MiFID-Kompendium
Andreas von Böhlen · Jens Kan (Herausgeber)
MiFIDKompendium Praktischer Leitfaden für Finanzdienstleister
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Andreas von Böhlen Jens Kan WestLB AG Herzogstraße 15 40217 Düsseldorf
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Auf der Homepage www.mifid-kompendium.de finden Sie Informationen und nützliche Links zum Thema MiFID.
ISBN 978-3-540-78815-7
e-ISBN 978-3-540-78816-4
DOI 10.1007/978-3-540-78816-4 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2008 Springer-Verlag Berlin Heidelberg Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Herstellung: le-tex publishing services oHG, Leipzig Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
Geleitwort MiFID – Anspruch und Status einer europäischen Wertpapierrichtlinie
„Die Europäische Kommission hat eine neue Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen und geregelte Märkte vorgeschlagen, mit der die bisherige Richtlinie geändert und den weit reichenden strukturellen Veränderungen, die sich in den letzten zehn Jahren auf den EU-Finanzmärkten vollzogen haben, Rechnung getragen werden soll. Diese Richtlinie würde eine stärkere Harmonisierung der einzelstaatlichen Vorschriften bewirken und zwei Grundvoraussetzungen für die Vollendung des Finanzdienstleistungsbinnenmarkts erfüllen: so würde sie erstens die Wertpapierhäuser mit einem ‚europäischen Pass’ ausstatten, der eine EU-weite Tätigkeit ermöglicht, und zweitens gewährleisten, dass Anleger bei der Inanspruchnahme von Wertpapierhäusern ein hohes Maß an Schutz genießen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat dieses Wertpapierhaus seinen Sitz hat. Mit diesem Vorschlag wird erstmals der Versuch unternommen, einen umfassenden rechtlichen Rahmen für die geordnete Ausführung von Anlegeraufträgen durch Börsen, andere Handelssysteme und Wertpapierhäuser zu schaffen. Die vorgeschlagene Richtlinie wird die Integrität und Transparenz der EU-Märkte wahren, den Wettbewerb zwischen traditionellen Börsen und anderen Handelssystemen ankurbeln und dadurch Innovation fördern, die Kosten des Handels senken, mehr Mittel für Investitionen freisetzen und dadurch letztendlich das Wirtschaftswachstum erhöhen.“ 1 Fast auf den Tag genau fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Richtlinienvorschlages am 19.11.2002 wurde die „Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente“ („Markets in Financial Instruments Directive“, MiFID) mit ihrer Anwendbarkeit ab dem 01.11.2007 für Europa Realität. Obiges 1
Europäische Kommission (2002): Wertpapierdienstleistungen: vorgeschlagene neue Richtlinie soll Anleger schützen und EU-weite Tätigkeit von Wertpapierhäusern erleichtern. Pressemitteilung vom 19.11.2002. http://europa.eu/rapid/ pressReleasesAction.do?reference=IP/02/1706&format=HTML&aged=1&language=DE&guiLanguage=de; Abruf am 03.02.2008.
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Geleitwort
Zitat aus der damaligen Pressemitteilung der EU-Kommission verdeutlicht die zentralen Imperative dieser Richtlinie: (1) Erziele Wachstum in der Eurozone durch eine hohe Leistungsfähigkeit eines integrierten und harmonisierten Finanzdienstleistungsbinnenmarktes mit einem hohen Niveau von Marktintegrität und Anlegerschutz. (2) Forciere den Wettbewerb in der Orderausführung und reduziere die Kosten des Handels bei hoher Markttransparenz. Zwar hat die EU-Kommission keine explizite Kosten-Nutzen-Bewertung der durch die MiFID vorgesehenen Maßnahmen auf europäischer Ebene durchgeführt, jedoch wurde der Gesamteffekt des integrierten Marktes mit einer Erhöhung des EU-weiten BIP um 1,1% oder 130 Milliarden Euro geschätzt 2. Die MiFID ist ein wichtiger Baustein für die Erreichung dieses Wachstumsziels und die zentrale Maßnahme des Financial Services Action Plan der Europäischen Union. Mit der MiFID wurde das regulatorische Umfeld für Wertpapierdienstleistungen in Europa neu geordnet. Sie stellt neben der Regulierung der grenzüberschreitenden Erbringung von Wertpapierservices und den Vorgaben für die Organisation und für interne Kontrollen von Wertpapierfirmen auch erweiterte Anforderungen an deren Wohlverhaltensregeln auf. Darüber hinaus gibt die Richtlinie umfassende und sehr konkrete Anforderungen für den Wertpapierhandel sowie den Betrieb von Wertpapierhandelssystemen vor und führt neue und weit reichende Transparenzanforderungen für die Orderausführung ein. Möchte man die ersten Auswirkungen diskutieren, die diese Veränderungen im europäischen und auch im deutschen Markt für Wertpapierdienstleistungen mit sich gebracht haben, ist es hilfreich zwei Betrachtungsebenen zu unterscheiden: den Anknüpfungspunkt der Maßnahmen einerseits und die Ebene der Auswirkungen andererseits. Bezüglich des Anknüpfungspunktes der Maßnahmen ist die Schnittstelle zwischen Kunde und Wertpapierfirma einerseits und die Schnittstelle zwischen den Wertpapierfirmen und den Marktplätzen andererseits zu differenzieren. Hinsichtlich 2
London Economics (2002): Quantification of the Macroeconomic Impact of Integration of EU Financial Markets, http://www.londecon.co.uk/Publications/ frmpublications.htm; Abruf am 05.02.2008.
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der Ebene der Auswirkungen kann man die rechtlichen Auswirkungen einerseits und die ökonomischen bzw. wettbewerblichen Auswirkungen andererseits unterscheiden. Hinsichtlich der Schnittstelle zwischen Kunde und Wertpapierfirma haben die Schlagworte Compliance und insbesondere Kosten der Compliance die Diskussion seit Inkrafttreten der Richtlinie am 30.04.2004 geprägt. Viele Analysen und Studien stellten die kurzfristigen Anpassungserfordernisse und -kosten, insbesondere hinsichtlich der IT-Infrastruktur- und Systemanpassungen in den Vordergrund. Gerade vor dem Hintergrund mehrfacher Verschiebungen und Verzögerungen in den europäischen und nationalen regulatorischen Prozessen und eines so immer enger werdenden Umsetzungsfensters für die Industrie haben viele Häuser versucht, einen geeigneten Weg zwischen dem aus rechtlicher Sicht notwendigem Umsetzungsminimum und den hierzu erforderlichen Prozess- und IT-Anpassungen einerseits und den ökonomischen bzw. wettbewerblichen Möglichkeiten der Richtlinie im gegebenen, engen Zeitrahmen zu finden. Nicht zuletzt aufgrund der hohen Komplexität der neuen Anforderungen wurde die Kommunikation der Änderungen in Richtung der Endkunden auf das Notwendigste beschränkt, so dass an der Schnittstelle zwischen Kunde und Wertpapierfirma die MiFID vom Endkunden, insbesondere vom Privatanleger, in der Regel nicht wahrgenommen wurde. Betrachtet man die Schnittstelle zwischen den Wertpapierfirmen und den Marktplätzen, stellt sich die Situation wie folgt dar: Wesentliches Ziel der MiFID ist ein erhöhter Wettbewerb unter den verschiedenen Ausführungsmechanismen im europäischen Binnenmarkt. Der europäische Gesetzgeber will einen verstärkten Preis- und Servicewettbewerb erreichen und Innovationen fördern. Die Balance zwischen dem Erhalt der Pluralität und dem Wettbewerb zwischen Ausführungsplattformen einerseits und der sich hierdurch potentiell verschärfenden Marktfragmentierung andererseits soll über eine deutliche Erhöhung der Markttransparenz bewirkt werden. Bezüglich der rechtlichen Dimension stellt die Aufhebung der Möglichkeit für die Mitgliedsstaaten, einen Börsenzwang oder Börsenvorrang zu erlassen, für einige Märkte eine grundlegende Veränderung der Marktstruktur dar. Dies erlaubt es den Wertpapierfirmen, nun europaweit das Geschäftsmodell der Internalisierung anzubieten oder selbst bzw. in einer Kooperation mit anderen Wertpapierfirmen als Anbieter einer Matchingplattform – also als MTF – aufzutreten. Aus ökonomischer Perspektive realisieren sich diese beiden neuen Opportunitäten nun jedoch unterschiedlich: Obwohl das Thema Internalisierung der zentrale politische Diskussionspunkt im Entstehungsprozess der MiFID war, hat das Geschäftsmodell der Internali-
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sierung mit der MiFID durch die höheren regulatorischen Kosten tendenziell an Attraktivität verloren. Die Tatsache, dass sich auf der Website von CESR 3 zu Beginn des Jahres 2008 – entgegen mancher Schätzungen – nicht mehrere hundert, sondern lediglich ein Dutzend Systematische Internalisier finden, bestätigt diese Einschätzung. Aus Sicht der Häuser ist es rational, eine Einstufung als Systematischer Internalisierer zu vermeiden und sich zum Beispiel der neuen Services der Börsen für die Orderinternalisierung (SETS Internalisier, Xetra Best, Euronext Internal Matching Service) zu bedienen. Nachdem die Kosten für den Aufbau und den Betrieb elektronischer Handelsplattformen deutlich gefallen sind, ermöglichen MTFs jetzt die europaweite Distribution von und den Zugang zu neuen Marktplätzen auf Basis einer weitgehend vereinheitlichten regulatorischen Basis. Unabhängig davon, ob wir langfristig den Erfolg neuer Wettbewerber im Markt für Orderausführung sehen, zeigen Initiativen wie Chi-X und Turquoise, dass die MiFID europaweit die Basis für eine glaubhafte Drohung neuer oder potentieller Wettbewerber geschaffen hat. Dies bedeutet, dass die existierenden Marktplätze sicherstellen müssen, dass sie diese Bedrohung durch höchste Service- und Liquiditätsniveaus bei attraktiven Handelsgebühren abwenden können. Ein Thema der MiFID, welches sowohl die Schnittstelle zwischen Kunde und Wertpapierfirma als auch die Schnittstelle zwischen den Wertpapierfirmen und den Marktplätzen verändert und deutliche rechtliche und ökonomische Implikationen hat, ist das Thema Best Execution: Obwohl Best Execution und die damit zusammenhängenden Informations- und Nachweispflichten zunächst ein rechtliches Thema an der Schnittstelle zwischen Kunde und Wertpapierfirma sind und viele Beobachter davon ausgingen, dass Best-Execution-Policies ein Faktor im Wettbewerb um den Kunden sein können, berührt dieses Thema auf der ökonomischen Ebene de facto primär die Schnittstelle zwischen den Wertpapierfirmen und den Marktplätzen. Dies resultiert nicht zuletzt aus der Tatsache, dass (auch Retail-) Kunden entweder die Bedeutung der Marktplatzentscheidung bei der Orderabgabe verstehen und i.d.R. Weisungen erteilen oder die Best-Execution-Policies nicht beurteilen können bzw. wollen und sich daher der ökonomische bzw. wettbewerbliche Aspekt dieser Schnittstelle kaum entfalten kann. Durch die neuen Regelungen zur Best Execution ist jedoch die Kommunikation der eigenen Leistungsfähigkeit besonders hinsichtlich der 3
CESR, MiFID Database, http://mifiddatabase.cesr.eu/Index.aspx?sectionlinks _id=16&language=0&pageName=MiFIDSystematicSearch&subsection_id=0; Abruf am 10.02.2008.
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Preisqualität und der Ausführungskosten ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor für die Marktplätze in Richtung der Wertpapierfirmen geworden. Dies bestätigt sich nicht nur im intensiven Marketing der Marktplätze, sondern auch in deutlichen Veränderungen der Gebührenstrukturen und -niveaus unmittelbar vor und seit dem 01.11.2007. Zu Beginn des Jahres 2008, d.h. wenige Wochen nach ihrer Anwendbarkeit, kann das Ausmaß, mit dem die insgesamt 73 Artikel der MiFID ihren Zielen gerecht werden können, sicher noch nicht gemessen werden. Eine erste Tendenz kann aber neben den oben aufgeführten Beobachtungen auch aus den Ergebnissen einer im dritten Quartal 2007 durchgeführten Studie 4 des E-Finance Lab 5 abgeleitet werden. Dabei wurden die europäischen Marktplätze (sowohl Geregelte Märkte als auch die Betreiber existierender und angekündigter MTFs) nach ihren Einschätzungen hinsichtlich der Auswirkungen der MiFID auf wichtige Indikatoren für die Marktqualität und den Einfluss der MiFID auf die Marktstruktur befragt. Nahezu 95% der antwortenden Marktplätze gehen davon aus, dass die MiFID zu einem Anstieg des Wettbewerbs unter den Ausführungsplätzen in Europa führen wird, und 85% schätzen, dass die MiFID-Anforderungen die Transparenz der europäischen Finanzmärkte erhöhen werden. Trotzdem befürchten aber fast 40% der antwortenden Häuser eine Verringerung der Effizienz des Preisbildungsmechanismus durch die aus der MiFID resultierenden Marktfragmentierung, und 70% glauben gar, dass die MiFID die Nutzung von Dark Pools, also von Ausführungsplattformen mit keiner oder nur geringer Vorhandels-Transparenz, erhöhen wird. Auch gehen ein Viertel der befragten Marktplatzanbieter davon aus, dass die MiFID keinen Einfluss auf den Anlegerschutz haben, und jedes zehnte der Unternehmen glaubt sogar, dass die MiFID den Anlegerschutz eher reduzieren wird. Unabhängig von diesen durchaus kritischen und mit den angestrebten Zielen der MiFID nicht unbedingt kompatiblen Einschätzungen glauben 85% der Marktplatzbetreiber, dass die MiFID die Finanzmärkte des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) für Investoren aus Nicht-EWR-Ländern attraktiver macht. Dies könnte dann über eine Erhöhung des Umsatzes und der Marktliquidität zu einer weiteren Senkung der Handelskosten führen 4
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Gomber, P., Chlistalla, M., Groth, S.: Neue Börsenlandschaft in Europa? Die Umsetzung der MiFID aus Sicht europäischer Marktplatzbetreiber, Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB), 1/2008, S. 2-11; Köln. Das E-Finance Lab ist eine Kooperation der Universität Frankfurt und der TU Darmstadt sowie eines Netzwerks von Industriepartnern, abrufbar unter: http://www.efinancelab.com.
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und so einen Beitrag zum von der EU-Kommission angestrebten Wirtschaftswachstum leisten. Vor diesem Hintergrund adressiert das vorliegende Kompendium sehr umfassend die rechtlichen und ökonomischen Veränderungen der MiFID und betrachtet intensiv und detailliert sowohl die Schnittstelle zwischen Kunde und Wertpapierfirma als auch die Veränderungen in der Interaktion zwischen Wertpapierfirmen und Markplätzen. Viele der Autoren haben in leitenden Aufgaben die MiFID-Projekte ihrer Häuser in den letzten Jahren begleitet und bieten dem Leser nicht nur eine Vielzahl fachlicher Informationen sondern auch umfassende Erfahrungen aus diesen – oftmals jüngst abgeschlossenen – Umsetzungsprojekten. Ich wünsche dem MiFIDKompendium einen guten Erfolg und weite Verbreitung in der deutschsprachigen Finanzindustrie.
Peter Gomber
Vorwort
MiFID, die „Markets in Financial Instruments Directive“ der Europäischen Union, zu Deutsch die Finanzmarktrichtlinie, und die auf den Finanzmärkten gehandelten Produkte sowie die relevanten Dienstleistungen haben in den letzten zwei bis drei Jahren in erster Linie die Interessenvertreter von Banken, Börsen, Aufsichtsbehörden und Dienstleistern in diesem Umfeld beschäftigt und dabei für manch hitzige Diskussion gesorgt. Mit einigen Verzögerungen ist sie nun zum 01. November 2007 in den meisten europäischen Ländern umgesetzt worden, in Deutschland unter der Bezeichnung FRUG, Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz. Jedoch bei dem, für dessen Schutz diese Gesetzesinitiative in erster Linie gedacht war, beim Kunden der Banken und Sparkassen oder der freien Finanzvermittler, ist dieses Gesetz bis heute kaum angekommen. Woran liegt das? In den Jahren 2006 und 2007 hat sich die Finanzdienstleistungsindustrie vorwiegend damit befasst, die verschiedenen Elemente der europäischen und nationalen Gesetzesanforderungen zu verstehen, zu interpretieren, auf die tatsächliche Situation und Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens hin zu überprüfen und die unternehmensinternen Grundsatzentscheidungen, IT-Anpassungen, Mitarbeitertrainings und Prozessveränderungen herbeizuführen und sicherzustellen. Der Kunde war in dieser Phase des Re-Designs nur in geringem Maße eingebunden, ja, es war zugegebenermaßen auch nicht leicht, ihn im Vorfeld stark einzubinden, denn die meisten Kunden konnten mit den Abkürzungen MiFID oder FRUG nur wenig anfangen. In der Tagespresse erschienen im Jahr 2007 zwar gelegentlich Artikel, vereinzelt gab es auch kurze Beiträge in Fachsendungen im Fernsehen, aber anders als beim Jahrtausendwechsel oder der Euro-Bargeldeinführung, mit der die Aktualisierung des Wertpapierhandelsgesetzes aufgrund des Aufwands bei Banken und Sparkassen von Fachleuten verglichen wurde, nahm der Kunde von all dem wenig wahr. So verwundert es kaum, dass bei vielen Kunden die zum Teil recht umfangreichen Darstellungen der Banken und Sparkassen entweder als Werbung verstanden – und möglicherweise ungelesen weggeworfen – oder fein säuberlich bei den Konto- oder Depoteröffnungsunterlagen abge-
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Vorwort
heftet wurden. Diese Diskrepanz zwischen „eher formeller Information des Kunden durch seine Hausbank“ und den tatsächlich weit reichenden Auswirkungen der MiFID auf die Kunde-Bank-Beziehung will das vorliegende Buch schließen. Dafür habe ich, Andreas von Böhlen, Praktiker aus sehr unterschiedlichen Bereichen der Wertschöpfungskette im Kapitalmarktgeschäft überzeugen können, an diesem Buch mitzuwirken und aus ihrer Sicht darzulegen, welche praktischen Implikationen durch die Einführung der MiFID im Kunde-Bank-Verhältnis zu erwarten sind, also auch, was der einzelne Kunde zukünftig von seiner Bank oder Sparkasse, seinem Finanzberater oder Vermögensverwalter erwarten darf. Da die MiFID vor allem eine juristische Angelegenheit ist, konnte ich mit Jens Kan einen Juristen als Mit-Herausgeber gewinnen, dem ich es zu verdanken habe, dass dieses Buch nicht nur für den nicht-juristischen Kunden eine verständliche Lektüre wurde, sondern auch in den Augen von Juristen hohes Ansehen genießen sollte. Unserer besonderer Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die trotz ihrer hohen Arbeitsbelastung im Vorfeld des 01. November 2007 unmittelbar danach sich bereit erklärt haben, mit ihren Beiträgen zu beginnen, so dass dieses Buch zügig fertig gestellt werden konnte und nun für Kunden, Dienstleister und Mitarbeiter von Banken und Sparkassen ein interessantes Kompendium darstellt. Bei Frau Dr. Birgit Leick vom Springer-Verlag bedanken wir uns sehr gern. Sie war von Anfang an vom Nutzen eines solchen Buches überzeugt und ermutigte uns, zügig mit dessen Umsetzung zu beginnen. Nun wünschen wir Ihnen, sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, viel Freude beim Lesen dieses Buches und hoffen, dass Sie manch Interessantes für sich entdecken. Düsseldorf, im Juli 2008
Andreas von Böhlen
Jens Kan
Inhaltsübersicht Geleitwort Vorwort I. Regulierung und Europa 1. MiFID – der europäische Gedanke zur Finanzanlage 2. Die zentralen Anforderungen der MiFID 3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? Ein Vergleich am Beispiel Luxemburg – Deutschland 4. Besonderheiten in Großbritannien 5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa II. Informationsaustausch Kunde – Bank 6. 7. 8. 9. 10.
Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien Was die Bank vom Kunden wissen sollte Welche Informationen muss der Kunde über die Bank erhalten Schillernde Werbung oder sachliche Produktinformation Was ändert sich bei Informationen über Fonds?
III. Anlageberatung 11. Umgang mit Provisionszahlungen im Wertpapiergeschäft unter MiFID 12. Anlageberatung: Risiko oder Chance nach MiFID? 13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater? IV. Wertpapiergeschäfte: über die Börse und außerbörslich 14. 15. 16. 17.
Best Execution immer und zu jeden Preis? Was leistet die Börse unter MiFID? Außerbörslicher Handel – gut für den Kunden! Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ verbesserte Marktinformationen
V. Überwachung und Kontrolle 18. Welche Interessenkonflikte haben Banken 19. Die externe Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäfts nach MiFID 20. Erweiterte Steuerungs- und Überwachungsaufgaben in Banken Autorenverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort .................................................................................................. V Peter Gomber
Vorwort.................................................................................................... XI Andreas von Böhlen und Jens Kan
I. Regulierung und Europa 1. MiFID – Der europäische Gedanke zur Finanzanlage ....................... 3 Frank Zingel
1.1 Die MiFID als Teil des Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen .. 3 1.2 Regulierungsziele der MiFID ........................................................... 5 1.3 Die Zeit vor der MiFID: Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 ................................................................................................. 5 1.4 Das Gesetzgebungsverfahren zur MiFID und die Umsetzung in deutsches Recht ...................................................................................... 7 1.5 Grenzen des europäischen Gedankens.............................................. 9 1.6 Fazit ................................................................................................11
2. Die zentralen Anforderungen der MiFID.......................................... 13 Andreas von Böhlen
2.1 Einleitung........................................................................................ 13 2.2 Umfang der Anwendung der MiFID .............................................. 14 2.3 Kundenklassifizierung ....................................................................16 2.4 Informationen über den Kunden.....................................................17 2.5 Informationen an den (potenziellen) Kunden .................................18 2.6 Interessenkonflikte.......................................................................... 20 2.7 Transparenz bei Provisionszahlungen ............................................ 21 2.8 Anlageberatung...............................................................................22 2.9 Best Execution................................................................................ 23
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2.10 Kundenbeschwerden..................................................................... 24 2.11 Organisatorische Anforderungen.................................................. 25 2.12 Dokumentation der Geschäftsvorfälle .......................................... 27 2.13 Europäische und internationale Fragestellungen .......................... 28 2.14 Ausblick........................................................................................ 30
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? Ein Vergleich am Beispiel Luxemburg – Deutschland.................................................... 33 Stephan Niermann
3.1 Einleitung ....................................................................................... 33 3.2 Die EU-Vorgaben und ihre Umsetzung in Deutschland und Luxemburg ........................................................................................... 34 3.3 Erforderlichkeit einer schriftlichen Rahmenvereinbarung bei Dienstleistungen, die nicht Anlageberatung sind ................................ 36 3.4 Informationspflichten ..................................................................... 38 3.4.1 Information über den Kunden zur Durchführung einer Geeignetheitsprüfung ....................................................................... 39 3.4.2 Informationen über Finanzinstrumente und deren Risiken ..... 41 3.5 Berichtspflichten bei der Vermögensverwaltung ........................... 43 3.5.1 Vergleichsgröße....................................................................... 43 3.5.2 Zuwendungen .......................................................................... 45 3.6 Organisatorische Anforderungen – Beschwerdemanagement ........ 48 3.7 Resümee ......................................................................................... 51
4. Besonderheiten in Großbritannien..................................................... 53 PJ Di Giammarino
4.1 Einführung ...................................................................................... 53 4.2 Der Kampf der Rulebooks (Regelwerke) ....................................... 55 4.3 Vom Prinzip zur Umsetzung .......................................................... 60 4.4 Das neue Operations-Modell .......................................................... 63 4.5 Fähigkeit Nr. 1: Know Your Deal .................................................. 67 4.5.1 Know Your Market (Kenne Deinen Markt) ............................ 67 4.5.2 Know Your Policy (Kenne Deine Ausführungsgrundsätze).... 67 4.5.3 Know How Your Value Proposition Compares (Beobachte deine Gewichtungen im Marktvergleich) ......................................... 69 4.5.4 Know Your Order (Kenne deinen Auftrag)............................. 71 4.5.5 Know Your Infrastructure (Kenne deine Infrastruktur)........... 72
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4.6 Fähigkeit Nr. 2: Know Your Firm (Kenne dein Unternehmen)...... 73 4.6 Schlussfolgerung: Ausblick auf 2012 ............................................. 80
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa ..................................... 83 Andreas von Böhlen und Jens Kan
5.1 Einleitung........................................................................................ 83 5.2 Der Stand der Umsetzung der MiFID in Europa ............................ 83 5.3 Weiteres Vorgehen entlang des Lamfalussy-Verfahrens................ 87 5.4 Spannungsfeld Aufsichtsrecht vs. Zivilrecht .................................. 89 5.5 Chancen für die Finanzdienstleistungsindustrie .............................91 5.6 Chancen für den Kunden ................................................................92 5.7 Fazit ................................................................................................93
II. Informationsaustausch Bank – Kunde 6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien ............... 97 Birgit Rost
6.1 Hintergrund.....................................................................................97 6.2 Die Kundentrias im Überblick........................................................98 6.2.1 Privatkunden............................................................................ 98 6.2.2 Professionelle Kunden............................................................. 99 6.2.3 Geeignete Gegenparteien....................................................... 101 6.3 Entscheidung über die Einstufung in die Kundenkategorien........ 102 6.4 Pflichteninhalte bezogen auf die einzelnen Kundenkategorien .... 103 6.5 Was folgt aus der Kundenkategorisierung für Privatkunden? ...... 104 6.5.1 Kundeninformationen............................................................ 104 6.5.2 Eignungs- und Angemessenheitsprüfung .............................. 105 6.6 Was folgt aus der Kundenkategorisierung für professionelle Kunden?.............................................................................................. 105 6.7 Was folgt aus der Kundenkategorisierung für geeignete Gegenparteien? ................................................................................... 106 6.8 Zusammenfassung ........................................................................ 106
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7. Was die Bank vom Kunden wissen sollte......................................... 109 Damaris Nicodem
7.1 Überblick ...................................................................................... 109 7.2 Rechtliche Grundlagen ................................................................. 109 7.3 Grundsätzlich einzuholende Kundenangaben............................... 110 7.3.1 Anlageberatung/Vermögensverwaltung ................................ 110 7.3.2 Beratungsfreies Geschäft....................................................... 113 7.3.3 Reines Ausführungsgeschäft (Execution only) ..................... 114 7.3.4 Vertretungssituation .............................................................. 114 7.4 Verfahren der Einholung von Kundenangaben und Folgen der Verweigerung seitens des Kunden...................................................... 114 7.4.1 Verbot der Anlageberatung ................................................... 115 7.4.2 Verbot einer Empfehlung im Rahmen der Vermögensverwaltung.................................................................... 115 7.4.3 Warnhinweis beim beratungsfreien Geschäft........................ 116 7.5 Zeitpunkt der Einholung der Kundenangaben .............................. 116 7.6 Aktualisierung der Kundenangaben ............................................. 116 7.7 Verlässlichkeit der Kundenangaben ............................................. 117 7.8 Form der Einholung der Kundenangaben..................................... 117 7.9 Praktische Implikationen .............................................................. 117
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen? .............................. 119 Jens Kan
8.1 Grundidee der Informationspflicht ............................................... 119 8.2 Gesetzliche Anforderungen .......................................................... 120 8.3 Informationspflichten im Einzelnen ............................................. 120 8.3.1 Welche Kundengruppen sind zu informieren? ...................... 120 8.3.2 Worüber ist der (Privat-)Kunde zu informieren?................... 122 8.3.3 Wann ist der Kunde zu informieren?..................................... 124 8.3.4 Wie ist der Kunde zu informieren?........................................ 125 8.4 Anwendungsbeispiel..................................................................... 126 8.5 Fazit .............................................................................................. 128
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9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?........................... 131 Lars Röh
9.1 Werbung als aufsichtsrechtliches Thema ..................................... 131 9.1.1 Bisherige Rechtslage: Missbrauchsaufsicht (Funktionenschutz) ......................................................................... 131 9.1.2 Die neue Sicht der MiFID: Aufsichtsrechtliche Regulierung von Werbung als Bestandteil der Wohlverhaltenspflichten (Anlegerschutz) .............................................................................. 132 9.2 Werbung, Anlageberatung und Finanzanalyse: Eine schwierige Abgrenzung ........................................................................................ 133 9.2.1 Was ist eine Werbemitteilung?.............................................. 133 9.2.2 Was ist Anlageberatung? ....................................................... 134 9.2.3 Was ist eine Finanzanalyse? .................................................. 136 9.3 Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Gestaltung von Werbemitteilungen .............................................................................137 9.3.1 Was ist bei der Erstellung von Werbemitteilungen generell zu beachten? ................................................................................... 138 9.3.2 Welche besonderen Anforderungen gelten bei speziellen Werbeaussagen? ............................................................................. 139 9.3.3 Verbot der Werbung mit BaFin ............................................. 142 9.3.4 Sonderfall: Direct Offer......................................................... 142 9.3.5 Dokumentation/Archivierung ................................................ 143 9.4 Sonderfall: Werbemitteilung mit Empfehlungscharakter – aufsichtsrechtliche Anforderungen an Finanzanalysen im weiteren Sinne ................................................................................ 143 9.4.1 Erfüllung der Organisationspflichten für Finanzanalysen ..... 144 9.4.2 Hinweis auf fehlende Unvoreingenommenheit und Fehlen des Frontrunning-Verbots............................................................... 144 9.5 Fazit ..............................................................................................145
10. Was ändert sich bei Informationen über Fonds?.......................... 147 Sabine Forster und Wolfgang Kirsten
10.1 Einleitung....................................................................................147 10.2 Regelungen des Investmentgesetzes (InvG) ............................... 149 10.2.1 Anlegerinformationen (u.a. §§ 121, 42, 44 InvG) ............... 150 10.2.2 Kostentransparenz ...............................................................153 10.2.3 Werbung und Risikohinweise (§ 124 InvG)........................ 153 10.3 Regelungen der BVI-Wohlverhaltensregeln............................... 155 10.3.1 Grundsatz der objektiven Produktinformation .................... 156
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10.3.2 Anlagepolitik, Anlageeignung, Chancen, Risiken, Wechsel der Anlagepolitik ............................................................. 156 10.3.3 Darstellung der Wertentwicklung........................................ 158 10.3.4 Kostentransparenz ............................................................... 163 10.3.5 Mindeststandards für Vertriebspartner ................................ 164 10.3.6 Zwischenfazit ...................................................................... 165 10.4 Spannungsfeld zu den Regelungen des WpHG .......................... 165 10.4.1 Grundsätze der Anwendbarkeit ........................................... 166 10.4.2 Angemessene Produktinformation durch den Verkaufsprospekt?.......................................................................... 167 10.4.3 Darstellung der Wertentwicklung........................................ 167 10.5 Fazit/Ausblick............................................................................. 171
III. Anlageberatung 11. Umgang mit Provisionszahlung im Wertpapiergeschäft unter MiFID ....................................................................................... 175 Jochen Eichhorn
11.1 Kosten und Finanzdienstleistungsgeschäft ................................. 175 11.1.1 Bedeutung der Kosten ......................................................... 175 11.1.2 Bisherige Information über Kosten ..................................... 177 11.1.3 Rechtsprechung zur Kostentransparenz............................... 177 11.1.4 Bewertung............................................................................ 180 11.2 Die Motivation der EU für die neuen Reglungen der MiFID zu Zuwendungen................................................................................. 180 11.3 Die neue Regelung des § 31d WpHG......................................... 181 11.3.1 Welche Geschäfte werden von der Regelung erfasst?......... 181 11.3.2 Wer ist von der Regelung betroffen?................................... 181 11.3.3 Was sind „Zuwendungen“? ................................................. 182 11.3.4 Einzelfragen zu Zuwendungen ............................................ 184 11.4 Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Zuwendungen .......... 186 11.4.1 Verbesserung der Dienstleistung ......................................... 186 11.4.2 Vereinbarkeit mit den Kundeninteressen............................. 189 11.4.3 Offenlegung der Zuwendung............................................... 189 11.5 Praktische Umsetzung ................................................................ 190
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12. Anlageberatung: Risiko oder Chance nach MiFID? .................... 193 Michaela Theißen
12.1 Einführung ..................................................................................193 12.2 Die Situation: Anlageberatung der Kunden als besondere Form der Dienstleistung .....................................................................193 12.3 Der rechtliche Fokus: Anlegerschutz vor und nach MiFID........ 196 12.4 Die Informationspflichten im Rahmen der Anlageberatung.......198 12.4.1 Allgemeine Informationen...................................................198 12.4.2 Spezielle Informationen über Art und Risiken von Finanzinstrumenten ........................................................................ 199 12.4.3 Erfüllung dieser Informationspflichten als Risiko oder als Chance? .......................................................................................... 201 12.5 Die Geeignetheitsprüfung – was ist hieran neu? ........................203 12.5.1 Die erforderlichen kundenbezogenen Informationen .......... 203 12.5.2 Die Geeignetheitsprüfung als Kern der Anlageberatung..... 206 12.5.3 Eine Bewertung der neuen Anforderungen ......................... 207 12.6 Die Interdependenz..................................................................... 208 12.7 Plädoyers .................................................................................... 210 12.7.1 Das erste Plädoyer: Für eine ausführliche Risikoaufklärung des Kunden ........................................................ 210 12.7.2 Das zweite Plädoyer: Die umfassende Dokumentation der Anlageberatung......................................................................... 211 12.8 Resümee: Anlageberatung nach MiFID: Eher eine Chance .......213 12.9 Zusammenfassung in Kurzform .................................................214
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater? ...................................... 217 Kirsten Hartmann
13.1 Vertriebswege im Kapitalanlagebereich.....................................217 13.1.1 Bankvertrieb ........................................................................ 218 13.1.2 Gebundene Vermittler ......................................................... 218 13.1.3 Unabhängige Finanzdienstleister.........................................221 13.1.4 Durch das FRUG zu erwartende Änderungen der Vertriebsstrukturen ......................................................................... 222 13.2 Kapitalanlagevermittlung und -beratung ....................................225 13.2.1 Vertrieb über Vermittler ......................................................225 13.2.2 Unabhängigkeit der Beratung ..............................................227 13.2.3 Schadenersatzanspruch des Kunden bei Pflichtverletzung.. 228 13.3 Zusammenfassung ...................................................................... 230
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Inhaltsverzeichnis
IV. Wertpapiergeschäfte: über die Börse und außerbörslich 14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?................................. 235 Frank Moser
14.1 Einleitung.................................................................................... 235 14.2 Historie ....................................................................................... 236 14.3 Zielsetzung von Best Execution Orderrouting ........................... 236 14.4 Die Strukturierung der Ausführungsgrundsätze ......................... 237 14.4.1 Privatkunden........................................................................ 238 14.4.2 Professionelle Kunden......................................................... 238 14.4.3 Geeignete Gegenparteien..................................................... 238 14.5 Implementierung einer Best Execution Policy ........................... 239 14.5.1 Policy-basierter Ansatz........................................................ 240 14.5.2 Order-by-Order-Ansatz ....................................................... 241 14.6 Überprüfung der eigenen Best Execution Policy........................ 243 14.7 Ermittlung der Praxistauglichkeit einer Execution Policy.......... 245 14.8 Der Stand der Implementierung heute........................................ 245 14.8.1 Was haben die meisten Institute implementiert? ................. 246 14.8.2 Vermögensverwalter als professionelle Kunden und nicht als geeignete Gegenparteien ........................................................... 246 14.8.3 Best Execution bei Finanzprodukten ................................... 247 14.9 Aus dem Blickwickel des Business ............................................ 248 14.9.1 Wann sollte ein Finanzinstitut welchen Ansatz wählen? .... 248 14.9.2 Best Execution als Service .................................................. 250 14.10 Ausblick.................................................................................... 251 14.10.1 Negative Diskriminierung ................................................. 251 14.10.2 Transparenz für weitere Finanzprodukte ........................... 252 14.10.3 Fonds ................................................................................. 253
15. Was leistet die Börse unter MiFID? ............................................... 255 Rainer Riess
15.1 Die Anforderungen der MiFID................................................... 255 15.2 Services der Gruppe Deutsche Börse ......................................... 256 15.2.1 Best Execution..................................................................... 257 15.2.2 Nachhandelstransparenz für außerbörslich getätigte Geschäfte ........................................................................................ 260
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15.2.3 Avox® Kundenklassifizierung als zuverlässige Datenquelle für MiFID ................................................................... 261 15.2.4 MiFID-Meldepflichten erfüllen mit TRICE® .....................262 15.3 100 Tage MiFID – Erfahrungsbericht ........................................263
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!.......................... 265 Carsten Rößner
16.1 Einleitung....................................................................................265 16.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen der MiFID............................. 266 16.2.1 Ausdrückliche Zustimmung zum außerbörslichen Handel.. 267 16.2.2 Nachhandelstransparenzpflicht............................................267 16.3 Aufklärungspflichten im außerbörslichen Handel......................268 16.3.1 Außerbörslicher Handel im Retail-Bereich ......................... 268 16.3.2 Auswirkungen der MiFID im Retail-Bereich ......................271 16.3.3 Außerbörslicher Handel von Investmentanteilen ................ 273 16.4 Transparenzpflichten im außerbörslichen Handel ...................... 274 16.4.1 Festpreis- und Kommissionsgeschäfte ................................274 16.4.2 Welche Geschäfte sind nun zu veröffentlichen? ................. 277
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen..........................................................................281 Peter Heister
17.1 Einleitung....................................................................................281 17.2 Marktdaten resultierend aus Vor- und Nachhandelstransparenz (Pre- & Post-Trade Reporting) ........................................................... 282 17.2.1 Publizieren von Vor- und Nachhandelskursen .................... 283 17.2.2 Marktdaten resultierend aus MiFID..................................... 284 17.3 Wertschöpfung durch Datenveredelung und qualitative Zusatzinformation............................................................................... 286 17.3.1 European Best Bid Offer .....................................................286 17.3.2 Handelsplätze – Performancestatistiken und Konditionen .. 288 17.3.3 Markt- und handelsplatzabhängige Schlusskurse ................ 289 17.3.4 Kunden- und Produktklassifikationen ................................. 289 17.4 Bedeutung der MiFID-Marktdaten im Geschäftsablauf .............290 17.4.1 Kundenberatung, Orderaufnahme und Vorbereitung zur Ausführung ..................................................................................... 292 17.4.2 Orderausführung nach Best Execution Policy .....................292
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Inhaltsverzeichnis
17.4.3 Bedeutung der Marktdaten für Best Execution und Compliance..................................................................................... 294 17.5 Ausblick für die Marktdatenentwicklung und -anforderungen... 296
V. Überwachung und Kontrolle 18. Welche Interessenkonflikte haben Banken? ................................. 301 Ulrich L. Göres
18.1 Gründe für die Einführung eines Interessenkonfliktmanagements ......................................................... 301 18.1.1 Gesetzliche Pflichten ........................................................... 301 18.1.2 Interessenkonfliktmanagement aus geschäftspolitischen Gründen .......................................................................................... 304 18.2 Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten durch die WpDVerOV........................................................................................ 307 18.2.1 Anforderungen des § 13 Abs. 1 WpDVerOV an die Identifikation von Interessenkonflikten.......................................... 307 18.2.2 Erstellung einer sog. Interessenkonfliktmatrix .................... 309 18.2.3 Anforderungen des § 13 Abs. 1 und 2 WpDVerOV an Inhalt und Form der Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten (sog. Conflict of Interest Policy)................... 312 18.3 Mitarbeitergeschäfte ................................................................... 317 18.3.1 Begriff des Mitarbeiters....................................................... 317 18.3.2 Organisationsverpflichtungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte ....................................................................... 319 18.3.3 Mitarbeitergeschäfte von Finanzanalysten .......................... 323 18.4 Organisatorische Anforderungen, § 34b Abs. 5 WpHG in Verbindung mit § 5a FinAnV ............................................................. 325 18.4.1 Grundsatz............................................................................. 325 18.4.2 Spezifische organisatorische Anforderungen ...................... 325 18.5 Fazit ............................................................................................ 329
Inhaltsverzeichnis
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19. Die externe Prüfung des Wertpapiergeschäfts nach MiFID ........ 331 Martina Rangol
19.1 Einführung ..................................................................................331 19.1.1 Historie ................................................................................ 331 19.1.2 Auswirkungen der MiFID auf die externe Prüfung ............. 332 19.1.3 Auswirkungen auf die Prüfung des Depotgeschäftes .......... 333 19.1.4 Auswirkungen auf die Prüfung der Depotbankfunktion......334 19.1.5 Exkurs: Prüfung bei Kapitalanlagegesellschaften ............... 334 19.1.6 Fazit ..................................................................................... 335 19.2 Prüfungspflicht und Berichtszeitraum ........................................335 19.2.1 Adressaten der Prüfung nach § 36 WpHG .......................... 335 19.2.2 Prüfungsbefreiung ............................................................... 336 19.2.3 Ende der Prüfungspflicht ..................................................... 337 19.2.4 Berichtszeitraum.................................................................. 337 19.3 Ziele und Gegenstand der Prüfung ............................................. 338 19.3.1 Ziele..................................................................................... 338 19.3.2 Gegenstand der Prüfung nach MiFID..................................339 19.4 Wesentliche Änderungen der WpDPV ....................................... 340 19.4.1 Prüfungsprozess................................................................... 340 19.4.2 Das Konzept der WpDPV.................................................... 341 19.4.3 Fehler- und Mangelsystematik der WpDPV........................ 342 19.4.4 Qualitativer Mangel............................................................. 343 19.4.5 Quantitativer Mangel........................................................... 344 19.4.6 Auffangtatbestand „sonstiger Mangel“................................345 19.4.7 Anforderungen an die Berichterstattung..............................347 19.4.8 Fragebogen ..........................................................................348 19.5 Die Prüfung in 2008 ................................................................... 348 19.5.1 Ausgangslage....................................................................... 348 19.5.2 Prüfungsansatz 2008............................................................349 19.5.3 Ausgewählte Fragestellungen..............................................350 19.5.4 Ausblick............................................................................... 351
I. Regulierung und Europa
1. MiFID – Der europäische Gedanke zur Finanzanlage
Frank Zingel
1.1 Die MiFID als Teil des Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen Spätestens 1999 dürfte endgültig klar geworden sein, dass die Regeln für die Geschäftstätigkeit auf den europäischen Finanzmärkten nicht mehr in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern in Brüssel geschrieben werden. Im Mai 1999 hatte die Europäische Kommission ihren äußerst ambitionierten Aktionsplan für Finanzdienstleistungen 1 (FSAP – Financial Services Action Plan) vorgelegt. Mit diesem Plan verfolgt die Kommission drei Ziele 2: o Errichtung eines einheitlichen Firmenkundenmarktes für Finanzdienstleistungen, o Schaffung sicherer und offener Privatkundenmärkte, o Modernisierung der Aufsichtsregeln. Diese Ziele sollen durch eine weitgehende Harmonisierung der Rechtsgrundlagen, also durch eine Europäisierung der gesetzlichen Vorschriften, erreicht werden. Zur Umsetzung des Aktionsplanes sind vom Europäischen Parlament und dem Rat insgesamt 26 Richtlinien verabschiedet worden. Darunter befinden sich weitreichende Regulierungswerke wie die Dritte Geldwäsche1 2
http://ec.europa.eu/internal_market/finances/actionplan/index_de.htm. Mitteilung der Kommission vom 11. Mai 1999 „Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“, KOM (1999) 232 endg.
4
Frank Zingel
richtlinie, die Konglomeraterichtlinie, die Kapitaladäquanzrichtlinie und die Prospektrichtlinie. Kernelement des Aktionsplanes ist aber die Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID – Markets in Financial Instruments Directive). Während nämlich die übrigen Richtlinien des Aktionsplanes spezifische Vorgaben in bestimmten Teilbereichen treffen, stellt die MiFID umfassende Verhaltens- und Organisationsanforderungen für die gesamte kapitalmarktbezogene Geschäftstätigkeit von Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf. So regelt sie etwa sehr detailliert die Pflicht zur Aufklärung von Kunden oder Anforderungen an eine bestmögliche Ausführung von Aufträgen. Die MiFID betrifft also nicht nur Banken, Sparkassen und Finanzdienstleistungsinstitute als Adressaten der Regulierung, sondern hat unmittelbare Auswirkungen auf die Geschäfte jedes einzelnen Anlegers, sei er ein institutioneller Anleger oder ein Privatanleger. Das Bemühen, hierfür europaweit einheitliche rechtliche Voraussetzungen zu schaffen, war und ist angesichts der sehr unterschiedlichen Traditionen in den Mitgliedstaaten ein äußerst ehrgeiziges Projekt. Auf der rechtsetzenden Ebene ist der Aktionsplan weitgehend abgeschlossen. Die europäischen Rechtsgrundlagen sind geschaffen, die Umsetzung in nationales Recht ist mit wenigen Ausnahmen erfolgt. Es wird sich nun zeigen müssen, ob das harmonisierte Recht in den Mitgliedstaaten auch gleich angewandt wird, mit anderen Worten, ob sich in allen Mitgliedstaaten eine gleichwertige Aufsichtspraxis herausbildet. Hierfür steht mit dem so genannten Lamfalussy- oder Komitologie-Verfahren für viele der Richtlinien des Aktionsplanes, auch für die MiFID, ein neues Instrument zur Verfügung, mit dem die Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden gestärkt und die Überwachung durch die Europäische Kommission erleichtert werden soll 3. Vor diesem Hintergrund kann zu Recht gesagt werden, dass der Aktionsplan für Finanzdienstleistungen den Weg zu einem europäischen Finanzmarktrecht eingeschlagen hat. Die MiFID stellt dabei erstmalig eine umfassende europäische Regulierung der Geschäftstätigkeit von Wertpapierdienstleistungsunternehmen dar.
3
Siehe hierzu den Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte vom 15. Februar 2001 (http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/lamfalussy/wisemen/finalreport-wise-men_de.pdf.).
1. MiFID – Der europäische Gedanke zur Finanzanlage
5
1.2 Regulierungsziele der MiFID Erklärtes Ziel der MiFID ist es, europaweit harmonisierte Regeln für den Wettbewerb zu schaffen sowie den Anlegerschutz und die Effizienz und Integrität des europäischen Finanzmarktes zu verbessern 4. Der Förderung des Wettbewerbs auf den Finanzmärkten sollen vor allem zwei Regulierungen in der MiFID dienen; der europäische Pass für Wertpapierdienstleistungsunternehmen 5 und die Aufhebung des Börsenzwanges durch die neu formulierte Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung 6. Mit ersterem soll der grenzüberschreitende Wettbewerb der Wertpapierdienstleistungsunternehmen untereinander gefördert werden, mit letzterer der Wettbewerb zwischen Börsen und außerbörslichen Handelsplätzen 7. Der Anlegerschutz soll durch zahlreiche Einzelregelungen über die Information und die Beratung von Kunden, den Umgang mit Provisionen, die Abwicklungen von Kundenorders und den Umgang mit Interessenkonflikten verbessert werden.
1.3 Die Zeit vor der MiFID: Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 Neu an der MiFID ist nicht der europäische Ansatz einer Regulierung von Wertpapierdienstleistungen als solcher. Auch die Vorgängerrichtlinie der MiFID, die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993, stellte europäische Regeln für das Verhalten und die Organisation von Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf. Zentrale Normen des Wertpapierhandelsgesetzes gründen auf dieser Richtlinie. Die Ziele der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie lesen sich dabei nicht anders als die Ziele der MiFID. Der Anlegerschutz sollte verbessert und die Finanzmarktintegration gefördert werden. Hierzu wurde ein europäischer Pass für Wertpapierdienstleistungsunternehmen eingeführt und einheitliche Regeln für die Organisation und das Verhalten der Unternehmen festgelegt 8. 4 5 6 7
8
Vgl. die Erwägungsgründe 2, 17, 22f., 34 und 71 der MiFID. Art. 31f. der MiFID. Art. 21 MiFID. Außerbörsliche Handelsplätze sind neben den multilateralen Handelssystemen nach Art. 14 auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Kundenorders unmittelbar gegen das eigene Buch ausführen (sog. Internalisierung). Vgl. Erwägungsgründe der Richtlinie 93/22 EWG.
6
Frank Zingel
Für Deutschland bedeutete die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie vor allem, dass der Anlegerschutz nicht mehr allein durch zivilrechtliche Rechtsprechung sichergestellt würde, sondern zu einem Teil der staatlichen Überwachung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen geworden war. Bis zum 1. Januar 1995 existierte in Deutschland keine gesonderte Aufsicht für den Wertpapierhandel. Erst mit der Gründung des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) entstand dieser Aufsichtszweig der Finanzmarktaufsicht neben der Bankenaufsicht, der Versicherungsaufsicht und der Börsenaufsicht. Rechtsgrundlage hierfür war das Wertpapierhandelsgesetz, dessen Vorschriften nahezu alle auf europäische Richtlinien, vor allem eben auf die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und die Insider-Richtlinie, zurückgehen. Der entscheidende Unterschied zwischen der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und der MiFID ist also nicht der Ansatz einer europäischen Regulierung, sondern der Umstand, dass die MiFID ein detailliertes, in sich geschlossenes Regelsystem darstellt, und die Tatsache, dass die MiFID nicht lediglich Regeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sondern auch für den börslichen und außerbörslichen Handel aufstellt. Grund für diesen weitergehenden Regulierungsansatz ist, dass die Europäische Kommission sieben Defizite in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie festgestellt hatte 9:
9
o
Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie besaß keine ausreichend harmonisierten Regeln für eine gegenseitige Anerkennung der Zulassung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch die nationalen Aufsichtsbehörden. Damit wurde der Erfolg des europäischen Passes gebremst.
o
Sie enthielt veraltete Regeln für den Anlegerschutz, die nicht auf die neuen Geschäftsmodelle, Handelsmöglichkeiten, Marktpraktiken und die damit verbundenen Risiken zugeschnitten waren.
o
Sie umfasste nicht das gesamte Dienstleistungsangebot für Anleger und nicht den gesamten Finanzhandel.
Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über geregelte Märkte und zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2002 KOM (2002) 625 endg.
1. MiFID – Der europäische Gedanke zur Finanzanlage
7
o
Sie ging nicht auf regulatorische und wettbewerbsrechtliche Fragen ein, die sich daraus ergaben, dass Börsen in einem Wettbewerb zueinander und zu neuen Ausführungsplattformen stehen.
o
Sie enthielt fakultative Bestimmungen zur Regulierung der Marktstruktur, die die Herausbildung einer integrierten und wettbewerbsfähigen Handelsstruktur erheblich behinderte.
o
Die Bestimmungen zur Benennung der zuständigen Behörden und zu ihrer Zusammenarbeit waren zu unpräzise.
o
Ihre Bestimmungen hatten sich als zu unflexibel erwiesen und waren überholt.
Um diese Defizite zu beheben, wird mit der MiFID eine Vollharmonisierung der Rechtsvorschriften angestrebt. Während es in der Vergangenheit viel Raum für nationale Sonderregeln gab, ist dieser nunmehr nahezu gänzlich entfallen. Ein Beispiel mag dies illustrieren: Bis zur Umsetzung der MiFID in deutsches Recht existierte im WpHG eine weltweit einmalige Regelung für Finanztermingeschäfte 10. Bei diesen Regeln wurden Termin- und Optionskontrakte einem Sonderrecht unterworfen. Durch die MiFID ist der Raum für eine solche nationale Sonderregelung genommen. Mit der Umsetzung der MiFID durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz sind die entsprechenden Vorschriften konsequenterweise aufgehoben worden. Die MiFID schafft insoweit im Gegensatz zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie also in der Tat europaweit gleiches Recht.
1.4 Das Gesetzgebungsverfahren zur MiFID und die Umsetzung in deutsches Recht Die ersten Vorschläge für eine Aktualisierung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie hatte die Europäische Kommission am 15.11.2000 vorgelegt. Daran schloss sich ein zweijähriges Konsultationsverfahren an, das mit der Vorlage eines Vorschlages der Kommission am 19.11.2002 been-
10
§ 37d ff. WpHG a.F.
8
Frank Zingel
det wurde 11. Das damit eingeleitete Gesetzgebungsverfahren dauerte bis zum 21.04.2004. An diesem Tag wurde die Richtlinie vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet. Umstritten waren im Gesetzgebungsverfahren vor allem die Regeln zur Internalisierung, also die Anforderungen an die Orderausführung gegen das eigene Buch und die Wohlverhaltenspflichten. Bei letzteren zeigten sich die unterschiedlichen Traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten. Nicht nur die Arten von vertriebenen Produkten unterscheiden sich, sondern auch die Art und Weise der Aufklärung und Beratung von Kunden ist sehr unterschiedlich. So ist etwa die in Deutschland übliche standardisierte Aufklärung mit ausführlichem Informationsmaterial, wie den Basisinformationen über die Vermögensanlagen in Wertpapieren, in anderen europäischen Staaten gänzlich unbekannt. Umgekehrt war in vielen Staaten die Kategorisierung von Kunden deutlich standardisierter als in Deutschland. Heftig gestritten wurde zudem über die Rechtsnatur der Durchführungsbestimmungen. Während die Europäische Kommission hier unmittelbar geltende Verordnungen bevorzugt hätte, wurde insbesondere von deutscher Seite argumentiert, dass sich diese nicht in die bestehenden zivilrechtlichen Strukturen einfügen ließen. Daneben wurde äußerst lebhaft über zahlreiche Einzelfragen gestritten, etwa darüber, ob bei einer telefonischen Ordererteilung eine Sprachaufzeichnung notwendig sei, oder ob es eine Garantie für eine bestmögliche Orderausführung in jedem Einzelfall geben müsse. Die MiFID unterliegt dem so genannten Lamfalussy-Verfahren. Dies bedeutet, dass sie lediglich Rahmenregelungen enthält, die durch weitere Durchführungsbestimmungen näher konkretisiert und durch weitere Schritte in die tägliche Aufsichtspraxis umgesetzt werden (müssen). Die Durchführungsbestimmungen sind in der Form einer Durchführungsverordnung 12 und einer Durchführungsrichtlinie 13 verabschiedet worden. Mit der Verabschiedung der Durchführungsbestimmungen ist zwar auf der europäischen Ebene die Gesetzgebung beendet, das Lamfalussy-Verfahren insgesamt aber noch nicht abgeschlossen. In den nächsten Jahren geht es für die im Ausschuss der Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR – Committee of European Securities Regulators) zusammenarbeitenden nationalen 11
KOM (2002) 625 endg. Verordnung (EG) Nr. 1287, 2006 der Kommission vom 10. August 2006. 13 Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006. 12
1. MiFID – Der europäische Gedanke zur Finanzanlage
9
Aufsichtsbehörden darum, auch eine einheitliche Anwendung der europäischen Regeln sicherzustellen. Zudem hat die Europäische Kommission die effektive Umsetzung der neuen rechtlichen Rahmenbedingungen sicherzustellen. Die Umsetzung der MiFID in deutsches Recht erfolgte durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16. Juli 2007. In dem Umsetzungsgesetz hat sich der deutsche Gesetzgeber bewusst auf eine 1:1-Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben beschränkt. Das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz beinhaltet neben einem vollständig neuen Börsengesetz und Änderungen in zentralen Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes auch Änderungen des Kreditwesengesetzes sowie zahlreicher weiterer Gesetze wie der Gewerbeordnung, des Handelsgesetzbuchs und des Aktiengesetzes. In Kraft getreten sind die neuen gesetzlichen Bestimmungen überwiegend zum 1. November 2007, teilweise auch zum 1. Januar 2008 14.
1.5 Grenzen des europäischen Gedankens Trotz aller Bemühungen für die Schaffung eines echten europäischen Rechtsrahmens bietet die MiFID keine Gewähr dafür, dass in der Praxis tatsächlich gleiche Regeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in ganz Europa gelten, dass also etwa ein Unternehmen in Spanien in einem vergleichbaren Sachverhalt genauso behandelt wird wie ein Unternehmen in Deutschland. Zwar werden die aufsichtsrechtlichen Grundlagen in beiden Ländern gleich sein. Allerdings werden sie von unterschiedlichen Behörden angewandt und stehen nicht allein, sondern neben weiteren gesetzlichen Anforderungen, wie etwa in Deutschland den zivilrechtlichen Anforderungen in der Form, wie sie in den letzten Jahren vom Bundesgerichtshof entwickelt worden sind. Was den Aspekt der gleichwertigen Anwendung angeht, so mag es bei wesentlichen Fragen zu einer Verständigung im Ausschuss der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden kommen.
14
So zum Beispiel die Meldepflicht nach § 9 WpHG.
10
Frank Zingel
Ob auch eine Harmonisierung mit zivilrechtlichen Anforderungen erzielt werden kann, hängt letztlich allein von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab. Der BGH hat bisher nicht zu erkennen gegeben, dass er bei der Bestimmung vertraglicher Pflichten Rückgriff auf die aufsichtsrechtlichen Regeln der MiFID nehmen wird. Im Gegenteil: Obwohl die MiFID bereits im Jahr 2004 verabschiedet worden ist, hat er in einem vielbeachteten Urteil vom 19. Dezember 2006 15 die Pflichten im Zusammenhang mit der Aufklärung über Provisionszahlungen ohne jeglichen Rückgriff auf die MiFID festgelegt. Die Richtlinie wurde nicht einmal erwähnt, obwohl sogar der Entwurf eines deutschen Umsetzungsgesetzes bereits vorlag. Dies ist umso erstaunlicher, als gerade Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit Provisionszahlungen und anderen Zuwendungen ein wesentlicher Inhalt der Aufklärungspflichten der MiFID sind 16. So mag es in Deutschland zukünftig zumindest in einigen Bereichen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Pflichten geben, die über die Anforderungen der MiFID und ihres Umsetzungsgesetzes hinaus gehen oder gänzlich von diesen abweichen. Die Europäisierung des Rechts stößt wohl oder übel an Grenzen, solange keine vollständige Rechtsharmonisierung auch über den Bereich des Aufsichtsrechts hinaus erzielt wird. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der europäische Pass der MiFID kein vollumfänglicher ist. § 31 Abs. 7 WpHG weist insbesondere die Überwachung der Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten durch eine Zweigniederlassung der Gastlandbehörde zu. Dies bedeutet in der Praxis, dass ein deutsches Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das in zwölf europäischen Ländern Zweigniederlassungen unterhält, zwölf unterschiedlichen Aufsichtsbehörden gegenüber stehen wird, die möglicherweise unterschiedliche Verständnisse über die Auslegung der Vorschriften über die Verhaltenspflichten besitzen. Auch hier wird die Verständigung der Behörden untereinander von wesentlicher Bedeutung sein.
15 16
BGH XI ZR 56/05. § 31d WpHG.
1. MiFID – Der europäische Gedanke zur Finanzanlage
11
1.6 Fazit Die MiFID stellt in ihrer Detailtiefe eine vollständige Grundlage für die Geschäftstätigkeit von Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Handel auf börslichen und außerbörslichen Handelsplätzen dar. Mit ihr ist der Raum für nationale Sonderregeln nahezu gänzlich entfallen. Dies bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass ein europaweit einheitliches Recht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Handelsplätze gelten wird. Hierfür wird zum einen eine gleichwertige Aufsichtspraxis notwendig sein, zum anderen können abweichende Auslegungen der Zivilrechtsprechung zu unterschiedlichen Anforderungen in Teilbereichen führen. Die Verabschiedung der MiFID ist damit ein deutlicher Schritt hin zu einem wirklich europäischen Rechtsrahmen, einheitliches europäisches Recht ist sie (noch) nicht.
2. Die zentralen Anforderungen der MiFID
Andreas von Böhlen
2.1 Einleitung Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die wesentlichen Anforderungen der MiFID. Die Darstellung richtet sich sowohl an Kunden als auch an Finanzdienstleistungsunternehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage können die gewonnenen Erkenntnisse allerdings durchaus verschiedenen aufgefasst werden. Die nachfolgend beschriebenen Themen stellen dabei eine Auswahl dar, die bewusst auch Anforderungen auflistet, denen im weiteren Verlauf dieses Buches kein eigenes Kapitel gewidmet ist. Neben der europäischen Sicht sollen auch noch die internationalen Aspekte der MiFID kurz dargestellt werden. Wenn nachfolgend vom Wertpapiergeschäft die Rede ist, so soll dies tatsächlich nur eine sprachliche Verkürzung bedeuten, denn eine Vielzahl von Regelungen gilt auch für Dienstleistungen, die bei normalem Sprachgebrauch nicht unmittelbar als Wertpapiergeschäft betrachtet würden, z.B. Research oder Zins- und Währungsabsicherungsgeschäfte. Wenn im Weiteren von der MiFID gesprochen wird, so sind damit in erster Linie die europäische Rahmenrichtlinie 2004/39/EG sowie die Umsetzungsrichtlinie 2006/73/EG und die Umsetzungsverordnung (EG) Nr. 1287/2006 gemeint. In Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission“ (FRUG) vom 16. Juli 2007. Das FRUG ist ein Artikelgesetz, d.h. es fügt Änderungen in bestehende Gesetze (vor allem ins Wertpapierhandelsgesetz, WpHG) ein. Mittlerweile ist eine „Erste Verordnung zur Änderung der Finanzanalyseverordnung“ am 20. Juli 2007 veröffentlicht worden sowie, ebenfalls zum selben Termin, eine Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunterneh-
14
Andreas von Böhlen
men (WpDVerOV). Am 21. November 2007 wurde bereits die erste Verordnung zur Änderung der WpDVerOV verkündet. Hieraus wird erkennbar, dass der Prozess der Gesetzgebung hier über einen recht langen Zeitraum sehr breit angelegt erfolgte und dies für Banken und Finanzdienstleister zu einer umfangreich ausgerichteten Beobachtungs- und Bewertungspraxis führte. Zudem unterliegt dieser Prozess auch weiterhin noch Änderungen.
