Abbildung dargestellt. Was der Leser von Kapitel 3 noch nicht erwarten darf, ist eine eingehende Auseinandersetzung mit Instrumenten der Nachhaltigkeitskommunikation. Diese ist erst in Kapitel 5 vorgesehen. Die Entwicklung normativer Prinzipien der Nachhaltigkeitskommunikation wird in Kapitel 4 erfolgen.
Abbildung 32: Übersicht über die Inhalte des 3. Kapitels
136
3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im „weiteren Sinne“: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe 3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im „weiteren Sinne“ 3.2.1 Zum Stellenwert der Kommunikation im Nachhaltigkeitsdiskurs Der Begriff der Nachhaltigkeitskommunikation hat erst vor wenigen Jahren Eingang in die wissenschaftliche Diskussion gefunden (vgl. Michelsen 2005, 25). Den Stellenwert der Kommunikation für eine zukunftsorientierte Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung betonte aber schon Niklas Luhmann (1988) vor über 20 Jahren. In seiner Analyse „Ökologische Kommunikation“ arbeitete der Systemtheoretiker heraus, dass die ökologische Problematik für ihn ausschließlich ein Kommunikationsproblem darstelle: „Es mögen Fische sterben und Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen“ (Luhmann 1988, 63).
Mittlerweile wurde die Bedeutung der Kommunikation für den (gesamtgesellschaftlichen) Nachhaltigkeitsprozess in Theorie und Praxis an verschiedenen Stellen thematisiert (vgl. Herzig/Schaltegger 2005, 578; Leitschuh-Fecht 2005, 599; Godemann 2004 etc.). So war etwa „Kommunikation und nachhaltige Entwicklung“ das Kernthema des „World Congress on Communication for Development“ (WCCD) im Oktober 2006 in Rom. Es wurde unter anderem diskutiert, wie Ansätze und Strategien der Entwicklungskommunikation („Communication for Development“)40 auf die zentralen Themen einer nachhaltigen Entwicklung angewandt werden können (vgl. Food and Agriculture Organization of the United Nations Communication for Development Group 2006, 2). Eine allgemein anerkannte Definition des Aufgabenfeldes Nachhaltigkeitskommunikation wurde jedoch bisher nicht entwickelt. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Leitidee der Nachhaltigkeit äußerst komplex und abstrakt ist. Zu begrifflicher Unschärfe trägt außerdem bei, dass der Ausdruck Nachhaltigkeitskommunikation auf mindestens drei verschiedene Arten ausgelegt werden kann (vgl. Metzinger 2005, 297): Erstens, das Thema Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Zweitens, etwas so zu kommunizieren, dass es möglichst 40
Die FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) definiert Entwicklungskommunikation als „social process designed to seek a common understanding among all the participants of a development initiative, creating a basis for concerted action” (Food and Agriculture Organization of the United Nations 1984).
3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im „weiteren Sinne“
137
nachhaltig (im Sinne von lang andauernd) wirkt. Drittens, etwas möglichst nachhaltig (im Sinne von ressourceneffizient) zu kommunizieren. Dazu kommt, dass sich verschiedene Autoren jeweils aus dem Blickwinkel ihrer wissenschaftlichen Disziplin oder ihres beruflichen Hintergrundes mit dem Themenkomplex „Nachhaltigkeit und Kommunikation“ auseinandersetzen (vgl. Kapitel 3.3). Der Begriff Nachhaltigkeitskommunikation ist daher nach Alfons (2004) je nach Perspektive seines Verwenders mit verschiedenen Inhalten besetzt. Alfons (2004, 65) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Heterogenisierung“ der Nachhaltigkeitskommunikation. Eine von Unternehmen initiierte Nachhaltigkeitskommunikation ist also nur ein Teil, ein Schauplatz des vermehrt stattfindenden Diskurses zu Nachhaltigkeitsthemen41. Für den Zweck dieser Arbeit wird daher die folgende begriffliche Unterscheidung getroffen zwischen Nachhaltigkeitskommunikation im engeren und weiteren Sinne: Unter Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne möchte ich jene Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen verstanden wissen, die von verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren ausgeht und an verschiedensten Schauplätzen stattfindet. Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne soll sich in dieser Arbeit hingegen nur auf die unternehmerische Kommunikation über bzw. für Nachhaltigkeit beziehen.
3.2.2 Begriffsbestimmung: Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne Betrachtet man verschiedene Definitionen von Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne, so fällt auf, dass einige Charakteristika wiederholt genannt werden, und zwar:
Nachhaltigkeitskommunikation als diskursiver Austausch über Nachhaltigkeitsthemen Partizipation verschiedener Akteure und gesellschaftlicher Systeme als Voraussetzung Nachhaltigkeitskommunikation als Verständigungsprozess Nachhaltigkeitskommunikation mit dem Ziel der Veränderung und Umgestaltung.
Ich möchte nun einige Definitionen vorstellen, die jeweils mindestens einen dieser Aspekte in den Vordergrund rücken:
41
Andere Schauplätze wären zum Beispiel Politik, Wissenschaft, NGOs, etc.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Lass/Reusswig (2001, 19) definieren Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne als „jegliche direkt oder indirekt auf das Leitbild [erg. der Nachhaltigkeit] bezogene Kommunikation. [...] Es geht um den Austausch von Informationen, Meinungen, Gründen, Wertvorstellungen und Zielen mit Blick auf ein per definitionem interpretationsoffenes und konkretisierungsbedürftiges Leitbild, nicht um die Übermittlung einer fest umrissenen und klar definierten Zielvorgabe.“
Angesichts des relativ geringen Bekanntheitsgrades des Nachhaltigkeitskonzepts sei es eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren, zu interessieren und für die grundsätzliche Zielsetzung „Zukunftsfähigkeit“ zu gewinnen, sprich das Leitbild populär zu machen. Die Grundelemente der dazu nötigen Popularisierungsstrategie sollten die folgenden Bedingungen erfüllen (vgl. Lass/Reusswig 2001, 22): Nachhaltigkeitskommunikation solle (1) eine attraktive Zukunftsvision für eine moderne Gesellschaft vermitteln, die (2) bestimmte ökologische Grundprobleme erkannt hat, dafür (3) Lösungen anzubieten hat, die (4) zwar auch mit Verlusten und Veränderungen verknüpft sind, die aber (5) insgesamt positiv zu bewerten sind, weil sie Handlungsentlastungen, mehr Lebensqualität, mehr Gesundheit und eine langfristige Ko-Evolutionsperspektive mit der Natur bieten, die auch für kommende Generationen eine umweltverträgliche Nutzung erlaubt. Diese positiven Lösungen kommen aber (6) ohne die nach Potenzialen und Möglichkeiten differenzierte Kommunikation und gemeinsame Mitwirkung möglichst aller Betroffenen nicht zustande. Die Notwendigkeit des Austauschs und eines partizipativen Elements in der Nachhaltigkeitskommunikation heben auch Bittencourt, Borner und Heiser (2003, 43) in ihrer Definition hervor: „Nachhaltigkeitskommunikation ist a.
b.
der interaktive, mitunter streitbare Austausch von Auffassungen, Meinungen und Ideen der gesellschaftlichen Akteure zur Entwicklung eines gesellschaftlichen (d.h. nicht zur Vermittlung eines fertigen!) Leitbildes zur nachhaltigen Zukunftsgestaltung, durch das Innovationen und Umgestaltungsprozesse ausgelöst und reflektiert (also kommuniziert), gesellschaftlich kontrolliert (d.h. ebenfalls kommuniziert) und flexibel angepasst werden (partizipativ-kommunikative Entscheidungen über die strategischen Schritte zur Veränderung).“
Bittencourt, Borner und Heiser (2003) betonen, dass der Nachhaltigkeitsprozess zugleich ein Kommunikationsprozess sei, der integrativ, partizipativ und inter-
3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im „weiteren Sinne“
139
aktiv angelegt sein sollte. Die Ziele dieses Kommunikationsprozesses beschreiben sie schlagwortartig so: „Eine gesellschaftliche Kommunikation initiieren, einen Selbstveränderungsprozess in der Gesellschaft einleiten, einen Prozess hin zu einer nachhaltigen Entwicklung anstoßen, Gestaltungskompetenz vermitteln, Gestaltungsvorbilder und Identifikationen geben, Handlungsoptionen anbieten, eine Ästhetik der Nachhaltigkeit finden, konzipieren und konsumieren“ (Bittencourt/Borner/Heiser 2003, 44).
Michelsen (2005, 26) stellt in seiner Definition das Element der Verständigung und die Beteiligung verschiedener Gesellschaftssysteme in den Vordergrund. Er betrachtet Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne als einen „Verständigungsprozess, in dem es um eine zukunftsgesicherte gesellschaftliche Entwicklung geht, in deren Mittelpunkt das Leitbild der Nachhaltigkeit steht. [...] Diese Verständigung findet auf unterschiedlichen Ebenen und in differenzierten Kontexten statt: zwischen Individuen, zwischen Individuum und Institutionen, zwischen Institutionen und innerhalb von Institutionen, in Schulen und Hochschulen, in den Medien, in der Politik, in der Wirtschaft, in den Kommunen, regional, national, international.“
Wie obige Definitionen zeigen, wird der Begriff der Nachhaltigkeitskommunikation als gesamtgesellschaftliche Aufgabe noch recht unterschiedlich interpretiert. Trotzdem wurden in der Literatur bereits erste theoretische Ansätze für das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne entwickelt.
3.2.3 Theoretische Ansätze zur Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne Funktionen der Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne Lass/Reusswig (2001, 20 f) unterscheiden verschiedene „diskursive Funktionen“, die Nachhaltigkeitskommunikation zu erfüllen vermag, nämlich Analyse des IstStandes der nachhaltigen Entwicklung, Werte- und Zielvermittlung sowie Transformation. Im folgenden werden diese Funktionen und die damit verbundenen Fragen, mit denen sich der gesellschaftliche Nachhaltigkeitsdiskurs beschäftigt, kurz erörtert:
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations 1. Analyse: Nachhaltigkeitsdiskurse vermitteln Informationen über aktuelle Zustände der Mensch-Natur-Interaktion und deren problematische oder krisenhafte Aspekte. Implizit wird damit auch auf die Prozesse, Entwicklungstrends und Folgen Bezug genommen, die im Falle eines ,Business-asusual‘-Szenarios aller Wahrscheinlichkeit nach eintreten würden. Nachhaltigkeitskommunikation hilft somit Fragen zu beantworten, wie etwa: Wie ist der gegenwärtige Zustand zu charakterisieren? Welche Probleme werden wo wodurch hervorgerufen? Wohin bewegen wir uns, wenn alles so weiterläuft wie bisher? 2. Werte und Ziele: Im Rahmen des Nachhaltigkeitsleitbildes wird immer auch über die Bewertung von Zuständen und Zustandsänderungen und über Zielvorstellungen debattiert. Kommunikation eröffnet hier die Möglichkeit, Bewertungskriterien zu formulieren und auszutauschen sowie Zielbildungsprozesse zu organisieren. Der Nachhaltigkeitsdiskurs beantwortet mithin normativ aufgeladene Fragen, wie etwa: Wie problematisch ist der gegenwärtige Zustand? Wie bewerten verschiedene Akteure gegenwärtige Naturnutzungen und Alternativen? Wo sollen/wollen wir hin? 3. Transformation: Nachhaltigkeitskommunikation stellt im besten Falle handlungsorientiertes, anwendungsbezogenes Wissen bereit und trägt so zur Antwortfindung auf die Frage bei, wie die Transformation zwischen einem nicht-nachhaltigen und einem nachhaltigeren Zustand zustande kommen könnte („Transformationswissen“). Sie thematisiert somit den Prozess des Wandels hin zu mehr Nachhaltigkeit, unter anderem durch folgende zeitund raumgebundene Fragestellungen: Was müssen wir tun, um uns in Richtung des Nachhaltigkeitsziels zu bewegen? Wie werden andere Ziele berührt? Welche Kosten und welchen Nutzen bringt der Wandel mit sich?
In ihrer Auswertung der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Nachhaltigkeitskommunikation kommen Lass/Reusswig (2001, 21) zum Schluss, dass oft „in der Diskussion über Nachhaltigkeit nicht klar wird, welche Dimension gerade angesprochen wird“. Dies sei besonders problematisch, wenn Faktenaussagen und Normaussagen ungetrennt verwendet werden42.
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Auch für Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinn gilt, dass die Trennung zwischen Fakten- und Normaussagen beachtet werden sollte. Im Verlauf dieser Arbeit habe ich mich bemüht, dies so gut wie möglich zu befolgen und für den Leser transparent zu machen, ob es sich um empirische oder normative Aussagen handelt.
3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im „weiteren Sinne“
141
Über die Notwendigkeit von Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne: Nachhaltigkeitskommunikation als nachhaltige Kommunikation Aus normativer Sicht verdichten Reusswig und Lass (2001, 150 ff) die Argumente für Nachhaltigkeitskommunikation in folgenden vier Thesen: 1. 2. 3. 4.
„Ohne gesellschaftliche Kommunikation über Nachhaltigkeit keine nachhaltige Gesellschaft. Ohne Kommunikation keine nachhaltigkeitsorientierte Politik. Ohne Kommunikation keine gesellschaftliche Nachhaltigkeitsorientierung. Kommunikation über Nachhaltigkeit muss selbst nachhaltige Kommunikation sein.“
Wenn die Gesellschaft tatsächlich den Weg in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung einschlagen wolle, dann bedürfe es dazu der Nachhaltigkeitskommunikation, besagen die ersten drei Thesen. Denn was nicht kommuniziert werde, werde in der Gesellschaft auch nicht wahrgenommen (vgl. Bittencourt/Borner/Heiser 2003, 33). Die vierte These, „Kommunikation über Nachhaltigkeit muss selbst nachhaltige Kommunikation sein“, wirft einige Fragen auf: Was macht Kommunikation zu „nachhaltiger Kommunikation“? Ist „herkömmliche“ Kommunikation nicht „nachhaltig“?43 Geht es um den nachhaltigen Umgang mit „Hardware“ – z.B. dass eine Broschüre auf umweltfreundlichem Papier gedruckt wird – oder um „Software“, um Formen und Inhalte der Kommunikation? Reusswig und Lass selbst (2001, 160) stellen eher den zweiten Aspekt in den Vordergrund und beschreiben nachhaltige Kommunikation folgendermaßen: „Wenn wir [...] behauptet haben, Nachhaltigkeitskommunikation müsse selbst nachhaltig sein, dann bezieht sich das auf die identitäts- und gesellschaftskonstitutive Funktion kommunikativer Prozesse, nicht auf stoffliche oder energetische Aspekte der Kommunikation.“
Wenn Nachhaltigkeitskommunikation so gestaltet sei, dass sie Partizipation ausschließe bzw. die Mitwirkung der Rezipienten auf das Akzeptieren von vorgefertigten Botschaften oder Handlungsrezepten reduziere, dann könne nach Reusswig und Lass (vgl. 2001, 164) nicht von nachhaltiger Kommunikation die Rede sein. Auch Bittencourt/Borner/Heiser (vgl. 2003, 33) gehen davon aus, dass für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung nicht in erster Linie Inhalte und Botschaften bestimmend sind, sondern vielmehr solche Kommunikations-
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Mit der Frage, was „nachhaltige Kommunikation“ bedeutet, werde ich mich in Kapitel 4.7.3.5. intensiv beschäftigen.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
formen, die die inhaltliche Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung partizipativ entstehen lassen können (vgl. Bittencourt/Borner/Heiser 2003, 33). Neben der Komponente der Partizipation finden sich in der Literatur noch eine Reihe weiterer normativer Ansprüche an eine Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen: Alfons (2004) zufolge muss Nachhaltigkeitskommunikation immer „Empowerment“ sein, muss Menschen also in die Lage versetzen, „ihre Zukunft selbst bestimmen zu wollen und damit das Konzept der nachhaltigen Entwicklung immer wieder zu aktualisieren und selbst auszugestalten“ (Alfons 2004, 62f). Nachhaltigkeitskommunikation dürfe nicht zum „Ecotainment“ verkommen, sondern sie solle versuchen, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen, nämlich als „Katalysator für eine zukunftsfähige Gestaltung der Gesellschaft zu wirken“ (Alfons 2004, 63).
3.3 Exkurs: Theoretische Verortung von Nachhaltigkeitskommunikation in verschiedenen Forschungsdisziplinen 3.3 Exkurs In diesem Exkurs geht es um die Frage, inwiefern das Thema Nachhaltigkeit in der sozialwissenschaftlichen Forschung bereits Berücksichtigung findet. Es wird erörtert, wie verschiedene Forschungsdisziplinen (z.B. Soziologie, Psychologie) das Thema Nachhaltigkeit aufgegriffen haben, und welche Subbereiche der Kommunikationswissenschaft (z.B. Medienforschung, Gesundheitskommunikation) bereits welche Aspekte des Nachhaltigkeitsthemas untersucht haben.
3.3.1 Nachhaltigkeitskommunikation im sozialwissenschaftlichen Kontext Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung hat seit Mitte der 1990er Jahre zu einer „Neu- und Umorientierung ganzer Forschungsfelder“ (Lass/Reusswig 2001, 14) geführt. Bisweilen wird sogar von einem „Paradigmenwechsel“ (z.B. de Haan 2002) für Forschung und Politik gesprochen. Tendenziell alle Gesellschaftsbereiche und sozialen Akteure seien aufgerufen, ihr Verhältnis zu den natürlichen Lebensgrundlagen auf deren Zukunftsfähigkeit hin zu überprüfen und umzustellen. Auch der Aspekt der Kommunikation wird in der sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung häufig thematisiert. Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen beschäftigen sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit Nachhaltigkeitskommunikation und deren Stellenwert für die Umsetzung des Nachhaltigkeitsleitbildes (vgl. Michelsen 2005, 32). Da es sich um einen Kommunikationsprozess zwischen Sender(n) und Empfänger(n) handelt, liegt es nahe, kom-
3.3 Exkurs
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munikationstheoretische Ansätze für die Analyse und Erklärung von Nachhaltigkeitskommunikation heranzuziehen. Aber auch andere Forschungsfelder und wissenschaftliche Strömungen können mit ihren unterschiedlichen Zugängen wesentliche Beiträge zur theoretischen und praktischen Weiterentwicklung der Kommunikation über und für nachhaltige Entwicklung leisten. Einen möglichen theoretischen Zugang bietet die konstruktivistische Perspektive. Sie geht davon aus, dass Menschen ihre (subjektive) Wirklichkeit aufgrund ihrer Erfahrungen selbst konstruieren, und es demnach so viele Wirklichkeiten wie Menschen gibt. Auch Lernen ist demzufolge eine selbstgesteuerte Wirklichkeitskonstruktion (vgl. Maturana 1982). Der Konstruktivismus bietet damit ein mögliches Erklärungsmuster für die Schwierigkeit, Menschen neue Einsichten, Verhaltensweisen und Kenntnisse zu vermitteln. Der konstruktivistischen Perspektive nach könne man zu nachhaltigen Verhaltensweisen nicht direkt erziehen, sondern wichtig sei das selbstreferentielle Erfahren und Erleben (vgl. Siebert 2005, 136). Neues Wissen sollte anschlussfähig an vorhandene Erkenntnisse und bisherige Erfahrungen sein. Aus dem Blickpunkt der Nachhaltigkeitskommunikation ergibt sich oft das Problem, dass die zu vermittelnden Sachverhalte äußerst komplex sind (vgl. Kapitel 3.4.7.1). Es ist zu fragen, wie komplexe Sachverhalte so aufgeschlüsselt werden können, dass die Wahrnehmung und Analyse von Problemen für den einzelnen verständlich und relevant wird (vgl. Michelsen 2005, 33). Um Botschaften zu Nachhaltigkeitsthemen zu vermitteln, ist es ratsam, sich zuerst ein Bild von den Wahrnehmungsweisen des Kommunikationspartners zu machen, welche wiederum abhängig sind von sozialen Kontexten. Aus soziologischer Perspektive wird unter Nachhaltigkeitskommunikation in der Regel der gesamte öffentliche Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit (vgl. Michelsen 2002, 31ff) verstanden, mit Schauplätzen wie Wissenschaft, Hochschulen, Unternehmen, Internet, Bildung, Kirchen, Medien, Bürger, Gemeinden und Politik (vgl. Franz-Balsen 2001, 59 ff; Brand 2005, 149 ff). Für Soziologen ist unter anderem der Aspekt interessant, wie Nachhaltigkeitskommunikation zur Veränderung von institutionellen Praktiken beitragen kann (vgl. Brand 2005, 149). Denn die Veränderung der institutionellen Leitideen oder Leitbilder vollzieht sich nicht von selbst. Dazu ist aktive Infragestellung der Leitideen, öffentliche Debatte und erfolgreiche Mobilisierung konkurrierender Deutungsmuster von Nöten (vgl. Brand 2005, 151). Verschiedene soziologische Zugänge gelangen zu der Einsicht, dass „öffentliche Kommunikation für die Durchsetzung und Anerkennung neuer institutioneller, am Leitbild der Nachhaltigkeit orientierter Praktiken von zentraler Bedeutung ist“ (Brand 2005, 153). Für das Verständnis des Nachhaltigkeitsdiskurses spiele die unterschiedliche Diskursmacht der beteiligten Akteure eine Kernrolle. Die Akteure bestimmen die
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
„Problemrahmungen“ zum Thema Nachhaltigkeit. Soziologischen Erkenntnissen zufolge müssen diese „Problemrahmungen“ mobilisierungs- und resonanzfähig sein, um die bisherigen Leitideen in Frage zu stellen und einen Wandel der institutionellen Verhaltensweisen zu bewirken. Diesbezüglich ortet Brand (vgl. 2005, 153) eine wesentliche Schwachstelle der derzeitigen Nachhaltigkeitskommunikation. Auch bei den Disziplinen Psychologie und Pädagogik kann Nachhaltigkeitskommunikation Anleihen nehmen: Für Psychologen steht im Kern des Nachhaltigkeitsgedankens die Veränderung nicht-nachhaltiger Verhaltensweisen (vgl. Kruse 2005, 110 ff). Eine solche Veränderung kann freilich nicht allein über Kommunikation und die einseitige Vermittlung von Wissen erreicht werden. Das Wissen über Nachhaltigkeitsthemen – vor allem das abstrakte, wenig handlungsbezogene Wissen – ist nur eine der Bedingungen, und nicht allein ausschlaggebend für nachhaltigkeitsrelevantes Verhalten. Erkenntnissen der Umweltpsychologie zufolge sind für das gewünschte, nachhaltigkeitsorientierte Verhalten auch folgende andere Bedingungen ausschlaggebend (vgl. Kruse 2005, 114):
individuelle Faktoren (wie Werthaltungen, Informationsverarbeitungsprozesse, Motivation), interpersonale und soziale Faktoren (Gruppennormen, Modellverhalten, soziale Netzwerke), externe Faktoren (Handlungsangebote wie energiesparende Geräte, Handlungsanreize wie Vergünstigungen, öffentliche Anerkennung) und kommunikative Faktoren (z.B. Art der visuellen Präsentation der Inhalte, Einseitigkeit vs. Zweiseitigkeit, Abstimmung auf Lebensstile).
Die Beiträge der Erziehungswissenschaften zur Nachhaltigkeitskommunikation verdichten sich gegenwärtig in den Begriffen „Bildung für Nachhaltigkeit“ und „Gestaltungskompetenz für nachhaltige Entwicklung“ (vgl. Bolscho 2005, 141; Linder 2007). Bildung für Nachhaltigkeit soll zur aktiven Gestaltung eines zukunftsfähigen Lebens sowie zur Partizipation und zum Handeln befähigen. Sie soll die kreativen Potenziale des Einzelnen, seine Problemlösungs- und Handlungsfähigkeit entwickeln und fördern helfen. Dazu sind verschiedene Formen von Wissen (Sachwissen, Zielwissen, Orientierungswissen) von Nöten. Gestaltungskompetenz wird als Oberbegriff verstanden, der sich in Teilkompetenzen (wie vorausschauendes Denken, transkulturelle Verständigung, Partizipationskompetenz, Umsetzungskompetenz) aufteilen lässt (vgl. de Haan 2002).
3.3 Exkurs
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3.3.2 Nachhaltigkeitskommunikation im Kontext der allgemeinen Kommunikationswissenschaft Auch die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich in ihren verschiedenen Fachbereichen zusehends mit Aspekten der nachhaltigen Entwicklung. Ansätze, die das Leitbild der Nachhaltigkeit integrieren, finden sich – neben der PublicRelations-Forschung – beispielsweise
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in der Forschung zu neuen Informations- und Kommunikationstechnologien: Hier ist zum Beispiel Erdmann (2005) zu nennen mit seiner EU-Studie, wie Informations- und Kommunikationstechnologien für eine nachhaltigkeitsorientierte Informationsgesellschaft genützt werden könnten. in der Forschung zu Nachhaltigkeitskommunikation von NGOs: Zu nennen ist hier etwa der Report „21st Century NGO: In the Market for Change“ von SustainAbility/Global Compact/United Nations Environmental Programme (o.A.), welcher die NGO-Landschaft im Hinblick auf Kooperationen mit der Wirtschaft, auch in Nachhaltigkeitsfragen, beleuchtet. Weitere Publikationen zu NGO-Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen sind die folgenden: International Sustainability Conference (2005), WWF Deeper Luxury Report (2007) sowie Signitzer/Prexl (2007) mit einer Erhebung der Kommunikationsstrategien von „Greenwash Trackers44“. in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Ein Beispiel dafür ist Ryerson (2000, 359) mit einer Studie zu verhaltensorientierter Nachhaltigkeitskommunikation in Tanzania. in der Forschung zu Gesundheitskommunikation: Hier ist vor allem der Bereich der HIV/Aids-Kommunikation zu nennen, mit dem sich beispielsweise die folgenden Publikationen beschäftigen: McKee/ Bertrand/ BeckerBenton (2004); Business Action for Africa (2007). in der Forschung zu politischer/institutioneller Kommunikation: Häufig zitiert werden in diesem Zusammenhang Henseling (2001, 214) mit seiner Analyse der Nachhaltigkeitskommunikation in der Umweltpolitik, Alfons (2004) mit seiner Diplomarbeit zur Nachhaltigkeitskommunikation der Europäischen Union oder Arbeiten von Wehrspaun/Wehrspaun (2005, 53 ff), Renn (2001a, 127 ff) bzw. Reusswig/Lass (2001, 150 ff). oder in der Medienforschung. Hier stellt sich unter anderem die Frage, welchen Beitrag Massenmedien für die Verbreitung eines Nachhaltigkeitsbewusstseins leisten können und inwieweit sie den gesellschaftlichen DisMit dem Begriff „Greenwash Tracker“ sind NGOs gemeint, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, schwarze Schafe unter den Unternehmen auszumachen, welche Nachhaltigkeit nur als „Feigenblatt“ verwenden (vgl. auch Kapitel 3.4.8.).
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations kurs beeinflussen (vgl. de Witt 2005, 173 ff). Verschiedenste Studien beschäftigen sich zudem mit der Frage, wie die Medien Nachhaltigkeitsthemen aufgreifen. Als eines der wichtigsten, aktuellen Werke in diesem Zusammenhang gilt der Sammelband „Medialisierung der Nachhaltigkeit“ von Schwender/Schulz/Kreeb (2008). Zu nennen sind auch Publikationen von Hagedorn (2004), Kensicki (2004) und Bonfadelli (2007).
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne: Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation 3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne Im weiteren Verlauf der Arbeit verengen wir nun das Blickfeld und konzentrieren uns auf Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne, also auf Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen. Gerade die Wirtschaftswelt ist bei Kommunikation über Nachhaltigkeitskommunikation besonders gefordert, betont Karmasin (2002): Unternehmen stehen „im Mittelpunkt des Spannungsverhältnisses von ökonomischer Verwertung, ethischer Verantwortung und ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. […Daher] ist hier auch der Ort, an dem Kommunikation über Ausmaß, Umfang, Ziele und Möglichkeiten von Nachhaltigkeit stattfinden soll. [...] Nachhaltigkeit ist ein Kommunikationsproblem. Nachhaltigkeit versteht sich nicht von selbst. Sie bedarf der Begründung – vor allem dort, wo sie etwas kostet. Sei es Macht, sei es Geld, sei es Bequemlichkeit.“
Doch wie wird der Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation in der Literatur definiert? Warum wurde für die Zwecke dieser Arbeit gerade dieser Begriff gewählt? Und was soll in dieser Arbeit konkret unter dem Ausdruck „Nachhaltigkeitskommunikation“ verstanden werden? Antworten auf diese Fragen gibt das nächste Kapitel.
3.4.1 Begriffsbestimmung von Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne In der Literatur finden sich zu Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne bisher kaum Begriffsbestimmungen. Jeuthe (2003) definiert Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen als „Öffentlichkeitsarbeit, die versucht, Nachhaltigkeit nicht allein zum Gesprächsgegenstand und zum Thema der öffentlichen Verlautbarungen des Unternehmens zu
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
147
machen, sondern die die Prinzipien der Nachhaltigkeit im Kommunikationsprozess berücksichtigt.“
Karmasin (2002) bezeichnet die Unternehmung mit ihren Anspruchsgruppen als den „zentralen gesellschaftlichen Ort der Kommunikation über Nachhaltigkeit“. Für Karmasin ist (unternehmerische) Kommunikation über Nachhaltigkeit ein „Legitimationsdiskurs“. Gerade in Konfliktsituationen gewinne „Kommunikation über Nachhaltigkeit im Sinne eines integrierten Stakeholderdialoges, im Sinne der Beteiligung von Betroffenen, aber auch im Sinne eines offenen Diskurses, der mit unterschiedlichen Interessen nicht nur rechnet, sondern diese geradezu voraussetzt, an Bedeutung. Gerade dort, wo ein Grundkonsens über die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens nicht vorausgesetzt werden kann, ist Kommunikation über Nachhaltigkeit von essenzieller Bedeutung“ (Karmasin 2002).
An manchen Stellen in der Literatur findet man den Begriff der Nachhaltigkeitskommunikation ersetzt durch den Ausdruck „sozial-ökologische Kommunikation“ (Götz/ Jahn/ Schramm 2001, 295), oder durch den Ausdruck „Corporate Social Responsibility Communication“ (kurz „CSR-Kommunikation“) (Morsing/Beckstein 2006). Letztere Bezeichnung ist darauf zurückzuführen, dass das Konzept der sozialen Verantwortung von Unternehmen von manchen Autoren gleichgesetzt wird mit jenem der Nachhaltigkeit (vgl. Kapitel 2). Weil ich die unternehmerische Kommunikation zum Themenkomplex „Ökonomie, Ökologie, Soziales“ aber als Teil eines größeren, gesellschaftlichen Diskurses zu Nachhaltigkeitsthemen betrachte, erscheint „Nachhaltigkeitskommunikation“ nicht nur der für den deutschen Sprachgebrauch einfachere und schlankere Begriff, sondern auch der für die Zwecke dieser Arbeit passendere Begriff. In dieser Arbeit wird also Nachhaltigkeitskommunikation als ein Handlungsfeld der Public Relations bzw. Unternehmenskommunikation betracht. Mit Zerfaß (1996, 287) wurde der Begriff der Unternehmenskommunikation bereits definiert als „alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und -erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 1996, 287).
Zerfaß’ Ansatz wählte ich deshalb, weil er „Anschlussstellen zur gesellschaftstheoretischen, kommunikationswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Diskussion“ (Zerfaß 1996, 290) bietet, die auch für diese Arbeit geeignet erscheinen.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
In gewisser Anlehnung an die Definition der Unternehmenskommunikation von Zerfaß (1996) wird nun auch der Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation den Zwecken dieser Arbeit entsprechend definiert: Unter Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne möchte ich alle kommunikativen Handlungen von gewinnorientierten Unternehmen verstanden wissen, (1) die sich inhaltlich auf das nachhaltigkeitsrelevante Handeln des Unternehmens bzw. bestimmter Zielgruppen beziehen und (2) mit denen ein Beitrag zur strategischen Aufgabendefinition und Aufgabenerfüllung des Nachhaltigkeitsmanagements und/oder zur Erfüllung der Umsatz-, Absatz- oder Imageziele geleistet wird. (3) Zusätzlich hat Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen das Potenzial, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sensibilisierung für nachhaltige Entwicklung zu leisten und zu einer nachhaltigeren Entwicklung in Unternehmen und Gesellschaft beizutragen. Punkt 1 obiger Definition bezieht sich auf die inhaltliche Komponente. Es sind die Kernthemen der Nachhaltigkeitskommunikation angesprochen, nämlich betriebliche Umwelt- und Sozialbelange und ihr Verhältnis zum Unternehmenserfolg. Nachhaltigkeitskommunikation meint die Integration solcher Themen in die Public Relations. Es handelt sich bei Nachhaltigkeitskommunikation nicht um einen eigenen Programmbereich mit eigenen Instrumenten. Stattdessen betrachte ich Nachhaltigkeit als ein integratives Thema, das ob seiner hohen Relevanz für Wirtschaft und Gesellschaft in verschiedene Programmbereiche der Public Relations (wie Mitarbeiterkommunikation, Investor Relations, Marktkommunikation, Community Relations, Educational Relations etc.) integriert werden kann. Wie ausführlich das geschieht, hängt selbstverständlich vom jeweiligen Unternehmen ab. Im besten Fall wird statt bloßer „Erfolgsgeschichten“ ein auf die Informationsbedürfnisse der Stakeholder abgestimmtes, ganzheitliches Bild des Nachhaltigkeitsmanagements dargestellt, das auch Wechselwirkungen und Synergien zwischen den Bereiche Ökonomie, Ökologie und Soziales sowie mögliche Zielkonflikte und (noch) ungelöste Problemlagen umfasst. Punkt 2 bezieht sich auf die funktionale Komponente, wobei an dieser Stelle ein organisationstheoretischer Ansatz der Public Relations (vgl. Signitzer 2007, 143ff) im Vordergrund steht: Die Ziele der Nachhaltigkeitskommunikation lassen sich aus den Organisationszielen im allgemeinen und den Zielen des Nachhaltigkeitsmanagements im besonderen ableiten. So kann Nachhaltigkeitskommunikation zum Beispiel einen reflexiven Prozess in Richtung einer zukunftsorientierten Unternehmensentwicklung innerhalb des Betriebs unterstützen, Werbung für „grüne“ Produkten kann den Absatz steigern helfen, und
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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Nachhaltigkeitskommunikation kann auch zur Erreichung von Imagezielen beitragen. Eine ausführlichere Diskussion über die wirtschaftlichen Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation erfolgt in den Kapiteln 3.4.4.1 und 3.4.4.2. Mit dem Punkt 3 ist ebenfalls eine funktionale Komponente angesprochen, allerdings aus normativer Sicht. Es kommt darin ein gesellschaftstheoretischer Ansatz der Public Relations (vgl. Signitzer 2007, 143ff) zum Ausdruck, wonach es – neben anderen Zielen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation – eine Zieldimension sein könnte bzw. sollte, zu einer zukunftsfähigeren Entwicklung beizutragen. Und zwar nicht nur im Unternehmen selbst, sondern auch in anderen Betrieben, bei Mitarbeitern, Wettbewerbern, und – im Idealfall – in der Gesellschaft. Wie Nachhaltigkeitskommunikation aus normativer Sicht gestaltet sein sollte, um solche gesellschaftlichen Ziele zu erfüllen, wird in Kapitel 4 dargestellt. In der vorliegenden Dissertation wird unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation also als Kommunikation über das Thema Nachhaltigkeit verstanden, aber auch als mögliche Kommunikation für Nachhaltigkeit45, wobei das Beziehungsmanagement mit Stakeholdern einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Denn aus normativer Sicht wird es nötig sein, mehr mit der Gesellschaft bzw. einzelnen Stakeholdergruppen zu sprechen als über sie, wenn Unternehmen tatsächlich zu einer nachhaltigeren Zukunftsentwicklung beitragen möchten. Wird Nachhaltigkeitskommunikation aus dieser normativen Sicht begriffen, unterscheidet sie sich deutlich von bisherigen Ansätzen der Umwelt- und Sozialkommunikation (vgl. Kapitel 3.4.2): Erstens, weil die Leitidee der nachhaltigen Entwicklung breiter ist als jene von Ökologie/Umwelt bzw. Soziales und damit auch das inhaltliche Feld der Nachhaltigkeitskommunikation breiter zu sein hat als jenes der Umweltkommunikation oder der Sozialkommunikation. Zweitens, weil Nachhaltigkeitskommunikation meinem Begriffsverständnis nach die Möglichkeit bietet, einen Beitrag zur Erfüllung der Organisationsziele zu leisten und als Nebeneffekt gleichzeitig zu einer zukunftsfähigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung beizutragen. An dieser Stelle muss jedoch klar zum Ausdruck kommen: Auch beim besten Willen des Kommunikators – eine solche Kommunikation für Nachhaltigkeit ist eine Gratwanderung, mit Schwierigkeiten verbunden und oft nur schwer mit kurzfristigen Unternehmenszielen zu vereinbaren (vgl. Kapitel 6.5.5). Es ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl kommunikativer Handlungen zum Thema Nachhaltigkeit diesen normativen Anspruch (bisher) nicht erfüllt. Sie haben zwar Nachhaltigkeitsfragen zum Gegenstand, zielen aber nicht auf eine 45
Ähnlich gelagert ist das Konzept „Communication for Development“, das Wilkins und Mody definieren als “a process of strategic intervention toward social change initiated by institutions and communities” (2001, 385).
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
echte unternehmensinterne oder externe Veränderung im Sinne des Nachhaltigkeitsleitbildes ab, sondern auf bessere Absatzchancen, Renditeerhöhung, kurzfristige Imageverbesserung etc. Das ist durchaus legitim und soll hier keineswegs abgewertet werden. Ziel dieser Arbeit ist es aber, die Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation für die Gesellschaftsentwicklung zu beleuchten. Meine These lautet also: Wenn ein Unternehmen einmal begonnen hat, sich ernsthaft mit dem Thema der Nachhaltigkeit auseinander zu setzen, dann ist es nur mehr ein relativ kleiner Schritt zu einer Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen, die auch für die Gesellschaft lohnend sein kann und somit zu „Win-Win“Situationen führen kann.
3.4.2 Historische Entwicklung des Aufgabenfeldes der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation Verengen wir nun wieder das Themenfeld und fokussieren auf die geschichtlichen Wurzeln der unternehmerischen Kommunikation über ökologische, soziale und Nachhaltigkeitsthemen. Bereits in den 1970er Jahren erstellten die ersten Konzerne Sozialberichte bzw. Sozialbilanzen als Bewertungsformen sozialen Engagements von Unternehmen (vgl. Hoff 1982, 53 ff). Den damaligen Trend zur Sozialberichterstattung betrachtet Owen (2003, 2) aus heutiger Sicht als “natural consequence of the debate then raging concerning the role of the corporation in society at a time of rising societal expectations and emerging environmental awareness.” In Westeuropa lag der inhaltliche Schwerpunkt der Sozialberichterstattung auf arbeitsrechtlichen Aspekten und der Beziehung zwischen Unternehmen und Personal. Eine Ausnahme stellte die Sozialberichterstattung einiger deutscher Unternehmen (vor allem aus der chemischen Industrie und der Ölindustrie) dar, die in sogenannten Sozialbilanzen einen inhaltlich breiteren Ansatz wählten und versuchten, die „sozialen Wirkungsabsichten“ der Unternehmensperformance auf die gesamte gesellschaftliche Umwelt darzustellen (Ronneberger/Rühl 1992, 271). In den USA hingegen dominierte in den 1970er Jahren eine einseitig positive Berichterstattung mit dem vordergründigen Ziel, Unternehmen in ein positives Licht zu stellen (vgl. Owen 2003, 2 f). Der Trend zur Sozialberichterstattung dauerte jedoch nur kurz und flaute schon gegen Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre wieder ab. In der Literatur werden mehrere Gründe dafür genannt: Das öffentliche Interesse an Sozialthemen sei damals wieder zurückgegangen; makro-ökonomische Probleme wie Arbeitslosigkeit und verlangsamtes Wirtschaftswachstum hätten das Thema überschattet (vgl. Owen 2003, 4); die Sozialberichte waren in den Ruf geraten,
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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als Unternehmenswerbung instrumentalisiert und missbraucht zu werden; sie hätten über mangelnde Transparenz und Zielgruppenorientierung verfügt; außerdem seien – mit wenigen Ausnahmen (wie die „bilan social“ in Frankreich) – gesetzliche Regelungen zur Rechenschaftslegung über soziale Belange ausgeblieben (vgl. Fichter 1998, 59f). Die Umweltkommunikation von Unternehmen entwickelte sich erst nach der Publikation der ersten Sozialberichte und wurde angetrieben durch die Umweltbewegung der 1980er und 1990er Jahre sowie durch das damit einhergehende Medieninteresse für Umweltfragen. Im Sinne eines investigativen Journalismus stürzten sich Reporter auf betriebliche Umweltskandale – man denke dabei etwa an Seveso/Italien 1976 oder Bhopal/Indien 1984 –, und die Gesellschaft der Industrieländer wurde auf das Umweltthema sensibilisiert. Unternehmen wurden als Hauptverursacher der Umweltproblematik wahrgenommen (vgl. Herzig/ Schaltegger 2005, 580). Sie begannen daher – wenn auch erst relativ spät und vorwiegend reaktiv, nachdem bereits eine kritische Bürgerbewegung entstanden war – sich an der Umweltdiskussion zu beteiligen. Dabei bedeutete ökologieorientierte Kommunikation in der Anfangsphase primär Krisenkommunikation. Erst nach und nach berichteten Unternehmen auch proaktiv über die Erfolge ihrer Umweltmaßnahmen. Andere versuchten, ihren Produkten durch entsprechende Marktkommunikation ökologischen Zusatznutzen zu verleihen (vgl. Jeuthe 2003). Im Vordergrund der proaktiven betrieblichen Umweltkommunikation stand von Anfang an das Instrumentarium der Umweltberichterstattung, welches sich Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre entwickelte. Waren in Deutschland bis 1990 nur drei Umweltberichte von Unternehmen erschienen, hatte sich die Zahl bis 1999 auf rund 220 erhöht (vgl. B.A.U.M. 2002, 48). Mit der Einführung des freiwilligen EG-ÖKO-Audits traten neben die Umweltberichte auch noch Umwelterklärungen als Instrument der Umweltberichterstattung von Unternehmen. 2004 erschienen in Europa mehr als 3000 solcher Umwelterklärungen (vgl. Herzig/Schaltegger 2005, 580). Aber nicht nur die Quantität, auch die Qualität der Umweltberichte nahm zu. Anfangs waren die Berichte noch voll mit (geschönter) qualitativer Information und beispielhaften Episoden, ohne Benchmarks und transparente Kennzahlen. Im Laufe der 1990er Jahre war dann aber bereits deutlich mehr Offenheit zu erkennen, auch negative Informationen wurden in Ansätzen in die Berichte inkludiert (vgl. Owen 2003, 7). Das Kommunikationsrepertoire wirtschaftlicher Akteure über ihr ökologisches Handeln fand Erweiterung durch Umweltsponsoring, Aufklärungskampagnen bzw. Informationskampagnen.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Von der Sozial- und Umweltberichterstattung zur Nachhaltigkeitskommunikation Mit der Popularisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes und dem verstärkten Aufgreifen des Nachhaltigkeitsgedankens auch im Management gingen Ende der 1990er Jahre die ersten Unternehmen dazu über, ökonomische, ökologische und soziale Themen vernetzt darzustellen. Diese Neuorientierung war in manchen Fällen auch von einer methodischen Veränderung begleitet. Während Umweltkommunikation noch fast ausschließlich Kommunikation über Umweltthemen war, somit vorrangig einseitig orientierte Kommunikation, entwickelte sich die Nachhaltigkeitskommunikation zunehmend zu dialogisch ausgerichteter Kommunikation im Sinne einer Kommunikation für Nachhaltigkeit (vgl. Adomßent/ Godemann 2005, 50). Dies äußerte sich zum Beispiel darin, dass vermehrt auch Stakeholder direkt in den Berichterstattungsprozess eingebunden wurden (vgl. Owen 2003, 13). Damit ist bereits angesprochen, was die Nachhaltigkeitskommunikation – im Idealfall46 – von bisherigen Ansätzen der Sozial- und Umweltberichterstattung unterscheidet und warum sie, wie Alfons (2004, 57) sagt, „mehr ist als die bloße Fortführung der Umweltkommunikation unter einem neuen klingenden Namen“ (Alfons 2004, 57): Erstens, weil sie eine holistische Perspektive einnimmt, mit dem Ziel, ökonomische, soziale und ökologische Aspekte des Wirtschaftens in ihren Zusammenhängen und Wechselwirkungen darzustellen. Zweitens, weil sie sich ausdrücklich an unterschiedliche Stakeholder, nicht nur an Shareholder, wendet (vgl. Owen 2003, 13).
3.4.3 Ausgewählte Zieldimensionen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation Unternehmerisches Handeln beruht jedoch in den seltensten Fällen auf purem Altruismus. Erwerbswirtschaftlich orientierte Betriebe gehen in der Regel interessengeleitet vor. So lässt sich auch Nachhaltigkeitskommunikation als Teil der Wettbewerbsstrategie erklären (vgl. Fichter 1998, 479), mit der eine interessengeleitete Darstellung und Kommunikation der Leistungen verfolgt wird. Eine solche interessengeleitete Kommunikation über gesellschaftliche Themen sei durchaus legitim, betonen Drumwright/Murphy (2001, 175f) aus Sicht des sozialen Marketings. Sie stellen sich die Frage: “If the outcomes for society are positive, then does it matter that the company’s objectives are pre46
Von „Idealfall“ ist deshalb die Rede, weil nach wie vor zahlreiche Unternehmen Nachhaltigkeitskommunikation allein zu Zwecken kurzfristiger „Image-Aufpolierung“ einsetzen.
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
153
dominantly or even completely economic?” Ihre Antwort lautet: Hauptsache sei, das Unternehmen engagiere sich für soziale Zwecke und trage dadurch zu einer Verbesserung bei. Die Motive dafür seien dann eher zweitrangig. Dafür nennen Drumwright/Murphy (2001, 276) folgende drei Gründe: “[First], when initiatives have both non-economic and economic objectives, there is a tendency over time to gravitate toward greater emphasis on the non-economic objectives. Second, individuals who initially oppose the social initiative but become engaged in it for economic reasons tend to convert. That is, the socially responsible behavior ,takes’, and commitment to the cause increases. Third, corporate societal marketing, whatever the motivation, can have positive social benefits. […] One might [therefore] argue that intentions might be irrelevant.”
Welche konkreten Zielsetzungen verfolgen Unternehmen nun aber mit der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation? Aus empirischer Sicht gibt es zu dieser Fragestellung kaum repräsentative Studien, die über Einzelfallbeschreibungen hinausgehen. Eine der wenigen relevanten Erhebungen stammt von Fichter/Loew (vgl. 1997) und konzentriert sich auf die Umweltberichterstattung. Die Autoren befragten 163 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, die allesamt Umweltberichte veröffentlichten, nach deren Zielsetzungen. Dabei lag der Anteil derjenigen, die der jeweiligen Zieldimension zustimmten bzw. voll zustimmten, bei folgenden Prozentsätzen: 85 Prozent sagten, ihr wichtigste Ziel für die Umweltberichterstattung sei, Umweltschutzleistungen für die Öffentlichkeit besser erkennbar zu machen. 66 Prozent wollten vor allem den Dialog mit Meinungsführern fördern. 66 Prozent wollten durch die Berichterstattung eine Imageverbesserung erreichen, 61 Prozent eine höhere Glaubwürdigkeit. 60 Prozent der Befragten gaben an, der Umweltbericht habe das Ziel, den Stellenwert von Umweltschutz bei der Geschäftsführung zu erhöhen. 57 Prozent strebten eine höhere Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen an. Genannt wurden auch „höheres Vertrauen der Zielgruppen in die Kompetenz des Unternehmens“, „höhere Vergleichbarkeit der Umweltschutzleistungen“, und „Unterstützung der Profilierung am Markt“. Diese empirisch erhobenen Zielsetzungen lassen sich zum Teil ableiten aus den Zielsetzungen des Nachhaltigkeitsmanagements (bessere Identifikation der Mitarbeiter, Unterstützung der Profilierung am Markt, Imageverbesserung, vgl. Kapitel 2.8) sowie aus den generellen Public Relations Zielen (Imageverbesserung, Glaubwürdigkeit, Dialog, Vertrauen). In den folgenden Ausführungen werden nun ausgewählte unternehmerische Motive für Nachhaltigkeitskommunikation genauer beleuchtet. Konkret beschäftigen wir uns mit folgenden drei Aspekten:
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations Nachhaltigkeitskommunikation als Strategie zur Imageverbesserung und Vertrauensbildung; Nachhaltigkeitskommunikation als Wegbereiter einer „Unternehmenskultur der Nachhaltigkeit“; Nachhaltigkeitskommunikation als „Katalysator“ für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen in Unternehmen.
Im Vordergrund der Analyse steht die Frage: Welche Rolle spielt Public Relations, um aus potenziellen Wettbewerbsvorteilen durch Nachhaltigkeitsengagement (wie sie bereits in Kapitel 2 erörtert wurden) tatsächliche Wettbewerbsvorteile zu schaffen? Nachhaltigkeitskommunikation als Strategie zur Imageverbesserung und Vertrauensbildung „Früher galt: Tu Gutes und rede darüber – um noch mehr Profit zu machen. Heute heißt das Diktat: Tu Gutes und rede darüber – um die Position des Unternehmens in der Gesellschaft zu dokumentieren und damit Reputation und Akzeptanz zu sichern“ (Klenk 2004, 114).
Wie in diesem Zitat von Kommunikationspraktiker Volker Klenk bereits angedeutet wird, sind die am häufigsten genannten Ziele unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements Imageverbesserung (vgl. Ki-Cheol 2005, 55ff) sowie höhere Akzeptanz und größeres Vertrauen in die unternehmerische Tätigkeit (vgl. Münzing/ Zollinger 2001, 27). Jedoch ist es nicht selbstverständlich, dass Aktivitäten im Bereich Ökologie und Soziales tatsächlich einen solchen Imagebzw. Vertrauensbonus bewirken. Vielmehr hängt es davon ab: Welche konkreten nachhaltigkeitsrelevanten Maßnahmen setzt das Unternehmen? Passen die Maßnahmen zu der sonstigen Unternehmenstätigkeit? Und wie werden die Maßnahmen bei den verschiedenen Stakeholdern bzw. in der Gesellschaft wahrgenommen? Ob sich unternehmerisches Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Engagement positiv, negativ oder auch gar nicht auf das Image und die öffentliche Wahrnehmung des Unternehmens auswirkt, wird laut Prabu/Kline/Dai (vgl. 2005, 296) zu einem großen Grad von den Kommunikationsmaßnahmen bestimmt. Schon bei der Gestaltung ihres Nachhaltigkeitsprogramms sei es Unternehmen anzuraten, dass sie Stakeholdervertreter in die Planung mit einbeziehen. Das könne helfen, die Anliegen des unternehmerischen Umfeldes besser zu verstehen und adäquate Maßnahmen zu setzen. Außerdem kann ein schon früh geführter Dialog mit verschiedenen Anspruchsgruppen mögliche unbeabsichtigte Fehltritte, zum Bei-
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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spiel in der Auswahl von Sponsoringprojekten47, verhindern. Weiters werde den Stakeholdern durch die Partizipationsmöglichkeit vermittelt, wie ernst es das Unternehmen damit meint, soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen. Dies könne wiederum zu erhöhter Akzeptanz führen. Groß ist die Rolle der Public Relations auch dann, wenn es darum geht, aus der Nachhaltigkeitsorientierung des Unternehmens tatsächlich einen Image- bzw. Vertrauensbonus zu gewinnen. Schönborn/Steinert (vgl. 2001, VI) spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Nachhaltigkeitskommunikation als „WerteManagement“ betrachtet werden könne, denn sie diene dazu, den imagerelevanten Wert „Zukunftsfähigkeit“ nach außen zu kommunizieren. Nachhaltigkeitskommunikation als Wegbereiter einer „Unternehmenskultur der Nachhaltigkeit“ Ein unternehmerischer Nachhaltigkeitsprozess bedeutet immer auch betriebliche Veränderung und Prozesse der Restrukturierung im Sinne eines „Change Managements“, wie das Kapitel 2 gezeigt hat. Solche Veränderungen gehen am Betriebsklima nicht spurlos vorbei. Sie können verbunden sein mit Unsicherheiten, Ängsten oder gar Widerständen mancher Mitarbeiter. Hier spielt die interne Kommunikation mit ihren verschiedenen Kanälen (wie Gesprächen, Mitarbeiterzeitung, Betriebsversammlungen, Fortbildungen etc.) eine immense Rolle (vgl. Prexl/Signitzer 2008). Sarkis et al. (2000, 173 ff) unterstreichen das und betonen “the role that effective training and communication play in successfully designing and implementing both organizational change and environmental risk management programmes.” Die wohl größte Herausforderung für Unternehmen, die sich ernsthaft in Richtung Nachhaltigkeit bewegen wollen, ist es, Veränderungen in der Unternehmenskultur zu bewirken. Es gilt, eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ (Jüdes 2000) zu schaffen, die nicht allein durch „top-down“-Auflagen, sondern nur über die Integration der Mitarbeiter, also „bottom-up“, möglich ist (vgl. Kanatschnig 2005; Dunphy/Griffiths/Benn 2007, 93). Voraussetzung dafür ist die Sensibilisierung der Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsthemen sowie das Empowerment der Mitarbeiter. Eine professionelle interne Kommunikation, welche die Meinungen, Erwartungen und Werte der Beschäftigten berücksichtigt und sie in dialogischer Form zu Wort kommen lässt, kann dazu beitragen, Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsfragen zu sensibilisieren. So könnten die Mitarbeiter beispielsweise schon eingebunden werden, wenn es um die Entwicklung einer unternehmensspezifischen Definition des Begriffs der Nachhaltigkeit geht. Auch die 47
vgl. das Beispiel AT&T in Kapitel 2.7.3.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
regelmäßige Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten kann zu einer erhöhten unternehmensinternen Sensibilisierung für Umwelt- und Nachhaltigkeitsfragen führen48. Das allein ist aber noch nicht genug. Den Mitarbeitern müssen auch Mittel, Methoden und Informationen in die Hand gegeben werden, wie jeder einzelne das Nachhaltigkeitsdenken in der täglichen Arbeit umsetzen kann. Sarkis et al. (2000, 181) sprechen in diesem Zusammenhang von “Empowerment”. Eine solche Befähigung und persönliche Weiterentwicklung könne ihrer Ansicht nach nicht nur durch Training herbeigeführt werden – wie es in der Managerliteratur oft dargestellt wird –, sondern benötige die Vorbildwirkung der Führungsebenen und vor allem Anstrengungen der internen Kommunikation (Sarkis et al. 2000, 181, nach Ford/Fottler 1995). Nachhaltigkeitskommunikation als „Katalysator“ für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen in Unternehmen Nachhaltigkeitskommunikation und insbesondere -berichterstattung haben das Potenzial, als „Katalysator“ für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen innerhalb des Unternehmens zu wirken (vgl. Lühmann 2001, 16). Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts setzt voraus, dass nachhaltigkeitsrelevante Informationen unternehmensintern überhaupt erst gesammelt werden. Dazu ist viel Recherche innerhalb des Unternehmens nötig (vgl. Kapitel 5.5), und somit viel interne Kommunikation. Im Rahmen dieses Prozesses des Sammelns und Aufbereitens von Nachhaltigkeitsinformationen erfahren die Mitarbeiter, dass Nachhaltigkeit zunehmend als Unternehmenswert betrachtet wird. Dies kann dazu führen, dass die Mitarbeiter selbst ein stärkeres Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen finanziellen, ökologischen und sozialen Themen entwickeln. Und das ist schließlich Voraussetzung dafür, dass sie selbst Ideen entwickeln, wie sie zur Nachhaltigkeitsorientierung des Unternehmens beitragen können. Wenn solche Ideen Wertschätzung erfahren und im Rahmen des internen Vorschlagswesens professionell aufgearbeitet werden, ist meiner Ansicht nach bereits ein wichtiger Grundstein für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen gelegt. Jedoch sind Innovationen heute nicht mehr nur so zu verstehen, dass Unternehmen vornehmlich eigene Ideen entwickeln und kontrolliert umsetzen. Wir bewegen uns vielmehr in einem Zeitalter der „Open Innovation“ (Zerfaß 2004, 14 nach Chesbrough 2003), in der vielfältige Bezugsgruppen im internen und 48
Zu diesem Ergebnis kam eine empirische Studie von Fichter (vgl. 1998, 481) zur Umweltberichterstattung von deutschen Unternehmen. Durch den Bericht und das damit verbundene öffentliche Bekenntnis des Unternehmens zu einer zukunftsfähigen Entwicklung bekämen Umweltthemen einen höheren Stellenwert sowie eine höhere Verbindlichkeit bei der Geschäftsführung wie auch unter den Mitarbeitern.
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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externen Umfeld systematisch in den Innovationsprozess eingebunden werden sollten und Unternehmen die Innovationsprozesse nicht mehr ausschließlich selbst steuern. Neue Ideen zu Produkten und Dienstleistungen entstehen insbesondere dann, wenn sich übergreifende Innovationssysteme bestehend aus Institutionen des öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektors herausbilden und produktiv zusammenwirken (zum Beispiel in Form von Clustern). Eine stakeholderorientierte Nachhaltigkeitskommunikation könnte dabei helfen, solche partnerschaftlichen Innovationsprozesse voranzutreiben.
3.4.4 Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation aus unternehmerischer und gesellschaftlicher Sicht: Marketing Case, Business Case, Public Case Aus empirischer wie analytischer Sicht haben wir uns nun bereits mit den Zieldimensionen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation befasst. Dabei wurde klar, dass die Bandbreite groß ist. Die Zielsetzungen reichen – um nur einige zu nennen – von der Entwicklung einer „Unternehmenskultur der Nachhaltigkeit“ und Mitarbeitersensibilisierung, über nachhaltigkeitsorientierte Innovationen, Produktdifferenzierung und bessere Absatzchancen, bis hin zu Imageverbesserung und höheren Vertrauenswerten. Es wird nun versucht, die große Bandbreite der Zielsetzungen strukturierter darzustellen. Konzeptionell werde ich dies so fassen: Die Zieldimensionen der Nachhaltigkeitskommunikation werden in drei Bereiche unterteilt, nämlich in „Business Case“, „Marketing Case“, und „Public Case“ (vgl. auch Signitzer/ Prexl 2005; 2008). Diese drei Zieldimensionen leiten sich ab aus den drei Sichtweisen von Public Relations: Organisationstheoretisch, marketingtheoretisch und gesellschaftstheoretisch (vgl. Signitzer 2007, 141 ff). 3.4.4.1 Die organisationstheoretische Sichtweise der Public Relations und der „Business Case“ unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation Der organisationstheoretische Ansatz begreift Public Relations als eine Kommunikationsfunktion von Unternehmen. Die zentrale Frage für Forschung und Praxis lautet bei diesem Ansatz: „Welchen Beitrag leistet Public Relations zur Erreichung von Organisationszielen“ (Signitzer 2007, 143)? Umgelegt auf das Nachhaltigkeitsmanagement lässt sich daraus die Frage ableiten: Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung von mittel- und langfristigen Zielen des Nachhaltigkeitsmanagements? Aus einer solchen organisationstheoretischen Betrachtungsweise ergibt sich ein „Business
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Case“ für Nachhaltigkeitskommunikation dann, wenn sie mittel- und langfristig zur Zielerreichung des Nachhaltigkeitsmanagements beiträgt (vgl. Abbildung 33). Ein möglicher „Business Case“ der Nachhaltigkeitskommunikation ist es, das Image der Unternehmung zu verbessern und eine „Licence to Operate“ zu erhalten (vgl. Münzing/Zollinger 2001, 27). Aus organisationstheoretischer Sicht soll Nachhaltigkeitskommunikation außerdem das Vertrauen in das Unternehmen stärken, indem es als nachhaltiges Unternehmen mit nachhaltigen Produkten positioniert wird. Idealerweise erreicht das Unternehmen sogar Themenführerschaft für einen branchenrelevanten Aspekt der Nachhaltigkeit49. Durch dialogische Kommunikationsformen können es Unternehmen schaffen, ihre Entscheidungen besser auf die Erwartungen der Zielgruppen abzustimmen (vgl. Livesey/Kearin 2002, 233 ff). Im Rahmen von Lobbying wiederum wird Nachhaltigkeitskommunikation eingesetzt, um neue (eventuell sogar strengere) Umwelt- und Sozialgesetze für einen Wirtschaftszweig zu initiieren bzw. um Gesetzesinhalte zu beeinflussen (vgl. SustainAbility 2003). Investor- und Finanzkommunikation zum Thema Nachhaltigkeit soll zu verbesserten Ratings in Indices wie dem Dow Jones Sustainability Group Index sowie bei Banken und Versicherungen führen. Interne Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit soll als Katalysator für Lernprozesse dienen und auch Veränderungen in Gang setzen (vgl. Sarkis et al. 2000, 173 ff), die wiederum zu Innovationen und in letzter Folge zu Wettbewerbsvorteilen führen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Nachhaltigkeitskommunikation kann im Rahmen des organisationstheoretischen Ansatzes als Wertschöpfungsfaktor betrachtet werden. Sie erfährt dann Legitimation, wenn sie mittel- bzw. langfristig zur Zielerreichung des Nachhaltigkeitsmanagements beiträgt. Um einen solchen „Business Case“ der Nachhaltigkeitskommunikation zu erreichen, bieten sich eine Reihe von symmetrischen wie auch asymmetrischen Kommunikationsmethoden an, etwa Medienarbeit, Stakeholder Dialoge, Podiumsdiskussionen, Lobbying-Gespräche, Mitarbeiterschulungen, Investoren-Meetings, Nachhaltigkeitsberichte etc. 3.4.4.2 Die marketingtheoretische Sichtweise der Public Relations und der „Marketing Case“ unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation Der Marketingansatz betrachtet Public Relations als eine Funktion des Marketings. Die zentrale Frage für Forschung und Praxis lautet bei diesem Ansatz: „Welchen Beitrag leistet Public Relations zur Erreichung der Marketingziele von Organisationen, insbesondere in Ergänzung und/oder Erweiterung anderer kom49
Dem Expressdienstleister TNT zum Beispiel ist das durch seine branchenweite Vorreiterrolle im Bereich „Diversity Management“ gelungen (vgl. Kapitel 5.4.2.2.).
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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munikationspolitischer Maßnahmen wie Absatzwerbung, Verkaufsförderung und Marktkommunikation“ (Signitzer 2007, 145f)? Umgelegt auf das Nachhaltigkeitsmanagement lässt sich daraus die Frage ableiten: Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung der kurz- und mittelfristigen Marketingziele des Nachhaltigkeitsmanagements? Aus einer solchen marketingtheoretischen Betrachtungsweise ergibt sich ein „Marketing Case“ für Nachhaltigkeitskommunikation dann, wenn sie zur Zielerreichung der kurz- und mittelfristigen Marketingziele des Nachhaltigkeitsmanagements beiträgt (vgl. Abbildung 33). Ein möglicher „Marketing Case“ der Nachhaltigkeitskommunikation ist es, den Verkauf von nachhaltigen Produkten zu erhöhen. Public Relations zum Thema Nachhaltigkeit soll die ökologischen Aspekte eines Produkts in den Vordergrund rücken. Häufig kommen dabei Methoden der Einweg-Kommunikation zur Anwendung, vor allem Labels, Produktbeschriftungen, Werbung und Online-Kommunikation. Dies demonstriert momentan etwa die Automobilindustrie, welche in ihren Werbesujets und auf ihren Homepages häufig Nachhaltigkeitsthemen wie CO2-Emissionen und Umweltverträglichkeit in den Vordergrund rückt. Folgt man einem breiteren Verständnis der Marketingfunktion (vgl. Haedrich/Tomczak 1990, 20), dann gehört es auch zum „Marketing Case“ der Nachhaltigkeitskommunikation, umwelt- und sozialverträglichere Produktentwicklung und Produktionsprozesse mit zu entwickeln. Als kommunikativer Ansatz kommt hier eine nachhaltigkeitsorientierte Innovationskommunikation zum Tragen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Nachhaltigkeitskommunikation kann im Rahmen des marketingtheoretischen Ansatzes vor allem als Mittel zur kurz- und mittelfristigen Absatzförderung verstanden werden, wobei vorrangig Methoden der Einweg-Kommunikation angewandt werden, wie Produktbeschriftungen, Labels, Werbung und Online-Kommunikation. In einem weiteren Verständnis der Marketingfunktion strebt Nachhaltigkeitskommunikation auch Veränderungen des Produktportfolios und interner Prozesse (vor allem Produktionsprozesse) an. 3.4.4.3 Die gesellschaftstheoretische Sichtweise der Public Relations und der „Public Case“ unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation Der gesellschaftstheoretische Ansatz schließlich konzentriert sich auf ethische Aspekte der Public Relations und auf die Leistungen, die Public Relations für gesellschaftliche Systeme erbringen kann. Die zentralen Fragen sind hier: Was leistet Public Relations für die modernen und ausdifferenzierten Hochleistungsgesellschaften, deren Erfolg mehr denn je vom funktionierenden Zusammenspiel
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
ihrer Teilsystemen abhängt? Oder konkreter: „Welchen Beitrag leistet Public Relations für Dasein und Funktionsweisen von Gesellschaften und zwar (1) direkt im Sinne eines Beitrages zu den Kommunikationsverhältnissen von Gesellschaften und (2) indirekt im Sinne eines Beitrags zur Entwicklung von Gesellschaften durch das Mitprägen von Kommunikationsverhältnissen?“ (Signitzer 2007, 144). Umgelegt auf das Nachhaltigkeitsmanagement lässt sich daraus die Frage ableiten: Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über das Thema der nachhaltigen Entwicklung in einer bestimmten Gesellschaft und wie kann Nachhaltigkeitskommunikation langfristig zu einer nachhaltigeren Entwicklung von Gesellschaften beitragen? Aus einer solchen gesellschaftstheoretischen Betrachtungsweise ergibt sich ein „Public Case“ für Nachhaltigkeitskommunikation, und zwar dann, wenn sie (1) zur gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über das Thema der Nachhaltigkeit beiträgt, und wenn sie (2) langfristig zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung beiträgt (vgl. Abbildung 33). Im ersten Fall würde Nachhaltigkeitskommunikation zum Beispiel einen „Public Case“ erfüllen, wenn sie in einer bestimmten Gesellschaft in einem bestimmten Zeitraum zu “richtigeren” Kaufentscheidungen führen würde, sprich zum Kauf von „nachhaltigen“, sozial und ökologisch möglichst verträglichen Produkten. Beispiele für den zweiten Fall wären, wenn durch Nachhaltigkeitskommunikation in der Bevölkerung mehr Wissen bzw. Sensibilisierung für nachhaltige Entwicklung bestehen würde oder wenn Nachhaltigkeitskommunikation zu verstärkter Gestaltungskompetenz, zu Einstellungs- oder sogar zu Verhaltensänderungen führen würde. Die Idee eines „Public Case“ wird sogleich noch ausführlicher beschrieben. Zuvor seien aber die Zusammenhänge zwischen marketing-, organisations- und gesellschaftstheoretischen Ansätzen der Public Relations und Marketing Case, Business Case und Public Case der Nachhaltigkeitskommunikation in folgender Abbildung zusammengefasst.
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne Sichtweisen der Public Relations nach Signitzer (2007) Marketingtheoretische Sichtweise
Kernfragen nach Signitzer (2007)
Zieldimensionen der Nachhaltigkeitskommunikation
161
Kernfragen
Welchen Beitrag leistet Public Relations zur Erreichung der Marketingziele von Organisationen?
Marketing Case
Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung der kurz- und mittelfristigen Marketingziele des Nachhaltigkeitsmanagements?
Organisationstheoretische Sichtweise
Welchen Beitrag leistet Public Relations zur Erreichung von Organisationszielen?
Business Case
Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung von mittel- und langfristigen Zielen des Nachhaltigkeitsmanagements?
Gesellschaftstheoretische Sichtweise
Welchen Beitrag leistet Public Relations für Dasein und Funktionsweisen von Gesellschaften und zwar (1) direkt im Sinne eines Beitrages zu den Kommunikationsverh ält-nissen von Gesellschaften und (2) indirekt im Sinne eines Beitrags zur Entwicklung von Gesellschaften durch das Mitprägen von Kommunikationsverhältnissen?
Public Case
Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation (1) zur gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über das Thema der nachhaltigen Entwicklung in einer bestimmten Gesellschaft und (2) wie kann Nachhaltigkeitskommunikation langfristig zu einer nachhaltigeren Entwicklung von Gesellschaften beitragen?
Abbildung 33: Zusammenhang zwischen Sichtweisen der Public Relations und Zieldimensionen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation (eigene Darstellung)
Ich gehe davon aus, dass die konzeptuelle Idee eines „Public Case“ sowohl normativ ist, also eine Soll-Sein Perspektive darstellt, aber auch – zumindest in Ansätzen – deskriptiv ist, also tatsächlich unternehmerische Zieldimensionen beschreibt. In wieweit das in der Praxis der Fall ist, wird im empirischen Teil dieser Arbeit einer ersten Überprüfung unterzogen (vgl. Kapitel 5 und 6). An dieser Stelle sei aber bereits angemerkt: Die These, dass unternehmerische
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Nachhaltigkeitskommunikation Leistungen für die Gesellschaft erbringen kann, mag für einige Manager und vor allem für strenge Verfechter des „ShareholderAnsatzes“ seltsam anmuten. Kritiker könnten einwenden, Unternehmen seien keine Wohlfahrtsgesellschaften. Sie haben gar nicht die Aufgabe, gesellschaftliche Ziele zu erfüllen, sondern müssten rein gewinnorientiert handeln. Solchen durchaus berechtigten, kritischen Stimmen seien drei Argumente entgegen gehalten: Erstens erinnere ich an die stipulative Definition von unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation in Kapitel 3.4.1. Für die Zwecke dieser Arbeit wurde der Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation definiert als, alle kommunikativen Handlungen von gewinnorientierten Unternehmen, (1) (2)
(3)
die sich inhaltlich auf das nachhaltigkeitsrelevante Handeln des Unternehmens bzw. bestimmter Zielgruppen beziehen und mit denen ein Beitrag zur strategischen Aufgabendefinition und Aufgabenerfüllung des Nachhaltigkeitsmanagements und/oder zur Erfüllung der Umsatz-, Absatz- oder Imageziele geleistet wird. Zusätzlich hat Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen das Potenzial, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sensibilisierung für nachhaltige Entwicklung zu leisten und zu einer nachhaltigeren Entwicklung in Unternehmen und Gesellschaft beizutragen.
Die ersten beiden Definitionskomponenten – Nachhaltigkeitsaspekte als Inhalte der Kommunikation und der Beitrag der Nachhaltigkeitskommunikation zur Erfüllung der Umsatz-, Absatz- und Imageziele – dürften auch für eingefleischte Verfechter des „Shareholder-Ansatzes“ nicht in Widerspruch zu gewinnorientierten Maximen stehen. Erst in zweiter Linie, als „Nebeneffekt“, ist Nachhaltigkeitskommunikation im Verständnis dieser Arbeit an gesellschaftlichen Zielen orientiert. An der Nutzung eines solchen angenehmen Nebeneffekts, der noch dazu imagewirksam sein kann, dürfte kaum etwas auszusetzen sein. Zweitens sei darauf hingewiesen, dass nicht für alle Unternehmen aller Zeiten immer Gewinnmaximierung im Vordergrund stehen muss. So sagt Hauska (2005), Leiter der Arbeitsgruppe „Corporate Social Responsibility“ im Public Relations Verband Austria: „Nicht immer steht für Unternehmen Gewinnmaximierung als oberstes Ziel im Vordergrund. Viele, vor allem kleinere Betriebe, haben einfach die Vision, eine be50 stimmte Leistung für die Gesellschaft zu erbringen.“ 50
Ein Beispiel für einen solchen Betrieb wird in Kapitel 5.4.2.1 näher beschrieben, nämlich das Familienunternehmen Gugler im niederösterreichischen Melk.
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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Drittens findet die These, Nachhaltigkeitskommunikation könne gesellschaftliche Ziele erfüllen, auch in der wissenschaftlichen Literatur sowie in der Praktikerliteratur Unterstützung: So argumentiert beispielsweise L’Etang (2006, 413f), „public relations practitioners can potentially serve the public interest through programmes of social responsibility“. McKie streicht im „Journal of Public Relations Review“ ebenfalls die gesellschaftliche Funktion der Public Relations heraus, die er „Public Relations for Social Good“ (McKie 2007, 349) nennt. Auch der Marketingspezialist Kotler schreibt in einem seiner jüngsten Bücher mit dem Titel „Corporate Social Responsibility: Doing the Most Good for your Company and your Cause“ über den Zusammenhang zwischen unternehmerischen und gesellschaftlichen Vorteilen durch sozial verantwortliches Unternehmertum (vgl. Kotler/Lee 2005). Und in einem Positionspapier des Bundesverbandes der deutschen Industrie (2004, 1) heißt es gleich auf der ersten Seite: „Eine freiwillige, gesetzlich nicht regulierte Nachhaltigkeitskommunikation wird von der deutschen Wirtschaft als Chance genutzt, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.“ Aus Sicht der Public Relations gehen auch Ronneberger/Rühl (1992) davon aus, dass strategische Kommunikation Funktionen für die Gesamtgesellschaft zu erfüllen vermag. Konkret formulieren sie (1992, 253): „Die besondere gesellschaftliche Wirkungsabsicht von Public Relations ist es, durch Anschlusshandeln, genauer: durch Anschlusskommunikation und Anschlussinteraktion öffentliche Interessen (Gemeinwohl) und das soziale Vertrauen der Öffentlichkeit zu stärken.“
Aber worin genau liegt nun der Beitrag der Nachhaltigkeitskommunikation für das Gemeinwohl? Welche Potenziale, welche anstrebenswerten „Nebeneffekte“ birgt Nachhaltigkeitskommunikation aus gesellschaftlicher Sicht? Als wichtigster gesellschaftlicher „Nebeneffekt“ der Nachhaltigkeitskommunikation wurde bereits genannt, dass mittels unternehmerischer Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen ein Beitrag zur Sensibilisierung für Nachhaltigkeitsfragen bei bestimmten Zielgruppen geleistet werden kann. An erster Stelle stehen hier Kunden, aber auch Mitarbeiter, die die „Vision der Nachhaltigkeit“ außerhalb des Unternehmens verbreiten und als Multiplikatoren der “Nachhaltigkeitsbotschaft” fungieren können. Bei Lieferanten und sogar Wettbewerbern kann die Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen eines Unternehmens als Signal verstanden werden, dass auch sie Veränderungen in sozialen oder ökologischen Belangen vornehmen müssen. Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation hat meiner Ansicht nach aber noch mehr Potenziale: Medienarbeit und Informationskampagnen können helfen, die Nachhaltigkeitsthematik allgemein sowie konkrete damit verbundene
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Problemstellungen (wie Klimawandel, CO2-Ausstoß, Mülltrennung, Gender Issues, Familienfreundlichkeit, Menschenrechte etc.) weiter oben auf der öffentlichen Agenda zu positionieren. Dabei können unternehmerische Kommunikationsaktivitäten zu anderen Kommunikationsinitiativen (etwa von Schulen, Universitäten, NGOs, Regierungen etc.) „addiert“ werden, was die „Menge“ der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen erhöht. Dieser Gedankengang beruht auf Überlegungen verschiedener Autoren (vgl. Leal Filho 2005, 731 ff), die argumentieren, dass insgesamt mehr gesellschaftliche Kommunikation nötig ist, um die Bevölkerung auf das abstrakte Konzept der nachhaltigen Entwicklung aufmerksam zu machen und auch demgemäß zum Handeln zu motivieren. Nur über Kommunikation könne es zu einem „Mentalitätswandel“ kommen, welcher nach Sloterdijk (1995, 66) Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation sein sollte: „Ich habe früher, wenn ökologische Diskussionen geführt worden sind, immer Anstoß daran genommen, dass die Leute so schnell über alternative Feuerungstechniken gesprochen haben und über alternative Recyclingmethoden usw. Dass sie sofort in die Technologie eingestiegen sind. Ich habe immer gefragt: Wo bleibt der Mentalitätswandel? Es muss doch erst einmal ein neuer Mensch da sein, dann kann die Technologie folgen.“
Sind Nachhaltigkeitsthemen erst einmal in das Aufmerksamkeitsfeld eines Teils der Bevölkerung gerückt, so kann Nachhaltigkeitskommunikation womöglich auch zu Einstellungsänderungen, Empowerment und sogar Verhaltensänderungen einzelner Individuen führen (vgl. Bittencourt/Borner/Heiser 2003, 44). So betrachtet, leistet Nachhaltigkeitskommunikation auch einen Beitrag zur Nachhaltigkeitserziehung im Sinne einer „Bildung für Nachhaltigkeit“ (de Haan 2002, 259; Blakely/ Callaghan 2000). Die hier skizzierten gesellschaftlichen Potenziale unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation spiegeln die Stufen sozialer Veränderung wieder, die Kotler (vgl. 1982, nach Windahl/Signitzer 2009, 98) beschreibt, nämlich kognitive Veränderung, Änderung des Verhaltens, Änderung des routinemäßigen Handelns, Werteänderung. Auf diesen Stufen kann Nachhaltigkeitskommunikation meiner Ansicht nach einen gewissen Beitrag leisten51, wenn auch die Erreichung der Ziele – von der kognitiven Veränderung bis zur Werteänderung – bekanntlich immer schwieriger wird.
51
Dieser Gedankengang beruht auf der Überlegung, dass Kommunikation einen sehr hohen Stellenwert hat für die Bildung von Einstellungen und auch Verhaltensweisen: „Our beliefs, attitudes, and behaviours relating to nature and environmental problems are mediated by communication“ (Cox 2006, 13).
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
165
Zusammenfassend sei festgehalten: Aus gesellschaftstheoretischer Sicht birgt unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation – sofern sie bestimmten normativen Kriterien genügt52 – das Potenzial, zu einer zukunftsfähigeren Unternehmens- und Gesellschaftsentwicklung beizutragen. In den Worten Rolkes (1999, 431) lässt sich das auch so formulieren: Nachhaltigkeitskommunikation kann einen „konstitutiven Funktionsbeitrag“ (Rolke 1999, 431) in der Gesellschaft leisten. Dieser Beitrag reicht von der Unterstützung öffentlicher Kommunikation über das Thema Nachhaltigkeit, über die Erhöhung des Bewusstseins und des Wissens in punkto Nachhaltigkeit, bis hin zu den am schwierigsten zu erreichenden und von den meisten Faktoren beeinflussten Zielen, nämlich Einstellungs-, Verhaltens-, und Werteänderung. 3.4.4.4 Zusammenhang zwischen Marketing Case, Business Case und Public Case: Ein Zwiebelmodell Wir haben nun festgestellt, dass die Zielsetzungen für die Praxis unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation auf drei Ebenen liegen können: Auf Ebene des Marketing Case, des Business Case und des Public Case. Um diese Differenzierung zu veranschaulichen, schlage ich ein Zwiebelmodell als geeignete Illustrierung vor. Dieses Modell zielt einerseits darauf ab, einen weiteren Impuls zur Forschung über die gesellschaftliche Rolle der Public Relations zu leisten. Andererseits könnte das Zwiebelmodell Praktikern der Nachhaltigkeitskommunikation Orientierung und Denkanstöße bieten. Es kann ihnen helfen, den Überblick zu bewahren, auf welcher Ebene eine geplante Maßnahme vorwiegend zum Tragen kommt. Möglicherweise kann das Modell auch helfen, „drei Fliegen mit einer Klappe“ zu schlagen, also Kommunikationsprogramme zu entwerfen, die sich auf Marketing-, Organisations- und Gesellschaftsebene positiv auswirken. Die Metapher der Zwiebel fand schon in der deutschsprachigen Journalismusforschung Beachtung, wo sie Weischenberg (1990; 2004; Scholl/Weischenberg 1998) für seine Analysen der gesellschaftlichen Auswirkungen von Journalismussystemen verwendete. Dargestellt in einem Abbildung 34: Zwiebelmodell der Zieldimensionen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation (eigene Darstellung in Anlehnung an Weischenbergs Zwiebelmodell 2004) 52
Solche normativen Kriterien werden in Kapitel 4.7.3 abgeleitet.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Zwiebelmodell identifizierte Weischenberg vier verschiedene kontextuelle Systeme, in denen sich Journalismus abspielt: Funktionskontext, Rollenkontext, Strukturkontext und Normenkontext. Angewandt auf das Forschungs- und Tätigkeitsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation soll die Metapher der Zwiebel nun verdeutlichen, wie sich das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation vom Marketing Case über den Business Case zum Public Case ausdehnt. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der relevanten Stakeholdergruppen zu. Die innere Zwiebelschicht stellt den „Marketing Case“ dar. Diese Schicht beinhaltet jene Zieldimensionen der Nachhaltigkeitskommunikation, die noch eher einfach zu evaluieren sind und eng mit üblichen strategischen Managementzielen verbunden sind (wie Absatzsteigerung, Umsatzsteigerung, Optimierung von Produktionsprozessen, Verringerung der eingesetzten Ressourcen, Innovationen etc.). Die wesentlichen Stakeholdergruppen in dieser Schicht sind Kunden, Abnehmer, und – einem breiteren Marketingverständnis folgend – auch Mitarbeiter. Die mittlere Zwiebelschicht stellt den „Business Case“ dar. In diesen Bereich fallen Zieldimensionen wie Imageverbesserung, Branding als sozial verantwortliches Unternehmen, Mitarbeiterzufriedenheit oder Innovationen. Solche Zielsetzungen sind eher qualitativer Natur, langfristiger ausgerichtet als die Ziele des „Marketing Case“ und außerdem in der Regel schwieriger zu evaluieren. Die wesentlichen Stakeholdergruppen sind Mitarbeiter, Investoren, NGOs und die lokale Community. Die äußerste Zwiebelschicht stellt den „Public Case“ dar. Die Zielsetzungen sind gesellschaftlicher bzw. ethischer Natur und somit am schwierigsten zu evaluieren. Sie sind langfristig angelegt und stehen in manchen Fällen nicht direkt mit dem üblichen Kerngeschäft des Unternehmens in Beziehung. Im breitesten Verständnis des „Public Case“ wird die Gesamtgesellschaft als Stakeholdergruppe verstanden. Ich gehe davon aus, dass innerhalb eines bestimmten Unternehmens eine Ebene der Zieldimensionen, aber auch zwei oder alle drei Ebenen, sprich Marketing, Business und Public Case, zum Tragen kommen können. Dies entspricht dem „mixed-motive“-Ansatz der Spieltheorie, muss freilich aber erst empirisch genauer überprüft werden. Anzunehmen ist, dass es von jeweils situativen Gegebenheiten abhängt, welcher Zieldimension ein Unternehmen zu einer bestimmten Zeit den Vorrang gibt. Auch die Branche des Unternehmens, seine Größe, die Dauer des Bestehens des Unternehmens sowie geographische, politische und kulturelle Kontexte werden vermutlich Einfluss auf die unternehmensspezifischen Ziele der Nachhaltigkeitskommunikation haben.
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
167
Die Kernaussagen des Zwiebelmodells werden in den Kapiteln 5 und 6 dieser Arbeit einer ersten empirischen Überprüfung unterzogen. Mit Sicherheit glaube ich jedoch schon jetzt sagen zu können: Die drei Ebenen Marketing, Business und Public Case dienen zwar der Strukturierung, eine scharfe Trennung zwischen den drei Ebenen ist aber nicht möglich. So können einige Punkte, wie zum Beispiel die Mitarbeitersensibilisierung oder Nachhaltigkeitsinnovationen, je nach Sichtweise einer, zwei oder gar allen drei Ebenen zugeordnet werden. Im Zwiebelmodell wird das anhand der gestrichelten Linien dargestellt. Diese sollen die Durchlässigkeit der Zwiebelschichten veranschaulichen. Die Anwendbarkeit des ZwieA: “Ongoing work and labeling to secure belmodells auf die Unternehmenssubstance information and its availability for praxis sei nun anhand eines Beiall of our products.” spiels erläutert. Und zwar werden die NachhaltigkeitskommunikaB: “Promotion of a culture of innovation so tionsziele des globalen Konzerns that creative ideas and input from all employees can become utilizable for the Group.” Bayer (Tätigkeitsfelder Gesundheit, Ernährung und hochwertige C: “Ongoing improvement of internal work Materialien) anhand des Modells processes and employee motivation.” systematisiert. In Abbildung 35 D: “Promotion of research projects on prosind einige Kommunikationsziele tecting drinking water, initiation of socially relevant and innovative projects by external aufgelistet, welche dem „Bayer research groups on the new recovery, conservation and fair distribution of water resources.” E: “Strengthening of basic understanding of natural science in schools.” F: “Worldwide promotion of environmental knowledge among young people.” G. “Promotion of education in sustainable development and improvement of environmental awareness in newly industrializing countries (capacity building) in line with voluntary activities undertaking by the chemical industry.” Abbildung 35: Einige Nachhaltigkeitsziele von Bayer
Abbildung 36: Mögliche Positionierung der Nachhaltigkeitsziele von Bayer im Zwiebelmodell
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
Sustainability Programm 2006“ entnommen wurden (vgl. Bayer 2006). Abbildung 36 stellt eine Möglichkeit dar, wie die verschiedenen Zieldimensionen innerhalb des Zwiebelmodells positioniert werden könnten. Freilich ist das nur ein Vorschlag, quasi eine Möglichkeit von vielen. Denn die tatsächliche Positionierung können nur jene Manager bzw. Kommunikationsexperten vornehmen, die sich eingehend mit den Zielsetzungen und deren Umsetzung beschäftigt haben. Die obigen Ausführungen haben gezeigt, warum durch Nachhaltigkeitskommunikation das Unternehmen selbst wie auch die breite Öffentlichkeit langfristig profitieren könnten. Damit dieses Potenzial tatsächlich genützt werden kann, sollte Nachhaltigkeitskommunikation normative Handlungsleitlinien erfüllen. In Kapitel 4 werden deshalb normative Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation herausgearbeitet, wobei auf Ansätze von bereits bestehenden Theorien, Konzepten und Modellen der Public Relations und Unternehmenskommunikation zurückgegriffen wird. Zuvor sei nun aber im nächsten Kapitel erörtert, in welchen Kontexten sich Nachhaltigkeitskommunikation abspielt.
3.4.5 Einbettung der Nachhaltigkeitskommunikation in Mikro-, Meso- und Makrokontexte Im Rahmen der analytischen Auseinandersetzung mit unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation erscheint es auch notwendig, die Kontexte zu betrachten, in denen Nachhaltigkeitskommunikation stattfindet. Unter dem Begriff „Kontext“ seien dabei die Rahmenbedingungen, Treiber und gesellschaftlichen Gruppen verstanden, welche auf die Praxis und Gestaltung des Nachhaltigkeitsmanagements und der Nachhaltigkeitskommunikation Einfluss haben können. Ich schlage vor, zwischen drei kontextuellen Ebenen zu unterscheiden, nämlich zwischen Kontexten auf der Mikroebene (Unternehmensebene), auf der Mesoebene (externe Stakeholder) und auf der Makroebene (gesellschaftliche Institutionen, Staat, Medien). Ähnlich unterscheiden auch Ronneberger/Rühl (1992, 249ff) drei Ebenen der Wechselbeziehungen zwischen Public Relations und Gesellschaft: Auf der Mikroebene leistet Public Relations Aufgaben im Rahmen der inner- und interorganisatorischen Entscheidungsprogramme. Auf der Mesoebene unterhält Public Relations Wechselbeziehungen zu gesellschaftlichen Funktionssystemen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Recht, Familie, Freizeit sowie zu Journalismus und Werbung. Auf der Makroebene erfüllt Public Relations als Teilsystem öffentlicher Kommunikation Funktionen für die Gesamtgesellschaft.
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
169
Die nun folgende Erörterung der Kontextebenen aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeitskommunikation basiert auf eigenen Erfahrungen und Überlegungen, auf Gesprächen mit Kommunikationsverantwortlichen sowie auf Ergebnissen der Literaturrecherche. Es handelt sich somit um Aussagen, die noch genauerer empirischer Überprüfung bedürfen. Deshalb wird im empirischen Teil dieser Arbeit auf einige Aspekte Bezug genommen. Die dort präsentierten GoodPractice-Beispiele der Anwendung von Kommunikationsinstrumenten (Kapitel 5) sowie die Untersuchung der Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieerzeuger (Kapitel 6) können erste Hinweise liefern, inwiefern einzelne (hier aus theoretischer Sicht genannte) Rahmenbedingungen auch in der Praxis relevant sind. 3.4.5.1 Mikroebene Wie intensiv sich ein Unternehmen mit Themen der Nachhaltigkeit und sozialen Verantwortung auseinandersetzt, hängt zu einem großen Teil vom Wirtschaftszweig ab, in dem das Unternehmen tätig ist. Bisher waren es vor allem Unternehmen aus den sogenannten „High Risk – High Impact“-Branchen (z.B. Ölindustrie, chemische Industrie, Pharmaindustrie, Energiewirtschaft, Papierwirtschaft etc.), die Nachhaltigkeitsthemen besonders hohe Aufmerksamkeit zukommen ließen und sich dazu veranlasst fühlten, Produktverantwortung („Product Stewardship“) zu demonstrieren. Neben dem Wirtschaftszweig spielen verschiedene Rahmenbedingungen auf der Mikroebene (unternehmensinterne Ebene) eine Rolle. An erster Stelle ist hier die Unternehmenskultur zu nennen. Meiner Ansicht nach ist davon auszugehen, dass die interne Bereitschaft zu einer nachhaltigkeitsorientierten Veränderung umso größer ist, je offener die Unternehmenskultur ist und je stärker damit auch die Prinzipien der dialogischen Kommunikation in der internen Kommunikation verankert sind. In engem Zusammenhang mit der Unternehmenskultur steht auch, wie intensiv sich das Top Management für Nachhaltigkeitsthemen und -kommunikation einsetzt. So heißt es in einem Forschungsbericht des Kompetenzzentrums „Center for Corporate Citizenship“ (2007): “The current global challenges of transparency, stakeholder expectations, accountability, trust and reputation require a strategic approach endorsed at the highest levels of the company and integrated and aligned throughout the business operation.”
Besonders bei Klein- und Mittelunternehmen dürfte die Person des Chefs selbst (mit seinen individuellen Wertvorstellungen) wesentlichen Einfluss darauf
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
haben, wie ernst der Betrieb Nachhaltigkeitsthemen und Nachhaltigkeitskommunikation nimmt. Entscheidend ist die Ansicht des Chefs darüber, wem gegenüber der Betrieb verantwortlich ist (vgl. Hillman/Kein 2001). Geht es ihm um eine Wertsteigerung für die Kapitalgeber („shareholder value“), um eine Wertsteigerung für eine breite Gruppe an Stakeholdern („stakeholder value“) oder geht es darum, als „sustainable business“ Wert für die Gesellschaft an sich zu schaffen (“societal value“)? Aspekte der Nachhaltigkeit könnten auch im Rahmen der Personal Public Relations der Führungskraft eine Rolle spielen (vgl. Schöpfer 2008). Maßgeblich beeinflusst wird die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation von der Frage, wer unternehmensintern für diesen Aufgabenbereich verantwortlich ist. Mit dieser Frage nach der internen Organisation von Nachhaltigkeitskommunikation, die sich vor allem in Großunternehmen stellt, möchte ich mich nun eingehender beschäftigen. Meine bisherigen Recherchen haben gezeigt, dass in einigen Großunternehmen Public Relations Praktiker bzw. Kommunikationsexperten zuständig sind für Nachhaltigkeitskommunikation und Nachhaltigkeitsberichterstattung, während in anderen Konzernen ausgewiesene Nachhaltigkeits- bzw. CSRManager das Aufgabenfeld übernommen haben (vgl. Kapitel 5.5.2.1). Auch in der Literatur sind die Meinungen darüber, wer in einer Organisation für Nachhaltigkeitskommunikation verantwortlich sein sollte, geteilt53. Einerseits werden im öffentlichen Diskurs (ausgehend von Universitäten, Regierungen, NGOs etc.) Zweifel über die Expertise der Public Relations für Nachhaltigkeitskommunikation artikuliert. Kommunikationsexperten würde es an spezifischem Wissen zu Nachhaltigkeitsthemen fehlen; sie würden das Thema der nachhaltigen Entwicklung lediglich für kurzfristig ausgerichtete Imagekampagnen und „Greenwash“ verwenden. Deshalb sollten besser eigene Nachhaltigkeits- bzw. CSRManager mit dem Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation betraut werden (vgl. Elkington 2004). Kommunikationsforscher auf der anderen Seite liefern Gegenargumente. Ihrer Ansicht nach falle CSR und Nachhaltigkeitskommunikation eindeutig in den Aufgabenbereich der Public Relations. So hält Freitag (2005, 39) Public Relations Experten für die am besten geeigneten CSR-Verantwortlichen:
53
In der Fachdiskussion ist derzeit ein Disput zu orten, wie er auch eine Zeit lang für den Bereich der Investor Relations auszumachen war. Damals hieß es: Soll die Finanzkommunikation im Aufgabenbereich der Finanzabteilung oder in jenen der Kommunikationsabteilung liegen? Heute ist die Frage: Soll Nachhaltigkeitskommunikation in den Aufgabenbereich von designierten Nachhaltigkeitsmanagern fallen oder in jenen der Kommunikationsexperten?
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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“The public expects businesses to contribute to societal well-being and public relations leaders are uniquely qualified and positioned to guide that effort” (Freitag 2005, 39).
L’Etang (2006, 417) vertritt die Meinung, dass Public Relations so etwas wie das Gewissen („conscience“) oder der ethische Ratgeber („ethical guardian“) eines Unternehmens sein könne, indem professionelle Kommunikation nicht nur zur Umsetzung, sondern auch zur Strategieentwicklung („policy formation“) im Bereich der sozialen und ökologischen Verantwortung beitrage: “Public relations practitioners may be responsible for proposing corporate social responsibility activities and identifying relevant public, objectives, and messages. In this way public relations practitioners are directly involved in policy formulation. It is not, therefore, a question of senior management working out their organizational responsibilities and then the public relations practitioner communicating the policy or actions, but of public relations actively driving the programme and setting corporate goals” (L’Etang 2006, 414).
Ähnlich argumentiert auch Klenk (2004, 119). Er betrachtet das Beziehungsmanagement mit Stakeholdern als Kernziel des Nachhaltigkeitsmanagements und unterstreicht damit die strategisch wichtige Position von Kommunikationsexperten: „Corporate Communications sind eine unverzichtbare Institution, um Balance und Ausgleich zwischen den Stakeholdern eines Unternehmens zu schaffen, die internen Ziele mit den externen Erwartungshaltungen in Einklang zu bringen, Legitimität zu sichern, die neuen Risikokategorien zu managen, Glaubwürdigkeit, Vertrauen und schließlich Reputation aufzubauen und zu stärken. Die Corporate-CommunicationsAbteilung muss damit im Unternehmen der Anwalt sein für Sustainability, Transparenz, Dialog und CSR-Strategie“ (Klenk 2004, 119).
Severin (vgl. 2005, 74) plädiert ebenfalls dafür, dass Kommunikationsmanager, und nicht andere Unternehmensbereiche, für die Kommunikation von und über Nachhaltigkeitsthemen verantwortlich sein sollten. Kommunikationsmanager könnten entscheidend zur „corporate readiness“ für Nachhaltigkeitsthemen beitragen. Dazu müssten sie aber einige Kompetenzen aufweisen. Kommunikationspraktiker sollten laut Severin
in der Lage sein, die Schnittstellen zwischen den beteiligten Bereichen kommunikativ zu managen und sich zu Mitwirkenden im Nachhaltigkeitsmanagement zu machen.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations ein begleitendes Themen-/Issues Management-System betreiben, das auch die beteiligten Experten in Analyse und Lösungsansätze einbezieht. von Stakeholdern als Kommunikationspartner ernst genommen werden. Dazu müssen sie über ein Grundverständnis in der Sache verfügen und in der Lage sein, Erwartungen in erkennbare Kommunikationsprozesse zu überführen. die Langfristigkeit von Nachhaltigkeitsprozessen in die Kommunikationsprozesse und Planungen übersetzen. in der Lage sein, Nachhaltigkeitsthemen in den Kontext der anderen Governance-Felder zu stellen.
Ich vertrete ebenfalls die Ansicht, dass Public-Relations-Experten einige Kompetenzen besitzen, die für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation besonders relevant sind und als „Wettbewerbsvorteile“ gegenüber anderen Unternehmensfunktionen interpretiert werden können (vgl. Signitzer/Prexl 2008): Erstens gelten Kommunikationspraktiker als Spezialisten für eine differenzierte Zielgruppensegmentierung. Sie können sich dabei auf einen breiten Erfahrungsschatz und Erkenntnisse kommunikationswissenschaftlicher Forschung stützen. Zweitens verfügen Kommunikationspraktiker häufig über persönliche Kontakte zu Stakeholdern, die sie im Rahmen des Beziehungsmanagements langfristig aufgebaut haben und die ihnen bei der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation zugute kommen. Drittens können Kommunikationsmanager oft auf Expertise im Bereich der Kommunikation mit Mitarbeitern vorweisen. Die Mitarbeiter wurden in dieser Arbeit als vorrangige Zielgruppe für den Aufbau eines Nachhaltigkeitsmanagements identifiziert. Viertens haben erfahrene Kommunikationsmanager im besten Fall die nötige Sensibilität für die strategische Kommunikation komplexer, konfliktträchtiger Themen. Sie können kommunikationsintensiven Themenbereichen womöglich auch mehr Zeit widmen als Nachhaltigkeitsmanager, deren vordergründige Aufgabe es ist, das nachhaltige Handeln des Unternehmens voranzutreiben. Fünftens ist die Kommunikationsfunktion meiner Ansicht nach eine der wenigen Funktionen in einem Unternehmen, die die Möglichkeit und Legitimation hat, tatsächlich einen „Public Case“ anzustreben, also neben wirtschaftlichen Zielen auch gesellschaftliche Ziele. Auch die Evaluation solcher Ziele, die geprägt ist von „weichen Kennzahlen“, ist Kommunikationsexperten nicht fremd. Van Ruler/Vercic (2005, 264) bringen die „Wettbewerbsvorteile“ der Public Relations bei gesellschaftspolitischen Zielsetzungen in folgendem Zitat auf den Punkt:
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“What distinguishes communication managers from other managers when they sit down at the table is that they contribute special concern for broader societal issues and approaches to problems. Furthermore, they have special concern for the implications of organizational behavior toward and in the public sphere, as well as toward certain stakeholders and target groups.”
Solche Überlegungen lassen mich schlussfolgern, dass Public Relations Manager am besten geeignet sind, um für die Kommunikation über und für Nachhaltigkeit verantwortlich zu sein. Dabei soll aber nicht übersehen werden: Woran es Kommunikationspraktikern häufig fehlt, ist Detailwissen zu einzelnen Aspekten des Nachhaltigkeitsmanagements. Aus diesem Blickwinkel macht es Sinn, eigene CSR- bzw. Nachhaltigkeits-Stabstellen einzurichten, die sich vorrangig um das interne Nachhaltigkeitsmanagement kümmern (vgl. Kapitel 2.8.3). Der Vorteil solcher Stabstellen ist meiner Ansicht nach, dass sie als Koordinationsstelle sämtliche Vorgänge überblicken können. Der Nachhaltigkeitsbeauftragte weiß in der Regel über Nachhaltigkeitsprozesse genauestens bescheid und bei ihm laufen die Fäden zusammen, was die Kennzahlen in einzelnen Bereichen der Nachhaltigkeit betrifft. Jedoch von einem Nachhaltigkeitsspezialisten lässt sich nicht erwarten, dass er als „eierlegende Wollmilchsau“ fungiert. Nicht immer verfügt der Nachhaltigkeitsbeauftragte zugleich auch über Expertise im Kommunikationsbereich. Er besitzt inhaltliche Kompetenzen, lässt aber womöglich Vermittlungs- und Dialogkompetenz vermissen. Womöglich besitzt er auch Kompetenz bei der Erstellung von Zukunftsszenarien. Allerdings wird er dabei auf Input aus dem Issues Management bzw. des Stakeholder Managements angewiesen sein. Möglicherweise besitzt er auch Planungskompetenz. Um Mitarbeiter zu informieren, zu vernetzen, sie zu motivieren, etc., könnten aber wiederum die Kompetenzen von Kommunikationsexperten hilfreich sein. Meine Schlussfolgerung ist also folgende: Wenn in einem Unternehmen die Position des Nachhaltigkeitsbeauftragten geschaffen wurde – was durchaus zu begrüßen ist, da es als Hinweis auf ein ernstgemeintes Nachhaltigkeitsengagement gewertet werden kann – so sollte die Kommunikationsfunktion trotzdem nicht unterschätzt werden. Kommunikationsexperten können – im Sinne Severins (vgl. 2005, 74) – maßgeblich zur „corporate readiness“ für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung beitragen. Eine enge Zusammenarbeit des Nachhaltigkeitsbeauftragten mit den Verantwortlichen für interne und externe Kommunikation ist deshalb anzuraten. 3.4.5.2 Mesoebene Auf der Mesoebene (Stakeholder Ebene) seien nun einige Gruppen und Organisationen herausgegriffen, die – quasi von außen – Einfluss darauf haben
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können, ob sich ein Unternehmen mit Nachhaltigkeitsthemen auseinandersetzt und darüber auch kommuniziert. Konkret beschäftigen wir uns mit den folgenden Stakeholdergruppen: Konsumenten bzw. Kunden, Wettbewerber, Wirtschafts- bzw. Branchenverbände, Interessensverbände, Abnehmer und Investoren. Kommunikationsverantwortliche sollten ein stetig wachsames Auge darauf haben, welche (sich verändernden) Erwartungen diese Gruppen an das Unternehmen selbst sowie an die Inhalte und Form der Nachhaltigkeitskommunikation stellen. (1) Konsumenten und Kunden Immer mehr Konsumenten und Kunden erwarten sich nachhaltigkeitsorientiertes Unternehmenshandeln und sozial bzw. ökologisch verträgliche Produkte. Auch wenn die Konsumenten und Kunden – wie Kapitel 2.7.4 gezeigt hat – diese Aspekte nicht unbedingt in ihren Kaufentscheidungen berücksichtigen, so betrachtet doch eine steigende Anzahl von Unternehmen ein „Nachhaltigkeitsimage“ offenbar als Wettbewerbs-, und Verkaufsvorteil. Dies erklärt auch die zahlreichen Werbeeinschaltungen, die sich momentan mit Themen wie Umweltschutz, Klimaschutz, Armutsbekämpfung oder ähnlichem beschäftigen. Treibende Kräfte für verstärkte Nachhaltigkeitskommunikation sind Konsumenten und Kunden auch deshalb, weil sie in einer globalisierten Welt an Macht gewonnen haben. Über das Internet können sie innerhalb kürzester Zeit Produktboykotte oder Boykotte ganzer Marken organisieren. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit war der länderübergreifende Boykott von Coca Cola im Jahr 2006 (vgl. Grieshaber 2006). Zu dieser Zeit hatten Medien über Umweltschäden (Pestizidverseuchungen, sinkende Grundwasserspiegel, Wasserarmut) berichtet, die der Konzern in Indien angerichtet haben soll. Außerdem war – zuerst auf den Homepages von Aktivistengruppen, dann in den Massenmedien – von einer Ausbeutung von Arbeitern in Abfüllanlagen von Coca Cola in Kolumbien die Rede. Es tauchten Gerüchte über Dumpinglöhne auf, zudem sei Coca Cola sogar an der Ermordung von sieben Gewerkschaftsführern in Kolumbien beteiligt gewesen. Diese Gerüchte – eine Sprecherin von Coca Cola bezeichnete die Vorwürfe als falsch – veranlassten US-amerikanische Studentengruppen dazu, einen Markenboykott zu initiieren. Zehn Universitäten legten in der Folge millionenschwere Verträge mit Coca Cola auf Eis, die Colaautomaten an den Universitäten blieben wochenlang leer. Jedoch zog die Coca-Cola-Krise rasch noch weitere Kreise: Eine amerikanische Aktivistengruppe rief die Kampagne „Stop Killer Coke“ (www.killercoke.org) ins Leben. Daraufhin riefen in mehreren Ländern Gewerkschaften und Aktivistengruppen ebenfalls zum Boykott auf, etwa in Australien, Kanada,
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Italien, England und Deutschland (vgl. Brodzinsky 2006). Rund um die FußballWeltmeisterschaften in Deutschland kam es zum Beispiel in Mönchengladbach zu Protesten. An der Universität Bristol in Großbritannien machten Studenten ebenfalls medienwirksam auf die angeblichen Morde in Kolumbien aufmerksam. Über die Auswirkungen dieser Aktionen sagte Coca-Cola-Sprecherin Kari Bjorhus in einer Stellungnahme gegenüber dem deutschen Magazin Spiegel (Grieshaber 2006), der eigentliche Umsatzverlust sei gering, das größere Problem sei der Verlust des Ansehens. (2) Wettbewerber Auch Wettbewerber können das Nachhaltigkeitsengagement bzw. die Nachhaltigkeitskommunikation eines Unternehmens vorantreiben. Wenn sich ein Konkurrenzbetrieb öffentlichkeitswirksam mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt und zum Beispiel einen Nachhaltigkeitsbericht herausgibt, kann das dazu beitragen, dass auch andere Unternehmen der Branche nachziehen. Die steigende Zahl der publizierten Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Berichte (vgl. Kapitel 5.5.1) eröffnet außerdem Möglichkeiten für das Benchmarking. Wettbewerber aus der gleichen Branche und mit vergleichbarer Größe können nun ihre Performance im finanziellen, ökologischen und sozialen Bereich miteinander vergleichen. Bisher waren ökologische und soziale Kennzahlen kaum vorhanden bzw. wurden nicht veröffentlicht. Initiativen wie jene der Global Reporting Initiative (GRI 2009) tragen weiter dazu bei, dass die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen immer besser vergleichbar wird (vgl. Kapitel 5.5.2.2). (3) Wirtschafts- und Branchenverbände Auch Wirtschafts- und Branchenverbände werden verstärkt zu einer treibenden Kraft für unternehmerische Nachhaltigkeitsorientierung. In manchen Branchen – vor allem des „High Risk-High Impact“-Bereichs – haben Wirtschaftsverbände bereits eigene Verhaltensrichtlinien und freiwillige Verpflichtungen für sozial und ökologisch verantwortliches Handeln herausgegeben. Beispiele für solche freiwilligen Selbstverpflichtungen auf internationaler Ebene) sind etwa der „internationale Verhaltenskodex der Wasserversorger“ (vgl. Internationale der Öffentlichen Dienste 2007), die „Cement Sustainability Initiative“ der Zementindustrie (vgl. WBCSD 2005) oder der „internationale Verhaltenskodex für die sozial- und umweltverträgliche Produktion von Schnittblumen“ (vgl. International Union of Food, Agricultural, Hotel, Restaurant, Catering, Tobacco and Allied Workers Associations IUF o.A.).
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Die Schnittblumenerzeuger etwa verpflichten sich im Rahmen des Kodices u.a. auf die unten angeführten Punkte. Ein unabhängiges Gremium (bestehend aus NGO-Mitgliedern, Gewerkschaften, Mitarbeitern etc.) soll in den jeweiligen Unternehmen die Einhaltung des Kodices überwachen bzw. gegebenenfalls Fortschritte dokumentieren:
Gleichbehandlung: Alle Mitarbeiter haben gleichen Zugang zu Arbeitsplätzen und Fortbildung, ungeachtet ihres Geschlechts, Alters, ihrer ethnischen Herkunft, Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung, politischen Meinung, religiösen oder sozialen Herkunft. Existenzsichernde Löhne: Löhne und Leistungen, die für die übliche Arbeitswoche gezahlt werden, erfüllen mindestens gesetzlich vorgeschriebene oder industriell übliche Mindeststandards. Gesundheit und Sicherheit: Es soll für ein sicheres und hygienisches Arbeitsumfeld gesorgt werden. Die Unternehmen stellen kostenlos angemessene Schutzkleidung und -ausrüstung bereit; international anerkannte Gesundheits- und Sicherheitsstandards werden eingehalten. Pestizide und Chemikalien: Jedes Unternehmen soll die Risiken des Chemikaliengebrauchs abschätzen und Maßnahmen ergreifen, um jedwede Gesundheitsschädigung der Beschäftigten zu verhindern. Die Unternehmen reduzieren den Pestizid- und Düngereinsatz durch zweckmäßige Techniken und Methoden und erfassen dies schriftlich. Verbotene, hochgiftige (WHO Klasse I) oder krebserregende Pestizide und Chemikalien werden nicht verwendet. Umweltschutz: Die Betriebe unternehmen jede Anstrengung, die Umwelt und die Siedlungsgebiete zu schützen, Verschmutzungen zu vermeiden und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen (Wasser, Boden, Luft, etc.) durchzusetzen. Kinderarbeit: Kinder werden nicht beschäftigt. Arbeiter unter 15 Jahren oder unter dem höheren obligatorischen Mindest-Schulabschlussalter dürfen nicht eingestellt werden.
(4) Interessensverbände Neben Branchenverbänden haben auch branchenübergreifende wirtschaftliche Interessensverbände Einfluss auf die Rahmenbedingungen, in denen sich Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation abspielen. Die größte Unternehmensplattform ist in diesem Zusammenhang das “World Business Council for Sustainable Development” (WBCSD). Weltweit gehören rund
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200 Konzerne aus 35 Ländern diesem Unternehmensverband an. Als seine Kernaufgabe hält der Verband in seinem „Mission Statement“ fest: “Our mission is to provide business leadership as a catalyst for change toward sustainable development, and to support the business license to operate, innovate and grow in a world increasingly shaped by sustainable development issues.”
Das WBCSD versteht sich als Plattform, die Unternehmen helfen soll, Wissen, Erfahrungen und „Best Practice“-Beispiele auszutauschen. Außerdem übernimmt der Verband Lobbyingaufgaben im Sinne einer wirtschaftlichen Mitbestimmung bei nachhaltigkeitsrelevanten Gesetzen. Zusammenfassend definiert das WBCSD seine Aufgaben folgendermaßen: “The Council’s objectives are to:
Be a leading business advocate on sustainable development; Participate in policy development to create the right framework conditions for business to make an effective contribution to sustainable human progress; Develop and promote the business case for sustainable development; Demonstrate the business contribution to sustainable development solutions and share leading edge practices among members; Contribute to a sustainable future for developing nations and nations in transition.”