2.2 Umfang der Anwendung der MiFID Die MiFID unterscheidet zwischen Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen. Diese Anforderungen wurden nahezu unverändert durch das FRUG ins WpHG übernommen. Die nachfolgende Übersicht zeigt die wesentlichen Tätigkeitsgruppen, auf die das WpHG Anwendung findet. Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind Unternehmen, die folgende Wertpapierdienstleistungen erbringen: o o o o o o o o
Finanzkommissionsgeschäfte Eigenhandel als Dienstleistung für Dritte Abschlussvermittlung Anlagevermittlung Emissions- und Platzierungsgeschäft Finanzportfolioverwaltung (Vermögensverwaltung) Betrieb eines multilateralen Handelssystems Anlageberatung
Neben diesen Wertpapierdienstleistungen sind Wertpapierdienstleister auch Unternehmen, die u. a. eine der folgenden Wertpapiernebendienstleistungen erbringen: o o o o o
Depotgeschäft Wertpapierkreditgeschäft Beratung bei Unternehmenskäufen und -zusammenschlüssen (M&A) Devisengeschäfte Finanzanalysen
2. Die zentralen Anforderungen der MiFID
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Deutlich erkennbar ist, dass insbesondere Fondsgesellschaften, Kapitallebensversicherungen und z.B. Immobilienmakler MiFID-Anforderungen in ihrer täglichen Praxis direkt nicht beachten müssen, obwohl sie durchaus gemäß der o.g. Aufstellung Wertpapierdienstleistungen erbringen. In sachlicher Hinsicht finden die Vorschriften der MiFID insbesondere bei folgenden auf Finanzmärkten handelbaren Finanzinstrumenten Anwendung: o o o o o
Aktien Schuldtitel, insbesondere Genussscheine und Inhaber- sowie Orderschuldverschreibungen Fondsanteile Zertifikate Derivate, insbesondere Festgeschäfte und Optionsgeschäfte sowie Termingeschäfte auch für Waren und Energie, finanzielle Differenzgeschäfte und Kreditderivate
Diese Aufzählung beinhaltet auf der einen Seite heute vom Handelsvolumen noch eher unbedeutende Produkte wie Warentermingeschäfte und Energiekontrakte. Umgekehrt sind trotz intensiver Diskussionen die in Deutschland so beliebten Produkte des sog. „grauen Kapitalmarkts“ wie Anteile an geschlossenen Immobilienfonds oder Windparks nicht enthalten. Bei ihnen handelt es sich nicht um Wertpapiere im Sinne des Aufsichtsrechts. Ein relevantes Trennkriterium ist dabei die Frage der Handelbarkeit der Anteile. Diese ist sowohl durch die jeweiligen Gesellschaftsverträge der zumeist als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Kommanditgesellschaft aufgelegten Fonds eingeschränkt als auch durch die in der Praxis geringe Zahl offizieller Handelsplattformen – vergleichbar mit einem Börsenplatz –, an denen derartige Gesellschaftsanteile angeboten werden. Vor diesem Hintergrund erfolgt zumindest aus Sicht der MiFID bis auf weiteres kein besonderer Schutz für Investoren in derartige Kapitalanlagen. Sie unterfallen daher nicht dem WpHG. Die nachfolgende Darstellung zeigt die Hauptauswirkungen der MiFID aus Prozess-Sicht:
16
Andreas von Böhlen
MiFID Hauptauswirkungen – Prozess-Sicht Ausgewählte Elemente des Handelsprozesses Kundenberatung
Kundeninformation: Marketing und Produktinformation KundenKlassifizierung: -Retailkunden -Professionelle Kunden -Geeignete Gegenparteien
Orderrouting
Execution Policy Best Execution
Multilaterale Handelsplattformen
Reporting
Nachhandelstransparenz
Vorhandelsinformation Kunden Orderrouting
Bestätigung
Handel
Kundenausführungsanforderungen
Systematische Internalisierer
Dokumentenaufbewahrung: -Eigene Geschäfte -Geschäfte von Kunden -Marktdaten
Reporting: -Kunden -Markt -Überwachungsbehörden -Interne Stellen
Schutz des Kundenvermögens
Interessenkonflikte/ Provisionen
Organisatorische Anforderungen Technische Anforderungen
Abb. 2.1: Hauptauswirkungen der MiFID im Handelsprozess
2.3 Kundenklassifizierung Die Kundenklassifizierung nach MiFID stellt für die Kunde-BankBeziehung in Deutschland die zentrale Änderung dar. In Großbritannien z.B. gab es bereits seit geraumer Zeit eine Einteilung der Wertpapierhandelskunden. Im Rahmen der MiFID unterscheidet der Gesetzgeber grundsätzlich drei Kundenkategorien: o o o
Privatkunden Professionelle Kunden Geeignete Gegenparteien
Die erstmalige Information der Kunden über ihre Klassifizierung aus Sicht der Bank bzw. Sparkasse bedeutete für die meisten Privatkunden grundsätzlich keine Veränderung, da sie in die Gruppe der Privatkunden fallen. Der deutsche Begriff „Privatkunde“ ist jedoch für eine Vielzahl von anderen Kunden, z.B. Firmenkunden irritierend, da sie sich natürlich nicht als
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Privatkunden, sondern eher als Professionelle Kunden betrachten. Aus Sicht der MiFID sind Kriterien mit dezidierten Größenordnungen in Bezug auf Bilanzsumme (> 20 Mio. Euro), Umsatzerlöse (> 40 Mio. Euro) sowie Eigenmittel (> 2 Mio. Euro) festgelegt worden, von denen ein Unternehmen mindestens zwei erfüllen muss, um als Professioneller Kunde behandelt werden zu können. Zu der Gruppe der professionellen Kunden gehören u.a. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Versicherungsunternehmen, Pensionsfonds oder auch Börsenhändler. Selbstverständlich ist die Kundenstruktur gerade in dieser Gruppe wesentlich heterogener. So findet man dort auch Stiftungen, Vereine, öffentliche Institutionen bzw. Städte und Gemeinden. In der Gruppe der „Geeigneten Gegenparteien“ listet der Gesetzgeber u.a. Banken, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften auf. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere bei der Gruppe der professionellen Kunden von Seiten der Kunden eine Vielzahl von Fragen auftauchte im Hinblick auf zukünftig von der Bank und vom Kunden zu erbringende Informationen. Auch bei den Geeigneten Gegenparteien zeigte sich, dass etliche große Gesellschaften sich dafür entschieden, die Vorzüge eines höheren Informations- und Schutzniveaus von ihrer Bank einzufordern, indem sie sich zum professionellen Kunden umklassifizieren ließen. Für die Kundenbetreuer in den Banken und Sparkassen bedeutete dies einen erheblichen Aufwand, da sie den Kunden zunächst die Unterschiede zwischen den einzelnen Kundenkategorien verdeutlichen und dann für eine entsprechende Informationsausstattung der Kunden sorgen mussten. Aufgrund der hohen Bedeutung dieses Sachverhalts für die Kunde-BankBeziehung und der verschiedenen Wahlmöglichkeiten der Kunden werden die relevanten Einzelheiten in Kapitel 6 – „Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien“ beschrieben.
2.4 Informationen über den Kunden Gegenüber der bisherigen Praxis fordert die MiFID nunmehr explizit die Einholung von Informationen über den Kunden in Abhängigkeit von der Kundenkategorisierung und der zu erbringenden Dienstleistungen. Von besonderer Bedeutung ist das Einholen von Informationen über den Kunden bei Privatkunden und Professionellen Kunden, da bei diesen in Abgrenzung zu den Geeigneten Gegenparteien nicht von profunden Kenntnis-
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sen über Kapitalmärkte und Anlageprodukte ausgegangen werden kann. Die Banken und Sparkassen sind daher aufgefordert, sich über diese Kunden umfassend zu informieren, um z.B. eine zielgerichtete und anlegergerechte Anlageberatung sicherstellen zu können. Für die meisten Banken und Sparkassen bedeutete dies, dass sie zwar grundsätzlich auf den bereits vorhandenen Informationen aufsetzen konnten. Im Hinblick auf die Aktualität haben jedoch einige Banken und Sparkassen ihre Informationssammlung über die Kunden aktualisiert, nicht zuletzt, um sich nicht dem Vorwurf veralteter Informationsgrundlagen aussetzen zu müssen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Einholung von Informationen über die Anlagedauer und die Risikobereitschaft. Diese stellen zukünftig neben weiteren relevanten Informationen zentrale Orientierungsgrößen und Anknüpfungspunkte für die Anlageberatung durch die Bank oder Sparkasse dar. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass das Produktangebot der Emissionshäuser zukünftig noch stärker zielgruppengerecht bzw. ausgerichtet an insbesondere diesen Orientierungsgrößen erfolgen wird. Die Einzelheiten zum Umfang der von der Bank oder Sparkasse einzuholenden Informationen sind in Kapitel 7 – „Was die Bank vom Kunden wissen sollte“ beschrieben. Dabei wird deutlich, dass durch die Wahl der Kundenklassifizierung für den Finanzdienstleister und den Kunden mehr oder weniger viel Aufwand in der täglichen Beratungspraxis entstehen wird.
2.5 Informationen an den (potenziellen) Kunden Gegenüber den bisherigen Bestimmungen sind die Informationen, die Banken und Sparkassen nunmehr an ihre Kunden und auch potenziellen Kunden herausgeben, präzisiert worden. Sie beziehen sich im Wesentlichen auf folgende Bereiche: o o o o o
Informationen über die Bank Basis-Informationsbroschüren zum Wertpapiergeschäft Informationen über Produkte und Dienstleistungen Informationen im Rahmen des Geschäftsabschlusses Informationen nach Geschäftsabschluss
Zentrales Kriterium ist dabei die Frage, um welchen Kundentyp nach MiFID es sich hierbei handelt. Ausgangspunkt und Maßstab ist der Privatkunde. Bei professionellen Kunden und Geeigneten Gegenparteien sind die Informationsanforderungen zum Teil wesentlich geringer.
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Bei den Informationen über die Bank gibt es von Seiten des Gesetzes relativ klare Vorgaben, die gegenüber der heutigen Situation keine grundlegende Neuerung darstellen. Es handelt sich in erster Linie um eine Präzisierung des Gesetzgebers gegenüber der alten Rechtslage. Wichtig sollte aus Sicht der Bank sein, dass sie deutlich macht, dass es sich hierbei um Pflichtinformationen handelt, so dass der Kunde diesen grundlegenden Informationen auch eine entsprechende Bedeutung beimisst. Weitergehende Einzelheiten hierzu werden in Kapitel 8 – „Was muss der Kunde über seine Bank wissen“ beschrieben. Bei den Basis-Informationsbroschüren handelt es sich um die Broschüren „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“ sowie „Basisinformationen über Termingeschäfte“. Beide werden auch zukünftig von den deutschen Banken und Sparkassen genutzt, um dem Kunden einen Überblick über Wertpapiere und Derivate zu geben. Sie sind im Zuge der MiFID aktualisiert worden und wurden den Wertpapierkunden zum Teil erneut zur Verfügung gestellt. Informationen über Produkte können Wertpapierdienstleistungsunternehmen in sehr vielfältiger Form erteilen: Produktinformationen und Flyer in Papierform, Dokumente im Internet sowie Radio- oder TV-Spots. Grundsätzlich gilt, dass die darin enthaltenen Informationen bestimmten Anforderungen genügen müssen, die über die bisherigen hinausgehen. Diese werden im Einzelnen in Kapitel 9 – „Schillernde Werbung oder Produktinformation“ erläutert. Informationen im Rahmen des Geschäftsabschlusses erfolgen in detaillierter Form insbesondere im Rahmen der Anlageberatung. Hier erhält der Kunde neben allgemeinen Markteinschätzungen oder Analysen zu einzelnen Wertpapieren insbesondere eine Anlageempfehlung unter Berücksichtigung seiner Risikoneigung sowie seiner bisherigen Anlagen und der Gesamtstruktur seines Vermögens. Aufgrund der hohen Bedeutung der Anlageberatung im Rahmen des Wertpapiergeschäfts der Banken und Sparkassen erfolgt eine detaillierte Darstellung der Auswirkungen der MiFID auf die Anlageberatung in Kapitel 12 – „Anlageberatung – Risiko oder Chance nach MiFID?“. Die Informationen nach Geschäftsabschluss unterscheiden sich von den bisherigen grundsätzlich nicht. Es soll allerdings Wertpapierdienstleistungsunternehmen geben, die den Kunden darüber informieren, ob der Wertpapierauftrag im Rahmen der Best-Execution-Regeln der Bank erfolgte oder auf Kundenweisung. In diesem Umfeld ist damit zu rechnen,
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dass Banken und Sparkassen die Wettbewerber genau beobachten, um hier keine Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Eine kundenfreundliche Wertpapierabrechnung, die den Kunden erkennen lässt, wann der Auftrag ausgeführt wurde und ggf., ob der Auftrag über die Börse oder gegen das Handelsbuch der Bank ausgeführt wurde, würde sicherlich mehr Transparenz für den Kunden bedeuten.
2.6 Interessenkonflikte Die Beachtung von Interessenkonflikten im Rahmen von Kapitalmarktgeschäften gibt es in Deutschland schon seit Jahren. Durch die MiFID sind insbesondere Neuerungen entstanden durch die Aufzählung von Situationen, in denen Interessenkonflikte entstehen können, sowie die Art und Weise, wie die Finanzdienstleistungsunternehmen damit umzugehen haben. Dabei werden folgende Situationen von Interessenkonflikten hervorgehoben: o o o o o
Zwischen Bank und Kunde Zwischen zwei (oder mehr) Kunden der Bank Zwischen Mitarbeitern der Bank und dem Kunden Zwischen Konzernunternehmen der Bank sowie den dort tätigen Mitarbeitern und dem Kunden Kombinationen zwischen mehreren der o.g. Interessenkonflikte, die gleichzeitig eintreten
Hervorzuheben ist hierbei, dass die Kreditinstitute nunmehr zum Einen den Kunden die entsprechenden hausinternen Regelungen zum Umgang mit Interessenkonflikten zur Verfügung stellen müssen. Zum Anderen müssen die Banken und Sparkassen darlegen, welche Verfahren sie implementiert haben, um Interessenkonflikte auch aufdecken zu können und beherrschbar zu machen. Aufgrund der seit Jahren steigenden Anzahl von Aktiengesellschaften, deren Aktien an Börsen notiert werden, und des in den letzten Jahren auch von Seiten der Banken deutlich ausgeweiteten Produktspektrums insbesondere im Bereich der M&A-Beratung sowie im Umfeld von Private Equity ist die Gefahr des Entstehens eines Interessenkonflikts deutlich gewachsen. Dem hat der Gesetzgeber mit den nun klareren Vorschriften Rechnung getragen. Auf Seiten der Banken und Sparkassen sind insbesondere folgende Maßnahmen je nach Geschäftsumfang geboten:
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Kontrolle des Informationsflusses zwischen verschiedenen Organisationseinheiten und Tochtergesellschaften. Überwachung der Wertpapiergeschäfte der Mitarbeiter und des Vorstands der Bank. Führen eines Konfliktregisters zur Überwachung bestehender Kundenbeziehungen und potenzieller Transaktionen. Führen einer Insiderliste, die besonders sensible Insiderinformationen enthält und zur Überprüfung von ausgewählten Mitarbeiter- und Bankgeschäften dient.
Einzelheiten der praktischen Umsetzung dieser Anforderungen in Banken werden in Kapitel 18 – „Welche Interessenkonflikte haben Banken?“ detailliert beschrieben.
2.7 Transparenz bei Provisionszahlungen Aus Sicht des Gesetzgebers und der Finanzdienstleistungsindustrie nahm in Deutschland dieses Thema im Rahmen der Umsetzung der MiFID sehr breiten Raum ein. In einer sehr frühen Phase herrschte bei Banken die Vorstellung, diese Forderung der Europäischen Kommission nach weitgehender Offenlegung von Provisionszahlungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Wertpapieren und damit verbundenen Dienstleistungen werde später so im Gesetz nicht mehr auftauchen. Dies basierte nicht zuletzt auf der sehr allgemeinen Argumentation, dass bei Vermittlungstätigkeiten für andere Finanzprodukte, z.B. Kredite, eine derartige Offenlegung nicht existierte. Ferner wären bei einer derartigen Konstellation Unternehmen, die der Bankenaufsicht unterliegen und demzufolge die MiFID beachten müssen, gegenüber anderen Unternehmen, die andere Anlageproduktarten vermitteln, benachteiligt. Ein Immobilienmakler, der ein Objekt eines anderen Immobilienmaklers an einen Kunden vermittelt und von diesem Makler einen Teil der Maklercourtage erhält, muss dies dem Erwerber der Immobilie nicht gesondert offen legen. Demgegenüber muss eine Bank, die Wertpapierfonds einer Kapitalanlagegesellschaft vertreibt, den Kunden vor Vertragsabschluss darüber in Kenntnis setzen, dass sie von der emittierenden Kapitalanlagegesellschaft eine Provisionszahlung für die Vermittlung des Kunden bzw. den Verkauf des Fondsanteils erhält. Für die Banken führte die Erkenntnis, dass der europäische Gesetzgeber von dieser Vorschrift nicht abweichen wollte, zu erheblichen Aufwendun-
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gen, denn jede Bank, die Produkte Dritter an ihre Kunden verkauft, war gezwungen, sehr genau zu prüfen, wie die konkrete Offenlegung auszusehen hat, und über welche Arten und welchen Umfang von Provisionszahlungen hier im Einzelfall zu sprechen ist. Aufgrund der sehr heterogenen Vertriebsstruktur der einzelnen Banken wurden hier sehr unterschiedliche Lösungen entwickelt und bis jetzt umgesetzt. Allen gemeinsam ist die vom Gesetzgeber gestellte Anforderung, den Kunden umfassend vor Abschluss eines entsprechenden Geschäfts über relevante Provisionszahlungen zu informieren. In der Praxis erfolgt dies genau jedoch unterschiedlich. Da die meisten Kunden nur das Modell ihrer Bank kennen, werden in Kapitel 11 – „Umgang mit Provisionszahlung im Wertpapiergeschäft unter MiFID“ Modellvarianten dargestellt und einer ersten Einschätzung unterzogen. Auf dieser Basis kann jeder Bankkunde prüfen, ob der von seiner Bank eingeschlagene Weg der Offenlegung von Provisionszahlungen für ihn angemessen ist, oder ob er ggf. zukünftig noch mehr Informationen bei seiner Bank vor Geschäftsabschluss einfordern will.
2.8 Anlageberatung Die Anlageberatung stellt unverändert das zentrale Instrument der Banken dar, ihre Kunden über Chancen und Risiken bei Anlagen in Kapitalmarktprodukte umfassend zu informieren und sie sachgerecht zu beraten. Wenngleich es unverkennbar ist, dass die zunehmende technische Unterstützung mittels Internet gerade im Wertpapiergeschäft zu einer höheren Selbständigkeit bestimmter Anlegergruppen geführt hat, so ist aufgrund z.B. der gestiegenen Zahl von Zertifikaten der Beratungsbedarf unvermindert hoch, wenn nicht sogar ebenfalls gestiegen. Im Gesetz sind daher die Anforderungen an eine anleger- und objektgerechte Beratung präzisiert worden. Der Umstellungsaufwand zur Sicherstellung einer derartigen Anlageberatung ist dabei in den einzelnen Banken durchaus sehr unterschiedlich gewesen. Manche Banken hatten bereits in der Vergangenheit durch starke technische Unterstützung viele Informationen aus einzelnen Beratungsgesprächen mit den Kunden gespeichert. Andere Finanzdienstleister setzen sehr stark auf die persönlichen Informationen, die der einzelne Berater über einen längeren Zeitraum von seinen Kunden erhalten hat, und die nicht immer in Systemen technisch hinterlegt waren. So unterschiedlich die Ausgangslage der einzelnen Häuser aufgrund des individuellen Geschäftsmodells auch gewesen sein mag, zukünftig unterliegen die Banken bei der Anlageberatung erhöhten Mindestberatungs- und -dokumentations-
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anforderungen. Diese sind in Abschnitt 12 dieses Kapitels – „Dokumentation der Geschäftsvorfälle“ – näher beschrieben. Der einzelne Kunde wird zukünftig in der Beratungspraxis sicherlich – ggf. verärgert – feststellen, dass sein Kundenberater teilweise Informationen von ihm einfordert, die er ihm möglicherweise vor Jahren schon gegeben hatte. Andererseits sollte er auch wahrnehmen können, dass ihn sein Kundenbetreuer oder Wertpapierberater detaillierter über Chancen und Risiken einzelner Produkte informiert.
2.9 Best Execution Aus Sicht des Gesetzgebers und der Bankkunden stellt dieses Thema neben der Transparenz bei Provisionszahlungen sicherlich eines mit der höchsten Breitenwirkung dar. Während in der Vergangenheit der Bankkunde meist gar nicht wusste, wie seine Order ausgeführt wurde, erhielt er nun von seiner Bank oder Sparkasse eine teilweise sehr abstrakte, teilweise sehr detaillierte Aufstellung, welches Finanzinstrument an welchen Handelsplatz weitergeleitet wird. Die Einteilung reicht dabei von sehr groben Ansätzen wie Aktie, Rente, Fonds und Zertifikat über sehr detaillierte Ausführungen, die u.a. die Herkunft des jeweiligen Finanzinstruments berücksichtigen (Inland, Ausland), oder den Aspekt, ob die Bank an dem möglichen Handelsplatz selbst Mitglied ist. Vor MiFID wurden Wertpapieraufträge häufig als so genannte „i.w.Orders“ vom Kunden entgegengenommen. I.w. stand dabei für „Interesse wahrend“. Unter Börsianern kursiert noch als Witz die alternative Interpretation „irgend wie“ oder die Frage, welches Interesse wahrend, das des Kunden oder das der Bank. Nun, diese Alternativen gehören nach MiFID in weiten Teilen der Vergangenheit an, da Banken und Sparkassen ihren Kunden ihre eigenen „Ausführungsgrundsätze für Wertpapiergeschäfte“ – häufig als Best Execution Policy oder nur Execution Policy bezeichnet – zur Verfügung stellen müssen. Damit hat der Kunde nunmehr grundsätzlich initiale Informationen über das Routing seiner Wertpapieraufträge. Tatsächlich sieht das Gesetz eine Vielzahl von Kriterien vor, die bei der Weiterleitung von Wertpapierorders zu beachten sind, und räumt den Banken und Sparkassen die Möglichkeit einer unterschiedlichen Gewichtung dieser Kriterien ein. Erste Untersuchungen zeigen jedoch, dass etliche Finanzdienstleister zwar die vom Gesetz geforderten Kriterien in ihren Ausführungsgrundsätzen aufgezählt haben, zum Teil auch noch getrennt für
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Privatkunden und Professionelle Kunden, jedoch ohne Erläuterung ihrer Gewichtung. Tatsächlich ist für den Kunden so nicht durchgängig erkennbar, welche Bedeutung die einzelnen Kriterien bei der konkreten Orderausführung haben. Kapitel 14 trägt daher auch den provokanten Titel: „Best Execution immer und zu jedem Preis?“ Dort wird von einem Unternehmensberater beschrieben, wie Banken und Sparkassen diese für sie neue gesetzliche Anforderung umgesetzt haben, und es werden viele Fragen aufgeworfen, die sowohl Kunden von Finanzdienstleistern als auch Verantwortliche in Banken und Sparkassen für ihr eigenes Haus reflektieren sollten.
2.10 Kundenbeschwerden Das Recht des Kunden, sich zu beschweren, hatte er vor MiFID und natürlich auch danach. Durch die neuen gesetzlichen Rahmenvorgaben entsteht auf Seiten der Banken und Sparkassen nunmehr eine Verpflichtung gemäß § 33 Abs. 1 S. 2, Nr. 4 WpHG, o o o
wirksame und transparente Verfahren für eine angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden von Privatkunden vorzuhalten.
Jede Beschwerde sowie die zu ihrer Abhilfe getroffene(n) Maßnahme(n) sind zu dokumentieren. Dies bezieht sich allerdings „nur“ auf WpHGrelevante Beschwerden. In der betrieblichen Praxis bedeutet dies, dass – sofern ein Kreditinstitut bereits ein entsprechendes Beschwerdemanagement implementiert hatte – in den wenigsten Fällen Änderungsaufwand erforderlich sein wird. Lediglich die Banken, die heute noch kein durchgängiges Beschwerdemanagement haben, werden Anpassungen vornehmen müssen. Denkbar ist, dass einzelne Häuser nicht in allen Regionen oder für alle relevanten Produkte ein Beschwerdemanagement aufgesetzt haben. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die Dokumentation der Beschwerden hausintern einheitlich erfolgt. Für die praktische Umsetzung erscheint es sinnvoll, zwischen Beschwerden und Reklamationen zu differenzieren. Bei letzteren handelt es sich üblicherweise um Rückmeldungen oder Hinweise der Kunden. Diese können z.B. bedeuten, dass das falsche Konto oder Depot belastet wurde.
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Demgegenüber ist im Fall einer Beschwerde von einem bedeutungsvolleren Fehler des Kreditinstituts auszugehen, der Änderungsbedarf an bestehenden Prozessen mit sich bringen kann. Sicherlich ist dabei auch zu prüfen, inwieweit der Bearbeitungsfehler durch die Bank oder Sparkasse bzw. durch den Kunden verursacht wurde. Der Compliance-Beauftragte muss einmal jährlich einen Bericht an den Vorstand über die angefallenen Beschwerden bei Dienstleistungen mit WpHG-Bezug und deren Bearbeitung erstellen. Von daher sollte er ein starkes Interesse haben, dass ihm die meisten Informationen im Zusammenhang mit den einzelnen Beschwerden elektronisch und standardisiert zur Verfügung gestellt werden, nicht zuletzt auch im Hinblick auf eine einfache Nachvollziehbarkeit bzw. Überprüfbarkeit durch interne oder externe Prüfer. Für die Geschäftsführung jeder Bank oder Sparkasse stellt dieser Bericht nicht zuletzt ein Indiz dafür dar, inwiefern die verschiedenen MiFID-Anforderungen in der Praxis im eigenen Haus umgesetzt und beachtet wurden. Der Kunde wiederum darf davon ausgehen, dass seine Beschwerde – zumindest in statistischer Form – dem Vorstand zur Kenntnis gebracht wird.
2.11 Organisatorische Anforderungen Die sogenannten organisatorischen Anforderungen sind in § 33 WpHG sowie der WpDVerOV aufgezählt und nachfolgend zusammengefasst wiedergegeben: a) Angemessene Grundsätze aufstellen, Mittel vorhalten und Verfahren einrichten, damit das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seine Mitarbeiter den Verpflichtungen des Gesetzes nachkommen. b) Einrichten einer dauerhaften und wirksamen Compliance-Funktion. c) Angemessene Vorkehrungen treffen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen zu gewährleisten. d) Wirksame Vorkehrungen treffen, um Interessenkonflikte zu erkennen und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen zu vermeiden.
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e) Wirksame und transparente Verfahren für eine angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden durch Privatkunden schaffen. f) Mindestens jährliche Information an die Geschäftsleitung und das Aufsichtsorgan über die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze, Mittel und Verfahren, ob zur Behebung von Verstössen des Unternehmens oder seiner Mitarbeiter oder des Risikos eines solchen Ereignisses geeignete Maßnahmen ergriffen wurden. g) Überwachen und Bewerten der Angemessenheit und Wirksamkeit der in diesem Umfeld getroffenen organisatorischen Maßnahmen. Die unter a) und b) genannten Anforderungen wurden von den Banken und Sparkassen im Wesentlichen in entsprechenden, z.T. recht umfangreichen Implementierungsprojekten sichergestellt. Besondere Anstrengungen oblagen dabei sicherlich Kreditinstituten, die Europa- bzw. weltweit tätig sind, da sie sowohl ihre Kunden als auch ihre Mitarbeiter in diesen Regionen informieren bzw. schulen mussten. Eine Compliance-Funktion ist in vielen Kreditinstituten in Deutschland schon seit Jahren vorhanden. Änderungen ergaben sich hier hinsichtlich des zukünftigen Aufgabenumfangs dieser Funktion in Abgrenzung von anderen Funktionen in den Banken und Sparkassen. Die unter c) aufgeführten Anforderungen müssen Kreditinstitute heute bereits im Rahmen der Anforderungen an die Notfallplanung beachten. Sie bedeuten für sie daher keine grundsätzlich neue Anforderung. Die gesetzliche Forderung im Bereich des Interessenkonflikt-Managements d) stellt in Teilen eine Präzisierung der ohnehin schon in Deutschland bestehenden Anforderungen dar. Für die meisten Kreditinstitute war hier dennoch eine Überprüfung ihrer bestehenden Regelungen und Prozesse erforderlich. Die Anforderungen bezüglich des Beschwerdemanagements e) und deren Auswirkungen auf die Banken und Sparkassen ist im vorherigen Abschnitt bereits erläutert worden. Auch die Forderung unter f) nach einer jährlichen Berichterstattung an Vorstand und Aufsichtsgremien der Kreditinstitute über die Angemessenheit und Ausgestaltung der Prozesse und Ressourcen im Wertpapiergeschäft sowie deren Überwachung stellt für die meisten Häuser keine wirkliche Neuerung dar. Sicherlich wird der Umfang dieser Berichterstattung aufgrund der erweiterten Anforderungen der MiFID an Banken und Sparkassen zukünftig größer ausfallen. Der letzte Punkt g) sollte dazu führen, dass in Kreditinstituten alle in den Wertpapierhandelsprozess eingebundenen Bereiche darauf achten, dass die
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durch die MiFID nunmehr gesetzlich verankerten Anforderungen im Wertpapiergeschäft auch in ihrem Bereich beachtet werden. Es wird – je nach Größe der Bank – nicht ausreichen, diese Überprüfungsfunktion exklusiv auf den Compliance-Bereich zu übertragen. Funktionen wie Risikomanagement oder Revision und sicherlich der Handelsbereich selbst werden Teile dieser Überwachung und Bewertung der Angemessenheit und Wirksamkeit von nunmehr getroffenen organisatorischen Vorkehrungen zeitnah selbständig wahrnehmen müssen. Die jeweilige Grenzziehung dieser Aufgabenteilung wird in den einzelnen Häusern aufgrund des Umfangs und der Komplexität des Geschäfts sowie der regionalen Ausdehnung sicher sehr unterschiedlich ausfallen.
2.12 Dokumentation der Geschäftsvorfälle Der Wunsch vieler IT-Dienstleistungsunternehmen war, aufgrund von MiFID interessante und vor allem große IT-Projekte zu generieren. Die ITDienstleister waren schon in einer sehr frühen Phase aktiv, aus den diversen gesetzlichen Anforderungen der MiFID weitreichende Dokumentationsmanagement-Projekte abzuleiten. In der Tat stellt die MiFID in erheblichem Maße Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit von Geschäftsvorfällen im Wertpapiergeschäft. Die bisherige Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass eine Vielzahl von Banken und Sparkassen im Rahmen der Umsetzung der MiFID in ihren Häusern primär die geforderten Anforderungen beachten wollten und dies ganz überwiegend basierend auf der heutigen IT-Infrastruktur. Gerade vor dem Hintergrund des relativ kurzen Umsetzungszeitraums in Deutschland und der Tatsache weitreichender Kundeninformationen und Mitarbeitertrainings waren die Kreditinstitute gut beraten, die Komplexität der MiFID-Herausforderungen in ihrem unternehmensinternen MiFID-Projekt nicht noch durch weitreichende Änderungen in der Systemlandschaft, verbunden mit zusätzlichen Prozessänderungen zu erhöhen. Banken oder Sparkassen, die in der Zeit der Vorbereitung der MiFID-Umsetzung zum Teil ihren Wertpapierdienstleister wechselten oder Systemwechsel durchführen mussten, hatten Schwierigkeiten, alle relevanten unternehmensinternen Prozessänderungen zeitgerecht sicherzustellen. Die Anforderungen an die Dokumentation der Geschäftsvorfälle im Wertpapiergeschäft haben sich insbesondere in folgenden Bereichen mit Kundenbezug geändert:
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Klassifizierung des Kunden Kundenangaben, z.B. mittels WpHG-Bogen (enthält wesentliche Informationen über den Kunden: Vermögen, Anlageziele, Risikoneigung etc.) Informationen, die der Kunde vor Geschäftsabschluss erhalten hat Geeignetheits- und Angemessenheitstests Dokumentation der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, also z.B. ob eine Beratung stattgefunden hat, und welche Empfehlung abgegeben wurde (egal, ob ein Geschäft zustande gekommen ist oder nicht!) Dokumentation der getätigten Wertpapiergeschäfte bzw. Nichtausführungsanzeigen Informationen im Rahmen der Vermögensverwaltung
Die Mehrzahl der obigen Dokumentationserfordernisse erfüllen die Kreditinstitute schon seit geraumer Zeit. Jedoch haben sich durch die MiFID einige Änderungen in den zu erfassenden Unterlagen ergeben, so dass für einzelne Häuser durchaus in nennenswertem Umfang Anpassungsbedarf entstanden ist, nicht zuletzt durch die präziseren Anforderungen des Gesetzgebers. Neben den o.g. Dokumentationserfordernissen gibt es noch weitere Meldeerfordernisse, die eine entsprechende Dokumentation nach sich ziehen. Auf diese wird jedoch in diesem Buch nicht eingegangen. Der Autor, der die Besonderheiten der MiFID in Großbritannien beschreibt, widmet dem Sachverhalt der Dokumentation von Geschäftsvorfällen entsprechend breiten Raum. Er hat einige Workshops hierzu organisiert. Dabei wurde deutlich, dass die diversen Anforderungen rund um die Dokumentation von Geschäftsvorfällen für die verschiedenen Häuser durchaus unterschiedlich viel Aufwand mit sich gebracht haben. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Einführung der MiFID für die Banken und Sparkassen Veränderungsaufwand in vielen Bereichen der Wertschöpfungskette hervorgerufen hat.
2.13 Europäische und internationale Fragestellungen Bei diversen Themen, die in diesem Buch angesprochen werden, bestehen innerhalb der Europäischen Union derzeit noch Unterschiede. Dies hängt zum Teil mit den unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten zusam-
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men, die die Europäische Kommission im Richtlinienteil der MiFID bewusst den nationalen Gesetzgebern eingeräumt hat. Zum Teil sind diese Unterschiede der Tatsache geschuldet, dass in den einzelnen Ländern der Europäischen Union eine unterschiedliche Praxis im Wertpapiergeschäft besteht. Als Beispiel sei erwähnt, dass es in Deutschland noch sieben regionale Wertpapierbörsen gibt, während in anderen Ländern nur (noch) eine amtliche Wertpapierbörse betrieben wird. Umgekehrt kannte man in Großbritannien eine Klassifizierung von Kunden schon lange, während sie im übrigen Europa nicht üblich war. Das Kapitel 4 – „Besonderheiten in Großbritannien“ schildert sehr anschaulich, welche Unterschiede zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien bestehen. Der Bankenplatz Luxemburg hat sich in Europa für ausgewählte Bankdienstleistungen ebenfalls eine besondere Stellung erarbeitet. Konsequenterweise bedeutete die Umsetzung der MiFID für dieses Land und seine Finanzdienstleistungsindustrie ebenfalls sehr spezifische Anpassungen. Diese werden in Kapitel 3 – „Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? Ein Vergleich am Beispiel Luxemburg – Deutschland“ sehr genau beschrieben, da der Autor die Anforderungen beider Länder gut kennt und bei der operativen Umsetzung in einer Luxemburger Bank als Teil im Konzern einer deutschen Bank immer die Anforderungen beider Länder im Auge behalten musste. Neben diesen detaillierten Vergleichen innerhalb Europas sei der Vollständigkeit halber an dieser Stelle erwähnt, dass z.B. Japan ein mit MiFID vergleichbares Gesetz zum 30. September 2007 implementiert hat (Financial Instruments and Exchange Law of Japan, “FIEL”). Hierbei hatten japanische Banken wesentlich weniger Zeit, sich vorzubereiten. Unglücklicherweise weichen jedoch die Anzahl der Kundenklassifizierungen (in Japan vier) und deren Bezeichnungen von denen der MiFID ab. Besonders unglücklich ist dabei, dass der sog. „Professional Investor“ in Japan die Gruppe mit dem geringsten Schutzniveau darstellt, während der „Professionelle Kunde“ im MiFID-Verständnis doch deutlich mehr Informationsund Schutzrechte genießt. Das stellt für international operierende Banken eine zusätzliche Herausforderung dar, die sie in ihren IT-Systemen letztendlich berücksichtigen müssen. Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, dass auch andere Gesetzgeber auf der einen Seite die Notwendigkeit des Schutzes von Bankkunden im Wertpapiergeschäft als wichtig erachten. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass sie keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen europäischen und japanischen Banken zu Lasten der japanischen Banken wünschen. Es sollte vor diesem Hintergrund niemanden wundern, wenn in anderen großen Wirtschafts- und Rechtsräumen ähnliche Gesetze
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mit einer vergleichbaren Motivation des Gesetzgebers verabschiedet werden.
2.14 Ausblick Die bisherigen Ausführungen sollten deutlich machen, dass die MiFID und mit ihr einhergehend die gesetzliche Umsetzung in Deutschland im Rahmen des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes bei den Finanzdienstleistungsunternehmen zu einer Vielzahl von Anpassungen geführt hat. Die Auswirkungen sind dabei aufgrund des differenzierten Dienstleistungsangebots einerseits und des unternehmensspezifischen Geschäftsfokus andererseits in der Praxis sicher sehr unterschiedlich gewesen. Auch in der Kommunikation gegenüber dem Bankkunden hat sich hier bis heute noch kein einheitlicher Standard herausgebildet. Direktbanken und Online-Broker gestehen ihren Kunden eher ein breit angelegtes Wissen bzw. Erfahrungen in Wertpapiergeschäften zu und trauen ihnen durchaus eigene Entscheidungen z.B. über die Auswahl von Börsenplätzen zu. Demgegenüber setzen Banken mit ausgeprägtem Filialnetz und persönlichem Kundenkontakt nach wie vor auf eine umfassende Anlageberatung, die den Kunden mit seinen gesamten Anlage- und Finanzierungsbedürfnissen erfasst. In dem Maße, in dem diese Anlageberatung, nicht zuletzt auch durch die Anforderungen der MiFID, strukturiert und standardisiert erfolgt, gewinnt der Anlageberater Freiräume für zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten. Vor dem Hintergrund der Aktualisierung von Informationen über den Kunden, seine Erfahrungen und Anlageziele wird in den ersten ein bis zwei Jahren nach Inkrafttreten der MiFID in Deutschland sicherlich Zusatzaufwand bei Banken und Sparkassen entstehen, um die zusätzlichen Informations- und Aufklärungsverpflichtungen gegenüber dem Kunden zu erfüllen, und die durchaus berechtigten Fragen der Kunden umfassend und sachgerecht zu beantworten. Im Ergebnis wird der geübte Anlageberater mit erfahrenen Kunden mit umfangreichen Anlagebedürfnissen auf Dauer mehr Geschäfte durchführen können, zumal mit fortschreitendem Wettbewerb die Transaktionskosten im Wertpapiergeschäft weiter sinken werden. Dies wiederum kann ein Mehr an Transaktionen sowohl für den professionellen Kunden als auch für den Privatkunden sinnvoll erscheinen lassen. In dem so verstandenen
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Sinn können und sollten nach einer gewissen Umstellungsphase sowohl die Finanzdienstleistungsindustrie als auch deren Kunden von der Einführung der MiFID profitieren.
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? Ein Vergleich am Beispiel Luxemburg – Deutschland
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3.1 Einleitung Eines der Hauptanliegen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) ist es, ein für Anleger einheitlich hohes Schutzniveau bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu gewährleisten, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) die Dienstleistung erbracht wird bzw. aus welchem Land der Anleger kommt. Anleger sollen bei der Inanspruchnahme einer Wertpapierdienstleistung im Rahmen des Kaufs oder Verkaufs von Aktien, Anleihen, Fondsanteilen oder Derivaten 1 gemeinschaftsweit ein gleich hohes Schutzniveau genießen, egal, ob die Dienstleistung beispielsweise in Deutschland oder in Luxemburg erbracht wird, und auch unabhängig davon, ob Anleger aus einem Mitgliedstaat oder aus einem Drittstaat die Dienstleistung in Anspruch nehmen. Die MiFID ist eine Fortentwicklung der Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen (Wertpapierdienstleistungsrichtlinie), mit der einheitliche Bedingungen festgelegt wurden, nach denen Banken 2 in der EU Wertpapierdienstleistungen unter Berücksichtigung des Anlegerschutzes erbringen 1
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Zu weiteren Finanzinstrumenten, die in den Anwendungsbereich der MiFID fallen, vgl. Anhang I, Abschnitt C MiFID. Wenn im Folgenden von dem untechnischen Begriff „Bank“ die Rede ist, wird dieser als Synonym für ein Kreditinstitut gebraucht, das Wertpapierdienstleistungen erbringt. Das soll aber nicht den Blick dafür verstellen, dass die Pflichten gleichfalls für andere Personen gelten, die von der Definition des Begriffs Wertpapierfirma in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1, 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A MiFID umfasst sind, z.B. unabhängige Vermögensverwalter.
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dürfen 3. Mit der MiFID werden diese Grundlagen aufgegriffen und durch Konkretisierungen weiterentwickelt. Dies war nach Ansicht des EUGesetzgebers notwendig geworden, da das Angebot an Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumenten in der Gemeinschaft an Komplexität und Umfang stetig zunahm. Gleichzeitig waren erhöhte Anlegeraktivitäten zu beobachten 4. Mit diesem Beitrag wird im Rahmen einer ersten Bestandsaufnahme 5 anhand eines Vergleichs am Beispiel Luxemburg – Deutschland der Frage nachgegangen, inwiefern ausgewählte rechtliche Vorgaben der MiFID einheitlich Eingang in das jeweilige nationale Recht und in die Praxis der Banken gefunden haben. Dazu wird zunächst ein Überblick über die relevanten EU-Regelungen und Umsetzungsakte gewährt (dazu 3.2). Sodann werden anhand von Beispielen die jeweiligen nationalen Regelungen unter Berücksichtigung von Auswirkungen für die Praxis gegenübergestellt (dazu 3.3 bis 3.6). Der Beitrag schließt mit einem Resümee (dazu 3.7).
3.2 Die EU-Vorgaben und ihre Umsetzung in Deutschland und Luxemburg Die Vorschriften zur MiFID sind auf Gemeinschaftsebene im Wege des mehrstufigen Lamfalussy-Verfahrens 6 ergangen. Ziel des Verfahrens ist es, eine zügige EU-Gesetzgebung zu erreichen. Das geschieht, indem der Gemeinschaftsgesetzgeber im ersten Schritt mit einer Rahmenrichtlinie einen Rechtsrahmen vorgibt, der im zweiten Schritt eine technische Konkretisierung auf Basis von Durchführungsmaßnahmen erfordert. Als Durchführungsmaßnahmen kommen Durchführungsrichtlinien und Durchführungsverordnungen in Betracht. Während Durchführungsrichtlinien noch einer Umsetzung in nationales Recht durch die Mitgliedstaaten bedürfen, beispielsweise durch ein Umsetzungsgesetz, sind Durchführungsverordnungen unmittelbar, ohne nationale Umsetzungsakte, in den Mitgliedstaaten anzuwenden. Dies hat zur Folge, dass bei der Umsetzung einer Durchfüh3 4 5
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Erwägungsgrund 1 MiFID. Erwägungsgrund 2 MiFID. Aufgrund der noch jungen Geschichte der MiFID in der praktischen Anwendung, soll der Beitrag einen ersten Eindruck von der MiFID-Umsetzung in zwei Mitgliedstaaten vermitteln. Er stellt keine abschließende rechtsvergleichende oder empirische Studie dar. Siehe ausführlich: www.ec.europa.eu/internal_market/securities/lamfalussy.
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 35
rungsrichtlinie Spielraum für die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten der Mitgliedstaaten bleibt 7, während bei einer Durchführungsverordnung eine gemeinschaftsweit einheitliche Umsetzung im Detail, das heißt ohne etwaige Nuancen in einzelnen Mitgliedstaaten, angestrebt wird. Der EU-Gesetzgeber hat zur Konkretisierung der Rahmenrichtlinie 8 MiFID beide Instrumente verwendet. Maßgeblich für diesen Beitrag sind die in der Durchführungsrichtlinie enthaltenen organisatorischen Anforderungen und die Bestimmungen für die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen. In einem dritten Schritt hat das Committee of European Securities Regulators (Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden) Leitlinien für die auf nationaler Ebene zu verabschiedenden Verwaltungsvorschriften sowie Empfehlungen zu Auslegungsfragen veröffentlicht. Diese Maßnahmen haben zum Ziel, eine einheitliche Umsetzung der MiFID in den Mitgliedstaaten zu fördern. In Deutschland sind die hier interessierenden Vorgaben durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) im Wesentlichen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) und in der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) umgesetzt worden. Die im Zusammenhang mit diesen Vorschriften stehenden bislang einschlägigen Richtlinien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Wohlverhaltens-Richtlinie, die Compliance-Richtlinie und die Mitarbeiter-Leitsätze, wurden mit Schreiben vom 23. Oktober 2007 zum 1. November.2007 aufgehoben und sind in den vorgenannten Umsetzungsakten, insbesondere in der WpDVerOV aufgegangen 9. Insoweit gibt es bislang keine darüber hinausgehenden Auslegungs- und Interpretationsleitlinien 10.
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Vgl. hierzu die Erwägungsgründe der Kommission unter 2.2. der „Background Notes“ zur DRiL. 8 Auch die Rahmenrichtlinie lässt zum Teil Spielraum für nationale Besonderheiten, vgl. die Aufstellung zur Umsetzung in einem Dokument, das von dem Committee of European Securities Regulators (CESR) im Oktober 2007 herausgegeben wurde: „Overview of national options and discretions under MiFID Level 1 – Dir. N. 2004/39/EC“, abrufbar unter www.cesr-eu.org. 9 Das Schreiben vom 23. Oktober 2007 enthält den Hinweis, dass die Compliance-Richtlinie und die Mitarbeiter-Leitsätze mit leichten Modifikationen weiterhin im Sinne eines „best practice“ zur Auslegung herangezogen werden können. 10 Diese Aussage bezieht sich nur auf die genannten Maßnahmen der BaFin. Aussen vor bleibt z.B. das Schreiben der BaFin vom 21. Dezember 2007 zur Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 S. 4, 34b WpHG in Verbindung mit der Finanzanalyseverordnung.
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Der luxemburgische Gesetzgeber erließ das MiFID-Umsetzungsgesetz 11 vom 13. Juli 2007, mit dem er neben anderen Gesetzen das Gesetz vom 5. April 1993 über den Finanzsektor (Finanzsektorgesetz) 12 anpasste, das die Zulassung und Berufspflichten von Kreditinstituten regelt. Mit gleichem Datum wurde u.a. 13 eine großherzogliche MiFID-Verordnung 14 über die organisatorischen Anforderungen und Verhaltensregeln des Finanzsektors erlassen. Darüber hinaus hat die Luxemburger Aufsichtsbehörde Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) mehrere Rundschreiben veröffentlicht, von denen für den Beitrag das Rundschreiben CSSF 07/307 (MiFID-Rundschreiben) 15 interessieren soll 16.
3.3 Erforderlichkeit einer schriftlichen Rahmenvereinbarung bei Dienstleistungen, die nicht Anlageberatung sind Max Muster ist sowohl bei der D-Bank, die ihren Sitz in Deutschland hat, als auch bei der L-Bank, die ihren Sitz in Luxemburg hat, Neukunde 17. Er 11
Loi du 13 juillet 2007 relative aux marchés d’instruments financiers […], Mémorial A vom 16. Juli 2007, No. 116, p. 2076. 12 Loi modifée du 5 avril 1993 relative au secteur financier. 13 Eine weitere Verordnung regelt beispielsweise die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung, Règlement grand-ducal du 13 juillet 2007 relatif à la tenue d'une cote officielle pour instruments financiers […], Mémorial A vom 16. Juli 2007, No. 116, p. 2128. 14 Règlement grand-ducal du 13 juillet 2007 relatif aux exigences organisationnelles et aux règles de conduite dans le secteur financier […], Mémorial A vom 16. Juli 2007, No. 116, p. 2134. Die hier gewählte Bezeichnung MiFIDVerordnung soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Verordnung über den Regelungsrahmen der MiFID hinaus weitere organisatorische Anforderungen und Verhaltensregeln des Finanzsektors geregelt sind und diesen daher neben dem Regelungsrahmen der MiFID eine grundsätzliche Bedeutung für die Tätigkeit von Kreditinstituten zukommt. 15 Mit der Veröffentlichung des MiFID-Rundschreibens wurde das Rundschreiben CSSF 2000/15 über die Verhaltensregeln des Finanzsektors aufgehoben. 16 Das Rundschreiben sowie die weiteren bislang veröffentlichten MiFIDRundschreiben CSSF 07/302, 07/305, 07/306, 07/325, 07/326 können unter www.cssf.lu abgerufen werden. 17 Die Bezeichnungen „D-Bank“ und „L-Bank“ dienen als Lesehilfe und sollen den Bezug zum jeweiligen Sitz der Bank erleichtern; Ähnlichkeiten zu existierenden Banken sind dabei rein zufälliger Natur.
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 37
wird von beiden Banken als Kleinanleger 18 eingestuft und möchte jeweils Aktien-Optionsscheine ohne vorherige Anlageberatung erwerben. Nach den gesetzlichen Vorgaben in Deutschland und in Luxemburg müssen die beiden Banken vor Ausführung des Auftrags mit Max Muster eine schriftliche Rahmenvereinbarung abschließen, die (mindestens) 19 die beiderseitigen wesentlichen Rechte und Pflichten enthält 20. In der Praxis stellt sich die Frage, ob es sich bei der Rahmenvereinbarung um ein von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unterschiedliches Dokument handeln muss. Insbesondere dann, wenn alle wesentlichen Rechte und Pflichten bereits in den AGB enthalten sind, erscheint dies zweifelhaft. Der Mehrwert einer weiteren Vereinbarung für das Schutzniveau von Max Muster bei der Inanspruchnahme einer Wertpapierdienstleistung ist nicht erkennbar. Der deutsche Gesetzgeber scheint davon auszugehen, dass es Bedarf für eine zusätzliche Vereinbarung gibt. Darauf deutet der im Vergleich zur europarechtlichen Vorgabe eher beiläufige Hinweis im Gesetzestext hin, dass in anderen Dokumenten oder Rechtstexten normierte oder vereinbarte Rechte und Pflichten durch Verweis in die Rahmenvereinbarung einbezogen werden können 21. Damit entsteht der Eindruck, dass die so einbezogenen Rechte und Pflichten lediglich eine Teilmenge der wesentlichen Rechte und Pflichten bildet, die es nach Art. 39 der Durchführungsrichtlinie (DRiL) in einer schriftlichen Rahmenvereinbarung zu regeln gilt. Anders als in der Regelungssystematik des Art. 39 DRiL gibt es keinen direkten Bezug zu den wesentlichen Rechten und Pflichten, die durch Verweis auf andere Dokumente in die Rahmenvereinbarung aufgenommen werden können. Insoweit bringt die Gesetzesbegründung Licht ins Dunkle, indem sie unter Bezugnahme auf Art. 39 Satz 2 DRiL klarstellt, dass ein Verweis auf andere Dokumente hinsichtlich der wesentlichen Rechte und Pflichten zulässig ist 22.
18
Im Folgenden wird durchgängig der Begriff „Kleinanleger“ im Sinne der MiFID verwendet. Im FRUG und demzufolge im WpHG wird als Synonym der Begriff „Privatkunde“ verwendet. 19 § 34 Abs. 2 S. 2 WpHG. 20 § 34 Abs. 2 S. 2 WpHG; Art. 37-3 Abs. 7 S. 1 Finanzsektorgesetz i.V.m. Art. 45 MiFID-Verordnung. 21 § 34 Abs. 2 S. 3 WpHG. 22 BT-Drucks. 1640/28, S. 75.
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Entgegen der deutschen Regelung und entsprechend Art. 39 DRiL enthält die luxemburgische Regelung den beschriebenen direkten Bezug zu den wesentlichen Rechten und Pflichten. Zusätzlich gibt es in Luxemburg eine Auslegungshilfe der Aufsichtsbehörde. Die CSSF stellt in Ziffer 131 des MiFID-Rundschreibens klar, dass die AGB den Anforderungen an eine schriftliche Rahmenvereinbarung gegebenenfalls genügen können. Dies dürfte immer dann der Fall sein, wenn die AGB die wesentlichen Rechte und Pflichten von Kunde und Bank in ausreichendem Maße enthalten und wirksam vereinbart wurden. Unterstellt, die AGB der L-Bank erfüllen diese Voraussetzung, kann Max Muster Aktien-Optionsscheine ohne den vorherigen Abschluss einer zusätzlichen schriftlichen Rahmenvereinbarung erwerben. Für den Fall, dass die AGB der D-Bank ebenfalls die wesentlichen Rechte und Pflichten von Kunde und Bank enthalten, dürfte nach dem Sinn und Zweck der Regelung eine vergleichbare Wertung zulässig sein. Das heißt, auch bei der D-Bank wäre für Max Muster ein Erwerb der AktienOptionsscheine ohne eine zusätzliche schriftliche Rahmenvereinbarung möglich. Nach allem kann bei Neukunden auf eine zusätzliche schriftliche Rahmenvereinbarung im Falle einer Dienstleistungserbringung, die nicht Anlageberatung ist, verzichtet werden, sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg. Dies setzt voraus, dass, die AGB Bestimmungen enthalten, die die Rechte und Pflichten von Kunde und Bank hinreichend regeln.
3.4 Informationspflichten Max Muster möchte sowohl bei der D- als auch bei der L-Bank weitere Aktien-Optionsscheine erwerben, diesmal unter Inanspruchnahme einer Anlageberatung. Daneben möchte er einen Teil seines Vermögens sowie einen Teil des Vermögens der Max Muster AG, deren Vorstandsvorsitzender er ist, im Rahmen einer Vermögensverwaltung investieren. Er interessiert sich für eine chancenorientierte Standardstrategie, bei der erhebliche Verluste möglich sind. Um Max Muster bzw. der Max Muster AG das von der MiFID geforderte hohe Kundenschutzniveau zu gewährleisten, müssen die beiden Banken vor der Dienstleistungserbringung verschiedene Informationspflichten er-
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 39
füllen. Unterscheiden lässt sich die Pflicht zur Einholung von Informationen über den Kunden von der Pflicht zur Information des Kunden über die relevante Dienstleistung 23. Aus Sicht der Banken lässt sich die erstgenannte Pflicht, untechnisch gesprochen, als „Holschuld“ (dazu 3.4.1) und die zweitgenannte Pflicht als „Bringschuld“ (dazu 3.4.2) charakterisieren. 3.4.1 Information über den Kunden zur Durchführung einer Geeignetheitsprüfung Der Umfang der von Banken einzuholenden Kundeninformationen im Rahmen einer Geeignetheitsprüfung 24 hängt davon ab, ob die Bank einen Kunden als Kleinanleger oder als professionellen Kunden einstuft. Stufen beide Banken Max Muster als Kleinanleger ein, sind sie verpflichtet, im Rahmen der Anlageberatung und bei der Vermögensverwaltung zu prüfen, ob eine Investition in Aktien-Optionsscheine bzw. eine chancenorientierte Anlagestrategie für den Kunden geeignet ist 25. Dabei wird geprüft, ob das Finanzinstrument bzw. die Anlagestrategie zu ihm passt. Maßgeblich hierfür sind seine Kenntnisse und Erfahrungen, seine Anlageziele und sein finanzieller Hintergrund. Um diese Prüfungen sachgerecht durchzuführen, benötigen die Banken bestimmte Informationen von Max Muster. Ihn trifft insoweit keine Pflicht, Informationen von sich preiszugeben. Verweigert er aber relevante Informationen, kann es passieren, dass die Banken die Dienstleistung nicht erbringen können. Im MiFID-Zeitalter ist es Banken gesetzlich untersagt, Anlageberatung zu erbringen oder im Rahmen der Vermögensverwaltung eine Anlagestrategie zu empfehlen, wenn der Kunde relevante Informationen verweigert bzw. die Bank diese nicht auf andere Weise erlangt 26.
23
Weitere Informationspflichten, wie beispielsweise über Kosten und Nebenkosten sowie über die Gewährung oder den Empfang von Zuwendungen, bleiben aus Platzgründen außen vor. 24 Die im Rahmen eines beratungsfreien Geschäfts durchzuführende Angemessenheitsprüfung bleibt für die Zwecke des Beitrags unberücksichtigt. 25 Für die D-Bank folgt die Pflicht aus § 31 Abs. 4 WpHG, für die L-Bank aus Art. 37-3 Abs. 4 Finanzsektorgesetz, Art. 41 Abs. 2 MiFID-Verordnung. 26 Art. 35 Abs. 5 DRiL; § 31 Abs. 4 S. 3 WpHG; Art. 41 Abs. 6 MiFID-Verordnung, Ziffer 54 MiFID-Rundschreiben.
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Die Max Muster AG wird von beiden Banken als professioneller Kunde 27 eingestuft 28. Während es für die D-Bank nach den gesetzlichen Vorgaben bei der Geeignetheitsprüfung ausreicht zu prüfen, ob die von der Max Muster AG gewünschte chancenorientierte Anlagestrategie im Rahmen der Vermögensverwaltung mit ihren Anlagezielen übereinstimmt, ist die L-Bank darüber hinaus gehalten zu prüfen, ob die aus der Anlagestrategie erwachsenden hohen Verlustrisiken für die Kundin finanziell tragbar sind. Der für die D-Bank maßgebliche § 31 Abs. 9 S. 1 WpHG regelt, dass Banken bei professionellen Kunden davon ausgehen können, dass sie etwaige aus der Vermögensverwaltung oder der Anlageberatung resultierenden Risiken, entsprechend ihren Anlagezielen, finanziell tragen können, und somit eine Geeignetheitsprüfung nur hinsichtlich der Vereinbarkeit einer Strategie mit den Anlagezielen des Kunden zu erfolgen hat 29. Der luxemburgische Gesetzgeber hat indes diese Erleichterung – in Übereinstimmung mit den MiFID-Vorgaben 30 – zwar für die Anlageberatung, nicht aber für die Vermögensverwaltung vorgesehen. Gemäß Art. 41 Abs. 3 S. 2 MiFID-Verordnung können Banken lediglich bei der Anlageberatung für professionelle Kunden davon ausgehen, dass sie etwaige Risiken finanziell tragen können. Für die Vermögensverwaltung fehlt eine entsprechende 27
Die Ausführungen dieses Abschnitts gelten nur für geborene professionelle Kunden. Das Gesetz kennt einerseits professionelle Kunden, die diesen Status quasi automatisch kraft Erfüllung gesetzlicher Vorgaben haben (geborene professionelle Kunden) und andererseits professionelle Kunden, die diesen Status nur auf Antrag und nach Entscheidung der Bank bekommen, weil diese Kunden bestimmte Kriterien erfüllen (gekorene professionelle Kunden). 28 Die Max Muster AG ist ein nicht zulassungs- oder aufsichtspflichtiges Unternehmen und erfüllt zwei der nachfolgenden drei gesetzlichen Kriterien: Bilanzsumme größer als 20 Mio. Euro, mehr als 40 Mio. Euro Umsatzerlöse, mehr als 2 Mio. Euro Eigenmittel, vgl. MiFID Anhang II, I Nr. 2; § 31a Abs. 2 Nr. 2 WpHG; Art. 1 Abs. 5 i.V.m. Anhang III Abschnitt A Abs. 2 Finanzsektorgesetz. 29 Der deutsche Gesetzgeber übergeht in der Gesetzesbegründung die gewollte oder nicht gewollte Auslassung des Richtliniengebers, indem er ausführt, dass nach den Vorgaben in Art. 35, 36 DRiL davon auszugehen sei, dass sowohl bei der Anlageberatung als auch bei der Vermögensverwaltung professionelle Kunden die finanzielle Tragbarkeit der Anlagerisiken einschätzen können, vgl. BTDrucks. 16/4028, S. 65; ebenfalls ohne Problembewusstsein Weichert/Wenninger, WM 2007, S. 627, 631. 30 Artikel 35 Abs. 2 Satz 2 DRiL regelt eine Erleichterung hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung lediglich bei der Anlageberatung. Nur bei der Anlageberatung sollen Banken berechtigt sein, bei professionellen Kunden davon auszugehen, dass etwaige mit dem Vorgang einhergehende Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind.
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 41
Regelung. Auch die CSSF weist in Ziffer 56 Satz 4 MiFID-Rundschreiben darauf hin, dass bei professionellen Kunden bei der Inanspruchnahme von Vermögensverwaltungsdienstleistungen im Rahmen einer Geeignetheitsprüfung sowohl die Übereinstimmung der Anlagestrategie mit den Zielen des Kunden als auch seine finanziellen Möglichkeiten, die mit der Anlagestrategie verbundenen Risiken zu tragen, zu bewerten sind. Für die L-Bank folgt daraus, dass sie neben den Anlagezielen – soweit erforderlich – auch Informationen zu den finanziellen Verhältnissen der Max Muster AG, so zum Beispiel zur Ertragssituation, zum Anlagen- und Immobilienbesitz und zu etwaigen regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen erfragen muss. Macht die Max Muster AG hierzu keine ausreichenden Angaben, kann die L-Bank gesetzlich gezwungen sein, die Dienstleistung zu verweigern. Zwar könnte sich die L-Bank in einem solchen Fall darauf beschränken, nur auf Basis der der Verwaltung unterliegenden Vermögenswerte die Risikotragfähigkeit der Kundin zu beurteilen. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten. Die Bank hat gerade keinen Überblick dahingehend, ob die Max Muster AG die in die Vermögensverwaltung eingebrachten Werte für spekulative Anlagen erübrigen kann, oder ob sie etwa aufgrund einer hohen Kreditinanspruchnahme eher auf einen Erhalt der eingebrachten Werte angewiesen ist. Die Max Muster AG findet demnach bei der Inanspruchnahme von Vermögensverwaltungsdienstleistungen bei der L-Bank in Luxemburg zumindest gesetzlich ein höheres Schutzniveau vor als bei der D-Bank in Deutschland 31. 3.4.2 Informationen über Finanzinstrumente und deren Risiken Haben die beiden Banken die Geeignetheit von Aktien-Optionsscheinen für Max Muster bejaht, sind sie ferner verpflichtet, dem Kunden ausrei31
Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob professionellen Kunden im Schadensfall ein gemeinschaftsrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer EU-Richtlinie gegen Deutschland zustünde, würde den Rahmen der Darstellung sprengen. Zum gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruch und dessen Voraussetzungen vgl. Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Auflage, Neuwied, Kriftel, Berlin 1996, Rz. 370 ff. Ebenso kann an dieser Stelle keine Auseinandersetzung mit der Frage erfolgen, ob es sich bei dem Umstand, dass sich Art. 35 Abs. 2 S. 2 DRiL lediglich auf Anlageberatung und nicht auch auf Vermögensverwaltung erstreckt, möglicherweise um ein redaktionelles Versehen des europäischen Gesetzgebers handelt.
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chende Informationen über diesen Wertpapiertyp einschließlich der damit verbundenen möglichen Risiken bei einer Anlage zukommen zu lassen. Die für die D-Bank relevante Regelung findet sich in § 31 Abs. 3 WpHG, wonach Banken verpflichtet sind, Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Kunden sollen in die Lage versetzt werden, die Art und die Risiken der nachgefragten Typen von Finanzinstrumenten zu verstehen und auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidung zu treffen. Die Informationen, die u.a. die Arten von Finanzinstrumenten einschließlich damit verbundener Risiken enthalten müssen, können auch in standardisierter Form 32, das heißt mit Hilfe der Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren, vermittelt werden 33. Die Basisinformationen dürften nach ihrer Überarbeitung den MiFID-Vorgaben auch insoweit entsprechen, als Kunden neben der Beschreibung verschiedener Arten von Finanzinstrumenten eine hinreichende Risikobeschreibung vorfinden. So findet Max Muster in den Basisinformationen neben einer Beschreibung der grundsätzlichen Funktionsweise von Optionen eine nachvollziehbare Beschreibung von Aktien-Optionsscheinen, erläutert anhand von Beispielen. Ausführliche Darstellungen einzelner Risiken wie z.B. das allgemeine Kursrisiko, Verlustrisiken durch Kursveränderungen des Basiswerts, durch Veränderungen der Volatilität des Basiswerts, durch Zeitwertverfall und das Emittentenrisiko werden in ihren Auswirkungen auf den Wert von Optionsscheinen erläutert. Max Muster dürfte auf Grundlage dieser Informationen – wie von den Regelungen der MiFID gefordert – in der Lage sein, eine fundierte Anlageentscheidung zu treffen. Vergleichbare Vorgaben für die L-Bank folgen aus Art. 37-3 Abs. 3 Finanzsektorgesetz i.V.m. Art. 36 Abs. 2, 3 MiFID-Verordnung. 32
Mit dieser Regelung hat die bisher von der BaFin vertretene Ansicht, dass es ausreiche, Kunden in standardisierter Form mit Hilfe der Basisinformationen über Risiken, die mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten verbunden sind, aufzuklären, eine gesetzliche Grundlage bekommen; zur Ansicht der BaFin vgl. Koller unter Verweis auf Nr. 2.2.I.1. der aufgehobenen WohlverhaltensRichtlinie in Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 4. Auflage, Köln 2006, § 31 Rz. 119. 33 Zu der Frage, ob in Deutschland aufgrund des sogenannten „Bond-Urteils“ des BGH zusätzlich noch eine Aufklärung über die Risiken des konkreten Finanzinstruments zu leisten ist, vgl. die Ausführungen bei Mülbert, WM 2007, S. 1149, 1157.
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 43
Anders als in Deutschland ist in Luxemburg ein den Basisinformationen vergleichbarer Standard nicht auszumachen. Vereinzelt kommt ein sogenannter Guide de l’investisseur (eine Art Anlageratgeber) zum Einsatz, dessen Aufbau und Inhalt von Institut zu Institut unterschiedlich ist. Einige dieser Ratgeber sind insbesondere hinsichtlich der Beschreibung einzelner Finanzinstrumente und der damit verbundenen Risiken nicht so umfangreich und selbsterklärend wie die deutschen Basisinformationen. Unterstellt, die L-Bank setzt einen solchen Guide de l’investisseur ein, findet Max Muster lediglich eine knappe Auflistung der Optionsscheinarten. Nach einer Beschreibung der Funktionsweise von Aktien-Optionsscheinen und einer ausführlichen Beschreibung der damit verbundenen Risiken sucht er vergeblich 34. Daher erscheint es fraglich, ob Max Muster in der Lage ist, allein auf Basis des von der L-Bank ausgehändigten Guide de l’investisseur eine Anlageentscheidung auf fundierter Grundlage zu treffen. Um auf Nummer sicher zu gehen, dürfte die L-Bank daher nicht umhinkommen, Max Muster zusätzliche Informationen an die Hand zu geben, die eine hinreichende Beschreibung der Funktionsweise von AktienOptionsscheinen enthalten, einschließlich der mit einer Investition verbundenen wesentlichen Risiken 35.
3.5 Berichtspflichten bei der Vermögensverwaltung D- und L-Bank sind verpflichtet, bei der Erbringung von Vermögensverwaltungsdienstleistungen für Max Muster periodisch Bericht zu erstatten. Im Folgenden werden zwei mögliche Bestandteile eines periodischen Berichts diskutiert. 3.5.1 Vergleichsgröße In der Praxis stellt sich die Frage, ob die Banken bei Standardstrategien verpflichtet sind, in den periodischen Berichten für Max Muster eine Vergleichsgröße („Benchmark“) anzugeben, damit dieser die Leistung der Vermögensverwaltung besser einschätzen kann. 34
Der Guide de l’investisseur einiger Banken enthält einen Hinweis, dass die Liste der besprochenen Finanzinstrumente und der damit verbundenen Risiken nicht abschließend ist. 35 Ob der Informationspflicht über die AGB nachgekommen werden kann, muss bezweifelt werden.
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Auf den ersten Blick scheint die Antwort auf der Hand zu liegen. Sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg sehen die gesetzlichen Regelungen in Übereinstimmung mit der Gemeinschaftsvorgabe vor, dass ein Vergleich der Wertentwicklung während des Berichtszeitraums und der Vergleichsgröße nur dann anzugeben ist, falls eine solche zwischen den Banken und dem Kunden vereinbart wurde 36. Für den Fall, dass Max Muster mit den Banken keine Vergleichsgröße vereinbart hat, wäre also nach der gesetzlichen Regelung auch keine Berichtspflicht gegeben. Auf den zweiten Blick spricht jedoch einiges dafür, jedenfalls immer dann eine Berichtspflicht anzunehmen, wenn die Banken im Rahmen ihrer Informationspflicht dem Kunden beispielsweise eine aus mehreren Indizes zusammengesetzte Vergleichsgröße mitgeteilt haben, also eine institutsindividuelle, nicht öffentlich verfügbare Größe. Dies gilt unabhängig von der Frage einer etwaigen Vereinbarung 37. Sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg sind Banken im Rahmen einer Vermögensverwaltung verpflichtet, eine angemessene Bewertungsund Vergleichsmethode, etwa eine aussagekräftige Vergleichsgröße, festzulegen und diese dem Kunden mitzuteilen, damit der Kunde die Leistung des Vermögensverwalters beurteilen kann 38. Die D-Bank teilt Max Muster eine aus vier Indizes zusammengesetzte Vergleichsgröße mit. Zwar ist diese im Sinne der Vorgaben angemessen, da sie auf der Grundlage der Anlageziele des Max Muster und der Art der in seinem Portfolio enthaltenen Finanzinstrumente festgelegt wurde. Es erscheint jedoch fraglich, ob Max Muster lediglich mit der Mitteilung der zusammengesetzten Vergleichsgröße gedient ist. Faktisch dürfte er ohne die Abbildung der Entwicklung der Vergleichsgröße in den periodischen Berichten der Bank nicht in der Lage sein, die Leistung des Vermögensverwalters zu beurteilen. Der nach dem Wortlaut der Regelung intendierte Schutzzweck, dem Kunden eine Bewertungsgrundlage für die Leistung des Vermögensverwalters an die Hand zu geben, wird nicht erreicht. Daher ist in diesem Fall eine Verpflichtung der D-Bank zum Bericht der Ver-
36
Art. 41 Abs. 2 lit. e) DRiL; § 9 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV; Art. 48 Abs. 2 lit. e) MiFID-Verordnung. 37 In der Praxis ist in diesen Fällen in der Regel eine entsprechende Angabe in den Vermögensverwaltungsverträgen vorzufinden. 38 Art. 30 Abs. 2, 3 lit. c); § 5 Abs. 2 WpDVerOV i.V.m. Begründung; Art. 35 Abs. 3, 4 lit. c) MiFID-Verordnung.
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gleichsgröße anzunehmen, unabhängig von der Frage, ob sie mit Max Muster eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen hat. Anders ergeht es Max Muster bei der L-Bank. Sie teilt ihm als Vergleichsgröße den XY-Index mit. In diesem Fall erscheint die vom Gesetz skizzierte Wertung, dass eine Aufnahme der Vergleichsgröße in den vierteljährlichen Bericht nur erforderlich ist, wenn sie vereinbart wurde, sachgerecht. Da der XY-Index anders als die zusammengesetzte Vergleichsgröße in den Medien ohne weiteres zugänglich ist, ist es Max Muster zuzumuten, sich anhand der im Bericht mitgeteilten Wertentwicklung selbst ein Bild von der Leistung der L-Bank als Vermögensverwalterin zu machen. Nach allem hängt die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach einer Verpflichtung zur Berichterstattung einer Vergleichsgröße bei einer Standardstrategie davon ab, wie sich diese zusammensetzt, und ob es dem Kunden ohne Schwierigkeiten möglich ist, sich den Vergleichsmaßstab zu beschaffen. 3.5.2 Zuwendungen D- und L-Bank erhalten von Fondsanbietern Provisionen auf Fondsbestände, die sich zu einem bestimmten Stichtag in den Verwaltungsdepots von Max Muster befinden. Für die Banken stellt sich nun die Frage, ob in dem periodischen Bericht ein Ausweis der erhaltenen Provisionen bzw. Zuwendungen erfolgen muss. In Deutschland und in Luxemburg müssen periodische Berichte für Kleinanleger im Rahmen der Vermögensverwaltung den Gesamtbetrag der im Berichtszeitraum angefallenen Gebühren und Entgelte enthalten, mindestens aufgeschlüsselt in Gesamtverwaltungsgebühren und Gesamtkosten im Zusammenhang mit der Leistungserbringung 39. Des Weiteren müssen die Berichte den Gesamtbetrag der Dividenden-, Zins- und sonstigen Zahlungen ausweisen, der während des Berichtszeitraums dem Kundenportfolio gutgeschrieben wurde 40.
39
Art. 41 Abs. 2 lit. d) DRiL; § 9 Abs. 2 Nr. 4 WpDVerOV, Art. 48 Abs. 2 lit. d) MiFID-Verordnung. 40 Art. 41 Abs. 2 lit. f) DRiL; § 9 Abs. 2 Nr. 6 WpDVerOV, Art. 48 Abs. 2 lit. f) MiFID-Verordnung.
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In ersten Reaktionen auf die Vorschriften wird in Deutschland die Ansicht vertreten, dass zu den Gesamtverwaltungsgebühren auch Zuwendungen zu zählen seien, die die Bank aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung (etwa als weitere Vergütung) behalten dürfe 41. Unter den Gesamtbetrag der Dividenden-, Zins- und sonstigen Zahlungen fielen diejenigen Zuwendungen, die die Bank mangels entsprechender Vereinbarung nicht behalten dürfe 42. Folgt man dieser Ansicht, so müsste die D-Bank die Höhe vereinnahmter Bestandsprovisionen in ihrer periodischen Berichterstattung berücksichtigen und Max Muster mitteilen. In Luxemburg gibt es weder eine Regelung zu einer etwaigen Pflicht zur Berichtserstattung noch eine vergleichbare Interpretation der Vorschriften, so dass die L-Bank nicht verpflichtet ist, Max Muster die Höhe vereinnahmter Bestandsprovisionen im Wege des periodischen Reportings mitzuteilen 43. In der Praxis stellt sich nun die Frage, ob die in Deutschland vertretene Ansicht zwingend ist. Bei einer zivilrechtlichen Betrachtung wird es wohl bei der Beantwortung der Frage, ob Zuwendungen als Bestandteil der Gesamtverwaltungsvergütung anzusehen sind, auf den Inhalt der o.g. Vereinbarung und damit auf eine Einzelfallbetrachtung ankommen. Zwingend ist die skizzierte Zuordnung jedenfalls nicht, so dass sich eine grundsätzliche Aussage dazu, ob aus einer Vereinbarung in jedem Fall eine Berichtspflicht resultiert, verbietet. Aber selbst wenn eine Vereinbarung diesen Schluss zulassen sollte, kann noch die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Vereinbarung gestellt werden 44. 41
Vgl. Teuber/Müller in Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, Köln 2007, Rz. 335. 42 aaO., Rz. 336. 43 Freilich gibt es in Luxemburg eine Informationspflicht über etwaige Zuwendungstatbestände vor einer Dienstleistungserbringung, Art. 30 lit. b) i) MiFIDVerordnung. 44 Diese Frage, bei der es im Kern darum geht, ob es eine zivilrechtliche Herausgabepflicht gibt, ist umstritten, vgl. dazu Mülbert, Auswirkung der Art. 19 ff. MiFID auf das Zivilrecht am Beispiel von Vertriebsvergütungen im Effektengeschäft der Kreditinstitute, in: Arbeitspapier des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Johannes GutenbergUniversität Mainz, 2008, Seite 23 ff. m.w.N., abrufbar unter www.jura.unimainz.de/muelbert. Eine andere Möglichkeit wäre noch, eine Berichtspflicht aus dem Kommissionsverhältnis anzunehmen mit der Folge, dass ein Rückgriff auf die Norm zu den Berichtspflichten im Rahmen der Vermögensverwaltung nicht erforderlich wäre. Eine solche Pflicht setzt freilich voraus, dass es überhaupt ei-
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Vor diesem Hintergrund erschließt sich noch weniger, inwiefern bei einer fehlenden Vereinbarung eine Berichtspflicht zivilrechtlich zu begründen sein soll. Selbst die vom BGH im Dezember 2006 statuierte zivilrechtliche Offenlegungspflicht vermag hier nicht zu helfen, da sie auf den Zeitpunkt vor Dienstleistungserbringung abstellt 45. Auch bei einer aufsichtsrechtlichen Betrachtung ergibt sich keine Berichtspflicht. Aus den europarechtlichen Grundlagen lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass Banken verpflichtet sind, Zuwendungen in die periodische Berichterstattung aufzunehmen. Aus der Gesetzessystematik folgt, dass die Regelung zur Offenlegung von Zuwendungen in Art. 26 DRiL 46 abschließend ist. Hätte der europäische Gesetzgeber eine Berichtspflicht für Zuwendungen für erforderlich gehalten, so hätte er in Art. 41 d) und f) DRiL entweder den Begriff „Zuwendung“ verwenden oder das in beiden Vorschriften verwendete Wort „Gebühr“ weiter definieren müssen. Unter den Zuwendungsbegriff in Art. 26 DRiL fallen aber nicht nur etwaige Gebührenzahlungen von oder an Dritte, sondern auch Provisionen oder Zuwendungen, die Banken nicht in Geldform, sondern beispielsweise in Form von kostenlosen Schulungsveranstaltungen erhalten. Bei einer entsprechenden Intention des europäischen Gesetzgebers hätte es konsequenterweise einer Unterwerfung auch der letztgenannten Zuwendungen unter eine Berichtspflicht bedurft. Warum insofern eine Unterscheidung zwischen den unter den Zuwendungsbegriff fallenden Gebühren und den übrigen Zuwendungen gerechtfertigt sein sollte, erschließt sich nicht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck der Regelungen zu Zuwendungen einerseits und den Berichtspflichten andererseits. Denn Kleinanleger sind hinreichend über die Offenlegungspflicht nach Art. 26 lit. b) i) DRiL geschützt. Banken sind im Zuge des InteressenkonfliktManagements gehalten, Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise unmissverständlich offen zu legen. Dies hat vor Erbringung der Vermögensverwaltungsdienstleistung zu geschehen. Die Offenlegung kann auch in Form einer Zusammenfassung der wesentlichen Bestandteile einer Vereinbarung erfolgen, sofern die Bank dem Kunden die Offenlegung näherer Einzelheiten anbietet und auf Nachfrage gewährt. Der Kunde hat jederzeit nen berichtspflichtigen Umstand aus dem Kommissionsverhältnis gibt, was aber ebenfalls Teil der zuvor skizzierten Diskussion ist. 45 BGH, WM 2007, S. 487, 490. 46 Vgl. § 31d WpHG; Art. 30 MiFID-Verordnung.
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die Möglichkeit, detailliert Auskunft über die Höhe bzw. den Umfang von erhaltenen Zuwendungen zu bekommen, um so das Umsatzinteresse des Vermögensverwalters abschätzen zu können. Zwar dürfte bei der Vermögensverwaltung anders als bei der Anlageberatung eine Information vor jedem einzelnen Geschäft des Vermögensverwalters praktisch nicht möglich sein, da er naturgemäß ohne Rücksprache mit dem Kunden z.B. Fondsanteile der einen Gesellschaft verkauft und Fondsanteile einer anderen Gesellschaft kauft. Hierzu besteht jedoch auch keine Notwendigkeit. Denn in dieser Situation wird der Kunde zunächst vor Abschluss des Vermögensverwaltungsvertrags in einer Zusammenfassung der wesentlichen Bestandteile der Vereinbarungen über Zuwendungen hinreichend informiert. Im Übrigen steht es ihm jederzeit frei, von den Banken weitere Informationen anzufordern, um das Umsatzinteresse abschätzen zu können. Eine nachgelagerte Information im periodischen Bericht ist insoweit nicht zielführend, da die Geschäfte schon getätigt wurden, und der Kunde nach der Schutzrichtung des Gesetzes bereits im Vorfeld der Dienstleistungserbringung in der Lage sein soll, das Umsatzinteresse zu beurteilen. Demnach bleibt festzuhalten, dass es auch für die D-Bank nach dem derzeitigen Stand der Diskussion keine zwingende Berichtspflicht über Zuwendungen gibt, weder aus Zivilrecht noch aus Aufsichtsrecht.
3.6 Organisatorische Anforderungen – Beschwerdemanagement Als eine organisatorische Maßnahme zur Umsetzung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Schutzniveaus für Wertpapieranleger sieht Art. 10 DRiL vor, dass Banken ein wirksames und transparentes Verfahren für die angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden von Kleinanlegern nachhaltig zu implementieren haben. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie z.B. „wirksames und transparentes Verfahren, sowie angemessene und unverzügliche Bearbeitung“ macht deutlich, dass der europäische Gesetzgeber lediglich Mindestanforderungen für das Beschwerdemanagement festlegen und es den Mitgliedstaaten und ihren Aufsichtsbehörden überlassen wollte, zu bestimmen, wie ein solches Verfahren in der Praxis auszugestalten ist.
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 49
Daher stellt sich nun die Frage, ob Max Muster im Falle einer Beschwerde mit gleichen Standards in Deutschland und Luxemburg rechnen kann. In Deutschland wurde mit einer den europarechtlichen Vorgaben entsprechenden Regelung in § 33 Abs. 1 Nr. 4 WpHG eine Richtlinienbestimmung der BaFin abgelöst. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass damit das nach der MiFID vorgeschriebene Beschwerdemanagement als neue Organisationspflicht eingeführt werde 47. Weitergehende inhaltliche Konkretisierungen, wie die Vorgabe in der Praxis umzusetzen ist, gibt es nicht. Bis zum 1.November 2007 galt eine recht allgemein gehaltene Interpretation des § 33 Abs. 1 WpHG a.F. der BaFin, wonach zu den notwendigen Mitteln und Verfahren, die für eine ordnungsgemäße Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen vorzuhalten und wirksam einzusetzen sind, Vorkehrungen zum Umgang mit Beschwerden zählen 48. Nähere Ausführungen dazu, wie ein wirksames und transparentes Verfahren für die angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden in Banken auszusehen hat, fehlen sowohl seitens des Gesetzgebers als auch seitens der Bankenaufsicht. Lediglich in der rechtswissenschaftlichen Literatur gibt es Ausführungen dazu, welche Mindestanforderungen an die Ausgestaltung für den Umgang mit Beschwerden zu stellen sind 49. Die Rechtslage in Luxemburg stellt sich insoweit anders dar, als zusätzlich zu der den MiFID-Vorgaben entsprechenden Regelung in Art. 10 MiFIDVerordnung weiterhin das Rundschreiben der Luxemburger Bankenaufsicht vom 5. April 1995 zur Behandlung von Kundenbeschwerden gilt 50. Mit dem Rundschreiben wurden bereits 1995 die Vorgaben der MiFID „antizipiert“ und in die Praxis umgesetzt. Der Einleitung des Rundschreibens ist zu entnehmen, dass die CSSF die Vorgaben für ein effektives Reklamationsmanagement für Kleinanleger als ein probates Mittel ansieht, um im öffentlichen Interesse qualitätssichernde und qualitätssteigernde Standards in der Kreditwirtschaft anzustoßen, die wiederum dem Finanzplatz Luxemburg als bedeutendem Standort für das Privatkundengeschäft 47
BT-Drucks. 16/4028, S. 71. Ziffer 2.2 Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG, aufgehoben durch Schreiben vom 23. Oktober 2007. 49 Vgl. Koller in Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 4. Auflage, Köln 2006, § 33 Rz. 13 m.w.N. 50 Vgl. Ziffer 12 MiFID-Rundschreiben, IML 95/118, abrufbar unter www.cssf.lu. 48
50
Stephan Niermann
zugute kommen sollen. So enthält das Rundschreiben beispielsweise Regelungen, wonach einfach gelagerte Sachverhalte innerhalb weniger Tage zu beantworten sind, während in schwierigen Fällen, in denen die Bearbeitung länger dauert, ein Zwischenbescheid über den Empfang der Beschwerde und den Bearbeitungsstand an den Kunden zu senden ist. Den Transparenzanforderungen wird genüge getan, indem dem Kunden der Name des die Beschwerde bearbeitenden Mitarbeiters sowie eine Begründung genannt werden, falls die Beschwerde nach Meinung der Bank nicht berechtigt sein sollte. Überdies muss der Beantwortung eine an Objektivität orientierte Wahrheitsfindung vorangehen. Das Erfordernis der Wirksamkeit des Verfahrens wird mit der Benennung eines Mitglieds der Geschäftsleitung, das für die sachgemäße Bearbeitung von Kundenbeschwerden verantwortlich ist, gegenüber der Bankenaufsicht unterstützt. Wendet sich ein Kunde mit seiner Beschwerde direkt an die Aufsicht, nimmt die CSSF im konkreten Einzelfall im stärkeren Maße eine Moderatorenrolle wahr, als es die BaFin in einem vergleichbaren Fall machte. Kommt die BaFin 51 nach einer Stellungnahme der betroffenen Bank zu der Auffassung, dass die Beschwerde nicht begründet ist, teilt sie das Ergebnis dem Kunden mit. Im Fall einer begründeten Beschwerde fordert sie die Bank im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufsicht im öffentlichen Interesse 52 auf, die Geschäftspraxis zu ändern. Darüber hinaus verweist sie den Kunden auf den Rechtsweg, ohne den Kunden über das Ergebnis ihrer Prüfung in Kenntnis zu setzen 53. Zwar verweist auch die CSSF zu einem bestimmten Zeitpunkt den Kunden auf den Rechtsweg, d.h. sie wird weder als Schiedsstelle noch als Richter oder Ombudsmann tätig, sondern, wie bereits festgestellt, ausschließlich im öffentlichen Interesse. Anders als die deutsche Aufsicht versucht sie jedoch aktiv, Kunde und Bank zu einer Einigung zu bewegen. Hierzu ist sie aufsichtsrechtlich ermächtigt. Die CSSF ist befugt, Beschwerden von Bankkunden entgegenzunehmen, um diese gütlich zu regeln 54. Dies geschieht, indem sie nach Vorliegen aller relevanten Unterlagen (inklusive 51
Vgl. hierzu die Ausführungen auf der Webseite der BaFin: www.bafin.de. In einem Zeitungsartikel lässt sich der Vorstand des Deutschen Instituts für Anlegerschutz, Prof. Jürgen Kunze, mit den Worten zitieren: „Anlegerschutz muss ausdrücklich Aufgabe der BaFin werden“, vgl. Shinde, Sonia, „Schwungvoll ins Irgendwo“, Handelsblatt vom 16. Januar 2008, S. 12. 53 Dazu ausführlich Dreyling in Assmann/Schneider, Wertpapierhandelsgesetz, 4. Auflage, Köln 2006, § 4 Rz. 23. 54 Art. 58 Finanzsektorgesetz. 52
3. Gleiches Recht und gleiche Praxis in der EU? 51
einer Stellungnahme der Bank) eine begründete Einschätzung zum Sachverhalt abfasst. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde unbegründet ist, setzt sie, ähnlich wie die BaFin, Bank und Kunden hiervon in Kenntnis. Falls sie die Beschwerde für begründet hält, leitet sie ihre Stellungnahme an die Bank weiter und informiert, anders als die BaFin, den Kunden hierüber, zusammen mit der Aufforderung an die Beteiligten, sich miteinander in Verbindung zu setzen, um ihre unterschiedlichen Auffassungen unter Berücksichtigung ihrer Stellungnahme zu klären. Erhält die Aufsicht die Information, dass eine gütliche Einigung nicht möglich war, verweist sie den Kunden auf den Rechtsweg. In diesem Fall stellt sie ihre Bemühungen ein. Obwohl sowohl die BaFin als auch die CSSF ausschließlich im öffentlichen Interesse handeln, hat die Vorgehensweise der CSSF für den sich beschwerenden Kunden ggf. im stärkeren Maße eine positive „Reflexwirkung“ im Sinne des Anlegerschutzes zur Folge. In vielen Fällen erspart er sich den Rechtsweg, entweder weil er sich mit der Bank ohne oder aber auf Grundlage einer Stellungnahme der CSSF gütlich einigt, oder weil er sich mit der Mitteilung der CSSF zufrieden gibt, dass sie seine Beschwerde für nicht begründet hält 55. Zweifelsohne steht ihm auch in diesem Fall der Rechtsweg offen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Max Muster in Luxemburg ein etwas anlegerfreundlicher ausgestaltetes Beschwerdemanagement vorfindet als in Deutschland. Das mag daran liegen, dass Luxemburg als Finanzplatz mit Fokus auf das Privatkundengeschäft dem Beschwerdemanagement seit jeher einen bestimmten Stellenwert zuweist, der sich unter anderem in einem aufsichtsrechtlichen Rundschreiben und in einer Zuständigkeitsnorm der Finanzaufsicht niedergeschlagen hat.
3.7 Resümee Auch wenn mit dem Beitrag nur ein kleiner Ausschnitt der MiFIDUmsetzung in Deutschland und Luxemburg beleuchtet werden konnte, so zeigt sich doch, dass im Vergleich zum „Vor-MiFID-Zeitalter“, als die 55
Laut CSSF Jahresbericht 2006 waren 52 % der Beschwerden nicht berechtigt, 30,4 % konnten mit oder ohne Stellungnahme der CSSF gütlich geregelt werden. Lediglich in 3,8 % kam es zu keiner Einigung, und in 14,5 % der Fälle wurde die Beschwerde nicht weiterverfolgt oder direkt der Rechtsweg beschritten; Jahresbericht 2006, Kapitel 10, S. 169, abrufbar unter www.cssf.lu.
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Stephan Niermann
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie galt, grundsätzlich eine weitere Angleichung der Rechtsvorschriften stattgefunden hat. Daraus folgt, dass Max Muster bei der Inanspruchnahme von Wertpapierdienstleistungen in Luxemburg und Deutschland ein mehr oder weniger einheitlich hohes Anlegerschutzniveau vorfindet. Das soll aber den Blick nicht dafür verstellen, dass es in der Praxis durchaus zu einer unterschiedlichen Handhabung und in der Wissenschaft zu einer unterschiedlichen Auslegung einzelner Vorschriften kommt, was wiederum das Kundenschutzniveau in die eine oder andere Richtung beeinflussen kann. Eine sachgerechte Lösung ist möglich, wenn im Lichte der Zielsetzung der MiFID so viel Anlegerschutz wie nötig gewährt wird. Das darf aber nicht dazu führen, dass die Geschäftsbeziehung Kunde – Bank durch überobligatorische Pflichten überlagert bzw. belastet wird. Mit anderen Worten müssen Auslegung und Anwendung von Vorschriften dort ihre Grenze haben, wo der Anlegerschutz endet, weil der Anleger in bestimmten Situationen keines Schutzes bedarf.
4. Besonderheiten in Großbritannien
PJ Di Giammarino
4.1 Einführung Seitdem zum 1.11.2007 die Möglichkeiten und Rahmenvorgaben des neuen und besseren Marktumfeldes in der EU klar umrissen worden sind, arbeiten die Spezialisten bereits an Strategien, um diese neuen Möglichkeiten zu ihren Gunsten zu nutzen. Es ist zwar kaum zu glauben, dass nach jahrelanger politischer Debatte tatsächlich eine Reform herausgekommen ist, aber der Kapitalmarkt und seine Spielregeln sind heute andere als im Jahre 2004, in dem die Finanzmarktrichtlinie MiFID verabschiedet wurde. Der Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Reform der Finanzmärkte (Financial Services Action Plan, „FSAP“) hat mehr Transparenz und Wettbewerb mit sich gebracht, und die hohen Ziele der LissabonStrategie aus dem Jahr 2000 realisieren sich zunehmend in dem gewünschten „level playing field“, wo jeder Marktteilnehmer vor dem Kunden gleich ist. Die Umsetzung der MiFID ist seit ihrer Verabschiedung 2004 eine Kernaktivität in der Bankenlandschaft, und wenn ein Land aus dem Umsetzungsprozess als Sieger hervorgegangen ist, dann ist es wohl das Vereinigte Königreich. Großbritannien hat die Industrie durch seine 2.600köpfige Aufsichtsbehörde, die Financial Services Authority („FSA“), im Wege offener Anhörungen („consultations“) in praktisch alle Einzelfragen ihrer Aufsichtspraxis einbezogen. Unmengen an Papier, die das britische Finanzministerium, die FSA, die unzähligen Wirtschaftsverbände und Wertpapierfirmen, die sie vertreten, beschrieben haben, sind Zeugnis einer Debatte, die in anderen Nationen hinter verschlossenen Türen stattgefunden hat.
54 PJ Di Giammarino
Alle Mitglieder der Wertpapierdienstleistungsindustrie kämpften insbesondere im Jahr 2007 um die Vorherrschaft auf dem neugeschaffenen Terrain. Und wer zuerst aus den Startblöcken kam, konnte auch die ersten Standards setzen, um sich die beste Ausgangsposition im neuen EUKapitalmarkt zu sichern. Im Grunde waren es mehrere Rennen gleichzeitig, die über Europa verteilt geführt wurden. Die belgische „Equiduct“ war die erste Organisation, die in den Markt drängte, um später zu versanden. Die UK-Initiativen „Torpedo“ und „Yellow Submarine“ kämpften darum, in dem Festlandprojekt „BOAT“ mitzumischen – und verloren. „Chi-X“ nahm als weltweit erstes multilaterales Handelssystem („MTF“) den Dienst auf. Erstmals in Erscheinung traten die Zwistigkeiten zwischen lokalen und zentralen Aufsichtsbehörden, Wirtschaftsverbänden und Wertpapierfirmen, aber auch die Grabenkämpfe innerhalb der Unternehmen, dennoch in Großbritannien. Was ist also das Einzigartige an Großbritanniens Weg der MiFID-Umsetzung? Auf den kleinsten Nenner gebracht: es ist das Wettrennen zwischen Firmen, Aufsichtsbehörden und Infrastruktur um die Bewältigung der Anforderungen, in dem jeder der erste sein wollte. Woran lag das? Wenn man die Debatten verfolgte, mit Praktikern diskutierte und die Auswirkungen der MiFID-Grundsätze bzw. Detailregeln auf die tägliche Arbeit untersuchte, kam man schnell zu dem Schluss, dass das Erfolgsrezept, unter dem MiFID-Regime erfolgreich zu sein, nur darin liegen konnte, die Kontrolle darüber zu erlangen, welche operationalen Folgen die Regeln haben würden (was ein Gesetz letztlich nicht leisten kann). An zweiter Stelle ging es darum zu verstehen, wie die Spielregeln von der Aufsicht durchgesetzt werden, und schlussendlich noch um eine Bewertung, welche Konsequenzen das Nichtbefolgen der Regeln haben würde. Wir befinden uns noch immer im Frühstadium des MiFID-Marathons. Die meisten Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben eine Minimalumsetzung durchgeführt, um rechtzeitig MiFID-konform zu sein, aber sie haben im Gegensatz zu den Topunternehmen im Markt noch keine stabile Vision für die Möglichkeiten und Chancen, die im neuen EU-Finanzmarkt bestehen. Es ist sicher zu früh festzustellen, ob der “frühe-Vogel”-Ansatz der Industrie in Großbritannien der zielführendste gewesen ist, denn die Reaktionen von nicht-UK-Kunden und -Unternehmen, der Aufsichtsbehörden und Gerichte müssen abgewartet werden. Dennoch ist der Grundstein gelegt, um den Kampf um die globale Vorherrschaft auf den Kapitalmärkten im nächsten Jahrzehnt zu gewinnen.
4. Besonderheiten in Großbritannien 55
4.2 Der Kampf der Rulebooks (Regelwerke) “Wir sind, wo wir sind, und es ist eine Welt der zweitbesten Lösungen”. Dies waren die Empfindungen, die vom Finanzministerium gegenüber dem Arbeitskreis IT der MiFID Joint Working Group (JWG) geäußert wurden, als im Sommer 2005 nach endlosen Verhandlungsrunden mit der Europäischen Wertpapierkommission und unter schwersten Geburtswehen der finale Text für die MiFID-Durchführungsrichtlinie festgezurrt wurde. Es war nun klar, dass die Gesetzgeber die Probleme der Umsetzung in die Hände der Aufsichtsbehörden geben, und dass die Kommission der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) das „Feintuning“ der Regelungen steuern würde. Die Kommission nahm die schwere Aufgabe an, nunmehr detaillierte Regeln für die Umsetzungsprozesse zu definieren, nachdem der Text der Durchführungsrichtlinie während der Fußballweltmeisterschaft 2006 im EU-Parlament verabschiedet worden war. Die Regeln sollten den nationalen Aufsichtsbehörden und natürlich den Compliance-Abteilungen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen Maßstäbe vorgeben. Die Lobbyarbeit in der britischen Finanzindustrie erreichte dementsprechend im Sommer 2006 ein nie dagewesenes, geradezu überbordendes Niveau. Eine beispiellose Armada von elf Wirtschaftsverbänden, darunter Versicherungs- und Bauindustrie sowie Verbände der Käufer- und Verkäuferseite von Wertpapieren erarbeiteten zusammen mit einer namhaften Rechtsanwaltssozietät einen mehr als 300-seitigen „Survival Guide“, der gleichsam das Navigationsgerät für den MiFID-Dschungel darstellen sollte. Daneben produzierte „MiFID Connect“, der Dachverband der Einzelverbände, stapelweise Standard-Policy-Vorlagen und organisierte Diskussionsforen für Back-Offices, um Ansichten zu Kernproblemen zu sammeln und, soweit möglich, einheitliche Marktstandards zu formulieren. Höhepunkt dieser Diskussionsflut war vielleicht die Debatte im August 2006 um ein sogenanntes Preis-Benchmarking für die „Best Execution“. Die hitzigen Auseinandersetzungen, die durch eine IBM-Studie 1 noch verstärkt wurden, führten schließlich zum Sieg der Lobbyisten, die sich erfolgreich gegen eine allzu detaillierte und formalisierte Best-Execution-Verordnung wehren konnten. Parallel zur Entwicklung der Policies erbrachten neun große Wertpapierfirmen auch handwerkliche Arbeit, indem sie nicht nur ein, sondern gleich zwei Gemeinschaftsprojekte ins Leben riefen. Das erste, Projekt „BOAT“ 1
„Options for Providing Best Execution in Dealer Markets“, IBM, Mai 2006.
56 PJ Di Giammarino
(heute „Markit BOAT“), fußte auf der Erkenntnis erheblicher Synergieeffekte, die ein gemeinsames Vehikel zum Sammeln und Veröffentlichen von Marktdaten für Aktien mit sich bringen würde. Nach ersten Gerüchten im Sommer wurde BOAT offiziell im September 2006 gegründet und erwischte diejenigen auf dem falschen Fuß, die sich den Sommer über mit mangelnder Entscheidungsfreude vertrieben hatten, während sich ihre Compliance-Kollegen gleichzeitig noch in Lobbykämpfen aufrieben. Daher war es aus Sicht vieler Marktteilnehmer letztlich in erster Linie das Projekt BOAT, das den Startschuss zur konkreten Umsetzung der MiFID gab, nicht etwa die Ratifizierung der Level-2-Maßnahmen (MiFID-Durchführungsrichtlinie und -verordnung). Dass es den großen Banken ernst war, unterstrichen sie durch das zweite Gemeinschaftsprojekt, „Turquoise“, ein Multilaterales Handelssystem (MTF) für Aktien, die der London Stock Exchange Konkurrenz machen sollte. Ende 2006 wurde deutlich, dass CESR und die FSA das Ruder für erforderliche Einheitsregelungen in die Hand nahmen. Am 26. Januar 2007, fünf Tage vor dem offiziellen Stichtag, verkündete die FSA als erste Behörde die Umsetzung der MiFID in nationales Recht. Nun war für alle Marktteilnehmer das Regelungsregime klar, und es lag an ihnen, das Beste daraus zu machen, ehe sich die FSA bei ihnen zur ersten Prüfung in 2008 ankündigte. Die FSA aktualisierte in der Tat ihre sämtlichen “Rulebooks”. Insgesamt 4.473 Seiten Konsultationen wurden in 38 Einzeldokumenten bis September 2007 veröffentlicht. Erste Vorab-Prüfungen bei Wertpapierfirmen führten zu Ranglisten hinsichtlich der Erfüllung der MiFID-Anforderungen. Der Umgangston in Bezug auf fehlende Umsetzung der MiFID hat sich – höchstwahrscheinlich für immer – geändert. Warum nun musste die FSA die erste am Markt sein? Die FSA ist unabhängiger und verfügt über weit größere Ressourcen als die meisten anderen CESR-Mitglieder, und der Zeitrahmen für die Umsetzung betrug gerade sechs Monate. Es wäre sicher zu kurz gegriffen, die MiFID-Umsetzung als Ressourcenfrage zu definieren, aber Tatsache ist, dass CESR eine vergleichsweise kleine Organisation mit 35-köpfigem Personal ist, die mit einem Jahresbudget von ca. EUR 2,5 Mio. auskommen muss. Dennoch produzierte CESR 23 MiFID-Dokumente in 11 Konsultationen. In der hektischen Zeit vor dem 31. Januar 2007 sinnierte Callum McCarthy, Chef der FSA, über Entwicklungen der Märkte. In seiner Rede „Issues for Financial Supervisors in Europe – the decade to come“, die er am 22. Januar 2007 hielt, nannte er als einen Grund für Großbritanniens Eile bei der Umsetzung der MiFID, die Steuereinnahmen im eigenen Land halten zu wollen:
4. Besonderheiten in Großbritannien 57
„Ich sehe es als gegeben an, dass wir in einer Welt mit globalem Wettbewerb leben, in der die Industrie zunehmend international und mobil ist: Finanzdienstleister können ihren Sitz relativ einfach und schnell dorthin verlegen, wo sie nach ihrer Meinung die beste Unternehmenskultur, die günstigsten Ressourcen (insbesondere Personal), die geringsten Steuern und Regulierungen vorfinden – und sie tun es auch. (…) Aber in vielerlei Hinsicht werden physische Transaktionen durch elektronische abgelöst. Wir befinden uns in einer zunehmend internationalen Industrie: (…) in ganz Europa wächst die Finanzindustrie zusammen: die sechstgrößte britische Bank ist Teil einer spanischen Bankengruppe – Santander; und die sechstgrößte spanische Bank ist Teil einer britischen Bankengruppe – Barclays“ (Callum McCarthy, Chef der FSA). Zusammengefasst haben das Finanzministerium und die FSA durch ihr schnelles Handeln die Marktpraxis in der Weise geprägt, wie es aus der Sicht Großbritanniens und tausender dort ansässiger Firmen angemessen ist. Die Rolle der britischen Behörden als Vorreiter wurde nicht zuletzt dadurch unterstützt, dass viele Staaten zu spät kamen. Gemäß der Bestandsaufnahme im November 2007 hatten 21 Mitgliedstaaten die MiFID-Umsetzung zum 31. Oktober 2007 fertiggestellt. Der Rest teilt sich auf in diejenigen, die die MiFID (Level-1-Richtlinie), aber nicht die Durchführungsrichtline (Level-2-Richtlinie) umgesetzt haben (Estland, Liechtenstein, Lettland, Slowenien), und die, die nichts umgesetzt haben (Tschechien, Ungarn, Island, Polen, Spanien). Per 24. Januar 2008 hatten fünf weitere Mitgliedstaaten MiFID vollständig umgesetzt. Spanien und Slowenien hatten zumindest die Level-1Richtlinie bereits transponiert. Tschechien und Polen haben bislang keine Richtlinie implementiert, was kaum überrascht, nachdem der Zwischenbericht der Europäischen Kommission im Juli 2007 die drei Staaten Spanien, Tschechien und Polen als negative Ausreißer in der Umsetzung hervorgehoben hatte. Zwei Drittel der Mitgliedstaaten haben die MiFID jedoch rechtzeitig umgesetzt, auch wenn ihnen nicht die ursprünglich vorgesehene Umsetzungsfrist von neun Monaten blieb. Dementsprechend groß ist der Nachholbedarf in der MiFID-Realität bei den Firmen, die die notwendigen Tests und Analysen nicht in der Vorbereitungsphase abschließen konnten.
58 PJ Di Giammarino
Abb. 4.1: Stand der Umsetzung in der EU, Quelle: JWG-IT, 24.01.2008
Ihr Tempo hat den britischen Behörden keinen Vorteil innerhalb der Staatengemeinschaft gebracht. Das hat Italien besonders deutlich gemacht durch seine Position zum Anleihenmarkt, den es zusätzlich zu dem von der MiFID anvisierten Aktienmarkt ebenfalls in die Pflicht zur Markttransparenz eingebunden hat. Dies erfolgte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der italienische Kapitalmarkt für Privatkunden sehr anleihenfokussiert ist. Durch diesen „Geniestreich“ räumt Italien einerseits seinen Kapitalmarkt auf und macht ihn andererseits attraktiver für Resteuropa. Italien hat sich dazu durchgerungen, die MiFID-Einführung als Instrument zu nutzen, seinen Kapitalmarkt über das Maß hinaus zu verbessern, das in der EU insgesamt als notwendig angesehen wurde. Italien betrachtet dieses Vorgehen als Wachstumsstrategie und hat dabei durchaus auch die ökonomischen Vorteile im Blick: ein Mehr an Geschäftsvolumen führt zu mehr Beschäftigung und höheren Steuereinnahmen. Über die Wirkung dieser Maßnahme wird letztendlich der Markt entscheiden. Wer wird nun die Rulebooks kontrollieren? Letztlich diejenigen, die die Konsequenzen kontrollieren. Die Vielzahl von Konsultationsdokumenten im vierten Quartal 2007 vom Finanzministerium und der FSA, aber auch von der Europäischen Kommission und CESR verdeutlicht das aufkom-
4. Besonderheiten in Großbritannien 59
mende Verlangen nach mehr Kooperation unter den Behörden. Das wird freilich ein Politikum bleiben, wie der Binnenmarktkommissar resümiert: “Es gibt gute Argumente für und gegen eine EU-weite Aufsichtsbehörde. (…) Meine politischen Antennen sagen mir, dass es keine Chance gibt, sich auf ein Konzept dafür zu einigen.“ – „Wir können nicht darauf warten, dass uns eine Krise dazu zwingt, eine erweiterte aufsichtsbehördliche Zusammenarbeit für große internationale Bankengruppen einzuführen“. 2 Die Antwort ist wohl in der Natur der prinzipienbasierten Aufsicht selbst zu finden. Die großen multinationalen Banken werden ihre Maßstäbe selbst definieren müssen. Auch hierzu hat die FSA klargestellt, dass die Verantwortung für die unternehmensinterne Festlegung von Best-practiceStandards auf den Schultern der Senior Managements der Unternehmen liegt. “Die Unternehmen müssen ihr Verhalten ändern und die Möglichkeiten begreifen, die sich hinsichtlich Innovation und Flexibilität eröffnen. Gleichzeitig müssen sie ihre regulatorische Verantwortung anerkennen und ihr entsprechend agieren.“ „…müssen nach bester Einschätzung beurteilen, wie sie den Anforderungen am besten genügen.“ „Firmen müssen dafür sorgen, dass die Ergebnisse überwacht und dokumentiert werden, um Vorständen und Aufsichtsräten die Kontrolle zu ermöglichen, dass Geschäftsabschlüsse nicht auf Kosten regulatorischer Anforderungen gemacht werden.“ „… werden wichtige regulatorische Entscheidungen auf eine höhere Managementebene tragen, und werden Vorstandsmitglieder sich im Management der Flexibilität üben...“ „Risikomanagement, Compliance und Interne Revision werden Vorstände und Manager dabei unterstützen, diese Herausforderungen zu meistern.“ Abb. 4.2: FSA-Ansichten zur prinzipienbasierten Aufsicht. Quelle: "Focusing on the outcomes that matter", FSA, April 2007
2
EU-Kommissar Charlie McCreevy: “Challenges to the further integration of EU financial markets” – EUROFI-Konferenz, 4. Dezember 2007, Brüssel.
60 PJ Di Giammarino
4.3 Vom Prinzip zur Umsetzung Der Kampf um die Rulebooks ist also mehr ein Kampf um die Definition der Marktpraxis. Eine weitere britische Besonderheit ist die Vielzahl an Mitarbeitern in den Back Offices der großen Finanzdienstleister im Bankenzentrum Londons und der Canary Wharf. Die Zahl der Mitarbeiter ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits hat man eine Vielzahl von Vertretern aus den Bereichen Compliance, Risikomanagement, Revision, Operations, IT und Business auf engstem Raum, andererseits sprechen diese Kollegen oftmals nicht einmal innerhalb der eigenen Organisation miteinander, um mit einer Stimme die firmeneigene Meinung nach außen zu vertreten, geschweige denn sich überhaupt eine einheitliche Meinung im Unternehmen zu bilden. Dies wiederum ist genau die Maxime des „JWG-IT-Think-Tanks“, der seit über zwei Jahren mit hunderten Vertretern von über 90 Unternehmen aus zwölf Ländern daran arbeitet, die Auswirkungen und Prioritäten für ein FSAP-konformes Operations-Modell zu erarbeiten. Der „JWG-IT IFR readiness snapshot“ für Sommer 2007 3 zeigt, dass die regulatorische Agenda unter den Ressourcenengpässen litt, die sich aus der engen Budgetplanung aus 2006 ergab. Die meisten Institute konzentrierten ihre Anstrengungen auf die aktiven Kunden und Dialoge mit den Aufsichtsbehörden. Es ist nicht überraschend, dass die Umsetzungsfortschritte in der Industrie vielfältig sind. Es gibt Zugpferde und Nachzügler, während die große Mehrheit sich irgendwo in der Mitte befindet. Was alle vereint, ist die Einigkeit über die Folgen der Nichteinhaltung: o
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Unternehmen werden mit Bußgeldern für Nichteinhaltung ab dem ersten Quartal 2008 rechnen. Die Mehrheit erwartet, dass die Bußgelder unter einer Million Euro betragen werden. Besorgniserregend ist, dass 68 % der Unternehmen die erste Kundenbeschwerde in Sachen Best Execution im ersten Quartal 2008 erwarten, sogar 80 % meinen, die erste Beschwerde kommt vor Herbst.
Die Joint Working Group IT erwartet große Leistungen von den Instituten, die die kundenbezogenen MiFID-Änderungen dazu nutzen, um Marktanteile im Kundengeschäft auszubauen. 20 % planen ein solches Vorgehen, die Analysen der JWG-IT indes sprechen dafür, dass höchstens 10 % erfolgreich sein werden. Diese Zahl wird jedoch genug Bewegung in den 3
“Who’s ready for MiFID”, Analyse - JWG-IT/Thomson-IFR, Juli 2007.
4. Besonderheiten in Großbritannien 61
Markt bringen, um auch den Rest der Industrie zu motivieren mitzuhalten bzw. aufzuholen. Nach Einführung der MiFID haben sich die Prioritäten verschoben, aber die Hauptaussagen bleiben bestehen. Die anfänglichen Sorgen über die Kundenklassifizierung etwa mögen überwunden sein, die Hauptsorge aber bleibt: zu wissen, dass ein Geschäft für den Kunden gemacht ist und wie es zustande gekommen ist.
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Wie Abb. 4.3 zu entnehmen ist, erstrecken sich die Prioritäten über MiFID hinaus auch auf den Rest des Aktionsplans FSAP (u.a. Capital Requirements Directive CRD zu Eigenkapitalanforderungen, Market Abuse Directive MAD zu Marktmissbrauchsregeln).
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6. Price disclosure
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Abb. 4.3: FSAP Prioritäten in 2008. Quellen: *JWG-IT / Thomson-IFR MiFID Readiness Survey, Juli 2007. **JWG-IT Frühstücks-Briefing am 18. Dezember 2007: 11 Antworten von 5 Banken und 2 Consultants; KYP: Know Your Product, KYC: Know Your Client, KYD: Know Your Deal, KYR: Know Your Reports, KYF: Know Your Firm
Die Industrie erkennt an, dass die Prioritäten einer Bank diverse Rechtsordnungen übergreifend eingeschätzt werden müssen, um die Herausforderungen logisch abarbeiten zu können. Da sich die Anforderungen schnell global auswirken, machen sich natürlich eventuelle lokale Unterschiede in der Aufsichtspraxis rasch bemerkbar. In den Back Offices weltweit versuchen die Mitarbeiter, die vorhandenen Prozesse an die jeweiligen Normen
62 PJ Di Giammarino
der Jurisdiktionen anzupassen, in denen ihr Unternehmen Geschäfte macht. Es ist in hohem Maße erstrebenswert, dabei einheitliche Standards zu erarbeiten, um eine effiziente Prozesslandschaft zu etablieren. Nachdem kürzlich in Japan durch das “Financial Instruments and Exchange Law” (FIEL) prinzipienbasierte Standards gesetzt wurden und im Nahen Osten und Russland ein Compliance-Status erarbeitet wurde, der in etwa dem FSAP entspricht, müssen nun nur noch die Vereinigten Staaten nachziehen. Und in der Tat haben Kräfte in exponierter Position offensive Haltungen eingenommen und beiderseitige Anerkennung bzw. Harmonisierung der Regeln dies- und jenseits des Atlantiks gefordert: “Wir müssen jetzt handeln. Wir leben in einem weltweiten Wettbewerb, in dem die USA nicht länger die Führungsrolle beanspruchen können, nur weil wir die USA sind.” 4 Die Zusammenarbeit innerhalb der G-10-Staaten ist von herausragender Bedeutung, ebenso wie die Dialoge mit den Kollegen der Finanzaufsichtsbehörden in Drittländern – USA, China, Japan, Indien. Wir haben schon eine Menge erreicht. (…) Gegenseitige Anerkennung der Wertpapieraufsicht wird in 2008 ein vorrangiges Thema sein. (…) Es kann sich lohnen.“ 5 Dieser Wille zur regulatorischen Harmonisierung wird in der Industrie begrüßt, aber er hat seinen Preis. Zunächst werden die Philosophien hinsichtlich bestimmter Kernprinzipien wie etwa dem Anlegerschutz vereinheitlicht werden müssen, der in den USA einen viel höheren „Gewährleistungsausschluss“ beinhaltet. Der zweite Konfliktfaktor wird die Konsequenz bei Aufsicht und Sanktionen sein. Die Harmonisierung der Regeln geht Hand in Hand mit der Frage der Harmonisierung ihrer Durchsetzung. Schließlich, und vielleicht entscheidend, muss die Harmonisierung auf die Etablierung von best-practice-Standards hinauslaufen. Wie Abb. 4.3 zeigt, sind gemeinsame detaillierte und komplexe Prozesse und Prozeduren extrem wichtig für die globale Harmonisierung der Aufsichtspraxis. Natürlich wird, wie bei allen Bestrebungen nach Harmonisierung und gegenseitiger Anerkennung, einiges an Kompromissfähigkeit von Seiten aller 4
5
Jamie Dimon, Vorstandsvorsitzender von JPMorgan Chase, Co-chair Financial Services Roundtable, Blue Ribbon Commission on Enhancing Competitiveness, 7. November 2007, Financial Services Roundtable, Blue Ribbon Commission on Enhancing Competitiveness, Washington. EU-Kommissar Charlie McCreevy, 4. Dezember 2007, “Challenges to the further integration of EU financial markets” - EUROFI-Konferenz, Brüssel.
4. Besonderheiten in Großbritannien 63
Beteiligten nötig sein. Daher kann es sein, dass über das nächste Jahrzehnt einige Änderungen in den Regelungen Niederschlag finden, die wir heute noch nicht erahnen. Wie immer in diesem Wirtschaftszweig wird man einen besonderen Blick auf die Prioritätenrangliste werfen müssen, die dann die Jahresbudgetplanungen begleitet.
4.4 Das neue Operations-Modell Wie auch immer die individuelle Strategie des Instituts lautet, wie auch immer es gewachsen ist, es wurden serienweise Prozesse etabliert, die das Institut heute funktionieren lassen. So gibt es Institute, die produktübergreifende Strategien verfolgen, die kombinierte Middle- und Back-OfficeFunktionen für die Front-Office-Unterstützung erfordern. Andere arbeiten in strenger Funktionstrennung. Einige Wertpapierfirmen unterhalten Abteilungen für strategische Planung, auch hinsichtlich zukünftiger Anforderungen und des Umgang damit. Viele vertrauen auf ihre Abteilungen Compliance, Risk Management, Operations (CRO) und IT, um ihre Prozesse entsprechend anzupassen. Die Prozesse in Kapitalmarktunternehmen gehören zu den IT-intensivsten aller Wirtschaftszweige. Unabhängig vom heutigen Status der Prozesse in einem Haus werden klare Anforderungen an die hauseigene IT hinsichtlich der kommenden Anforderungen zu stellen sein. Wie gewährleisten die führenden Häuser die Verbesserung ihrer heutigen Möglichkeiten? Der Finanzmarkt-Aktionsplan FSAP ist aus Sicht eines außen stehenden Betrachters entwickelt worden, der grundsätzliche Vorstellungen davon hat, wie die Industrie arbeitet, dem aber Detailkenntnisse und insbesondere die Mittel fehlen, klare Vorgaben zu machen, wie eine neue Struktur innerhalb einer Wertpapierfirma solchen Prinzipien genügen kann. Nun, da der Eckpfeiler des FSAP vorliegt, können die neuen Anforderungen grundlegend überprüft werden. Bei der Prüfung der 1.000 Einzelanforderungen der MiFID und des Restes des FSAP ergibt sich ein klares Bild der erforderlichen Fähigkeiten:
64 PJ Di Giammarino
Know Your Product (Kenne Dein Produkt) Vorgabe Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen ihre Produkte und Dienstleistungen sorgfältig definieren und ihnen die entsprechenden Risiko- und Komplexitätskriterien zuordnen, dies jeweils mit Rücksicht auf die angesprochene Zielkundschaft sowie Marketing- und Wettbewerbsstrategie.
Risiko Ungenaue Risiko- und Komplexitätszuordnung bzw. Überwachung der Produkte und Dienstleistungen, dadurch unangemessenes Angebot, insbesondere bei Überschneidung verschiedener Jurisdiktionen, Ausführungsplätze und Kundengruppen.
Tab. 4.1: Know Your Product, JWG-IT, 2007
Know Your Customer (Kenne Deinen Kunden) Vorgabe Wertpapierfirmen müssen ihre Kunden und deren Bedürfnisse genauer studieren. Dazu gehören insbesondere Kundenklassifizierung und die jeweilige individuelle Risikoneigung. Die vertraglichen Grundlagen mit Kunden müssen auf „Herz und Nieren“ geprüft werden, um sicherzustellen, dass sie den neuen Anforderungen genügen.
Risiko Neue Regelungen erfordern höhere Genauigkeit und Dokumentation seitens der Anbieter. Das gilt insbesondere für Informationen, Auftragsaus-führung, Reports und Warnungen an die Kunden.
Tab. 4.2: Know Your Customer, JWG-IT, 2007
4. Besonderheiten in Großbritannien 65
Know Your Deal (Kenne Dein Geschäft) Vorgabe Wertpapierfirmen müssen ihre eigenen Handels- und Ausführungspraxen genau untersuchen. Richtungsentscheidungen und interne Dienstanweisungen müssen ggf. aktualisiert werden, insbesondere wo interne und externe Aufträge vermischt werden.
Risiko Größere Handelsdatentransparenz gibt Kunden erweiterte Möglichkeiten zu prüfen, ob das Unternehmen eine Auftragsausführung gemäß seinen Grundsätzen gewährleistet.
Tab. 4.3: Know Your Deal, JWG-IT, 2007
Know Your Reports (Kenne Deine Reports) Vorgabe Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen ihre Handelsdaten an den Markt, die Kunden und die Aufsichtsbehörden veröffentlichen, über verschiedenste Produktgruppen hinweg und auf einheitlicher und konsolidierbarer Basis.
Risiko Fehlerhafte Harmonisierung von Datenströmen und Ungenauigkeiten in Schnittstellen über verschiedene Jurisdiktionen hinweg haben u.U. signifikante Auswirkungen.
Tab. 4.4: Know Your Product, JWG-IT, 2007
Know Your Firm (Kenne Deine Firma) Vorgabe Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen sich auf Dienstanweisungen, Prozesse, den Umgang mit Kundenvermögen sowie Risiken besonders konzentrieren. Das höhere Management ist verantwortlich dafür, dies ggf. über geeignete Reports, Systeme und Kontrollmechanismen nachzuweisen. Tab. 4.5: Know Your Firm, JWG-IT, 2007
Risiko Ungenaue bzw. unvollständige Dokumentationen und Reports erhöhen die Gefahr, bei Beschwerden von Kunden bzw. Prüfungen der Aufsichtsbehörden ins Hintertreffen zu geraten. Reputationsschäden und Bußgelder können die Folge sein.
66 PJ Di Giammarino
Die genannten Einzelaspekte lassen sich isoliert beschreiben, dennoch sind sie praktisch untrennbar miteinander verbunden. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat mit Augenmaß die relevanten Entscheidungen zu treffen, wie und in welchem Umfang die Umsetzung der einzelnen Anforderungen erfolgt. Die nachfolgende Abbildung stellt die Zusammenhänge der vorgenannten fünf Betrachtungsebenen zusammenfassend dar.
Abb. 4.4: JWG-IT Capital Markets Referenzrahmen
Natürlich sind die Änderungen in den Prozessabläufen nicht einzig den regulatorischen Neuanforderungen geschuldet. Es kommt die dauerhafte Herausforderung dazu, mit der Entwicklung des Marktes schrittzuhalten, wo sich Wachstumsraten weit über 100 % etwa im Bereich der Marktdaten etabliert haben, die in den vergangenen drei Jahren bereits für schlaflose Nächte gesorgt haben. Diejenigen Unternehmen, die bereits mit ihrer Cost-
4. Besonderheiten in Großbritannien 67
Income-Ratio kämpfen, müssen ggf. priorisieren und Minimalumsetzungsstrategien verfolgen. Wie die vorangegangenen Ausführungen zeigen, konzentrieren sich die Unternehmen in Großbritannien auf die Themenbereiche „Know Your Deal“ und „Know Your Firm“, und dabei insbesondere darauf, das Zustandekommen einer Transaktion nachverfolgen zu können. Wie, das sollen die folgenden Abschnitte genauer beleuchten.
4.5 Fähigkeit Nr. 1: Know Your Deal Es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wie die neuen Anforderungen gehandhabt werden sollen. Man kann fünf wesentliche Bereiche unterscheiden. Ihnen gemeinsam ist, dass eine Wertpapierfirma sich selbst und ihre Prozesse kennen(lernen) muss. 4.5.1 Know Your Market (Kenne Deinen Markt) Es gibt mehr als 200 Ausführungsplätze, verglichen mit gut 90 in der Zeit vor MiFID. Hinzugekommen sind gut 100 Mulitlaterale Handelssysteme (MTFs) und ein gutes Dutzend Systematische Internalisierer (SI). Die Abschaffung des Börsenvorrangs in den meisten Mitgliedstaaten (d.h. eine Aktienorder war an ihrem Primärmarkt auszuführen) hat dazu geführt, dass die etwa 7.000 gelisteten Aktien (inkl. ca. 850 liquide Aktien) nunmehr an theoretisch jedem dieser Ausführungsplätze gehandelt werden können. Viele Börsen haben bereits begonnen, die ganze Palette der Aktien anzubieten. Jede Wertpapierfirma hat nun viel mehr Ressourcen für Daten, Filter, Analyse und Orderrouting, auf die sie für ihre Zwecke zugreifen kann. Das bedeutet zugleich viel mehr Arbeit, die ggf. unbekannten Performancewerte neuer Börsenplätze einerseits, und die Unmengen an Marktdaten andererseits auszuwerten. Etablierte Infrastrukturen verlieren immer mehr an Boden, bis 2010 ist ein Wachstum im Handelsvolumen um das neunfache vorausgesagt. 4.5.2 Know Your Policy (Kenne Deine Ausführungsgrundsätze) Man muss den Blick schweifen lassen, um die neue Beziehung zwischen Kunde und Bank zu verstehen. Die Ausführungsgrundsätze sind ein guter Start, aber Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und Ausführungsplatzlisten, mitunter irgendwo auf den Webseiten versteckt, müssen eben-
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falls analysiert werden. Die Joint Working Group – IT hat 50 solcher Kunde-Bank-Beziehungen analysiert und festgestellt, dass: o
die große Mehrheit der Ausführungsgrundsätze sehr generell gehalten ist; lediglich allgemeine Aussagen zu Preis und Art des Auftrags finden sich dort ohne spezifische Hinweise auf akzeptable Ausführungsgeschwindigkeiten oder Kostentransparenz. Der generelle Ansatz stellt sicher, die Mehrzahl der Aufträge in einem sich ändernden Umfeld „richtig“ ausführen zu können.
o
die Käuferseite und die Verkäuferseite durchaus mit unterschiedlichen Ausführungsgrundsätzen aufwarten. Dadurch kommt es mitunter innerhalb derselben Bankengruppe zu unterschiedlichen Execution Policies bei der Kapitalanlagegesellschaft und der Investmentbank. Beispielsweise hat der Broker einer großen Bankengruppe eine allgemeine, einseitige Policy ohne große Unterschiede bei verschiedenen Produktgruppen vorgelegt, während der Asset Manager derselben Bankengruppe eine elfseitige Execution Policy vorlegte, die detailliert für einzelne Produktarten unterschiedliche Kriterien berücksichtigt.
o
die ersten veröffentlichten Ausführungsgrundsätze die jeweils vorherrschende Praxis im Hause und die Handelsgebräuche einfach nur wiedergaben. Dabei wurden wenige Handelsplätze konzentriert angesteuert, einige Brokerpools genutzt, wodurch die Qualitätskomponente (Preis, Ausführungswahrscheinlichkeit) in den Vordergrund rückte.
o
es dennoch auch einige innovative Versionen von Ausführungsgrundsätzen von großen Marktanbietern gab. Darin werden spezifische Preise oder Auftragsgewichtungen je nach Kundenklassifizierung eingeführt, etwa bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) 80 % Preis-, 20 % Kostenanteil bei Privatkunden. Eine andere Bank, die Landsbanki Kepler, gewährt „bestmögliche Ausführung, unabhängig vom Sitz des Kunden oder dessen Klassifizierung, an allen angeschlossenen elektronischen Märkten“; hierzu erhält der Kunde anschließend einen Report, der die bestmögliche Ausführung dann auch nachweisen soll.
4. Besonderheiten in Großbritannien 69
4.5.3 Know How Your Value Proposition Compares (Beobachte deine Gewichtungen im Marktvergleich) MiFID-konform zu sein bedeutet nicht, dass man auch eine tatsächlich bestmögliche Ausführung gewährleistet. In Zukunft wird man von einer leistungsstarken Investmentbank erwarten, eine schnelle Ausführung in nachvollziehbarer Weise zur rechten Zeit zu leisten. Die Kriterien der MiFID für eine bestmögliche Ausführung sind mannigfaltig und nicht alle nur auf den Preis ausgerichtet. Jedes der sieben Schlüsselkriterien kann unterschiedlich gewichtet werden. Je mehr führende Banken detaillierte Policies aufstellen, desto genauer werden auch die Angebote an die Kunden ausfallen, wie nachfolgend zusammengefasst. Qualität 1. Preis: Was ist der beste Preis? Ist es der beste Preis zur Zeit der Ausführung, am Tagesanfang oder -ende, oder der Durchschnittspreis über einen bestimmten Zeitraum? 2. Ordergröße: Welche Ordergrößen sind relevant? 3. Ausführungssicherheit: Wie berechnet man die Wahrscheinlichkeit der Ausführungssicherheit? Über die Liquidität am Ausführungsplatz, die Quote ausgeführter Aufträge oder die Preistiefe? Zeit 4. Ausführungsgeschwindigkeit: Welches Maß wird benutzt? Gibt es Standards, die sich auf die Charakteristik des Handelsplatzes beziehen, z.B. der Zeitraum vom Odereingang bis zur Ausführungsbestätigung? Was sind die Grenzwerte, ab denen der Auftrag zu einem anderen Handelsplatz weitergeleitet wird? 5. Andere Kriterien: Wie bewertet man die Marktauswirkungen einer Order? Welche Mittel zur Verhinderung von Marktbeeinflussung bzw. Kundenweisungen liegen vor und sind sichtbar? Kosten 6. Clearing und Settlement: Welche Maßstäbe gelten für Ausführungswahrscheinlichkeit? Sind Dienstleistungen wie Clearing und Depotführung hier enthalten oder bei Kosten? 7. Kosten: Werden alle expliziten Kosten (eigene und fremde Gebühren, Zuwendungen) bei der Bewertung berücksichtigt oder auch implizite Kosten (für Handelstransparenzmeldungen und Ausführungen)? Sind diese Posten transparent und vergleichbar? Abb. 4.5: Schlüsselkriterien für die Ausführungsgrundsätze, JWG-IT Analyse
70 PJ Di Giammarino
Obwohl diese Komponenten in die Ausführungsgrundsätze der Investmentfirmen eingeflossen sind, kann niemand diese einfachen Fragen im Detail beantworten. Die Grundsätze sind zwar „MiFID-konform“ bzw. qualitätsgesichert und generelle Angaben zu Preis, Ausführungsart oder -zeit und Kosten sind auch vorhanden Die Auswahlkriterien für einen bestimmten Ausführungsplatz, Angaben zu der Prüfung der Grundsätze oder genaue Kosteninformationen (Transaktionskosten, Handelskosten, Clearing- und Settlementkosten) sucht man dennoch vergeblich.