Das „World Business Council on Sustainable Development“ stützt sich auf 55 nationale und regionale Interessensverbände. Einer davon ist die österreichische Unternehmensplattform respACT (vgl. respACT 2008). Der Verein mit seinen derzeit rund 120 Mitgliedern entstand im Oktober 2007 aus der Zusammenführung der beiden Organisationen Austrian Business Council for Sustainable Development (ABCSD) und respACT austria. Er sieht seine Aufgabe darin, die Mitgliedsunternehmen dabei zu unterstützen, ökologische und soziale Ziele ökonomisch und eigenverantwortlich zu erreichen. (5) Abnehmer Für einige Unternehmen im „Business-to-Business“-Bereich werden die Rahmenbedingungen auch von ihren Abnehmern mitbestimmt. So werden Lieferanten von ihren Abnehmern oftmals dazu angehalten, selbst im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement aktiv zu werden. Die Abnehmer können von ihren Zu-
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lieferern sogar einen Nachweis darüber verlangen, inwiefern diese ethische, soziale und ökologische Standards einhalten. Ein Beispiel dafür liefert die englische Supermarktkette Tesco: Das Unternehmen erarbeitete eigene Nachhaltigkeitsrichtlinien, welche die verschiedenen Zulieferbetriebe einhalten müssen. Darüber hinaus versuchte Tesco, in einen Dialog mit seinen Lieferanten zu treten, um gemeinsam nachhaltigere Lösungen (z.B. im Bereich Transport, Kühlung, Entsorgung etc.) zu erarbeiten. Außerdem rief Tesco sogenannte “supply chain masterclasses” ins Leben. In diesen Kursen werden Landwirte u.a. darin ausgebildet, wie sie Bio-Produkte besser vermarkten können (Grey 2004, 34). (6) Investoren Druck für verstärkte Nachhaltigkeitsorientierung kommt auch von manchen Investoren (vgl. Kapitel 2.7.1). Daher finden soziale und ökologische Themen auch im Rahmen der Investor Relations verstärkt Eingang. So weist etwa Bayer (vgl. Bayer 2007) in seinem Aktionärsbrief des 3. Quartals 2007 explizit auf seine Nachhaltigkeitsleistungen hin. Unter anderem heißt es, Bayer sei als einzigem deutschen Unternehmen der Chemieindustrie vom weltweiten „Climate Disclosure Leadership Index“ das Prädikat „Best in Class“ verliehen worden. Unabhängige Gutachter hätten Bayer „als international führendes Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Als weiteres Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum sei die Otto Versand- und Handelsgruppe genannt. Im Rahmen der Bilanzpressekonferenz 2006/2007 sprach sich der damalige Vorstandsvorsitzende, Michael Otto, ausdrücklich gegen eine kurzfristige Ausrichtung seines Familienunternehmens am Shareholder Value aus. Er sagte in seiner Rede wörtlich: „Das Fundament schließlich, auf dem unsere erfolgreiche Geschäftsentwicklung basiert, ist die Nachhaltigkeit. Sie bestimmt unser wirtschaftliches Tun und Handeln seit Jahrzehnten. Ich bin fest davon überzeugt, dass nur ein verantwortungsvoller Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen einen Unternehmenserfolg langfristig sichern kann. Wir haben als Familienunternehmen immer Wert darauf gelegt, den langfristigen vor den kurzfristigen Erfolg zu stellen“ (Otto 2007).
3.4.5.3 Makroebene Auf der Makroebene sind es vor allem gesellschaftliche Institutionen (NGOs, Bildungseinrichtungen, Aktivistengruppen), der Staat und die Medien, die das unternehmerische Nachhaltigkeitsengagement bzw. Inhalt und Form der Kommunikation prägen.
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Gesellschaftliche Institutionen können von den Unternehmen als Partner oder Feind betrachtet werden. Ein partnerschaftliches Verhältnis steht im Rahmen des „Public Case“ und zum Teil auch im Rahmen des „Business Case“ im Vordergrund. Gesellschaftlich orientierte Unternehmen und imagebedachte Unternehmen unterstützen die Initiativen von NGOs, lokalen Communities, Umweltgruppen oder Ausbildungsinstitutionen eher als diese zu bekämpfen. Kooperationen und Dialog stehen im Vordergrund. Unternehmen aber, die in erster Linie eine kurzfristige Umsatzsteigerung vor Augen haben, werden gesellschaftliche Gruppen wie NGOs, Konsumentenschützer oder sogar Wissenschafter eher als lästig oder sogar als Feinde betrachten, die ihre Wirtschaftlichkeit bremsen, ihre Handlungsfähigkeit einschränken oder den Mitarbeitern schlicht und einfach Zeit stehlen. Als Feind betrachten manche Unternehmen auch den Gesetzgeber, dann nämlich, wenn dieser eine strengere Gesetzgebung in Bereichen wie Ökologie, Soziales oder Berichterstattung anstrebt. In einigen Ländern hat der Staat schon begonnen, Unternehmen per Gesetz zur Rechenschaftslegung über soziale und Umweltaspekte zu verpflichten (vgl. Kapitel 5.5.2.3). In Europa zeigt sich diese Entwicklung spätestens seit dem Jahr 2003 mit dem Inkrafttreten der EUModernisierungsrichtlinie für Jahres- und Konzernabschlüsse (vgl. Brom/ Frey/Jasch 2008). Ähnliche Schritte wie in Europa wurden bereits in den USA, in Südafrika und in Australien gesetzt (vgl. Meisling 2004). Elkington/ Kuszewski/Robinson (vgl. 2004, 9) gehen davon aus, dass die Gesetzgebung im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung in den kommenden Jahren noch verschärft wird. Auch die Medien können als treibende Kraft für unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation betrachtet werden. Inhaltsanalysen haben zwar ergeben, dass in Breitenmedien die Berichterstattung über unternehmerische Nachhaltigkeit noch relativ gering ist (vgl. Schwender/Schulz/Kreeb 2008). Zurückzuführen ist das vermutlich darauf, dass einige Nachhaltigkeitsthemen zu kompliziert und zu komplex sind (vgl. Kapitel 3.4.7.1), um in tagesaktuellen Medien Berücksichtigung zu finden (vgl. Dernbach 2005). Magazine und „Special Interest“-Medien hingegen stellen an Unternehmen immer häufiger Anfragen, die sich um Nachhaltigkeitsfragen drehen. Als Beispiele sind etwa die österreichischen Magazine Profil und Trend zu nennen. Das Nachrichtenmagazin Profil widmete im Mai 2006 unter dem Titel „Gewissens-Prüfung“ dem Thema „Corporate Social Responsibility“ eine Extra-Beilage. Das Wirtschaftsmagazin „Trend“ widmete sich dem Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeit in seiner dritten Ausgabe im Jahr 2008 und titelte „Der große Trend Test: Das böse Geschäft mit dem guten Gewissen“. Auch die renommierte englische „Business Week“ brachte unter dem Titel „Beyond the green corporation“ 2007 bereits eine
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Aufmacher-Geschichte, und die deutsche Ausgabe des „Harvard Business Manager“ beschäftigte sich im Jänner 2007 ebenfalls in einer Titelgeschichte mit der Frage, „wie sich soziales Engagement für Unternehmen auszahlt“. 3.4.5.4 Zusammenhang zwischen Kontexten auf Mikro-, Meso- und Makroebene: Ein Zwiebelmodell Einmal mehr bietet es sich an, zur Veranschaulichung der drei Kontextebenen die bereits vorgestellte Zwiebelmetapher zu verwenden. Diesmal repräsentieren die Schichten der Zwiebel die drei kontextuellen Ebenen, in denen Nachhaltigkeitskommunikation eingebettet ist. Die immer größer werdenden Zwiebelschichten verdeutlichen, dass die Kontexte immer komplexer werden. Das Unternehmen sollte im Rahmen seines Nachhaltigkeitsmanagements und im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur interne Rahmenbedingungen (Mikroebene) beachten, sondern auch den „Blick über den Tellerrand“ wagen. Einzelne Stakeholdergruppen (auf Mesoebene) sowie gesellschaftliche Institutionen, Medien und Staat (auf Makroebene) prägen nämlich quasi die „Landschaft“, in der sich Nachhaltigkeitskommunikation abspielt. Die gestrichelten Linien des Modells sollen wieder darauf hinweisen, dass die einzelnen „Schichten“ nicht streng voneinander zu Abbildung 37: Zwiebelmodell der trennen sind und die Ebenen wechselKontexte der Nachhaltigkeitsseitigen Einfluss aufeinander haben könkommunikation nen. (eigene Darstellung)
3.4.6 Grenzen der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, wie facettenreich die Ziele sind, die mit unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation angestrebt werden können. Jedoch darf dabei nicht übersehen werden: Nachhaltigkeitskommunikation ist natürlich kein Allheilmittel für die sozialen und ökologischen Probleme des 21. Jahrhunderts. Michelsen/Godemann (2005, 20) bringen es auf den Punkt: „Nachhaltigkeitskommunikation kann politische und persönliche Entschei-
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dungen und Handlungsoptionen nicht ersetzen, sie kann diese aber begleiten und unterstützen.“ Aber auch die von Michelsen/Godemann angesprochene Funktion als „Begleiter“ und „Unterstützer“ einer Unternehmens- bzw. Gesellschaftsentwicklung in Richtung Nachhaltigkeit hat Grenzen. Schwierigkeiten können sich ergeben durch unternehmensinterne Zielkonflikte, Ressourcenknappheit oder schlicht und einfach durch das Fehlen einer unternehmerischen Nachhaltigkeitsstrategie. Dies bewegt Severin (2005, 70) zu der Aussage: „Das größte Handicap, dem sich Unternehmen weltweit in der Nachhaltigkeitskommunikation ausgesetzt sehen, ist die unzureichende strategische Klärung.“ Vor allem Klein- und Mittelbetriebe kommunizieren noch kaum über ihre Schritte in Richtung Sozial- und Umweltverträglichkeit (vgl. Schönborn/Steinert 2001, III f; Burchell/Athwal 2005, 9; Media Tenor 2006). So ergab etwa eine Studie von Media Tenor (2006), dass deutsche KMU die Themen soziale Verantwortung, ethische Richtlinien in der Personalführung und im Umgang mit Stakeholdern, umweltfreundliche Produkte und Produktionsprozesse sowie Managergehälter nicht proaktiv in ihrer Kommunikation aufgreifen. Die Gründe für das oftmalige Schweigen über Nachhaltigkeitsaktivitäten sind vielfältig. Ich gehe davon aus, dass unter anderem personell-qualifikatorische Ursachen, Konkurrenzdenken, Angst vor Negativmeldungen, inhaltliche Barrieren, unprofessionelle Medienarbeit und fehlende Dialogbereitschaft dafür verantwortlich sind. Diese Ursachen werden nun kurz erörtert. Für das unternehmerische Nachhaltigkeitsmanagement sind in der Regel Experten aus den Bereichen Umwelt, Personalwesen oder Qualitätsmanagement federführend verantwortlich. Bei diesen technisch versierten Experten fehlt es aber häufig an Wissen um die Bedeutung und Gestaltung von Kommunikationsprozessen. Umgekehrt mangelt es Kommunikationsexperten oft an Wissen über konkrete technische Aspekte des Nachhaltigkeitsmanagements. Inwieweit zum Beispiel eine konkrete Produktionsverfahrens-Umstellung nachhaltigkeitsrelevante Implikationen hat, kann der Kommunikationsexperte meist nicht auf den ersten Blick erkennen, sondern es bedarf der Erklärung durch Experten. Hier äußern sich also personell-qualifikatorische Schwierigkeiten. Ein weiterer Grund für das oftmalige „Schweigen“ zu sozialen oder ökologischen Themen ist die Angst vor Negativmeldungen. Es wird befürchtet, dass durch Kommunikation bisherige Missstände aufgedeckt werden könnten. Die Medien könnten sich auf die verbesserungswürdigen Aspekte stürzen (nach dem Motto „bad news are good news“) und positive Veränderungen eher unter den Tisch kehren. Aus Konkurrenzgründen sehen Unternehmen oftmals davon ab, über nachhaltigkeitsorientierte Innovationen öffentlich zu kommunizieren. Es herrscht
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teilweise die Ansicht, neue Ideen sollten nicht zu früh bekannt werden und Wettbewerbern in die Hände fallen. Wenn sich das Unternehmen aber doch dazu entschließt, Informationen über Innovationen nach außen zu kommunizieren, so ist das kein leichtes Unterfangen, wie die Forschung zur Innovationskommunikation zeigt (vgl. Zerfaß 2004; 2006). Denn Innovationen sind häufig abstrakt, komplex und bedürfen neuer Denkmuster. Solche inhaltlichen Barrieren wiederum können dazu führen, dass Breitenmedien Innovationsthemen gar nicht erst aufgreifen. Langbein (2004) nennt noch einen weiteren Aspekt, warum gerade kleinere und mittelständische Firmen wenig über ihre Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit kommunizieren, und zwar unprofessionelle oder schlichtweg nicht existierende Medienarbeit. Gerade kleinere Betriebe seien oft mit dem ABC der Medienarbeit nicht vertraut. Auch Zielgruppen können der Nachhaltigkeitskommunikation einen „Strich durch die Rechnung“ machen. So kann es durchaus passieren, dass externe Zielgruppen gar nicht in einen Dialog über Nachhaltigkeitsthemen mit dem Unternehmen treten wollen. NGOs bzw. Pressure Groups wollen womöglich gar nicht über ein konkretes Thema diskutieren, etwa aus Angst, sie könnten von den Anliegen des Unternehmens einvernommen werden und ihre Glaubwürdigkeit oder gar ihre Daseinsberechtigung verlieren. Diese Ausführungen zu den Grenzen der Nachhaltigkeitskommunikation machen bereits deutlich, dass das Aufgabenfeld mit einigen, spezifischen Herausforderungen verbunden ist.
3.4.7 Nachhaltigkeitskommunikation als Herausforderung: Hürden in der Praxis der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation Wie in Kapitel 3.4.5.1 bereits angedeutet, bedarf es äußerst professioneller Kommunikationsarbeit und großer Unterstützung seitens des Top-Managements, damit Kommunikation über Nachhaltigkeit auch zu einer nachhaltigeren Unternehmens- und Gesellschaftsentwicklung beitragen kann. Karmasin bringt die möglichen Schwierigkeiten und Stolpersteine auf den Punkt: „Kommunikation über Nachhaltigkeit ist eine Herausforderung für die Kommunikation, denn sie muss mit Widerständen rechnen. Sie muss mit Unvernunft und Voreingenommenheit rechnen. [...] Nachhaltigkeit ist deshalb auch ein Kommunikationsproblem“ (Karmasin 2002).
Die Kommunikation von Nachhaltigkeit wird durch verschiedene Faktoren erschwert. Ich möchte solche Schwierigkeiten in einem positiven Sinne als Heraus-
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forderungen für die Kommunikationspraxis betrachten und schlage vor, diese Herausforderungen in vier Bereiche zu unterteilen:
Herausforderungen durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts, Herausforderungen durch unternehmensinterne Hemmnisse, Herausforderungen durch das Anspruchsniveau der Kommunikationsziele, Herausforderungen durch Glaubwürdigkeitsprobleme.
3.4.7.1 Herausforderungen durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts Geringer Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs Der Begriff „Nachhaltigkeit“ macht es Kommunikationspraktikern nicht einfach. Sie stehen vor dem Dilemma, über ein Thema zu kommunizieren, das im allgemeinen Sprachgebrauch wenig oder ungünstig verankert ist. So vieles wird heute als „nachhaltig“ bezeichnet, dass der Begriff für einen Großteil der Bevölkerung zu einer reinen „Worthülse“ verkommen ist, zu einem inflationär verwendeten Ausdruck, der angewandt wird, „für alles, was uns edel, hilfreich und gut erscheint“ (Renn 2001b, 240). Die eigentliche Idee der nachhaltigen Entwicklung, nämlich das Drei-Säulen-Modell in Verbindung mit inter- sowie intragenerationeller Gerechtigkeit (vgl. Kapitel 2.2.1), verbinden nur wenige Menschen mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“: „[Es] scheint bisher nicht gelungen zu sein, das Thema ,Nachhaltigkeit’ der Mehrheit der Bevölkerung nahe zu bringen. [...] Tatsächlich wissen wir aus seriösen Umfragen, dass etwa 95 Prozent der Weltbevölkerung den Begriff ,Sustainable Development’ schlichtweg nicht kennen und auch nie etwas vom Prinzip der Nachhaltigkeit gehört haben“ (Brickwedde 2003, II).
Im deutschsprachigen Raum scheint die Situation zwar Studien zufolge etwas besser zu sein, noch immer haben Kommunikationsverantwortliche aber mit einem geringen Bekanntheitsgrad des Leitbildes zu kämpfen. Die repräsentative, in regelmäßigen Zeitabständen wiederholte Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland“, im Rahmen derer Erwachsene zu ihren Umwelteinstellungen, Umweltverhalten, Wahrnehmung von Umweltbelastungen, Informationsverhalten, persönlichen Werten, Zahlungsbereitschaft für einen verbesserten Umweltschutz etc. befragt wurden, zeigt folgende Entwicklung (vgl. Grunenberg/ Kuckartz 2003): Auf die Frage, ob sie von dem Begriff der nachhaltigen Entwicklung schon gehört hätten, antworteten im Jahr 1998 15 Prozent der Deutschen mit „Ja“, im Jahr 2002 waren es 28 Prozent, im Jahr 2004 waren es 22
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Prozent. Der Bekanntheitsgrad hängt dabei stark vom Bildungsgrad der Menschen ab: Je höher der Bildungsgrad, desto bekannter ist auch der Begriff Nachhaltigkeit (vgl. Grunenberg/Kuckartz 2005, 203). 40 Prozent der Befragten mit Fachhochschulreife, Abitur oder Hochschulabschluss haben von dem Begriff gehört, aber nur 9 Prozent der Befragten mit Hauptschul-/Volkschulabschluss, Polytechnikum oder ohne Abschluss. Ein positiveres Bild zeigte sich im Rahmen der Studie „Umweltbewusstsein in Deutschland“, was die Resonanzfähigkeit des Nachhaltigkeitsleitbildes betrifft. So stimmten beispielsweise 51 Prozent „voll und ganz zu“, und 39 Prozent „weitgehend zu“, dass Gerechtigkeit zwischen den Generationen bestehen sollte und wir nicht auf Kosten nachkommender Generationen leben sollten. 43 Prozent stimmten voll und ganz, 40 Prozent weitgehend zu, dass wir nicht mehr Ressourcen verbrauchen sollten, als nachwachsen können. Die Mehrheit der Befragten glaubt, dass die Grenzen des Wachstums erreicht sind, und eine Umweltkatastrophe unausweichlich sei. Die Umweltqualität weltweit wird nur von einem Prozent der Befragten mit sehr gut beurteilt, von 15 Prozent mit recht gut, von 66 Prozent mit eher schlecht und von 18 Prozent mit sehr schlecht. Aufgrund der hohen Zustimmung zu Grundprinzipien der Nachhaltigkeit kann vermutet werden, dass in der Gesellschaft grundsätzlich ein guter Resonanzboden für eine Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzeptes vorhanden ist (vgl. Grunenberg/Kuckartz 2005, 195 ff). Der niedrige Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs, sein Facettenreichtum und seine Komplexität lassen es aber in vielen kommunikativen Situationen sinnvoll erscheinen, den Begriff der Nachhaltigkeit als solchen wegzulassen, ihn zu umschreiben oder stattdessen konkrete Beispiele zu bringen. „Unscheinbarkeit“ und Abstraktheit der Probleme Der Großteil der Problemfelder, die unter den Begriff der Nachhaltigkeit fallen, ist von der Bevölkerung in den Industrieländern heute erschwert wahrnehmbar: Umweltprobleme wie Klimawandel, Trinkwasserknappheit oder Reduktion der Biosphäre spielen sich im globalen Raum ab. Sie sind zumeist nicht mehr „vor der Haustüre“ zu erkennen, wie es in den 1970er Jahren noch der Fall war, als Industrieabgase bedrohliche graue Wolken gebildet hatten und in manchen Gegenden übel riechender Schaum auf Flüssen getrieben war. Dasselbe gilt für soziale Probleme. Armut, Hunger oder Landflucht spielen sich in den reichen Ländern ebenfalls oft verdeckt ab oder sind von räumlicher Distanz gekennzeichnet (vgl. Mast/Fiedler 2005, 569). So sind die Schwierigkeiten in der Dritten Welt genauso weit weg und schwer vorstellbar wie mögliche Probleme zukünftiger Generationen (vgl. Fichter 1998, 46).
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Ökologische und soziale Probleme haben also einen neuen Charakter, eine „neue Qualität“, angenommen: „Obwohl sie insgesamt eher größer und brisanter geworden sind, sind sie in der Regel alles andere als augenfällig“ (Summerer 2001, 37), meist praktisch unsichtbar. Schadstoffe in der Nahrung oder die Zerstörung der Ozonschicht lassen sich nur über die wissenschaftliche Erforschung „wahrnehmen“, dem Menschen fehlen dafür schlichtweg die Sinnesorgane (vgl. Kruse 2005, 112). Die hohe Komplexität der Problemlagen, zeitlich und räumlich verzögerte Auswirkungen von Handlungsweisen – das alles stellt außerdem für manche Menschen eine kognitive Überforderung dar (vgl. Kruse 2005, 112). Dazu sorgen auch noch die oft unterschiedlichen Expertenmeinungen für Verwirrung. Man denke nur an den Expertenstreit über die globalen Folgen der Klimaerwärmung oder an die Expertendiskussionen darüber, wie lange die Ölreserven noch reichen. In der Literatur wird an mehreren Stellen betont, dass gerade der Kommunikation eine wichtige Rolle bei der gesellschaftlichen Vermittlung von „unscheinbaren“ bzw. abstrakten Umwelt- und Sozialproblemen zukommt. So sagt Summerer (2001, 41): „Sie [erg. Kommunikation] allein kann die große raum/zeitliche Distanz zwischen Ursache und Wirkung überbrücken und für Adressaten die Verknüpfung eines bestimmten Handelns mit einer bestimmten Umweltveränderung wahrnehmbar machen. Nachdem die Umweltprobleme in ihrer Mehrzahl nicht mehr individuell erlebbar sind, bedürfen sie der medialen Vermittlung.“
Komplexität von Nachhaltigkeitsthemen Vermittlungsschwierigkeiten ergeben sich für die Nachhaltigkeitskommunikation auch dadurch, dass Nachhaltigkeitsthemen in der Regel vielschichtig und komplex sind. Einerseits gilt es, die drei Themenbereiche Umwelt, Soziales und Ökonomie mitsamt ihren Wechselwirkungen darzustellen. Andererseits kann dies für konkrete Themen (man bedenke nur die derzeitige Diskussion über Vorund Nachteile von Biosprit) derart kompliziert sein, dass Stakeholder verwirrt werden und ihre Aufmerksamkeit oder ihr Interesse schwindet. Die Gratwanderung zwischen zu hoher und zu niedriger Komplexität trifft die Nachhaltigkeitskommunikation besonders im Rahmen der Innovationskommunikation. Nachhaltigkeitsrelevante Innovationen basieren fast immer auf komplexen Ideen oder Neuerungen und zielen manchmal sogar auf die Veränderung ganzer Lebensformen ab (man denke beispielsweise an die Erfindung des „denkenden Kühlschranks“, der Konsumenten das Einkaufen erspart und automatisch nur so viele Waren bestellt wie wirklich nötig). Bei der Vermittlung solcher Innovationen steht der Kommunikationsverantwortliche vor dem Prob-
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lem, dass es Stakeholdern an Vorwissen mangelt, um das Wesen der Neuerung zu verstehen. Auch Anwendungsbeispiele sind oft schwer zu geben, weil es sich eben um völlig Neues handelt (vgl. Zerfaß 2004, 21). Versucht man diesem Dilemma zu entkommen, indem konkrete Themen möglichst vereinfacht darstellt werden, so kann auch das wieder zu Problemen führen. Für Laien kann es zu scheinbaren Widersprüchen kommen, oder Medien stellen die Informationen so verknappt dar, dass die eigentliche Aussage verloren geht. Ein „ausgewogenes Maß an zu hoher und zu niedriger Komplexität“ (Michelsen 2002, 38) stellt also gerade in der Nachhaltigkeitskommunikation eine große Herausforderung dar. Hohes Konfliktpotenzial Interne wie auch externe Nachhaltigkeitskommunikation beschäftigt sich oftmals mit konfliktträchtigen Themen (vgl. Fichter 1998, 278 f). Unternehmensintern ist der Nachhaltigkeitsprozess häufig mit Veränderungen verbunden, die wiederum bei den Mitarbeitern unterschiedliche Meinungen und auch Ängste hervorrufen können. „Neuartige Situationen werden von vielen als gefährlich oder beängstigend erlebt, weil individuelle Erfahrungen und entsprechende Schemata zur Verarbeitung und zum Umgang etwa mit neuen Produkten und Dienstleistungen fehlen. Gefahren werden in den Vordergrund gerückt, die wiederum Angst erzeugen“ (Zerfaß 2004, 20).
Unternehmensintern können auch Zielkonflikte über nachhaltigkeitsrelevante Themen ausbrechen, denn ein „Grundkonsens über die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens kann nicht vorausgesetzt werden“ (Karmasin 2002). Die Entscheidung etwa über die Produktionsverlagerung eines Betriebs in ein Land mit niedrigen Lohnkosten ist eine vielschichtige Angelegenheit, bei der unterschiedliche Interessen ins Spiel kommen. Eine Kostenreduktion bedeutet aus Sicht der Geschäftsführung höhere Gewinne für die Kapitalgeber und mitunter niedrigere Produktpreise für Konsumenten. Demgegenüber sehen Betriebsräte oder Qualitätsmanager vielleicht die Gefahr, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen oder dass in dem Billiglohnland nur mehr geringere Sozial- und Umweltstandards gelten (vgl. Mast/Fiedler 2005, 568). Unternehmensextern liegt ein Grund für die hohe Konfliktträchtigkeit von Nachhaltigkeitsthemen in der unterschiedlichen Betroffenheit einzelner gesellschaftlicher Gruppen und Akteure bzw. – in den Worten Siegerts (vgl. 1996, 78) – in der „Koexistenz von Ansichten“. Bürger, die beispielsweise nahe bei Chemieanlagen wohnen, fühlen sich stärker vom unternehmerischen Handeln betroffen als an. Sie setzen vermutlich auch andere Prioritäten als beispielsweise
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Investoren, die auf kurzfristige Gewinne abzielen. Solche unterschiedlichen Ansichten zu konkreten Nachhaltigkeitsthemen werden gerade im Rahmen der Public Relations deutlich, die ja eine „Boundary-Spanning-Funktion“ einnimmt und – im Gegensatz zu anderen Unternehmenssystemen – engeren Kontakt mit verschiedenen Anspruchgruppen pflegt. Hier kann es schon passieren, dass der Kommunikator selbst in einen Konflikt gerät: Soll er nun die für das Unternehmen vordergründigen Ziele wie Imageziele, Absatzziele oder Dialogziele in erster Linie zu erfüllen versuchen – oder soll er versuchen, konkrete Erwartungen der Zielgruppen zu erfüllen, zum Beispiel Transparenz oder ehrliche Kommunikation über Schwachstellen und Problemfragen? (vgl. Fichter 1998, 440). 3.4.7.2 Herausforderungen durch unternehmensinterne Hemmnisse Begründung der Nachhaltigkeitskommunikation gegenüber Management und Investoren Kommunikationsaufgaben, die keine unmittelbare Relevanz für die Bilanz aufweisen, haben es schwer, sich in Wirtschaftsunternehmen zu legitimieren. Unternehmen bemühen sich zwar zunehmend um die Integration sogenannter weicher Faktoren, trotzdem orientieren sie sich vorwiegend an Rentabilitätsgesichtspunkten. Bei Nachhaltigkeitskommunikation geht es zum Teil um durchaus kostenintensive Programme, Kampagnen und Aktivitäten. Deren Erfolg ist aber schwer direkt zu messen und drückt sich zumeist in weichen Faktoren wie Image, Glaubwürdigkeit etc. aus. Public Relations Praktiker sind daher gefordert, Argumente zu finden und Taten zu setzen, um die Legitimität von Nachhaltigkeitskommunikation zu unterstreichen. Zusammenarbeit mit anderen unternehmerischen Subsystemen Im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements ist es nötig, dass Experten verschiedener Unternehmenssysteme, wie Umweltmanagement, Personalwesen, Produktion, Qualitätsmanagement, Marketing und eben Public Relations zusammenarbeiten (vgl. Kelly 1997, 213). Einerseits sind die Kommunikationsverantwortlichen darauf angewiesen, verlässliche Daten zur Nachhaltigkeitsperformance aus den jeweiligen Abteilungen zu bekommen, damit sie diese aufbereiten und schließlich veröffentlichen können. Andererseits können Kommunikationsverantwortliche Informationen, die sie im Rahmen von Stakeholder Dialogen bzw. im Rahmen des Issues Managements gesammelt haben (z.B. Erwartungen von Zielgruppen), unternehmensintern weitergeben. Im besten Fall
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entsteht ein reger Austausch mit Stakeholdern bis hin zur gemeinsamen Entwicklung von Innovationen. Jedoch was sich auf dem Papier so leicht liest, führt in der Praxis oftmals zu Problemen. Gerade bei dem noch vergleichsweise jungen Thema der Nachhaltigkeit können Missverständnisse, Ressortdenken, Machtspiele oder langwierige Entscheidungsprozesse zu Stolpersteinen werden, wie Dunphy/Griffiths/Benn (2007, 95) beschreiben: “Too often, environmental managers and human resource managers move in different worlds from strategic business managers [such as communication managers]. The environmental manager is technically focused and often unaware of business objectives, except in the broadest sense. Similarily the human resource manager’s interest may be in training and other intra-organizational needs. As a result, […] integration is a key concept for both successful business and sustainability. It points to the need for cross-functional relationships and building of trust between areas of business that have previously been regarded by managers as only loosely connected.”
Sammeln nachhaltigkeitsrelevanter Informationen Praktiker aus verschiedenen österreichischen Unternehmen, die allesamt für Nachhaltigkeitsberichterstattung zuständig sind, schilderten mir im Laufe der Recherchen für diese Arbeit, wie mühsam der Prozess des Sammelns nachhaltigkeitsrelevanter Kennzahlen sein kann. Ein immer wiederkehrendes Dilemma ist, dass das Management manche Kennzahlen (z.B. CO2-Abgaben) oder Informationen (z.B. Informationen zu neuen Verfahren) aus Konkurrenzgründen nicht veröffentlicht sehen möchte. Schwierig ist das Sammeln von nachhaltigkeitsrelevanten Performance-Indikatoren auch deshalb, weil solche Daten typischerweise nur durch großen zeitlichen Aufwand zu erheben sind. Soziale Aspekte (wie Gleichberechtigung, Mitarbeiterzufriedenheit etc.) lassen sich am besten durch „weiche Indikatoren“ beschreiben. Diese müssen in manchen Unternehmen überhaupt erst definiert werden und sind nicht leicht zu messen. Für die Ermittlung ökologischer Daten bestehen immerhin in vielen Unternehmen standardisierte Indikatoren, die auf Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen beruhen. Jedoch nicht nur das Sammeln nachhaltigkeitsrelevanter Informationen stellt eine Herausforderung für den Kommunikationsverantwortlichen dar. Im Anschluss an das Sammeln müssen die Daten erst aufgearbeitet werden. Im Rahmen des Wissensmanagements werden die Daten in intern verfügbare Informationen umgewandelt. Für die Zwecke der Berichterstattung ist es dann nötig, die Daten auch noch zu erklären, sie zueinander in Beziehung zu stellen und finanzielle, soziale und ökologische Faktoren in vernetzter Form darzustellen.
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Hier stößt der Kommunikationsverantwortliche möglicherweise an die Grenzen seines Wissens (vgl. Kapitel 3.4.5.1), was wiederum die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen unterstreicht. Nachhaltigkeitskommunikation in multinationalen Unternehmen Nachhaltigkeitskommunikation findet häufig in multinationalen Unternehmen statt. Multinationale Unternehmen fühlen sich durch die globale Zivilgesellschaft verstärkt beobachtet, und gerade für sie erscheint das Leitbild der Nachhaltigkeit besonders relevant, da sie länderübergreifend agieren und eine tendenziell größere Menge an Ressourcen verbrauchen als KMUs. Für Kommunikatoren ergeben sich nun aber insofern Schwierigkeiten, als Nachhaltigkeitsfragen in unterschiedlichen Kulturen unterschiedlich wahrgenommen werden, wie die Mentalitäts- und Risikoforschung gezeigt hat (vgl. Michelsen 2005, 26). Die gesellschaftlichen Kontexte, in denen man lebt, scheinen Einfluss darauf zu nehmen, welche Risiken Menschen fürchten oder nicht fürchten. Das wiederum beeinflusst, wie Menschen mit ökologischen und sozialen Chancen bzw. Bedrohungen umgehen. In zukunftsorientierten Kulturen erfährt das Nachhaltigkeitskonzept vermutlich mehr Resonanz als in vergangenheitsorientierten Kulturen, in kollektivistischen Kulturen mehr als in individualistischen Kulturen (vgl. Hofstede 2001, 66), in von femininen Werten geprägten Kulturen mehr als in maskulinen Kulturen (vgl. Hofstede 2001, 115). Angesichts einer solchen Kulturrelativität der Wahrnehmung von Nachhaltigkeitsfragen steht die Nachhaltigkeitskommunikation vor mehreren Herausforderungen: Es gilt, die kulturellen Unterschiede im Bezug auf das Nachhaltigkeitskonzept erst einmal festzustellen und zu reflektieren. Sodann müssen die jeweils aktuellen „Nachhaltigkeitsprobleme“ eines Landes bzw. einer Region im Rahmen des Issues Managements identifiziert werden. Schließlich gilt es zu überdenken, ob eine standardisierte Form der Nachhaltigkeitskommunikation möglich und nutzenstiftend ist, oder ob nicht Zielgruppen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen differenziert angesprochen werden müssen. 3.4.7.3 Herausforderungen durch die Art der Kommunikationsziele Hohes Anspruchsniveau der Kommunikationsziele Wenn Unternehmen vom Marketing Case über den Business Case bis hin zum Public Case der Nachhaltigkeitskommunikation fortschreiten, dann werden die Kommunikationsziele immer anspruchsvoller. Zusätzlich zu Absatzzielen kommen Imageziele, Vertrauensziele und auf der höchsten Stufe auch gesellschaft-
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liche Ziele ins Spiel, die mit Einstellungs- und schließlich Verhaltensänderung einhergehen sollen. Um erfolgreich zu kommunizieren, müssen mehrere Schwellen überwunden werden. Wie das „Schwellenmodell der Umweltkommunikation“ des EcologInstituts (1999) verdeutlicht, stehen zwischen der Rezeption einer Botschaft und der tatsächlichen Umsetzung, sprich dem Verhalten, zumindest fünf Schwellen: Aufmerksamkeitsschwellen, Aufnahmeschwellen, Verstehensschwellen, Wissensschwellen und schließlich Anwendungsschwellen. Auch nach Signitzer (1996) zählt Verhaltensänderung zu den am schwierigsten zu erreichenden Zielen der Public Relations54. Oftmals ist es auf dieser Stufe notwendig, den Zielgruppen Mittel in die Hand zu geben („empowerment“), die ihnen helfen, ihr Verhalten zu ändern, bzw. ihnen das nötige Selbstbewusstsein („self-efficacy“) zu geben. Man erkennt allerdings rasch, dass hier Kommunikation an ihre Limits stößt, denn oftmals sind es nicht Kommunikationsprobleme, die gewünschtes Verhalten verhindern, sondern es fehlen die nötigen Voraussetzungen wie Infrastruktur, Ressourcen etc. Ein Beispiel: Energieerzeuger können im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation darauf hinweisen, wie wichtig Stromsparen und Energieeffizienz sind. Das Unternehmen kann eigene, einfach gestaltete Rechner zur Verfügung stellen, mit denen Konsumenten den Stromverbrauch ihres Hauses errechnen können. Es kann Tipps geben, mit welchen Maßnahmen Kunden Strom sparen können. Aber wenn die Kunden nicht die finanziellen Mittel aufbringen können, alte Energie fressende Geräte gegen modernere auszutauschen, wird sich an der Situation wenig ändern. Das Kommunikationsziel der Verhaltensveränderung ist auch deshalb äußerst schwierig zu erreichen, weil aus wissenschaftlicher Sicht bisher kein signifikanter Zusammenhang zwischen nachhaltigkeitsrelevantem Wissen und Handeln erkannt werden konnte. Aus einem bestehenden Nachhaltigkeitswissen bzw. -bewusstsein lasse sich nicht folgern, dass ein Individuum auch tatsächlich im Sinne der Nachhaltigkeit handle (vgl. Preisendörfer 1999; Wehrspaun 2001, 128; Grunenberg/Kuckartz 2005, 198ff). Neben dem Nachhaltigkeitsbewusstsein haben auch viele andere Faktoren, die durch Kommunikation nicht verändert werden können, Einfluss auf das Verhalten, zum Beispiel
soziodemografische Faktoren wie Alter, Bildung, Status, Einkommen; persönliche Befindlichkeiten wie Stress, finanzielle Situation, Wohnzufriedenheit, Mobilität oder Zukunftsangst;
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Signitzer (1996) unterscheidet folgende Public Relations Ziele (mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad): Kontakt, Informationsweitergabe, Genauigkeit der Erinnerung, Akzeptanz der Botschaft, Einstellungsbildung bzw. -veränderung und Verhaltensänderung.
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persönliche und gesellschaftliche Werte wie Arbeit/Freizeit, Fortschritt/ Wohlstand, Familie/Freunde, Gesundheit, Friede/Ordnung, Umwelt/Natur, Glaube/Religion, Mitsprache/Engagement (vgl. Billig 1995, 88).
Aufmerksamkeitsprobleme Für Nachhaltigkeitsthemen öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen, ist keine leichte Aufgabe. Mitverantwortlich dafür ist eine generelle Reizüberflutung, aber auch die Tatsache, dass für Nachhaltigkeitsfragen „die Zeit der ideologisch aufgeladenen Kämpfe vorbei ist“ (Ziemann 2005, 127). Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sieht sich zusehends einer „selbstverständlichen Wertschätzung“ gegenüber, was manche Nachhaltigkeitsforscher zu der ernüchternden Prognose verleitet: Je stärker Nachhaltigkeit thematisiert wird, desto weniger erzeugt das Thema Aufmerksamkeit (vgl. Ziemann 2005, 127). Auch für Karmasin (2002) steckt das Nachhaltigkeitskonzept in einer Krise der öffentlichen Aufmerksamkeit: „In Zeiten der Emergenz der Medien- und Informationsgesellschaft genügt es nicht mehr, einem Thema nur Öffentlichkeit zu verschaffen. Öffentlichkeit ist zwar nach wie vor conditio sine qua non für Aufmerksamkeit, aber eben nur notwendige, keinesfalls hinreichende Bedingung. Es geht um Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit bedeutet die spezifische Zuwendung zu einem Thema und eine bestimmte lebensweltliche Attraktivität zumindest für Teile der Gesellschaft und für Teile der hierin medial vermittelten Kommunikation. Nachhaltigkeit scheint hier in der Agenda eine nachgeordnete Rolle zu spielen.“
Erschwerend kommt hinzu, dass – im Gegensatz etwa zum boomenden Gesundheitsbereich – Nachhaltigkeit kein unmittelbares Körperthema ist und auch kein Thema, das emotional mit direktem individuellen Nutzen verbunden wird (vgl. Kuckartz/Schack 2002, 88). Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation sieht sich also einer schwierigen Ausgangslage gegenüber stehen. Wohl nur mit Hartnäckigkeit, Kontinuität, ausgefeilten Programme und kreativen Instrumente kann es doch gelingen, Aufmerksamkeit zu wecken. 3.4.7.4 Herausforderungen durch mangelnde Glaubwürdigkeit unternehmerischer Nachhaltigkeitsbotschaften Von je her hat Public Relations mit einem gewissen Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber Unternehmensbotschaften zu kämpfen. Das gilt für die Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations sogar in verschärfter Form: Die Skepsis in der Bevölkerung ist gegenüber Nachhaltig-
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keitsbotschaften nämlich besonders hoch. Zurückzuführen ist das vor allem auf öffentlichkeitswirksame Fälle in der jüngsten Vergangenheit, bei denen Unternehmen soziale oder ökologische Themen dazu missbraucht haben, ihr Image zu verbessern. Im Nachhinein stellte sich aber heraus, dass das tatsächliche Sozialoder Umweltengagement der Unternehmen nur marginal war, sprich dass mehr Geld in dessen Bewerbung als in dessen Umsetzung gesteckt wurde und die Nachhaltigkeitsbotschaften nur „heiße Luft“ oder sogar Lügen waren (vgl. Kapitel 3.4.8). Ein solches „interessengeleitetes Informationsverhalten von Akteuren mit dem Ziel einer bewussten Desinformation“ hat laut Mast/Fiedler (2005, 568) in der Bevölkerung zu einer „endogenen Informationsunsicherheit“ geführt. Diese Unsicherheit sei die Ursache, warum Nachhaltigkeitskommunikation mit tendenziell niedriger Glaubwürdigkeit zu kämpfen habe. Dem können Kommunikationsverantwortliche freilich nur schwer entgegenwirken. Am ehesten noch dadurch, dass den Zielgruppen völlige Transparenz vermittelt wird. Wenn die Botschaften der Nachhaltigkeitskommunikation auch für Außenstehende überprüfbar sind und das Unternehmen Bereitschaft signalisiert, über Probleme zu diskutieren und mit Stakeholdern in einen ernsthaften Dialog zu treten, dann erhöht sich die Chance, dass das unternehmerische Nachhaltigkeitsengagement als glaubwürdig wahrgenommen wird. Mögliche glaubwürdigkeitssteigernde Faktoren werden in Kapitel 4 im Rahmen des normativen Theorieentwurfs sowie in Kapitel 5 im Rahmen der Good-Practice-Beispiele noch näher betrachtet. Zuvor erscheint es mir aber nun angebracht, auf die „dunkle Seite“ der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation einzugehen, nämlich auf ihre missbräuchliche Verwendung für sogenanntes „Greenwash“.
3.4.8 „Greenwash“ und Scheindialoge: Die dunkle Seite unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation Ein CEO, der Vorträge auf Ethikkonferenzen hält. Ein Unternehmen, das sich als Vorreiter auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung präsentiert; das eigene Unternehmensberichte dazu veröffentlicht; das drei Jahre hintereinander unter den besten auf der Liste der „100 Best Companies to Work for in America“ rangiert; ein Unternehmen, das sechs mal Umweltauszeichnungen erhalten hat und außerdem eigene Richtlinien für Klimaschutz, Menschenrechte und gegen Korruption (!) besitzt. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet dieses vermeintlich so vorbildlich agierende Unternehmen, der US-amerikanische Energiekonzern Enron nämlich, im Jahr 2002 in einen der weltweit größten Bilanzfälschungs-
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skandale verwickelt sein könnte? Insider hatten es vielleicht geahnt, die Öffentlichkeit sicher nicht. (vgl. Kelly 2002) Enron ist ein Paradebeispiel55, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel für die Instrumentalisierung von Nachhaltigkeitsbotschaften zu Zwecken der kurzfristigen Image-Aufpolierung56. Angelika Zahrnt (1994, 26, nach Manfred Krien) findet dafür sarkastische Worte: „Wir haben uns daran gewöhnt: Autos und Atomkraftwerke sind ,jetzt noch umweltfreundlicher’, Waschmittel gehen nur noch mit der Öko-Kugel in den Hauptwaschgang und Chemiekonzerne, die Tag und Nacht für den Umweltschutz arbeiten, bestehen überwiegend aus Rückhaltebecken mit einem kleinen Rest an Produktion. Selbst der Krieg wird eines grünen Tages, wenn die Panzer erst mit geregeltem Drei-Wege-Kat durch den Wüstensand schnurren, zum umweltschonenden Unternehmen. Und sollte uns tatsächlich irgendwann der Planet um die Ohren fliegen, so wird auch dies nur mit einem FCKW-freien Treibgas vonstatten gehen. Der Umweltengel ist überall.“
Kritisiert wird auch, dass Unternehmen mehr Geld für das Marketing ihrer Kampagnen ausgeben, als für die Sache selbst. Smith (2003, 65) formuliert das so: “There is so often little real substance to what some firms claim to do. The amount spent touting a firm’s CSR achievements is sometimes more than the amount spent on the CSR activity itself.”
Auch Jeuthe (2003, 30) weist darauf hin, dass der Begriff der Nachhaltigkeit von Unternehmen häufig „bewusst zweideutig und irreführend verwendet [wird…], kleine Wohltaten beim Umweltschutz werden hochstilisiert, um werbewirksam Akzente in der öffentlichen Diskussion zu setzen oder von Kritik abzulenken. Auch die Unschärfe des Nach-
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Nicht zuletzt deshalb wurde dem Beispiel Enron 2003 ein eigener Film gewidmet, nämlich das Drama „The Crooked E: The Unshredded Truth about Enron“ unter der Regie von Penelope Spheeris. In der Literatur finden sich noch zahlreiche weitere Beispiele für Greenwash: So habe das Finanzunternehmen Lehman Brothers, das Ende 2008 in die Schlagzeilen geraten war durch seine Mitbeteiligung an der Finanzkrise, in einem Brief an seine Shareholder im Jahr 2007 noch betont: “Strong corporate citizenship is a key element of our culture. We actively […] help to address today’s critical social issues” (Hopkins/Roche/Hopkins 2008 nach Lehman Brothers). Als ein weiteres Beispiel für „Greenwash“ nennt Greenpeace einen malaysischen Produzenten von Palmöl. Das Unternehmen habe sich die Nachhaltigkeit seiner Plantagen zertifizieren lassen, laut Greenpeace halte es jedoch nicht einmal minimale Kriterien ein, sondern verstoße gegen Gesetze und zerstöre den Regenwald (vgl. Greenpeace 2008).
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations haltigkeits-Begriffs wissen manche Werbestrategen gezielt rhetorisch zu nutzen und das Leitbild Sustainability mit ihnen genehmen Sinninhalten zu füllen.“
Schon im Jahr 1996 haben Greer/Bruno (1996, 14) für eine solche Instrumentalisierung ökologischer Themen einen eigenen Begriff geschaffen, nämlich „Greenwash“. In ihrem Buch „Greenwash. The Reality Behind Corporate Environmentalism“ schreiben sie zynisch: “Welcome to the world of greenwash, where transnational corporations (TNCs) which increasingly dominate the world economy, are [...] posing as friends of the environment and leaders in the struggle to eradicate poverty.”
Im Jahr 1999 fand der Ausdruck sogar Eingang in die zehnte Ausgabe des „Concise Oxford English Dictionary“, wo „Greenwash“ definiert wird als „disinformation disseminated by an organisation so as to present an environmentally responsible public image.” NGOs (wie CorpWatch oder SpinWatch) formierten sich, um unternehmerische Image-Kosmetik und Manipulation aufzudecken (vgl. Signitzer/Prexl 2007). Im Jahr 2008 gab die britische Kommunikationsagentur „futerra sustainability communications“ sogar einen eigenen „Greenwash Guide“ heraus, der Konsumenten helfen soll, „Greenwash“ zu erkennen (vgl. futerra sustainability communications 2008). Jedoch blieb es nicht dabei, dass Unternehmen nur ökologische Botschaften im Rahmen der Werbung zu Imagezwecken missbrauchten. In den vergangenen zehn Jahren orten Bruno/Karliner (2002, 8) „an even wider gap between rhetoric and reality“. Das liege in zwei Entwicklungen begründet: 1.
Immer mehr Unternehmen instrumentalisieren mittlerweile neben ökologischen Aspekten auch CSR-Botschaften zu Imagezwecken, und zwar im Rahmen von sogenanntem „Bluewash“. Das Phänomen „Bluewash“, das von Aktivistengruppen zusehends angeprangert wird, bezieht sich darauf, dass Unternehmen versuchen, sich unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen als sozial verantwortliche Organisationen zu positionieren. Die Aktivisten von „Friends of the Earth“ bezeichnen „Bluewash“ als “flagrant misuse of the social and human rights legitimacy of the United Nations by corporations who do not in fact adhere to the core principles of the various UN declarations” (Friends of the Earth 2001).
Um Fälle von „Bluewash“ zu vermeiden, haben die Vereinten Nationen mittlerweile die Teilnahme von Unternehmen am „UN Global Compact“ gekoppelt an die Verpflichtung, dass Unternehmen jährlich über ihre Fort-
3.4 Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne
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schritte im Bereich der zehn Prinzipien des „Compact“ Bericht erstatten müssen (vgl. Kapitel 2.4.4.2). Unternehmen, die eine solche „Communication on Progress“ nicht durchführen, werden des Programms verwiesen. Allein im ersten Halbjahr 2008 wurde deshalb 630 Unternehmen ihre weitere Teilnahme am Global Compact verweigert. 2.
Die Kommunikation über soziale und ökologische Themen wird außerdem immer professioneller. Nicht mehr nur in der Werbung werden soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit suggeriert, sondern auch in „Scheindialogen“ mit Stakeholdern. Dieser „Fassadentyp“ eines Dialogs zweckentfremdet den Dialogbegriff, um Persuasionsziele durchzusetzen, zu blenden oder abzulenken. Dialogbereitschaft wird – zum Teil in aufwändig aufgemachten Veranstaltungen – nur vorgegaukelt, um NGOs, Anrainern oder auch der Politik ein Mitspracherecht zu suggerieren, was die unternehmerischen Entscheidungen in Sachen Ökologie und Soziales betrifft.
Trotz solcher Missbräuche der Nachhaltigkeitskommunikation als kurzfristige Imagekosmetik gehe ich davon aus, dass das Aufgabenfeld einen deutlichen Beitrag sowohl zum Unternehmenserfolg wie auch zur Erreichung einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung leisten kann. Auch wenn es in der Vergangenheit Missstände gab und auch in Zukunft noch geben wird – durch geplante, strategische Kommunikation könnten Nachhaltigkeitsideen im Unternehmen selbst wie auch in Teilen der Gesellschaft an Aufmerksamkeit, Bekanntheit und Popularität gewinnen. Wie die „Greenwash“-Debatte verdeutlicht, kann das aber nur dann geschehen, wenn die Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation ethisch-bedenkliche Handlungsweisen so weit wie möglich unterlassen. Aus diesem Grund hat CIPR, das „Chartered Institute of Public Relations“ im Jahr 2007 bereits Richtlinien für Nachhaltigkeitskommunikation herausgegeben, die sogenannten „Best Practice Guidelines for Environmental Sustainability Communications“ (vgl. CIPR 2007). Ich möchte durch diese Arbeit ebenfalls die Entwicklung in Richtung einer ethisch korrekten Nachhaltigkeitskommunikation unterstützen. Zu diesem Zweck werden im nun folgenden Kapitel 4 normative Handlungsorientierungen, quasi ein Anforderungskatalog für Nachhaltigkeitskommunikation, erarbeitet. Die entworfenen Richtlinien könnten Praktikern der Nachhaltigkeitskommunikation als Handlungsorientierung dienen, damit Nachhaltigkeitskommunikation eben nicht zu einem Vehikel von „Greenwash“ oder „Bluewash“ verkommt, sondern die tatsächlichen Potenziale des Ansatzes für Unternehmen und Gesellschaft ausgeschöpft werden.
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
3.5 Zusammenfassung Kapitel 3 3.5 Zusammenfassung Kapitel 3 Ziel dieses dritten Kapitels war es, dem Leser eine Einführung in die Thematik der Nachhaltigkeitskommunikation zu bieten. Für die Zwecke dieser Arbeit wurde vorgeschlagen, zwischen Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne (ausgehend von verschiedenen gesellschaftlichen Institutionen wie NGOs, Ausbildungsstätten, Regierungen etc.) und Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne (ausgehend von Unternehmen) zu unterscheiden. Wir haben erste theoretische Ansätze kennen gelernt, die für Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne bereits entwickelt wurden. Im Gegensatz dazu hat Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen bisher deutlich weniger wissenschaftliche Berücksichtigung gefunden. Nicht einmal eine schlüssige Definition des Begriffs hat die kommunikationswissenschaftliche Literatur bisher geleistet. Im Rahmen des dritten Kapitels wurde nun der Versuch unternommen, diese Hürde zu überwinden. Der Begriff der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation wurde – der normativen Ausrichtung dieser Arbeit folgend – definiert als alle kommunikativen Handlungen von gewinnorientierten Unternehmen, die sich inhaltlich auf das nachhaltigkeitsrelevante Handeln des Unternehmens bzw. bestimmter Zielgruppen beziehen und mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und Aufgabenerfüllung des Nachhaltigkeitsmanagements und/oder zur Erfüllung der Imageziele oder Absatzziele geleistet wird. Zusätzlich hat Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen das Potenzial, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sensibilisierung für nachhaltige Entwicklung zu leisten und zu einer nachhaltigeren Unternehmens- und Gesellschaftsentwicklung beizutragen.
Neben der Begriffsbestimmung war die Analyse der Zieldimensionen und Potenziale von Nachhaltigkeitskommunikation ein weiterer Kernpunkt des dritten Kapitels. Die Potenziale der Nachhaltigkeitskommunikation wurden aus unternehmerischer wie auch aus gesellschaftlicher Sicht diskutiert. Dabei haben wir festgestellt, dass sich eine Unterscheidung in „Marketing Case“, „Business Case“ und „Public Case“ anbietet: Der „Marketing Case“ beschäftigt sich mit Zielsetzungen, die um die Frage kreiAbbildung 38: Zwiebelmodell der Zieldimensionen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation
3.5 Zusammenfassung Kapitel 3
197
sen: „Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung der kurz- und mittelfristigen Marketingziele des Nachhaltigkeitsmanagements?“ Mögliche Zielsetzungen auf dieser Ebene sind Absatzsteigerung von nachhaltigen Produkten oder die Entwicklung nachhaltigerer Produktionsprozesse. Der „Business Case“ geht darüber hinaus. Auch langfristigere Ziele wie Imagesteigerung oder Mitarbeiterzufriedenheit sind möglich. Kernfrage ist hier: „Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur Erreichung von mittel- und langfristigen Zielen des Nachhaltigkeitsmanagements?“ Während Marketing bzw. Business Case eine marketingtheoretische bzw. organisationstheoretische Sichtweise von Public Relations (vgl. Signitzer 2007, 143 ff) in den Vordergrund stellen, wird im Rahmen des „Public Case“ eine gesellschaftstheoretische Sichtweise berücksichtigt. Kernfrage ist: „Welchen Beitrag leistet Nachhaltigkeitskommunikation zur gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über das Thema der nachhaltigen Entwicklung in einer bestimmten Gesellschaft und wie kann Nachhaltigkeitskommunikation zu einer nachhaltigeren Entwicklung von Gesellschaften beitragen?“ Im Rahmen des „Public Case“ kann es also auch Ziel bzw. angestrebter „Nebeneffekt“ unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation sein, zur Bekanntmachung und Popularisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes beizutragen und einen Einstellungs- bzw. Verhaltenswandel innerhalb des Unternehmens, bei bestimmten Zielgruppen oder sogar in der Gesamtgesellschaft zu bewirken. Illustriert wurden diese drei Zieldimensionen anhand eines Zwiebelmodells (vgl. Abbildung 38). Die Metapher der Zwiebel mit ihren unterschiedlichen Schichten soll verdeutlichen, wie sich das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation vom Marketing Case über den Business Case zum Public Case ausdehnt. Um eine allgemeine Einführung in die Thematik der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu geben, haben wir auch die verschiedenen Kontexte betrachtet, in denen sich die Kommunikation über Sozial- und Umweltthemen abspielt. Es wurde unterschieden zwischen Kontexten auf der Mikroebene des Unternehmens, auf der Mesoebene verschiedener Stakeholdergruppen und auf der Makroebene gesellschaftlicher Institutionen, des Staats und der Medien. Auf diesen drei Ebenen Abbildung 39: Zwiebelmodell der Kontexte unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation
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3 Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations
wurden jeweils Einflussgruppen bzw. Einflussfaktoren identifiziert, die den Grad des unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements bzw. die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation determinieren. Auch in diesem Zusammenhang erwies sich die Metapher der Zwiebel als passend (vgl. Abbildung 39). Von den Einflussfaktoren der Nachhaltigkeitskommunikation führte Kapitel 3 den Leser sodann weiter zu eher ernüchternden Themen: Nach einer Diskussion über die Grenzen der Nachhaltigkeitskommunikation wurde ausführlich auf die Schwierigkeiten bzw. Herausforderungen eingegangen, mit denen Kommunikationsverantwortliche zu kämpfen haben. Wir haben unterschieden zwischen
Herausforderungen durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts: geringer Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs, Unscheinbarkeit und Abstraktheit der Probleme, Komplexität und hohes Konfliktpotenzial; Herausforderungen durch unternehmensinterne Hemmnisse: Begründung gegenüber dem Management, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, schwieriges Sammeln nachhaltigkeitsrelevanter Informationen und kulturelle Herausforderungen; Herausforderungen durch das Anspruchsniveau der Kommunikationsziele: Aufmerksamkeitsprobleme, Einstellungs- und Verhaltensänderung als anspruchsvolle Kommunikationsziele ; Herausforderungen durch mangelnde Glaubwürdigkeit, „Greenwash“ oder Scheindialoge.
Ich gehe davon aus, dass die Herausforderungen an Kommunikationsverantwortliche zunehmen, wenn Unternehmen vom Marketing Case über den Business Case zum Public Case fortschreiten. Die Zielsetzungen werden ehrgeiziger und schwerer zu erreichen und somit steigen auch die Herausforderungen. Diese These kann einmal mehr anhand eines Zwiebelmodells illustriert werden (vgl. Abbildung 40). Auf der Ebene des „Marketing Case“ können PR-Praktiker ihre Not haben zum Beispiel mit Aufmerksamkeitsproblemen oder mit preisbewussten Konsumenten, die nicht bereit sind, für nachhaltigkeitsorientierte Produkte höhere Preis zu zahlen. Abbildung 40: Zwiebelmodell der Herausforderungen unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation
3.5 Zusammenfassung Kapitel 3
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Auch Glaubwürdigkeitsprobleme und die Komplexität des Nachhaltigkeitsbegriffs können zu Stolpersteinen werden. Auf der Ebene des „Business Case“ können PR-Praktiker zum Beispiel mit zu wenig Unterstützung seitens des Managements oder der Mitarbeiter konfrontiert werden. Im Rahmen der Veränderungsprozesse können Zielkonflikte, Interessenskonflikte oder Ängste auftauchen. Möglicherweise führt auch die fehlende Kooperationsbereitschaft zwischen verschiedenen Abteilungen bzw. Experten zu erschwerten Bedingungen. Dazu kommt, dass Imageziele grundsätzlich qualitativ sind, langfristig ausgerichtet und somit schwierig zu erreichen wie auch zu evaluieren. Erschwert wird die Arbeit noch in multinationalen Unternehmen, wo unterschiedliche kulturelle Kontexte in Betracht gezogen werden sollten. Auf der Ebene des „Public Case“ schließlich kommen – zusätzlich zu den eben genannten Herausforderungen – auch die hoch gesteckten Kommunikationsziele der Einstellungsund Verhaltensänderung zum Tragen. Um die hier charakterisierten Herausforderungen besser zu meistern, könnten einige Aspekte bereits existierender Theorien der Public Relations und Unternehmenskommunikation hilfreich sein. Im Hinblick darauf werden nun ausgewählte theoretische Ansätze analysiert. Ziel ist es, aus normativer Sicht Elemente eines Theorieentwurfs der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation abzuleiten.
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation 4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
4.1 Einleitung 4.1 Einleitung Rufen wir uns noch einmal die Ausgangsüberlegung dieser Dissertation in Erinnerung: Unternehmen als wichtige gesellschaftliche Akteure und Ressourcenverbraucher haben das Potenzial, zu einer nachhaltigeren Wirtschafts- sowie Gesellschaftsentwicklung beizutragen. Damit dies freilich auch funktionieren kann, lassen sich meiner Ansicht nach auf mehreren Ebenen Hebel ansetzen: Erstens, auf der Ebene der Gesellschaft. Hier kann die Politik Unternehmen mittels strengerer Gesetze zu nachhaltigkeitsorientierten Veränderungen zwingen bzw. kann die Zivilgesellschaft erhöhten Druck auf die Wirtschaftswelt ausüben. Diese Ebene liegt nicht im unmittelbaren Fokus der vorliegenden Arbeit. Zweitens, auf der Ebene des Unternehmens. Dieses kann von sich aus einen Weg in Richtung verstärkter Nachhaltigkeitsorientierung einschlagen. Diese Ebene wurde in Kapitel 2 angeschnitten. Drittens, auf der Ebene des Individuums. Hier geht es um die Frage, welchen Beitrag einzelne Personen zu einer sozial und ökologisch verträglichen Unternehmens- wie auch zu einer zukunftsfähigen Gesellschaftsentwicklung leisten können. Grundsätzlich besteht hier die Möglichkeit, verschiedene Personen (zum Beispiel CEOs, Nachhaltigkeitsmanager oder Stakeholder) in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen. In dieser Arbeit richtet sich das Interesse auf die Praktiker der Public Relations. Wie können diese – durch Nachhaltigkeitskommunikation – zu einer zukunftsfähigen Unternehmens- und auch Gesellschaftsentwicklung beitragen? Das vorherige Kapitel beleuchtete die Thematik aus analytischer Sicht. Im Gegensatz dazu steht nun eine normative Perspektive im Vordergrund. Ziel dieses vierten Kapitels ist es, erste Elemente einer normativen Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu entwerfen. Dieser Entwurf ist genau genommen auf einer Meta-Ebene angesiedelt und stellt die Soll-SeinPerspektive in den Vordergrund. Gleichzeitig soll der theoretische Entwurf aber auch relevant sein auf der praktischen Ebene, indem er Public Relations Prak-
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
tikern ein Set von qualitativen Handlungsorientierungen57 für ihre tägliche Arbeit bietet und ihnen Mittel in die Hand gibt, die in Kapitel 3.4.7 beschriebenen Herausforderungen zu erkennen, systematisch zu betrachten und schlussendlich besser zu meistern. Dies ist auch vor dem Hintergrund relevant, dass eine Theorie laut Rolke (vgl. 2005, 120) nur dann Nutzen schaffen kann, „wenn sie dort ansetzt, wo die Praxis nicht mehr weiterkommt: bei Problemen, widersprüchlichen Daten und Orientierungslosigkeit.“ Zur Erstellung des normativen Theorieentwurfs werden im Rahmen des vierten Kapitels verschiedene Stufen durchlaufen: Zuerst wird in Kapitel 4.2 dargelegt, welche Zielsetzungen und Nutzenüberlegungen durch den Theorieentwurf verfolgt werden. Dabei wird die bereits angesprochene zweiseitige Zielsetzung (gleichzeitig normativ und praktisch orientiert) näher erläutert. Anschließend beschäftigt uns in Kapitel 4.3 die Frage, ob und warum es überhaupt notwendig und sinnvoll ist, sich aus normativer Perspektive mit dem Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation zu befassen. Sodann wird im Rahmen eines wissenschaftstheoretischen Exkurses dargestellt, was normative Forschung bedeutet und welche Aspekte und Prozessschritte dabei zu beachten sind. Der Theorieentwurf schließlich mitsamt der darin enthaltenen normativen Qualitätskriterien und Handlungsorientierungen für Praktiker basiert auf bereits existierenden Ansätzen der Public Relations und Unternehmenskommunikation (z.B. Exzellenz-Theorie, das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit, das Konzept der integrierten Kommunikation, Ansätze des Issues und Reputation Managements etc.). Diese für die Zwecke der Arbeit ausgewählten „Kontexttheorien“ werden in Kapitel 4.6. kompakt dargestellt und dahingehend analysiert, inwieweit Anknüpfungspunkte für einen normativen Theorieentwurf der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation bestehen, und ob und inwieweit die ausgewählten „Kontexttheorien“ Lösungen zur Bewältigung der in Kapitel 3 dargestellten Herausforderungen bieten. Kernteil des vierten Kapitels ist schließlich die Ableitung erster Elemente einer normativen Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation inklusive Handlungsorientierungen für Public Relations Praktiker in Kapitel 4.7.
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Während in der Moralphilosophie meist von „Handlungsanweisungen“ die Rede ist, habe ich für diese Arbeit bewusst den Ausdruck „Handlungsorientierungen“ gewählt, um nicht den Eindruck zu erwecken, der theoretische Entwurf sei dogmatisch angelegt.
4.2 Zielsetzungen und Nutzen des normativen Theorieentwurfs
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Abbildung 41: Übersicht über die Inhalte des 4. Kapitels
4.2 Zielsetzungen und Nutzen des normativen Theorieentwurfs 4.2 Zielsetzungen und Nutzen des normativen Theorieentwurfs Der theoretische Entwurf, der in dieser Arbeit angestrebt wird, soll also das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in die Praxis der Public Relations transferieren und dort lebbar machen. Der Entwurf stellt Nachhaltigkeitskommunikation dabei in einer Form dar, wie sie nicht nur aus der wirtschaftlichen Sicht des Unternehmens (Stichwort Marketing Case, Business Case), sondern auch aus Sicht der Gesellschaft anstrebenswert ist (Stichwort Public Case). Gleichzeitig soll dieser theoretische Entwurf auch Implikationen für die Praxis haben, indem er Praktikern qualitative Richtlinien und Handlungsorientierungen, oder zumindest Denkanstöße für ihre tägliche Arbeit bietet. Damit ist die zweiseitige Nutzenorientierung dieses Theorieentwurfs klar: Er soll einerseits Nutzen stiften für die Weiterentwicklung der Public Relations Forschung. Andererseits soll er Nutzen bringen für Praktiker der Public Relations, die vor der herausfordernden Aufgabe stehen, Nachhaltigkeitsthemen in die verschiedenen Programmbereiche zu integrieren.
204
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Aus Sicht der Public Relations Forschung ist das vorliegende Kapitel 4 dieser Dissertation aufgrund seiner normativen und gesellschaftsorientierten Ausrichtung wohl am ehesten dem Forschungsbereich der Public Relations Ethik zuzuordnen. Die ausgearbeiteten qualitativen Kriterien und Handlungsorientierungen können als Beitrag zur Forschung im Bereich der Public Relations Ethik verstanden werden. Ich stelle dabei folgende Ausgangsthese auf: Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation, die den in dieser Arbeit erarbeiteten normativen Kriterien so weit wie möglich zu entsprechen versuchen, handeln aus ethischer Sicht korrekter als solche, die Nachhaltigkeitskommunikation nur zum Zwecke der kurzfristigen Imagepolitur verwenden. Durch ernstgemeintes Engagement im Bereich Nachhaltigkeit haben Public Relations Praktiker die Möglichkeit, zum „(Nachhaltigkeits-)Gewissen“ eines Unternehmens („Conscience“) zu werden, indem sie nicht nur zur Umsetzung, sondern auch zur Strategieentwicklung im Bereich der sozialen und ökologischen Verantwortung beitragen (vgl. L’Etang 2006, 42158). Der angestrebte Entwurf soll jedoch mehr sein als nur „graue Theorie“. Er soll trotz seiner normativen Ausrichtung auch Nutzen stiften für Public Relations Praktiker. Auf den ersten Blick mag das den Leser verwirren, und es könnte die Frage auftauchen: Wie kann ein Theorieentwurf, noch dazu einer, der die normative Perspektive des Soll-Seins ins Auge fasst, für Praktiker von direkter Relevanz sein und ihnen vielleicht sogar Erleichterung in der täglichen Arbeit verschaffen? Nun, hier sei auf die ähnlich gelagerte Forschung im Bereich der Ethik bzw. Moralphilosophie verwiesen. Auch diese beschäftigt sich mit SollSein-Fragen, aber sie kümmert sich neben der theoretischen Fundierung vor allem auch „um die Beziehung von Gedachten zum Handeln, also um den konkreten Praxisbezug“ (Brosda/Schicha 2000, 7). Genauso ist auch der Theorieentwurf dieser Arbeit zu verstehen. Es soll nicht eine „Theorie um der Theorie willen“ (Brosda/Schicha 2000, 7) entwickelt werden, sondern ein normativer Entwurf, der den Spielraum auslotet, in dem Nachhaltigkeitskommunikation stattfindet, und Kommunikationspraktikern Handlungsorientierungen bietet in jenen Entscheidungssituationen ihrer täglichen Arbeit, die für das Wohl des Unternehmens wie auch der Gesellschaft relevant sind. Diese Handlungsorientierungen leiten sich ab aus der gesellschaftlichen Zielsetzung der nachhaltigen Entwicklung, sie sind – wie die meisten normativen Aussagen – aber nicht als „absolute Wahrheiten“ zu verstehen (vgl. Brosda/Schicha 2000, 8). Ebenso wenig darf der Leser ein vollständiges „Set“ an Anweisungen für die Praxis erwarten. Dazu ist die Vielzahl von Entscheidungen und Themen inner-
58
L’Etang geht sogar so weit, dass sie Ethik als wichtiges Bindeglied zwischen Public Relations und Corporate Social Responsibility identifiziert (vgl. L’Etang 2006, 405 ff).
4.2 Zielsetzungen und Nutzen des normativen Theorieentwurfs
205
halb der Nachhaltigkeitskommunikation zu groß und zu abhängig von situativen Rahmenbedingungen. Manch einer mag an dieser Stelle einwenden: Ist es nicht überflüssig, den Versuch zu machen, eine Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu entwerfen? Können nicht bereits bestehende Theorien der Kommunikationswissenschaft bzw. der Public Relations bei der Bewältigung der mit Nachhaltigkeitskommunikation verbundenen Herausforderungen ausreichende Unterstützung bieten? Fragen solcher Art sind durchaus berechtigt. Ich gehe allerdings davon aus, dass die bisherigen theoretischen Ansätze aus Kommunikationswissenschaft, Public Relations bzw. Marketing den Praktikern bei der Bewältigung dieser Herausforderungen nur unzureichend weiterhelfen können, denn sie decken meist nur einzelne Aspekte ab. Schon vor der Erstellung des Theorieentwurfs bin ich mir durchaus bewusst, dass in der Praxis die von mir formulierten qualitativen Ansprüche nur zum Teil erfüllt werden (können). Aber ähnlich erging es auch schon Grunig bei seiner Exzellenz-Studie bzw. bei seinem vierten Modell der Public Relations, welches er selbst als zugleich normativ wie auch positiv bezeichnet, da es als Anleitung zum exzellenten Handeln ebenso diene wie auch als Beschreibung der Realität (vgl. Grunig/Grunig 1992, 291). Die von mir gewählte zweiseitige Ausrichtung des angestrebten Theorieentwurfs, theoretisch-normativ und praxisrelevant zugleich, ist also für die Public-Relations-Forschung nicht ganz neu. Normative Qualitätskriterien als Gratwanderung Kommen wir nun noch einmal zurück auf die Frage, inwiefern ein normativ angelegter Theorieentwurf der Nachhaltigkeitskommunikation praxisrelevant sein kann. Meine Überlegung dazu ist: Er kann nur dann praxisrelevant sein, wenn eine Gratwanderung vorgenommen wird zwischen zu strengen normativen Kriterien, die rein das Wohl der Gesellschaft in den Vordergrund stellen, und zu weichen Kriterien, die ausschließlich auf das kurzfristige Wohl des Unternehmens abzielen. Dieses Dilemma – zu hohe Abgehobenheit von der Realität versus zu großer Opportunismus – ist innerhalb der normativen Forschung ein häufiges Problem. Brosda/Schicha (2000, 8) bringen das auf den Punkt, indem sie im Rahmen ihrer Gegenüberstellung von Praxisnormen und Idealnormen schreiben: „Die zentrale Aufgabe einer tragfähigen angewandten Moralkonzeption liegt darin, einen Kompromiss zu finden, der einer legitimen Anpassung an die faktischen Gegebenheiten Rechnung trägt, ohne sich jedoch zu stark an opportunistischen Gepflogenheiten der Praxis zu orientieren.“
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Auch ich möchte mit meinem Theorieentwurf den Brückenschlag schaffen zwischen zu wirklichkeitsfremden normativen Ansprüchen und zu opportunistischen Ansprüchen. Einerseits sollen sich die zu erarbeitenden normativen Qualitätskriterien nicht zu sehr den (oftmals rein wirtschaftlichen) Anforderungen der Unternehmenspraxis unterordnen. Auf der anderen Seite sollen die formulierten Handlungsorientierungen nicht zu wirklichkeitsfremd und die damit verbundenen Ansprüche so hoch sein, dass sie in der alltäglichen Praxis nicht umsetzbar sind. Wie gut ein solcher Kompromiss gelingt, wird sich im weiteren Verlauf dieses Kapitels noch zeigen. Wobei schon jetzt darauf hinzuweisen ist: Die Kriterien „richtig“ oder „falsch“ sind auf einen normativen Theorieentwurf kaum anzuwenden. Denn „im Zentrum ethischer Reflexion steht [...] mehr das Fragen nach und weniger das Beweisen von Richtig und Falsch, Anstrebenswert und weniger Anstrebenswert, Gut und Böse“ (Freimann 1996, 346 f).
4.3 Zur Notwendigkeit eines normativen Theorieentwurfs 4.3 Zur Notwendigkeit eines normativen Theorieentwurfs Der angestrebte Theorieentwurf soll also Nutzen stiften sowohl für die Public Relations Forschung wie auch für die Public Relations Praxis. Es erscheint mir darüber hinaus aber auch noch aus anderen Gründen angebracht, mich aus normativer Perspektive mit dem Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu befassen: 1.
2.
Nachhaltigkeitskommunikation bietet, wie wir bereits erfahren haben, aus organisations-, marketing- und gesellschaftstheoretischer Sicht erhebliche Chancen für Unternehmen und Gesellschaft. Mit diesem Potenzial sollte behutsam umgegangen werden. Dies lässt die Ausarbeitung normativer Ansprüche an die Nachhaltigkeitskommunikation und in der Folge die Ausarbeitung von Handlungsorientierungen für die Praxis wünschenswert erscheinen. In der unternehmerischen Praxis wird Nachhaltigkeitskommunikation nach wie vor häufig dazu verwendet, kurzfristige Imagekosmetik („Greenwash“) zu betreiben. Dies führt wie oben erläutert zu einem generellen Glaubwürdigkeitsproblem der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation. Der normative Theorieentwurf kann dazu beitragen, auf die Unterschiede zwischen „Greenwash“ und wohlverstandener Nachhaltigkeitskommunikation (im Sinne einer Kommunikation über und für Nachhaltigkeit) hinzuweisen.
4.4 Wissenschaftstheoretischer Exkurs 3.
207
Das Nachhaltigkeitsleitbild enthält selbst eine stark normative Komponente. Es basiert im Kern auf dem „ethischen Prinzip, wir sollten nicht auf Kosten anderer und künftiger Generationen leben“ (Hinterberger/Schnepf 2004, 1f). Aufgrund der starken normativen Orientierung des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung59 erscheint es nur sinnvoll und logisch, sich auch mit der unternehmerischen Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen aus normativer Sicht zu beschäftigen.
Bevor nun verschiedene theoretische Ansätze der Public Relations und Unternehmenskommunikation daraufhin untersucht werden, wo sie eventuelle Anknüpfungspunkte für einen normativen Theorieentwurf der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation bieten könnten, erscheint es mir an dieser Stelle nötig, einen Exkurs zur Wissenschaftstheorie zu machen. Normative Forschungsansätze sind im Rahmen der Public Relations Forschung eher selten. Deshalb sei nun kurz beschrieben, welche Anforderungen normative Forschung an den Wissenschafter stellt.
4.4 Wissenschaftstheoretischer Exkurs 4.4 Wissenschaftstheoretischer Exkurs Wissenschaftstheorie beschreibt die „Regeln des Wissenschaftsspiels“ (Patzelt 1986, 1). Dabei ist Wissenschaft zu verstehen als „jenes menschliche Handeln, das auf die Erarbeitung solcher Aussagen zielt, die jenen Aussagen überlegen sind, welche bereits dank der Kompetenzen des gesunden Menschenverstandes (,Common Sense’) erarbeitet werden können“ (Patzelt 1986, 1).
Ziel sozialwissenschaftlicher Forschung ist es zumeist, soziale Wirklichkeit zu beschreiben, zu erklären bzw. gegebenenfalls vorherzusagen (vgl. Patzelt 1986, 115). In diesem vierten Kapitel bleiben wir zwar bei einer sozialwissenschaftlichen Ausrichtung, wir beschäftigen uns aber nicht vordergründig mit der Beschreibung, Erklärung bzw. gegebenenfalls Vorhersagung von Wirklichkeitsausschnitten. Vielmehr ist die Intention dieses Kapitels der normativen Forschung zuzurechnen. Unterschiede zwischen normativer und empirischer Forschung sowie der Prozess normativer Forschung werden in den folgenden Ausführungen näher beschrieben.
59
Vgl. zur Normativität im Nachhaltigkeitsmanagement auch Bieker (2005).
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
4.4.1 Unterschiede zwischen normativer und empirischer Forschung Betrachten wir nun mit Patzelt (vgl. 1986, 200) kurz die Unterschiede zwischen normativer und empirischer Forschung in den Sozialwissenschaften: Die normative sozialwissenschaftliche Forschung habe den Zweck,
Wertmaßstäbe zur Beurteilung sozialer Wirklichkeit zu erarbeiten bzw. zu überprüfen und mittels dieser Wertmaßstäbe soziale Wirklichkeit zu bewerten und die Erfüllung von Erhaltungs-, Unterlassungs- und Veränderungsaufgaben zu verlangen, also Handlungsanweisungen zu formulieren.
Die empirische sozialwissenschaftliche Forschung hingegen habe die Aufgabe,
wahre Aussagen über das Bestehen von Sachverhalten und Merkmalen sozialer Wirklichkeit zu erarbeiten (sozialwissenschaftliches Tatsachenwissen) und wahre Aussagen über Zusammenhänge zwischen bestehenden Sachverhalten und Merkmalen sozialer Wirklichkeit zu erarbeiten (sozialwissenschaftliches Zusammenhangswissen).
Ob normative Forschung – also Bewertungen und die Entwicklung von Handlungsanweisungen – aus wissenschaftstheoretischer Sicht überhaupt zulässig ist, war lange Zeit umstritten und führte 1913 zum Werturteilsstreit im deutschen „Verein für Sozialpolitik“ rund um Max Weber und Gustav von Schmoller60 (vgl. Nau 1996). Zwei Extrempositionen wurden entwickelt, um mit den als problematisch identifizierten normativen Aussagen zu verfahren (vgl. Schnell/ Hill/Esser 2005, 86ff). Auf der einen Seite vertrat der Anti-Normativismus die These, normative Aussagen würden die Kompetenz der Wissenschaft überschreiten. Max Weber sprach in diesem Sinne vom „Prinzip der Wertfreiheit“. Auf der anderen Seite vertrat die sogenannte „Zwei-Kulturen-Mentalität“ die Ansicht, in den Naturwissenschaften seien normative Aussagen auszuschließen, in den Geisteswissenschaften hingegen sei es unmöglich, beschreibende und bewertend-vorschreibende Aussagen überhaupt zu trennen. Beide Extrempositionen seien laut Patzelt (vgl. 1986, 202) wenig anziehend. Er geht davon aus, dass normative Forschung sehr wohl in den Sozial60
In den 1960er Jahren flammte die Diskussion dann erneut auf im zweiten Werturteilsstreit bzw. Positivismusstreit zwischen Vertretern des kritischen Rationalismus (vor allem Karl Popper) und der Frankfurter Schule (vor allem Theodor Adorno und Jürgen Habermas).
4.4 Wissenschaftstheoretischer Exkurs
209
wissenschaften, und somit auch in der Kommunikationswissenschaft, zulässig ist. Allerdings müssten bei der Erstellung normativer Aussagen die folgenden Aspekte berücksichtigt werden: Erstens, normative Aussagen sind nur dann wissenschaftlich zulässig, wenn der Wertmaßstab, auf den sie sich stützen, „nicht subjektiv beliebig ist, sondern als ein begründeter und in seiner Begründung anderen Wertmaßstäben vorzuziehender Wertmaßstab gelten darf“ (Patzelt 1986, 189). Es genügt also nicht, den gewählten Wertmaßstab nur bekannt zu geben. Vielmehr muss die Wahl auch begründet werden. Zweitens, bei dieser Begründung wiederum gilt es zu beachten: Gebote einer Gottheit oder Aussagen eines „Klassikers“ der Literatur sollen nicht als Begründung herangezogen werden, denn sie sind in der Regel nicht allgemein anerkannt. Brosda/Schicha (2000, 7) drücken dies so aus: „Grundsätzlich reflektiert die Ethik ihre Formen und Prinzipien ohne Berufung auf politische und religiöse Autoritäten oder den Bezug auf althergebrachte Gewohnheiten. Eine ,gottgegebene’ Moral ist aus philosophischer Sicht abzulehnen. Zentral gelten vielmehr Kriterien der Rationalität, der Begründung und der Verallgemeinerungsfähigkeit.“
Genau genommen ist also nur eine Form der Begründung für die Wahl des Wertmaßstabs wissenschaftlich zulässig, nämlich jene, die sich auf möglichst allgemein anerkannte gesellschaftliche Werte und Normen stützt (vgl. Patzelt 1986, 189 f). Drittens, erst wenn der gewählte Wertmaßstab ausreichend begründet ist, können normative Aussagen formuliert werden, Werturteile abgeleitet und Handlungsanweisungen erarbeitet werden. Völlig objektiv können diese normativen Aussagen aber nie sein. Denn sie besitzen „eine intersubjektive Gültigkeit für einen bestimmten Zeitraum innerhalb einer bestimmten Kultur, da sie Wertewandlungsprozessen unterworfen sind“ (Brosda/Schicha 2000, 7).
4.4.2
Nachhaltige Entwicklung als Wertmaßstab
Der für diese Arbeit gewählte Wertmaßstab ist jener der nachhaltigen Entwicklung, den Raudsepp/Heidmets (2005, 205 ff) bezeichnen als “regulative idea and norm of behavior“. Die Idee, eine zukunftsfähige Gesellschaft und Lebensqualität für heute und morgen zu schaffen, gilt (zumindest in der westlichen Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts) als positiv und begrüßenswert. Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung beruht im Kern auf der Idee der Gerechtigkeit, die als eine der „Grundprinzipien“ der Ethik bezeichnet werden kann (vgl. Brosda/
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Schicha 2000, 8). Dass nachhaltige Entwicklung durchaus einen Wertmaßstab darstellt, unterstreicht das folgende Zitat: „Wenn wir über Nachhaltigkeit nachdenken, diskutieren, arbeiten, geht es im Kern um ethische Fragen. Nachhaltigkeit ist eine Wertung. Eine Entwicklung, die wir als ,gut’, ,richtig’, und damit wünschenswert erachten. [...] Nachhaltige Entwicklung basiert im Kern auf einem ethischen Prinzip: Wir sollten nicht auf Kosten anderer und künftiger Generationen leben“ (Hinterberger/Schnepf 2004, 1f).
Eine ausführlichere Diskussion über die Inhalte des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung wurde dem Leser bereits in Kapitel 2 präsentiert. Es wurde dort auch erörtert, warum in dieser Arbeit der Wertmaßstab der nachhaltigen Entwicklung im Hinblick auf Unternehmen dem (möglicherweise konkurrierenden) Maßstab des „Shareholder Value“ vorgezogen wird. Somit erscheint mir ausreichend begründet, warum ich das Konzept der nachhaltigen Entwicklung als den für diese Arbeit passenden Wertmaßstab gewählt habe. Es muss aber betont werden, dass nachhaltige Entwicklung als Wertmaßstab nicht für alle Menschen in allen Ländern aus allen Kulturen zu allen Zeiten allgemeine Gültigkeit besitzt. Der in dieser Arbeit entwickelte Theorieentwurf muss deshalb auf Allgemeingültigkeit verzichten.
4.4.3 Prozess normativer Forschung Als nächstes wird nun der Prozess normativer Forschung kurz beleuchtet (vgl. Patzelt 1986, 196f): Nach der Begründung des gewählten Wertmaßstabs geht es darum, normative Aussagen zu entwickeln. Diese ergeben sich durch Argumentationen, die in logisch konsistenter Weise den Wertmaßstab auf den zu untersuchenden Gegenstand (in unserem Fall auf den Gegenstand der Nachhaltigkeitskommunikation) beziehen. Im Idealfall sind die Begründungen und Handlungsanweisungen derart komplex, verknüpft und logisch konsistent, dass von einer normativen Theorie die Rede sein kann. Eine solche normative Theorie basiert in der Regel auf sogenannten Kontexttheorien. „Normative Theorien bestehen aus normativen Aussagen, die sich ihrerseits als Resultate recht komplexer Argumentationen ergeben. Normative Theorien sind deshalb sehr kompliziert aufgebaut und benötigen stets eine Anzahl weiterer Theorien als Kontext. Jene Theorien nämlich (Kontexttheorien), die bei den zu normativen Aussagen führenden Argumentationen benutzt werden“ (Patzelt 1986, 217).
4.5 Vorgehensweise zur Ableitung des normativen Theorieentwurfs
211
Die Überprüfung normativer Theorien erfolgt schließlich in einem dreistufigen Prüfungsverfahren (vgl. Patzelt 1986, 222f; Saam 2005): Im Rahmen der logischen Analyse wird zuerst überprüft, ob es zu logischen Inkonsistenzen, Fehlschlüssen oder Zirkelschlüssen bei den Argumenten der Theorie gekommen ist. Als nächstes erfolgt die Prüfung der Begründung, indem man sich die Frage stellt, ob der gewählte Wertmaßstab tatsächlich auf einem Konsens beruht. Schließlich kommt es zur inhaltlichen Prüfung. Kernfrage ist hier: Kann die normative Theorie die Aufgaben, deretwegen man sie heranziehen möchte, wirklich erfüllen? Hier bietet sich in manchen Fällen eine empirische Überprüfung der Handlungsanleitungen an.
4.5 Vorgehensweise zur Ableitung des normativen Theorieentwurfs unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation 4.5 Vorgehensweise zur Ableitung des normativen Theorieentwurfs In Anlehnung an den oben skizzierten Prozess normativer Forschung ist meine Vorgehensweise zur Erstellung des Theorieentwurfs folgende: Nachdem der gewählte Wertmaßstab der nachhaltigen Entwicklung oben schon begründet wurde, werden nun bereits bestehende und weitgehend akzeptierte Theorien, Konzepte und Modelle der Public Relations und Unternehmenskommunikation ausgewählt, die als Kontexttheorien (im obigen Sinne) dienen sollen. Ein tieferer Blick in den Theoriefundus der Kommunikationswissenschaft, der Sprachwissenschaft sowie der Psychologie, Soziologie, Umweltwissenschaften, Rechtswissenschaften etc. würde vermutlich ebenfalls theoretische Ansätzen zutage bringen, die aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation von Interesse wären und als mögliche Kontexttheorien dienen könnten (z.B. das Meinungsführerkonzept; Ansätze zur Bürgerbeteiligung wie z.B. die „Planungszelle“ von Dienel 1978; Ansätze der Mediation; Ansätze aus der Lebensstilforschung etc.). Allerdings würde eine Analyse auch solcher Ansätze den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen. Deshalb findet – neben zahlreichen Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations und Unternehmenskommunikation – nur die „Diffusion of Innovation“-Theorie von Rogers (vgl. 1995) Berücksichtigung. Abbildung 42 zeigt, welche theoretischen Ansätze für die Zwecke dieser Arbeit als Kontexttheorien ausgewählt wurden. Diese neun Ansätze kommen in Frage, weil eine Auseinandersetzung mit ihnen aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation als sinnvoll und sachadäquat erscheint und weil sie ersten Recherchen zufolge das Potenzial haben, Lösungen für bestimmte Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation zu liefern. Ich gehe davon aus, dass sich aus den unterschiedlichen Ansätzen jeweils unterschiedliche Elemente einer normativen Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation ableiten lassen.
212
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Manche der Ansätze gehen klar in eine normative Richtung (z.B. Verständigungsorientierung, Exzellenz-Theorie und das symmetrische Modell der Public Relations). Andere Konzepte, Modelle und Theorien wiederum leisten vor allem praktischen Input und können Aufschluss darüber geben, warum Nachhaltigkeitskommunikation praktiziert wird und wie bestimmte, damit verbundene Herausforderungen besser zu bewältigen sind (z.B. Reputationsmanagement, Innovationsverbreitung & Innovationskommunikation, Issues Management, Einfluss von Kultur und Länderinfrastruktur). Wiederum andere Ansätze bieten Anknüpfungspunkte sowohl aus praktischer wie auch aus normativ-theoretischer Sicht (z.B. situative Zielgruppentheorie, integrierte Kommunikation, Bildungsund Reflektivitätsaspekte der Public Relations). Ausgewählte Kontexttheorien
Führende Autoren
Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit
Burkart (1996; 2005), Habermas (1981; 2001)
Reputationsmanagement
Eisenegger (2005), Eisenegger/Imhof (2005)
Issues Management
Verschiedene Autoren Grunig/Hunt (1984), Grunig/White (1992), Grunig/Grunig (1992), Vercic/Grunig/Grunig (1996)
Modelle der Public Relations und ExzellenzTheorie Situative Zielgruppentheorie
Grunig (1997)
Das Konzept der integrierten Kommunikation Bildungs- und Reflektivitätsaspekte der Public Relations "Diffusion of Innovation"-Theorie und das Aufgabenfeld der Innovationskommunikation
Bruhn (1995), Bruhn/Ahlers (2007) van Ruler/Vercic (2004; 2005) Rogers (1995), Zerfaß (2004; 2006), Mast/Huck/Zerfaß (2004)
Globale Public Relations
Sriramesh/Vercic (2003)
Abbildung 42: Übersicht über die ausgewählten Kontexttheorien zur Ableitung eines Theorieentwurf der Nachhaltigkeitskommunikation (eigene Darstellung)
Nach der Auswahl der Kontexttheorien und der Offenlegung der Selektionskriterien beginnt nun der analytische Teil dieses Kapitels. Die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte werden hinsichtlich der folgenden vier Forschungsfragen untersucht:
Inwiefern liefern die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte Ansatzpunkte, um Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations zu begründen und zu erklären? Wo tragen die Theorien, Modelle und Konzepte zu einem Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Bewältigung der in Kapitel 3.4.7 herausgearbeiteten Herausforderungen bei?
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
213
Inwiefern liefern die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte Anknüpfungspunkte für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation, die gesellschaftstheoretische Aspekte in den Vordergrund stellt? Inwiefern können die theoretischen Ansätze ergänzt und miteinander kombiniert werden, um Handlungsorientierungen für Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation zu formulieren?
Aufbauend auf die Analyse der Kontexttheorien folgt das eigentliche Kernstück des vierten Kapitels, nämlich die Ableitung erster Elemente eines normativen Theorieentwurfs, der die Besonderheiten des Nachhaltigkeitsthemas aus Sicht der Public Relations berücksichtigt. Es werden dazu die verschiedenen Kontexttheorien eingebaut, zueinander in Beziehung gesetzt und um den Nachhaltigkeitsgedanken erweitert. Schon an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass der Leser keine umfassende Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation im streng wissenschaftstheoretischen Verständnis erwarten darf, welche aus Hypothesen, Systemen von Sätzen bzw. gegebenenfalls Gesetzen bestünde (vgl. Dorn 2004, 109ff). Ziel ist hingegen die Erstellung eines normativ-orientierten Theorieentwurfs samt handlungsleitender, normativer Aussagen für Praktiker. Der Entwurf wird einzelne Elemente in den Vordergrund stellen (Begründung der Praxis, Prozesscharakter, Zielgruppensegmentierung, Kommunikationsstile, Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte, Evaluation) und sich unter anderem darauf konzentrieren, wie Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation bestimmte Herausforderungen besser bewältigen können. Es ist wünschenswert, dass der Entwurf durch künftige Forschungstätigkeit überprüft, überarbeitet, ergänzt und verfeinert wird.
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations und Unternehmenskommunikation im Hinblick auf Anknüpfungspunkte für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation 4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations Die neun gewählten Kontexttheorien werden nun jeweils zuerst beschrieben und dann auf mögliche Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeitskommunikation hin analysiert. Die Reihenfolge, in der die Theorien, Modelle und Konzepte vorgestellt werden, sagt nichts über deren Gewichtung aus.
214
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
4.6.1 Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit nach Burkart Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit (VÖA) von Burkart (1996; 2005) basiert auf der diskursethischen Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas (1981). Burkart betrachtet Public Relations als ein Medium zur Optimierung gesellschaftlicher Verständigungsverhältnisse. Im folgenden werden zuerst einige Grundzüge der Habermasschen Diskursethik erläutert, um sodann näher auf das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit einzugehen. Für Habermas’ Theorie des kommunikativen Handelns spielt der Begriff der Verständigung eine wesentliche Rolle. Verständigung geht dabei weit über reines Verstehen hinaus. Vielmehr meint Habermas mit Verständigung, dass ein echtes Einverständnis zwischen den Kommunikationspartnern erzielt wird, und zwar auf vier Ebenen: Verständlichkeit, Wahrheit, Wahrhaftigkeit/Vertrauenswürdigkeit und Richtigkeit/Legitimität. Diese vier Geltungsansprüche müssen Habermas zufolge erfüllt sein, damit Verständigung zustande kommen kann. Konkreter formuliert bedeutet das, Verständigung setzt voraus,
dass die Kommunikationspartner eine gemeinsame Sprache sprechen, sich also verständlich ausdrücken können; dass die Kommunikationspartner Aussagen über Wirklichkeiten machen, die für beide Seiten als existent und somit wahr gelten; dass die Kommunikationspartner sich gegenseitig für vertrauenswürdig halten, also von dem jeweils anderen annehmen, dass er sie nicht bewusst täuscht; dass die Kommunikationspartner die Interessen des jeweils anderen als richtig bzw. legitim (also den Werten und Normen der jeweiligen Gesellschaft entsprechend) auffassen.
Der Verständigungsprozess verläuft nur dann ungestört, wenn die Verständlichkeit der Aussagen, die Wahrheit der thematisierten Gegenstände (objektive Welt), die Wahrhaftigkeit bzw. Vertrauenswürdigkeit der Kommunikationspartner (subjektive Welt) und die Legitimität des Vorhabens (soziale Welt) nicht angezweifelt werden. Wird auf Basis eines solchen Verständigungsprozesses schließlich Einverständnis zwischen den Partnern erzielt, ist dies eine solide Grundlage für gemeinsames Handeln. Allerdings läuft Kommunikation meist nicht so ungestört ab. Wenn ein oder mehrere Geltungsansprüche nicht als erfüllt wahrgenommen werden, so besteht die Möglichkeit, die Uneinigkeit im Rahmen eines Diskurses zu klären. Ein
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
215
solcher Diskurs im Habermasschen Sinne ist gekennzeichnet durch argumentative Begründungen beider Seiten und spielt sich im besten Falle ab in einer sogenannten idealen Sprechsituation (Habermas 1984, 177), in der alle Teilnehmer die gleiche Chance haben, Sprechakte durchzuführen. Weitere Voraussetzungen für eine ideale Sprechsituation sind Unvoreingenommenheit, Infragestellung von Vorurteilen, Verzicht auf Drohungen sowie Nicht-Persuasivität, d.h. Vorrang für Argumente statt für Rhetorik. Habermas selbst fasst die Merkmale einer idealen Sprechsituation folgendermaßen zusammen (Habermas 2001, 87ff). 1.
Legal Level: No speaker may contradict himself/herself Every speaker who applies predicate F to object A must be prepared to apply F to all other objects resembling A in all relevant respects Different speakers may not use the same expression with different meanings
2.
Rules for Regulating Themes for Discussion Every speaker may assert only what he/she really believes A person who disputes a proposition or norm under discussion must provide a reason for wanting to do so
3.
Rules for Establishing the Force of the Better Argument Every subject with the competence to speak and act is allowed to take part in the discourse Everyone is allowed to question any assertion whatever Everyone is allowed to introduce any assertion whatever into the discourse Everyone is allowed to express his/her attitudes, desires, and needs No speaker may be prevented, by internal or external coercion, from exercising his rights as laid down above.
Abbildung 43: Charakterisierung der idealen Sprechsituation (Habermas 2001, 87ff)
Während sich die Habermassche Diskursethik auf kommunikatives Handeln im allgemeinen bezieht, beschränkt sich Burkart darauf, die Diskursethik auf das Tätigkeitsfeld der Öffentlichkeitsarbeit umzulegen. Burkart (vgl. 1996, 225) geht dabei davon aus, dass es ein Ziel der unternehmerischen Kommunikation sein sollte, Einverständnis herbeizuführen zwischen dem Unternehmen, das seine Interessen durchzusetzen versucht, und jenen Gruppen, die von dieser Interessensdurchsetzung betroffen sind. Somit würden Verständigungsprozesse gerade in der Öffentlichkeitsarbeit (und hier wiederum besonders in Konfliktsituationen61) eine „zentrale, nicht zu unterschätzende Rolle“ (Burkart 2005, 228) spielen. 61
Burkarts Konzept basiert auf der Analyse einer Konfliktsituation. Im Mittelpunkt seiner ursprünglichen Studie stand die Konfliktkommunikation zwischen der Landesregierung Niederösterreichs und protestierenden Bürgern, die gegen den geplanten Bau von zwei Sonderabfalldeponien aktiv geworden waren (vgl. Burkart 2005, 222).
216
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Burkarts Ansatz beruht auf zwei Prämissen (Burkart 2005, 223 ff): Die erste Prämisse betrifft den Umstand, dass sich Unternehmen vor dem Hintergrund von Globalisierung, Risikogesellschaft, Vertrauensschwund und Umweltproblemen vermehrt fragen müssen, ob und wie sie „ihre Ziele gesamtgesellschaftlich verantworten können“. Geld allein sei nicht ausschlaggebend. Vielmehr seien Unternehmen darauf angewiesen, ihr Handeln öffentlich verständlich zu machen, um so eine „Licence to operate“ zu erhalten. Die zweite Prämisse lautet, dass menschliche Kommunikation grundsätzlich auf das „Ziel wechselseitiger Verständigung“ hin angelegt sei. Öffentlichkeitsarbeit sollte daher ihre „kommunikative Grundstruktur“ ernst nehmen (vor allem in einer Risiko- und Konfliktgesellschaft) und sich an den Prinzipien der Verständigung orientieren. Laut Burkart bestehe das Ziel einer verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit im „Gewährleisten eines möglichst ,störungsfrei‘ ablaufenden Kommunikationsprozesses zwischen dem PR-Auftraggeber und den jeweils relevanten Teilöffentlichkeiten“ (Burkart 2005, 229f). Störungsfrei ist der Prozess dann, wenn Einverständnis zwischen den Kommunikationspartnern besteht im Bezug auf die Wahrheit der Fakten, die Vertrauenswürdigkeit der Kommunikatoren und die Legitimität der vertretenen Interessen.
Abbildung 44: Phasen und Teilziele der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit (Burkart 1995, 19)
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
217
Um ein solches Einverständnis zu erzielen, durchläuft der Prozess der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit laut Burkart vier Etappen: Information, Diskussion, Diskurs und Situationsdefinition (vgl. Abbildung 44). 1.
Information
Öffentlichkeitsarbeit muss die definierten Teilöffentlichkeiten mit ausreichenden Informationen zu den relevanten Sachverhalten versorgen. Das VÖA-Konzept hilft Public-Relations-Praktikern dabei, das nötige Informationsangebot zu systematisieren (vgl. Burkart 2005, 230): Es muss den Teilöffentlichkeiten klar werden,
2.
was unter der Sache oder dem Projekt, um das es geht, genau zu verstehen ist. Die Informationen sollten verständlich formuliert sein, Begriffe sollten definiert und die Konsequenzen des Projekts oder Sachverhalts erläutert werden. Ziel ist es, dass die Teilöffentlichkeiten den Behauptungen und Erklärungen des Unternehmens einen hohen Wahrheitsgehalt zugestehen. wer das Unternehmen überhaupt ist und wer im Unternehmen für die Interessen bzw. Pläne verantwortlich ist. Das Unternehmen erläutert sein Selbstbild und seine Absichten. Ziel ist es, eine möglichst hohe Vertrauenswürdigkeit der Organisation sowie ihrer Vertreter zu erreichen. warum die jeweiligen (Unternehmens-)Interessen verfolgt werden. Das Unternehmen wie auch die Teilöffentlichkeiten rechtfertigen ihre Interessen, indem sie dafür Gründe angeben. Diese Gründe sollten auf anerkannten Normen und Werten beruhen. Auf das Für und Wider des Projekts oder Sachverhalts sollte eingegangen werden. Ziel ist es, durch Argumente einen Konsens über die Legitimität der Interessen zu erzielen. Diskussion
Stellt sich in der Informationsphase heraus, dass gewisse Geltungsansprüche in erheblichem Maße von relevanten Teilöffentlichkeiten unter Zweifel gezogen werden, dann gilt es Burkart zufolge, eine Diskussionsphase zu initiieren. Das Unternehmen bzw. der PR-Auftraggeber solle sich „dort, wo es Kritik und/oder Erklärungsbedarf gibt, nicht kommunikativ ,verschlossen’“ zeigen, sondern sich diesen Diskussionen stellen und auch „organisatorische Voraussetzungen dafür schaffen, damit ein Kontakt zwischen Unternehmen und Teilöffentlichkeit(en) möglich wird“ (Burkart 2005, 233). Zur Durchführung der Diskussionsphase gibt es freilich verschiedene Möglichkeiten: Burkart denkt vor allem an Medienarbeit, aber auch Experten-
218
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
hearings, Diskussionsabende, Bürgerversammlungen, Sprechstunden mit Projektplanern und Online-Dialoge kommen in Frage. 3.
Diskurs
Sofern es im Anschluss an die Diskussionsphase weiter strittige Punkte gibt, schlägt das VÖA-Konzept vor, einen Diskurs einzuleiten. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Teilöffentlichkeiten bestimmte Aussagen des Unternehmens weiterhin für falsch erachten, Verheimlichungen oder Ungerechtigkeiten vermuten oder glauben, selbst bessere Lösungen zu haben als das Unternehmen. Im Rahmen des Diskurses gilt es nun, den Wahrheitsbeweis von Sachurteilen anzutreten (z.B. durch Gutachten) und die umstrittenen Interessen oder Entscheidungen durch die Angabe von wertgestützten Gründen zu rechtfertigen (vgl. Burkart 2005, 334). Zur Durchführung der Diskussionsphase setzt Burkart auf Medienarbeit, aber auch auf face-to-face-Auseinandersetzungen. Erfolg in dieser Phase besteht dann, wenn die Zweifel der Teilöffentlichkeiten so weit wie möglich aus der Welt geschafft bzw. zumindest minimiert wurden. 4.
Situationsdefinitionsphase
In dieser abschließenden Phase wird festgehalten, worauf man sich bereits verständigt hat. Schrankenloses Einverständnis in allen drei Ebenen (Wahrheit, Vertrauenswürdigkeit, Legitimität) wird es in der Regel in der Praxis kaum geben. Das VÖA-Konzept hilft jedoch zumindest festzuhalten, in welchen Punkten man sich noch nicht einig ist – auch das sei laut Burkart (2005, 336) bereits eine „ganz wesentliche Etappe in der Bewältigung sozialer Konflikte“. Auch wenn Burkart die Praxisrelevanz seines Ansatzes betont – anzumerken bleibt doch der hohe normative Anspruch des VÖA-Konzeptes. Im Rahmen des VÖA-Prozesses wird nicht das bedingungslose Durchsetzen der jeweiligen Interessen angestrebt, sondern die am Verständigungsprozess Beteiligten versuchen, ihre individuellen Handlungspläne auf der Grundlage einer gemeinsamen Situationsdefinition aufeinander abzustimmen. Dies sollte im besten Falle in einer idealen Sprechsituation stattfinden.
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
219
Diskussion des Konzepts der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Burkart stützt sein Konzept auf verschiedene Prämissen. Eine davon lautet, dass wirtschaftliches Handeln nicht von Geld allein bestimmt wird, sondern auch von der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die Unternehmen heute verstärkt demonstrieren müssen. Damit trifft Burkart – freilich ohne das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung explizit zu nennen – den Kern des Nachhaltigkeitsgedankens. Folglich gehe ich davon aus, dass auch für die Nachhaltigkeitskommunikation das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit theoretische Anknüpfungspunkte beinhaltet. Die Idealvorstellung von verständigungsorientierter Kommunikation und eines vollständigen Konsenses auf allen drei Ebenen kommunikativer Geltungsansprüche wird in der Realität der Nachhaltigkeitskommunikation kaum umsetzbar sein. Was der Ansatz von Burkart aber durchaus leistet, ist die Formulierung einer verständigungsorientierten Zielvorstellung und das Aufzeigen von Wegen zur Zielerreichung. Aus normativer Sicht könnte das Erzielen eines Einverständnisses zwischen Unternehmen und Zielgruppen im Hinblick auf das jeweilige Nachhaltigkeitsthema als ein Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation definiert werden. Prozesse der Nachhaltigkeitskommunikation könnten (so weit wie möglich) als Verständigungsprozesse angelegt werden. Darüber hinaus kann das VÖA-Konzept auch Input beisteuern zum Umgang mit Konfliktsituationen, die ja gerade im Kontext der Nachhaltigkeitskommunikation oftmals eine Herausforderung bedeuten (vgl. Kapitel 3.4.7). Habermas’ Diskursethik und Burkarts VÖA-Konzept zufolge können Konflikte (bzgl. der Wahrheit der Behauptungen, der Vertrauenswürdigkeit der Kommunikatoren/Unternehmen und der Legitimität der Interessen) durch Argumente durchaus gemildert oder sogar beseitigt werden. Der VÖA-Ansatz liefert konkrete Ansatzpunkte, wie Praktiker möglichen Konflikten begegnen und sich darauf vorbereiten können. Der Ansatz hilft vor allem, systematisch herauszufinden, wo noch Uneinigkeit zwischen Unternehmen und Zielgruppen besteht. Zur näheren Erörterung bietet sich ein Beispiel an: Nehmen wir an, ein Energiekonzern möchte vermehrt auf erneuerbare Energien setzen und plant einen Windpark. Den Gegnern dieses Projekts könnte eine Reihe von Kritikpunkten in den Sinn kommen. Nachhaltigkeitskommunikatoren werden sich dem VÖA-Konzept zufolge beispielsweise darauf einstellen müssen,
dass Zielgruppen den Wahrheitsgehalt der Unternehmensaussagen hinterfragen: Zum Beispiel könnten sie anzweifeln, ob es stimmt, dass die Wind-
220
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs räder keinen großen Lärm verursachen, dass Tiere dadurch nicht gefährdet sind etc. dass Zielgruppen den involvierten Personen (Unternehmen, Kommunikatoren, Investoren, Politikern etc.) Misstrauen entgegenbringen. Zum Beispiel könnten Politikern Bestechlichkeit oder populistische Motive vorgeworfen werden; dem Unternehmen könnte vorgeworfen werden, dass es sich im Grunde nicht für Aspekte der Nachhaltigkeit interessiert; Gutachtern könnten Inkompetenz oder Einseitigkeit vorgeworfen werden. dass Zielgruppen die Richtigkeit von Windenergie überhaupt anzweifeln. Zum Beispiel könnten die hohen Kosten ins Spiel gebracht werden, der vergleichsweise niedrige Output an Strom, die Vorzüge der Solarenergie oder Wasserkraft etc.
Sind dem Kommunikationspraktiker solche möglichen Zweifel rechtzeitig bewusst, kann er sich bereits in der Planungsphase Argumente zurechtlegen und bestimmte Zielgruppen frühzeitig und gezielt mit den relevanten Informationen versorgen. Zum Beispiel könnte schon im Vorfeld ein Experte für erneuerbare Energien Interviews in Zeitungen geben, um so das öffentliche Meinungsklima zu Windenergie positiv zu beeinflussen. Neben der Konfliktträchtigkeit des Themas bereitet in der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen häufig auch die Tatsache Schwierigkeiten, dass die Zielgruppen den Botschaften wenig Glaubwürdigkeit schenken, nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Beispiele von Imagekosmetik und Greenwash in den vergangenen Jahren (vgl. Kapitel 3.4.8). Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit setzt sich ebenfalls mit Problemen der Glaubwürdigkeit des Unternehmens selbst und der Legitimität der Interessen auseinander. Statt Glaubwürdigkeitsprobleme einfach hinzunehmen, schlägt Burkart vor, sich aktiv mit ihnen auseinander zu setzen. Um zu wechselseitigem Einverständnis zu gelangen, sollten Zielgruppen richtiggehend ermuntert werden, die Legitimität der unternehmerischen Interessen zu hinterfragen und anzuzweifeln. In Diskussionen oder gegebenenfalls in einem Diskurs sollten Unternehmen wie auch Vertreter der Zielgruppen die Chance bekommen, ihre diesbezüglichen Argumente darzulegen. Eine Zieldimension des Konzepts der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit ist es, den Wissensstand der Zielgruppen, auch zu komplexen Themen, zu erhöhen. Wie Nachhaltigkeitskommunikation zielt demnach auch das VÖA-Konzept unter anderem darauf ab, dass die Zielgruppen eine Botschaft verstehen und ihr Wissen dadurch erweitert wird. Die Informationen hierzu sollten Burkart zufolge verständlich aufgebaut sein. Wie man komplexe Infor-
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
221
mationen für Zielgruppen verständlich aufbereiten kann, dazu trifft Burkart allerdings keine konkreten Aussagen. Bisher gibt es nur wenig Forschung, die Nachhaltigkeitskommunikation auf ihre Verständigungsorientierung hin untersucht. Bekannt ist mir ein Paper von Reynolds/Yuthas (2008) im „Journal of Business Ethics“. Die Autoren untersuchen, in wieweit ausgewählte Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Global Reporting Initiative, ISO, EMAS etc.; vgl. Kapitel 3.5.2.2) die Habermasschen Geltungsansprüche erfüllen, und in wieweit Nachhaltigkeitsberichterstattung im Kontext einer idealen Sprechsituation stattfindet. Aus normativer Sicht formulieren die Autoren: Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte Teil werden eines “ongoing discourse between a corporation and its stakeholders, rather than oneway communication about past performance. […] Making stakeholders an intrinsic part of the discourse rather than peripheral to the process, and engaging them in discourse that is open, fair, and democratic would move society toward moral corporate discourse“ (Reynolds/Yuthas 2008, 62).
In ihrer Analyse zeigen Reynolds/Yuthas (vgl. 2008, 54ff), dass die gängigen Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung die Erfüllung der vier Habermasschen Geltungsansprüche tatsächlich bis zu einem gewissen Grad garantieren können: Die Standards bieten Aufstellungen darüber, welche nachhaltigkeitsrelevanten Daten für Stakeholder relevant sind und veröffentlicht werden sollen. Durch standardisierte Darstellungsformen der Daten kann die Verständlichkeit erhöht werden. Der Wahrheitsanspruch wird berücksichtigt, indem die Standards Formen der externen Überprüfung der Daten (Auditierung) vorschreiben. Darüber hinaus schreiben manche Standards den Unternehmen vor, dass sie Nachhaltigkeitsdenken nachweislich in ihre Strategien, Zielsetzungen und Geschäftsprozesse einbeziehen müssen, was die Vertrauenswürdigkeit erhöhe. Schließlich müssen Unternehmen den meisten Standards zufolge auch darlegen, warum sie sich im Bereich Nachhaltigkeit engagieren und was sie sich davon versprechen. Damit sei das Kriterium der Legitimität zu einem bestimmten Grad erfüllt. Weniger hilfreich seien die Standards, was die Erfüllung einer idealen Sprechsituation anbelange (vgl. Reynolds/Yuthas 2008, 56ff). Die Standards schreiben zwar vor, dass Unternehmen Stakeholdererwartungen und -interessen in der Berichterstattung berücksichtigen sollen. Eine wirklich demokratische Teilnahme der Stakeholder ist aber nicht vorgesehen und wohl auch deshalb kaum möglich, weil in der Praxis – aus zeitlichen, räumlichen und finanziellen Gründen – gar nicht alle Stakeholder in den Berichterstattungsprozess integriert werden können. In der Regel gesteht das Unternehmen den Aussagen und Meinungen von bestimmten Stakeholdergruppen auch mehr Gewicht zu als den
222
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Aussagen anderer. Ebenso spiegeln sich meist unterschiedliche Machtverhältnisse im Berichterstattungsprozess wider, was einer idealen Sprechsituation entgegenläuft. Als eine mögliche Lösung für dieses Problem sehen Reynolds/ Yuthas (vgl. 2008, 61) anonymisierte Kommunikationsformen, die zum Beispiel Machtunterschiede zwischen Top-Management und Mitarbeitern ausschalten helfen könnten. Aus empirischer Sicht wurde Verständigungsorientierung innerhalb der Nachhaltigkeitskommunikation bisher kaum betrachtet. Als Beispiel kann nur eine Studie von Unterman und Bennett (vgl. 2004, 702) genannt werden, die das online Diskussionsforum von Shell („Tell Shell“) daraufhin untersucht haben, inwieweit eine ideale Sprechsituation nach Habermasschen Kriterien gegeben sei. Ihre positive Schlussfolgerung lautet: “[The use] of the Internet to host stakeholder debates regarding corporate responsibilities seems to have the potential in practice to enhance the democratic determination of these responsibilities by realizing some of the counterfactual potential of a theoretical ideal speech situation debate.“
Wesentlich kritischer steht Cox (vgl. 2006, 148 ff) aus Sicht der Umweltkommunikation dem Konzept der Verständigungsorientierung gegenüber. Cox führt unter anderem folgende Schattenseiten von Verständigungsprozessen auf: 1.