High
Effective C o m p l e x i t y
Time
Cost
Market impact Execution speed
Costs (explicit & implicit) Settlement likelihood
Efficient Quality Price Execution certainty Order size
Compliant
As market matures, e.g. new liquidity venues appear and cost transparency increases, best execution polices will need to become more complex
Low
Low
Maturity/value
High
Abb. 4.6: MiFID Best Execution Policy, JWG-IT Analyse
Da die Unternehmen eine bestmögliche Ausführung gewährleisten müssen, sind die Auswahl und die Bewertung eines Handelsplatzes zukünftig besonders wichtig. Ohne detaillierte und durchschaubare Messmethoden wird es schwierig sein, dem Kunden gleichbleibend bestmögliche Ausführung nachzuweisen. Grundsätze, die effektive Ausführung versprechen, werden im Bereich von Kosten und Zeit eher allgemein gehalten sein, während sie mit Detailtiefe in den Bereichen Preisgewichtung und Ordergröße aufwarten werden. Generelle Auswahlregeln für Handelsplätze und
4. Besonderheiten in Großbritannien 71
Angaben zur regelmäßigen Überprüfung der Grundsätze werden hinzukommen, ebenso wie Angaben zu Transaktions- und/oder Handelskosten. Bis heute haben wir keine Grundsätze gefunden, die sich explizit auf die Kosten konzentrieren. Zukünftig sollten ausgeklügelte Gewichtungsfaktoren für alle Kriterien sowie nachvollziehbare Benchmarks existieren, die diese Kriterien transparent machen. Notwendig ist die volle Aufschlüsselung von expliziten und impliziten Kosten sowie deren Abhängigkeit von Handelsvolumina oder -kanälen. Die Ansatzpunkte der Zukunft werden Kostensenkungsmaßnahmen für die Erstellung von HandelstransparenzReports, für Meldungen an die Aufsichtsbehörden, für Depotbuchhaltung und für die Bereitstellung von „value-added reports“ für Kunden sein. Händler, die algorithmische Rechenmaschinen benutzen, die derzeit auf einzelne Datenquellen zugreifen, werden zukünftig berücksichtigen müssen, wie sich der Preis eines Underlyings auf den Preis eines abgeleiteten Finanzinstruments (Derivat) auswirkt. Um die Wirkung des Underlyings auf das Derivat zu ermitteln, sind u. U. neben vorgegebener Logiken auch Produktgruppen anderer Unternehmensbereiche zu berücksichtigen. Ein konsistentes und belastbares Regelwerk für derartige Berechnungen wird dadurch nötig werden. Die existierenden Modelle werden nicht mehr ausreichen. Auch Kunden werden aufmerksamer werden, sie werden mehr Qualität einfordern, sie werden sich mit dem Preis allein nicht mehr zufriedengeben, sondern auch wissen wollen, wie der Preis zustande kommt. 4.5.4 Know Your Order (Kenne deinen Auftrag) Zukünftig werden die Unternehmen also flexibler werden müssen, operational wie in der IT, um auf die jeweiligen Kundenwünsche eingehen zu können. Um das zu gewährleisten, müssen die Unternehmen ihre Transaktionen genau kennen („Know Your Deal“ – KYD), indem sie: o o o o o
Auftragsdaten und Marktdaten sammeln, Marktdaten filtern und Kundenorders bündeln, den Markt und Marktauswirkungen analysieren und damit verbundene Risiken und Ertragseffekte feststellen, Routing zum besten Ausführungsplatz und dabei spezifische Umgebungsvariablen berücksichtigen, Ausführung, Clearing und Settlement mit entsprechender Rechnungslegung gewährleisten,
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o
Datenveröffentlichung an den Markt, den Kunden und die Aufsichtsbehörde(n) sicherstellen.
Ausgehend von den im vierten Quartal 2007 vorhandenen Möglichkeiten, erscheinen drei Know-Your-Deal-Kriterien wesentlich: o
o
o
Preisvergleichbarkeit: Wie schwierig ist der Preisvergleich für eine bestimmte Produktart über verschiedene Ausführungsplätze in unterschiedlichen Zeitzonen mit ggf. unterschiedlichen ProduktKennzeichen? Regelintegrierung: In welchem Umfang sind interne und Kundenaufträge konsolidierbar, ausführbar und einheitlich? Können sie effektiv ausgewertet werden? Sind die verschiedenen Systeme, die eine Transaktion während ihrer Laufzeit begleiten, verbunden? Kundendatenflexibilität: Wenn Daten fehlen, wird dadurch die Gesamtdatenintegrität gefährdet?
Bessere Analysetools werden also im Bereich Know Your Deal erforderlich sein. Die Gesamtkosten- und Risikobewertung sowie Settlementdaten werden nicht mehr nur statisch und historisch sein können. Ab 2008 werden die Best-Execution-Kämpfe auch über die Flexibilisierung dieser Möglichkeiten ausgetragen werden. 4.5.5 Know Your Infrastructure (Kenne deine Infrastruktur) Mit mehr als 100 Multilateral Trading Facilities und über 90 Regulierten Märkten wird der Blick auf die eigene Infrastruktur wichtiger werden. Operational werden sich die folgenden Fragen stellen: o
o
o o
Haben wir den richtigen Deal gemacht? Wie erfolgte die Orderaufnahme, wurde richtig gewichtet zwischen Qualität, Zeit und Kosten? Haben wir dem Kunden gegenüber transparent gehandelt? Ist der Kunde mit der Abrechnung zufrieden? Kann der Kunde nachvollziehen, dass wir seinen Auftrag korrekt ausgeführt haben? Was haben wir an die Aufsicht gemeldet? Sind die Meldungen konsistent und revisionsfest? Wie schnell und genau können wir auf Beschwerden reagieren? Sind Kosten und Risiken quantifizierbar? Sind die Daten verifizierbar?
4. Besonderheiten in Großbritannien 73
Die engen Budgets und dynamischen Priorisierungen werden die Firmen zu mutigen Entscheidungen bei der Budget- und Ressourcenplanung zwingen. Es wird entscheidend sein, einerseits die Kapazitäten aufzubauen, die nötig sind, um konkurrenzfähig zu sein, andererseits wird man Kosten senken müssen, wo es nur möglich ist. 2008 wird ein Jahr des Wettbewerbs sein. Daher wird die eigene Standortbestimmung wichtig sein, um zu sehen, wo man im Vergleich zu den Hauptkonkurrenten steht.
4.6 Fähigkeit Nr. 2: Know Your Firm (Kenne dein Unternehmen) MiFID erhöht den Druck auf Finanzinstitute in Europa mit einem wenig bekannten Artikel 51, wonach die Aufsichtsbehörden in Europa berechtigt sein werden, die wesentlichen Schritte des Abschlusses für jede Transaktion nachzuvollziehen. Das Unternehmen muss beweisen, dass seine Handlungen dem entsprachen, was es versprochen hatte zu tun, und dass es die Informationen zu dem Abschluss nicht manipulieren konnte - und das jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren. Des Weiteren sind Kundenunterlagen, in denen Rechte und Pflichten dargelegt sind, während der gesamten Dauer der Kundenbeziehung aufzubewahren. Gemessen am Umsatz geben die globalen Kapitalmärkte mehr für Informationstechnologie aus als die meisten anderen Branchen. Ebenso wie Heizung, Belüftung und Klimatisierung gehört die Aktenführung zum Tagesgeschäft der Finanzbranche. Die Untersuchung von JWG-IT zeigt jedoch, dass 63 % der Grundgesamtheit angeben, mit den Anforderungen von Artikel 51 insofern ein Problem zu haben, als sie nicht in der Lage sind, zu untersuchende Ereignisse im Nachhinein innerhalb einer angemessenen Frist oder zu angemessenen Kosten zu rekonstruieren. MiFID hat die Landschaft für das Betriebsmodell zur Aktenführung geändert, da es o
o
o
die Regulierung zu einem transparenten und kundenfokussierten System fördert, das Anleger im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gleichermaßen schützt, auf ein prinzipienbasiertes System übergeht, das der Unternehmensleitung die Verantwortung für die Einhaltung dieser Prinzipien im gesamten Unternehmen zuordnet, Aufzeichnungen als entscheidendes Beweismittel dafür benutzt, dass die Prinzipien eingehalten werden.
74 PJ Di Giammarino
Geldstrafen werden nicht mehr nur für unzureichende Aktenführung verhängt, sondern jetzt auch für die Folgen dessen, dass Akten nicht geführt werden oder nicht auffindbar sind. Die Schwierigkeit besteht darin, dass das Unternehmen beweisen muss, dass es seine Geschäfte korrekt betrieben hat. Es muss sogar sicherstellen, dass derartige Beweise auf dem Weg bis (im Extremfall) hin zu den Europäischen Gerichtshöfen in keiner Form manipuliert worden sind. Können diese Unternehmen zum Beispiel im Jahr 2012 nachweisen, dass am 1. November 2007 getätigte Abschlüsse an den angegebenen Orten mit den angegebenen Kursen und der angegebenen Schnelligkeit etc. ausgeführt worden sind? Können sie das Umfeld zum Zeitpunkt der Order/des Abschlusses rekonstruieren? Wie war die Marktlage und welche Meinung hatte der Anleger aufgrund der zuletzt empfangenen Informationen? Was wurde zu dem betreffenden Zeitpunkt durch SMS, Instant Messaging, Brief, E-Mail, Fax oder mündlich mitgeteilt? Wenn Finanzdienstleister darauf antworten, dass es zu schwierig sei, dies zu ermitteln, könnten sie genauso gut überhaupt keine Best Execution Policy haben. Im Kern gibt es vier den Wandel vorantreibende MiFIDAnforderungen, die eine Änderung des Betriebsmodells zur Aktenführung erfordern, wie in Tab. 4.6 gezeigt wird. Anforderung
Unterlagen
Know Your Product (KYP)/ Know Your Client (KYC)
Know Your Deal (KYD)
Kundenklassifizierung: erste Einschätzung von Eignung und Angemessenheit sowie Änderungen des Status des Kunden, durch wen und wann? Informationsbereitstellung an Kunden, einschließlich Marketingmitteilungen und Anlage-Research Aufzeichnung von Angaben zum angebotenen Produkt/zur angebotenen Dienstleistung Orderausführung: einschließlich Protokollierung, wie mit Gesamt-/Teilaufträgen verfahren wird, Ausweis des jedem Kunden zugeteilten Betrags mit Datum und Uhrzeit der Zuteilung; Repartierung; Offenlegung von Anreizen und angemessenen Risikohinweisen; Uhrzeiten, zu denen Order abgeschickt und vom Kunden erhalten wurde Angabe der zum betreffenden Zeitpunkt geltenden internen und externen Regeln für den Handel Unterlagen, die Entscheidungen zur Handelsausführung unterstützen, z.B. Vor- und NachhandelsAnalysen
4. Besonderheiten in Großbritannien 75
Anforderung
Unterlagen
Know Your Reports (KYR)
Know Your Firm (KYF)
Rechtzeitige Offenlegung von Kursen und Abschlüssen gegenüber dem Markt (in 3 Minuten) Aufbewahrung von Unterlagen zur Ausführung von Kundenorders während eines Zeitraums von mindestens 5 Jahren Aufbewahrung einer Aufzeichnung von Transaktionen während eines Zeitraums von mindestens 5 Jahren Aufzeichnung von periodischen Aufstellungen, die an Kunden versandt werden Unterlagen, die zeigen, wie das Unternehmen Vermögenswerte von Kunden schützt Aufführen von Aktivitäten, die zu schädlichen Interessenkonflikten führen könnten Eine manipulationsgeschützte Umgebung, bei der Änderungen und Streichungen sowie deren Gründe, der Zeitpunkt und die ausführende Person nachgeprüft werden können Führung von Unterlagen zur internen Organisation des Unternehmens und seinen ComplianceRichtlinien und -Verfahren Verwahrung von schriftlichen Berichten an die Geschäftsleitung Führung von Unterlagen zu eingegangenen Beschwerden, wobei schriftlich festzuhalten ist, wie diese erledigt wurden Belastbare Katastrophen- und Geschäftsaufrechterhaltungskonzepte
Tab. 4.6: Kurze Darstellung der wesentlichen Änderungen, JWG-IT, 2007
Wer noch nicht glaubt, dass eine Marktmissbrauchsuntersuchung sich zuerst auf die Verpflichtung zur Aktenführung richten wird, sollte die halbseitige Anmerkung zur „Non-Retail Transaction Enquiry Form“ im FSA „Market Watch Newsletter 24“ vom 29. Oktober 2007 beachten. Hier heißt es, „es reicht nicht aus, uns lediglich mitzuteilen, dass Ihr Unternehmen alle einschlägigen aufsichtsbehördlichen Anforderungen erfüllt“. Unternehmen müssen der FSA Aufzeichnungen mindestens zu Folgendem vorlegen (wobei diese Aufzählung nicht vollständig ist):
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o o o o o
Order- und Handelsdaten Telefonaufzeichnungen E-Mail-Dokumente Allgemeiner Schriftverkehr Einzelheiten zu bestehenden Verfahren der Unterlagensicherung
Für Unternehmen, die Geschäfte mit Privatkunden tätigen, sind die Anforderungen höher. Vor allem Rechte aufgrund von Section 150 6 – hiernach haben Privatpersonen ein gesetzliches Recht auf Klage in Bezug auf Verletzung sämtlicher Regeln des neuen Conduct of Business (Führung der Geschäfte) – werden eine besondere Herausforderung darstellen. Leider verpflichtet die FSA Unternehmen nicht, mündliche und elektronische Mitteilungen aufzuzeichnen. Die FSA ließ sich dabei von den Antworten befragter Unternehmen leiten, die besagten, dass Telefonaufzeichnungen nicht zur Bekämpfung von Marktmissbrauch beitragen würden. Die FSA glaubt immer noch an den Wert von Kommunikationsaufzeichnungen und belegte dies hinlänglich anhand des Falls GLG und Philippe Jabre 7. Zu beachten ist, dass mindestens die Hälfte der EWR-Mitgliedstaaten die Verpflichtung zur elektronischen Aufzeichnung für MiFID-Geschäfte einführen wird und eine EU-Überprüfung der elektronischen Aufzeichnung spätestens 2009 ansteht. Die FSA hat jedoch beschlossen, dass die Section 150-Rechte gelten sollen und Unternehmen nun sicherstellen müssen, dass sie nachweisen können, dass alle Mitteilungen an Kunden angemessen, klar und nicht irreführend sind. Bereichsübergreifend gibt es vier wesentliche Herausforderungen, die die Schichten des Unternehmensmodells einer Firma betreffen: o
o
o
6 7
Richtlinien und Verfahren: Gibt es sie, decken sie alle Informationen ab, die nach der EU-Richtlinie und der Umsetzung in lokales Recht erfasst werden sollen und erstrecken sie sich auf alle relevanten Teile des untersuchten Arbeitsablaufs? Anwendungen: Erfassen sie alle zu erfassenden Daten und speichern sie sie in einem Format, das auch in Zukunft jederzeitige Wiederherstellung ermöglicht? Können sie gleichzeitige und aufeinander folgende Ereignisse erfassen? Daten: Wird alles erfasst? Bestehen irgendwelche Risiken im Hinblick auf die Erfassungs-, Speicherungs- und Abfrageprozesse?
Neue Kundenregeln der FSA (COBS), Section 150, vom 01. November 2007. Am 1. August 2006 belegte die FSA GLG Partners und Philippe Jabre jeweils mit einer Geldstrafe von £750.000,- wegen Marktmissbrauchs.
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o
Wenn es sich dabei nicht um Grund- oder Stammdaten handelt, können diese Daten später wieder rekonstruiert werden oder müssen sie zusammengesetzt gespeichert werden 8? Infrastruktur: Kann das Wachstum eines jeden Datensatztyps von der derzeitigen Infrastruktur bewältigt werden? Ist die zur Datenerfassung, -speicherung und -abfrage verwendete Technologie besonders effizient, wenn es darum geht, der örtlich zuständigen Behörde zu ermöglichen „leicht darauf zuzugreifen und jeden wesentlichen Schritt der Verarbeitung jeder Transaktion zu rekonstruieren“? 9
Da die Anforderungen an die Aktenführung das gesamte Unternehmen betreffen, ist für eine Einschätzung ihrer Auswirkungen ein umfassendes Verfahren erforderlich, das alle Schichten erfasst. Bei dem vorstehenden Punkt bezüglich der Daten ist es wesentlich, den Dokumentenlebenszyklus, die physischen Daten und die Sicherheitsregeln zu bewerten und festzustellen, ob der vertragliche Rahmen, in dem Informationen gespeichert werden und darauf zugegriffen wird, in eine Bewertung des Betriebsprozessmodells einbezogen werden kann. Die Implikationen sind klar. Die Aktenführung im Einklang mit MiFID bedeutet mehr als einfach nur „Kästchen ankreuzen“. Es gibt eine Anzahl von wesentlichen Risiken, die minimiert werden müssen. Daher muss ein risikobasierter Angang gewählt werden, bei dem zunächst die vorrangigen Anforderungen an das Geschäft eingeschätzt und dann mögliche Lösungen beurteilt werden. Standardlösungen wird es hierbei nur selten geben. Institute können meist nicht ganz von vorn anfangen, sondern sind durch frühere Investitionen in Technologie gebunden. Für die meisten besteht die Herausforderung darin, die neuen Anforderungen zu definieren und dann bei laufendem Geschäftsbetrieb Änderungen im Unternehmen durchzuführen. Unsere 2006 durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass jeweils das gesamte Unternehmen Risiken bei der Aktenführung ausgesetzt ist. In unseren Seminaren zu diesem Thema im Jahr 2007 wurden 55 Mindestanforderungen an die Aktenführung geprüft, wobei JWG-IT das Ausmaß der erforderlichen Änderungen für jeden der 14 Hauptpunkte beurteilt hat (wie in Abbildung 4.3 dargestellt). Die anonymen Antworten von Branchenteilnehmern haben bestätigt, dass bei diesen Änderungserfordernissen 8
9
Beispiel: Eine Handelsbestätigung muss möglicherweise später anhand der gespeicherten Einzelheiten der Transaktion rekonstruiert werden. MiFID-Durchführungsverordnung 2006/73/EG, Art. 51.
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die Ampel auf gelb und rot steht, da sie reale Herausforderungen an das durchschnittliche Unternehmen darstellen. Am problematischsten erscheinen der Abschlusslebenszyklus und die Interaktion mit Kunden. Dabei sollte man sich jedoch bewusst machen, dass diese Einstufungen auf Mindestanforderungen beruhen und es in Ländern mit strengeren Bestimmungen noch schwieriger sein kann, den Anforderungen an die Aktenführung gerecht zu werden. Die Seminarteilnehmer wurden auch gebeten, die größten technischen Herausforderungen einzustufen. Dabei ergab sich, dass die Fähigkeit, Daten zu erfassen und zu speichern zwar ein Problem darstellt, dies für Investmentfirmen aber eine geringere Herausforderung darstellt als der Zugriff auf Daten und die Wiederherstellung von Daten. Einzelheiten gibt die nachfolgende Abbildung 4.7. wieder. Record keeping difficulty by solution priority 10 9
S co re b y categ o ry
8 7 6 5 4 3 2 1 0 Creation / Capture / Timeliness
Storage / Integrity
Retrieval
Reconstitution
Understanding customers & products
Transacting the offerings
Market transparency
Organise better
Average
Abb. 4.7: Technische Schwierigkeiten bei der Aktenführung, nach Dringlichkeit der Lösung, JWG-IT, IBRMF Workshop 20. September 2007; Legende entsprechend der Reihenfolge der Säulen, Average ist letzte Säule
Insgesamt nimmt im Fall einer Aufforderung durch Kunden oder Aufsichtsbehörden die Wiederherstellung von Daten im Durchschnitt den Wert 7 auf einer Schwierigkeitsskala bis 10 ein. Die Befragten zeigten sich
4. Besonderheiten in Großbritannien 79
jedoch über die „Angebotsabwicklung“ mehr besorgt. Diese enthielt u.a. als Unterpunkte Best Execution und Orderabwicklung. Der Schwierigkeitsgrad hierzu wurde mit 9 von 10 Punkten bewertet. Dies zeigt, dass wesentliche Risiken beim Verfolgen von Orderzuweisungen/Orderaggregierungen und den entsprechenden Regeln bestehen. Bei Überlegungen hinsichtlich erforderlicher Änderungen der Betriebsmodelle für die Aktenführung machten Seminarteilnehmer vor allem die gestiegenen Volumen und die größere Häufigkeit von MiFID-Daten sowie die Schwierigkeit, ganz verschiedene Bestände an unstrukturierten Referenz- und Transaktionsdaten miteinander zu verknüpfen, als die größten Problemfelder aus. So war es wahrscheinlich nicht überraschend, dass die Sorgen in Bezug auf Personal und Prozesse in den unstrukturierten Bereichen des Organisationsmanagements am stärksten waren. Diese Gesamtprioritäten stellen eine generelle Richtlinie für die Bereiche dar, in denen MiFID Probleme bei der Aktenführung aufwerfen wird. Es ist jedoch klar, dass die Führungsteams die auf ihr Geschäftsmodell zutreffenden Anforderungen auswählen müssen. Für jede Branche müssen die Besonderheiten des Geschäfts (z.B. Anzahl und Art der Kunden, Produktangebot, Dienstleistungsangebot) beurteilt werden, ebenso wie die bestehende Rechtsprechung, die gängige Praxis und die Unternehmenskultur und das Verhalten des Unternehmens. Die meisten Unternehmen führen eine gründliche Überprüfung der bestehenden Infrastruktur durch, nehmen die erforderlichen kurzfristigen Anpassungen vor und entwickeln mittelfristig Programme zur Reduzierung von Geschäftsrisiken und Kosten. Solche Anpassungen sind nie einfach, da jahrelange Investitionen zu verteilten Technologieportfolios mit hohem Komplexitätsgrad geführt haben, bei denen eine Verbesserung schwierig ist. Des Weiteren stellt nach Ansicht von JWG-IT eine Änderung der Arbeitsweise der Mitarbeiter eine große Herausforderung dar, weil: o
o
die Zuweisung der Verantwortlichkeit für die Aktenführung in Übereinstimmung mit MiFID insofern schwierig ist, als es sich hierbei gewöhnlich um einen funktionsübergreifenden und unzureichend ausgestatteten Bereich handelt. In vielen Unternehmen ist nicht eine Einzelperson dafür zuständig. Die Verantwortung für den neuen Prozess ist komplex, da globale Überschneidungen berücksichtigt und Regeln für die Lösung von Konflikten geschaffen werden müssen.
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o
Die Geschäftsleitung muss überlegen, welche Technologien für die jeweilige Umgebung geeignet sind, und welche zukünftig weit verbreiteten Kommunikationsmittel (z.B. Instant Messaging, EMail) berücksichtigt werden müssen.
In den nächsten Jahren wird die Brisanz des Themas Aktenführung noch zunehmen; um eine Reihe von bedeutenden und kostenträchtigen Problemen abzuwenden, muss die Geschäftsführung Antworten auf schwierige Fragen finden. In Großbritannien erkennen einige, dass Aktenführungsstandards wie ISO 15489:2001 10 Information und Dokumentation, der auf den australischen Designing and Implementing Recordkeeping Systems (DIRKS) basiert, zur Minimierung von Aktenführungsrisiken verwandt werden kann. Durch Definition der Szenarien, die das größte Risiko für das Geschäft darstellen, kann die Geschäftsleitung Prioritäten hinsichtlich der Transaktionen und der zugrunde liegenden Akten setzen, die diese unterstützen. Die EU-Modellanforderungen 11 für die Verwaltung elektronischer Akten kann dann auf das Aktenführungsbetriebsmodell für die Erfassung, die Klassifizierung, den Zugriff, die Bewertung, die Speicherung, die Verwendung und die Verfolgung sowie für die Abgabe angewandt werden. Alle, die in Großbritannien mit der Aktenführung befasst sind, müssen jedoch tätig werden. Wir raten dazu, die Europäischen Gerichtshöfe und die Aufsichtsbehörden in diesem Punkt genau zu beobachten, um über das eigene Vorgehen sinnvoll entscheiden zu können.
4.6 Schlussfolgerung: Ausblick auf 2012 In der griechischen Mythologie fragte die Sphinx, ein aus vielen Rassen zusammengesetztes Ungeheuer, alle Reisenden auf der Straße nach Theben „Was geht am Morgen auf vier Füßen, am Mittag auf zweien und am 10
Definiert als „Der Managementbereich, der zuständig ist für die effiziente und systematische Kontrolle der Einrichtung, Übernahme, Führung, Verwendung und Abgabe von Akten, einschließlich der Erfassung und Verwahrung von Nachweisen und Informationen über Geschäftsaktivitäten und Transaktionen in der Form von Akten“. 11 Die „Model Requirements for the management of electronic records“ wurden ursprünglich 2001 im Rahmen des IDA-Programms als umfassende Spezifikation der sachlichen Anforderungen an die Verwaltung elektronischer Akten aufgestellt.
4. Besonderheiten in Großbritannien 81
Abend auf dreien?“ Konnten sie das Rätsel nicht lösen, wurden sie von der Sphinx getötet. Als Ödipus antwortete „der Mensch“, beging die Sphinx lieber Selbstmord als mit einer Lücke in ihrer Exekutionspolitik zu leben. Bei der Frage der Sphinx ging es darum, wie lange es dauert, ausgereift zu sein. MiFID wirft insbesondere für neue Führungskräfte neue Rätsel auf, wenn sie sich den Turbulenzen eines nicht reifen Markts gegenüber sehen. Wo ist die Liquidität? Welche Kunden werden die meisten Anforderungen stellen? Wer bekommt die erste Geldstrafe? Was ist die „Best Practice“ für die Branche? Welche Unterschiede bestehen innerhalb der EU? Wie global können meine Regeln und mein Betriebsmodell sein? In Europa müssen wir erst noch Antworten finden, und – wie wir ausgeführt haben – muss auch eine globale Dimension berücksichtigt werden. Die zuerst aufgestellten Strategien sind nicht unbedingt diejenigen, die auf lange Sicht erfolgreich sind. Unternehmen und ihre Zulieferer tun gut daran, bessere Geschäftsbetriebe zu entwickeln, die den neuen Kundenrechten und der Transparenz gegenüber dem Markt Rechnung tragen. Die Spielzüge sind schnell, komplex und schwer nachzuvollziehen. Es gibt viele Informationsarbitrage-Möglichkeiten, selbst innerhalb desselben Unternehmens. Eines steht fest: Das Rennen ist noch lange nicht gelaufen, und hinter jeder Ecke warten neue Rätsel. Die einzige Konstante ist das Erfordernis, bessere Kontrolle über das gesamte Betriebsmodell durch Regeln, Verfahren, Arbeitsflüsse, Daten, Anwendungen und die Technologieinfrastruktur, auf der sie alle aufgebaut sind, zu erlangen. Dies ist natürlich nicht nur eine Compliance-Frage. Da die mehr als 1.000 MiFID-Anforderungen Änderungen im gesamten Unternehmen angestoßen haben, verfügen nur wenige über die aktualisierte Balanced Scorecard, die heute für die Absolvierung der Strecke erforderlich ist. So wie sich der EU-Markt durch die von MiFID eingeführten Spielregeln verändert, so verändern sich auch die erforderlichen Maßnahmen und Messdaten. Die Herausforderung für die meisten Institute besteht darin, dass ein passendes, rechtzeitig verfügbares und leicht durchführbares Maßnahmenpaket benötigt wird, das den möglichen Unternehmensrisiken unter dem neuen System 12 Rechnung trägt. Um die neuen MiFID-Anforderungen zu nutzen und künftige Risiken zu minimieren, ist es wesentlich, den richtigen Plan zur Umsetzung eines angemessenen Änderungsprogramms zwecks Zielerreichung klar zu bestimmen. Ein solcher Plan ist von Unternehmen zu Un12
November 2007, “MiFID metrics: does your dashboard measure up?” – JWG-IT Business Objects Whitepaper.
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ternehmen verschieden, je nach aktueller Position und den Fähigkeiten und Geschäftszielen. Ein wesentliches Element des Planungsprozesses besteht darin zu bestimmen, wo sich ein Unternehmen im Verhältnis zur breiten Masse befindet und wohin es will. Man muss sich darauf einrichten, dass die Anforderungen für diejenigen, die die Bank leiten, noch schwieriger werden, ehe eine Besserung eintritt. Es gibt ein erhebliches Maß an Trägheit aufgrund der Marktbedingungen, der Komplexität des regulatorischen Prozesses und der fundamentalen Unsicherheit von prinzipienbasierten Bestimmungen. Dennoch ist klar, dass die Kunden, die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Europäische Kommission jetzt die Transparenz und die wirtschaftlichen sowie regulatorischen Folgen erzielt haben, die sie benötigen, um die Veränderungen zu forcieren.
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa
Andreas von Böhlen und Jens Kan
5.1 Einleitung Im Anschluss an die Vorgängerkapitel soll dieses Kapitel neben einem kurzen Überblick über den Stand der Umsetzung der MiFID in Europa Hinweise zu weiteren Schritten des europäischen Gesetzgebers geben sowie den Anlegerschutz im Spannungsfeld zwischen Aufsichts- und Zivilrecht betrachten. Abschließend wird ein Abriss gegeben über die Chancen der MiFID für die Finanzdienstleistungsindustrie und deren Kunden.
5.2 Der Stand der Umsetzung der MiFID in Europa Die MiFID-Umsetzung ist von Seiten der nationalen Gesetzgeber Europas inzwischen im Wesentlichen abgeschlossen worden. Gemäß dem Komitee der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden, CESR, ist die MiFIDDurchführungsverordnung per 01. April 2008 nur in der Tschechischen Republik sowie in Polen noch nicht verabschiedet, die Umsetzung Lettlands wird derzeit von ihr noch überprüft 1. Ein analoges Bild gilt hinsichtlich der MiFID-Durchführungsrichtlinie, dem Teil der MiFID-Legislative mit nationalen Wahlmöglichkeiten, deren Umsetzung neben den vorgenannten Ländern zusätzlich auch noch für Dänemark, Finnland und Slowenien überprüft werden muss. Mithin haben zumindest 21 von 27 Ländern die MiFID inzwischen vollständig in nationales Recht umgesetzt. In diesem Zusammenhang muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die gesetzliche Anforderung darin bestand, sowohl die Verordnung als 1
http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/transposition/table_en.pdf (Stand per 11. April 2008).
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auch die Richtlinie bis zum 31. Januar 2007 in nationales Recht zu überführen. Die Tatsache, dass immerhin sechs Länder der EU per Stichtag 01. April 2008, also fünfzehn Monate nach dem vorgeschriebenen Ratifizierungstermin für die nationalen Gesetze und fünf Monate nach Inkrafttreten der MiFID zum 01. November 2007 die MiFID-Anforderungen noch nicht bzw. nicht vollständig in nationale Gesetze umgesetzt haben, macht deutlich, dass es für die Umsetzung der MiFID auch bei den Gesetzgebern erheblicher Anstrengungen bedurfte. Berücksichtigt man, wie das Beispiel Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass mit der Implementierung der MiFID in der legislativen Praxis nicht einfach ein einziges Gesetz eingeführt wurde, sondern gleich eine Vielzahl von bestehenden Gesetzen geändert werden musste, so wird erkennbar, dass auch für den Gesetzgeber der zeitliche Rahmen der Umsetzungsvorbereitung recht knapp, letztendlich sogar zu knapp bemessen war. Für die betriebliche Praxis ist außerdem noch zu prüfen, in welchem Umfang der Teil der MiFID-Durchführungsrichtlinie, der nationale Wahlmöglichkeiten enthielt, von welchen Ländern mit welchen Auswirkungen genutzt wurde. Ungeachtet darüber hinaus noch zum Teil bestehender Unklarheiten bei überwiegend technisch orientierten Fragen, z.B. im Umfeld von Wertpapiertransaktionsmeldungen der Banken an Aufsichtsbehörden, kann im Ergebnis daher zum derzeitigen Termin noch nicht von einem in wünschenswerter Vollständigkeit harmonisierten EU-Binnenmarkt für Wertpapiergeschäfte gesprochen werden. Der hohe Arbeitsaufwand und zeitlich enge Rahmen für die Umsetzung der MiFID in die betriebliche Praxis galt aufgrund der Vielzahl von Einzelkomponenten konsequenterweise auch für die von der MiFID betroffenen Finanzdienstleistungsunternehmen. Insbesondere Banken, die in mehreren Ländern innerhalb der EU tätig sind, haben darüber hinaus noch die ungünstige Situation, dass sie schon allein aufgrund der nicht durchgängig einheitlichen Termine des Inkrafttretens der nationalen Gesetze ihre Kunden in Europa entweder bis heute noch nicht oder nicht bezüglich aller Fragestellungen einheitlich behandeln können. Da dies in der Steuerung des Tagesgeschäfts die Gefahr von Prozess- und Abwicklungsfehlern birgt, war die Alternative gegenüber Kunden aus Ländern, in denen die MiFID noch nicht eingeführt und damit sicher auch weniger bekannt war, entweder noch keine Information an die Kunden zu schicken, oder durch entsprechend umfangreiche Kundeninformationen und Schulungen der Kundenbetreuer für erhöhte Aufklärung zu sorgen und um Verständnis für die unternehmensintern gewählte Vorgehensweise zu werben. Dies hat und wird umgekehrt bei europaweit agierenden Bankkunden auch für Irritatio-
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa 85
nen sorgen, weil sie Banken aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten deutlich verschieden umfangreiche Informationen im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften zur Verfügung stellen müssen und von den Banken auch erkennbar vielfältige Informationen erhalten haben. Berücksichtigt man nun noch die ursprüngliche zeitliche Dimension hinsichtlich der Gesetzeseinführung, so erkennt man erhebliche Diskrepanzen. In der Presseerklärung der Europäischen Kommission vom 5. Februar 2002 2 heißt es u.a.: „Die Europäische Kommission hat sich erfreut über die Entscheidung des Europäischen Parlaments gezeigt, den Lamfalussy-Vorschlägen zur Regulierung der europäischen Finanzmärkte zuzustimmen. Nach einer förmlichen Erklärung von Kommissionspräsident Romano Prodi stimmte das Parlament am 5. Februar … für eine Entschließung, die den EU-Institutionen den Weg zu einer effizienteren Ausarbeitung, Verabschiedung und Umsetzung neuer Rechtsvorschriften im Finanzdienstleistungsbereich ebnet. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten dem vom Ausschuss der Weisen unter Vorsitz von Alexandre Lamfalussy vorgelegten Schlussbericht über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte bereits bei ihrem Treffen in Stockholm zugestimmt. In seinem Bericht hatte sich der Ausschuss für ein Vier-Stufen-Konzept ausgesprochen, das es der EU ermöglichen soll, rasch und flexibel auf neue Entwicklungen auf den Finanzmärkten zu reagieren und auf diese Weise stärkere Marktintegration und erhöhte Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. Im Anschluss an die Abstimmung bezeichnete Präsident Prodi das Ergebnis als klares Bekenntnis zu dem Ziel, Europa bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten Wirtschaft der Welt zu machen und als äußerst positives Signal für die institutionelle Zusammenarbeit zwischen der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament“. Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein fügte hinzu: „Dies ist der entscheidende Durchbruch zur Schaffung eines integrierten europäischen Finanzmarkts, wie ihn sich Finanzmärkte, Anleger und Regulierungsbehörden erhofft haben. Ich glaube, dass wir hiermit einen zufriedenstellenden Kompromiss zwischen unseren Institutionen erreicht haben, der das Vertrauen in die derzeitigen Bemühungen, bis 2005 einen integrierten Finanzmarkt und bis 2003 einen integrierten Wertpapierund Risikokapitalmarkt zu schaffen, stärken wird. Ich bin nun viel optimistischer, dass wir diese Aufgabe fristgerecht werden bewältigen können.“
2
IP 02/195 vom 5. Februar 2002; http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?r eference=IP/02/195&format=HTML&aged=1&language=DE&guiLanguage=en
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Erkennbarerweise ist der o.g. integrierte Wertpapier- und Risikokapitalmarkt auch im Jahr 2008 noch nicht vollständig umgesetzt. Dies macht auch deutlich, dass die vom Europäischen Parlament geforderte ausreichende Transparenz und Konsultation und die Vielzahl von Detailfragen letztendlich auch zu der zeitlich verzögerten Verabschiedung der MiFID führten. Basierend auf diesem Ergebnis sollte die EU für sich selbst prüfen, inwieweit sie bei zukünftigen derart weitreichenden Gesetzesvorhaben die zeitliche Umsetzung von vornherein großzügiger dimensioniert. Alternativ bzw. additiv kann auch eine weitergehende Trennung zweckmäßig sein. So könnte der europäische Gesetzgeber dies bereits in dem Aufsetzen einer Verordnung und einer Richtlinie stringenter gewährleisten. Dies könnte dazu führen, dass gesetzliche Vorschriften mit hohem regulatorischen Bezug zwischen Unternehmen und Aufsichtsbehörden in Verordnungen geregelt werden. In diesem Umfeld spielt eine hohe europaweite Einheitlichkeit der Kontrolle und Überwachung dieser Unternehmen eine entscheidende Rolle. Intendierter stärkerer Verbraucherschutz andererseits, der sich im Zusammenspiel zwischen den Unternehmen und ihren Kunden widerspiegelt, sollte in Richtlinien ratifiziert werden, um nationale Besonderheiten auch zukünftig gewährleisten zu können. Dabei muss der berechtigte politische Anspruch europaweit einheitlicher Mindestvorgaben selbstverständlich nicht aufgegeben werden. Die sicherlich heute größeren Möglichkeiten insbesondere IT-technisch basierter Meldungen und darauf aufsetzender Kontrollprozesse der Aufsichtsbehörden gegenüber den Unternehmen sowie die Regelungen zur Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden untereinander sollten in Form von Umsetzungsvorschriften verabschiedet werden. Dies gewährleistet, neben erhöhter Flexibilität für den Gesetzgeber, neue technische Entwicklungen und neue Produkte schneller berücksichtigen zu können, auch die Chance, in Abstimmung mit den jeweiligen Branchenvertretern für beide Seiten möglichst unbürokratische Melde- und Informationsprozesse zu implementieren. Neben dem Verbraucherschutz dienen die EU-Gesetze auch der Ausweitung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen innerhalb der EU. Wenn jedoch die dabei erhoffte höhere Markteffizienz verbunden mit für den Verbraucher niedrigeren Gebühren durch erhöhten administrativen Aufwand auf Seiten der Unternehmen ggf. sogar überkompensiert wird, ist davon auszugehen, dass letztendlich der Bankkunde selbst die mit diesem Bürokratieaufwand verbundenen Kosten von den Unternehmen über höhere Gebühren wird tragen müssen. Genau dies war jedoch sicher nicht das Ziel des Europäischen Gesetzgebers.
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa 87
5.3 Weiteres Vorgehen entlang des LamfalussyVerfahrens In der o.g. Presseerklärung wurde das sogenannte Lamfalussy-Verfahren und hier insbesondere das Vier-Stufen-Konzept wie folgt beschrieben: „Das Vier-Stufen-Konzept soll wie folgt funktionieren: o
o
o
o
Stufe 1 soll aus Rechtsakten, d.h. Richtlinien oder Verordnungen, bestehen, die nach Konsultation aller interessierten Kreise auf Vorschlag der Kommission vom Rat und vom Europäischen Parlament gemäß EG-Vertrag im Mitentscheidungsverfahren erlassen werden. Bei der Verabschiedung einer Richtlinie oder Verordnung werden sich Rat und Parlament auf der Grundlage eines Kommissionsvorschlags jedes Mal über Art und Ausmaß der auf Stufe 2 zu beschließenden detaillierten technischen Durchführungsmaßnahmen einigen. Auf Stufe 2 wird der Europäische Wertpapierausschuss (der künftige Regelungsausschuss) die Kommission bei der Verabschiedung der Durchführungsmaßnahmen unterstützen. Diese sollen gewährleisten, dass die technischen Bestimmungen mit der Marktentwicklung Schritt halten. Die Maßnahmen der Stufe 3 zielen darauf ab, für eine einheitliche Umsetzung der auf den Stufen 1 und 2 erlassenen Akte in den Mitgliedstaaten zu sorgen. Dies wird insbesondere die Aufgabe des Ausschusses der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden sein. Auf Stufe 4 wird die Kommission die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts energischer vorantreiben.
Dieses Vier-Stufen-Konzept fand im März 2001 in Stockholm die uneingeschränkte Unterstützung des Europäischen Rates. Bei dieser Gelegenheit wurde vereinbart, dass die Kommission es in Fällen, in denen für den Wertpapiermarkt relevante Durchführungsbestimmungen als besonders heikel angesehen werden, vermeidet, gegen vorherrschende Auffassungen im Rat tätig zu werden.“ In Verbindung mit dem Vorgenannten hat der Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) einen Arbeitsplan aufgestellt,
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der die in Stufe 3 vorgesehene einheitliche Umsetzung der Richtlinien und Verordnungen unterstützen soll 3. Wesentliche Inhalte sind dabei: a) b) c) d) e)
Aufträge der Europäischen Kommission. Einrichtung einer Fragen und Antworten-Datenbank von CESR. Thematische Arbeiten. Überwachungsarbeiten. Fortsetzung der technischen Arbeiten für die Anwendung der Stufe 2-Marktregulierung. f) Kooperation mit anderen Arbeitskreisen von Aufsichtsbehörden.
Hohe Priorität haben laut CESR die Themen a) und b) sowie d) und e). Der Titel des Arbeitsplans „4. Quartal 2007 – 2008“ täuscht über den tatsächlichen Arbeitszeitraum, da einzelne Aufträge zwar in 2008 starten, deren Abschluss bzw. Ergebnispräsentation aber bereits jetzt schon für Mitte 2009 geplant ist. Auch vom Umfang her wird deutlich, dass durchaus noch ein breites Spektrum an Themen durch CESR überprüft wird. Hierzu nachfolgend ein paar Beispiele aus dem vorgenannten Dokument: o o o o
Bericht zu Telefonaufzeichnungen Best Execution Komplexe vs. nicht komplexe Finanzinstrumente Informationen für Privatkunden
Deutlich wird anhand der vorgenannten Beispiele, dass auch in dieser Phase der Umsetzung nicht nur technische Fragen des Informationsaustauschs zwischen Banken und Aufsichtsbehörden oder unter den Aufsichtsbehörden selbst relevant sind, sondern durchaus noch etliche Fragen mit möglichen Auswirkungen auf die Kunde-Bank-Beziehung. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere europaweit agierende Finanzdienstleister gefordert, zum einen direkt oder über ihre Bankenverbände an den zu erwartenden Konsultationen teilzunehmen und sich regelmäßig über die Ergebnisse der Analysen und der Empfehlungen von CESR zu informieren und die erkennbaren Anpassungserfordernisse bei ggf. ohnehin geplanten Systemanpassungen bereits rechtzeitig zu berücksichtigen.
3
CESR MiFID Level 3 Expert Group: Workplan for Quarter 4/2007 – 2008; http://www.cesr.eu/index.php?page=contenu_groups&id=53&docmore=1#doc.
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa 89
5.4 Spannungsfeld Aufsichtsrecht vs. Zivilrecht Die MiFID stellt eine aufsichtsrechtliche Regelung für die Kunde-BankBeziehung in Europa dar. Dies bedeutet, dass die Einhaltung der in ihr aufgestellten Anforderungen in erster Linie von den Aufsichtsbehörden überwacht wird. Dennoch ist damit zu rechnen, dass zukünftig in stärkerem Maße diese aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Rahmen von zivilrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kunden und Banken von Bedeutung sein werden, d.h. Bankkunden können und werden erwarten, dass ihre Bank oder Sparkasse die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt. Immer dann, wenn daran berechtigte Zweifel bestehen und für den einzelnen Bankkunden daraus Nachteile entstanden sein können, kann dieser versucht sein, im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung mit seinem Finanzdienstleistungsunternehmen die Nichteinhaltung einzelner Anforderungen geltend zu machen, um daraus Schadensersatzforderungen abzuleiten. Fraglich ist daher, ob mit EU-weitem Aufsichtsrecht gleichzeitig ein effektiver Anlegerschutz erreichbar ist. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Bankkunde aus einer Verletzung der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen unmittelbar einen rechtlichen (Schadenersatz-)Anspruch herleiten kann. In Deutschland bspw. ist die Frage der Beratungshaftung zunächst mal eine rein zivilrechtliche, während die MiFID eine rein aufsichtsrechtliche Gesetzesänderung mit sich gebracht hat. Aufsichtsrecht als Teil des sog. „öffentlichen Rechts“ ist jedoch immer von Subordination gekennzeichnet, es regelt das Über-/Unterordnungsverhältnis von Staat und Bürger. Der Staat bzw. seine Aufsichtsbehörde als Organ bestimmt, was ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu tun und zu lassen hat. Zivilrecht wirkt dagegen „inter pares“, es regelt die direkten Rechtsbeziehungen zwischen zwei (natürlichen oder juristischen) Personen. Wenn also ein Anleger von seiner Bank Schadenersatz wegen schlechter Beratung einfordert, geht es um einen Streit zwischen zwei Personen. Es ist dann die zivilrechtliche Frage zu klären, ob die Bank den Kunden „richtig“ beraten hat. Was das im Einzelnen bedeutet, kann und muss der Richter nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Dabei hat er sich an den Maßstäben zu orientieren, die die Rechtsordnung vorgibt. Er prüft damit den Beratungsvertrag, der in dem Moment zwischen Kunde und Bank zustande kommt, in dem ein Beratungsgespräch beginnt. Die Qualität der
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Beratung, also der konkrete Inhalt des Beratungsvertrags, bestimmt sich danach, was für ein Finanzinstrument dem Kunden letztlich empfohlen wird. Dabei gilt die Faustformel: je komplexer das Produkt, desto strenger sind die Aufklärungs- und Informationspflichten der Bank in der Beratung. Hier wiederum helfen dem Richter die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen dabei, den Pflichtenkreis der Wertpapierdienstleistungsunternehmen näher zu bestimmen. Denn sobald es um Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 WpHG geht, gelten die Bestimmungen des WpHG insgesamt. Der Richter wird als die besonderen Wohlverhaltensvorschriften (§§ 31ff. WpHG) heranziehen, und diese als Maßstab für eine Beratung des Kunden anlegen. Denn dasjenige, was aufsichtsrechtlich von der Wertpapierfirma verlangt wird, muss man auch im Rahmen der Anlageberatung von ihr verlangen können 4. Die Frage nach einem effektiven Rechtsschutz lässt sich somit insgesamt eher positiv beantworten, soweit es um das deutsche Rechtsgefüge geht. Man hat insbesondere in den letzten achtzehn Monaten einige höchstrichterliche Entscheidungen gesehen, die immer von den gleichen Grundgedanken (die anleger- und objektgerechte Beratung) getragen werden, so dass es im Detail bei den Entscheidungsgründen aus rechtsvergleichender Sicht gar nicht darauf angekommen wäre, ob man die §§ 31ff. alter oder neuer nach-MiFID-Fassung zur Rechtsfindung einsetzt. Das heißt jedoch nicht, dass MiFID bei uns ein zahnloser Tiger ist, sondern dass im Gegenteil der Anlegerschutz in Deutschland bereits vor Einführung der MiFID ein sehr effektiver und weitreichender gewesen ist. Sicher lässt sich diskutieren, ob an der einen oder anderen Stelle noch eine im Gesetz verankerte Beweislastumkehr zu Gunsten des Kunden gegenüber der Bank gesetzlich festgelegt werden sollte; dabei sollte man jedoch immer mit Augenmaß vorgehen, denn eine allzu einseitige auf den Kunden ausgerichtete Gesetzgebung ist sicher nicht hilfreich.
4
Der dogmatische Streit, ob die Normen des Wertpapierhandelsgesetzes als sog. „Schutzgesetz“ im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB auch zu einer direkten zivilrechtlichen Haftung führen, soll hier nur erwähnt werden, aber nicht vertieft, zumal die Rechtsprechung bislang nicht von einem Schutzgesetzcharakter der WpHG-Regeln ausging.
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa 91
5.5 Chancen für die Finanzdienstleistungsindustrie Die Umsetzung der MiFID-Anforderungen hat in den zurückliegenden zwei Jahren sicher in erster Linie eine hohe administrative Belastung in den einzelnen Unternehmen der Finanzdienstleistungsindustrie hervorgerufen. Je mehr jedoch in der täglichen Arbeit die Erfüllung dieser Anforderungen Routine in den Prozessabläufen der Banken geworden ist, umso stärker sollten die einzelnen Finanzdienstleistungsunternehmen die sich durch die neue gesetzliche Grundlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten zur Geschäftsausweitung analysieren und nutzen. Einige Initiativen in diese Richtung wurden dabei schon unternommen. So listet CESR in seiner Datenbank 5 inzwischen acht Banken (drei davon mit zwei Niederlassungen doppelt vertreten) auf, die als sogenannte Systematische Internalisierer Wertpapiergeschäfte gegen das eigene Handelsbuch abwickeln. In dieser Datenbank findet man derzeit auch bereits über 100 sog. Multilaterale Handelssysteme (MTFs), also Handelsplattformen, an denen Wertpapier- und Derivatgeschäfte abgewickelt werden können. Neben bisher altbekannten Institutionen wie dem Freiverkehr deutscher Regionalbörsen finden sich dort auch neue Handelsplattformen wie die in Großbritannien ansässige Chi-X, die erste pan-europäische multilaterale Handelsplattform für europäische Aktien. Jeder Finanzdienstleister wird aufgrund seines eigenen Geschäftsmodells zeitnah ausloten müssen, welche der neuen Erleichterungen durch die MiFID für ihn von besonderem Interesse sein können. Am Beispiel der sogenannten „gebundenen Vermittler“ soll dies nachfolgend skizziert werden. Die neue gesetzliche Anforderung kann für bestimmte Finanzdienstleister eine Erleichterung darstellen, ihr Netz an Vermittlern zu erweitern. Unter der MiFID ist es Banken und Sparkassen nunmehr gestattet, ursprünglich freie Vermittler, die zukünftig nahezu ausschließlich Produkte dieser einen Bank oder Sparkasse vertreiben, unter das sog. „Haftungsdach“ dieses Finanzdienstleisters zu stellen. Damit werden die freien Vermittler zu „vertraglich gebundenen Vermittlern“. Der Vorteil für die Vermittler selbst ist, dass sie bei der Vermittlung von Finanzdienstleistungen, in erster Linie sicherlich klassische Kapitalanlagen, nicht mehr direkt haften. Sofern sie bestimmte Sorgfaltspflichten beachten, wird diese Haftung von dem Finanzdienstleistungsunternehmen übernommen, für das sie tätig sind. Der 5
Systematische Internalisierer in der CESR MiFID-Datenbank; http://mifiddatabase.cesr.eu.
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Vorteil für die Banken und Sparkassen liegt in der Möglichkeit, mit überschaubarem Aufwand das eigene Vertriebsnetz zu erweitern. Für den Kunden wiederum ergeben sich sowohl Vor- als auch Nachteile. Der Kunde kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass der gebundene Vermittler vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen sorgfältig ausgewählt wurde und dort regelmäßig geschult wird. Ferner ist sichergestellt, dass im Fall von Streitigkeiten nicht der Finanzvermittler haftet, sondern das in der Regel sehr viel finanzstärkere Unternehmen, an das er gebunden ist. Nachteilig kann sich dagegen auswirken, dass diese nunmehr gebundenen Vermittler nur Anlageempfehlungen im Rahmen des Produktangebots der jeweiligen Bank oder Sparkasse abgeben können. Das stellt zumindest objektiv betrachtet eine Einschränkung des Produktspektrums gegenüber dem Kunden dar, der sich einem freien Finanzberater anvertraut. Inwieweit dies für den einzelnen Kunden von praktischer Relevanz ist, muss dieser letztendlich selbst bewerten.
5.6 Chancen für den Kunden Aus Sicht der Kunden hat sich durch die Einführung der MiFID einiges geändert, und die Vielfalt an relevanten Dienstleistern hat für den kostenbzw. ertragsbewussten Anleger deutlich zugenommen. Er darf zukünftig darauf vertrauen, dass u.a. o o
o
die Banken innerhalb der EU weitestgehend einheitlich überwacht werden, die von Banken und Sparkassen zur Verfügung gestellten Informationsbroschüren zum Wertpapiergeschäft im allgemeinen bzw. zu bestimmten Anlageprodukten einzelner Institute europaweit einheitlichen Mindeststandards unterliegen, und diese Informationen über Produkte und Dienstleistungen redlich und klar sind.
Dies bedeutet für den Kunden einer europäischen Bank, dass er zukünftig bei der Auswahl einer Bank oder Sparkasse in weitaus höherem Maße als in der Vergangenheit davon ausgehen kann, bei allen Unternehmen grundsätzlich ähnlich behandelt zu werden. Sofern er also bis jetzt aus verschiedenen Gründen von einer Geschäftsbeziehung mit einer europäischen Bank im Ausland nicht Gebrauch machen wollte, kann er dies nun auf-
5. Die Zukunft des Anlegerschutzes in Europa 93
grund der weitestgehend einheitlichen Mindestanforderungen an Banken und Sparkassen nochmals überdenken. Neben der Frage der geeigneten Bankverbindung bestanden bis jetzt in bestimmten Kundenkreisen sicher auch Vorurteile über den Erwerb ausländischer Finanzprodukte. Zumindest für den Fall, dass der Emittent und/oder der Vermittler dieser Produkte ein europäisch reguliertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist, darf der Kunde von einer ähnlichen Behandlung wie bisher nur im Inland ausgehen. Dies ermöglicht es dem aufgeschlossenen Kapitalanleger, zukünftig sein Anlagespektrum international zu erweitern. Darf man darüber hinaus noch unterstellen, dass durch die europaweit vereinheitlichten und vereinfachten Zulassungsbestimmungen für Finanzdienstleistungsprodukte der Aufwand auf Seiten der Banken und Sparkassen zumindest nicht zunimmt, bei größerem Emissionsvolumen pro Produkt sogar relativ abnimmt, so kann dies bei entsprechender Weitergabe der Kostenreduktionseffekte an den Kunden zu verminderten Gebühren bzw. Preisen führen. Die einzelnen Banken und Sparkassen sind sicherlich gut beraten, hier sehr genau das Verhalten der Wettbewerber zu beobachten. Trotz oder gerade wegen dieser europaweit nunmehr zu erwartenden einheitlichen Mindeststandards liegt es zukünftig ggf. sogar noch verstärkt im Interesse der einzelnen Bank oder Sparkasse, ihre Kunden durch hervorragende Qualität im Dienstleistungsservice an sich zu binden und/oder durch immer wieder neue attraktive Finanzdienstleistungsprodukte Stammkunden zu begeistern und auch neue Kunden auf sich aufmerksam zu machen. Dies vorausgesetzt, sollte der Wettbewerb um den einzelnen Kunden unter den Finanzdienstleistern zunehmen und damit der Investor von einem Mehr an Qualität beim Service und der Performance bzw. geringerer Gebühren profitieren können.
5.7 Fazit Unterstellt man die oben skizzierten Markttrends als plausibel, so ist damit zu rechnen, dass der europäische Finanzdienstleistungsmarkt wesentlich wettbewerbsintensiver werden wird. Der Kampf um den besser informierten Investor, den preisbewussteren Kunden, den aufgeklärteren Verbrau-
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cher wird an Intensität zunehmen. Die in der Vergangenheit bereits breit angelegten Niedrigpreisangebote z.B. im Discount-Brokerage werden unverändert auftreten. Daneben wird die wachsende Vielfalt an interessanten Anlageprodukten des EU-Binnenmarkts beim Kunden einen steigenden Bedarf nach qualitativ hochwertiger Anlageberatung hervorrufen. Der Dialog zwischen Anlageberater und Kunde wird daher auch zukünftig im Zentrum einer Performance-orientierten Beratung bei Investmententscheidungen stehen. Neben dem Erfordernis, den Kunden qualitativ hochwertig beraten zu können, kann zukünftig zusätzlich eine technikunterstützte regelmäßige Kommunikation zwischen Kunde und Finanzdienstleister einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Die neuen Möglichkeiten des Mobile- bzw. Online-Banking können dabei zukünftig sicherlich auch für kapitalmarktrelevante Informationen bzw. Transaktionen genutzt werden. Dies erfordert neben einer Analyse der Kundenbedürfnisse die Entwicklung unternehmensinterner Businesspläne. Im Ergebnis bietet die neue gesetzliche Plattform MiFID für Banken und Sparkassen erweiterte Handlungsmöglichkeiten, mit ihren heutigen Kunden mehr Wertpapiergeschäfte zu tätigen bzw. durch eine Erweiterung ihres Vertriebsnetzes zusätzliche Kunden zu gewinnen. Wenn all die verschiedenen Möglichkeiten im Zeitablauf ausgeschöpft werden, sollten sowohl die Finanzdienstleistungsindustrie als auch deren Kunden von einer erfolgreichen Umsetzung der MiFID profitieren können. Aus EU-Gesetzgebersicht hat mit der MiFID der Financial Services Action Plan der EU seinen Abschluss gefunden, doch was den Schutz des Anlegers angeht, ist sicher noch die Verhaltensweise der Aufsichtsbehörden zu beobachten. Es wird spannend sein zu sehen, ob eine einheitliche Aufsichtspraxis etabliert wird, um den ersten Schritt – gleiche Voraussetzungen für jeden Anleger in der EU – herzustellen. Der zweite Schritt, der eine einheitliche Gesetzesauslegung bei den Gerichten sein könnte, wird jedoch noch einige Zeit auf sich warten lassen, denn eines bleibt durch die finanzmarktbezogenen Gesetzesvorhaben natürlich unberührt: die Unabhängigkeit der Gerichte.
II. Informationsaustausch Kunde – Bank
6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien
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6.1 Hintergrund Seit dem 1. November 2007 sind von allen Sparkassen und Banken neue gesetzliche Regelungen im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften anzuwenden. Es handelt sich dabei um Vorgaben der MiFID, die in Deutschland durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) umgesetzt wurden. Die Regelungen verfolgen in erster Linie die folgenden Ziele: o o o
Erhöhung der Markttransparenz für den Kunden, Schaffung eines europaweit einheitlichen Standards des Anlegerschutzes, Erleichterung grenzüberschreitender Wertpapierdienstleistungen.
Eine wesentliche Neuregelung, die vor allem den Anlegerschutz betrifft, stellt die gesetzliche Verpflichtung der Banken und Sparkassen dar, ihre Kunden in bestimmte Kundengruppen einzuordnen. Es handelt sich dabei um eine Dreiteilung in die Kundengruppen „Privatkunde“, „professioneller Kunde“ und „geeignete Gegenpartei“. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es „den“ Anleger nicht gibt; vielmehr existieren in der Rechtswirklichkeit verschiedene Anlegergruppen mit unterschiedlich ausgeprägter Schutzbedürftigkeit. Die Palette reicht dabei vom wenig informierten Kleinanleger über den semiprofessionellen Marktteilnehmer bis zum am Kapitalmarkt tätigen Unternehmen und Banken. Zwar ist auch bisher durch Banken und Sparkassen eine Kundeneinteilung in entsprechende Risikoklassen vorgenommen worden, um den aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Anforderungen zu genügen. Jedoch ist die gesetzliche
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Verankerung sowie die Gruppe der geeigneten Gegenpartei neu. Ebenfalls neu sind die aus der jeweiligen Kundenkategorisierung resultierenden Pflichtenstandards: So hat die Kundenkategorisierung vor allem Bedeutung für den Umfang der jeweiligen Pflichteninhalte der Banken und Sparkassen im Hinblick auf den Inhalt der Informations-, Aufklärungs- und Berichtspflichten im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf eines Finanzinstruments. Diese Pflichten richten sich maßgeblich danach, in welche Kundenkategorie ein Kunde eingestuft wird. Die Einstufung des Kunden ist überdies nicht fortlaufend durch die Bank/Sparkasse zu überprüfen, sondern nur aus begründetem Anlass (wenn der Kunde das Institut über eine Änderung informiert oder das Institut von der Änderung weiß) erforderlich. Bevor auf die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien eingegangen wird, soll zunächst auf die einzelnen Voraussetzungen der Kundengruppen eingegangen werden.
6.2 Die Kundentrias im Überblick Die Einstufung der Kunden erfolgt nicht beliebig, sondern im Rahmen eines komplexen Verfahrens anhand vorgeschriebener Kriterien des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Nach diesen Kriterien wird grundsätzlich bestimmt, in welche Kategorie ein Kunde eingestuft werden kann. Die Entscheidung darüber, in welche Kundengruppe ein Kunde eingestuft wird, erfolgt jedoch immer auch unter Berücksichtigung der Professionalität des Kunden sowie seiner Kenntnisse und Erfahrungen im Wertpapiergeschäft. 6.2.1 Privatkunden Kunde ist zunächst nach der Legaldefinition des § 31a Absatz 1 WpHG jede natürliche oder juristische Person, für die ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen erbringt oder anbahnt. Wann ein Kunde als Privatkunde einzustufen ist, wird durch das Gesetz anhand einer Negativabgrenzung bestimmt: Als Privatkunden sind demnach alle Kunden zu qualifizieren, die weder die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einstufung als professioneller Kunde noch als geeignete Gegenpartei erfüllen. Das Vermögen des Kunden spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Mit dieser Rege-
6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien
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lung erreicht das Gesetz einen weiten Anwendungsbereich für den Privatkunden, da so alle anderen Tätigkeiten und Profile außerhalb der professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien erfasst werden. Privatkunden genießen das höchste vom WpHG vorgesehene Schutzniveau: Die wichtigsten Wohlverhaltensregeln sind speziell auf ihren Schutz zugeschnitten. Dies bedeutet insbesondere, dass gegenüber Privatkunden die umfangreichsten Informations-, Beratungs- und Aufklärungspflichten zu erfüllen sind. 6.2.2 Professionelle Kunden Die Einstufung als professioneller Kunde wird anhand gesetzlich fixierter Kriterien vorgenommen. Bei professionellen Kunden handelt es sich um Kunden, bei denen die Bank oder Sparkasse davon ausgehen kann, dass sie über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um ihre Anlageentscheidungen zu treffen, und die damit verbundenen Risiken angemessen zu beurteilen. Zu unterscheiden sind professionelle Kunden, die bereits kraft Gesetzes als solche anzusehen sind („geborene“ professionelle Kunden) und professionelle Kunden, die diesen Status infolge eines schriftlichen Antrages oder durch Festlegung bei Erfüllung bestimmter Kriterien erlangen („gekorene“ professionelle Kunden).
„Geborene“ professionelle Kunden
Professionelle Kunden kraft Gesetzes können u. a. folgende Rechtspersönlichkeiten sein: o o o o o o o o o o
Wertpapierdienstleistungsunternehmen sonstige zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute Versicherungsunternehmen Investmentfondsgesellschaften und ihre Verwaltungsgesellschaften Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften Unternehmen, deren Wertpapierdienstleistung ausschließlich in der Erbringung bestimmter Dienstleistungen besteht Börsenhändler und Warenderivatehändler sonstige institutionelle Anleger Unternehmen, die bestimmte Unternehmenskennzahlen erfüllen Zentralbanken sowie andere internationale und übernationale Einrichtungen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds,
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o o
die Europäische Zentralbank bzw. die Europäische Investmentbank der Bund und die Bundesländer andere nicht zulassungs- oder aufsichtspflichtige institutionelle Anleger, deren Haupttätigkeit in der Investition in Finanzinstrumenten besteht
„Gekorene“ professionelle Kunden
Zu dieser Kategorie zählen Kunden, die an sich als Privatkunden einzustufen wären, aber auf Antrag generell oder in Bezug auf eine bestimmte Wertpapierdienstleistung als professionelle Kunden behandelt werden. Das WpHG sieht die Möglichkeit vor, dass der Kunde, der grundsätzlich als Privatkunde gilt, für ein niedrigeres Schutzniveau (professioneller Kunde) optieren kann. Kommt eine Bank/Sparkasse einem entsprechenden Antrag des Kunden nach, oder legt sie eine Einstufung als professioneller Kunde fest, hat das zur Folge, dass der Kunde auf das Schutzniveau verzichtet, das Privatkunden über die Wohlverhaltensregeln des WpHG anderenfalls zugute kommt. Aus diesem Grund werden Wertpapierdienstleistungsunternehmen Anträge von Privatkunden auf „Höherstufung“ eher zurückhaltend behandeln. Nicht bei allen Kunden, die für eine Behandlung als professioneller Kunde optieren wollen, darf von vornherein davon ausgegangen werden, dass Marktkenntnisse und -erfahrungen vorhanden sind, die denen der geborenen professionellen Kunden vergleichbar sind. Insofern soll die Behandlung als professioneller Kunde auf Antrag nur dann zulässig sein, wenn sich die Bank/Sparkasse davon vergewissert hat, dass dieser in Anbetracht der Art der geplanten Geschäfte oder Dienstleistungen nach vernünftigem Ermessen in der Lage ist, seine Anlageentscheidungen selbst zu treffen und die damit einhergehenden Risiken zu verstehen. Das WpHG sieht überdies drei Kriterien vor, von denen ein Kunde mindestens zwei erfüllen muss, um vom Privatkunden zum professionellen Kunden höhergestuft werden zu können: o
o o
der Kunde hat an dem relevanten Markt während der vier vorangegangenen Quartale durchschnittlich pro Quartal 10 Geschäfte von erheblichem Umfang getätigt; der Kunde verfügt über Bankguthaben und Finanzinstrumente im Wert von mehr als 500.000 €; der Kunde hat mindestens für ein Jahr einen Beruf am Kapitalmarkt ausgeübt, der Kenntnisse über die in Betracht kommenden
6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien
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Geschäfte, Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen voraussetzt. So wie es Privatkunden bei Erfüllung der genannten Einstufungskriterien gestattet ist, auf ihr höheres Schutzniveau zu verzichten, können professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien umgekehrt ein höheres Schutzniveau beantragen, wenn sie glauben, die mit der Anlage verbundenen Risiken nicht korrekt beurteilen oder steuern zu können. Dieses „System“ gewährleistet im Ergebnis eine gewisse Durchlässigkeit der Kundenkategorien, obgleich von der beschriebenen Möglichkeit zumindest seitens der Institute aus organisatorischen Gründen und aus Gründen des Anlegerschutzes nur zurückhaltend Gebrauch gemacht wird. Institute müssen die Einstufung eines Kunden, der als professionell eingestuft wurde, nur dann überprüfen, wenn dieser Angaben macht, die zu einer Änderung der Einstufung führen können. 6.2.3 Geeignete Gegenparteien Die Kundenkategorie der geeigneten Gegenpartei bildet die dritte, dem deutschen Recht bislang nicht geläufige Kundengruppe. Sie deckt sich personell weithin mit den professionellen Kunden.
„Geborene“ geeignete Gegenparteien
Geeignete Gegenparteien können kraft Gesetz folgende Rechtspersönlichkeiten und Unternehmen sein: o o o o o o o o
Wertpapierdienstleistungsunternehmen sonstige zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute Versicherungsunternehmen Investmentfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften Pensionsfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften Unternehmen, deren Wertpapierdienstleistung ausschließlich in der Erbringung bestimmter Dienstleistungen besteht nationale und regionale Regierungen sowie Stellen der öffentlichen Schuldenverwaltung Zentralbanken, internationale und überstaatliche Einrichtungen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank und andere vergleichbare internationale Organisationen
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o o
Unternehmen, die bestimmte Kennzahlen (Anforderungen) erfüllen Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum, die nach dem Recht des Herkunftsstaates als geeignete Gegenparteien anzusehen sind
Bei den genannten Einrichtungen und Unternehmen kann davon ausgegangen werden, dass sie über ausreichende Kenntnisse am Kapitalmarkt verfügen. Bei geeigneten Gegenparteien sind daher folgerichtig eingeschränkte Aufklärungs- und Informationspflichten zu erfüllen. Im Vergleich zu professionellen Kunden und Privatkunden bestehen die geringsten Anforderungen an die Wohlverhaltenspflichten. Die Einstufung eines Kunden als geeignete Gegenpartei ist jedoch ausschließlich für bestimmte, im Gesetz genannte Wertpapiergeschäfte relevant.
„Gekorene“ geeignete Gegenparteien
Professionelle Kunden können auf Basis einer entsprechenden Vereinbarung mit ihrer Bank/Sparkasse auch als geeignete Gegenpartei angesehen werden. In diesem Fall ist kein entsprechendes Verfahren vorgesehen, wie es bei der „Umstufung“ eines Privatkunden zum professionellen Kunden der Fall ist. Die Kunden unterliegen nach ihrer Neueinstufung dem Schutzniveau, das für geeignete Gegenparteien normiert ist.
6.3 Entscheidung über die Einstufung in die Kundenkategorien Obgleich das Gesetz nunmehr die genannten Kundengruppen festlegt, müssen die Institute nicht in jedem Fall die gesetzlich vorgesehene Unterscheidung treffen. Es obliegt den Banken/Sparkassen, ob und wie sie ihre Kunden einstufen. Daher kann sich ein Institut auch dafür entscheiden, alle seine Kunden oder alle Kunden eines bestimmten Geschäftsbereichs einheitlich in nur eine Kundenkategorie, z.B. als Privatkunden, einzustufen. Vor allem Sparkassen wählen diesen Weg und verzichten überwiegend auf die sehr komplexen Verfahren zur Kundeneinstufung. Damit genießen im Ergebnis alle Kunden das höchste Schutzniveau.
6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien
103
6.4 Pflichteninhalte bezogen auf die einzelnen Kundenkategorien Wie eingangs dargelegt, hat die Einstufung eines Kunden in eine bestimmte Kundenkategorie Auswirkungen auf den Umfang der zu beachtenden so genannten Wohlverhaltenspflichten der Banken/Sparkassen. Wenn im Folgenden von den verschiedenen Pflichten die Rede ist, die die Institute gegenüber ihren Kunden zu erfüllen haben, handelt es sich dabei um Pflichten, die nach Aufsichtsrecht zu beachten sind; Obliegenheiten auf Grund zivilrechtlicher Pflichten oder entsprechende vertragliche Vereinbarungen können darüber hinaus bestehen. Unbenommen von dem aus der jeweiligen Kundeneinstufung folgenden Pflichtenumfang bleibt jedoch die grundsätzliche Verpflichtung der Banken/Sparkassen, alle Wertpapierdienstleistungen mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im Interesses ihrer Kunden zu erbringen. Neben der oben geschilderten Dreiteilung der Kunden in bestimmte Kategorien hängen die Informations- und Beratungspflichten überdies davon ab, welche Wertpapierdienstleistung erbracht wird. Verschiedene Dienstleistungen kommen dabei in Betracht: Vermögensverwaltung, Anlageberatung, beratungsfreie Orderausführung und die Dienstleistung des reinen Ausführungsgeschäfts für nicht komplexe Wertpapiere. Die Differenzierung wird auch bei den Informationseinholungspflichten und damit schon ganz zu Beginn des Vertragsverhältnisses deutlich: Während eine Bank/ Sparkasse bei einem Privatkunden, der Vermögensverwaltungskunde ist, auch die finanzielle Lage und die Anlageziele zu erforschen und abzugleichen hat, muss sie bei dem Kunden, der die Orderausführung ohne Beratung wünscht, lediglich dessen Erfahrung feststellen. Will dieser Kunde in der Zukunft aber Anlageberatung in Anspruch nehmen, so ist eine neue Feststellung des Kundenprofils vorzunehmen mit einem erweiterten Informationskatalog.
104
Birgit Rost
6.5 Was folgt aus der Kundenkategorisierung für Privatkunden? Privatkunden genießen das höchste Schutzniveau. Ihnen gegenüber sind die weitestgehenden Informations- und Beratungspflichten des WpHG zu erfüllen. Im Unterschied zur Rechtslage vor dem 1. November 2007 ist bspw. nunmehr wesentlich passgenauer und individueller eine Kundeninformation anhand der Kategorien geeignete Gegenpartei, professioneller Kunde, Privatkunde vorzunehmen und innerhalb der Kategorie des Privatkunden noch einmal tiefer dahingehend zu differenzieren, ob ein Kunde beispielsweise nur die Ausführung von Aufträgen wahrnimmt oder Vermögensverwaltung in Anspruch nimmt. Auf der anderen Seite bedeutet das aus der Einstufung als Privatkunde verbundene höhere Schutzniveau zugleich für den Kunden, dass Banken/Sparkassen in einem größerem Umfang als bisher Kundenangaben vom Kunden einholen müssen, um ihn seiner Einstufung gemäß anlage- und anlegergerecht beraten zu können. 6.5.1 Kundeninformationen Ausgehend von dem für alle Kunden geltenden Grundsatz, dass Kundeninformationen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein müssen, wurde allen Bestands- und gleichzeitig Privatkunden zum 1. November 2007 ein umfangreiches Informationspaket zur Verfügung gestellt, das im Einzelnen nachfolgende Informationen beinhaltet hat: o o o
o o o
Informationen über das Institut und seine Dienstleistungen, die aktuelle Fassung der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte und Ausführungsgrundsätze des Instituts, Informationen über die Kosten und Nebenkosten des Instituts bei Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, Informationen über Zuwendungen, Informationen über den Umgang der Bank mit möglichen Interessenkonflikten sowie ggf. die neue Auflage der Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren.
Diese Informationen wurden zugleich auch professionellen Kunden und werden zukünftig allen Neukunden eines Instituts zur Verfügung gestellt.
6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien
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6.5.2 Eignungs- und Angemessenheitsprüfung Wie bereits aufgezeigt, müssen Institute künftig ihre Kunden je nach Wertpapierdienstleistung (Anlageberatung, Vermögensverwaltung, beratungsfreies Geschäft, reines Ausführungsgeschäft) intensiver befragen; Privatkunden müssen daher bspw. bei der Anlageberatung/Vermögensverwaltung detaillierter Auskunft über ihre Kenntnisse und Erfahrungen, den Anlagezielen und ihren finanziellen Verhältnissen machen. Diese Informationen dienen den Instituten dazu, die Geeignetheit und Angemessenheit eines Finanzinstruments unter Berücksichtigung des jeweiligen Kundenprofils beurteilen zu können.
6.6 Was folgt aus der Kundenkategorisierung für professionelle Kunden? Mit der Einstufung als professioneller Kunde ist ein hohes Anlegerschutzniveau verbunden. Das Gesetz entbindet jedoch die Banken und Sparkassen von bestimmten Pflichten. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass bei professionellen Kunden davon ausgegangen werden kann, dass sie über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand mit Wertpapiergeschäften sowie auf dem Kapitalmarkt verfügen. So besteht bei professionellen Kunden z. B. keine Pflicht zur Mitteilung über Probleme bei der Ausführung von zusammengefassten Aufträgen, keine besonderen Anforderungen an die Auslagerung im Ausland bei der Portfolioverwaltung und keine Beschränkung der Ausführungsgrundsätze auf Preis und Kosten bei Nutzung von Finanzinstrumenten für eigene Geschäfte des Instituts. Bei der Anlageberatung oder Vermögensverwaltung sind von professionellen Kunden keine Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen einzuholen, da sie bereits über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um die Risiken der Anlage zu verstehen. Es sind lediglich Angaben über Anlageziele (Anlagedauer, Risikobereitschaft und Anlagezweck) einzuholen, wenn Anlageberatung oder Vermögensverwaltung angeboten wird. Die Information des Kunden (Bestands- und Neukunde) über seine Einstufung ist vom Gesetz nicht ausdrücklich für alle Kunden vorgesehen; lediglich professionelle Kunden müssen am Anfang einer Geschäftsbeziehung darauf hingewiesen werden, dass sie als solche eingestuft sind. Über eine
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Birgit Rost
Änderung der Einstufung (z. B. eine geeignete Gegenpartei wird als professioneller Kunde eingestuft) muss jedoch informiert werden. Die überwiegende Zahl der Banken/Sparkassen hatte sich vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes dazu entschieden, alle Kunden – unabhängig von der gesetzlichen Verpflichtung – mit der Übersendung der „MiFID-Informationspakete“ zugleich über die jeweilige Einstufung zu informieren.
6.7 Was folgt aus der Kundenkategorisierung für geeignete Gegenparteien? Bei geeigneten Gegenparteien kann ebenfalls davon ausgegangen werden, dass sie über ausreichende Kenntnisse am Kapitalmarkt verfügen. Bei diesen sind daher folgerichtig eingeschränkte Aufklärungs- und Informationspflichten zu erfüllen. Im Verhältnis zu professionellen Kunden bestehen im Ergebnis (noch) weniger Pflichten. Insbesondere bestehen geeigneten Gegenparteien gegenüber keine spezifischen Anforderungen an Informationsmaterialien; außerhalb der Anlageberatung und Vermögensverwaltung müssen keine Kundeninformationen eingeholt werden.
6.8 Zusammenfassung Die Anforderungen werden in der folgenden Tabelle der Übersichtlichkeit halber zusammengefasst dargestellt:
6. Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien
Beschreibung
Privatkunde
Professioneller Kunde
Geeignete Gegenpartei
§ 31a Abs. 3 WpHG:
§ 31a Abs. 2 WpHG:
§ 31a Abs. 4 WpHG:
Alle Kunden, die keine professionellen Kunden sind.
Kunden, die über ausreichende Erfahrungen, Kenntnisse und Sachstand verfügen, um ihre Anlageentscheidungen selbst zu treffen und die damit verbundenen Risiken angemessen beurteilen zu können.
Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Fondsgesellschaften, Pensionsfonds, Finanzinstitute, Nationale und regionale Regierungen, Zentralbanken Berücksichtigung der für geeignete Gegenparteien vorgesehenen Anlegerschutzbestimmungen
(Negativabgrenzung)
Auswirkung
Berücksichtigung der umfangreichsten Anlegerschutzbestimmungen
Berücksichtigung umfangreicher Anlegerschutzbestimmungen
Anlageberatung
Eignungsprüfung und Angemessenheitsprüfung, Befragung nach Kenntnissen und Erfahrungen, finanzielle Verhältnisse, Anlageziele/Risikobereitschaft
Eignungsprüfung, Befragung nach Anlagezielen / Risikobereitschaft
Eignungsprüfung
Angemessenheitsprüfung, Befragung nach Kenntnissen und Erfahrungen, finanzielle Verhältnisse, Anlageziele, Risikobereitschaft
keine Prüfung
Keine Prüfung
Eignungsprüfung
keine Prüfung
keine Prüfung
(§ 31 Abs. 4 WpHG)
Beratungsfreies Geschäft (§ 31 Abs. 5 WpHG)
Reines Ausführungsgeschäft (§ 31 Abs. 7 WpHG)
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Tab. 6.1: Übersicht über die Kundenkategorien
7. Was die Bank vom Kunden wissen sollte
Damaris Nicodem
7.1 Überblick Bevor ein Institut eine Wertpapierdienstleistung erbringt, ist es verpflichtet, bestimmte Angaben vom Kunden einzuholen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass auf die Bedürfnisse des Kunden hinreichend eingegangen und somit eine anlegergerechte Aufklärung und Beratung sichergestellt wird. Diese sog. Explorationspflicht bestand bereits vor Umsetzung der MiFID. Sie war bisher in § 31 Abs. 2 Nr. 1 WpHG-alt niedergelegt und ist durch die Rechtsprechung immer weiter konkretisiert worden. Sie wird nunmehr durch die neugefassten § 31 Abs. 4 bis 7 und 9 WpHG erweitert und ausdifferenziert sowie in den §§ 6 und 7 WpDVerOV konkretisiert. Ganz allgemein ist festzustellen, dass sich der Umfang der erforderlichen Kundenangaben für eine Wertpapierdienstleistung an der Einstufung des Kunden und insbesondere der Art der Wertpapierdienstleitung orientiert. Je intensiver das „Fürsorgemoment“ der Wertpapierdienstleistung ist, desto umfassender muss die Kundenbefragung ausfallen.
7.2 Rechtliche Grundlagen Die inhaltlichen Anforderungen an die Einholung von Kundenangaben ergeben sich aus § 31 Abs. 4 bis 7 und 9 WpHG sowie aus §§ 6 und 7 WpDVerOV. In § 31 Abs. 4 WpHG werden die Explorationspflichten vor Erbringung einer Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung (Vermögensverwal-
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Damaris Nicodem
tung) geregelt. Durch diese soll die Empfehlung eines geeigneten Finanzinstruments oder einer geeigneten Wertpapierdienstleistung im Rahmen der Vermögensverwaltung sichergestellt werden. Dies ist der Fall, wenn die Empfehlung den Anlagezielen des Kunden entspricht und das empfohlene Geschäft so beschaffen ist, dass der Kunde etwaige Risiken daraus versteht und auch finanziell tragen kann (sog. Geeignetheitsprüfung). Für Wertpapierdienstleistungen, bei denen es sich nicht um Anlageberatung oder Vermögensverwaltung handelt (sog. beratungsfreies Geschäft), regelt § 31 Abs. 5 WpHG die Anforderungen an die Einholung von Kundenangaben. Die Bank oder Sparkasse muss dabei lediglich prüfen, ob der Kunde aufgrund seiner Kenntnisse und Erfahrungen die mit dem Geschäft verbundenen Risiken angemessen beurteilen kann (sog. Angemessenheitsprüfung). Regelungen für die Durchführung des reinen Ausführungsgeschäfts („execution only“) enthält § 31 Abs. 7 WpHG.
7.3 Grundsätzlich einzuholende Kundenangaben Die Pflicht zur Einholung von Kundenangaben unterscheidet sich nicht nur nach der Art der verschiedenen Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, sondern auch danach, welcher Kundenkategorie (Privatkunde, professioneller Kunde oder geeignete Gegenpartei) der betreffende Kunde angehört. 7.3.1 Anlageberatung/Vermögensverwaltung Bei der Erbringung der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung bestehen die umfangreichsten Pflichten zur Einholung von Kundenangaben. Unter einer Anlageberatung versteht man die persönliche Empfehlung an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten bezieht, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Kunden gestützt und für ihn als geeignet angesehen und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Für die Qualifizierung als Anlageberatung ist unerheblich, ob sie auf Initiative der Bank oder des Kunden erfolgt. Entscheidend ist, dass sie sich auf bestimmte Finanz-
7. Was die Bank vom Kunden wissen sollte
111
instrumente bezieht und die persönlichen Umstände des Kunden berücksichtigt. Als Finanzportfolioverwaltung oder auch Vermögensverwaltung wird die Verwaltung einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere verstanden, wobei dem Vermögensverwalter ein Entscheidungsspielraum hinsichtlich der konkreten Anlageentscheidungen eingeräumt ist. Bei der Erbringung dieser Wertpapierdienstleistungen ist das Institut verpflichtet, Angaben zu den Kenntnissen und Erfahrungen, den Anlagezielen und den finanziellen Verhältnissen vom Kunden einzuholen.
Privatkunden
Im Falle der Anlageberatung und der Vermögensverwaltung muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen vom Kunden folgende Informationen einholen: o
Kenntnisse und Erfahrungen Maßgeblich ist, ob die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden im konkreten Einzelfall ausreichen, um die mit dem avisierten Geschäft verbundenen Risiken richtig verstehen und beurteilen zu können. Hierbei sind insbesondere relevant • • •
o
die Art der Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumente, mit denen der Kunde vertraut ist, die Art, der Umfang, die Häufigkeit und der Zeitraum früherer Geschäfte des Kunden mit Finanzinstrumenten sowie die Ausbildung und der gegenwärtige Beruf sowie relevante frühere Berufe des Kunden.
Anlageziele Mit Hilfe der Angaben zu den Anlagezielen des Kunden soll dessen konkreten Anlagemotiven und seiner Risikobereitschaft hinreichend Rechnung getragen werden. Zu berücksichtigen sind • •
die gewünschte Anlagedauer, die Risikobereitschaft des Kunden (z.B. sicherheitsorientiert bzw. konservativ oder spekulativ) sowie
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Damaris Nicodem
•
o
der Anlagezweck (z.B. Ausbildungsabsicherung, Altersvorsorge, Gewinnerzielung).
Finanzielle Verhältnisse Die Erfragung der finanziellen Verhältnisse dient insbesondere dazu, dass sich der Kunde selbst darüber ein Bild machen kann, ob das avisierte Geschäft seiner finanziellen Leistungsfähigkeit entspricht. Davon ist auszugehen, wenn das beabsichtigte Geschäft und das dem Kunden zur Verfügung stehende Vermögen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Insbesondere sind zu erfragen • •
die Grundlage und Höhe regelmäßiger Einkommen und finanzieller Verpflichtungen sowie die Vermögenswerte des Kunden einschließlich liquider Vermögenswerte, Kapitalanlagen und Immobilienbesitz.
Professionelle Kunden
Bei professionellen Kunden ist die Einholung von Angaben zu deren Kenntnissen und Erfahrungen nicht erforderlich. Bei dieser Kundengruppe darf das Institut davon ausgehen, dass der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die jeweiligen Anlagerisiken hinreichend beurteilen zu können. Bei den sog. „gekorenen“ professionellen Kunden, mithin Kunden, die seitens der Bank oder Sparkasse durch Festlegung oder Vereinbarung mit dem Kunden als professionelle Kunden eingestuft werden, sind Angaben zu den finanziellen Verhältnissen einzuholen. Dagegen kann die Bank / Sparkasse bei sog. „geborenen“ professionellen Kunden, also denjenigen, die bereits vom Gesetzgeber als professionelle Kunden definiert werden, davon ausgehen, dass diese die mit dem Geschäft verbundenen Anlagerisiken finanziell tragen können, so dass Angaben zu den finanziellen Verhältnissen nicht erforderlich sind. Demgegenüber sind Angaben zu den Anlagezielen, also Informationen zu Anlagedauer, Risikobereitschaft und Anlagezweck sowohl bei „gekorenen“ als auch bei „geborenen“ professionellen Kunden einzuholen. Mit Hilfe dieser Angaben hat die Bank / Sparkasse eine eingeschränkte Geeignetheitsprüfung vorzunehmen. Sie muss prüfen, ob das angebotene Produkt den Anlagezielen des Kunden entspricht.
7. Was die Bank vom Kunden wissen sollte
113
Geeignete Gegenparteien
Wird gegenüber Kunden, die als geeignete Gegenpartei eingestuft wurden, eine Anlageberatung oder eine Vermögensverwaltung erbracht, so werden diese wie professionelle Kunden behandelt. Die obigen Ausführungen gelten daher entsprechend. 7.3.2 Beratungsfreies Geschäft Ein sog. beratungsfreies Geschäft liegt vor, wenn der Kunde eine Anlageentscheidung trifft, ohne dass ihm zuvor eine Anlageempfehlung der Bank erteilt wurde. Irrelevant ist, von wem die Initiative zum Abschluss des Geschäftes ausging. Tätigt die Bank gegenüber einem Kunden ein beratungsfreies Geschäft, so treffen sie nur eingeschränkte Explorationspflichten.
Privatkunden
Die Bank / Sparkasse muss im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts von Privatkunden folgende Angaben einholen: o
Kenntnisse und Erfahrungen, insbesondere • • •
o
Anlageziele des Kunden, unter Berücksichtigung • • •
o
die Art der Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumente, mit denen der Kunde vertraut ist, die Art, der Umfang, die Häufigkeit und der Zeitraum früherer Geschäfte des Kunden mit Finanzinstrumenten, die Ausbildung und der gegenwärtige Beruf sowie relevante frühere Berufe des Kunden.
der gewünschten Anlagedauer, seiner Risikobereitschaft, des Anlagezwecks.
Finanzielle Verhältnisse des Kunden, insbesondere •
die Grundlage und Höhe regelmäßiger Einkommen und finanzieller Verpflichtungen sowie
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Damaris Nicodem
•
die Vermögenswerte des Kunden einschließlich liquider Vermögenswerte, Kapitalanlagen und Immobilienbesitz.
Professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien
Der Gesetzgeber hält die Einholung von Kundenangaben bei professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien für nicht erforderlich. 7.3.3 Reines Ausführungsgeschäft (Execution only) Beschränkt sich das Institut auf Veranlassung des Kunden auf die Ausführung von Wertpapierdienstleistungen in bezug auf „nicht-komplexe“ Finanzinstrumente (z.B. Aktien, Schuldverschreibungen und Investmentfondsanteile), so ist die Einholung von Kundenangaben sowie eine Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung nicht erforderlich. Notwendig ist jedoch, dass der Kunde darüber informiert wird, dass keine Angemessenheitsprüfung stattfindet. 7.3.4 Vertretungssituation Wird der Kunde beim Geschäftsabschluss vertreten, so ist hinsichtlich der Angaben zu Kenntnissen und Erfahrungen auf den Vertreter abzustellen. Dagegen sind hinsichtlich der Anlageziele und finanziellen Verhältnisse die Angaben des Vertretenen relevant. Eine Ausnahme besteht im Falle der gesetzlichen Vertretung Minderjähriger. In diesem Falle sind die von den gesetzlichen Vertretern, also den Eltern, definierten Anlageziele zu beachten. Grund dafür ist die umfassende gesetzliche Vertretungsmacht (§ 1642 BGB), die sich an den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zu orientieren hat.
7.4 Verfahren der Einholung von Kundenangaben und Folgen der Verweigerung seitens des Kunden Die Einholung der Kundenangaben erfolgt in der Regel im Rahmen eines Kundengesprächs. Zwar sind die benannten Kundenangaben freiwillig. Dies entbindet das Institut jedoch nicht davon, sich – entsprechend dem
7. Was die Bank vom Kunden wissen sollte
115
Willen des Gesetzgebers – um die Einholung der benannten Kundenangaben zu bemühen. Verweigert der Kunde die Auskunft zu einzelnen Punkten, so muss das Institut entscheiden, ob die verweigerten Angaben zur Erbringung des betreffenden Geschäfts erforderlich sind. Welche Angaben erforderlich sind, lässt sich nicht allgemeingültig beantworten. Hierbei handelt es sich vielmehr um eine Entscheidung im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände. So werden regelmäßig die Angaben zur Ausbildung sowie zum gegenwärtigen und früheren Beruf das Bild über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden abrunden und erlauben ggf. Rückschlüsse auf die Vertrautheit mit Finanzprodukten und damit zusammenhängenden Risikoaspekten. So kann sich bspw. bei einem Wertpapieranalysten die Erläuterung bestimmter Produkte unter Verwendung der entsprechenden Fachtermini auf ein Mindestmaß beschränken. Die Angaben können im Einzelfall dann als nicht erforderlich eingestuft werden, wenn die sonst vorhandenen Angaben zu Kenntnissen und Erfahrungen bereits aussagekräftig sind. Auch dürfte bspw. die Angabe des Kunden zur Vertrautheit mit der Wertpapierdienstleistung „Anlageberatung“ der Geeignetheit eines empfohlenen Finanzinstruments nicht per se entgegen stehen. 7.4.1 Verbot der Anlageberatung Verweigert der Kunde Angaben, die für die Erbringung der Anlageberatung erforderlich sind, so ist die Erbringung dieser Wertpapierdienstleistung für den Kunden verboten. 7.4.2 Verbot einer Empfehlung im Rahmen der Vermögensverwaltung Werden für die Vermögensverwaltung erforderliche Angaben verweigert, so darf das Institut im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung keine Empfehlung abgeben. Dies bedeutet konkret, dass es keine Empfehlung zu einer bestimmten Anlagestrategie abgeben kann. Jedoch kann der Kunde aus den ihm vorgelegten Anlagestrategien (z.B. konservativ, renditeorientiert oder spekulativ) selbständig auswählen.
116
Damaris Nicodem
7.4.3 Warnhinweis beim beratungsfreien Geschäft Verweigert der Kunde Angaben, die im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts erforderlich sind, so kann das Institut das Geschäft dennoch ausführen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es den Kunden vor Erbringung der Wertpapierdienstleistung darauf hingewiesen wird, dass es aufgrund der fehlenden Angaben nicht in der Lage ist zu prüfen, ob die Anlageentscheidung des Kunden angemessen ist. Dieser sog. Warnhinweis muss nicht vor Ausführung des jeweiligen konkreten Geschäfts erfolgen. Ausreichend ist, wenn er dem Kunden standardisiert zu Beginn der Vertragsbeziehung gegeben wird. Eine bestimmte Form, wie etwa die Schriftform, ist nicht vorgesehen, so dass er auch mündlich erteilt werden kann. Aus Nachweisgründen ist er allerdings zu dokumentieren.
7.5 Zeitpunkt der Einholung der Kundenangaben Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist verpflichtet, die erforderlichen Kundenangaben grundsätzlich vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung bzw. des Geschäftsabschlusses einzuholen bzw. zu überprüfen, um diese bei der Angemessenheits- oder Geeignetheitsprüfung auch berücksichtigen zu können.
7.6 Aktualisierung der Kundenangaben Eine periodische Wiederholung der Kundenbefragung und Aktualisierung der Kundenangaben ist nicht erforderlich. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Kundenangaben offensichtlich veraltet sind, oder sich die persönlichen oder finanziellen Verhältnisse des Kunden – für das Institut erkennbar – verändert haben.
7. Was die Bank vom Kunden wissen sollte
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7.7 Verlässlichkeit der Kundenangaben Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann sich regelmäßig darauf verlassen, dass die Angaben des Kunden richtig, vollständig und aktuell sind. Dies gilt nicht, sofern ihm bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit, d.h. auf Grund der Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße, unbekannt ist, dass die ihm vorliegenden Kundenangaben unrichtig oder unvollständig sind. Wenn sich also begründete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben aufdrängen, sich der Kunde bspw. offensichtlich unglaubwürdig als besonders erfahren geriert, dürfen seine Angaben nicht ohne weiteres übernommen werden. Werden dem Institut Kundenangaben von einem anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmen übermittelt, kann es diesen vertrauen und ist nicht zu einer gesonderten Überprüfung verpflichtet, § 31e Nr. 1 WpHG.
7.8 Form der Einholung der Kundenangaben Zwar sieht der Gesetzgeber kein Schriftformerfordernis für die Einholung der Kundenangaben vor. Jedoch sind umfangreiche Dokumentationsanforderungen zu berücksichtigen. Danach sind alle erforderlichen Kundenangaben sowie die Weigerung des Kunden, bestimmte Angaben zu machen, zu dokumentieren. Gegebenenfalls ist auch die Erteilung eines Warnhinweises festzuhalten. Dazu haben Banken und Sparkassen bereits in der Vergangenheit Dokumentationsbögen verwendet, die in angepasster Form auch weiterhin zum Einsatz kommen können. Eine Unterschrift des Kunden unter die von ihm erteilten Kundenangaben ist rechtlich nicht vorgesehen, aber zulässig.
7.9 Praktische Implikationen Auch wenn die Erteilung von Kundenangaben freiwillig ist, und beim Kunden naturgemäß eine gewisse Zurückhaltung besteht, umfangreiche Auskünfte, insbesondere zu seinen persönlichen Umständen und seinen finanziellen Verhältnissen zu geben, so sollte er sich vergegenwärtigen, dass diese Auskünfte als Basis für eine seinen Bedürfnissen entsprechende
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Damaris Nicodem
Aufklärung und Beratung dienen. Durch diese soll unmittelbar eine informierte Anlegerentscheidung gewährleistet werden. Die Explorationspflicht besitzt demnach eine besonders wichtige Funktion. Erst durch die Einholung der Kundenangaben wird die Bank oder Sparkasse in die Lage versetzt, das „bestmögliche“ Interesse des Kunden zu ermitteln, um dann als unabhängiger fremdnütziger Interessenwahrer für den Kunden tätig werden zu können. Vor diesem Hintergrund sollte der Kunde – trotz der vielfach kritisierten – detaillierten Fragen in seinem Interesse möglichst umfassend und korrekt antworten. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nicht verpflichtet, für jede zu erbringende Wertpapierdienstleistung erneut die Kundenangaben einzuholen. Vielmehr können sie die vorliegenden Daten aufrufen und verwenden. Sie sollten die Angaben jedoch auch ohne ausdrückliche Verpflichtung regelmäßig hinterfragen, wofür die Aufstellung institutsspezifischer Grundsätze sinnvoll erscheint.
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen?
Jens Kan
8.1 Grundidee der Informationspflicht Transparenz und Anlegerschutz sind die obersten Gebote des „neuen“ Wertpapierhandelsgesetzes. Dabei betrifft die Transparenz beide Seiten des Kunde-Bank-Verhältnisses. Nicht nur der Kunde hat Informationen über sich preiszugeben (siehe vorheriges Kapitel), auch die Bank hat sich ihrem Kunden in verschiedener Hinsicht zu erklären. Eine solche Pflicht hatte sie nach alter Rechtslage nicht. Angemessenheit und Verständlichkeit sind, wie in der MiFID und deren Umsetzung an vielen Stellen, auch hier eingefordert. Daher ist oftmals das Ermessen des einzelnen Wertpapierdienstleistungsunternehmens gefragt, in welcher Art und Weise die eigenen Wohlverhaltens- und Informationspflichten angemessen und verständlich erfüllt werden sollen, damit der Kunde jederzeit in die Lage versetzt ist, eine fundierte Anlageentscheidung treffen zu können. Dass dazu mehr gehört, als dem Kunden mitzuteilen, unter welcher Adresse er die Bank findet, und in welcher Sprache er sich an sie wenden kann, versteht sich von selbst. Dennoch soll hier bewusst die Informationsbroschüre im Vordergrund stehen, die man einem Bankkunden nach dem 1. November 2007 an die Hand geben kann, um die allgemeinen Informationspflichten zu erfüllen, die die MiFID erfordert. Damit kann aber weder ein Beratungsgespräch noch eine zukünftige detaillierte Produktinformation ersetzt werden. Ebenso wenig werden hier Werbemitteilungen behandelt, die ebenfalls den Vorschriften über die Redlichkeit von Informationen unterfallen können, je nachdem, wie „objektiv“ sie formuliert sind. Die jeweils hier nicht behandelten Themen sind jedoch an anderer Stelle des Kompendiums ausführlich behandelt, so dass sie hier getrost vernachlässigt werden können.
120
Jens Kan
8.2 Gesetzliche Anforderungen Die Anforderungen der in diesem Kapitel thematisierten Transparenzrichtung (Bank J Kunde) ergeben sich aus Art. 19 Abs. 3 der MiFID, der inhaltlich durch Artt. 29ff. der MiFID-Durchführungsrichtlinie (MiFIDDRiL) konkretisiert wurde 1. Die entsprechenden Regelungen im deutschen Recht finden sich in § 31 Abs. 2 und 3 WpHG sowie § 5 WpDVerOV. Sie entsprechen der nationalgesetzlichen Eins-zu-eins-Umsetzung, wie sie im Koalitionsvertrag der großen Koalition für EU-Richtlinienumsetzungen vereinbart wurde. Rechtlich bindend und damit auch ggfs. von zuständiger Stelle durchsetzbar sind in diesem Vorschriftenkanon nur die im deutschen Recht (WpHG und WpDVerOV) verankerten Bestimmungen. Die EUVorschriften können aber zur Auslegung der nationalen Gesetze herangezogen werden, wenn es im Einzelfall Zweifel an der Zielrichtung oder dem genauen Inhalt des nationalen Gesetzes gibt. Auslegungsempfehlungen, sog. „Recommendations“ von der CESR 2 werden vermutlich noch 2008 veröffentlicht.
8.3 Informationspflichten im Einzelnen Nach den o.g. Regelungen hat die Bank gegenüber dem Kunden umfangreiche Informationspflichten, die im Folgenden näher beschrieben werden. 8.3.1 Welche Kundengruppen sind zu informieren? Das WpHG unterscheidet seit dem 1. November 2007 drei Kundenkategorien: Geeignete Gegenparteien, Professionelle Kunden und Privatkunden. Die Klassifizierung ihrer Kunden in diese Kundengruppen als formaler Akt soll den Wertpapierdienstleistungsunternehmen dabei helfen, die ihnen obliegenden Informations-, Beratungs- und sonstigen Wohlverhaltenspflichten aus dem WpHG und seinen Verordnungen angemessen zu erfüllen. Dabei bestimmt sich die Angemessenheit wesentlich durch die Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Kunden. Je weniger schutzbedürftig der
1 2
Ebenso wichtig sind die Erwägungsgründe 44 bis 50 und 53 der MiFID-DRiL. Commission of European Securities Regulators (Kommission der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden).
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen?
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Kunde ist, desto weniger Information, Beratung und Transparenz darf er von seinem Wertpapierdienstleister erwarten. 3 Bezogen auf die Informationspflichten nach diesem Kapitel sind weder die Geeigneten Gegenparteien noch die Professionellen Kunden schutzbedürftig. Bereits in § 31b WpHG wird der Anwendungsbereich der Wohlverhaltensvorschriften des WpHG gegenüber geeigneten Gegenparteien wesentlich eingeschränkt. Geeignete Gegenparteien befinden sich weder im Fokus der Transparenz noch des Anlegerschutzes, sondern „auf Augenhöhe“ mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, mit dem sie die Kundenbeziehung aufnehmen; meist sind sie selbst eines. Soweit es nur die Bereitstellung (nicht die Einholung) von Informationen betrifft, sind aber auch Professionelle Kunden nicht schützenswert. Das legt der EU-Gesetzgeber bereits in Art 30 Abs. 1 MiFID-DRiL fest 4. Damit sind die genauen inhaltlichen Mindestanforderungen an die Erfüllung der Informationspflichten auf den Privatkunden beschränkt. Was bedeutet das in der Praxis?
3 4
o
Die vorgenannten Anforderungen haben bei den Wertpapierdienstleistungsunternehmen regelmäßig zur Erstellung einer Informationsbroschüre geführt, die je nach Institut sehr unterschiedlich ausgestaltet ist. Teilweise werden die Infobroschüren als Marketingmaterial in eigener Sache behandelt und in edlen Umschlägen ausgeliefert. Andere Marktteilnehmer übersenden lediglich einen mehrseitigen, auf Umweltpapier gedruckten Flyer, um ihre Kunden zu informieren.
o
Die Notwendigkeit zur Erstellung von kostenträchtigen MiFIDInformationspaketen besteht nach dem oben Gesagten nur für diejenigen Kunden, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Privatkunden eingestuft hat. Bei der Umsetzung der Vorgaben kann daher der Zwiespalt entstehen, dass man zugunsten der operationalen Einfachheit oder rechtlichen Sicherheit alle seine Kunden als Privatkunden zu klassifizieren plant. Dieses Vorgehen
Einzelheiten zur Kundenklassifizierung werden in Kapitel 6 aufgezeigt. Die entsprechende Regelung im deutschen Recht ist § 5 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV.
122
Jens Kan
bringt jedoch zunächst beträchtlich höhere Vorabkosten mit sich, weil dann jeder Kunde eine Informationsbroschüre erhalten muss. Die Erfahrung der ersten Monate nach Einführung der MiFIDVorschriften zeigt allerdings auch, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nach diesem Beispiel verfahren, von vielen Kunden mit dem Wunsch angeschrieben werden, in ein niedrigeres Schutzniveau (Professioneller Kunde) umklassifiziert zu werden. Ob man sich konsequent und dauerhaft solchen Kundenwünschen widersetzen kann oder will, darf zumindest bezweifelt werden. Gibt man schließlich den Kundenwünschen nach, kann der Arbeitsaufwand beträchtlich sein. Daher empfiehlt es sich, von Beginn an alle drei im WpHG vorgesehenen Kundenkategorien im eigenen Haus zu implementieren, und die Kunden auch entsprechend zu klassifizieren. Im Sinne eines möglichst aufsichtsrechtskonformen Verhaltens sollte man sich an den in § 31a Abs. 2 WpHG vorgegebenen Katalog halten, der definiert, wer Professioneller Kunde ist. Aus dessen Absatz 4 ergibt sich, wer von diesen Kunden darüber hinaus als Geeignete Gegenpartei anzusehen ist. Hat man anhand dieser Kriterien seine Kundschaft in Professionelle Kunden und Geeignete Gegenparteien (als Teilmenge der Professionellen Kunden) zerlegt, bleibt als Restmenge die Privatkundschaft im Sinne der Negativdefinition in § 31a Abs. 3 WpHG. 8.3.2 Worüber ist der (Privat-)Kunde zu informieren? Nach § 5 Abs. 3 WpDVerOV müssen die Informationen über das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die folgenden Mindestbestandteile enthalten: o
den Namen und die Anschrift des Wertpapierdienstleistungsunternehmens sowie weitere Angaben, die dem Kunden eine effektive Kommunikation mit diesem ermöglichen;
o
die Sprachen, in denen der Kunde mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen kommunizieren und Dokumente sowie andere Informationen von ihm erhalten kann; Ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen international aufgestellt, kann das nationale Recht im Staat einer Niederlassung oder
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen?
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Tochtergesellschaft vorschreiben, dass Dokumente und Informationen in der jeweiligen Landessprache ausgestellt werden müssen. o
die Kommunikationsmittel, die verwendet werden, einschließlich der Kommunikationsmittel zur Übermittlung und zum Empfang von Aufträgen; Der Infobroschüre sinnvollerweise beizulegen ist die Einverständniserklärung des Kunden, Informationen auch online, d.h. per Email oder Internet versenden zu dürfen. Das Einverständnis braucht zwar nicht schriftlich erteilt zu werden, doch empfiehlt es sich aus praktischen Gründen, ein solches zu Beginn der Kundenbeziehung allgemein einzuholen und es im Kundensystem zu hinterlegen.
o
Namen und Anschrift der zuständigen Behörde, die die Zulassung erteilt hat; Bei international tätigen Wertpapierfirmen reicht die Angabe der Heimatbehörde.
o
einen Hinweis, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über einen vertraglich gebundenen Vermittler handelt, einschließlich Angabe des Mitgliedstaats, in dem dieser Vermittler registriert ist;
o
Art, Häufigkeit und Zeitpunkt der Berichte über die erbrachten Dienstleistungen, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dem Kunden nach § 31 Abs. 8 WpHG in Verbindung mit §§ 8 und 9 WpDVerOV zu übermitteln hat;
o
eine Beschreibung der wesentlichen Maßnahmen, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zum Schutz der bei ihm verwahrten Finanzinstrumente oder Gelder seiner Kunden trifft, einschließlich Angaben zu etwaigen Anlegerentschädigungs- oder Einlagensicherungssystemen, denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgrund seiner Tätigkeit in einem Mitgliedstaat angeschlossen sein muss;
o
eine Beschreibung der Grundsätze des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für den Umgang mit Interessenkonflikten nach § 33
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Abs. 1 S. 2 Nr. 3 WpHG und § 13 Abs. 2 WpDVerOV; Hierbei handelt es sich um ein völlig neues Erfordernis. Die meisten Wertpapierdienstleistungsunternehmen, insbesondere international aufgestellte, werden eine „Conflict of Interest Policy“ bereits vorhalten, weil sie an den internationalen Finanzplätzen (London, New York, Tokio) gefordert wird. Diese Interessenkonfliktsgrundsätze bzw. zumindest eine Zusammenfassung davon sind dem Kunden nach dem 1.11.2007 auf einem dauerhaften Datenträger zu übermitteln. o
auf Wunsch des Kunden jederzeit Einzelheiten zu diesen Grundsätzen.
8.3.3 Wann ist der Kunde zu informieren? “Rechtzeitig“ – der Privatkunde muss vor Abschluss eines (seines ersten) Geschäfts über die Informationen verfügen können, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seine Dienstleistungen betreffen. Das dürfte in der Praxis kein Problem sein, denn das Institut hat seinerseits Informationen vom Kunden einzuholen, die sowohl seine Kenntnisse und Erfahrungen als auch seine finanziellen Verhältnisse und Anlageziele umfassen. Die gleichzeitige bzw. vorherige Bereitstellung der oben beschriebenen Informationen wird daher als Bestandteil der Eröffnung der Kundenbeziehung immer rechtzeitig im Sinne von § 31 Abs. 3 WpHG erfolgen. Sollte das einmal nicht der Fall sein, stellt sich die Frage nach den Folgen. Zunächst einmal stellt die Verletzung einer Wohlverhaltenspflicht einen Verstoß gegen Aufsichtsrecht dar, der im Verhältnis von Wertpapierdienstleistungsaufsicht zu Wertpapierdienstleistungsunternehmen sanktioniert werden kann. Die Rechtsprechungspraxis der Zivilgerichte hat aber gezeigt, dass, soweit sich die Wohlverhaltenspflichten auf die unmittelbare Beratung eines Kunden erstrecken, sie zugleich als Gradmesser für den Mindestinhalt des zivilrechtlichen Beratungsvertrags herangezogen werden. Daher kommt den aufsichtsrechtlichen Pflichten auch eine mittelbare zivilrechtliche Bedeutung zu, deren Verletzung Schadensersatzansprüche von Kunden nach sich ziehen kann.
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen?
125
8.3.4 Wie ist der Kunde zu informieren? “In verständlicher Form“ – „angemessen“ – Der Gesetzgeber verwendet abstrakt-generelle Begriffe, die im einzelnen auslegungsbedürftig sind. Daher stellt sich immer wieder die Frage, wie sich die konkrete Erfüllung der Anforderungen erreichen lässt. Insbesondere Produktinformationen, Flyer, Termsheets, selbst Präsentationsunterlagen geraten dabei – übertriebenerweise – in den Fokus der Rechts- und Complianceabteilungen. „Ist die Präsentation MiFID-konform?“ ist dabei eine der meistgestellten Fragen, dabei ist die Antwort gleichermaßen leicht wie wenig hilfreich: „es kommt darauf an“. Darauf nämlich, ob sie in verständlicher Form angeboten und angemessen ist. Ob das so ist, hängt in erster Linie vom Empfänger ab, sprich der Kundenklassifizierung. Was für den Professionellen Kunden angemessen ist, muss für einen Privatkunden noch lange nicht ausreichen. Außerdem steigen die Anforderungen an die Verständlichkeit und Angemessenheit mit der Komplexität des angebotenen Produkts, wobei auch hier gilt, dass der Empfängerhorizont letztlich der Gradmesser für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein muss. An dieser Stelle darf auch darauf hingewiesen werden, dass ein „Disclaimer“, also ein standardisierter nachgestellter Haftungsausschluss, nicht dazu führt, dass der Informierende tatsächlich nicht haftet, gleich, welche Fehlinformationen er liefert. Bei gerichtlicher Überprüfung ergibt sich häufig, dass Disclaimer das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind, daher sollte die Produktinformation selbst das Hauptaugenmerk auf sich ziehen. Das wird in der Praxis allzu oft vernachlässigt. Was die Informationen über das Institut angeht, stellen sich diese speziellen Fragen natürlich meist nicht, denn angesichts des zur Verfügung gestellten Katalogs (siehe oben 8.2) bleiben wohl keine ernsthaften Fragen offen. „Standardisiert“ – „auf einem dauerhaften Datenträger“ – Der Kunde darf in standardisierter Form informiert werden. Mit einer umfassenden Infobroschüre zu Beginn der Geschäftsbeziehung wird dieser Punkt regelmäßig erfüllt. Häufig wird die Frage gestellt, was genau sich hinter dem Begriff „dauerhafter Datenträger“ verbirgt. Der Gesetzgeber versteht darunter eine Urkunde oder eine andere lesbare Form, die für einen angemessenen Zeitraum die inhaltlich unveränderte Wiedergabe der Information ermöglicht. Eine schreibgeschützte CD-ROM oder DVD dürfte dieser Anforderung ohne weiteres genügen. Allerdings wird man fordern müssen, dass der
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Jens Kan
Kunde einer solchen Informationsübermittlung per elektronisch lesbarem Medium vorher zuzustimmen hat. Das gilt erst Recht bei Informationsübermittlung über Internet, die zudem nur erlaubt ist für solche Informationen, die nicht an den Kunden persönlich gerichtet sind, also allgemeine Informationen über das Unternehmen (z.B. die Eröffnung einer neuen Niederlassung) oder Basisinformationen über Finanzinstrumente und deren Risiken. Die erleichterte Form der Übermittlung per Internet oder Email gilt dann auch für die Benachrichtigung über wesentliche Änderungen der o.g. Informationen. Die Kundeninformationen sind aufzuzeichnen und für die Dauer von mindestens fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Erstellung in der Weise aufzubewahren, dass man sie in angemessener Zeit wiederfindet bzw. wiederherstellen kann.
8.4 Anwendungsbeispiel In dem nachfolgenden Beispiel wird dargestellt, welche Informationen eine Bank üblicherweise den Kunden zur Verfügung stellen muss. Übertitelung, etwa: Informationen über das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und die von ihm angebotenen Wertpapierdienstleistungen Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 3 Ziff. 1 bis 4 WpHG erteilen wir Ihnen über unser Institut und unsere Wertpapierdienstleistungen die folgenden Informationen. A.
Informationen über das Institut: X-Bank Musterstrasse 123 45678 Musterstadt Telefon: 90123-0 Telefax: 90123-456 Email:
[email protected]
B.
Sprache/Kommunikationsmittel: Sie können mit uns persönlich, telefonisch oder schriftlich
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen?
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(einschließlich Telefax und Email) sowie über unsere OnlineHandelsplattform (Bank-X-Online-Brokerage) in deutscher oder englischer Sprache in Verbindung treten. Ihre Aufträge nehmen wir gern über diese Kommunikationswege, ebenfalls in deutscher oder englischer Sprache, entgegen. C.
Zulassung gem. § 32 KWG/zuständige Aufsichtsbehörde: Die X-Bank verfügt über eine Vollbanklizenz im Sinne von § 32 Kreditwesengesetz und betreibt alle banküblichen Geschäfte, insbesondere Kreditgeschäft, Einlagengeschäft, Wertpapier- und Depotgeschäft, Konto- und Depotführung, Zahlungsverkehr usw. – zuständige Aufsichtsbehörde ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Graurheindorfer Str. 108, 53117 Bonn und Lurgiallee 12, 60439 Frankfurt am Main (Internet: www.bafin.de).
D.
Berichte über erbrachte Dienstleistungen: Soweit nicht anders vereinbart, erhalten Sie von uns über jede einzelne erbrachte Wertpapierdienstleistung eine Abrechnung. Darüber hinaus erstellen wir für Sie einmal jährlich zu Jahresbeginn einen Wertpapierdepotauszug.
E.
Vertraglich gebundene Vermittler: Wir bedienen uns zur Erbringung ausgewählter Wertpapierdienstleistungen vertraglich gebundener Vermittler, die in Deutschland als solche registriert sind.
F.
Einlagensicherungssystem (Beispiel einer Sparkasse): Wir sind als Mitglied im Sparkassenstützungsfonds des Sparkassen- und Giroverbandes dem Sicherungssystem der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe angeschlossen. Dieses Sicherungssystem besteht aus den satzungsrechtlich in einer Haftungsgemeinschaft miteinander verbundenen Fonds: elf Sparkassenstützungsfonds der regionalen Sparkassenverbände, der Sicherungsreserve der Landesbanken/Girozentralen und dem Sicherungsfonds der Landesbausparkassen. Als institutssichernde Einrichtung i.S.d. Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes schützt dieses System den Bestand der angeschlossenen Institute. Mit Hilfe der Fonds werden im Krisenfall Stützungsmaßnahmen zur Sanierung durchgeführt, die sicherstellen, dass ein Institut seine sämtlichen Verbindlichkeiten weiterhin erfüllen kann. Jedem Kunden
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Jens Kan
können daher seine fälligen Ansprüche, z.B. aus Spar-, Termin- und Sichteinlagen sowie verbrieften Forderungen, in voller Höhe erfüllt werden. Näheres regelt die Satzung für den Sparkassenstützungsfonds des Sparkassen- und Giroverbandes, die wir Ihnen auf Anfrage zur Verfügung stellen. Seit dem Bestehen der Sicherungseinrichtungen der SparkassenFinanzgruppe hat noch nie ein Kunde eines Mitgliedsinstituts einen Verlust seiner Einlagen erlitten. G.
Umgang mit Interessenkonflikten: Als Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind wir verpflichtet, Grundsätze zum Management von Interessenkonflikten aufzustellen und Ihnen hierüber Mitteilung zu machen. Wir haben entsprechend Vorkehrungen getroffen, damit sich eventuelle Interessenkonflikte zwischen uns, unserer Geschäftsleitung, unseren Beschäftigten sowie vertraglich gebundenen Vermittlern oder anderen Unternehmen des X-Bank-Konzerns nicht negativ auf Ihre Interessen auswirken. Details hierzu entnehmen Sie [z.B. einem Anhang] sowie unserer Internetseite (http://www.x-bank.de/interessenkonflikte.html).
H.
Grundsätze der Auftragsausführung/Kosten und Nebenkosten: Informationen zu unseren Ausführungsgrundsätzen für Ihre Auftrage entnehmen Sie bitte unserer Execution-Policy ([Anhang x] oder im Internet: http://www.x-bank.de/bestexpolicy. html). Informationen über Kosten und Nebenkosten entnehmen Sie bitte unserem Preisverzeichnis (im Internet unter http:// www.x-bank.de/preisverzeichnis.html).
8.5 Fazit Dieser Teil der MiFID-Umsetzung gehört sicher zu jenen, denen man das Prädikat „nach gesundem Menschenverstand selbstverständlich – jetzt auch als Gesetz“ verleihen kann. Die Aspekte der Informationsausgestaltung, -übermittlung und -aufbewahrung leuchten ein, allein ihre Normierung war bislang in dieser Detailtiefe ausgeblieben. Vermutlich ist die Detailtiefe der bislang doch recht uneinheitlichen Handhabung in den einzelnen EU-Staaten geschuldet.
8. Was muss der Kunde über seine Bank wissen?
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Für erhebliche Arbeit hat sie aber auch hierzulande gesorgt, denn die Institutsinformationen gesammelt vorab an den Kunden zu überstellen, war bisher nicht aufsichtsrechtlich vorgeschrieben. Es ist sicherlich sinnvoll, insbesondere gegenüber Privatkunden eine gewisse Grundinformation über die eigene Bank zu erteilen. Auf der anderen Seite sorgt die Informationsflut beim Kunden oft eher für Hilflosigkeit, Verlust der Übersicht bis hin zum Frust darüber, sich mal wieder durch zig Seiten eher mäßig lesbaren Materials hindurchzuquälen, ohne dass damit auch nur ein einziges Beratungsgespräch bei der Geldanlage überflüssig gemacht würde. Das gilt insbesondere für die „Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren“, für die uns zwar jeder EU-Mitgliedstaat, der über seinesgleichen nicht verfügt, beneidet, dessen Ausarbeitung er aber gleichermaßen fürchtet. Denn es bedarf schon einiger Arbeit vieler Spezialisten und Juristen, um so detaillierte Beschreibungen der Funktionsweise und Risiken einzelner Finanzinstrumente in einer derartigen Qualität zu Papier zu bringen. Dennoch ist ein Kunde in der jeweiligen Beratungssituation weiterhin aufklärungsbedürftig – man kann eben nicht voraussetzen, dass der Kunde die Basisinformationen im Detail verinnerlicht hat. Auch im ökologischen Sinn, das muss in diesen Zeiten zu sagen erlaubt sein, war das Versenden von ca. 40 Millionen Informationsbroschüren im September/Oktober 2007 allein in Deutschland sicher kein Ruhmesblatt der gesetzgeberischen Weitsicht, insbesondere wenn man bedenkt, wie viele davon gelesen worden sein mögen, ehe sie in den Recyclingkreislauf zurückgegeben wurden. Das Standard-Informationspaket nach MiFID wird jedenfalls, trotz der zuvor geäußerten Vorbehalte, zukünftig zu Beginn einer jeden Kundenbeziehung auszuhändigen sein und damit ein fester Bestandteil des täglichen Geschäfts werden.
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
Lars Röh
9.1 Werbung als aufsichtsrechtliches Thema
9.1.1 Bisherige Rechtslage: Missbrauchsaufsicht (Funktionenschutz) Vor Umsetzung der MiFID waren Werbemaßnahmen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur ein aufsichtsrechtliches Randthema. Die einschlägigen Regelungen beschränkten sich auf eine reine Missbrauchsaufsicht der BaFin. So war und ist die BaFin befugt, bestimmte Arten von Werbung zu untersagen, wenn sie bei der Werbung für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und deren Dienstleistungen Missstände feststellt (§ 36b Abs. 1 WpHG). Generelle Maßnahmen wie z.B. die Untersagung bestimmter Werbeformen für sämtliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf die BaFin nur nach Anhörung der kreditwirtschaftlichen Spitzenverbände und der Verbraucherschutzverbände ergreifen (§ 36b Abs. 2 WpHG) 1. Ein Beispiel hierfür ist der Cold-Calling-Erlass des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe) – jetzt BaFin – zur unerwünschten Telefonwerbung aus dem Jahr 1999 2. Der Sinn und Zweck dieser Eingriffsbefugnis besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Wertpapierdienstleistungsmarktes zu sichern. Der einzelne Anleger wird auf diese Weise nur reflexartig (mit-)geschützt. 1
2
Ähnlich gelagerte Vorschriften finden sich auch im Übernahmerecht (§ 28 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz –WpÜG) und im Kreditwesengesetz (§ 23 KWG). Allgemeinverfügung gemäß § 36b Abs. 1 und Abs. 2 WpHG bezüglich der Werbung in Form des „cold calling“ vom 27. Juli 1999.
132
Lars Röh
Sieht man von – regelmäßig extrem gelagerten – Missbrauchssachverhalten ab, waren die Wertpapierdienstleistungsunternehmen bislang bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen aufsichtsrechtlich nicht reglementiert. Beschränkungen ergaben sich allerdings aus dem Recht des unlauteren Wettbewerbs (§§ 1, 3 UWG), so z.B. im Falle einer den Wettbewerber herabwürdigenden vergleichenden Werbung. 9.1.2 Die neue Sicht der MiFID: Aufsichtsrechtliche Regulierung von Werbung als Bestandteil der Wohlverhaltenspflichten (Anlegerschutz) Diese Situation hat sich mit der Umsetzung der MiFID durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) nachhaltig verändert. Der europäische Gesetzgeber hat sich mit der MiFID auf die Fahnen geschrieben, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen umfassend zu einer redlichen und nicht irreführenden Kundeninformation zu verpflichten. Von diesem „Redlichkeitsgebot“ betroffen sind ausdrücklich auch so genannte Marketing-Mitteilungen, also Werbemaßnahmen jeglicher Art (vgl. Art. 19 Abs. 2 MiFID). Steht bei der Missbrauchsaufsicht der Schutzzweck eines reibungslosen Funktionierens des Finanzmarktes im Vordergrund, sind die Vorschriften der MiFID zum Thema „Werbung“ Bestandteil der Wohlverhaltenspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber ihren Kunden. Sie dienen also primär dem Anlegerschutz. Die MiFID-Regelungen ähneln damit den durch die Prospektrichtlinie ebenfalls europäisch harmonisierten Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG) zu Werbemaßnahmen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot von Wertpapieren. 3 Welche Vorgaben haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen konkret zu beachten? Die neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Werbemitteilungen sind in die Pflichten zur sachgerechten Kundeninformation integriert (§ 31 Abs. 3
Nach § 15 Abs. 3 WpPG ist in allen Werbeanzeigen darauf hinzuweisen, dass ein Prospekt veröffentlicht wurde und wo die Anleger ihn erhalten können. Nach § 15 Abs. 3 WpPG müssen Werbeanzeigen als solche klar erkennbar sein, und die darin enthaltenen Angaben dürfen nicht unrichtig oder irreführend bzw. zu den Angaben im Prospekt widersprüchlich sein. Siehe hierzu im einzelnen Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., § 15 WpPG Rn. 1 ff.
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
133
2 und 3 WpHG). Als Generalklausel sieht § 31 Abs. 2 Satz 1 WpHG vor, dass alle Informationen einschließlich Werbemitteilungen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Kunden zugänglich machen, redlich, eindeutig und nicht irreführend sein müssen. Dies dient dem Ziel, dass der Kunde die Art und Risiken der von ihm in Anspruch genommenen Wertpapierdienstleistungen bzw. der von ihm erworbenen Finanzinstrumente verstehen und auf dieser Grundlage eine sinnvolle Anlageentscheidung treffen kann. Werbemitteilungen dürfen diesem Ziel nicht entgegenstehen. Diese allgemeinen Anforderungen werden in § 31 Abs. 2 WpHG und in § 4 WpDVerOV konkretisiert. Hierzu zählt, dass Werbemitteilungen eindeutig als solche erkennbar sein müssen und besonderen Vorgaben zu genügen haben, wenn sie Vergleiche oder Performanceangeben enthalten (siehe hierzu näher 9.3). Eine besondere Komplexität der aufsichtsrechtlichen Behandlung von Werbemitteilungen ergibt sich daraus, dass Werbemitteilungen, wenn sie den Eindruck einer Finanzanalyse erwecken, aber nicht die notwendigen Erfordernisse für die Erstellung von Finanzanalysen nach § 34b WpHG erfüllen, einer besonderen Kennzeichnungs- und Hinweispflicht unterliegen (siehe dazu näher unten 9.2.3 und 9.4).
9.2 Werbung, Anlageberatung und Finanzanalyse: Eine schwierige Abgrenzung Werbung ist, was nicht weiter verwundert, keine Wertpapierdienst- oder -nebendienstleistung, sondern erfolgt ausschließlich im Eigeninteresse des werbenden Unternehmens. Will man die inhaltliche Dimension der neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfassen, muss man sich zunächst vor Augen halten, wie Werbung von „echten“ Wertpapier(neben)dienstleistungen abzugrenzen ist. 9.2.1 Was ist eine Werbemitteilung? Der technische Begriff, an den das WpHG aufsichtsrechtliche Vorgaben für Werbung knüpft, ist die „Werbemitteilung“ (§ 31 Abs. 2 Satz 1 WpHG). Weder die MiFID noch das WpHG enthalten eine Legaldefinition des Begriffs „Werbemitteilung“ (in der Terminologie der MiFID: Marketing-Mitteilung, vgl. § 19 Abs. 2 MiFID). Gewisse Anhaltspunkte dafür, was unter einer Werbemitteilung zu verstehen ist, ergeben sich jedoch aus
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einem in der Durchführungsrichtlinie aufgeführten Negativkatalog 4. Nicht als Werbemitteilung reguliert sind demnach Veröffentlichungen, die ausschließlich o den Namen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, o das Logo oder ein mit der Firma zusammenhängendes Bild, o die Kontaktadresse oder o Angaben zur Art der von dem Institut erbrachten Dienstleistungen oder zu seinen Gebühren oder Provisionen enthalten. Jenseits dessen wird man als Werbemitteilungen alle Kundgaben zu verstehen haben, die o nicht den Eindruck der Neutralität bzw. Unvoreingenommenheit erwecken und o das Ziel haben, den Adressaten ohne Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse zu beeinflussen, sei es durch sachliche Informationen und/oder emotionale Botschaften, sei es durch Tatsachenbehauptungen oder Werturteile. Träger von Werbemitteilungen können sein: Adressierte oder nichtadressierte Drucksachen, elektronische Nachrichten, Standardschreiben, Anzeigen in der Presse, Kataloge, Plakate, Poster, Broschüren, Webanzeigen, aber auch verbal kommunizierte Mitteilungen, wie z.B. über Seminare, Präsentationen, Radio, Fernsehen. 9.2.2 Was ist Anlageberatung? Von der Werbemitteilung abzugrenzen ist zum einen die Anlageberatung. Die Anlageberatung ist eine „echte“ Wertpapierdienstleistung, die einem eigenen aufsichtsrechtlichen Anforderungsprofil unterliegt 5. Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG handelt es sich um eine Anlageberatung, wenn o eine persönliche Empfehlung abgegeben wird, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten bezieht, o die Empfehlung gegenüber Kunden oder deren Vertretern erfolgt, o die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird, und
4 5
Erwägungsgrund 46. Siehe hierzu Kapitel 12.