2.
3.
4.
5.
Die einbezogenen Stakeholder repräsentieren häufig nicht die tatsächlich betroffenen Gruppen, sondern sind oft stark involvierte Individuen mit anderen Einstellungen als jene der breiten Öffentlichkeit. Machtunterschiede beeinträchtigen den Verständigungsprozess. Beispielsweise können Durchschnittsbürger nur schwer ihre Interessen verteidigen, wenn Unternehmensvertreter viel besseres Verhandlungsgeschick und bessere Kontakte zur Politik haben. Der Druck, Verständigung zu erzielen, kann dazu führen, dass sich die Parteien nur auf den allerkleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Die endgültige Entscheidung wird möglicherweise in andere Foren verlegt bzw. zu anderer Zeit stattfinden. Das Ziel, Verständigung zu erreichen, kann dazu führen, dass einzelne Teilnehmer Uneinigkeiten verhindern wollen, Kontroversen ausweichen und sich daher rasch einverstanden erklären mit möglicherweise für sie unbefriedigenden Lösungen. Persönliche Werte der verschiedenen Teilnehmer, die miteinander unvereinbar sind, können ein Übereinkommen schlichtweg unmöglich machen. Verständigungsorientierung funktioniert nur sehr schwierig, wenn die Themen tiefgreifende persönliche Werte involvieren.
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
223
Probleme birgt das VÖA-Konzept auch, wenn von dem Sachverhalt oder Projekt erst künftige Generationen betroffen sein werden, wie es gerade im Hinblick auf das Nachhaltigkeitsleitbild häufig der Fall ist. Habermas hat dieses Problem erkannt und schlug als Lösung sogenannte „advokatorisch durchgeführte Diskurse“ vor (Habermas 1983, 104). Um die Interessen auch von künftig Betroffenen in den Verständigungsprozess mit einzubeziehen, sollten Advokaten für sie sprechen. Die Auswahl solcher Advokaten ist allerdings problematisch.
4.6.2 Reputation Management und Reputationsrisiken moderner Organisationen nach Eisenegger Reputation62 gilt heute als eines der Kernkonzepte von Public Relations. In einer Zeit, in der Produkte und Dienstleistungen immer austauschbarer werden, wird eine gute Unternehmensreputation zu einem wichtigen Erfolgsfaktor für Unternehmen. Zahlreiche Studien haben bereits gezeigt, dass eine gute Reputation auf mehreren Ebenen positiv wirken kann. Positive Reputationswerte können unter anderem helfen,
das Verhalten von Kunden und Konsumenten wie auch deren Loyalität positiv zu beeinflussen (vgl. zum Beispiel Davies/Chun 2002); qualifizierte, motivierte Mitarbeiter zu bekommen und im Unternehmen zu halten (vgl. zum Beispiel Cravens/Oliver 2006); finanzielles Kapital aufzustellen (vgl. zum Beispiel Kiousis/Popescu/ Mitrook 2007).
Im deutschsprachigen Raum zählt Mark Eisenegger zu den führenden Forschern im Bereich des Reputationsmanagements. Eisenegger (2005, 44) konstatiert, dass „PR im Kern als Reputationspflege bzw. Reputationsmanagement zu konzipieren“ sei. Er unterscheidet zwischen funktionaler und sozialer Reputation und beschäftigt sich vor allem mit Reputationsrisiken, die aufgrund von „medienvermittelter Kommunikation“ wie auch „moralischer Aufladung ökonomischen Handelns“ (Eisenegger/Imhof 2005, 239) auftreten können. Da dies vor dem Hintergrund meiner Arbeit interessant erscheint, wird nun näher auf Eiseneggers Verständnis des Reputationsbegriffs und auf seine Analysen eingegangen. 62
In den Kapiteln 2.7.3 und 3.4.3 wurde anstatt des Reputationsbegriffes der Begriff „Image“ verwendet. Näher auf die feinen Unterschiede beider Konzepte einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Ich möchte daher die Begriffe „Image“ und „Reputation“ in dieser Arbeit als inhaltlich äquivalent behandeln. Für eine intensivere definitorische Auseinandersetzung siehe Eisenegger (2005, 19 ff).
224
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Für Eisenegger/Imhof (2005, 240) stellt Reputation eine moderne Form der Anerkennung dar. Während früher der Begriff der Ehre im Vordergrund stand, die sich aus der Zugehörigkeit zu sozialen Kategorien wie Stand, Klasse oder Clan ergeben hatte, wird in modernen Gesellschaften Anerkennung basierend auf andere Formen der Rollenerwartungen reguliert. Ein Akteur erwirbt heute Reputation, indem er einerseits „rollenspezifische Leistungsziele und -normen“ erfüllt und andererseits „gesellschaftlichen Bewertungsmaßstäben“ genügt (Eisenegger/Imhof 2005, 142). Was so abstrakt klingt, macht Eisenegger anhand eines Begriffspaares klar. Er unterscheidet zwischen funktionaler Reputation und sozialer Reputation (Eisenegger 2005, 37f; Eisenegger/Imhof 2005, 241f). Funktionale Reputation orientiert sich daran, wie gut ein Akteur, zum Beispiel ein Unternehmen, seine systemspezifischen Funktionsziele erfüllt. Oder anders ausgedrückt: Wie gut Unternehmen die an sie gestellten funktionalen Erwartungen erfüllen. Indikator dafür ist die Fachkompetenz, die dem Unternehmen zugeschrieben wird, sowie ein entsprechend regelgeleitetes Handeln. Soziale Reputation hingegen bezieht sich darauf, wie gut das Handeln einer Organisation mit moralischen Ansprüchen, Normen und Werten einer Gesellschaft übereinstimmt. Oder anders ausgedrückt: Wie gut Unternehmen die an sie gestellten moralischen Erwartungen erfüllen. Reputation wird in diesem Sinne zum Indikator für moralische Integrität. Eisenegger/Imhof (2005, 242) erkennen einen engen Zusammenhang zwischen dem Reputationsbegriff und dem Begriff des Vertrauens. Akteure mit guter Reputation gelten üblicherweise als vertrauenswürdiger. Damit sei Reputation als „Ruf der Vertrauenswürdigkeit“ zu fassen. Vertrauen erringen Akteure dann, wenn sie verlässlich die Erwartungen wichtiger Bezugsgruppen erfüllen. In den Worten von Eisenegger/Imhof (2005, 243): „Erfüllte Erwartungen produzieren Vertrauen, Vertrauen produziert Reputation. […] Wenn Institutionen, Organisationen oder Personen in der Fremdwahrnehmung über Reputation verfügen, dann gehen die Anerkennung zusprechenden Dritten von erwartbaren Handlungen in funktionaler und sozialer Hinsicht aus. In funktionaler Hinsicht wird erwartet, dass Reputationsträger ihren Leistungsauftrag erfüllen und in sozialer Hinsicht wird davon ausgegangen, dass die Reputationsträger dabei gesellschaftliche Normen und Werte einhalten. Generell wird Glaubwürdigkeit erwartet, und zwar derart, dass Worten entsprechende Taten folgen und dass vermittelter Eindruck und tatsächliche Situation im Einklang sind.“
Unter dem Aspekt der Komplexitätsreduktion erfüllt das Konzept der Reputation in modernen Gesellschaften drei Funktionen (Eisenegger/Imhof 2005, 244): Erstens können Individuen jene Akteure, mit denen sie ihre Handlungspläne verwirklichen wollen, einfacher aussuchen. Zweitens ersparen sich die Indi-
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
225
viduen den Zwang, sich ständig über die Handlungen des Reputationsträgers informieren zu müssen, weil sie ihm ja einen Vertrauensvorschuss geben. Drittens ist Reputation ein wichtiger Mechanismus zur Legitimation von Macht und Hierarchien. Nur wer Anerkennung genießt, kann auch dauerhaft Machtpositionen erfüllen. Jedoch wer einmal Macht und Reputation besitzt, kann sie rasch wieder verlieren. Das gilt vor allem für Unternehmen, die im besonderen Fokus der Medien stehen. Im folgenden wird nun skizziert, welche Zusammenhänge Eisenegger/Imhof (2005, 255 ff) zwischen unternehmerischen Reputationsrisiken und medialisierter Kommunikation sehen: Die Ausbildung eines ausdifferenzierten Mediensystems, das sich von politischem Einfluss weitgehend abgekoppelt hat, hat laut Eisenegger/Imhof auch die Selektions- und Interpretationslogiken medienvermittelter Kommunikation verändert. Neben der Veränderung der Nachrichtenwerte hin zu verstärkter Personalisierung, Prominenzierung und Konfliktstilisierung streichen die Autoren zwei mediale Trends besonders hervor, die beide aus dem Blickpunkt dieser Arbeit von Interesse sind: Erstens erkennen Eisenegger/Imhof einen steigenden Trend zur Skandalisierung in der Medienberichterstattung, zweitens einen Trend zur moralischen Aufladung der Wirtschaftsberichterstattung. Betrachtet man beide Entwicklungen zusammen, so wird klar, dass Unternehmen Gefahr laufen können, in eine „Moralfalle“ (Eisenegger/Imhof 2005, 255) zu tappen. Sie verspüren erhöhten gesellschaftlichen Legitimationsdruck und setzen deshalb verstärkt auf Kommunikationsstrategien, „die auf die Moral zur Erzielung einer positiven Reputation“ (Eisenegger/Imhof 2005, 255) zielen. Diesen Kommunikationsstrategien folgend verpflichten sie sich zur Einhaltung bestimmter sozialmoralischer Prinzipien. Hier wiederum können Journalisten Lunte riechen. Den Trends zu Skandalisierung und moralischer Aufladung der Wirtschaftsberichterstattung folgend, versuchen sie, unternehmerische Verstöße gegen selbst auferlegte Verhaltensregeln an den Pranger zu stellen. Werden sie fündig und entdecken Diskrepanzen zwischen den selbst auferlegten sozialmoralischen Kriterien und der tatsächlichen Praxis, so schnappt die „Moralfalle“ zu. Nicht nur für das betroffene Unternehmen selbst führt das zu Reputationsrisiken. Der Skandal kann auch auf die ganze Branche überschwappen63. Denn Eisenegger/Imhof (2005, 256) stellen fest, dass „Reputationsrisiken einzelner Organisationen rasch auf vergleichbare Organisationen übergreifen“ und auch dort zu Glaubwürdigkeitsverlusten sowie Vertrauenseinbußen führen können. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Reputation ein höchst fragiles Gut ist.
63
Man denke etwa an das Beispiel Rinderwahn. Aufgrund einzelner Krankheitsfälle bei Rindern ging der gesamte Fleischkonsum in Europa vorübergehend zurück.
226
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Diskussion des Konzepts des Reputation Managements und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Eiseneggers Ausführungen zum Thema Reputationsmanagement erscheinen mir aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation deshalb interessant, weil sie einen Erklärungsansatz dafür liefern, warum sich Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation engagieren. Unternehmen haben erkannt, dass sich die Erwartungen vieler Stakeholder heute nicht mehr auf funktionale Leistungsaspekte allein beschränken, sondern auch „sozialmoralische Bewertungsmaßstäbe“ angelegt werden. Eisenegger bringt zwar den Ausdruck der Nachhaltigkeit nicht direkt ins Spiel, sehr wohl aber verwandte Begriffe wie Good Citizenship, Sozialverträglichkeit, Corporate Governance, Transparenz und moralisches Marketing (vgl. Eisenegger/Imhof 2005, 254). Der Ausdruck der Sozialmoral, wie ihn Eisenegger verwendet, kann dahingehend interpretiert werden, dass von Unternehmen heute zunehmend sozial verantwortungsvolles, ökologisch verträgliches und ethisches Handeln – sprich nachhaltiges Handeln – erwartet wird. Unternehmen kommunizieren aktiv über Nachhaltigkeitsthemen, weil die gesellschaftlichen Erwartungen in diesem Bereich gestiegen sind. Nachhaltigkeitskommunikation soll sich positiv auf die soziale Reputation des Unternehmens auswirken, und damit indirekt auch zu mehr Glaubwürdigkeit und besseren Vertrauenswerten beitragen. Der Ansatz des Reputationsmanagements liefert Praktikern damit Argumente, um die Legitimität von Nachhaltigkeitskommunikation unternehmensintern und vor Kapitalgebern zu begründen. Gleichzeitig hilft das Konzept des Reputationsmanagements zu argumentieren, dass Nachhaltigkeitskommunikation kein „Wundermittel“ ist und Kommunikation über funktionale Unternehmensleistungen keineswegs ersetzen kann. Auch für die Erfolgsmessung der Nachhaltigkeitskommunikation ergeben sich durch die Unterscheidung in funktionale und soziale Reputation Ansatzpunkte. In bestimmten Bereichen mag sich Nachhaltigkeitskommunikation positiv auf die funktionale Reputation auswirken (zum Beispiel wenn es sich um nachhaltigkeitsrelevante Aspekte eines bestimmten Produktes handelt). In der Regel sind aber positive Auswirkungen durch Nachhaltigkeitskommunikation eher im Bereich der sozialen Reputation zu erwarten. Demnach wird im Rahmen der Evaluation von Nachhaltigkeitskommunikation die Betrachtung der sozialen Reputation im Vordergrund stehen. Schlussendlich bietet Eiseneggers Ansatz auch wichtigen Input bezüglich der Risiken, die mit der Praxis von Nachhaltigkeitskommunikation verbunden sind. Wie Eisenegger/Imhof in ihren Ausführungen zur „Moralfalle“ zeigen,
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
227
kann auch gut gemeintes Engagement im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation durchaus zu einem Schuss ins Knie werden. Dann nämlich, wenn die festgelegten und veröffentlichten Zielsetzungen und Verhaltensrichtlinien nicht eingehalten werden – sei es weil sie zu hoch angesetzt wurden oder weil Fehler passierten. Für Journalisten wird eine solche Diskrepanz zwischen Ankündigung und tatsächlichem Ergebnis zu einem leicht gefundenen Fressen. In diesem Fall wird Nachhaltigkeitskommunikation eher zu Glaubwürdigkeits- bzw. Vertrauensverlusten und in der Folge auch zu Reputationsverlusten führen.
4.6.3 Themen von öffentlichem Interesse (“Issues”) und Issues Management „Das Neue frühzeitig zu erkennen und zu gewichten ist eine der vornehmsten Aufgaben der PR“, stellte Avenarius (1995, 149) schon vor über zehn Jahren fest. Public Relations diene als ein Frühwarnsystem, das gesellschaftliche Themen, Meinungsumschwünge, Änderungen in Lebensstilen, Wertewandel sowie deren Auswirkungen auf das Unternehmen überwache. Einen besonderen Stellenwert haben dabei Themen von öffentlichem Interesse, die hohes Konfliktpotenzial besitzen und gegensätzliche Standpunkte zulassen. Solche Themen werden in der Literatur als „Issues“ bezeichnet (vgl. Schaufler/Signitzer 1993, 310). Da Nachhaltigkeitsthemen in der jüngsten Vergangenheit relativ häufig zu solchen Issues geworden sind, wird nun das Konzept des Issues Managements einer näheren Betrachtung unterzogen. Zuerst werden verschiedene Arten von Issues und deren Entstehung betrachtet. In der Folge wird Issues Management als Aufgabenfeld definiert und die damit verbundenen Prozesse und eingesetzten Instrumente werden skizziert. Wie wird ein Thema zu einem Issue? Mit dieser Frage haben sich mehrere Autoren beschäftigt. Ich möchte an dieser Stelle die Ausführungen von Ingenhoff (2004, 42ff) und Röttger (2001, 18ff) heranziehen. Sie unterscheiden vier Stufen, die Themen öffentlichen Interesses durchlaufen. In der ersten Stufe erkennt eine Gruppe von Personen ein Problem und spricht es öffentlich an. In der zweiten Stufe („Legitimierung des Issues“) müssen die Aufbringer des Themas einer breiten Öffentlichkeit plausibel erklären, warum das Thema von gesellschaftlicher Relevanz ist. Wenn das gelingt, beginnt bereits die dritte Stufe, nämlich die „öffentliche Diskussion des Issues“. In dieser Phase kommt den Medien und einer polarisierenden Berichterstattung eine wichtige Stellung zu. In der vierten Stufe schließlich kommt es zur Lösung des Problems. Schaufler/Signitzer (1993, 310 f) unterteilen Issues nach ihren Intensitätsebenen. Sie unterscheiden zwischen aktuellen Issues, aufkommenden Issues und gesellschaftlichen Trends: Aktuelle Issues sind bereits fixer Bestandteil aktueller
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Medieninhalte. Die an ihrer Lösung beteiligten Diskussionsparteien haben ihre Standpunkte bezogen und versuchen, diese über die ihnen zugänglichen Kanäle in einer gesetzlichen Regelung zu realisieren. Unternehmen und Organisationen, die erst jetzt in die Diskussion eingreifen, wo das Thema bereits kurz vor seiner (politischen) Lösung steht, haben nur mehr geringe Chancen, ihre Interessen durchzusetzen. Sie sind eher damit beschäftigt, schlimme Auswirkungen zu verhindern („Krisenmanagement“). Aufkommende Issues hingegen zeichnen sich erst ab und lassen vermuten, dass sie innerhalb der nächsten fünf Jahre an Aktualität gewinnen. Die betroffene Organisation mag zu dem jeweiligen Thema zwar bereits Überlegungen angestellt haben, aber es bedarf noch ausgiebiger Informationsrecherche, um den eigenen Standpunkt zu formulieren. Wer in diesem Stadium, in dem oft auch Medien polarisierend auftreten, mit Argumenten aufwartet und akzeptable Lösungsvorschläge präsentiert, hat in der Regel einen großen Anteil an der Lösung des Problems. Wer sich an der öffentlichen Diskussion beteiligt, dessen Standpunkt wird in der letztendlichen Entscheidung eher berücksichtigt. Gesellschaftliche Trends schließlich bezeichnen langfristige gesellschaftliche Entwicklungen im Verlauf von rund 20 Jahren, die sich in Veränderungen von Einstellungen und Verhaltensweisen, aber auch in ethischen Maßstäben manifestieren. Derartige Prozesse sind oft schwer identifizierbar und haben zumeist auch nur mittelbaren Einfluss auf unternehmerische Strategien. Sie sollten aber in die Zukunftsperspektiven einer Organisation mit einbezogen werden. Verschiedene Autoren (Lütgens 2001, 65; Ingenhoff, 2004, 46) bilden die zeitliche Entwicklung eines Issues anhand eines Lebenszyklus-Modelles ab. In Abbildung 45 ist der Ansatz von Ingenhoff (2004) dargestellt. Sie bildet die Anzahl interessierter Personen bzw. Gruppen und den damit verbundenen Druck der Öffentlichkeit auf der Y-Achse ab, die Zeit auf der X-Achse. Mit Fortschreiten der Zeit wachse der Druck der Öffentlichkeit. Das Issue, das anfangs nur potenziell vorhanden war, durchläuft Phasen von aufkommend, über aktuell, kritisch bis hin zu latent. In jeder dieser Phasen könne es aber bereits zu einer Lösung kommen, welche die Abschwungphase des Issues einleitet. Ingenhoff (2004, 469) betont in ihrem Modell auch: Je mehr Zeit vergeht, desto größer werde der Formalisierungsgrad der Lösungsvorschläge. Dies bedeute wiederum, dass die Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten des betroffenen Unternehmens sinken.
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations Anzahl Interessierter/ Druck der Öffentlichkeit
Latenzphase
229
Lösung Lösung Lösung Lösung Emergenzphase Aufschwungphase
Reifephase
Abschwungphase Zeit
Einzelereignis
Trend
Anliegen öffentliches potenzieller konkreter Anspruchs- latenter Anliegen Anspruch Anspruch befriedigung Anspruch
Direkt Betroffene Intellektuelle, Wissenschafter, Aktivisten Medien, Politiker Anspruchsgruppen Zu n e h m e n d e F o rm a l i s ie ru n g Ab n eh m e n d e E i n f l u s sm ö g l i c h k e i t
Abbildung 45: Lebenszyklusmodell von Issues (Ingenhoff 2004, 46 in Anlehnung an Köcher/Birchmeier 1992)
Dyllik (vgl. 1989, 243 f) entwirft in seiner Habilitation ein Lebenszyklusmodell öffentlicher Anliegen, welches sich konkret auf Umweltereignisse bzw. Nachhaltigkeitsthemen bezieht. Auch er unterscheidet Latenz-, Emergenz-, Aufschwung-, Reife-, und Abschwungphase: In der Latenzphase treten erste Berichte über Umweltereignisse in Spezialpublikationen auf, die vor allem von Experten gelesen werden. Die Experten zeigen Interesse an der Problematik und verfolgen deren Entwicklung weiter (Phase der Problemerkennung). Für Unternehmen, die sich bereits in dieser Phase proaktiv für die Lösung des Issues einsetzen (zum Beispiel weil sie es für ihre moralische Verpflichtung halten), bringt das Engagement kaum Wettbewerbsvorteile. Umgekehrt erhöhen sich für Unternehmen, die sich des Issues nicht annehmen, auch nicht die Kosten. In der Emergenzphase vertieft sich die Diskussion über die Ereignisse, und Forschungsprogramme, Tagungen und Kongresse werden initiiert. Gesellschaftliche Interessensgruppen widmen dem Issue zunehmende Aufmerksamkeit, und es formen sich erste gesellschaftliche Erwartungen über den Umgang mit dem Anliegen (Phase der Problemdefinition). In dieser Phase können Betriebe zu Pionieren im Hinblick auf den Umgang mit dem jeweiligen Issue werden. Zum Beispiel haben sich Unternehmen wie Body Shop und Ben & Jerry’s schon früh im Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit engagiert, was ihnen langfristige Imagevorteile einbrachte. In der Aufschwungphase entwickelt sich die anfänglich eher wissenschaftliche Diskussion zu einer politischen Auseinandersetzung in
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
der Öffentlichkeit. Die Berichterstattung in den Massenmedien nimmt zu. Das Problem strebt seiner eigentlichen Regelung zu (Phase der Zielbestimmung). In dieser Phase müssen Unternehmen um eine Vorreiterrolle kämpfen. Betriebe, die sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit dem Issue beschäftigt haben, laufen Gefahr, von NGOs, Politikern, Medien oder Konsumenten an den Pranger gestellt zu werden. In der Reifephase nehmen politische Fraktionen Stellung, und politisch-administrative Regelungen werden getroffen. Auch kleine Unternehmen müssen sich mit dem Issue beschäftigen. In dieser Phase wenden sich die Massenmedien bereits wieder anderen, noch „heißeren“ Themen zu (Phase der Problemlösung). Mit der Durchsetzung der neuen Regelung sowie seiner Kontrolle gelangt das Anliegen in seine Abschwungphase, die öffentliche Aufmerksamkeit ist rückläufig (Phase des Vollzugs). Das bedeutet allerdings nicht, dass das Issue aus unternehmerischer Sicht vom Tisch ist. Vielmehr wurde die Berücksichtigung des Issues in der unternehmerischen Tätigkeit zur Selbstverständlichkeit64. Freilich stellt ein solcher Issue-Lebenszyklus nur ein idealtypisches Modell dar. In seiner Analyse von Nachhaltigkeits-Issues betont Hockerts (2001, 16) mögliche Abweichungen von der Lebenszyklus-Kurve (vgl. Abbildung 46). Zum Beispiel können Unternehmensvereinigungen möglicherweise verhindern, dass Issues in eine Aufschwungphase geraten, indem sie sich freiwillige Selbstverpflichtungen auferlegen. Bevor etwa die Europäische Union Gesetze zur Rücknahme von alten Elektrogeräten (wie Kühlschränken, Waschmaschinen) erlassen konnte, verpflichteten sich Unternehmensverbände schon freiwillig zu deren Entsorgung. Hockerts geht auch davon aus, dass bestimmte Issues nach der Abschwungphase wieder auferstehen können. Dies sei zum Beispiel der Fall gewesen in der Sozialberichterstattung. Nachdem diese bereits Anfang der 1980er Jahre nach einem kurzen Hype wieder zurückgegangen war, taucht sie jetzt im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung wieder auf.
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Ein Beispiel dafür ist das Thema der Gleichberechtigung bei der Mitarbeitersuche. Heute wird von Unternehmen erwartet, dass sie Frauen wie Männer und auch Minoritäten gleich behandeln. Diskriminierungen laufen Gefahr, an die Öffentlichkeit zu gelangen.
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
231
Abbildung 46: Mögliche Lebenszyklus-Entwicklungen von Nachhaltigkeits-Issues (Hockerts 2001, 16)
Aus den obigen Ausführungen geht hervor, wie wichtig es für Unternehmen sein kann, die Entwicklung von Issues und deren Auswirkungen auf das Unternehmen zu verfolgen. Eine solche „proaktive Auseinandersetzung mit (potenziell) kritischen Themen“ (Röttger 2001, 12) im Sinne eines „Frühwarnsystems“ wird als Issues Management bezeichnet. Merten (2001, 41) definiert den Begriff folgendermaßen: „Issues Management ist die strategisch geplante Entdeckung, Analyse und Behandlung von unvorhersehbar, aber laufend eintretenden Bedingungen mit latenten öffentlichen Wirkungspotentialen in Form von neuen Schlagworten, Ideen, Themen, Ereignissen oder Problemen, die von den Medien thematisiert werden und in dem Maß soziale Wucht und temporale Dynamik entfalten, in dem handlungsrelevante Bezüge zu Personen, Organisationen und Institutionen unterstellt werden.“
Issue Manager operieren an der „Nahtstelle“ zwischen Organisation und Umwelt. Ihr Aufgabenbereich ist dreigeteilt (vgl. Röttger 2001, 15ff): Erstens müssen sie organisationsrelevante Veränderungen in der Umwelt und damit zusammenhängende Issues so früh wie möglich entdecken bzw. sogar antizipieren. Zweitens gilt es darüber hinaus, solche Informationen zu interpretieren und so aufzubereiten, „dass sie als entscheidungsrelevante Informationen in organisationspolitischen Entscheidungsprozessen verarbeitet werden können“ (Röttger 2001, 24). Drittens ist ein weiterer zentraler Aufgabenbereich des Issues Management die aktive, strategische Steuerung von Issues, genauer gesagt von öffentlichen Thematisierungsprozessen. Es geht also nicht nur um die Identifizierung von Issues mit Risikopotenzial, sondern auch um die gezielte
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Lancierung von Issues mit Chancenpotenzial für das Unternehmen bzw. die aktive Beeinflussung „positiver“ Issues (vgl. Armbrecht/Hollweg 2001, 177ff). Um die Funktionen und Aufgaben in diesen drei Bereichen (Issue Identifizierung, Issue Interpretation und Issue Steuerung) erfüllen zu können, bedürfe es verschiedener Bedingungen (vgl. Röttger 2001, 16, Ingenhoff 2004, 115 ff). Issues Management müsse als Managementfunktion konzipiert sein. Weiters hänge der Erfolg des Issues Managements auch davon ab, wie lernwillig, offen gegenüber Innovationen und veränderungsbereit das Unternehmen ist. Die operative Umsetzung des Issues Management-Konzeptes lässt sich in Anlehnung an die Ausführungen von Lütgens (vgl. 2001, 64) in vier Prozessphasen gliedern: (1) Issue Identifizierung und Priorisierung, (2) Strategieentwicklung zur Behandlung der Top-Issues, (3) Planung und Durchführung von Aktions- und Kommunikationsprogrammen und (4) Ergebniskontrolle und Prozessevaluierung. Damit handelt es sich um einen typischen Managementprozess mit den Phasen Planung, Organisation, Umsetzung und Kontrolle. Im folgenden wird auf die ersten beiden Phasen näher eingegangen, weil hier am ehesten möglicher Input für Nachhaltigkeitskommunikation zu orten ist. (1) Issue Identifizierung und Priorisierung Welche Issues sind für ein bestimmtes Unternehmen relevant? Zur Beantwortung dieser Frage können wissenschaftlich gestützte Methoden der Zukunfts- und Trendforschung (Szenario-Technik, Scanning, Trendanalysen etc.) helfen. Ein mögliches Instrument der Issue Identifikation ist das Issue Monitoring, das Imhof/Eisenegger (vgl. 2001, 263ff) näher beschreiben: Beim induktiven Issue Monitoring werden im Sinne einer umfassenden Beobachtung der organisationsrelevanten Umwelt fortlaufend alle neuen Issues einer definierten Medienarena so früh wie möglich erfasst. Diejenigen aus diesem induktiven MedienMonitoring hervorgegangenen Issues, von denen sich die Organisation besonders betroffen sieht, werden dann im Rahmen eines deduktiven Monitorings einer detaillierten Analyse unterzogen, um das Karriere- und Brisanzpotenzial der Issues abzuklären und sie zu priorisieren. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, die Anschlussfähigkeit der Issues zu bestimmen. Damit meinen Imhof/Eisenegger (vgl. 2001, 268), wie eng das identifizierte Issue mit anderen bereits etablierten Issues von öffentlichem Interesse argumentativ verbunden ist.
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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Je mehr Impulse ein Issue von anderen Issues erhält und je stärker es in dominierende Diskussionskontexte eingebunden ist, desto größer seien seine Karrierechancen. Zum deduktiven Monitoring gehöre auch ein sogenanntes Akteursrating. Damit meinen Imhof/Eisenegger, dass Issue Manager die Resonanz derjenigen Akteursgruppen bestimmen müssen, welche den Diskursverlauf stark prägen. Besondere Beachtung wird in diesem Zusammenhang den kritischen Akteursgruppen (Pressure Groups), deren Argumenten, Interessen, sowie deren Ausmaß der Vernetzung untereinander wie auch mit politischen und ökonomischen Gruppen beigemessen. Induktive und deduktive Analyse zusammen bilden laut Imhof/Eisenegger (vgl. 2001, 169) die Grundlage, um Szenarien zu entwickeln, welche die zu erwartenden Entwicklungsmöglichkeiten des Issues beschreiben und nach deren Eintretenswahrscheinlichkeit bewerten. Die Produktion solcher Szenarien erzwingt das Überwinden des Status Quo und erfordert das Denken in zukunftsgerichteten Zusammenhängen. Insgesamt bietet das Issue Monitoring damit die Voraussetzung für eine systematische Reflexion über organisationsexterne Vorgänge. Dies ist die Basis für eine „lernende Organisation“. Jedoch nicht alle Unternehmen haben die zeitlichen und finanziellen Ressourcen, um eine induktive und deduktive Überprüfung in so umfangreichem Ausmaß durchzuführen, wie sie Imhof/Eisenegger vorschlagen. Immer mehr Unternehmen vor allem in den USA setzen deshalb für die Detailanalyse der zu priorisierenden Issues (Top Issues) sogenannte “Issue Analysis Worksheets” ein (vgl. Schmidt 2001, 169). Darin enthalten sind bis zu 100 Fragen, die das Issue zeiteffizient und trotzdem so genau wie möglich erfassen helfen sollen. Zum Beispiel Issuebeschreibung, Angaben zu Zuständigkeit für das Issue, Entstehung, bisherige Entwicklung, aktuelles Entwicklungsstadium des Issues, Einflussfaktoren, strategische Relevanz für das Unternehmen, Folgenabschätzung, „best and worst case“-Szenarios, Auflistung betroffener Unternehmensbereiche und Stakeholder sowie deren Positionen und Aktivitäten, verwandte Issues und deren strategische Bedeutung, unternehmensinterne und -externe Experten, mögliche Allianzen. (2) Strategieentwicklung zur Behandlung der Top Issues Wie soll ein Unternehmen nun mit den identifizierten Top Issues umgehen? Naturgemäß muss dies von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Aus analytischer Sicht unterscheidet Schmidt (vgl. 2001, 171) aber fünf strategische Optionen, nämlich reaktive, adaptive, proaktive, initiative und interaktive Herangehensweisen. Reaktiv verhält sich ein Unternehmen dann, wenn es versucht, das bedrohliche oder lästige Issue so schnell wie möglich los zu werden, es „tot zu
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schweigen“ oder es „unter den Tisch zu kehren“. Einer adaptiven Strategie folgend antizipiert das Unternehmen konträre Positionen der Anspruchsgruppen und versucht, sich deren Positionen in seinem Verhalten graduell anzunähern, um potentielle Konflikte zu vermeiden. Proaktiv ist die Strategie dann, wenn das Unternehmen Meinungs- und Wissensbildungsprozesse einseitig zu beeinflussen versucht. Initiativ verhalten sich Unternehmen, wenn sie darauf abzielen, ein Issue selbständig zu kreieren oder umzudefinieren, um Gefahren zu minimieren bzw. Chancen aufzutun. Als interaktiv schließlich bezeichnet Schmidt Unternehmen, die die Abstimmung ihrer Interessen mit jenen der Anspruchsgruppen anstreben und auch auf Zielgruppen mit konträrer Position zugehen, mit dem Ziel der beiderseitigen Nutzengenerierung. Die Vorstellung, Issues könnten in der Öffentlichkeit konsequent gemanagt werden, ist jedoch trügerisch. Derartige Hoffnungen sinken mit zunehmender Fragmentierung der Medien- bzw. Kommunikationskanäle sowie mit der Individualisierung der Mediennutzung (vgl. Herger 2001, 93). Bei der Identifizierung von strategisch für das Unternehmen relevanten Issues wird es daher immer „blinde Flecken“ geben (Röttger 2001, 30). Diskussion des Issues Management Ansatzes und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Das Konzept des Issues Management bietet theoretische wie auch praktische Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeitskommunikation. In modernen Gesellschaften sind die Top Issues häufig sozialer bzw. ökologischer Natur. Damit ist Nachhaltigkeitskommunikation in vielen Fällen Kommunikation über nachhaltigkeitsrelevante Issues. Das streicht auch L’Etang (2006, 409) hervor: “Issues management is linked to corporate social responsibility at a strategic level because emerging issues are often of a social nature, to which organisations may need to respond either through issues advocacy advertising, public relations campaigns, or programmes of corporate social responsibility.”
Schaufler/Signitzer (1993, 315f) gehen sogar noch einen Schritt weiter und behaupten: „Die Idee des Issues Management basiert auf der Annahme einer sozialen Verantwortlichkeit der Wirtschaft, ja sie setzt diese als Grundbedingung für seinen effektiven Einsatz voraus. Issues Management geht davon aus, dass gesellschaftliche Probleme, wie etwa ökologische, unter anderem durch öffentlich geführte Diskussion gelöst werden können. […] Issues Management-Vertreter gehen davon aus,
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dass die Wirtschaft aufgrund ihrer Bedeutung für die Gesellschaft nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, ihren Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte zu leisten.“
Aber wie konkret können Erkenntnisse des Issues Managements nun zur theoretischen Weiterentwicklung des Konzepts der Nachhaltigkeitskommunikation beitragen? Ich gehe davon aus, dass sie vor allem in zwei Bereichen Ansatzpunkte liefern: (1) Bei der Beobachtung und Charakterisierung von nachhaltigkeitsrelevanten Issues sowie (2) bei der gezielten Lancierung von nachhaltigkeitsrelevanten Issues in der Öffentlichkeit. Insgesamt kann Issues Management dazu beitragen, der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation Legitimität zu verschaffen (vgl. Kapitel 3.4.7.2). Wenn Issues aus dem Themenkomplex der nachhaltigen Entwicklung nämlich unternehmensintern als Top Issues gelten, dann ist dies ein ernstzunehmendes Argument dafür, warum sich die Public Relations mit Nachhaltigkeitsfragen beschäftigen soll. Ad 1: Beobachtung und Charakterisierung nachhaltigkeitsrelevanter Issues Generell scheinen sich neu aufkommende nachhaltigkeitsrelevante Issues dadurch auszuzeichnen, dass sie, zumindest in den westlichen Industriestaaten, anschlussfähig an bereits vorherrschende Diskurse sind. Themen wie Klimawandel, CO2-Emissionen, soziale Unterschiede, Fehltritte von Managern etc. sind bereits in aller Munde, nicht zuletzt aufgrund von medialen und politischen Debatten darüber. Bei der systematischen Beobachtung, Überwachung und Priorisierung von nachhaltigkeitsrelevanten Issues stellt der Ansatz des Issues Management für die Nachhaltigkeitskommunikation wichtige Analysekriterien bereit: Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation können auf Instrumente des Issues Managements (wie Monitoring, Akteursrating, Szenario-Technik, etc.) zurückgreifen. Auch die Unterscheidung in verschiedene Arten von Issues (aufkeimende Issues, aktuelle Issues, gesellschaftliche Trends), das Entwerfen von Lebenszyklus-Szenarien (Latenz-, Emergenz-, Aufschwung-, Reife-, und Abschwungphase) sowie die Identifikation von Pressure Groups kann hilfreich sein, um aus dem breiten Spektrum nachhaltigkeitsrelevanter Issues jene herauszufiltern, die für das Unternehmen von besonderer Relevanz sind. Darauf aufbauend können Stra-
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tegien entworfen werden, wie mit diesen „Top Issues“ umgegangen werden soll. Wenn ein Unternehmen den Nachhaltigkeitsgedanken ernst nimmt, wird es sich vermutlich eher für interaktive, initiative bzw. proaktive Strategien entscheiden, um so zu einer nachhaltigeren Unternehmens- und Gesellschaftsentwicklung beizutragen. Ad 2: Lancierung nachhaltigkeitsrelevanter Issues in der Öffentlichkeit Das Konzept des Issues Management vermittelt, dass Unternehmen der öffentlichen Meinung und der Dynamik von Issues nicht beteiligungslos ausgeliefert sind. Vielmehr haben Unternehmen die Chance, selbständig Themen von öffentlichem Interesse zu kreieren und sie aufs „öffentliche Tablett“ zu bringen. Wie genau das funktioniert, wurde im Rahmen des Issues Management bisher zwar noch wenig untersucht. Aber neue Forschungsansätze, wie etwa jener der Themenführerschaft (vgl. Schwabe 2008) streichen hervor, dass Unternehmen bestimmte Themen gezielt „besetzen“ können. Als Beispiel für das gezielte Besetzen eines strategischen Nachhaltigkeitsissues können die Aktivitäten von BMW im Bereich „Clean Energy“ Ende der 1990er Jahre genannt werden (vgl. Armbrecht/Hollweg 2001, 183). BMW wollte verstärkt als innovatives Unternehmen wahrgenommen werden. Gleichzeitig erkannte das Unternehmen einen Wandel in der Energiepolitik sowie steigende Sensibilität der Öffentlichkeit bezogen auf die Autoindustrie und Themen wie Klima und Treibhauseffekt. Aufgrund dieser Veränderungen entschloss sich BMW dazu, das Thema Wasserstoffantrieb gezielt zu besetzen. Es wurde ein fachbereichsübergreifendes Team gebildet, dessen Mitglieder aus den Bereichen F&E, Konstruktion, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit, Vertrieb und Lobbying von BMW eineinhalb Jahre lang gemeinsam an der Umsetzung der Thematik arbeiteten. Man holte auch die Hersteller und Verteiler von Energie (Gaswirtschaft, Mineralölwirtschaft, Solarwirtschaft, Wasserstoffproduzenten und Tankstellenbetreiber) ins Boot, sowie die Politik, welche schließlich die Rahmenbedingungen für Wasserstoffautos zu definieren hat, und die Finanzwelt, da für die Entwicklung hohe Investitionen zu erwarten waren. Die öffentliche Resonanz zum Thema Wasserstoffautos war groß, nicht zuletzt aufgrund intensiver Event- und Kommunikationsaktivitäten. BMW-Wasserstoffautos wurden auf Messen präsentiert; im Deutschen Museum in München gab es eine eigene Ausstellung zum Thema „Autofahren mit Sonne und Wasser“; BMW unterstützte einen internationalen Wasserstoffkongress in München mit 700 Fachleuten, auf dem auch Banken und Versicherungen erklärten, sie wollten in die Thematik Wasserstoff in großem Stil investieren. Auf internationaler Ebene startete BMW eine „WorldTour“ für das Wasserstoffauto, die unter anderem
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nach Dubai führte, wo man die Ölvorräte zuneige gehen sieht, und nach Japan, wo es keine eigenen Rohölvorkommen gibt. Das Thema Wasserstoffauto erschien allein während der Zeit der EXPO in 250 Zeitungs-, Zeitschriften- und Fernsehberichten in Deutschland. Eine Umfrage während dieser Zeit ergab, dass sich mehr als 80 Prozent der Befragten vorstellen könnten, in Zukunft ein Wasserstofffahrzeug zu kaufen. Die Initiativen von BMW stießen auch auf offene Ohren seitens der Politik. Es flossen finanzielle Förderungen, und Politiker erklärten öffentlichkeitswirksam, sie wollten als nächsten Dienstwagen ein „Wasserstoffauto“. Zumindest in Deutschland gelang es BMW also, das Thema Wasserstoffauto aktiv zu besetzen. Mittlerweile ist es um solche Initiativen aber wieder merklich stiller geworden.
4.6.4 Grunigs Exzellenz-Theorie und die Modelle der Public Relations nach Grunig und Hunt Grunig und Hunt (1984, 6) definieren Public Relations aus organisationstheoretischer Sicht als „management of communication between an organization and its publics“. Sie gehen davon aus, dass Unternehmen, um erfolgreich zu sein, Beziehungen zu verschiedenen Zielgruppen, internen wie externen, systematisch koordinieren und pflegen sollen, sprich: Kommunikationsmanagement betreiben sollen. Organisationen, die mit den Zielgruppen „gut“ kommunizieren, würden deren Erwartungen an das Unternehmen kennen, und umgekehrt kennen auch die Zielgruppen die Sichtweisen der Organisation. Dies müsse nicht notwendig in freundschaftlichen Beziehungen oder gar Zustimmung oder Kooperation enden. Jedoch sei mit dem bloßen Gelingen von wechselseitigem Verstehen der jeweiligen Erwartungshaltungen bereits ein zentrales Ziel der Public Relations erreicht. Eng mit der organisationstheoretischen Public Relations-Konzeption von Grunig und Hunt verknüpft ist auch ihre Modellbildung (vgl. 1984, 21). In ihrer ursprünglichen Form kategorisieren sie die Praxis der Public Relations anhand von zwei dichotomen Kommunikationsdimensionen: (1) Ausgewogenheit der Kommunikation: symmetrische versus asymmetrische Kommunikation und (2) Richtung der Kommunikation: Einweg- versus Zweiwegkommunikation. Asymmetrische Kommunikation ist unausgewogen. Die Organisation geht davon aus, dass sie selbst sich nicht verändern muss, nur die Teilöffentlichkeiten sollten sich verändern bzw. anpassen (vgl. Grunig/Grunig 1992, 287). Bei der sym-
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metrischen Kommunikation handelt es sich um ausgewogene Kommunikation. Die wechselseitigen Beziehungen zwischen der Organisation und ihren Teilöffentlichkeiten stehen im Vordergrund (vgl. Grunig/Grunig 1992, 289). Für diese beiden unterschiedlichen „Weltanschauungen“ erläutern Grunig/White (vgl. 1992, 43 f) unter anderem folgende Charakteristika: Asymmetrische Kommunikation sei gekennzeichnet durch
Interne Orientierung: Die Mitglieder der Organisation versuchen nicht, das Unternehmen objektiv zu betrachten oder die Sicht eines Außenstehenden einzunehmen, sondern sie vertreten eine rein interne Sichtweise. Geschlossenes System: Information wird zwar nach außen an die Teilöffentlichkeiten weitergegeben, aber nicht von außen empfangen. Effizienz: Effizienz und Kostenkontrolle werden für wichtiger gehalten als Innovationen. Elitismus: Das Top-Management trifft die wesentlichen Entscheidungen alleine und betrachtet sich selbst als klüger als die Teilöffentlichkeiten und die Mitarbeiter. Konservatismus: Veränderungen werden als Bedrohung betrachtet. Traditionen verschaffen der Organisation Stabilität und halten ihre Kultur aufrecht.
Symmetrischer Kommunikation sei gekennzeichnet durch
Interdependenz: Organisationen betrachten sich jeweils in Relation zu den Teilöffentlichkeiten und der Umwelt. Sie isolieren sich nicht von den unternehmensexternen Vorgängen. Offenes System: Die Organisation ist offen für den Informationsaustausch mit den Teilöffentlichkeiten. Ausgewogenheit: Organisationen wollen das Stadium der Ausgeglichenheit mit anderen Systemen erreichen und sind offen für Veränderungen. Gleichberechtigung: Teilöffentlichkeiten und Mitarbeiter werden als gleichberechtigt mit den Unternehmensleitern gesehen. Innovation: Kreative Ideen und flexibles Denken werden geschätzt. Aufgabe des Managements: Das Top-Management hat Koordinationsaufgaben. Den Mitarbeitern wird mehr Autonomie zugestanden. Mitarbeiterzufriedenheit wird als wichtiger Erfolgsfaktor gesehen. Verantwortungsbewusstsein: Die Organisation übernimmt Verantwortung für ihr Handeln und dessen Auswirkungen auf die Umwelt.
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Konfliktlösung: Durch Kommunikation, Verhandlungen und Kompromisse wird versucht, faire Lösungen für Konflikte zu erzielen.
Die Unterscheidung zwischen Einweg- und Zweiweg-Kommunikation bezieht sich auf die Richtung der Kommunikation. Einwegkommunikation „verteilt“ Informationen und ist somit ein einseitiger Monolog. Zweiseitige Kommunikation kann als Dialog zwischen der Organisation und ihren Zielgruppen charakterisiert werden bzw. als beiderseitiger Austausch von Informationen (vgl. Grunig/Grunig 1992, 289). Durch Kombination der beiden Dimensionen „Ausgewogenheit der Kommunikation“ und „Richtung der Kommunikation“ erhalten Grunig/Hunt vier Modelle der Public Relations: Publicity, Informationstätigkeit, asymmetrische Kommunikation und symmetrische Kommunikation. Grunig/Grunig (vgl. 1992, 291) gehen davon aus, dass die Modelle sowohl normativen als auch positiven Charakter besitzen. Sie könnten als Anleitung zum exzellenten Handeln ebenso dienen wie zur Beschreibung der Realität, situationsbedingter Handlungsalternativen oder zur Beschreibung historischer Entwicklungsstufen der Public Relations. Die vier Modelle werden nun in einer Übersichtstabelle dargestellt und anschließend beschrieben: Publicity
Informationstätigkeit
Asymmetrische Kommunikation Überzeugen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnis
Zweck
Propaganda
Verarbeiten von Information
Art der Kommunikation
Einweg: Vollständige Wahrheit nicht wesentlich vom Sender zum Empfänger
Einweg: Wahrheit ist Zweiweg: unauswesentlich gewogene Wirkungen
Kommunikationsmodell
vom Sender zum Empfänger
Symmetrische Kommunikation Wechselseitiges Verständnis
Zweiweg: ausgewogene Wirkungen
vom Sender zum von der Gruppe Empfänger und zur Gruppe und umgekehrt, Feedback umgekehrt
240
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Fortsetzung: Übersicht kaum vorhanden; Verständlichkeitsstudien
ProgrammforProgrammforschung; Evaluierung schung; von Einstellungen Evaluierung des Verständnisses
Typischer Vertreter P.S. Barnum
Ivy Lee
Edward L. Bernays
Bernays; PRProfessoren, Berufsverbände
Anwendungsfelder heute
Behörden, NonProfit, Verbände, Unternehmen
Freie Wirtschaft, Agenturen
Gesellschaftsorientierte Unternehmen, Agenturen
50 v.H.
20 v.H.
15 v.H.
Art der Forschung
kaum vorhanden; quantitativ (Reichweite)
Sport, Theater, Verkaufsförderung
Geschätzter Anteil 15 von Hundert von Organisationen, die Modell heute anwenden
Übersicht:
Die vier Modelle der Public Relations (Grunig/Hunt 1984, ins Deutsche übertragen von Signitzer 2003, 11)
Bei der Anwendung des Publicity Modells geht es in erster Linie darum, Publizität (vor allem in den Massenmedien) zu erreichen und Organisationen bzw. deren Produkte in ein einseitig positives Licht zu rücken. Auf jede nur denkbare Art und Weise wird versucht, Aufmerksamkeit für das Unternehmen zu erlangen (vgl. Grunig/Grunig/Dozier 1996, 200). Das Modell kennzeichnet sich häufig durch die Weitergabe unvollständiger, verzerrter oder halbwahrer Informationen (vgl. Grunig/Hunt 1984, 21). Das Publicity Modell arbeitet mit Einweg-Kommunikation. Die Kommunikationsprogramme basieren kaum auf Forschung oder strategischer Planung. Es handelt sich um asymmetrische Kommunikation (vgl. Grunig 1992, 18). Ebenfalls um Einweg-Kommunikation handelt es sich bei dem Modell der Informationstätigkeit, allerdings ist hier – im Gegensatz zum Publicity-Modell – die Wahrheit von Bedeutung. Wahrheit ist jedoch nicht gleichzusetzen mit umfassender und vollständiger oder gar selbstkritischer Information. Meist werden zwar korrekte, aber nur vorteilhafte Informationen über das Unternehmen verbreitet (vgl. Grunig/Grunig/Dozier 1996, 200), weniger vorteilhafte Informationen werden verschwiegen. Es handelt sich um asymmetrische Kommunikation. Das Unternehmen kümmert sich kaum um das Feedback der Teilöffentlichkeiten (vgl. Signitzer 2003, 13).
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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Das Modell der asymmetrischen Kommunikation ist charakterisiert durch das Einholen von Feedback von den Teilöffentlichkeiten (Zweiweg-Kommunikation). Es wird mehr Forschung, Planung und Zieldefinition betrieben als bei den Einweg-Modellen. Wissenschaftlich fundierte Forschungsmethoden kommen zum Einsatz, um Zielgruppen in Zukunft gezielter beeinflussen zu können (vgl. Grunig/Hunt 1984, 227). Es handelt sich also trotz der Zweiweg-Kommunikation genau genommen um ein Persuasions-Modell (vgl. Signitzer 2003, 13). Dem Modell der symmetrischen Kommunikation zufolge betrachtet die Organisation die Teilöffentlichkeiten als gleichberechtigte Kommunikationspartner. Sie versucht, Veränderungen zum wechselseitigen Vorteil der Organisation und der Zielgruppen zu bewirken, indem sie Verhandlungs-, und Konfliktlösungsstrategien einsetzt (vgl. Signitzer 2003, 13). Ziel ist gegenseitiges dialogisches Verstehen: “In the two-way symmetric model, however, public relations people do not change only the orientation of publics. They try to change the way the organization and its publics jointly orient to each other and the common parts of their environments” (Grunig/Hunt 1984, 127).
Anknüpfend an die vier Modelle der Public Relations sowie an Überlegungen der Spieltheorie entwickelte eine Forschergruppe um James E. Grunig (1996) ein Modell exzellenter Public Relations. Im Vorfeld wurde eine umfangreiche Studie durchgeführt, die sich aus Literaturrecherche, quantitativer Befragung von 321 Mitarbeitern in Organisationen, Unternehmen, staatlichen Behörden etc. in den USA, Kanada und Großbritannien und einer qualitativen persönlichen Befragung in 24 Organisationen zusammensetzte. Im Rahmen der Studie wurde Public Relations nicht als unabhängige Variable untersucht, sondern als von anderen Faktoren (wie Unternehmenskultur, Beziehung zu Top Management etc.) abhängige Variable. Im Vordergrund stand die Frage: Welche Ausprägungen der Public Relations-Funktion steigern den Beitrag des Kommunikationsmanagements zur Organisationseffektivität? (vgl. Grunig/ Grunig/ Dozier 1996, 203). Ein Kernergebnis dieser Exzellenz-Studie war, dass das zweiseitig symmetrische Public Relations Modell aus ethischer Sicht als das anstrebenswerteste erkannt wurde (vgl. Grunig/ Grunig/ Dozier 1996, 216 ff). Meistens komme das symmetrische Modell aber nicht in Reinform vor, sondern kombiniert mit dem asymmetrischen Modell. Grunig (1992, 19) spricht von einem Modell der situativ unterschiedlichen Motive („mixed-motive-model“). Exzellente Public Relations sei also „an symmetrischer Kommunikation als ,ethischem Bezugsrahmen’ orientiert, greift aber je nach Situation auf unterschiedliche Taktiken zurück“, fasst Kunczik (2002, 284) zusammen.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Die Kriterien exzellenter Public Relations wurden von Vercic/Grunig/ Grunig (1996, 37 ff) schließlich zu neun normativen Prinzipien exzellenter Public Relations gebündelt. Diese seien nun in Anlehnung an die deutsche Übersetzung Kuncziks (vgl. 2002, 285) zusammengefasst: 1. 2.
3.
4. 5. 6.
7. 8. 9.
Die Public-Relations-Funktion wird in das strategische Management eingebunden. Public Relations spielt eine wichtige Rolle in der dominanten Koalition („dominant coalition“) einer Organisation und hat eine direkte Beziehung zum „Senior Management“. Die Public-Relations-Funktion ist integriert, d.h. die Kommunikationsaufgaben sind in einer eigenen Abteilung zusammengefasst, und es erfolgt gleichzeitig eine Koordination mit anderen Unternehmensbereichen. Public Relations als Managementfunktion ist von anderen Managementabteilungen unabhängig. Public-Relations-Verantwortliche erfüllen zwei Rollen, nämlich die Rolle des strategischen Planers und die Rolle des praktischen Umsetzers. Exzellente Public Relations arbeitet vor allem nach dem symmetrischen Modell. Dem „mixed-motive“ Ansatz entsprechend kommt situativ aber auch das asymmetrische Modell zum Tragen. Interne Public Relations wird symmetrisch betrieben, d.h. die Mitarbeiten haben die Möglichkeit, Entscheidungen mit zu bestimmen. Exzellente Public Relations erfordert gut ausgebildete Mitarbeiter. Die Komplexität der relevanten Umwelt spiegelt sich in der personellen Zusammensetzung der Public-Relations-Abteilung wieder, d.h. Mitarbeiter mit unterschiedlichen Spezialgebieten und Hintergründen werden beschäftigt.
Diskussion der Exzellenz-Theorie bzw. der vier Modelle der Public Relations und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Die Exzellenz-Theorie gilt innerhalb der Public-Relations-Forschung als eine der wenigen paradigmatischen Theorien. Botan/Hazleton (2006, 16) drücken dies folgendermaßen aus: “[In public relations research] there is a respectable green garden of small growing ideas, research findings, and the beginnings of theories – and one moderately large tree, the Symmetric/Excellence approach. More people have done more research using this theory than any other.”
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
243
Aufgrund der normativen Ausrichtung der Exzellenz-Theorie gehe ich davon aus, dass sie auch für die Entwicklung einer normativen Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation Anknüpfungspunkte bietet. Grunig betrachtet das symmetrische Modell als Norm exzellenter Public Relations, wobei auch der asymmetrische Stil im Sinne eines „mixed-motive“-Models zum Tragen kommt. Für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation ergeben sich daraus die Fragen: Ist auch für Nachhaltigkeitskommunikation das symmetrische Modell anstrebenswert? Und welche Rolle spielen die anderen Modelle, vor allem das asymmetrische Modell? Zur Beantwortung dieser Fragen sei nun noch einmal in Erinnerung gerufen, wie Grunig/White (vgl. 1992, 43f) asymmetrische Kommunikation charakterisieren: Asymmetrische Kommunikation wird beschrieben als intern orientierte Kommunikation, die in geschlossenen Systemen stattfindet, wo Effizienz und Kostenkontrolle eine größere Rolle spielen als Innovation, wo Veränderungen als Bedrohung betrachtet werden, wo Manager die wesentlichen Entscheidungen alleine treffen etc. Es drängt sich der Gedanke auf, dass diese Eigenschaften schwerlich mit den Zielen des Nachhaltigkeitsmanagements bzw. der Nachhaltigkeitskommunikation zusammenpassen können. Denn der Nachhaltigkeitsprozess, auf welchen Ebenen auch immer er betrachtet wird, ist ein Entwicklungs- bzw. ein Veränderungsprozess. Daher erscheint mir aus normativer Sicht ein asymmetrischer Kommunikationsstil, wie ihn Grunig/White beschreiben, für Nachhaltigkeitskommunikation nicht angebracht. Anstrebenswert ist vielmehr ein symmetrischer Kommunikationsstil, der durch offene Systeme, Feedbackorientierung, Verantwortungsbereitschaft, Innovationstätigkeit und Konfliktbereitschaft gekennzeichnet ist. Wie sind nun aber die beiden anderen von Grunig/Hunt entworfenen Modelle, das Publicity Modell und das Modell der Informationstätigkeit, aus normativer Sicht in Hinblick auf Nachhaltigkeitskommunikation zu bewerten? Betrachten wir zuerst das Publicity-Modell. Dieses ist charakterisiert durch Einweg-Kommunikation und durch die Tatsache, dass die Informationen nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen müssen. Ziel ist es, das Unternehmen in ein einseitig positives Licht zu stellen. Dieses reine Imageziel deckt sich nicht mit der normativ-gesellschaftsorientierten Ausrichtung der Nachhaltigkeitskommunikation, die für diese Arbeit gewählt wurde. Außerdem werden dem Publicity-Modell zufolge die für die Nachhaltigkeitskommunikation so wichtigen unternehmensinternen Zielgruppen eher außer Acht gelassen. In der Praxis wird es freilich davon abhängen, wie Nachhaltigkeitskommunikation innerhalb des Unternehmens verstanden wird. Wenn das Ziel einseitiges „Greenwash“ bzw. Imagekosmetik ist, wird das Publicity-Modell natürlich zur Anwendung kommen.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Gänzlich ablehnen möchte ich persuasive Kommunikationsformen für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation aber auch aus normativer Sicht nicht. In Ausnahmefällen mag das Sprichwort „Der Zweck heiligt die Mittel“ zutreffen. Persuasive Kommunikation könnte in Einzelfällen ein geeigneter Weg sein, beispielsweise um Zielgruppen von der Notwendigkeit einer Verhaltensänderung im Sinne der Nachhaltigkeit zu überzeugen. Ein plastisches Beispiel dafür aus dem Gesundheitsbereich bringen Ronneberger/Rühl (1992, 269). Sie gehen davon aus, dass Public Relations erst dann Erfolg hat, wenn ein angestrebtes „Anschlusshandeln“ seitens des Publikums erzielt wird: „Anschlusshandeln durch Publikum meint [...], dass es willens, fähig und intellektuell bereit ist, durch Tun oder Unterlassen mit der PR-Kommunikation ,etwas anzufangen’. Beispiel: Wird durch eine PR-Kampagne zur Schluckimpfung informiert, dann ist nicht schon die zustimmende Aufnahme von Broschüren und Fernsehspots der PR-Erfolg, sondern erst die Steigerung der Impfrate. [...] PR-Aufgaben sind in jedem Falle erst gelöst, wenn im Anschluss an die verursachende Public Relations weitere Kommunikationen und Interaktionen zum verursachenden Thema zustande kommen. PR-Auswirkungen sind erst dann erfolgreich, wenn die durch PRKommunikationen gewonnenen Publika im Sinne der persuasiven PR-Kommunikation handeln.“
Und wie relevant ist das Modell der Informationstätigkeit für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation? Es ist ebenfalls gekennzeichnet durch einseitigen Informationsfluss. Laut Grunig und Hunts Beschreibung handle es sich um wahre, wenn auch nicht zwingend umfassende Informationen. Dieses Modell erscheint mir aus normativer Sicht für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation durchaus sinnvoll und anwendbar. Ein wichtiges Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation ist ja eben die wahrheitsgetreue Information von Zielgruppen, einerseits über die nachhaltigkeitsrelevanten Leistungen des Unternehmens, andererseits über das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung selbst und über Möglichkeiten für dessen Umsetzung. Die von der Public RelationsFunktion vermittelten Informationen müssen dabei nicht zwingend umfassend sein. Denn gerade das Thema der Nachhaltigkeit ist so komplex, dass der Versuch, umfassend zu informieren, in vielen Fällen an der Aufnahmefähigkeit und Aufnahmebereitschaft der Zielgruppen scheitern würde (vgl. Kapitel 3.4.7.1). Das Modell der symmetrischen Kommunikation und jenes der Informationstätigkeit kommen für Nachhaltigkeitskommunikation also aus normativer Sicht in Frage, in Ausnahmefällen können auch persuasive Elemente integriert werden. Jedoch, welches Modell soll wann verwendet werden? Ich möchte in Anlehnung an Signitzer (2007, 156f) vorschlagen, die verschiedenen Modelle als situative Stile der Nachhaltigkeitskommunikation zu begreifen. Je nach Situation
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kann Nachhaltigkeitskommunikation sachlich-informativ, feedbackorientiert oder – in Ausnahmefällen – auch persuasiv angelegt sein. In der Phase der Situationsanalyse wird symmetrische Kommunikation und das Hinhören zu den Zielgruppen unbedingt notwendig sein. In der Durchführungsphase wird Kommunikation bzw. Information und in seltenen Fällen Persuasion jeweils dann eingesetzt, wenn es die gegebene Situation bzw. Zielsetzung so verlangt (vgl. Signitzer 2007, 158). Nur unzureichend deckt die Exzellenz-Theorie meiner Ansicht nach die Rollen ab, die Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation im Unternehmen übernehmen. Grunig unterscheidet nur grob in „strategische Planer“ und „Praktiker“. Gerade aus der Perspektive der Nachhaltigkeitskommunikation wäre aber eine differenziertere Rollenunterscheidung hilfreich. Zum Beispiel kann der Public Relations Verantwortliche die Rolle des Issue Managers einnehmen, der relevante gesellschaftliche Themen verfolgt und unternehmensintern greifbar macht, oder die Rolle des Wissensmanagers, der relevantes (nachhaltigkeitsbezogenes) Wissen im Unternehmen „findet“ und aufbereitet, etwa zum Zwecke der Nachhaltigkeitsberichterstattung.
4.6.5 Situative Zielgruppentheorie von James E. Grunig Die situative Zielgruppentheorie von James E. Grunig (vgl. 1997, 3ff) gilt als die bedeutendste Zielgruppentheorie der Public Relations Forschung. Aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation erscheint sie relevant, weil sie Ansatzpunkte zur Zielgruppen-Segmentierung und zum Umgang mit aktivistischen Zielgruppen liefert, die gerade im Hinblick auf die oft konfliktären Nachhaltigkeitsthemen Schwierigkeiten bereiten können. Die Kernpunkte der Zielgruppentheorie werden nun zusammengefasst. Grunigs Theorie beruht auf der Ausgangsüberlegung, dass es die Öffentlichkeit bzw. die öffentliche Meinung schlechthin nicht gibt. Wenn der Public Relations Praktiker glaubt, die Öffentlichkeit interessiere sich für ein Thema, z.B. für Umweltschutz, dann handle es sich genau genommen nur um eine große Teilöffentlichkeit. Die situative Zielgruppentheorie soll helfen, solche Teilöffentlichkeiten bzw. Zielgruppen nach verschiedenen Kriterien zu segmentieren. Grunig (vgl. 1997) geht aus organisationstheoretischer Sicht davon aus, dass eine Zielgruppe entsteht, wenn das Verhalten eines Unternehmens für eine Gruppe von Personen Auswirkungen hat und/oder wenn umgekehrt das Verhalten dieser Gruppe für das Unternehmen Auswirkungen hat. Das frühe Erkennen solcher Auswirkungen stelle eine analytisch höchst anspruchsvolle Aufgabe für
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Public-Relations-Professionalisten dar. Mit seiner situativen Zielgruppentheorie versucht Grunig deshalb differenzierte Antworten auf die Fragen zu geben,
was Zielgruppen sind; welche Arten von Zielgruppen es gibt; nach welchen abhängigen und unabhängigen Variablen sich Zielgruppen unterscheiden lassen; und was aktivistische Zielgruppen auszeichnet.
Zur Frage, was Zielgruppen sind, vertritt Grunig in seinen frühen Arbeiten die folgende Ansicht. Es handle sich um unzusammenhängende Systeme von Personen, die (1) einem ähnlichen Problem gegenüberstehen, (2) erkennen, dass dieses Problem besteht, und (3) sich organisieren, um mit diesem Problem umzugehen. Basierend auf diese Konzeption unterscheiden Grunig und Hunt (1984, 145) grob folgende Arten von Zielgruppen:
Nicht-Zielgruppe: Es besteht kein Problem. Die Punkte 1 bis 3 treffen nicht zu. Latente Zielgruppe: Das Problem wird (noch) nicht erkannt, ist aber bereits vorhanden. Nur Punkt 1 trifft zu. Bewusste Zielgruppe: Das Problem wird erkannt. 1 und 2 treffen zu. Aktive Zielgruppe: Man beginnt, sich zu organisieren, um mit dem Problem umzugehen. 1 bis 3 treffen zu. Aktivistische Zielgruppe (vgl. Grunig 1989): Die Punkte 1 bis 3 treffen zu. Aktivistische Zielgruppen spielen darüber hinaus eine einflussreiche Rolle bei der Aktivierung der bewussten Zielgruppen.
Diese grobe Form der Zielgruppenunterscheidung verfeinerte Grunig in späteren Arbeiten insofern, dass er den zu erwartenden Grades der Aktivität einer Zielgruppe mit einbezog. In diesem Kontext wird von der Existenz zweier abhängiger und dreier unabhängiger Variablen ausgegangen: Als abhängige Variable identifiziert Grunig aktives Kommunikationsverhalten versus passive Kommunikationsaufnahme. Unter aktivem Kommunikationsverhalten versteht Grunig das bewusste und gezielte Suchen nach bestimmten Informationen. Unter passiver Kommunikationsaufnahme versteht er das zufällige Treffen auf eine Botschaft, die eine Person dann aber interessieren kann. Menschen, die aktiv nach Informationen suchen, gehören laut Grunig eher zu aktiven Zielgruppen als solche, die passiv Informationen aufnehmen. Die drei unabhängigen Variablen, Problembewusstsein („problem recognition“), Betroffenheitsgrad („level of involvement“) und Empfinden von
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Behinderungen („constraint recognition“) beziehen sich darauf, wie Menschen bestimmte Prozesse wahrnehmen. Grunig stellt hierzu folgende Thesen auf: Menschen, die ein Problem als solches wahrnehmen (z.B. Vogelgrippe), unternehmen eher etwas dagegen bzw. werden eher aktiv, als solche, die es nicht erkennen (Problembewusstsein). Menschen, die sich von einem Problem direkt betroffen fühlen (z.B. toter Vogel auf nahegelegenem Grundstück), suchen eher gezielt nach Informationen und Lösungen und werden eher aktiv als weniger direkt betroffene Personen (Betroffenheitsgrad). Menschen schließlich, die erkennen, dass es Behinderungen und Widerstände gibt, um etwas gegen ein Problem zu unternehmen (z.B. kein Heilmittel gegen die Vogelgrippe), werden weniger aktiv (Empfinden von Behinderungen). Aktive Zielgruppen haben also eher eine hohe Problemerkennung und fühlen sich involviert. Sie denken über ein Problem nach, haben verschiedene Informationsquellen und bewerten Unternehmensbotschaften, die das Problem betreffen. Sie sind organisiert und gehen in der Suche und Bewertung von Informationen systematisch vor. Passive Zielgruppen hingegen lassen sich leichter durch manipulative Kommunikation beeinflussen. Sie denken weniger über ein Problem nach, ihre Einstellungen können relativ leicht verändert werden. Sie suchen nicht gezielt nach Informationen zu dem betreffenden Thema. Für Public-Relations-Praktiker sind aktivistische Zielgruppen besonders relevant, weil sie das autonome Handeln der Organisation beeinflussen können. Aber warum schließen sich Menschen aktivistischen Gruppen an? Wie werden aus aktiven Zielgruppen aktivistische Zielgruppen? Laut Grunig gibt es verschiedene Möglichkeiten, warum sich Menschen aktivistischen Zielgruppen anschließen: Sie möchten einen guten Eindruck machen; etwas bewirken; die Politik zum eigenen Vorteil beeinflussen; man erwartet sich Incentives wie Gruppengefühl oder Anerkennung; es herrscht sozialer Druck etc. Aufbauend auf seine Analysen zu den abhängigen und unabhängigen Variablen bzw. zu aktiven, passiven und aktivistischen Zielgruppen führte Grunig eine Reihe von empirischen Studien durch, u.a. zu den Bereichen Umweltkommunikation, Public Affairs, Social Responsibility, Marktkommunikation, Mitarbeiterkommunikation etc. Als Resultate dieser Studien konnte Grunig (vgl. 1997) schließlich vier Arten von Zielgruppen identifizieren:
Zielgruppen, die bei allen Problemen aktiv dabei sind („all-issue publics“) Zielgruppen, die keinem Problem Aufmerksamkeit schenken („apathetic publics“) Zielgruppen, die in einem einzigen Problemfeld aktiv sind, das nur einen kleinen Teil der Bevölkerung betrifft, z.B. Walfang („single-issue publics“)
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs Zielgruppen, die aktiv sind in einem einzelnen Bereich, der die gesamte Bevölkerung betrifft, z.B. limitierte Erdölvorkommen („hot-issue publics“).
In späteren Forschungsarbeiten beschäftigte sich Grunig unter anderem mit der Frage, ob sich die unabhängigen Variablen (Problembewusstsein, Betroffenheitsgrad und Empfinden von Behinderungen) in interne und externe Komponenten aufschlüsseln lassen. Intern würde bedeuten, dass eine Situation nur für einen bestimmten Menschen subjektiv ein Problem darstellt. Extern hieße, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. Wären die Variablen nur intern, dann könnten sie durch Kommunikation beeinflusst werden. Wenn sie extern sind, dann müssten echte Veränderungen in der Umwelt passieren, damit sich die Wahrnehmung der Menschen ändert. Wendet man diese Unterscheidung in interne und externe Variablen etwa auf Zielgruppen der Umweltkommunikation an, so unterscheidet Grunig in intellektuelle versus aktive Zielgruppen. Im Gegensatz zu aktiven Zielgruppen verfügen intellektuelle Zielgruppen zwar über ein subjektives Problemempfinden, unternehmen aber nichts gegen das Umweltproblem. Grunigs Forschung ergab auch, dass eine Zielgruppe möglicherweise einem Problem deshalb keine Aufmerksamkeit schenkt („apathetic“), weil die Gruppenmitglieder das subjektive Gefühl haben, das Thema oder Problem nicht zu verstehen, z.B. bei komplexen Themen wie Versicherungen, Aids etc. Diskussion der situativen Zielgruppentheorie sowie anderer Ansätze zur Zielgruppen-Segmentierung und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Als Ausgangsbasis für seine Zielgruppentheorie wählte Grunig eine organisationstheoretische Sichtweise der Public Relations. Im Vordergrund seiner Betrachtungen steht demnach die Frage, welchen Beitrag Public Relations zur Erfüllung der Organisationsziele leistet. Der in dieser Arbeit präsentierte normative Ansatz der Nachhaltigkeitskommunikation verfügt jedoch neben der organisationstheoretischen auch über eine gesellschaftstheoretische Komponente („Public Case“) (vgl. Kapitel 3.4.4.3). Trotz dieses Unterschieds in der Ausrichtung gehe ich davon aus, dass Grunigs Ausführungen zur Zielgruppensegmentierung auch für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation hilfreich sind. Von besonderer Bedeutung für die Zielgruppensegmentierung der Nachhaltigkeitskommunikation sind die Variablen Problembewusstsein, Betroffenheitsgrad und Empfinden von Widerstand. Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen sollte es ja aus normativer Sicht unter anderem sein, dass Gruppen im Unternehmen bzw. in der Bevölkerung dazu motiviert werden,
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sich selbst für eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit einzusetzen, also aktiv zu werden. Public Relations Praktiker können eine solche Aktivität Grunig zufolge unterstützen. Sie können das Problembewusstsein bestimmter Zielgruppen zu heben versuchen, ihnen klar machen, dass auch sie direkt betroffen sind, und dass es vielleicht weniger Probleme und Widerstände gibt, als die Gruppen ursprünglich angenommen haben. Wie dies in der Praxis konkret geschehen kann, darauf geht Grunig allerdings kaum ein. Für die Nachhaltigkeitskommunikation interessant sind auch Grunigs Ausführungen zu aktivistischen Zielgruppen, da gerade das Thema Nachhaltigkeit häufig zu Konfliktsituationen führt (vgl. Kapitel 3.4.7). Grunig gibt zwar wenige Hinweise, wie Public Relations Praktiker mit Aktivismus tatsächlich umgehen können. Er liefert aber implizit ein Argument dafür, warum Nachhaltigkeitskommunikation als Strategie, und nicht nur als Instrument im Krisenfall betrachtet werden soll. Wenn ein Betrieb nämlich strategische Nachhaltigkeitskommunikation in einem wohlverstandenen Sinne betreibt, dämmt dies meiner Meinung nach bereits die Gefahr, dass sich aktivistische Zielgruppen bilden. Auch für den Umgang mit apathischen Zielgruppen liefert Grunig Ansatzpunkte: Er zeigt auf, dass Zielgruppen deshalb apathisch – sprich desinteressiert an einem Thema oder Problem – sein können, weil ihnen das Thema zu kompliziert erscheint. Nachhaltigkeitsrelevante Botschaften für apathische Zielgruppen sollten demnach über einen relativ geringen Komplexitätsgrad verfügen. Ich möchte für die Zwecke dieser Arbeit Grunigs situative Zielgruppentheorie jedoch nicht als den Ansatz der Zielgruppensegmentierung schlechthin betrachten. Gerade für Nachhaltigkeitskommunikation könnte auch eine Differenzierung nach kultureller Zugehörigkeit, nach Diversity-Aspekten bzw. eine Differenzierung nach Werten oder Lebensstilen vonnöten sein, wie die folgenden Zitate belegen: “Public relations can only begin to be ethical and responsible when the profession acknowledges the diversity of publics, breaks down the hierarchy of publics, and takes into account the resistance of peripheral publics” (May 2008, 374). „Die Änderung von Einstellungen und Verhaltensweisen ist offenbar eingebettet in einen kulturellen Kontext, so dass die Frage nach umweltgerechtem Verhalten auch die Frage nach der Änderung von Lebensstilen insgesamt ist. Hier spielt die Prämisse der Anschlussfähigkeit in dem Sinne eine wichtige Rolle, als die in der Kommunikation über Nachhaltigkeit verbreiteten Botschaften für die einzelnen Lebensstile ,passen‘ müssen“ (Michelsen 2002, 37).
Grundsätzlich sei aus normativer Perspektive festgehalten, dass für die Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur jene Zielgruppen als relevant erachtet
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
werden sollen, die sich aus kurzfristiger ökonomischer Sicht aufdrängen. Vielmehr ist laut Karmasin (2005, 277) „eine Einbeziehung aller legitimen Ansprüche gefordert“. Aus normativ-kritischer Sicht bezeichnet auch Ulrich (1998, 442) all jene Gruppen als Zielgruppen bzw. Stakeholder, die „gegenüber der Unternehmung legitime Ansprüche haben, seien das spezielle Rechte aus vertraglichen Vereinbarungen (Arbeits-, Kooperations-, Werk- oder Kaufvertrag) oder allgemeine moralische Rechte der von unternehmerischen Handlungen oder Unterlassungen Betroffenen.“
Rein machtstrategische Kriterien seien für die Zielgruppensegmentierung abzulehnen. Auch eine Diskriminierung von Stakeholdern aufgrund deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten Minderheit65, Rasse oder Geschlecht bzw. deren Behinderung sei aus ethischen Gründen nicht angebracht (vgl. Pompper 2005, 139ff). Munshi/Kurian (vgl. 2005, 514) gehen noch einen Schritt weiter. Sie fordern, dass Public Relations nicht nur vordergründige, „dominante“ Zielgruppen berücksichtigt, sondern auch „periphere“, die nicht unmittelbar mit finanziellem Erfolg oder Image in Verbindung stehen. Vertreter der „dominant coalition“66 eines Unternehmens entwickeln laut Munshi/Kurian oftmals eine asymmetrische Hierarchie der Zielgruppen, bei der Shareholder weit vorne an erster Stelle stehen. Erst hinter anderen Zielgruppen wie Konsumenten (2. Stelle) und Aktivistengruppen (3. Stelle), somit weit hinten in der Prioritätenliste, kämen die Massen von Arbeitern (4. Stelle), welche die Güter (oftmals in der Dritten Welt) produzieren. An letzter Stelle rangiere die noch viel größere Zahl jener Menschen, die zu arm ist, um überhaupt zu konsumieren. Laut Munshi/Kurian würden die letzten beiden Gruppen durch das Radar der Public Relations fallen: “Corporate PR efforts, therefore, focus on undercutting the protests of the third public to appease the second public and directly benefit the first public. Its agenda has no place for the colonised fourth and fifth publics” (Munshi/Kurian 2005, 514).
65
66
Lindell/Perry (vgl. 2004, 21f) etwa argumentieren, dass in der Risikokommunikation zu Umweltthemen ethnische Unterschiede unbedingt beachtet werden sollten. Ethnische Subkulturen würden häufig über geringes Einkommen und Bildung verfügen, folglich eher an Orten schlechterer Wohnqualität wohnen, die stärker von Umweltrisiken bedroht sind. Solche Gruppen in der Risikokommunikation nicht gezielt anzusprechen, könne tragische Folgen haben. Die „dominant coalition“ eines Unternehmens definieren Stevenson/Pearce/Porter (1985, 251) als „an interacting group of individuals, deliberately constructed, independent of the formal structure, lacking its own internal formal structure, consisting of mutually perceived membership, issue oriented, focused on a goal or goals external to the coalition, and requiring concerted membership.”
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
251
Auch Lass/Reusswig argumentieren für eine Integration der wenig bemittelten Schichten in die Nachhaltigkeitskommunikation: „Eine zu Unrecht bislang wenig beachtete Zielgruppe sind am unteren Rande stehende Kreise der Bevölkerung. Es sollte von vornherein darauf geachtet werden, auch die weniger gut situierten und weniger ,modernen‘ Milieus (z.B. das ,traditionslose Arbeitermilieu‘ oder untere Segmente des ,hedonistischen Milieus‘) zu interessieren und diskursfähig zu machen.“
Aus normativer Sicht erscheint es also anstrebenswert, dass Nachhaltigkeitskommunikation eine ganzheitliche Zielgruppensegmentierung vornimmt. Dabei taucht in der Literatur die Frage auf, ob auch zukünftige Generationen als Anspruchgruppen betrachtet werden sollen. Wheeler/Sillanpaa (1997) etwa gehen davon aus, dass zukünftige Generationen sehr wohl in Betracht zu ziehen seien. Ihrer Ansicht nach seien auch die natürliche Umwelt sowie nicht-humane Spezies als Stakeholder anzuerkennen. In der Praxis der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation wird dieser Anspruch freilich schwer zu erfüllen sein.
4.6.6 Das Konzept der integrierten Kommunikation nach Bruhn Entwicklungen im Kommunikationsumfeld wie Informationsüberlastung, Mediendiversifizierung und Vertrauenskrisen in Unternehmen haben in den vergangenen Jahren die Arbeit der Unternehmenskommunikation erschwert und einen immer größeren „Kommunikationswettbewerb“ (Bruhn 1995, 2) entstehen lassen. Vor diesem Hintergrund haben mehrere Autoren für die Notwendigkeit von integrierter Kommunikation argumentiert. Zu nennen sind etwa Bruhn (1995; 2006; Bruhn/Ahlers 2007); Caywood (1997) oder Kirchner (2001). Hier soll nun auf den Ansatz integrierter Kommunikation nach Bruhn eingegangen werden, da er meiner Ansicht nach die konkretesten Anhaltspunkte für eine Umsetzung integrierter Kommunikation in der Praxis liefert. Bruhns Ansatz basiert auf Erkenntnissen der Gestaltpsychologie, die davon ausgeht, dass eine einheitliche Wahrnehmung – die Grundlage, um Entscheidungen beim Rezipienten zu provozieren – durch widersprüchliche oder inkonsistente Informationen erschwert wird. Im Umkehrschluss geht Bruhn davon aus, dass Unternehmenskommunikation als „Einheit“ bzw. „geschlossenes Ganzes“ aufzutreten habe. Voraussetzung dafür sei integrierte Kommunikation, die Bruhn (1995, 13) definiert als „Prozess der Planung und Organisation, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen
252
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs eine Einheit herzustellen, um ein für sämtliche Zielgruppen der Unternehmenskommunikation konsistentes Erscheinungsbild über das Unternehmen zu vermitteln“ (Bruhn 1995, 13).
Ein solches einheitliches, widerspruchsfreies Erscheinungsbild erhöhe die Kommunikationswirkung und ermögliche die „Differenzierung von der Konkurrenz, den Aufbau von Lerneffekten bei den Zielgruppen sowie letztlich die Erzielung ökonomischer Wirkungen“ (Bruhn/Ahlers 2007, 200). Jedoch wie lässt sich integrierte Kommunikation gestalten? In einem ersten Konkretisierungsschritt unterscheidet Bruhn (vgl. 1995, 40 ff) drei Formen der Integration von Kommunikationsinstrumenten: inhaltlich, formal und zeitlich (vgl. Abbildung 47). Die inhaltliche Integration umfasst sämtliche Maßnahmen, welche die Kommunikationsmittel durch sogenannte Verbindungslinien (Slogans, Kernbotschaften, akustische Signale etc.) thematisch miteinander abstimmen. Innerhalb der inhaltlichen Integration differenziert Bruhn in
funktionale Integration: Hier geht es um die Fragen, welche kommunikative Funktion welches Kommunikationsmittel bzw. -instrument erfüllt; welche Aufgaben durch einen gemeinsamen Einsatz verschiedener Mittel besser erreicht werden können; welche Aufgaben durch Kommunikationsinstrumente nicht erreicht werden können. instrumentelle Integration: Hier geht es um die Frage, ob und wie verschiedene Instrumente kombiniert eingesetzt werden können. horizontale Integration: Hier geht es um die Frage, wie die Kommunikationsmaßnahmen innerhalb der relevanten Zielgruppen (Management, Mitarbeiter, Kunden) untereinander abgestimmt werden können. vertikale Integration: Hier geht es um die Frage, wie die gleichen Inhalte an verschiedene Zielgruppen vermittelt werden können.
Neben der inhaltlichen Integration liegt ein zweiter Schwerpunkt der integrierten Kommunikation im Bemühen, formale Vereinheitlichungen für die verschiedenen Kommunikationsmittel vorzunehmen (formale Integration). Markenzeichen, Logos und Slogans sollten nach vorgegebenen formalen Richtlinien gestaltet werden. Dies erhöhe die Wiedererkennbarkeit und die Lerneffekte bei den Rezipienten. Schließlich sollten Kommunikationsmaßnahmen Bruhn zufolge auch noch zeitlich abgestimmt werden (zeitliche Integration). Wichtig sind hierbei zwei Aspekte: Die Kontinuität innerhalb eines Instruments, und die Sicherstellung der
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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zeitlichen Abstimmung, wenn mehrere Kommunikationsmittel zum Einsatz kommen.
Abbildung 47: Formen der integrierten Kommunikation im Überblick (Bruhn 1995, 47)
Aus den Zielen der integrierten Unternehmenskommunikation leitet Bruhn (vgl. 1995, 57 ff; Bruhn/Ahlers 2007, 210) acht Komponenten ab, welche die Anforderungen an integrierte Unternehmenskommunikation zusammenfassen:
Bewusstseinskomponente: Sämtliche mit der Kommunikation betraute Mitarbeiter und Führungskräfte müssen sich über die Notwendigkeit einer integrierten Kommunikation bewusst sein. Strategiekomponente: Grundlegende Erfolgsvoraussetzung ist die strategische Verankerung der integrierten Kommunikation im Unternehmen. Dies verlangt die Formulierung einer Kommunikationsstrategie, welche die zentralen Ziele, Zielgruppen, Inhalte und Instrumente definiert. Positionierungskomponente: Die Positionierung bestimmt das Soll-Image der Unternehmung. Die verschiedenen Integrationsmaßnahmen müssen sich inhaltlich an der angestrebten Positionierung orientieren. Gestaltungskomponente: Die Kommunikationsinhalte sollen klar, prägnant, stimulierend, einprägsam, konzentriert sowie formal abgestimmt sein. Verbindungskomponente: Die integrierte Kommunikation sollte Verbindungslinien festlegen, wie Slogans, Argumente, Bilder, Zeichen, Logos, welche einheitlich in die verschiedenen Kommunikationsmaßnahmen eingebaut werden.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs Konsistenzkomponente: Aussagen der Unternehmenskommunikation und Formen der Kommunikationsinstrumente sollen konsistent sein. Kongruenzkomponente: Eine integrierte Unternehmenskommunikation soll mit dem Unternehmensverhalten kongruent sein. Es dürfen keine Versprechen gemacht werden, die durch Produkte, innerbetriebliche Maßnahmen bzw. andere Unternehmensaktivitäten nicht eingehalten werden können. Kontinuitätskomponente: Der Einsatz von Kommunikationsinstrumenten soll kontinuierlich erfolgen. Es bedarf also einer mittel- bis langfristigen Orientierung.
Jedoch was sich auf dem Papier so selbstverständlich liest, ist in der Praxis schwer umzusetzen. Bruhn spricht in seinem Konzept deshalb mögliche Barrieren an, die integrierte Kommunikation erschweren, nämlich Widerstände inhaltlich-konzeptioneller Art, organisatorisch-struktureller Art und personell-kultureller Art (vgl. Bruhn 1995, 48 ff). Auf inhaltlich-konzeptioneller Ebene können eine fehlende Konzeption der integrierten Kommunikation und fehlende Strategie-, Ziel-, und Zielgruppenformulierungen Schwierigkeiten bereiten, ebenso fehlendes Bewusstsein über den Beitrag integrierter Kommunikation zur Wettbewerbsprofilierung und Schwierigkeiten bei der Erfolgskontrolle. Auf organisatorisch-struktureller Ebene können das Fehlen einer Koordinierungsstelle mit Entscheidungskompetenz, mangelnde Zusammenarbeit zwischen den Kommunikationsabteilungen, Ressortdenken, mangelnde organisatorische Verankerung und mangelnde Verankerung der integrierten Kommunikation auf Führungsebene Probleme bereiten. Auf personeller Ebene verursachen möglicherweise lückenhaftes Begriffsverständnis für das, was unter integrierter Kommunikation verstanden werden soll, unterschiedliche Zielvorstellungen, geringe Kooperationsbereitschaft einzelner Mitarbeiter und Abteilungen, fehlendes Bewusstsein auf der Führungsebene über die erfolgsrelevanten Leistungen der Unternehmenskommunikation, „not invented here“-Prinzip sowie Angst vor Kontroll-, und Kompetenzverlust Schwierigkeiten. Bruhn systematisiert zwar die möglichen Problemfelder und Widerstände, Lösungsansätze dafür bietet er allerdings kaum. Diskussion des Konzepts der integrierten Unternehmenskommunikation und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Der Integrationsgedanke spielt aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation in mehrerlei Hinsicht eine wichtige Rolle: Erstens weist das Nachhaltigkeitskonzept
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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selbst eine Integrationskomponente auf, nämlich durch die integrierte Sichtweise von ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten des Wirtschaftens. Zweitens ist Nachhaltigkeitskommunikation – so wie sie in dieser Arbeit verstanden wird – ein Paradebeispiel für thematische Integration. Es handelt sich nicht um einen eigenen Programmbereich der Public Relations (wie etwa interne Kommunikation, Medienarbeit, Investor Relations, Educational Relations), sondern um einen Aufgaben- und Themenbereich, der situativ in die verschiedenen Programmbereiche inhaltlich integriert wird („Querschnittsfunktion“). So findet Nachhaltigkeitskommunikation situativ einmal im Rahmen der Medienarbeit, einmal im Rahmen der internen Kommunikation, einmal im Rahmen der Investor Relations und auch im Rahmen der anderen Programmbereiche statt67. Auch Lühmann (2003, 66) verweist auf die Integration als wichtiges Prinzip der Nachhaltigkeitskommunikation. Sie geht davon aus, dass sämtliche Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens über Verbindungslinien mit den Maßnahmen der Nachhaltigkeitskommunikation verbunden werden müssen (vgl. Abbildung 48).
Abbildung 48: Vernetzung der Kommunikationsmaßnahmen im Rahmen eines Nachhaltigkeitskommunikationskonzepts (Lühmann 2003, 66)
67
In der Mitarbeiterzeitung zum Beispiel können sich Tipps zum Energiesparen im Büro und zuhause finden (interne Kommunikation), Gleichberechtigung am Arbeitsplatz ist im Leitbild verankert (interne Kommunikation), umweltrelevante Produktinformationen wie auch Qualitäts- und Sicherheitsinformationen (etwa energiesparende Anwendung, Rücknahme von Altgeräten etc.) stehen in der Gebrauchsanweisung oder in Artikelpässen (Konsumenten Public Relations), die betrieblichen Nachhaltigkeitsleistungen werden an Journalisten kommuniziert (Medienarbeit), etc.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Bruhns Konzept der integrierten Unternehmenskommunikation unterscheidet sich vom hier präsentierten Ansatz der Nachhaltigkeitskommunikation zwar durch seine starke Marketingorientierung und eine Fokussierung auf die Zielgruppen Management, Mitarbeiter und Kunden. Dennoch glaube ich, dass das Konzept Anknüpfungspunkte liefert, um bestimmte Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation besser bewältigen zu können, vor allem Nachhaltigkeitskommunikation in multinationalen Unternehmen, Herausforderungen durch Glaubwürdigkeitsprobleme und Herausforderungen durch die Art der Kommunikationsziele (vgl. Kapitel 3.4.7). Ich gehe davon aus, dass eine inhaltliche, formale und zeitliche Integration innerhalb der Nachhaltigkeitskommunikation wie auch zwischen Nachhaltigkeitskommunikation und anderen Dimensionen der Public Relations Voraussetzung ist, dass auch multinationale Unternehmen einheitlich über Nachhaltigkeitsthemen kommunizieren können. Einheitliche Botschaften vermittelt durch verschiedene Kommunikationsinstrumente scheinen weiters hilfreich, um die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitskommunikation zu erhöhen. Darüber hinaus erleichtert Integration Bruhn zufolge den Zielgruppen das Verstehen der Botschaft und somit auch den Lerneffekt. Dies erscheint gerade für Nachhaltigkeitskommunikation, die aus normativer Sicht unter anderem auf Wissensbildung und Verhaltensänderung abzielt, durchaus wertvoll. Auch die von Bruhn formulierten Anforderungen an integrierte Kommunikation treffen meiner Ansicht nach auf Nachhaltigkeitskommunikation zu. Aus normativer Sicht hervorheben möchte ich die Bewusstseinskomponente, die Positionierungskomponente und die Konsistenzkomponente: Damit Nachhaltigkeitskommunikation überhaupt Sinn macht, muss parallel dazu ein unternehmensinternes Nachhaltigkeitsbewusstsein geschaffen werden. Weiters muss zuerst eine klare strategische Soll-Positionierung des Unternehmens mit Bezug auf dessen Nachhaltigkeitsleistungen vorliegen. Damit Nachhaltigkeitskommunikation nicht als Greenwash abgetan wird, kann die Kommunikation nur die tatsächlichen Aktivitäten und Ist-Zustände reflektieren, Worte und Taten müssen also konsistent sein. Bruhn beschäftigt sich auch mit potenziellen Widerständen, die eine integrierte Unternehmenskommunikation behindern könnten. Ich gehe davon aus, dass die von ihm genannten Schwierigkeiten grundsätzlich auch für das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation zutreffen: Nachhaltigkeitskommunikation ist auf die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensbereichen besonders stark angewiesen. Kommunikationspraktiker benötigen Informationen zu den Nachhaltigkeitsleistungen und Kennzahlen des Unternehmens. Dabei müssen sie sich auf Informationen aus anderen Abteilungen wie Controlling und Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsmanagement verlassen können. Ein Ziel der
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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Nachhaltigkeitskommunikation ist es, zu einer ökologisch und sozial verträglichen Weiterentwicklung der Unternehmung beizutragen. Das wiederum könnte in anderen Unternehmensbereichen Angst vor Machtverlust hervorrufen. Besonders schwierig gestaltet sich die Organisation der Nachhaltigkeitskommunikation, da diese inhaltlich in alle Programmbereiche der Public Relations integriert sein sollte. Eine Koordinierungsstelle wird hier vermutlich von Nöten sein (vgl. Kapitel 3.4.5.1).
4.6.7 Bildungs- und Reflektivitätsaspekte der Public Relations nach van Ruler/Vercic Im Jahr 1998 initiierte die Europäische Public Relations Ausbildungs- und Forschungsvereinigung EUPRERA (European Public Relations Education and Research Association) das “European Public Relations Body of Knowledge Project“ (EBOK), um die Parameter und Inhalte von Public Relations in Europa zu untersuchen. Eine Forschergruppe führte dazu eine Delphi-Studie mit Teilnehmern aus Praxis und Wissenschaft aus 26 unterschiedlichen europäischen Ländern durch. Es sollten verschiedene Public-Relations-Ansätze erhoben werden und Parallelen sowie Unterschiede zur nordamerikanischen Praxis („Public Relations Society of America Body of Knowledge“) aufgezeigt werden. Die Ergebnisse der EBOK-Studie wurden von van Ruler und Vercic (vgl. 2004) zusammengefasst. Sie beziehen sich zwar ausdrücklich auf den europäischen Raum, trotzdem bieten die Erkenntnisse generelle Anknüpfungspunkte zur Entwicklung einer normativen Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation. Als typisch für Public Relations in Europa identifizieren van Ruler/Vercic (vgl. 2004, 6) im Rahmen des EBOK-Projektes vier Charakteristika bzw. Funktionen von Public Relations Praktikern, und zwar Management (managerial), Durchführung (operational), Bildung (educational) und Reflektivität (reflective): Die Public Relations Funktion Management beziehe sich in Europa darauf, dass Kommunikationspläne entwickelt werden, und Beziehungen mit verschiedenen (internen und externen) Zielgruppen aufgebaut bzw. erhalten werden, mit dem Ziel, öffentliches Vertrauen und/oder wechselseitiges Verstehen zu erreichen. Laut Ruler/Vercic streben Public Relations Praktiker an, zur Erfüllung von Unternehmensmission und Unternehmensstrategien beizutragen. Die Funktion Durchführung von Public Relations beziehe sich darauf, Kommunikationsmittel zu erstellen und die Unternehmung dabei zu unterstützen, Inhalte der Kommunikation zu formulieren. Diese Rolle des Public Relations Praktikers sei jene eines Dienstleisters, der darauf abziele, von anderen Personen entwickelte Kommunikationspläne durchzuführen.
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Die Funktion Bildung beziehe sich darauf, Organisationsmitgliedern zu kommunikativer Kompetenz zu verhelfen, damit sie auf Forderungen der Gesellschaft besser reagieren können. In dieser Rolle beschäftigen sich PublicRelations-Praktiker vor allem mit internen Zielgruppen, deren Denk- und Verhaltensweisen. Die Funktion Reflektivität schließlich ist einerseits als eine weitere Funktion von Public Relations in Europa zu verstehen (vgl. van Ruler/Vercic 2004), andererseits wurde sie später auch als eine generelle Betrachtungsweise des Kommunikationsmanagements konzipiert (vgl. van Ruler/Vercic 2005). Im ursprünglichen Ansatz, welcher sich aus dem EBOK-Projekt ableitet, meint der Begriff der Reflektivität, dass unternehmerische Prozesse und Entscheidungen ständig an die sich verändernden gesellschaftlichen Normen und Werte angepasst werden müssen, wobei Kommunikation eine wesentliche Rolle spiele. Gesellschaftliche Werteveränderungen zu analysieren, sie mit Vertretern der Organisation zu besprechen und bei der Entwicklung von Unternehmensmission, Strategien, Standards, Werten und Sichtweisen im Betrieb mitzuwirken, zähle zu den Aufgaben europäischer Public-Relations-Praktiker (vgl. van Ruler, Vercic 2004, 6). In ihrer Publikation aus dem Jahr 2005 fassen van Ruler/Vercic (vgl. 2005, 239 ff) diese reflektive Funktion der Public Relations noch weiter, und zwar als eine neue Betrachtungsweise von Public Relations („new practical view of public relations“): “From a reflective point of view, public relations is not just a phenomenon to be described and defined, or a way of viewing relationships between parties. It is primarily a strategic process of viewing an organization from the outside, or public view” (van Ruler/Vercic 2005, 253).
Die Autoren argumentieren, dass die soziale Legitimation von Unternehmen eines der vordringlichsten Probleme bzw. Herausforderungen für Public Relations in Europa darstelle. Bestehende Public Relations Modelle seien zu stark an Zielgruppen bzw. Öffentlichkeiten orientiert, um auf gesellschaftliche Themen eingehen zu können. Daher schlagen die Autoren eine umfassendere Betrachtungsweise von Public Relations, eben das reflektive Kommunikationsmanagement, vor. Mit dieser Bezeichnung wollen sie – in Anlehnung an verschiedene andere europäische Autoren mit gesellschaftsorientierter Ausrichtung – zum Ausdruck bringen, dass Public Relations mehr leiste als reine Beziehungspflege: “Public relations is not only about relations with the public(s), but creates a platform for public debate and, consequently, a public sphere. […] In the societal ap-
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proach, public relations serves the same kind of (democratic) function as journalism does, as they both contribute to a free flow of information and its meanings. They both contribute to the development of the public sphere in size (how many people are involved in public life?), in level (what is the level at which we discuss public matters?), and in quality (what are the frames used in the debates?)” (van Ruler/Vercic 2005, 256f).
Diskussion von Bildungs- und Reflektivitätsaspekten der Public Relations und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Der Ansatz von van Ruler und Vercic, Unternehmen stärker aus der Sicht der Gesellschaft zu betrachten, deckt sich gut mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, welches ebenfalls die Gesellschaft und die Bedürfniserfüllung heutiger wie zukünftiger Generationen ins Zentrum rückt. Vor allem der Bildungsansatz und der Reflektivitätsansatz von van Ruler und Vercic liefern interessanten theoretischen Input. Denn Nachhaltigkeitskommunikation – so wie sie in dieser Arbeit konzipiert wurde (vgl. Kapitel 3.4.1) – verfolgt sowohl Bildungsfunktionen wie auch reflektive Funktionen. Der Bildungsansatz betont den hohen Stellenwert der unternehmensinternen Zielgruppen, die gerade in der Nachhaltigkeitskommunikation eine wichtige Rolle spielen. Unterschiedliche Experten, etwa Dietmar Kanatschnig (2005) vom früheren Austrian Business Council for Sustainable Development (heute respACT) oder Bradley Googins vom Center for Corporate Citizenship (2006, 90) betrachten die Mitarbeiter als die wichtigste Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation. Für Nachhaltigkeitskommunikation gelte besonders, dass Mitarbeiter noch vor externen Zielgruppen angesprochen werden sollten. Nur so könne sich langsam ein „Bottom-Up“ Prozess in Richtung nachhaltige Entwicklung innerhalb des Unternehmens entwickeln, noch bevor externe Stakeholder den Betrieb mit ihren nachhaltigkeitsbezogenen Erwartungen überschütten. Ein solcher „Bottom-Up“ Prozess sei auch Voraussetzung dafür, dass sich unternehmensintern ein „Klima der Nachhaltigkeit“ entwickle und sich Nachhaltigkeit als Unternehmenswert etabliere. Wird Nachhaltigkeit zu einem Unternehmenswert, dann werden Mitarbeiter eher dazu bereit sein, Nachhaltigkeitsziele mitzutragen, sich auch selbst an Aktivitäten (wie Corporate Volunteering, Gender Programmen, Abfallentsorgung etc.) zu beteiligen und eigene Ideen zu Innovationen und Prozessveränderungen einzubringen (vgl. Kanatschnig 2005). Voraussetzung dafür sei laut Googins (2006) Transparenz und Authentizität in der internen Kommunikation, weil die Belegschaft das Unternehmen sehr gut kenne und nicht von oberflächlichen Floskeln zu überzeugen sei.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Da Mitarbeiter häufig in direkten Kontakt mit Zielgruppen der externen Kommunikation kommen (Kunden, Lieferanten, etc.), sollten sie als potenzielle Multiplikatoren der „Nachhaltigkeitsbotschaft“ betrachtet werden, die die Nachhaltigkeitsidee im allgemeinen und die Nachhaltigkeitsvision des Unternehmens im speziellen nach außen kommunizieren. Dazu wird es häufig nötig sein, die kommunikative Kompetenz der Mitarbeiter durch Schulungsmaßnahmen zu verbessern68. Während der Bildungsansatz also den hohen Stellenwert der Mitarbeiter als Zielgruppe betont, bietet der Reflektivitätsansatz noch weitere Anknüpfungspunkte für Nachhaltigkeitskommunikation. Meiner Ansicht nach spielen Reflektivitätsaspekte im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation vor allem in drei Bereichen eine wichtige Rolle: (1) Bei der Situationsanalyse, (2) bei der Formulierung normativer Zielsetzungen sowie (3) bei der Betonung der Notwendigkeit einer „licence to operate“. (1) Situationsanalyse Im Rahmen des Prozesses der Nachhaltigkeitskommunikation spielen reflektive Aspekte schon bei der Situationsanalyse eine wichtige Rolle. Denn Nachhaltigkeitskommunikation – wie sie in dieser Arbeit konzipiert wurde – verlangt besonders, dass sich Kommunikationsexperten systematisch mit der Veränderung gesellschaftlicher Werte, Erwartungen, Meinungen sowie auch mit dem Konfliktpotenzial bestimmter nachhaltigkeitsrelevanter Themen auseinandersetzen, um dies anschließend mit anderen Organisationsmitgliedern zu diskutieren. Kommt bei einer reflektiv angelegten Themen- bzw. Situationsanalyse heraus, dass eine intakte Umwelt in einer bestimmten Gesellschaft einen hohen und tendenziell steigenden Wert darstellt69, ist dies ein Argument für die unter68
69
Ein praktisches Beispiel dafür findet sich bei den Österreichischen Bundesforsten: Ein Forstbetrieb bildete seine Mitarbeiter darin aus, wie sie das Thema der unternehmerischen Nachhaltigkeit am besten in der breiten Öffentlichkeit kommunizieren können. Forschungsarbeiten der Austrian Business Academy for Sustainable Development (ASD) hatten nämlich ergeben, dass die 180 Forstarbeiter des Betriebs jährlich mit 520.000 Mitgliedern der breiten Öffentlichkeit persönlichen Kontakt hätten, während hingegen die wenigen Vertreter des Managements nur eine minimale Anzahl an direkten Kontakten vorweisen könnten. Im Rahmen des Innovationsmanagements wurden die 180 Mitarbeiter nun darin trainiert, die Nachhaltigkeitsvision des Unternehmens zu kommunizieren. Sie sollten auch lernen, ihre Augen und Ohren offen zu halten für Ideen von außen, wie man die Nachhaltigkeitsperformance noch verbessern könnte und sich besser auf gesellschaftliche Erwartungen anpassen könnte (vgl. Kanatschnig 2005). Kuckartz (2002, 20 ff) befragte 2000 deutsche Erwachsene über ihr Umweltbewusstsein und fand heraus, dass Umwelt und soziale Gerechtigkeit einen wesentlichen Stellenwert in der deutschen Gesellschaft einnehmen (nachdem sie in der Mitte der 1990er Jahre eher Themen von geringerer Aufmerksamkeit waren). Die meisten Befragten waren der Meinung, die Gren-
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nehmensinterne Legitimation von Nachhaltigkeitskommunikation. Es hilft Kommunikationspraktikern, unternehmensintern zu argumentieren, warum sie sich im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation engagieren und Ressourcen dafür aufwenden. (2) Formulierung normativer Zielsetzungen Auch was die normativen Zielsetzungen der Nachhaltigkeitskommunikation, also den „Public Case“ betrifft, bietet der Ansatz von van Ruler/Vercic (2005) Anknüpfungspunkte. Sie argumentieren, dass Public Relations (und somit auch Nachhaltigkeitskommunikation als eine Dimension der Public Relations) die Aufgabe habe, „(to) create a platform for public debate and, consequentely, a public sphere” (van Ruler/Vercic 2005, 256). In den obigen Ausführungen zum „Public Case“ der Nachhaltigkeitskommunikation habe auch ich solche gesellschaftlichen Ziele formuliert (vgl. Kapitel 3.4.4.3): Nachhaltigkeitskommunikation hat das Potenzial, zu einer gesellschaftlichen Diskussion über Nachhaltigkeitsfragen anzuregen. Im Idealfall kann sie den Weg bereiten für eine öffentliche „Diskussionsplattform“ über branchenrelevante oder generelle Nachhaltigkeitsthemen. Einem solchen gesellschaftlichen Ansatz zufolge kann Public Relations im allgemeinen und Nachhaltigkeitskommunikation im besonderen als demokratische Funktion (“democratic function”) (van Ruler/Vercic 2005, 257) von Unternehmen betrachtet werden. (3) Betonung der Notwendigkeit einer „licence to operate“ Aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation erscheint auch interessant, dass van Ruler/Vercic (2005) die soziale Legitimierung von Unternehmen und damit verbunden die Erreichung einer „licence to operate“ als vordringlichstes Problem der Public Relations Praxis definieren: “The primary concerns of communication management from a reflective approach are an organization’s inclusiveness and preservation of the licence to operate” (van Ruler/Vercic 2005, 257).
Gesellschaftliche Legitimierung von Unternehmen ist heutzutage eng mit unternehmerischer Nachhaltigkeitsorientierung verbunden. Das geht etwa aus einer Analyse von Holmström (vgl. 2005, 497 ff) hervor, die ähnlich wie van zen des Wachstums seien erreicht und ein ökologischer Kollaps stünde bevor. Nur ein Prozent der Befragten gab an, dass die ökologische Qualität weltweit „sehr gut“ wäre. 15 Prozent sagten, sie wäre gut, 66 Prozent eher schlecht und 18 Prozent sehr schlecht.
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Ruler/Vercic für die Notwendigkeit eines „reflektiven Paradigmas“ der Public Relations argumentiert, indem sie auf den systemtheoretischen Ansatz von Niklas Luhmann verweist. Ihrem Verständnis nach bedeutet Reflektivität, dass Organisationen ihre Sensibilität für soziale Diversität erhöhen, eingefahrene Wahrnehmungsweisen überdenken und sich selbst beobachten müssen: “So, opposed to the mono-contextual perspective of an environment to be managed, the poly-contextual perspective is of an environment to be respected. From interrelations being characterized by prejudice and locked positions, reflection opens up attempts of mutual-understanding” (Holmström 2005, 501).
Notwendig geworden sei ein solcher reflektiver Ansatz der Public Relations unter anderem deshalb, weil unternehmerische Entscheidungen heute zunehmend als Bedrohung empfunden und Unternehmen für ihre Entscheidungen öffentlich kritisiert werden (vgl. Holmström 2005, 499). Allerdings stelle Reflektivität aus Sicht der Public Relations einen risikoreichen und ressourcenintensiven Ansatz dar: “It is resource-demanding because reflection doubles the communicative processes and makes decisions and decision processes far more ambiguous; it is risky because it may raise doubt within an organization about its own rationality and raison d’etre” (Holmström 2005, 501).
Um reflektives Vorgehen in der Praxis zu erleichtern, entwickeln Unternehmen Holmström zufolge bestimmte Routinen. Holmström (2005, 501) bringt dazu ein konkretes Beispiel aus dem Bereich des Nachhaltigkeitsmanagements: “The finance director follows specific routine procedures to take into consideration social and environmental audits and ethical investors; the logistics director automatically checks foreign suppliers’ approaches to child labor; and the production director complies with internationally acknowledged standards to ensure that the production lives up to sustainability certification.“
Genauere Ansatzpunkte, wie Reflektivität in der Public Relations Praxis umzusetzen ist, finden sich weder bei van Ruler/Vercic noch bei Holmström.
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4.6.8 „Diffusion of Innovation“-Theorie nach Rogers und das Aufgabenfeld der Innovationskommunikation nach Zerfaß/Mast Die erfolgreiche Einführung von Innovationen am Markt ist für viele Unternehmen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Zahlreiche Innovationsoffensiven setzen sich für neue Produkte, Prozesse und Technologien ein, jedoch viele dieser Anstrengungen verpuffen. Jährlich gehen dabei Unsummen verloren, alleine in Deutschland 40 Milliarden Euro, wie die Beratungsfirma A.T. Kearney errechnet hat (vgl. Zerfaß 2006, 8). Um Innovationen (die ja gerade innerhalb des Nachhaltigkeitsmanagements eine große Rolle spielen) erfolgreich umzusetzen und öffentlich verständlich zu machen, ist bis zu einem gewissen Grad auch ein theoretisches Verständnis des Prozesses der Innovationsverbreitung notwendig. Es wird deshalb nun in Grundzügen die umfassendste Theorie dazu beschrieben, nämlich die „Diffusion of Innovation“-Theorie von Everett Rogers (1995). Im Anschluss wird – mit Bezug auf Zerfaß/Mast (2005) – näher auf das Arbeitsfeld der Innovationskommunikation eingegangen. Über 40 Jahre lang hat sich der US-amerikanische Kommunikationswissenschafter Everett Rogers mit der Frage beschäftigt, wie sich Innovationen in sozialen Systemen verbreiten, wie sie akzeptiert und aufgenommen werden. Dabei unterstreicht Rogers den Stellenwert der Kommunikation für die Innovationsverbreitung. Er legt seiner Theorie das von Rogers und Kincaid (1981) gemeinsam entwickelte Konvergenzmodell der Kommunikation zu Grunde und betrachtet den Prozess der Verbreitung von Innovationen im Grunde als einen Kommunikationsprozess: Diffusion sei „the process by which an innovation is communicated through certain channels over a period of time among the members of a social system” (Rogers 1995, 5). Aus dieser Definition lassen sich drei Kernelemente der „Diffusion of Innovation“-Theorie ableiten: (1) Innovation, (2) Kommunikation, und (3) Zeit. (1) Innovation Unter einer Innovation versteht Rogers „an idea, practice, or object that is perceived to be new by an individual or other unit of adoption” (Rogers 1995, 11). Innovationen lassen sich anhand von fünf Charakteristika beschreiben:
Wahrgenommener relativer Vorteil, den eine Innovation im Vergleich mit bisherigen Lösungen bietet; Kompatibilität mit Erfahrungen, Bedürfnissen und Werten; Komplexität und Verständlichkeit; Möglichkeiten zum unverbindlichen Ausprobieren der Innovation;
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs Augenscheinlichkeit, d.h. ob die Anwendung der Innovation bereits bei anderen beobachtet werden kann.
(2) Kommunikation Rogers Theorie zufolge besteht der Innovationskommunikationsprozess aus drei Komponenten: aus Individuen bzw. einer Organisation, welche die Innovation bereits anwenden; aus Individuen bzw. einer Organisation, welche die Innovation noch nicht anwenden; sowie aus Kommunikation, die sich entweder massenmedial oder interpersonell abspielt. Massenmediale Kommunikation sei nützlich bei der Vermittlung des für die Innovationsanwendung nötigen Wissens, interpersonelle Kommunikation sei nützlich bei der Änderung von Einstellungen bzw. Verhaltensweisen. Im Rahmen der interpersonellen Kommunikation hebt Rogers drei mögliche Rollen des Kommunikators besonders hervor. Er unterscheidet die Rolle des Meinungsführers, die Rolle des Change Agents und die Rolle des Innovation Champions: Meinungsführer sind einflussreiche Mitglieder eines sozialen Systems, die sich auszeichnen durch „technical competence, social accessibility, and conformity to the system’s norm“ (Rogers 1995, 27). Meinungsführer wirken durch ihre Vorbildwirkung auf andere Mitglieder des sozialen Systems. Wenn sie eine Innovation anwenden (oder ablehnen), dann wird dieses Verhalten von anderen tendenziell imitiert. Grundsätzlich gelte das „Peer-Prinzip“: Je ähnlicher sich der Meinungsführer und der potenzielle Anwender der Innovation seien in Bezug auf Status, Ausbildung und Werte, desto rascher komme es zur Akzeptanz der Innovation. Im Gegensatz zu Meinungsführern sind Change Agents den potenziellen Innovationsanwendern meist weniger ähnlich, dafür wird ihnen Expertentum zugesprochen. Change Agents haben ein klares Ziel vor Augen, nämlich die Innovation – meist im Auftrag einer Organisation – erfolgreich zu verbreiten. Um dieses Ziel zu erreichen, versuchen Change Agents oftmals, Meinungsführer auf ihre Seite zu bringen. Innovation Champions schließlich sind unternehmensinterne Meinungsführer. Sie erkennen die Relevanz einer Innovation vor ihren Arbeitskollegen und setzen sich persönlich für die Umsetzung einer unternehmensinternen Innovation (z.B. Prozessinnovation) ein. Sie haben die Fähigkeit, über Hierarchien hinweg für die Idee internes „Lobbying“ zu betreiben. Das funktioniert umso besser, je enger die Zusammenarbeit mit dem Management erfolgt.
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(3) Zeit Der Zeitfaktor spielt für die „Diffusion of Innovation“-Theorie in dreierlei Hinsicht eine Rolle, und zwar im Hinblick auf die Dauer des Innovationsprozesses, auf den Grad der Innovationsfreudigkeit sowie auf die Geschwindigkeit der Innovationsanwendung. Die Dauer des Innovationsprozesses wird davon bestimmt, wie rasch einzelne Prozessphasen durchlaufen werden. Für die Innovationsdiffusion in sozialen Systemen unterscheidet Rogers fünf Phasen: Zuerst müssen die potenziellen Anwender Wissen über die Innovation erwerben. Dann gilt es, sie von deren Nützlichkeit zu überzeugen. Nachdem die Entscheidung für die Innovation gefallen ist, folgt die Anwendungsphase. Im Idealfall bekommt der Anwender schließlich noch Bestätigung, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Ein Spezialfall, bei dem der Innovationsprozess etwas modifiziert abzulaufen hat, ist die unternehmensinterne Einführung und Verbreitung von Innovationen (vgl. Rogers 1995, 375 ff). Zuerst, in der „Agenda-Setting-Phase“, werden Probleme im Unternehmen erkannt, und der Bedarf einer Innovation wird wahrgenommen. In einem nächsten Schritt („Matching“) werden Innovationen gesucht, und eine Innovation wird als passend zur Lösung des Problems erkannt. In der Phase des „Redefining/Restructuring“ wird die Innovation für die Anforderungen des Unternehmens modifiziert. Im nächsten Schritt, dem „Clarifying“, kommt die Innovation zur Anwendung und wird schließlich in den normalen Arbeitsalltag integriert („Routinizing“) (vgl. Rogers 1995, 389 ff). Den Grad der Innovationsfreudigkeit beschreibt Rogers (vgl. 1995, 252) ebenfalls in Abhängigkeit von der zeitlichen Dimension. Als erste Gruppe wenden sogenannte Innovatoren die Neuerung an, risikofreudige Menschen, die rund 2,5 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Danach wird die Innovation auch von frühen Anwendern entdeckt (13,5 Prozent). Erst dann wendet die Gruppe der sogenannten frühen Mehrheit (34 Prozent) die neue Idee an. Darauf folgt die skeptische, späte Mehrheit (34 Prozent). Immer noch bleiben 16 Prozent der Bevölkerung, die sich mit der Innovation vorerst nicht anfreunden können. Diese „Nachzügler“ sind konservativ bzw. haben nicht die Ressourcen, um die neue Idee zu verwenden. Sie ziehen erst nach, wenn sich das Neue über längere Zeit als bewährt herausgestellt hat. Die Geschwindigkeit der Innovationsanwendung stellt Rogers in Form einer Gauss’schen Glockenkurve da (vgl. Abbildung 49). Freilich ist dieses Modell nur eine Richtlinie, es verdeutlicht aber, dass es zwecklos ist, die breite Masse von vorneherein für eine Innovation begeistern zu wollen. Stattdessen sollten kommunikative Maßnahmen zu Beginn gezielt an Innovatoren bzw. frühe Anwender gerichtet sein.
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Abbildung 49: Zeitliche Verteilung der Anwendergruppen in der „Diffusion of Innovation“-Theorie (Rogers 1995, 257).
Während Rogers die Zusammenhänge zwischen Kommunikation und Innovationsverbreitung vorwiegend aus theoretischer Sicht betrachtet, haben Zerfaß/Mast (2005) eine praxisnahe Perspektive gewählt. Sie betrachten Innovationskommunikation als ein strategisch wichtiges und zukunftsträchtiges Aufgabenfeld der Unternehmenskommunikation/Public Relations und untersuchen Möglichkeiten zur erfolgreichen Umsetzung der Innovationskommunikation. Unter Innovationskommunikation verstehen Zerfaß/Sandhu/Huck (2004, 56) „die systemisch geplante, durchgeführte und evaluierte Kommunikation von Innovationen mit dem Ziel, Verständnis für und Vertrauen in die Innovation zu schaffen sowie die dahinter stehende Organisation als Innovator zu positionieren.“
Laut Zerfaß (2004, 12 nach Thom 1980 und Strebel 2003) sind Innovationen gekennzeichnet durch „Neuartigkeit, d. h. es handelt sich um vorher nicht bekannte oder umsetzbare Zweck-Mittel-Kombinationen. Innovationen verfügen über eine hohe Komplexität, da sie in ihren Wechselwirkungen schwer überschaubar sind. Zudem ist der konkrete Nutzen häufig nicht sofort ersichtlich – deshalb ist der hohe Abstraktionsgrad ein weiteres Merkmal. Schließlich bergen Innovationen ein immanentes Veränderungspotenzial für die betroffene Organisation und große Unsicherheit im Hinblick auf den Markterfolg.“
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Dieses Verständnis von Innovationen lege es nahe, dass der Innovationskommunikationsprozess nicht einseitig-persuasiv ablaufen kann, sondern „demokratisch“ angelegt sein sollte (vgl. Zerfaß 2006, 8). Vor allem Kunden und Mitarbeiter, aber auch andere Stakeholder, sollten frühzeitig einbezogen werden. Verheimlichung, Arbeiten im „stillen Kämmerchen“ und Angst vor der Konkurrenz hätten heute im Innovationsprozess keinen Platz mehr. Im schnelllebigen globalen Wettbewerb sei es auch kaum mehr möglich, Ideen nur im eigenen Unternehmen zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen. Notwendig seien vielmehr Kooperationen und Wissensallianzen mit Kunden, Händlern, Lieferanten, Hochschulen und nicht zuletzt mit Wettbewerbern. Die Integration von Innovationsthemen in die Unternehmenskommunikation berge Zerfaß zufolge sowohl Chancen als auch Herausforderungen (vgl. Abbildung 50). Einerseits ergeben sich dadurch möglicherweise Positionierungsund Imagechancen, und in der Medienarbeit können Innovationen dank ihres Neuigkeitswertes das Interesse der Journalisten wecken. Erschwerend auf die Praxis der Kommunikation über Innovationen wirken andererseits Faktoren wie Ängste der Stakeholder vor Veränderungen, mangelnde Anschlussfähigkeit und Komplexität des Innovationsthemas (vgl. Zerfaß 2004, 19).
Abbildung 50: Herausforderungen und Chancen durch Innovationskommunikation (Zerfaß 2004, 19)
Es gelte daher, Innovationskommunikation professionell zu planen und zu gestalten. Die relevanten Aufgabenfelder dafür seien laut Zerfaß (vgl. 2004, 22) die interne Innovationskommunikation, das Innovationsmarketing und InnovationsPublic Relations: Im Mittelpunkt der internen Innovationskommunikation stehen „die Handlungskoordination und Interessenklärung mit allen, die ein Unternehmen ge-
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stalten und an der arbeitsteiligen Formulierung und Umsetzung seiner Ziele mitwirken“ (Zerfaß 2004, 22). Interne Innovationskommunikation ist notwendig, um Innovationsziele festzulegen, vorhandenes Wissen zu aktivieren, Ängste zu überwinden, Motivation zu vermitteln und gemeinsame Visionen zu erarbeiten (Zerfaß 2004, 23 nach Bock-Valotta 1998). Zielgruppen sind sowohl Eigentümer bzw. Geschäftsleitung wie auch die Mitarbeiter. Letztere sind die wichtigsten Botschafter des Unternehmens und müssen deshalb Vorteile und Folgen der Neuerung als Erste verstehen. Häufig gibt es jedoch interne Vorbehalte, die mit der Innovation selbst gar nichts zu tun haben, sondern mit damit verbundenen internen Begleiterscheinungen (z.B. möglicher Arbeitsplatzverlust durch Technologisierung und Effizienzsteigerung). Kommunikationsprozesse im Rahmen des Innovationsmarketings zielen ab auf alle Gruppen, mit denen Austausch- oder Konkurrenzbeziehungen bestehen, wie Lieferanten, Partner, Kapitalgeber, Kunden, Konkurrenten etc. Vorrangiges Ziel ist die Akzeptanz der Innovation am Markt bzw. die Steigerung des Absatzes. Zu den Kommunikationsmitteln in diesem Bereich zählen Werbung, die sich an Innovatoren und potenzielle frühe Adaptoren wendet, Händler-Promotion oder auch die gezielte Verunsicherung von Wettbewerbern durch die Ankündigung neuer Technologiestandards. Innovations-Public Relations schließlich richtet sich an jene Zielgruppen, zu denen keine Organisations- oder Marktbeziehungen bestehen, die aber dennoch für die Durchsetzung von Neuerungen bedeutsam sind. Das betrifft etwa Anrainer, Wissenschaftler, Special-Interest-Groups, Regierungen, Behörden, Politiker, etc. „Bei solchen Kommunikationsprozessen geht es einerseits um konkrete Handlungsabstimmungen (z.B. die Formulierung von gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue Technologien) und zum anderen um den Aufbau von Vertrauen, Glaubwürdigkeit und die Positionierung des Unternehmens als Innovationsträger“ (Zerfaß 2004, 23).
Angesichts der nun skizzierten theoretischen Ausführungen über Innovationskommunikation stellt sich die Frage, wie weit entwickelt Innovationskommunikation in der Praxis bereits ist. Eine empirische Studie dazu mit dem Titel „innovate 2004“ (Mast/Huck/Zerfaß 2004, 49 ff), durchgeführt vom Fachbereich Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hohenheim und der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg, ergab, dass es in Deutschland noch großen Nachholbedarf bei der Vermittlung von Innovationen gibt. Im Rahmen der deutschlandweiten Umfrage wurden 376 Kommunikationsfachleute und 84 Journalisten zum Ist-Stand der Innovationskommunikation befragt. Jeder zweite Journalist und mehr als 40 Prozent der Kommunikationsfachleute waren der Meinung, dass Unternehmen zu wenig geeignetes Informa-
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tionsmaterial über Innovationen bereitstellen. Die Gründe dafür seien vielfältig: Zwei Drittel der Befragten weisen darauf hin, dass bereits der interne Informationstransfer von den Fachbereichen zu den Kommunikationsabteilungen nicht funktioniere. Die Journalisten betonen, dass ausführliche Berichte an mangelndem Fachwissen scheitern würden. Auf die Frage, wie Innovationen professionell kommunikativ begleitet werden können, nannten die Befragten am häufigsten folgende Erfolgsfaktoren: das Finden einfacher, plastischer Beispiele; das Aufzeigen von Anwendungsmöglichkeiten der Innovation; das Verdeutlichen der Aktualität durch Bezugnahme zu anderen aktuellen Themen; das Verwenden aussagekräftiger Bilder; das Aufzeigen des Nutzens und Werts der Innovation für den Einzelnen; das unterhaltende und spannende Präsentieren der Innovation (vgl. Mast/Huck/Zerfaß 2004, 59). Diskussion der Bedeutung des Innovationsthemas für Nachhaltigkeitskommunikation und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie Die theoretische Auseinandersetzung mit Innovationsdiffusion und Innovationskommunikation ist meiner Ansicht nach in mindestens dreierlei Hinsicht aufschlussreich: Erstens ist Nachhaltigkeitskommunikation in vielen Fällen zugleich Kommunikation über Innovationen. Aufgabe der Nachhaltigkeitskommunikation ist es, über nachhaltigkeitsrelevante Innovationen zu kommunizieren. Oftmals müssen dabei sogar soziale Lernprozesse in Gang gesetzt werden, wie Ornetzeder/Rohrbacher (2005, 148) betonen: “Introducing new sustainable technologies or new services in most cases means transforming sociotechnical systems – expectations of users and other actors, social practices evolving around technologies, new meanings and changes required in the institutional context of technologies.”
Zweitens kann Nachhaltigkeitskommunikation auch als Kommunikation für Innovationen verstanden werden. Denn es gehört meinem Begriffsverständnis nach auch zu den Aufgaben der Nachhaltigkeitskommunikation, Mitarbeiter, Kunden, Händler, Lieferanten, Anwender etc. dazu zu motivieren, sich mit nachhaltigkeitsorientierten Lösungen auseinanderzusetzen, eigene Vorschläge für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen zu machen bzw. Feedback auf Innovationen zu geben (vgl. Ornetzeder/Rohracher 2005, 151 f). Drittens ist Nachhaltigkeitskommunikation selbst in vielen Unternehmen eine Entwicklung und somit als interne Innovation zu betrachten. Denn Innovationen müssen nicht immer „technologiegetrieben“ sein, sondern können auch
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
durch eine „grundlegende Neustrukturierung von Dienstleistungen, Marketingund Vertriebsansätzen, Finanzierungsmodellen sowie in der Struktur und Kultur von Unternehmen entstehen“ (Zerfaß 2004, 12). In diesem Kontext betonen Götz/ Jahn/ Schramm (2001, 287): „Kommunikative Prozesse haben – sofern sie im Dienste einer Nachhaltigkeitsstrategie gezielt initiiert wurden – selbst den Charakter einer sozialen Innovation.“
Um Aufgaben in diesen drei Bereichen (Kommunikation über Innovationen, Kommunikation für Innovation, Nachhaltigkeitskommunikation als interne Innovation) erfüllen zu können, gilt es eine Reihe an Herausforderungen zu meistern. Allen voran steht das hohe Anspruchsniveau der Kommunikationsziele (vgl. Kapitel 3.4.7.3). Nachhaltigkeitskommunikation strebt in manchen Fällen eine Verhaltensänderung an. Hier kann Rogers „Diffusion of Innovation“Theorie Anknüpfungspunkte liefern. Sie führt vor Augen, dass der Versuch, die Öffentlichkeit schlechthin für eine nachhaltigkeitsorientierte Innovation zu begeistern, von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Stattdessen gilt es zuerst, risikobereite Innovatoren und frühe Anwender zu identifizieren und diese Zielgruppen gezielt anzusprechen bzw. diese die Innovation testen zu lassen. In einem nächsten Schritt kann versucht werden, Meinungsführer von der Sinnhaftigkeit der Innovation zu überzeugen. Neben der Rolle des Meinungsführers sind auch die beiden anderen von Rogers identifizierten Rollen des Kommunikators aus der Perspektive der Nachhaltigkeitskommunikation aufschlussreich. So liegt es meiner Ansicht nach geradezu auf der Hand, dass Kommunikationsexperten als Change Agents in Sachen Nachhaltigkeit fungieren. Denn sie besitzen die kommunikative Kompetenz, die Rogers gerade in der Innovationsdiffusion für so wichtig erachtet. Unternehmensintern kann der Public Relations Praktiker auch zum Innovation Champion für Nachhaltigkeitsthemen werden. Nämlich dann, wenn ihm das Thema persönlich am Herzen liegt und er sich dafür einsetzt, dass das Nachhaltigkeitsdenken im Unternehmen größere Beachtung erfährt. Ein solches Streben wird dann eher erfolgreich sein, wenn der Public Relations Praktiker in gutem Einvernehmen mit dem Management steht bzw. der „dominant coalition“ des Unternehmens angehört. Inwiefern in der Praxis Kommunikationsexperten tatsächlich bereits zu Treibern in Sachen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung geworden sind, gilt es freilich noch empirisch zu untersuchen. Als weitere Herausforderungen für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation wurden der geringe Bekanntheitsgrad und die Abstraktheit des Nachhaltigkeitskonzepts, die tendenziell hohe Komplexität von Nachhaltigkeitsthemen, mangelnde Glaubwürdigkeit sowie hohes Konfliktpotenzial identifiziert
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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(vgl. Kapitel 3.4.7). Ähnliche Schwierigkeiten hat auch Zerfaß aus Sicht der Innovationskommunikation herausgearbeitet, nämlich mangelnde Anschlussfähigkeit, Angst vor Neuem und hoher Abstraktionsgrad. Ich gehe deshalb davon aus, dass die empirischen Erkenntnisse aus dem Bereich der Innovationskommunikation bis zu einem gewissen Grad auch auf die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation zutreffen. Das Verwenden plastischer Beispiele, Bezugnahme auf aktuelle Themen, Hervorstreichen des individuellen Nutzens, Storytelling etc. – all das sind mögliche Strategien, wie Nachhaltigkeitsthemen (vor allem massenmedial) effektiver kommuniziert werden können.
4.6.9 Globale Public Relations nach Sriramesh/Vercic Nachhaltigkeitskommunikation wird besonders häufig von international tätigen Großkonzernen praktiziert. Gerade sie verbrauchen große Mengen an finanziellem, humanem und natürlichem Kapital, besitzen beträchtlichen Einfluss und sind daher – mehr als kleinere Betriebe – herausgefordert, ihre „licence to operate“ zu behalten. Ihre Handlungsschritte werden von der globalen Zivilgesellschaft überwacht, und Informationsnetzwerke machen jedes Fehlverhalten sofort rund um die Welt öffentlich bekannt. Doch gerade in multinationalen Unternehmen stellt die Praxis der Public Relations im allgemeinen und der Nachhaltigkeitskommunikation im besonderen Public Relations Praktiker vor beachtliche Herausforderungen (vgl. Kapitel 3.4.7). Schwierigkeiten ergeben sich vor allem aufgrund kultureller Unterschiede und damit verbundener unterschiedlicher gesellschaftlicher Werte. Um solche Herausforderungen besser bewältigen zu können, bietet der Ansatz von Sriramesh/Vercic (2003) Lösungsansätze sowohl aus praktischer wie auch aus normativer Sicht. Im Zusammenhang mit dem Thema „Public Relations von internationalen Unternehmen“ taucht immer wieder die Frage auf, ob die grenzübergreifende Kommunikation eher standardisiert (im Sinne von zentral gesteuert und einheitlich in allen Ländern) oder lokalisiert (unterschiedliche Programme in unterschiedlichen Ländern) erfolgen soll. In dieser Arbeit möchte ich davon ausgehen, dass ein situativer Ansatz, der Headquarter-Funktionen und lokale Funktionen kombiniert, die effektivste Variante darstellt (vgl. Wakefield 2001, 645; Prexl/ Signitzer 2006; Lichtblau 2004). Bis zu einem bestimmten Grad gilt es demnach, kulturelle und sonstige Unterschiede zwischen einzelnen Zielländern und sogar Zielregionen zu berücksichtigen. Bei der Systematisierung solcher Unterschiede setzen Sriramesh/Vercic (2003, 1) an. Ihr theoretischer Rahmen globaler Public Relations soll helfen
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs „to predict the best way to practice public relations in a particular country or region. This is best done by identifying relationships between public relations and other relevant variables.“
Sriramesh/Vercic (vgl. 2003) gehen davon aus, dass verschiedene Variablen Einfluss auf die Gestaltung von Public Relations haben bzw. haben sollten. Konkret identifizieren sie die Infrastruktur eines Landes, die Medienlandschaft und die Kultur als die drei wichtigsten Einflussbereiche: Bei der Variable Infrastruktur differenzieren Sriramesh/Vercic (vgl. 2003, 2ff) noch weiter, und zwar in das politische System eines Landes, das ökonomische Entwicklungsniveau und Ausgeprägtheit von Aktivismus. Empirische Forschung habe gezeigt, dass in jenen Ländern, in denen die öffentliche Meinung in den politischen Systemen wenig gilt, Public Relations eher “one-way” und propagandistisch ausgerichtet sei. Je weiter entwickelt die Wirtschaft eines Landes ist, desto größer ist auch die Zahl der konkurrierenden Unternehmen. Public Relations erhalte dann eine größere Bedeutung, da die Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit, Legitimation und Unterschützung stehen. Das jeweilige politische System wirke sich auch darauf aus, wie einflussreich die Zivilgesellschaft bzw. wie hoch das Potenzial für Aktivismus ist. Nur in pluralistischen Gesellschaften wird Aktivismus überhaupt toleriert. Ist die ökonomische Entwicklung in einem Land sehr schwach, dann seien die Menschen außerdem eher damit beschäftigt, für ihren Lebensunterhalt und für ein Dach über dem Kopf zu sorgen und engagieren sich weniger für andere Aktivitäten. Um mögliche Zusammenhänge zwischen der Infrastrukturdimension und der Public Relations Praxis in einem Land zu erkennen und zu analysieren, schlagen Sriramesh/Vercic (2003, 8) vor, dass Praktiker bzw. Forscher Antworten auf die folgenden Fragen erarbeiten:
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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Abbildung 51: Infrastruktur als Einflussfaktor internationaler Public Relations (Sriramesh/Vercic 2003, 8)
Neben der Infrastruktur beeinflusst laut Sriramesh/Vercic (vgl. 2003, 7 ff) auch die Kultur eines Landes die Public Relations Praxis. Kultur definiert, welches Verhalten in einer bestimmten Situation als angemessen betrachtet wird und welches nicht. Sie ist auch die Basis für gesellschaftliche Werte und Normen. Zur Analyse der Kultur eines Landes bzw. einer Region schlagen Sriramesh/ Vercic (2003, 9f) vor, auf Kulturdimensionen von unterschiedlichen Soziologen (z.B. Hofstede 2001, Hall 1959 etc.) zurückzugreifen. Durch die Beantwortung der folgenden, von Sriramesh/Vercic zusammengestellten Fragen lassen sich für die Public-Relations-Praxis wichtige Aspekte (z.B. Einzelinteressen vs. Kollektivinteressen, geschlechterspezifische Rollen, Machtunterschiede etc.) ableiten.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Abbildung 52: Kultur als Einflussfaktor internationaler Public Relations (Sriramesh/Vercic 2003, 12)
Jedoch nicht nur die Länderkultur, auch die Unternehmenskultur („corporate culture“) präge die Gestaltung der Public Relations. Sriramesh/Vercic bezeichnen die Unternehmenskultur als den „normativen Klebstoff“, der das Unternehmen zusammenhält. Es sei ein Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Länderkultur zu erkennen “because the human resources of an organization are acculturated into the culture of their societies” (Sriramesh/Kim/ Tagasaki 1999, 273). Zwingend sei das aber nicht der Fall. „Organizations in the same societal culture have distinctive corporate personalities, which are often based on factors such as the charismatic leadership of the organization, age of the organization, organizational type, and size” (Sriramesh/Kim/ Tagasaki 1999, 273).
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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In jedem Fall sei es nötig, die Unternehmenskultur – gerade aus Sicht der Public Relations – differenziert zu betrachten, da innerhalb eines Unternehmens wiederum Subkulturen vorhanden sein können (vgl. Sriramesh/Vercic 2003, 10). Die Mediensituation in einem Land bzw. in einer Region ist schließlich der dritte wichtige Einflussfaktor auf die Public Relations Praxis. Amerikanische Modelle der Public Relations gehen meist von der Existenz einer unabhängigen, freien Presse aus. Solche medialen Rahmenbedingungen sind aber in vielen Ländern nicht gegeben. Sriramesh/Vercic (vgl. 2003, 14ff) schlagen deshalb vor, die Mediensituation anhand folgender Kriterien zu analysieren: Medienkontrolle, Besitzverhältnisse der Medien sowie Medienzugang und -nutzung. Die Medienkontrolle in einem Land lässt sich gut anhand der regelmäßigen Untersuchungen des „Freedom House“ ableiten. Das Institut untersucht weltweit die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Einflüsse auf Medien. Die Resultate der jüngsten Erhebungen beziehen sich auf das Jahr 2006: Von den 195 untersuchten Ländern wurde die Pressefreiheit in 74 Ländern (38 Prozent) als frei eingestuft, in 58 Ländern (30 Prozent) als teilweise frei und in 63 Ländern (32 Prozent) als nicht frei. Das bedeutet, dass nur 18 Prozent der Weltbevölkerung in einem Land mit freier Presse leben, 39 Prozent in einem Land mit teilweise freier Presse und 43 Prozent der Weltbevölkerung in einem Land ohne Pressefreiheit (vgl. Freedom House 2008). Bezüglich der Besitzverhältnisse der Medien nennen Sriramesh/Vercic (vgl. 2003, 14) zwei Möglichkeiten: In entwickelten Industrieländern seien Medien eher private, werbefinanzierte Organisationen, auf welche die Regierung relativ wenig Einfluss hat. In Entwicklungsländern seien Medien häufig im Besitz der Regierung, daneben können auch private Medien existieren. Diese werden aber trotzdem oftmals politisch kontrolliert. Auch über Medienzugang und Mediennutzung sollten internationale PublicRelations-Fachleute bescheid wissen. In vielen Entwicklungsländern, in denen eine hohe Analphabetenrate, Armut und schlechte Transportinfrastruktur vorherrschen, sind über die Medien nur bestimmte, gebildete, relativ homogene Bevölkerungsschichten zu erreichen. In diesem Fall sei in der Kommunikationspraxis Kreativität gefragt. So berichten Sriramesh/Vercic (vgl. 2003, 15) beispielsweise von einer Gesundheitskampagne einer multinationalen Zahnpastafirma in Indien, die mit Tänzen, Rollenspielen und Theater arbeitete. Neben dem rein technischen Zugang zu Medien ist die Mediennutzung auch abhängig von ökonomischen, politischen und kulturellen Faktoren. So hat die vergleichende Mediennutzungsforschung beispielsweise gezeigt, dass in südeuropäischen Ländern Tageszeitungen deutlich seltener konsumiert werden als in nordeuropäischen Ländern (vgl. World Press Trends 2007). Eine Übersicht über die
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
medialen Einflussfaktoren auf die Public-Relations-Praxis findet sich in Abbildung 53:
Abbildung 53: Medien als Einflussfaktor internationaler Public Relations (Sriramesh/Vercic 2003, 16)
Der Ansatz von Sriramesh/Vercic ist freilich nicht der einzige Versuch, die kultur- und länderspezifischen Einflussfaktoren auf die Public Relations Praxis zu systematisieren. Ähnliche Konzepte finden sich auch bei Zaharna (2001) sowie bei Prexl/Signitzer (2006). Letztere schlagen vor, zusätzlich zu kulturellen Aspekten sowie Aspekten der Wirtschaft, Politik und Infrastruktur auch ein eigenes Kommunikationsprofil zu erstellen. Anhand eines solchen Profils werden die Charakteristika der verbalen, nonverbalen und visuellen Kommunikation in einer bestimmten Region oder in einem bestimmten Land deutlich. Zum Beispiel neigen Menschen in arabischen Ländern eher dazu, Metaphern, Ketten von Ad-
4.6 Analyse von Theorien, Modellen und Konzepten der Public Relations
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jektiven und andere rhetorische Stilmittel zu verwenden als Menschen aus westlichen Ländern. Während Schweigen und Stille in asiatischen Kulturen in einer Konversation eher geschätzt werden, werden stille Sekunden in westlichen Kulturen oftmals als unangenehme Pausen empfunden. Sensibilität sollte auch bei Übersetzungen herrschen. Worte mit derselben Bedeutung können in unterschiedlichen Kulturen verschiedene Konnotationen beinhalten. Weiters weisen die Menschen in verschiedenen Ländern verschiedene Argumentations- und Konfliktstile auf. Außerdem sollte der Public-Relations-Praktiker wissen, welchen Ruf seine Disziplin und sein Unternehmen in einem bestimmten Land besitzen. Auch der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung kann in unterschiedlichen Kulturen durch unterschiedliche Einflussfaktoren geprägt werden (vgl. Prexl/Signitzer 2006, 9f). Diskussion und Ableitung von Anknüpfungspunkten für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation Die Ausführungen zu globaler Public Relations von Sriramesh/Vercic können helfen, die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in unterschiedlichen Ländern oder Regionen zu erklären bzw. vorherzusehen. Besonders relevant erscheinen mir hierbei die Aspekte „Länderinfrastruktur“ und „Kultur“: Die Ausführungen von Sriramesh/Vercic zur Länderinfrastruktur legen die Schlussfolgerung nahe, dass Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit eher in Ländern der sogenannten Ersten Welt stattfindet. Sie wird weiters eher in Ländern mit liberalen Marktsystemen zur Anwendung kommen, da in solchen Regionen Unternehmen vermehrt unter Druck geraten, auch solche Funktionen zu übernehmen, die früher unter den Verantwortungsbereich des Staates fielen, die sich die Regierungen jetzt aber immer weniger leisten können. Sriramesh/ Vercic zufolge ist auch gerade in Ländern mit liberaler oder sozialer Marktwirtschaft der Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung bzw. das Potenzial für Aktivismus höher als etwa in Entwicklungsländern. Die Frage ist, ob multinationale Unternehmen, deren Headquarters sich in Ländern mit liberaler oder sozialer Marktwirtschaft befinden, auch in solchen Ländern Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation betreiben, wo die Standards und damit auch der gesellschaftliche Druck weniger hoch sind. Empirische Forschung zu diesem Thema ist bisher meines Wissens kaum vorhanden. Auch die Kultur eines Landes sollte Einfluss auf die Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation haben. Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation wird eher in solchen Ländern stattfinden, wo eine bestimmte Anzahl der Menschen eine intakte Umwelt und soziale Gerechtigkeit als Werte schätzen. Wie das Konzept der nachhaltigen Entwicklung interpretiert wird, unterscheidet
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
sich in verschiedenen Ländern bzw. Regionen, denn Menschen bestimmter Kulturen halten jeweils bestimmte Aspekte des Nachhaltigkeitsleitbildes für vordergründig. In Indien beispielsweise, wo die Kultur charakterisiert ist durch Kollektivismus und einer auf Langfristigkeit ausgerichteten Lebensorientierung (vgl. Hofstede 2001), werden die auf die Zukunft ausgerichteten Elemente des Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung – nämlich auch für künftige Generationen eine lebenswerte Umwelt zu erhalten – möglicherweise als wichtiger eingeschätzt als in eher individualistischen, gegenwartsorientierten Gesellschaften mit eher „männlichen Werten“ wie den USA. Neben der Länderkultur hat natürlich auch die Unternehmenskultur Einfluss auf die Existenz bzw. Form des Nachhaltigkeitsmanagements und damit auch Einfluss auf die Nachhaltigkeitskommunikation. Während einige Betriebe nur ihren Ruf kurzfristig verbessern möchten, sehen andere Nachhaltigkeitsmanagement als eine Investition in den langfristigen Unternehmenserfolg. Für mein Verständnis etwas zu wenig gehen Sriramesh/Vercic auf die kommunikativen Spezifika eines Landes ein. Kommunikative Stile und Umgangsformen genau zu kennen, erscheint gerade für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation – mit ihren schwierig zu erreichenden Kommunikationszielen – unumgänglich. Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation aus internationalen Unternehmen sollten so gut wie möglich bescheid wissen über den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, über Charakteristika der verbalen und nonverbalen Kommunikation sowie über typische Argumentations- und Konfliktformen in einer Kultur (vgl. Prexl/Signitzer 2006).
4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation 4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte der Public Relations und Unternehmenskommunikation – zusammengefasst dargestellt in Abbildung 42 in Kapitel 4.5 – nützlich erscheinen für die Ableitung einer normativen Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation. Die ausgewählten Kontexttheorien wurden hinsichtlich der folgenden vier Fragestellungen analysiert (vgl. Kapitel 4.5):
Inwiefern liefern sie Ansatzpunkte, um Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations zu begründen und zu erklären? Wo tragen die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte zu einem Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Bewältigung der in Kapitel 3.4.7 herausgearbeiteten Herausforderungen bei?
4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie
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Inwiefern liefern die ausgewählten Theorien, Modelle und Konzepte Anknüpfungspunkte für eine normative Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation, die gesellschaftstheoretische Aspekte in den Vordergrund stellt? Inwiefern können die theoretischen Ansätze ergänzt und miteinander kombiniert werden, um Handlungsorientierungen für Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation zu formulieren?
Im folgenden Abschnitt werden erste Elemente einer Theorie unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation abgeleitet. In Anlehnung an die Forschungsfragen steht zuerst die Begründung der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation auf Grundlage der ausgewählten Kontexttheorien im Vordergrund. Anschließend geht es um die Frage, welchen Input die Kontexttheorien zur Bewältigung spezifischer Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation leisten können. Sodann folgt der eigentliche normative Theorieteil, in dem normative Qualitätskriterien bzw. Handlungsorientierungen für Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation abgeleitet werden.
4.7.1 Begründung der Praxis von Nachhaltigkeitskommunikation auf Grundlage der ausgewählten Kontexttheorien In den Kapiteln 2 und 3 wurden bereits einige Motive diskutiert, warum sich Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit engagieren und warum sie über Nachhaltigkeitsthemen kommunizieren. Folgende Motive wurden basierend auf der Literaturanalyse identifiziert: Nachhaltigkeit als Wert für Shareholder, Nachhaltigkeit als Wert für Mitarbeiter, Nachhaltigkeit als Motor für Kaufentscheidungen, Nachhaltigkeitsmanagement als Vorbeugung in Krisenzeiten (vgl. Kapitel 2) bzw. Imageverbesserung, Vertrauensbildung, Nachhaltigkeitskommunikation als Wegbereiter einer Unternehmenskultur der Nachhaltigkeit sowie als Katalysator für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen (vgl. Kapitel 3). Die verschiedenen Motivlagen für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation wurden in Kapitel 3 analytisch zusammengefasst in drei Dimensionen: marketingorientierte Motive (Marketing Case), breitere wirtschaftliche Motive (Business Case) sowie gesellschaftliche Motive (Public Case). Einige der soeben betrachteten Theorien, Konzepte und Modelle der Public Relations und Unternehmenskommunikation liefern darüber hinaus noch weiteren Erkenntnisgewinn zur Identifikation der Motive für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation. Die Kontexttheorien helfen, das Aufgabenfeld auf Marketingebene, Businessebene und gesellschaftlicher Ebene weiter zu präzisieren. Vor allem das „Vokabular“ einiger Ansätze der Public Relations bzw.
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Unternehmenskommunikation erscheint hilfreich und gut anwendbar für das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation: Aus Marketingsicht liefern die innovationsorientierten Ansätze von Rogers (1995) bzw. Zerfaß (2004; 2006) Hinweise für die Begründung der Praxis unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation. Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation ist es aus Marketingperspektive mitunter, neue, nachhaltigkeitsorientierte Produkte oder Dienstleistungen am Markt einzuführen und zu etablieren. Damit wird Nachhaltigkeitskommunikation häufig zu einem Instrument der Innovationsdiffusion. Innovationsdiffusion, also der Prozess der Verbreitung von Innovationen, ist laut Rogers (vgl. 1995) vor allem ein Kommunikationsprozess. Wenn Nachhaltigkeitskommunikation die Funktion übernimmt, zur Innovationsdiffusion beizutragen, so kann Nachhaltigkeitskommunikation im Sinne Zerfaß’ (vgl. 2004; 2006) konzipiert werden als Innovationskommunikation. In dieser Funktion kommt Nachhaltigkeitskommunikation häufig eine „Übersetzungsaufgabe“ zu. Praktiker stehen vor der Herausforderung, komplexe Nachhaltigkeitsthemen bzw. den nachhaltigkeitsrelevanten USP („unique selling proposition“) eines Produktes in der Öffentlichkeit verständlich zu machen und Fachsprache in allgemeinverständliche Begriffe zu gießen. Nachhaltigkeitskommunikation konzipiert als Innovationskommunikation dient aber nicht nur der marketingorientierten Verkaufsförderung. Einem breiteren Business Case entsprechend, können Nachhaltigkeitskommunikatoren unternehmensintern auch zu „Innovation Champions“ (Rogers 1995) werden, also zu internen Meinungsführern für den Themenbereich der nachhaltigen Entwicklung. In dieser Vorbildrolle haben sie die Chance, internes „Lobbying“ für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung zu betreiben. Sie können nachhaltigkeitsrelevante Innovationen selbst anstoßen bzw. ihre Kontakte zu Stakeholdern nützen, um innovationsbezogene Ideen von außen ins Unternehmen hineinzutragen. Aus Sicht des Business Case ist auch ein enger Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitskommunikation und Issues Management zu erkennen. Es bietet sich an, Nachhaltigkeitskommunikation als Kommunikation über ökologische, soziale bzw. damit verbundene ökonomische Issues zu konzipieren. Einige Nachhaltigkeitsthemen haben sich mittlerweile sogar zu Top Issues entwickelt (zum Beispiel das Thema CO2-Emissionen). Solche Top Issues zu beobachten, zu charakterisieren bzw. die richtigen „Antworten“ darauf zu finden, ist aus wirtschaftlicher Sicht Aufgabe der Nachhaltigkeitskommunikation. Dabei lassen sich verschiedene Strategien unterscheiden, wie ein Unternehmen mit Nachhaltigkeits-Issues umgehen kann (vgl. Schmidt 2001, 171). Während Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsbewusstsein wohl eher reaktive bzw. adaptive Strategien wählen, die auf kurzfristige Konfliktvermeidung abzielen, bieten sich für
4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie
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Nachhaltigkeits-Leader proaktive bzw. sogar initiative und interaktive Strategien an, die auf die strategische Einbindung von Stakeholdern und Partnern ausgerichtet sind. Nachhaltigkeitskommunikation bietet hier die Möglichkeit, unternehmensrelevante Nachhaltigkeitsthemen durch Kommunikation gezielt zu lancieren. Dabei gilt es zu beachten, dass die gewählten Themen gesellschaftliche Anschlussfähigkeit besitzen (vgl. Imhof/Eisenegger 2001, 268), also mit anderen, bereits etablierten Themen öffentlichen Interesses argumentativ in einen Zusammenhang gebracht werden. Das Konzept des Reputation Managements liefert einen weiteren Ansatz zur Präzisierung des Business Case der Nachhaltigkeitskommunikation. Eisenegger (vgl. 2005, 37 f) trifft die Unterscheidung in funktionale und soziale Unternehmensreputation. Funktionale Reputation orientiert sich daran, wie gut Unternehmen die an sie gestellten, funktionalen Erwartungen erfüllen. Indikatoren für funktionale Reputation sind die wahrgenommene Fachkompetenz und regelgeleitetes Handeln. Soziale Reputation hingegen bezieht sich darauf, wie gut Unternehmen die an sie gestellten, moralischen Erwartungen erfüllen. Indikator für soziale Reputation ist die wahrgenommene moralische Integrität des Unternehmens. Moralische Erwartungen spielen gerade im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation eine wichtige Rolle. Unterschiedliche Studien über die Motive für CSR- und Nachhaltigkeitsberichterstattung (vgl. KPMG 2008; Pleon Kohtes Klewes 2005) bestätigen, dass Unternehmen vor allem deshalb über solche „weichen“ Themen kommunizieren, weil die Erwartungen der Stakeholder in diesem Bereich gestiegen sind. Die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation lässt sich also aus wirtschaftlicher Sicht dadurch erklären, dass Unternehmen mittels Nachhaltigkeitskommunikation ihre soziale Reputation verbessern möchten. Eine bessere soziale Reputation wiederum führe laut Eisenegger/Imhof (vgl. 2005, 242) indirekt zu höherer Glaubwürdigkeit und besseren Vertrauenswerten. Hinsichtlich des Public Case unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation spielen Bildungs- und Reflektivitätsaspekte der Public Relations, wie sie van Ruler/Vercic (vgl. 2004; 2005) identifiziert haben, eine wichtige Rolle. Aus gesellschaftstheoretischer Sicht sollte es mit ein Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation sein, interne wie externe Zielgruppen für Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren bzw. deren Wissensstand zu erhöhen. Dies deckt sich mit der Bildungsaufgabe von Public Relations. Weiters kann Nachhaltigkeitskommunikation als „Radar“ für gesellschaftliche Werteveränderungen dienen. Dies entspricht der Reflektivitätsfunktion von Public Relations. Gesellschaftliche Werteveränderungen zu analysieren, sie mit Vertretern der Organisation zu besprechen und bei der Entwicklung von Unternehmensmission, Strategien und Werten im Betrieb mitzuwirken, zählt laut van Ruler/Vercic (vgl. 2004, 6) zu den Auf-
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
gaben europäischer Public Relations Praktiker. Die reflektive Funktion basiert auf der Überlegung, dass Unternehmen von der Gesellschaft eine „licence to operate“ erhalten müssen. Um diese zu behalten, bedarf es meiner Ansicht nach immer stärker des Engagements in den Bereichen Soziales und Ökologie. Der reflektive Aufgabenbereich ist somit gerade für die Nachhaltigkeitskommunikation von hoher Bedeutung. Denn wenn Nachhaltigkeitskommunikatoren reflektive Aufgaben ernst nehmen und durch symmetrische Kommunikation zu einer „Outside-In“-Perspektive beitragen, dann kann Nachhaltigkeitskommunikation zu einer wahrhaft „demokratischen Funktion“ (van Ruler/Vercic 2005, 257) von Unternehmen werden.
4.7.2 Theoretischer Input für die Bewältigung spezifischer Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation Die Praxis der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation ist mit spezifischen Herausforderungen verbunden, die in Kapitel 3.4.7 ausführlich diskutiert wurden. Es wurde unterschieden in
Herausforderungen durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts: geringer Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs, Unscheinbarkeit und Abstraktheit der Probleme, Komplexität und hohes Konfliktpotenzial. Herausforderungen durch unternehmensinterne Hemmnisse: Begründung gegenüber dem Management, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, schwieriges Sammeln nachhaltigkeitsrelevanter Informationen und kulturelle Herausforderungen. Herausforderungen durch das Anspruchsniveau der Kommunikationsziele: Aufmerksamkeitsprobleme, Einstellungs- und Verhaltensänderung als anspruchsvolle Kommunikationsziele. Herausforderungen durch mangelnde Glaubwürdigkeit, „Greenwash“ oder Scheindialoge.
Inwiefern können nun die ausgewählten Theorien, Konzepte und Modelle der Public Relations und Unternehmenskommunikation zu einem Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen? Auch dieser Frage wurde im Rahmen der Analyse der Kontexttheorien nachgegangen. Dabei stellte sich heraus, dass manche Ansätze deutlich mehr Input leisten können als andere. Besonders aufschlussreich waren etwa die Ansätze der integrierten Kommunikation, der Innovationsdiffusion und -kommunikation sowie der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit.
4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie
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Das Konzept der integrierten Kommunikation nach Bruhn (vgl. 1996) liefert Hinweise darauf, wie Nachhaltigkeitskommunikation in multinationalen Unternehmen besser bewältigt werden kann. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine inhaltliche, formale und zeitliche Integration innerhalb der Nachhaltigkeitskommunikation wie auch zwischen Nachhaltigkeitskommunikation und anderen Dimensionen der Public Relations Voraussetzung ist, dass auch multinationale Unternehmen einheitlich über Nachhaltigkeitsthemen kommunizieren. Einheitliche Botschaften scheinen auch hilfreich, um die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitskommunikation zu erhöhen. Darüber hinaus erleichtert Integration Bruhn zufolge den Zielgruppen das Verstehen der Botschaften und somit auch den Lerneffekt. Dies erscheint gerade für Nachhaltigkeitskommunikation wichtig, die ja aus normativer Sicht unter anderem auf Wissensbildung und teilweise sogar auf Verhaltensänderung abzielt. Auch die „Diffusion of Innovation“-Theorie von Rogers (vgl. 1995) kann Praktikern bei der Bewältigung von Herausforderungen helfen, und zwar besonders bei jenen Herausforderungen, die sich durch das hohe Anspruchsniveau der Kommunikationsziele ergeben. Rogers führt vor Augen, dass der Versuch, die Öffentlichkeit schlechthin für eine nachhaltigkeitsorientierte Innovation zu begeistern, von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Stattdessen gelte es, zuerst risikobereite Innovatoren und frühe Anwender zu identifizieren und diese gezielt anzusprechen bzw. diese die Innovation testen zu lassen. In einem nächsten Schritt kann versucht werden, Meinungsführer von der Sinnhaftigkeit der Innovation zu überzeugen. Generell ist ein situativer Ansatz ratsam, der je nach Prozessphase interpersonelle Kommunikation mit massenmedial vermittelter Kommunikation ergänzt. Der ähnlich gelagerte Ansatz der Innovationskommunikation von Zerfaß (vgl. 2004; 2006) liefert Hinweise, wie mit dem tendenziell niedrigen Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs, der hohen Abstraktheit und Komplexität des Nachhaltigkeitskonzepts sowie mit mangelnder Glaubwürdigkeit und hohem Konfliktpotenzial umgegangen werden kann. Wie Zerfaß’ empirische Befunde zeigen, sind das Verwenden plastischer Beispiele, Bezugnahme auf aktuelle Themen, Hervorstreichen des individuellen Nutzens, Storytelling etc. mögliche Strategien, wie Nachhaltigkeitsthemen (vor allem massenmedial) effektiver kommuniziert werden können. Das Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit liefert praktischen Input für den Umgang mit Konfliktsituationen, die im Kontext der Nachhaltigkeitskommunikation oftmals eine Herausforderung darstellen. Habermas’ Diskursethik (1981) und Burkarts VÖA-Konzept (1996; 2005) zufolge können Konflikte (bzgl. der Wahrheit der Behauptungen, der Vertrauenswürdigkeit der Kommunikatoren und der Legitimität der Interessen) durch Argumente
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
durchaus gemildert oder sogar beseitigt werden – was für Nachhaltigkeitskommunikation eine große Chance darstellt. Der VÖA-Ansatz liefert konkrete Ansatzpunkte, wie Praktiker potenziellen Konflikten begegnen und sich darauf vorbereiten können. Der Ansatz hilft, systematisch herauszufinden, wo noch Uneinigkeit zwischen Unternehmen und Zielgruppen besteht. Auch mit Problemen der Glaubwürdigkeit des Unternehmens selbst und der Legitimität der Interessen setzt sich das VÖA-Konzept auseinander. Statt Glaubwürdigkeitsprobleme einfach hinzunehmen, schlägt Burkart vor, sich aktiv mit ihnen auseinander zu setzen. Um zu wechselseitigem Einverständnis zu gelangen, sollten Zielgruppen ermuntert werden, die Legitimität der unternehmerischen Interessen zu hinterfragen. In Diskussionen oder gegebenenfalls in einem Diskurs sollten Unternehmen wie auch Stakeholder die Chance bekommen, ihre diesbezüglichen Argumente vorzubringen. Der Ansatz des Issues Management kann dem Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation unternehmensintern mehr Legitimität verschaffen. Wenn nämlich Issues aus dem Themenkomplex der nachhaltigen Entwicklung unternehmensintern als Top Issues gelten, dann ist dies ein ernstzunehmendes Argument dafür, warum sich auch die Public Relations mit Nachhaltigkeitsfragen beschäftigen muss. Weiters hilft der Ansatz des Issues Managements Kommunikationspraktikern bei Herausforderungen, die sich durch die hohe Komplexität des Nachhaltigkeitsdenkens ergeben. Issues Management stellt Instrumente und Methoden zur Verfügung, um nachhaltigkeitsrelevante Themen öffentlichen Interesses herauszufiltern und zu priorisieren bzw. sie auf ihre gesellschaftliche Anschlussfähigkeit hin zu überprüfen. Als mögliche Methoden sind induktives und deduktives Issue Monitoring bzw. „Issue Analysis Worksheets“ zu nennen (vgl. Schmidt 2001, 169). Die situative Zielgruppentheorie von Grunig (vgl. 1997) liefert ein weiteres Argument für die interne Legitimierung des Aufgabenfeldes der Nachhaltigkeitskommunikation. Grunigs Ausführungen zu aktivistischen Zielgruppen zeigen, welche Gefahren für das Unternehmen in den Aktivitäten von Aktivisten stecken. Nachhaltigkeitskommunikation kann in diesem Kontext als langfristige Krisenvorbeugung betrachtet werden. Sie erhebt Meinungen von Zielgruppen, führt Themen- und Risikoscannings durch und kann aufgrund dieser Informationsbasis rechtzeitig Schritte setzen, damit aus aktiven erst gar keine aktivistischen Zielgruppen werden. Ansatzweise tragen auch noch andere der analysierten Kontexttheorien zur Bewältigung bestimmter Herausforderungen bei. Beispielsweise können Erkenntnisse aus der Exzellenz-Theorie helfen, mit Glaubwürdigkeitsproblemen besser umzugehen; Erkenntnisse aus dem Reputation Management bzw. Bildungs- und Reflektivitätsaspekte der Public Relations können zur internen
4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie
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Legitimation von Nachhaltigkeitskommunikation beitragen; Erkenntnisse aus der Forschung zu Public Relations im internationalen Raum können helfen, Nachhaltigkeitskommunikation länderübergreifend zu praktizieren. Folgender Übersicht ist zu entnehmen, welche Kontexttheorien Hilfestellungen für die Bewältigung welcher Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation liefern. Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit
InnovationsBildungsPR-Modelle verbreitung Integrierte Situative und Reputations und und Zielgruppen- Kommunikamanagement Reflektivitäts Exzellenztion kommunitheorie aspekte Theorie kation
Geringer Bekanntheitsgrad des NHBegriffs
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Komplexität von NHThemen
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Hohes Konfliktpotenzial
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Globale Public Relations
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Begründung gegenüber Management und Investoren
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Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen Sammeln von internen NH-Informationen NHKommunikation international
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Aufmerksamkeitsprobleme Hohes Niveau der Kommunikationsziele Mangelnde Glaubwürdigkeit
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Issues Management
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Abbildung 54: Kontexttheorien und Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation (eigene Darstellung)
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4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs
Während einige Herausforderungen (hohes Konfliktpotenzial, interne Legitimation, anspruchsvolle Kommunikationsziele, Glaubwürdigkeitsprobleme) von den analysierten Kontexttheorien der Public Relations und Unternehmenskommunikation gut abgedeckt werden, tauchen an anderen Stellen deutliche Lücken auf. Keine Anknüpfungspunkte liefern die Kontexttheorien hinsichtlich der Zusammenarbeit von Abteilungen, hinsichtlich des internen Sammelns von nachhaltigkeitsrelevanten Informationen und hinsichtlich der mit Nachhaltigkeitskommunikation häufig verbundenen Aufmerksamkeitsprobleme. Bei der Bewältigung des geringen Bekanntheitsgrades des Nachhaltigkeitskonzeptes hilft nur ein Ansatz, nämlich jener der Innovationskommunikation, weiter. Wenige Hinweise finden sich auch darauf, wie Praktiker mit der tendenziell hohen Komplexität von Nachhaltigkeitsthemen umgehen können oder wie sie Nachhaltigkeitskommunikation im internationalen Raum bewältigen können. Gerade in diesen Bereichen wären empirische Untersuchungen wünschenswert. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird daher noch versucht, einige dieser Lücken zu schließen, indem auf ausgewählte Instrumente der Nachhaltigkeitskommunikation und Good-Practice-Beispiele eingegangen wird.
4.7.3 Ableitung normativer Qualitätskriterien der Nachhaltigkeitskommunikation als Handlungsorientierungen für Praktiker Der Leser hat bisher erfahren, inwiefern die ausgewählten Kontexttheorien die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation begründen helfen und welchen Input sie zur besseren Bewältigung der spezifischen Herausforderungen leisten. Nun kommen wir zum Kernteil des theoretischen Entwurfs, zur Ableitung normativer Qualitätskriterien der Nachhaltigkeitskommunikation als Handlungsorientierungen für Praktiker. Die Qualitätskriterien und normativen Handlungsorientierungen werden näher erläutert, wobei das Hauptaugenmerk auf die folgenden fünf Themenfelder gelegt wird: (1) (2) (3) (4) (5)
Nachhaltigkeitskommunikation als integrativer Prozess Kriterien der Zielgruppensegmentierung anstrebenswerte Kommunikationsstile soziale und ökologische Aspekte im Kommunikationsprozess Evaluation
Für jeden dieser fünf Bereiche werden nun unter Bezugnahme auf die Kontexttheorien normative Aussagen formuliert. So soll dem Praktiker ein erster Eindruck vermittelt werden, worauf er im Prozess der Nachhaltigkeitskommu-
4.7 Ableitung von Elementen einer normativen Theorie
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nikation achten kann, um mittels Kommunikation tatsächlich zu einer zukunftsfähigeren Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung beizutragen. 4.7.3.1 Nachhaltigkeitskommunikation als integrativer Prozess Der Integrationsgedanke spielt in mehrerlei Hinsicht eine Rolle für das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation. Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation wird im hier präsentierten Theorieentwurf als eine Querschnittfunktion der Public Relations betrachtet, die im Sinne Bruhns (vgl. 1996) nach funktionaler, organisationaler und Stakeholder Integration verlangt: Mit funktionaler Integration sei aus Sicht dieser Arbeit gemeint, dass es sich bei Nachhaltigkeitskommunikation nicht um ein strategisches Verfahren oder um einen eigenen Programmbereich der Public Relations handelt (wie etwa interne Kommunikation, Medienarbeit, Investor Relations, Educational Relations etc.), sondern um einen Aufgabenbereich, der in die verschiedenen Programmbereiche inhaltlich integriert werden kann. Kommunikationsprozesse zu Nachhaltigkeitsthemen sollten eingebettet werden in eine integrierte Kommunikationsstrategie, welche die Verständigung mit allen Stakeholdern inhaltlich, formal und zeitlich aufeinander abstimmt, dadurch Widersprüche weitgehend vermeidet und Verstärkereffekte nutzt. Nur wenige Instrumente sind dem Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation spezifisch und explizit zuzuordnen, wie etwa der Nachhaltigkeitsbericht. Ansonsten kann auf bereits vorhandene Methoden und Instrumente der Public Relations zurückgegriffen werden. Ausgewählte Good-Practice-Beispiele, wie Nachhaltigkeitsthemen in einzelne Programmbereiche der Public Relations integriert werden können, werden dem Leser in Kapitel 5 präsentiert. Organisationale Integration bezieht sich auf die Frage, wie Nachhaltigkeitskommunikation in unternehmerische Strukturen und Verantwortungsbereiche eingebettet werden kann. Hierbei sollte aus normativer Sicht die Kooperation verschiedener Abteilungen im Vordergrund stehen. Zwar wird Nachhaltigkeitskommunikation im vorliegenden Theorieentwurf primär als Aufgabenfeld der Public Relations betrachtet (vgl. auch L’Etang 2006, 414; Klenk 2004, 119; Severin 2005, 74). Dabei soll aber nicht auf die Notwendigkeit einer engen Kooperation mit anderen unternehmerischen Subsystemen (wie Unternehmensführung, Nachhaltigkeitsmanagement, Forschung und Entwicklung, Qualitätsmanagement, Personalführung, Produktion, Einkauf, Marketing etc.) vergessen werden. In diesen Subsystemen ist häufig nachhaltigkeitsrelevantes Spezialwissen vorhanden. Dieses gilt es etwa im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu sammeln und aufzubereiten. Eine intensivere Auseinandersetzung
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mit der Frage, wer für Nachhaltigkeitskommunikation unternehmensintern verantwortlich sein soll, findet der Leser auch in Kapitel 3.4.5.1. Stakeholder Integration meint, dass unternehmensexterne Zielgruppen stark in die Nachhaltigkeitskommunikation mit einbezogen werden sollten. Es ist davon auszugehen, dass die Einbeziehung von Stakeholdern eine Voraussetzung ist für erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement. In diesem Sinne betonen etwa Rasche und Esser (vgl. 2006 251), dass Stakeholder mit entscheiden können sollen, welchen „Accountability Standard“ ein Unternehmen wählt. Es wird auch vorgeschlagen, dass Stakeholder in Nachhaltigkeitsbeiräten vertreten sind und in Form von Stakeholder Dialogen ihre Wünsche an das Unternehmen herantragen können (vgl. Kapitel 5.3). Die „boundary-spanning“-Funktion der Public Relations, die häufig aus systemtheoretischer Sicht betont wird, sollte also gerade für Nachhaltigkeitskommunikation von besonderer Relevanz sein. 4.7.3.2 Kriterien der Zielgruppensegmentierung Wie die Ausführungen zu Stakeholder Integration gezeigt haben, geht der hier präsentierte Theorieentwurf davon aus, dass Nachhaltigkeitskommunikation auf verschiedene Stakeholder ausgerichtet sein sollte. Nur wie, anhand welcher Kriterien, können bzw. sollen die Stakeholdergruppen bzw. Zielgruppen der Nachhaltigkeitskommunikation unterschieden werden? Aus strategischer Sicht erscheint Grunigs situative Zielgruppentheorie hilfreich. Grunig (vgl. 1997) unterscheidet Zielgruppen anhand der abhängigen Variablen aktives Kommunikationsverhalten versus passive Kommunikationsaufnahme und der unabhängigen Variablen Problembewusstsein („problem recognition“), Betroffenheitsgrad („level of involvement“) und Empfinden von Behinderungen („constraint recognition“). Auch auf die Bildung von aktivistischen Zielgruppen weist Grunig hin (vgl. Kapitel 4.6.5). Solche aktivistischen Stakeholder erscheinen gerade für die konfliktbehafteten Themen der Nachhaltigkeitskommunikation von besonderem Interesse. Neben Grunigs „situational theory of publics“ bieten sich aber auch eine Reihe anderer, differenzierter Kriterien für die Zielgruppensegmentierung an. Beispielsweise können Zielgruppen klassisch unterschieden werden anhand demographischer Merkmale (Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltsgröße etc.), sozioökonomischer Merkmale (Beruf, Einkommen, Bildungsstand, soziale Klasse), soziodemographischer Merkmale (Gruppenzugehörigkeit, Gruppenstatus, Rollenverhalten etc.) oder psychologischer Merkmale (Emotionalität, Motivationsstruktur, Einstellung, Lernverhalten). Auch kulturelle Merkmale, wie sie beispielsweise Hofstede (vgl. 2001, 18) identifiziert (kollektivistisch oder individualistisch, hohe oder niedrige Machtdistanz, maskuline oder feminine
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Werte, hohe oder geringe Unsicherheitsvermeidung), können für die Zielgruppensegmentierung der Nachhaltigkeitskommunikation lohnend sein. Eine weitere Möglichkeit, die sich gerade für die Nachhaltigkeitskommunikation anbietet, ist die Zielgruppensegmentierung anhand von Lebensstilen. In der Literatur (vgl. Schommer/Harms/Gottschlich 2008; Zukunftsinstitut 2007) werden unter anderem folgende, moderne Lebensstile unterschieden: LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability), CommuniTeens (von Internet und Mobiltelefonen dominierte Jugendliche), Super-Daddys (Väter, die versuchen, beruflichen Erfolg, persönliches Glück und Kinder unter einen Hut zu bringen), Tiger-Ladies (berufstätige ehrgeizige Frauen, die trotz Karriere nicht auf Kinder verzichten möchten), Greyhoppers (Pensionisten, die im Alter noch ein schwungvolles Leben führen) etc. Aus normativer Sicht erscheint jedenfalls eine ganzheitliche Zielgruppensegmentierung anstrebenswert. Damit ist gemeint, dass Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit nicht nur vordergründige, „dominante“ Zielgruppen zu berücksichtigen hat (wie Investoren, Konsumenten und Journalisten), sondern situativ auch „periphere“ (vgl. Munshi/Kurian 2005, 514) Zielgruppen, die vom Unternehmenshandeln ebenfalls betroffen sind. Solche peripheren Gruppen sind häufig nicht von direkter finanzieller Relevanz und üben in der Regel auch keine unmittelbare Macht auf das Unternehmen aus. Aus normativer Sicht sollte es Praktikern der Nachhaltigkeitskommunikation aber ein Anliegen sein, gerade diese Gruppen, wie beispielsweise Menschen aus niedrigen Einkommensschichten, Jugendliche, Arbeiter in der dritten Welt, ethnische Minderheiten, behinderte Menschen etc., im Sinne der Gleichberechtigung zu integrieren und auch ihnen so weit wie möglich zu einer „Stimme“ im Unternehmen zu verhelfen. Umstritten ist die Frage, ob auch zukünftige Generationen als Stakeholder betrachtet werden sollen. Wheeler/Sillanpaa (1997) gehen davon aus, dass zukünftige Generationen als Stakeholder wohl in Betracht zu ziehen seien. In der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation wird dieser Anspruch freilich schwer zu erfüllen sein. 4.7.3.3 Anstrebenswerte Kommunikationsstile der Nachhaltigkeitskommunikation Bei der Umsetzung kommunikativer Aktivitäten stellt sich die Frage: Welche Kommunikationsstile sind wünschenswert, damit Nachhaltigkeitskommunikation tatsächlich zu einer zukunftsfähigen Unternehmens- und auch Gesellschaftsentwicklung beitragen kann? Normative Aussagen dazu lassen sich ableiten aus den Modellen der Public Relations nach Grunig (vgl. Grunig/Grunig 1992) sowie aus
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Burkarts Ansatz der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Burkart 1996). Anstrebenswert erscheint ein Kommunikationsstil, der sich an Grunigs Modellen der symmetrischen Kommunikation und Informationstätigkeit orientiert. Ein symmetrischer Kommunikationsstil ist gekennzeichnet durch offene Systeme, Feedbackorientierung, Verantwortungsbereitschaft, Innovationstätigkeit und Konfliktbereitschaft. Ein solcher Kommunikationsstil wird im Rahmen der Exzellenz-Theorie der Public Relations favorisiert. Für die Nachhaltigkeitskommunikation erscheint ein solcher dialogorientierter Stil aus mehreren Gründen wünschenswert. Im Dialog wird es eher möglich, das komplexe und abstrakte Nachhaltigkeitskonzept mit konkreten Inhalten zu füllen, Stakeholder-Erwartungen können an das Unternehmen herangetragen werden, und eine gemeinsame Lösung für Nachhaltigkeitsprobleme kann forciert werden. Für die (gesellschaftsorientierten) Zwecke der Nachhaltigkeitskommunikation erscheint in bestimmten Situationen auch ein Kommunikationsstil angebracht, der sich am Modell der Informationstätigkeit orientiert. Grunig zufolge handelt es sich bei diesem Modell um das Vermitteln von wahrer, wenn auch nicht zwingend umfassender Informationen. Selektiv, aber fair zu informieren, bietet sich situativ auch für die Nachhaltigkeitskommunikation an, und zwar dann, wenn eine umfassende Information die Aufnahmefähigkeit und Aufnahmebereitschaft von Zielgruppen überschreiten würden. Abzulehnen ist aus normativer Sicht die Anwendung des Publicity-Modells. Dieses Modell ist gekennzeichnet durch persuasive, asymmetrische Kommunikation mit dem Ziel, Publizität (vor allem in den Massenmedien) zu erreichen und Organisationen und Produkte in ein einseitig positives Licht zu rücken. Ein solcher Kommunikationsstil wäre typisch für „Greenwash“, also für den Missbrauch des Nachhaltigkeitsthemas zur kurzfristigen Imageverbesserung. Gesellschaftliche Ziele, wie sie im Rahmen des „Public Case“ definiert wurden, können folglich durch einen Publicity-Kommunikationsstil nicht erreicht werden. In Ausnahmefällen halte ich persuasive Kommunikationsformen aber auch aus normativer Sicht für zulässig. Solche Ausnahmefälle können sich beispielsweise ergeben, wenn Zielgruppenvertreter von einer Verhaltensänderung im Sinne der Nachhaltigkeit zu überzeugen sind. Hier heiligt der Zweck bis zu einem gewissen Grad die Mittel. Je nach Ausgangssituation sollte der Praktiker basierend auf ethischen Überlegungen entscheiden, inwieweit der Einsatz persuasiver Kommunikation zu verantworten ist. An den bisherigen Ausführungen hat sich bereits gezeigt: Es gibt keinen „one-best-way“ für „exzellente“ Nachhaltigkeitskommunikation, keine einseitige Favorisierung eines Kommunikationsmodells. Grundsätzlich anstrebenswert erscheint aus normativer Sicht aber eine möglichst ausgeprägte Verständigungs-
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orientierung in der Nachhaltigkeitskommunikation. Die Ansprüche, die sich aus Burkarts Konzept der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit ergeben, wurden bereits in Kapitel 4.6.1 ausführlich erörtert. Was der Ansatz von Burkart leistet, ist die Betonung einer verständigungsorientierten Zielvorstellung und das Aufzeigen von Wegen zur Zielerreichung. Das VÖA-Konzept stellt Partizipation und Authentizität in den Vordergrund. In der Realität wird man sich – von Fall zu Fall unterschiedlich – einmal nahe, ein anderes Mal weniger nahe an die Zielvorstellung des wechselseitigen Einverständnisses annähern. Aber das Erkennen jener Punkte, wo noch Uneinigkeit zwischen Unternehmen und Zielgruppen besteht, könnte bereits eine wesentliche Etappe in der Bewältigung nachhaltigkeitsrelevanter Konflikte bedeuten. Denn „gerade dort, wo ein Grundkonsens über die Notwendigkeit nachhaltigen Wirtschaftens nicht vorausgesetzt werden kann, ist Kommunikation über Nachhaltigkeit von essenzieller Bedeutung“ (Karmasin 2002). 4.7.3.4 Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation Neben normativer Kriterien zur Integration der Nachhaltigkeitskommunikation in unternehmerische Subsysteme, zur Zielgruppensegmentierung und zu Kommunikationsstilen, gilt es im Laufe des Prozesses der Nachhaltigkeitskommunikation auch, die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung so weit wie möglich zu berücksichtigen. Zusätzlich zu wirtschaftlichen Ansprüchen an Nachhaltigkeitskommunikation (etwa ganzheitliche Leistungsdarstellung, Beitrag zur Erreichung eines „Business Case“) sollte aus normativer Sicht vor allem auch auf ökologische und soziale Dimensionen Rücksicht genommen werden. Durch die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation können sich potenziell schädliche Umwelteinflüsse ergeben. So banal das auch klingen mag, aber damit Nachhaltigkeitskommunikation tatsächlich zu einer nachhaltigeren Unternehmensentwicklung beitragen kann, bedarf es einer Vorbildwirkung der Praktiker in „kleinen Fragen“ des täglichen Umweltschutzes. Werden energiesparende Drucker, Computer oder Kopierer für die Kommunikationsabteilung angeschafft – oder nicht? Werden Energie schonende Stand-By-Modi verwendet – oder nicht? Wird Papier verschwendet und jede Seite ausgedruckt – oder nicht? Wird Müll getrennt – oder nicht? Wird der Nachhaltigkeitsbericht auf Umweltpapier gedruckt – oder nicht? Aus diesen Fragen kann wohl jeder Kommunikationspraktiker für sich normative Aussagen ableiten und ergänzen durch situative Bedingungen in seinem Unternehmen. Auch soziale Anforderungen gilt es in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation zu berücksichtigen. Explizit hingewiesen sei an dieser Stelle auf
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die Vermeidung von Diskriminierung in der Sprache und in den Aktivitäten der Nachhaltigkeitskommunikation. Eine solche Diskriminierung kann auf unterschiedliche Art, oft ungewollt, passieren. Häufig erfolgt die Diskriminierung hinsichtlich Gender-Unterschieden, sie kann aber auch hinsichtlich Faktoren wie Alter, ethnische und soziale Herkunft, sexuelle Orientierung, Religion, Weltanschauung oder Behinderung erfolgen. Eine solche Diskriminierung nach Diversity-Kriterien (vgl. Kapitel 5.4.2.2) sollte gerade im Rahmen der Aktivitäten der Nachhaltigkeitskommunikation vermieden werden. Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation sollten deshalb neben „Gender-Kompetenz“ (FranzBalsen 2005, 342) auch „Diversity-Kompetenz“ besitzen. Zu den sozialen Aspekten der Nachhaltigkeitskommunikation gehört weiters, auf die eigenen Mitarbeiter zu achten. Gerade Kommunikationsberufe sind in der Regel mit überdurchschnittlich hohem Stress verbunden. Gesundheitsbewusste Arbeitsplätze (z.B. höhenverstellbare Tische), adäquate Arbeitszeitmodelle, Kinderbetreuungsmöglichkeiten und Ansätze der Familienfreundlichkeit sollten auch – und gerade – von Mitarbeitern im Bereich Nachhaltigkeitskommunikation genutzt werden können. 4.7.3.5 Nachhaltigkeitskommunikation als nachhaltige Kommunikation: Ein normativer Evaluationsansatz Als Abschluss dieses theoretischen Entwurfs möchte ich noch eine neue Bezeichnung einführen, nämlich jene der „nachhaltigen Kommunikation“. In meinem Begriffsverständnis handelt es sich bei Nachhaltigkeitskommunikation dann um „nachhaltige Kommunikation“, wenn sie zwei Kriterien erfüllt. Nachhaltigkeitskommunikation kann dann als „nachhaltige Kommunikation“ bezeichnet werden, (1) wenn sie neben Marketing und Business Case so weit wie möglich auch einen Public Case anstrebt, also eine zukunftsfähige Unternehmens- und Gesellschaftsentwicklung, und (2) wenn sie die in diesem Kapitel entwickelten normativen Kriterien in der Praxis so weit wie möglich erfüllt. Für die Evaluation der Nachhaltigkeitskommunikation erscheint es von Interesse zu bewerten: In wieweit erreicht die Nachhaltigkeitskommunikation eines konkreten Unternehmens das Ideal einer nachhaltigen Kommunikation? Inwiefern wird also neben Marketing und Business Case auch ein Public Case angestrebt, und inwieweit werden normative Kriterien (wie Stakeholder Integration, ganzheitliche Zielgruppensegmentierung, symmetrische Kommunikation, Verstän-
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digungsorientierung, Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im Kommunikationsprozess) erfüllt? Ich möchte vorschlagen, eine solche Evaluation für das jeweilige Unternehmen grafisch darzustellen durch ein Balkendiagramm. Auf der y-Achse werden die normativen Handlungsorientierungen aufgelistet, auf der x-Achse deren Umsetzungsgrad im konkreten Unternehmen. In unten dargestellter Abbildung 55 für ein fiktives Unternehmen bedeutet der Wert „Null“, dass ein normatives Kriterium (in diesem Fall organisationale Integration) überhaupt keine Berücksichtigung findet. Der Wert „Eins“ bedeutet, ein Kriterium (in diesem Fall jenes der fairen Information) wird zur Gänze erfüllt. Die weiteren normativen Kriterien finden in Abbildung 55 jeweils eine Bewertung zwischen Null und Eins. Z iels etz ung: Marketing, Business , Public Cas e Prinzipien der nh. Entw icklung Vers tändigungsorientierung Faire Information s ymmetrisc he Kommunikation ganzheitl. ZG-Segmentierung Stakeholder Integration organis ationale Integration funktionale Integration 0
0,1
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1
Abbildung 55: Beispiel für eine grafische Darstellung der Evaluation normativer Qualitätskriterien (eigene Darstellung)
Eine solche grafische Darstellung kann für einzelne Instrumente der Nachhaltigkeitskommunikation (z.B. Stakeholder Dialoge, Nachhaltigkeitsberichterstattung, etc.) erstellt werden, oder für sämtliche Kommunikationsaktivitäten. Hier kann auch bewertet werden, ob das jeweilige Unternehmen für eine konkrete Maßnahme eher Marketing-Ziele (Marketing Case), Business-Ziele (Business Case) oder gesellschaftliche Ziele (Public Case) in den Vordergrund stellt. Selbstverständlich können die normativen Kriterien auf der y-Achse noch durch weitere, unternehmensspezifische Kriterien erweitert werden bzw. durch Kriterien, die sich aus künftigen normativ-orientierten Forschungsarbeiten ergeben. Aus einer Analyse wie in Abbildung 55 lässt sich für Unternehmen konkreter Verbesserungs- bzw. Handlungsbedarf ableiten. Eine Evaluation mit dem Ergebnis vieler langer Balken – also gute Werte in vielen Dimensionen – be-
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deutet: Die Kommunikationsaktivitäten des konkreten Unternehmens nähern sich bereits dem Ideal einer nachhaltigen Kommunikation an. Viele kurze Balken heißen, dass sich Nachhaltigkeitskommunikation (noch) eher im Stadium von Marketing-orientiertem „Greenwash“ befindet. Über die Ursachen für den jeweiligen Ist-Stand der Nachhaltigkeitskommunikation in einem konkreten Unternehmen sagt die Grafik freilich nichts aus. Die Ursachen für niedrige oder hohe Werte können nur fallspezifisch erforscht werden. Oftmals werden einer nachhaltigen Kommunikation in der Praxis Widerstände im Weg stehen. Solche Widerstände können finanzieller oder organisationeller Natur sein; Zielgruppen sind möglicherweise an keinem Dialog interessiert; oder dem Kommunikationspraktiker fehlen schlichtweg die nötigen Kompetenzen für die Gestaltung einer nachhaltigen Nachhaltigkeitskommunikation.
4.8 Zusammenfassung Kapitel 4 4.8 Zusammenfassung Kapitel 4 Ziel dieses vierten Kapitels war es, Elemente einer normativen Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zu entwerfen. Basierend auf einer Analyse von neun ausgewählten Theorien, Konzepten und Modellen der Public Relations und Unternehmenskommunikation („Kontexttheorien“) wurden Elemente einer normativen Theorie abgeleitet. Schon der Prozess der Analyse der Kontexttheorien hat einige interessante Ideen und Begrifflichkeiten aufgebracht, die an dieser Stelle nochmals in Erinnerung gerufen werden sollen: Beispielsweise lassen sich die Rollen, die Rogers (vgl. 1995) aus Sicht der Innovationsdiffusion unterscheidet, auf Nachhaltigkeitskommunikation umlegen. Es liegt auf der Hand, dass Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation als „Change Agents“ fungieren können. Sie setzen auf professionelle Kommunikation, um nachhaltigkeitsrelevante Prozessoder Produktinnovationen zu verbreiten. Im besten Falle sind Nachhaltigkeitskommunikatoren zugleich „Innovation Champions“. Aufgrund ihrer persönlichen Werte setzen sie sich für soziale und ökologische Aspekte des Wirtschaftens ein und versuchen auch, Kollegen und Manager von der Wichtigkeit des Nachhaltigkeitsengagements zu überzeugen. Interessant erscheint auch ein weiterer Gedanke, welcher der Analyse der Innovationstheorie entsprungen ist, dass nämlich Nachhaltigkeitskommunikation selbst als Innovation betrachtet werden kann, genau genommen als interne Prozessinnovation. Die Ausführungen zu Issues Management steuern unter anderem den Begriff des „Top Issues“ bei. Es wurde argumentiert, dass Nachhaltigkeitsthemen
4.8 Zusammenfassung Kapitel 4
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für Unternehmen (vor allem aus „High Risk – High Impact“-Branchen) oftmals Top Issues, also zu priorisierende Issues darstellen. Auch der Begriff der „Moralfalle“, den Eisenegger/Imhof (2005, 255) in ihren Ausführungen zu Reputation Management geprägt haben, erwies sich im Hinblick auf Nachhaltigkeitskommunikation wie maßgeschneidert. Gerade für Praktiker der Nachhaltigkeitskommunikation stellt die „Moralfalle“, also das Verpflichten auf sozialmoralische Prinzipien, die dann nicht eingehalten werden können, ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Einige Aspekte des Konzepts der integrierten Kommunikation nach Bruhn (vgl. 1995; 1996) lassen sich ebenfalls auf Nachhaltigkeitskommunikation umlegen. An dieser Stelle sei nochmals hingewiesen auf die von Bruhn formulierten Anforderungen an integrierte Kommunikation, von denen drei auch aus Sicht der Nachhaltigkeitskommunikation zutreffend erscheinen: Bewusstseinskomponente, Positionierungskomponente und Konsistenzkomponente. Damit Nachhaltigkeitskommunikation überhaupt Sinn macht, sollte parallel dazu ein unternehmensinternes Nachhaltigkeitsbewusstsein geschaffen werden und eine klare SollPositionierung des Unternehmens vorliegen. In der Kommunikation müssen Worte und Taten konsistent sein, damit sich keine „Moralfallen“ auftun und Nachhaltigkeitskommunikation nicht zu „Greenwash“ verkommt. Aber nicht nur einzelne Begriffe ließen sich von den neun analysierten Theorien, Konzepten und Modellen der Public Relations und Unternehmenskommunikation ableiten. Vordergründiges Ziel war, aus normativer Sicht Qualitätskriterien für Nachhaltigkeitskommunikation bzw. Handlungsorientierungen für Praktiker abzuleiten. Auch hierbei erwiesen sich die untersuchten Kontexttheorien als hilfreich. Die Kernaussagen des normativ-orientierten Theorieentwurfs werden hier nochmals überblicksmäßig dargestellt: 1.
Nachhaltigkeitskommunikation kann betrachtet werden als integrierte Kommunikation in Reinform. Als Querschnittsfunktion der Public Relations verlangt sie nach funktionaler, organisationaler und Stakeholder Integration. Funktionale Integration bedeutet, dass es sich bei Nachhaltigkeitskommunikation nicht um ein strategisches Verfahren oder um einen eigenen Programmbereich der Public Relations handelt (wie etwa interne Kommunikation, Medienarbeit, Investor Relations, Educational Relations etc.), sondern um einen Aufgabenbereich, der in die verschiedenen Programmbereiche inhaltlich integriert werden kann. Organisationale Integration bedeutet, dass in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation eine enge Kooperation zwischen der Kommunikationsabteilung und anderen unternehmerischen Subsystemen bestehen sollte. Stakeholder Integration bedeutet, dass der für Nachhaltigkeitskommunikation Verantwortliche be-
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2.
3.
4.
4 Entwicklung eines normativen Theorieentwurfs sonders stark als „Boundary Spanner“ agieren sollte, und unternehmensexterne Zielgruppen in die Nachhaltigkeitskommunikation mit einbezogen werden sollten. Aus normativer Sicht spielt die Art der Zielgruppensegmentierung eine wesentliche Rolle. Grundsätzlich kommen die gleichen Segmentierungskriterien wie bei Public Relations im allgemeinen in Frage (demographische, sozioökonomische, psychologische Kriterien etc.). Besonders relevant erscheinen darüber hinaus kulturelle und Lebensstil-abhängige Zielgruppenunterscheidungen. Der normativen Orientierung des Theorieentwurfs entsprechend wurde betont, dass es auch „periphere“ Zielgruppen zu berücksichtigen gilt, also solche, die vom Unternehmenshandeln betroffen sind, die aber nicht direkt mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden sind. Beispiele für solche „peripheren“ Zielgruppen sind Jugendliche, Arbeiter aus der dritten Welt, Menschen in Armut, behinderte Menschen etc. Was den „Stil“ der Nachhaltigkeitskommunikation betrifft, so wurden aus normativer Sicht vor allem Grunigs Modelle der symmetrischen Kommunikation und der Informationstätigkeit als anstrebenswert erachtet. In Ausnahmefällen können auch persuasive Kommunikationsformen zur Anwendung kommen, wenn es gilt, Zielgruppen von Verhaltensänderungen im Sinne der Nachhaltigkeit zu überzeugen. Besonders wünschenswert für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation ist Verständigungsorientierung im Sinne Burkarts. Die Idealvorstellung von idealer Sprechsituation und eines vollständigen Konsenses auf allen drei Ebenen kommunikativer Geltungsansprüche (Wahrheit der Behauptungen, Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens, Legitimität der vertretenen Interessen) wird in der Praxis nur schwer umsetzbar sein. Dennoch erscheint es aus normativer Sicht lohnend, Partizipationsmöglichkeiten und Authentizität als Grundsäulen der Nachhaltigkeitskommunikation zu betrachten. Zusätzlich zu den oben zusammengefassten Kommunikationsansprüche, die sich aus den Kontexttheorien ableiten ließen (Punkte 1 bis 3), erscheint es mir aus normativer Sicht angebracht, alle drei Dimensionen des Nachhaltigkeitsleitbilds (Ökonomie, Ökologie und Soziales) innerhalb der Nachhaltigkeitskommunikation zu berücksichtigen. Neben wirtschaftlichen Aspekten (Stichwort Business Case, ganzheitliche Leistungsdarstellung) gilt es in der täglichen Kommunikationsarbeit, auch auf ökologische Arbeitsweise (Stichwort Papierverbrauch, Energieverbrauch etc.) und auf soziale Erfordernisse (Stichwort Diversity, Gender, Diskriminierung, Arbeitszeiten etc.) zu achten.
4.8 Zusammenfassung Kapitel 4
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Für Nachhaltigkeitskommunikation, welche diese normativen Kriterien so weit wie möglich erfüllt und welche neben Marketing und Business Case situativ auch einen Public Case anstrebt, wurde der Begriff der „nachhaltigen Kommunikation“ eingeführt. Es wurde vorgeschlagen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitskommunikation anhand eines Balkendiagramms evaluieren, das die Ausprägungen der einzelnen normativen Qualitätskriterien der Nachhaltigkeitskommunikation darstellt. Die Analyse der Theorien, Konzepte und Modelle der Public Relations lieferte auch Ansatzpunkte zur besseren Bewältigung einiger der mit Nachhaltigkeitskommunikation verbundenen Herausforderungen. Brauchbare Hinweise ergaben sich für den Umgang mit dem tendenziell hohen Konfliktpotenzial, für die interne Legitimation der Nachhaltigkeitskommunikation, für die Bewältigung der durchwegs anspruchsvollen Kommunikationsziele sowie für den Umgang mit Glaubwürdigkeitsproblemen. Weniger oder keine Hilfe boten die analysierten Theorien, Konzepte und Modelle unter anderem hinsichtlich der oft schwierigen Zusammenarbeit unterschiedlicher Abteilungen, hinsichtlich des Sammelns relevanter Informationen und Kennzahlen, hinsichtlich der Bewältigung von Aufmerksamkeits- und Komplexitätsproblemen sowie hinsichtlich der Bewältigung des geringen Bekanntheitsgrades des Nachhaltigkeitskonzeptes. Im nächsten Kapitel wird nun versucht, einige dieser Lücken zu schließen, indem auf ausgewählte Instrumente und Methoden eingegangen wird, die sich für Nachhaltigkeitskommunikation anbieten. Der erste Schwerpunkt wird Stakeholder Dialogen gewidmet. In diesem Abschnitt findet der Leser Hinweise aus dem realen Berufsfeld, wie mit Aufmerksamkeits- und Komplexitätsproblemen sowie mit Konflikten umgegangen werden kann. Der zweite Schwerpunkt befasst sich mit interner Kommunikation. Dieser Teil soll Praktikern unter anderem Aufschluss geben, wie sie internen Zielgruppen gegenüber den Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitskonzeptes steigern können. Der dritte Teil schließlich behandelt Nachhaltigkeitsberichterstattung. Hier wird anhand von Beispielen beschrieben, wie die Aufmerksamkeit der Leser erhöht und Glaubwürdigkeitsprobleme entschärft werden können.
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele zu Instrumenten und Methoden der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation 5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
5.1 Einführung 5.1 Einführung Von der Theorie führt Kapitel 5 den Leser nun in die Praxis. Wir betrachten ausgewählte Good-Practice-Beispiele unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation. In aufwändiger Recherche und mit der Unterstützung von unabhängigen Experten aus dem Bereich Nachhaltigkeit ist es gelungen, solche österreichischen Unternehmen ausfindig zu machen, die ihre Kommunikation in einzelnen Bereichen der Nachhaltigkeitskommunikation professionalisiert haben. Konkret wurden Unternehmen gesucht, die Vorzeigebeispiele für Stakeholder Dialoge, interne Kommunikation für Nachhaltigkeit bzw. für Nachhaltigkeitsberichterstattung repräsentieren70. Meine Auswahl fiel schließlich
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auf die Österreichischen Bundesforste mit Sitz in Purkersdorf und die österreichische Kontrollbank mit Sitz in Wien als Good-Practice-Beispiele aus dem Bereich (Multi)Stakeholder-Dialog; auf das Expressdienstleistungs-Unternehmen TNT Express Austria mit Österreichsitz in Schwechat und auf das Druck- und Medienunternehmen Gugler aus Melk als positive Beispiele für den Bereich der internen Nachhaltigkeitskommunikation; und auf die Unternehmen Esterházy Forstbetriebe, EVN, Gugler, Mitsubishi, Nike, österreichische Bundesforste, österreichische Kontrollbank, Palfinger, Verbund und Vodafone als Good-Practice-Beispiele für Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Diese willkürliche Auswahl bedeutet natürlich nicht, dass nicht auch andere Programmbereiche und Instrumente der Public Relations im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation zur Anwendung kommen können, wie beispielsweise Medienarbeit, Online Kommunikation, Instrumente der Investor Relations, der Marketingkommunikation oder Events.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Die Kommunikationsaktivitäten dieser Unternehmen werden in Kapitel 5 in Form von Fallstudien (Kapitel 5.3 und 5.4) bzw. illustrativen Fallbeispielen (Kapitel 5.5) beschrieben. Dabei zeigt sich, dass auch in den ausgewählten Vorzeigeunternehmen noch Verbesserungspotenzial für die Nachhaltigkeitskommunikation zu orten ist. Deshalb möchte ich bewusst von „Good-Practice- Beispielen“, und nicht von „Best-Practice-Beispielen“ sprechen.
Abbildung 56: Übersicht über die Inhalte des 5. Kapitels
Insgesamt sollen die Ausführungen in Kapitel 5 dem Leser aus der Kommunikationspraxis Ideen liefern für kreative Zugänge zu Nachhaltigkeitskommunikation und ihm Mut machen, neue, vielleicht ausgefallene Wege zu beschreiten. Indirekt bekommt er Hinweise, wie bestimmte Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation (wie Glaubwürdigkeitsprobleme, Aufmerksamkeitsprobleme, Konfliktpotenzial) besser bewältigt werden können. Die einzelnen Kommunikationsansätze werden auch dahingehend analysiert, inwiefern sie die in Kapitel 4 entwickelten normativen Qualitätskriterien erfüllen. Vor der Darstellung der eigentlichen Fälle erfolgt zunächst nun ein knapper methodologischer Exkurs. Einleitend wird der Good-Practice- bzw. Best-Practice-Ansatz vorgestellt. Anschließend wird der Forschungsansatz der Fallstudie
5.2 Forschungsmethodologie zur Erfassung der Good-Practice-Beispiele
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beschrieben, ebenso die Methoden „qualitatives Interview“ und „teilnehmende Beobachtung“.
5.2 Forschungsmethodologie zur Erfassung der Good-Practice-Beispiele 5.2 Forschungsmethodologie zur Erfassung der Good-Practice-Beispiele Der „Good Practice“-Ansatz orientiert sich an der „Best Practice“- bzw. „Benchmark“-Tradition der angloamerikanischen Managementforschung. Die Ausgangsüberlegung ist: Wenn ein Unternehmen nach „Best Practice“ vorgeht, dann handle es aus betriebswirtschaftlicher Sicht in dem punktuell betrachteten Bereich (z.B. Ressourceneinsatz, Mitarbeiterführung, Geschäftsprozesse) erfolgreich und setze damit eine „Benchmark“, einen Vergleichspunkt zur Evaluation, für andere Unternehmen. Der für diese Arbeit gewählte „Good Practice“-Ansatz schwächt das „Best Practice“-Konzept etwas ab. Mit „Good Practice“-Beispielen seien in vorliegender Arbeit Vorzeigebeispiele gemeint. Beschrieben und analysiert werden Tätigkeiten im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation, die im Vergleich mit anderen Unternehmen zwar als besonders positiv und somit als nachahmenswert erscheinen. Ein Vorteil der „Good Practice“-Idee ist es aber, dass sie – im Gegensatz zum „Best Practice“-Ansatz – Verbesserungsspielraum zulässt. Es wird davon ausgegangen, dass auch die ausgewählten Vorzeigeunternehmen in Teilbereichen der Nachhaltigkeitskommunikation noch Aufholbedarf aufweisen. Trotzdem können andere Unternehmen von den hier vorgestellten Beispielen meiner Ansicht nach bereits lernen71. Zur Datengewinnung für die „Good Practice“-Beispiele dieser Arbeit dienten der Fallstudien-Ansatz sowie die Methoden „qualitatives Interview“ und „teilnehmende Beobachtung“. Diese werden im folgenden beschrieben.
5.2.1 Fallstudie („Case Study“) Die Fallstudie gilt nicht als spezifische Erhebungstechnik oder isolierte Methode der empirischen Sozialforschung. Vielmehr handelt es sich dabei um einen „Forschungsansatz“ bzw. einen „approach“, bei dem unterschiedliche methodische Vorgangsweisen kombiniert werden, mit dem Ziel den untersuchten Einzelfall „in seiner Ganzheitlichkeit realitätsgerecht zu erfassen“ (Lamnek 1995, 7f). Nach Yin (2003, 13) wird die Fallstudie definiert als 71
Ein Nachteil von „Good Practice“- bzw. „Best Practice“-Studien ist sicherlich, dass sie nur einen Ausschnitt der Realität betrachten und somit nur eingeschränkte, empirische Aussagekraft besitzen.
302
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele “an empirical inquiry that investigates a contemporary phenomenon within its reallife context, especially when the boundaries between phenomenon and context are not clearly evident and in which multiple sources of evidence are used”.
Yin (2003) unterscheidet verschiedene Arten von Fallstudien, nämlich explorative („exploratory“), erklärende („explanatory“), illustrative („illustrative“) und beschreibende („descriptive“). Beschreibende Fallstudien beschreiben die Rahmenbedingungen einer realen Situation bzw. einer konkreten Intervention. Illustrative Fallstudien haben eher den Charakter von Fallbeispielen, es werden also nur ausgewählte Bereiche des Gesamtphänomens bzw. der Gesamtsituation beschrieben. Erklärende Fallstudien versuchen, die komplexen Zusammenhänge zwischen Rahmenbedingungen und Interventionen zu erklären und beschäftigen sich mit „Warum“-Fragen. Explorative Fallstudien schließlich befassen sich mit Interventionen, von denen man noch nicht weiß, wie sie sich auswirken werden. Solche explorativen Studien zielen mitunter auch darauf ab, Ideen für künftige Forschungsarbeiten zu generieren.72 Bei der Suche nach Einflussfaktoren und bei der Interpretation von Zusammenhängen stellen Einzelfallstudien eine große Hilfe dar (vgl. Mayring 2002, 28). Sie erlauben, „auf den Fall in seiner Ganzheit und Komplexität“ einzugehen, „um, so zu genaueren und tiefgreifenderen Ergebnissen zu gelangen“ (Mayring 2002, 29). Die Fallstudie ermöglicht es dem Forscher, in der Erhebungssituation in individueller Weise auf die untersuchte Situation, Person bzw. auf das untersuchte Objekt einzugehen. Damit wird der Ansatz laut Lamnek (vgl. 1995, 17ff) den Charakteristika der qualitativen Methodologie in besonderer Weise gerecht, nämlich den Prinzipien der Offenheit, Kommunikativität, Naturalistizität und Interpretativität: Offenheit gegenüber den untersuchten Personen bzw. der Erhebungssituation ist ein zentrales Merkmal der Fallstudie. Auch ich habe im Verlauf der Untersuchung versucht, mich für neue Erkenntnisse möglichst offen zu zeigen und den Interviewpartnern möglichst unvoreingenommen gegenüber zu treten. Weiters sollten die Erhebungstechniken für die Fallstudie laut Lamnek kommunikativ sein, das heißt kommunikative Verständigung sowie eine gemeinsame Deutung der Situation zwischen Forscher und Subjekt sind Voraussetzung. Diese Voraussetzung konnte im Rahmen der qualitativen Interviews und auch bei den teilnehmenden Beobachtungen meiner Meinung nach gut erfüllt werden. Ein weiteres Kriterium ist laut Lamnek, dass die Kommunikation im Rahmen der Erhebungssituation möglichst naturalistisch bleibt, sodass verfremdende Einflüsse so weit wie möglich vermieden werden. 72
In vorliegender Arbeit kommen in den Kapiteln 5.3 (Stakeholder Dialoge) und 5.4 (interne Kommunikation) eher explorativ angelegte Fallstudien zur Anwendung. In Kapitel 5.5 (Nachhaltigkeitsberichterstattung) handelt es sich um illustrative Fallbeispiele.
5.2 Forschungsmethodologie zur Erfassung der Good-Practice-Beispiele
303
Diesem Kriterium habe ich versucht zu genügen, indem die Interviews großteils in der vertrauten Umgebung der Interviewpartner geführt wurden. Die Aufgabe des Forschers ist es schließlich, die offene, naturalistisch-kommunikative Situation zu interpretieren, Handlungsmuster herauszufinden und Typisierungen zu schaffen. Auch ich habe mich um eine Interpretation der gewonnenen Daten bemüht. Dies geschah vor allem im Lichte der in Kapitel 4 erarbeiteten normativen Kriterien der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation. Fallstudien sind zumeist multimethodisch angelegt (vgl. Yin 2003). Auch in vorliegender Arbeit kam – zumindest in Ansätzen – eine Methodentriangulation (vgl. Denzin/Lincoln 1998; Paus-Haase 2000, 21) zur Anwendung. Für die Datenerhebung wurden vor allem qualitative Experteninterviews, aber auch Interviews mit Betroffenen sowie die Methode der teilnehmenden Beobachtung herangezogen. Die Charakteristika dieser Methoden werden zum besseren Verständnis nun kurz skizziert und deren Anwendung im Rahmen meiner Forschungstätigkeit beschrieben.
5.2.2 Das qualitative Interview Beim qualitativen Interview wird nicht soziales Verhalten, sondern verbales Verhalten erhoben, und zwar in Form von Erinnerungen, Meinungen oder Bewertungen. „Durch verbale Stimuli (Fragen) werden verbale Reaktionen (Antworten) hervorgerufen: Dies geschieht in bestimmten Situationen und wird geprägt durch gegenseitige Erwartungen“ (Atteslander 2003, 121). Die Methode des qualitativen Interviews ist eine Form der wissenschaftlichen Datenerhebung und unterscheidet sich von der alltäglichen Befragung durch systematische Vorbereitungen, Zielgerichtetheit und die theoriegeleitete Kontrolle der gesamten Befragung (vgl. Atteslander 2003, 122 f). Kontrolle ist deshalb besonders wichtig, weil im Verlauf des Interviews zahlreiche Einflussfaktoren wirken, welche vom Interviewer selbst nur zum Teil mitbestimmbar sind (zum Beispiel Umfeldgestaltung, Beziehung zwischen Interviewer und Interviewtem etc.). Dem Interviewer muss bei der Durchführung und Auswertung der Befragung klar sein, dass Artefakte nicht auszuschließen sind, dass also manche Antworten oder Teilantworten künstlich durch die Situation der Befragung provoziert wurden (vgl. Atteslander 2003, 135). Aus methodisch-technischer Sicht gilt es im Hinblick auf qualitative Interviews unter anderem folgende Aspekte zu beachten (vgl. Lamnek 1995, 68): Qualitative Interviews sollten so weit wie möglich im alltäglichen Milieu des Befragten erfolgen, um eine möglichst natürliche Situation herzustellen, welche authentische Informationen ermöglicht. Für den Interviewer bedeuten qualitative
304
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Interviews, dass er eine höhere Sach- und Kommunikationskompetenz benötigt als bei standardisierten Befragungen. Daher wird der Interviewer im Regelfall der Forscher sein. Der Interviewte wiederum sollte Verbalisierungs- und Artikulationsvermögen besitzen. Voraussetzungen für eine gelungene Befragung sind weiters das Interesse des Befragten am Befragungsthema, die prinzipielle Akzeptanz von Befragungen sowie Kooperationsbereitschaft und Ehrlichkeit bei der Beantwortung der Fragen (vgl. Scholl 2003, 24). Im Falle einer Expertenbefragung gilt es zu überprüfen, ob es sich bei dem Interviewpartner tatsächlich um einen Experten auf dem jeweiligen Gebiet handelt. Der Expertenstatus ergibt sich dabei „aus der Position oder der Funktion, den die Experten zum Beispiel in einer Organisation innehaben. Experten müssen für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich sein und dafür privilegierten Zugang zu den betreffenden Informationen haben“ (Scholl 2003, 67).
Verschiedene Autoren identifizieren unterschiedliche Formen qualitativer Interviews. Zum Beispiel unterscheidet Atteslander (vgl. 2003, 146ff) in wenig strukturierte, teilstrukturierte und stark strukturierte Interviews. Bei wenig strukturierten Interviews arbeitet der Forscher ohne Fragebogen und hat einen großen Freiheitsspielraum. Seine vorrangige Aufgabe ist es zuzuhören. Der Gesprächsverlauf hängt weniger von den Fragen des Forschers, dafür mehr von den Antworten des Interviewten ab. Bei der stark strukturierten Befragung bereitet der Forscher einen Fragebogen vor. Die Fragen sind also ihrem Inhalt, der Anordnung und der Anzahl nach genau vorgegeben. Die Ausarbeitung des Fragebogens ist wesentlich für die Durchführung der Forschungsarbeit. Bei der teilstrukturierten Form der Befragung handelt es sich um Gespräche, die von vorbereiteten Fragen bestimmt werden, wobei die Abfolge der Fragen offen ist. Die Möglichkeit besteht wie beim wenig strukturierten Interview, Themen aufzunehmen, die sich aus dem Gespräch heraus spontan ergeben. In der Regel wird ein Gesprächsleitfaden benützt. Lamnek (vgl. 1995, 68 ff) unterscheidet ebenfalls unterschiedliche Formen qualitativer Interviews, und zwar narrative, problemzentrierte und fokussierte Interviews, Tiefeninterviews sowie rezeptive Interviews: Das narrative Interview basiert auf Erzählungen des Interviewten. Der Interviewer verhält sich dabei zurückhaltend. Er regt sein Gegenüber an zu erzählen, dabei geht er zumeist ohne wissenschaftliches Konzept in das Gespräch. Beim problemzentrierten Interview hingegen hat der Forscher sehr wohl ein wissenschaftliches Konzept im Hinterkopf. Dieses kann und soll durch die Äußerungen des Interviewten geprüft und eventuell modifiziert werden. Dabei teilt der Forscher sein
5.2 Forschungsmethodologie zur Erfassung der Good-Practice-Beispiele
305
theoretisches Konzept im Interview nicht mit. Es handelt sich um ein vorläufiges Konzept, das den Gesprächspartner nicht beeinflussen soll. Ein Leitfaden hilft dem Forscher bei problemzentrierten Interviews, alle wichtig erscheinenden Themenbereiche abzudecken. Das fokussierte Interview dient nicht der Entwicklung von Hypothesen, sondern vor allem deren Überprüfung. Ziel ist es, die subjektiven Erfahrungen der Interviewpartner in der früher erlebten und vom Forscher analysierten Situation zu erfassen. Das Tiefeninterview versucht, Bedeutungsstrukturierungen zu ermitteln, die dem Befragten möglicherweise selbst nicht bewusst sind. Dies geschieht auf der Basis theoretischer (meist psychoanalytischer) Vorstellungen des Forschers. Die Fragen beziehen sich soweit wie möglich auf die Alltagswelt des Befragten, und es wird versucht, zu den Tiefenstrukturen vorzudringen. Das rezeptive Interview schließlich beschränkt die Rolle des Interviewers aufs Zuhören. Der Forscher determiniert das Gespräch kaum. Die wenigen Fragen orientieren sich stark an der Lebenswelt des Interviewten, ansonsten beschränkt sich der Interviewer eher auf nonverbale, zustimmende und ermunternde Reaktionen, um die Zweiseitigkeit der Kommunikation aufrechtzuerhalten. Für meine Forschungsarbeit wählte ich die Methode des teilstrukturierten, problemzentrierten, mündlichen Interviews. Die meisten der gestellten Fragen waren offener Natur. Das heißt, „die befragte Person kann ihre Antwort völlig selbständig formulieren“ (Atteslander 2003, 161), und es gibt keine festen Antwortkategorien. Die Interviews für das vorliegende Kapitel 5 fanden im November 2008 statt. Sie dauerten je zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. Ort der Befragungen waren zumeist die Büros der interviewten Personen, sowie in einem Fall ein Lehrsaal der Universität Salzburg. Befragt wurden Unternehmensvertreter und Mitarbeiter73. In Anlehnung an Lamnek (vgl. 1995, 108) und Daymon/Holloway (vgl. 2002, 222) wurden die Interviewdaten folgendermaßen ausgewertet: Im Rahmen der Transkription wurden die audiovisuell (mittels Diktiergerät) erfassten Daten in lesbare Form gebracht. Beim Abtippen wurde so weit wie möglich versucht, nicht nur gesprochene Sätze, sondern auch nonverbale Aspekte des Gesprächs (Seufzer, lange Pausen, Lachen etc.) zu berücksichtigen. In einem nächsten Schritt wurde das Datenmaterial hinsichtlich inhaltsanalytischer Kategorien zusammengefasst. Bei der Kategorienbildung spielten vor allem die in Kapitel 4 definierten normativen Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation sowie spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation eine Rolle. Es folgte eine Interpretationsphase, in welcher Gemeinsamkeiten und unterschiedliche Aussagen in den Interviews herauszufinden waren. 73
Nach welchen Kriterien die Befragten ausgewählt wurden, wird jeweils in den Einleitungen zu den verschiedenen Fallbeispielen erörtert.
306
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
5.2.3 Teilnehmende Beobachtung Die Methode der Beobachtung zielt ab auf die Erfassung von Verhaltensweisen, indem sich der Forscher selbst in das Forschungsfeld begibt. Merten/Teipen (vgl. 1991, 119 ff) unterscheiden verschiedene Varianten einer solchen Fremdbeobachtung: Bei der künstlichen Beobachtung wird das zu beobachtende Verhalten durch den Forscher provoziert, während bei der natürlichen Beobachtung das Verhalten in der jeweiligen Situation, im „Feld“, verfolgt wird. Bei der offenen Beobachtung ist es den Personen bewusst, dass ihr Verhalten beobachtet wird, während sich bei der verdeckten Beobachtung der Forscher nicht zu erkennen gibt. Bei der unsystematischen Beobachtung wird das Verfahren ohne vorher definierte Beobachtungskriterien durchgeführt, während bei der systematischen Beobachtung der Forscher mit der Aufzeichnung der Verhaltensweisen in einen vorher definierten Beobachtungskatalog beschäftigt ist. Weiters unterscheiden Merten/Teipen (vgl. 1991, 120) zwischen teilnehmender Beobachtung und nicht-teilnehmender Beobachtung. Als teilnehmender Beobachter ist der Forscher selbst Teil der untersuchten Situation und agiert innerhalb des sozialen Rahmens. Als nicht-teilnehmender Beobachter verfolgt er das Geschehen nur von außen. Die teilnehmende Beobachtung gilt laut Lamnek (1995, 243) als eigenständige sozialwissenschaftliche Methode. Sie ist aber zumeist mit anderen Methoden (Befragung, Inhaltsanalyse etc.) im Sinne einer Triangulation verschränkt. Die teilnehmende Beobachtung erforscht soziales Handeln. Sie wird meist dort eingesetzt, wo es um „ansonsten schwer zugängliche soziale Felder und/oder relatives Neuland“ (Lamnek 1995, 243) geht. Das Kennzeichen der teilnehmenden Beobachtung ist, dass sie in der natürlichen Lebenswelt des Beobachteten passiert. Der Forscher nimmt an einer konkreten (Alltags)Situation teil. Seine Rolle ist weniger pragmatisch oder emotional-teilnehmend, sondern vor allem kognitiv-betrachtend. Wichtigste Handlungsmaxime für den Beobachter ist, „dass er das untersuchte Feld durch sein Verhalten so wenig wie möglich verändert“ (Lamnek 1995, 282). Eingeschränkt ist die Methode der teilnehmenden Beobachtung durch die Reichweite der menschlichen Sinnesorgane und durch die Tatsache, dass nur Ausschnitte der sozialen Realität erfasst werden können. Der Beobachter muss gezwungenermaßen selektiv vorgehen und kann damit nur einen Teil des tatsächlichen Handelns wahrnehmen (vgl. Merten/Teipen 1991, 121 f). Die Anwesenheit des Beobachters erzeugt außerdem Reaktivität, beeinflusst also bis zu einem gewissen Grad das Handeln der anderen Personen. Ein Nachteil der teilnehmenden Beobachtung ist weiters, dass sie sich vornehmlich auf Verhaltens-
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
307
weisen konzentriert, während Hintergrundinformationen durch zusätzliche Methoden erhoben werden müssen (vgl. Lamnek 1995, 246). Für die Zwecke dieser Arbeit wurde die Methode der teilnehmenden Beobachtung angewandt, um qualitative Daten über den Ablauf von MultiStakeholder-Dialogen und über die Verhaltensweisen der Teilnehmenden zu sammeln74. Es wurde also versucht, natürliches Verhalten in einer bestimmten Situation, sprich während der Dialogveranstaltung, zu beobachten. Dabei definierte ich meine Rolle weniger als jene der „Teilnehmerin als Beobachterin“, sondern mehr als jene der „Beobachterin als Teilnehmerin“. Ich betrachtete mich also primär als Beobachterin und nur sekundär als Teilnehmerin. Auf Nachfrage der anderen Teilnehmer gab ich mich als Forscherin zu erkennen. Gleichzeitig versuchte ich, so wenig wie möglich Einfluss zu nehmen auf die Stakeholderdialoge, sondern mich auf die Beobachtung zu konzentrieren. Eine systematische Beobachtung, welche sich von vorneherein nur auf bestimmte Kriterien konzentriert, war nicht möglich, denn Multi-Stakeholder-Dialoge zu Nachhaltigkeitsthemen wurden bisher kaum erforscht, und somit fehlte es noch an Beobachtungskriterien. Ich betrat also weitgehend Neuland und wollte die Beobachtung nicht von vorneherein durch zu strenge Kriterien einschränken. Der Vorteil der teilnehmenden Beobachtung lag darin, den Detailreichtum der Praxis erfassen zu können. Nicht zu übersehen war aber gleichzeitig auch der Nachteil, dass ich als Forscherin nur Ausschnitte der sozialen Realität wahrnehmen konnte. Ich versuchte dieses Problem zu lösen, indem ich mich in den Beobachtungssituationen so weit wie möglich auf jene Aspekte konzentrierte, die für mein Forschungsinteresse relevant waren. Sofort nach der Beobachtungssituation wurden die Daten in einem Protokoll zusammengefasst. Dabei wurden auch Anmerkungen zu einzelnen Interaktionen der Teilnehmer und zur Beschreibung der sozialen Situation inkludiert.
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation 5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich Eingangs wird dem Leser nun eine kurze theoretische Einführung zu den Motivebenen und Arten von Stakeholder-Dialogen gegeben. Danach erfolgt die eigentliche, ausführliche Darstellung der Good-Practice-Beispiele. Abschließend werden die ausgewählten Stakeholder-Dialoge mit Rückgriffen auf die Theorie und
74
In Kapitel 6 kommt die Methode der teilnehmenden Beobachtung ebenfalls zur Anwendung, und zwar um Daten über den Ablauf des Nachhaltigkeitsprozesses eines Energieunternehmens zu sammeln.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
hinsichtlich der Erfüllung normativer Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation analysiert bzw. evaluiert.
5.3.1 Theoretischer Hintergrund: Motivebenen und Arten von (Multi)-Stakeholder-Dialogen Unternehmerische Nachhaltigkeit ist kein in sich geschlossenes Konzept mit festgelegten Bahnen. Vielmehr haben wir bereits erfahren, dass es „gesellschaftlicher Such- und Lernprozesse“ (Leitschuh-Fecht 2005, 606) bedarf, um zum Teil widersprüchliche Zielsetzungen in den drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales so miteinander zu vereinbaren, dass Nutzen für das Unternehmen wie auch für die Gesellschaft entstehen kann. Aber was genau sind die Erwartungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen an das Unternehmen? Um dies herauszufinden, lassen sich immer mehr Unternehmen auf Stakeholder-Dialoge, also auf direkte Gespräche mit Interessensgruppen, ein (vgl. Bendell 2000, 3). Leitschuh-Fecht (2005) stellt fest, dass solche Dialogveranstaltungen gerade in globalen Unternehmen derzeit „Konjunktur“ haben. Dies belegt auch eine KPMG-Studie (KPMG/University of Amsterdam 2005), wonach 39 Prozent der 1.600 weltgrößten Unternehmen in ihren CSR- und Nachhaltigkeitsberichten ausdrücklich betonen, dass sie strukturierte Stakeholder-Dialoge veranstalten. Im Idealfall können Unternehmen wie auch Stakeholder-Gruppen beiderseits von solchen Dialogveranstaltungen profitieren (vgl. Leitschuh-Fecht 2005, 609ff): Unternehmen erfahren die Meinungen der Akteure zur jeweiligen Unternehmenstätigkeit und können dadurch die an sie gerichteten Erwartungen und Kritikpunkte besser verstehen bzw. antizipieren. Außerdem kann das mitunter beachtliche Know-How der Interessensgruppen, das sich diese oft in jahrelanger Arbeit erworben haben, für das Unternehmen nützlich sein. Das Feedback der Interessensgruppen kann helfen, die Vor- und Nachteile einer Projektidee oder einer Strategie aufzuzeigen, bevor das Unternehmen damit an die Öffentlichkeit tritt. Zudem können sich im Rahmen des Dialogs Ideen zu einer projektbezogenen Kooperation zwischen Unternehmen und Stakeholdergruppen ergeben. Auf jeden Fall aber dient der Dialog dazu, „die Gesellschaft und das Unternehmen oder die Branche näher zueinander zu bringen. Denn Kommunikation als wechselseitiger Prozess führt auch bei der Gegenseite zu neuen Erkenntnissen und mehr Verständnis“ (Leitschuh-Fecht 2005, 610).
Für Interessensgruppen schaffen ernst gemeinte Dialogveranstaltungen eine Plattform, um ihren Argumenten Gehör zu verschaffen. Im besten Fall können
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
309
Stakeholder ihr Know-How einbringen und dadurch gleichzeitig ihre eigenen Ziele realisieren. Eine solche Möglichkeit der eigenen Zielerreichung im Dialog mit dem Unternehmen ist gerade für NGOs und Aktivisten wichtig. Sie gehen nämlich durchaus ein Risiko ein, wenn sie sich auf den Austausch mit Unternehmen einlassen. Schließlich hängt ihre Glaubwürdigkeit oft davon ab, dass sie unternehmerische Missstände aufzeigen. Durch die Teilnahme an Dialogveranstaltungen kann aber leicht der Eindruck entstehen, „die NGO-Vertreter verlieren ihre kritische Distanz, lassen sich gar kaufen“ (Leitschuh-Fecht/Bergius 2007, 4). Um einer solchen Problematik zuvorzukommen, sollte von Anfang an klar sein, dass Unternehmen wie auch Interessensvertreter mit ihren eigenen „Agenden“ und unter Beibehaltung ihrer Rollen an dem Dialog teilnehmen. Von NGO-Seite braucht es das Zugeständnis, „in einer Sache mit dem Unternehmen vertrauensvoll zusammen zu arbeiten, dieses aber gegebenenfalls trotzdem auf einem anderen Gebiet öffentlich zu kritisieren. Das Unternehmen muss das aushalten können und darf sich nicht beleidigt und betrogen fühlen“ (Leitschuh-Fecht/Bergius 2007, 4).
Aber nicht immer stehen bei unternehmensinitiierten Dialogveranstaltungen tatsächlich Zwei-Weg-Orientierung, Kooperation und Mitspracherecht der Interessensgruppen im Vordergrund. Nicht immer werden Dialoge so ernsthaft geführt, dass das Unternehmen tatsächlich die gesellschaftlichen Ansprüche der Interessensgruppen kennen und verstehen lernen möchte. Oftmals scheint es Unternehmen eher darum zu gehen, „um Verständnis für die eigenen Interessen zu werben und Kritikern etwas Wind aus den Segeln zu nehmen“ (Leitschuh-Fecht/ Bergius 2007, 1). Anstatt eine gemeinsame Lösungssuche anzustreben, wird der (Schein-)Dialog zu einem Werkzeug für Manipulation (vgl. Kapitel 3.4.8). In der Literatur werden deshalb verschiedene Motivebenen für die Durchführung von Stakeholder-Dialogen unterschieden. Diese können Unternehmen mitunter als Hilfestellungen zur kritischen Selbst-Reflexion dienen, daher wird nun näher auf die Motive und Arten von Stakeholder-Dialogen eingegangen. Es werden zuerst die Kategorisierungen von Stakeholder-Dialogen zu Nachhaltigkeitsthemen von Nick (2004) und Bendell (2000) vorgestellt. Sodann wird eine eigene Kategorisierung von Stakeholder-Dialogen anhand der beiden Dimensionen „Öffentlichkeit“ und „Anzahl der Stakeholder“ vorgeschlagen. Nick (2004) unterscheidet aus der Perspektive der nachhaltigen Unternehmensführung drei Motivebenen für Stakeholder-Partizipation (siehe Abbildung 57): Stakeholder sollen im Rahmen von Dialogveranstaltungen (1) über bestimmte (Nachhaltigkeits-)Themen informiert werden („informative participation“), (2) um ihre Meinung befragt werden („consultative participation“),
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
oder (3) tatsächlich in die Entscheidungsfindung einbezogen werden („decisional participation“).