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
o
135
die Empfehlung nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.
Eine Empfehlung liegt vor, wenn dem Anleger zu einer bestimmten Handlung als in seinem Interesse liegend geraten wird. Die Empfehlung ist dann eine persönliche, wenn sie auf einer Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers beruht. Dabei ist nach Auffassung der BaFin und der Bundesbank eine „Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers“ bereits dann zu bejahen, wenn der Kunde das Wertpapierdienstleistungsunternehmen in allgemeiner Form über seine finanzielle Situation unterrichtet hat (z.B. durch die Kundenangaben zu finanziellen Verhältnissen auf dem WpHG-Bogen nach § 31 Abs. 5 WpHG) und das Wertpapierdienstleistungsunternehmen daraufhin die Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten empfiehlt. Alternativ genügt es auch, dass die Empfehlung vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen lediglich als für den „Anleger geeignet“ dargestellt wird. Dies ist der Fall, wenn ein Kunde davon ausgehen muss, dass die abgegebene Empfehlung auf einer Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände beruht – auch wenn dies tatsächlich nicht so ist. 6 Um keine Anlageberatung handelt es sich, wenn die Empfehlung ausschließlich über so genannte Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Dies ist z.B. bei Empfehlungen der Fall, die über die Presse, im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen) im Internet oder in öffentlichen Veranstaltungen erteilt werden. Anders verhält es sich hingegen bei Postsendungen, die nur an Einzelne oder an einen zuvor festgelegten Personenkreis adressiert sind. 7 Anhand dieser begrifflichen Abgrenzungskriterien ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Anlageberatung oder eine Werbemitteilung vorliegt. Dabei bietet sich an, in einem ersten Zugriff darauf abzustellen, ob der Inhalt der Kundenkommunikation in irgendeiner Form von den persönlichen finanziellen Umständen des Kunden beeinflusst ist (falls ja: Anlageberatung; falls nein: Werbemitteilung) und ob die Kundenkommunikation ausschließlich über öffentliche Informationsverbreitungskanäle erfolgt (falls ja: Werbemitteilung; falls nein: möglicherweise Anlageberatung).
6
7
Siehe „Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung“, Stand: 12.11.2007, Ziffer 4, abrufbar im Internet unter www.bundesbank.de/download/bankenaufsicht/pdf/ 071112_anlageberatung.pdf. aaO., Ziffer 5.
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9.2.3 Was ist eine Finanzanalyse? Als besonders schwierig kann sich zum anderen die Unterscheidung zwischen Werbemitteilungen und Finanzanalysen erweisen. Die Erstellung, Verbreitung oder Weitergabe von Finanzanalysen ist eine Wertpapiernebendienstleistung (§ 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG). Bei Finanzanalysen handelt es sich, allgemein gesprochen, um Informationen über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine allgemeine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten. Allerdings hat es die MiFID-Umsetzung mit sich gebracht, dass nunmehr zwischen zwei Arten von Finanzanalysen zu differenzieren ist: Die Finanzanalyse im engeren Sinne (§ 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG) und die Finanzanalyse im weiteren Sinne (§ 31 Abs. 2 Satz 4 bzw. § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG). Beide haben einen gemeinsamen Kern, unterscheiden sich aber hinsichtlich der Reichweite ihres Anwendungsbereichs. So umfasst die Finanzanalyse i.e.S. solche Informationen über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten, sich auf börsennotierte Finanzinstrumente beziehen und die an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet sind. Dagegen liegt eine Finanzanalyse i.w.S. vor, wenn eine Information über Finanzinstrumente mit Empfehlungscharakter entweder an einen unbegrenzten oder an einen begrenzten Personenkreis wie z.B. die Kunden des Wertpapierdienstleistungsunternehmens gerichtet ist und sich auf börsennotierte oder nicht börsennotierte Finanzinstrumente bezieht. Das Verhältnis der beiden Finanzanalysebegriffe zueinander lässt sich auch anhand des nachfolgenden Schaubilds verdeutlichen:
Finanzanalyse Empfehlungen für bestimmte Anlageentscheidungen im weiteren Sinne • beliebiger Personenkreis (unbestimmt oder bestimmt, z.B. Kunden) • auch nicht börsennotierte Finanzinstrumente
im engeren Sinn • nur an unbestimmten Personenkreis • nur börsennotierte Finanzinstrumente
Abb. 9.1: Finanzanalyse im engeren und weiteren Sinne
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
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Wie verhält sich nun die Finanzanalyse zur Werbemitteilung? Grundsätzlich lässt sich hierzu sagen, dass die einer Finanzanalyse innewohnende Empfehlung für eine Anlageentscheidung nur dann vorliegt, wenn die Angaben in der Analyse eine gewisse Informationstiefe haben und den Eindruck der Unvoreingenommenheit erwecken. Keine Finanzanalyse, sondern bloße Werbung liegt demnach vor, wenn es an dem Eindruck einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem betreffenden Finanzinstrument fehlt und das Eigeninteresse des Erstellers offenkundig ist. Dementsprechend sieht die BaFin Werbe- und sonstiges Informationsmaterial zur Vertriebsunterstützung mangels Empfehlungscharakters nicht als Finanzanalyse an, sofern es nicht den Anschein einer unvoreingenommenen Information erweckt 8. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn eine Kundeninformation den Charakter einer Empfehlung aufweist – sei es, dass die Information mit dem Titel „Finanzanalyse“ versehen ist, sei es, dass sie aus anderen Gründen den Eindruck von Unvoreingenommenheit und einer gewissen Informationstiefe erweckt –, aber nicht gemäß den organisatorischen Anforderungen des § 34b Abs. 5 WpHG erstellt worden ist. In diesem Falle muss die Kundeninformation mit dem Hinweis „Werbemitteilung“ gekennzeichnet sein und den Hinweis auf eine fehlende Einhaltung der organisatorischen Anforderungen sowie des FrontrunningVerbots enthalten (§ 31 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 WpHG, siehe hierzu näher unten 9.4).
9.3 Aufsichtsrechtliche Anforderungen an die Gestaltung von Werbemitteilungen Jedes Wertpapierdienstleistungsunternehmen hat sicherzustellen, dass die anhand des oben unter 9.2 genannten Kriterienkatalogs identifizierten Werbemitteilungen dem seit dem 1. November 2007 geltenden Kanon aufsichtsrechtlicher Kriterien genügen. Dabei ist zwischen allgemeinen Anforderungen, die für jedwede Form von Werbung gelten, und besonderen Anforderungen bei Werbemitteilungen mit spezifischem Inhalt (Verglei8
Dies gilt sowohl für die alte Rechtslage vor der MiFID-Umsetzung als auch für die Neufassung des WpHG durch das FRUG, siehe „Schreiben der BaFin vom 21. Dezember 2007 zur Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 Satz 4, 34b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV)“, abrufbar im Internet unter www.bafin.de.
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chen, historischer oder zukünftiger Wertentwicklung, steuerlicher Behandlung) zu unterscheiden. 9.3.1 Was ist bei der Erstellung von Werbemitteilungen generell zu beachten? Insbesondere folgende Grundsätze sollten beachtet werden:
Eindeutige Erkennbarkeit
Die praktisch wichtigste, wenn auch nur formale Änderung gegenüber der Vor-MiFID-Rechtslage besteht darin, dass Werbung eindeutig als solche erkennbar sein muss (§ 31 Abs. 2 Satz 2 WpHG). Jeder Werbeträger hat also den Zusatz zu enthalten, dass es sich um eine „Werbemitteilung“ (oder „Marketing-Mitteilung“) handelt, sofern nicht der werbliche Charakter bereits aufgrund der optischen oder textlichen Gestaltung der Werbemitteilung jedermann offenkundig ist. Darüber hinaus kann sich in bestimmten Fällen anbieten, einen Hinweis aufzunehmen, wonach die betreffende Werbemitteilung keine Anlageberatung bzw. Anlageempfehlung darstellt.
Redlichkeit/Eindeutigkeit/Widerspruchsfreiheit
Wie alle anderen Informationen, die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Privatkunden zugänglich machen, stehen auch Werbemitteilungen auf dem Prüfstand der drei Kriterien: Redlichkeit, Eindeutigkeit und keine Irreführung (§ 31 Abs. 2 WpHG). Diese Anforderungen werden in der WpDVerOV wie folgt konkretisiert: Werden in der Werbemitteilung mögliche Vorteile eines Finanzinstrumentes hervorgehoben, muss gleichzeitig eindeutig auf etwaige damit einhergehende Risiken verwiesen werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WpDVerOV). Bei der Darstellung von Renditechancen ist z.B. auf die mit dem Chancenprofil zusammenhängenden Risiken in gleichwertiger Form hinzuweisen. Die bloße Risikowarnung in einer Fußnote reicht hierfür nicht aus. Erfolgt die Chanceneinschätzung in einer abstrakt-generellen Weise, etwa durch auf das jeweilige Produkt bezogene Marktprognosen (Bsp.: günstiger Aktienoder Anleihemarkt), bedarf es eines deutlichen Hinweises, dass es sich bei dieser Einschätzung um eine aktuelle Prognose handelt, die sich jederzeit „drehen“ kann.
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
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Wichtige Aussagen oder Warnungen dürfen nicht verschleiert, abgeschwächt oder so verklausuliert werden, dass sie der Kunde nicht mehr versteht (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV). Die in der Werbemitteilung enthaltenen Informationen dürfen den übrigen dem Kunden zur Verfügung gestellten Informationen nicht widersprechen (§ 4 Abs. 9 WpDVerOV). 9.3.2 Welche besonderen Anforderungen gelten bei speziellen Werbeaussagen? Soweit eine Werbemitteilung Vergleiche mit anderen Finanzinstrumenten, Aussagen zur früheren faktischen oder simulierten („Backtesting“) Wertentwicklung oder zu künftigen Performance enthält, sind diese zwar – wie bisher auch – grundsätzlich zulässig. Neu ist jedoch, dass bei der Art der Darstellung spezifische aufsichtsrechtliche Vorgaben zu beachten sind. Im einzelnen sind dies:
Vergleiche
Werden im Rahmen der Werbemitteilung Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen miteinander verglichen, sind folgende Kriterien zu erfüllen (§ 4 Abs. 3 WpDVerOV): o o o o
Der Vergleich muss aussagekräftig sein. Seine Darstellung hat ausgewogen zu sein. Die für den Vergleich herangezogenen Informationsquellen sind anzugeben. Ebenso müssen die dem Vergleich zugrunde liegenden wesentlichen Fakten und Hypothesen offengelegt werden.
Frühere Wertentwicklung
Bezieht eine Werbemitteilung die frühere Wertentwicklung eines Finanzinstruments ein, müssen die nachfolgenden Vorgaben beachtet werden (§ 4 Abs. 4 WpDVerOV): o
Aussagen zur der früheren Wertentwicklung dürfen nicht im Vordergrund der Werbemitteilung stehen. Damit sind Werbemaßnahmen, die isoliert und ausschließlich die frühere Wertentwicklung eines Finanzinstruments als Botschaft transportieren, nicht mehr zulässig. Hinweise auf die frühere Wertentwicklung sollten
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vielmehr in einer Gesamtdarstellung von Chancen und Risiken integriert werden. o
Erforderlich ist eine Darstellung der Wertentwicklung der letzten fünf Jahre. Reichen die Angaben weiter als fünf Jahre zurück, müssen sie sich jeweils auf 12-Monats-Zeiträume beziehen. Liegen Angaben nur über einen kürzeren Zeitraum als fünf Jahre vor, müssen sie zu dem gesamten Zeitraum gemacht werden. Dieser Zeitraum muss sich auf mindestens 12 Monate erstrecken (Nr. 1).
o
Der Referenzzeitraum und die Informationsquelle sind eindeutig anzugeben (Nr. 2), z.B. in folgender Form „1.1.200x bis 31.12.200x, Quelle: XY-Bank“.
o
Enthält die Werbemitteilung Angaben in einer anderen Währung als in der Währung des Staates, in dem der Privatkunde ansässig ist, muss die Währung eindeutig angegeben werden. Ferner muss ein Hinweis enthalten sein, dass die Rendite in diesen Fällen in Folge von Währungsschwankungen steigen oder fallen kann (Nr. 3).
o
Nimmt die Aussage zur früheren Wertentwicklung auf die Bruttowertentwicklung Bezug, ist anzugeben, wie sich Provisionen, Gebühren und andere Entgelte hierauf auswirken (Nr. 4). Dies soll anhand der Werbung für Investmentfonds verdeutlicht werden: Fondsprodukte werden üblicherweise nach der BVI-Methode beworben. Die BVI-Methode zur Berechnung der Wertentwicklung von Investmentfonds wurde vom Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) entwickelt und hat sich als Standardverfahren durchgesetzt. Dabei werden alle Kosten auf Fondsebene, also Management- oder Depotbankgebühren, berücksichtigt. Die individuellen Kosten des einzelnen Anlegers, zum Beispiel seine individuellen Depotgebühren oder der Ausgabeaufschlag, fließen nicht in die Berechnung ein, da diese sich von Bank zu Bank bzw. von Fondsgesellschaft zu Fondsgesellschaft unterscheiden. Bei der BVI-Methode werden die Anteilswerte eines Fonds zum Beginn und zum Ende des Berechnungszeitraumes verglichen. Dabei wird von einer Einmalanlage ausgegangen. Zudem werden auch die zwischenzeitlich erfolgten Ausschüttungen in die Berechnung aufgenommen. Um ausschüttende und wiederanlegende Fonds
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miteinander vergleichen zu können, wird davon ausgegangen, dass die Ausschüttung am gleichen Tag wieder zum Anteilswert angelegt wird. Die BVI-Methode stellt auf die Nettowertentwicklung ab, in der Gebühren und Kosten im der Anteilwertermittlung berücksichtigt werden. Insoweit ergibt sich grundsätzlich kein Anpassungsbedarf. Hingewiesen werden sollte jedoch darauf, ob auch Ausgabeaufschläge (bzw. Rücknahmeabschläge) als einmalige Erwerbskosten in der Wertentwicklung berücksichtigt oder außen vor gelassen wurden. o
Die Aussage zu der früheren Wertentwicklung muss einen deutlichen Hinweis darauf enthalten, dass die frühere Entwicklung kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung ist (§ 4 Abs. 7 WpDVerOV).
Angaben über simulierte historische Betrachtung („Backtesting“)
Sofern eine Werbemitteilung die Simulation einer früheren Wertentwicklung oder den Verweis auf eine solche simulierte Wertentwicklung enthält, darf sie sich nur auf ein Finanzinstrument, dem einem Finanzinstrument zugrunde liegenden Basiswert oder einen Finanzindex beziehen und muss auf der tatsächlichen früheren Wertentwicklung dieses in Bezug genommenen Underlyings beruhen (§ 4 Abs. 5 WpDVerOV). Die Darstellung der früheren Wertentwicklung hat dabei den Anforderungen des § 4 Abs. 4 WpDVerOV zu genügen.
Angaben zur künftigen Performance
Angaben zur künftigen Wertentwicklung dürfen nicht auf einem Backtesting beruhen oder auf ein solches Bezug nehmen (§ 4 Abs. 6 WpDVerOV). Nicht zulässig ist es demnach, von dem Ergebnis des Backtestings eines Finanzinstruments (z.B. eines Basket-Zertifikats) auf dessen erwartete zukünftige Performance zu schließen. Dieses aufsichtsrechtliche Verbot dürfte die Werbung mit einer zukünftigen Wertentwicklung stark einschränken bzw. in vielen Fällen (mangels geeigneter anderer Prognoseparameter) nahezu unmöglich machen. Die Angaben müssen auf angemessenen und objektiven Daten beruhen. Dabei bietet sich an, auf die Nettowertentwicklung abzustellen. Sofern auf die Bruttowertentwicklung abgestellt wird, muss deutlich angegeben werden, wie sich Provisionen, Gebühren und andere Entgelte hierauf auswirken.
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Lars Röh
Steuerhinweis
Enthält die Werbemitteilung Informationen zu einer bestimmten steuerlichen Behandlung, muss sie einen deutlichen Hinweis enthalten, dass die steuerlichen Auswirkungen von den persönlichen Verhältnissen des jeweiligen Kunden abhängen und künftigen Änderungen unterworfen sein können (§ 4 Abs. 8 WpDVerOV). In der Praxis empfiehlt es sich, diese Anforderung in Form eines standardisierten „Disclaimers“ zu erfüllen. Auch bei Angaben zur künftigen Performance ist deutlich darauf hinzuweisen, dass diese keinen verlässlichen Indikator für die künftige Entwicklung darstellen (§ 4 Abs. 7 WpDVerOV). 9.3.3 Verbot der Werbung mit BaFin In jedem Falle ist strikt darauf zu achten, dass der Name der BaFin oder einer anderen europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde nicht in einer Weise genannt werden darf, die bei dem Anleger den Eindruck erweckt, die Produkte oder Dienstleistungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens seien von der BaFin oder der betreffenden anderen Aufsichtsbehörde gebilligt oder genehmigt worden (§ 4 Abs. 11 WpDVerOV). 9.3.4 Sonderfall: Direct Offer Sofern die Werbemitteilung bereits dem Kunden einen Vertragsabschluss oder die Abgabe eines Angebots zum Abschluss eines Vertrages ermöglicht, sind unmittelbar in der Werbemitteilung sämtliche für den Vertragsabschluss sowie die für die Risikoaufklärung erforderlichen Informationen (siehe hierzu § 5 WpDVerOV) anzugeben (§ 4 Abs. 10 WpDVerOV). Diese auf die im angelsächsischen Raum häufig anzutreffenden so genannten „Direct Offers“ (bei denen ein Kunde z.B. durch Ausschneiden, Unterzeichnen und Zurücksenden einer Zeitungsanzeige ein Finanzinstrument erwerben kann) gemünzte aufsichtsrechtliche Anforderung dürfte in Deutschland bislang keine praktische Anwendung finden.
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
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9.3.5 Dokumentation/Archivierung Für die Praxis erheblich relevant ist die Frage, in welcher Weise Werbemitteilungen dokumentiert und archiviert werden müssen. Die WpDVerOV trifft hierzu folgende grundsätzliche Aussage: Bei Werbemitteilungen bedarf es neben der Aufbewahrung eines Exemplars der Werbemitteilung keiner weiteren Aufzeichnung, soweit aus der Werbemitteilung hervorgeht, an welchen Kundenkreis sie sich richtet (§ 15 Abs. 7 WpDVerOV). Die Aufbewahrung des Werbemitteilungsexemplars hat für mindestens fünf Jahre zu erfolgen (§ 34 Abs. 3 WpHG).
9.4 Sonderfall: Werbemitteilung mit Empfehlungscharakter – aufsichtsrechtliche Anforderungen an Finanzanalysen im weiteren Sinne Als besonders sensibel erweist sich der Bereich, in dem sich eine Kundeninformation im Grenzbereich zwischen Werbematerial und Finanzanalyse bewegt. Es handelt sich hier um Fälle, bei denen z.B. eine Produktinformation in Form eines ausführlichen Flyers unter dem Namen einer Vertriebsbank oder -sparkasse weitergegeben wird, die nicht mit dem Emittenten des Produktes identisch ist. Produkt Finanzinstrument
Emittent
Bank / Sparkasse Vertriebsvereinbarung
Produktinformation unter dem Logo der Sparkasse / Bank
Privatkunden „Produktverkauf“
Abb. 9.2: Produktinformation für den Vertrieb bei Dritten
In diesen Fällen, in denen keine „klassische“ Eigenwerbung vorliegt, wird es dem Kunden nicht ohne weiteres möglich sein, die fehlende Unvoreingenommenheit des Erstellers zu erkennen. Solche Informationen können demnach potentiell dem Charakter einer „Empfehlung“ haben (siehe hierzu oben 9.2.3). Sie wären dann, auch wenn sie nur einem begrenzten Kundenkreis zugänglich gemacht werden, als Finanzanalysen i.w.S. einzustufen.
144
Lars Röh
Diese Konsequenz ließe sich vermeiden, wenn aus der Produktinformation mit hinreichender Klarheit hervorgeht, dass sie vom Emittenten erstellt und die werblichen Aussagen deshalb ihm zuzurechnen sind. Anderenfalls besteht für die das Produkt vertreibende Bank / Sparkasse das erhebliche Risiko, aufsichtsrechtlich als Ersteller einer Finanzanalyse i.w.S. angesehen zu werden. Liegt ein solcher Fall vor, löst dies bei dem betreffenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen Folgepflichten aus, die erheblich über die „normalen“ Anforderungen an die Gestaltung von Werbemaßnahmen hinausgehen (siehe dazu oben 9.3.1 bis 9.3.3). Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann insoweit zwischen den beiden folgenden Handlungsalternativen wählen: 9.4.1 Erfüllung der Organisationspflichten für Finanzanalysen Das Unternehmen hat entweder sicherzustellen, dass die – sehr weitreichenden – Organisationspflichten beachtet werden, die sich aus § 33b Abs. 5 und 6 sowie § 34b Abs. 5 WpHG in Verbindung mit § 5a FinAnV ergeben. Dies bedeutet in der Sache, dass ein komplexer organisatorische Apparat zur Sicherstellung der Sachgerechtigkeit, der Unabhängigkeit und des Interessenkonfliktmanagement bereitzuhalten ist und die Finanzanalysen i.w.S. hiermit unterlegt sein müssen. Dies wird praktisch in den meisten Fällen keine sinnvolle Handlungsoption sein. 9.4.2 Hinweis auf fehlende Unvoreingenommenheit und Fehlen des Frontrunning-Verbots Alternativ hierzu kann das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sich gemäß § 31 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 WpHG entscheiden, die Finanzanalyse i.w.S. als o o
Werbemitteilung zu kennzeichnen und mit einem Hinweis zu versehen, • dass sie nicht allen gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Finanzanalysen genügt und • dass sie einem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Finanzanalysen (Frontrunning) nicht unterliegt.
Sämtliche vorgenannten Angaben müssen für den Privatkunden erkennbar auf der Finanzanalyse angebracht werden.
9. Schillernde Werbung oder Produktinformation?
145
9.5 Fazit o
Werbemaßnahmen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind mit Umsetzung der MiFID erstmalig aufsichtsrechtlich reglementiert worden – und zwar über eine reine Missbrauchsaufsicht hinaus.
o
Vor dem Einsatz von Werbemitteilungen empfiehlt es sich zu prüfen, ob die Anforderungen an die Gestaltung von Werbemitteilungen erfüllt sind. Diese Anforderungen beruhen auf den Prinzipien der Redlichkeit, Eindeutigkeit und dem Verbot der Irreführung. Spezielle Vorgaben sind zudem zu beachten, wenn die Werbemitteilung Vergleiche, Hinweise zur histori-schen oder zukünftigen Wertentwicklung oder zur steuerlichen Behandlung enthält.
o
Als in der Praxis besonders schwierig kann sich die Abgrenzung zwischen reinem Werbematerial und Finanzanalysen gestalten. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen das Institut, welches ein bestimmtes Produkt bewirbt, nicht mit dem Emittenten des Produktes identisch ist. Denn hier ist dem Anleger nicht die fehlende Unvoreingenommenheit von vornherein offenkundig. Sollte sich in diesen Konstellationen eine Werbemitteilung als Finanzanalyse i.w.S. erweisen, sind zusätzliche organisatorische Anforderungen zu beachten bzw. ausführliche Warnhinweise aufzunehmen.
o
Es steht zu erwarten, dass in der Praxis das Thema „Werbung“ zu einem eigenständigen Thema für die institutsinterne Compliance und die externe Prüfung (§ 36 WpHG) werden wird.
10. Was ändert sich bei Informationen über Fonds?
Sabine Forster und Wolfgang Kirsten
10.1 Einleitung Warum wird in diesem Kapitel eine Wertpapierart aus der Vielzahl der Finanzinstrumente herausgegriffen und einer gesonderten Betrachtung unterzogen? Unterliegt ein Anteilschein nicht den Regelungen des WpHG, sodass die bisherigen Ausführungen zu den Informationen über Finanzinstrumente dies schon umfassend beschreiben? Um es vorweg zunehmen: Da auch Anteile an einem Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, als Wertpapiere klassifiziert werden 1, finden die entsprechenden Regelungen des WpHG auf sie grundsätzlich Anwendung. Aber eben nur grundsätzlich, mit spezialgesetzlichen Abweichungen. Die Besonderheit eines Anteilscheins ist eben, dass er nicht nur als Wertpapier Objekt von Wertpapierdienstleistungen sein kann und daher von den Regelungen der MiFID bzw. dem WpHG betroffen ist. Ein Anteilschein unterliegt – als Teil eines Sondervermögens, das von einer Kapitalanlagegesellschaft aufgelegt und verwaltet wird – auch bereits anderen, speziell auf Investmentfonds zugeschnittenen, europarechtlichen Vorgaben, insbesondere der „Richtlinie 85/611 zur Koordinierung der Rechts-
1
§ 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG.
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Sabine Forster und Wolfgang Kirsten
und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) 2“ (kurz „OGAW-RL“). Während der Fokus der Regelungen der MiFID auf den Wertpapierhandel, die damit einhergehenden Dienstleistungen und die Funktionssicherheit der Finanzmärkte gerichtet ist, verfolgt die OGAW-RL insbesondere das Ziel, innerhalb der EU die Wettbewerbsbedingungen der Investmentindustrie anzugleichen und den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds zu fördern 3. Dieser produktbezogene Regelungsrahmen der OGAW-RL, der auch Regelungen zum Vertrieb und zu Risikohinweisen enthält, ist historisch bedingt und begründet auch die immer noch bestehende Besonderheit eines eigenen Regelungsrahmens für die kollektive Vermögensverwaltung – sprich: der Investmentidee. Diese bereits im 19. Jahrhundert in Schottland aufgegriffene Idee, privaten Anlegern Zugang zu professionell verwalteten und diversifizierten Anlagen zu günstigen Bedingungen zu verschaffen, setzte im 20. Jahrhundert zu einem weltweiten Siegeszug an. Mit Gründung der ersten deutschen Investmentgesellschaft im Jahr 1949 bestand auch für den deutschen Gesetzgeber das Bedürfnis, eine rechtliche Grundlage für das Investmentsparen zu schaffen, um so breite Bevölkerungskreise am Investitionskapital der einheimischen Wirtschaft zu beteiligen 4. Es dauerte jedoch noch bis zum Jahr 1957, bis das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften (kurz „KAGG“) in Kraft trat. Der anhaltende Boom der Investmentfondsindustrie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa rief dann auch die Europäische Union auf den Plan, die sich mit Erlass der OGAW-RL auch für den Bereich des Investmentsparens die Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes zum Ziel gesetzt hat. Ihre weiteren Änderungsrichtlinien 5 führten in der deutschen Umsetzung zum Wandel des KAGG in das nunmehr geltende Investmentgesetz (kurz „InvG“). Trotz der unterschiedlichen Ursprünge der OGAW-RL und der MiFID – bzw. des InvG und des WpHG – eine Zielsetzung ist ihnen gemein: der Anlegerschutz. Und genau in diesem Bereich, der auch die Informationen 2
3
4 5
“Council Directive of 20 December 1985 on the coordination of laws, regulations and administrative provisions relating to undertakings for collective investment in transferable securities (UCITS)”. Zeller in Brinkhaus/Scherer, KAGG AuslInvestmG, Kommentar, 2003, Einleitung Rdnr. 14 f. Zeller, aaO., Einleitung Rdnr. 7. Im Wesentlichen die Änderungsrichtlinien 2001/107/EG und 2001/108/EG.
10. Was ändert sich bei Informationen über Fonds?
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über das Investment bzw. Finanzinstrument beinhaltet, ergeben sich Informationspflichten sowohl aus dem investmentrechtlichen als auch dem Wertpapierdienstleistungen betreffenden Rechtsrahmen. Es stellt sich daher die Frage, ob sich durch die Umsetzung der MiFID bei den Informationen über Fonds Pflichten ergeben, die durch die bisher geltenden investmentrechtlichen Pflichten nicht schon ausreichend abgedeckt sind. Oder führen diese parallelen Vorschriften gar zu Spannungsfeldern oder Widersprüchen? Welche Vorschrift wäre dann vorrangig? Im Folgenden werden daher die bisher geltenden investmentrechtlich begründeten Informationspflichten dargestellt, um im Anschluss daran wesentliche Änderungen bzw. Abweichungen zu den Regelungen der MiFID und die sich daraus ergebenden Spannungsfelder für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Fondsgesellschaften aufzuzeigen. Dabei wird in den folgenden Ausführungen grundsätzlich von den Informationen an den Privatkunden bzw. Privatanleger ausgegangen. Für den professionellen Kunden bzw. Investor sehen beide Normen, sowohl das InvG als auch das WpHG mit der WpDVerOV ein geringeres Schutzniveau vor. Sofern ein Kunde als professioneller Kunde oder als geeignete Gegenpartei eingestuft wird, so gelten insbesondere die konkretisierenden Regelungen des § 4 der WpDVerOV für redliche, eindeutige und nicht irreführende Informationen nicht. Handelt es sich bei dem Investoren um einen Anleger in ein Spezialsondervermögen, so sieht auch das InvG eine Reduzierung der anzuwendenden Vorschriften vor, denn mangels Verkaufsprospekt ergeben sich die wesentlichen Informationen über den Fonds für den Anleger aus den Vertragsbedingungen. Auch in Bezug auf die Risiken entfällt in der Praxis eine diesbezügliche Hinweispflicht in der Werbung, denn der Spezialfondsanleger erhält die relevanten Informationen über die individuell vereinbarten Vertragsbedingungen.
10.2 Regelungen des Investmentgesetzes (InvG) Welche Informationen der Kunde über einen Investmentfonds erhalten soll, hat der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen im InvG 6 geregelt. 6
In der Fassung des Investmentgesetztes, in zweiter und dritter Lesung beschlossen durch den Deutschen Bundestag am 8. November 2007 und der dazugehörigen Verordnungen.
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Sabine Forster und Wolfgang Kirsten
10.2.1 Anlegerinformationen (u.a. §§ 121, 42, 44 InvG) So ist dem am Erwerb eines Anteilscheins interessierten Anleger vor Vertragschluss der vereinfachte Verkaufsprospekt der Kapitalanlagegesellschaft oder der ausländischen Investmentgesellschaft anzubieten. Darüber hinaus ist dem am Erwerb Interessierten und dem Anleger der ausführliche Verkaufsprospekt sowie der letzte veröffentlichte Jahres- und Halbjahresbericht auf Verlangen zur Verfügung zu stellen. Sofern kein vereinfachter Verkaufsprospekt erstellt werden darf, sind diese ausführlicheren Unterlagen dem Interessierten anzubieten. Der Gesetzgeber sieht also insbesondere den Verkaufsprospekt als zentrale Informationsquelle des Anlegers über den Fonds. Dies spiegelt sich auch in § 42 Abs. 1 Satz 2 InvG wider, der die Anforderungen an den Verkaufsprospekt statuiert. Dort heißt es, dass sowohl der ausführliche als auch der vereinfachte Verkaufsprospekt diejenigen Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, damit sich der Anleger über die ihm angebotene Anlage und insbesondere über die damit verbunden Risiken ein begründetes Urteil bilden kann. Eine „Qualitätssicherung“ dahingehend, dass der Verkaufsprospekt die erforderlichen Informationen enthält, erfolgt zusätzlich durch die BaFin. Denn ihr wurde gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, die Aufnahme von weiteren Angaben im ausführlichen Verkaufsprospekt zu verlangen, sofern sie Grund zu der Annahme hat, dass die Angaben für den Erwerber erforderlich sind. Welche Informationen sind es nun, die dem Anleger zur Verfügung gestellt werden müssen? Im Folgenden wird kurz auf die für die Fondsinformation wesentlichen Angaben sowohl im vereinfachten als auch im ausführlichen Verkaufsprospekt und in den Berichten eingegangen. Der vereinfachte Verkaufsprospekt muss in zusammengefasster und für den Durchschnittsanleger leicht verständlicher Form insbesondere Angaben zur verwaltenden Kapitalanlagegesellschaft, zur Laufzeit und gegebenenfalls einen Hinweis enthalten, dass das Sondervermögen über unterschiedliche Anteilklassen oder Teilfonds verfügt. Im Rahmen der Anlegerinformation muss des weiteren eine kurze Definition der Anlageziele des Sondervermögens bzw. Teilfonds, eine kurze Beschreibung der Anlagestrategie des Sondervermögens bzw. Teilfonds an hervorgehobener Stelle und eine kurze Beurteilung des Risikoprofils derselben erfolgen. Gegebenenfalls ist die bisherige Wertentwicklung des Sondervermögens zusammen mit einem Warnhinweis in den Verkaufsprospekt aufzunehmen, dass die bisherige Entwicklung kein Indikator für die zukünftige Wertentwick-
10. Was ändert sich bei Informationen über Fonds?
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lung ist. Außerdem wird ein Profil des typischen Anlegers gefordert, für den das Sondervermögen bzw. der Teilfonds konzipiert wurde. Als wirtschaftliche Informationen werden neben steuerlichen Hinweisen insbesondere Angaben zu Kosten verlangt. So sind der Ausgabe- und Rücknahmepreis und etwaige sonstige Kosten oder Gebühren mitzuteilen, wobei nach denjenigen, die vom Anleger zu entrichten sind und denjenigen, die aus dem Sondervermögen zu zahlen sind, zu unterscheiden ist. Weiterhin ist über die Modalitäten zum Erwerb und zur Veräußerung der Anteile, Ertragsverwendungen bzw. Ertragsausschüttungen und Preisveröffentlichungen zu informieren. Derzeit werden auf europäischer Ebene neue Regelungen zu wesentlichen Informationen für Anleger („Key Information Document“ 7) in OGAW-Fonds diskutiert. Dabei sollen in standardisierter und knapper Form Anlageziele und Anlagestrategien des Fonds, Risiken, historische Wertentwicklung sowie Kosten dargestellt werden. Wichtiges Anliegen der EU ist die Verständlichkeit der Angaben. Aus diesem Grunde sollen diese geplanten Musterdokumente in einen breit angelegten „Test“ auf ihre Konsumenteneignung hin geprüft werden. Neben diesen Angaben im einfachen Verkaufsprospekt enthält der ausführliche Verkaufsprospekt insbesondere bei Teilfonds eine Beschreibung von deren Anlagezielen und der Anlagepolitik. Bei einem einen anerkannten Wertpapierindex nachbildenden Sondervermögen ist an hervorgehobener Stelle darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Risikomischung für dieses Sondervermögen nur eingeschränkt gilt. Auch muss der Anleger dem ausführlichen Verkaufsprospekt eine Beschreibung der Anlageziele des Sondervermögens einschließlich der finanziellen Ziele sowie eine Beschreibung der Anlagepolitik an hervorgehobener Stelle entnehmen können, einschließlich etwaiger Konkretisierungen und Beschränkungen bezüglich dieser Anlagepolitik sowie eine Angabe etwaiger Techniken und Instrumente, von denen bei der Verwaltung des Sondervermögens Gebrauch gemacht werden kann und eine Beschreibung der maßgeblichen Anlagegrundsätze und -grenzen. Sofern die Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung des Fondsvermögens Derivategeschäfte tätigen darf, muss in den Verkaufsprospekten an hervorgehobener Stelle erläutert werden, ob diese Geschäfte zu Absicherungszwecken oder als Teil der Anlagestrategie getätigt werden dürfen, und wie sich die Verwendung von Derivaten möglicherweise auf das Risi7
Siehe u.a. „CESR´s advice to the European Commission on the content and form of Key Information Document disclosures for UCITS“, The Committee of European Securities Regulators, Stand: Februar 2008.
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koprofil des Sondervermögens auswirkt. Weist der Fonds durch seine Zusammensetzung oder durch die für die Fondsverwaltung verwendeten Techniken eine erhöhte Volatilität auf, so ist im Verkaufsprospekt auch darauf an hervorgehobener Stelle hinzuweisen. Bei einem Verkaufsprospekt eines Dach-Sondervermögens mit zusätzlichen Risiken („DachHedgefonds“) ist an auffälliger Stelle drucktechnisch hervorzuheben, dass „Der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesem Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen“ (§ 117 Abs. 2 Satz 1 InvG). Um sicherzustellen, dass der Anleger aktuell über den Fonds informiert ist, muss die Fondsgesellschaft sowohl im ausführlichen als auch im einfachen Verkaufsprospekt die Angaben, die von wesentlicher Bedeutung sind, auf dem neuesten Stand halten. Zusätzlich zu den Verkaufsprospekten wird dem potentiellen Anleger auf Nachfrage auch der zuletzt veröffentlichte Jahres- bzw. Halbjahresbericht als Informationsquelle über das Sondervermögen zur Verfügung gestellt. Ziel des Jahresberichtes (§ 44 InvG) ist es dabei, den Anleger über die Tätigkeit der Kapitalanlagegesellschaft im abgelaufenen Geschäftsjahr und über alle wesentlichen Angaben zu informieren, die es ihm ermöglichen, sich ein Urteil über die Tätigkeit und die Ergebnisse des Sondervermögens zu bilden. Dies beinhaltet insbesondere neben der Vermögensaufstellung der im Fonds befindlichen Vermögensgegenstände auch eine Ertrags- und Aufwandsrechnung, die Auskünfte über Erträge aus den Anlagen, sonstige Erträge, Aufwendungen für die Verwaltung des Sondervermögens und für die Depotbank, sonstige Aufwendungen und Gebühren und eine vergleichende Übersicht der letzten drei Geschäftsjahre beinhaltet, wobei zum Ende jeden Geschäftsjahres der Wert des Sondervermögens und des Anteilswertes anzugeben ist. Die Kapitalanlagegesellschaft muss – auf Wunsch des am Erwerb Interessierten – zusätzlich über die Anlagegrenzen des Risikomanagements des inländischen Fonds, die Risikomanagementmethoden und die jüngsten Entwicklungen bei den Risiken und Renditen der wichtigsten Kategorien von Vermögensgegenständen des Fonds informieren (§ 121 Abs. 4 InvG). Die Erfahrung hierzu hat gezeigt, dass die Publikumsfondsanleger kaum Interesse an diesen Informationen und daher wenig von dieser Möglichkeit zur weiteren Information Gebrauch gemacht haben.
10. Was ändert sich bei Informationen über Fonds?
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10.2.2 Kostentransparenz Die Verkaufsprospekte und Jahres- bzw. Halbjahresberichte enthalten bereits, wie oben dargestellt, viele Informationen über die Kosten beim Erwerb des Fonds und die Kosten, die dem Sondervermögen belastet werden. Dem Erwerber ist außerdem eine Durchschrift des Antrages auf Vertragsabschluss auszuhändigen oder eine Kaufabrechnung zu übersenden, die u.a. einen Hinweis auf die Höhe des Ausgabeaufschlages und ggf. des Rücknahmeabschlags enthalten muss (§ 121 Abs. 1 Satz 5 InvG). Ziel dieser Regelungen ist es, das Finanzinstrument im Bereich der Kosten für den Anleger transparent zu machen. Dieser Antritt, den das WpHG in Umsetzung der MiFID (etwa durch § 5 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV) für andere Finanzinstrumente einführt, ist für das Produkt „Anteilschein“ bereits seit Jahren durch die investmentrechtlichen Bestimmungen etabliert. Gerade bei der Frage der Kostentransparenz zeigt sich, dass unter dem Begriff des Finanzinstruments bzw. Wertpapiers die unterschiedlichen Gattungen stark divergieren. Während eine festverzinsliche Anleihe oder eine Aktie an sich üblicherweise keine immanenten Kosten enthält, verhält es sich bei „gemanagten“ Wertpapieren, die auf Vermögensstrukturierungen beruhen, anders. Bei Zertifikaten besteht die Möglichkeit, besondere Kosten für die Strukturierung in die Handelsspanne einzupreisen, ohne dass sie dem Anleger als separater Kosten- bzw. Provisionsbestandteil offengelegt werden. Anders verhält es sich beim Investmentfonds, der aufgrund seines jeweils festzustellenden „Endpreises“ (Rücknahmepreis) keine Handelsspanne aufweist und zusätzlich den o.g. Offenlegungsvorschriften bezüglich der Kosten unterliegt. 10.2.3 Werbung und Risikohinweise (§ 124 InvG) Neben den bereits gesetzlich vorgeschriebenen notwendigen Informationen an den kaufinteressierten Anleger durch Verkaufsprospekte und Berichte ist auch die Werbung für den Erwerb von Anteilscheinen bestimmten Regelungen unterworfen, die ihren Ursprung im Anlegerschutzgedanken haben. Dabei ist das Publikum insbesondere auf spezielle Formen der Anlagepolitik, Finanztechniken und Risiken hinzuweisen, die mit dem Anlageuniversum oder den verwendeten Techniken unter dem Blickwinkel der „Know-the-financial-instrument-and-its-typical-risks“ zusammenhängen.
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So müssen bei jeder textlichen Werbung für den Kauf von inländischen Anteilen eines Sondervermögens, nach dessen Vertragsbedingungen oder Satzung die Anlage von mehr als 35 % des Wertes des Investmentvermögens in Schuldverschreibungen bestimmter Aussteller wie Bund, Land, den Europäischen Gemeinschaften etc. zulässig ist, genau diese Aussteller benannt werden. Bei der Werbung für einen Fonds, nach dessen Vertragsbedingungen bzw. Satzung ein anerkannter Wertpapierindex nachgebildet wird („Indexfonds“), oder der hauptsächlich in Derivate nach Maßgabe des § 51 InvG investiert, muss auf diese Anlagestrategie hingewiesen werden. Sofern ein Fonds aufgrund seiner Zusammensetzung oder der für die Fondsverwaltung verwendeten Techniken eine erhöhte Volatilität aufweist, bedarf es eines entsprechenden Hinweises in jeder Werbung in Textform. Dabei gelten die letzten beiden Anforderungen nicht für die Werbung für ausländische Fonds, die keine EG-Investmentanteile sind. Dass gerade das Investment in diese ausländischen Sondervermögen von den anlegerschützenden Hinweispflichten ausgenommen wird, erscheint insbesondere im Hinblick auf einen einheitlichen Anlegerschutz systematisch nicht sehr sinnvoll. Über die besonderen Risiken von Anteilen an Dach-Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken („Dach-Hedgefonds“) oder an vergleichbaren ausländischen Investmentvermögen, insbesondere des Risikos eines Totalverlustes, ist bereits in der Werbung für diese Anteile hinzuweisen. Um dem durch die Werbung angelockten (potentiellen) Kunden die Möglichkeit zu geben, weitere ausführliche Informationen über den Fonds anzufordern, muss der Werbende beim Einsatz der Werbung für den Kauf eines Anteilscheins in Textform auf die Verkaufsprospekte und die Stellen im Geltungsbereich des InvG hinweisen, bei denen der Verkaufsprospekt erhältlich ist. Im Übrigen kann die BaFin bei Missständen bestimmte Werbung bezüglich des Erwerbes von Anteilscheinen untersagen, insbesondere, wenn mit Angaben geworben wird, die geeignet sind, in irreführender Weise den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen.
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10.3 Regelungen der BVI-Wohlverhaltensregeln Die BVI-Wohlverhaltensregeln wurden aufbauend auf diese gesetzlichen Grundlagen bereits im Jahr 2002 vom Bundesverband Investment und Asset Management e.V. („BVI“), dem Branchenverband der deutschen Kapitalanlagegesellschaften, mit den „BVI-Wohlverhaltensregeln“ Branchenstandards formuliert, die einen „guten und verantwortungsvollen Umgang mit dem Kapital und den Rechten der Anleger“ gewährleisten sollen. Neben der Darstellung, wie die Kapitalanlagegesellschaft den Verpflichtungen gegenüber Anlegern nachkommt und wie sie deren Interessen Dritten gegenüber vertritt, wird das Ziel formuliert, insbesondere durch Verlässlichkeit, Integrität und Transparenz das Vertrauen der Anleger und der Öffentlichkeit auszubauen und deren gestiegene Informationsbedürfnisse zu erfüllen. Dabei richten sich die BVI-Wohlverhaltensregeln in erster Linie an deutsche Kapitalanlagegesellschaften, wobei auch nicht-deutschen Gesellschaften, die am deutschen Markt tätig sind, deren Einhaltung empfohlen wird. Diese Empfehlung berücksichtigt, dass es für ausländische Gesellschaften wohl nicht immer möglich sein wird, die BVI-Wohlverhaltensregeln vollumfänglich umzusetzen, insbesondere in den Fällen, in denen das InvG über die Regelungen der OGAW-RL hinausgeht. Dass die Wohlverhaltensregeln des BVI eine angemessene Umsetzung investmentrechtlicher Anforderungen sind, zeigt sich auch daran, dass die BaFin plant, sie für allgemein verbindlich zu erklären 8. Dies bedeutet, dass die BaFin den Erlass eigener Richtlinien in diesem Bereich zurückstellt und sich bei der Auslegung der Wohlverhaltensvorschriften des InvG an den BVI-Wohlverhaltensregeln orientieren wird. Die BVI-Regeln werden damit als aufsichtsrechtlich geprüfte Selbstverpflichtung zu einer das InvG begleitenden Norm. Neben der Forderung aus § 9 Abs. 1 S. 1 InvG, dass die Kapitalanlagegesellschaft die inländischen Investmentvermögen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger zu verwalten hat, ist die Kapitalanlagegesellschaft auch verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Tätigkeit im ausschließlichen Interesse ihrer Anleger zu handeln (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 InvG). Während eine Pflicht zur Bestandsaufnahme von Interessenkonflikten sich sowohl aus dem WpHG bzw. der WpDVerOV als auch aus dem InvG zusammen mit den BVI-Wohlver8
Siehe Konsultation 2/2007 der BaFin vom 4. Mai 2007.
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haltensregeln ableiten lässt, ergibt sich eine Pflicht zur Offenlegung von unlösbaren Interessenkonflikten an den Anleger explizit nur aus dem WpHG. Die investmentrechtlichen Vorschriften sehen diesbezüglich wohl eher eine Transparenz gegenüber der BaFin bzw. dem Jahresabschlussprüfer vor. Im Folgenden werden die Wohlverhaltensregeln näher betrachtet, die sich mit der Information über Fonds näher beschäftigen, um hier den bereits existierenden Branchenstandard mit den durch die MiFID bedingten Neuregelungen des WpHG vergleichen zu können. Dabei wird sowohl auf die Leitsätze als auch die dazu entwickelten Kommentierungen 9 Bezug genommen. 10.3.1 Grundsatz der objektiven Produktinformation Die Kapitalanlagegesellschaft informiert klar, umfassend und verständlich, um eine sachgerechte und professionelle Kundenwerbung und -betreuung zu gewährleisten (II. der BVI-Wohlverhaltensregeln). Neben der Konkretisierung der aufsichtsrechtlichen Normen hat dieser Grundsatz der objektiven Produktinformation auch zum Ziel, die Kapitalanlagegesellschaft und ihre Vertriebspartner unmittelbar und mittelbar vor zivilrechtlichen Risiken durch Ansprüche von geschädigten Kapitalanlegern zu schützen. So sind aus der Erfahrung heraus insbesondere Aussagen zum Umfang einer Garantie dem Anleger umfassend und verständlich mitzuteilen, und bei der Darstellung einer Wertentwicklungsprognose ist der Hinweis, dass es sich um keine Garantie, sondern um eine Prognose handelt, unersetzlich. 10.3.2 Anlagepolitik, Anlageeignung, Chancen, Risiken, Wechsel der Anlagepolitik Dabei erläutert die Fondsgesellschaft die Anlagepolitik und die Anlageeignung der Fonds in kundengerechter Form und Sprache sowie in geeigneten Medien (II.1 der BVI-Wohlverhaltensregeln). Nach gängiger Praxis wird die Darstellung der Anlagepolitik im Verkaufsprospekt als ausreichend angesehen, um diese Anforderung zu erfüllen. 9
BVI, BVI-Wohlverhaltensregeln – Kommentar, Stand 1. März 2006, mit laufenden Ergänzungen.
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Dies spiegelt sich auch in den Erwägungsgründen der EU zur Durchführungsrichtlinie zur MiFID wider 10. Sollte die Fondsgesellschaft jedoch in weiteren Werbematerialien bzw. Produktinformationen weitere Angaben zur Anlagepolitik vornehmen, so sollte dies für einen durchschnittlichen Anleger verständlich sein. Dies ist insbesondere bei den Beschreibungen zum Anlageuniversum, den Marktsegmenten und Währungssicherungskonzepten sowie den Anlagegrundsätzen und Besonderheiten in der Anlagepolitik zu berücksichtigen. Sofern z.B. in einem Rentenfonds eine signifikante und dauerhafte Anlagemöglichkeit in „High-Yield“-Anleihen geplant ist, so sollte der Anleger über die damit einhergehenden Konsequenzen informiert werden, um mehr Klarheit über Risiko und Chance eines solchen Fondsprodukt zu erhalten. Auch über wesentliche Änderungen der Anlagepolitik ist der Anleger im nächsten Bericht zu informieren. Eine wesentliche Änderung kann immer dann vorliegen, wenn sie so gravierend ist, dass sie die Entscheidung des Anlegers für oder gegen ein Produkt zu beeinflussen geeignet ist. So kann z.B. eine wesentliche Änderung der Anlagepolitik vorliegen, wenn die bisherige zu mindestens 50% (z.B. des Anlageuniversums oder einer wesentlichen Änderung von Korrelationen) geändert wird, oder die Risikoklassifizierung durch die vorgenommene Änderung wechselt. Eine wesentliche Änderung dürfte auch immer dann vorliegen, wenn die neue Anlagepolitik nicht mehr von den bisherigen Aussagen in der Vermarktung umfasst wird. Eine Information des Kunden im nächsten Rechenschaftsbericht gibt ihm gemäß den BVIWohlverhaltensregeln die Möglichkeit zu entscheiden, ob er weiterhin in diesem Fonds investiert bleiben möchte. Im Rahmen der Beschreibung zur Anlageeignung sind die wesentlichen Charakteristika des Anlegers, für den der jeweilige Fonds als geeignet anzusehen ist, anzugeben. Diese Kriterien können sich z.B. auf den zeitlichen Anlagehorizont („kurzfristig“ z.B. für eine Anlage in einem entsprechenden Geldmarktfonds im Vergleich zu einer „langfristigen“ Anlage in einem entsprechenden Aktienfonds), auf die Chancen bezüglich der Marktsegmente oder auf das Wertschwankungsverhalten der Fonds beziehen. Insbesondere weist die Kapitalanlagegesellschaft gemäß II.2 der BVIWohlverhaltensregeln auf die Chancen und die Risiken der jeweiligen Fondsanlage hin. Die Risikohinweise betreffen auch spezielle Risiken wie z.B.
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Siehe insbesondere Erwägungsgründe 54 und 55 der Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006.
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o
o o
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erhöhte Kursschwankungsrisiken bei speziellen Aktienfonds (z.B. bestimmte Branchenfonds oder Länderfonds mit Anlagen in Schwellenländern); erhöhte Kursschwankungsrisiken bei speziellen Rentenfonds (z.B. Fonds mit Anlagen in hoch rentierenden Anleihen); die Möglichkeit der zeitweiligen Konzentration der Anlagepolitik auf einzelne Marktsegmente oder marktenge Werte, auch wenn nach den Vertragsbedingungen die Nutzung eines breit gefächerten Anlageuniversums eröffnet ist.
Da diese Aufzählung der Risiken nicht abschließend ist, empfiehlt es sich die weiteren Risiken, die für diese Fonds charakteristisch sind, ebenso in zentrale Vermarktungsmaterialien (wie Fact Sheets oder Produktinformationen) mit aufzunehmen.
10.3.3 Darstellung der Wertentwicklung
Vergangene Wertentwicklung
Der Erfolg eines Investments, also seine Wertentwicklung, ist ein zentraler Punkt, wenn der Kunde sich für ein Finanzinstrument entscheidet. Dem Kunden werden daher oft Informationen zur vergangenen Wertentwicklung, zu zukünftigen Wertentwicklungen (Wertentwicklungsprognosen), aber auch simulierte Wertentwicklungen (für die Vergangenheit bzw. als Indikator für die Zukunft) zur Verfügung gestellt. Um eine Vergleichbarkeit der Aussagen zu der Vielzahl an Fonds für den Kunden zu ermöglichen, aber auch um zu verhindern, dass allein die Wertentwicklungsdaten gewählt werden, die ein besonders günstiges Performanceergebnis aufweisen (Verbot des „Cherry-Picking“), umfasst der Branchenstandard des BVI klare Regelungen für die Verwendung und Darstellung der Performance eines Fonds. So hält sich die Fondsgesellschaft nach II.3 der BVI-Wohlverhaltensregeln bei der Veröffentlichung von Wertentwicklungsdaten für die von ihr verwalteten Fonds an anerkannte Standards bezüglich der Berechnungsmethode, der zweckmäßigen Zeitperioden und, soweit möglich, der Wahl von geeigneten Vergleichsindizes (Benchmarks). Sie informiert dabei über den jeweils gewählten Standard und über jede Änderung der für die Darstellung von Wertentwicklungsdaten zugrundegelegten Vergleichsindizes.
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In Deutschland wird dabei oft auf die BVI-Methode zur Berechnung von Investmentfonds zurückgegriffen. Diese Methode beruht auf der international anerkannten Standard-Methode des „time-weighted rate of return“. Ausgabeaufschläge werden dabei nicht berücksichtigt. Als zweckmäßige Zeitperiode verwenden viele Fondsgesellschaften 1, 3 und 5 Jahre sowie den Zeitraum seit Auflegung des Fonds, ganze Kalenderjahre oder den Zeitraum seit Jahresbeginn. Auch kann es durchaus Fälle geben, in denen eine Abweichung von diesen standardisierten Zeiträumen sinnvoll ist, um ein bestimmtes Wertentwicklungsverhalten in einem bestimmten Zeitraum oder in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis aufzuzeigen. So kann als Beispiel die im Sommer 2007 ausgelöste „Subprime“-Krise und deren Auswirkungen auf einen Investmentfonds eine zweckmäßige Darstellung einer von den Standards abweichenden Periode erfordern, wenn man das Verhalten dieses Finanzinstruments in einer spezifischen Marktsituation beschreiben will. Solche Ausnahmen, die zu kennzeichnen sind, vertragen sich durchaus mit den BVI-Wohlverhaltensregeln. Diese flexible Handhabung ermöglicht es, dass der Anleger durchaus wichtige Zusatzinformationen durch die Kapitalanlagegesellschaft erhält. Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung gegenüber dem Anleger, eine Benchmark anzugeben. Wenn die Fondsgesellschaft sich aber für eine solche Angabe entscheidet, so sind auch hier bei der Wahl anerkannte Standards zugrunde zu legen. Sofern ein Index als Benchmark gewählt wird, ist dieser ein geeigneter Vergleichsmaßstab, wenn seine Zusammensetzung im Wesentlichen dem Anlageuniversum des Fonds entspricht. Eine vollständige Übereinstimmung ist jedoch nicht erforderlich, denn dies würde ein aktives Management beeinträchtigen. Bei der Werbung mit der vergangenen Wertentwicklungen des Fonds darf sich die Fondsgesellschaft gemäß II.4 der BVI-Wohlverhaltensregeln nur auf Zeiträume beziehen, in denen ein Vertrieb des Fonds erfolgt ist. Ziel der Regelungen ist es zu verhindern, dass eine Fondsgesellschaft verschiedene Fonds ohne öffentlichen Vertrieb auflegt, jedoch mit einem Startkapital als Dauerplacement verwaltet, um später den Fonds mit der bisher besten Performance unter Hinweis auf diese Wertentwicklung auf den Markt zu bringen. Sofern sich die wesentlichen Grundsätze der Anlagepolitik im Zeitpunkt der Werbung verändert haben, ist eine Werbung mit den Wertentwicklungszahlen nur möglich, wenn sie einen deutlichen Hinweis auf die geänderte Anlagepolitik enthält. Zur Klarstellung für den Anleger weist die Fondsgesellschaft gemäß II.5 der BVI-Wohlverhaltensregeln bei jeder Veröffentlichung von Wertent-
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wicklungszahlen gegebenenfalls auch auf die Entwicklung des veröffentlichten Vergleichsindexes hin. Auch wird der Kunde darüber informiert, dass die historische Wertentwicklung keine Prognose für die Zukunft ermöglicht. Zusätzlich gibt sie die Berechnungsgrundlage an und, ob Ausgabeaufschläge oder Rücknahmeabschläge berücksichtigt sind. Dabei ist der Hinweispflicht mit der Bezeichnung der gewählten Methode Genüge getan (z.B. „errechnet nach BVI-Methode“). Bei der Wertentwicklungsberechnung einer Einmalanlage nach der BVI-Methode wird der Ausgabeaufschlag nicht berücksichtigt, da er je nach gewähltem Vertriebsweg und der Anlagesumme variieren kann. In der aktuellen Diskussion auf europäischer Ebene über die notwendigen Angaben für Anleger („Key Investor Document“) wird über die Aufnahme von Gesamtkosten inklusive der Vertriebskosten debattiert. So sieht ein Entwurf des Nachfolgers des vereinfachten Verkaufsprospektes vor 11, dass die jährlichen Kosten für verschiedene Haltedauern (z.B. 1, 5 oder 10 Jahre) anzugeben sind. Bei der Unterschiedlichkeit der Vertriebskosten erscheint diese Forderung jedoch als unangemessen. Auch in den USA hat sich eine derartige Transparenz nicht bewährt.
Wertentwicklungsprognosen
Die Fondsgesellschaft verzichtet gemäß II.6 der BVI-Wohlverhaltensregeln in der Werbung auf irreführende Performancevergleiche und -versprechen. Bei Aussagen über das Erfolgspotential einer Anlageform sind die zugrunde liegenden Annahmen darzulegen. Sofern konkrete zahlenmäßige Aussagen für die Zukunft getroffen werden sollen, sind diese nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Qualitative Aussagen sind hingegen bereits dann zulässig, wenn zugleich die korrelierenden Risiken genannt werden und erläutert wird, auf welcher Grundlage die Einschätzung des Ertragspotentials beruht. Eine Umsetzung der Wohlverhaltensregeln sollte bei der Prognoseerstellung berücksichtigen, dass sie nicht nur historische Daten fortschreibt, sondern analytisch begründet wird. Auch ist eine Vergangenheitsoptimierung durch „Cherry-Picking“ gerade bei der Wahl des Prognosezeitraumes zu vermeiden. Um dem Anleger eine dem Fonds entsprechende Prognose zu geben, sollte sie auf dessen wesentliche Markteinflussfaktoren und we11
The Committee of European Securities Regulators in CESR Consultation Paper on content and form of Key Investor Information disclosure for UCITS, October 2007, Seite 74.
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sentliche Kostenstruktur des Fonds eingehen. Diese Anforderungen spiegeln sich dann auch bei der Prognosekommunikation wider. So sollte für den Anleger transparent sein, welche Markteinflussfaktoren und Kosten in die Prognose eingeflossen sind, und welchen markt- bzw. produkttypischen Risiken der Fonds und daher auch seine künftige Wertentwicklung unterworfen ist. Aus dem Grundsatz, dass irreführende Performanceversprechen verboten sind, ergibt sich auch für die Kommunikation ein Leitbild, so dass dem Anleger keine irreführenden Teilaussagen von Prognosen mitgeteilt werden dürfen, und er ausdrücklich auf die Tatsache hingewiesen werden muss, dass die Prognose keine Garantie für die tatsächlich künftige Performance darstellt. Die diesbezügliche konsequente Umsetzung der BVI-Wohlverhaltensregeln und der MiFID führt hier zu ähnlichen Ergebnissen.
Simulation der Wertentwicklung
Anforderungen zu Simulationen werden in den Wohlverhaltenregeln über die Standards für eine Prognoseerstellung und den allgemeinen Grundsätzen hinaus, dass die Fondsgesellschaft klar, umfassend und verständlich informiert und keine irreführenden Werbeaussagen trifft, nicht näher spezifiziert. So ist beispielsweise eine Darstellung von historischen Wertentwicklungsprofilen für bestimmte Anlagehorizonte eines Fonds möglich, die sowohl auf die tatsächliche vergangene Wertentwicklung des Fonds beruht, aber auch auf den Zeiträumen basiert, für die keine tatsächliche Wertentwicklung vorliegt, aber nach Möglichkeit durch die historische Wertentwicklung eines passiv konstruierten Portfolios mit ähnlicher Anlagestruktur ergänzt wird.
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Abb. 10.1: Auszug aus einer Produktinformation, Union Investment, Stand: 31. August 2007
Zweck der Darstellung des Wertentwicklungsprofils, auch durch Verwendung der Wertentwicklungsdaten eines ähnlich konstruierten Portfolios, ist es dabei, den Kunden über das Performanceprofil und darüber zu informieren, inwieweit diese Anlage in der Vergangenheit „im Feuer“ stand. So zeigt sie die Schwankungsbreiten der durchschnittlichen jährlichen Wertentwicklung für monatlich rollierende Betrachtungszeiträume. Dem Anleger wird dadurch veranschaulicht, welches Risikoprofil der Fonds – ausgedrückt durch die vergangene Wertentwicklung – besaß.
Verwendung von Ratings und Rankings
Auch im Bereich der Verwendung von Ratings und Rankings werden durch die BVI-Wohlverhaltensregeln Standards gesetzt, um eine Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit in der Branche herzustellen und deren irreführenden Gebrauch zu unterbinden. Dabei steht es der Fondsgesellschaft gemäß II.3a der BVI-Wohlverhaltensregeln frei, ob sie beauftragte oder nicht beauftragte Fondsbeurteilungen, d.h. Beurteilungen der Wertentwicklung und/oder des Risikos der von ihr verwalteten Fonds mit Prognosecharakter (Ratings) oder ohne Prognosecharakter (Rankings) verwendet, oder einen oder mehrere Anbieter aus-
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wählt. Sofern sie jedoch Ratings oder Rankings für ihre Fonds veröffentlicht, muss sie den Namen des Anbieters und den Namen des Fondsbeurteilungsproduktes, das Ergebnis der Fondsbeurteilung (und ggf. der eigenständigen Teilergebnisse einer Fondsbeurteilung) sowie das Datum des Beurteilungsstandes angeben. Nicht betroffen sind die Beurteilungen von Einheiten oberhalb der Fondsebene wie z.B. der Fondsgesellschaft selbst, oder Sonderbeurteilungen wie etwa jährlich verliehene Awards.
10.3.4 Kostentransparenz
Vergütungstransparenz/TER
Neben der bereits durch das Investmentgesetz vorgegebenen Kostentransparenz im Verkaufsprospekt (siehe Ausführungen oben unter 10.2) schreiben die Wohlverhaltensregeln in II.8 vor, dass im Rechenschaftsbericht und in neu aufgelegten vereinfachten Verkaufsprospekten die Gesamtkostenquote („total expense ratio“, TER) offenzulegen ist. Dabei handelt es sich um die Summe der Kosten und Gebühren, die einem Fonds angefallen sind, ausgedrückt als Prozentsatz des durchschnittlichen Fondsvolumens innerhalb eines Geschäftsjahres. In die TER finden grundsätzlich sämtliche Kostenpositionen Eingang, die zulasten des Fondsvermögens entnommen wurden, mit Ausnahme der Transaktionskosten. Des weiteren werden alle in der Ertrags- und Aufwandsrechnung ausgewiesenen Aufwendungen einschließlich solcher, die Dritten zufließen, erfasst. Durch die Veröffentlichung dieser Gesamtkostenquote im Rechenschaftsbericht, den Verkaufsunterlagen und Werbeinformationen soll eine Vergütungstransparenz gewährleistet werden. Sofern dem Sondervermögen erfolgsabhängige Vergütungen (perfomance fees) in Rechnung gestellt worden sind, so werden diese – ebenfalls als Prozentsatz des durchschnittlichen Fondsvolumens – in direktem Zusammenhang mit der TER gesondert ausgewiesen.
Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen
Sofern die Möglichkeit von Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen (Bestandsprovisionen) zum Geschäftsmodell gehört, ist der Verkaufsprospekt um einen entsprechenden Hinweis zu ergänzen. Dabei entnimmt die Fondsgesellschaft die Provisionen aus dem Ausgabeaufschlag oder den Verwaltungsgebühren.
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Unabhängig davon sind Rabatte zu betrachten. Rabatte werden durch Vertriebseinheiten gewährt, und dürften weder nach dem InvG noch nach dem WpHG bei der Kapitalanlagegesellschaft zu Interessenskonflikten führen. Sofern die Fondsgesellschaft im Rahmen eines von ihr angebotenen Fondssparvertrages die Vertriebskosten nicht gleichmäßig auf die Sparraten der gesamten Vertragslaufzeit verteilt, erläutert sie dies in verständlicher und nachvollziehbarer Weise. Ziel ist es dabei, dass jedes Provisionsmodell für den Anleger transparent und nachvollziehbar sein muss. 10.3.5 Mindeststandards für Vertriebspartner Die Regelungen der Wohlverhaltensregeln beschränken sich jedoch nicht allein auf die Sphäre der auflegenden Fondsgesellschaft. Um den Grundsatz einer klaren, umfassenden und verständlichen Kundenkommunikation zur Gewährleistung einer sachgerechten und professionellen Kundenwerbung und -betreuung wirkungsvoll bis zum Anleger umzusetzen, enthalten die Wohlverhaltensregeln auch Vorschriften, die sich auf den Vertrieb bzw. die Vertriebspartner beziehen. Soweit die Fondsgesellschaft mit dem Vertrieb der von ihr verwalteten Fonds Dritte beauftragt, sorgt sie dafür, dass die Vertriebspartner diese Mindeststandards einer qualifizierten Kundenberatung und -betreuung erfüllen. Auch bei der Auswahl der Vertriebspartner und in den laufenden Geschäftsbeziehungen wirkt die Kapitalanlagegesellschaft auf eine anlegergerechte Beratung hin (II.11 der BVI-Wohlverhaltensregeln). Da das deutsche Recht bis zur Umsetzung der MiFID, abgesehen von der Gewerbezulassung, keine finanzaufsichtsrechtliche Erlaubnis zur Durchführung der Anlageberatung vorsah, etablieren die Wohlverhaltensregeln bereits Standards, um die Qualität des Fondsvertriebes auf einem angemessenen Niveau zu halten. Denn eine Anlageberatung durch Personen, die keine angemessene fachliche Qualifikation aufweisen, liegt weder im Interesse der Anleger noch der Fondsgesellschaft. Sie tut daher gut daran, insbesondere Beschwerden von Anlegern über einen Vertriebspartner zur Kenntnis zu nehmen, und bei Missständen geeignete Maßnahmen einzuleiten. Auch die Werbematerialien der Vertriebspartner stehen im Fokus der Wohlverhaltensregeln. So hat die Fondsgesellschaft bezüglich der für sie geltenden Grundsätze, dass sämtliche Verkaufsmaterialien weder missver-
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ständlich noch irreführend sein dürfen und mit den Vertragsbedingungen und dem Verkaufsprospekt übereinstimmen müssen, ihre Vertriebspartner dahingehend zu verpflichten, entsprechend diesen Regelungen zu handeln und deren eigene Werbematerialien vor Verwendung mit der Fondsgesellschaft abzustimmen (II.12 der BVI-Wohlverhaltensregeln). Die Regel verknüpft dabei die Prinzipien der anlegergerechten Information mit den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts. 10.3.6 Zwischenfazit Sowohl das InvG als auch die BVI-Wohlverhaltensregeln enthalten eine Fülle von Informationspflichten über den Fonds für den am Erwerb Interessierten und den bereits investierten Fondsanleger. Dabei berücksichtigen diese Regelungen die Besonderheiten des Finanzinstrumentes „Anteilschein“ selbst, und, mit den speziellen Regelungen für die Vertriebspartner, auch dessen Vertriebsseite.
10.4 Spannungsfeld zu den Regelungen des WpHG Wie bereits erläutert, hat sich der europäische Normengeber für eine parallele Regelung von Finanzdienstleistungen rund um Finanzinstrumente und die Auflegung und Verwaltung „kollektiver Vermögensverwaltungen bzw. Finanzinstrumente“ in Form von Sondervermögen entschieden. Die nationale Gesetzgebung in Deutschland bildet dies durch das Investmentgesetz und das Wertpapierhandelsgesetz ebenso ab. Die Koexistenz der Regelungen führt jedoch dort zu Spannungsfeldern, wo sich diese beiden Universen kreuzen: bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, die einen Fonds betreffen. 12 So stellt sich insbesondere in Situationen, in denen eine Bank ihren Kunden in der Anlageberatung auch über Fonds informiert, die Frage, welche Norm dem berechtigten Informationsbedürfnis des Kunden eher entspricht bzw. ob die bisherigen investmentrechtlich bedingten Informationen ausreichend bzw. für die Information über einen Fonds sach12
Dass sich zumeist auch Schnittpunkte zum „Paralleluniversum“ des Kreditwesengesetzes ergeben, wird an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt. Kapitalanlagegesellschaften sind seit dem Investmentänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 keine Kreditinstitute mehr im Sinne des KWG, jedoch viele ihrer Vertriebspartner.
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gerechter sind. Aber auch eine Fondsgesellschaft, die Wertpapierdienstleistungen neben ihrer Haupttätigkeit des Auflegens und Verwaltens von Sondervermögen erbringt, steht vor der Frage, inwieweit sie hier den Vorschriften des WpHG unterliegt, bzw. welche Vorschrift Vorrang genießt. 10.4.1 Grundsätze der Anwendbarkeit Dabei ist zunächst festzuhalten, dass eine Fondsgesellschaft, sofern sie sich lediglich auf die Verwaltung von eigenen Sondervermögen beschränkt, grundsätzlich den Regelungen des WpHG nicht unterliegt. Dies bedeutet, dass sich die von ihr erstellten Informationen nach den investmentrechtlichen Regelungen inklusive der BVI-Wohlverhaltensregeln richten. Nur wenn die Fondsgesellschaft daneben noch die Dienstleistungen der individuellen Vermögensverwaltung, der Anlageberatung oder der Verwahrung und Verwaltung von Investmentanteilen für andere erbringt, fällt sie diesbezüglich partiell unter die WpHG-Regelungen. Eine der dann anwendbaren Vorschriften ist § 31 WpHG, der die Allgemeinen Wohlverhaltensregeln – inklusiver der Informationspflichten – beinhaltet. Ob sich auch das Insourcing eines Verwaltungsmandates für ein von einer fremden Kapitalanlagegesellschaft aufgelegtes Sondervermögen für eine Fondsgesellschaft als individuelle Vermögensverwaltung darstellt, wird in Europa kontrovers gesehen. Während eine Wertpapierdienstleistung nach Ansicht der BaFin zu bejahen ist, gehen Auslegungen in anderen europäischen Jurisdiktionen davon aus, dass die Übernahme von Managementmandaten für Investmentfonds noch von der kollektiven Vermögensverwaltung umfasst wird und daher den OGAW-Regelungen, jedoch nicht den MiFIDRegelungen unterliegen würde. Eine einheitliche europäische Rechtsauffassung ist hier wohl noch nicht in Sicht. Je nach Anwendbarkeit wären u.a.“Best Execution“-Regelungen und Kundeneinstufungen auszutauschen. Neben der direkten Betroffenheit der Fondsgesellschaft durch das WpHG bei Erbringung dieser Wertpapierdienstleistungen bzw. Wertpapiernebendienstleistungen kann sich über die Art des Vertriebsweges eine mittelbare Anwendbarkeit der Vorschriften des WpHG für die Fondsgesellschaft und die von ihr erstellten Informationen ergeben. Vertreibt sie ihre Fonds selbst, so verbleibt es bei den investmentrechtlichen Informationspflichten. Erfolgt der Vertrieb jedoch über externe WpHG-pflichtige Vertriebspartner wie Banken, können diese ihrerseits wegen Erbringung einer Wertpapierdienstleistung grundsätzlich unter die Regelungen des WpHG fallen.
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Sie setzen dabei oft die von der Fondsgesellschaft zur Verfügung gestellten Materialien ein. Hierbei stellt sich die Frage, ob für eine ausreichende Information des Anlegers über einen Fonds allein als Maßstab die Vorgaben des WpHG herangezogen werden müssen, oder ob allein die speziellen produktspezifischen Regelungen des InvG maßgeblich sind. 10.4.2 Angemessene Produktinformation durch den Verkaufsprospekt? Für die Information des Kunden über die Art und Risiken des angebotenen Finanzinstruments enthält das WpHG selbst die Antwort, welcher Standard für die Entscheidung, ob eine angemessene Produktinformation vorliegt, anzuwenden ist. In § 31 Abs. 3 Satz 4 WpHG wird ausdrücklich zugunsten der investmentrechtlichen Regeln klargestellt, dass die im vereinfachten Verkaufsprospekt enthaltenen Informationen als angemessen zu betrachten sind. Zwar fehlt eine ausdrückliche Erwähnung des ausführlichen Verkaufsprospektes nebst Jahres- und Halbjahresbericht, jedoch dürften diese Dokumente mit der Fülle ihrer Informationen ebenso keiner Anpassung bedürfen. Hierin liegt auch ein Unterschied zu anderen Wertpapieren wie z.B. den Zertifikaten. Denn bei diesen Wertpapieren ergeben sich die Informationen allein aus dem Verkaufsprospekt.
10.4.3 Darstellung der Wertentwicklung
Vergangene Wertentwicklung
Anders stellt sich die Situation bei der Darstellung von Wertentwicklungen dar. In diesem Bereich gibt es zwischen den investmentrechtlichen Regelungen, zusammen mit den BVI-Wohlverhaltensregeln, einerseits und den Anforderungen aus dem WpHG bzw. der WpDVerOV andererseits signifikante Unterschiede. So wird insbesondere in § 4 Abs. 4 Nr. 1 WpDVerOV bei der Darstellung der Wertentwicklungszeiträume ein engerer Standard gesetzt als über die BVI-Wohlverhaltensregeln. Nach der WpDVerOV müssen die Informationen an den Privatkunden geeignete Angaben zur vergangenen Wertentwicklung enthalten. Die Regelung sieht vor, dass für Finanzinstrumente die unmittelbar vorausgegangenen fünf Jahre dargestellt werden müssen. Sollen Angaben über einen längeren
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Zeitraum dem Kunden zur Verfügung gestellt werden, so haben die Angaben in Zwölfmonatszeiträumen zu erfolgen. Ein kurzer Vergleich mit den BVI-Wohlverhaltensregeln zeigt, dass nach diesen investmentrechtlichen Branchenstandards über die von der WpDVerOV gesetzten Anforderungen hinaus auch eine Darstellung seit Fondsauflegung oder ein Kalenderjahr oder seit Jahresbeginn möglich wäre. Auch bei Finanzinstrumenten, bei denen nur Angaben von einem kürzeren Zeitraum als fünf Jahre vorliegen, sieht die WpDVerOV-Regelung nur eine Darstellung seit Auflegung vor. Nach den BVI-Wohlverhaltensregeln wäre auch hier (sofern gegeben) die Performance eines Kalenderjahres oder seit Jahresbeginn möglich. Sofern das Finanzinstrument keine zwölfmonatige Wertentwicklung aufweist, darf nach der WpDVerOV keine Darstellung der bisherigen Wertentwicklung erfolgen. Nach den BVI-Wohlverhaltensregeln wäre eine Performancedarstellung auch seit Auflegung bzw. Jahresbeginn möglich. Heißt das nun, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Darstellung der Performance von Fonds nur noch die Zeiträume der WpDVerOV verwenden darf? Diese Ansicht scheint übertrieben. Es sprechen auch gute Gründe dafür, eine parallele Regelung der Standards zuzulassen. Diese Auffassung kann dadurch unterstützt werden, dass die WpDVerOV selbst nicht von einer „Exklusivität“ ihrer Wertentwicklungszeiträume explizit ausgeht, sondern Mindeststandards bezüglich der „geeigneten“ Angaben setzt, die daher in den Kundeninformationen enthalten sein müssen. Dieser Mindeststandard an anzugebenden Zeiträumen muss jedoch nicht zwangsläufig zu einem Verbot zusätzlicher, anderer standardisierter Zeiträume führen. Gerade unter dem Blickwinkel des Ziels der beiden Regelungen, nämlich den Anleger zu schützen, indem man ihm eine informierte Grundlage für eine sinnvolle Anlageentscheidung zur Verfügung stellt, kann ein „mehr“ an Information zur tatsächlichen vergangenen Wertentwicklung eine „geeignete Angabe“ für den Kunden sein. Eine „parallele“ Geltung beider Standards für die Kapitalanlagegesellschaft und ihren eigenen Vertrieb wird beiden Zielen, nämlich erstens der ausreichenden Deckung des Informationsbedürfnisses des Anlegers über das Finanzinstrument und zweitens der Standardisierung von Wertentwicklungszeiträumen und damit der Verhinderung eines „Cherry-Picking“ von besonders günstigen Zeiträumen, gerecht. Aus denselben Gründen erscheint die Darstellung einer bisherigen Performance eines „frisch“ aufgelegten Fonds, selbst wenn er noch nicht den von der WpDVerOV vorgegebenen bisherigen Performancezeitrum von zwölf Monaten aufweisen kann, angemessen. Durch die BVI-Wohlverhaltensregeln wird die Gefahr des „Anfütterns“ eines Fonds vor Vertrieb, um die
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Performance aufzubessern, verhindert. Das Aufzeigen der bisherigen tatsächlichen Performance sollte daher dem Anlegerschutz nicht entgegenstehen, sondern den Kaufinteressierten eben auch über die bisherige Performance seines potentiellen Investments informieren. Es ist für einen potentiellen Anleger durchaus eine wichtige Information, dass ein frisch aufgelegter Fonds beispielsweise 20 Prozent an Wert gewonnen oder verloren hat. Ein Vorenthalten dieser Information durch die auflegende Kapitalanlagegesellschaft bewirkt keinen höheren Schutz des Anlegers, sondern einen niedrigeren. Diese Auffassung teilt anscheinend nicht die Europäische Kommission, da sie in ihrem Fragen-Antwort-Katalog „Your Questions on MiFID“ feststellt, dass insbesondere die Darstellung unterjähriger Wertentwicklung nicht zulässig sei 13. Eine weitere Abweichung zu den investmentrechtlichen Standards ist, dass nunmehr auch die Wertentwicklung von Finanzindizes in die Anforderungen an die Darstellung der Wertentwicklung durch die WpDVerOV einbezogen wird. Inwieweit eine zwingende Angabe eines fünfjährigen Wertentwicklungszeitraumes des Deutschen Aktien Indexes DAX® im Rahmen einer z.B. monatlichen Kapitalmarktinformation ohne Bezug auf ein Finanzinstrument bzw. Wertpapierdienstleistung tatsächlich dem Informationsbedürfnis des Anlegers entspricht, darf angezweifelt werden. Mag es bei einer gleichzeitigen Darstellung eines Finanzindexes mit dem in Frage stehenden Finanzinstrument bzw. Wertpapierdienstleistung durchaus noch sinnvoll erscheinen, die Wertentwicklung des Indexes parallel zur notwendigen Darstellung der Performancezeiträume für das Finanzinstrument aufzuzeigen, vermag jedoch bei einer nicht zusammenhängenden Darstellung, also insbesondere bei einer unabhängigen Angabe der Entwicklung eines Finanzindexes, die Erforderlichkeit einer von der WpDVerOV geforderten Darstellung nicht zu überzeugen.
Wertentwicklungsprognose
Die Regelungen zu Angaben einer Wertentwicklungsprognose werden von beiden Rechtsrahmen geregelt, wobei sich hier keine wesentlichen Spannungsfelder ergeben, da insbesondere die investmentrechtlichen Regelungen eher weitere, nicht widersprüchliche Konkretisierungen zur Darstellung von Wertentwicklungsprognosen enthalten.
13
„Your Questions on MiFID“, European Commission, Stand: 21. Februar 2008.
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Simulation der Wertentwicklung
Anders bei den Vorschriften bezüglich der Simulation von Wertentwicklungen. Hier gibt es explizite Anforderungen aus der WpDVerOV, die insbesondere den Anwendungsbereich für Prognosen begrenzen. So darf sich eine Simulation nach § 4 Abs. 5 WpDVerOV nur auf ein Finanzinstrument, den einem Finanzinstrument zugrundeliegenden Basiswert oder einen Finanzindex beziehen. Dies würde in der Konsequenz bedeuten, dass Vermögensverwaltungsprodukte, wie z.B. eine fondsgebundene Vermögensverwaltung, keiner Simulation zugänglich ist. Ein wie unter 10.3 dargestelltes simuliertes Wertentwicklungsprofil wäre für die Vermögensverwaltung daher unzulässig. Ob jedoch eine andere Auslegung sachgerecht wäre, da insbesondere in dem Fall, in dem die Finanzportfolioverwaltung in gleicher standardisierter und für alle Depots einheitlicher Weise erbracht wird (wie es bei einem einzelnen Investmentfonds der Fall ist), kann durchaus einer Diskussion zugänglich gemacht werden. Da sich die Simulation auf die tatsächliche frühere Wertentwicklung mindestens eines Finanzinstruments, eines Basiswertes oder eines Finanzindexes beziehen muss, die mit dem betreffenden Finanzinstrument übereinstimmt oder diesem zugrunde liegt, kann dies für die Simulation der Wertentwicklung eines Investmentfonds bedeuten, dass die für die Simulation verwandte Benchmark des Fonds, sei es ein Finanzindex oder ein synthetisch zusammengesetzter Korb aus mehreren Finanzindizes, in der Information an den Kunden offengelegt werden muss. Die sich daraus für die Darstellung des Wertentwicklungsprofils ergebende Problematik wäre am einfachsten dadurch zu lösen, dass keine historischen Simulationen mehr verwendet werden, sondern sich die Darstellung allein auf die tatsächliche vergangene Wertentwicklung beschränkt. Dies hätte insbesondere zur Folge, dass Profile für „junge“ Fonds nicht mehr erstellt werden können. Wertvolle Informationen gingen so für den Anleger verloren.
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10.5 Fazit/Ausblick Die anfangs aufgeworfene Frage, ob sich durch die MiFID etwas an den Informationen über Fonds ändert, ist wohl insbesondere aus der Sicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu bejahen. Nichtsdestotrotz erscheint eine ausschließliche bzw. vorrangige Anwendung der Anforderungen aus dem WpHG bzw. der WpDVerOV gegenüber den investmentrechtlichen Normen nicht zwingend. Die aufgezeigte bereits existierende Regelungsfülle und Regelungstiefe der investmentrechtlichen Informationspflichten sollte nicht für eine weniger produktspezifische Regelung des WpHG bzw. der WpDVerOV aufgegeben werden. Zumindest sollte eine parallele Geltung der Informationsangaben zulässig sein, um den Spezifika des Finanzinstruments Anteilschein gerecht zu werden, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die investmentrechtlichen Detailregelungen zu Informationen über Fonds sowohl auf europarechtliche Normen als auch auf selbst von der Aufsichtsbehörde akzeptierten angemessenen Branchenstandards basieren. Die europarechtlich bedingte parallele Regelung der Investmentfonds und der Finanzmärkte, die zu den beschriebenen Widersprüchen bzw. Spannungsfeldern bei den beiden Regelungen unterworfenen Finanzmarktakteuren führt, sollte sich bei der Frage, welche Norm vorrangig die Angemessenheit von Kundeninformation bestimmt, am artikulierten Regelungsziel beider Regelungen orientieren: dem Schutz des Anlegers. Und dem kann die Regelungstiefe der investmentrechtlichen Vorgaben stärker entsprechen, so dass deren Vorrang, zumindest jedoch deren parallele Anwendung, sachgerecht und in Einklang mit den Regelungszielen der Normen erscheint.
III. Anlageberatung
11. Umgang mit Provisionszahlung im Wertpapiergeschäft unter MiFID
Jochen Eichhorn
11.1 Kosten und Finanzdienstleistungsgeschäft
11.1.1 Bedeutung der Kosten Wie in jeder Branche, so werden auch im Finanzdienstleistungsgeschäft Leistungen erbracht. Dabei entsteht Aufwand in personeller und sachlicher Hinsicht. Da Finanzdienstleistungsunternehmen in den meisten Fällen einen Gewinn erzielen wollen, müssen die Kosten für diesen Aufwand an die Kunden weiter gegeben werden. Eigentlich handelt es sich dabei um eine wirtschaftliche Binsenweisheit, die jedoch von den Kunden im Finanzdienstleistungsgeschäft bislang nicht immer akzeptiert wird. Über die Gründe hierfür kann man verschiedene Mutmaßungen anstellen. Einerseits führen sicher nicht alle Finanzdienstleistungen bei oberflächlicher Betrachtung zu einem wirtschaftlichen Mehrwert beim Kunden. Dies gilt insbesondere für das Wertpapiergeschäft, wo von dem Finanzdienstleistungsinstitut oft erwartet wird, dass es zukünftige Marktentwicklungen richtig prognostiziert. Dieser Erwartungshaltung kann ein Finanzdienstleistungsinstitut manchmal nicht entsprechen. Seine Leistung erbringt dann innerhalb des Erwartungshorizonts des Kunden keinen unmittelbar erkennbaren Wertschöpfungsbeitrag in Form einer positiven Performance, d.h. die Prognose erweist sich nicht immer als zutreffend. Das Angebot von Finanzdienstleistungsinstituten zielt deshalb im zunehmenden Masse auch darauf ab, dass es Konzepte zur angemessenen Streuung des Vermögens des Kunden unter Verwendung passender Anlageprodukte anbietet.
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Ein weiterer Grund für die häufig vom Kunden empfundene Disparität zwischen Leistung und Gegenleistung im Finanzdienstleistungsgeschäft liegt darin, dass die Beratung eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Die Kunden sind es in Deutschland bei Finanzdienstleistungen gewohnt, im Rahmen von Verkaufsgesprächen umfangreiche Informationen zu erhalten, für die sie nichts zahlen müssen. Dem Kundenwunsch und auch den Vorgaben des Gesetzgebers entsprechend, geht die Kommunikation mit dem Kunden beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen häufig ganz erheblich über ein reines Verkaufsgespräch hinaus. So wird die Aufnahme eines vollständigen Kundenprofils hinsichtlich seiner Kenntnisse, Erfahrungen und Erwartungen ebenso verlangt wie die umfangreiche Information über das Anlageprodukt. Dennoch sind Kunden häufig nicht bereit, für eine solche Beratung etwas zu zahlen. Diese Situation ist für beide Seiten unbefriedigend. Ein unvoreingenommener Umgang mit den Kosten einer angemessenen Beratung ist häufig nicht möglich. Dabei kommt dem Thema „Kosten“ im Finanzdienstleistungsbereich auch insofern eine besondere Bedeutung zu, als das Verhältnis zu den Kunden hier in einem ganz besonderen Maße von Vertrauen geprägt sein muss. Ein solches Vertrauensverhältnis kann durch eine unsachgemäße Behandlung des Themas „Kosten“ nachhaltig gestört werden. Der richtige Umgang mit den Kosten war und ist im Finanzdienstleistungsbereich eine anspruchsvolle Aufgabe. Dies liegt auch daran, dass es eine Vielzahl verschiedener Kosten gibt. So werden von den Kunden Provisionen gezahlt, die dem Finanzdienstleistungsunternehmen zugute kommen, sowie Gebühren etc. entrichtet, die an andere Stellen weitergegeben werden. Daneben spielen Zahlungen, die dem Unternehmen von Dritten zugehen, eine erhebliche Rolle. Sowohl die Sensibilität des Themas „Kosten“ im Finanzdienstleistungsgeschäft als auch die Vielzahl von Kostenmodellen stellen aber nicht nur für das Finanzdienstleistungsunternehmen eine Herausforderung dar, sondern auch für den Kunden. Dieser Herausforderung kann man sich im Wege der Kommunikation stellen, indem man weitestgehende Kostentransparenz zeigt. Den Kunden stellt auch dies häufig vor gewisse Probleme, da er zahlreiche Informationen zu verarbeiten hat, wenn er sich ein umfassendes Bild von der Kostenstruktur eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens machen will. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Kostenmodelle immer wieder zu hinterfragen, und diese gegebenenfalls den Erfordernissen des Marktes anzupassen.
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11.1.2 Bisherige Information über Kosten Im Bankgeschäft sind bereits heute umfangreiche Informationen hinsichtlich der Kosten allgemeiner Standard. So wird der Kunde in Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1 über Kosten der Bankdienstleistungen, d.h. über Zinsen, Entgelte und Auslagen informiert. Dabei wird auf den „Preisaushang – Regelsätze im standardisierten Privatkundengeschäft“ und ergänzend auf das „Preis- und Leistungsverzeichnis“ verwiesen. Insbesondere Letzteres enthält eine detaillierte Aufstellung zahlreicher Kostenpositionen, die dem Kunden ein gutes Bild von den direkten Kosten vermittelt. Darüber hinaus enthalten die Verkaufsprospekte der Produkte sowie die Beschreibung sonstiger Leistungen meist detaillierte Angaben über die Kosten. So wird z.B. bei Investmentfonds über den Ausgabeaufschlag oder die Verwaltungskosten informiert, sowie Angaben zu den inneren Kosten und zu der Gesamtkostenquote („Total Expense Ratio“) gemacht. Häufig enthalten darüber hinaus bereits die komprimierten Produktinformationen („termsheets“, „one-pager“) Informationen über die wesentlichen Kosten. Und schließlich wird der Kunde auch in den „Basisinformation für Wertpapiergeschäfte“ über Kosten unterrichtet. Bereits anhand dieser zusammengefassten Darstellung wird deutlich, dass dem Thema Kostentransparenz im Finanzdienstleistungsgeschäft eine große Bedeutung beigemessen wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Frage der Kosten ständig neu gestellt werden muss, da die Entwicklung von Produkten im Finanzdienstleistungsbereich einer ständigen Wandlung unterliegt. Dies macht es im Übrigen auch notwendig, bei der Kostentransparenz immer wieder Anpassungen vorzunehmen. Aber auch von der Rechtsprechung und vom Gesetzgeber gehen diesbezüglich Impulse aus. 11.1.3 Rechtsprechung zur Kostentransparenz Die höchstrichterliche Rechtsprechung (Bundesgerichtshof) hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit Fragen der Kostentransparenz beschäftigt. Dadurch wurde jeweils erneut Anlass gegeben, sich über die Anpassung der Kosteninformationen Gedanken zu machen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang unter anderem das Urteil des Bundesgerichtshofes 1
Unter Nummer 12 der AGB Banken und unter Nummer 17 und 18 der AGB der Sparkassen.
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(BGH) vom 19. Dezember 2000 2. Darin beanstandete der BGH, dass der Kunde eines unabhängigen Vermögensverwalters nicht über Zahlungen informiert wurde, die der Vermögensverwalter von der das Depot führenden und die Wertpapierorders ausführenden Bank aus den durch die Wertpapiergeschäfte erzielten Kommissionen erhielt („Retrozessionen“ oder „kick-backs“ genannt). Diese Beanstandung des BGH war in soweit nachvollziehbar, als der Vermögensverwalter durch die Zahlung der Retrozessionen grundsätzlich dazu verleitet werden konnte, möglichst viele Wertpapierorders aufzugeben und somit seine Erträge zu erhöhen. Überraschend war bei dem Urteil jedoch, dass die Pflicht, den Kunden über die Retrozessionen zu informieren, bei der depotführenden Bank gesehen wurde. Dabei berücksichtigte der BGH nicht, dass in der „Dreiecksbeziehung“ zwischen dem Kunden, dem Vermögensverwalter und der Bank die Kundenbeziehung und folglich die Kommunikation ganz überwiegend zwischen dem Vermögensverwalter und dem Kunden stattfindet. Häufig hat der Kunde hier gar keinen unmittelbaren Kontakt zu der Bank. Stattdessen wird diese Verbindung über den Vermögensverwalter vermittelt, der in der Regel mit verschiedenen Depotbanken zusammenarbeitet und diese seinen Kunden als die die Wertpapiere verwahrende Stelle anbietet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Vermögensverwalter in diesem Fall derjenige war, der aus den Retrozessionen begünstigt wurde. Daneben überraschte der BGH mit seiner Einschätzung, dass der von der Bank zu zahlende Schadensersatz sich nicht nur auf den Betrag der gezahlten Retrozessionen beschränken sollte. Vielmehr hielt es der BGH für angemessen, den Kunden so zu stellen, als hätte er überhaupt keinen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen. Somit musste die Bank nicht nur die Kosten übernehmen, die durch die Zahlung der Retrozessionen entstanden waren. Sie hatte vielmehr für alle Verluste aufzukommen, die in der Zwischenzeit im Rahmen der Vermögensverwaltung angefallen waren. Dabei blieb unberücksichtigt, dass diese Verluste ganz überwiegend durch die Marktentwicklung entstanden waren. Von dem BGH wurde dabei nicht der Vorwurf erhoben, dass die Vermögensverwaltung an sich, ausgelöst durch unangemessene Anreize des Vermögensverwalters in Form von Retrozessionen, unsachgemäß durchgeführt worden sei. Vielmehr ging der BGH davon aus, dass der Kunde im Falle einer angemessenen Information über die Retrozessionen sein Geld nicht von einem Vermögensverwalter am Kapitalmarkt hätte anlegen lassen. Diese Annahme war jedoch durch 2
Abgedruckt in: Wertpapier-Mitteilungen (WM) 2001, S. 297 ff.
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nichts begründet. Vielmehr musste davon ausgegangen werden, dass der Kunde bei ordnungsgemäßer Aufklärung über die Retrozessionen allenfalls einen anderen Vermögensverwalter beauftragt und dabei sichergestellt hätte, dass entweder an diesen keine Retrozessionen fließen oder man hatte sich darauf geeinigt, dass die Vermögensverwaltungsgebühr entsprechend reduziert wird. Das Urteil wurde aus diesen Gründen auch in der Fachliteratur sehr kritisch kommentiert. Ein weiteres beachtenswertes Urteil des BGH wurde genau sechs Jahre später gefällt 3. Hier entschied das Gericht, dass der Kunde bei der Anlage in Investmentfonds von der für den Vertrieb zuständigen Stelle (z.B. Bank, Vermittler) über den Erhalt von Bestandsprovisionen (Betriebsfolgeprovisionen) durch die fondsverwaltende Kapitalanlagegesellschaft zu informieren sei. Der BGB begründete dies mit der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Darin wird ein Dienstleistungsunternehmen dazu verpflichtet, sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen und dafür zu sorgen, dass bei unvermeidbaren Interessenkonflikten der Kundenauftrag unter der gebotenen Wahrung der Interessen des Kunden ausgeführt wird. Dabei wird es für zulässig gehalten, einen Interessenkonflikt auch dadurch zu vermeiden, dass man den Kunden in angemessener Weise über diesen Interessenkonflikt informiert. Der BGH vertrat jedoch die Auffassung, eine angemessene Unterrichtung umfasse nicht nur die Information darüber, dass entsprechende Retrozessionen gezahlt werden. Vielmehr müsse der Kunde auch über die Höhe dieser Vergütung unterrichtet werden. Begründet wurde dies damit, dass der Kunde nur dann den Interessenkonflikt des vermittelnden Finanzdienstleistungsunternehmens angemessen bewerten könne. Der BGH hat mit dieser Sichtweise gleichsam den Regelungsgehalt der MiFID vorweg genommen. Diese EU-Richtlinie hat mit Ihren Vorgaben zum Umgang mit sog. „Zuwendungen“ ähnliche Standards verbindlich aufgestellt, allerdings hinsichtlich der Information über die Höhe der Zahlungen auch noch Abweichungen zugelassen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese in die neue Vorschrift des § 31 d WpHG eingefügt.
3
Abgedruckt in: Zeitschrift für Insolvenzpraxis (ZIP) 2007, S. 518ff.
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11.1.4 Bewertung Der von der Rechtssprechung und dem Gesetzgeber geförderte und auch von der Finanzdienstleistungsbranche erkannte Trend zu immer größerer Kostentransparenz ist grundsätzlich zu begrüßen. Nur so kann sichergestellt werden, dass das wichtige Vertrauensverhältnis zwischen dem Kunden und dem Finanzdienstleistungsunternehmen nicht gestört wird. Darüber hinaus kann der Kunde so in die Lage versetzt werden, sich ein klares Bild von dem Angebot und von etwaigen Interessenkonflikten zu machen. Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass Kostentransparenz auch eine Gefahr in sich birgt. So kann der Kunde von anderen Informationen abgelenkt werden, die für seine Anlageentscheidung mindestens genauso bedeutsam sind. Hier stößt man auf ein strukturelles Problem im Finanzdienstleistungsbereich, nämlich dass die Informationsvielfalt von dem Kunden häufig nicht mehr bewältigt werden kann. Denn schließlich erhält der Kunde neben den Informationen über die Kosten umfangreiche Informationen über das Produkt oder die Dienstleistung selbst. Diese Informationen sind für die Kunden aber mindestens genau so wichtig wie die Information über die Kosten. Schließlich kommt der Struktur des jeweiligen Produkts, der Beschaffenheit des Marktes, in dem investiert wird, sowie der Qualität des Produktes (z. B. Vergangenheitsperformance, Investmentprozess) eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Nicht zu vergessen ist dabei die eminent wichtige Aufklärung über die Risiken. Eine zu stark auf das Thema „Kosten“ fokussierte Darstellung des Produktes oder der Dienstleistung bringt die Gefahr mit sich, dass der Kunde andere wesentliche Kriterien bei seiner Entscheidung außer Acht lässt.
11.2 Die Motivation der EU für die neuen Regelungen der MiFID zu Zuwendungen Bereits seit längerem erlässt der EU-Richtliniengeber Vorschriften, die auf europäischer Ebene einheitliche Bedingungen für den Finanzmarkt herstellen sollen. Dabei wird unter anderem das Ziel eines möglichst effizienten und angemessenen Anlegerschutzes verfolgt. Dies war auch eine der maßgeblichen Motivationen für den Erlass der MiFID. Einer der wesentlichen Bestandteile des Anlegerschutzes ist der angemessene Umgang mit Interessenkonflikten. Dabei kommt deren Vermeidung und – da dies nicht immer möglich ist – der Aufklärung des Kunden über die Interessenkonflikte
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besondere Bedeutung zu. Schließlich kann ein Kunde nur dann angemessen handeln, wenn er die Faktoren kennt, die die Interessen der jeweils anderen Partei beeinflussen. Eine ganz wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Geldzahlungen oder sonstigen Leistungen zu.
11.3 Die neue Regelung des § 31d WpHG Der deutsche Gesetzgeber hat die EU-rechtlichen Vorgaben in das deutsche Recht umgesetzt, indem er mit dem § 31d WpHG eine neue Vorschrift in das Wertpapierhandelsgesetz einführte. Nach dieser Vorschrift darf ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen sog. „Zuwendungen“ nur unter besonderen Bedingungen von Dritten annehmen oder an Dritte zahlen. Die Zuwendung o o o
muss auf eine Verbesserung der Qualität der Dienstleistung für den Kunden ausgelegt sein, darf der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden nicht entgegenstehen, und muss dem Kunden, auch hinsichtlich der Größenordnung, vor der Leistungserbringung bekannt gemacht werden.
11.3.1 Welche Geschäfte werden von der Regelung erfasst? Die Regelung gilt nur in Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen 4. Dazu gehören z.B. die Vermögensverwaltung und neuerdings auch die Anlageberatung. Nicht erfasst werden Angebote im Bereich der Finanzierung (Kredite) oder der nicht wertpapiergebundenen Kapitalanlagen (z.B. Fest- oder Termingeld). 11.3.2 Wer ist von der Regelung betroffen? Auf Seiten des Anbieters der relevanten Geschäfte gilt die Regelung nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, d.h. Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und sonstige Institute, die dem Kreditwesengesetz unterliegen. Werden Wertpapierdienstleistungen von anderen Unterneh4
Definition siehe § 2 Abs. 3 und 3 a WpHG.
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men angeboten, wie dies des Öfteren festzustellen ist (z.B. vertraglich gebundene Vermittler), werden diese nicht unmittelbar von dieser Vorschrift erfasst. Allerdings muss die Vorschrift dennoch eingehalten werden, da die Geschäfte dann dem Unternehmen zugerechnet werden, für dessen Rechnung und unter dessen Haftung die Leistungen erbracht werden. Diese wiederum unterstehen als Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen den Regelungen des WpHG: Schließlich ist die Regelung gegenüber allen Kunden, d.h. nicht nur gegenüber Privatkunden anzuwenden. Ausgenommen sind lediglich Geschäfte mit sog. „geeigneten Gegenparteien“ 5. Dabei handelt es sich um professionelle Marktteilnehmer (z.B. Banken, Versicherungen, Fonds), die ausdrücklich der Anwendung abgeschwächter Anlegerschutzregelungen zugestimmt haben 6. 11.3.3 Was sind „Zuwendungen“? Unter den Begriff der „Zuwendung“ fallen Zahlungen in Form von Provisionen, Gebühren oder sonstigen Geldleistungen wie z.B. die Gewährung von Rabatten. Aber auch alle anderen geldwerten Vorteile werden erfasst. In Betracht kommen hier z.B. die Überlassung von Hard- oder Software, die Durchführung von Schulungen oder von Informationsveranstaltungen oder die Überlassung von sonstigem Informationsmaterial wie z.B. Finanzanalysen. Dies alles sind Leistungen, die den Empfänger in ähnlicher Weise wirtschaftlich bereichern, wie dies bei Geldzahlungen der Fall ist. Ohne Bedeutung ist es, ob diese Zahlungen im Markt üblich sind. Dabei betrifft die Reglung nur solche Zuwendungen, die von Dritten angenommen oder an Dritte gezahlt werden. Unter „Dritte“ sind dabei all diejenigen zu verstehen, die nicht Kunden der Wertpapierdienstleistung sind. Darüber hinaus werden Zahlungen und Leistungen nicht von der Regelung erfasst, wenn der Dritte von dem Kunden mit der Zahlung oder dem Erhalt der Zuwendung beauftragt wurde. Zuwendungen kommen in verschiedenen Konstellationen vor, häufig in Zusammenhang mit Vertriebsprovisionen, die oft auch als transaktionsbezogene Provisionen bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um Zahlungen, mit denen die Vertriebsleistung honoriert werden soll. Bei Anlageprodukten werden diese dem Anleger häufig bereits von dem Anbieter des jeweiligen Produktes (bei Investmentfonds der den Fonds verwaltenden 5 6
§ 31b Abs. 1 Satz 1 WpHG. Definition siehe § 31 a Abs. 4 WpHG.
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Gesellschaft oder bei Zertifikaten deren Emittent) als Teil des Kaufpreises belastet. Dies sind bei Investmentfonds die Ausgabeaufschläge. Bei anderen Produkten wie z.B. Zertifikaten, werden häufig so genannte „Agios“ erhoben. Sie werden zu dem eigentlichen Wert des Anlageprodukts hinzuaddiert. Häufig lassen sich diese Kostenpositionen dem Verkaufsprospekt oder sonstigen Verkaufsmaterialien entnehmen. Zu einer „Zuwendung“ kommt es in Zusammenhang mit diesen Vertriebsprovisionen dann, wenn diese ganz oder teilweise an Dritte weitergegeben werden, die nicht Kunden sind. Dies ist häufig der Fall, denn in der Regel erhält die das Produkt vertreibende, vermittelnde oder – z.B. im Rahmen einer Vermögensverwaltung – verwendende Stelle diese Vertriebsprovision ganz oder teilweise von dem Anbieter. Dabei handelt es sich dann um eine Zuwendung im Sinne der neuen gesetzlichen Regelung. Solche Zahlungen können wirtschaftlich durchaus gerechtfertigt sein, da die Empfänger einen wesentlichen Beitrag zur Distribution und zum angemessenen Einsatz des Produktes bei dem Kunden leisten. Außerdem sind in Hinblick auf die Zuwendungen die so genannten „Vertriebsfolgeprovisionen“ zu beachten. Sie werden auch als bestandsbezogene Provisionen bezeichnet. Es handelt sich dabei um laufende oder periodische Zahlungen, die von den Anbietern des jeweiligen Produktes wiederum an die oben bereits erwähnten, für die Distribution und Kundenberatung verantwortlichen Stellen gezahlt werden. Häufig werden sie aus der Verwaltungsvergütung bestritten, die z.B. bei Investmentfonds dem jeweiligen Fondsvermögen belastet wird. Die Höhe dieser Zahlungen bemisst sich in der Regel nach dem Umfang des Vermögens, das von den Kunden in das jeweilige Produkt investiert wird, sowie nach der Dauer der Geldanlage. Diese Zahlungen lassen sich wirtschaftlich damit rechtfertigen, dass die das Produkt vertreibende Stelle den Kunden auch nach dem Vertrieb häufig über die weitere Entwicklung der Wertpapieranlage informiert und ihn auch nach dem Kauf über weitere Dispositionen hinsichtlich der Geldanlage (z.B. Verkauf) berät. Bislang wusste der Kunde häufig nichts von diesen Zahlungen. Zwar wurde er über Kosten wie bspw. die Verwaltungsvergütung bei Investmentfonds informiert, die nach der Vorgabe im Investmentgesetz in den Vertragsbedingungen anzugeben ist. Er erfuhr aber nicht immer davon, dass ein Teil der Zahlungen an die Bank oder an das Finanzdienstleistungsinstitut weitergegeben wurde, das für den Vertrieb des Produktes verantwortlich war.
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Zuwendungen können schließlich auch in Form von Zahlungen auftauchen, die z.B. für die Vermittlung eines Kunden geleistet werden. Häufig werden diese als „Finder’s Fees“ bezeichnet. Allerdings muss sich die Vermittlung dann schon konkret auf eine Wertpapierdienstleistung (z.B. Vermögensverwaltungsvertrag) beziehen. Allein die Vermittlung des Kontaktes zu einer Person, die dann später Kunde wird, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. 11.3.4 Einzelfragen zu Zuwendungen Nicht abschließend geklärt ist derzeit die Frage, wie eng der Zusammenhang zwischen der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung und der Gewährung einer Leistung sein muss, damit diese als Zuwendung zu gelten hat. Dies hängt davon ab, wie unmittelbar sich die Zuwendung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht auf die Wertpapierdienstleistung beziehen muss. Es ist damit zu rechnen, dass die Prüfungspraxis (z.B. Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleistungsaufsicht, Gerichte) auch mittelbare Verbindungen zwischen einer Leistung und der Erbringung einer Wertpapierdienstleistung für relevant halten wird. Denn schließlich geht es um die Vermeidung von Interessenkonflikten, die auch auftreten können, wenn die Leistung mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung oder in einem anderen inhaltlichen Zusammenhang ankommt. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob Zuwendungen im Sinne von § 31d WpHG auch vorliegen, wenn diese nicht von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst gewährt werden, sondern von einer anderen Gesellschaft. In Betracht kommt z.B. die Zahlung durch eine Gesellschaft, die mit dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen wirtschaftlich verbunden ist und von diesem mit der Zahlung der Vertriebsprovision an einen Dritten beauftragt wurde. Nach dem Wortlaut des Gesetzes liegt dann keine Zuwendung vor. In diesen Fällen wird man allerdings eine Pflicht zur Aufklärung des Kunden über den Interessenkonflikt annehmen müssen, der sich aus der in Auftrag gegebenen Zahlung ergeben kann. Diese Pflicht leitet sich aus der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ab, die dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgibt, unvermeidbare Interessenkonflikte darzulegen 7. 7
Es kommt dann wieder die Rechtsprechung des BGH vom 19.12.2006 zur Anwendung (s.o.), wobei im Rahmen der Novellierung des WpHG durch MiFID/FRUG sich mittlerweile die Pflicht zur Unterrichtung über unvermeidbare Interessenkonflikte unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschrift ergibt.
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Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob auch Leistungen an Mitarbeiter oder Geschäftsleiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens als Leistungen an Dritte gelten und somit von der Regelung der Zuwendungen erfasst werden. Dies wird man der gesetzlichen Regelung nicht entnehmen können, insbesondere wenn man auch die Gesetzesbegründung hinzuzieht. Danach ist „Dritter“ nur, wer „außerhalb des Verhältnisses zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und dem Kunden“ steht. Auf Mitarbeiter und Geschäftsleiter trifft dies nicht zu. Allerdings unterliegt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch hier der Pflicht, organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung daraus entstehender Interessenkonflikte zu ergreifen und über unvermeidbare Interessenkonflikte aufzuklären. Nicht als Zuwendung gelten dagegen Gebühren, mit denen die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen erst ermöglicht wird, oder die hierfür unbedingt notwendig sind. Sie dürfen ihrer Art nach nicht dazu geeignet sein, die Erbringung der Dienstleistung mit der erforderlichen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und im Interesse des Kunden zu gefährden 8. Darunter fallen z.B. Kosten für die Verwahrung von Wertpapieren, Abwicklungskosten und behördliche oder notarielle Kosten. Ausgenommen sind darüber hinaus Leistungen, mit deren Gewährung der Kunde das Wertpapierdienstleistungsunternehmen beauftragt hat 9. Allerdings muss der Auftrag von Seiten des Kunden ausreichend konkret sein. Dazu gehört insbesondere auch eine klare Angabe hinsichtlich der Höhe der Zuwendung. Im Falle der häufig anzutreffenden Weiterleitung von Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen setzt dies wiederum die Kenntnis des Kunden über deren Höhe voraus. Schließlich muss darauf geachtet werden, dass die Auftragserteilung nicht mittels vorformulierter Erklärungen erfolgt, die so ungewöhnlich sind, dass der Kunde mit deren Abgabe nicht zu rechnen brauchte 10.
8
§§ 31d Abs.5, 31 Abs.1 Nr.1 WpHG. § 31d Abs.1 Satz 2 WpHG. 10 Dies ergibt sich aus den Regelungen des BGB zur Zulässigkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen. 9
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11.4 Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Zuwendungen Die Vorschrift des § 31d WpHG stellt zunächst ein Verbot auf. Danach dürfen im Zusammenhang mit der Erbringung entsprechender Leistungen keine Zuwendungen von Dritten angenommen oder an Dritte gewährt werden. Allerdings wird dieses Verbot zugleich ausgesetzt, wenn die oben bereits genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Auf diese wird nachfolgend im Einzelnen eingegangen: 11.4.1 Verbesserung der Dienstleistung Zuwendungen sind nur dann zulässig, wenn sie auf eine Verbesserung der Qualität der Dienstleistung ausgelegt sind 11. Davon kann nach der gesetzlichen Regelung zum Einen immer dann ausgegangen werden, wenn die Zuwendung in Zusammenhang mit einer Anlageberatung oder der Abgabe einer „allgemeinen Empfehlung“ erbracht wird. In diesen Fällen wird die Qualitätsverbesserung vermutet, ohne dass es eines Nachweises bedarf. Während der Begriff der Anlageberatung relativ fest umrissen ist 12, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an eine „allgemeine Empfehlung“ zu stellen sind. Die Praxis und insbesondere die Handhabung durch die BaFin als Aufsichtsbehörde wird zeigen müssen, ob eine „allgemeine Empfehlung“ bereits dann vorliegt, wenn dem Kunden lediglich Informationen zur Verfügung gestellt werden, die ihm als Informationsbasis für seine Anlageentscheidung dienen. In Betracht kommen hier z.B. Marketingunterlagen oder Verkaufsprospekte. Besondere Bedeutung hat diese Frage für das beratungsfreie und das sog. „execution only-Geschäft“, wo Beratung nicht stattfindet und auch Empfehlungen nur sehr eingeschränkt erteilt werden. Dennoch wäre es auch bei diesem Geschäft angebracht, die Vermutungsregelung zur Anwendung kommen zu lassen, da die Anbieter hier dem Kunden häufig umfangreiche Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, die den Service erheblich zu verbessern geeignet sind. Aber auch außerhalb des Anlageberatungsgeschäftes, und wenn keine „allgemeinen Empfehlungen“ erteilt werden, ist es möglich, dass Zuwendungen auf eine Qualitätsverbesserung ausgelegt sind. Allerdings gilt hier 11 12
§ 31d Abs. 1 Nr. 1, 1. Halbsatz WpHG. Vgl. „Gemeinsames Merkblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank“ zum Begriff der Anlageberatung vom 12.11.2007.
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dann keine gesetzliche Vermutungsregelung. Vielmehr muss das Finanzdienstleistungsinstitut damit rechnen, im Zweifelsfalle einen entsprechenden Nachweis erbringen zu müssen. Dabei ist allerdings nicht der Nachweis erforderlich, dass die Qualität tatsächlich verbessert wurde. Es reicht aus, wenn darauf abzielende Maßnahmen nachweisbar sind. Es kommen vielfältige Arten der Qualitätsverbesserung in Betracht. In der Regel wird man davon bei der Investition in sachliche und personelle Ressourcen ausgehen können, sofern diese sachgerecht eingesetzt werden. Nach der Gesetzesbegründung ist dies der Fall, wenn die Zuwendung zum Aufbau oder zur Unterhaltung von qualitativ hochwertigen Infrastrukturen genutzt wird 13. Dabei gibt es keine Vorgaben dazu, welcher Art diese Investitionen sein müssen. Es kann sich dabei sowohl um personelle Maßnahmen in Form der Einstellung von Beratern oder sonstigen Fachkräften handeln, wie auch um die Investition in die Infrastruktur durch die Beschaffung von Hard- oder Software oder die Belieferung von Informationen, die den Service für den Kunden zu verbessern geeignet sind. Auch schreibt weder das Gesetz noch die Gesetzesbegründung eine unmittelbare Verbindung zwischen der Erbringung einer konkreten Wertpapierdienstleistung und der Verbesserung der Qualität vor. Allerdings wird eine Qualitätsverbesserung dann nicht anzunehmen sein, wenn die Investition nicht zielgerichtet und angemessen ist. Es stellt sich des Weiteren die Frage, inwieweit ein Institut dazu verpflichtet ist, intern zu dokumentieren, dass die entsprechenden Zuwendungen auf eine Qualitätsverbesserung abzielen. Eine konkrete Dokumentationspflicht stellt das Gesetz nicht auf. Es ist jedoch zu empfehlen, sich darauf vorzubereiten, dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung oder einer Überprüfung (z.B. durch Wirtschaftsprüfer oder Finanzdienstleistungsaufsicht) ein entsprechender Nachweis erbracht werden muss. Angezweifelt wird die Qualitätsverbesserung gelegentlich bei gestaffelten Vertriebsprovisionen. Der Empfänger erhält dann einen erhöhten Provisionssatz, falls bestimmte Absatzziele erreicht werden. Doch wird sich auch hier häufig eine Qualitätsverbesserung damit begründen lassen, dass die Erreichung des Vertriebsziels mit erheblichen Aufwendungen personeller und sachlicher Art einhergeht, die eine erhöhte Partizipation des die Produkte vertreibenden oder verwendenden Empfängers an den entsprechenden Erträgen rechtfertigen. Demgegenüber nimmt aus Sicht des die Vergütungen zahlenden Dritten, in der Regel des Produktanbieters, der Aufwand mit einem höheren Absatzvolumen in der Regel degressiv ab, da 13
Siehe Begründung zum Regierungsentwurf des FRUG zu § 31d WpHG, S. 38.
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bestimmte konzeptionelle Produktkosten (z.B. Verkaufsprospekt, Marketingmaterial) ohnehin anfallen und dann auf ein größeres Volumen umgelegt werden. Dabei wird mit einer solchen absatzabhängigen Vergütungspraxis kein neues Potential für Interessenkonflikte begründet, da das mit dem Produktvertrieb befasste Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch ohne eine Staffelung der Vertriebsprovision veranlasst ist, für einen verstärkten Produktvertrieb zu sorgen. Es besteht dann die Gefahr, dass die Interessen ihrer Kunden zu kurz kommen. Folglich wird man den Kunden darüber informieren müssen, dass es eine Staffelung gibt. Dies kann im Rahmen der gesetzlich geforderten „Grundsätze über den Umgang mit Interessenkonflikten“ 14 erfolgen. Eine Information über die Höhe der Staffelung und die Schwellenwerte ist aber nicht erforderlich. Besondere Aufmerksamkeit ist der Frage der Qualitätsverbesserung im Übrigen dann zu schenken, wenn es um die Weitergabe von Vertriebsfolgeprovisionen bei einer entgeltlichen Vermögensverwaltung geht. Dabei kommen mehrere Fälle in Betracht. So kann der Vermögensverwalter demjenigen, der das Vermögensverwaltungsmandat vermittelt hat, eine einmalige Vergütung zukommen lassen. Hier wird man eine Qualitätsverbesserung annehmen können, wenn der Vermittler dem Kunden bei der Wahl des Verwalters und gegebenenfalls auch der Wahl der Vertragsart eine Beratung hat zukommen lassen. Darüber hinaus ist es möglich, dass der Vermittler aus der laufenden Vermögensverwaltungsvergütung eine Zuwendung erhält. Hier liegt eine Qualitätsverbesserung sicher nur dann vor, wenn der Vermittler dem Kunden auch nach dem Abschluss des Vermögensverwaltungsmandats noch als Berater zur Verfügung steht. Darüber hinaus kommen bei Vermögensverwaltungsmandaten Zuwendungen insofern in Betracht, als der Vermögensverwalter Bestandsvergütungen für die im Rahmen des Vermögensverwaltungsmandats erworbenen Produkte in Form von Investmentfonds oder Zertifikaten erhält. Hier wird man gesteigerte Anforderungen an den Nachweis einer Qualitätsverbesserung stellen müssen, da der Vermögensverwalter bereits durch die Verwaltungsvergütung ein Entgelt für die Verwaltung von dem Kunden erhält 15. 14 15
§ 13 Abs. 2 WpDVerOV. Die Dachorganisation der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden (CESR) hat diesen Fall in ihren „Recommendations on Inducements“ von Mai 2007 unter Punkt 28 V. ausdrücklich erwähnt. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass sich hier grundsätzlich die Weitergabe der Inducements an den Kunden anbiete. Allerdings sei dies nicht zwingend, wenn nachgewiesen werden könne, dass dennoch eine Qualitätsverbesserung damit verbunden sei, und die Interessen des Kunden nicht verletzt werden.
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11.4.2 Vereinbarkeit mit den Kundeninteressen Schließlich darf der Erhalt oder die Gewährung einer Zuwendung selbstverständlich der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden nicht entgegenstehen 16. Diese gesetzliche Anforderung hat keinen eigenständigen Regelungsgehalt. Bereits das Gesetz und die dazu gehörige Verordnung schreiben vor, dass zur Vermeidung von Interessenkonflikten Maßnahmen zu ergreifen sind 17. Wenn diesen Vorgaben entsprochen wir, kann man davon ausgehen, dass auch erhaltene und gezahlte Zuwendungen mit den Kundeninteressen vereinbar sind. 11.4.3 Offenlegung der Zuwendung Eine bedeutende Voraussetzung für die Zulässigkeit von Zuwendungen ist deren Offenlegung gegenüber dem Kunden hinsichtlich Art und Umfang. Dies hat vor der Leistungserbringung und in einer umfassenden, verständlichen und zutreffenden Weise zu erfolgen. Soweit sich der Umfang zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestimmen lässt, reicht es aus, die Art der Berechnung mitzuteilen. Besondere Diskussionen hat bislang die Frage der Offenlegung des Umfangs der Zuwendungen ausgelöst. Häufig lässt sich zum Zeitpunkt der Erbringung der Dienstleistung noch nicht verbindlich sagen, in welchem Umfang Zuwendungen fließen. Dies kann z.B. daran liegen, dass eine Staffelung vorgesehen ist, die wiederum vom Umfang der vertriebenen Produkte abhängig sein kann. Darüber hinaus wird teilweise die Information in Produktinformationen vorgenommen, die von verschiedenen Vermittlern verwendet werden, die wiederum Zuwendungen in unterschiedlicher Höhe erhalten. Folglich wird dem Erfordernis der Information über die Höhe der Zuwendungen auch dadurch entsprochen werden, dass ein Rahmen angegeben wird, innerhalb dessen sich die Zuwendung bewegt. Dabei wird von dem so genannten zweistufigen Modell Gebrauch gemacht werden. Dem Kunden muss dann ausdrücklich angeboten werden, dass man ihm auf Nachfrage zusätzliche Details hinsichtlich der Höhe mitteilen wird. Wichtig ist des Weiteren der Zeitpunkt der Offenlegung der Informationen über die Zuwendungen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss dies vor 16 17
§ 31d Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz i. V. m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. § 13 WpDVerOV.
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der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder -nebendienstleistung erfolgen. Dabei ist zu empfehlen, die Aufklärung noch etwas früher, nämlich vor der Erteilung des Auftrags des Kunden zur Erbringung der Leistung vorzunehmen. Denn zu diesem Zeitpunkt findet ohnehin eine Kommunikation mit dem Kunden statt. Darüber hinaus soll der Kunde in die Lage versetzt werden, seinen Auftrag auf informierter Basis zu erteilen. Keine Vorgaben gibt es hinsichtlich der Frage, wie viel Zeit zwischen der Information und der Erteilung des Auftrags bzw. der Leistungserbringung liegen darf. Folglich wird es möglich sein, den Kunden auch bereits einige Zeit vorher, ggf. im Rahmen einer generellen Übersicht zu den Zuwendungen, über diese aufzuklären. Ein konkretes Geschäft muss zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Gespräch sein. Allerdings ist dann darauf zu achten, dass der Kunde auch über Änderungen hinsichtlich der Zuwendungen informiert wird. Keine Vorgaben gibt es hinsichtlich der Form der Offenlegung. Diese kann deshalb grundsätzlich auch mündlich erfolgen. In Hinblick auf das Gebot der verständlichen Information und aus Gründen der Nachweisbarkeit ist es aber empfehlenswert, dies in schriftlicher Form zu tun. Entscheidet man sich dennoch für die mündliche Kommunikation, so sollte dies zumindest in geeigneter Form dokumentiert werden.
11.5 Praktische Umsetzung Die praktische Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Zuwendung muss sich am Geschäftsmodell des jeweiligen Wertpapierdienstleistungsunternehmens orientieren. Dabei spielt die jeweilige Provisionspraxis eine erhebliche Rolle. Bereits jetzt gibt es Anbieter, die entsprechende Zuwendungen an ihre Kunden weitergeben. Sie ersparen sich damit den Aufwand, die verschiedenen Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Zuwendungen zu erfüllen. Weder eine Information des Kunden noch ein Nachweis hinsichtlich der Qualitätsverbesserung ist in diesen Fällen erforderlich. Zugleich müssen diese Unternehmen jedoch auf eine nicht unerhebliche Einnahmequelle verzichten. Um ihre Kosten zu decken, müssen sie folglich in der Regel vom Kunden zusätzliche Gebühren (z.B. Beratungsgebühr) oder erhöhte Provisionen verlangen. In der Zukunft wird sich zeigen, ob entsprechende Vergütungsmodelle von den Kunden angenommen werden.
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Gleichwohl wird es auch zukünftig die Modelle geben, bei denen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Zuwendungen behält und so in die Lage versetzt wird, den Kunden in geringerem Umfang mit direkten Gebühren zu belasten. In diesen Fällen stellt sich dann die Frage eines effizienten und kundennahen Umgangs mit dem Thema „Zuwendungen“. Hier gibt es derzeit noch keine Patentlösung. Die Umsetzungswege der Anbieter unterscheiden sich noch erheblich. Auch hier wird die Zukunft zeigen, ob sich ein einheitlicher Standard herausbildet. Beispielhaft sei abschließend ein Umsetzungsweg beschrieben, der den Anforderungen zahlreicher Wertpapierdienstleistungsunternehmen entspricht:
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o
Verfasst werden muss eine Informationsschrift über die Zuwendungen, welche in Hinblick auf das aktuelle Leistungs- und Produktangebot von Bedeutung sind. Darin sollten, soweit möglich, auch die jeweiligen Höhen der Zuwendungen aufgeführt sein. Sofern in der Informationsschrift nur ungenaue Angaben über die Höhe der Zuwendung möglich sind (z.B. Größenordnung, Prozentspanne) ist darauf hinzuweisen, dass, bei konkreter Nachfrage detaillierte Informationen gegeben werden können. Diese Informationsschrift muss jeweils aktualisiert werden und die Aushändigung der jeweils aktuellsten Version dieser Informationsschrift an die Kunden ist sicherzustellen.
o
Es muss eine Erklärung des Kunden eingeholt werden, dass er mit der Information hinsichtlich der Zuwendungen über die Informationsschrift einverstanden ist und deren Inhalt zur Kenntnis nimmt. Außerdem ist der Kunde über seinen Rechtsanspruch auf Herausgabe dieser Zuwendungen zu informieren. Notwendig ist zugleich sein ausdrücklicher Verzicht auf diesen Herausgabeanspruch 18.
Dieser Anspruch ergibt sich nicht aus dem Wertpapierhandelsgesetz und steht in keinem Zusammenhang mit der MiFID. Er könnte sich allerdings aus den Vorschriften der §§ 675, 667 BGB oder § 384 Abs. 2 HGB ableiten lassen. Ob ein solcher Anspruch bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen vorliegt, ist derzeit sehr umstritten. Es gibt gewichtige Argumente namhafter Professoren des Bank- und Kapitalmarktrechts gegen das Vorliegen eines solchen Herausgabeanspruchs. Begründet wird dies z.T. damit, dass es bei Wertpapierdienstleistungen bereits eine Pflicht zur Offenlegung der Interessenkonflikte gibt, die bei solchen Zahlungen entstehen können. Diese Pflicht wurde bislang aus § 31 Abs. 1 Nr. 2
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Diese Art der Umsetzung hat insbesondere den Vorteil, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seine Mitarbeiter davon entlastet werden, bei jedem Geschäftsabschluss die Aufklärung über die Zuwendungen sicherzustellen. Darüber hinaus wird hier das Thema Zuwendungen im direkten Dialog mit dem Kunden abgehandelt, der nicht nur den Anforderungen der MiFID Rechnung trägt, sondern nach derzeitiger Erkenntnis auch dazu geeignet ist, den zivil- und handelsrechtlichen Erfordernissen zu entsprechen.
WpHG abgeleitet und ist nunmehr nach Umsetzung der MiFID in § 31 d WpHG speziell für „Zuwendungen“ geregelt. Folglich fehle es auf Grund dieser Pflicht zur Offenlegung an einer Rechtfertigung für den Herausgabeanspruch, mit dem der Gesetzgeber diesem Interessenkonflikt begegnen wollte. Als Argument wird darüber hinaus angeführt, dass die Regelungen der MIFID für die EU-Mitgliedsstaaten entsprechend den EU-rechtlichen Vorgaben verbindlich seien. Die Mitgliedsstaaten müssten dafür Sorge tragen, dass man mit den nationalen Gesetzen weder hinter diesen Vorgaben zurückbleibt, noch über diese hinausgeht (kein sog. „gold-plating“). Letzteres wäre bei der Annahme eines Herausgabeanspruches der Fall. Anlegerschutzanwälte und eine – soweit derzeit ersichtlich – Minderheit der Rechtswissenschaftler halten allerdings den Herausgabeanspruch für gegeben. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es derzeit noch nicht. Der Bundesgerichtshof hat sich generell bislang auch noch nicht verbindlich dazu geäußert, wie er das Verhältnis zwischen Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes, welches dem Aufsichtsrecht zugeordnet wird, und dem Zivilrecht bewertet.