Abbildung 57: Motivebenen für Nachhaltigkeitsdialoge (Nick 2004, 10)
Aus ähnlicher Überlegung heraus identifiziert Bendell (2000, 5 f) acht Formen von Stakeholder-Dialogen, sogenannte „dialogue intention levels“. Diese stellen ein Kontinuum von manipulativen (Schein)-Dialogen hin zu echten, demokratischen, diskursähnlichen Dialogen dar. Bendell betont, dass die Kategorien nicht wechselseitig ausschließend seien. Die tatsächlichen Unternehmensintentionen würden sich oftmals überschneiden und unter anderem davon abhängen, wie breit ein Unternehmen den Nachhaltigkeitsgedanken auffasst. Im Detail unterscheidet Bendell (vgl. 2000, 5f) – basierend auf seinen persönlichen Erfahrungen durch die Teilnahme an zahlreichen Stakeholder-Dialogen in Großbritannien und Costa Rica – die folgenden acht Dialogformen: 1.
Dialog als Manipulation: In diesem Fall ist es Ziel des Stakeholder-Dialogs, kritische Stakeholdergruppen zu entwaffnen („to disarm“), indem man ihren kritischen Argumenten durch (Schein-)Dialoge den Wind aus den Segeln nimmt.
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich 2.
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Dialog als Meinungsbildung: Ziel ist, kritische Stakeholdergruppen in persuasivem Sinne zu erziehen („to educate“), damit sie Unternehmensentscheidungen nicht weiter anfechten. Dialog als Information: In diesem Fall soll der Stakeholder-Dialog die relevanten Gruppen offen und ehrlich informieren. Es handelt sich nur insofern um Zwei-Weg-Kommunikation, als dass Stakeholder Rückfragen zur Klärung von Sachverhalten stellen können. Es geht nicht um das gemeinsame Suchen von Lösungen. Dialog als einseitige Konsultation: Ziel des Unternehmens ist es hier, die Meinungen von kritischen Stakeholdergruppen sowie Informationen über Trends und kritische Issues zu erfahren. Zu diesem Zweck kommen Techniken wie Meinungsumfragen, Konsumentenbefragungen oder Nachbarschaftstreffen zur Anwendung. Es handelt sich also vorwiegend um EinWeg-Information von Stakeholdern an das Unternehmen. Dialog als Ratschlag: Bei dieser Dialogform werden ausgewählte kritische Stakeholder eingeladen, in begrenztem Umfang Unternehmensentscheidungen mitzubestimmen. Sie werden zum Beispiel in Beratungsgremien („advisory boards“) aufgenommen und können dort ihre Kritikpunkte anbringen. Das Unternehmen unterscheidet aber letztendlich selbst, inwieweit die Ratschläge und Kritikpunkte berücksichtigt werden. Dialog als Partnerschaft: Im Gegensatz zur vorherigen Kategorie steht hier eine echte Partnerschaft im Vordergrund. Entscheidungen werden gemeinsam getroffen, auf dem Weg dahin sind beide Seiten gleichberechtigte Verhandlungspartner. Dialog durch Delegieren: In diesem Fall überlässt das Unternehmen bestimmte Entscheidungen (zum Beispiel die Auswahl von Charity-Projekten) völlig einem Stakeholder-Gremium. Dialog als Demokratie: In diesem Idealfall hat jede Person, die in einer Beziehung zum Unternehmen steht, die Möglichkeit zur gleichberechtigten Mitsprache. Ermöglicht wird das durch direkte oder indirekte demokratische Instrumente, beispielsweise durch die Teilnahme an Komitees oder durch die demokratische Wahl von Managern.
Die Art und Weise, wie sich Stakeholder-Dialoge in der Praxis abspielen können, lässt also viel Spielraum zu. Ich schlage vor, anhand der Dimensionen „Öffentlichkeit“ und „Anzahl der Stakeholder“ folgende vier Arten von Stakeholder-Dialogen zu Nachhaltigkeitsthemen zu unterscheiden: öffentliche MultiStakeholder-Dialoge, öffentliche Single-Stakeholder-Dialoge, nicht-öffentliche Multi-Stakeholder-Dialoge sowie nicht-öffentliche Single-Stakeholder-Dialoge (vgl. Abbildung 58):
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Multi Single
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele Öffentlich Öffentliche Multi-StakeholderDialoge Öffentliche Single-StakeholderDialoge
Nicht-öffentlich Nicht-öffentliche Multi-StakeholderDialoge Nicht-öffentliche Single-StakeholderDialoge
Abbildung 58: Arten von Stakeholderdialogen (eigene Darstellung)
Öffentliche Multi-Stakeholder-Dialoge finden in aller Öffentlichkeit statt und binden neben direkt unternehmensrelevanten Zielgruppen auch die Medien mit ein. Solche öffentlichen Multi-Stakeholder-Dialoge veranstaltet zum Beispiel die japanische Mitsubishi Corporation, die im Jahr 2006 Stakeholder in Japan, Europa und Amerika zu Diskussionsveranstaltungen zu den Themen Nachhaltigkeitsberichterstattung und Supply Chain Management eingeladen hat (vgl. auch Kapitel 5.5.4.2). Ein weiteres Good-Practice-Beispiel wird in diesem Kapitel noch näher beschrieben, nämlich der Nachhaltigkeitsdialog der österreichischen Kontrollbank in Form eines „World Cafes“. Öffentliche Single-Stakeholder-Dialoge finden dem Namen nach öffentlich statt, sie richten sich aber vorwiegend an eine einzelne Stakeholder-Gruppe. So veranstaltet zum Beispiel die Deutsche Telekom regelmäßig einen „KonzernNachhaltigkeitstag“, der sich vorwiegend an die eigenen Mitarbeiter richtet, die dadurch für Nachhaltigkeitsthemen weiter sensibilisiert werden sollen. Neben den Mitarbeitern sind aber auch andere Stakeholder-Gruppen sowie Medienvertreter eingeladen. Ein weiteres Beispiel für öffentliche Single-StakeholderDialoge sind die „Nachbarschaftsforen“ an den verschiedenen Standorten des Chemiekonzerns BASF. Diese finden öffentlich statt, richten sich aber ganz gezielt an die Anrainer von Chemiewerken. Die Dialogveranstaltungen sollen helfen, Lösungen zu akuten Problemen gemeinsam mit Bürgerinitiativen auszuarbeiten und Nachhaltigkeitsprinzipien in Managemententscheidungen stärker zu verankern. Nicht-öffentliche Multi-Stakeholderdialoge finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit und in kleinerem Rahmen statt. Durch den geschützten Rahmen sind alle Seiten besser in der Lage, offen über Kritik und Problemfelder zu kommunizieren. Als ein Beispiel für diese Dialogart können die jährlichen Multi-Stakeholder-Dialoge des österreichischen Öl- und Energiekonzerns OMV genannt werden, die sich an einen ausgewählten Kreis von Personen richten. Ein Good-Practice-Beispiel für einen solchen Stakeholder-Dialog wird in diesem Kapitel noch näher beschrieben, nämlich der Nachhaltigkeitsdialog des Forstbetriebs Wienerwald der österreichischen Bundesforste. Nicht-öffentliche Single-Stakeholder-Dialoge kommen zumeist im Rahmen der Mitarbeiterkommunikation zur Anwendung. Es handelt sich hier nicht um
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Großveranstaltungen, sondern um runde Tische zu ausgewählten Themenbereichen, um Fortbildungsveranstaltungen mit Dialogcharakter oder um unternehmensinterne Zukunftsdialoge, wie sie beispielsweise im österreichischen Energieunternehmen Verbund stattfinden.
5.3.2 Good-Practice-Beispiele für nachhaltigkeitsbezogene Stakeholder-Dialoge Als Good-Practice-Beispiele für den Bereich (Multi-)Stakeholder-Dialoge wurden zwei konkrete Veranstaltungen ausgewählt. Zum einen der Nachhaltigkeitsdialog „Miteinand’ im Wienerwald“, zu dem der Forstbetrieb Wienerwald der österreichischen Bundesforste im November 2008 zum Teil kritische Stakeholder (wie NGOs, Jägerschaft, etc.) einlud. Zum anderen das „OeKB Sustainability Café“ der österreichischen Kontrollbank, bei dem im Juni 2006 mittels einer Methode aus der Großgruppenmoderation, dem „World Café“, ebenfalls zum Teil kritische und sogar aktivistische Stakeholder zu Wort kamen. Beide Veranstaltungen wurden von neutralen Experten bzw. Organisationen, die sich in Österreich mit Nachhaltigkeitsthemen und CSR beschäftigen (unter anderem Roman Mesicek von respACT, Alfred Strigl von Plenum) als Good-Practice-Beispiele besonders empfohlen. 5.3.2.1 Nachhaltigkeitsdialog „Miteinand’ im Wienerwald“ des Forstbetriebs Wienerwald Diese Veranstaltung wurde als Good-Practice-Beispiel ausgewählt, weil sie zeigt, wie echte Dialogbereitschaft zu einem wechselseitig fruchtbaren Austausch zwischen Unternehmen und Interessensgruppen führen kann. Im Sinne der obigen Kategorisierungen von Stakeholder-Dialogen kann der Nachhaltigkeitsdialog „Miteinand’ im Wienerwald“ wohl am ehesten beschrieben werden als „consultative participation“ (Nick 2004). Der Idealfall eines „demokratischen Dialogs“ (Bendell 2000, 5f) wird zwar noch nicht zur Gänze erreicht, das Fallbeispiel erfüllt dafür aber einige der theoretisch postulierten normativen Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation: Neben den Ansprüchen symmetrischer Kommunikation und einer gelungenen Stakeholder-Integration sind von Seiten der österreichischen Bundesforste bzw. des Forstbetriebs Wienerwald Ansätze von Verständigungsorientierung und einer ganzheitlichen Zielgruppensegmentierung vorhanden. Im nun folgenden Fallbeispiel wird die Veranstaltung basierend auf den Daten der teilnehmenden Beobachtung beschrieben. So soll der Leser einen
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Eindruck von den Potenzialen, aber auch Risiken einer solchen Dialogveranstaltung vermittelt bekommen. Zum besseren Verständnis sei ein Überblick über die Bundesforste bzw. den Forstbetrieb Wienerwald, seine Aktivitäten im Biosphärenpark Wienerwald sowie über die (Nachhaltigkeits-)Kommunikationsstrategie der Bundesforste vorangestellt. Die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) Die Österreichische Bundesforste AG versteht sich als Leitbetrieb für Forstwirtschaft und Naturbetreuung in Österreich. Mit 1.189 Mitarbeitern haben die Bundesforste im Jahr 2007 eine Betriebsleistung von rund 279 Millionen Euro erwirtschaftet. Die Bundesforste wurden 1997 aus dem Bundesbudget ausgelagert und als Österreichische Bundesforste AG neu gegründet. Alleinaktionär ist die Republik Österreich, die durch den Bundesminister für Land-und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft vertreten wird. Stammgeschäft der Bundesforste ist die Forstwirtschaft, wobei eine naturnahe und nachhaltige Bewirtschaftung berücksichtigt wird. Rund 10 Prozent der Gesamtfläche Österreichs, 15 Prozent der gesamten Waldfläche sowie 70 Prozent der gesamten Seenfläche (mehr als 100 Seen) und 2.000 Kilometer Fließgewässer sind im Eigentum der Bundesforste, ebenso wie die Nationalparks Kalkalpen und Donau-Auen. Als zweites Geschäftsfeld neben der Forstwirtschaft haben die Bundesforste nun auch den Dienstleistungsbereich etabliert. Hier werden privaten und öffentlichen Waldbesitzern Leistungen von der Waldbewirtschaftung bis zum Holzverkauf angeboten. Der Dienstleistungsbereich umfasst weiters die Felder Wald&Garten (Gehölzpflanzungen, Baumkontrolle und -fällung etc.), Holz& Landschaftsbau (Flussrevitalisierungen, Hang- und Ufersicherungen, Lärmschutzwände, Holzmöbel und Gartendekorationen) sowie Expeditionen in ökologisch-wertvolle Gebiete und bewusstseinsbildende Maßnahmen. Drittes Standbein der Bundesforste ist das Geschäftsfeld Immobilien. Dieses Geschäftsfeld umfasst u.a. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Gebäuden sowie den Ausbau von Tourismusinfrastruktur, zum Beispiel 14.000 Kilometer Wanderwege auf den Flächen der Bundesforste, Reitwege, Mountainbike-Strecken, Schipisten oder Pachtverträge mit Jägern. In diesem Geschäftsfeld wird die Vielzahl der Ansprüche, die an die Bundesforste herangetragen werden, besonders deutlich. Einerseits sollen die Naturflächen der Bundesforste Erholungsraum für die gesamte Bevölkerung sein. Andererseits gilt es, diese Flächen so zu pflegen und zu bewirtschaften, dass Natur und Umwelt geschützt sind und die Bundesforste gleichzeitig wirtschaftlichen Erfolg verzeichnen können.
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Nicht zuletzt aufgrund dieser Interessensvielfalt unterteilen die Bundesforste selbst ihre Kernkompetenzen in drei Felder: (1) erhalten und schützen, (2) nachhaltig bewirtschaften und (3) Interessen ausgleichen (vgl. Schragl 2008, 3). Der Nachhaltigkeitsgedanke ist auch der Kern der Unternehmensprinzipien der Bundesforste, wie folgender Auszug aus dem Kurzportrait des Unternehmens (2008) zeigt.
Abbildung 59: Unternehmensprinzipien der Bundesforste (Kurzportrait Bundesforste 2008, 10)
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Der Forstbetrieb Wienerwald und seine Aufgaben im Biosphärenpark Wienerwald Die Flächen der Bundesforste werden dezentral von zwölf Forstbetrieben bewirtschaftet. Diese Forstbetriebe haben eine hohe Eigenständigkeit und können daher auf regionale Anforderungen eingehen. Einer dieser zwölf Forstbetriebe ist der Forstbetrieb Wienerwald mit Sitz im niederösterreichischen Purkersdorf. Der Wienerwald ist eines der größten geschlossenen Laubwaldgebiete Mitteleuropas und besitzt hohen ökologischen Wert aufgrund seiner außergewöhnlich artenreichen Waldgebiete75. Wegen der Einmaligkeit der Landschaft wurde im Jahr 2005 auf Initiative der Länder Wien und Niederösterreich der Biosphärenpark Wienerwald geschaffen. Das Biosphärenpark-Konzept existiert international und wurde von der UNESCO ins Leben gerufen als ein umfassendes Schutz- und Entwicklungsinstrument für Kulturlandschaften mit hohen Naturwerten. Die Hauptfunktionen von Biosphärenparks sind
Schutz von Ökosystemen und Landschaften, Erhaltung der biologischen und kulturellen Vielfalt und der genetischen Ressourcen, Entwicklung und Förderung von ökologisch, wirtschaftlich und soziokulturell nachhaltigen Formen der Landnutzung, Unterstützung von Forschung, Umweltbeobachtung und Bildungsaktivitäten für besseres Verstehen von Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur.
Der Forstbetrieb Wienerwald besitzt einen Großteil der Flächen des Biosphärenparks und ist deshalb (im Gegensatz zu anderen Forstbetrieben) mit einer Fülle von besonderen Ansprüchen und Aufgaben konfrontiert. Als Partner des Biosphärenparks erfüllt der Forstbetrieb Wienerwald unter anderem die folgenden Aufgaben (vgl. Wimmer 2008): Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit (Naturführungen für Schulklassen, Präsenz auf Events), Naturschutzprojekte (Erhaltung von Wiesen und Wasserlebensräumen, Schutz der Gelbbauchunke, Verbreitung des Schwarzstorchs), Forschung und Monitoring (laufende Beobachtung der Kern-Schutzzonen, Vermehrung des Buchenborkenkäfers, ungenutzte „Naturwaldzellen“), Naturraummanagement (Maßnahmen zum Pflanzenschutz, Wegesicherung und Besucherlenkung) und das Schaffen von Infrastruktur für Besucher (920 Kilometer Wander-, Mountainbike- und Reitwege).
75
Zum Beispiel kommen im Wienerwald alle zehn europäischen Spechtarten vor.
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Die Kommunikationsstrategie der österreichischen Bundesforste Nachhaltiges Wirtschaften als Kernwert der österreichischen Bundesforste erfährt – nach einer Neupositionierung des Unternehmens im Jahr 2004 – auch in der Kommunikationsstrategie eine intensive Berücksichtigung. Übergeordnetes Kommunikationsziel ist es, die Bundesforste als Vorreiterbetrieb bzw. als „DAS Unternehmen Nachhaltigkeit schlechthin“ zu positionieren (Schragl 2008, 30), in dem nicht kurzfristige Gewinnorientierung, sondern nachhaltiges Wirtschaften, nicht Ausverkauf von Flächen, sondern Zusammenarbeit im Vordergrund stehen. Ein weiteres Kommunikationsziel der Bundesforste ist es, das „Image des Verwalters“ zu überwinden, und stattdessen das „Image des Betreuers“ aufzubauen. Der Slogan „Wir wirtschaften mit der Natur“ wurde daher im Jahr 2004 um eine emotionale Komponente erweitert. Der Slogan lautet nun „...wo die Natur zu Hause ist“. Dieser Slogan soll „breitere Bevölkerungsschichten mit emotionalen Werten ansprechen (Natur, Heimat, ,unser Wald’)“ (Schragl 2008, 12). Eine Übersicht über die kommunikationsstrategische Neupositionierung der Bundesforste ist in Abbildung 68 dargestellt. Insgesamt soll es durch diese „weiche“ Re-Positionierung besser gelingen, nachhaltigkeitsorientierte Themen aktiv vorzugeben und aus wirtschaftlicher Sicht Verhandlungspositionen zu stärken (vgl. Schragl 2008, 30).
Abbildung 60: Die „weiche“ Neupositionierung der Bundesforste (Schragl 2008, 12)
In der Umsetzung dieser kommunikationsstrategischen Positionierung dienen die drei Säulen der Nachhaltigkeit als „General-Grundlage“ (Schragl 2008, 30), wobei ökologische Leistungen in den Vordergrund gestellt werden. Neben Kooperationen mit NGOs (WWF, Naturschutzbund etc.) und Imagebildung durch „Story Telling“ setzt die Kommunikationsstrategie auch bei der Bewusstseins-
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
bildung für die breite Bevölkerung an. Das Nachhaltigkeitskonzept solle allgemein verständlich und erlebbar gemacht werden (vgl. Schragl 2008, 30). Die aus Sicht der Bundesforste wichtigsten Stakeholder sind in folgender Grafik zusammengefasst. Neben Mitarbeitern und der breiten Bevölkerung konzentrieren sich die Kommunikationsmaßnahmen der Bundesforste auf Politik/Verwaltung, Anrainer/Betroffene, Kunden/Partner, Experten/kritische Gruppen sowie auf Medien.
Abbildung 61: Stakeholder der österreichischen Bundesforste (Schragl 2008, 11)
Die von den Bundesforsten eingesetzten Kommunikationsansätze sind erwartungsgemäß vielfältig. Es seien nur zwei Kommunikationsmittel herausgegriffen, welche die Nachhaltigkeitskommunikation der Bundesforste auszeichnen: Bemerkenswert ist zum einen der jährliche Nachhaltigkeitsbericht, der seit 2005 als Zeitungsbeilage der Tageszeitung „Der Standard“ erscheint. Es handelt sich um einen kombinierten Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht, der journalistisch – zum Teil von Redakteuren der Tageszeitung „Der Standard“ – aufbereitet wird und optisch aufgemacht ist wie die Wochenendbeilagen des Standard (vgl. auch Kapitel 5.5.4.1). Bemerkenswert sind auch die Regionaldialoge zu Nachhaltigkeitsthemen, die von der Geschäftsleitung unterstützt werden und Teil der Zielvereinbarungen der einzelnen Forstbetriebe sind. Mit Jahresbeginn 2009 haben zwei Forstbetriebe (nämlich in der Steiermark und im Wienerwald) Nachhaltigkeitsdialoge veranstaltet, weitere sind vorgesehen. Der Nachhaltigkeitsdialog des Forstbetriebs Wienerwald am 13. November 2008 in Purkersdorf wird nun als Good-PracticeBeispiel der dialogorientierten Nachhaltigkeitskommunikation näher beschrieben.
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Intentionen des Forstbetriebs Wienerwald für die Durchführung des Nachhaltigkeitsdialogs Für ein öffentliches Unternehmen wie den Forstbetrieb Wienerwald sei es auf die Dauer nicht vorstellbar, „am Willen der Gesellschaft vorbei zu arbeiten“ (Wimmer 2008). Konkret erwartete sich der Leiter des Forstbetriebs von der Dialogveranstaltung deshalb „klare Handlungsaufforderungen, die wir bisher so nicht gesehen haben“ (Wimmer 2008). In diesem Sinne war die Intention der Veranstaltung auch in der gedruckten Einladung formuliert: „Wer miteinander redet, findet gemeinsam Lösungen – das ist die Grundidee des Nachhaltigkeitsdialogs, zu dem wir Sie herzlich einladen. Mit dieser Veranstaltung wollen wir eine Basis schaffen, um gemeinsam mit Ihnen verstärkt an der Zukunftsfähigkeit unserer Region zu arbeiten. Schaffen wir Raum für Begegnungen, nehmen wir uns Zeit für Gespräche – wir freuen uns auf Ihr Kommen!“
Stakeholderbefragung als Vorbereitung auf den Nachhaltigkeitsdialog Im Vorfeld der Veranstaltung wurde von zwei Mitarbeiterinnen der Agentur plenum76 eine umfassende Stakeholderbefragung durchgeführt. In Absprache mit dem Leiter des Forstbetriebs Wienerwald wurden die wichtigsten Anspruchsgruppen identifiziert und daraus eine Auswahl von rund 30 Schlüsselpersonen gezogen. Diese stammten aus den Bereichen Bezirksverwaltungsbehörde, NGOs, Forschung, Medien, Gemeinden/Bürgermeister, Grundeigentümer, Kunden, Landwirte, Biosphärenpark-Management, lokale Brennholzabnehmer, Angehörige von Mitarbeitenden, Landesregierung/Raumordnung, Mountainbiker, Wanderer, Reiter und Tourismus (vgl. Brenzel/Cerny 2008). Die telefonischen Interviews mit diesen Personen fanden etwa zwei Monate vor der eigentlichen Dialogveranstaltung statt. Sie dauerten je bis zu einer Stunde. Die Interviewer orientierten sich an einem Interviewleitfaden mit zehn Fragen. Es bestand aber viel Raum für tiefgehende Gespräche, wobei die Befragten dazu animiert wurden, auf kritisch-konstruktive Art und Weise über den Forstbetrieb sowie die Bundesforste als gesamtes Unternehmen zu reflektieren (vgl. Brenzel/Cerny 2008). In Absprache mit dem Auftraggeber, der Forstdirektion Wienerwald, standen inhaltlich folgende Aspekte im Fokus der Befragung: Stellenwert und Qualität der Zusammenarbeit; Probleme; Informationsfluss; Wahrnehmung des Engagements und der Werte der ÖBf; Bekanntheit der 76
Die Wiener Agentur „plenum – gesellschaft für ganzheitlich nachhaltige entwicklung“ begleitet und moderiert die Nachhaltigkeitsdialoge der Forstbetriebe.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
ÖBf als nachhaltiges Unternehmen; Erwartungen und Wünsche an den Forstbetrieb; Perspektiven des Wienerwaldes und des Biosphärenparks; Anregungen, Ideen und Themenschwerpunkte für den Stakeholder-Dialog. Eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse der Stakeholderbefragung ist in Abbildung 62 dargestellt (vgl. Brenzel/Cerny 2008). Generell lässt sich sagen, dass die Bundesforste im allgemeinen und der Forstbetrieb Wienerwald im speziellen bereits als nachhaltigkeitsorientiertes, verantwortungsbewusstes Unternehmen wahrgenommen werden. Mehrmals wurde in den Interviews der Wunsch geäußert, der Forstbetrieb könne ein „Sprachrohr“ für nachhaltige Entwicklung werden und in der Region das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung weiter schärfen. Als Kritikpunkte klangen in den 30 Interviews vermehrt „zu wenig Zusammenarbeit mit Interessensgruppen“, „Personalmangel“ und „zu wenig Information/Kommunikation“ durch. Die in Abbildung 62 zusammengefassten Ergebnisse wurden auch auf der Dialogveranstaltung präsentiert. Für welche „Werte“ stehen die ÖBf?
Wünsche und Erwartungen an den Forstbetrieb «Forstbetrieb und Biosphärenpark als Vorzeige«Erhaltung und Pflege des Österreichischen Waldes betriebe «80 % nehmen die ÖBf als nachhaltiges Unter«Sprachrohr für die nachhaltige Entwicklung in der nehmen wahr Region «Ein Miteinander mit den unterschiedlichen «Verantwortung, Verlässlichkeit, Kompetenz Interessensgruppen «Sehr gute Ausbildung der Mitarbeitenden
«Sportaktivitäten ausbauen und kanalisieren
«Wirtschaftlicher Druck, Personalmangel «Verbesserungspotenzial in der Öffentlichkeitsarbeit
«Preisliche Fairness hoch halten «Ideen und Ziele der Bundesforste transparenter kommunizieren
«Verfall von Immobilien
Was bedeutet nachhaltige Entwicklung für Sie?
Wünsche und Erwartungen an die ÖBf
«Nachhaltigkeit ist lebensnotwendig «Schutz der Ressourcen (Wald, Wasser, Boden) – „Schützen durch nützen“
«Grundsätzlich positive Zusammenarbeit
«Voraussicht statt Nachsicht «Balance zwischen den drei Dimensionen (nicht nur kurzfristiger Profit) «Soziale Zusammenhänge (Waldbesucher, Kunden, Gesellschaft, Mitarbeiter)
«Neue Geschäftsfelder erschließen «Verbesserungspotenzial Ökologie, z.B. Artenschutz in Stadtnähe
«Artenvielfalt
«Bundesforste als gesellschaftliches Unternehmen
«Nachhaltigkeit weiterhin ernst nehmen
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Fortsetzung: Abbildung 62 Wünsche/Erwartungen bzgl. Entwicklung der Region Wienerwald
Conclusio/ Empfehlungen von plenum
«Grundsätzlich positiv (professionell)
« Frühzeitiger Informationsaustausch
«Einzigartige Naturlandschaft als Marke «Mehr Aufklärungsarbeit und regelmäßiger Austausch gewünscht «Großes Potenzial (Erholung, Vermarkten regionaler Prod., Energielieferant)
« Bewusstseinsbildung
«Befürchtung: wachsende Verstädterung, Verkehr
« Den Raum neu entwerfen
«Besorgnis: Naturereignisse (Stürme)
« Der Wald als Freizeitgebiet
« Folgen den Worten auch Taten? « Energien der Zukunft
Abbildung 62: Ergebnisse der Stakeholderbefragung der Österreichischen Bundesforste (eigene Darstellung in Anlehnung an Brenzel/Cerny 2008)
Schon im Rahmen der telefonischen Befragung wurden die Stakeholder auf die Veranstaltung Nachhaltigkeitsdialog aufmerksam gemacht. Insgesamt erhielten rund 300 Personen eine Einladung, ein besonderer Fokus lag auf kritischen Stakeholdern: „Dabei wurden bewusst auch ,altbekannte Querulanten‘ berücksichtigt. Weil die sind ja die großen Innovatoren für ein Unternehmen. Wenn jemand sich als Querulant hervortut, dann muss er emotional mit dem Unternehmen verbunden sein. Deren Kritik wird also gewürdigt, sogar herzlich willkommen geheißen“ (Strigl 2008).
Beschreibung der Veranstaltung Es wird nun versucht, die Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtung und die Aussagen einiger Teilnehmer vor und während des Nachhaltigkeitsdialogs so darzustellen, dass der Leser ein möglichst realitätsnahes Bild der Veranstaltung bekommt. Auf das Beifügen von Fotos muss verzichtet werden, da das Fotografieren die Veranstaltung gestört hätte und daher unterlassen wurde. Um dem Leser ein gutes Stimmungsbild der Veranstaltung zu vermitteln, erfolgt die Beschreibung in der Zeitform Präsens. Örtlichkeit und Ambiente Der Nachhaltigkeitsdialog „Miteinand’ im Wienerwald“ findet in der Unternehmenszentrale in Purkersdorf in einem Vortragssaal statt, der sich durch seine helle Holzauskleidung und große Fenster ins Grüne hinaus auszeichnet. Vorne
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
befindet sich eine kleine Bühne, die mit Naturmaterialien wie Schilf, Ästen etc. geschmückt ist. Der Saal selbst ist für rund 100 Teilnehmer bestuhlt und während der Veranstaltung fast voll belegt (85 Teilnehmer). Ablauf Die Veranstaltung hat eine „klare Agenda, die teilweise abgeschaut ist von klassischen Zukunftskonferenzen“ (Strigl 2008). Insgesamt dauert der Nachhaltigkeitsdialog vier Stunden. Im ersten Teil (Dauer knapp zwei Stunden) finden zuerst die Begrüßung und die Zusammenfassung der Stakeholderbefragung statt. Dann geben sechs Vertreter von Stakeholder-Gruppen ihre Statements ab. Der zweite Teil (Dauer etwas mehr als eine Stunde) besteht aus der Pause, die einen informellen Rahmen bieten soll zur Äußerung persönlicher Anliegen und Anregungen. Der dritte Teil schließlich (Dauer etwas mehr als eine Stunde) stellt die Diskussion ausgewählter Kritikpunkte bzw. Ideen in den Vordergrund. In dieser Phase sollen auch die Teilnehmer im Publikum stärker in den Dialog mit einbezogen werden. Alle drei Abschnitte der Veranstaltung werden nun genauer beschrieben und kritisch kommentiert: Erster Teil – Begrüßung und Stakeholder-Statements: Dampf ablassen Die Veranstaltung beginnt mit einer knapp zehnminütigen Eröffnungsrede von ÖBf-Vorstand Georg Erlacher. Er schafft eine gemeinsame begriffliche Basis, indem er kurz erklärt, was für die Bundesforste Nachhaltigkeit bedeutet, nämlich „die drei Säulen Wirtschaft, Ökologie/Natur und Mensch/Gesellschaft in unserer Tätigkeit zu berücksichtigen“. Weiters erklärt er, wie die Bundesforste die Nachhaltigkeitsdialoge sehen. Sie werden betrachtet als Veranstaltungen, (1) die sich gezielt mit den unterschiedlichen Ansprüchen und Problemen in den verschiedenen Regionen auseinandersetzen, (2) die regelmäßig, mindestens in einem zeitlichen Rhythmus von zwei Jahren stattfinden, (3) die geprägt sind von Offenheit seitens der Bundesforste, (4) und die Geduld von beiden Seiten brauchen. Zu Punkt (3), der Bereitschaft zur Offenheit, sagt der Vorstand wörtlich: „Wir haben den festen Vorsatz, dass wir offen und ehrlich über Themen reden. Wenn sich Themen ergeben, die für uns Veränderungen bedeuten, wollen wir dafür
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offen sein. Wir Forstleute sind ja vielleicht manchmal ein bisschen verschroben in unseren Sichtweisen. Heute sollen Querdenker zu Wort kommen und sämtliche Stakeholder, natürlich auch die Mitarbeiter.“
Und zu Punkt (4), der Notwendigkeit beidseitiger Geduld, merkt der Vorstand an: „In ein paar Stunden lassen sich natürlich nicht alle Probleme lösen. Aber der Dialog heute soll eine Basis schaffen, eine Kommunikationsbasis und auch eine Vertrauensbasis, um Dinge gemeinsam weiterentwickeln zu können.“
Mit seiner kurzen Rede gelingt es dem Vorstand meiner Ansicht nach gut, den Stakeholdern ein realistisches Bild davon zu geben, was der Nachhaltigkeitsdialog bewirken soll und welche Ansprüche sich daraus für das Unternehmen und die Stakeholder ergeben. Von Anfang an dämpft er mögliche zu hohe Erwartungen von einzelnen Teilnehmern. Als nächster übernimmt der Gastgeber und Leiter des Forstbetriebs Wienerwald, Johannes Wimmer, das Wort. In seiner 15-minütigen Einführung versucht er zuerst, Antworten zu geben, was ein Forstbetrieb zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen kann. „Wirtschaften im Einklang mit der Natur“, das funktioniere aus seiner Sicht im Forstbetrieb Wienerwald schon gut. Aber bei der Dimension „Wirtschaften im Einklang mit der Gesellschaft“, „da setze ich ein Fragezeichen dahinter, wie gut wir da wirklich schon sind“, zeigt sich der Gastgeber ehrlich. Er geht noch einmal detailliert auf das Nachhaltigkeitsverständnis der Bundesforste ein und unterscheidet in Innensicht und Außensicht. Zuletzt gibt er den Anwesenden einen Überblick über die Geschäftsfelder des Forstbetriebs (Forstwirtschaft, Immobilien, Consulting) und skizziert die verschiedenen Interessen, die an den Forstbetrieb gerichtet werden anhand folgender Grafik:
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Abbildung 63: Ansprüche an den Forstbetrieb Wienerwald (Wimmer 2008)
Wimmer gelingt es gut, die Zwickmühle zu vermitteln, in der sich der Forstbetrieb bei der Erfüllung unterschiedlicher Ansprüche befindet. Spätestens nach seiner Rede sollten die Teilnehmer eine präzise Vorstellung davon haben, wie breit das Nachhaltigkeitsverständnis der Bundesforste geht. Wimmers abschließender Wunsch „Nehmen wir uns auch in Zukunft Zeit für gemeinsame Gespräche“, wirkt für den neutralen Beobachter durchaus glaubhaft. Im nächsten Programmpunkt fassen zwei Mitarbeiter der Agentur plenum in einer zehnminütigen Präsentation die wichtigsten Ergebnisse der vorausgegangenen Stakeholderbefragung zusammen. Die Präsentation bietet einen guten Überblick über die vielen Facetten an Meinungen, Wünschen und Verbesserungsvorschlägen. Der Großteil dieses ersten Teils der Veranstaltungen ist dann sechs Stakeholder-Vertretern gewidmet, die jeweils knapp 15 Minuten Zeit haben für ihre Statements. Die sechs Referenten wurden im Vorfeld von den Moderatoren nur gebrieft, was den generellen Ablauf des Abends betraf. Die Inhalte standen offen, es wurde allerdings die klare Bitte geäußert, „dass sie konstruktive Kritik im Bezug auf ihre Zusammenarbeit mit dem Forstbetrieb üben sollten, sowohl aus persönlicher Sicht wie auch als Vertreter der Stakeholdergruppe“ (Brenzel 2008). Diese Phase des Abends soll aus Sicht der Moderatoren dazu dienen, „um Dampf abzulassen. Es wird Raum geboten für Befürchtungen, Erwartungen und Hoffnungen“ (Strigl 2008). Neben den kritischen Anmerkungen sollen positive Aussagen und Einzelbeispiele den Teilnehmern „spüren helfen, wie es ist, wenn Zusammenarbeit gut funktioniert“ (Strigl 2008).
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Als erster Stakeholder77 hat ein Großkunden-Vertreter des Forstbetriebs das Wort, und zwar der Einkaufsleiter der Lenzing AG, Herbert Grill. Er betont eingangs, dass es sich bei Zellulose, dem Produkt der Lenzing AG, im Grunde um die „echte Baumwolle“ handle, denn der Rohstoff für die ZelluloseProduktion seien Bäume, genau genommen Rotbuchen. Diese Baumart mache aber in Österreich nur neun Prozent des Gesamtwaldes aus, wobei sich die relevanten Flächen auf den Wienerwald konzentrierten. Allerdings gebe es in Österreich schlichtweg zu wenig Rotbuche, Biomassekraftwerke zögen zusätzlich Rohstoff ab, deshalb müsse schon die Hälfte des Holzes – zu Lenzings Bedauern – aus dem europäischen Ausland zugekauft werden. Klar kommt hier der Wunsch nach noch mehr Lieferungen aus dem Wienerwald zum Ausdruck. Sorge bereitet Grill eine mögliche Ausbreitung des Buchen-Borkenkäfers auch in Österreich. In den USA sei dieser Borkenkäfer zu einem echten Problem geworden. Grill wünscht sich vom Forstbetrieb Wienerwald daher gut versorgte Wälder, wo der Käfer sicher nicht zum Zug komme, und keine „wilden“ Flächen (wie sie im Biosphärenpark Wienerwald aber zum Teil vorhanden sind). Lob spendet Grill, was die logistische Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Forstbetriebs betrifft. Auch die hohe Flexibilität des Partners in schweren Zeiten (Stichwort Windwurf nach dem Sturm Kyrill) wird positiv empfunden. Als zweiter Stakeholder-Vertreter gibt Andreas Hacker, Regionalmanager des Stadt-Land-Umland-Managements Wien-Niederösterreich, das bundeslandübergreifend für die Entwicklung der Region Wienerwald verantwortlich ist, sein Statement ab. Er spricht Nutzungskonflikte an, die ihm in seiner Arbeit häufig zu Ohren kämen, zum Beispiel „Wie kann es sein, dass die Bundesforste als Unternehmen der Steuerzahler Geld verlangen für den Laufmeter Radweg?“ Er persönlich wünscht sich hier, dass der Forstbetrieb zumindest zum Teil Wege gratis zur Verfügung stelle. In seinem Statement gibt Hacker auch Einblick in die Charakteristika der Ansiedler im Wienerwald, deren Erwartungen von Interessenswidersprüchen geprägt seien. Es seien „Leute mit einem starken Rechtsbewusstsein, die hier leben“. Sie wollen den Komfort eines Lebens im Grünen genießen. Gleichzeitig würden sie gute Verkehrsanbindungen nach Wien und städtischen Luxus verlangen. Als dritter Stakeholder richtet sich der Manager des Biosphärenparks Wienerwald, Gerfried Koch, an den Forstbetrieb und das Publikum. Den meisten Anwesenden ist die nicht unkritische Beziehung zwischen Biosphärenpark und Forstbetrieb bekannt, die in der Vergangenheit oftmals durch Konkurrenzdenken und die Diskussion um die Höhe von Entschädigungszahlungen78 geprägt war. 77 78
Die Reihenfolge der sechs Redner erfolgte nach dem Alphabet. Die Bundesforste bekommen vom Biosphärenpark Entschädigungszahlungen für Naturschutzflächen, die sie nicht wirtschaftlich nutzen können.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Koch spricht auch sogleich den „teils kontroversiellen Dialog“ und die „harten Verhandlungen“ zwischen seiner Organisation und dem Forstbetrieb als größtem Grundeigentümer des Biosphärenparks an. Beide würden aber im Grunde am selben Strang ziehen, denn beiden sollte es ein Anliegen sein, „den Wienerwald als Modellregion für die drei Säulen der Nachhaltigkeit“ zu etablieren. Konkret wünscht sich Koch mehr Kreativität beim Anbieten neuer Produkte und Dienstleistungen sowie noch mehr Natur- und Artenschutz über die Kernzonen und die ausgewiesenen Forschungsflächen hinaus. Abschließend merkt Koch etwas süffisant an, er hoffe, „es ist nicht nur heute, dass die Bundesforste hinhören. Hinhören muss in so einer Region zur Selbstverständlichkeit werden.“ Als vierte Stakeholder-Vertreterin ist Birgit Kohlmaier-Schacht am Wort. Die Präsidentin der NGO Wienerwaldkonferenz, einer Plattform engagierter Personen und Einrichtungen, die sich für Nachhaltigkeit im Wienerwald einsetzen, war früher zuständig für Öffentlichkeitsarbeit beim WWF. Sie beginnt ihre Rede mit dem Zugeständnis, „der Forstbetrieb sollte eigentlich eine eierlegende Wollmilchsau“ sein, so viele unterschiedliche Interessen würden an ihn herangetragen. Manche Konflikte, z.B. ob einzelne Bäume gefällt werden, ließen sich ihrer Meinung nach aber durch verbesserte, proaktive Kommunikation entschärfen. Hier mangle es dem Forstbetrieb „an Öffentlichkeitsarbeit für den kleinen Mann“. Es würden zwar Nachhaltigkeitsberichte und Broschüren erstellt, die für Experten verständlich sind, aber „einfache, ganzheitliche Erklärungen für Waldnutzer, zum Beispiel in Form von Schautafeln“ gebe es nicht. Solche Informationen könnten Waldnutzern vor Ort verständlich machen, warum zum Beispiel im Rahmen der naturnahen Forstwirtschaft plötzlich ein Baum mitten über den Gehweg liegt. Dadurch ließen sich Ärgernisse verhindern. Auch Kohlmaier-Schacht schließt mit dem Wunsch, der Forstbetrieb sollte „ein Vorbildbetrieb in Sachen Nachhaltigkeit in dieser besonderen Region des Biosphärenparks“ werden. Fünfter Stakeholder ist der Geschäftsführer des niederösterreichischen Landesjagdverbandes, Peter Lebersorger. Er führt in seinem Statement mehrere Aspekte an, die oft von der Jägerschaft an ihn herangetragen würden, sowie seine persönliche Meinung dazu. Zum Beispiel höre er oft die Kritik „die Bundesforste als Quasi-Monopolist hätten eine beängstigende Marktbeherrschung“. Er persönlich betrachte große Anbieter als positiv, weil sie vielen Jägern gleiche Chancen auf Abschussverträge, Pirschverträge etc. gewähren würden. Eine weitere häufige kritische Bemerkung sei: „Die Bundesforste verkaufen den Wald mehrfach, an Holznutzer, Touristen, Jäger etc.“ Lebersorger hält dieses Vorgehen der Bundesforste für gerechtfertigt, denn schließlich würden sie auch verschiedene Leistungen erbringen. Als konkrete Anregung schlägt er vor, Einzäunungen und eigene Pisten für Motocross-Fahrer und Paintball-Spieler zu errichten, um so den
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restlichen Wald vor diesen Sportlern zu schützen. Ein weiterer Kritikpunkt sei, „der Forstbetrieb ist teuer“. Hier ist die Meinung des Jägervertreters, das sei zu Recht so, denn die Nachfrage bestimme den Preis und die Nachfrage von Jägern sei eben im Wienerwald beträchtlich. Lebersorger wünscht sich allerdings faire, marktübliche Preise und vor allem eine transparentere Preispolitik. Als letzter ist der Bezirkshauptmann-Stellvertreter von Wien-Umgebung, Günther Stöger, am Wort. Er hat Einschätzungen seiner Mitarbeiter über die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Forstbetrieb eingeholt, und habe dabei einerseits Lob über das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Bundesforste gehört, andererseits seien einige Spannungsfelder genannt worden. Aus rechtlicher Sicht sei das Wasserrecht ein Thema. Der Forstbetrieb müsse Böschungen an Flüssen frei halten, damit es nicht zu Hochwasser komme. Das stehe aber oftmals im Widerspruch zum Naturschutz. Sehr gut funktioniere die Einhaltung des Abfallwirtschaftsgesetzes und des Forstgesetzes. Kritik, die die Behörde zu hören bekomme, sei, „die Bundesforste nehmen Geld und Jäger und Touristen dürften dafür tun, was sie wollen“. Damit dies nicht passiere, wünscht sich auch Stöger mehr Informationen für Waldnutzer vor Ort. Die Stakeholder haben – ihren unterschiedlichen Ansprüchen entsprechend – inhaltlich einen sehr breiten Bogen gespannt. Aus Sicht der neutralen Beobachterin stelle ich fest: Manche haben ihre Kritikpunkte und Wünsche recht vorsichtig und „versteckt“ formuliert, sodass sie für wenig involvierte Personen vielleicht nicht unmittelbar herauszuhören waren. Erstaunlich „harmlos“ ist die Vertreterin der NGO Wienerwaldkonferenz aufgetreten, von der sich – auch manche Leute im Publikum – eine harschere Stellungnahme erwartet hätten. Insgesamt denke ich, dass es den Rednern gelungen ist, konstruktive Kritik zu üben, auch wenn diese ab und zu noch pointierter hätte formuliert sein können, um die Dringlichkeit und Verständlichkeit der Anliegen zu unterstreichen. Zweiter Teil – Pause: Raum für informelle Äußerungen und individuelle Kritik Nach der intensiven Phase im ersten Teil steht eine einstündige Pause auf dem Programm, während derer im Foyer der Unternehmenszentrale bei ansprechendem Ambiente ein warmes Büffet und Getränke zur Verfügung stehen. Die Pause ist deshalb so lang angesetzt, damit sich die einzelnen Stakeholder in informellem Rahmen austauschen können. Die Moderatoren nutzen die Zeit während der Pause, um die Meinungen, Wünsche, Beschwerden, konkreten Ideen und Verbesserungsvorschläge auch jener Teilnehmer einzufangen, die während des ersten Teils der Veranstaltung noch nicht zu Wort gekommen sind bzw. sich möglicherweise nicht getraut hätten, ihre Ansicht coram publico vorzubringen. Zu diesem Zweck mischen sich die Moderatoren unter die Teil-
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nehmer, klappern Stehtisch um Stehtisch ab, hören bei den Tischgesprächen zu und stellen Fragen. Zusätzliche Aspekte, die bisher Gesagtes ergänzen, erweitern oder hinterfragen sowie Lösungsvorschläge für bestimmte Probleme werden auf Moderationskarten zusammengefasst. Die Moderatoren sortieren diese Aspekte nach „Kritikpunkten/Beschwerden“ (rote Karten) und „Vorschlägen/Ideen“ (blaue Karten). Am Ende der Pause gruppieren sie die insgesamt rund 40 Karten sortiert nach Themenbereichen auf einer Pinnwand im Veranstaltungssaal. Dritter Teil – Diskussionen: Es geht ums „Eingemachte“ Der dritte Teil der Veranstaltung nach der Pause beginnt mit einer kurzen Präsentation der Moderatoren über die zusätzlichen Beschwerden und Anregungen, die sich aus den Pausengesprächen ergeben haben. Anschließend werden Teilnehmer aus dem Publikum gebeten, sich je eine Moderationskarte von der Pinnwand auszusuchen mit einer konkreten Beschwerde oder einer Anregung, die für sie von Interesse ist. Die sechs Stakeholder auf dem Podium und die weiteren Gäste im Publikum werden sodann ersucht, zum jeweiligen Thema Stellung zu nehmen. Der Leiter des Forstbetriebs Wienerwald als Gastgeber hört vorerst nur zu und gibt dann als letzter sein Statement ab. Insgesamt vier Themenbereiche werden auf diese Art und Weise intensiv behandelt, und zwar
die Frage, inwieweit die Bundesforste durch ihre neuen Geschäftsfelder (Holzernte, Gartengestaltung etc.) den lokalen Klein- und Mittelunternehmen, die zum Teil Partner oder Lieferanten der Bundesforste sind, Geschäft wegnehmen, die Frage, wie gut die Zusammenarbeit zwischen dem Forstbetrieb und dem Biosphärenpark Wienerwald nun wirklich funktioniere, der Wunsch nach mehr bewusstseinsbildender Öffentlichkeitsarbeit und Informationen direkt im Wald statt in teuren Broschüren, der Wunsch nach verbessertem betrieblichen Mobilitätsmanagement im Forstbetrieb.
Als neutrale Beobachterin stelle ich fest, dass die Diskussion im Verlauf dieses dritten Teils des Abends immer intensiver wird. Während die Wortmeldungen aus dem Publikum anfangs eher zögernd erschienen, werden die Stakeholder im Publikum in den letzten 20 Minuten der Veranstaltung deutlich lebhafter. Immer mehr Gäste – und nicht nur jene am Podium – bringen sich aktiv ein, wobei die Moderatoren für einen geregelten Ablauf und ein gutes Gesprächsklima sorgen. Die rund 80 Gäste im Publikum machen den Eindruck, sie würden – trotz der
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späten Stunde und der langen Dauer der Veranstaltung – die Diskussion äußerst interessiert verfolgen. Als die Diskussion so richtig in Schwung kommt, ist es jedoch schon kurz nach 21 Uhr und die Veranstaltung muss zu einem Ende kommen. Ein noch besseres Zeitmanagement wäre hier wünschenswert gewesen. Abschließend wird jeder der sechs Stakeholder am Podium um ein Schlussstatement gebeten. Als Anregung bekommt jeder Stakeholder von den Moderatoren eine der blauen Karten mit den Vorschlägen/Ideen, die spontan zu einem Mini-Resümee animieren soll. Als Gastgeber formuliert Johannes Wimmer schließlich, welche wichtigen Kritikpunkte und Anregungen er aus der Veranstaltung mitgenommen hat und deutet an, wo sich der Forstbetrieb in Zukunft für Veränderungen einsetzen wird. Wimmer nimmt vor allem drei inhaltliche Aspekte aus der Veranstaltung mit: Erstens, die Forderung nach mehr und leicht verständlicher Information über das Wirken und Handeln der Bundesforste vor Ort, also im Wald. Zweitens, die Forderung nach mehr regionaler Öffentlichkeitsarbeit. Und drittens, der Wunsch an den Forstbetrieb, weiterhin eine Vorbildfunktion in Sachen Nachhaltigkeit in der Region zu erfüllen. Beim Hinausgehen erhält jeder Teilnehmer eine farbige Liste, die detailliert die Ansprechpartner des Forstbetriebs für die unterschiedlichen Anliegen sowie deren Kontaktinformationen enthält. Als Abschiedspräsent gibt es für jeden ein Glas Honig mit der Aufschrift „Wer miteinander redet, findet gemeinsam Lösungen“. Auf konkrete Versprechungen hat sich der Forstbetrieb nicht festgelegt. Das ist aus meiner Sicht ein Kritikpunkt an der Veranstaltung. Auch die Moderatoren hätten sich eine Art „Kommitment“ gewünscht, ein „Verständigen darauf, dass konkrete Punkte angegangen werden“. Dann hätten die Teilnehmer „schon klare Erwartungen, die erfüllt werden könnten. Und keine vagen Hoffnungen, die in Enttäuschungen münden könnten“ (Strigl 2008). Es ist verständlich, dass sich der Gastgeber nicht unmittelbar auf der Veranstaltung auf Verpflichtungen festlegen möchte. Ratsam wäre aus meiner Sicht aber gewesen, ein paar Tage nach der Veranstaltung, nachdem der Leiter des Forstbetriebs gemeinsam mit den Mitarbeitern die Möglichkeit hatte, über Anregungen nachzudenken, schriftlich an die Teilnehmer eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte auszuschicken, zusammen mit einer Erklärung, inwiefern der Forstbetrieb diese Aspekte nun angehen möchte. Rückblickende Bemerkungen aus Sicht ausgewählter Stakeholder Einen Tag nach der Veranstaltung bat ich sechs zufällig ausgewählte Teilnehmer (aus den Bereichen Mitarbeiter, NGO, Kunden, Behörden) sowie den Leiter des
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Forstbetriebs per E-Mail um ihr Feedback zur Veranstaltung79. Ich stellte ihnen unter anderem die folgenden fünf Fragen:
Was halten Sie grundsätzlich von einer solchen Dialogveranstaltung? Mit welchen Gefühlen sind Sie aus der Veranstaltung gegangen? Wie haben Sie die Sprechsituation während der Veranstaltung empfunden? Konnte jeder wirklich sagen, was ihm am Herzen lag? Wie ernst nehmen die Bundesforste den Dialoggedanken Ihrer Meinung nach? Wird die Veranstaltung aus Ihrer Sicht Auswirkungen haben auf die Beziehungen zwischen Ihnen/Ihrer Stakeholdergruppe und dem Forstbetrieb Wienerwald?
Die meisten Befragten haben noch nie an einer ähnlichen Dialogveranstaltung teilgenommen, den Regionaldialog an sich haben sie aber durchwegs als positiv empfunden. So heißt es von einem NGO-Vertreter: „Grundsätzlich finde ich derartige Veranstaltungen gut. […] Sie sind auch für Kontakte zu dritten nützlich, mit denen man sich zwanglos, aber durchaus zielführend austauschen kann“. Ein Behördenvertreter meint: „Derartige Veranstaltung sind eine einfache Möglichkeit, den eigenen Betrieb aus den Augen anderer, mit dem Betrieb in Kontakt stehender Personen betrachten zu können, und die ,Betriebsblindheit’ auszuschalten. Oft können damit die Kommunikationsprobleme gelöst werden oder teilweise auch die Effektivität des eigenen Betriebs gesteigert werden.“ Auf die zweite Frage antworteten die Teilnehmer, dass sie durchwegs mit einem „guten Gefühl“, „zufrieden“, „entspannt“ aus der Veranstaltung gegangen seien. Der Leiter des Forstbetriebs zeigte sich ebenfalls zufrieden: Noch nie seien die „breit gestreuten Anforderungen so offen und für alle Vertreter nachvollziehbar dargelegt“ worden. Ein Stakeholder-Vertreter merkte allerdings an, er habe nicht gewusst, was ihn in Zukunft erwarten würde, wo die Reise nun tatsächlich hingehen solle. Diese Botschaft habe ihm „irgendwie gefehlt“. Hier könnte das oben bereits angesprochene Aussenden einer Zusammenfassung samt Kommitment über die Konsequenzen für den Forstbetrieb im Nachfeld der Veranstaltung hilfreich sein. Die Sprechsituation für die sechs Podiumsdiskutanten wurde als „sehr offen“ bzw. „hervorragend“ charakterisiert. Fünf der sieben Befragten stellten allerdings fest, dass sich das Publikum zu wenig beteiligen konnte. Der dritte Teil sei „zeitlich viel zu knapp dimensioniert“ gewesen, viele der aufgeworfenen Fragen konnten nur “sehr eingeschränkt und sehr oberflächlich abgehandelt“ 79
Den Befragten wurde eine anonymisierte Darstellung ihrer Aussagen zugesagt.
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werden. Vor allem Mitarbeiter hätte sich kaum zu Wort gemeldet. Einige von ihnen seien auch nur deshalb überhaupt anwesend gewesen, weil es von der „Betriebsleitung zumindest wohlwollend gesehen wurde, wenn nicht sogar erwartet wurde“. Auch der Leiter des Forstbetriebs als Gastgeber sieht Verbesserungspotenzial, was die Einbindung der Mitarbeiter betrifft. Bei einer Wiederholung der Veranstaltung sollen sie „noch mehr in den Dialog am Podium sowie in die inhaltliche Vorbereitung eingebunden“ werden. Einigkeit bestand unter den Befragten darüber, dass die Bundesforste den Dialoggedanken tatsächlich „sehr ernst“ nehmen. Zwei der Befragten betonen, dass das „wechselseitige Vertrauen“ aufgrund eines Lernprozesses der Bundesforste in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen sei. Während des Regionaldialogs seien alle Anliegen „ernst genommen worden“. Wie weit deren Realisierung dann auch wirklich vorangetrieben werde, lasse sich aus der Veranstaltung selbst freilich nicht beurteilen. Der Dialog verbessere jedenfalls „das Verhalten der Bundesforste nach außen hin“. Der interne Dialog mit den Mitarbeitern habe in der Veranstaltung wenig Berücksichtigung gefunden. Über die zukünftigen Auswirkungen des Regionaldialogs heißt es von einigen Stakeholdern, das Klima zwischen ihnen und dem Forstbetrieb sei bereits gut. Andere erwarten sich eine allgemeine Verbesserung der Gesprächsbasis. Ein Behördenvertreter begrüßt ausdrücklich, dass er „nun auch direkte Ansprechpartner zur Verfügung hat, die bei gröberen Problemen einfach und unkompliziert kontaktiert werden können, und die man auch persönlich bereits kennengelernt hat“. Ein Mitarbeiter hat Zweifel, ob der Dialog „bis zum einzelnen Wanderer, Reiter, Naturschützer, Anrainer, Jäger“, also bis zu seinen Kunden, „tatsächlich durchdringt“. Ein Vertreter der Jägerschaft meint, er habe „bei diesem Abend gelernt, dass die Bundesforste unter viel Druck aus unterschiedlichen Richtungen stehen“. Er habe nun ein besseres Verständnis dafür, dass der Forstbetrieb – obwohl er ein halböffentliches Unternehmen ist – Leistungen (für die Jäger) nicht einfach gratis erbringen kann. Evaluation der Veranstaltung aus normativer Sicht und Verbesserungspotenziale Der Regionaldialog des Forstbetriebs Wienerwald wurde deshalb als GoodPractice-Beispiel ausgewählt, weil er Anknüpfungspunkte für die Bewältigung einiger spezifischer Herausforderungen an Nachhaltigkeitskommunikation liefert. Weiters wurden bei der Veranstaltung gleich mehrere Ansprüche an Nachhaltigkeitskommunikation, wie sie in Kapitel 5 aus normativer Sicht beschrieben wurden, zumindest teilweise erfüllt. Im besondern sind die normativen Kriterien „Stakeholder Integration“, „ganzheitliche Zielgruppensegmentierung“, „symmetrischer Kommunikationsstil“ und „Verständigungsorientierung“ hervor-
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zuheben. Es wird nun dargestellt, inwiefern diese normativen Kriterien Berücksichtigung fanden und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt. Abschließend wird anhand des in Kapitel 4.7.3.5 vorgestellten Balkendiagramms versucht, den Stakeholder-Dialog zu evaluieren. Das aus normativer Sicht anstrebenswerte Kriterium der Stakeholder Integration, also das aktive Einbinden unternehmensexterner Zielgruppen, wurde deutlich angestrebt. Die Bereitschaft zur Stakeholder Integration zeigte sich einerseits daran, dass knapp 300 Stakeholdervertreter zu der Veranstaltung eingeladen wurden. Andererseits war die Veranstaltung von Grund auf so konzipiert, dass die Meinungen der Stakeholder im Vordergrund standen und die Vertreter des Forstbetriebs selbst eher eine zuhörende Funktion hatten. Verbesserungspotenzial im Sinne einer noch besseren Stakeholder Integration wurde im dritten Teil der Veranstaltung deutlich. Hier hätte noch mehr Zeit sein müssen, um auch die Gäste im Plenum zur aktiven Diskussion zu motivieren. Die Zielgruppensegmentierung, also die Auswahl der Stakeholder, erfolgte aus ganzheitlicher Perspektive. Die Einladungen richteten sich breit an Einzelpersonen und Gruppen, die vom Handeln der Bundesforste im Wienerwald beeinflusst werden oder das Handeln der Bundesforste potenziell beeinflussen könnten. Mit Bezug auf die situative Zielgruppentheorie von Grunig lässt sich sagen, dass Menschen mit hohem Problembewusstsein und Betroffenheitsgrad sowie kritische bzw. aktivistische Gruppen Vorrang hatten, insbesondere wurden auch „altbekannte Querulanten“ berücksichtigt. Verbesserungspotenzial gebe es aus meiner Sicht durch eine künftig stärkere Berücksichtigung von „peripheren Anspruchsgruppen“, beispielsweise Kinder und Jugendliche oder behinderte Menschen, welche ebenfalls den Wald als Erholungs- und Freizeitraum nützen. Der Regionaldialog war von seiner Intention her als symmetrische Veranstaltung angelegt. Möglichst viele Stakeholder sollten die Chance bekommen, möglichst viele Anliegen zu äußern. Damit zeigte sich der Forstbetrieb als offenes System mit hoher Verantwortungsbereitschaft, Konfliktbereitschaft und Feedbackorientierung. Die Bereitschaft der Bundesforste zu tatsächlicher Veränderung und Innovationen wurde gleich in der Begrüßung von Vorstand Erlacher betont. Im ersten Teil der Veranstaltung wurde auch versucht, das abstrakte Nachhaltigkeitskonzept für die Geschäftsfelder der Bundesforste mit konkreten Inhalten zu füllen. Hier hätten die Teilnehmer noch mehr eingebunden werden können insofern, dass sie mit definieren, was Nachhaltigkeit für ein Unternehmen wie den Forstbetrieb tatsächlich bedeutet. Ansatzweise hat der Regionaldialog die Ansprüche verständigungsorientierter Nachhaltigkeitskommunikation erfüllt. Als neutrale Beobachterin hatte ich den Eindruck, dass ein weitgehender, beidseitiger Konsens herrschte über die Wahrheit der Behauptungen während der Veranstaltung und über die
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
333
Vertrauenswürdigkeit des Forstbetriebs. Im Begrüßungsteil gelang es dem Vorstand sowie dem Leiter des Forstbetriebs gut, ihre wirtschaftlichen wie auch sozialen und ökologischen Interessen glaubhaft darzulegen. Ich hatte den Eindruck, dass das Gros der anwesenden Stakeholder die Interessen der Bundesforste als legitime Interessen anerkannte. Freilich herrschte bei einigen Aspekten Uneinigkeit, somit kann nicht von wechselseitigem Einverständnis gesprochen werden. Die Veranstaltung trug jedoch maßgeblich dazu bei, zum Teil verborgene Konflikte und unausgesprochene Probleme ans Licht zu bringen und den Weg zu bereiten für eine verständigungsorientierte Kommunikation in der Zukunft. Eine ideale Sprechsituation, wie sie Burkart beschreibt, war insofern nicht vorhanden, als sechs Stakeholder und der Forstbetriebs-Leiter eindeutig öfter zu Wort kamen als die anderen Teilnehmer im Publikum. Gerade unter den Mitarbeitern und schüchterneren Teilnehmern war zu bemerken, dass sie sich scheuten, ihre Meinungen öffentlich kund zu tun. Eine eigene Dialogveranstaltung nur für Mitarbeiter im Sinne eines nicht-öffentlichen, Single-Stakeholder-Dialogs wäre überlegenswert, um auch die Kritikpunkte, Erwartungen und Ideen der Mitarbeiter besser ans Licht zu bringen. Aus den obigen Ausführungen wird klar, dass die Stakeholder-Veranstaltung der Bundesforste einige der in Kapitel 4 formulierten, normativen Qualitätskriterien stärker, andere weniger stark erfüllt. Zur grafischen Darstellung der Evaluation des Nachhaltigkeitsdialogs unter normativen Gesichtspunkten bietet sich das in Kapitel 4.7.3.5 vorgestellte Balkendiagramm an. Besonders hohe Werte sind der fairen Information, der intensiven Stakeholder-Integration, dem Public Case, symmetrischer Kommunikation sowie ganzheitlicher ZielgruppenSegmentierung zuzurechnen. Einen niedrigen Wert teile ich für den Aspekt „organisationale Integration“ zu. Der Aspekt der „funkionalen Integration“ wird in folgendem Balkendiagramm weggelassen, da ich mich als außenstehende Forscherin mit vergleichsweise geringem Einblick in die unternehmensinternen Abläufe und Strukturen hier zu keiner klaren Aussage imstande sehe. Überhaupt bedürfte eine seriöse Evaluation zusätzlich noch intensiver Diskussionen mit den Teilnehmern und Veranstaltern. Die folgende Abbildung 64 sowie auch die weiteren Evaluations-Balkendiagramme in Kapitel 5 sollen deshalb lediglich als Vorschläge verstanden werden.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Zielsetzung: Marketing, Business, Public Case Prinzipien der nh. Entwicklung Verständigungsorientierung Faire Information symmetrische Kommunikation ganzheitl. ZG-Segmentierung Stakeholder Integration organisationale Integration 0
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Abbildung 64: Evaluation des Nachhaltigkeitsdialogs des Forstbetriebs Wienerwald aus normativer Sicht (eigene Darstellung)
Was die in Kapitel 3 diskutierten Herausforderungen an Nachhaltigkeitskommunikation betrifft, so lässt sich aus dem Good-Practice-Beispiel des Nachhaltigkeitsdialogs des Forstbetriebs Wienerwald folgendes ableiten: Eine Dialogveranstaltung wie jene des Forstbetriebs kann helfen, mit dem tendenziell hohen Konfliktpotenzial von Nachhaltigkeitsthemen besser umzugehen. Die Veranstaltung hat mit Sicherheit dazu beigetragen, den Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsleitbildes unter den Teilnehmern zu erhöhen und sie auf die Komplexität nachhaltigen Handelns aufmerksam zu machen. 5.3.2.2 Das “Sustainability Café” der Österreichische Kontrollbank OeKB Diese Form des öffentlichen Multi-Stakeholder-Dialogs der österreichischen Kontrollbank wurde als Good-Practice-Beispiel ausgewählt, weil auf vorbildliche Art und Weise eine Methode aus der Großgruppenmoderation, die Methode „World Café“, für die Zwecke der Nachhaltigkeitskommunikation eingesetzt wurde. Diese Methode erfüllt mehrere der in Kapitel 4 formulierten normativen Ansprüche. Sie ermöglicht Stakeholder Integration und symmetrische Kommunikation. Die Methode scheint auch gut geeignet, um eine Basis für verständigungsorientierten Austausch und eine ideale Sprechsituation zwischen Unternehmen und Stakeholdern zu schaffen. Im nun folgenden Fallbeispiel geht es deshalb weniger um genaue Inhalte, sondern vorwiegend um die Beschreibung der Methode „World Café“. Die Daten stammen aus einem Experteninterview mit dem Nachhaltigkeitsbeauftragten der Kontrollbank (vgl. Sasse 2008), den Nachhaltigkeitsberichten (vgl. OeKB 2006, OeKB 2007) sowie der detaillierten Dokumentation der Veranstaltung durch den neutralen Moderator (vgl. Wallner 2008).
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
335
Die österreichische Kontrollbank und Nachhaltigkeitsrelevanz Die österreichische Kontrollbank Aktiengesellschaft (OeKB) mit Sitz in Wien ist Österreichs zentraler Finanz- und Informationsdienstleister für Exportwirtschaft und den Kapitalmarkt. Ihre Geschäftstätigkeit ruht auf zwei Standbeinen: Erstens schafft die OeKB Risikoabsicherung für Exporteure, das heißt die Bank verhilft exportierenden Unternehmen aus verschiedensten Sektoren, Finanzinstitutionen sowie Einrichtungen der Republik Österreich zu günstigem Geld und Exporthaftungen und stützt dabei die österreichische Wirtschaft im globalen Wettbewerb. Zweitens stellt die OeKB als Österreichs „Central Securities Depository“ eine wichtige Infrastruktur für den Kapitalmarkt zur Verfügung, das heißt sie verwahrt und verwaltet nahezu alle österreichischen Wertpapiere. Seit ihrer Gründung im Jahr 1946 steht die Kontrollbank im Eigentum österreichischer Banken (vgl. OeKB 2006). Die größten Umweltauswirkungen hat das Tun der Kontrollbank im Bereich Exportgarantien von Großprojekten. Diese greifen oftmals „signifikant in die Umwelt und Lebensbedingungen der ansässigen Bevölkerung ein“ (vgl. OeKB 2006, 77) ein und bedürfen daher einer sorgfältigen Überprüfung. Ein Beispiel dafür ist der Illisu-Staudamm in der Türkei. Im Zusammenhang mit der Projektprüfung für dieses Wasserkraftwerk geriet die OeKB in die Kritik von Nichtregierungsorganisationen, die das Projekt verhindern wollen. Nachhaltigkeitsrelevant ist das Handeln der Kontrollbank besonders auch im Bereich Kapitalmarktservice, wo es unter anderem um das Bereitstellen von Wertpapieren und die Entwicklung neuer Produkte geht. Hier ist eine wesentliche Aufgabe die Bewusstseinsbildung für nachhaltiges Investment (vgl. OeKB 2006, 78). Auch der Handel mit CO2-Emissionen, an dem die Kontrollbank beteiligt ist, fällt unter den Bereich Kapitalmarktservice. Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation der OeKB Das Nachhaltigkeitsmanagement der OeKB stützt sich auf eine lange Tradition des Umweltmanagements nach EMAS („Environmental Management and Audit Scheme“), das mittlerweile von der Kontrollbank um soziale Komponenten erweitert wurde. Generell werden laut OeKB alle Produkte und Services auf deren nachhaltige Aspekte hin überprüft. Die Auswirkungen auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt zu bewerten und zu thematisieren, ist Aufgabe einer eigenen Abteilung, die sich mit der Prüfung von Projekten auf Basis internationaler Vorgaben (zum Beispiel zur Einhaltung von Menschenrechten) befasst. Auch wenn der Einfluss der OeKB auf die konkreten Exportgeschäfte „nur in beschränktem Maße erfolgen kann“, fördere doch „der den Prüfungsprozess begleitende Dialog
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
mit den Garantienehmern die ökologische und soziale Qualität von Projekten“ (OeKB 2006, 76). Das trage in der Regel auch zur Reduktion von ökonomischen Risiken bei. Ausschlaggebend für die gesamtstrategische Nachhaltigkeitsorientierung der Kontrollbank ist der Vorstand, der die Nachhaltigkeitspolitik beschließt, intern bekannt gibt und die Ressourcen dafür bereitstellt. Ein eigener Nachhaltigkeitsbeauftragter plant und koordiniert die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Er arbeitet eng zusammen mit mehreren Nachhaltigkeitsteams aus den verschiedenen Spezialbereichen der Bank, in denen derzeit 32 Mitarbeiter vertreten sind. In einem gemeinsam mit anderen Mitarbeitern entwickelten Nachhaltigkeitsprogramm werden die angestrebten Ziele definiert (z.B. betriebsökologische Ziele über den Umgang mit Papier und Energie, ethische Veranlagung im Eigenportfolio, Verbesserung und Ausweitung des MikrofinanzierungsProjektes, Mitarbeitersensibilisierung für Nachhaltigkeitsthemen, Mobilitätsberatung für Mitarbeiter, Förderung des sozialen Zusammenhalts der Mitarbeiter außerhalb des Betriebs, mehr öffentliche Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen, etc.) und konkrete Maßnahmen zu deren Erreichung festgelegt. Audits tragen zu einer kontinuierlichen Verbesserung der Nachhaltigkeitsperformance bei. Insgesamt sei ein „Regelkreis zur stetigen Verbesserung“ in Gang (OeKB 2006, 26). Die Nachhaltigkeitskommunikation der Kontrollbank spielt sich intern wie extern ab. Durch Brainstorming wurden die wichtigsten Stakeholder identifiziert und zu Gruppen zusammengefasst. Diese wiederum wurden durch die Vergabe von Punkten bezüglich ihrer Relevanz aus Nachhaltigkeitssicht gereiht. In Abbildung 65 findet sich das Ergebnis der Stakeholder-Analyse der Kontrollbank.
Abbildung 65: Die Stakeholder der österreichischen Kontrollbank (OeKB 2007, 39)
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
337
Aus Sicht der Mitarbeiterkommunikation ist es Ziel, das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Mitarbeiter zu stärken. Es gebe schon eine, allerdings noch eher kleine Gruppe, die sich aktiv auch im Privatbereich für Umwelt- und Sozialthemen einsetze. Das Gros der Mitarbeiter gelte es aber erst einmal zu informieren, was Nachhaltigkeit überhaupt bedeutet (vgl. Sasse 2008). Deshalb hat die Kontrollbank zum Beispiel Bücher zum Thema Nachhaltigkeit gekauft. Mitarbeiter können sich diese ausborgen und eine kurze Rezension schreiben, für die es dann im Intranet einen eigenen Platz gibt. Nachhaltigkeitsthemen werden mittlerweile auch in den jährlichen Mitarbeitergesprächen verpflichtend aufgegriffen. Neben Erhaltungs- und Entwicklungszielen müssen Ziele zur Nachhaltigkeit definiert werden, die einzelne Mitarbeiter oder Gruppen/Abteilungen innerhalb des nächsten Jahres erreichen sollen (vgl. Sasse 2008). In der externen Kommunikation setzt die OeKB vor allem auf Nachhaltigkeitsberichterstattung und Veranstaltungen: Die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Kontrollbank entwickelte sich aus der Umweltberichterstattung heraus. Mit ihren Berichten versucht die Bank, „einen Überblick über die Ziele und Strategien zu geben, mit denen wir auch in Zukunft die ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit sorgfältig aufeinander abstimmen wollen“ (OeKB 2006, 5). Die Berichte stellen nicht nur Erfolge dar, sondern sollen auch als Anregung für Stakeholder dienen, Beiträge zur Lösung von Konflikten zu leisten. Noch intensiver eingebunden werden die Stakeholder der Kontrollbank im Rahmen von Veranstaltungen. 2008 fand in der Kontrollbank zum Beispiel eine Konferenz zum Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung statt sowie die Verleihung der „Austrian Sustainability Reporting Awards“. 2007 veranstaltete die OeKB eine Vorführung von Al Gore’s Film „Die unbequeme Wahrheit“. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, ihre Fragen und Anmerkungen zu notieren. Eine Woche später fand dann in den Räumlichkeiten der OeKB eine Podiumsdiskussion zu dem Thema „Klimaschutz und Entwicklung – vom unlösbaren Gegensatz zur Erfolgskombination der Zukunft?“ statt, auf der unter anderem Experten aus den Bereichen Meteorologie, Kulturwissenschaften, Wirtschaftsforschung und Entwicklungszusammenarbeit referierten. 2006 lud die OeKB im Rahmen der Präsentation ihres Nachhaltigkeitsberichts zu einem Sustainability Café ein, das nun näher beschrieben wird. Das OeKB Sustainability Café Dieser öffentliche Multi-Stakeholder-Dialog fand am 20. Juni 2006 in den Räumlichkeiten der Kontrollbank in Wien statt. Unter Beteiligung aller wesentlichen Stakeholdergruppen wurden die Spannungsfelder zwischen dem Kerngeschäft der Bank und einer nachhaltigen Entwicklung aus verschiedenen
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Blickwinkeln beleuchtet. Angewandt wurde dabei die Methode „World Café“, die im folgenden erläutert wird. Die Methode „World Café“ Diese Methode aus der Großgruppenmoderation kann für Personengruppen von 20 bis über hundert Teilnehmer angewandt werden. Ziel des World Cafés ist es, in einer kaffeehausähnlichen Atmosphäre einen kreativen Prozess in Gang zu bringen, der in mehreren Gesprächsrunden verläuft und den Austausch von Wissen und Ideen der Teilnehmer fördern soll, um gemeinsam zu neuen Erkenntnissen und Handlungsoptionen zu gelangen. Brown/Isaacs (2008) beschreiben die Methode des World Cafés “as a process, that can evoke and make visible the collective intelligence of any group, thus increasing people’s capacity for effective action in pursuit of common aims.” Die Methode ist explorativ, sie eignet sich also nicht, wenn im Vorfeld bereits konkrete Lösungen feststehen bzw. wenn es um die Detailumsetzung von Plänen geht. Die Methode wird häufig eingesetzt bei Konferenzen, die sich mit Zukunftsthemen beschäftigen oder auch bei Stakeholder-Dialogen. Der Ablauf ist üblicherweise folgender: In (meist drei) aufeinander folgenden Gesprächsrunden von je 20 bis 30 Minuten kommen die Teilnehmer in ungezwungener Atmosphäre an Tischen zusammen (meist 4 bis 10 Personen pro Tisch). Hier setzen sie sich mit einem konkreten, vorher vom Gastgeber festgelegten Thema auseinander. Die Themen und Fragestellungen unterscheiden sich von Tisch zu Tisch. Die Teilnehmer sammeln miteinander ihre Ideen zu den Themenbereichen und notieren mit dicken Faserstiften Stichworte direkt auf den „Tischtüchern“, die aus Papier bestehen. Nach der ersten Gesprächsrunde verlassen die Teilnehmer ihren Tisch und mischen sich an anderen Tischen neu. Ein Tischmoderator bleibt jeweils zurück. Er gibt den neu ankommenden Personen die wesentlichen Gedanken der Vorrunde wieder. Die Aufgabe des Tischmoderators ist, die Themen zu strukturieren, zu filtern und Prioritäten zu setzen. Abschließend bringt er für alle Teilnehmer eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse des Tisches. Die Methode des „World Cafés“ ist laut Brown/Isaacs (vgl. 2008, 42ff) dann erfolgreich, wenn zumindest folgende Prinzipien erfüllt werden: Der Kontext, in dem die Veranstaltung stattfindet (z.B. Strategie-Café, Führungs-Café, Nachhaltigkeits-Café etc.), sollte für alle Teilnehmer klar sein. Die Veranstaltung sollte in einem angenehmen Ambiente stattfinden. Die Fragestellungen an den einzelnen Tischen sollten sehr sorgfältig ausgewählt werden und den Kern des Themas behandeln. Der Tischmoderator hat die Aufgabe, jeden Gast zur aktiven Teilnahme zu ermuntern, wenn nötig durch gezielte Zwischenfragen. Die unter-
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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schiedlichen Perspektiven der Teilnehmer sollten zueinander in Beziehung gesetzt werden, und Unterschiede, aber vor allem Gemeinsamkeiten sollten herausgearbeitet werden. Alle Ideen und Beiträge sind dabei wertvoll, der Dialog ist also hierarchiefrei, und das Zuhören steht im Vordergrund. Am Schluss gilt es, die Erkenntnisse der einzelnen Tische dem Plenum mitzuteilen und darüber zu reflektieren. Intentionen der Kontrollbank für die Durchführung des Sustainability Cafés Im Rahmen eines Experteninterviews mit dem Nachhaltigkeitsbeauftragten der Kontrollbank, Michael Sasse, stellte ich die Frage, warum das Unternehmen eine derartige Veranstaltung durchführte. Im Interview kam zum Ausdruck, dass die Veranstaltung vor allem helfen sollte, „uns neue Sichtweisen auf Nachhaltigkeitsthemen zu erschließen“ (Sasse 2008), „Veränderungen als Herausforderungen zu betrachten, neue Wege anzudenken und daraus Motivation zu gewinnen“ (OeKB 2006, 13). Besonders sollten die Ergebnisse des Sustainability Cafés zur weiteren Professionalisierung des Nachhaltigkeitsberichts der Kontrollbank beitragen. Der Stakeholder-Dialog sollte präzisieren helfen, welche Erwartungen die Anspruchsgruppen hinsichtlich der Inhalte der Berichterstattung haben. Dazu kommen laut Auskunft des Nachhaltigkeitsbeauftragten der Kontrollbank (vgl. Sasse 2008) fünf Motiv-Ebenen, welche das Unternehmen zu Nachhaltigkeitskommunikation im allgemeinen und zur Durchführung des Stakeholder-Dialogs im besonderen bewegt haben. Erstens sei das Thema Nachhaltigkeit dem Vorstand persönlich ein wertvolles Anliegen, deshalb werde die Thematik „top down“ vorangetrieben. Zweitens erwartete man sich durch den Dialog auch ein besseres Gesprächsklima mit NGOs. Dies stelle durchaus einen Wandel in der Unternehmenshaltung dar. Denn „früher hätten wir vielleicht Leute von Greenpeace oder Attac gar nicht ins Haus gelassen, heute laden wir sie zu Dialogen ein“ (Sasse 2008). Drittens diente die Veranstaltung auch als vertrauensbildende Maßnahme, die sich positiv auf Glaubwürdigkeit und Image auswirken sollte, sowie auf die künftige Entwicklung der Stakeholder-Beziehungen. Viertens erwarte sich die Kontrollbank durch Nachhaltigkeitskommunikation auch Vorteile beim Recruiting von Mitarbeitern. Und fünftens sei ein zunehmendes Interesse einiger schon bestehender Mitarbeiter an Nachhaltigkeitsthemen zu orten. Insgesamt sollte die Veranstaltung im Unternehmen noch mehr Bewusstsein für die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung schaffen.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Ablauf des Sustainability Cafés Im folgenden wird die dreistündige Dialogveranstaltung in ihrem Ablauf näher beschrieben. Wieder sei als Erzählform das Perfekt bzw. Präsens gewählt, um dem Leser ein möglichst lebendiges Bild der Veranstaltung zu vermitteln. Rund 80 Teilnehmer aus den Bereichen Mitarbeiter, Lieferanten, Geschäftskunden, Politik, Nachhaltigkeitsexperten und NGOs sind in den historischen Reitersaal der Österreichischen Kontrollbank gekommen. Unter den Gästen befinden sich auch Vertreter der NGO „ECA Watch“ (Export Grade Agency Watch), die sich für Umwelt- und Sozialstandards in der österreichischen Exportförderung einsetzt und somit aus Sicht der OeKB die wichtigste kritische, teilweise sogar aktivistische NGO ist. Laut Auskunft des Nachhaltigkeitsbeauftragten habe die Kontrollbank „gar nicht damit gerechnet, dass diese Gruppe tatsächlich kommen würde“ (Sasse 2008). Der Koordinator von ECA Watch Austria zeigt sich aber sogar bereit, einen Tisch zum Thema „Transparenz der OeKB“ zu moderieren. Vorbereitet sind insgesamt neun Tische, für die Nachhaltigkeitsverantwortliche der Kontrollbank gemeinsam mit einem neutralen Moderator zuvor präzise die jeweiligen Themenstellungen ausgearbeitet haben. Eine Übersicht der Themen sowie Tischmoderatoren ist in Abbildung 66 dargestellt. Tisch 1
Glaubwürdigkeit der OeKB als nachhaltiges Unternehmen.
Dr. Stefan Gara, Geschäftsführer ETA Umweltmanagement und Technologiebewertung GmbH Tisch 2
Transparenz der OeKB.
Mag. Nonno Breuss, Koordinator ECA-Watch Austria Tisch 3
Verantwortung von Unternehmen und ihre Grenzen.
Dkfm. Lorenz Fritz, Generalsekretär respACT Austria - Verein zur Förderung gesellschaftlicher Verantwortung von und in Unternehmen Tisch 4
Nachhaltiger Finanzmarkt.
Max Deml, Mitglied des OeSFX-Beirates Öko-Invest Verlagsgesellschaft mbH Tisch 5
Betriebsökologie im Dienstleistungsunternehmen.
Ing. Anton Böck, Geschäftsführer Firma Markus Stolz GmbH & Co KG Wien Tisch 6
Gesetzliche Sozialstandards – Fluch oder Segen.
Dr. Doris Lutz, Arbeitsrechts- und Arbeitszeitexpertin Arbeiterkammer Wien
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Fortsetzung: Abbildung 66 Tisch 7
Nachhaltigkeit und der Faktor Spaß.
Mag. Georg Bauernfeind, Kabarettist und Mitarbeiter von Jugend Eine Welt Tisch 8
Viele Begriffe - ein Verständnis von Nachhaltigkeit.
DI Dr. Alfred Strigl, Stv. Direktor ÖIN Österreichischen Instituts für nachhaltige Entwicklung (heute Agentur plenum) Tisch 9
Erfolgreiche Geschäftspolitik und Nachhaltigkeit.
Georg Brown, Interne Revision Oesterreichische Kontrollbank AG
Abbildung 66: Themen und Tischmoderatoren des OeKB Sustainability Cafés
Nachdem die Teilnehmer eine kurze Einführung in die Methode des World Cafés erhalten haben, teilen sie sich für die erste Gesprächsrunde auf die Tische auf. Nach 20 Minuten ertönt ein Gong, das Signal für den Tischwechsel. An den neuen Tischen geben die Moderatoren zuerst eine kurze Übersicht über bisher Gesagtes, bevor dann neuerlich Ideen gesammelt werden. Die Stimmung während des Sustainability Cafés beschreibt der neutrale Moderator Heinz Peter Wallner (2008) als „sehr angeregt“. Externe und interne Stakeholder haben sich im Verlauf des Dialogs vernetzt, „wobei wohlwollende und kritische Stimmen hörbar wurden“. Einige Impressionen zur Veranstaltung kommen in folgenden Bildern zum Ausdruck.
Abbildung 67: Impressionen des „Sustainability Cafés“ der österreichischen Kontrollbank (Fotos: Wallner, im Auftrag von OeKB)
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Nach insgesamt drei Runden gibt jeder Tischmoderator ein zusammenfassendes Endresümee. Zwei dieser Resümees werden nun herausgegriffen, und zwar zu den Tischen über „Transparenz der OeKB“ (Tisch 2) sowie „Nachhaltigkeit und der Faktor Spaß“ (Tisch 7). Tisch 2: Transparenz der OeKB Der Tischmoderator der NGO ECA-Watch, Nonno Breuss, fasst zusammen, dass die Kontrollbank „kein nachhaltiges Unternehmen“ sei. Wohl handle sie intern möglichst orientiert an den drei Säulen, die von ihr unterstützten Projekte seien aber nicht nachhaltig. An seinem Tisch sei weiters festgehalten worden, dass Transparenz und Partizipation der (von konkreten Projekten betroffenen) Bevölkerung zusammen gehörten. Dies sei aber zum Beispiel im Rahmen des Projektes Illisu Staudamm und auch bei anderen Großprojekten nicht passiert. Als Anregung geben die Diskutanten der OeKB mit, sie solle fordern, dass „von Anfang an bei Infrastruktur-Projekten nicht nur passive Information, sondern Partizipation stattfindet“. Gefordert wurde auch mehr Transparenz hinsichtlich der CO2-Emissionen der von der OeKB finanzierten Projekte. Kritisch wurde weiters angemerkt, ob es sich bei CSR und Nachhaltigkeit nur um ein „Marketingpickerl“ handle, um einen „Trend“, oder um „wirkliche Veränderung“. Die Dialogveranstaltung jedenfalls dürfe nicht nur als „Listening Mode“ betrachtet werden, sondern bedürfe darauf folgender Handlungen als Konsequenzen. Tisch 7: Nachhaltigkeit und der Faktor Spaß Die Kernfragen an diesem Tisch – moderiert von Kabarettist Georg Bauernfeind – waren: Wo steht Nachhaltigkeit zwischen Genuss und Verzicht? Und wo bleibt der Optimismus? Wortmeldungen waren hier unter anderem, dass Umweltschutz Spaß machen könne, dass Protest Spaß machen könne, dass gemeinschaftliches Entwickeln von Nachhaltigkeitsideen und das Gruppenerlebnis Spaß machen können. Leistungen im Bereich Nachhaltigkeit und Umweltschutz müssten nicht unbedingt anstrengend sein. Freude an Qualitätsprodukten könne mehr Lebensqualität und Zufriedenheit bringen. Naturgenuss bringe Menschen ins Gleichgewicht und trage zu Entschleunigung bei. In der heutigen Spaßgesellschaft sei es wichtig, Nachhaltigkeitsthemen nicht über Druck zu vermitteln, sondern über positiv formulierte Botschaften wie Glück, Freude, Zufriedenheit oder Lebensqualität.
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Nachbearbeitung der Veranstaltung Als neutraler Moderator und Betreuer der Veranstaltung arbeitete Wallner die Ergebnisse aus den Tischtüchern sowie aus den Schlussresümees auf und fasste sie auf zweierlei Art zusammen: Einerseits in umfassender Form für die Kontrollbank und andererseits in einer eineinhalbseitigen Übersicht für alle Teilnehmer der Veranstaltung. Die Dokumentation für die Teilnehmer wurde ins Internet gestellt. Die interne Zusammenfassung für die OeKB sollte die Basis schaffen für mögliche Konsequenzen und Adaptierungen des Nachhaltigkeitsmanagements und der Nachhaltigkeitskommunikation. Beispielsweise wurde die Anregung von Tisch 2, die CO2-Emissionen der finanzierten Projekte offen zu legen, ernsthaft in Betracht gezogen (vgl. Sasse 2008). Die OeKB setzte sich mit dem Umweltbundesamt in Verbindung. Von dort kam allerdings die klare Aussage, dass man die CO2-Emissionen großer, internationaler Projekte schlichtweg nicht erheben könne, da unterschiedliche Gesetze, Beschaffenheiten von Kraftwerken etc. ein spezifisches Ausrechnen der Emissionen unmöglich machten. Sehr wohl umgesetzt wurden aber Anregungen zur besseren Lesbarkeit des Nachhaltigkeitsberichts und Anregungen, auch kritische Projekte in ihrem Entscheidungsweg ausführlich zu dokumentieren (vgl. Sasse 2008). Evaluation der Veranstaltung aus normativer Sicht und Verbesserungspotenziale Das Sustainability Café der Kontrollbank erfüllt – ähnlich wie der Regionaldialog der Bundesforste – mehrere der in Kapitel 4 formulierten normativen Ansprüche. Wieder bietet es sich an, die Veranstaltung anhand eines Balkendiagramms zu evaluieren (vgl. Abbildung 68). Besonders hohe Werte sind dem Qualitätskriterium Stakeholder Integration auszustellen. Die Kontrollbank hat Mut bewiesen hinsichtlich einer umfassenden Stakeholder Integration, weil auch die kritischste NGO zu Wort kommen konnte. Ein Vertreter dieser NGO moderierte sogar einen der Diskussionstische. Auch die Ansprüche symmetrischer und verständigungsorientierter Kommunikation wurden im Rahmen des Sustainability Cafés sehr umfassend berücksichtigt, noch umfassender als im Regionaldialog der Bundesforste. Durch das Gespräch an runden Tischen hatte jeder Teilnehmer prinzipiell die gleiche Chance, zu Wort zu kommen. Auch die Mitarbeiter mussten sich kaum ein Blatt vor den Mund nehmen, da nur ein einziger Tisch von einem Unternehmensangehörigen moderiert wurde. Die Kriterien einer idealen Sprechsituation wurden weitgehend erfüllt.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Hohe Werte sind auch für die Kriterien „faire Information“ und „ganzheitliche Zielgruppen-Segmentierung“ auszustellen. Niedriger als bei den Bundesforsten fällt aus normativer Sicht die Bewertung der Zielsetzung aus. Im Vergleich mit dem Regionaldialog der Bundesforste standen bei der Kontrollbank eher Business-Motive und weniger ein Public Case im Vordergrund. Zu einzelnen normativen Kriterien kann ich aus der Perspektive der außenstehenden Forscherin jedoch keine validen Aussagen tätigen. Ein genauerer Einblick in die Unternehmensstrukturen und unternehmensinternen Abläufe wäre nötig, um eine professionelle Einschätzung etwa über die Ausprägung des Kriteriums der funktionalen Integration oder über die Berücksichtigung der Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung zu tätigen. Diese Kriterien wurden deshalb aus dem Balkendiagramm in Abbildung 68 herausgenommen. Zielsetzung: Marketing, Business, Public Case Verständigungsorientierung Faire Information symmetrische Kommunikation ganzheitl. ZG-Segmentierung Stakeholder Integration organisationale Integration 0
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1
Abbildung 68: Evaluation des Sustainability Cafés der OeKB aus normativer Sicht (eigene Darstellung)
Aus dem Good-Practice-Beispiel der Kontrollbank können mehrere Schlussfolgerungen und auch Verbesserungsmöglichkeiten abgeleitet werden: Die Methode World Café – für Nachhaltigkeitsthemen umbenannt zu “Sustainability Café“ – erscheint hilfreich, um einige spezifische Herausforderungen an Nachhaltigkeitskommunikation zu meistern. Die Aufmerksamkeit der Stakeholder ist durch deren aktive Einbindung in der Regel hoch, parallel dazu wird das Verständnis für die teils komplexen Spannungsfelder klar, in denen sich das Unternehmen befindet. Die Methode hilft, für potenzielle Konflikte gemeinsam Lösungen zu suchen. Als wichtige Voraussetzung für eine gelungene Veranstaltung erscheint mir, dass das Sustainability Café im Vorfeld genau geplant wird. Die Auswahl der Themenstellungen ist eine heikle Angelegenheit, da die Themen einerseits aus
5.3 Stakeholder-Dialoge als Aufgabenbereich
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Sicht des Unternehmens, andererseits aus Sicht der Stakeholder interessant und relevant sein sollten. Hier muss eine ausgeglichene Wahl erfolgen, sodass beide Seiten von der Auseinandersetzung profitieren. Ratsam wäre gewesen, wenn die OeKB die Stakeholder oder zumindest die Tischmoderatoren in die Zusammenstellung der Themen mit einbezogen hätte. Wichtig ist auch ein gutes Briefing der Tischmoderatoren. Sie sollten bereits im Vorfeld – und nicht erst auf der Veranstaltung selbst – darüber informiert werden, wie die Methode World Café funktioniert, was genau ihre Aufgaben sind und welches Thema (mit welchen Sub-Fragestellungen) sie betreuen. Hier hätte es bei der Veranstaltung der Kontrollbank noch Verbesserungspotenzial gegeben. So sei, laut Auskunft des Nachhaltigkeitsbeauftragten, ein Tischmoderator spürbar nervös gewesen, weil er eine ähnliche Aufgabe zuvor noch nie übernommen hatte. Ein beruhigendes, informierendes Gespräch hätte ihm vielleicht geholfen und noch zufriedenstellendere Ergebnisse auf seinem Tisch gebracht. Was sich andere Unternehmen von der Veranstaltung abschauen könnten, ist Mut zur aktiven Einbeziehung auch kritischer, aktivistischer Stakeholdergruppen. Dies ist im Fall der NGO „ECA Watch“ gut gelungen. Positiv zu bewerten ist auch die Idee der Kontrollbank, einen Kabarettisten als Tischmoderator einzuladen, damit das World Café an Verspieltheit und damit auch an Kreativität gewinnt. Die Nachbearbeitung des Stakeholder-Dialogs inklusive einer öffentlich zugänglichen Dokumentation im Internet ist vorbildlich. Es wird dadurch nicht nur für die Kontrollbank selbst, sondern auch für die Teilnehmer ein greifbares Ergebnis geschaffen. Kritisch anmerken möchte ich, dass das Sustainability Café der OeKB seit dem Jahr 2006 bisher nicht wieder stattgefunden hat. Es war offenbar ein Einmal-Event und nicht der Startschuss für einen kontinuierlichen Dialog. Hier hat die Kontrollbank meiner Ansicht nach Chancen und auch Glaubwürdigkeit verspielt. Eine regelmäßige Durchführung eines solchen Stakeholder-Dialogs, zum Beispiel im Zwei-Jahres-Rhythmus, würde das Engagement der OeKB und das tatsächliche Interesse an den Ansichten der Stakeholder bekräftigen.
5.3.3 Ausgewählte Erfolgsfaktoren für Nachhaltigkeitsdialoge Was lässt sich nun aus den vorgestellten Stakeholder-Dialogen der Bundesforste und der Kontrollbank ableiten? Welche Elemente sind es, die zum Gelingen von dialogorientierten Stakeholder-Veranstaltungen beitragen? Aus den beschriebenen Good-Practice-Beispielen werden nun einige Erfolgsfaktoren für Nachhaltigkeitsdialoge herausgefiltert.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Grundsätzlich wirken Nachhaltigkeitsdialoge nur dann glaubwürdig, wenn sie in eine gesamtunternehmerische Strategie der Nachhaltigkeitsorientierung eingebettet sind. Das Unternehmen sollte Bereitschaft zeigen, nicht nur über einzelne Projekte oder Produkte zu diskutieren, sondern in einen ernsthaften Dialog auch über die Werte des Unternehmens und deren Auswirkungen für eine nachhaltige Entwicklung zu treten. Beide Seiten, sowohl Gastgeber wie Stakeholder, sollten Bereitschaft für eine echte Dialogkultur zeigen. Dies stellt freilich ein Ideal dar, denn die Fähigkeit zuzuhören, gegenseitiges Verständnis zu zeigen und respektvolle Gespräche zu führen, ist den meisten Menschen nicht von Grund auf gegeben. Professionelle neutrale Moderation kann hier zumindest für die nötigen Rahmenbedingungen sorgen. Der Gastgeber selbst sollte Vorbild für emphatisches Zuhören und gelebte Dialogorientierung sein. Das Um und Auf für eine gelungene Dialogveranstaltung ist eine sorgfältige Auswahl der zu behandelnden Themen. Dabei ist es ratsam, dass nicht das Unternehmen allein die Agenda bestimmt, sondern auch die Stakeholder in die Themenwahl mit einbezogen werden, wie es der Forstbetrieb Wienerwald im Rahmen der Stakeholder-Befragung erfolgreich praktiziert hat. Eine solche Befragung im Vorfeld – im besten Falle durchgeführt von einer dritten, neutralen Partei – kann auch helfen, von Anfang an realistische Erwartungen bei den Stakeholdern zu wecken. Dem Unternehmen muss klar sein, dass es sich nicht hinter den Ergebnissen des (Multi-) Stakeholder-Dialogs verstecken kann. Den Ergebnissen sollten so weit wie möglich tatsächliche Konsequenzen folgen. Wo eine Umsetzung der vorgebrachten Ideen nicht möglich ist, sollten die Stakeholder zumindest über die Gründe dafür informiert werden. Dies ist der Kontrollbank in ihrer Dokumentation der Veranstaltung in Ansätzen bereits gut gelungen. Noch besser wäre aber eine kontinuierliche Durchführung von Stakeholder-Dialogen. Natürlich sind Großveranstaltungen wie der Regionaldialog des Forstbetriebs Wienerwald oder das Sustainability Café der Kontrollbank nicht für alle Arten von Stakeholder-Einbeziehung nützlich. Wenn es um ein ganz spezielles Problem oder das Ausarbeiten detaillierter Maßnahmen geht, wird Austausch in einem kleineren Kreis nötig sein. Besondere Relevanz erfährt in diesem Zusammenhang der nicht-öffentliche Single-Stakeholder-Dialog mit Mitarbeitern (vgl. Kapitel 5.3.1). Weitere konkrete Ansätze der internen Nachhaltigkeitskommunikation werden im folgenden Kapitel beschrieben.
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
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5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation 5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich Eingangs wird dem Leser nun eine kurze theoretische Einführung gegeben über den Stellenwert der internen Kommunikation im Rahmen nachhaltigkeitsorientierter Organisationsentwicklung. Danach erfolgt die eigentliche, ausführliche Darstellung der Good-Practice-Beispiele. Abschließend werden die ausgewählten Kommunikationsansätze mit Bezug auf den theoretischen Hintergrund und hinsichtlich der Erfüllung normativer Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation analysiert bzw. evaluiert.
5.4.1 Theoretischer Hintergrund: Der Stellenwert der internen Kommunikation im Rahmen nachhaltigkeitsorientierter Organisationsentwicklung Die Mitarbeiter sind wohl die wichtigste Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation (vgl. May 2008, 375ff). Sie müssen „an Bord“ sein als Grundvoraussetzung dafür, dass es tatsächlich zu nachhaltigkeitsorientierten Geschäftsprozessen kommen kann. So betonen Collier/Esteban (2007, 19): “It is the employees – rather than the board or the consultancy firm – who carry the main burden of responsibility for implementing ethical corporate behaviour in the daily working life of the company.”
Aber wie schaffen es Unternehmen, ihre Mitarbeiter zu motivierten Trägern und sogar Unterstützern der Nachhaltigkeitsziele zu machen? Dies ist eine schwierige Aufgabe, zumal Mitarbeiter-Kommitment, also der Unterstützungsgrad von Seiten der Beschäftigten für eine nachhaltige Unternehmensentwicklung, nur in Teilbereichen beeinflussbar ist durch Unternehmensfaktoren. In hohem Maße spielen individuelle Wahrnehmungsmuster und persönliche Werte der Mitarbeiter eine Rolle. Unternehmerische Verhaltensregeln in Form von Leitbildern, „Codes of Conduct“, Werte- oder Ethikschulungen sind nur dann wirksam, wenn der Mitarbeiter von den vermittelten Inhalten persönlich überzeugt ist. Dies ist besonders schwierig, da es sich bei Nachhaltigkeitsprozessen häufig um Veränderungsprozesse handelt, die für Mitarbeiter in der Regel mit dem Gefühl von Unsicherheit verbunden sind (vgl. Sievert/Bell 2007; Prexl/Signitzer 2008). Um das CSR-Engagement von Mitarbeitern zu erhöhen, sollten Unternehmen laut May (vgl. 2008, 376ff) die folgenden sechs Voraussetzungen erfüllen:
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele Formale Vorgaben im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements (wie Leitbilder, Verhaltenregeln, Ethik-Standards, Mitarbeiter-Handbücher, CSRSchulungen etc.) müssen abgestimmt sein auf die (informelle) Unternehmenskultur, d.h. auf unternehmensspezifische Normen und Rituale. Offene, dialogorientierte Kommunikation, im Rahmen derer unterschiedliche Meinungen geschätzt werden, ist notwendig, damit Mitarbeiter Nachhaltigkeitsentscheidungen in Teilbereichen mitbestimmen können und dann auch eher mittragen. Transparenz von Entscheidungsprozessen hilft Mitarbeitern, die Beweggründe für unternehmerisches Nachhaltigkeitsengagement besser zu verstehen. Aktives Einbeziehen der Mitarbeiter in nachhaltigkeitsrelevante Entscheidungsprozesse erhöht das Engagement der Mitarbeiter auf diesem Gebiet und führt möglicherweise auch zu besseren Entscheidungen. Fehler und Risiken als Chance zu begreifen sowie couragiertes Problemlösen sollte als Teil der Unternehmenskultur verankert werden. Das ermöglicht kreative, innovationsorientierte Lösungssuche für (Nachhaltigkeits-) Probleme. Die Evaluation von Nachhaltigkeitszielen vermittelt Mitarbeitern und externen Stakeholdern, dass das Unternehmen CSR und Nachhaltigkeit nicht als Marketinggag betrachtet, sondern tatsächlich als Teil seiner Philosophie.
Eine detailliertere Analyse über die Einflussfaktoren auf das CSR-Engagement von Mitarbeitern stammt von Collier/Esteban (vgl. 2007, 20ff). Sie beschreiben, wie unternehmensinitiierte Bewusstseinsbildungs-Maßnahmen einerseits und individuelle Wahrnehmungsfaktoren andererseits das tatsächliche Nachhaltigkeitsengagement der Mitarbeiter beeinflussen. Ihrer Ansicht nach spielen auf Seiten des Unternehmens drei Einflussbereiche eine wichtige Rolle, nämlich (1) die Unternehmenskultur bzw. das Betriebsklima, (2) die Ausgestaltung bewusstseinsbildender Maßnahmen, und (3) die tatsächlichen CSR-Ambitionen des Unternehmens. Eine offene, auf ethischen Prinzipien beruhende Unternehmenskultur, in der Mitarbeiter gelernt haben, zwischen „richtig“ und „falsch“ in ihrem Berufsalltag zu unterscheiden, bereite einen guten Boden für Mitarbeiter-Unterstützung im Bereich Nachhaltigkeit. Voraussetzung für eine nachhaltigkeitsorientierte Organisationsentwicklung seien auch bewusstseinsbildende Maßnahmen und interne Qualifizierungsprozesse, die weniger als Vorschriftenkataloge (im Sinne von
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
349
„Compliance-Programmen“ mit Regelcharakter) sondern eher als kontinuierlicher Austausch (im Sinne von „Werte-Programmen“ mit Lerncharakter) zu gestalten seien. Denn eine nachhaltigkeitsorientierte Organisationsentwicklung bedeutet in der Regel „weitreichende Lernprozesse im Unternehmen“ (Baedeker/Meier/Rohn 2005, 637). Dabei sollte das Organisationslernen nicht als reines „Anpassungslernen“ passieren, das nur auf technische Maßnahmen zur Erhöhung der Ressourceneffizienz abzielt. Vielmehr ist ein „Veränderungslernen“ wünschenswert, in dessen Verlauf die Beschäftigten neue Handlungsmodelle und Fähigkeiten erlernen, Einstellungen verändern und auch Qualifikationen erlernen, die für die Entwicklung einer internen „Kultur der Nachhaltigkeit“ notwendig sind, wie kommunikative Kompetenz oder Verantwortungsbewusstsein (vgl. Baedeker/Meier/Rohn 2005, 637). Selbstverständlich setzt all das voraus, dass das Unternehmen einen ernstgemeinten Nachhaltigkeitsprozess anstrebt, und CSR nicht als losgelöste Aktivität wahrgenommen wird. Auf Seiten der Mitarbeiter identifizieren Collier/Esteban (vgl. 2007, 27 ff) folgende drei Einflussbereiche, nämlich (1) den Zusammenhang zwischen Unternehmensidentität und Mitarbeiteridentität, (2) den wahrgenommenen Grad an Gerechtigkeit und Fairness, und (3) die Wahrnehmung der Führungsperson. Eine vom Mitarbeiter als attraktiv wahrgenommene Unternehmensidentität und ein von externen Personen als positiv wahrgenommenes Unternehmensimage erhöhen laut Collier/Esteban tendenziell die Loyalität des Mitarbeiters gegenüber der Organisation und somit auch die Bereitschaft, Nachhaltigkeit als Teil der Unternehmensidentität mitzutragen. Voraussetzung dafür sei, dass der einzelne Mitarbeiter sich durch die sozialen und ökologischen Ambitionen des Unternehmens nicht persönlich benachteiligt fühlt. Weiters sollte er das Gefühl haben, dass gleiches Recht und gleiche Pflichten für alle Mitarbeiter gelten und Verstöße gegen Nachhaltigkeitsprinzipien auch tatsächlich sanktioniert werden. Motiviert zu individuellem nachhaltigkeitsorientierten Handeln werde der Mitarbeiter dann, wenn das Top-Management mit positivem Beispiel vorangehe. Die Führungsperson sollte als moralische Privatperson („moral person“) sowie auch als moralischer Manager („moral manager“) wahrgenommen werden, der einen ethischen Führungsstil verfolgt, welcher unter anderem gekennzeichnet ist durch Respekt für die individuellen Ansichten der Mitarbeiter und professionelles Kommunikationsverhalten.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
An dieser Stelle sei näher auf die Zusammenhänge zwischen dem Kommunikationsverhalten der Führungskräfte („Führungskräfte-Kommunikation“), interner Kommunikation (als Programmbereich der Public Relations) und Nachhaltigkeitsmanagement eingegangen. Wie Kapitel 2 gezeigt hat, bedeutet Nachhaltigkeitsmanagement in vielen Fällen zugleich Change Management. Als Führungsstil in Zeiten von Veränderungen (vgl. Cousin 2005) wird in der Management-Literatur häufig ein transformativer Führungsstil („transformative leadership“) als Idealtypus genannt (vgl. Mast/Huck 2008, 147ff). Transformatives Führen wird beschrieben als „management of meaning“ (Mast/Huck 2008, 151) und schreibt der Kommunikation und Interaktion zwischen Managern und Mitarbeitern eine zentrale Position zu. Im Kern bezieht sich transformatives Führen darauf, dass Manager durch Kommunikation den Mitarbeitern eine langfristige, werte-basierte Unternehmensvision und die Notwendigkeit von Veränderungsprozessen vermitteln (vgl. Mast/Huck 2008, 153). Dabei kann Führungskräfte-Kommunikation als Teil der internen Kommunikation betrachtet werden. Mast/Huck (vgl. 2008, 156) unterscheiden zwei Funktionen von Führungskräfte-Kommunikation für die Zielerreichung interner Kommunikation. Erstens kann Führungskräfte-Kommunikation andere Kanäle und Instrumente der internen Public Relations unterstützen (z.B. durch Diskussion eines Artikels aus dem Mitarbeitermagazin in einem Management-Meeting). Zweitens kann Führungskräfte-Kommunikation auch als eigener Kanal der internen Kommunikation betrachtet werden, der zur Verbreitung von Management-Informationen an Mitarbeiter dient. In jedem Fall kann interne Kommunikation zur Verbesserung der Führungskräfte-Kommunikation beitragen, indem Manager mit adäquaten Informationen (zum Beispiel über das Wissen der Mitarbeiter im Bereich Nachhaltigkeit, über Erwartungen der Mitarbeiter etc.) versorgt werden, und indem die kommunikative Kompetenz der Führungskräfte verbessert wird. Kommen wir nun aber zurück zum Stellenwert der internen Kommunikation im Rahmen eines nachhaltigkeitsorientierten Organisationswandels. Welchen Beitrag kann interne Kommunikation leisten zur Erhöhung von MitarbeiterKommitment bzw. Mitarbeiter-Qualifikation im Bereich Nachhaltigkeit? Basierend auf der obigen Literaturanalyse sind meine vorläufigen Schlussfolgerungen dazu folgende: Interne Kommunikation (mit ihrer breiten Palette an Instrumenten wie Gesprächen, Betriebsversammlungen, Mitarbeiter-Befragungen, MitarbeiterZeitung, Intranet, Memos, schwarzes Brett, Führungskräfte-Kommunikation etc.) kann unter anderem helfen,
das abstrakte Leitbild der Nachhaltigkeit in die „Sprache“ des jeweiligen Unternehmens zu übersetzen und dadurch zu operationalisieren,
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
351
eine Unternehmenskultur zu schaffen, die für Nachhaltigkeitsthemen und damit verbundene Veränderungen offen ist und Risiken als Chance begreift, die Mitarbeiter im Rahmen interner Nachhaltigkeitsdialoge in nachhaltigkeitsrelevante Entscheidungen mit einzubeziehen bzw. zumindest Entscheidungen transparent und für die Mitarbeiter verständlich zu machen, das Management über das Nachhaltigkeitswissen und -bewusstsein der Mitarbeiter zu informieren, Mitarbeiter und Manager in ihrer kommunikativen Kompetenz und Dialogfähigkeit zu schulen.
Aus den oben genannten Potenzialen interner Kommunikation für das Nachhaltigkeitsmanagement wird bereits deutlich, dass es zu Überschneidungen mit den Aufgabenfeldern des Personalmanagements kommen kann. In Großunternehmen wird interne Kommunikation in enger Kooperation mit der Personalabteilung sowie mit dem Top Management stattfinden müssen. In kleineren Betrieben hingegen fallen die Aufgaben „Personalmanagement“ und „interne Kommunikation“ oftmals zusammen und werden von einer Person, meist dem Geschäftsführer selbst, übernommen. Ein Beispiel für eine solche FührungskräfteKommunikation für Nachhaltigkeit wird im ersten der nun folgenden Fallbeispiele beschrieben.
5.4.2
Good-Practice-Beispiele für interne Kommunikation für Nachhaltigkeit
Als Good-Practice-Beispiele für den Bereich interne Kommunikation für Nachhaltigkeit wurden zwei Unternehmen ausgewählt: Erstens, das Cross-MediaUnterehmen Gugler mit Sitz in Melk, ein Familienbetrieb mit rund 80 Mitarbeitern, der Nachhaltigkeitsdenken bereits in vielen Bereichen umfassend integriert hat. Das ökologische und soziale Engagement geht zum Großteil vom Geschäftsführer persönlich aus, der als „social entrepreneur“ versucht, über interne Führungskräfte-Kommunikation und Vorbildwirkung auch bei den Mitarbeitern verstärktes Nachhaltigkeitsbewusstsein zu schaffen. Zweitens, der Expressdienstleister TNT Express Austria, die österreichische Niederlassung eines internationalen Großkonzerns. TNT gilt in Österreich als einer der Vorreiter im Bereich Diversity Management. Das Fallbeispiel erörtert, wie ein Unternehmen intern Bewusstsein für einen konkreten Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit, nämlich personelle Vielfalt, schaffen kann, bzw. wie es dem Unternehmen gelungen ist, Diversität als Unternehmenswert zu integrieren.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
5.4.2.1 Stärkung des Nachhaltigkeitsbewusstseins bei den Mitarbeitern des Cross-Media-Unternehmens Gugler Gugler wurde als Good-Practice-Beispiel ausgewählt, weil der Geschäftsführer bewusst versucht, durch Vorzeigewirkung und kontinuierliche FührungskräfteKommunikation (also direkte Kommunikation zwischen Geschäftsführer und Mitarbeitern) zu einem verstärkten, internen Nachhaltigkeitsbewusstsein beizutragen. Zuerst wird nun Guglers nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensphilosophie beschrieben. Darauf aufbauend wird erörtert, wie durch FührungskräfteKommunikation, Vorbildwirkung und Kommunikationsschulungen versucht wird, mehr internes Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen zu schaffen. Der Leser erfährt weiters, wie ausgewählte Mitarbeiter das soziale und ökologische Engagement ihres Arbeitgebers wahrnehmen. Das Fallbeispiel erfüllt einige der in Kapitel 4 formulierten normativen Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation: Die Kommunikationskultur im Unternehmen ist großteils geprägt durch einen symmetrischen Kommunikationsstil. Darüber hinaus erfährt Verständigungsorientierung und insbesondere „gewaltfreie Kommunikation“ einen hohen Stellenwert. Die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung werden in den Kommunikationsprozess so weit wie möglich einbezogen. Das Beispiel zeigt weiters auf, wie ein Geschäftsführer selbst zum internen „Change Agent“ für Nachhaltigkeitsthemen werden kann. Die Daten für das Fallbeispiel stammen aus einem Experteninterview mit Geschäftsführer Ernst Gugler sowie aus vier Interviews mit Mitarbeitern aus verschiedenen Unternehmensbereichen und aus dem Nachhaltigkeitsbericht 2008 von Gugler. Ein mehrstündiger Besuch samt ausführlicher Hausführung im Betriebsgebäude verschaffte mir einen Einblick in das Arbeitsklima und die Arbeitsbedingungen des Betriebs. Die nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensphilosophie des Familienbetriebs Gugler Gugler versteht sich als Anbieter von Crossmedia-Leistungen. Unternehmensziel ist es „die richtige Information zum richtigen Zeitpunkt im richten Medium in der richtigen Aufmachung zur richtigen Zielgruppe zu bringen“ (gugler80 2008, 14). Dafür bietet das Unternehmen seinen Kunden neben der klassischen Printproduktion drei weitere Geschäftsfelder an, nämlich Beratung, Neue Medien & IT sowie Kreation in der hauseigenen Werbeagentur.
80
Die Kleinschreibung verweist auf den Nachhaltigkeitsbericht, in dem der Name klein geschrieben ist.
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
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Das Unternehmen befindet sich in Familienbesitz. Gründer und Geschäftsführer ist Ernst Gugler, ein ehemaliger Umweltaktivist, dessen berufliches Hauptinteresse nach eigenen Angaben „der Verbindung von Ökonomie und Ökologie und der Verwirklichung nachhaltiger Prinzipien in einem top-modernen, leistungsfähigen Dienstleistungsunternehmen“ (gugler 2008, 11) gilt. Im Betrieb sind auch Ehefrau Elisabeth Gugler sowie die beiden Söhne tätig. Rahmenbedingungen Nachhaltiges Wirtschaften unter ganzheitlicher Berücksichtigung der drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales war seit der Unternehmensgründung ein wichtiger Wert der Familie Gugler. Aspekte der Nachhaltigkeit ziehen sich wie ein roter Faden durch den Auftritt des Unternehmens. Das Betriebsgebäude mit Standort „Auf der Schön 2“ ist ein ökologischer Musterbau im Grünen, der weitgehend aus Stampflehm, Glas und Holz errichtet wurde und neben ästhetischen Ansprüchen auch moderne Umwelttechnologie integriert. Das Gebäude wurde im Jahr 2000 mit dem Holzbaupreis des Landes Niederösterreich ausgezeichnet, nicht zuletzt aufgrund des hervorragenden Energiemanagements. Beheizt wird das Gebäude zu einem Großteil aus der Abwärme der Druckmaschinen, gekühlt wird mit Brunnenwasser. Im Garten läuft ein Artenschutzprojekt. Hauptaugenmerk wurde auf die Ergonomie der einzelnen Arbeitsplätze gelegt. So sind beispielsweise zahlreiche Schreibtische höhenverstellbar. Dem neutralen Besucher vermittelt das Gebäude ein äußerst behagliches, positives Ambiente. Lichtdurchflutete, großzügige Räume, die Verbindung von Holz und Lehm und Kleinigkeiten wie ätherische Öle in Wasserkrügen schaffen ein angenehmes Klima. Im offenen Stiegenhaus bzw. Foyer des Gebäudes findet regelmäßig das gugler forum melk statt, das jährlich ein bis zwei aufstrebenden Künstlern die Gelegenheit gibt, ihre Arbeiten im Rahmen einer Vernissage zu präsentieren. Das kommunikative Herzstück des Betriebs ist die Bioküche in einem hellen Speisesaal bzw. im Sommer auf der Terrasse. Hier wird täglich von derselben Köchin ein Menü mit Biozutaten aus der Region zubereitet, vielfach vegetarisch, für das die Mitarbeiter nur die Lebensmittelkosten zahlen müssen. Ausschlaggebend für die Errichtung der Bioküche war „das Bestreben, dem Team eine gesunde Ernährung so einfach wie möglich zu machen und gleichzeitig Pkw-Kilometer einzusparen“ (gugler 2008, 29). Zur weiteren Verringerung von Pkw-Kilometern stellt das Unternehmen drei elektronisch betriebene Fahrzeuge zur Verfügung, mit denen die Mitarbeiter die Strecke zwischen dem Betrieb und dem nahe gelegenen Bahnhof bewältigen können.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Nachhaltigkeit im Wertesystem von Gugler Im Jahr 2007 unterzog sich Gugler im Rahmen eines Führungskräfte-Trainings einem Wertedefinitionsprozess. Bis dahin hatte zwar die Familie Gugler selbst über ihre geschäftsbezogenen Visionen und Werte Bescheid gewusst – so definierte Ernst Gugler in einem Interview in der Zeitschrift Ökonews (2008) seine Idealwelt als „eine Welt, in der Unternehmen und Unternehmer nicht an Gewinnen, sondern am Beitrag zum Gemeinwohl gemessen werden, wo Erfolg neu definiert wird, wo Konkurrenz tendenziell durch Kooperation ersetzt wird“ – diese Werte waren aber bis dato nicht schriftlich für alle Mitarbeiter festgehalten worden. Nach dem Führungskräfte-Training wurden die ausgearbeitete Vision und die Werte im Rahmen einer internen Informationsveranstaltung den Mitarbeitern präsentiert. Gemeinsam wurden Beispiele für die Umsetzung der Werte in die Praxis gesucht. Abschließend bestätigte jeder Mitarbeiter seine Zustimmung zu den ausgearbeiteten Werten mit einem farbigen Händedruck auf ein Poster (vgl. Abbildung 70). Vision und Werte sind in den Abbildungen 69 bzw. 70 dargestellt. Über die Unternehmensvision sagt Ernst Gugler selbst, es sei sein Ziel, dass sich das Unternehmen eines Tages seine Kunden selbst aussuchen könne, und zwar nach Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten. Schon jetzt zählen Kunden wie WWF, eine Vorsorgekasse, Hersteller von naturnahen Produkten etc. zum Kundenstamm. Um das wirtschaftliche Überleben des Betriebs vorläufig zu sichern, müssen aber auch Aufträge von nicht-nachhaltigkeitsorientierten Kunden angenommen werden (vgl. Gugler 2008).
Abbildung 69: Selbstverständnis und Vision von Gugler (gugler 2008, 22)
In den fünf Werten von Gugler (vgl. Abbildung 70) findet sich „Nachhaltigkeit aus Überzeugung“ wieder. Aber auch in anderen Werten sind Aspekte nachhaltigen Wirtschaftens zu erkennen. „Teamgeist“ und „Freude am Schaffen“ beziehen sich auf die soziale Säule, „Mut zu Neuem“ ist Voraussetzung für nachhaltigkeitsorientierte Innovationen.
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
355
Abbildung 70: Werte von Gugler (gugler 2008, 23)
Guglers Verständnis einer „nachhaltigen Kommunikation“ Im Frühjahr 2008 startete Gugler gemeinsam mit anderen Vertretern der Printund Werbeindustrie das Projekt „nachhaltige Kommunikation“. Damit wurde der Versuch unternommen, „die Entstehungs- und Wirkungsweise von Kommunikationslösungen hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit zu hinterfragen und Optimierungspotenziale zu finden“ (gugler 2008, 17). Der Hintergrund des
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Projekts ist folgender: Die Medien- und insbesondere die Printproduktion zählt zu den Branchen mit hohem Energie- und Rohstoffverbrauch. Außerdem üben Medien „einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf gesellschaftliche Werthaltungen aus“ (gugler 2008, 17). Werbung weckt Bedürfnisse und motiviert zu Kaufentscheidungen, „auch von unnützen, nicht-nachhaltigen Produkten“ (Gugler 2008). Aus diesen Überlegungen heraus schlossen sich Gugler und engagierte Vertreter von anderen Unternehmen der Print- und Werbeindustrie für das Projekt „nachhaltige Kommunikation“ zusammen. Gemeinsam versuchen sie herauszufinden, „wie kann man das Prinzip der Nachhaltigkeit auf die Kommunikationsindustrie, auf unser Gewerbe, umlegen?“ (Gugler 2008). Ziel ist das Ausarbeiten eines für jedermann leicht anwendbaren Regelwerks, einer „Anleitung zur nachhaltigen Kommunikation“ (gugler 2008, 17). In einem ersten Schritt wurden die folgenden sieben branchenrelevanten Wirkungsfelder identifiziert, für die es gilt, Nachhaltigkeitsaspekte noch besser zu integrieren: (1) Strategie: ehrliche Information in Werbetexten, auch Produktnachteile kommunizieren, Entstehungsbedingungen inkludieren, ökologische und soziale Auswirkungen des Produkts kommunizieren. (2) Medienauswahl: Vision des papierlosen Büros, Verknüpfung von Printmedien mit digitalen Medien als ressourcenschonende Alternative zur reinen Printlösung. (3) Design: bewusste Auswahl von Bildern (hinsichtlich Gender-Gerechtigkeit, Diversity-Aspekten), Rücksicht auf ästhetische Aspekte (z.B. kein „Zupflastern“ von Feldern mit Plakatwänden etc.). (4) Material: Herstellen von kompostierbaren Druckmaterialien (nach dem „Cradle to Cradle“-Prinzip81), Druck auf zertifiziertem FSC-Papier („Forest Stewardship Council“82), Verwendung von besonders dünnem Papier mit niedriger Grammatur, Wiederverwertung von Verschnitt-Papier etc. (5) Produktion: Möglichkeit des klimaneutralen Druckens (Greenprint Ansatz von Gugler83), Verwendung von Ökostrom und Druckmaschinen-Abluft zum Heizen etc. 81
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Dieses Prinzip besagt, dass Produkte hergestellt werden sollten, die wieder vollkommen in den Kreislauf der Natur zurückzuführen sind. Für den Printbereich würde das bedeuten, dass sämtliche Drucksorten kompostierbar sind. Es dürfen also nur ökologische Farben verwendet werden, keine Folien, nur bestimmte Lacke und nur bestimmtes Papier (vgl. Gugler 2008). Das FSC-Gütesiegel kennzeichnet vom „Forest Stewardship Council“ zertifiziertes Papier, dessen Rohstoffe aus kontrolliert nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen und gemäß den Regeln des „Fair Trade“ gehandelt werden. Greenprint ist ein Standard zur umweltverträglichen Printproduktion, den Gugler in Österreich ins Leben gerufen hat. Die bei der Printproduktion verursachten Emissionen (durch Strom,
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357
(6) Distribution: E-Newsletter versus Postwurf, Wechsel auf emissionsärmere Transportarten, Sicherheitsaspekte beim Transport etc. (7) Wirkungskontrolle: Bisher wurden dazu noch keine konkreten Ansätze ausgearbeitet. Interne Bewusstseinsbildung durch Führungskräfte-Kommunikation und Vorbildwirkung Nachdem nun die nachhaltigkeitsorientierte Philosophie des Familienbetriebs Gugler beschrieben wurde, stellt sich die Frage: Wie schafft es die Eigentümerfamilie, dass auch ihre Mitarbeiter Nachhaltigkeit als Wert mittragen? Bei einigen Mitarbeitern war das einfach. Sie bewarben sich bei Gugler vorwiegend aus dem Grund, weil sie für ein nachhaltigkeitsorientiertes Unternehmen arbeiten wollten (vgl. Gugler 2008). Andere wiederum arbeiten bei Gugler, weil der Betrieb der zweitgrößte Arbeitgeber im Raum Melk ist, und es kaum andere Optionen für sie gegeben hat. Für manche ist es daher „eine völlig neue Welt, wenn man sie mit Begriffen von Nachhaltigkeit konfrontiert“ (Gugler 2008). Es sind deshalb wichtige Ziele innerhalb des Nachhaltigkeitsprogrammes von Gugler, die Mitarbeiter für soziale und ökologische Themen zu sensibilisieren und „einen Beitrag dazu zu leisten, dass auch im Privaten ein Umdenken stattfindet“ (Gugler 2008). Zur Erreichung dieser Zielsetzungen setzt Geschäftsführer Ernst Gugler seinen eigenen Aussagen zufolge vor allem auf zwei Vermittlungsstrategien: auf Vorbildwirkung und auf Kommunikation. Ernst Gugler bemüht sich in vielerlei Hinsicht, seinen Mitarbeitern ein gutes Vorbild zu sein. Was Mobilitätsmanagement betrifft, so kommt er zu Fuß oder mit dem Fahrrad in die Arbeit, fährt mit dem Zug ins Büro nach Wien oder als Beifahrer im firmeneigenen LKW. Bei Entscheidungen hinterfragt er regelmäßig, ob Nachhaltigkeit als Wert ausreichend berücksichtigt wird. Er selbst engagiert sich in NGOs wie Attac84 und lebt die Durchsetzungsmöglichkeit von anfangs schwierig erscheinenden Innovationen vor. In der Kommunikation zwischen Ernst Gugler und den Mitarbeitern finden Nachhaltigkeitsthemen sehr häufig Niederschlag. Ein Beispiel dafür sind die Gugler Dialoge. Im Rahmen dieser internen Veranstaltungen, die drei bis vier
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Rohstoffe, Reinigungsmittel, Druckvorgang, Transport) werden neutralisiert, indem Emissionsminderungszertifikate aus anerkannten Klimaschutzprojekten angekauft werden. Attac ist eine internationale Bewegung, die sich „für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft einsetzt“ (Attac Austria 2008). Die Organisation fordert unter anderem eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte, fairen Handel, gesetzliche Regeln für transnationale Konzerne, eine umfassende Entschuldung der ärmsten Länder sowie ein faires Steuersystem.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Mal jährlich stattfinden, kommen alle Mitarbeiter in der Bioküche zusammen. Es erfolgt ein kurzer Rückblick auf die vergangenen Monate sowie eine Erörterung der wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch der Nachhaltigkeitsziele, -projekte und -ideen. Zusätzlich zu den internen Gugler Dialogen organisiert Ernst Gugler weitere Veranstaltungen, zum Beispiel Vorträge von Nachhaltigkeitsexperten oder Vorführungen von Filmen wie „We feed the world“ oder „Unser tägliches Brot“. An diesen Veranstaltungen können auch Angehörige und Freunde der Mitarbeiter teilnehmen, „um Nachhaltigkeitsthemen für sie greifbarer zu machen“ (Gugler 2008). Nachhaltigkeitsthemen werden auch im Intranet aufgegriffen. So hat Ernst Gugler dort beispielsweise Informationen über Attac inkludiert, mit der Bitte an die Mitarbeiter, sich mit ihren Unterschriften an der Attac-Forderung nach Auflösung von Steueroasen zu beteiligen. „Normalerweise hat so etwas in einer Firma keinen Raum, es hat auch nichts mit unserem KernUnternehmertum zu tun, aber doch mit unserer Philosophie der Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung“ (Gugler 2008). Maßnahmen zu verbesserter zwischenmenschlicher Kommunikation In den vergangenen Jahren hat sich Gugler von einem kleinen zu einem mittelständischen Betrieb entwickelt. Mit dem Anstieg der Mitarbeiterzahl stiegen auch die Anforderungen in den Bereichen Organisation und interne Kommunikation. Hier ergab sich in einigen Teilbereichen Nachhol- und Verbesserungsbedarf: Zum Beispiel fehlte es an detaillierten Stellenbeschreibungen, bis dato gab es keine institutionalisierten Mitarbeitergespräche, und es zeigten sich Verbesserungspotenziale in der internen Kommunikation (vgl. Gugler 2008). Unter dem Titel „g* für mich“ startete das Unternehmen 2007 deshalb einen Prozess im Bereich Kommunikations- und Persönlichkeitsentwicklung. Geboten werden kostenlose Vorträge zu Themen wie Gesundheit, neue Werte in der Wirtschaft, Erste Hilfe und auch Kommunikation. Schon im Jahr 2007 wurde jeder Mitarbeiter geschult zum Thema „Feedback geben – Feedback nehmen“. Ab Herbst 2008 wurde diese Initiative zur verbesserten zwischenmenschlichen Kommunikation am Arbeitsplatz noch vertieft, und zwar durch Seminare zur Methodik der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall B. Rosenberg85. Das Ehepaar Gugler hat selbst ein solches Seminar getestet und kam zu dem Schluss: 85
Das Modell der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg soll helfen, „Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, ohne Gesprächspartner zu beschuldigen oder zu kritisieren, Bitten klar zu formulieren, ohne andere zu drohen, sie zu manipulieren oder zu erpressen, und Vorwürfe, Kritik und Forderungen nicht persönlich zu nehmen, sondern durch mitfühlendes Hören zu klären, was dahinter steht“ (Verein Gewaltfreie Kommunikation Austria 2008).
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„Wir lernen in der Schule Geografie, Geschichte, Mathematik. Aber wie man achtsam und wertschätzend miteinander kommuniziert, wird nicht vermittelt. Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, jedem Mitarbeiter das Modell der gewaltfreien Kommunikation näher zu bringen. Ob es der einzelne annimmt oder nicht, bleibt natürlich ihm überlassen. Aber wir sehen es als einen kleinen, wertvollen Friedensbeitrag. Und auch aus unternehmerischer Sicht als eine Bereicherung für bessere interne Kommunikation“ (Gugler 2008).
Um die interne Kommunikation weiter zu verbessern, hat Gugler 2008 auch verpflichtende Mitarbeitergespräche eingeführt. Diese stehen in Ergänzung zur sonstigen face-to-face-Kommunikation sowie zu einer wöchentlichen Sprechstunde für Mitarbeiter, die der Geschäftsführer anbietet. Insgesamt fühlt sich Ernst Gugler „sehr verfügbar und erreichbar für jeden Mitarbeiter“ (Gugler 2008). Das Nachhaltigkeitsengagement von Gugler in der Wahrnehmung der Mitarbeiter In persönlichen Interviews wurden vier zufällig ausgewählte Mitarbeiter aus den Bereichen Kundenbetreuung, Marketing und Buchbinderei/Lager zu den Aspekten Nachhaltigkeit und Kommunikation bei Gugler befragt. Konkret wurden ihnen die folgenden Fragen gestellt:
Welche Gründe haben Sie dazu bewogen, für Gugler zu arbeiten? Was halten Sie von Ihrem Chef und dessen Engagement in den Bereichen Ökologie und Soziales? Wie würden Sie das Kommunikationsklima im Haus beschreiben? Was bedeutet Ihrer Ansicht nach Nachhaltigkeit für das Unternehmen? Wie tragen Sie selbst zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsentwicklung bei?
Auf die Frage nach den Beweggründen für die Tätigkeit bei Gugler gab ein Mitarbeiter an, er arbeite hier, weil er in der Nähe wohne. Er glaube aber, dass das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens für manche Kollegen „ein Kriterium für das Suchen eines Jobs bei Gugler“ sei. Konkret bestätigten das die beiden befragten Kundenbetreuer. Ein Kundenbetreuer hatte sich laut eigenen Aussagen bei Gugler beworben, weil er „an Projekten arbeiten wollte, die eine längere Haltbarkeitsdauer haben“ und „wo sich die Kunden selbst auch Gedanken machen um die Zukunft und die Umwelt“. Dazu kam auch das Argument, dass der Mitarbeiter weniger pendeln und mehr Zeit für seine Familie wollte. Die zweite Kundenbetreuerin bewarb sich bei Gugler, weil ihr „das Ambiente gut gefallen habe“ und sie gerne „in einem Familienbetrieb arbeiten wollte, wo man als Mitarbeiter mehr als nur eine Nummer ist“.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Sämtliche befragte Mitarbeiter scheinen das Nachhaltigkeitsengagement des Geschäftsführers zu schätzen. Er sei „ein Visionär in alle Richtungen“ und „investiere viel sowohl in Technologie wie auch in die Menschen im Haus“. Hoch angerechnet wird Ernst Gugler, dass er die Unternehmenswerte vorlebe, zum Beispiel „Termine nur mit der Bahn mache oder auch einmal autostoppe“. Dabei sei er „kein Extremist, der auf alles verzichtet“. Das mache ihn sympathisch. Ein Mitarbeiter gesteht allerdings ein, dass ihm manche der Visionen von Hr. Gugler „halt schon eher unrealistisch vorkommen“. Befragt nach den Unternehmenswerten des Betriebs, kann dieser Mitarbeiter nur drei der fünf Werte aufzählen. Das Kommunikationsklima im Betrieb wird ambivalent gesehen. Alle vier Befragten streichen die positive Wirkung der „Gugler Dialoge“ hervor, im Rahmen derer ein regelmäßiger, offener Austausch stattfinde, der als „großer Vertrauensvorschuss“ empfunden werde. Ein Mitarbeiter betont, dass die Kommunikation mit dem Chef sehr positiv sei: „Wenn ich ein Problem habe, dann geh ich jederzeit zum Chef, auch außerhalb der Sprechstunde. Er hat immer ein offenes Ohr.“ Positiv bewertet wird auch die Einführung der Mitarbeitergespräche. Als verbesserungswürdig betrachten drei der vier Mitarbeiter die Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen. Da die Abteilungen organisiert seien wie separate „Profit Center“ mit eigenen Zielvorgaben, bestehe „die Gefahr sich einzukapseln“. Auch großer Zeitdruck wird als Hürde für die Kommunikation zwischen den Abteilungen betrachtet. Bei drei der vier Befragten war das Verständnis für unternehmensrelevante Nachhaltigkeitsthemen sehr ausgeprägt. Sie hatten sich unabhängig von ihrer Tätigkeit bei Gugler schon länger für ökologische Themen interessiert. Nur einer der Befragten hatte vor seiner Arbeit im Betrieb wenig über Nachhaltigkeitsthemen Bescheid gewusst. Das habe sich mittlerweile geändert, denn „Nachhaltigkeit, das kriegt man bei Gugler ständig vor die Nase gehalten“. Einer der befragten Kundenbetreuer ist überzeugt, dass „im Schnitt die Denkweise unserer Mitarbeiter sicher anders ist als in anderen Unternehmen“. Trotzdem, jeder einzelne Mitarbeiter habe Nachhaltigkeitsthemen „noch nicht inhaliert“. Jeder der befragten Mitarbeiter scheint auf seine Weise einen Beitrag zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsentwicklung zu leisten. Diesen zu formulieren, fällt den Befragten aber teilweise schwer. Einer der Befragten, ein ausgebildeter Heilmasseur und Nordic Walking Trainer, fühlt sich für die Gesundheit der Mitarbeiter zuständig und veranstaltet regelmäßig Nordic Walking Kurse für die Mitarbeiter, die nun auch auf Teilnehmer aus der gesamten Region ausgedehnt werden sollen. Einer der Kundenbetreuer sieht seinen Beitrag zur Nachhaltigkeit darin, den Kunden hohe Qualität zu bieten und wenn möglich Kunden anzusprechen, die selbst eine zukunftsfähige Entwicklung schätzen. Eine weitere Befragte war stark involviert in die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts.
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Evaluation der internen Nachhaltigkeitskommunikation aus normativer Sicht und Verbesserungspotenziale Das Fallbeispiel hat gezeigt, dass gerade in einem mittelständischen Betrieb wie Gugler die persönliche Einstellung des Geschäftsführers das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens wie auch einzelner Mitarbeiter entscheidend prägen kann. Gugler ist ein Vorzeigebeispiel dafür, wie wichtig eine von der Geschäftsführung ausgehende Kommunikation („Führungskräfte-Kommunikation“) sowie Vorbildwirkung sind, um Nachhaltigkeit und „Veränderungslernen“ (im Sinne von Collier/Esteban 2007) tatsächlich als zentrale Säulen der Unternehmenskultur zu etablieren und das Werte- und Nachhaltigkeitsbewusstsein der Mitarbeiter zu stärken. Ernst Gugler ist es gelungen, zu einem internen „Change Agent“ für Nachhaltigkeitsthemen zu werden. So konnte er den internen Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsleitbildes heben und die Mitarbeiter sensibilisieren. Beide Kommunikationsziele (Bekanntheitsgrad heben und sensibilisieren) wurden in Kapitel 3 als Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation beschrieben. Die kommunikativen Initiativen von Ernst Gugler erfüllen weiters – zumindest in Teilbereichen – einige der normativen Kriterien an unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation: Guglers Ansatz der nachhaltigen Kommunikation, verstanden als ganzheitliche Nachhaltigkeitsorientierung der Kommunikationsindustrie, demonstriert, wie Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung tatsächlich im Rahmen des Kommunikations(erstellungs)prozesses berücksichtigt werden können. Hier übernimmt der Betrieb eine Vorreiterfunktion („Innovatorfunktion“) innerhalb der Branche, und es wäre aus wirtschaftlicher Sicht eine Chance sowie aus normativer Sicht wünschenswert, wenn Gugler diese Vorreiterfunktion noch weiter zu einer Vorbildfunktion („Modellfunktion“) ausbauen könnte. Auf diese Weise würden in der Print- bzw. Kommunikationsbranche Veränderungen angestoßen, und Gugler könnte sich gleichzeitig noch intensiver und imagewirksam als „sustainable business“ positionieren. Durch Kommunikationstraining mit Fokus auf Feedback bzw. gewaltfreie Kommunikation geht Gugler einen vorbildlichen Schritt in Richtung Verständigungsorientierung in der internen Kommunikation. Grundsätzlich ist seitens der Geschäftsführung die Bereitschaft zu symmetrischer Kommunikation und zum Schaffen einer möglichst idealen, „gewaltfreien“ Sprechsituation gegeben. Teilweise enthält die Kommunikation gerade über Nachhaltigkeitsthemen jedoch auch persuasive Elemente. Ernst Gugler versucht auf unterschiedliche Art und Weise, seine Mitarbeiter von der Wichtigkeit des Nachhaltigkeitsdenkens zu überzeugen. Für Kritiker des Nachhaltigkeitsgedankens dürfte es innerhalb des Unternehmens schwer sein, ihre Bedenken zu äußern. Der Geschäftsführung kann des-
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
halb geraten werden, bewusst mit möglichen internen Kritikern von nachhaltigkeitsorientierten Entscheidungen in Diskussion zu treten. Außerdem ist Feingefühl nötig, um die Mitarbeiter nicht mit Nachhaltigkeitsbotschaften zu überfrachten. Zu penetrantes Betonen sozialer und ökologischer Aspekte könnte bei manchen Beschäftigten sogar Ablehnung und Kontra-Reaktionen hervorrufen. Insgesamt ist die interne Nachhaltigkeitskommunikation von Gugler anhand des in Kapitel 4 vorgestellten Balkendiagramms folgendermaßen zu bewerten: Höchstwerte gibt es für die Dimension „Public Case“, da durch die Kommunikationsaktivitäten explizit ein stärkeres Nachhaltigkeitsbewusstsein der Mitarbeiter, ihrer Bekannten und Angehörigen angestrebt wird. Hohe Werte können auch den Dimensionen „Berücksichtigung von Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung im Kommunikationsprozess“, „Verständigungsorientierung“ sowie „faire Information“ zugesprochen werden. Gute Werte möchte ich dem Kriterium der funktionalen Integration der Nachhaltigkeitskommunikation zuschreiben. Zwar hat sich die vorliegende Untersuchung auf die interne Kommunikation konzentriert. Es kam dabei aber zum Ausdruck, dass sich das Nachhaltigkeitsthema durch sämtliche interne und externe Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens zieht. Das Kriterium der symmetrischen Kommunikation erhält einen mittelmäßigen Wert. Schulungen zur gewaltfreien Kommunikation sollen zwar zur feedback-orientierten Kommunikation anregen, gleichzeitig enthält die Führungskräfte-Kommunikation wie oben erwähnt aber auch persuasive Elemente. Die Dimension der organisationalen Integration konnte ich als außenstehende Forscherin nicht erheben. Auf den ersten Blick scheint es, als wäre bei Gugler nur die Geschäftsführung in der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen aktiv. Inwiefern andere Unternehmensbereiche wie z.B. das Marketing eingebunden werden, müsste durch eine Folgeuntersuchung erhoben werden. Auch die Dimensionen „Stakeholder Integration“ wurde im Balkendiagramm weggelassen, da bewusst nur die interne Kommunikation untersucht wurde, und nicht die Integration externer Stakeholder.
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
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Zielsetzung: Marketing, Business, Public Case Prinzipien der nh. Entwicklung Verständigungsorientierung Faire Information symmetrische Kommunikation funktionale Integration 0
0,1
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0,3
0,4
0,5
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Abbildung 71: Evaluation der internen Nachhaltigkeitskommunikation bei Gugler aus normativer Sicht (eigene Darstellung)
Verbesserungspotenzial orte ich im Wertefindungs-Prozess von Gugler, in den die Mitarbeiter besser eingebunden hätten werden können. Der Wertekatalog wurde von der Geschäftsführung bzw. der Familie Gugler im Rahmen eines Führungskräfte-Workshops ausgearbeitet. In einer internen Informationsveranstaltung wurden die Mitarbeiter dann vor vollendete Tatsachen gestellt, und es wurde von ihnen erwartet, die Werte mitzutragen. Dabei zeigte sich in der Befragung zufällig ausgewählter Mitarbeiter, dass nicht alle die fünf Werte kennen bzw. verinnerlicht haben. Mehr Bekanntheit, Zuspruch und Unterstützung hätte der Wertekatalog möglicherweise erfahren, wenn die Mitarbeiter selbst ein Mitspracherecht in der Wertedefinition gehabt hätten. Beispielsweise hätte man ihnen im Vorfeld des Führungskräfte-Workshops – via Intranet – die Fragen stellen können: Wofür steht Gugler, und wofür soll Gugler Ihrer Meinung nach stehen? Eine andere Möglichkeit der Mitarbeiter-Einbindung wäre ein nichtöffentlicher Single-Stakeholder-Dialog unter Teilnahme sämtlicher Beschäftigten gewesen, in dem die Wertefrage zum Beispiel im Rahmen eines World Cafés diskutiert hätte werden können und auch besprochen worden wäre, inwiefern jeder einzelne Mitarbeiter in seinem Aufgabenbereich einen Beitrag zu einer nachhaltigen Geschäftsentwicklung leisten könnte. Verbesserungspotenzial gibt es laut Aussagen der Mitarbeiter auch in der alltäglichen internen Kommunikation. Zwar ist die direkte Kommunikation zwischen Geschäftsleiter und Mitarbeiter als sehr gut einzuschätzen (wertschätzender Umgang, Sprechstunde, Mitarbeitergespräche etc.), Probleme sehen die Mitarbeiter selbst aber in der Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen. Hier wären gezielte Maßnahmen nötig, um besseren abteilungsübergreifenden Austausch und gemeinsame Lösungssuche für (Nachhaltigkeits-) Probleme anzuregen.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
5.4.2.2 Diversität und ganzheitliche interne Zielgruppensegmentierung bei TNT Express Austria Der Expressdienstleister TNT Austria gilt in Österreich als einer der Vorreiter im Bereich Diversity Management. Dabei handelt es sich um „ein aus den USA kommendes Konzept zur bewussten Integration von Vielfalt (Geschlecht, Alter, ethnischer Hintergrund, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion, usw.) in Organisationen“ (Sandner et al. 2007, 4). Das nun folgende Fallbeispiel erörtert, wie TNT intern Bewusstsein für einen konkreten Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit, nämlich Diversität, zu schaffen versucht, und wie es dem Unternehmen gelungen ist, Diversität als Unternehmenswert zu integrieren. Zuerst wird nun das Konzept „Diversity Management“ aus der Perspektive von TNT näher beschrieben86. Der Leser erfährt, welche Motive TNT zum Engagement im Bereich Diversity bewegten und welche diesbezüglichen Initiativen das Unternehmen setzt. Näher beleuchtet wird der Aspekt der Fairness. Dabei geht es um die Frage, wie interne Kommunikation dazu beitragen kann, dass sich „normale“ Mitarbeiter, also solche ohne Diversity-Hintergrund, durch das Engagement des Unternehmens nicht benachteiligt fühlen. Das Fallbeispiel erfüllt einige der theoretisch postulierten normativen Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation: Vor allem ist es ein Vorzeigebeispiel dafür, wie ganzheitliche Zielgruppensegmentierung in der Praxis umgesetzt werden kann. Deutlich kommt ein sozialer Aspekt der Nachhaltigkeit zum Ausdruck, nämlich die Vermeidung von Diskriminierung von Menschen mit vielfältigem Hintergrund in Bezug auf ihr Alter, ihre ethnische Herkunft, ihre sexuelle Orientierung, ihre Religion, ihre körperliche Verfassung etc. Die Daten für das Fallbeispiel stammen aus einem Experteninterview mit Erich Neuwirth, der bei TNT Express Austria für Human Ressources, Business & Social Excellence sowie Pressearbeit verantwortlich ist. Weitere Informationen wurden Vorträgen von Hr. Neuwirth im Rahmen des 3. Österreichischen CSR-Tags sowie im Rahmen der Lehrveranstaltung „Einführung in die unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation“ an der Universität Salzburg entnommen.
86
Weiterführende Literatur zum Thema Diversity Management findet sich im Literaturverzeichnis dieser Arbeit (vgl. zum Beispiel Kochan 2003, European Commission 2003 und European Commission 2005).
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
365
TNT Express Austria und seine strategischen Beweggründe für die Einführung des Diversity Managements TNT ist ein internationales Unternehmen mit Hauptsitz in den Niederlanden und Niederlassungen in 63 Ländern. Über ein Netzwerk von fast 900 Depots, Hubs und Sortierzentren liefert das Unternehmen wöchentlich 3,5 Millionen Pakete, Dokumente und Frachtstücke in über 200 Länder aus. TNT Express beschäftigt dafür weltweit rund 48.000 Mitarbeiter. Am Standort Österreich waren 2008 rund 320 Mitarbeiter tätig, 220 davon arbeiteten in der Niederlassung in WienSchwechat. Bis vor wenigen Jahren sah sich das TNT-Personalmanagement in Österreich mit der Tatsache konfrontiert, dass nur durch größten finanziellen und zeitlichen Aufwand qualifizierte Mitarbeiter gewonnen werden konnten. Die Branche galt als unattraktiv und so kam es, „dass sich auf drei Zeitungsinserate um 5.000 Euro nur rund fünf Bewerber, und auch die großteils schlechte, beworben haben“ (Neuwirth 2008a). Um Mitarbeiter überhaupt zu bekommen, musste man Löhne deutlich über dem Branchenschnitt zahlen. Weiters litt das Unternehmen unter hoher Fluktuation mit einer Fluktuationsrate von jährlich rund 25 Prozent. Die hohe Fluktuation war mit hohen Rekrutierungskosten87 sowie einem hohen Wissensverlust verbunden (vgl. Neuwirth 2008b). Eine Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit aus dem Jahr 1998 lieferte zudem ein ernüchterndes Ergebnis: „Nur 67 Prozent der Mitarbeiter sagten, sie würden das Unternehmen einem Bekannten als Arbeitgeber weiterempfehlen“ (Neuwirth 2008b). Diese Ausgangslage bewog den Personal- und Kommunikationsverantwortlichen von TNT Express Austria im Jahr 1998 dazu, mit Initiativen im Bereich Diversity zu beginnen, noch bevor das internationale Unternehmen seine konzernweite „Diversity Policy“ herausgab und eine eigene Stabsstelle für „Diversity & Inclusion“ einrichtete. Man wollte also in Österreich bewusst mögliche Arbeitnehmer ansprechen, die nicht der „klassischen Gruppe der Erwerbstätigen“88 angehörten. Konkret versprach man sich bei TNT Express Austria von der Einführung des Diversity Managements
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Wie teuer eine hohe Fluktuation dem Unternehmen kommt, zeigt eine Schätzung von diversity works/ prove (vgl. 2007, 9). Demnach rechne man im mittleren Management mit Fluktuationskosten von etwa 150 Prozent des Jahresgehaltes der betroffenen Stelle. Laut Neuwirth gehörten im Jahr 2008 in Österreich nur 1,4 Millionen Menschen der insgesamt über 4 Millionen Erwerbstätigen zur „klassischen“ Gruppe der Erwerbstätigen. Sie sind männlich, zwischen 25 und 54 Jahre alt, Österreicher, christlich, heterosexuell, nicht behindert.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele eine bessere Wahrnehmung auf dem Arbeitsmarkt als attraktiver Arbeitgeber, das leichtere Finden qualifizierter Mitarbeiter durch die gezielte Berücksichtigung von (oft unterschätzten) Arbeitskräften mit DiversitätsHintergrund, höhere Loyalität der Mitarbeiter und somit geringere Fluktuation.
Die Umsetzung von Diversity Management bei TNT Express Austria Diversity als Unternehmenswert ist im Leitbild von TNT Express Austria verankert mit dem Leitspruch: „Gelebte Vielfalt bedeutet für uns Bereicherung“. Konkret setzt das Unternehmen Initiativen in allen sogenannten Kerndimensionen des Diversity Managements: Behinderung, sexuelle Orientierung, Konfession, Kultur, Lebensalter und Gender (vgl. Neuwirth 2008a, 2008b). Für die in der Folge beschriebenen Aktivitäten im Bereich Diversity Management wurde TNT Express Austria unter anderem mit dem österreichischen CSR-Preis TRIGOS (Sonderpreis 2008) sowie mit dem Preis „Attraktivster Arbeiter Österreichs“ 2004 und 2005 ausgezeichnet. Behinderung Seit dem Jahr 2003 arbeiten vier gehörlose Mitarbeiter bei TNT in Schwechat. Gemeinsam mit dem „Wiener Taubstummen Fürsorgeverband“ (WITAF) wurde eingangs überlegt, in welchen Bereichen gehörlose Mitarbeiter bei TNT tätig sein könnten. Daraufhin wurden für zwei gehörlose Frauen eigens ausgestattete Arbeitsplätze im Bereich Dateneingabe geschaffen. Zwei männliche Mitarbeiter sollten im Lager beschäftigt werden, wo bisher die Fluktuationsrate (auch aufgrund des hohen Lärmpegels) außerordentlich hoch gewesen war. Der Einsatz der gehörlosen Mitarbeiter im Lager stellte an das Unternehmen einige Herausforderungen. So musste – in Absprache mit dem zuständigen Arbeitsinspektor – zum Beispiel der Räumungsalarm technisch neu gestaltet werden. Denn bislang hatte ein Alarmton die Mitarbeiter im Lager gewarnt, wenn gefährliche Substanzen ausgetreten waren. Mit dem Einsatz der gehörlosen Mitarbeiter wurde der Alarm für diese in ein vibrierendes Signal umgewandelt. Zu Beginn wurde den neuen gehörlosen Mitarbeitern kostenlos ein Gebärdendolmetscher zur Verfügung gestellt, welcher sie durch die Einschulungsphase begleitete. Außerdem bietet das Unternehmen nach wie vor kostenlose Kurse in der Gehörlosen-Sprache an, um anderen Mitarbeitern Berührungsängste zu nehmen. Kollegen, Vorgesetzte, Personalmanager und andere interessierte Mitarbeiter können teilnehmen, damit sich die Kommunikation mit den vier
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
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gehörlosen Mitarbeitern weiter verbessert. Um diesen Mitarbeitern möglichst dieselbe Ausgangslage zu bieten wie ihren Kollegen, werden auch sämtliche Informationsveranstaltungen von TNT durch Gebärdendolmetscher übersetzt. Mittlerweile seien die gehörlosen Mitarbeiter gut integriert, sie schulen sogar neue Mitarbeiter ein und seien „zu einem Fels in der Brandung“ geworden (Neuwirth 2008a). Sexuelle Orientierung In dieser wohl persönlichsten Kerndimension von Diversity betrachtet es TNT als seine Aufgabe, Diskriminierung und Mobbing so gut wie möglich zu verhindern. Unterstützend wirkt dabei das „Gay-Lesbian-Bisexual Network“ (GLBN), das eine konzernweite Plattform für Menschen mit anderer als heterosexueller Orientierung darstellt. Neben einer eigenen Intranet-Plattform und regelmäßigen Newslettern finden mehrmals im Jahr internationale Treffen zum Erfahrungsaustausch statt. In diesen Initiativen käme laut Neuwirth die „holländisch geprägte, liberale Unternehmenskultur“ sehr deutlich zum Ausdruck. Nahtstelle zwischen den internationalen Aktivitäten und jenen in Österreich ist ein eigener GLBN-Beauftragter. Dieser langjährige Mitarbeiter bietet zum Beispiel rechtliche Hilfestellung für gleichgeschlechtliche Partnerschaften an, vermittelt an Beratungs- und Informationsstellen und arbeitet bei Problemfällen mit dem Betriebsrat zusammen. Als beispielsweise angezeigt wurde, dass ein Mitarbeiter wegen seiner homosexuellen Orientierung gemobbt wurde, bedeutete das für den belästigenden Kollegen die Kündigung. Laut Neuwirth würden sich Mitarbeiter mit anderer als heterosexueller Orientierung im Unternehmen durchwegs wohl fühlen. Dies zeige sich zum Beispiel daran, dass zwei Führungskräfte, die gleichgeschlechtliche Partner haben, keine Scheu haben, ihre Partner regelmäßig zu Firmenveranstaltungen mitzubringen. Konfession Die spirituelle Einstellung der Mitarbeiter ist auch bei TNT Privatsache. Das Unternehmen versucht aber, dort Gleichberechtigung zu forcieren, wo die Religion das Arbeitsleben betrifft oder umgekehrt. So wurde beispielsweise am Standort in Wien-Schwechat ein Raum für die ungestörte Andacht für Gläubige unterschiedlicher Konfessionen geschaffen. Mitarbeiter können in diesem Raum während der Dienstzeit ihren Gebeten nachgehen. Damit diese Möglichkeit nicht als Pausenraum missbraucht wird, ist das Zimmer versperrbar. Mitarbeiter, die
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
den Andachtsraum nützen möchten, borgen sich für die Zeit des Gebets einen Schlüssel aus. Ein weiteres Entgegenkommen für Mitarbeiter mit nicht-christlicher Konfession versucht TNT in Bezug auf Feiertage. Es gelten im Unternehmen die gesetzlichen Feiertage in Österreich. Aber Mitarbeiter mit anderen Religionen bekommen an „ihren“ Feiertagen leichter Urlaub. Auch im Betriebsrestaurant am Standort Schwechat wird seit dem Jahr 2005 auf die Bedürfnisse von Menschen mit verschiedenen Religionen Rücksicht genommen. Neben traditionellen Gerichten bietet der Lokalbetreiber auf Anweisung von TNT nun auch täglich mindestens ein Gericht ohne Fleisch sowie ein vegetarisches Gericht an. Außerdem gibt es die Richtlinie, dass verschiedene Fleischsorten bzw. Fleisch und Gemüse nicht miteinander in Berührung kommen dürfen. Kultur TNT Express Austria beschäftigt Mitarbeiter aus 25 verschiedenen Herkunftsländern. Um Kollegen mit nicht-deutscher Muttersprache die tägliche Kommunikation zu erleichtern, bietet das Unternehmen regelmäßig Deutschkurse im Haus für Interessierte an. Dabei sei es nicht Sinn und Zweck, die Mitarbeiter perfekt zu schulen, aber es solle ihnen durch die Kurse die Angst genommen werden, wieder die Schulbank zu drücken. Zum Angebot von TNT gehören auch Fortbildungskurse in interkultureller Kompetenz. Über ein externes EmployeeService haben die Mitarbeiter außerdem die Möglichkeit, kostenlose Beratung (z.B. bei Behördenwegen) in Anspruch zu nehmen. Trotz dieser Maßnahmen komme es auch bei TNT ab und zu „zu interkulturellen Spannungen“ (Neuwirth 2008b). Aber aus Unternehmenssicht überwiegen deutlich die Vorteile eines interkulturellen Teams. Denn die Paketsendungen gehen zu 95 Prozent ins Ausland. Um dort mit den Kunden zu kommunizieren und Missverständnisse zu vermeiden, seien die Sprach- und Kulturkenntnisse der Mitarbeiter eine große Bereicherung und wichtige Ressource. Lebensalter Gezielt rekrutiert TNT Express Austria für bestimmte Positionen ältere Mitarbeiter. So wurden beispielsweise im Kundendienst und im Verkauf die durchwegs jungen Teams ergänzt durch je einen über 50-jährigen neuen Mitarbeiter. Die Erfahrung habe nämlich gezeigt, dass reifere Mitarbeiter mit Kundenbeschwerden und Hektik zum Teil besser umgehen könnten als junge Mitarbeiter (vgl. Neuwirth 2008b).
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
369
Als Entgegenkommen für ältere Mitarbeiter bietet TNT zum Beispiel die Möglichkeit der Altersteilzeit, Heimarbeit und Gesundenuntersuchungen an. Der Betriebsratsvorsitzende, ein ausgebildeter Gesundheitscoach, veranstaltet für reifere Mitarbeiter Augentrainings für die Bildschirmarbeit sowie Trainings zum richtigen Heben und Tragen. Gender In der traditionell männerdominierten Transportbranche ist es für TNT eine Herausforderung, mehr Frauen und „weibliche Werte“ in das Unternehmen zu bringen. Dies sei bisher gut gelungen. Derzeit liege der Frauenanteil bei TNT Express Austria branchenuntypisch hoch, nämlich bei 46 Prozent. Von insgesamt 34 Führungskräften waren im Jahr 2008 14 weiblich. Um diesen hohen Frauenanteil ermöglichen zu können, bietet TNT unterschiedliche Arbeitszeitmodelle an. Die Gleichstellung von Frauen und Männern zeige sich auch durch das Prinzip der gleichen Entlohnung für gleiche Tätigkeiten (vgl. Neuwirth 2008b). Diversity als Themenfeld der internen Kommunikation bei TNT Express Austria Professionelle interne Kommunikation ist Voraussetzung für effektive Diversity Programme. Auch bei TNT hat kommunikative Mitarbeitereinbindung einen hohen Stellenwert. Die Kommunikation über Diversity-Themen geht bei TNT vor allem von designierten „Diversity Champions“ aus. Diese sind in ihrem jeweiligen Land verantwortlich für die Begleitung von Diversity-Projekten sowie für die interne und externe Kommunikation über Diversity-Themen. Regelmäßige Meetings der „Diversity Champions“ sowie Diversity-Aspekte auf den Agenden bei internationalen Management-Meetings sollen die permanente Auseinandersetzung mit dem Thema sichern. In Österreich ist Personalmanager und Pressesprecher Erich Neuwirth als „Diversity Champion“ aktiv. Er versteht seine Funktion aber nicht als die des Alleinverantwortlichen für Diversity Management im Unternehmen. Vielmehr sollte „Diversity ein Querschnittsthema sein, für das letztendlich jeder einzelne Mitarbeiter Verantwortung hat“ (Neuwirth 2008b). Die Mitarbeiterkommunikation hält Neuwirth „gerade im Bereich Diversity Management für sehr wichtig“ (Neuwirth 2008b). Schon in Stellenausschreibungen, in Bewerbungsgesprächen sowie in der zweitägigen Einführungsveranstaltung für neue Mitarbeiter werde Diversity als Unternehmenswert vermittelt. Durch solche Maßnahmen des Personalmanagements sollen Mitarbeiter, die sich mit diesem Wert nicht identifizieren können, von vorneherein abgeschreckt werden. Um die face-to-face Kommunikation im Haus überhaupt zu
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
verbessern, absolviert jeder Mitarbeiter ein Kommunikationstraining. Die Führungskräfte absolvieren darüber hinaus Seminare zum professionellen Abhalten von Mitarbeitergesprächen. Als klassische Maßnahmen der internen Kommunikation verfügt das Unternehmen über einen konzernweiten vierteljährlichen „Diversity & Inclusion Newsletter“, in dem Diversity-Praxisbeispiele der einzelnen Länder präsentiert und als Ideenpool genutzt werden können. Anlaufschwierigkeiten und Rückschläge sollen dabei ebenso zur Sprache kommen wie besondere Erfolgserlebnisse und neue Erkenntnisse. Das GLBN-Netzwerk verfügt ebenfalls über einen regelmäßigen, eigenen Newsletter und veranstaltet Treffen zum Erfahrungsaustausch auf internationaler Ebene. In Österreich werden Diversity-News regelmäßig im Firmen-Newsletter, im Intranet sowie auf eigenen Touchscreens im Betriebs-Restaurant angeführt. Weiters bekommt jeder Mitarbeiter an den monatlichen Gehaltszettel angeheftet auch einen kleinen „Lagebericht“ zum Unternehmen, in dem ebenfalls neue Projekte vorgestellt werden. Außerdem haben TNT-Mitarbeiter Mousepads, die mit dem Leitbild bedruckt sind, das ebenfalls Diversity als Unternehmenswert verankert. Grundsätzlich werden Diversity-Themen aber nicht unter dem Begriff „Diversität“ angesprochen. Vielmehr versucht TNT, „den Begriff herunter zu brechen, für jeden verständlich zu machen und darzustellen, wo jeder einzelne einen Beitrag leisten kann“ (Neuwirth 2008b). Das Bewusstsein der Mitarbeiter für Diversity-Themen ist Neuwirths Einschätzung nach sehr unterschiedlich. Je stärker ein Mitarbeiter direkt oder indirekt von konkreten Initiativen betroffen ist, desto größer sei das Interesse. Deutliche Auswirkungen zeige das Diversity-Engagement bei der MitarbeiterZufriedenheit und der Fluktuationsrate: Aus zwölf Antwortmöglichkeiten, warum Mitarbeiter gerne bei TNT Express Austria arbeiten, wurde „Diversity“ als wichtigster Grund genannt. Die Fluktuationsrate lag 2008 bei 6,8 Prozent (zum Vergleich 1998: 25 Prozent). Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2008 erhielt TNT Express Austria 3.200 Bewerbungen. Trotz dieser positiven Auswirkungen des Diversity-Engagements gebe es laut Neuwirth gerade im Bereich Mitarbeiterkommunikation noch vieles zu verbessern. Problematisch sei mitunter fehlende Kontinuität. TNT kommuniziere über Diversität „meist anlassbezogen“, vorwiegend im Konfliktfall, zum Beispiel um Mitarbeitern zu erklären, warum ein Kollege mit Diversitätshintergrund trotz schwieriger Einarbeitungsphase eingestellt wurde. Über die anlassbezogene Mitarbeiterkommunikation hinaus fehle es aber an proaktiver interner Kommunikation zu Diversity-Themen.
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
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Wie viel Vielfalt verträgt ein Unternehmen? Den Diversity-Ansatz von TNT Express Austria zeichnet aus, dass sich das Unternehmen um sämtliche Kerndimensionen annimmt, und nicht einzelne Aspekte (zum Beispiel nur ältere Arbeitnehmer, nur Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung) herausgreift. Durch den ganzheitlichen Zugang ergeben sich für das Unternehmen aber auch Herausforderungen, die sich in der Frage zusammenfassen lassen: Wie viel Vielfalt verträgt ein Unternehmen? In jüngster Vergangenheit haben sich laut Neuwirth (vgl. 2008) unter anderem folgende konkrete Diskussions- und Konfliktpunkte ergeben: Wie viel Zeit gibt man einem Mitarbeiter, der aus Diversity-Gesichtspunkten eingestellt wurde, um sich einzuarbeiten? Wie lässt sich verhindern, dass sich andere, „normale“ Mitarbeiter durch die Diversity-Initiativen benachteiligt oder unfair behandelt fühlen, zum Beispiel wenn Kollegen in der Arbeitszeit ihrem Gebet nachgehen? Wie geht man damit um, wenn es in einem Team zu Mobbing kommt? Wo liegt die Grenze zwischen dem Erfüllen individueller Bedürfnisse und dem Erfüllen von Arbeitsanforderungen? All diese Punkte bergen erhebliches Konfliktpotenzial, besonders dann, wenn Missbilligung im Stillen brodelt anstatt diskutiert zu werden (vgl. Neuwirth 2008b). Deshalb ist es eine wesentliche, wenn auch heikle Aufgabe des „Diversity Champions“, intern Augen und Ohren offen zu halten und Konfliktpunkte offen anzusprechen. Evaluation der internen Nachhaltigkeitskommunikation aus normativer Sicht und Verbesserungspotenziale Das Fallbeispiel hat gezeigt, wie ein Unternehmen der Heterogenität von Mitarbeitern Rechnung tragen kann. TNT hat personelle Vielfalt als Unternehmenswert etabliert – die Herausforderung ist es nun, diesen Wert mit all den damit verbundenen Reibungsflächen im täglichen Geschäftsalltag zu leben. Aus normativer Sicht begrüßenswert ist TNTs ganzheitlicher Ansatz in der internen Zielgruppen-Segmentierung. Während andere Unternehmen interne Zielgruppen überhaupt nicht in Sub-Zielgruppen segmentieren oder maximal anhand grober Kriterien wie Ausbildung oder Führungsebene, zieht TNT differenzierte soziale Aspekte zur Unterscheidung interner Zielgruppen heran, nämlich Alter, Gender, Behinderung, sexuelle Orientierung, Religion oder Kultur. Für diese einzelnen Zielgruppen gibt es auch spezifische Kommunikations- bzw. Beratungsinstrumente (zum Beispiel GLBN-Newsletter, Gesundheitstraining für ältere Arbeitnehmer, Seminare zur interkulturellen Kommunikation etc.). Verbesserungspotenzial orte ich im weiteren Ausbau solcher zielgruppenspezifi-
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
schen Kommunikationsinstrumente. Dabei sollte neben dem Fokus auf Diversity-Zielgruppen nicht auf das Gros der Mitarbeiter, nämlich auf Beschäftigte ohne Diversity-Hintergrund, vergessen werden. Diese können als eigene Zielgruppe betrachtet werden, die vor der teils schwierigen Aufgabe steht, tagtäglich mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die in gewisser Hinsicht „anders“ sind, die möglicherweise längere Einarbeitungszeiten brauchen, die deutsche Sprache nicht perfekt verstehen etc. TNT erkennt den hohen Stellenwert der Mitarbeiterkommunikation, um das Bewusstsein und Verständnis für Diversität zu heben. In der Praxis findet die Kommunikation aber eher in Form von einseitiger Information statt. Zwar besteht grundsätzlich (verankert in der Unternehmenskultur) die Möglichkeit zu offener symmetrischer Zweiweg-Kommunikation (Stichwort Open-Door Policy), diese wird aber vorwiegend in akuten Konfliktfällen genützt. Verbesserungsmöglichkeiten sehe ich daher im Ausbau proaktiver, kontinuierlicher Kommunikationsaktivitäten. Es böte sich zum Beispiel an, einen jährlichen, internen Diversity-Tag im Unternehmen einzuführen, an dem Wünsche, Verbesserungsvorschläge und Schwierigkeiten, die sich durch die personelle Vielfalt ergeben, offen unter der Leitung eines externen Moderators diskutiert werden. Wichtig wäre, dass dabei Mitarbeiter mit Diversitäts-Hintergrund genauso zu Wort kommen wie „normale“ Mitarbeiter. Im Vorfeld könnten im Rahmen einer anonymen Diversity-Mitarbeiter-Befragung die Anliegen der Beschäftigten erhoben werden, um so eine Ausgangsbasis für die Diskussion zu schaffen. Ein solcher Diversity-Schwerpunkt in der Kommunikationsarbeit könnte die Integration der Beschäftigten mit Diversity-Hintergrund fördern und gleichzeitig ans Licht bringen, in welchen Punkten sich „normale“ Mitarbeiter eventuell benachteiligt oder unfair behandelt fühlen. Wieder möchte ich anhand des in Kapitel 4.7.3.5 vorgestellten Balkendiagramms versuchen, die interne Kommunikation von TNT Express Austria im Bereich Diversity Management aus normativer Sicht zu evaluieren: Höchstwerte verdient der Aspekt der ganzheitlichen Zielgruppensegmentierung. Die Berücksichtigung der Prinzipien nachhaltiger Entwicklung ist als gut zu bewerten, da zumindest auf soziale Aspekte geachtet wird. Als gut eingeschätzt werden kann die funktionale Integration, also die Einbindung des Diversity-Themas in verschiedene (in diesem Fall interne) Kommunikationsinstrumente. Den eher mittelmäßigen Wert von 0,6 bekommt TNT für den Aspekt der Zielsetzung. Klar stehen Business-Motive wie Mitarbeiter-Rekrutierung, geringere Fluktuation und besseres Image im Vordergrund der Diversity-Aktivitäten. Als „Nebenziel“ kann aber auch ein „Public Case“ identifiziert werden. Mittelmäßig schneidet meiner Ansicht nach auch der Aspekt der symmetrischen Kommunikation ab. Schlechter zu bewerten ist der Aspekt der Verständigungs-
5.4 Interne Kommunikation als Aufgabenbereich
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orientierung, denn im Laufe meiner Recherchen kam mir kein Hinweis darauf unter, dass die internen Kommunikationsmaßnahmen von TNT auf Verständigungsorientierung abzielen würden. Drei der in Kapitel 5.7.3 dargestellten Kriterien müssen in Abbildung 72 weggelassen werden: Die Dimension der Stakeholder Intergration wird ausgespart, da nur die Mitarbeiterkommunikation, und nicht die Kommunikation mit externen Stakeholdern betrachtet wurde. Auch die Dimensionen der organisationalen Integration sowie der fairen Information werden nicht bewertet, da ich in diesen Bereichen als Außenstehende zu wenig Einblick gewinnen konnte. Zielsetzung: Marketing, Business, Public Case Prinzipien der nh. Entwicklung Verständigungsorientierung symmetrische Kommunikation ganzheitl. ZG-Segmentierung funktionale Integration 0
0,1
0,2
0,3
0,4
0,5
0,6
0,7
0,8
0,9
1
Abbildung 72: Evaluation der internen Kommunikation von TNT im Bereich Diversity Management aus normativer Sicht (eigene Darstellung)
Aus Sicht der Public Relations ist das Diversity-Engagement sehr positiv zu bewerten. Ursprüngliche Ziele für dessen Einführung waren zwar Personalmanagement-Ziele (attraktiverer Arbeitgeber, größerer Talentepool, höhere Loyalität, weniger Fluktuation), aber mittlerweile trägt das Diversity Management bei TNT auch zur Erreichung klassischer Public Relations Ziele bei. Laut Neuwirth habe sich das Unternehmen als Meinungsführer und Vorreiterunternehmen in Sachen personeller Vielfalt etabliert. In der Medienarbeit drücke sich das dadurch aus, dass Journalisten aktiv den Kontakt zu TNT suchen anstatt umgekehrt. Insgesamt habe sich die Reputation des Unternehmens durch das Diversity-Engagement verbessert.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
5.4.3 Ausgewählte Erfolgsfaktoren für interne Nachhaltigkeitskommunikation Beide Good-Practice-Unternehmen – der mittelständische Multimedia-Betrieb Gugler wie auch der Expressdienstleiter TNT Express Austria als Teil eines multinationalen Konzerns – stellen die interne Kommunikation zu ausgewählten Nachhaltigkeitsthemen über die externe Kommunikation. Nicht Eigenlob nach außen, sondern Bewusstseinsbildung unternehmensintern steht im Vordergrund der Kommunikationsaktivitäten. In gewissem Sinne betrachten beide Unternehmen das „Anderssein“ als Ressource und nicht als Gefahr. Gugler möchte sich durch das Nachhaltigkeitsengagement mitunter Kunden sichern, die ebenfalls ökologische und soziale Werte schätzen. TNT möchte durch das Diversity-Engagement gezielt einen größeren Pool an potenziellen Mitarbeitern ansprechen. Hier zeigt sich also deutlich, wie aus Unternehmenssicht ein „Business Case“ im Vordergrund steht, aber gleichzeitig ein „Public Case“ erfüllt werden kann. Auch in der praktischen Gestaltung der Mitarbeiterkommunikation finden sich in den beiden Unternehmen Parallelen. Keiner der Betriebe verfügt über eine ausgewiesene Kommunikationsabteilung. Vielmehr wird Nachhaltigkeitskommunikation jeweils von einem „Change Agent“ getragen. Im Fall Gugler ist der Chef selbst der Innovator, im Falle TNT ist es der Personalmanager als „Diversity Champion“. Die zukünftige soziale und ökologische Entwicklung beider Unternehmen hängt zu einem großen Teil an diesen beiden Persönlichkeiten. Für die Mitarbeiter bedeutet das klare Strukturen. Das Festmachen des Nachhaltigkeitsengagements an einzelnen Persönlichkeiten, von denen absehbar ist, dass sie nicht ewig im Unternehmen bleiben werden, ist aus meiner Sicht aber zugleich mit einem Risiko verbunden. Deshalb erscheint es mir wichtig, dass das Nachhaltigkeitsengagement als Unternehmenswert und somit als fixer Bestandteil der Unternehmenskultur auch schriftlich verankert wird. Darüber hinaus könnten andere engagierte Mitarbeiter als „Verbündete“ und „interne Botschafter“ für verstärktes Nachhaltigkeitsengagement gewonnen werden. Grundsätzlich sehe ich durch die Fallbeispiele einige Erfolgsfaktoren der internen Nachhaltigkeitskommunikation, die sich schon in der Literaturanalyse zu Beginn dieses Kapitels gezeigt haben, bekräftigt. Auf Seiten des Unternehmens ist eine offene, tolerante, innovationsfreudige Unternehmenskultur verbunden mit einem transformativen Führungsstil Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter Nachhaltigkeit als Wert begreifen, akzeptieren und auch umsetzen (vgl. Collier/Esteban 2007). Das für Nachhaltigkeitsmanagement erforderliche „Veränderungslernen“ (Baedeker/Meier/Rohn 2005, 637) wird durch die Vorbildwirkung der Führungsperson bzw. eines „Change Agents“ erleichtert. Im Idealfall geht Nachhaltigkeitskommunikation organisatorisch nicht von einer
5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich
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einzelnen Person oder Abteilung aus, sondern mehrere interessierte und engagierte Beschäftigte werden mit eingebunden. Diese gehören idealerweise der „dominant coalition“ des Betriebes an, also jener Gruppe, die nicht aufgrund ihrer hierarchischen Position, sondern aufgrund ihrer persönlichen Akzeptanz Einfluss auf die Meinungen und Verhaltensweisen anderer Kollegen hat. Schlussendlich wird das soziale und ökologische Engagement des Unternehmens aber nur dann akzeptiert werden, wenn sich der einzelne Mitarbeiter dadurch nicht benachteiligt oder unfair behandelt fühlt. Dies gilt besonders für Diversity Management als Aufgabenbereich des Nachhaltigkeitsmanagements. Hier zählt es zu den Aufgaben des (Kommunikations-) Praktikers, proaktiv Stimmungsbilder zu erheben und im Konfliktfall mitunter als Mediator zu agieren.
5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich der Nachhaltigkeitskommunikation 5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich Die Erstellung von schriftlichen Nachhaltigkeitsberichten – in der Literatur häufig auch als Nachhaltigkeitsberichterstattung89 beschrieben – ist jenes Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation, welches in der unternehmerischen Praxis wie auch in der wissenschaftlichen Forschung bisher bei weitem die meiste Aufmerksamkeit erhalten hat. Parallel zur jährlichen Zunahme an Nachhaltigkeitsberichten entwickelte sich ein reges (vor allem empirisches) Forschungsinteresse. Im folgenden wird nun der Stand der Wissenschaft knapp zusammengefasst. Berücksichtigung finden dabei unter anderem der Status-Quo der Nachhaltigkeitsberichterstattung, Prozesse, unternehmerische Motive, inhaltliche Entwicklungstendenzen der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie empirische Ergebnisse zu Stakeholdererwartungen (Kapitel 5.5.1, 5.5.2 und 5.5.3). Diese theoretische Einführung soll dem Leser die nötige Wissensbasis vermitteln für den eigentlichen empirischen Teil zu Nachhaltigkeitsberichterstattung (Kapitel 5.5.4), nämlich die Präsentation von Good-Practice-Beispielen. Konkret wurden in aufwändiger Recherche nationale und internationale Berichte identifiziert, die für spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (mangelnde Glaubwürdigkeit und geringes Leserinteresse) besonders gute und kreative Lösungen bieten. Abschließend wird erörtert, inwiefern in den ausgewählten Berichten normative Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation berücksichtigt werden. 89
Mit Nachhaltigkeitsberichterstattung ist in dieser Arbeit das schriftliche, unternehmerische Reporting von Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen gemeint, nicht etwa mediale Nachhaltigkeitsberichterstattung.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
5.5.1 Theoretischer Hintergrund: Begriffsbestimmung, Status Quo, Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung und unternehmerische Motive Im weiteren Sinne können als Nachhaltigkeitsberichte alle Formen des „Nonfinancial Reportings“ (außerfinanzielle Berichterstattung) bezeichnet werden. Darunter fallen reine Umwelt-, bzw. Sozialberichte, kombinierte Umwelt-, und Sozialberichte, „Environment, Health and Safety“ Berichte und eben Reports mit der Bezeichnung „Nachhaltigkeitsbericht“. Im engeren Sinne bezeichnet der Ausdruck Nachhaltigkeitsbericht jene Unternehmensberichte, welche in ihrem Titel explizit das Thema Nachhaltigkeit oder soziale Verantwortung aufgreifen, also Nachhaltigkeitsberichte, Corporate Social Responsibility Reports, Corporate Citizenship Reports, Sustainability Reports bzw. Sustainable Development Reports. Im Idealfall stellen diese Berichte die drei Säulen der Nachhaltigkeitskommunikation in integrierter Form, d.h. mit ihren Wechselwirkungen, dar. Als erster Bericht, in dem wirtschaftliche, soziale und Umweltthemen kombiniert veröffentlicht wurden, gilt jener von Body Shop aus dem Jahr 1997 mit dem Titel „Values Report“ (vgl. Schönborn/Steinert 2001, 73). Seitdem ist eine klare Tendenz von der reinen Umweltberichterstattung zur integrierten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu erkennen, wie CorporateRegister (vgl. 2008), das internationale Verzeichnis von Nachhaltigkeits- und CSR-Berichten, bekräftigt (vgl. Abbildung 73). Demnach wurden im Jahr 2008 schon mehr als 80 Prozent der bei CorporateRegister erfassten „Non-financial Reports“ als Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichte bezeichnet, während die Zahl der reinen Umweltberichte mittlerweile auf rund zehn Prozent gesunken ist.
Abbildung 73: Typen von nicht-finanziellen Berichten (CorporateRegister 2008)
5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich
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In absoluten Zahlen zählte CorporateRegister im Jahr 2007 weltweit 2820 nichtfinanzielle Berichte, wobei zahlreiche Reports vor allem von Klein- und Mittelbetrieben nicht erfasst werden. Insgesamt ist eine deutliche Steigerung der Zahl der nicht-finanziellen Berichte zu erkennen. Im Jahr 2000 zählte CorporateRegister noch nur 824 Berichte, im Jahr 2002 stieg die Zahl auf 1437 Berichte, und im Jahr 2005 waren es bereits 2252 Berichte (vgl. CorporateRegister 2008). Besonders verbreitet ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung in Großkonzernen. So ergab etwa eine Erhebung unter den FTSE100-Unternehmen im März 2007, dass 86 Prozent der 100 befragten Konzerne “Non-financial Reports” entweder selbst verfassen (81 Prozent) oder ihre Aktivitäten im Rahmen des Berichts einer verwandten Gesellschaft (meist Muttergesellschaft) darstellen (vgl. CorporateRegister 2008). Innerhalb von Großkonzernen ist die Branche mit ausschlaggebend dafür, ob über soziale und ökologische Wirtschaftsaspekte berichtet wird. Als die Top-Fünf-Branchen mit besonders hohem Publikationsgrad gelten die chemische Industrie, Stromversorger, Banken, Öl- bzw. Gaskonzerne sowie Transportunternehmen (vgl. CorporateRegister 2008). Jedoch die Erstellung von Unternehmensberichten beansprucht viele Ressourcen: Der Prozess der Berichterstattung zieht sich zumeist über Monate, und zumindest sieben Stufen sollten dabei durchlaufen werden: vom Zusammenstellen eines Berichtsteams über die Identifikation von Anspruchsgruppen, Zieldefinition, Informationssammlung bis hin zum Schreiben, Gestalten und Verbreiten des Berichts (vgl. Abbildung 74). Im Detail beschreiben Kanatschnig/Resl/Strigl (vgl. 2003, 2) den Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung folgendermaßen: In 7 Schritten zum Report Schritt 1 Die Rahmenbedingungen klären 1.1 Das Team bilden 1.2 Den Zeitplan erstellen und Ressourcen sichern 1.3 Sich auf die Grundaussage(n) einigen Schritt 2 Themen und Anspruchsgruppen identifizieren 2.1 Wer steht mit Ihrem Unternehmen in Verbindung? 2.2 Welche Themen sind für das Unternehmen relevant? 2.3 Für die zentralen Anspruchsgruppen ein Profil erstellen Schritt 3 Ziele für das Unternehmen und den Bericht erstellen 3.1 Der Unternehmens-Check Teil I: Was ist vorhanden? 3.2 Der Unternehmens-Check Teil II: Wie tiefgreifend wirkt das Vorhandene? 3.3 Impulse für die weitere Entwicklung des Unternehmens geben 3.4 Das Konzept für den Bericht entwerfen
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
Fortsetzung: Abbildung 74 Schritt 4 Daten und weitere Informationen sammeln 4.1 Konzepte für die Kapitel erstellen 4.2 Daten und Informationen im Unternehmen sammeln Schritt 5 Den Bericht schreiben 5.1 Die Kapitel füllen 5.2 Überprüfung und Bewertung Schritt 6 Den Bericht gestalten 6.1 Noch offene Aufgaben erledigen 6.2 Das Layout fertig stellen Schritt 7 Den Report verbreiten
Abbildung 74: Der Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung: In sieben Schritten zum Nachhaltigkeitsbericht (Kanatschnig/Resl/Strigl 2003, 2)
Ein solcher Prozess der Berichterstattung ist mit hohen Kosten verbunden. In ihrer Studie zur Umweltberichterstattung in Deutschland erhoben Fichter/Loew (1997), welchen durchschnittlichen Aufwand Unternehmen für die Berichterstattung auf sich nehmen. Bei Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern lag der durchschnittliche Arbeitsaufwand für die Erstellung von Umweltberichten bei 69 Arbeitstagen, bei mittelgroßen Unternehmen mit 500 bis 1000 Mitarbeitern bei 35 Arbeitstagen, bei kleinen Unternehmen mit 1 bis 49 Mitarbeitern immerhin bei 30 Arbeitstagen. Es ist davon auszugehen, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung aufgrund ihrer höheren Komplexität noch mehr Ressourcen beansprucht als die von Fichter/Loew untersuchte Umweltberichterstattung. Angesichts eines derart hohen Aufwands allein an personellen Ressourcen stellt sich die Frage, warum immer mehr Unternehmen freiwillig, also ohne direkten gesetzlichen Druck, Nachhaltigkeitsberichte publizieren. Im deutschsprachigen Raum identifizierten Clausen et al. in ihrer empirischen Untersuchung von 61 Berichten deutscher Großunternehmen (vgl. Clausen et al. 2001, 10 ff) folgende drei Grundmotive für die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichtes: (1) (2)
(3)
marktorientierte Motive, wobei sich Unternehmen durch den Nachhaltigkeitsfokus das Erschließen neuer Kundengruppen erhoffen, managementorientierte Motive, wobei Unternehmen weniger auf Öffentlichkeitsarbeit bedacht sind, sondern durch die Berichte das interne Nachhaltigkeitsmanagement vorantreiben möchten, sowie öffentlichkeitsorientierte Motive vor allem in Unternehmen, die oder deren Branchen mit Imageproblemen zu kämpfen haben.
5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich
379
Zusätzlich zu diesen drei Motivebenen berichten jüngere Studien (vgl. KPMG/ University of Amsterdam 2005; KPMG 2008) von einer weiteren Motivlage, nämlich ethischen Motiven. Im Rahmen der KPMG-Studie aus dem Jahr 2008 nannten 69 Prozent der 350 befragten Großkonzerne ethische Überlegungen („ethical considerations“) als Hauptmotiv für das Verfassen eines Nachhaltigkeitsberichtes, gefolgt von wirtschaftlichen Überlegungen sowie Reputation und Innovation als weitere Triebfedern. Im Jahr 2005 waren noch wirtschaftliche Überlegungen das Hauptmotiv gewesen, damals gefolgt von ethischen Überlegungen, Innovation und Mitarbeitermotivation. Auch im Verlauf meiner eigenen Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg konnte ich ähnliche Funktionen der Nachhaltigkeitsberichterstattung identifizieren90. Zusammenfassend möchte ich folgende fünf Funktionen von Nachhaltigkeitsberichten ableiten, die unternehmensspezifisch jeweils unterschiedliche Beachtung zu finden scheinen und sich zum Teil auch überschneiden: 1.
2.
3.
90
Der Nachhaltigkeitsbericht als Managementinstrument: Der Bericht wird vorwiegend als Zwischenprodukt eines kontinuierlichen Nachhaltigkeitsprozesses betrachtet, der den Ist-Stand vollständig, ehrlich und umfassend abbildet und das Unternehmen auf die Erfüllung von künftigen Nachhaltigkeitszielen verpflichtet (vgl. Gond/Herrbach 2006). Der Bericht dient mehr der internen Dokumentation und Aufarbeitung von Daten als der externen Kommunikation. Im Vordergrund steht ein „Business Case“ der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Nachhaltigkeitsbericht als Instrument zur internen Bewusstseinsbildung und Mitarbeiterbindung: Als wichtigste Zielgruppen für den Bericht werden Mitarbeiter und deren Familien definiert. Diese sollen auf das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens hingewiesen werden und somit Nachhaltigkeit als Wert begreifen und akzeptieren. Neben der Bewusstseinsbildung ist ein weiteres Kernziel eine bessere Mitarbeiterbindung und höhere Loyalität der Mitarbeiter. Der Nachhaltigkeitsbericht als Reputationsinstrument und Beitrag zur Stakeholder-Kommunikation: Der Bericht soll die Reputation des Unternehmens verbessern helfen, indem einer möglichst breiten Öffentlichkeit (über Kunden und Mitarbeiter hinaus) das Nachhaltigkeitsengagement des Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Einführung in die unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation“ hielten zahlreiche Vertreter von Vorzeigeunternehmen aus dem deutschsprachigen Raum Vorträge über ihre Gründe für das Verfassen von Nachhaltigkeitsberichten. Außerdem analysierten die Studierenden insgesamt mehr als 40 unterschiedliche Berichte aus verschiedenen Branchen aus dem In- und Ausland.
380
4.
5.
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele Unternehmens vermittelt wird. Zum Teil werden Stakeholder bereits in den Prozess der Berichterstattung mit einbezogen bzw. kommen im Bericht selbst zu Wort. Der fertige Bericht wird in der Regel öffentlichkeitswirksam (in Form einer Pressekonferenz oder sonstigen Veranstaltung) präsentiert. Der Bericht als Instrument zur Kundenakquise: Das Unternehmen betrachtet sein Nachhaltigkeitsengagement als Wettbewerbsvorteil bzw. „unique selling proposition“ am Markt. Wichtigste Zielgruppe für den Nachhaltigkeitsbericht sind deshalb bestehende Kunden und mögliche neue Kunden. Gezielt soll der Bericht Kunden ansprechen, die sich ebenfalls im Bereich Nachhaltigkeit engagieren möchten. Das Unternehmen verfolgt mit dem Bericht klar einen „Business Case“. Der Bericht als Werbeinstrument: Der Nachhaltigkeitsbericht ist gestaltet wie eine Werbebroschüre und konzentriert sich unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit vorwiegend auf die positive Darstellung des Unternehmens und seiner Produkte. Nicht transparente, umfassende Information steht im Vordergrund, sondern Werbewirksamkeit im Sinne eines „Marketing Case“.
5.5.2 Aktuelle Entwicklungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung 5.5.2.1 Verschiebungen in der personellen Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitsberichterstattung Aus Sicht der Public Relations ist es eine der markantesten Entwicklungen, dass die Verantwortung für Nachhaltigkeitsberichterstattung von Kommunikationsbzw. Public-Relations-Abteilungen abzuwandern scheint in Richtung eigener Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Gremien. Aus einer weltweiten KPMG-Studie (vgl. 2008) geht hervor, dass nur noch 8 Prozent der Top-250 Unternehmen Public Relations Abteilungen mit dem Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung betrauen. Am häufigsten sind eigene Nachhaltigkeitsabteilungen (48 %) bzw. CSR Kommitees (11 %) zuständig, seltener Abteilungen für Auditierung (4 %) bzw. Risikomanagement (3 %). Auch in Österreich ist die Tendenz zu orten, dass nicht mehr – wie noch vor einigen Jahren – Public Relations oder Investor Relations hauptverantwortlich sind für die Berichterstellung, sondern eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte, die in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsabteilung und anderen Abteilungen die Berichte erstellen. Diese Entwicklung, Nachhaltigkeitsberichterstattung aus dem Aufgabenfeld der Public Relations auszugliedern, geht meiner Einschätzung nach einher mit einer Verschiebung in den Hauptzielsetzungen für Nachhaltigkeitsberichterstattung. Ethische und ökonomische Überlegungen sowie Ziel-
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381
setzungen des Innovations- und Risikomanagements haben das bislang kommunikationsorientierte Motiv der Imageverbesserung teilweise abgelöst (vgl. KPMG 2008, 18). Betrachtet man strategische Kommunikation aus rein instrumenteller Sicht und die Rolle des Public Relations Praktikers als jene des Kommunikationstechnikers (vgl. Dozier 1992, 327 f), so scheint die Bedeutung der Kommunikationsfunktion für die Nachhaltigkeitsberichterstattung tatsächlich zu schwinden. Nur noch Fragen der grafischen Gestaltung sowie die Zusammenarbeit mit Agenturen würden dann in den Aufgabenbereich der Public Relations fallen. Das Aufgabenfeld erweitert sich aber deutlich, wenn die Kommunikationsfunktion eine strategische Funktion erreicht und die Rolle des Public Relations Praktikers als jene des Kommunikationsmanagers (vgl. Dozier 1992, 327 f) verstanden wird. Dies liegt durchaus im Eigeninteresse von Unternehmen, die Nachhaltigkeitsmanagement ernst nehmen. An dieser Stelle sei verwiesen auf die Kapitel 2.7 sowie 3.4.3 und 3.4.4, wo auf mehreren Ebenen Unterstützungspotenziale professioneller, strategischer Kommunikationsarbeit für eine nachhaltigkeitsorientierte Unternehmensentwicklung ausgemacht wurden. 5.5.2.2 Bedeutungszunahme von Standards der Nachhaltigkeitsberichterstattung Verschiedene Institutionen auf internationaler sowie nationaler Ebene haben in der jüngsten Vergangenheit versucht, Standards für Nachhaltigkeitsberichte zu definieren, um Unternehmen Richtlinien bereit zu stellen und die Vergleichbarkeit der Berichte zu ermöglichen. Vorreiter und meistbeachtete Standardisierungsinitiative ist die Global Reporting Initiative (GRI)91. Die Initiative wurde von CERES (Coalition for Environmentally Responsible Economies) und UNEP (United Nations Environmental Program) im Jahr 1997 gegründet und ist den Vereinten Nationen als ein „UNEP Collaborating Centre“ angeschlossen. GRI hat es sich zum Ziel gesetzt, „berichterstattende Organisationen und ihre Stakeholder bei der Gliederung und dem Verstehen von Beiträgen der berichterstattenden Organisationen zur nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen“ (GRI 2002, 1). Die Initiative soll durch vorgeschriebene Indikatoren für jede der drei Nachhaltigkeitsdimensionen sowie durch integrierte Indikatoren helfen, die Verfahrensweisen der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf eine Ebene zu heben, die jener der Finanzberichterstattung gleicht. 2006 erstellte die Initiative die dritte Generation ihres Leitfadens, die „G3 Sustainability Reporting Guidelines“. Das umfassende Kompendium gibt in mehreren Sprachen präzise Anleitung, wie und anhand welcher Prozesse Nach91
Im Jahr 2008 erstellten bereits 45 Prozent der weltgrößten 350 Unternehmen ihre Berichte entsprechend der GRI-Richtlinien (vgl. KPMG 2008).
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
haltigkeitsberichterstattung generell durchzuführen ist und welche Indikatoren Unternehmen im allgemeinen sowie Unternehmen bestimmter Branchen (Logistik, Bergbau, Telekommunikation, Autoindustrie etc.) in die Berichterstattung integrieren sollten92. Unternehmen können diese Bereiche umfassend erfüllen oder nur in Teilbereichen. Externe Auditoren stellen in der Regel ein Attest aus, inwieweit ein bestimmter Bericht den GRI-Kriterien entspricht. Im Jahr 2006 veröffentlichten bereits mehr als 1.100 Organisationen aus über 70 Ländern Nachhaltigkeitsberichte, die sich an den GRI Richtlinien orientierten bzw. diese vollständig umsetzten. Bewertungskriterien für Reports lassen sich auch aus verschiedenen Rankings ableiten. Auf internationaler Ebene organisiert CorporateRegister Rankings von Nachhaltigkeitsberichten. Auf europäischer Ebene wird jährlich der ESRA, der European Sustainability Reporting Award, verliehen. In Österreich wird von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder jährlich der ASRA, der Austrian Sustainability Reporting Award, vergeben. 5.5.2.3 Entwicklung gesetzlich vorgeschriebener Berichterstattungspflichten Weltweit sind Tendenzen zu erkennen, Unternehmen die Publikation von zumindest ausgewählten Nachhaltigkeits-Indikatoren gesetzlich vorzuschreiben (vgl. Elkington 2004, 9; Gröner 2000, 22). In Europa zeigt sich diese Entwicklung spätestens seit dem Jahr 2003 mit dem Inkrafttreten der EU-Modernisierungsrichtlinie für Jahres- und Konzernabschlüsse (vgl. Brom/Frey/ Jasch 2008). Diese Richtlinie, welche unter anderem eine um Sozial- und Umweltbelange erweiterte Berichterstattung im Lagebericht vorsieht, war bis 1.1.2005 in nationales Recht umzusetzen. In Österreich sind die maßgeblichen Regelungen dafür verankert in §243 Unternehmensgesetzbuch für Einzelgesellschaft und in §267 Unternehmensgesetz für die Konzernlageberichterstattung. Dort heißt es nun unter anderem, dass große Kapitalgesellschaften (definiert als Konzerne mit über 250 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme über 14,6 Millionen Euro bzw. einem Umsatz von über 29,2 Millionen Euro) eine „erweiterte CSRBerichterstattung“ durch „nicht-finanzielle Leistungsindikatoren“ im Lagebericht des Geschäftsberichts anführen müssen (vgl. Frey 2008). Gesetzliche Regelungen zur Berichtspflicht über ökologische und soziale Wirtschaftsaspekte wurden in der jüngeren Vergangenheit auch außerhalb Europas beschlossen. (vgl. ACCA/Corporate Register 2004, 50; Meisling 2004; KPMG/University of Amsterdam 2005, 40ff), zum Beispiel in Japan, Australien oder den USA. 92
Ein Überblick über die Kernbereiche der G3-Richtlinien findet sich im Internet unter http:// www.globalreporting.org.
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5.5.2.4 Zusammenwachsen von Geschäfts-, und Nachhaltigkeitsberichten Vor allem börsennotierte Unternehmen haben vielfach erkannt, dass sich Finanzund Nachhaltigkeitsberichte in ihren Themen überlappen. Finanzthemen erscheinen in den Nachhaltigkeitsberichten, und umgekehrt Nachhaltigkeitsthemen in den Finanzberichten. Immer mehr Unternehmen haben daher damit begonnen, „ihre Nachhaltigkeits- und Finanzberichte in einem einzigen Jahresbericht zu vereinigen“ (GRI 2002, 68). Vorreiter sind Unternehmen, deren Tätigkeitsfeld direkt mit Nachhaltigkeitsthemen zusammenhängt. In Österreich sind in diesem Zusammenhang etwa die Bundesforste, die VBV Vorsorgekasse oder oekostrom zu nennen. Schwieriger ist der Schritt für Unternehmen, für die das Nachhaltigkeitsengagement weniger auf der Hand liegt. Auch bei diesen könne es laut der auf CSR spezialisierten Wirtschaftsprüferin Frey (vgl. 2008) langfristig gesehen aber keine Separierung von Nachhaltigkeits- und Geschäftsthemen geben und somit auch keine Separierung von Nachhaltigkeits- und Geschäftsberichten. Die Zusammenfassung von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsthemen zu einem einzigen Bericht stellt aber einen schwierigen Lern- und Entwicklungsprozess dar. Der Umfang der Publikation droht auszuufern, weil gesetzlichen Anforderungen für Geschäfts- bzw. Lageberichterstattung einerseits und qualitativen Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung andererseits entsprochen werden muss. Als mögliche Lösungsansätze werden die Auslagerung von nicht gesetzlich geforderten Zusatzinformationen ins Internet sowie die Gestaltung eines übersichtlichen Inhaltsverzeichnisses diskutiert (vgl. ASRA 2008). Problematisch ist auch, dass viele Nachhaltigkeitsindikatoren qualitativer Natur sind und sich nur schwer in finanzielle Werte übersetzen lassen. Hier ist noch einiges an konzeptioneller Arbeit zu leisten. 5.5.2.5 Verlagerung von Berichtsteilen ins Internet Die Vielfalt an Nachhaltigkeitsindikatoren, der zunehmende Umfang der Berichte und der Papierspar-Gedanke haben dazu geführt, dass einige Unternehmen verstärkt das Internet als Kommunikationsplattform für Nachhaltigkeitsberichterstattung nützen. Während vereinzelte Unternehmen ihre Berichte überhaupt nur online zur Verfügung stellen (zum Beispiel der Minenkonzern Anglo American), wählen andere Unternehmen (zum Beispiel Vodafone) den Weg, nur einen Teil der Berichterstattung ins Netz auszulagern. Im gedruckten Bericht integrieren sie dann Links zu den vertiefenden Informationen im Internet. Das Internet bietet für die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine Reihe von Vorteilen: Praktisch von überall auf dem Globus können Interessierte auf die Homepage zugreifen, und dort selektiv nach den für sie relevanten Informationen
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
in dem für sie relevanten Grad an Detaildarstellung suchen. Es besteht die Möglichkeit des Feedbacks über Email oder eigene Foren (vgl. Ki-Cheol 2005, 112 ff). Das Internet hebt außerdem die in den Printmedien dominierende, lineare Dokumentstruktur auf. Statt eines rein sequentiellen Lesens ermöglicht das Internet netzwerkartige Dokumentstrukturen mit vielfältigen Verzweigungen („Hyperlinks“) bzw. audiovisuelle Darstellungsformen, die eine assoziative Aufnahme der Inhalte unterstützen (vgl. Isenmann 2002, 6). Durch die gute Vernetzbarkeit der unterschiedlichen Themen innerhalb des Internetauftritts wird eine ganzheitliche Leistungsdarstellung des Unternehmens in Bezug auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit begünstigt. Dazu kommt, dass eine Internetseite – im Gegensatz zu gebundenen Veröffentlichungen – bei Bedarf auch täglich oder stündlich aktualisiert werden kann. Neben verstärkter Aktualität, Zielgruppen- und Feedbackorientierung bietet das Internet für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auch die Möglichkeit der Effizienzsteigerung. Das Internet hilft, die internen Prozesse von der Erstellung und Verwaltung der Berichte bis zur Verteilung und Präsentation zu rationalisieren. Dadurch können personelle Ressourcen besser eingesetzt werden. Laut den empirischen Befunden von Isenmann (vgl. 2002, 10) liegen die Kosteneinsparpotentiale durch Web Content Management in der Nachhaltigkeitsberichterstattung bei rund 25 Prozent. Das Internet als Plattform der Berichterstattung bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, vertiefende Erkenntnisse über den heterogenen Informationsbedarf der Zielgruppen zu erlangen. Als Erhebungsinstrumente kommen Befragungen der User oder eine indirekte Beobachtung des Nutzerverhaltens mithilfe einer speziellen Software in Frage (vgl. Isenmann 2002, 11). In der Praxis publizieren die meisten Betriebe aber nach wie vor Berichte auf Papier, die dann in ein PDF (Portable Document Format) konvertiert und als Download online zur Verfügung gestellt werden (vgl. Elkington 2004, 29). Damit wird den Erwartungen der Rezipienten entsprochen: Eine im August 2002 von der Kommunikationsagentur ECC Kohtes Klewes durchgeführte Befragung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung unter 736 Personen in Deutschland ergab nämlich, dass der gedruckte Bericht von 30 Prozent der Befragten bevorzugt wird. Eine Internetberichterstattung zusätzlich zu einem gedruckten Bericht wünschten sich 68 Prozent. Eine rein auf dem Internet basierende Berichterstattung fand mit lediglich 2 Prozent der Stimmen kaum Zustimmung (vgl. ECC Kohtes Klewes 2002).
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5.5.3 Stakeholder-Erwartungen an Nachhaltigkeitsberichterstattung Die bisher umfassendste, empirische Stakeholder-Befragung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist der „Global Stakeholder Report“ der Kommunikationsagentur Pleon Kohtes Klewes (vgl. 2005). Im Rahmen dieser weltweiten Studie wurden insgesamt 495 Vertreter verschiedener Zielgruppen, darunter Mitarbeiter, Konsulenten, NGOs, Financial Community, Wissenschafter etc., über deren Meinungen zu und Erwartungen an Nachhaltigkeitsberichte befragt. Unter anderem wurde den Stakeholdern die Frage gestellt, wie zufrieden sie mit der Berichterstattung über die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales seien. Am besten schnitt die Säule Ökologie ab. 88 Prozent sagten, die diesbezüglichen Informationen entsprächen „vollständig“ oder „im Großen und Ganzen“ ihren Erwartungen. Weniger zufrieden zeigten sich die Befragten mit der Berichterstattung im Bereich Ökonomie (70 Prozent), und vor allem im Bereich Soziales (nur 62 Prozent vollständig oder im Großen und Ganzen zufrieden) wurde Verbesserungspotenzial deutlich. Welche Inhalte erwarten sich Stakeholder im Detail zu den drei Säulen der Nachhaltigkeit? Auf diese Frage lassen sich die Antworten der Stakeholder wie folgt zusammenfassen: Im Bereich Ökologie führen die Aspekte Energie- bzw. Ökoeffizienz, Klimaschutz bzw. Treibhausgasemissionen sowie Boden- und Wasserschutz die Liste an. Im Bereich Soziales interessieren sich die Stakeholder laut eigenen Angaben vor allem für die Einhaltung von Menschenrechten, für Gesundheitsschutz bzw. Arbeitssicherheit sowie für Sozialstandards in Entwicklungsländern. Aus ökonomischer Sicht sind die drei wichtigsten Themenbereiche Corporate Governance, Korruption und die Herleitung des „Business Case“ für verantwortungsvolles Wirtschaften. Bei der Frage nach den Gestaltungselementen eines gelungenen Nachhaltigkeitsberichts zeigte sich folgendes Bild (vgl. Abbildung 75). 75 Prozent der befragten Stakeholder wünschen sich Daten und Grafiken, 59 Prozent erwarten Verweise auf externe Quellen und 49,5 Prozent legen besonderen Wert auf Dialogangebote und interaktive Formen der Berichterstattung. Bezüglich des Stils der Berichterstattung herrscht ziemliche Ausgewogenheit zwischen dem Wunsch nach sachlich-nüchterner Information (rund 30 Prozent) sowie magazinartiger Aufbereitung der Inhalte (ebenfalls rund 30 Prozent).
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Abbildung 75: Inhaltliche Gestaltungswünsche von Stakeholdern der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Pleon Kohtes Klewes 2005, 63)
Ein ernüchterndes Bild ergab die Studie, was die durchschnittliche Lesedauer bzw. -intensität der Befragten betrifft. Nur zehn Prozent der Stakeholder gaben an, jedes Wort zu lesen. 43 Prozent sagten, sie würden nur ausgewählte, für sie interessante Teile lesen. Das Gros der Leserschaft (40 Prozent) widmet der Lektüre eines Nachhaltigkeitsberichts laut eigenen Angaben zwischen 16 und 30 Minuten (vgl. Abbildung 76). Das eher geringe Leserinteresse sei mitunter auf die quantitative Zunahme an Nachhaltigkeitsberichten sowie auf die optisch oft eintönige Aufmachung zurückzuführen.
Abbildung 76: Durchschnittliche Lesedauer von Nachhaltigkeitsberichten (Pleon Kohtes Klewes 2005, 61)
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5.5.4 Gelungene Elemente der Nachhaltigkeitsberichterstattung Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, hat Nachhaltigkeitsberichterstattung unter anderem damit zu kämpfen, dass die Leser den Berichten nur geringe Aufmerksamkeit schenken und die Glaubwürdigkeit der Berichte eher niedrig ist. Wie können die Berichtsverantwortlichen mit diesen Herausforderungen umgehen? Welche Berichtselemente können helfen, die Aufmerksamkeit bzw. Glaubwürdigkeit zu steigern? Es werden nun einige meiner Ansicht nach besonders gelungene Elemente von Nachhaltigkeitsberichten vorgestellt, um dem Leser aus der Praxis Anregungen zu liefern, wie mit Aufmerksamkeits- und Glaubwürdigkeitsproblemen umgegangen werden kann. 5.5.4.1 Good-Practice-Beispiele I: Aufmerksamkeitssteigerung Führt man sich die durchschnittlich eher geringe Leserdauer von Nachhaltigkeitsberichten vor Augen, so erscheint es wichtig, das Interesse der Zielgruppen an der Lektüre und deren Aufmerksamkeit stärker zu wecken. Unternehmen versuchen dies einerseits durch ausgefallene Wege in der Präsentation der Berichte, andererseits durch Kreativität im Design. Im folgenden werden Beispiele aus österreichischen Unternehmen präsentiert, denen es gelungen ist, kreative Wege in der optischen bzw. inhaltlichen Aufmachung sowie in der Verbreitung des Berichts zu beschreiten. Die Beispiele wurden nach der Lektüre von Dutzenden österreichischen und internationalen „Non-financial Reports“ ausgewählt. Einige der Vorzeigebeispiele wurden auch bei den Austrian Sustainability Reporting Awards ausgezeichnet. Storytelling: Ein Nachhaltigkeitsbericht als Märchenbuch Eine äußerst unkonventionelle Art der Aufmachung haben die Esterházy Forstbetriebe mit Sitz in Eisenstadt für ihren Nachhaltigkeitsbericht 2006/2007 gewählt. Der Bericht gliedert sich in zwei Teile, einen Märchenteil und einen Zahlenteil. Im Märchenteil werden die Nachhaltigkeitsleistungen des Betriebs in Form von mehreren Kurzerzählungen aufgezeigt („Storytelling“). Autor dieses „Wahren Märchens eines Fürstenhauses“ ist der renommierte Dichter und Märchenerzähler Folke Tegetthoff. Er hält in seinem Vorwort zu dem Buch fest: „Das Märchen, älteste Literaturform, weil älter als das geschriebene Wort, ist nichts als eine andere Dimension der Wahrheit. [...] Das Märchen ist keine Nostalgie, keine Verherrlichung alter Traditionen, sondern ein lebendiger Organismus, der – losgelöst von Zeit und Raum – immer wieder neu erfunden wird und auch über diese unsere Gesellschaft, über diese unsere Zeit ein Bild zu malen imstande ist!
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele Nicht die Ratio, sondern die Intuition hat folglich für diesen Nachhaltigkeitsbericht eigentlich genau das richtige Medium gewählt: der Wahrheit verpflichtet die Wirklichkeit zu präsentieren und durch die Kraft des Märchenwortes sichtbar zu machen!“ (Esterházy 2007, 6).
In sieben Kapiteln erzählt Tegetthoff über einen Fürsten, der sich im Laufe der Jahrhunderte „vom Feudalherren zu einem modernen, zeitgemäßen Unternehmen gewandelt hat. Ein Unternehmen, das jedoch in all seinem Tun und Handeln das geistige und materielle Erbe eines Hauses mit einer unvergleichlichen Geschichte mit und in sich trägt“ (Esterházy 2007, 6).
Diese Worte Tegethoffs bringen schon zum Ausdruck, warum sich die Esterházy Betriebe für die innovative, aber auch mutige Märchenvariante entschieden haben: Das Unternehmen wollte laut Hans-Peter Weiss, Sprecher der Geschäftsleitung, seine Tätigkeiten „in leicht verständlicher Form an die Öffentlichkeit bringen“ und versteht sich als „Kulturbetrieb mit einem gewissen Bildungsauftrag im Bereich Nachhaltigkeit“ (Weiss 2008). Außerdem sei die Familie Esterházy zum Zeitpunkt der Berichterstattung „medial vielen Märchen ausgesetzt“ gewesen. Das Buch sollte dem entgegenwirken und „die wahre Geschichte des Fürstenhauses“ erzählen. Außerdem sei der Bericht des Unternehmens „ein schönes Buch, das man sich gerne in ein Regal stellt, und nicht gleich in den Müll wirft wie andere Nachhaltigkeitsberichte“. Optisch ist der Nachhaltigkeitsbericht von Esterházy gestaltet wie ein Buch mit festem Einband und bunten Zeichnungen zur Illustration des Märchenteils. Der hintere Abschnitt des Berichts, der eigentliche Nachhaltigkeitsbericht, entspricht der klassischen Gestaltung von Nachhaltigkeitsberichten, mit kleinerer Schrift, hauptsächlich in Schwarz-Weiß gehalten, mit vielen Informationen, Zahlen und Tabellen. Das Organisationsprofil, die Unternehmensvision und strategie, Managementsysteme und Geschäftsgrundsätze sowie die wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Leistungskennzahlen werden nach den GRIRichtlinien dargestellt. Externe Kommentare von Stakeholdern ergänzen den Bericht. Medienkooperation: Ein Nachhaltigkeitsbericht in Zeitungs-Optik Vorreiter der Idee, einen Nachhaltigkeitsbericht in Zeitungs-Optik herauszubringen, waren in Österreich die Bundesforste. Sie veröffentlichen ihren kombinierten Nachhaltigkeits- und Geschäftsbericht seit dem Jahr 2005 als Beilage der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Der Bericht ist optisch auf-
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gemacht wie das Standard-Magazin „Rondo“, im selben Format, Druck, Papier, Layout etc. (vgl. Abbildung 77). Teilbereiche des Berichts werden auch von Standard-Journalisten bzw. Kommentatoren verfasst. Beispielsweise schrieb Kolumnist Daniel Glattauer für den Nachhaltigkeitsbericht 2005 ein Essay zum Thema „Der Wald ist ein Schöngeist“, und Standard-Redakteur Markus Böhm führte für den Nachhaltigkeitsbericht mehrere Interviews mit Stakeholdern der Bundesforste.
Abbildung 77: Ausschnitt aus dem Nachhaltigkeitsbericht der Bundesforste (ÖBf 2007, 9)
Verbreitet wird der Bericht unter anderem durch die einmalige Beilage zur Tageszeitung „Der Standard“. Dadurch konnte die Auflage des Berichts bei gleich bleibenden Kosten verdreißigfacht werden (vgl. Langmair-Kovacs 2007). Aber nicht die Kostenersparnis war ausschlaggebend für die innovative Form der Berichterstattung, vielmehr fühlten sich die Bundesforste als öffentliches Unternehmen dazu verpflichtet, öffentliche Rechenschaft abzulegen. So argumentiert Vorstand Georg Erlacher im Vorwort zum Bericht 2005 damit, dass
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele „wir als öffentliches Unternehmen – die Aktien der ÖBf AG werden zu 100 % von der Republik Österreich gehalten – auch gegenüber allen Österreicherinnen und Österreichern Rechenschaft über die Nachhaltigkeit unserer Aktivitäten ablegen wollen“ (ÖBf 2005, 2).
Im Detail enthält der Bericht einen Lagebericht für Wirtschaftsprüfer, den Jahresabschluss inklusive Aufsichtsratsbericht und als Kernstück einen bunten Imageteil mit jährlich wechselndem Themenfokus. Dieser Imageteil beinhaltet auch Unterhaltungselemente, zum Beispiel ein „Wald- und Wiesenrätsel“ sowie Essays, etwa über „Was dem Fischer vom Hallstätter See so alles ins Netz geht“ oder „Wer gewinnt, wer verliert durch den Klimawandel“ oder „Wie die Arbeit eines Bärenanwalts aussieht“ (vgl. ÖBf 2007). Rätselraten: Nachhaltigkeits-Quiz zur Aufmerksamkeitssteigerung Spielerische Ansätze zur Steigerung von Interesse und Aufmerksamkeit kommen in einigen Berichten zur Anwendung. Ein Vorzeigebeispiel ist der Nachhaltigkeitsbericht 2006/7 des Energieversorgers EVN, durch den sich Quizfragen als roter Faden hindurch ziehen. Schon auf dem Titelblatt wird die Frage gestellt: „Ist Nachhaltigkeit immer vernünftig?“ Der Leser kann zwischen den Optionen „Richtig“ und „Falsch“ wählen. In verkehrter, kleiner Schrift findet er dann die Auflösung, die im Fall des Titelblatts wie folgt lautet: „Falsch! Nicht alles, was als nachhaltig gepriesen wird, ist auch vernünftig. Echte Nachhaltigkeit basiert auf einer Strategie, die sich auf das gesamte Wertschöpfungssystem bezieht – und unter intensiver Einbeziehung der Stakeholder erfolgt“ (EVN 2007, 1).
Generell soll der EVN-Bericht die Botschaft vermitteln: „Nachhaltigkeit ist nicht gleich Nachhaltigkeit“, und dadurch beim Leser vermutlich den Eindruck erwecken, dass der Energieversorger EVN (im Gegensatz zu anderen Unternehmen) soziales und ökologisches Engagement tatsächlich ernst nimmt. Zugleich erfüllt der Bericht auch eine Bildungsfunktion. Beispielsweise wird die Frage gestellt, ob Energiesparlampen immer Sinn machen. In der ausführlichen Antwort erfährt der Leser Informationen zu den Einsatzmöglichkeiten, Vor- aber auch Nachteilen von Energiesparlampen. Die Quizfragen finden sich auch in der dem Bericht beigefügten FeedbackKarte wieder. Leser, die Fragen zum Nachhaltigkeitsengagement der EVN richtig beantworten, nehmen an einer Verlosung von energiesparenden Elektrogeräten teil.
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Besondere Drucktechnik: Nachhaltigkeitsbericht mit Duftnote Eine Innovation „für die Sinne“ hat das Medienhaus Gugler aus Melk in seinem ersten Nachhaltigkeitsbericht präsentiert: Der Bericht ist auf Papier gedruckt, das nach Kräutern riecht. Dies soll darauf hinweisen, dass Nachhaltigkeit und Lebensqualität in engem Zusammenhang stehen. Außerdem wird Kunden so ein neues Geschäftsfeld von Gugler, nämlich der Duftdruck, präsentiert. Optisch zeichnet sich der Bericht durch seinen Einband in Karton-Optik aus sowie durch einen Aufnäher aus Stoff, den laut Aussagen von Ernst Gugler (vgl. 2008), Geschäftsführer des Familienunternehmens, seine Mutter für alle 1.000 gedruckten Expemplare selbst in Handarbeit (!) genäht habe. Stakeholder involvieren: Events zur Präsentation des Nachhaltigkeitsberichts Zahlreiche Unternehmen präsentieren ihren aktuellen Nachhaltigkeitsbericht in Veranstaltungen der Öffentlichkeit. Meist handelt es sich dabei um Pressekonferenzen. Einen kreativeren Weg, der deutlich mehr Stakeholder einbindet als nur Journalisten, hat beispielsweise die österreichische Kontrollbank gewählt. Das Unternehmen hat es sich zur Tradition gemacht, den jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht auf im Haus stattfindenden Veranstaltungen zu präsentieren. Im Jahr 2008 fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Bildung als Basis für eine nachhaltige Entwicklung" statt. Im Jahr 2007 eine Veranstaltung inklusive Filmvorführung zum Thema "Klimaschutz und Entwicklung. Vom unlösbaren Gegensatz zur Erfolgskombination der Zukunft?" Im Jahr 2006 lud die Kontrollbank zu einem Stakeholderdialog im Rahmen eines World Cafés ein (vgl. Kapitel 5.3.2.2), um ihren Nachhaltigkeitsbericht der Öffentlichkeit zu präsentieren (vgl. Sasse 2008). 5.5.4.2 Good-Practice-Beispiele II: Glaubwürdigkeitssteigerung Wie bei allen von Unternehmen selbst veröffentlichten Informationen können auch Nachhaltigkeitsberichte in der öffentlichen Wahrnehmung in den Verdacht geraten, nur die positiven Seiten der Unternehmenstätigkeit abzubilden und nachteilige Fakten zu verschweigen. Um solchen „Greenwash“-Vorwürfen entgegenzuwirken und die Glaubwürdigkeit der Berichte zu steigern, versuchen Berichtsverantwortliche zusehends, Stakeholder in den Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit einzubeziehen und auch Elemente in die Berichte einzubauen, welche – im Sinne des Konzeptes der Verständigungsorientierung – die Glaubwürdigkeit der Informationen, die Vertrauenswürdigkeit des Unterneh-
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mens und die Legitimität der vertretenen Interessen bei den Zielgruppen erhöhen sollen. Stakeholder selbst betrachten laut der zuvor bereits zitierten Studie von Pleon Kohtes Klewes (vgl. 2005, 23) folgende Faktoren als ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit von CSR-bzw. Nachhaltigkeitsberichten: Die Verifizierung der Berichtsinhalte durch einen externen Gutachter, die Darstellung von selbstkritischen Unternehmensinformationen, die Anwendung von Berichtsstandards wie jene der Global Reporting Initiative sowie die Einbeziehung von Stakeholdern in den Prozess der Berichterstattung (vgl. Abbildung 78). Darüber hinaus halte ich auch das Erklären eines unternehmensspezifischen „Business Case“ für nachhaltiges Wirtschaften sowie das Offenlegen eines zielorientierten Nachhaltigkeitsprogrammes für glaubwürdigkeitssteigernd.
Abbildung 78: Faktoren zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit von CSR-Berichten (Pleon Kohtes Klewes 2005, 25)
Im Folgenden werden ausgewählte glaubwürdigkeitssteigernde Faktoren auf Basis einer Literaturanalyse kurz besprochen und durch Good-Practice-Beispiele aus der österreichischen wie internationalen Berichterstattungspraxis ergänzt. Einige der ausgewählten Berichte wurden auch bei den „Austrian Sustainability Reporting Awards“ (ASRA) sowie bei den internationalen „Corporate Responsibility Reporting Awards“ (CRRA) ausgezeichnet.
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Erklärung des „Business Case“ und Darstellung von Nachhaltigkeitsprogrammen Stakeholder bringen dem Unternehmen gegenüber in der Regel mehr Verständnis auf und gestehen den Berichten höhere Glaubwürdigkeit zu, wenn die wirtschaftlichen Gründe für Nachhaltigkeitsmanagement klar dargelegt werden (vgl. ECC Kohtes Klewes/Fishburn Hedges 2003, 26). Während die meisten Unternehmen zum „Business Case“ für nachhaltiges Wirtschaften bisher eher schwammige Aussagen formulieren und ihre Zielsetzungen vage, häufig ohne quantitative Festlegungen oder Maßnahmen, kommunizieren (vgl. Burchell/ Athwal 2005, 42 f), sei nun das Beispiel des österreichischen Energieversorgungsunternehmens Verbund genannt, das einen deutlich transparenteren Weg gewählt hat. Der Verbund stellt als Einleitung zu seinen jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsberichten jeweils ausführlich auf mehreren Seiten die Rahmenbedingungen dar, die das jeweilige Berichtsjahr geprägt haben. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass sich eine Reihe der Rahmenbedingungen auf Nachhaltigkeitsaspekte beziehen (zum Beispiel Wasserrahmen-Richtlinie, EUKlimaschutz-Ziele, nationaler Allokationsplan für CO2-Emissionen, Stromverbrauchentwicklung etc.) und somit Nachhaltigkeitsorientierung für den Verbund ein wirtschaftliches Muss ist. Auf mehreren Seiten stellen die Verbund-Nachhaltigkeitsberichte jeweils wirtschaftliche, ökologische, soziale und übergreifende Ziele dar und beschreiben diese Ziele. Angeführt werden auch konkrete, oft quantitative Subziele, Status-Quo der Erreichung vergangener Zielsetzungen sowie geplante Maßnahmen für das kommende Berichtsjahr. Falls ein Ziel nicht zum festgelegten Zeitpunkt erreicht werden konnte, wird auch das im Bericht offen kommuniziert und begründet93. Überprüfung durch externe Gutachter Eine immer größere Zahl von Unternehmen lässt ihre Nachhaltigkeitsberichte – wie bei Geschäftsberichten schon lange üblich – von externen Gutachtern bzw. Wirtschaftsprüfern verifizieren (vgl. Clausen 2001, 44 f; KPMG 2008, 30). Die Gutachten der dritten Partei werden in den Berichten meist in Form eines einseitigen Statements am Ende des Berichts inkludiert. Im Jahr 2008 erschienen solche Gutachten („external assurance statements“) bereits in 30 Prozent der Reports der 250 größten multinationalen Unternehmen (vgl. KPMG 2008, 30). Im deutschsprachigen Raum werden kaum noch Nach93
Das gesamte Nachhaltigkeitsprogramm der Verbund AG aus dem Jahr 2007 sowie das Ausmaß der Zielerreichung steht zum Download unter: http://reports.verbund.at/2007/nhb/ziele/ uebergreifendeziele.html.
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5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
haltigkeitsberichte ohne externe Verifizierung veröffentlicht. Kritisch anzumerken ist aber, dass manche dieser Überprüfungen von Institutionen durchgeführt werden, welche selbst das Unternehmen während des Prozesses der Nachhaltigkeitsberichterstellung beraten haben. Somit ist die Unabhängigkeit der Begutachtung nicht sichergestellt. Kritisch zu vermerken ist weiters, dass sich die externen Überprüfungen derzeit in ihrer Tiefe und ihrem Umfang stark unterscheiden. Auch wenn ein Bericht einem externen Audit unterzogen wurde, bedeutet dies nicht unbedingt, dass die veröffentlichten Informationen reliabel sind (vgl. Kolk 2004, 61; vgl. Clausen/Loew 2005). Darstellung von selbstkritischen Unternehmensinformationen und Defiziten Ein Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert im besten Falle den Status-Quo eines Nachhaltigkeitsprozesses. Der Bericht ist also idealerweise kein „end in itself“, sondern „a summary report of the end product; namely a companies’ social and environmental performance […] in the context of an ongoing reflexive process” (Burchell/Athwal 2005, 49). Ein solcher reflexiver Prozess macht es nötig, in den Bericht auch kritische Informationen zu inkludieren, etwa über Zielkonflikte zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen, über vorläufige Defizite, Umsetzungsprobleme oder Verschlechterungen bei bestimmten Kennzahlen. Das ehrliche Kommunizieren solcher Problemfelder ist freilich für zahlreiche Unternehmen eine völlig neue Erfahrung. Nicht selten gibt es Skepsis und Ablehnung seitens der Geschäftsführung, wie Burchell/Athwal (2005, 41) in ihrer qualitativen Studie von CSR-Reports aus 14 Ländern im Verlauf zahlreicher Interviews erhoben haben. Ein Berichtsverantwortlicher äußerte sich zum Beispiel so: “Although we as a team want to do it, when it’s sent to main board level, they can say: Well that’s pretty negative and we don’t want to be reporting that externally. So you know, getting the main board buy-in to reporting certain things is difficult.”
Andere Unternehmen wiederum sehen das Veröffentlichen auch von Defiziten als nötigen Beitrag zur Objektivität und Glaubwürdigkeitssteigerung, wie ein weiterer Interviewpartner von Burchell/Athwal (2005, 40) betont: “Human beings make mistakes and progress is sometimes slower than we would wish. Though there are many successes of which we can be justifiably proud, this document [erg. der vorliegende Nachhaltigkeitsbericht] also reports on the disappointments and the areas where performance fell short of our aspirations. We know we have much more to do.”
5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich
395
Einigen österreichischen Unternehmen ist es bereits vorbildlich gelungen, Schritte in Richtung Selbstkritik zu setzen und auch problematische Unternehmensthemen anzusprechen. Ein Beispiel dafür ist der Bericht des Salzburger Kranherstellers Palfinger über die Jahre 2006/7. Schon in der Einleitung stellt Palfinger gesellschaftliches Engagement als Lernprozess dar, in dem das Unternehmen die höchste Stufe noch lange nicht erreicht hat (vgl. Abbildung 79). Bemerkenswert sind auch die Informationen Palfingers über Kunden aus dem Militärbereich (vgl. Palfinger 2007, 35). Das Unternehmen informiert darüber, dass seine Krane und weitere Produkte auch vom Militär nachgefragt werden, vorrangig für den Brückenbau, aber auch für Munitionstransporte.
Abbildung 79: Palfingers Position auf den Stufen des gesellschaftlichen Engagements (Palfinger 2007, 11)
Ein weiteres Beispiel für aktive Kommunikation über heikle Themen findet sich im CSR-Bericht von Nike (vgl. Nike 2006, 30ff). Das Unternehmen berichtet ausführlich über schlechte Behandlung der Mitarbeiter in den Lieferantenbetrieben von Nike. Unter anderem werden im Bericht 2007 die durchwegs negativen Ergebnisse einer Erhebung präsentiert, welche die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in den Lieferantenbetrieben mit den „Management Code Leadership Standards“ von Nike vergleicht (vgl. Abbildung 80). Auch über Verstöße gegen Richtlinien aus dem Bereich Arbeitssicherheit wird umfassend berichtet. Im Anschluss an die Darstellung der Missstände nützt Nike die Chance darzustellen, welche Konsequenzen aus den Erhebungen gezogen werden. Konkret entwickelt das Unternehmen eigene Rating-Systeme, um Lieferanten mit guten Arbeitsbedingungen von jenen mit schlechten Arbeitsbedingungen zu unterscheiden und Lieferanten mit schlechten Arbeitsbedingungen zu einer Verbesserung zu verhelfen. Es zeigt sich, dass einige Lieferanten im Laufe der Zeit mit der Unterstützung und Beratung durch Nike tatsächlich bessere Arbeits-
396
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele
bedingungen schaffen konnten. Lieferanten hingegen, die dauernd schlecht abschneiden, bekommen langfristig keine Aufträge mehr.
Abbildung 80: Problematische Arbeitsbedingungen bei Lieferanten von Nike (Nike 2006, 30)
Integration der Stakeholder in den Prozess der Berichterstellung Für Unternehmen bedeutet Nachhaltigkeitsberichterstattung im Idealfall, „die artikulierten und soweit wie möglich auch die nicht artikulierten Informationsbedürfnisse ihrer Stakeholder zu befriedigen“ (Ki-Cheol 2005, 68). Nun stellt sich aber das Problem, dass die Zielgruppen heterogene Erwartungen an Nachhaltigkeitsberichte, deren Gestaltung und deren Informationsgehalt haben. Dies zeigte Fichter (vgl. 1998, 441) anhand zweier Fallanalysen der Umweltberichterstattung der deutschen Firmen Hipp und Hoechst: Die breite Öffentlichkeit und Mitarbeiter seien demnach vorrangig an kurzen, verständlichen Informationen interessiert, die sie direkt betreffen. Spezialisten wie Umweltgruppen, Behörden, fachkundige Vertreter von Bürgerinitiativen, Wissenschaft etc. benötigen hingegen Detailinformationen, z.B. zu Problemstoffen oder zu geplanten Neubauten. Shareholder, Meinungsbildner sowie Multiplikatoren wie Journalisten,
5.5 Nachhaltigkeitsberichterstattung als Aufgabenbereich
397
Führungskräfte und Politiker wiederum haben Interesse an Überblicksinformationen zu Stand und Entwicklung der Nachhaltigkeitsleistungen. Um Klarheit über die verschiedenen Informationsinteressen zu bekommen, können Stakeholder in den Prozess der Berichtserstellung mit einbezogen werden. In der Praxis geschieht das auch häufig, wie die bereits oben zitierte Studie von KPMG (vgl. 2008, 34) gezeigt hat: 65 Prozent der internationalen Top-250 Unternehmen veröffentlichen demnach bereits Informationen darüber, wie sie Stakeholder in den Prozess der Berichterstattung und in das Nachhaltigkeitsmanagement mit einbeziehen. Als Motiv für die zunehmende, proaktive Stakeholder-Einbindung nennen die Unternehmen vor allem ein besseres Verständnis der an sie gerichteten Erwartungen. Umgesetzt werde die StakeholderEinbindung laut der KPMG-Studie vor allem in Form von Runden Tischen, Erhebungen, webbasiertem Feedback, persönlichen Treffen, Analystenpräsentationen und sonstigen Stakeholder Dialogen. In einigen Nachhaltigkeitsberichten werden kritische Stakeholder-Stimmen direkt in den Bericht eingebunden. Als kritisch bekannte Stakeholder werden ersucht, einen eigenen, von ihrer Sicht geprägten Beitrag für den jeweiligen Nachhaltigkeitsbericht zu verfassen. Eine solche Form der Einbeziehung substituiert eine tendenziell unglaubwürdige Selbstdarstellung durch eine Fremddarstellung (vgl. Clausen et al. 2001, 45). Ein Beispiel dafür findet sich im Sustainability Report 2006 der japanischen Mitsubishi Corporation (MC). Auf insgesamt sechs Seiten kommen japanische, europäische sowie amerikanische Stakeholder-Vertreter aus den Bereichen Forschung (Institute of Business Ethics, Cardiff Business School etc.), Auditierung, NGO (Amnesty International, Conservation Foundation, Rainforest Alliance), SRI-Investment sowie CSR- und Umwelt-Experten ausführlich zu Wort. Sie alle hatten im Vorfeld an Stakeholder Dialogen zu den Themen CSRBerichterstattung sowie Supply Chain Management von Mitsubishi teilgenommen und ihre zum Teil kritischen Meinungen finden sich im Bericht wieder. Dort heißt es zum Beispiel (Mitsubishi 2006, 44ff): “The language of the Sustainability Report 2005 does not adequately reflect issues of compliance and enforcement of human rights. MC subscribes to international guidelines and principles, but broad level agreements alone do not mean much.” “Most CSR initiatives tend to be ad hoc and not strategic. MC needs to gather information about its sourcing in developing countries.” “MC is a potential target as violator in a number of human rights issues. MC needs to become engaged in credible and recognized processes of standard setting and monitoring that pertains to its supply chain and human rights impacts. Third party
398
5 Ausgewählte Good-Practice-Beispiele certification on its own may or may not be reliable. Monitoring and reporting is crucial.” “[MC should] offer to work with suppliers to help them maintain good CSR standards, as opposed to simply using disincentives to punish non-compliant companies.”
5.5.5 Berücksichtigung normativer Prinzipien in Nachhaltigkeitsberichten Die obigen Good-Practice-Beispiele verdeutlichen, dass auch in der Nachhaltigkeitsberichterstattung einige normative Qualitätskriterien der Nachhaltigkeitskommunikation aufgegriffen werden können, allen voran organisationale Integration. Die Tendenz geht klar in die Richtung, dass nicht Public Relations allein für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortlich ist, sondern ein Nachhaltigkeitsgremium, zusammengesetzt aus Unternehmensexperten aus unterschiedlichen Gebieten, unter der Leitung eines Nachhaltigkeitsbeauftragten. Vermehrt Beachtung findet auch das Kriterium der Stakeholder Integration. Zumindest von einigen Vorreiter-Unternehmen werden Stakeholder bewusst in den Prozess der Berichterstattung und somit indirekt auch ins Nachhaltigkeitsmanagement mit einbezogen. Schwierigkeiten haben manche Unternehmen meiner Ansicht nach darin, die Stakeholder für den Nachhaltigkeitsbericht überhaupt erst zu definieren. Hilfestellung für die Praxis könnte hier Grunigs situative Zielgruppentheorie leisten, welche Zielgruppen anhand der Variablen aktives Kommunikationsverhalten versus passive Kommunikationsaufnahme, Problembewusstsein, Betroffenheitsgrad, Empfinden von Behinderungen sowie Aktivismuslevel unterscheidet. Obwohl ein Bericht per se als Informationsinstrument gilt, öffnen sich durch die Stakeholder Integration auch Wege für eine symmetrische Kommunikation. Durch Dialogveranstaltungen, im Rahmen der Online-Kommunikation bzw. zumindest durch das Anfügen von Feedback-Karten in den Berichten wird versucht, Formen der zweiseitigen Kommunikation zu integrieren. Alles in allem lässt sich sagen, dass sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung qualitativ in den vergangenen zehn Jahren enorm weiter entwickelt hat. Dies zeigt sich unter anderem anhand aktueller Entwicklungen wie Auditierung, Zusammenwachsen von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten, internetbasierter Berichterstattung, kreatives Design und einer Tendenz zu ehrlicher, problembewusster Information. In den allermeisten Berichten ist aber nach wie vor Verbesserungspotenzial zu erkennen, wie auch Burchell/Athwal (2005, 49) im Resümee ihrer Studie festhalten:
5.6 Zusammenfassung Kapitel 5
399
“Much positive action has been undertaken in recent years in these fields [erg. of transparent, holistic sustainability reporting]. However, there is still significant room for future development if successful ‘accountable and transparent’ relationships are to emerge from this process.”
5.6 Zusammenfassung Kapitel 5 5.6 Zusammenfassung Kapitel 5 In Kapitel 5 haben wir erfahren, auf welche Instrumente und Methoden in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation zurückgegriffen werden kann. Im Detail wurden Stakeholder Dialoge, interne Kommunikation sowie Nachhaltigkeitsberichterstattung theoretisch und anhand von Good-Practice-Beispielen beschrieben. Die Beispiele haben gezeigt, dass Unternehmen bereits einige der in Kapitel 4 aus normativer Sicht definierten Qualitätskriterien unbewusst oder bewusst berücksichtigen. Aspekte der Stakeholder Integration waren in den Fallbeispielen mehrmals zu erkennen, aber auch das Bemühen, Nachhaltigkeitskommunikation symmetrisch und in Teilbereichen sogar verständigungsorientiert zu gestalten. Während meiner Recherchen ist mir allerdings kein einziges Unternehmen untergekommen, das sich zugleich in allen in Kapitel 4 definierten normativen Kriterien hervorgetan hätte. Die einzelnen Unternehmen setzen zwar begrüßenswerte Schwerpunkte (auf Diversity Management, auf Stakeholder-Dialoge, auf Kommunikationstraining für Mitarbeiter, auf transparente Berichterstattung etc.). Mir ist aber kein Unternehmen bekannt, das normative Qualitätskriterien durchgehend befolgt, im Sinne einer wirklich „nachhaltigen Kommunikation“, wie sie in Kapitel 4.7.3.5 beschrieben wurde. Dies unterstreicht einmal mehr, dass Nachhaltigkeitskommunikation erst in den Kinderschuhen steckt und auch unter Vorbild-Unternehmen noch Verbesserungs- und Lernpotenzial zu erkennen ist. Deutlich wurde das anhand der grafischen Evaluation der jeweiligen Kommunikationsaktivitäten. Während Kapitel 5 ausgewählte Kommunikationsansätze aus verschiedenen Branchen beleuchtet hat, wird im nun folgenden sechsten Kapitel der Ist-Stand der gesamten Nachhaltigkeitskommunikation in einer konkreten Branche, nämlich in der österreichischen Energieversorger-Branche, genauer empirisch untersucht. Dies erscheint sinnvoll, um noch besser herauszufinden, wo die bisher formulierten normativen Ansprüche und die unternehmerische Praxis auseinanderdriften und welche praktischen Aspekte in der bisherigen theoretischen Auseinandersetzung zu wenig Berücksichtigung gefunden haben.
6 Erhebung der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in österreichischen Energieversorgungsunternehmen 6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
6.1 Einleitung 6.1 Einleitung Aus den verschiedensten Blickwinkeln haben wir uns nun bereits mit Nachhaltigkeitsmanagement und unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation auseinandergesetzt. Auf Analyse (Kapitel 2 und 3), Theorieentwicklung (Kapitel 4) und Fallbeispiele (Kapitel 5) folgt nun eine Erhebung der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in österreichischen Energieversorgungsunternehmen. Es gilt, die Kernaussagen (Begrifflichkeiten, Modelle, normative Qualitätskriterien), die in den vorigen Kapiteln herausgearbeitet wurden, noch genauer auf ihre praktische Relevanz hin zu überprüfen. Im Rahmen einer explorativen Studie94 in der österreichischen Energieversorgungs-Branche soll erhoben werden,
wo sich die theoretischen Aussagen dieser Arbeit mit der Praxis decken und in welchen Bereichen der Theorieentwurf noch durch weiterführende bzw. vertiefende Forschung überarbeitet werden muss. inwieweit die postulierten normativen Qualitätskriterien in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation bereits Berücksichtigung finden. welche praktischen Aspekte der Nachhaltigkeitskommunikation in dieser Arbeit bisher nicht oder zu wenig bedacht wurden, sprich: wo besteht zusätzlicher Forschungsbedarf.
Die Erhebung soll also aussagekräftige Ergebnisse hinsichtlich der Praxisrelevanz der theoretischen Kernthesen dieser Arbeit liefern. Dieser Anspruch kann jedoch nur ansatzweise eingelöst werden. Es bedürfte einer breit angelegten empirischen Untersuchung mit einem großen Sample an Unternehmen aus verschiedenen Ländern und Branchen und mit einer Kombination verschiedener 94
Explorative Untersuchungen werden in erster Linie mit dem Ziel durchgeführt, in einem relativ unerforschten Untersuchungsbereich neue Hypothesen zu entwickeln. Sie sind auch dadurch gekennzeichnet, dass nicht von vornherein Hypothesen formuliert werden (vgl. Lamnek 2005, 92).
402
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
quantitativer und qualitativer Methoden, um die theoretischen Aussagen tatsächlich zu überprüfen. Ein solcher Versuch könnte in einer weiterführenden Forschungsarbeit unternommen werden. Ich hingegen entschied mich – einerseits aus forschungsökonomischen Gründen, andererseits dem explorativen Charakter der Arbeit folgend – dafür, nur eine Branche auszuwählen und diese eingehend zu untersuchen. Prinzipiell kämen verschiedene Branchen (zum Beispiel Lebensmittelbranche, Pharmaindustrie, Tabakindustrie, Zementindustrie, Papierindustrie, chemische Industrie, Bankensektor, Versicherungen etc.) in Frage. Als besonders geeignet erschien mir die österreichische Energieversorgungs-Branche. Diese Auswahlentscheidung begründet sich dadurch, dass die zukünftige Energieerzeugung und -nutzung zu den zentralen Problematiken für die Entwicklung hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft zählt. In Österreich ist die Energieerzeugung schon vergleichsweise stark nachhaltigkeitsorientiert, weil ein Großteil der Energie aus Wasserkraft, also auf „saubere“ Art und Weise, gewonnen werden kann. Als Methode für die Erhebung wählte ich teilstrukturierte, mündliche Tiefeninterviews mit ausgewählten Experten aus drei österreichischen Energieversorgungsunternehmen95. In Teilbereichen flossen auch Erkenntnisse ein, die ich im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung bei mehreren Treffen des Nachhaltigkeitsteams eines der drei Unternehmen gewonnen habe. Die Methoden Experteninterview und teilnehmende Beobachtung wurden bereits in Kapitel 5 beschrieben. Zu Beginn dieses sechsten Kapitels wird nun die Tätigkeit von Energieversorgern im Kontext des Nachhaltigkeitsdenkens dargestellt. Anschließend erfolgt ein kurzer methodischer Abriss über den Ablauf der Befragung und der teilnehmenden Beobachtung. Danach werden die genaue Zielsetzung sowie die insgesamt 14 Forschungsfragen des empirischen Teils erläutert. Kernstück des Kapitels ist die Beantwortung dieser Forschungsfragen mit Bezug auf die Ergebnisse aus den Befragungen und teilnehmenden Beobachtungen. Die empirischen Ergebnisse zu jeder Forschungsfrage werden jeweils den theoretischen Aussagen, die im Verlauf dieser Arbeit herausgearbeitet wurden, gegenübergestellt. Zusammenfassend werden einige Aspekte, die in der bisherigen theoretischen Auseinandersetzung vernachlässigt wurden, sowie Verbesserungspotenziale für die Nachhaltigkeitskommunikation der Energieversorgungsunternehmen diskutiert. Abschließend, als letzten Punkt vor der Gesamtzusammenfassung in Kapitel 7, führe ich einige Forschungsthemen an, bei denen Bedarf für weiterführende Studien besteht. Einen Überblick über die Inhalte von Kapitel 6 bietet die folgende Abbildung 81. 95
Die Namen der Unternehmen können nicht genannt werden, da eine anonymisierte Darstellung der Daten zugesagt wurde.
6.2 Kontextbeschreibung: Energieversorger und Nachhaltigkeit
403
Abbildung 81: Übersicht über die Inhalte des 6. Kapitels
6.2 Kontextbeschreibung: Energieversorger und Nachhaltigkeit 6.2 Kontextbeschreibung: Energieversorger und Nachhaltigkeit Energieversorger stehen vor einem Nachhaltigkeitsdilemma. Einerseits gilt die Versorgung mit Energie als eine Voraussetzung für ökonomisches Wachstum und soziale Verbesserungen besonders in den Entwicklungsländern (vgl. WBCSD 2007, 1). Andererseits ist die Energiegewinnung je nach Art der Produktion verbunden mit Emissionen und anderen ökologischen Bedrohungen, welche mit dem Nachhaltigkeitsgedanken kaum vereinbar sind (vgl. Lehmann o.A., 2). Für Energieversorgungsunternehmen (EVUs) steigt angesichts dieses Dilemmas, angesichts verschärfter Wettbewerbsbedingungen und einer steigenden Nachfrage nach „sauberem Strom“ der Druck, sich mit Nachhaltigkeitsfragen auseinander zu setzen (vgl. Lehmann o.A., 1ff). Die branchenrelevanten Problemfelder lassen sich meinen Recherchen nach in drei Themenbereiche
404
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
bündeln: Versorgungssicherheit, Umweltbelastung und Energieeffizienz bzw. Energiesparen. 1.
Versorgungssicherheit für die Zukunft: Die freie und sichere Versorgung mit Energie zu erschwinglichen Preisen ist in der westlichen Welt zur Selbstverständlichkeit geworden. Sie gilt als Beitrag zur Daseinsvorsorge im privaten Bereich bzw. als Grundvoraussetzung für erfolgreiches Wirtschaften im ökonomischen Bereich. Jedoch so selbstverständlich ist die Versorgung mit Energiedienstleistungen nicht. Denn die wachsende Nachfrage – ausgelöst durch sich verändernde Produktionsformen und Konsumstile – stellt Energieversorger vor große Herausforderungen. Nach einem Bericht des renommierten „Energy Research Center of the Netherlands“ (ECN) aus dem Jahr 2007 ist der Energieverbrauch in Europa seit Mitte des 19. Jahrhunderts parallel zum Anstieg der Nationalprodukte ständig angestiegen (vgl. Abbildung 82). In wirtschaftlich noch weniger entwickelten Ländern wie Indien oder China liegt der Pro-Kopf-Verbrauch an Energie derzeit noch bei nur 10 bis 30 Prozent des durchschnittlichen europäischen Verbrauchs. Mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung dieser Länder wird der weltweite Energieverbrauch jedoch rasant ansteigen (vgl. Uyterlinde/Ybeme/van den Brink 2007, 19).
Abbildung 82: Entwicklung des Energieverbrauchs in der EU (Uyterlinde/Ybeme/van den Brink 2007, 19)
Noch wird derzeit ein Großteil der Energie aus fossilen Brennstoffen (vor allem Erdöl, Erdgas) gewonnen, die aber nur in beschränktem Ausmaß vorhanden sind. Immer stärker werden daher die Bestrebungen, auf erneuerbare Energieträger
6.2 Kontextbeschreibung: Energieversorger und Nachhaltigkeit
405
umzusteigen. Aber auch das ist nicht unproblematisch: Solarenergie, Windkraft, Wasserkraft oder Erdwärme können nur zu bestimmten Zeiten (bei Sonnenschein, Wind, bei genügend Wasserstand etc.) Energie liefern und damit die „Peaks“, also die Spitzen des Verbrauchs, nur unzureichend abdecken. Biomasse als regenerativer Energieträger wiederum wirft die Problematiken von Monokulturen, Anstieg der Getreidepreise und großem Flächenbedarf auf. Energieexperten kommen deshalb zum Schluss, dass erneuerbare Energieträger allein die ständig steigende Energienachfrage nicht genügend abdecken können. Bleibt noch die Energiegewinnung in Atomkraftwerken, die wiederum das Risiko eines Gaus bzw. die Problematik der Entsorgung nuklearen Materials mit sich bringt. Um Versorgungssicherheit auch in Zukunft garantieren zu können und den wachsenden Bedarf in Entwicklungsländern und Schwellenländern abzudecken, gilt es nach Pfaden einer „nachhaltigen Energieversorgung“ (Saretzki 2006, 1) zu suchen. Als ein mögliches Szenario betrachten Experten dabei Wasserstoff als Sekundärenergieträger (vgl. Lehmann o.A. 11), der ermöglichen soll, Energie zu speichern, ohne zusätzliche Treibhausgasemissionen freizusetzen. Viel investiert wird derzeit auch in die Forschung zu „carbon capture & storage“ (CCS). Diese Technologie soll ermöglichen, dass die bei der Energiegewinnung entstandenen CO2-Emissionen unterirdisch, zum Beispiel in tiefliegenden Gasfeldern, gespeichert werden und somit nicht in die Atmosphäre gelangen. In Abbildung 83 ist dargestellt, wie sich die Energiegewinnung in Europa heute zusammensetzt und welche Energieträger im Jahr 2050 voraussichtlich zur Anwendung kommen werden.
Abbildung 83: Arten der Energiegewinnung 2000 bis 2050 (Uyterlinde/Ybeme/ van den Brink 2007, 13)
406 2.
3.
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger Umweltbelastung durch Energieerzeugung: Der Energiesektor ist weltweit der mit Abstand größte Emittent von Kohlendioxid. Laut dem „World Business Council for Sustainable Development“ (vgl. WBCSD 2005, 4) ist die Energieproduktion durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe verantwortlich für 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen, erst dahinter folgen Verkehr, Industrie, Gebäude und die Landwirtschaft (vgl. Uyterlinde/Ybeme/van den Brink 2007, 9). Der CO2-Ausstoß ist aber nicht das einzige ökologische Problem der Energieerzeugung. Der Ausbau der Wasserkraft etwa ist oft verbunden mit Regulierung von Flüssen und der Beeinflussung von Lebensräumen. Windräder verändern Landschaftsbilder und nehmen womöglich Einfluss auf die Tierwelt. Solarenergie braucht Solarzellen, die wiederum in der Produktion äußerst energie- und ressourcenintensiv sind. Die Entsorgung des radioaktiven Abfalls aus Kernkraftwerken bringt Folgen mit sich, die heute noch schwer abzuschätzen sind. Solche ökologischen Begleiterscheinungen gilt es so weit wie möglich zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Aus gesellschaftlicher Sicht kommt dazu eine tendenzielle Ablehnung der Bevölkerung gegen Kraftwerke in ihrer Umgebung. Energieeffizienz und Energiesparen: Im Sinne einer nachhaltigen Energieversorgung sollte es Experten zufolge vor allem in zwei Bereichen zu Verbesserungen kommen: Energie muss effizienter produziert bzw. eingesetzt werden und Energie muss gespart werden (vgl. Lehmann o.A. 1ff). In der Energieproduktion geht derzeit noch ein Großteil der erzeugten Energie in Form von Wärme verloren. Ein möglicher Ansatzpunkte, diese Wärme zu nützen, ist die sogenannte Kraft-Wärme-Koppelung (vgl. Lehmann o.A., 4). Das „Nebenprodukt“ Wärme wird zum Beispiel in das lokale Fernwärmenetz eingespeist, anstatt zu verpuffen. Durch eine solche Energieumwandlung lässt sich der Nutzungsgrad der Kraftwerke steigern und Brennstoffe können eingespart werden. Der effiziente Einsatz von Energie betrifft vor allem die Hersteller von energiebetriebenen Geräten. Anlagen, Maschinen, Fahrzeuge, Gebäude etc. sollten so konzipiert werden, dass sie möglichst wenig Energie verbrauchen. Energiesparen kann jedoch nicht ausschließlich auf Unternehmen abgewälzt werden. Vielmehr muss der Spargedanke beim Individuum ansetzen. Hier bedarf es intensiver Bewusstseinsbildung und Verbrauchsveränderungen, damit Konsumenten schon beim Kauf von Produkten auf deren Energieverbrauch achten.
Eine nachhaltige Energieversorgung ist also mehr als eine „Energiewende“ in Richtung erneuerbare Energieträger. In zunehmend liberalisierten Energiemärkten gilt es eine Reihe von Aspekten aus den Bereichen Ökonomie, Ökologie
6.2 Kontextbeschreibung: Energieversorger und Nachhaltigkeit
407
und Soziales zu managen. Das „Energy Research Center of the Netherlands“ fasst diese Aspekte folgendermaßen zusammen (vgl. Uyterlinde/Ybeme/van den Brink 2007, 21). Economy Energy efficiency
positive effect on primary use
Reserves
availability of primary source finiteness of primary source influence of price of raw materials on energy price demand for other supplies (e.g. storage capacity, silicon)
Security
location of supplies, import-dependency diversity of sources
Affordability
cost in comparison with other technologies effect on international competitiveness opportunities for cost reduction
Reliability
always available or intermittent? limits due to grid capacity
Economic activity
relationship with other economic activities effect on employment opportunities for developing innovative activities
Environment Climate change
direct CO2 emissions CO2 balance among the entire chain emissions of non-CO2 greenhouse gases
Air quality
emissions of NOx, SOx, particles, etc. location of emissions (for instance inner cities)
Biodiversity
land use in vulnerable areas direct effect on flora and fauna emissions into the ground soil exhaustion
Landscape change
interventions to landscape
Water quality
emissions into water use of water
Long-term effects
CO2 storage, nuclear waste
408
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
Fortsetzung: Abbildung 84 Social Poverty
influence of raw material extraction on prosperity in country of origin influence on local availability of food
Labour conditions
at mining of raw materials while using an energy technology
Equality
contribution to wide availability of technology availability of technology for future generations
Safety
safety of generation safety of raw material extraction safety of waste transport and storage abuse of malignant parties
Freedom of choice
imposed measures and loss of freedom of choice
Abbildung 84: Aspekte einer nachhaltigen Energieentwicklung (Uyterlinde/Ybeme/van den Brink 2007, 21)
Aufgrund der nun skizzierten, besonders hohen Relevanz des Nachhaltigkeitsgedankens gerade für Energieversorger habe ich mich dafür entschieden, Nachhaltigkeitskommunikation in dieser Branche näher zu beleuchten. Es handelt sich um eine „high risk-high impact“-Branche, die sich in Österreich vergleichsweise früh mit der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt hat. Energieversorger verfügen in Österreich in der Regel über langjährige Erfahrung in der Umweltberichterstattung, und sie zählen zu den Innovatoren der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Keine andere Branche hat in den „Austrian Sustainability Reporting Awards“ (ASRA) so viele Auszeichnungen für hervorragende Berichterstattung bekommen wie Vertreter der Energiebranche. Dabei muss gesagt werden, dass die österreichischen Energieversorgungsunternehmen in puncto Nachhaltigkeit im internationalen Vergleich eine vorteilhafte Ausgangssituation haben. Denn zum einen kann aufgrund der geografischen und geologischen Beschaffenheit Österreichs viel Energie aus erneuerbaren Quellen, sprich aus Wasserkraft, bezogen werden, zum anderen betreiben die heimischen Energieversorger keine Atomkraftwerke.
6.3 Sample und Methodik 6.3 Sample und Methodik Für die Studie wurden drei österreichische Energieversorgungsunternehmen (EVU) ausgewählt. Weil die Unternehmen den Wunsch geäußert hatten, anonym
6.3 Sample und Methodik
409
zu bleiben, werden sie nicht näher beschrieben und in dieser Studie mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet96. Von allen drei Unternehmen war mir im Vorfeld der Untersuchung bekannt, dass sie bereits über Nachhaltigkeitsthemen kommunizieren, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß bzw. mit unterschiedlichem Professionalisierungsgrad. Zwei Unternehmen (A und B) waren zum Zeitpunkt der Studie im Jahr 2007 unter den österreichischen Innovatoren im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das dritte Unternehmen (C) erschien interessant, weil es eben erst einen unternehmensinternen Prozess in Richtung Nachhaltigkeitsmanagement gestartet hatte, dessen Sitzungen ich als teilnehmende Beobachterin verfolgen konnte. Das dritte Unternehmen stand also erst am Beginn eines Nachhaltigkeitsprozesses, während die anderen beiden Unternehmen diesen bereits seit längerem implementiert hatten. Diese unterschiedlichen Ausgangslagen waren für mich interessant, um eine mögliche Entwicklung der Nachhaltigkeitskommunikation über die Zeit hinweg beobachten zu können. Insgesamt fanden zwischen Februar und April 2007 sechs Experteninterviews statt. Alle Interviewpartner waren zum Zeitpunkt der Befragung mit Nachhaltigkeitsmanagement bzw. Nachhaltigkeitskommunikation in den jeweiligen Unternehmen betraut. Zwei der Befragten waren in Kommunikationsabteilungen tätig, eine im Bereich Investor Relations, einer im Bereich Umweltmanagement, einer im Bereich Personalmanagement, und eine Expertin fungierte als Nachhaltigkeitsbeauftragte. Diese unterschiedliche inhaltliche Ausrichtung der Experten kam mir entgegen, denn ich hoffte, verschiedene Zugänge zur Thematik zu erfahren, um mir so ein ganzheitliches Bild entsprechend den drei Säulen des Nachhaltigkeitskonzeptes machen zu können. Aus Unternehmen A wurden drei Experten befragt, aus Unternehmen B standen zwei Interviewpartner zur Verfügung, und in Unternehmen C, das eben erst einen Nachhaltigkeitsprozess gestartet hatte, wurde eine Person befragt. Eine genauere Zusammenfassung der Aufgaben- und Verantwortungsbereiche der Gesprächspartner zum Zeitpunkt der Interviews ist in Abbildung 85 dargestellt. Die Namen der Personen werden nicht genannt, um deren Wunsch nach anonymer Behandlung der Daten zu entsprechen.
96
Die Anonymisierung der Daten wirkte sich im Forschungsprozess eher positiv aus, da die Vertreter der Unternehmen offen Informationen geben konnten. Die Ergebnisse wurden durch die anonymisierte Darstellung nicht beeinträchtigt.
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6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
Unternehmen
Aufgabenbereich der Befragten
Verantwortungsbereich der Befragten
Unternehmen A
Nachhaltigkeitsmanagement
A 1 war zum Zeitpunkt des Interviews zuständig für das Nachhaltigkeitsmanagement des Konzerns und fungierte als Schnittstelle für alle Nachhaltigkeitsfragen. A 1 war verantwortlich für Berichterstattung sowie sonstige interne und externe Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen, das Vorantreiben von Nachhaltigkeitsprojekten sowie die unternehmensinterne Weiterbildung zum Thema Nachhaltigkeit.
Umweltmanagement
A 2 arbeitet seit über 20 Jahren im Unternehmen und war zum Zeitpunkt des Interviews zuständig für Umweltmanagement und Umweltcontrolling. A 2 war Mitglied im Nachhaltigkeitsausschuss, lieferte internen Input für die Umweltaspekte der Nachhaltigkeitsberichterstattung und zeichnete verantwortlich für einen jährlichen Schriftenband mit Forschungsergebnissen in Sachen Umwelt.
Personalmanagement
A 3 war zum Zeitpunkt des Interviews zuständig für das Personalwesen. A 3 war Mitglied im Nachhaltigkeitsausschuss und beschäftigte sich mit den sozialen Themen der Nachhaltigkeit, wie Genderfragen, Erhöhung der Frauenquote, Sicherheit, Fortbildung, etc.
Pressearbeit
B 1 arbeitete zum Zeitpunkt des Interviews in der Funktion des Pressesprechers und war gemeinsam mit einem zweiten Mitarbeiter zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Innerhalb des CSR-Teams war B 1 verantwortlich für Nachhaltigkeitskommunikation und die Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts.
Investor Relations
B 2 war gemeinsam mit einem Kollegen zuständig für Investor Relations. Zu den Hauptaufgabengebieten von B 2 zählten Investorenkommunikation und CSR. B 2 war ebenfalls Mitglied im CSR-Team des Unternehmens.
Konzernkommunikation
C 1 arbeitete im Bereich Konzernkommunikation und war neben Aspekten der internen und externen Kommunikation zuständig für den Geschäftsbericht und den darin integrierten Nachhaltigkeitsteil. Zum Zeitpunkt des Interviews leitete C 1 den damals initiierten Nachhaltigkeitsprozess des Unternehmens. C 1 arbeitete seit zehn Jahren im Konzern und war früher in der Personalabteilung tätig.
Unternehmen B
Unternehmen C
Abbildung 85: Übersicht über die Interviewpartner (eigene Darstellung)
6.3 Sample und Methodik
411
Als Vorbereitung zu jedem Interview wurden intensive Recherchen durchgeführt (online und in Nachhaltigkeitsberichten), um schon vorab möglichst viele Informationen über das Unternehmen selbst, dessen Nachhaltigkeitsengagement, aktuelle Themen sowie dessen Nachhaltigkeitskommunikation zu sammeln. Auf Basis dieser im Vorfeld erworbenen Informationen war es mir möglich, die Gespräche von Beginn an auf hohem Niveau zu führen, Aussagen kritisch zu hinterfragen und mich auf die Kernfragestellungen meines Gesprächsleitfadens zu konzentrieren. Sämtliche Interviews wurden mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und transkribiert, wobei zuvor das Einverständnis der Interviewpartner eingeholt worden war. Nach der Durchführung der Interviews wurden die Daten analysiert. In Anlehnung an den Prozess der Datenanalyse nach Daymon/Holloway (vgl. 2002, 222) fasste ich für jede Forschungsfrage die verschiedenen Themenbereiche zu Kategorien zusammen. Ergänzt wurde die Methode des Experteninterviews durch teilnehmende Beobachtung in Unternehmen C. Die Methode der teilnehmenden Beobachtung (vgl. Kapitel 5.2.3) zielt ab auf die Erfassung von Verhaltensweisen, indem sich der Forscher selbst in das Forschungsfeld begibt. Die von mir gewählte Variante der teilnehmenden Beobachtung war jene der natürlichen Beobachtung, d.h. das zu beobachtende Verhalten (konkret das Verhalten der Teilnehmer an dem Nachhaltigkeitsprozess von Unternehmen C) wurde im „Feld“ verfolgt. Die Beobachtung war offen, d.h. den Personen war bewusst, dass ihr Verhalten beobachtet wurde, und eher unsystematisch, da Beobachtungskriterien nur grob – in Anlehnung an die ausgearbeiteten normativen Qualitätskriterien und Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation – vorhanden waren. Die geringe Anzahl an Unternehmen limitiert natürlich die Aussagekraft dieser Erhebung, und weitere, tiefergreifende Studien wären wünschenswert. Mir fiel allerdings schon im Verlauf der sechs Interviews auf, dass sich einige Antworten mehrmals wiederholten. Trotz des begrenzten, explorativen Charakters der Untersuchung meine ich daher, dass sie ihren Zweck erfüllt: Es gelingt ein erstes „Abtasten“, eine erste vorsichtige Überprüfung der theoretischen Aussagen dieser Arbeit hinsichtlich ihrer praktischen Relevanz. Die Aussagen der Interviewpartner sowie die Erkenntnisse der teilnehmenden Beobachtung helfen, praktische Aspekte der Nachhaltigkeitskommunikation besser zu verstehen und konzeptiv zu erfassen.
412
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
6.4 Zielsetzung und Forschungsfragen 6.4 Zielsetzung und Forschungsfragen Ziel von Kapitel 6 ist es also, eine Tendenz auszumachen, wie nahe der theoretische Entwurf dieser Arbeit an die Praxis herankommt, inwieweit die ausgearbeiteten normativen Qualitätskriterien bereits praktische Berücksichtigung finden und welche praktischen Aspekte der Nachhaltigkeitskommunikation in der theoretischen Auseinandersetzung zu wenig beachtet wurden. Zu diesem Zweck wurden aus den theoretischen Kernaussagen dieser Arbeit 14 Forschungsfragen abgeleitet (vgl. Abbildung 86 unten). Diese wesentlichen Fragen, die ich bisher nur aus theoretischer Sicht zu beantworten versuchte, werden nun aus praktischer Sicht beleuchtet. Die Aussagen der Interviewpartner zu diesen Themenbereichen sowie die Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtung werden in Relation gesetzt zu den bisherigen theoretischen Erkenntnissen dieser Arbeit. Es wird analysiert, wo Praxis und Theorieentwurf sich decken, wo Widersprüche auftauchen, und wo zusätzlicher Forschungsbedarf besteht. In Abbildung 86 sind die Forschungsfragen sowie die korrespondierenden Hypothesen, Konzepte, Modelle bzw. normativen Kriterien zusammengefasst. Die Abbildung verweist auch auf relevante Autoren sowie auf die Kapitel dieser Arbeit, in welchen die jeweiligen Kernaussagen genauer nachzulesen sind. Forschungsfragen 1. Was war ursprünglich ausschlaggebend für das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens?
2. Wie hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens über die Zeit hinweg entwickelt? 3. Wer hat das Nachhaltigkeitsengagement unternehmensintern in Gang gebracht und wer ist für den Nachhaltigkeitsprozess verantwortlich?
Bisherige theoretische Aussagen bzw. Hypothesen In den Ausführungen zum Nachhaltigkeitsmanagement wurden die folgenden Aspekte als wichtigste Triebfedern genannt: Druck von Ratingagenturen und Shareholdern, Image-Bonus, Nachhaltigkeit als Motor für Kaufentscheidungen von Konsumenten, Vorbeugung gegen Krisen und Recruitment. Aus theoretischer Sicht wurde zu dieser Fragestellung das Modell der Nachhaltigkeitsleiter entwickelt. Dieses beschreibt das Voranschreiten von defensiver, über reaktive hin zu proaktiver Nachhaltigkeitsorientierung und die damit einhergehende qualitative und quantitative Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitskommunikation. Im Rahmen des theoretischen Entwurfs wurde die Hypothese aufgestellt, dass die von Rogers in seiner "Diffusion of Innovation"-Theorie entwickelten Rollen "Change Agent" und "Innovator" auch für Nachhaltigkeitsmanager bzw. Nachhaltigkeitskommunikatoren zutreffen.
Quellen
Kapitel
unterschiedliche Quellen aus der Literatur
2.7.
Analyse Prexl
2.9.
Rogers (1995)
4.6.8.
6.4 Zielsetzung und Forschungsfragen
413
Fortsetzung Abbildung 86 4. Wer ist unternehmensintern für die Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen zuständig?
5. Welche Ziele verfolgt das Unternehmen mit der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen?
6. Welche unternehmensinternen Faktoren prägen die Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation?
7. Welche unternehmensexternen Faktoren prägen Nachhaltigkeitskommunikation?
8. An welche Zielgruppen/Stakeholder richtet sich Nachhaltigkeitskommunikation, und wie werden diese Zielgruppen ausgewählt?
In dieser Arbeit wurde Nachhaltigkeitskommunikation als Querschnittsfunktion und Aufgabenfeld der Public Relations betrachtet. Im Sinne Bruhns wurde aber gleichzeitig die Wichtigkeit personeller Integration, also Zusammenarbeit unterschiedlicher Personen und Abteilungen, betont. Aus theoretischer Sicht wurde zur Frage nach den Zielen der Nachhaltigkeitskommunikation ein Zwiebelmodell entwickelt, welches grob zwischen Marketing, Business und Public Case unterscheidet. Im Detail wurden weiters Konzepte wie Reputation Management, Issues Management, Innovationsmanagement bzw. Bildungs- und Reflexivitätsaspekte der Public Relations zur genaueren Erklärung der Zieldimensionen herangezogen.
Aus theoretischer Sicht wurden verschiedene unternehmensinterne Einflussfaktoren unterschieden. Als solche "Kontexte auf der Mikroebene" wurden Unternehmenskultur, Engagement des Top Managements und "Kultur der Nachhaltigkeit" diskutiert. Im Rahmen des normativen Entwurfs wurde unter Bezugnahme auf Bruhn (1995) auch auf Bewusstseinskomponente und Positionierungskomponente hingewiesen. Aus theoretischer Sicht wurden mehrere potenziell einflussreiche Akteure auf Mesound Makro-Ebene identifiziert: Auf der MesoEbene seien unter anderem die Erwartungen von Konsumenten und Kunden, Wettbewerbern, Wirtschafts-, Branchen- und Interessensverbänden relevant, auf MakroEbene würden NGOs, Gesetzgeber und Medien das Umfeld der Nachhaltigkeitskommunikation prägen. Der theoretische Entwurf nahm Anleihe an der situativen Zielgruppentheorie von Grunig, vor allem was die Identifikation von aktivistischen Zielgruppen betrifft. Zudem wurde eine ganzheitliche Zielgruppensegmentierung aus normativer Sicht als wünschenswert erachtet, welche auch periphere Gruppen berücksichtigt. Die Mitarbeiter wurden als wesentlichste Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation identifiziert.
Analyse Prexl, Bruhn (1995)
2.8.3., 3.4.5.1., 4.6.6., 4.7.3.1.
Analyse Prexl, Eisenegger/Imhof (2005), Schaufler/Signitzer (1993), Schmidt (2001), Rogers (1995), van Ruler/Vercic (2004, 2005)
3.4.3., 3.4.4., 4.6.2., 4.6.3., 4.6.8., 4.6.7.
Analyse Prexl, Bruhn (1995)
3.4.5.1., 4.6.6.
unterschiedliche Quellen aus der Literatur, Analyse Prexl
3.4.5.2., 3.4.5.3
Grunig (1997), Analyse Prexl, unterschiedliche Quellen aus der Literatur
4.6.5., 4.7.2., 5.3
414
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
Fortsetzung Abbildung 86
9. Welcher Kommunikationsstil dominiert in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation?
10. Welche sind die Hauptthemen der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie werden diese identifiziert? 11. Welche Kommunikationsinstrumente kommen zur Anwendung, und wie werden Nachhaltigkeitsthemen in die sonstigen Kommunikationsaktivitäten integriert? 12. Welche Herausforderungen stellen sich für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie wird versucht, diese zu bewältigen?
13. Wie wird Nachhaltigkeitskommunikation im internationalen Raum durchgeführt?
14. Inwiefern werden die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung im Kommunikationsprozess berücksichtigt?
Aus normativ-theoretischer Sicht wurden eine symmetrische Kommunikation im Sinne einer aktiven Integration der Stakeholder in den Kommunikationsprozess sowie verständigungsorientierte Kommunikation mit dem Ziel wechselseitigen Einverständnisses als wünschenswert betrachtet. Auch die Anwendung von Grunigs Modell der Informationstätigkeit erschien aus normativer Perspektive angebracht. Persuasive Kommunikationsformen hingegen sollten nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Aus theoretischer Sicht wurde davon ausgegangen, dass sich die "Top Issues" der Nachhaltigkeitskommunikation aus dem 3-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit ableiten lassen. Zusätzlich hängen die Themen ab von dem Wirtschaftszweig des jeweiligen Unternehmens sowie von den unterschiedlichen Einflussfaktoren auf Mikro, Meso und Makro-Ebene. Im instrumentellen Teil der Arbeit wurden Stakeholder Dialoge, interne Kommunikation und Nachhaltigkeitsberichterstattung hervorgehoben. Im Theorieteil wurde argumentiert, dass Nachhaltigkeitsthemen im Sinne einer funktionalen Integration eingebettet sein sollten in die verschiedenen Programmbereiche der Public Relations. Aus theoretischer Sicht wurde eine Reihe unterschiedlicher Herausforderungen diskutiert, die sich ergeben durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts, durch unternehmensinterne Hemmnisse, durch das hohe Anspruchsniveau der Kommunikationsziele sowie durch Glaubwürdigkeitsprobleme. Weitere Herausforderungen kamen im Rahmen der Ausführungen über Innovationskommunikation zum Ausdruck. Im theoretischen Teil wurde die Frage nach der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in internationalen Unternehmen sowie der damit verbundenen Herausforderungen unter anderem erörtert mit Bezug auf die Ausführungen von Sriramesh/Vercic zu globaler Public Relations. Aus normativer Sicht wurde argumentiert, Nachhaltigkeitskommunikation sollte so weit wie möglich als „nachhaltige Kommunikation“ gestaltet sein, und zum Beispiel schädliche Umwelteinflüsse, Diskriminierung etc. vermeiden sowie Gleichberechtigung, Familienfreundlichkeit, Naturschutz, Ressourcenschonung etc. im Kommunikationsprozess unterstützen.
Grunig et al.(1996), Grunig/Grunig (1992), Burkart (1996, 2005), Analyse Prexl
4.6.1., 4.6.4., 4.7.2.
Schmidt (2001), Analyse Prexl
4.6.3., 3.4.5.1., 3.4.5.2., 3.4.5.3
Bruhn (1995), Analyse Prexl, Fallbeispiele
4.6.6., 4.7.2., 5
Analyse Prexl, unterschiedliche Quellen aus der Literatur, Zerfaß 2004
3.4.7., 4.6.6., 4.6.8.
Analyse Prexl, Sriramesh/Vercic (2003)
3.4.7., 4.6.9.,
Analyse Prexl
4.7.2.
Abbildung 86: Forschungsfragen und zugrunde liegende theoretische Überlegungen (eigene Darstellung)
6.5 Empirische Ergebnisse
415
6.5 Empirische Ergebnisse 6.5 Empirische Ergebnisse 6.5.1 Was war ursprünglich ausschlaggebend für das Nachhaltigkeitsengagement des Unternehmens? Eine lange Tradition im Bereich Umweltschutz, Druck seitens des Kapitalmarkts und Entwicklungen innerhalb der europäischen Energiebranche – diese drei Faktoren wurden von den Interviewpartnern als die wichtigsten Treiber für verstärktes Nachhaltigkeitsengagement in ihren Unternehmen genannt. Darüber hinaus wurden von einem Interviewpartner auch Kundenbindung und Image als Beweggründe angeführt. Sämtliche Experten gaben an, Nachhaltigkeitsmanagement bzw. -kommunikation eingeführt zu haben, mit dem Wissen, ohnehin schon viel im Bereich Nachhaltigkeit, insbesondere eine lange Tradition im Bereich Umweltschutz, vorweisen zu können. Einzelne Projekte seien schon seit langem auf ihre Umweltverträglichkeit und Sicherheitsaspekte hin überprüft worden. Mit der Gewinnung von Energie vorwiegend aus Wasserkraft handle man außerdem nachhaltiger als die meisten anderen Energieversorger in Europa. Als das Thema Nachhaltigkeit immer publiker wurde, galt es nur noch, dieses schon vorhandene Potenzial in ein professionelles Management- bzw. Berichterstattungssystem zu integrieren, wie die folgenden Zitate unterstreichen: „Es war das Bewusstsein und die Sicherheit da, wir haben in diesen Bereichen [erg. Umwelt und Soziales] schon viel vorzuweisen, aber nicht dokumentiert. Es waren lose, voneinander unabhängige Bereiche, und das jetzt zu komprimieren und in ein Managementsystem zusammen zu fassen, da sind wir noch mitten drin“ (A 1). „Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns deshalb wichtig, weil wir schon ein relativ nachhaltiges Unternehmen sind. Wir gewinnen Energie aus Wasserkraft, allein dadurch haben wir schon viel mit dem Thema am Hut. Das ganze Engagement aber zusammen zu fassen, zu bündeln, das Thema Wirtschaftlichkeit und das Thema Soziales hinzuzunehmen, damit man dann ein ganzheitliches Bild vom Unternehmen hat. Das macht Sinn“ (A 3). „Das Unternehmen B als Energieversorger hat sich im Rahmen der Daseinsvorsorge für Menschen und im Rahmen seiner Tätigkeit als Infrastrukturversorger schon lange mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Jetzt heißt es halt Nachhaltigkeit, früher hat man noch von Verantwortung, Umwelt, Dasein für die Gesellschaft gesprochen. [...] Und es gab dann die Überlegung: Wenn wir eh schon so viel im Bereich Nachhaltigkeit machen, dann bilden wir das auch in einem eigenen Bericht ab“ (B 1).
416
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger „Wir machen schon sehr viel, und das wollen wir jetzt einmal sichtbar machen. Für uns selbst und auch für die Kunden“ (C 1).
Neben der Tradition im Bereich Umweltschutz war der Kapitalmarkt für die Experten von zwei der drei Unternehmen ein wichtiger externer „Push-Faktor“ für vermehrtes Engagement im Bereich Nachhaltigkeit. Nachdem Ratingagenturen vor einigen Jahren begonnen hatten, sich zunehmend für Kennzahlen auch aus dem sozialen und ökologischen Bereich zu interessieren, reagierten die Unternehmen mit der Einführung eines professionellen Nachhaltigkeitsmanagements und Nachhaltigkeitsberichterstattung: „Primärer Treiber ist für uns sicher der Kapitalmarkt, der das verstärkt von uns gefordert hat. Es hat in den späten 90erJahren schon verstärkt begonnen, dass es Ratings gegeben hat und damit zunehmend mehr Bedarf zu dokumentieren“ (A 1). „Als das Thema Nachhaltigkeit aufgekommen ist, war ich zuständig für Investor Relations. Und da sind dann verstärkt Fragebögen von Ratingagenturen gekommen. Die haben präzise Fragen aus dem Bereich Nachhaltigkeit gestellt und wollten Kennzahlen wissen. Wir haben uns dann gedacht: Wenn wir diese Daten schon erheben müssen, dann bilden wir sie auch gleich in einem Bericht ab“ (B 1). „Der Stellenwert des Themas Nachhaltigkeit ist für Investoren sehr hoch. Wir haben in unserem Portfolio viele nachhaltige Investoren, sind selbst auch in Nachhaltigkeitsindices abgebildet. Grundsätzlich wollten wir dieses Segment verstärkt ansprechen, und dafür war die intensive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsfragen Voraussetzung“ (B 2).
Für Unternehmen C, das im Gegensatz zu Unternehmen A und B nicht an der Börse notiert ist, spielt der Kapitalmarkt erwartungsgemäß keine große Rolle. Auch die Eigentümer des Konzerns hätten „bisher keinen Druck in Sachen Nachhaltigkeit“ ausgeübt (C1). Sehr wohl mit ausschlaggebend für das Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen C wie auch von Unternehmen A waren Entwicklungen in der europäischen Energiebranche: Als einzelne Wettbewerber die ersten Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichten, war das für A und C mit ein Anstoß, sich ebenfalls intensiver mit der Thematik zu befassen. Unternehmen A wollte laut eigenen Angaben zu den Pionieren in puncto Berichterstattung gehören und sich „dadurch vom europäischen Markt“ abgrenzen (A 1). Als zusätzliche Triebfedern für die Einführung eines Nachhaltigkeitsprozesses nannte C 1 Image und Kundenbindung. Ziel sei ein positives Image des Unternehmens in der Region:
6.5 Empirische Ergebnisse
417
„Wir sind ein Erdgasunternehmen und das ist immer mit Ängsten behaftet. Gas kann explodieren, zu brennen anfangen. Wir müssen uns mit diesen Gedanken der Stakeholder auseinander setzen. [...] Und es trägt sehr wohl auch zu einem positiven Image bei, wenn man sieht, ein Unternehmen engagiert sich wirklich nachhaltig, in allen Bereichen. Da ist dann die Kundenbindung ganz eine andere“ (C 1).
Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie Im Theorieteil wurde bereits herausgearbeitet, dass der Kapitalmarkt bzw. Erwartungen von Shareholdern oftmals den Anstoß für verstärktes Nachhaltigkeitsengagement liefern (vgl. Kapitel 2.7.1.). Dieser „Push Faktor“ hat sich in der Befragung bestätigt. Nachhaltigkeit als Imagebonus bzw. als Wert für Konsumenten wurde nur von einem Unternehmen genannt. Der Faktor „besseres Recruiting“ sowie der Faktor „Vorbeugung für Krisenzeiten“ wurden von den Interviewten auf die Frage nach dem ursprünglichen Anstoß für Nachhaltigkeitsengagement nicht explizit genannt97. Dafür betonten sie den Faktor „Tradition im Bereich Umweltschutz“. Dieser Aspekt wurde in den theoretischen Analysen bisher nicht beachtet. Er legt die Vermutung nahe, dass Unternehmen, die ohnehin schon eine relativ weiße Weste im Bereich Ökologie und Soziales haben, Nachhaltigkeit eher ins Zentrum rücken, als solche Unternehmen, die sich bisher nicht mit einer ganzheitlichen Sicht des Wirtschaftens befasst haben.
6.5.2 Wie hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement des Unternehmens über die Zeit hinweg entwickelt? In Unternehmen A und B hat sich das Nachhaltigkeitsmanagement aus bestehenden Umweltmanagement-Systemen heraus entwickelt. In beiden Konzernen waren bereits Anfang der 1990er Jahre Umweltmanagement-Systeme eingeführt worden, und es erfolgte eine regelmäßige Zertifizierung nach EMAS („Environmental Management and Audit Scheme“), welche an die Erstellung von Umweltberichten geknüpft war. Es bestanden also zumindest bei der „Umweltsäule“ schon „vorgefertigte Strukturen, Erfahrung und Wissen, auf das man aufbauen konnte“ (B1). In beiden Unternehmen erfolgte dann etwa ab dem Jahr 2001 die Weiterentwicklung vom Umwelt- hin zum Nachhaltigkeitsmanagement inklusive Nachhaltigkeitsberichterstattung. Aufholbedarf bestand vor allem im Sozialbereich, für den es bisher keine externe Berichterstattung gegeben hatte. Allerdings ist anzumerken, „dass manche Aspekte, die unter dem Begriff Nach97
Diese Faktoren wurden aber später bei der Frage nach den konkreten Zielsetzungen (vgl. 6.5.5) angeführt.
418
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
haltigkeit subsummiert wurden, bereits seit Jahrzehnten im Haus üblich waren, zum Beispiel flexible Arbeitszeiten, Aus- und Weiterbildung etc.“ (A 1). Bei anderen sozialen Aspekten wiederum, zum Beispiel „Work Life Balance“, habe die Etablierung des Nachhaltigkeitsmanagements eine intensivere Auseinandersetzung erst in Gang gebracht. Für beide Unternehmen, A und B, trifft zu, dass seit 2002 ständig an einer Verbesserung des Nachhaltigkeitsmanagements gearbeitet wurde. In Teilbereichen sah man sich durch den Nachhaltigkeitsprozess veranlasst, das Unternehmensleitbild bzw. die Unternehmenswerte zu adaptieren. Hinsichtlich der Stakeholder-Definition ist die Tendenz zu erkennen, dass über die Zeit hinweg anstatt der Shareholder, die von beiden Unternehmen als ursprüngliche Treiber der Nachhaltigkeitsberichterstattung genannt wurden, die Mitarbeiter als wichtigste Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation etabliert wurden. Unternehmen B zum Beispiel startete einen Prozess in Richtung einer Veränderung des „Code of Conduct“. In Unternehmen A erfolgte eine eigene Mitarbeiterbefragung zum Thema Nachhaltigkeit. Vom anfänglichen Fokus auf das eigene Unternehmen und auf interne Abläufe öffnete sich die Perspektive der Nachhaltigkeits-Verantwortlichen mit der Zeit auch stärker nach außen hin. So hat zum Beispiel Unternehmen B zusammen mit externen Beratern ein System zur Überwachung des nachhaltigen Handelns von Lieferanten entwickelt (vgl. Strigl 2008). Lieferanten erhalten eine Bewertung (in Form von Schulnoten), wie gut oder schlecht es ihnen gelingt, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Tätigkeit für das Unternehmen B zu integrieren98. Hinsichtlich der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen scheint die Dialogbereitschaft seit der Initiierung des Nachhaltigkeitsmanagements in den beiden Unternehmen A und B stetig zuzunehmen. Nicht mehr der Nachhaltigkeitsbericht alleine dient als Kommunikationsmittel. Verstärkt werden auch Dialoge mit Stakeholdern geführt und deren Ansprüche integriert. Eine solche Weiterentwicklung kann Unternehmen C noch nicht vorweisen, schließlich wurde erst vor kurzem ein Nachhaltigkeitsprozess überhaupt eingeleitet. Das Unternehmen C kann zudem nicht auf ein bestehendes Umweltmanagement-System aufbauen, denn ein solches wurde bisher nicht eingeführt. Schon in den Jahren zuvor hatte das Unternehmen aber innerhalb des Geschäftsberichtes über Nachhaltigkeitsthemen berichtet, wennauch eher oberflächlich, „in Form des kläglichen Versuches, auch etwas in diesem Bereich vorzuweisen. Wir zogen uns etwas aus den Fingern, nur damit etwas dort steht“ (C 1). Ziel des 98
Es geht hier beispielsweise um Fragen folgender Art: Wie verhält sich der Lieferant, wenn seine Mitarbeiter bei Grabungsarbeiten für eine Leitungsverlegung auf römische Ausgrabungen stoßen? Wird der Fund ignoriert und einfach weiter gegraben? Oder wird sofort ein Baustopp eingeleitet, um Archäologen zu Rate zu ziehen?
6.5 Empirische Ergebnisse
419
Nachhaltigkeitsprozesses in Unternehmen C war es nun, Nachhaltigkeit tatsächlich als einen Unternehmenswert und als Teil der Unternehmensphilosophie zu integrieren (vgl. C 1). Meine Beobachtung bei den Treffen der Prozessteilnehmer ergab, dass sich das Stimmungsbild im Verlauf der vier beobachteten Treffen deutlich änderte: Während anfangs viel Skepsis, ja fast schon Sarkasmus bei einigen Prozessteilnehmern zu spüren war und der Tenor vorherrschte, „nur Geld regiere die Welt – ökologisch und soziales Wirtschaften sei im Unternehmen unmöglich“, wandelte sich diese Stimmung der Betroffenen im Laufe der Zeit. Anfängliche Ablehnung wurde zu Unsicherheit darüber, wie man Nachhaltigkeitsbewusstsein trotz der existierenden Hürden umsetzen könne. Schließlich wurde aus der Unsicherheit vorsichtiger Optimismus, gemeinsam als Mitglieder des Nachhaltigkeitsteams doch etwas bewegen zu können. Als problematisch stellte sich heraus, dass sich der Vorstand des Unternehmens C nicht an den Prozesstreffen beteiligte, und damit nicht unmittelbar Unterstützung demonstrierte. Er hatte zwar den Prozess genehmigt, schien aber kein allzu großes Interesse daran zu haben99. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie Das in Kapitel 2.9 von mir entworfene, normativ orientierte Modell der Nachhaltigkeitsleiter sollte helfen, die Ausprägungen bzw. Entwicklungsstufen unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements darzustellen. Die Entwicklungsstufen wurden als Sprossen einer Leiter beschrieben: Von einer defensiven über eine reaktive hin zu einer proaktiven Nachhaltigkeitsorientierung, vom bloßen Erfüllen gesetzlicher Vorlagen, über Prozess- und Produktveränderungen hin schließlich zu einer partizipativen Lösungssuche für Nachhaltigkeitsprobleme. Das Modell besagt weiter: Parallel zum „Nach-oben-Steigen“ vollziehe sich ein Wandel in den Motiven für Nachhaltigkeitsengagement, von Marketing-orientierten Motiven über breitere Business Case Motive hin zu gesellschaftlichen Motiven. Gleichzeitig erfahre auch die unterstützende Kommunikation eine Weiterentwicklung. Je weiter hinauf das Unternehmen auf der Nachhaltigkeitsleiter steige, desto wichtiger seien Transparenz, Stakeholder-Integration und Formen symmetrischer Kommunikation. Einige dieser theoretischen Aussagen decken sich mit den Daten aus den drei Unternehmen: Unternehmen C steht noch am Beginn des Nachhaltigkeitsprozesses. Es herrscht noch einiges an Skepsis, und vorerst ist es nur der Wunsch einzelner engagierter Mitarbeiter, ökologische und soziale Themen tatsächlich in 99
Zu selbigem Schluss kommt auch eine zweite Beobachterin des Nachhaltigkeitsprozesses, eine Studentin der Universität Linz, die ihre Diplomarbeit über den Nachhaltigkeitsprozess von C verfasste (vgl. Petzl 2007).
420
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
die Unternehmensphilosophie zu integrieren. Bisher reagierte das Unternehmen zwar auf das Interesse von Shareholdern an Nachhaltigkeitsthemen, indem ein „grüner Teil“ in den Geschäftsbericht eingefügt wurde. Es mangelte aber an Transparenz und proaktivem Engagement. Das Unternehmen ist noch weit davon entfernt, extern Stakeholder in unternehmensrelevante Nachhaltigkeitsfragen bzw. -entscheidungen mit einzubeziehen. Die gesamte strategische Kommunikation ist eher auf Information und Persuasion, und weniger auf echten Dialog ausgerichtet Anders ist die Situation in den „nachhaltigkeitserfahreneren“ Unternehmen A und B. Hier ist in Teilbereichen ein proaktiver Ansatz zu erkennen. Man sucht nach nachhaltigeren Lösungen und bezieht hierbei Mitarbeiter, Kunden und Partner aktiv mit ein. Ansatzweise ist eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ entstanden, wobei Mitarbeiter, und nicht mehr Shareholder, als wichtigste Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation betrachtet werden. Nachhaltigkeit wird keineswegs als reine „Marketingmasche“ verstanden, sondern die wirtschaftliche Notwendigkeit des Nachhaltigkeitsmanagements steht im Vordergrund.
6.5.3 Wer hat das Nachhaltigkeitsengagement unternehmensintern in Gang gebracht, und wer ist für den Nachhaltigkeitsprozess verantwortlich? In den Unternehmen A und C war es jeweils eine einzelne engagierte Mitarbeiterin, die sich persönlich für Nachhaltigkeitsthemen engagierte und so einen unternehmensweiten Prozess ins Laufen brachte: In Unternehmen A begann eine langjährige Mitarbeiterin (A 1) im Jahr 2000 damit, sich beim Vorstand für Nachhaltigkeitsthemen einzusetzen. Sie selbst beschreibt ihren Enthusiasmus für das Nachhaltigkeitsthema so: „Es war immer Linie des Unternehmens, auf dem Thema Wasserkraft und erneuerbare Energien drauf zu bleiben. Das war etwas, was mich persönlich sehr angezogen hat“ (A 1).
Auf die Frage, wer das Nachhaltigkeitsengagement intern angetrieben hat, nannten Interviewpartner A 2 und A 3 sofort und unabhängig voneinander das Engagement ihrer Kollegin A 1: „Das Thema ist sehr stark mit Frau A 1 verbunden. Sie hat das Thema zu ihrem gemacht. Und ist anfangs vielen Leuten auf die Nerven gegangen, damit man das forciert. Und das hat dann eine Eigendynamik entwickelt. Es hat immer schon von den Ratingagenturen Fragebögen gegeben. A 1 hat gesagt, das ist ein Trend, da
6.5 Empirische Ergebnisse
421
müssen wir uns verstärkt draufsetzen. Und sie hat dann geschafft, dass der Vorstand die Position eines eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten installiert hat – und das hat sie dann wahrgenommen“ (A 3). „Die Frau A 1 macht es ganz gut, internes Lobbying für den Nachhaltigkeitsbereich zu machen. Sie hat da einiges zu Wege gebracht“ (A 2).
A 1 war zuerst Projektleiterin für den ersten Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens, mittlerweile fungiert sie in der Position der Nachhaltigkeitsbeauftragten und ist zuständig für das Vorantreiben nachhaltigkeitsorientierter Projekte, für interne Vortragsreihen und Mitarbeiterkommunikation zum Thema Nachhaltigkeit, sowie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und externe Vorträge. Sie selbst versteht sich als „Schnittstelle“ für sämtliche Nachhaltigkeitsthemen. Sie ist vertreten im Nachhaltigkeitsrat und leitet den Nachhaltigkeitsausschuss (vgl. Kapitel 2.8.3.). Die dort vertretenen 18 Personen (Vorstände, Vertreter der Tochtergesellschaften und des Geschäftsfelds Beteiligungen, Konzernkommunikation, Investor Relations, Nachhaltigkeitsbeauftragte bzw. Experten aus den Bereichen Soziales, Umwelt, Kommunikation, Wirtschaft und Forschung) würden laut A 1 auch persönlich immer größeres Interesse an nichtfinanziellen Themen zeigen und hätten somit unternehmensintern eine Dynamik in Gang gesetzt. „Die Leute, die bei uns im Nachhaltigkeitsausschuss sitzen, werden in zunehmenden Maß Botschafter für das Thema. Weil sie persönliches Interesse haben und natürlich auch dieses Denken: Was kann ich bewegen? Wohin bewegen wir uns als Unternehmen? Das wird schon auch zu einem persönlichen Anliegen. Je mehr man sich damit beschäftigt, umso mehr interessiert man sich, arbeitet man dafür und unterstreicht das auch bei der Umsetzung von Projekten“ (A 1).
Auch in Unternehmen C lieferte eine einzelne Mitarbeiterin, C 1, den Anstoß für die Einleitung des Nachhaltigkeitsprozesses. C 1 hatte zehn Jahre lang in verschiedenen Funktionen im Unternehmen gearbeitet, zuletzt im Bereich Konzernkommunikation. Dabei gehörte es zu ihren Aufgaben, den „grünen Teil“ des Geschäftsberichts zu erstellen. Diese Aufgabe missfiel ihr allerdings, denn sie konnte es laut eigenen Aussagen „nicht mehr mit ihrem persönlichen Interesse für ökologische und soziale Themen vereinbaren, wie Nachhaltigkeit im Unternehmen gehandhabt wurde“. Ihr Entschluss war dann: „Ich habe gesagt: Ich schreibe keine solchen Berichte mehr, wenn kaum Inhalt da ist. Weil ich ziehe es mir aus den Fingern und sage zu den Mitarbeitern, bitte liefert mir Informationen. Aber die Mitarbeiter wissen zum Teil überhaupt nicht, was Nachhaltigkeit ist. Und die Nachhaltigkeitsziele wurden einfach vom Vorstand auf-
422
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger gesetzt. Es wurde nicht einmal Rücksprache gehalten, ob das überhaupt sinnvoll ist, was wir uns da zum Ziel setzen. Ich bin selbst ehrenamtlich sehr sozial engagiert, und das ist mir zu wenig, was bei uns in Sachen Nachhaltigkeit passiert“ (C 1).
C 1 urgierte beim Vorstand und bekam die Erlaubnis, den Prozess „Nachhaltigkeit als Unternehmensphilosophie“ zu starten, mit den Zielen, Nachhaltigkeit spezifisch für das Unternehmen zu definieren, einen Ziele- und Maßnahmenkatalog zu erstellen sowie einen eigenen Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Auch ein eigenes Budget und Zeitressourcen der Mitarbeiter wurden für den Prozess veranschlagt. C 1 konnte das Prozessteam (insgesamt neun Personen) selbst zusammenstellen. Die Mitarbeiter stammten aus verschiedenen Unternehmensbereichen, waren aber keine Abteilungsleiter, sondern kamen aus der zweiten Führungsebene. Bis zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts fanden insgesamt sechs Treffen zu je knapp drei Stunden statt. Ergänzend dazu wurden Informationen und Ideen über das Intranet ausgetauscht. Der Vorstand selbst beteiligte sich nicht an dem Prozess und besuchte auch keine der Teamsitzungen. Im Unterschied zu A und C ging im Unternehmen B das Nachhaltigkeitsengagement weniger von einer einzelnen Person, sondern vielmehr von oberster Stelle, vom Vorstand aus. Auf seine Initiative hin wurde ein CSR-Team gegründet, bestehend aus Mitarbeitern u.a. aus den Bereichen Kommunikation, Investor Relations, Umwelt und Personal100. Dieses Team sollte für die operative Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie zuständig sein, die vom Vorstand fixiert wurde: „Bei uns ist die Gesamtverantwortung für CSR beim Vorstand angesiedelt, das heißt, der Vorstand trägt das mit, beschließt die Strategie, und das ist sehr sehr wichtig, dass hier auch das Unternehmen und der Vorstand dahinter stehen. Das CSR-Team macht die operative Arbeit, die Ausführung also und ist auch beratend tätig, was kann man tun, wo kann man sich weiterentwickeln, welche Themengebiete sind für uns interessant“ (B 1).
Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie Im theoretischen Teil wurde argumentiert, dass die von Rogers (1995) erarbeiteten Rollen im Innovationsdiffusionsprozess auch für Nachhaltigkeitsmanagement zutreffen können (vgl. Kapitel 4.6.8). Demnach können Nachhaltigkeitsbeauftragte bzw. Nachhaltigkeitskommunikatoren als „Change Agents“ bzw. 100 Seit der Durchführung der Befragung haben sich die Verantwortlichkeiten für Nachhaltigkeit im Unternehmen B verschoben. Mittlerweile wurde auch hier – wie in Unternehmen A – die Position eines eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten geschaffen.
6.5 Empirische Ergebnisse
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„Innovation Champions“ fungieren. Als „Change Agents“ betrachten sie Nachhaltigkeitsmanagement als strategisch wichtige Aufgabe und setzen sich für dessen Einführung und Umsetzung ein. Als „Innovation Champion“ rührt das Engagement des Mitarbeiters vor allem daher, dass ihm soziale und ökologische Themen persönlich am Herzen liegen. Der „Innovation Champion“ ist dann erfolgreich, wenn er in gutem Einvernehmen mit dem Top Management steht und Unterstützung von der „dominant coalition“ erhält. In Unternehmen C passt die Rolle des „Innovation Champions“ auf Mitarbeiterin C 1. Nachhaltigkeitsthemen interessieren sie persönlich, und sie versucht daher, das diesbezügliche Engagement des Unternehmens voranzutreiben. Sie bekommt zwar das grundsätzliche OK des Vorstands, allerdings scheint dieser nicht völlig hinter der Idee zu stehen. Von ihm kommt keine aktive Unterstützung des Prozesses. Zudem verweigern auch manche Mitglieder der „dominant coalition“, die Abteilungsleiter, ihre direkte Teilnahme am Prozess, offiziell aus Zeitgründen. In dieser Ausgangslage hat es C 1 schwer, die Prozessteilnehmer von der Durchführbarkeit von Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu überzeugen, weil die Meinung vorherrscht, für den Vorstand und die Abteilungsleiter zähle allein der Faktor Wirtschaftlichkeit. In Unternehmen A hingegen hatte A 1 in der Rolle des „Change Agents“ Erfolg. Sie sah die wirtschaftlichen Vorteile für das Unternehmen durch vermehrtes Nachhaltigkeitsengagement. Dies gepaart mit persönlichem Enthusiasmus ließ sie die volle Unterstützung des Vorstands gewinnen. Als Nachhaltigkeitsbeauftragte gelang es ihr, Schritt für Schritt auf eine Unternehmenskultur der Nachhaltigkeit hinzuarbeiten. In Unternehmen B bedurfte es nicht des Engagements eines einzelnen Mitarbeiters. Der Vorstand selbst erkannte die Chancen nachhaltigkeitsorientierten Wirtschaftens.
6.5.4 Wer ist unternehmensintern für die Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen zuständig? In den Unternehmen B und C waren zum Zeitpunkt der Befragungen jeweils die Verantwortlichen für Unternehmenskommunikation zugleich auch für Nachhaltigkeitskommunikation bzw. Nachhaltigkeitsberichterstattung zuständig. Anders stellt sich die Aufgabenverteilung in Unternehmen A dar. Hier ist es nicht ein Kommunikationsverantwortlicher, sondern eine eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte, die neben anderen Tätigkeiten auch für interne und externe Nachhaltigkeitskommunikation zuständig ist. Sie stimmt sich zwar mit der Kommunikationsabteilung ab – vor allem, was das Erscheinungsbild des Nach-
424
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
haltigkeitsberichtes betrifft – inhaltlich versteht sie sich aber als abgekoppelte Stelle, die eher mit jenen Abteilungen zusammenarbeitet, in denen gerade Nachhaltigkeitsprojekte laufen, und weniger mit der Kommunikationsabteilung. „Wir von der Nachhaltigkeitsstelle machen den gesamten Nachhaltigkeitsbericht alleine. Im Nachhaltigkeitsausschuss sitzt allerdings ein Kollege aus der Kommunikationsabteilung. Die Kommunikationsabteilung hilft auch, den Bericht an die Zielgruppen zu bringen. Aber wir erstellen ihn alleine. […] Ich finde das so, wie wir es haben, gut, dass wir ein eigener Bereich sind, außerhalb der Kommunikation. Auf der anderen Seite, wenn wir mehr verquickt wären, könnte man vielleicht mehr Synergien in der Kommunikation selbst nützen, und das Thema noch mehr in andere PR-Maßnahmen integrieren“ (A 1).
Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie Der theoretische Entwurf betrachtete Nachhaltigkeitskommunikation als zukunftsorientiertes Aufgabenfeld der Public Relations. Annahme war, dass Experten der Public Relations über grundlegende Kompetenzen verfügen würden, um Nachhaltigkeitskommunikation professionell zu planen und zu gestalten (z.B. Kenntnisse der Stakeholder, Erfahrung in interner Kommunikation, Dialogorientierung, Umgang mit Konflikten etc.) (vgl. Kapitel 3.4.5.1). Gleichzeitig wurde im Sinne Bruhns betont, dass für die interne Organisation und Durchführung der Nachhaltigkeitskommunikation die Zusammenarbeit unterschiedlicher Abteilungen unumgänglich sei (vgl. Kapitel 4.7.3.1). Die Tatsache, dass in zwei der drei Energieversorger (Unternehmen B und C) Nachhaltigkeitskommunikation zum Zeitpunkt der Befragung in den Aufgabenbereich der Kommunikationsabteilung fiel, bekräftigt die theoretischen Aussagen und unterstreicht die Relevanz der Public Relations. In Unternehmen B scheint die Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen bereits gut zu funktionieren, während in Unternehmen C – wohl auch aufgrund der erst kurzen Dauer des Nachhaltigkeitsprozesses – in diesem Punkt noch Mängel zu orten sind. Unternehmen A beweist allerdings, dass auch außerhalb der Kommunikationsabteilung erfolgreich über Nachhaltigkeitsthemen kommuniziert werden kann. Nachhaltigkeitsbeauftragte A 1 hat den Vorteil, dass sie sich in ihrer Position ausschließlich auf diese Themen konzentrieren kann, somit bringt sie neben ihrer persönlichen Begeisterung für ökologische und soziale Themen viel inhaltlichen Input in die Nachhaltigkeitskommunikation mit ein. Vor allem in der internen Kommunikation kann sie punkten, denn ihr Spezialwissen ermöglicht ihr, selbst Vorträge und Fortbildungsseminare zu halten. Diesen „Luxus“ eines
6.5 Empirische Ergebnisse
425
Vollzeit-Nachhaltigkeitsbeauftragten bzw. CSR-Managers können sich aber viele Unternehmen schlichtweg nicht leisten.
6.5.5 Welche Ziele verfolgt das Unternehmen mit der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen? „Welche Ziele verfolgt das Unternehmen mit der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen?“ Diese Frage stellte ich jedem einzelnen Interviewpartner „ungestützt“, also ohne Antwortkategorien vorzugeben. In ihren Antworten nannten sämtliche Befragte an erster Stelle solche Zieldimensionen, die im Verlauf dieser Arbeit als „Business Case“-Ziele bezeichnet worden waren. Am häufigsten wurden Mitarbeiter-bezogene Ziele genannt, wie Bewusstseinsbildung und Motivationssteigerung. Dabei war die Wortwahl unterschiedlicher Interviewpartner auffallend ähnlich: Nachhaltigkeitskommunikation solle das „Nachhaltigkeitsverständnis der Mitarbeiter stärken“ (A 1) bzw. das „Nachhaltigkeitsbewusstsein der Mitarbeiter fördern“ (B 2). Die Mitarbeiter sollen „verstehen, dass das, was wir machen, nicht nur dazu da ist, um irgendwelche Berichte zu schreiben, sondern dass das auch Sinn macht und gut für die Allgemeinheit ist“ (A 3). Nachhaltigkeitskommunikation soll „Bewusstsein schaffen, dass die Mitarbeiter wissen, was das Unternehmen im Bereich Ökologie und Soziales macht, warum und was steckt dahinter“ (B 1). Neben der Bewusstseinsbildung wird auch Mitarbeitermotivation als Ziel genannt: Unternehmen B möchte erzielen, „dass die Mitarbeiter sich im Unternehmen wohler fühlen, dass sie motiviert sind, einen guten Arbeitsplatz haben“ (B 1). Am zweithäufigsten wurde ein positives Image als Ziel der Nachhaltigkeitskommunikation genannt. Für das Erdgasunternehmen C zum Beispiel sei das insofern nötig, weil Erdgas immer mit Ängsten (Stichwort Explosionsgefahr) behaftet sei. Als Gegenstrategie sei ein gutes Image, das das Unternehmen in der öffentlichen Wahrnehmung mit Nachhaltigkeitsengagement in Verbindung bringe, wichtig: „Es trägt sehr wohl zu einem positiven Image bei, wenn man sieht, ein Unternehmen engagiert sich wirklich nachhaltig, in allen Bereichen. Da ist die Kundenbindung eine ganz eine andere. Wir sind ein Unternehmen mit sehr viel Gewinn. Die Menschen wollen auch sehen, was passiert damit“ (C 1).
Unternehmen A möchte mit der externen Nachhaltigkeitskommunikation zum Ausdruck bringen:
426
6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger „Wir sind ein Energieversorger, der sich zu seiner Verantwortung bekennt, wir beziehen bei unseren Projekten die einzelnen Stakeholder mit ein. Das ist ein Wettbewerbsvorteil im weitesten Sinne, weil es ein Zusatznutzen ist, der für den Kunden generiert wird. Selbiges für die Umgebung und für die Bevölkerung im Versorgungsgebiet des Unternehmens“ (A 1).
Neben internen Zielen und Imagezielen fallen noch weitere Motive unter den „Business Case“ für Nachhaltigkeit. Zum Beispiel solle Nachhaltigkeitskommunikation „Anstoß zu Innovationen“ liefern (B 2). In Unternehmen A wird der Bereich „Forschung & Nachhaltigkeit“ vertiefend im Rahmen eines eigenen Forschungsberichtes dargestellt (A 2). Außerdem gilt Nachhaltigkeitskommunikation in Unternehmen B als „Vorbeugung für einen möglichen Krisenfall. Wenn man Projekte so durchführt, dass man die langfristige Wirkung mit einbezieht, dann ist das etwas anderes, als wenn man nur kurzfristig denkt“ (B 2). Einige der genannten Zieldimensionen aus dem Business-Bereich lassen sich nicht scharf abgrenzen von Zieldimensionen aus dem Marketing-Bereich. Explizit kamen Marketingaspekte aber kaum zur Sprache. Lediglich ein Interviewpartner, B 2, sagte: „Die Stelle der Nachhaltigkeitsbeauftragten ist eher eine Image-Stelle. Und in dem Nachhaltigkeitsbericht sehe ich sehr stark Vermarktungsziele. Der Bericht ist werbemäßig gut gemacht, mit lieben, netten Fotos. Aber wenn man nach konkreten Zahlen sucht, findet man die oft gar nicht sofort“ (B 2).
Gesellschaftlich orientierte Zielsetzungen wurden hingegen häufig genannt, allerdings meistens nicht als vorrangige Ziele der Nachhaltigkeitskommunikation, sondern eher als positive „Nebenprodukte“. So sagte zum Beispiel A 1: „Ich denke schon, dadurch dass man über das Thema schreibt und kommuniziert, was das überhaupt ist, was damit gewollt ist und welche Aspekte da überhaupt dazu gehören, ist es ein Beitrag zur Volksbildung. [...] Aber dass wir jetzt Kommunikation über Nachhaltigkeit einfach so mit der breiten Bevölkerung machen, das sehe ich nicht als unsere Aufgabe. Mit unseren Zielgruppen sehr wohl, da gilt es das Thema zu kommunizieren“ (A 1).
B 2 und C 1 bringen auf die Frage nach den Zielen der Nachhaltigkeitskommunikation noch deutlicher zum Ausdruck, dass man als Unternehmen auch einen Beitrag zur Gesellschaftsentwicklung zu leisten habe. „Ich denke, es ist wichtig, als Unternehmen Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Nicht unbedingt nur auf das Unternehmen bezogen, sondern auch für den privaten Bereich, Bewusstseinsbildung zu schaffen, und auch bei Kunden, Partnern, Lieferanten
6.5 Empirische Ergebnisse
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usw. Dass das eigentlich viel weiter geht und alle Stakeholder irgendwie betrifft. Dass ich auch für mich persönlich darüber nachdenke, ich sollte jetzt Energiesparen usw.“ (B 2). „Wir sind ein regionaler Betrieb, und wir haben die Verantwortung, dass wir die Leute aufmerksam machen auf gewisse Dinge. Dass jeder was beitragen kann zu einer nachhaltigen Entwicklung. Jeder Mitarbeiter, der nach einer Prozesssitzung rausgeht und seiner Familie davon erzählt, der verbreitet Nachhaltigkeitsthemen in seinem Umfeld. Zum Beispiel das wichtige Thema Energiesparen“ (C 1).
Die Mitarbeiter werden als mögliche Botschafter des Nachhaltigkeitsthemas betrachtet. „Man hofft auch, Sensibilisierung für das Thema in den Familien der Mitarbeiter zu erreichen, dadurch, dass der Nachhaltigkeitsbericht zu jedem nachhause geschickt wird“ (A 1). „Ich denke, die Mitarbeiter geben das, was sie in Schulungen zum Thema Nachhaltigkeit bei uns erfahren, zum Beispiel wie viele Ressourcen braucht die Erzeugung von einem Packerl Orangensaft, schon weiter an ihre Verwandten und Freunde“ (B 2).
Als ein weiterer Beitrag zum Gemeinwohl wurde Sozio- und Kunstsponsoring genannt. Unternehmen B zum Beispiel investiert in eine Sammlung zeitgenössischer Künstler und fördert diese; Unternehmen A setzt sich für ein SOSKinderdorf ein; Unternehmen C stellt Gelder für ein vom Vorstand ausgewähltes Sozialprojekt zur Verfügung. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen wurden die möglichen Zieldimensionen der Nachhaltigkeitskommunikation in Form eines Zwiebelmodells mit den Dimensionen „Marketing Case“, „Business Case“ und „Public Case“ dargestellt (vgl. Kapitel 3.4.4). Als mögliche Zielsetzungen auf der Marketingebene wurden Werbewirkung, Absatzsteigerung bzw. Entwicklung nachhaltiger Produktionsprozesse genannt. Als mögliche Zielsetzungen auf Businessebene betrachteten wir unter anderem Mitarbeiterzufriedenheit und Imageverbesserung. Der „Public Case“ schließlich bezieht sich darauf, dass Unternehmen mittels Nachhaltigkeitskommunikation auch eine Popularisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes bei bestimmten Zielgruppen bzw. in der Gesellschaft anstreben können sowie einen Einstellungs- bzw. Verhaltenswandel anstoßen können. Die Metapher der Zwiebel sollte verdeutlichen, wie das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeits-
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kommunikation von Marketingzielen, über breitere wirtschaftliche Ziele hin zu gesellschaftlichen Zielsetzungen immer komplexer und schwieriger wird. Außerdem sollte sie zeigen, dass in ein und demselben Unternehmen eine Zieldimension einmal im Bereich Marketing, ein anderes Mal im Bereich Business und wieder ein anderes Mal im Bereich „Public Case“ angesiedelt sein kann, je nach situativer Ausgangslage. Die Existenz der drei Zielbereiche – Marketing, Business, Public Case – konnte im Rahmen der Interviews grundsätzlich festgestellt werden. Allerdings lag der Schwerpunkt eindeutig auf der Business-Dimension. Durch Nachhaltigkeitskommunikation rechnen sich die Unternehmen langfristige Wettbewerbsvorteile aus, vor allem durch das Erfüllen von Shareholder Erwartungen, besseres Image, Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenbindung. Reine Marketing-Ziele spielen in den drei befragten Unternehmen offenbar eine untergeordnete Rolle. Gesellschaftsorientierte Zieldimensionen, wie sie im normativ orientierten Zwiebelmodell enthalten sind, haben in den drei Unternehmen bei weitem nicht den Stellenwert wie die Business Ziele. Allerdings räumen die meisten Befragten ein, dass sie persönlich mittels Nachhaltigkeitskommunikation auch etwas in der Gesellschaft bewegen möchten. In der Praxis könne dies aber nur funktionieren, wenn mit denselben Maßnahmen gleichzeitig wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele erfüllt werden. Zum Beispiel würden Mitarbeiterschulungen zu sozialen und ökologischen Geschäftsthemen das Nachhaltigkeitsbewusstsein und eventuell die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen (Business Case). Durch dieselben Schulungen könne es aber auch gelingen, dass Mitarbeiter zu Botschaftern werden und Nachhaltigkeitsthemen in ihr Umfeld weitertragen (Public Case). Dieser Aspekt, dass gesellschaftliche Ziele strategisch an wirtschaftliche Ziele gekoppelt sein müssen, um in der Unternehmenspraxis tatsächlich angestrebt werden zu können, fand im Zwiebelmodell bisher noch keine Berücksichtigung. Auch die Dominanz des Business Case kommt im Zwiebelmodell nicht zum Ausdruck. Weiterführende Studien könnten in diesen Teilbereichen noch mehr Daten für eine Überarbeitung des Modells liefern.
6.5.6 Welche unternehmensinternen Faktoren prägen Nachhaltigkeitskommunikation? In sämtlichen Gesprächen kam zum Ausdruck, dass die Unterstützung des TopManagements, sprich des Vorstands, Voraussetzung sei für den Erfolg von Nachhaltigkeitsmanagement und Nachhaltigkeitskommunikation. In Unternehmen A und B scheint ein „Top-Down“-Ansatz zu dominieren. Man beschäftigt
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sich also mit Nachhaltigkeitsthemen vorwiegend deshalb, weil es der Vorstand bzw. das Top Management für wichtig erachten. Gleichzeitig herrscht aber das Bewusstsein, dass man auch die Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsthemen begeistern müsse: „Voraussetzung ist, dass der Vorstand dahinter steht und sagt, das ist uns wichtig. Andererseits sollten auch die Mitarbeiter durch Eigeninitiative in ihrer täglichen Arbeit, in sämtlichen Entscheidungen, das Nachhaltigkeitsdenken einfließen lassen. Es sollte also beides da sein, Top-Down und Bottom-Up“ (B 1).
In Unternehmen C hingegen wurde der Nachhaltigkeitsprozess vom Vorstand weniger intensiv forciert. Stattdessen war es eine Gruppe von Mitarbeitern, die zum Teil nicht einmal aus der Führungsrige stammt, die sich für verstärktes soziales und ökologisches Engagement einsetzte. Der Vorstand hatte zwar „offene Ohren“ für das Thema (C 1), allerdings gab es – über die Veranschlagung eines Budgets für den Nachhaltigkeitsprozess hinaus – kaum aktive Unterstützung oder Motivation von Seiten des Vorstands. Inwieweit die Unternehmenskultur Einfluss auf Nachhaltigkeitsmanagement bzw. Nachhaltigkeitskommunikation hat, war nur schwer herauszufinden. Aus der teilnehmenden Beobachtung in Unternehmen C ging hervor, dass strenge Hierarchien vorherrschten. Es dürfte sich nicht um eine offene Dialogkultur handeln. So kritisierten beispielsweise Mitarbeiter, dass es nicht einmal einen Raum gebe, in dem man informelle Dialoge führen könne, ohne dass man sich von den Chefs beobachtet fühle. In Unternehmen A dürfte die Unternehmens- bzw. Führungskultur eher von Offenheit und Dialog geprägt sein. So heißt es in einem der Nachhaltigkeitsberichte101, die Unternehmenskultur beruhe auf „offener und direkter Kommunikation, klaren und unbürokratischen Entscheidungsstrukturen, konstruktiver Kritik und Innovationsbereitschaft“. Als Indiz dafür lässt sich der Prozess der Erstellung eines neuen Leitbildes in Unternehmen A werten. Nach der Liberalisierung des Energiemarktes war eine komplette Umformulierung nötig geworden. Die Mitglieder von Nachhaltigkeitsrat und Strategieteam machten daraufhin einen ersten Entwurf. Dieser wurde anschließend vom Vorstand persönlich an alle Mitarbeiter elektronisch versandt, und es wurde Feedback erbeten, inwieweit sich die Mitarbeiter mit den formulierten Zielen identifizieren konnten.
101 Auf eine Literaturangabe muss verzichtet werden, um die Anonymität der Unternehmen so zu wahren.
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6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger „Das direkte Email des Vorstands an jeden einzelnen Mitarbeiter hat der Wichtigkeit einer gemeinsamen Formulierung des Leitbilds Nachdruck verlieren. 27 Prozent der Mitarbeiter haben sich mit Vorschlägen und offenen Fragen zurück gemeldet. Ich habe die Ergebnisse dann sehr breit im Unternehmen verteilt und im Intranet veröffentlicht. Viele Anregungen wurden tatsächlich im Leitbild berücksichtigt“ (A 1).
Der partizipativ angelegte Leitbild-Prozess habe geholfen, Nachhaltigkeit als einen wichtigen Wert im Unternehmen zu etablieren. Mittlerweile sei in den meisten Abteilungen bereits eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ (A 3) entstanden. Aus Unternehmen B hieß es, dass das Nachhaltigkeitsdenken in unterschiedlichen Unternehmensbereichen noch unterschiedlich stark verankert sei. Während sich die Abteilungen Personalwesen, Umweltcontrolling, Kommunikation und Investor Relations schon länger intensiv mit dem Thema beschäftigten, müsse man in anderen Abteilungen noch mehr Bewusstsein schaffen (vgl. B 2). Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen wurden unter anderem das Engagement des Top Managements, die Beschaffenheit der Unternehmenskultur sowie die Existenz einer „Kultur der Nachhaltigkeit“ als relevante unternehmensinterne Kontexte der Nachhaltigkeitskommunikation beschrieben (vgl. Kapitel 3.4.5.1.). Grundsätzlich hat sich im Rahmen der Interviews und der teilnehmenden Beobachtung bestätigt, dass diese Kontextbereiche Einfluss auf die Gestaltung von Nachhaltigkeitsmanagement bzw. Nachhaltigkeitskommunikation haben. Besonderes Gewicht erhielt in den Interviews die Unterstützung des Top Managements als Voraussetzung für erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement und für erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation. Was die Zusammenhänge zwischen Unternehmenskultur und Nachhaltigkeitskommunikation betrifft, so zeigte sich hier noch vermehrter Forschungsbedarf. Die Antworten der Interviewpartner und auch die Ergebnisse aus der teilnehmenden Beobachtung waren wenig ergiebig. Es gestaltete sich schwieriger als erwartet, als unternehmensexterne Person Einblick in die Kultur eines Unternehmens zu bekommen. Deshalb können im Rahmen dieser Studie vorerst noch keine genaueren, empirischen Aussagen darüber gemacht werden, welcher Typ der Unternehmenskultur tatsächlich förderlich ist für die Praxis einer unternehmens- und gesellschaftsorientierten Nachhaltigkeitskommunikation. Die Vermutung bleibt aber bestehen, dass eine offene, auf Dialog und Partizipation ausgelegte Unternehmenskultur und „transformatives Führen“ (vgl. Mast/Huck 2008, 151) Voraussetzungen für ernstgemeintes Nachhaltigkeitsmanagement sind.
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Einmal mehr kam in den Interviews zum Ausdruck, dass die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit ein Prozess sei und es das nachhaltige Unternehmen schlechthin nicht geben könne (vgl. Kapitel 2.8.1). In zwei der drei Unternehmen wurde betont, dass eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ zwar in einigen Abteilungen bereits etabliert sei. Noch sei es aber ein weiter Weg, das Nachhaltigkeitsbewusstsein im gesamten Unternehmen zu verankern. Die allgemeine Frage, ob ein Unternehmen eine „Kultur der Nachhaltigkeit“ pflege, erübrigt sich damit. Sinnvoll erscheint es mir hingegen, differenzierter nachzufragen, beispielsweise: In welchen Unternehmensbereichen sind bereits „Subkulturen der Nachhaltigkeit“ entstanden, auf die man im Rahmen der internen Bewusstseinsbildung und Positionierung aufbauen kann?
6.5.7 Welche unternehmensexternen Faktoren prägen Nachhaltigkeitskommunikation? „Welche Faktoren und Gruppen außerhalb des Unternehmens prägen Nachhaltigkeitskommunikation?“ Diese Frage stellte ich jedem einzelnen Interviewpartner „ungestützt“, also ohne Antwortkategorien vorzugeben. In den Befragungen zeigte sich eine Dominanz der Shareholder-Interessen. In Unternehmen A und B wurden Shareholder als wichtigste Einflussgruppe genannt. Im Rahmen der Berichterstattung werde versucht, die Erwartungen und Informationsinteressen der Shareholder bestmöglich zu erfüllen. Gleichzeitig helfe die Berichterstattung, Entwicklungen und Verbesserungen über die Zeit hinweg für Ratingagenturen und Shareholder sichtbar zu machen (vgl. A 1, B 2). Aus den Interviews in Unternehmen B ging weiters hervor, dass auch die langjährige Börsennotierung des Konzerns die Gestaltung der externen Nachhaltigkeitskommunikation präge. In der Berichterstattung bestünde seit langem eine „Kultur der Transparenz“, weil man als börsennotiertes Unternehmen ohnedies gewöhnt sei, Kennzahlen bekannt zu geben. Mit dieser Ausgangsbasis sei der Schritt, auch Nachhaltigkeitskennzahlen zu veröffentlichen, nicht mehr allzu groß gewesen (vgl. B 1, B 2). Ein wichtiger Gestaltungsfaktor für die Nachhaltigkeitsberichterstattung seien auch die Richtlinien der Global Reporting Initiative GRI (vgl. Kapitel 5.5.2.2). In Unternehmen A und B werden diese international anerkannten Richtlinien bereits so weit wie möglich berücksichtigt. Auch in Unternehmen C hat man es sich zum Ziel gemacht, den Nachhaltigkeitsbericht an die GRIRichtlinien anzulehnen. Neben der Global Reporting Initiative spielen auch Zertifizierungsorganisationen wie EMAS („Environmental Management and Audit Scheme“)
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und ISO („International Standardization Organization“) eine Rolle für die Berichterstattung. Eine Zertifizierung nach EMAS verlangt, dass eigene Umwelterklärungen verfasst werden. Das führt dazu, dass Unternehmen A für zahlreiche Standorte einen separaten Umweltbericht mit den von EMAS geforderten Kennzahlen veröffentlichen muss. Parallel dazu gibt es den konzernweiten Nachhaltigkeitsbericht. Ein Zusammenlegen von Umwelterklärungen und Nachhaltigkeitsberichten sei vorerst nicht denkbar: „Wir haben uns das schon angeschaut, weil diese doppelte Berichterstattung natürlich ein enormer Aufwand ist. Wir haben analysiert, was kostet und was bringt die separate Umweltberichterstattung. Und wir sind zum Schluss gekommen: Die EMAS-Zertifizierung ist die Basis, dass wir ein Gütesiegel für grünen Strom bekommen. Das heißt, die Umwelterklärungen werden weiterhin so bleiben“ (A 1).
Kundeninteressen wirken sich ebenfalls auf die vom Unternehmen gewählten Inhalte der Nachhaltigkeitskommunikation aus, wenn auch offenbar schwächer als Shareholder-Interessen. Sowohl Unternehmen A wie auch Unternehmen B führten in der Vergangenheit Kundenbefragungen durch, in denen zum Ausdruck kam, dass für die Abnehmer nicht nur der Preis, sondern immer mehr auch die Faktoren „erneuerbare Energie“ bzw. „grüner Strom“ eine wichtige Rolle bei der Wahl des Energieversorgers spielen. Auch die Medienberichterstattung sowie gesetzliche Entwicklungen scheinen die Inhalte der Nachhaltigkeitskommunikation mit zu bestimmen. So sagt A 1: „Wir schauen vor jedem Bericht: Was waren heuer die für uns relevanten Themen in den Medien und in der Politik. Welche Themen wurden extern diskutiert. Diese Themen greifen wir dann auf und stellen unsere Haltung zu der jeweiligen Frage dar.“
Wie sich Wettbewerber verhalten, ob und wie ausführlich sie über Nachhaltigkeitsthemen kommunizieren, beeinflusst die Nachhaltigkeitskommunikation der Energieversorgungsunternehmen ebenfalls. Vorreiter unter den europäischen Energieversorgern trieben die Nachhaltigkeitskommunikation in der gesamten Branche voran. Von Interviewpartner A 2 wird es aber als Risiko wahrgenommen, wenn Kennzahlen aus dem Umweltbereich öffentlich, und damit auch an Wettbewerber, kommuniziert werden:
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„Das Preisgeben von Daten ist manchmal auch ein Nachteil. Es ist uns zum Beispiel 102 bei den NAP-Verhandlungen auf den Kopf gefallen, weil die Konkurrenz genau gewusst hat, wie viel Kohle wir verbraucht haben in welchen Jahren und welche Bezugsjahre die ungünstigsten für uns wären. Von der Konkurrenz wiederum gab es bis dato kaum öffentliche Daten dazu“ (A 2).
Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen in Kapitel 3.4.5 wurden neben der MikroEbene zwei externe Kontextebenen unterschieden, welche Inhalt und Form der Nachhaltigkeitskommunikation prägen würden, nämlich Kontexte auf der MesoEbene und Kontexte auf der Makro-Ebene. Auf der Meso-Ebene (Stakeholder-Ebene) hätten folgende Gruppen Einfluss darauf, ob sich ein Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit engagiert und darüber auch aktiv kommuniziert: Konsumenten/Kunden, Wettbewerber, Wirtschafts- und Branchenverbände, Interessensverbände, Abnehmer und Investoren/Shareholder. Die Befragung ergab, dass letztere, nämlich Shareholder, Form und Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung besonders intensiv prägen. Weiters spielen die Vorgaben von Zertifizierungsorganisationen (EMAS, ISO) und der Global Reporting Initiative GRI eine wichtige Rolle. Diese letzteren beiden Einflussfaktoren wurden in den theoretischen Ausführungen noch zu wenig bedacht. Branchenverbände hingegen scheinen für die Energieversorger offenbar nicht relevant. Auch Kunden dürften auf Inhalte und Form der Nachhaltigkeitskommunikation bisher weniger direkten Einfluss nehmen als aus theoretischer Sicht angenommen. Auf der Makro-Ebene wurden aus theoretischer Sicht gesellschaftliche Gruppen (wie NGOs, Aktivistengruppen, Bildungsinstitutionen), der Staat/Gesetzgeber und die Medien als Einflussfaktoren identifiziert. In den Interviews zeigte sich, dass aktuelle rechtliche Entwicklungen und Top-Themen der Medienberichterstattung in der Nachhaltigkeitskommunikation tatsächlich manchmal aufgegriffen bzw. kommentiert werden. Aktivisten hingegen spielen für die österreichischen Energieversorger offenbar eine geringe Rolle, denn von keinem Interviewpartner wurden Aktivisten explizit erwähnt. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass in den befragten Unternehmen zum Zeitpunkt der Studie keine besonders umstrittenen Kraftwerks-Großprojekte anstanden. Was Bil102 Der Nationale Allokationsplan (NAP) beschäftigt sich mit dem Emissionshandel. Im NAP wird die Gesamtmenge der Kohlendioxid-Emissionen festgelegt, die Österreich den am Emissionshandel beteiligten Unternehmen gewährt. Der NAP legt sowohl die Gesamtemissionsmenge als auch die Zuteilungsmethode fest. Für detaillierte Informationen zum NAP bzw. zum Emissionshandel: www.emissionshandelsregister.at.
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dungsinstitutionen betrifft, so gelten diese zwar als Zielgruppen der Nachhaltigkeitskommunikation, auf die Frage, welche Faktoren außerhalb des Unternehmens Nachhaltigkeitskommunikation prägen, wurden Bildungsinstitutionen aber von keinem einzigen der Befragten erwähnt. Rückblickend erweist sich das Zwiebelmodell als brauchbar, um die internen Faktoren und die unternehmensexterne Landschaft, in der sich Nachhaltigkeitskommunikation abspielt, vereinfacht darzustellen. Allerdings gilt es dabei zu berücksichtigen, dass verschiedene Unternehmen bzw. verschiedene Branchen bei der Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation von den einzelnen Faktoren unterschiedlich stark beeinflusst werden. Während für Kleinunternehmen der Mikro-Kontext besonders wichtig erscheint und die Persönlichkeit des Chefs viel bewirken kann, können sich Großunternehmen auch auf politischer Ebene (Makro-Ebene) betätigen, indem sie Lobbying für ihre Interessen betreiben. Interessant wird es in Zukunft sein zu beobachten, wie Unternehmen reagieren, wenn Medien zunehmend über Nachhaltigkeitsthemen berichten103. Das Zwiebelmodell sollte auch verdeutlichen, dass die Kontexte, in denen Nachhaltigkeitskommunikation eingebettet ist, von der Mikro- über die Mesobis hin zur Makro-Ebene immer komplexer werden. Eine direkte Bestätigung dafür lässt sich aus den Interviews und den teilnehmenden Beobachtungen nicht ableiten. Es zeigte sich, dass schon die Unternehmenskultur, angesiedelt auf der Mikro-Ebene, so vielschichtig und für einen externen Beobachter so schwer zu erheben ist, dass es beinahe unmöglich erscheint, einen Zusammenhang mit der Gestaltung von Nachhaltigkeitskommunikation herzustellen. Hier wären weiterführende Fallstudien nötig, die sich darauf konzentrieren, einerseits die Unternehmenskultur, andererseits die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation detailliert zu beschreiben, und dann versuchen, mögliche Zusammenhänge zu erkennen.
6.5.8 An welche Zielgruppen/Stakeholder richtet sich Nachhaltigkeitskommunikation, und wie werden diese ausgewählt? In allen drei Unternehmen wird der hohe Stellenwert der Zielgruppe Mitarbeiter hervorgehoben. Auf die ungestützte Frage, „was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Zielgruppe der Nachhaltigkeitskommunikation“, nannten alle drei für Nachhaltigkeitskommunikation Hauptverantwortliche (A 1, B 1, C1) die Mitarbeiter.
103 Einen Schritt in diese Richtung hat zum Beispiel der österreichische rechtliche Rundfunk ORF gesetzt, indem er Nachhaltigkeitsthemen wie Klimaschutz, Gleichberechtigung und Ernährung als Schwerpunktthemen behandelt.
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Um diese stärker einzubinden, wurde in Unternehmen B ein zweitägiger Nachhaltigkeitsworkshop für Mitarbeiter abgehalten. Die 20 Teilnehmer stellten einen repräsentativen Querschnitt des Unternehmens dar. Sie seien ausgewählt worden, weil sie sich durch ein besonders hohes Problembewusstsein in Sachen Ökologie und Soziales auszeichneten. Die Ziele dieses Workshops waren folgende: „Hintergrund war, wie bildet man Bewusstsein bei den Mitarbeitern. Wie kann jeder einzelne Nachhaltigkeit in seiner Arbeit umsetzen. Wie kann man so eine auf den ersten Blick abgehobene Idee konkret in die Arbeit einbeziehen. [...] Auf dem Workshop sind richtige Maßnahmen und Vorschläge erarbeitet worden“ (B 1, B 2).
Unternehmen A und C versuchen, über die Mitarbeiter auch deren Familien zu erreichen: „Wenn ich die Mitarbeiter im Boot habe und sie gehen heim und sagen, das ist lässig, was das Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit macht, dann habe ich gewonnen“ (C 1). „Mitarbeiter stehen ganz oben als wichtigste Zielgruppe [...]. Wir verschicken unseren Nachhaltigkeitsbericht mittlerweile an jeden einzelnen Mitarbeiter. Und da habe ich viel positives Feedback bekommen. Man präsentiert das Unternehmen stolz der Familie, vor allem, wenn man selbst bei einem der Projekte mitgearbeitet hat“ (A 1).
Als zweitwichtigste Zielgruppe nach den Mitarbeitern wurden in Unternehmen A und B Shareholder und Rating Agenturen genannt (vgl. A 1, B 1, B 2). Auf die Frage nach „sonstigen Zielgruppen“ der Nachhaltigkeitskommunikation wurden Konsumenten bzw. Kunden, Meinungsführer, politische Entscheidungsträger, Medien, Bildungsinstitutionen, Lieferanten, Mitbewerber, NGOs und Bürger, die im Umfeld eines Kraftwerks- oder Leitungsprojekts wohnen, angeführt. Interessante Ergebnisse hinsichtlich der Identifizierung von „Key-Stakeholdern“, also der wichtigsten Zielgruppen für die Nachhaltigkeitskommunikation, ergaben sich im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung des Nachhaltigkeitsprozesses in Unternehmen C. Im zweiten und dritten von insgesamt sechs Prozessterminen sollten die Teilnehmer die wichtigsten Zielgruppen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bestimmen. Dazu wurden zuerst auf einer eigens eingerichteten Intranet-Plattform Vorschläge gesammelt. Gemeinsam versuchten die Teilnehmer unter Anleitung der Prozessleiterin dann, diese Zielgruppen zu visualisieren. Das Ergebnis ist in Abbildung 87 dargestellt:
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Abbildung 87: Die Unternehmenslandschaft von Unternehmen C (Petzl 2007, 66)
Nach der übersichtlichen Darstellung der Zielgruppen galt es, aus der vielfältigen Unternehmenslandschaft die wichtigsten Stakeholder auszuwählen. Jeder Prozessteilnehmer identifizierte zu diesem Zweck die drei aus seiner Sicht vorrangigen Gruppen, indem er sie mit Klebepunkten auf der Pinnwand markierte. Dabei waren die Teilnehmer angehalten, die Priorisierung nach folgenden drei Kriterien vorzunehmen:
die Sichtweise der Anspruchsgruppe bezogen auf das Unternehmen; die Möglichkeit seitens der Interessensgruppe, auf das Unternehmen Einfluss zu nehmen; die Möglichkeit seitens des Unternehmens, mit der Anspruchsgruppe in Kontakt zu treten.
Die Mehrheit der Stimmen erhielten schließlich die folgenden drei Gruppen: Mitarbeiter (einschließlich Familien und Lehrlinge), Kunden und Eigentümer/Aufsichtsratsmitglieder. Das Hervorheben der letzten Gruppe, Eigentümer und Aufsichtsratsmitglieder, mag auf den ersten Blick überraschen. Vor dem
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Hintergrund aber, dass das Unternehmen C nicht an der Börse notiert ist, sondern sich im Eigentum anderer Energieversorger befindet, wurde diese Zielgruppe als besonders relevant erachtet. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen wurden die Mitarbeiter als wichtigste Zielgruppe identifiziert. In diesem Punkt decken sich Theorie und Praxis. Deutliche Unterschiede ergaben sich aber zwischen den in Kapitel 4 entwickelten normativen Qualitätskriterien der Zielgruppensegmentierung und der tatsächlichen Praxis. Aus normativer Sicht wurde eine ganzheitliche Zielgruppensegmentierung als wünschenswert erachtet, welche nicht nur „dominante“ Gruppen, die unmittelbar Einfluss auf das Unternehmen ausüben, berücksichtigt, sondern darüber hinaus auch „periphere“ Zielgruppen, also solche ohne direkte finanzielle Relevanz bzw. ohne unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Solche peripheren Zielgruppen (wie ethnische Minderheiten, behinderte Menschen, Arbeiter in armen Ländern, junge Menschen etc.) scheinen im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation der Energieversorger kaum Berücksichtigung zu finden. Vermutlich ist das unter anderem auf die Branche zurückzuführen, in der im Vergleich zu anderen Branchen (wie Bau, Fernverkehr, Paketdienst etc.) wenig ausländische und fremdsprachige Menschen tätig sind. Die befragten Energieversorger sind auch nicht in Entwicklungsländern tätig, also erübrigt sich für sie das gezielte Ansprechen von dortigen Arbeitern. Junge Menschen werden zum Teil im Rahmen der Educational Relations bzw. aus dem Blickwinkel der Lehrlingssuche als Zielgruppe betrachtet. Als für die Nachhaltigkeitskommunikation relevante Stakeholder haben die drei Unternehmen vorwiegend die „klassischen Zielgruppen“, also Mitarbeiter, Shareholder, Kunden, politische Entscheidungsträger, identifiziert. Es erfolgt keine Unterscheidung in latente, bewusste, aktive oder aktivistische Zielgruppen, wie Grunig (vgl. 1997) in seiner situativen Zielgruppentheorie vorschlägt. Auch das Problembewusstsein der Menschen („problem recognition“), ihr Betroffenheitsgrad („level of involvement“) bzw. ihr Empfinden von Behinderungen („constraint recognition“) werden kaum berücksichtigt. Ansatzpunkte dafür fanden sich nur in Unternehmen A, wo die Teilnehmer an einem internen Nachhaltigkeitsworkshop ausgesucht wurden aufgrund ihres Problembewusstseins für Nachhaltigkeitsthemen. Die Studie zeigt also, dass es in der Praxis durchaus noch Potenzial gibt, um die Zielgruppensegmentierung zu verfeinern und Nachhaltigkeitskommunikation „treffsicherer“ zu machen. Statt die Mitarbeiter in ihrer Gesamtheit als Zielgruppe zu betrachten, könnte man differenzieren nach ihrem Problembewusst-
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sein und ihrem Empfinden von Widerständen bzw. Behinderungen. Ähnlich lassen sich auch Shareholder gliedern in solche, die Interesse an „grünem Geld“ haben und andere, die weniger Problembewusstsein in Nachhaltigkeitsfragen aufweisen. Wieder eine andere Zielgruppe, nämlich Anrainer bzw. die „Community“, könnte ebenfalls differenziert betrachtet werden. Zum Beispiel könnten Anrainer einer neu zu errichtenden Leitung unterschieden werden nach ihrer Betroffenheit bzw. ihrem Aktivismusgrad. Somit würden sich für die Nachhaltigkeitskommunikation zum Teil andere „Key Stakeholder“ ergeben als für die Gesamtheit der sonstigen Public Relations Aktivitäten.
6.5.9 Welcher Kommunikationsstil dominiert in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation? Aus den Aussagen der Interviewpartner in den Unternehmen A und B geht hervor, dass sich die meisten Aktivitäten der Nachhaltigkeitskommunikation am ehesten Grunigs Modell der Informationstätigkeit zuordnen lassen. Mit dem Kommunikationsinstrument des Nachhaltigkeitsberichts steht ein informatives und wenig feedback-orientiertes Medium im Vordergrund. Je länger das Nachhaltigkeitsengagement in Unternehmen A und B aber andauerte, desto deutlicher wurde das Bestreben, verstärkt auch symmetrische Kommunikationsformen zu integrieren. Dies lässt sich an der Einführung von Stakeholder-Befragungen und Mitarbeiter-Workshops erkennen: Beide Unternehmen (A und B) führten bereits Stakeholder-Befragungen zu Nachhaltigkeitsthemen durch. In Unternehmen A fand dies im Rahmen einer qualitativen Befragung von zehn externen und zehn internen Stakeholdervertretern statt. Die Fragen drehten sich um Nachhaltigkeit allgemein, um Erwartungen an Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie um die externen Forderungen, die aus Sicht der Stakeholder in Sachen Nachhaltigkeit an das Unternehmen gestellt würden (vgl. A 1). In Unternehmen B wurden von mehreren Abteilungen gemeinsam die relevanten Stakeholder identifiziert, und in Zusammenarbeit mit einer externen Beraterin wurden 28 Personen (ein repräsentativer Querschnitt aus den Zielgruppen Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Finanzinstitutionen, Eigentümer/Aktionäre, Interessensvertretungen, Medien, Behörden) zu ihren Meinungen über das Unternehmen und dessen soziale bzw. ökologische Performance befragt: „Da sind dann für uns auch überraschende, spannende Ergebnisse herausgekommen. Zum Beispiel, dass sich so viele Leute [erg. nämlich 86 Prozent der Befragten] sehr dafür interessieren, was wir im Bereich erneuerbare Energien machen“ (B 1).
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Unternehmen A legt besonderen Wert darauf, Feedback auf seine Nachhaltigkeitsberichte zu erhalten. Den Berichten wurden deshalb Fragebögen beigelegt mit der Bitte an die Leser, Ideen, Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge an das Unternehmen zu richten (vgl. A 3, A 1). Die Rücklaufquote lag bei etwa drei Prozent. Einige Rückmeldungen wurden im Nachhaltigkeitsbericht des folgenden Jahres wiedergegeben. Überhaupt wird der Nachhaltigkeitsbericht in Unternehmen A eher als Informations- denn als Imageinstrument betrachtet: „Wir sehen unseren Nachhaltigkeitsbericht mehr als Informationsinstrument, weniger als Werbemittel. Wir schreiben nichts rein, nur damit was drinsteht. Sondern wir schauen, welche Zielgruppen haben welche Interessen. Wir haben jetzt auch vermehrt die Meinung von anderen in den Bericht hinein genommen, damit auch andere in unserem Bericht Kommentare abgeben können, was sie zum Thema Nachhaltigkeit denken.“
Während also die Unternehmen A und B zumindest in Teilbereichen Wert auf Feedback und Dialog legen, scheint es für Unternehmen C bis dahin noch ein weiter Weg zu sein. Bisher stand persuasive, beschönigende Information über Nachhaltigkeitsthemen im Vordergrund. Im Rahmen einer Plakatkampagne wurden zum Beispiel ökologische Energieformen einseitig positiv hervorgehoben. Der „grüne Teil“ des Nachhaltigkeitsberichts diente ebenso eher ImageZwecken als der tatsächlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit. C 1 selbst kritisiert die fehlende Dialogbereitschaft ihres Unternehmens: „Das ist ein großes Manko in Sachen Nachhaltigkeit. Wir sprechen Probleme nicht an. Wir sind es auch nicht gewöhnt, uns mit Stakeholdern zu befassen. Was sind ihre Erwartungen, Bedürfnisse, Vorurteile? So was gibt’s bei uns nicht. Da sehe ich aber viel Verbesserungspotenzial. Allerdings wird es sicher ein heißes Thema, die Kommunikationskultur zu ändern“ (C 1).
Sehr wohl dialogorientiert ist die Kommunikation von Unternehmen C mit den Anrainern geplanter Kraftwerks-, Leitungs- oder sonstiger Großprojekte. Mit dieser Zielgruppe („Community“) haben alle drei Unternehmen eine lange Tradition der dialogorientierten Kommunikation. Nachdem man aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat (Stichwort: Proteste rund um das geplante Kraftwerk Hainburg), setzen die Unternehmen mittlerweile schon seit rund 20 Jahren auf Bürgerbeteiligung. Zum Teil sind im Rahmen der Kommunikation mit Vertretern des lokalen Umfeldes von Projekten sogar Indizien für eine verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit im Sinne Burkarts zu erkennen. Solche Indizien, die während der Interviews zum Ausdruck kamen, sind in den folgenden Zitaten fett gedruckt.
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6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger „Heute legen wir – im Gegensatz zu Zeiten von Hainburg – sehr viel Wert auf Bürgerinformation und Bürgerbeteiligung. Wir beziehen alle Aspekte ein, also auch ökologische und soziale, die von so einem Projekt berührt werden. […] Konkret finden Gespräche mit den Anrainern statt, wo man das Projekt darstellt und mit den Betroffenen diskutiert. Wir versuchen, die Hintergründe zu erklären, was passiert, warum, wie, und welche Beeinträchtigung wird es für den Lebensraum geben. […] Wir versuchen also, Verständnis für das Projekt zu erreichen. Da gibt es ein Informationsbüro,eine Hotline, persönliche Gespräche mit Baustellenverantwortlichen vor Ort“ (A 1). „Seit Mitte der 80er Jahre hat man im Unternehmen einen Kommunikationskurs eingeschlagen, der sehr offen ist, wo es immer darum geht, die Karten offen auf den Tisch zu legen, nichts zurückhalten. Und ich glaube, diese Kommunikation hat speziell im Umweltbereich viel gebracht. […] Wenn die Akzeptanz für ein neues Projekt im lokalen Umfeld nicht vorhanden ist, geht das Projekt nicht durch. Das ist keine Frage. Öffentlichkeitsarbeit, Tage der offenen Tür, Führungen, das ist im Vorfeld und auch nach der Umsetzung des Projekts verdammt wichtig“ (A 2). „Am Standort Zwentendorf gibt es zum Beispiel einen eigenen Bürgerbeirat. Der kommt vierteljährlich zusammen und wird laufend über das Projekt und den Fortschritt informiert. Man redet nicht nur mit der Bevölkerung und befragt sie nicht nur zu ihren Bedenken, sondern man bindet sie auch in die Prozesse mit ein“ (B 1). „Wenn wir eine neue Gasleitung bauen, nehmen wir direkt Kontakt auf mit den Anrainern. Wir haben ein Liegenschaftsservice, und die fahren hin zu den Bauern. Da wird dann oft stundenlang diskutiert mit den Bauern. Manchmal fliegen wir sogar mit den Anrainern und Bürgermeistern mit einem Hubschrauber über die Grundstücke und erklären alles. Die Leute können sich dann eher mit dem Projekt identifizieren und sehen, es hat einen Nutzen für alle“ (C 1).
Wenn es um die Akzeptanz geplanter Bauprojekte geht, zeigen sich also alle drei Unternehmen den Anrainern gegenüber aufgeschlossen zum Dialog. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurden das Modell der verständigungsorientierten Öffentlichkeitsarbeit von Burkart sowie die Public Relations Modelle von Grunig aus normativer Perspektive analysiert. Dabei bin ich zu folgenden Schlüssen gekommen (vgl. Kapitel 4.7.3.3): Wünschenswert aus normativer Sicht wäre ein möglichst symmetrischer, verständigungsorientierter Kommunikationsstil. Symmetrische Kommunikation im Sinne Grunigs ist gekennzeichnet durch offene Systeme, Feedbackorientierung, Verantwortungsbereitschaft, Innovationstätigkeit und Konfliktbereitschaft. Es findet eine aktive
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Integration der Stakeholder in den Kommunikationsprozess statt. Verständigungsorientierte Kommunikation im Sinne Burkarts ist gekennzeichnet durch die Rahmenbedingungen einer idealen Sprechsituation und die Erfüllung von bestimmten kommunikativen Geltungsansprüchen, nämlich Verständlichkeit der Botschaften, Wahrheitsanspruch der Botschaften, Vertrauenswürdigkeit der Kommunikatoren sowie gesellschaftliche Legitimität der vertretenen Interessen. Im Rahmen der theoretischen Analyse kam ich weiters zu dem Schluss, dass auch Grunigs Modell der Informationstätigkeit aus normativer Sicht akzeptabel sei. Es ist gekennzeichnet durch einseitigen Informationsfluss. Dabei handelt es sich um wahre, wennauch nicht zwingend umfassende Informationen. Nur in Ausnahmefällen erscheinen persuasive Kommunikationsformen aus normativer Perspektive als angebracht, nur dann nämlich, wenn es gilt, Stakeholder von der Richtigkeit und Wichtigkeit des Nachhaltigkeitsprozesses zu überzeugen. Vergleichen wir nun die theoretischen Aussagen mit den Ergebnissen der empirischen Erhebung: In den Befragungen hat sich gezeigt, dass sich zumindest die Unternehmen A und B aktiv bemühen, symmetrische Kommunikationsformen (Befragungen, Bürgerbeteiligung etc.) verstärkt einzusetzen. Allerdings stoßen die Unternehmen dabei auf Grenzen: So ist das Feedback auf Nachhaltigkeitsberichte (trotz beigefügter Feedbackkarten) in der Regel sehr gering. Dies könnte darauf hindeuten, dass Leser der Nachhaltigkeitsberichte, sprich Zielgruppenvertreter, nur mangelndes Interesse an einer „Mitsprache“ haben. Weiters zeigte sich, dass symmetrische Kommunikation nicht „über Nacht“ entstehen kann, sondern einen Lernprozess im Unternehmen voraussetzt. Vergleichsweise gut gelungen ist dieser Lernprozess offenbar im Bereich AnrainerKommunikation. Nach schwerwiegenden Problemen mit Umweltaktivisten in den 1980er Jahren haben die Unternehmen gelernt, in ihrem Verhalten umzuschwenken, von einer Kommunikationspolitik des Stillschweigens zu offenen, partizipativen Kommunikationsformen. In der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist dieser Lernprozess gerade erst in Gang gekommen. Es sind allerdings schon Indizien zu erkennen, dass die Energieversorger auch hier verstärkt auf Offenheit und Kritikfähigkeit setzen104. Was verständigungsorientierte Kommunikation betrifft, so vermittelten die Interviewpartner den Eindruck, dass Verständigungsorientierung als Ziel – zumindest in der Anrainer-Kommunikation – keine Utopie ist. Die Unternehmen versuchen, „Verständnis zu erzeugen“, die „Karten offen auf den Tisch zu legen“, und zu „erklären, was wie warum geschieht“. Solche Aussagen deuten darauf hin, dass die Unternehmen den Anrainern von Großprojekten auf verständliche Art und Weise Wahrheitstreue, Vertrauenswürdigkeit und Legitimität 104 Positive Beispiele dafür, nämlich selbstkritische Passagen in Nachhaltigkeitsberichten, wurden in Kapitel 5.5.4.2 beschrieben.
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der Interessen näher bringen möchten. Es wird „stundenlang diskutiert“, die Stakeholder werden „in den Prozess eingebunden“, man versucht zu erklären, wo der „Nutzen“ für alle liegt. Solche Ausdrucksweisen lassen erahnen, dass die Unternehmen im Prozess verständigungsorientierter Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Kapitel 4.6.1.) neben der Informationsphase zumindest schon die Diskussionsphase und teilweise sogar die Diskursphase erreicht haben. Wie weit in der Nachhaltigkeitskommunikation mit Anrainern und auch mit anderen Zielgruppen die Kriterien einer idealen Sprechsituation erfüllt werden, müssten weiterführende Studien und teilnehmende Beobachtung zeigen. Grunigs Modell der Informationstätigkeit kommt vor allem im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung zur Anwendung. Unternehmen A und B betrachten den Nachhaltigkeitsbericht als klassisches Informationsinstrument und lassen in Teilbereichen auch selbstkritische Informationen einfließen. Unternehmen C hingegen verfolgte mit seinem „grünen Teil“ des Geschäftsberichts bisher hauptsächlich Persuasionsinteressen.
6.5.10 Welche sind die Hauptthemen der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie werden diese identifiziert? In Unternehmen A ergibt sich die Themenfindung für die Nachhaltigkeitskommunikation bzw. -berichterstattung aus zwei Komponenten. Die Mitarbeiter des Nachhaltigkeitsteams kommen zusammen und diskutieren erstens, welche Themen „aus dem Unternehmen heraus“ (A 1) aktuell oder in der jüngsten Vergangenheit aufgetaucht sind und zweitens, welche Themen „extern auf medialer und politischer Ebene“ (A 1) vertreten waren. In Unternehmen B werden neben den Mitarbeitern auch externe Stakeholder in den Themenfindungsprozess mit eingebunden, indem eine Stakeholder-Befragung zu den gewünschten Schwerpunktthemen der Nachhaltigkeitskommunikation durchgeführt wird. In folgender Übersicht werden einige Themen herausgegriffen, welche im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung sowie der internen Nachhaltigkeitskommunikation der Unternehmen A und B in den vergangenen Jahren (2003 bis 2007) behandelt wurden. Die Übersicht repräsentiert freilich nur einen Querschnitt der großen Themenvielfalt:
Energiepolitisches Umfeld und Rahmenbedingungen: Thematisiert wurde unter anderem, welche Auswirkungen der Emissionshandel, die EUWasserrahmenrichtlinie, andere EU-weite Regelungen, die Österreichische Stromlösung ÖSL etc. auf die Unternehmenstätigkeit haben und welche ökonomischen Risken damit langfristig verbunden seien.
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Neue Kraftwerksbauten: Beide Unternehmen stellten aktuelle Kraftwerksund Leitungsprojekte vor und beschrieben deren ökonomische, ökologische und soziale Dimensionen. Maßnahmen zum Landschafts- und Umweltschutz sowie zur Bürgerbeteiligung wurden im Detail dargestellt. Internationale Beteiligungen und Gründung von Tochterunternehmen im Ausland: Die wirtschaftlichen Gründe sowie soziale und ökologische Aspekte der internationalen Expansion beider Unternehmen wurden in den Nachhaltigkeitsberichten erläutert und zum Teil mit NGO-Vertretern diskutiert. In der internen Kommunikation fanden in diesem Zusammenhang Schulungen zum Thema interkulturelle Kommunikation statt. Arbeitssicherheit: Ein Thema der internen Nachhaltigkeitskommunikation war unter anderem die Vermeidung von Arbeitsunfällen. Unternehmen A führte diesbezüglich einen Sicherheitswettbewerb durch, der – ähnlich wie ein betriebliches Vorschlagswesen – Ideen bringen sollte, wie man Arbeitsunfälle reduzieren könne. Diversity: Beide Unternehmen thematisierten den (aufgrund der technischen Ausrichtung der Energieversorger) relativ niedrigen Frauenanteil der Mitarbeiter und beschrieben Initiativen, um mehr Frauen zu beschäftigen (Teilnahme an Veranstaltungen wie „Girls Day“, Initiativen für weibliche Lehrlinge etc.). Ein weiteres Nachhaltigkeitsthema war die Altersstruktur der Betriebe. In Unternehmen A zum Beispiel liegt das Durchschnittsalter der Mitarbeiter bei über 40 Jahren. Personalentwickler entwickelten nun ein System von „Wissenspaaren“, das ermöglichen soll, dass erfahrene und junge Mitarbeiter voneinander lernen. Auszeichnungen im Nachhaltigkeitsbereich: Beide Unternehmen hoben in ihren Nachhaltigkeitsberichten hervor, welche Auszeichnungen sie beim ASRA (Austrian Sustainability Reporting Award) sowie bei anderen Nachhaltigkeitsrankings erworben hatten. Veranstaltungen und Kundenberatungen: Die Unternehmen kommunizierten auch über selbst organisierte Veranstaltungen zu Nachhaltigkeitsthemen, zum Beispiel über Symposien mit Energieexperten, Veranstaltungen für Schulen, Sponsoring kultureller oder sozialer Projekten. Außerdem wurden die Beratungsleistungen für Kunden in Sachen erneuerbare Energien und Energiesparen genannt.
Im Gegensatz zur intensiv geführten Themendiskussion in den Unternehmen A und B, die auch die Interessen von Stakeholder-Gruppen bei der Themenauswahl berücksichtigten, ging Unternehmen C einen anderen Weg. Die Beteiligten des Nachhaltigkeitsprozesses (allen voran die Prozessleiterin und auch der Vorstand) legten die im Bericht zu veröffentlichenden Themen und Kennzahlen im Allein-
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gang fest, ohne externe Erwartungen mit einzubeziehen. Nicht einmal die Erwartungen der Prozessteilnehmer selbst wurden ausreichend berücksichtigt. Es traten teils sogar deutliche Diskrepanzen auf zwischen jenen Themen, welche die Prozessbeteiligten laut eigenen Aussagen persönlich bewegten, und jenen Themen, welche dann tatsächlich Niederschlag fanden im Nachhaltigkeitsbericht. So nannten die am Nachhaltigkeitsprozess teilnehmenden Mitarbeiter in einer der ersten Sitzungen unter anderem die folgenden „brennenden Themen“ für den Bereich Soziales:
Gleichberechtigung: Die Mitarbeiter aus den externen Servicecentern, in denen immerhin die Hälfte der Belegschaft von Unternehmen C arbeitet, kritisierten, dass Mitarbeiter der Zentrale in Sachen Gesundheitsangebot bevorzugt würden. Leasingmitarbeiter: Auch die vielen Leasingmitarbeiter würden bezüglich Pension, Zusatzversicherung und Integration benachteiligt. Sie erhielten bisher keine Einladungen zu Mitarbeiterausflügen oder Betriebsveranstaltungen. Die Konzernkommunikation kenne nicht einmal ihre Namen. Dabei seien allein im Kundenservice, der „Visitenkarte des Unternehmens“, drei von sieben Mitarbeitern geleaste Kräfte. Lehrlingsausbildung: Einige Prozessteilnehmer empfanden es als problematisch, dass das Unternehmen sehr guten Lehrlingen keine Möglichkeit der Anstellung biete. Sicherheit am Arbeitsplatz: Die Prozessteilnehmer aus einem der größten Servicecenter beklagten sich über Sicherheitsprobleme. Die Mitarbeiter müssten auf ihrem Weg von einem zum zweiten Gebäude jedes Mal eine Bundesstraße ohne Zebrastreifen überqueren.
Diese eingangs gesammelten „brennenden Themen“ aus Sicht der Mitarbeiter wurden dann bei der Festlegung der tatsächlichen Berichtsinhalte aber zunehmend unter den Tisch gekehrt. Es kam zu Aussagen wie „Wollen wir das überhaupt zeigen?“, „Sollen wir das erwähnen?“, „Schauen wir doch zuerst, welches Ergebnis die Berechnung der Kennzahl ergibt, und entscheiden dann.“ Nach Absprache mit dem Vorstand fanden schlussendlich statt der „brennenden Themen“ für die Mitarbeiter, die als eine der drei Hauptzielgruppen für den Bericht definiert worden waren, nur folgende „nüchterne“ Kennzahlen aus dem Sozialbereich Eingang in den Nachhaltigkeitsbericht:
Mitarbeiteranzahl Mitarbeiterfluktuation Altersstruktur
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Aus- und Weiterbildung: Ausgaben, Stundenzahl pro Mitarbeiter Ausbildungsgrad der Mitarbeiter Krankenstandstage Arbeitsunfälle Anzahl der Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst Anzahl der Mitarbeiter im Ehrenamt Anzahl Feuerwehrschulungen Anzahl Aufsichtsratsmitglieder
Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen wurde davon ausgegangen, dass sich die Themen („Top Issues“) der Nachhaltigkeitskommunikation grundsätzlich ableiten lassen aus den drei Säulen der Nachhaltigkeit, Ökonomie, Ökologie und Soziales. Außerdem seien sie abhängig von der jeweiligen Branche und den unterschiedlichen Einflussfaktoren auf Mikro-, Meso- und Makro-Ebene. Diese Thesen wurden im Rahmen der Befragungen und der teilnehmenden Beobachtung untermauert. Die befragten Unternehmen versuchen (wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg) eine ganzheitliche Betrachtung der Geschäftstätigkeit unter Berücksichtigung der drei Säulen des Nachhaltigkeitsleitbildes. Besonders stark kommt das zum Ausdruck, wenn über einzelne Projekte nicht nur die ökonomischen (Leistungs-)Kennzahlen, sondern auch ökologische und soziale Aspekte nach außen kommuniziert werden. Das geht soweit, dass Unternehmen A beispielsweise im Rahmen eines Kraftwerk-Neubaus Themen wie Fischaufstiege, Länge des beeinträchtigten Fließgewässers oder Staub- und Lärmbelästigung durch die Bauarbeiten von sich aus als wichtige Kennzahlen identifiziert und proaktiv darüber kommuniziert. In den Unternehmen A und B haben neben unternehmensinternen Faktoren (Mikro-Ebene) und Stakeholder-Erwartungen (Meso-Ebene) auch Entwicklungen auf der Makro-Ebene (mediale Berichterstattung, Gesetzesentwicklungen auf nationaler und EU-Ebene, veränderte Rahmenbedingungen etc.) Einfluss auf die Themen der Nachhaltigkeitskommunikation. In Unternehmen C hingegen scheint das Nachhaltigkeitsmanagement noch nicht ausgereift genug zu sein, um externe Entwicklungen bereits entsprechend zu berücksichtigen. Zusammenfassend liegt die Vermutung nahe, dass Unternehmen, die sich schon länger und intensiver mit Nachhaltigkeitsmanagement beschäftigt haben (wie Unternehmen A und B), eher den „Mut“ aufbringen, auch kritische Themen von sich aus anzusprechen. Sie machen weniger ein Geheimnis daraus, wo noch Verbesserungspotenzial besteht, sondern stellen sich offen den Erwartungen und auch der Kritik der Zielgruppen. „Neulinge“ auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit
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(wie das Unternehmen C) scheinen hingegen noch eher vorsichtig zu sein. Noch dominiert bei einigen Verantwortlichen die Meinung, dass man sich durch zu viel offene Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen „ins eigene Fleisch“ schneiden könnte. Die Entwicklung von einem reaktiven hin zu einem proaktiven Nachhaltigkeitsmanagement verbunden mit einer Weiterentwicklung der Kommunikation wurde im Modell der „Nachhaltigkeitsleiter“ bereits angesprochen. Fortführende Studien könnten noch genaueren Einblick über einen möglichen Zusammenhang zwischen der zeitlichen Dauer des Nachhaltigkeitsengagements (seit wann?) und der Gestaltung bzw. Themenwahl der Nachhaltigkeitskommunikation (worüber? wie?) ergeben. Folgende Hypothesen könnten dazu formuliert und in der Folge getestet werden: (1) Je länger sich ein Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit engagiert, desto ganzheitlicher wird über Themenbereiche aus allen drei Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie, Soziales) sowie über deren Wechselwirkungen kommuniziert. (2) Je länger sich ein Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit engagiert, desto stärker kommen dialogische Kommunikationsformen in der Nachhaltigkeitskommunikation zur Anwendung.
6.5.11 Welche Kommunikationsinstrumente kommen zur Anwendung, und wie werden Nachhaltigkeitsthemen in die sonstigen Kommunikationsaktivitäten integriert? Die Befragungen ergaben, dass alle drei Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit als Querschnittsmaterie betrachten, das in verschiedenen Programmbereichen der Public Relations bzw. in verschiedenen Kommunikationsinstrumenten Niederschlag finden sollte. Interviewpartnerin B 1 bringt das auf den Punkt: „Man spricht das Thema im Rahmen der Unternehmenskommunikation immer wieder an. Es fließt immer mit ein. Als Querschnittsmaterie“ (B 1).
Unternehmen A, B und C integrieren Nachhaltigkeitsthemen in die interne Kommunikation. Konkret findet das zum Beispiel im Unternehmen A durch regelmäßige Artikel in der Mitarbeiterzeitschrift, durch Nachhaltigkeits-„TopNews“ im Intranet sowie durch Schulungen (z.B. Vortragsreihe Nachhaltigkeit, Seminar zum Thema genderspezifisches Konfliktverhalten) statt (vgl. A 1). Im Rahmen des Programms „Nachwuchsförderung für Führungspositionen“ ist auch geplant, einen Film einzusetzen. Dieser soll beschreiben, welche Probleme
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außerhalb der rein wirtschaftlichen Aspekte beim Management im internationalen Raum auftreten können (vgl. A 3). In allen drei Unternehmen werden die Themen Nachhaltigkeit bzw. CSR für externe Stakeholder auch im Internet dargestellt. Unternehmen B verfügt beispielsweise über eine eigene Homepage zum Thema Verantwortung. In Unternehmen A wird dem Thema Verantwortung eine Seite mit vielen weiterführenden Links und Download-Möglichkeiten innerhalb des Internetauftritts gewidmet. Eher spärlich, und nur als Thema „Umwelt“, ist Nachhaltigkeit im Webauftritt des Unternehmens C vertreten. Im Rahmen der Pressearbeit werden Nachhaltigkeitsthemen ebenfalls inkludiert. Beispielsweise veranstaltete das Unternehmen A anlässlich der Veröffentlichung seines ersten Nachhaltigkeitsberichts eine eigene Pressekonferenz, an der auch der damalige Landwirtschaftsminister teilnahm. Seitdem wird der Nachhaltigkeitsbericht nur noch an Journalisten verschickt, verbunden mit einer Pressemitteilung. Unternehmen B versendet eigene Pressemitteilungen zu aktuellen Nachhaltigkeitsthemen. Als weiterer Aspekt der Medienarbeit kommt in Unternehmen A und B der persönliche Kontakt der Nachhaltigkeitsverantwortlichen mit Journalisten hinzu. Meist handelt es sich um Journalisten von Fachmedien aus den Bereichen Umweltschutz bzw. Energie (vgl. B 1, C 1). In Wirtschaftsmagazinen und Tageszeitungen sei das Interesse an Nachhaltigkeitsthemen noch eher niedrig (vgl. A 1, B 1, C 1). Stakeholder Dialoge zu Nachhaltigkeitsthemen haben bisher in den Unternehmen A und B stattgefunden. Es wurden eigene Workshops und Diskussionsveranstaltungen für Mitarbeiter durchgeführt („nicht öffentliche Single-Stakeholder Dialoge“105). Im Rahmen der „Community Relations“ bei neuen Kraftwerks- und Leitungsprojekten wurden Anrainer in Form von Bürgerbeiräten integriert („nicht öffentlicher Single-Stakeholder Dialog“). Außerdem fanden zu ausgewählten Themen (Energiezukunft, erneuerbare Energien) Expertendiskussionen mit Vertretern von Wirtschaft, Politik und Forschung statt. Ein öffentlicher Multi-Stakeholderdialog (etwa in Form eines World Cafés) wurde bisher von keinem der befragten Unternehmen veranstaltet. In der Kommunikation mit Investoren wird das Einbeziehen von „soft facts“ offenbar immer wichtiger. Unternehmen B veröffentlicht seit wenigen Jahren eigene Charts zum Thema Nachhaltigkeit auf Aktionärs- bzw. Hauptversammlungen. In den Unternehmen A und B ist es weiters üblich, dass der Geschäftsbericht nur gekoppelt mit dem Nachhaltigkeitsbericht versandt wird. Auch auf den Webpages für Investoren finden sich Links und Informationen zu Corporate Governance und Nachhaltigkeit. Unternehmen C ist nicht an der Börse gelistet 105 Vgl. Kapitel 5.3.2.
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und schenkt deshalb dem Bereich Finanzkommunikation weniger Aufmerksamkeit. In der jährlichen Bilanzpressekonferenz werden Nachhaltigkeitsthemen aber kurz angesprochen. Das Berichtswesen („Reporting“) hat sich seit Aufkommen des Nachhaltigkeitsdenkens stark erweitert. Unternehmen A publiziert seit 2001 jedes Jahr zusätzlich zum Geschäftsbericht einen Nachhaltigkeitsbericht, Unternehmen B bereits seit dem Jahr 2000, und Unternehmen C seit dem Jahr 2007. Die Trennung zwischen Nachhaltigkeitsbericht und Geschäftsbericht wurde beschlossen, „weil der Geschäftsbericht allein schon sehr umfangreich ist“ (B 1), weil man jeweils „unterschiedliche Zielgruppen zu erreichen versucht“ (B2) und weil man „den Stellenwert des Nachhaltigkeitsthemas hervorheben“ (A 1) wollte. In der Gestaltung des Berichts versuchen alle drei Unternehmen, Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte aufeinander abzustimmen, „damit da eine Linie drinnen ist und klar ist, das kommt aus dem gleichen Haus“ (A 1). Auch in Werbeaktivitäten und Sponsoringprogramme werden soziale und ökologische Themen integriert. In Unternehmen B wurden Werbesujets entwickelt, um „bildlich umzusetzen, wie das Unternehmen Verantwortung für die Gesellschaft trägt“ (B 1). In Unternehmen C setzte sich eine eigene Plakatkampagne mit „innovativer, ökologischer Energie“ (C 1) auseinander. In Unternehmen A wird im Rahmen des Sozialsponsorings ein SOS-Kinderdorf sowie ein Ambulatorium für Kinder in Krisensituationen unterstützt. In Unternehmen B war zum Zeitpunkt der Befragung ein eigener Sozialfond in Planung, der helfen soll, unter Aufsicht eines Beirates das Sozialsponsoring zu professionalisieren (vgl. B 1, B 2). Auch Unternehmen C stellt Gelder für ein vom Vorstand gewähltes soziales Projekt zur Verfügung. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen wurde davon ausgegangen, dass Nachhaltigkeitsthemen im Sinne einer funktionalen Integration (Bruhn 1995) in die verschiedenen Programmbereiche der Public Relations einbezogen werden könnten bzw. sollten (vgl. Kapitel 4.7.3.1). Die empirische Studie hat dies bestätigt: In den Unternehmen A, B und C kommen jeweils mehrere Kommunikationsinstrumente im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation zur Anwendung, zum Beispiel Mitarbeiterzeitung, Intranet, Internet, Film, Pressekonferenz, Presseaussendungen, Aktionärsversammlung, Stakeholder Dialoge, andere Events, Werbung, Sponsoring und Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das Nachhaltigkeitsthema erweist sich damit tatsächlich als „Querschnittsthema“ der Public Relations.
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Was die optische Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation betrifft, so versuchen die Unternehmen, zumindest in Geschäftsbericht und Nachhaltigkeitsbericht, „eine Linie entsprechend des Corporate Designs“ (A 1) hinein zu bringen. Neben einer solchen formalen Integration findet in Teilbereichen auch bereits eine vertikale Integration statt insofern, dass das Nachhaltigkeitsthema bewusst an verschiedene Zielgruppen kommuniziert wird. Die anderen Ansprüche integrierter Kommunikation, wie sie Bruhn (1995) formuliert (vgl. Kapitel 4.6.6.), finden in der Praxis der Energieversorgungsunternehmen bisher aber offenbar kaum Berücksichtigung. Es ist anzunehmen, dass eine verstärkte Beachtung instrumenteller Integration (strategische Kombination verschiedener Kommunikationsinstrumente), horizontaler Integration (Abstimmung der Kommunikationsmaßnahmen innerhalb einer Zielgruppe), sowie zeitlicher Integration (gezielte zeitliche Abstimmung der Kommunikationsmaßnahmen) den Erfolgsgrad der Nachhaltigkeitskommunikation weiter erhöhen könnte. Hier besteht also Verbesserungspotenzial für die Praxis.
6.5.12 Welche Herausforderungen stellen sich für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation, und wie wird versucht, diese zu bewältigen? „Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich in der Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen konfrontiert?“ Diese Frage habe ich allen Interviewpartnern „ungestützt“, also ohne das Mitliefern von Antwortmöglichkeiten, gestellt. In ihren Antworten nannten sämtliche Befragte direkt oder indirekt die Abstraktheit des Nachhaltigkeitsbegriffs: Nachhaltigkeit sei „kein Thema, das die Menschen unmittelbar bewegt“ (A 1), sondern es werde oft „als etwas abgehobenes Thema wahrgenommen“ (B 1). Mit der hohen Abstraktheit und einem niedrigen Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs hatte vor allem die für den Nachhaltigkeitsprozess Verantwortliche in Unternehmen C zu kämpfen: „Die Prozessbeteiligten haben sich unter dem Begriff anfangs überhaupt nichts vorstellen können. Nachhaltigkeit, das ist ein Wort, das findet man in der Zeitung 50 Mal in der Woche, mit unterschiedlichen Bedeutungen. Aber das eigentliche Verständnis von Nachhaltigkeit mit den drei Säulen, das war den meisten Mitarbeitern neu“ (C 1).
Auch aus den Unternehmen A und B hieß es: Man müsse vor allem in der internen Kommunikation ein Hauptaugenmerk darauf legen, herauszuarbeiten, „was das Thema für den einzelnen bedeutet“ (A 3) und „wie es konkret in die tägliche Arbeit einbezogen werden kann“ (B1). Denn „als Begriff hat Nach-
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haltigkeit mit dem tatsächlichen Tun der Mitarbeiter auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam, es bedarf schon einer näheren Beschäftigung“ (A 3). Die Abstraktheit des Nachhaltigkeitsbegriffs mache auch in der Medienarbeit Schwierigkeiten. Unternehmen A setzt aus diesem Grund darauf, Nachhaltigkeitsthemen „zwar schleichend immer wieder anzusprechen, aber nicht unter dem Titel Nachhaltigkeit“ (A 1), sondern durch die Verwendung anderer Begriffe bzw. konkreter, möglichst lebensnaher Beispiele. Probleme bereite auch die hohe Komplexität und Vielfältigkeit von Nachhaltigkeitsthemen, vor allem in der Informationsaufbereitung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Hier stehen Unternehmen A und B vor der Herausforderung, die richtige Menge an Informationen auszuwählen. „Die gesamtheitliche Erfassung ist eine Herausforderung. Wenn wir jetzt im Nachhaltigkeitsbericht die Projekte in den drei Aspekten Wirtschaft, Umwelt und Soziales betrachten, dann haben wir im Grunde immer noch nur Bruchwerke. Man kann einfach nie alles erfassen“ (A 1). „Die Gefahr ist halt, dass der Nachhaltigkeitsbericht zu dick wird. Man muss trotz der hohen Komplexität der Themen die richtige Menge an Informationen finden. Wenn der Bericht zu dick ist, liest ihn keiner mehr. Wenn er zu dünn ist, dann sagt jeder, da steht ja nix drinnen“ (A 3).
Wesentlich sei eine ansprechende Aufmachung der Berichte, um Aufmerksamkeitsproblemen entgegenzuwirken: „Die beste Information kommt nicht an die Leute, wenn sie nicht entsprechend aufbereitet ist. Die Berichte werden deshalb immer magazinartiger, damit man den Leuten schmackhaft macht, dass sie reinschauen. Auch die Shareholder sollen neugierig werden, alles durchzublättern, und nicht nur die Kennzahlen am Schluss“ (A 3).
Eine weitere Herausforderung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung sei, dass von einem Bericht zum nächsten im Idealfall immer eine Verbesserung ersichtlich sein sollte (vgl. A 1). Dies gelte für EMAS-Berichte genauso wie für Nachhaltigkeitsberichte oder für Informationen an die Ratingagenturen. Dieser Druck, ständig eine Verbesserung nicht nur in Sachen Wirtschaftlichkeit, sondern auch auf sozialer und ökologischer Ebene nachweisen zu müssen, wurde in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit bisher noch nicht bedacht106.
106 Einige Unternehmen reagieren damit, dass sie Nachhaltigkeitsberichte nur mehr alle zwei Jahre herausgeben (in Österreich zum Beispiel der Salzburger Kranerzeuger Palfinger).
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Ein heikles Thema im Rahmen der Berichterstellung sei die Auswahl der Kennzahlen. In Unternehmen A komme es diesbezüglich sogar häufig zu Meinungsunterschieden und heftigen internen Diskussionen. Der Umweltbeauftragte von Unternehmen A beschwerte sich, dass „seinem Thema“ Umwelt in dem auf 64 Seiten beschränkten Bericht nur 20 Seiten zustünden (vgl. A 2). Das sei zu wenig, man könne wichtige Aspekte nur kurz anreißen. Darüber hinaus kritisierte der Umweltbeauftragte, dass für den Bericht rund 60 Kennzahlen und damit viel zu viele ausgewählt wurden. Die Tabelle mit den Zielen sei „nicht transparent und auch nicht leicht zu durchschauen“, jedes Jahr sei das ein „riesiger Diskussionspunkt“ (A 2). Die Auswahl der Kennzahlen ist auch in Unternehmen B ein „heißes Thema“. Als Aktiengesellschaft gebe es für das Unternehmen Kennzahlen, „bei denen wir uns natürlich nicht darum reißen, diese bekannt zu geben“ (B 1). Noch sei es aber nicht zu Beschwerden von Seiten des Controllings gekommen. Immer wieder sei man damit konfrontiert, dass Leser die Glaubwürdigkeit des Nachhaltigkeitsberichts anzweifeln (vgl. A 1). Zwar werde nur selten aktiv negatives Feedback an das Unternehmen herangetragen. Um die Glaubwürdigkeit des Berichts aber weiter zu erhöhen, unterwerfe man sich einer strengen externen Zertifizierung. In einem „intensiven Prozess, der zwei Tage lang dauert“ (B 1), prüfen die Zertifizierer die Daten des Berichts. „Das ist für uns sehr wichtig. Denn wenn herauskommt, dass etwas im Bericht tatsächlich nicht stimmt, dann wird man schnell ungläubig. Aber wenn man sich bemüht, immer wahrheitsgemäß zu kommunizieren, ist man immer einen Schritt voraus“ (B 2).
Keine Probleme haben Unternehmen A und B mit der internen Legitimierung von Nachhaltigkeitskommunikation. Man merke, „dass in den Führungsetagen Nachhaltigkeit immer stärker als Wert etabliert wird“ (A 3). Anhand von konkreten Projekten gelinge es, dass sich der Vorstand noch besser mit Nachhaltigkeitsthemen identifizieren könne (vgl. A 1). Weniger Unterstützung erfuhr dagegen der Nachhaltigkeitsprozess in Unternehmen C. Die Prozessverantwortliche lud den Vorstand mehrmals vergeblich dazu ein, an Prozesssitzungen persönlich teilzunehmen. „So einen Prozess kann man im Grunde nur angehen, wenn der Vorstand wirklich dahinter steht. [...] Ich renne dem ganzen schon seit eineinhalb Jahren nach. Und ich fürchte auch, dass sie [erg. die Vorstandsmitglieder] sich noch immer nicht ganz sicher sind oder abschätzen können, welche Folgen der Nachhaltigkeitsprozess für das Unternehmen hat“ (C1).
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Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen in Kapitel 3.4.7 haben wir unterschieden zwischen
Herausforderungen durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts: geringer Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs, Unscheinbarkeit und Abstraktheit der Probleme, Komplexität und hohes Konfliktpotenzial; Herausforderungen durch unternehmensinterne Hemmnisse: Begründung gegenüber dem Management, abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, schwieriges Sammeln nachhaltigkeitsrelevanter Informationen und kulturelle Herausforderungen; Herausforderungen durch das Anspruchsniveau der Kommunikationsziele: Aufmerksamkeitsprobleme, Einstellungs- und Verhaltensänderung als anspruchsvolle Kommunikationsziele; Herausforderungen durch mangelnde Glaubwürdigkeit, „Greenwash“ oder Scheindialoge.
Die Interviews haben gezeigt, dass einige der theoretisch abgeleiteten Herausforderungen auch in der Praxis der Energieversorger relevant sind. Besonders häufig sorgen Komplexität, Abstraktheit und der niedrige Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffs für Stolpersteine. Unternehmensinterne Hemmnisse scheinen für die Unternehmen A und B nicht relevant, sowohl die interne Unterstützung der Nachhaltigkeitskommunikation seitens des Vorstands wie auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit funktionierten gut. In Unternehmen C hingegen, das noch am Beginn des Nachhaltigkeitsprozesses steht, sorgten mangelnde Unterstützung des Vorstands und Schwierigkeiten beim Identifizieren der Kennzahlen sehr wohl für Probleme. Unternehmen A und B identifizierten Aufmerksamkeitsprobleme als ernstzunehmende Herausforderung für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Um die Aufmerksamkeit der Leser zu erhöhen, wurden die Berichte mit magazinartigen, bunten Teilen angereichert. Das tendenziell hohe Anspruchsniveau der Kommunikationsziele war ansonsten kaum ein Thema, nur A1 sprach Verhaltensänderung von sich aus als schwieriges Kommunikationsziel an. Die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsberichte schließlich war vor allem für die Unternehmen A und B ein wichtiges Thema. Sie betonten, wie wichtig ihnen eine wahrheitsgemäße Darstellung der Fakten sei. Daher lassen sie die Wahrheit der Daten durch externe Zertifizierung und Audits bestätigen. Mit der Zertifizierung bzw. Auditierung eng verbunden ist eine weitere Herausforderung, die im Rahmen der theoretischen Ausführungen bisher nicht
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beachtet wurde, nämlich der ständige Druck zur Abbildung von Fortschritten. Um eine positive Zertifizierung zu bekommen, müssen die Unternehmen nachweisen, dass sich ihre Leistungen verbessert haben im Vergleich mit den im Vorjahr im Nachhaltigkeitsbericht publizierten Leistungen. Rückschritte müssen genau begründet werden, was aus Kommunikationssicht keine leichte Aufgabe darstellt.
6.5.13 Wie wird Nachhaltigkeitskommunikation im internationalen Raum durchgeführt? Die Unternehmen A und B sind seit einigen Jahren und in letzter Zeit verstärkt im Ausland aktiv. In Unternehmen B waren zum Zeitpunkt der Interviews nur mehr knapp ein Viertel der Mitarbeiter in Österreich tätig, der Rest in Osteuropa. Unternehmen A verfügte über Beteiligungen in zwei südlichen EU-Ländern sowie in der Türkei. Die Interviewpartner betrachteten es durchwegs als Herausforderung, das Nachhaltigkeitsthema auch in Tochterfirmen oder Beteiligungen in anderen Ländern in die Geschäftstätigkeit zu integrieren. Vor allem in osteuropäischen Ländern wie der Türkei, Rumänien, Ungarn, Bulgarien, Mazedonien etc. sei das schwierig, weil dort seien es „zurzeit noch andere Probleme, die im Vordergrund stehen“ (B 1), zum Beispiel Abschlüsse einheitlicher Kollektivverträge, Mitarbeiterabbau und Sozialpläne. Trotzdem versuche man, „zumindest ein rudimentäres Bewusstsein zu schaffen“ (B1) und die lokalen Mitarbeiter einzubeziehen. Interne Kommunikation zu Nachhaltigkeitsthemen stand zum Zeitpunkt der Befragungen also im Vordergrund. Konkret wurde von Unternehmen B in den Niederlassungen im Ausland je ein Mitarbeiter für Nachhaltigkeitsthemen verantwortlich gemacht. Dieser solle auch soziale und ökologische Kennzahlen erheben. Vorrangiges Thema der Nachhaltigkeits-kommunikation in den osteuropäischen Ländern sei in Unternehmen B die Arbeitssicherheit. Es wurde die Arbeitsschutzkleidung erneuert, und Geräte wurden im Sinne einer besseren Technologie ausgetauscht. Im Umweltbereich ließ Unternehmen B die ausländischen Transformatoren warten bzw. austauschen, weil aus den alten Maschinen Öl ausgetreten war. Was die Kommunikation betrifft, so wurde eine eigene Mitarbeiterzeitung für die ausländischen Tochterfirmen eingeführt und großer Wert auf Zweisprachigkeit gelegt. Im Rahmen der Mitarbeiteraus- und weiterbildung fanden Sprachkurse, Sicherheitskurse, sowie Persönlichkeitstrainings statt. Die österreichischen und ausländischen Betriebsräte würden sich über die Sorgen und Anliegen der Arbeitnehmer austauschen. Grundgedanke sei
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eine langsame, aber stetige Nachhaltigkeitsentwicklung auch in den ausländischen Tochtergesellschaften und Niederlassungen: „Ich denke, man sollte sie besser früher und nicht zu viel ins Nachhaltigkeitsmanagement einbinden, und das dann im Laufe der Jahre vertiefen. Grundsätzlich ist es so, dass wir eine Art Coaching-System haben im Bereich der Integration. Das heißt, jede Abteilung in Österreich coacht die Abteilung im Ausland und tauscht sich mit ihr aus. Da sollte auch die Schnittstelle CSR einfließen, aber das ist natürlich schwierig“ (B 1).
Auch Unternehmen A legt im Rahmen der internen Fortbildung und Managementschulungen Wert auf interkulturelle Kompetenzen. Österreichische Führungskräfte werden in Sachen Nachhaltigkeit und interkulturelle Kompetenz geschult, bevor sie im Ausland tätig sind: „Die Grundsätze, die für uns hier in Österreich gelten, gelten auch im Ausland. Aber so, dass es dort auch von der Bevölkerung akzeptiert wird. Man muss immer sehen: Wie werden die Grundsätze eingebettet in die jeweilige Kultur, wie sind sie umsetzbar“ (A 1).
Als wesentlich erachtet Unternehmen A das Thema Korruptionsvermeidung. So wurde nach dem Markteintritt im Ausland im Rahmen des Konzernprojektes „Faire Geschäftspraktiken“ eine eigene Anti-Korruptionsrichtlinie erarbeitet. In internen Workshops mit besonders betroffenen Abteilungen wurden sowohl Vollständigkeit wie auch Umsetzbarkeit der Richtlinie überprüft. Daraufhin erfolgte die Schulung der Mitarbeiter für Situationen, in denen sie mit Korruptionsversuchen konfrontiert sein könnten. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie In den theoretischen Ausführungen wurde in Anlehnung an Sriramesh/Vercic (2003) festgestellt, dass vor allem die Länderinfrastruktur und die Kultur eines Landes ausschlaggebend seien, ob und wie intensiv sich ein Unternehmen mit Nachhaltigkeitsthemen befasst. Wir stellten dazu zwei Thesen auf. Erstens, dass Nachhaltigkeitskommunikation eher in reichen Ländern mit sozialen bzw. liberalisierten Marktsystemen stattfinde, weil dort der Verantwortungsbereich der Unternehmen tendenziell wachse und das Potenzial für Aktivismus höher sei als in Entwicklungsländern. Zweitens, dass die Interpretation und somit auch die Umsetzung des Nachhaltigkeitsleitbildes neben der Unternehmenskultur und der Branche vor allem abhängig sei von der Länderkultur und somit von den Werten der Menschen in einem bestimmten Land (vgl. Kapitel 4.6.9.).
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Die erste These, dass Nachhaltigkeitskommunikation eher in reichen Ländern mit sozialen/liberalen Marktsystemen stattfinde, wurde durch die Studie gestärkt. Unternehmen A und B engagierten sich in Österreich deutlich intensiver im Bereich Nachhaltigkeitskommunikation als im Ausland, wo sie mit Tochterfirmen bzw. über Beteiligungen vertreten sind. Es waren allerdings Bestrebungen zu erkennen, das Nachhaltigkeitsengagement im Ausland Schritt für Schritt den hohen österreichischen Standards anzugleichen. Die zweite These, dass Nachhaltigkeit auch ein kulturelles Thema sei, wurde von einer Interviewpartnerin, nämlich A 1, konkret angesprochen. Das Nachhaltigkeitsdenken könne nur „eingebettet in die dortige Kultur“ umgesetzt werden.
6.5.14 Inwiefern werden die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung im Kommunikationsprozess berücksichtigt? In ihren Antworten auf diese Frage konzentrierten sich die Interviewpartner auf die Themenstellung, ob der Nachhaltigkeitsbericht auf Umweltpapier gedruckt werden soll oder nicht. Die Positionen dazu waren unterschiedlich. Aus Sicht von Interviewpartnerin C 1 „geht es nicht, dass ich über Nachhaltigkeit rede, und dann auf Hochglanz drucke“ (C 1). In Unternehmen A und B hingegen werde der Nachhaltigkeitsbericht nicht auf Umweltpapier gedruckt, weil dieses eine schlechtere Qualität habe. Dazu komme, dass im Corporate Design kein Umweltpapier vorgesehen sei. „Die Umweltverträglichkeit des Papiers, der Druckfarbe ... Diese Themen haben wir schon oft besprochen. Das Problem ist, Umweltpapier verbleicht sehr rasch, es wird mit der Zeit weniger gut lesbar. Wir haben jetzt eine Zwischenlösung gefunden. Wir nehmen kein Hochglanzpapier, sondern eine Mischvariante. Auf reines Umweltpapier würde ich nur dann umsteigen, wenn der Geschäftsbericht das auch macht bzw. sämtliche Unternehmensbroschüren auf Umweltpapier gedrückt würden“ (A 1). „Wir haben uns nach einer Prüfung bewusst gegen Umweltpapier entschieden. [...] Wir haben ein Unternehmens-Layout mit einem Unternehmenspapier anhand des Corporate Designs. Und es ist halt dann schwierig, nur für den Nachhaltigkeitsbericht davon abzugehen. Wenn, dann müsste man alle Broschüren umstellen“ (B 1).
Um die gedruckte Auflage des Nachhaltigkeitsberichts nicht ausufern zu lassen, setzten Unternehmen A und B auf detaillierte Online-Berichterstattung sowie das Versenden von CD-Roms anstatt gedruckter Berichte.
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Auffällig war, dass in keinem der Berichte, weder in den Nachhaltigkeitsberichten von A und B, noch im „grünen Teil“ des Geschäftsberichts von C, eine gendergerechte Sprache einheitlich eingehalten wurde. Betrachtung der empirischen Ergebnisse im Lichte der Theorie Aus normativer Sicht wurde in Kapitel 4.7.3.4 die Forderung gestellt, dass die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung im Laufe des Prozesses der Nachhaltigkeitskommunikation so weit wie möglich berücksichtigt werden sollten. Neben wirtschaftlichen Ansprüchen an Nachhaltigkeitskommunikation (etwa ganzheitliche Leistungsdarstellung) sollte auch auf ökologische und soziale Dimensionen im Kommunikationsprozess Rücksicht genommen werden. Das bedeutet für die ökologische Dimension, dass potenziell schädliche Umwelteinflüsse, die sich aus dem Kommunikationsprozess ergeben, so gut wie möglich vermieden werden und stattdessen Naturschutz und Ressourcenschonung berücksichtigt werden sollten. Das Berücksichtigen sozialer Aspekte bedeutet für den Prozess der Nachhaltigkeitskommunikation, dass Gleichberechtigung und Partizipationsmöglichkeiten unterstützt werden sollten, dass die Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung „familienfreundlich“ behandelt würden, dass eine gendergerechte Sprache vorherrscht etc. Aus den Interviews und Berichten war nicht zu entnehmen, inwieweit soziale Aspekte im Kommunikationsprozess der drei Unternehmen Berücksichtigung fanden. Als ein brennendes, ökologisches Thema wurde die Auswahl des Papiers für den Nachhaltigkeitsbericht genannt. Eine Umstellung sämtlicher Unternehmensdrucksorten auf Umweltschutzpapier wurde bisher aber von keinem Unternehmen ernsthaft angedacht Die Interviewpartner dürften sich bisher wenig Gedanken gemacht haben, wie man den Kommunikationsprozess selbst und die Arbeit im Kommunikationsteam im Sinne der Nachhaltigkeit verbessern könnte. Hier besteht meiner Ansicht nach noch Aufholbedarf, denn schließlich erscheint es ratsam, zuerst „vor der eigenen Türe zu kehren“ und mit gutem Beispiel im eigenen Team voran zu gehen, bevor große, konzernweite Veränderungen in Richtung ökologischer und sozialer Verantwortung angestoßen werden können.
6.6 Neue Aspekte und Verbesserungspotenziale 6.6 Neue Aspekte und Verbesserungspotenziale Halten wir nun nochmals Rückschau auf die 14 Forschungsfragen. Welche Ergebnisse sind im Verlauf deren Beantwortung ans Licht gekommen, die in der
6.6 Neue Aspekte und Verbesserungspotenziale
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bisherigen theoretischen Auseinandersetzung dieser Arbeit noch keine oder zu wenig Berücksichtung fanden? Zu nennen ist hier beispielsweise die Erkenntnis, dass eine lange Tradition im Bereich Umweltschutz offenbar das Nachhaltigkeitsengagement beeinflusst. Dieser Aspekt, der im Rahmen der Interviews in den Unternehmen A und B zum Ausdruck kam, kann hilfreich sein, um das Nachhaltigkeitsengagement eines konkreten Unternehmens vorherzusagen. Auch eine zusätzliche Herausforderung für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation wurde im Rahmen der Befragungen sichtbar, und zwar dass Unternehmen durch die Zertifizierung von Nachhaltigkeitsberichten ständig den Druck verspüren, Verbesserungen zu dokumentieren. Diese Tendenz zeigt bereits konkrete Auswirkungen, indem einige Unternehmen mittlerweile dazu übergegangen sind, nicht mehr jährlich über ihre Entwicklung zu berichten, sondern nur mehr alle zwei Jahre, um so größere Verbesserungen darstellen zu können. Die Befragungen in allen drei Unternehmen haben weiters gezeigt, dass Energieversorger im Rahmen der Anrainer-Kommunikation offenbar schon Ansätze verständigungsorientierter Öffentlichkeitsarbeit anwenden. Die dabei gesammelten Erfahrungen könnten auch für andere Bereiche der Nachhaltigkeitskommunikation nützlich sein. In einigen Punkten hat die Erhebung auch konkretes Verbesserungspotenzial für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation der Energieversorger gezeigt. Aufholbedarf besteht in allen drei Unternehmen meiner Ansicht nach in einer verfeinerten Zielgruppen-Definition. Derzeit werden als Zielgruppen der Nachhaltigkeitskommunikation die „klassischen“ Zielgruppen der Gesamtkommunikation herangezogen. Es könnte aber lohnend sein, noch präziser in „Sub-Zielgruppen“ zu unterscheiden, beispielsweise anhand der Dimension Problembewusstsein in Mitarbeiter mit niedrigem, mittlerem oder hohem Nachhaltigkeitsbewusstsein sowie Mitarbeiter mit ablehnender Haltung; in Investoren mit niedrigem, mittlerem oder hohem Nachhaltigkeitsbewusstsein etc. Auch periphere Zielgruppen könnten (und sollten aus normativer Sicht) stärker mit einbezogen werden. Vor allem Jugendliche – die Generation, die Gesellschaft und auch die Kunden von morgen, also genau genommen die „Zielgruppe“ einer nachhaltigen Entwicklung schlechthin – könnten besser integriert werden. Verbesserungspotenzial hat sich auch hinsichtlich der Integration von Nachhaltigkeitskommunikation ergeben. Ansatzweise wenden die Energieversorgungsunternehmen zwar schon formale und vertikale Integration an. Die anderen Ansprüche integrierter Kommunikation, wie sie Bruhn (1995) formuliert, finden aber offenbar kaum Berücksichtigung. Ich gehe davon aus, dass eine verstärkte Beachtung instrumenteller Integration (strategische Kombi-
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6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
nation verschiedener Kommunikationsinstrumente), horizontaler Integration (Abstimmung der Kommunikationsmaßnahmen innerhalb einer Zielgruppe), sowie zeitlicher Integration (gezielte zeitliche Abstimmung der Kommunikationsmaßnahmen) den Erfolgsgrad der Nachhaltigkeitskommunikation weiter erhöhen könnte. Erheblicher Aufholbedarf war in puncto Nachhaltigkeit der Nachhaltigkeitskommunikation zu erkennen. In den befragten Unternehmen scheinen sich die Verantwortlichen bisher kaum die Frage gestellt zu haben, wie nachhaltig sie selbst agieren, also wie familiengerecht, gendergerecht, behindertengerecht, ökologisch korrekt etc. Wenn der Kommunikationsverantwortliche intern zu einem wahren „Change Agent“ bzw. „Innovator“ für soziale und Umweltfragen werden möchte, dann empfiehlt sich, zuerst „vor der eigenen Tür zu kehren“, um dann mit gutem Beispiel vorangehen zu können.
6.7 „Weiße Flecken“ in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitskommunikation: Forschungsdesiderate 6.7 „Weiße Flecken“ in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung Im Verlauf meiner Forschungsarbeit wurden einige Aspekte sichtbar, die in der bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitskommunikation bzw. Nachhaltigkeitsmanagement noch nicht oder nur am Rande bedacht worden waren. Sie können als „weiße Flecken“ auf der „Forschungslandkarte“ der Nachhaltigkeits(kommunikations)forschung betrachtet werden. Es erscheint lohnend, sich in Folgeuntersuchungen mit diesen Fragestellungen zu beschäftigen. Ich möchte einige dieser Fragestellungen nun zusammenfassen. Wissenschafter verschiedener Disziplinen könnten aus diesen Forschungsdesideraten Ideen für mögliche Folgearbeiten ableiten. Solche Folgearbeiten könnten quantitativ oder qualitativ angelegt sein. Möglich sind auch Fallstudien, Langzeitstudien und komparative Forschung. Als ein Forschungsschwerpunkt bietet es sich an, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Einflussfaktoren und Nachhaltigkeitsmanagement bzw. Nachhaltigkeitskommunikation zu untersuchen. Konkret könnte folgenden Forschungsfragen nachgegangen werden:
Wie ist der Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und Nachhaltigkeitsmanagement/Nachhaltigkeitskommunikation? Wie wirkt sich die zeitliche Dauer des Nachhaltigkeitsengagements auf die Nachhaltigkeitskommunikation, die damit verbundenen Herausforderungen bzw. die Berücksichtigung normativer Qualitätskriterien aus?
6.7 „Weiße Flecken“ in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung
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Wie wirkt sich die Unternehmensgröße auf Nachhaltigkeitsmanagement/Nachhaltigkeitskommunikation aus? (Unterschiede KMU vs. Großkonzerne, private vs. börsennotierte Betriebe, nationale Unternehmen vs. multinationale Unternehmen). Wie wirkt sich verstärkte medialer Berichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen auf unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation aus? Wie wirken sich neue Standards, vor allem die derzeit erarbeitete ISO 26.000 Leitlinie, auf die Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation aus? Wie wirkt sich eine wirtschaftliche Rezession auf das Nachhaltigkeitsmanagement/Nachhaltigkeitskommunikation aus?
Ein weiterer interessanter Forschungsbereich könnte es sein, die Rolle der Programmbereiche der Public Relations bzw. einzelner Kommunikationsinstrumente für die Nachhaltigkeitskommunikation zu untersuchen. Im Besonderen bieten sich dazu die folgenden Forschungsfragen an:
Wie können Investor Relations zur Zielerreichung der Nachhaltigkeitskommunikation beitragen? Wie kann interne Kommunikation zur Zielerreichung beitragen? Wie können Community Relations zur Zielerreichung beitragen? Wie können Educational Relations zur Zielerreichung beitragen? Wie können Consumer Relations zur Zielerreichung beitragen? Wie kann Medienarbeit zur Zielerreichung beitragen? Wie kann das Internet bzw. Intranet noch besser für die externe und interne Nachhaltigkeitskommunikation genützt werden? Welche Erfolgsfaktoren gibt es für den Einsatz der Methode „World Café“ im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation? Etc.
Lohnenswert erscheint es mir auch, die Rolle der Public Relations für einzelne Aufgabenfelder der Nachhaltigkeitsentwicklung genauer zu beleuchten. Als mögliche Forschungsfragen kommen hier in Frage:
Wie kann Public Relations zu verstärkter Diversity-Orientierung und entsprechender Wertebildung beitragen? Wie kann Public Relations zu Familienfreundlichkeit beitragen? Wie kann Public Relations zu mehr Arbeitssicherheit beitragen? Wie kann Public Relations Nachhaltigkeit intern als Wert etablieren helfen?
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6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger Wie kann Public Relations zum nachhaltigkeitsorientierten Innovationsmanagement beitragen? Was ist die Rolle der Public Relations für eine gesellschaftliche Nachhaltigkeitsentwicklung? Etc.
Kaum Forschung gibt es bisher auch zu der Frage, wer für die Praxis der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation verantwortlich ist bzw. verantwortlich sein sollte. Hier bieten sich die folgenden Forschungsfragen an:
Wer ist in verschiedenen Unternehmen für Nachhaltigkeitskommunikation verantwortlich? Was sind die Vor- und Nachteile von eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten im Gegensatz zu integrativen Teams bzw. zu Kommunikationspraktikern als Nachhaltigkeitsverantwortliche?
Auch das Thema der Evaluation unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation ist bisher noch weitgehend ein „weißer Fleck“ in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Dabei könnte eine Beantwortung der folgenden Forschungsfragen den Stellenwert der Nachhaltigkeitskommunikation für die unternehmerische Praxis möglicherweise erhöhen:
Anhand welcher Indikatoren kann der unternehmerische bzw. der gesellschaftliche Erfolg unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation gemessen werden? Welche Methoden bieten sich zur Evaluation unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation an?
Wünschenswert wäre es auch, wenn sich zukünftige Forschungsarbeiten dem Thema der Nachhaltigkeitskommunikation einmal mehr aus normativer Sicht annähern würden. Weitere Handlungsorientierungen für Praktiker könnten erarbeitet bzw. die in der vorliegenden Arbeit entwickelten normativen Kriterien der Nachhaltigkeitskommunikation könnten überprüft werden. Hierzu bieten sich folgende Forschungsfragen an:
Ist es aus ethischer Sicht zulässig, dass Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung als Geschäftsstrategie anwenden? Wie lässt sich die Berechtigung normativer Handlungsorientierungen überprüfen?
6.8 Zusammenfassung Kapitel 6
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Welche Theorien, Modelle und Konzepte aus welchen anderen Forschungsdisziplinen (z.B. Soziologie, Psychologie, Ethik, Umweltwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften etc.) können zur Ableitung weiterer normativer Handlungsorientierungen für die Praxis der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation herangezogen werden? Welche normativen Kriterien können für Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne, also nicht von Unternehmen, sondern ausgehend z.B. von NGOs, Politik, Bildungseinrichtungen etc., entwickelt werden?
Im Rahmen von empirischer Forschung könnte weiters untersucht werden, inwieweit die erarbeiteten normativen Qualitätskriterien in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation bereits Berücksichtigung finden:
Inwieweit werden die einzelnen Kriterien in konkreten Kommunikationssituationen tatsächlich berücksichtigt, z.B. inwiefern kommt es bei Bürgerbeiräten zu einer idealen Sprechsituation; wie häufig werden in Nachhaltigkeitsberichten selbstkritische Informationen veröffentlicht; warum berücksichtigt ein konkretes Unternehmen auch periphere Zielgruppen? In wieweit finden die normativen Kriterien in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne bereits Berücksichtigung?
6.8 Zusammenfassung Kapitel 6 6.8 Zusammenfassung Kapitel 6 In Kapitel 6 wurde die Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger empirisch betrachtet. Wir ließen die theoretischen Kernaussagen dieser Arbeit nochmals revú passieren und tasteten sie auf ihre praktische Relevanz hin ab. Dabei zeigte sich, dass Theorie und Praxis in einigen Punkten offenbar nahe beieinander liegen. So wurden beispielsweise als Gründe für das Nachhaltigkeitsmanagement Aspekte von Marketing, Business und Public Case genannt, wobei Business Motive deutlich im Vordergrund standen. Als interne Einflussfaktoren der Nachhaltigkeitskommunikation wurden – ähnlich wie aus theoretischer Sicht – unter anderem die Haltung des Top Managements sowie die Unternehmenskultur genannt. Extern würden laut der befragten Praktiker vor allem Erwartungen von Shareholdern einen „Push Faktor“ darstellen, ebenso Nachhaltigkeitsauftritte der Konkurrenz und Kundenwünsche. Als spezifische Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation wurden im Rahmen der empirischen Studie die Komplexität, Abstraktheit und niedrige Bekanntheit des Nachhaltigkeitsbegriffs sowie Aufmerksamkeitsprobleme genannt. Das aus theoretischer Sicht postu-
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6 Nachhaltigkeitskommunikation österreichischer Energieversorger
lierte Glaubwürdigkeitsproblem versuchen die Praktiker zu umgehen, indem sie Nachhaltigkeitsberichte von externen Auditoren überprüfen lassen. Mangelnde Unterstützung des Top Managements als internes Hemmnis wurde nur in einem Unternehmen genannt. Positiv hervorheben möchte ich, dass einige der in der Arbeit definierten normativen Qualitätskriterien der Nachhaltigkeitskommunikation in der Praxis bereits Berücksichtigung finden. Es dominiert das Modell symmetrischer Kommunikation. Ansatzweise ist sogar eine verständigungsorientierte Ausrichtung zu erkennen, vor allem im Rahmen von Bürgerbeiräten zu geplanten Großprojekten. Die Aussagen der Interviewpartner legen die Vermutung nahe, dass sich die Gestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation weiterentwickelt, je länger sich ein Unternehmen mit Nachhaltigkeitsthemen befasst. Von einer anfangs eher informativ (teils auch persuasiv) ausgerichteten Kommunikation, die vorwiegend basiert auf Instrumenten der Werbung und Nachhaltigkeitsberichterstattung, scheint sich mit der Zeit ein Wandel hin zu verstärkter Stakeholderund Dialogorientierung zu vollziehen. Diese Entwicklung korrespondiert mit dem Modell der Nachhaltigkeitsleiter aus Kapitel 2.9. Ausbaufähig erscheint mir die Zielgruppensegmentierung der befragten Unternehmen. Sie setzen vorrangig auf „klassische“ Zielgruppen der Public Relations. „Treffsicherer“ könnten die Kommunikationsmaßnahmen aber durch die Identifikation von Sub-Zielgruppen werden, z.B. Mitarbeiter mit unterschiedlich hohem Problembewusstsein oder Widerstandsempfinden. Kaum Berücksichtigung findet in der Praxis derzeit eine ganzheitliche Zielgruppensegmentierung, die auch periphere Gruppen bewusst mit einbezieht. Weiteres Verbesserungspotenzial ergibt sich aus normativer Sicht auch in puncto Integration von Nachhaltigkeitsprinzipien in die Nachhaltigkeitskommunikation. Bezüglich Familienfreundlichkeit, Gender-Gerechtigkeit, Ressourcenschonung etc. agieren die Akteure der Nachhaltigkeitskommunikation bisher noch nicht als unternehmensinterne Vorbilder bzw. „Innovatoren“. In der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden Inhalt und Form auch nur teilweise in Einklang gebracht. So drucken noch nicht alle Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichte auf Umweltpapier. Insgesamt machte Kapitel 6 deutlich, dass zu zahlreichen Fragestellungen rund um unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation noch Forschungsbedarf besteht. Forschungsdesiderate wurden unter anderem identifiziert in den Bereichen „Zusammenhang zwischen einzelnen Einflussfaktoren und der Gestaltung von Nachhaltigkeitskommunikation“, „Potenziale einzelner Programmbereiche der Public Relations“ oder in der Frage nach der „Rolle der Public Relations für einzelne Aufgabenfelder des Nachhaltigkeitsmanagements“.
7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick 7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick
Die Ausgangsthese dieser Arbeit war organisations- wie auch gesellschaftstheoretisch orientiert: Kommunikation über nachhaltigkeitsrelevantes Handeln stelle sowohl aus Unternehmenssicht wie auch aus gesellschaftlicher Sicht eine Chance für eine zukunftsfähige Entwicklung dar. Voraussetzung dafür sei, dass Nachhaltigkeitskommunikation bestimmten normativen Qualitätskriterien genüge. Wenn diese in der Praxis in größtmöglichem Maß berücksichtigt werden, dann könne Nachhaltigkeitskommunikation als „nachhaltige Kommunikation“ betrachtet werden. Basierend auf diesen Ausgangsüberlegungen wurden die konkreten Zielsetzungen der Arbeit abgeleitet (vgl. Kapitel 1.3.). Die Arbeit sollte auf verschiedenen Ebenen inhaltlichen Input leisten, und zwar auf
Ebene der Public Relations-Praxis: Hilfestellung bei der Bewältigung von Herausforderungen; Handlungsorientierung, Motivation und Inspiration für Praktiker; Beitrag zur Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation. Ebene der Public Relations-Disziplin: Sicherung der Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations; Beitrag zur Professionalisierung der Public Relations. Ebene der Public Relations-Forschung: Beitrag zur Weiterentwicklung der Public Relations-Theorie, vor allem im Bereich gesellschaftstheoretischer Ansätze. gesellschaftlicher Ebene: Präzisierung des Beitrags der Public Relations für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung.
Auf diese Zielsetzungen möchte ich nun zurückblicken und evaluieren, in welchem Ausmaß sie im Verlauf der Arbeit tatsächlich erreicht werden konnten.
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7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick
7.1 Evaluation der Zielerreichung 7.1 Evaluation der Zielerreichung Zielsetzungen auf praktischer Ebene Die Arbeit sollte Hilfestellung und Orientierung für Kommunikationspraktiker leisten, sie zu kreativen Wegen in der Nachhaltigkeitskommunikation inspirieren und sie motivieren, die definierten normativen Qualitätskriterien so gut wie möglich in die Praxis zu integrieren. Wie weit wurde dieser Anspruch nun im Verlauf der Arbeit erfüllt? Praktiker haben konkret erfahren, wie sie die spezifischen Herausforderungen der Nachhaltigkeitskommunikation bewältigen können (zum Beispiel, wie sie Aufmerksamkeitsproblemen mittels kreativer Kommunikationslösungen begegnen können, wie sie die teils konträren Erwartungen verschiedener Stakeholder erfüllen können etc.). Darüber hinaus haben Kommunikationspraktiker im Rahmen der Good-Practice-Beispiele (vgl. Kapitel 5) und Fallbeispiele aus der Energiebranche (vgl. Kapitel 6) Input bekommen zur Umsetzung normativer Aspekte (zum Beispiel welche Instrumente sich unter welchen Bedingungen für verständigungsorientierte Kommunikation eignen, wie eine ganzheitliche Zielgruppen-Identifizierung Nachhaltigkeitskommunikation „treffsicherer“ machen kann, etc.). Motivierend für Kommunikationsexperten könnte wirken, dass ihre Rolle im Rahmen der Nachhaltigkeitskommunikation in dieser Arbeit beschrieben wurde als strategisch-reflexive Funktion (Rolle des Kommunikationsmanagers), und nicht bloß als taktisch-instrumentelle Funktion (Rolle des Kommunikationstechnikers) (vgl. Dozier 1992, 327 f). Kommunikationsexperten seien demnach nicht nur die Umsetzer der Nachhaltigkeitskommunikation, sondern können und sollten als „ethisches Gewissen“ oder „Ratgeber“ (vgl. L’Etang 2006, 405ff) auch zur Strategieentwicklung im Bereich der sozialen und ökologischen Verantwortung beitragen. Insgesamt legen die Erkenntnisse die Schlussfolgerung nahe, dass Public Relations zu einer Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation und damit auch des Nachhaltigkeitsmanagements maßgeblich beitragen kann. Denn gerade die Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen verlangt hohe kommunikative Fähigkeiten, da spezifische Herausforderungen (wie geringer Bekanntheitsgrad des Nachhaltigkeitsbegriffes, unterschiedliche Stakeholder-Erwartungen, Komplexität und Konfliktpotenzial von konkreten Themen, etc.) zu meistern sind. Solche Überlegungen haben in Kapitel 3.4.5.1 zu der Schlussfolgerung geführt, dass Kommunikationsmanager am besten geeignet sind, um für die Kommunikation über und für Nachhaltigkeit verantwortlich zu sein. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, die Schnittstellen zwischen den beteiligten Unternehmensfunktionen kommunikativ zu managen und somit in enger Ko-
7.1 Evaluation der Zielerreichung
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operation mit anderen relevanten Unternehmensbereichen (Top Management, Personalabteilung, Umweltmanagement, Finanzabteilung, Marketing, Produktion, Vertrieb, Rechtsabteilung etc.) zu arbeiten. Zielsetzungen auf Ebene der Public-Relations-Disziplin Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit war es, einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Sicherung der Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations zu leisten. Die Arbeit lieferte zahlreiche Argumente, warum Public Relations zur Professionalisierung der Nachhaltigkeitskommunikation beitragen kann. Einige relevante Kompetenzen von Kommunikationsmanagern wurden soeben genannt. Damit betrachte ich das Ziel, einen Beitrag zu leisten, um Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public RelationsDisziplin zu sichern, als erreicht. Umgekehrt stellt sich aber die Frage: Kann Nachhaltigkeitskommunikation auch einen Beitrag leisten zur weiteren Professionalisierung der Public Relations? Beziehungsweise kann Nachhaltigkeitskommunikation als ein Hinweis auf eine fortschreitende Professionalisierung der Public Relations gewertet werden? Nach Signitzer (1998, 32) wird Professionalisierung dadurch erleichtert, dass Klienten/Auftraggeber sich selbst als Laien betrachten und sich dem Kommunikationsproblem gegenüber als „hilflos“ einschätzen. Der Bedarf an Lösungswissen sollte für den Klienten „erkennbar“ sein, und das Wissen selbst sollte aus Sicht des Laien mit einem gewissen „Mysterium“ verbunden sein. Es sind also nicht nur Merkmale der Ausbildung oder Institutionalisierung des Berufsfeldes, welche Professionalisierung vorantreiben können, sondern vor allem auch wahrgenommene Wissens- und Kompetenzunterschiede, die den Laien deutlich ab- bzw. ausgrenzen. Als Strategien zur vermehrten Professionalisierung eines Berufsfeldes bieten sich folgende an: „... die eigene Wichtigkeit und Unverzichtbarkeit zu steigern; ... Konkurrenzdruck zu reduzieren; ... mögliche Einsatzfelder zu erweitern; ... und Fremdkontrolle durch Eigenkontrolle zu ersetzen“ (Signitzer 1994, 270, nach Beck/Brater/Daheim 1980, 82). Inwieweit entspricht Nachhaltigkeitskommunikation als Aufgabenfeld der Public Relations nun diesen Kriterien? Es kann davon ausgegangen werden, dass sich Laien den mit Nachhaltigkeitskommunikation verbundenen Herausforderungen (wie Konfliktträchtigkeit, Komplexität, multiple Erwartungen etc.) nicht gewappnet fühlen, und deshalb das Aufgabengebiet möglicherweise in die Hände von Kommunikationspraktikern legen. Der abstrakte Begriff der Nachhaltigkeit könnte für viele mit einem gewissen „Mysterium“ verbunden sein. Eine zunehmende Anzahl von Kommunikationsfachleuten absolvieren auch bereits
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7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick
Zusatzausbildungen im Bereich CSR und Nachhaltigkeitsmanagement, um fachspezifische Zusatzkompetenzen zu erwerben (vgl. Schneider 2008). Ob und wieweit Nachhaltigkeitskommunikation als relativ neues Aufgabenfeld der Public Relations aber geeignet ist, die Professionalisierung der Public Relations, d.h. die Vermarktung und Expertise der Public Relations gegenüber Leistungsabnehmern, positiv zu unterstützen, wird letztendlich erst die Entwicklung der kommenden Jahre zeigen. Derzeit ist in der Unternehmenspraxis eher die Tendenz zu bemerken, dass Nachhaltigkeits- bzw. CSR-Manager das Aufgabenfeld Nachhaltigkeitskommunikation von Public Relations Praktikern übernehmen. Es stellt sich auch die Frage, ob Public Relations Praktiker die Rolle des strategisch orientierten Nachhaltigkeitskommunikators überhaupt annehmen wollen, oder ob sie in der Rolle des Technikers bleiben wollen, der nur einzelne, ihm vertraute Aspekte übernimmt, wie Presseaussendungen, Wording oder Layout von Nachhaltigkeitsberichten. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass Nachhaltigkeitskommunikation als Erweiterung der möglichen Einsatzfelder der Public Relations gewertet werden kann. Damit erhält die Public Relations Disziplin einmal mehr die Chance, Kommunikation als wesentlichen Wertschöpfungsfaktor im ökonomischen Alltag zu verankern. Zielsetzungen auf Ebene der Public-Relations-Forschung Ein zusätzliches Ziel der Arbeit war es, einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Public-Relations-Theorie zu leisten, vor allem im Hinblick auf gesellschaftstheoretische Ansätze der Public Relations. Solche Ansätze betonen die Funktion der Public Relations im Reproduktionsprozess moderner Gesellschaften und gehen davon aus, dass es mitunter Aufgabe der Public Relations sei, zum Funktionieren ausdifferenzierter Gesellschaften beizutragen (vgl. Ronneberger/ Rühl 1992; Signitzer 1996, 6ff). Allerdings blieben solche gesellschaftstheoretischen Ansätze bisher sehr vage in ihren Aussagen darüber, was denn nun konkret die Aufgaben der Public Relations für ein besseres Funktionieren ausdifferenzierter Gesellschaften seien. Im Verlauf dieser Arbeit konnte der gesellschaftsrelevante Beitrag der Public Relations nun präzisiert werden, zumindest was die konkrete gesellschaftliche Herausforderung einer nachhaltigen Entwicklung betrifft. In Kapitel 3 wurden gesellschaftliche Zielsetzungen der Nachhaltigkeitskommunikation unter dem Begriff „Public Case“ zusammengefasst. Es wurde klar, dass Public Relations das Potenzial besitzt, eine nachhaltige Entwicklung auf mehreren Ebenen voranzutreiben. Auf der Ebene des Unternehmens könne Public Relations zu einem erfolgreichen Nachhaltigkeitsmanagement beitragen, das
7.1 Evaluation der Zielerreichung
467
wirtschaftlichen Fortbestand unter Berücksichtigung von Stakeholder Interessen sowie ökologischer Kriterien unterstützt. Auf der Ebene des Individuums, konkret des einzelnen Mitarbeiters, des einzelnen Kunden, des einzelnen Lieferanten, des einzelnen Investors etc., könne Public Relations beitragen zu verstärkter Bewusstseinsbildung, zu mehr Wissen und eventuell zu einer nachhaltigkeitsorientierten Einstellungs- bzw. Verhaltensänderung. Auf institutioneller Ebene schließlich könne Public Relations mittels Nachhaltigkeitskommunikation beitragen zu einer nachhaltigkeitsorientierten Branchenentwicklung und mitunter auch zu strengerer Gesetzgebung. Zielsetzungen auf gesellschaftlicher Ebene: Ableitung von Elementen einer normativen Theorie der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation Unter welchen Bedingungen kann es gelingen, dass Public Relations mittels Nachhaltigkeitskommunikation tatsächlich zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung beiträgt? Zur Beantwortung dieser Frage bot sich für diese Arbeit ein normativer Blickwinkel an. In Kapitel 4 wurde herausgearbeitet, welche normativen Qualitätskriterien die Erreichung eines „Public Case“ der Nachhaltigkeitskommunikation unterstützen. Die normativen Aussagen wurden abgeleitet von bereits existierenden Theorien der Public Relations und Unternehmenskommunikation („Kontexttheorien“) sowie aus den Leitgedanken des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung. Bislang habe ich folgende Elemente einer normativen Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation identifiziert: 1.
Nachhaltigkeitskommunikation kann betrachtet werden als integrierte Kommunikation in Reinform. Als Querschnittsfunktion der Public Relations verlangt sie nach funktionaler, organisationaler und Stakeholder Integration. Funktionale Integration bedeutet, dass es sich bei Nachhaltigkeitskommunikation nicht um ein strategisches Verfahren oder um einen eigenen Programmbereich der Public Relations handelt (wie etwa interne Kommunikation, Medienarbeit, Investor Relations, Educational Relations etc.), sondern um einen Aufgabenbereich, der in die verschiedenen Programmbereiche inhaltlich integriert werden kann. Organisationale Integration bedeutet, dass in der Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation eine enge Kooperation zwischen der Kommunikationsabteilung und anderen unternehmerischen Subsystemen bestehen sollte. Stakeholder Integration bedeutet, dass der für Nachhaltigkeitskommunikation Verantwortliche besonders stark als „Boundary Spanner“ agieren sollte, und unternehmensexterne Zielgruppen in die Nachhaltigkeitskommunikation mit einbezogen werden sollten.
468 2.
3.
4.
7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick Aus normativer Sicht spielt die Art der Zielgruppensegmentierung eine wesentliche Rolle. Grundsätzlich kommen die gleichen Segmentierungskriterien wie bei Public Relations im allgemeinen in Frage (demografische, sozioökonomische, psychologische Kriterien etc.). Besonders relevant erscheinen darüber hinaus kulturelle und Lebensstil-abhängige Zielgruppenunterscheidungen. Der normativen Orientierung des Theorieentwurfs entsprechend wurde vor allem betont, dass es auch sogenannte „periphere“ Zielgruppen zu berücksichtigen gilt, also solche, die vom Unternehmenshandeln betroffen sind, die aber nicht direkt mit wirtschaftlichem Erfolg verbunden sind. Beispiele für solche „peripheren“ Zielgruppen sind Jugendliche, Arbeiter aus Entwicklungsländern, Menschen in Armut, von Umweltzerstörung Betroffene, behinderte Menschen etc. Was den „Stil“ der Nachhaltigkeitskommunikation betrifft, so wurden aus normativer Sicht vor allem Grunigs Modelle symmetrische Kommunikation und Informationstätigkeit als anstrebenswert betrachtet. In Ausnahmefällen können auch persuasive Kommunikationsformen zur Anwendung kommen, wenn es gilt, Zielgruppen von Verhaltensänderungen im Sinne der Nachhaltigkeit zu überzeugen. Besonders wünschenswert für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation erscheint Verständigungsorientierung im Sinne Burkarts. Die Idealvorstellung einer idealen Sprechsituation und eines vollständigen Konsenses auf allen drei Ebenen kommunikativer Geltungsansprüche (Wahrheit der Behauptungen, Vertrauenswürdigkeit des Unternehmens, Legitimität der vertretenen Interessen) wird in der Praxis nur schwer umsetzbar sein. Dennoch erscheint es aus normativer Sicht lohnend, Partizipationsmöglichkeiten und Authentizität als Grundsäulen der Nachhaltigkeitskommunikation zu betrachten. Zusätzlich zu den oben zusammengefassten Kommunikationsansprüchen, die aus den Kontexttheorien abzuleiten waren (Punkte 1 bis 3), erscheint es aus normativer Perspektive auch angebracht, alle drei Dimensionen des Nachhaltigkeitsleitbilds (Ökonomie, Ökologie und Soziales) innerhalb der Nachhaltigkeitskommunikation zu berücksichtigen. Neben wirtschaftlichen Aspekten (Business Case, ganzheitliche Leistungsdarstellung) gilt es in der täglichen Kommunikationsarbeit, auch auf ökologische Arbeitsweise (Papierverbrauch, Energieverbrauch, fachgerechte Entsorgung etc.) und auf soziale Erfordernisse (Vermeidung von Diskriminierung hinsichtlich Diversity und Gender, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle etc.) zu achten.
Für Nachhaltigkeitskommunikation, welche diese normativen Kriterien so weit wie möglich erfüllt und neben Marketing und Business Case situativ auch einen Public Case anstrebt, wurde der Begriff der „nachhaltigen Kommunikation“
7.2 Resümee
469
eingeführt. Es wurde vorgeschlagen, dass Unternehmen ihre Nachhaltigkeitskommunikation anhand eines Balkendiagramms evaluieren, das die Ausprägungen der einzelnen normativen Qualitätskriterien darstellt. In den empirischen Untersuchungen (Kapitel 5 und 6) zeigte sich aber, dass keines der GoodPractice-Beispiele und auch keines der untersuchten Energieversorgungsunternehmen eine solche durchgängig nachhaltige Kommunikation derzeit umsetzt. Einzelne normative Aspekte finden hingegen sehr wohl praktische Berücksichtigung. Die normativen Qualitätskriterien sollten in Folgearbeiten noch verfeinert werden, da die vorliegende Dissertation lediglich eine explorative Annäherung an eine normative Perspektive der Nachhaltigkeitskommunikation repräsentiert. Weiterführende Forschung könnte auch untersuchen, inwieweit die normativen Kriterien auf Nachhaltigkeitskommunikation anderer, nicht-wirtschaftlicher Akteure (NGOs, Politiker, Bildungseinrichtungen etc.) umzulegen sind. Intensiver Erörterung bedarf künftig auch die Frage, inwieweit es aus ethischer Sicht überhaupt zulässig ist, dass Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung als Geschäftsstrategie anwenden. Die moralphilosophische Fragestellung von Husted/Allen (2000, 21), “is it ethical to use ethics and social responsibility in a strategic way?” eröffnet einiges an Diskussionspotenzial. Auch Drumwright/Murphy (2001, 175f nach L’Etang 2006, 408) haben diesen kritischen Punkt erkannt und stellen die Frage: „If the outcomes for society are positive, then does it matter that the company’s objectives are predominantly or even completely economic?” In meinen Augen ist gesellschaftliche Verantwortung als Unternehmensstrategie vor allem dann kritisch zu betrachten, wenn CEOs alleine entscheiden, was im gesellschaftlichen Interesse zu liegen habe und was nicht (vgl. Husted/Allen 2000, 26). Um einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken, bietet es sich an, Stakeholder in den Entscheidungsprozess des CSR- und Nachhaltigkeitsmanagements zu integrieren und dabei die in dieser Arbeit entworfenen normativen Kriterien zu berücksichtigen.
7.2 Resümee 7.2 Resümee Neben der normativen Perspektive, welche in Kapitel 4 im Vordergrund stand, wurde im Verlauf der Arbeit Nachhaltigkeitskommunikation auch aus konzeptiver Perspektive (Kapitel 2 und 3), aus instrumenteller Perspektive (Kapitel 5) und aus deskriptiver Perspektive (Kapitel 6) beleuchtet, um eine möglichst ganzheitliche Betrachtung des Forschungsgegenstandes zu erreichen. Die Kernergebnisse dieser Kapitel werden nun nochmals kompakt zusammengefasst.
470
7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick
Im konzeptiv-theoretisch angelegten Kapitel 2 stand zunächst eine begriffliche Auseinandersetzung mit dem Ausdruck der unternehmerischen Nachhaltigkeit im Vordergrund. Unternehmerische Nachhaltigkeit wurde für die Zwecke dieser Arbeit definiert als ein Managementkonzept, das darauf ausgerichtet ist, wie Unternehmen Gewinne erwirtschaften und inwiefern sie dabei soziale und ökologische Aspekte berücksichtigen. Erst in zweiter Linie gehe es darum, wofür Unternehmen ihre Gewinne verwenden (z.B. für Sponsoring, Charity etc.). Unternehmerische Nachhaltigkeit kann damit beschrieben werden als ein neues „Unternehmensführungsverständnis“ (Schaltegger 2008), das die Rolle des Unternehmens für eine nachhaltige Entwicklung betont. Das Konzept der unternehmerischen Nachhaltigkeit wurde als der integrative Überbegriff („umbrella term“) über eine Reihe von verwandten Konzepten bzw. Begrifflichkeiten verstanden (wie Corporate Social Responsibility, Corporate Citizenship, Gemeinwohl-Ansatz, Cause-related Marketing, Shareholder Value, Stakeholder Theorie etc.). Alle diese Konzepte tragen ebenfalls direkt oder indirekt zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. Für die Zwecke dieser Arbeit wurden sie als Felder unternehmerischer Nachhaltigkeit beschrieben, die inhaltlich ineinander greifen, sich aber in ihrer Schwerpunktsetzung und Ausrichtung (instrumentell, politisch, ethisch oder integrativ) unterscheiden. Dadurch sind sie auch imstande, unterschiedliche Argumente, Elemente und Umsetzungsmöglichkeiten zum Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens beizutragen (vgl. Abbildung 16). In Kapitel 2 habe ich mich weiters intensiv mit den wirtschaftlichen Motiven für unternehmerische Nachhaltigkeit beschäftigt. Wettbewerbsvorteile wurden im Rahmen einer Literaturanalyse einerseits unternehmensintern identifiziert, indem Nachhaltigkeitsmanagement befruchtend wirken könne auf Aspekte des Prozessmanagements, Ressourcenmanagements, Produktmanagements, Innovationsmanagements, Personalmanagements und Issues Managements. Unternehmensextern könne Nachhaltigkeitsmanagement Beiträge leisten zum Shareholder Management, Stakeholder Management/Engagement, Image- und Legitimationsmanagement, Krisen- bzw. Risikomanagement und Issues Management. Im Detail wurden schließlich die Zusammenhänge zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und (a) Shareholder Value, (b) Unternehmensimage, (c) Kaufentscheidungen, (d) Krisen-Management und (e) Personalmanagement beleuchtet. Dabei zeigten sich bereits zahlreiche Unterstützungspotenziale der Public Relations. In Kapitel 2 bekam der Leser außerdem Informationen zur praktischen Umsetzung unternehmerischer Nachhaltigkeit sowie zu den bereits vorhandenen Managementtools. Schwerpunktmäßig behandelt wurde dabei das Instrument der
7.2 Resümee
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„Sustainability Balanced Scorecard“, dessen Anwendung und Nutzen anhand von konkreten Beispielen skizziert wurden (vgl. Abbildungen 25 und 27). Zur modellhaften Darstellung unterschiedlicher Ausprägungen des unternehmerischen Nachhaltigkeitsengagements wurde am Ende von Kapitel 2 das Modell der Nachhaltigkeitsleiter entwickelt (vgl. Abbildung 31). Kernaussage des Modells ist, dass Unternehmen Stufe für Stufe voranschreiten können von einer defensiven über eine reaktive hin zu einer proaktiven Nachhaltigkeitsorientierung. Sie steigen die „Nachhaltigkeitsleiter“ nach oben und ihr Weg führt sie von der Erfüllung rechtlicher Normen, über „Cause-related Marketing“ und Soziosponsoring, über Prozess- und Produktveränderungen hin schließlich zu einer partizipativ angelegten Lösungssuche für Nachhaltigkeitsprobleme. Parallel dazu vollziehe sich ein Wandel in den unternehmerischen Motiven für das Nachhaltigkeitsengagement von rein Marketing-orientierten Motiven, über breitere „Business Case“-Motive instrumenteller Art hin zu gesellschaftlichen Motiven mit ethisch-moralischen Wurzeln. Gleichzeitig entwickle sich auch die Nachhaltigkeitskommunikation weiter. Je weiter ein konkretes Unternehmen die Nachhaltigkeitsleiter nach oben „klettere“, desto größer würden der Stellenwert und die Unterstützungspotenziale professioneller Kommunikation. Damit verbunden seien auch steigende Anforderungen an Kommunikatoren durch mehr Transparenz, Stakeholder-Orientierung und symmetrische Kommunikation. Der empirische Teil dieser Arbeit hat die Kernaussagen des Modells der Nachhaltigkeitsleiter in den Grundzügen gestützt. Im ebenfalls konzeptiv angelegten Kapitel 3 wurde zuerst definitorisch unterschieden zwischen Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne (als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ausgehend von verschiedenen Akteuren und Institutionen wie Politik, NGOs, Bildungsinstitutionen, Medien etc.) und Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne (als Aufgabe von Wirtschaftsunternehmen). Unternehmerische Nachhaltigkeit wurde stipulativ definiert als „alle kommunikativen Handlungen von gewinnorientierten Unternehmen, 1. 2.
3.
die sich inhaltlich auf das nachhaltigkeitsrelevante Handeln des Unternehmens bzw. bestimmter Zielgruppen beziehen und mit denen ein Beitrag zur strategischen Aufgabendefinition und Aufgabenerfüllung des Nachhaltigkeitsmanagements und/oder zur Erfüllung der unternehmerischen Umsatz-, Absatz- oder Imageziele geleistet wird. Als „Nebeneffekt“ hat Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen das Potenzial, einen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sensibilisierung für nachhaltige Entwicklung zu leisten und zu einer nachhaltigeren Entwicklung in Unternehmen und Gesellschaft beizutragen.
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7 Gesamtzusammenfassung und Ausblick
Diese Definition brachte die ganzheitliche Orientierung der Arbeit zum Ausdruck: Das Begriffsverständnis beruht auf drei Säulen. Erstens, Nachhaltigkeit wird aus inhaltlicher Sicht als integratives Thema der Public Relations betrachtet. Zweitens, Nachhaltigkeitskommunikation wird aus funktionaler Sicht als strategisch wichtig für das Nachhaltigkeitsmanagement bzw. als Beitrag zur Zielerreichung sonstiger Organisationsziele verstanden. Drittens hebt die Definition die gesellschaftlichen Potenziale der Public Relations (Stichwort Kommunikation für Nachhaltigkeit) explizit hervor. Nach der Begriffsdiskussion wurden in Kapitel 3 die Potenziale unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation aus marketingtheoretischer, organisationstheoretischer und gesellschaftstheoretischer Sicht (vgl. Signitzer 2007, 143 ff) beleuchtet. Darauf aufbauend wurden mögliche Zielsetzungen für die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation identifiziert, und zwar auf drei Ebenen: 1. 2. 3.
auf der Ebene des „Marketing Case“: Nachhaltigkeitskommunikation als Instrument zur Absatzförderung; auf der Ebene des „Business Case“: Nachhaltigkeitskommunikation als strategischer Ansatz zur Wertschöpfungssteigerung; auf der Ebene des „Public Case“: Nachhaltigkeitskommunikation als Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaftsentwicklung.
Der gesellschaftliche Beitrag kann reichen von der Unterstützung öffentlicher Kommunikation über das Thema Nachhaltigkeit, über die Erhöhung des Bewusstseins und des Wissens von Stakeholdern und der breiten Öffentlichkeit in puncto Nachhaltigkeit, bis hin zu den am schwierigsten zu erreichenden Zielen, nämlich Einstellungs-, Verhaltens-, und Werteänderungen. Die Idee eines solchen Public Case ist freilich eher normativer Natur. Die empirischen Studien dieser Arbeit haben aber gezeigt, dass zumindest ansatzweise von einzelnen Praktikern der Nachhaltigkeitskommunikation bzw. des Nachhaltigkeitsmanagements sehr wohl gesellschaftsorientierte Zielsetzungen angestrebt werden, zumindest als positive Nebeneffekte von Business CaseZielsetzungen. Damit kommt zum Ausdruck, dass das gleichzeitige Ausüben strategischer Kommunikation (die den Zielen des Unternehmens dient) und unternehmerischer Kommunikation für Nachhaltigkeit (die gesellschaftlichen Zielen dient) kein Widerspruch sein muss. Die Zusammenhänge zwischen den drei Zieldimensionen Marketing Case, Business Case und Public Case wurden grafisch in einem dreischichtigen Zwiebelmodell dargestellt (vgl. Abbildung 34). Die Metapher der Zwiebel sollte veranschaulichen, wie sich das Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation vom Marketing Case über den Business Case zum Public Case ausdehnt, und
7.2 Resümee
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gleichzeitig die Anzahl der relevanten Stakeholder-Gruppen zunimmt. Der Gedanke von „durchlässigen Zwiebelschichten“ sollte unterstreichen, dass eine scharfe Trennung zwischen den drei Zieldimensionen nicht möglich ist. Es wurde davon ausgegangen, dass innerhalb eines bestimmten Unternehmens – einem „mixed-motive“-Ansatz zufolge – eine Ebene der Zieldimensionen, aber auch zwei oder alle drei Ebenen, sprich Marketing, Business und Public Case, zum Tragen kommen können. Die empirischen Ergebnisse dieser Arbeit haben bestätigt, dass es von jeweils situativen Gegebenheiten abzuhängen scheint, welcher Zieldimension ein Unternehmen zu einer bestimmten Zeit den Vorrang gibt. Vor allem die zeitliche Dauer des Nachhaltigkeitsengagements eines Unternehmens dürfte die Zieldimensionen wie auch die gewählten kommunikativen Strategien (Einwegkommunikation versus Zweiwegkommunikation; Werbung versus Verständigungsorientierung) beeinflussen. Ein Zwiebelmodell erschien auch hilfreich, um die Rahmenbedingungen der Praxis unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation strukturiert darzustellen (vgl. Abbildung 37). Einflussfaktoren wurden identifiziert auf MikroEbene (Unternehmenskultur, Wertvorstellungen des Top Managements bzw. Chefs, personelle Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitskommunikation), auf Meso-Ebene (Erwartungen und Druck von Konsumenten bzw. Kunden, Wettbewerbern, Wirtschafts- bzw. Branchenverbänden, Interessensverbänden, Abnehmern und Investoren) sowie auf Makro-Ebene (Staat, Medien, gesellschaftliche Institutionen). Ein weiterer Beitrag zur theoretischen und praktischen Fundierung der Nachhaltigkeitskommunikation wurde in Kapitel 3 geleistet, indem die spezifischen Herausforderungen aufgezeigt wurden. Es wurde unterschieden in (1) Herausforderungen durch die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzepts (2) Herausforderungen durch unternehmensinterne Hemmnisse (3) Herausforderungen durch das Anspruchsniveau der Kommunikationsziele sowie (4) Herausforderungen durch Glaubwürdigkeitsprobleme. Im Rahmen des empirischen Teils stellte sich heraus, dass weniger unternehmensinterne Hemmnisse, sondern vor allem die Charakteristika des Nachhaltigkeitskonzeptes (wie Abstraktheit, Komplexität, Konfliktträchtigkeit) und Aufmerksamkeitsprobleme auf Seiten der Zielgruppen in der Praxis besonders schwer zu meistern sind. Hinweise zur besseren Bewältigung solcher Herausforderungen lieferte Kapitel 4, indem zahlreiche Public Relations Theorien und Konzepte unter anderem daraufhin analysiert wurden, inwieweit sie Hilfestellung
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zum Umgang mit spezifischen Schwierigkeiten der Nachhaltigkeitskommunikation liefern. Besonders aufschlussreich waren dabei die Ansätze des Issues Managements, der integrierten Kommunikation sowie der Innovationsdiffusion und -kommunikation. Konkrete Ideen, wie mit den oben angesprochenen Herausforderungen in der Praxis umgegangen werden kann, bekam der Leser in Kapitel 5. Ausgewählte Good-Practice-Beispiele der Nachhaltigkeitskommunikation wurden präsentiert und hinsichtlich ihrer Erfüllung der in Kapitel 4 definierten normativen Qualitätskriterien evaluiert. Zuerst wurde der Stakeholder Dialog als symmetrische Methode der Nachhaltigkeitskommunikation vorgestellt. Anhand der Dimensionen „Öffentlichkeit des Dialogs“ und „Anzahl der Zielgruppen“ wurden vier Arten von Stakeholder Dialogen unterschieden, nämlich öffentliche Multi-Stakeholder-Dialoge, nichtöffentliche Multi-Stakeholder-Dialoge, öffentliche Single-Stakeholder-Dialoge und nicht-öffentliche Single-Stakeholder Dialoge (vgl. Abbildung 58). Als Beispiel für einen nicht-öffentlichen Multi-Stakeholder Dialog wurde sodann der „Nachhaltigkeitsdialog“ der österreichischen Bundesforste beschrieben, als Beispiel für einen öffentlichen Multi-Stakeholder Dialog das „Sustainability Café“ der Österreichischen Kontrollbank. Aus der Evaluation dieser konkreten Stakeholder Dialogveranstaltungen ließen sich einige Erfolgsfaktoren für Nachhaltigkeitsdialoge ableiten: Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit der Dialogveranstaltungen ist, dass sie in eine gesamtunternehmerische Strategie der Nachhaltigkeitsorientierung eingebettet sind. Ratsam ist, Zielgruppen bereits in die Themenwahl mit einzubeziehen, zum Beispiel im Rahmen einer Stakeholder-Befragung im Vorfeld der Veranstaltung. Auf der Veranstaltung selbst sollte das Unternehmen Bereitschaft zeigen, nicht nur über einzelne Projekte oder Produkte zu diskutieren, sondern in einen ernsthaften Dialog auch über die Werte des Unternehmens und deren Auswirkungen für eine nachhaltige Entwicklung zu treten. Beide Seiten, sowohl Gastgeber wie Stakeholder, sollten Bereitschaft für eine echte Dialogkultur zeigen. Professionelle neutrale Moderation kann hier zumindest für die nötigen Rahmenbedingungen sorgen. Den Ergebnissen der Veranstaltung sollten schließlich Konsequenzen folgen, die wiederum an die Teilnehmer kommuniziert werden. Auch die interne Kommunikation als wichtiges, wenn nicht sogar wichtigstes Aufgabenfeld der Nachhaltigkeitskommunikation wurde – zuerst theoretisch, dann anhand von Good-Practice-Beispielen – beleuchtet. Ausgangsüberlegung war, dass interne Kommunikation (mit ihrer breiten Palette an Instrumenten wie Gesprächen, Betriebsversammlungen, Mitarbeiter-Befragungen, Mitarbeiter-Zeitung, Intranet, Memos, schwarzes Brett, Führungskräfte-Kommunikation etc.) unter anderem dazu beitragen kann, das abstrakte Leitbild der
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Nachhaltigkeit in die „Sprache“ des Unternehmens zu übersetzen, in die Unternehmenskultur einzubetten, Entscheidungen transparent zu machen, und Mitarbeiter wie Manager in ihrer Dialogfähigkeit zu schulen. Der hohe Stellenwert von Führungskräfte-Kommunikation und Vorbildwirkung wurde durch das Beispiel des Cross-Media-Familienunternehmens Gugler klar. Als Vorzeigebeispiel für interne Bewusstseinsbildung für einen konkreten Aspekt der Nachhaltigkeit, nämlich Diversity, wurde die österreichische Niederlassung des Express-Dienstleisters TNT gewählt. Aus der Evaluation dieser beiden Good-Practice-Beispiele ließen sich wiederum einige Erfolgsfaktoren ableiten: Auf Seiten des Unternehmens ist eine offene, tolerante, innovationsfreudige Unternehmenskultur verbunden mit einem transformativen Führungsstil förderlich, damit die Mitarbeiter Nachhaltigkeit als Wert begreifen, akzeptieren und auch umsetzen. Das für Nachhaltigkeitsmanagement erforderliche „Veränderungslernen“ wird durch die Vorbildwirkung der Führungsperson bzw. eines „change agents“ erleichtert. Im Idealfall geht Nachhaltigkeitskommunikation organisatorisch nicht von einer einzelnen Person aus, sondern mehrere interessierte und engagierte Beschäftigte auch aus anderen Abteilungen werden mit eingebunden. Diese gehören idealerweise der „dominant coalition“ des Betriebes an, also jener Gruppe, die nicht aufgrund ihrer hierarchischen Position, sondern aufgrund ihrer persönlichen Akzeptanz Einfluss auf die Meinungen und Verhaltensweisen anderer Kollegen hat. Das in der Praxis am häufigsten angewandte Instrument der Nachhaltigkeitskommunikation ist der Nachhaltigkeitsbericht. Verantwortliche sehen sich in der Nachhaltigkeitsberichterstattung unter anderem mit der Herausforderung der Aufmerksamkeitssteigerung konfrontiert. In Form von Good-PracticeBeispielen österreichischer Berichte wurden deshalb kreative Ansätze vorgestellt, um die Aufmerksamkeit der Stakeholder für den Bericht zu erhöhen, z.B. duch Storytelling, magazinartige Aufmachung und Events zur Veröffentlichung von Berichten. Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsberichten wurden Faktoren wie externe Gutachten, selbstkritische Informationen und aktives Einbeziehen von Stakeholdern in den Prozess der Berichterstattung identifiziert. Im deskriptiven Kapitel 6 wurde schließlich die Praxis der Nachhaltigkeitskommunikation in einer konkreten Branche, nämlich in der österreichischen Energieversorger-Branche, untersucht. Es sollte herausgefunden werden, inwiefern die in Kapitel 4 definierten normativen Kriterien bereits in der Praxis Berücksichtigung finden und welche praktischen Aspekte im Verlauf dieser Arbeit vernachlässigt worden waren. In der Studie kam mitunter zum Ausdruck, dass eine lange Tradition im Bereich Umweltschutz das Nachhaltigkeitsengagement beeinflusse. Auch eine zusätzliche Herausforderung für die Praxis
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der Nachhaltigkeitskommunikation wurde deutlich, und zwar dass Unternehmen durch die Zertifizierung von Nachhaltigkeitsberichten ständig den Druck verspüren, Verbesserungen zu dokumentieren. Durch die Befragung ans Licht getreten ist weiters die Tatsache, dass Energieversorger im Rahmen der AnrainerKommunikation offenbar schon Ansätze verständigungsorientierter Öffentlichkeitsarbeit anwenden. Verbesserungspotenzial wurde in den drei untersuchten Unternehmen identifiziert, was die Zielgruppen-Segmentierung betrifft. Derzeit werden als Zielgruppen der Nachhaltigkeitskommunikation die „klassischen“ Zielgruppen der Gesamt-Kommunikation herangezogen. Für die Nachhaltigkeitskommunikation könnte es aber lohnend sein, noch präziser in „Sub-Zielgruppen“ zu unterscheiden, beispielsweise anhand der Dimension Problembewusstsein in Mitarbeiter/Investoren/Kunden mit niedrigem, mittlerem oder hohem Nachhaltigkeitsbewusstsein. Erheblicher Aufholbedarf war in allen drei Unternehmen in puncto „Nachhaltigkeit der Nachhaltigkeitskommunikation“ zu erkennen. Im Prozess der Nachhaltigkeitskommunikation werden soziale und ökologische Aspekte kaum berücksichtigt. Kommunikationsverantwortliche erfüllen also noch nicht die Vorbildfunktion von „Innovatoren“, was das Einbeziehen von Nachhaltigkeitsprinzipien in den Arbeitsalltag betrifft.
7.3 Limitation der Erkenntnisse 7.3 Limitation der Erkenntnisse Die Erkenntnisse dieser Arbeit sind im Kontext von wissenschaftstheoretischen und methodologischen Limitationen zu betrachten: Aus wissenschaftstheoretischer Sicht stellt sich die Frage nach der generellen Zulässigkeit von normativer Forschung für die Geistes- bzw. Sozialwissenschaften. Während empirische Forschung wahre Aussagen über Sachverhalte, Merkmale und deren Zusammenhänge anstrebt, hat normative Forschung den Zweck, Wertmaßstäbe zur Beurteilung sozialer Wirklichkeit zu erarbeiten und mittels dieser Wertmaßstäbe soziale Wirklichkeit zu bewerten und Handlungsanweisungen zu formulieren (vgl. Patzelt 1986, 200). Kritiker der normativen Forschung merken aber an, dass die Sozialwissenschaften durch das Formulieren von Handlungsanweisungen ihre Kompetenzen überschreiten würden. Dieser Kritik zum Trotz wurde aufgrund der gesellschaftstheoretischen Ziele dieser Arbeit in Kapitel 4 ein normativer Weg gewählt. Dabei wurde versucht, die von Patzelt (1986, 202) aufgestellten Kriterien normativer Forschung zu erfüllen, die eine Zulässigkeit normativer Aussagen auch in den Sozialwissenschaften ermöglichen sollen: Als Wertmaßstab wurde jener der nachhaltigen Entwicklung gewählt und seine Wahl begründet, indem auf den allgemein an-
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erkannten gesellschaftlichen Wert der Gerechtigkeit, einem „Grundprinzip“ der Ethik (vgl. Brosda/Schicha 2000, 8), verwiesen wurde. Da Werte aber Wandlungsprozessen unterworfen sind und kulturell verschieden interpretiert werden, sind auch die normativen Aussagen dieser Arbeit nicht als allgemeingültige Aussagen zu verstehen. Sie haben nicht für alle Menschen in allen Ländern aus allen Kulturen zu allen Zeiten Gültigkeit, sondern gelten vor allem für Unternehmen und Kommunikationspraktiker der westlichen Welt in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts. Schwierigkeiten bereitet bekanntlich die Überprüfung normativer Aussagen. Ich hoffe, dass sich Folgearbeiten dieser Herausforderung stellen und die von mir ausgearbeiteten normativen Kriterien und Handlungsorientierungen einer kritischen Prüfung unterziehen. Folgende Schritte gilt es dabei nach Saam (2005) zu durchlaufen: Erstens sollten die Aussagen auf ihre logische Konsistenz überprüft werden. Zweitens sollte hinterfragt werden, ob der gewählte Wertmaßstab der nachhaltigen Entwicklung auf einem „Konsens unter kulturellen Kollegen“ beruhe. Drittens gilt es zu überprüfen, ob sich die normativen Aussagen in der Praxis als tatsächlich brauchbar erweisen. Zu letzterem Punkt haben die empirischen Resultate dieser Arbeit in Kapitel 5 und 6 bereits erste positive Hinweise erbracht. Aber auch die empirischen Ergebnisse verfügen nur über eingeschränkte Gültigkeit: Es wurden qualitative Forschungsmethoden angewandt mit den für qualitative Sozialforschung üblichen Limitationen: Die Person des Forschers kann die Objektivität der Ergebnisse durch ihre Erwartungen, durch ihr Verhalten und durch ihre Interpretationen verfälschen. Auch die Reliabilität, also die Zuverlässigkeit der erhobenen Daten, ist bei qualitativer Forschung zumeist nicht vollständig gegeben. In Kapitel 6 beispielsweise wurde nur ein Sample von drei österreichischen Energieversorgungsunternehmen betrachtet. Dies schließt nicht aus, dass Folgeuntersuchungen in anderen EVUs, in anderen Branchen oder in anderen Ländern zu anderen Ergebnissen führen. Weiters ist auch die Validität qualitativer Studien, also die Frage, ob sie tatsächlich das messen, was sie zu messen vorgeben, kritisch zu hinterfragen. Beispielsweise konnte ich auf meine Fragen nach dem Nutzen der Nachhaltigkeitskommunikation für Unternehmen nur die subjektiven Einschätzungen der Interviewpartner erheben. Möglicherweise haben die Interviewpartner in ihren Aussagen „tatsächlichen Nutzen“ mit „erhofftem Nutzen“ vermischt. Um solchen Fehlerquellen qualitativer Forschung entgegen zu wirken, wurden die Regeln wissenschaftlichen Arbeitens so gut wie möglich befolgt (vgl. Mayring 2002, 38f). Ich habe mich darum bemüht, mein persönliches Vorverständnis als Forscherin für den Leser dieser Arbeit offen zu legen, einzelne Verfahrensschritte explizit zu machen und zu begründen, und den Forschungs-
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prozess grundsätzlich für Ergänzungen und überprüfende Folgestudien offen zu halten. Quantitative Breitenerhebungen waren im Rahmen dieser explorativen Arbeit nicht möglich. Quantitative Folgestudien könnten aber in Zukunft interessante Ergebnisse bringen, zum Beispiel über den Stand der Nachhaltigkeitskommunikation in verschiedenen Ländern. Weitere Ideen für Folgestudien sind Kapitel 6.7 entnehmen.
7.4 Ausblick 7.4 Ausblick Die gegenwärtige Wirtschaftskrise hat uns vor Augen geführt, dass von den drei Säulen der Nachhaltigkeit nicht nur der Umwelt- und der Sozialbereich, sondern auch die Wirtschafts-Säule Risse bekommen kann. Turbulenzen insbesondere auf den Finanzmärkten haben verdeutlicht, dass verantwortungsvolles Handeln für erfolgreiches Wirtschaften auf Dauer unabdingbar ist (vgl. Schmidpeter 2009, 20). Damit wurde Nachhaltigkeitsmanagement als modernem Ansatz der strategischen Unternehmensführung und auch Nachhaltigkeitskommunikation als zukunftsorientiertem Aufgabenfeld der Public Relations durch die Krise meiner Ansicht nach noch mehr Gewicht verliehen. Für Kommunikationspraktiker ergeben sich durch Nachhaltigkeitskommunikation ethische Herausforderungen. Noch stärker als bisher stehen sie im Spannungsfeld zwischen „doing well and doing right“ (May 2008, 374), sehen sich also ethischen Dilemmata gegenüber, wie sie Unternehmensziele mit gesellschaftlichen Zielen vereinbaren können, wie sie Unternehmensinteressen und Stakeholderinteressen balancieren, und wie sie damit umgehen, wenn persönliche Werte und Unternehmenswerte auseinander driften (vgl. Berger/Reber 2006). Um Kommunikationspraktiker auf derart schwierige Situationen vorzubereiten, könnten die praktischen wie auch ethischen Herausforderungen von CSR und Nachhaltigkeitskommunikation bereits in der Public-Relations-Ausbildung berücksichtigt werden. Auch die Evaluation der Nachhaltigkeitskommunikation und -berichterstattung bedarf künftig eines höheren Stellenwerts. Denn nur wenn Kommunikationspraktiker lernen, den unternehmerischen und gesellschaftlichen Wert der Nachhaltigkeitskommunikation abzubilden, wird dem Aufgabenfeld in Zukunft größere Legitimation zugesprochen werden. Moderne Ansätze der qualitativen Evaluation von Public Relations Aktivitäten, wie etwa die Ansätze der „Corporate Communications Scorecard“ (Röttger 2004, 9) bzw. des „wertorientierten Kommunikationsmanagements“ (Will 2007), könnten hilfreich sein,
7.4 Ausblick
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um die Leistungen der Nachhaltigkeitskommunikation besser darzustellen und in die Sprache von Unternehmen zu übersetzen. Insgesamt hoffe ich, dass diese Arbeit dem Leser – sei es dem Praktiker, dem Forscher oder dem Studenten – ein umfassendes Bild vermitteln konnte vom „sustainability communicator as responsible agent of creative change” (Dunphy/Griffith/Benn 2007, 5). Verantwortungsbewusstes Handeln gepaart mit kreativen Freiräumen und der Bereitschaft zu nachhaltigkeitsorientierter Veränderung könnte der Public Relations Disziplin in Zukunft zu einer noch verstärkten Institutionalisierung verhelfen. Professionelle Kommunikation hat das Potenzial, den Begriff der Nachhaltigkeit mit einem besseren Image zu versehen. Noch wird Nachhaltigkeit in der allgemeinen Wahrnehmung häufig mit Verzicht und anderen Negativattributen assoziiert (vgl. Spiegel 2008, 13). Wenn es über Public Relations aber tatsächlich gelingt, das Nachhaltigkeitsdenken mit konkreten Inhalten zu füllen, die eng an die Lebens- und Erfahrungswelten der einzelnen Stakeholder anknüpfen, wenn es so gelingt, dass nachhaltiges Handeln in Zukunft emotional mit Lebensqualität und Lust statt mit Last verbunden wird, dann hat Public Relations bereits einen wichtigen Beitrag geleistet zur gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitsentwicklung.
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