12. Anlageberatung: Risiko oder Chance nach MiFID?
Michaela Theißen
12.1 Einführung Die Anlageberatung hat durch MiFID einige Neuerungen erfahren. Nachstehend wird die Frage untersucht, ob die neuen gesetzlichen Anforderungen eher ein Risiko oder eine Chance für die Praxis sind. Ausgehend von der besonderen Situation der Anlageberatung und dem Fokus der MiFID, dem Anlegerschutz, werden die wesentlichen Pflichten beschrieben, welche die Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen der Anlageberatung zu beachten haben. Hierzu gehört insbesondere die Geeignetheitsprüfung als Kern der Anlageberatung. Es folgen zwei Plädoyers zu Themen, deren positive Seite für die Praxis gesondert beleuchtet wird: die Risikoaufklärung des Kunden und die Dokumentation der Anlageberatung. Die abschließend beigefügte Checkliste soll dem Praktiker die Übersicht über die wesentlichen, bei der Anlageberatung zu erfüllenden Pflichten erleichtern.
12.2 Die Situation: Anlageberatung der Kunden als besondere Form der Dienstleistung Die professionelle Beratung der Kunden in Wertpapiergeschäften durch die Anlageberater und -beraterinnen der Banken ist seit jeher eine anspruchsvolle Aufgabe. Sie erfordert neben den fachlichen Fähigkeiten und der umfassenden Kenntnis der Finanzinstrumente auch besondere persönliche Fähigkeiten im Umgang mit den Kunden und ihren finanziellen Anliegen. Die Kunden wenden sich an ihre Anlageberater, weil sie Unterstützung in einer für sie sehr persönlichen und wichtigen Angelegenheit
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Michaela Theißen
benötigen. Sie suchen professionellen Rat, um ihre verfügbaren Gelder entsprechend ihrer persönlichen Situation möglichst optimal anzulegen. Das hat sehr viel mit Vertrauen in die Fähigkeiten der Anlageberater und der Seriosität der Beratungsunternehmen, also auch der Banken, zu tun. Lässt man diese Situation auf sich wirken, dann erkennt man schnell, dass die Anlageberatung eine Dienstleistung ist, die in der letzten Konsequenz nicht standardisierbar ist. Die Anlageberatung ist – wie das Leben – vielfältig. Einer Vielzahl völlig unterschiedlicher Kunden mit verschiedenen persönlichen, finanziellen und geschäftlichen Hintergründen steht eine Vielzahl von Produkten und Finanzinstrumenten gegenüber, die Gegenstand des Beratungsgesprächs sein können. Die besondere professionelle Kunst der Anlageberatung besteht nun darin, im Interesse und zum Wohle der Kunden das zur persönlichen Situation des Kunden passende Produkt zu finden und den Kunden in die Lage zu versetzen, auf einer informierten Grundlage seine Anlageentscheidung zu treffen. Das haben auch der Gesetzgeber und die Rechtsprechung früh erkannt und den Anlegerschutz als Leitlinie des Wertpapierhandelsgesetzes (nachstehend WpHG) und der hierzu ergangenen Verordnungen angesehen. Professionelle Anlageberater führen die Anlageberatung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften durch und beraten ihre Kunden im Lichte des Anlegerschutzes. Für den Anlageberater ist aber noch eine andere Facette Teil seiner täglichen Arbeit, die ebenfalls berücksichtigt werden muss. Die Anlageberatung ist nicht Selbstzweck, sondern eine Wertpapierdienstleistung, mit der die Unternehmen, die Anlageberatung anbieten, Einnahmen erzielen. Es ist selbstverständlich ein Teil des Wirtschaftslebens, dass die Berater angehalten sind, wirtschaftlich und effektiv zu arbeiten, den Aufwand angemessen zu halten und eine möglichst optimale Zahl von Geschäftsabschlüssen mit unterschiedlichen Finanzinstrumenten zu erreichen. Anlageberater arbeiten also selbstverständlich auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Diese beiden Seiten der Tätigkeit des Anlageberaters – der Anlegerschutz als Leitbild und der wirtschaftliche Aspekt der Beratung – bilden ein natürliches Spannungsfeld. Nehmen die gesetzlichen Vorgaben, die selbstverständlich einzuhalten sind, einen zu großen Raum ein, kann dies beim Abschluss von Geschäften durchaus hinderlich sein bzw. einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten. Haben andererseits die geschäftlichen Vorgaben zu großes Gewicht, kann sich dies nachteilig auf die Einhaltung und Qualität der zu erfüllenden Pflichten nach Maßgabe des geltenden Rechts und damit letztlich auch negativ auf den Anlegerschutz auswirken. Beides
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darf nicht sein; vielmehr müssen beide Seiten des aufgezeigten Spannungsfeldes angemessene Berücksichtigung finden. Bereits an dieser Stelle wird deutlich, worin die Chancen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Anlageberatung liegen: in der sinnvollen Austarierung des dargestellten Spannungsfeldes durch eine professionelle Beratung der Kunden. Dies gelingt nur dann, wenn die Berater die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen kennen und hierzu selbst gut fachlich ausgebildet sind. Das allein genügt aber noch nicht. Entscheidend ist die Unternehmenskultur der Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Nicht allein das Geschäft sollte im Vordergrund stehen. Vielmehr sollte den Kunden und den Beratern ein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Hierzu gehört Zeit für das Beratungsgespräch, um sich auf den Kunden einstellen zu können. Wichtig ist auch das Verständnis, die Interessen und die Situation der jeweiligen Kunden zu berücksichtigen, und für die Kunden in der Beratung eine Informationsbasis zu schaffen, damit sie eine vernünftige Anlageentscheidung treffen können. Die Kunden erwarten keine Anlageberater mit hellseherischen Fähigkeiten. Sie wissen es jedoch zu schätzen, wenn sie in verständlicher und angemessener Form die erforderlichen Informationen erhalten. Zufriedene Kunden entscheiden sich auch zukünftig, Geschäfte mit dem Berater ihres Vertrauens durchzuführen und so eine stabile Geschäftsbeziehung aufzubauen. Dies ist auch im wirtschaftlichen Interesse der Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Sie erhalten Einnahmen durch Provisionen, Gebühren etc., die sie aus den Geschäften im Rahmen der Anlageberatung für sich verbuchen können. Darüber hinaus neigen Kunden, die von ihrem Berater gut über die Wirkungsweise und die Risiken aufgeklärt worden sind, im Falle einer für sie problematischen Entwicklung des Finanzinstrumentes weniger zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Klagen die Kunden dennoch, sind die Erfolgschancen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor Gericht bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflichten im Rahmen der Anlageberatung als gut anzusehen. Das aufgezeigte Spannungsfeld bei der Anlageberatung hat sich durch MiFID grundsätzlich nicht geändert. Allerdings haben sich die gesetzlichen Anforderungen durch die Umsetzung der MiFID in deutsches Recht geändert. Ob diese Änderungen des WpHG und der hierzu ergangenen Verordnungen nun eher eine Chance oder ein Risiko für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei der Durchführung der Anlageberatung bedeuten, werden die nachstehenden Ausführungen zeigen.
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12.3 Der rechtliche Fokus: Anlegerschutz vor und nach MiFID Die Rechtsprechung und der Gesetzgeber haben bereits vor langer Zeit den Anlegerschutz als zentrales Moment bei der Anlageberatung angesehen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner wegweisenden Entscheidung (das „Bond-Urteil“ aus dem Jahr 1993) die Grundsätze der anleger- und anlagegerechten Beratung entwickelt; der Gesetzgeber hat sie in die erste Fassung des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) aus dem Jahre 1998 in die Wohlverhaltensregelungen der §§ 31, 32 WpHG a. F. vom Grundsatz her übernommen. Der zentrale Anknüpfungspunkt bestand bereits zu diesem Zeitpunkt darin, dass der Anlageberater die für die Anlageberatung relevanten persönlichen Umstände seines Kunden kannte. Die besondere Bedeutung der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, seiner Anlageziele und seiner finanziellen Verhältnissen ergab sich aus der ausdrücklichen Aufzählung in § 31 WpHG a.F.- Diese Informationen sollten möglichst vom Kunden eingeholt werden. Darüber hinaus sah das WpHG in seiner alten Fassung schon vor, dass der Kunde auch alle erforderlichen Informationen zu erhalten hatte. Hier war die Aufklärung des Kunden über die Grundlagen und Risiken des ins Auge gefassten Produktes ein wesentliches Element. Nach diesen Grundsätzen haben Anlageberater seit jeher gearbeitet und mit der anlegerund anlagegerechten („objektgerechten“) Beratung einen funktionierenden, wenn auch Wertungen unterliegenden Leitfaden gehabt, um der Vielzahl der möglichen Konstellationen von Kunden und Produkten im Rahmen einer ordnungsgemäßen und professionellen Beratung gerecht werden zu können. Diese grundsätzliche Ausgestaltung des Anlegerschutzes ist durch MiFID und die neuen Regelungen des WpHG, wie sie seit dem 01.11.2007 gelten, detailliert und vertieft worden. Die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie (kurz: MiFID) in das WpHG erfolgte durch das FinanzmarktrechtlinieUmsetzungsgesetz (kurz: FRUG). Das erklärte Ziel des Gesetzgebers war hierbei, die Transparenz für die Anleger zu erhöhen und damit den Anlegerschutz zu stärken. Auffällig ist, dass die Anlageberatung – früher eine sog. Wertpapiernebendienstleistung – nach neuem Recht als Wertpapier(-haupt-)dienstleistung in § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG klassifiziert ist. Das wertet sie als Dienstleistung deutlich auf und zeigt den Stellenwert, den der Gesetzgeber dieser
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Tätigkeit beimisst. Das wird noch unterstrichen durch die Erlaubnispflicht, wenn die Anlageberatung gewerbsmäßig betrieben wird, § 32 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1a Satz 1 KWG. Die Anlageberatung ist nunmehr definiert als die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. 1 Diese Definition umfasst die beiden vorstehend erläuterten maßgeblichen Elemente der Anlageberatung. Der Kunde und seine persönlichen Umstände sind der zentrale Anknüpfungspunkt; dies erinnert stark an die anlegergerechte Beratung. Der Berater muss die relevanten Informationen haben, sonst kann er seinen Kunden nicht „richtig“ beraten. Der zweite Aspekt ist die Empfehlung eines Produktes, das für den Kunden als geeignet dargestellt wird; das Produkt muss also zu den individuellen Anforderungen des Kunden passen. Das ist im Kern die anlagegerechte Beratung. Die Prüfung der Geeignetheit des empfohlenen Finanzinstruments für den individuellen Kunden aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Konstellationen bleibt also der Kern und die Kunst der Anlageberatung. Es ist eine Herausforderung, der sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Anlageberatung betreiben möchte, stellen muss. Denn der Anlegerschutz bleibt auch nach Einführung der MiFID in das neu gefasste WpHG das Maß aller Dinge. Hierzu gehört insbesondere die Beurteilung, ob die Anlageberatung im Einzelfall aus aufsichtsrechtlicher Sicht als ordnungsgemäß, und mit Blick auf die zivilrechtliche Haftung wegen fehlerhafter Anlageberatung als im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben anzusehen ist. Welche Maßgaben dies im Einzelnen sind, und welche Chancen darin für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen liegen, werden für die wichtigsten Pflichten, welche eine professionelle Anlageberatung nach MiFID erfordert, im Folgenden aufgezeigt.
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Siehe zu diesem Thema auch das „Gemeinsame Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlegerberatung“, Stand: 12.11.2007, abrufbar im Internet.
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12.4 Die Informationspflichten im Rahmen der Anlageberatung Die Informationspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen gegenüber ihren Kunden haben sich im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.11.2007 erheblich erweitert. Dies gilt auch, soweit eine Anlageberatung durchgeführt wird. Die Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind aufgrund der neuen Regelungen in § 31 Abs. 2 und 3 WpHG in Verbindung mit der Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDVerOV) zu einer Vielzahl von Informationen gegenüber ihren Kunden verpflichtet. Dies trägt ebenfalls dem gesetzgeberischen Ziel des Anlegerschutzes Rechnung. Der Anleger soll auf einer möglichst guten Informationsbasis seine Anlageentscheidung treffen, d.h. insbesondere die Art und Risiken der angebotenen Produkte und Dienstleistungen verstehen können, § 31 Abs. 3 i.V.m. §§ 3 und 5 WpDVerOV. Der Gesetzgeber trägt den Besonderheiten der drei unterschiedlichen Kundengruppen, die durch MiFID ins deutsche Recht Einzug gehalten haben, durchaus Rechnung. Hierbei werden die Kunden als Privatkunden, als professionelle Kunden oder als geeignete Gegenparteien klassifiziert. Die Privatkunden mit dem höchsten Schutzniveau sind folgerichtig mit der größten Detailtiefe zu informieren. Die WpDVerOV widmet ihnen einen ganzen Paragraphen (§ 4). Die professionellen Kunden und die geeigneten Gegenparteien haben demgegenüber ein niedrigeres Schutzniveau, sie müssen aber dennoch bei der Anlageberatung grundsätzlich mit bestimmten Informationen vor dem Abschluss des Geschäftes versorgt werden. Zu beachten ist, dass geeignete Gegenparteien wie professionelle Kunden zu behandeln sind, sobald sie eine Anlageberatung in Anspruch nehmen. Aus gesetzgeberischer Sicht sind für die Beratung also nur die Privatkunden und die professionellen Kunden relevant. Die geeignete Gegenpartei hat in aller Regel keinen Beratungsbedarf; falls doch, wird sie eben wie ein professioneller Kunde behandelt. 12.4.1 Allgemeine Informationen Zunächst sind die Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, den Kunden allgemeine Informationen zukommen zu lassen. Hierzu gehören
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Informationen über das Unternehmen, also die Bank selbst und ihre Dienstleistungen, über die angebotenen Arten von Finanzinstrumenten und vorgeschlagene Anlagestrategien einschließlich verbundener Risiken, Ausführungsplätze, Kosten und Nebenkosten (einschließlich Provisionen) sowie Informationen über die Vertragsbedingungen, § 31 Abs. 3 Satz 3 WpHG iVm § 5 WpDVerOV. Im Einzelfall kann es geboten sein, dem Kunden weitere Informationen zur Verfügung zu stellen, die bei seiner Anlageentscheidung relevant sein könnten, wie z.B. Angaben über Vermittlungsverhältnisse; der genannte Katalog ist insoweit nicht abschließend. Diese allgemeinen Informationen können nach § 31 Abs. 3 Satz 2 WpHG auch standardisiert erfolgen. Viele Banken haben hiervon Gebrauch gemacht und machen weiterhin Gebrauch von der Versendung eines allgemeinen Informationspaketes, das neben dem Anschreiben die allgemeinen Informationen über die Bank und ihre Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen enthält, dazu Informationen mit dem Umgang für mögliche Interessenkonflikte, Informationen über Zuwendungen sowie Sonderbedingungen und allgemeine Geschäftsbedingungen. Mit dem Informationspaket sind die Bestandskunden zum 01.11.2007 angeschrieben worden; auch die Neukunden erhalten seitdem die Informationen als eine Art „Begrüßungspaket“. Diese Informationen sind teilweise sogar in einer kundenfreundlichen Art und Weise aufbereitet worden, soweit dies aufgrund des Inhaltes möglich war. Die Versendung des Informationspaketes wird von den Beratern häufig als aufwendig empfunden, weil die Praxis durchaus gezeigt hat, dass einige Kunden mit Unverständnis, wenn nicht sogar Ärger auf die Menge an Information reagiert haben. Zugegebenermaßen ist es eine Fülle von Informationen, die der Gesetzgeber als wichtig für die Kunden bewertet hat. Dennoch bieten die Infopakete neben dem Aufwand des Erstellens, Versendens und der Rücklaufkontrolle auch für die Anlageberatung eine Chance. Sie können einen ersten Anknüpfungspunkt bieten, um mit den Neukunden in ein sachliches Gespräch zu kommen und die Expertise für die gewünschten Geschäfte zu zeigen. 12.4.2 Spezielle Informationen über Art und Risiken von Finanzinstrumenten Mit der Übermittlung der allgemeinen Informationen an den Kunden sind die neuen Informationspflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen aber noch nicht erfüllt. Sie haben weiterhin die Pflicht aus § 31 Abs. 3
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WpHG, ihren Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen zur Verfügung zu stellen, damit die Kunden nach vernünftigem Ermessen die Art und die Risiken der ihnen angebotenen oder von ihnen nachgefragten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen verstehen und auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidung treffen können. Auch hier lässt sich nach allgemeiner und spezieller Risikoaufklärung unterscheiden. Die allgemeine Risikoaufklärung erfolgt grundsätzlich über die Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren und die Basisinformationen über Termingeschäfte. Diese beiden Informationsbroschüren werden insbesondere den Privatkunden von den Banken standardmäßig zur Verfügung gestellt. Die vorgenannten Basisinformationen sind in Folge der MiFID-Einführung auf den aktuellen Stand gebracht und auch den Neukunden zusammen mit dem Erstinformationspaket zugesandt worden. Flankiert wird diese sehr allgemein formulierte Pflicht für die Information der Kunden über die Risiken von Finanzinstrumenten, § 31 Abs. 3 Satz 3 Ziffer 2 i.V.m. § 5 WpDVerOV. Bei der Ausgestaltung dieser Informationspflicht differenziert der Gesetzgeber wieder nach den einzelnen Kundengruppen und dem unterschiedlichen Schutzbedürfnis von Privatkunden, professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien, § 5 Abs. 1 WpDVerOV. Er geht aber noch darüber hinaus und setzt als Prüfungsmaßstab nicht nur das Schutzbedürfnis, sondern auch die Kenntnis der Kunden an, die bei der Ausgestaltung der Informationsschrift zu berücksichtigen ist. In der detaillierten Aufzählung des § 5 Abs. 1 Ziffer 1 bis 5 WpDVerOV wird sodann deutlich, welche Informationen der Gesetzgeber für alle Kundengruppen als wesentlich erachtet. Hierbei handelt es sich um Konkretisierungen des bereits seit langer Zeit maßgeblichen Grundsatzes, wonach der Kunde alle erforderlichen Informationen bei der Anlageberatung zu erhalten hatte, § 31 WpHG a.F.- Hierzu gehören neben den Risiken des einzelnen Finanzinstruments insbesondere Risikoausgestaltungen, die der Kunde aus Sicht des Gesetzgebers zwingend berücksichtigen muss, wenn er eine informierte Anlageentscheidung treffen will. Ausdrücklich nennt der Verordnungsgeber die Hebelwirkung und ihre Effekte, das Risiko des Totalverlustes, die Volatilität des betreffenden Finanzinstrumentes, die Risiken aus Beschränkungen des verfügbaren (liquiden) Marktes und die Be-
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schreibung der vom Kunden zu übernehmenden finanziellen Verpflichtungen wie etwa Einschusspflichten. Ausdrücklich geregelt ist ein interessanter Punkt in § 5 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 5 WpDVerOV: Kombiniert man verschiedene Finanzinstrumente, und besteht die Wahrscheinlichkeit, dass durch die Kombination verschiedener Finanzinstrumente oder Wertpapierdienstleistungen in einem zusammengesetzten Finanzinstrument die Risiken größer sind als das mit jedem der Bestandteile verbundene (Einzel-)Risiko, muss die Beschreibung der Risiken eine angemessene Information über die Bestandteile des betreffenden Instrumentes und die Art und Weise, in der sich das Risiko durch die gegenseitige Beeinflussung der Bestandteile erhöht, enthalten. Bei den zusammengesetzten Finanzinstrumenten sieht der Gesetzgeber das Informationsbedürfnis des Kunden also als besonders hoch an. Es dürfte nicht ganz einfach sein, die genaue Trennlinie zu beschreiben, wann die vorgenannte Pflicht zu erfüllen ist, denn die Verordnung spricht von der Information über das Risiko der Bestandteile. Was hierunter derzeit zu verstehen ist, lässt sich nicht präzise sagen, die zukünftige Rechtsprechung wird es zeigen. Weitere spezielle Informationen werden den Kunden durch Prospekte, Informationsbroschüren, Flyer und anderes Material zur Verfügung gestellt. Diese sind auch notwendig, um wegen der Vielzahl der Produkte dem Kunden Informationen in schriftlicher Form zur Verfügung zu stellen; denn an dieser Stelle hat sich die Rechtslage verschärft. Während nach der alten Rechtslage auch mündliche Informationen ausreichend waren, sind dem Kunden nunmehr die Informationen grundsätzlich auf einem dauerhaften Datenträger wie z.B. Papier, zur Verfügung zu stellen; § 3 Abs. 1 WpDVerOV, während andere Medien nur mit Zustimmung des Kunden genutzt werden dürfen, § 3 Abs. 3 WpDVerOV. 12.4.3 Erfüllung dieser Informationspflichten als Risiko oder als Chance? Sieht man den nunmehr ausführlich normierten Pflichtenkatalog, stellt sich für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welche die Anlageberatung anbieten, in der Tat die praktische Frage: Ist die Beachtung dieser Pflichten nun eher ein Risiko, oder wo liegt hierin die Chance? Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Formalisierung der Anforderung an die Informationen, die der Kunde zu erhalten hat, bevor eine An-
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lageberatung ausgeführt wird, ein Risiko in sich trägt. Es ist durch die schriftliche Form und die Zurverfügungstellung auf einem dauerhaften Datenträger auch nach längerer Zeit einfach möglich festzustellen, welchen Inhalt die Information genau hatte, und ob sie ausreichend war. Ein Kunde, der mit einem Geschäft in Finanzinstrumenten nicht zufrieden ist, wird sich das erhaltene Informationsmaterial anschauen und sich überlegen, ob die erhaltenen Informationen ausreichend waren, und ob er auch alle für das Geschäft relevanten Unterlagen erhalten hat. Er wird sie mit den gesetzlichen Vorschriften Punkt für Punkt abgleichen, um eine Diskrepanz festzustellen. Für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen stellt sich natürlich die Parallelfrage: Wie kann nachgewiesen werden, dass der Kunde alle relevanten Informationen erhalten hat, insbesondere über die Risiken des Finanzinstrumentes oder der Wertpapierdienstleistung, wenn der Kunde die Unterlagen nicht mehr hat oder dies zumindest behauptet? In diesem Punkt der Informationspflichten ist also gerade im Hinblick auf die Unterlagen, welche dem Kunden bei der Anlageberatung an die Hand gegeben werden und auch gegeben werden müssen, besondere Sorgfalt geboten. Diese besondere Sorgfalt in der Darstellung der Produkte ist in Einklang zu bringen mit den Werbeaussagen, welche in diesen Unterlagen enthalten sein können. Gerade bei der Darstellung der Chancen und Risiken eines Produktes ist auf die Ausgewogenheit der Darstellung zu achten. Die obligatorischen Charts über Wertentwicklungen sollten daraufhin untersucht werden, ob sie den Anforderungen der WpDVerOV gerecht werden. Insbesondere auf die für einen Fachmann selbstverständliche Tatsache, dass Wertentwicklungen keinen sicheren Indikator für die zukünftige Entwicklung darstellen, sollte in den Unterlagen hingewiesen werden. Diese Sorgfalt in der Ausgestaltung der Informationsmaterialien bietet zum Einen Schutz vor dem Risiko, infolge eines Versäumnisses bei den Informationen von einem Kunden auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden und sich gegenüber den Prüfern den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, die Informationsmaterialien nicht im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen Anforderungen gestaltet zu haben. Zum Anderen bietet die geforderte Sorgfalt aber eine weitere Chance. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann sich auf die einzelnen Kundengruppen einstellen und ihre professionelle Expertise bei der Beratung von Kunden in den Vordergrund stellen. Informationsmaterialen, welche die für Kunden häufig komplexen Wirkungsweisen von Produkten verständlich erklären und sowohl die Chancen als auch die Risiken ausgewogen darstellen, zeugen von der Seriosität des anbietenden Unternehmens.
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Sie bieten die Chance, sich gegenüber den Kunden zu profilieren; dies wissen Kunden zu schätzen. Letztlich ist die ordnungsgemäße Ausgestaltung der Informationsmaterialien eine wichtige Facette, um den Kunden in die Lage zu versetzen, auf informierter Grundlage zu entscheiden und so dem Anlegerschutz Rechnung zu tragen. Der Kunde vertraut in diesem Punkt seinem Berater. Fühlt er sich gut informiert, werden ihn problematische Entwicklungen seines Finanzinstrumentes zwar nicht freuen, aber dann auch nicht überraschen.
12.5 Die Geeignetheitsprüfung – was ist hieran neu? Ein zentrales Element der Anlageberatung ist die sog. Geeignetheitsprüfung, auch „suitability test“ genannt. § 34 Abs. 4 WpHG regelt allgemein, welche Elemente bei der Geeignetheitsprüfung zu beachten sind. Diese Regelung stellt eine Weiterentwicklung der alten Rechtslage dar, die den Anlageberatern vertraut sein dürfte; die Anforderungen an die Geeignetheitsprüfung sind genauer geworden und tragen der unterschiedlichen Kundenklassifizierung in Privatkunden auf der einen Seite sowie professionelle Kunden auf der anderen Seite Rechnung. Die Geeignetheitsprüfung wird bestimmt durch zwei Schritte. Zuerst besteht die in § 34 Abs. 4 Satz 1 WpHG normierte Pflicht, von den Kunden bestimmte, nachstehend beschriebene Informationen einzuholen. Dies sieht der Gesetzgeber notwendigerweise als Voraussetzung an, um einem Kunden überhaupt ein für ihn geeignetes Finanzinstrument empfehlen zu können. In einem zweiten Schritt ist der Anlageberater verpflichtet zu beurteilen, ob das konkrete Geschäft für den individuellen Kunden geeignet ist. 12.5.1 Die erforderlichen kundenbezogenen Informationen Die Inanspruchnahme der Anlageberatung durch den Kunden setzt voraus, dass der Kunde alle Informationen übermittelt, die für die Prüfung der Geeignetheit erforderlich sind. Die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden sind die Grundlage für die Durchführung des Geeignetheitstests. Es müssen jedoch nicht wie bisher die Kenntnisse oder Erfahrungen, sondern die Kenntnisse und Erfahrungen abgefragt werden.
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Bei der Bandbreite, welche Informationen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von seinen Kunden einzuholen hat, unterscheidet das WpHG konsequenterweise wiederum nach den drei Kundengruppen.
Privatkunden
Bei den Privatkunden geht die Informationspflicht wegen des bestehenden Schutzbedürfnisses am weitesten, § 34 Abs. 4 Satz 1 WpHG. Es müssen alle Informationen eingeholt werden über die Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten, über die Anlageziele der Kunden und über ihre finanziellen Verhältnisse. Die Grenze besteht darin, dass die Informationen erforderlich sein müssen, um dem Kunden ein für ihn geeignetes Finanzinstrument empfehlen zu können. Auch hier konkretisiert § 6 WpDVerOV die Anforderungen in erheblicher Weise. Nach § 6 Abs. 1 WpDVerOV sind hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse der Kunden Angaben zu Grundlagen und Höhe des regelmäßigen Einkommens und der regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen sowie der vorhandenen Vermögenswerte erforderlich. Die Anlageziele werden hinsichtlich Anlagedauer, Risikobereitschaft und der mit der Anlage verfolgten Zwecke konkretisiert. Die erforderlichen Angaben zu den Kenntnissen und Erfahrungen gehen so weit, dass nicht nur Art, Umfang, Häufigkeit und Zeitraum zurückliegender Geschäfte des Kunden mit bestimmten Finanzinstrumenten anzugeben ist, sondern darüber hinaus auch die Ausbildung sowie die gegenwärtigen und relevanten früheren Tätigkeiten des Kunden, § 6 Abs. 2 WpDVerOV. Die vorgenannten Informationen sind von ihrer Art her nichts Neues. Auch das alte WpHG sah in § 31 WpHG a.F. die vorgenannten Kategorien vor. Die entsprechenden Informationen wurden mit den WpHG-Bögen eingeholt. An dieser Vorgehensweise hat sich auch nichts geändert. Die neuen WpHG-Bögen für die Privatkunden sind an den entsprechenden Stellen nur detaillierter geworden. Wenn die Kunden monieren, sie verstünden nicht, aus welchen Gründen diese Angaben alle erforderlich sein sollen, ist die Überzeugungskraft des Anlageberaters gefordert. Sensibel sind hier vor allem die umfassenden Angaben zu den finanziellen Verhältnisses und den Kenntnissen und Erfahrungen, bei denen sich manche Kunden schwer tun. Hier lässt sich gut auf den hohen Stellenwert verweisen, den der Gesetzgeber diesen Informationen für die Durchführung einer professionellen Anlageberatung zugedacht hat.
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Auch die Folgen sind bedenkenswert, wenn Kunden die geforderten Angaben nicht vollständig erteilen. Denn es darf im Rahmen einer Anlageberatung dann kein Finanzinstrument empfohlen werden, § 34 Abs. 4 Satz 3 WpHG. Das bedeutet zwar nicht, dass der Anlageberater kein Geschäft mehr mit dem Kunden machen darf, allerdings nur im Rahmen eines beratungsfreien Geschäftes, das eine andere Qualität als die Anlageberatung hat. Wünscht der Kunde also den speziellen Service der Anlageberatung, die auch seinem Schutz dient, lässt sich dies nur mit allen erforderlichen Informationen anbieten. Fehlen dem Kunden nur die Kenntnisse, dürfte es auch künftig zulässig sein, ihm im Rahmen der Anlageberatung die entsprechenden Kenntnisse zu vermitteln, um Wertpapiergeschäfte zu tätigen mit Produkten, die ein höheres Risiko haben als die Produkte, in denen der Kunde bislang Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hat. Die Vermittlung der entsprechenden Kenntnisse gehört zur Kunst des Anlageberaters und bietet natürlich die entsprechende Chance, den Privatkunden in die Lage zu versetzen, auch hinsichtlich neuer Produkte eine Anlageentscheidung auf informierter Grundlage treffen zu können.
Professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien
Für professionelle Kunden arbeitet das Gesetz mit der sog. „Vermutung“ d.h. das Gesetz setzt als Grundfall voraus, dass professionelle Kunden über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, und dass die mit dem Geschäft verbundenen Risiken finanziell tragbar sind. Die gesetzliche Vermutung führt dazu, dass ein professioneller Kunde für das Nichtvorliegen der Kenntnisse und Erfahrungen die Beweislast trägt. Es bleibt aber die Verpflichtung der Bank, die erforderlichen Angaben über die Anlageziele einschließlich der Risikobereitschaft einzuholen, um die Geeignetheitsprüfung durchführen zu können. Die geeigneten Gegenparteien werden, wie oben gesagt, im Rahmen der Anlageberatung wie professionelle Kunden behandelt. Auch hier bietet sich die Einholung der erforderlichen Angaben durch einen modifizierten WpHG-Bogen an. Die Ausfüllung des Bogens bietet auch dem Anlageberater die Gelegenheit, mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen und die ihm vorliegenden Informationen auf den neuesten Stand zu bringen.
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Für alle Kundengruppen gilt:
Bei Bestandskunden wird die Auffassung vertreten, dass eine komplette Erfassung aller Daten der Kunden nicht erforderlich ist. Vor der nächsten Anlageberatung können die ggf. fehlenden Informationen eingeholt werden. Vergleicht man die alte und die neue Rechtslage hinsichtlich des Umfangs und der Qualität der einzuholenden Informationen, dann trägt die neue Ausgestaltung der Pflicht zur Einholung von Informationen den einzelnen Kunden und ihrer Klassifizierung nun auch formaljuristisch Rechnung. Sie ist genauer geworden, und sicher auch arbeitsintensiver. Auch die Folge des Fehlens von Informationen ist konsequent. Da ohne diese Informationen keine professionelle Anlageberatung der Kunden möglich ist, sollte man hier seitens des Anlageberaters eher die Gelegenheit sehen, mit dem Kunden in ein Gespräch über seine persönlichen Gegebenheiten zu kommen, um der individuellen Situation Rechnung tragen zu können. 12.5.2 Die Geeignetheitsprüfung als Kern der Anlageberatung Hat das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die gesetzlich vorgesehenen Informationen vom Kunden erhalten, ist der Anlageberater verpflichtet zu prüfen, ob das empfohlene Finanzinstrument für den Kunden geeignet ist. § 34 Abs. 4 Satz 2 WpHG setzt hierfür den Maßstab: Die Geeignetheit beurteilt sich danach, ob das konkrete Geschäft, das dem Kunden empfohlen wird, den Anlagezielen des betreffenden Kunden entspricht, die hieraus erwachsenden Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind und der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die hieraus erwachsenden Anlagerisiken verstehen kann. Die Geeignetheitsprüfung ist damit das zentrale Element der Anlageberatung. Sie ist die hohe Kunst, nämlich aus der Vielzahl der dem Berater zur Verfügung stehenden Finanzinstrumente das für den Kunden mit seiner persönlichen Situation herauszufinden und empfehlen zu können. Für die Privatkunden ist die Geeignetheitsprüfung am Umfassendsten und berücksichtigt neben den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden seine finanziellen Verhältnisse. Es sind also alle diejenigen Informationen in die Beurteilung der Geeignetheit einzubeziehen, die der Kunde im Rahmen der Einholung der Informationen gegeben hat. Bei den professionellen Kunden und den geeigneten Gegenparteien beschränkt sich die Geeignet-
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heitsprüfung auf die Bewertung der Anlageziele und des empfohlenen Finanzinstrumentes. In der Praxis lässt sich diese Pflicht am einfachsten erfüllen, wenn man eine Art Checkliste für die Prüfung benutzt, die genug Spielraum lässt, um den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Wie kann dies praktisch aussehen? Geeignet ist eine Art Flussdiagramm, das die einzelnen Schritte, welche zur Beurteilung der Geeignetheit des empfohlenen Finanzinstrumentes für einen individuellen Kunden erforderlich sind, nacheinander aufzeigt. Beginnend mit der Frage: Sind Kunde und Bank im Bereich der Anlageberatung, oder anders gewendet, fragt der Kunde nicht ein nur beratungsfreies Geschäft oder ein reines Ausführungsgeschäft nach. Will der Kunde beraten werden, so ist zu prüfen, ob der Kunde alle im Rahmen seiner Klassifizierung erforderlichen Informationen abgegeben hat. Ist dies der Fall, beginnt die professionelle Arbeit des Anlageberaters. Er hat das Finanzinstrument, das er empfehlen will, im Hinblick auf vorgenannten maßgeblichen Faktoren daraufhin zu überprüfen, ob es zu den Vorgaben des Kunden passt. Wird nur ein einziger Punkt mit nein beantwortet, sei es, dass die Anlageziele, etwa die Risikobereitschaft des Kunden, nicht passen, oder die finanzielle Situation nicht zu dem empfohlenen Finanzinstrument passt oder die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden generell nicht ausreichen, dann darf eine Empfehlung nicht erfolgen. Das Geschäft kann im Rahmen der Anlageberatung nicht durchgeführt werden. 12.5.3 Eine Bewertung der neuen Anforderungen Die Ausgestaltung der Anlageberatung als Empfehlung und die Beschreibung der Pflichten der Bank im Rahmen der Geeignetheitsprüfung folgen zwar den gleichen Grundsätzen, wie sie früher für die Anlageberatung galten, sie sind aber sehr viel differenzierter ausgestaltet. Um sie zu erfüllen, muss der Anlageberater sich die Zeit nehmen, die individuellen Umstände seines Kunden zu untersuchen und aus der Vielzahl der Finanzinstrumente und Produkte ein für den Kunden im konkreten Fall geeignetes Produkt zu finden. Er hat darüber hinaus den Kunden so zu informieren, dass dieser auf informierter Grundlage eine Anlageentscheidung treffen kann. Die starke Konkretisierung und auch Formalisierung der Pflichten im Rahmen der Anlageberatung hat jedoch sowohl positive als auch negative Effekte.
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Als Chance zu sehen ist die Fokussierung auf den Kunden und der Anspruch, seinen persönlichen Umständen und dem Vertrauen, das er in eine professionelle Anlageberatung setzt, entgegenkommen zu können. Die Konkretisierung der Pflichten wird mittelfristig helfen, Rechtssicherheit hinsichtlich der aufsichtsrechtlich geforderten Pflichten zu bringen. Auf der anderen Seite wird das Kundengespräch mit mehr Vorbereitungs- und Nachbereitungszeit für die Beratung und Dokumentation sicher sehr viel zeitintensiver sein als zuvor. Insgesamt gesehen sind die neuen Regelungen sicher im Sinne des Anlegerschutzes.
12.6 Die Interdependenz Das WpHG als Teil des Aufsichtsrechts und die zivilrechtliche Seite der Anlageberatung stehen in einem Spannungsverhältnis. Die wesentlichen Elemente der Anlageberatung sind nach wie vor die persönliche Empfehlung des Beraters gegenüber dem Kunden, zugeschnitten auf dessen persönliche Umstände. Diese Regelungen im WpHG stellen in erster Linie Aufsichtsrecht dar und sind von Wertpapierdienstleistungsunternehmen und den Anlageberatern schon aus diesem Grunde zu beachten. Die zivilrechtliche Haftung ist aber ebenso zu beachten, nämlich bei fehlerhafter Beratung. Grundlage der Anlageberatung ist der Beratungsvertrag. Dieser Vertrag wird in der Regel konkludent, d.h. durch schlüssiges Verhalten abgeschlossen: Der Kunde kommt zum Anlageberater und will beraten werden, der Anlageberater beginnt mit der Anlageberatung. Seit dem „Bond-Urteil“ des BGH 2 ist es ständige Rechtsprechung, dass zumindest eine Bank die Grundsätze der anleger- und anlagegerechten Beratung erfüllen muss. Tut sie dies nicht, verletzt sie ihre sich aus dem Beratungsvertrag ergebenden Pflichten und ist dem Kunden zum Schadensersatz verpflichtet, wenn dieser einen Vermögensschaden erlitten hat. Auch hier liegt eine Chance der Bank: Ist unklar, ob der Kunde eine Anlageberatung wünscht oder nur eine Vermittlung oder Information über ein Produkt, sollte der Anlageberater für sich und das Wertpapierdienstlei2
BGH, Urteil vom 6.7.1993, Az. XI ZR 12/93 (BGH NJW 1993, 2433).
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stungsunternehmen Klarheit schaffen über den genauen Inhalt des Kundenwunsches. Er kennt dann den Inhalt der vertraglichen Grundlage und die zu erfüllenden Pflichten. Sind Kunde und Berater einig darüber, was der Gegenstand der nun folgenden Dienstleistung ist, wird der Kunde nicht enttäuscht sein (können). Erwartet er eine Anlagevermittlung und ist dem Anlageberater dies bewusst, wird der Anlageberater den Kunden nicht mit einer überflüssigen Beratung beschäftigen. Erwartet der Kunde jedoch eine Anlageberatung und erhält sie nicht, weil dieser Wunsch vom Anlageberater so nicht verstanden worden ist, dann sind zukünftige Auseinandersetzung im Falle eines sich nicht erwartungsgemäß entwickelnden Investments vorprogrammiert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Interdependenz des Wertpapierhandelsgesetzes als Aufsichtsrecht und dem Umfang der Pflichten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung. Hierbei ist der naheliegende Ansatz verfolgt worden, die aufsichtsrechtlich normierten Pflichten auch im Rahmen der vertraglichen Pflichten als maßgebend oder zumindest mitbestimmend anzusehen. Erstaunlicherweise ist diese Frage – betrachtet man sie allein rechtsdogmatisch – noch nicht höchstrichterlich geklärt. Überzeugend ist jedoch die Auffassung, den aufsichtsrechtlich für die Anlageberatung normierten Pflichten zumindest eine Art Doppelnatur beizumessen. Es wäre ohne Sinn, aufsichtsrechtlich detaillierten und aufwendigen Vorgaben folgen zu müssen, die dann auf der zivilrechtlichen Ebene mit dem beratenden Kunden ohne Bedeutung sein sollen. Nimmt man den Anlegerschutz ernst, dann müssen die im Rahmen des Beratungsvertrages zu erfüllenden Pflichten auch durch die aufsichtsrechtlichen Vorgaben konkretisiert werden dürfen. Das bedeutet für die zivilrechtliche Haftung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, dass in zweierlei Hinsicht die Gefahr einer Haftungsverschärfung besteht. Zum einen besteht die Notwendigkeit, genau darauf zu achten, dass die vielfältigen Pflichten, insbesondere die Informationspflichten und die Prüfung der Geeignetheit sorgfältig durchgeführt werden. Darüber hinaus ist die Anlageberatung aufsichtsrechtlich als Empfehlung definiert. Der Geschäftsabschluss ist nicht Gegenstand der Anlageberatung. Daher ist fraglich, ob die Haftung der Anlageberater auch für den Fall verschärft wird, wenn es gar nicht zu einem Geschäftsabschluss gekommen ist.
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Unter dem Gesichtspunkt, ob die neuen Regelungen eher eine Chance oder ein Risiko darstellen, erweitern sie wohl eher das Risiko, von Kunden unter dem Gesichtspunkt der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Pflichten im Rahmen der Anlageberatung in Anspruch genommen zu werden.
12.7 Plädoyers
12.7.1 Das erste Plädoyer: Für eine ausführliche Risikoaufklärung des Kunden Warum ein solches Plädoyer? In der Praxis zeigt sich, dass die Risikoaufklärung des Kunden an mancher Stelle als „die unangenehme Seite der Beratung“ empfunden wird. Es erscheint attraktiver, dem Kunden die Chancen einer Anlageform zu erläutern, insbesondere die Rendite. Der Kunde soll überzeugt werden, das besprochene Finanzinstrument zu kaufen. Unterstützt wird der Berater hierbei häufig von Produktunterlagen, die professionell erstellt worden sind. Die Pflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind, wie vorstehend dargestellt, hinsichtlich der standardisierten schriftlichen Information des Kunden über die Produkte und insbesondere hinsichtlich der Risikoaufklärung, durch die neuen Regelungen detailliert ausgestaltet worden. Das Beratungsgespräch hat aber von seiner zentralen Bedeutung für den Kunden hierdurch nichts eingebüßt. Bereits nach der alten Rechtslage hatte der BGH das sog. „Waschkorbprinzip“ ausgeschlossen, nach dem es unzulässig war, dem Kunden eine Vielzahl von Informationen mitzugeben und von ihm zu erwarten, dass er sich hier umfassend informiert. Vielmehr stand das Beratungsgespräch im Vordergrund, mit gutem Sinn: denn nur im Gespräch ist es dem Berater möglich, in Erfahrung zu bringen, ob der Kunde tatsächlich auf informierter Grundlage seine Anlageentscheidung trifft. Der Anlageberater musste und durfte den einzelnen Kunden bei der Beratung im Blick haben. Insbesondere das Fehlen von Kenntnissen und Erfahrungen kann im Kundengespräch ausgeräumt werden. Vermittelt der Anlageberater dem Kunden die erforderlichen Kenntnisse, dann darf der Kunde auch Geschäfte
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machen, die er vorher nicht hätte tätigen dürfen. Macht der Anlageberater seine Sache gut und hat der Kunde neben den Chancen auch die Wirkungsweise, die Grundlagen und die Risiken eines Finanzinstrumentes verstanden, hat dies zwei entscheidende Effekte. Für den Kunden ist diese professionelle Form der Anlageberatung ein positives Zeichen. Er wird das Gefühl haben, ein Geschäft abgeschlossen zu haben, das er versteht und das zu seiner persönlichen Situation passt. Er wird dies als professionelle Anlageberatung honorieren. Eine gute Beratung, die beim Kunden das Verständnis für das Geschäft gefördert hat, führt im Fall der Risikoverwirklichung dazu, dass der Kunde eher nicht emotional reagiert und ihm verständlich gemacht werden kann, dass sich ein Risiko verwirklicht hat, das er kannte und verstanden hatte. Die ausführliche Risikoberatung im Beratungsgespräch und die Fürsorge für den Kunden, dass das empfohlene Finanzinstrument auch geeignet ist, sollte dem professionellen Selbstverständnis des Anlageberaters entsprechen. Zusammenfassend liegt in der Sorgfalt der Risikoaufklärung, spätestens im Beratungsgespräch, ein Schlüssel für den Erfolg der Anlageberatung. Das Interesse des Kunden, nicht das des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, steht im Vordergrund. Die ausführliche Risikoaufklärung gehört dazu und muss sich am jeweiligen Kunden orientieren. In dieser oft als unangenehm und lästig empfundenen Seite des Beratungsgespräches liegt als die Chance, dem Kunden das Gefühl zu geben, dass er insgesamt gut aufgehoben ist mit seinen Vermögensinteressen. 12.7.2 Das zweite Plädoyer: Die umfassende Dokumentation der Anlageberatung Das Thema der umfassenden Dokumentation der Anlageberatung ist unter Praktikern ebenfalls ein durchaus unliebsames Thema. Häufig wird die Pflicht zur Dokumentation als lästiges Anhängsel eines Wertpapiergeschäftes empfunden. Der Nutzen der für die Dokumentation zu investierenden Zeit und Konzentration wird nicht gesehen, sondern vielmehr als Aufwand empfunden. Dennoch bietet es sich an, über den Sinn einer inhaltlich aussagekräftigen Dokumentation der Anlageberatung auch über den gesetzlich geforderten Rahmen hinaus nachzudenken. Hier stellt sich zunächst die Frage, welchen Umfang die Dokumentationspflichten, wie sie im neuen WpHG seit dem 01.11.2007 geregelt sind,
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überhaupt haben. Seitens des Gesetzgebers wird es nicht als ausreichend angesehen, die Pflichten im Rahmen der Anlageberatung zu erfüllen. Weitere Pflicht ist die Dokumentation der Anlageberatung. Die grundsätzliche Pflicht zur Dokumentation ergibt sich aus § 34 Abs. 1 WpHG. Danach ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter anderem verpflichtet, über die von ihm erbrachten Wertpapierdienstleistungen Aufzeichnungen zu erstellen, die es der BaFin ermöglichen, die Einhaltung der entsprechenden Pflichten zu prüfen. Diese Pflicht ist in § 14 Abs. 6 WpDVerOV für die Anlageberatung wie folgt ausgestaltet: Aufzeichnungen über eine erfolgte Anlageberatung sind dann nicht notwendig, wenn es zu einem entsprechenden Geschäftsabschluss kommt, der im Sinne des § 31 Abs. 4 Satz 2 WpHG geeignet ist, und wenn dies entsprechend nachvollzogen werden kann. Der Umstand, dass ein Geschäftsabschluss auf einer Beratung beruht, muss jedoch stets erkennbar sein. Es überrascht, dass der Gesetzgeber die Dokumentationsanforderung bei der Anlageberatung als Ausnahme von einer Regel formuliert hat. Die Begründung zur Verordnung ergibt, dass diese Vorschrift unter bestimmten Voraussetzungen Doppelaufzeichnungen verhindern soll. Fragt man sich, welche Doppelaufzeichnungen dies sein können, wird eine Besonderheit der Anlageberatung deutlich. Die generelle Eignung der Empfehlung für einen speziellen Kunden lässt sich bereits anhand der vorhandenen Unterlagen feststellen, wenn man im Rahmen der dokumentierten Geeignetheitsprüfung die dem Geschäft zugrundegelegten Kundenangaben mit dem empfohlenen Finanzinstrument vergleicht und ein Geschäftsabschluss vorgenommen worden ist, der seinerseits dokumentiert ist. Bedeutet diese Regelung gleichzeitig, dass die Empfehlung auch dann zu dokumentieren ist, wenn der Kunde sich gegen einen Geschäftsabschluss entscheidet, oder wenn der Kunde von mehreren empfohlenen Finanzinstrumenten nur einen Teil ausführen lässt? Der Wortlaut der Dokumentationspflichten scheint dafür zu sprechen, so dass diese Ansicht derzeit auch vertreten wird. Auf der anderen Seite ist es unstreitig, dass es nicht zu den gesetzlichen Pflichten gehört, das Anlageberatungsgespräch inhaltlich zu dokumentieren. Wie passt das zusammen? Da es derzeit keine ausdrücklichen Erleichterungen seitens der BaFin gibt, bleibt nur, alle Empfehlungen zu dokumentieren. Es ist sinnvoll, wenn auch nicht gesetzlich geboten, die Inhalte der Gespräche mit dem Kunden und die Einzelheiten des Beratungsgespräch zu dokumentieren. So wird
12. Anlageberatung: Risiko oder Chance nach MiFID?
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der Kunde z.B. erwähnen, aus welchen persönlichen Gründen er eine bestimmte Anlageform ins Auge gefasst hat, sei es, um für sein Alter vorzusorgen, sei es, um den Kindern oder Enkeln möglichst viel Vermögen zu vererben. Dokumentiert der Anlageberater umfassend, so ist er zukünftig gewappnet, wenn der Kunde bei einer nicht erwarteten negativen Entwicklung des Finanzinstrumentes versucht, das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zivilrechtlich auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Die Dokumentation muss dabei inhaltlich aussagekräftig und wieder auffindbar sein. Sie muss nicht zwingend auf dem WpHG-Bogen erfolgen, sondern kann auch anders strukturiert sein, etwa als papiermäßiger Hinweis in der Kundenakte oder etwa durch Bezugnahme auf andere Unterlagen, z.B. Flyer oder Präsentationsunterlagen. Ob die Dokumentation von Empfehlungen, die nicht zu Geschäftsabschlüssen führen, nun als eher formalistisch und nicht vom Sinn und Zweck des Gesetzes anzusehen ist, mag an dieser Stelle dahin stehen. Denn im Rahmen eines Plädoyers für eine umfassende Dokumentation ist sie eingeschlossen. Schon aus Gründen des Selbstschutzes des Anlageberaters und seines Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist sie zu begrüßen; denn so kann auch nach längerer Zeit noch nachvollzogen werden, welchen genauen Inhalt das Beratungsgespräch hatte und ob die Anlageberatung, insbesondere die Geeignetheitsprüfung, ordnungsgemäß erfolgt ist.
12.8 Resümee: Anlageberatung nach MiFID: Eher eine Chance Kommen wir zurück auf das eingangs dargestellte Spannungsfeld, in dem sich der Anlageberater bei seiner Tätigkeit bewegt. Durch die Einführung der MiFID ist es möglich, beiden Seiten des Spannungsfeldes Rechnung tragen. Durch die Formalisierung und Konkretisierung der im Rahmen der Anlageberatung zu erbringenden Pflichten gegenüber dem Kunden findet der Anlageberater größere Sicherheit in der Frage, wie eine ordnungsgemäße Anlageberatung ausgestaltet sein muss. Der hiermit verbundene, möglicherweise als größer empfundene Aufwand wird kompensiert durch die professionelle Arbeit der Anlageberater im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Pflichten, die das vom Kunden entgegengebrachte Vertrauen
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rechtfertigen. Insgesamt wird die Anlageberatung in ihrer Wertigkeit durch die neuen Regelungen im WpHG und die „Erhebung“ zur Wertpapierdienstleistung gestärkt. Dies kann nur im Sinne der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein, welche die Anlageberatung im Interesse ihrer Kunden anbieten. Letztlich: diejenigen Kunden, die den Versuch unternehmen, ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen Verletzung einer der vielfältigen Pflichten auf Schadensersatz zu verklagen, können daran nicht gehindert werden. Sind die Pflichten, insbesondere die Geeignetheitsprüfung, die Information über die Risiken und die Dokumentation ordnungsgemäß erfüllt worden, wird es den Kunden schwer fallen, hier erfolgreich zu sein.
12.9 Zusammenfassung in Kurzform Die folgende Checkliste soll eine praktische Hilfe für die in diesem Kapitel untersuchten Fragestellungen bieten:
Ist mit dem Kunden ein Vertrag betreffend Anlageberatung geschlossen worden?
Da in der Anlageberatungspraxis mit den Kunden in der Regel die Verträge mündlich geschlossen werden, empfiehlt es sich für den Anlageberater, darauf zu achten, mit welchem Inhalt der Vertrag zustande kommt. Hiernach richten sich die zu erfüllenden Pflichten. Das gilt unabhängig von der Klassifizierung des Kunden. Es erfolgt also eine Abgrenzung der Anlageberatung zum beratungsfreien Geschäft und zu „Execution only“.
Was genau ist unter Anlageberatung zu verstehen?
Anlageberatung ist nach § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG definiert als Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.
12. Anlageberatung: Risiko oder Chance nach MiFID?
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Welche der klassifizierten Kundengruppen sind betroffen?
Die Regelungen zur Anlageberatung gelten für Privatkunden wie auch für professionelle Kunden. Geeignete Gegenparteien werden im Rahmen der Anlageberatung wie professionelle Kunden behandelt.
Welche Informationen muss der Kunde von der Bank bekommen?
Dem Kunden sind vor der Anlageberatung die allgemeinen Informationen des § 31 Abs. 3 WpHG zur Verfügung zu stellen, insbesondere Informationen über das Wertpapierdienstleistungsunternehmen u. seine Dienstleistungen, die Arten und Risiken von Finanzinstrumenten, die Ausführungsplätze sowie die Kosten und Nebenkosten. Dies kann auch standardisiert erfolgen.
Welche Informationen sind vom Kunden einzuholen?
Der Anlageberater muss die erforderlichen Angaben vom Kunden einholen, um die Geeignetheitsprüfung (s.u.), je nach Kundengruppe, durchführen zu können.
Wie sieht die Geeignetheitsprüfung bei Privatkunden aus?
Bei Privatkunden muss die komplette Geeignetheitsprüfung (sog. suitability test) aufgrund der eingeholten Kundenangaben durchgeführt werden, d.h. die Geeignetheit des konkreten Geschäfts im Hinblick auf die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, seine Anlageziele und finanziellen Verhältnisse müssen geprüft werden. WICHTIG: Bei Fehlen von erforderlichen Kundenangaben darf keine Empfehlung im Rahmen der Anlageberatung ausgesprochen werden (Gesetzliche Anordnung: § 31 Abs. 4 S.3 WpHG).
Welche Anforderungen bestehen an die Pflicht zur Dokumentation?
Dokumentation ist ein wesentlicher Punkt bei der Anlageberatung, § 34 Abs. 2 WpHG, § 14 Abs. 6 WpDVerOV; insbesondere ist die Anlageberatung als Wertpapierdienstleistung zu dokumentieren. Unter aufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten sind Protokolle des Anlageberatungsgespräches nicht erforderlich, unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten aber durchaus sinnvoll.
Tab. 12.1: Checkliste für die Anlageberatung
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
Kirsten Hartmann
13.1 Vertriebswege im Kapitalanlagebereich In Bezug auf die Vermittlung von Kapitalanlagen (Anlagen im Sinne des KGW bzw. des WpHG) gibt es verschiedene Vertriebswege 1. Im Folgenden hervorgehoben werden sollen der Bankvertrieb, der Vertrieb durch gebundene Vermittler nach § 2 Abs. 10 KWG sowie der Vertrieb durch unabhängige Finanzdienstleister. Unter Bankvertrieb ist nicht nur der Vertrieb über Kreditinstitute, sondern auch über Finanzdienstleistungsinstitute zu verstehen, kurzum über alle Unternehmen, die ihrerseits über eine Erlaubnis nach § 32 KWG verfügen, der sie dem Umfang nach zur Anlage- und Abschlussvermittlung sowie zur Anlageberatung berechtigt. Der Hauptvertriebsweg liegt im Bereich Kapitalanlage bei den Banken. Der Anteil an freien Vermittlern – diese dürfen im Bereich Kapitalanlagen nur in Bezug auf Investmentfonds vermittelnd tätig werden (dazu im Einzelnen unter 13.1.3) – lässt sich der Grafik auf der nächsten Seite entnehmen. Ende 2001 erbrachten 14.553 Unternehmen Finanzdienstleistungen erlaubnisfrei im Rahmen des § 2 Abs. 10 KWG für Rechnung und unter Haftung von 57 Finanzdienstleistungsinstituten und Wertpapierhandelsbanken sowie 73 Einlagekreditinstituten 2. Seither sind – gerade im Hinblick auf die Veränderungen durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz („FRUG“) – weitere Institute hinzugekommen, die den Vertrieb von Kapitalanlagen über gebundene Vermittler vornehmen. Eine Marktübersicht über die Anbieter
1
2
Zu den Vertriebswegen im Einzelnen: Schwintowski, MiFID, VVR – Zeit für (die) Neuorientierungen bei den deutschen Finanzdienstleistern, Baden-Baden, 2007. BaFin, Geschäftsbericht 2001, S. 46.
218
Kirsten Hartmann
von sog. „Haftungsdächern“ hat die Forschungsstelle Finanzdienstleistungen an der Humboldt-Universität zu Berlin erstellt 3.
80
Banken/Sparkassen
70 60
Fondsgesellschaften
50
Direktbanken
40 30
Makler, Vermittler, Vermögensberater
20
Versicherungsvertreter
10 0 2006
2007
Sonstiges (Fondsshop, Börse)
Abb. 13.1: Vertriebswege von Investmentfonds, Quelle: GfK Finanzmarktpanel, Sonderanfrage
13.1.1 Bankvertrieb Der Bankvertrieb zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass die Bank entweder als Direktbank online oder aber über den Schaltervertrieb mittels angestellter Arbeitnehmer Kapitalanlagen an Kunden vertreibt. Zum anderen bedienen sich Banken nicht selten gebundener Vermittler nach § 2 Abs. 10 KGW (z.B. comdirect, Postbank). Der Tätigkeitsbereich bemisst sich nach dem Umfang der von der BaFin erteilten Erlaubnis nach § 32 KWG. 13.1.2 Gebundene Vermittler Gebundene Vermittler im Sinne von § 2 Abs. 10 KWG unterliegen nur sehr eingeschränkt der Aufsicht der BaFin und anderer Institutionen. Sie benötigen keine Erlaubnis nach § 32 KWG und gem. § 34c Abs. 5 Nr. 3a GewO auch keine Erlaubnis nach § 34c GewO. Dies hängt damit zusammen, dass 3
http://www.forschungsstelle-fdl.de/pages/de/haftungsdaecher.php9.
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
219
das Handeln dieser gebundenen Vermittler dem Wertpapierhandelsunternehmen bzw. dem Kreditinstitut, für das diese ausschließlich tätig werden, zugerechnet wird. Sie partizipieren also an der Erlaubnis des Institutes, für das sie tätig sind. Gleichzeitig sind die gebundenen Vermittler in ihren Tätigkeitsumfang begrenzt: Sie dürfen gem. § 2 Abs. 10 KWG keine Bankgeschäfte, sondern nur Anlage- oder Abschlussvermittlung, Platzierungsgeschäft und Anlageberatung betreiben. Erforderlich ist, dass das Unternehmen, für welches der gebundene Vermittler tätig wird, dies der BaFin anzeigt. Bei der BaFin wird ein Vermittlerregister geführt, in dem verzeichnet ist, welcher gebundene Vermittler in welchem Zeitraum für welches Institut tätig ist bzw. war. Wegen des Erfordernisses von § 2 Abs. 10 KWG, wonach ein gebundener Vermittler ausschließlich unter der Haftung und für Rechnung eines Institutes tätig werden kann, muss sich der Vermittler an ein einziges Institut binden. Damit hat sich der Gesetzgeber entgegen der Meinung im juristischen Schrifttum zu § 2 Abs. 10 KWG in der Fassung vor dem 1.11.2007 gegen die Zulassung der Mehrfachvertretung entschieden. Bisher war vertreten worden, dass eine Mehrfachvertretung jedenfalls theoretisch durchaus aufsichtsrechtlich zulässig sein kann, wenn die jeweiligen Institute, für die der gebundene Vermittler tätig ist, die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen 4. Allerdings ist nicht bekannt, dass gesamtschuldnerische Haftungsübernahmen in der Praxis je vorgekommen sind. Die bisher geltende Anforderung einer „geeigneten Versicherung“ für Schadensfälle, die duch gebundene Vermittler verursacht werden, sieht das KWG seit dem 1.11.2007 nicht mehr vor. In ihrem Rundschreiben 27/2002 hatte die BaFin die Anforderungen an die geeignete Versicherung festgelegt. Die Deckungssumme musste EUR 50.000,- je gebundener Agent betragen und musste insbesondere Schäden abdecken, die durch Falsch- oder Schlechtberatung entstehen. Dieses Erfordernis war damit begründet worden, dass die Sicherung des Kunden allein über die Haftungsübernahme nicht ausreichend sei 5. Der Versicherungsmarkt hat auf die Gesetzesänderungen zum 1.11.2007 bereits reagiert und bietet andere Policen an: Üblicherweise werden die Institute ihre gebundenen Vermittler an ihrer Gruppenversicherung partizipieren lassen.
4
5
Fülbier, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, 2. Aufl., München, § 2 Rn. 83. Fülbier, a.a.O., § 2 Rn. 88.
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Unmittelbar mit dem Ausschließlichkeitskriterium hängt außerdem zusammen, dass der gebundene Vermittler auch sein Investmentfondsgeschäft über das Institut, für das er tätig wird, abzuwickeln hat. Der gebundene Vermittler kann sich also nicht gleichzeitig auf die Ausnahme des § 2 Abs. 10 KWG sowie des § 2 Abs. 6 Nr. 8 KWG berufen, wonach ein Unternehmen nicht der BaFin-Aufsicht unterliegt, wenn es ausschließlich Investmentfonds vermittelt. Die BaFin hat dazu in einem nichtveröffentlichten Schreiben vom 28.1.1999 6 ausgeführt, dass ein Unternehmen, welches die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 10 S. 1 KWG in Anspruch nimmt, nicht gleichzeitig unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG erlaubnisfrei Investmentfonds vermitteln darf. Dem stehe, so BaFin in diesem Schreiben, „bereits ihr jeweiliger eindeutiger Wortlaut („ausschließlich“) entgegen“. Dies folge, so die BaFin in vorgenanntem Schreiben, darüber hinaus auch aus den den Vorschriften zugrundeliegenden Erwägungen. Mit den beiden Tatbeständen habe der Gesetzgeber „typische Tätigkeitsfelder von Finanzdienstleistungsunternehmen aufsichtsfrei gestellt, die – jeweils für sich genommen – keine besonderen aufsichtsrelevanten Risiken begründen. Die Möglichkeit der Kumulation der in Rede stehenden Ausnahmen würde einer wirksamen Aufsicht und letztlich dem Gedanken des Anlegerschutzes zuwiderlaufen“. Gem. § 25a Abs. 4 KWG hat das Institut sicherzustellen, dass die gebundenen Vermittler zuverlässig und fachlich geeignet sind, bei der Erbringung der Finanzdienstleistungen die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, Kunden vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung über ihren Status nach § 2 Abs. 10 Satz 1 und 2 zu informieren und unverzüglich von der Beendigung dieses Status in Kenntnis zu setzen. Vor dem Abschluss einer Vertriebsvereinbarung mit dem gebundenen Vermittler hat sich das Institut mithin u.a. anhand seines polizeilichen Führungszeugnisses, seines Lebenslaufs sowie seiner Arbeitszeugnisse davon zu überzeugen, dass dieser zuverlässig und fachlich geeignet ist. Die BaFin kann einem haftenden Unternehmen, das die Auswahl oder Überwachung seiner vertraglich gebundenen Vermittler nicht ordnungsgemäß durchgeführt oder die ihm im Zusammenhang mit der Führung des Registers übertragenen Pflichten verletzt hat, untersagen, vertraglich gebundene Vermittler einzubinden. Die gebundenen Vermittler werden wohl überwiegend mit Handelsvertreterverträgen ausgestattet. Hier sind – wie auch bei jedem anderen Handelsvertretervertrag – zum einen die üblichen Abgrenzungsschwierigkeiten zum Arbeitnehmer in der vertraglichen Gestaltung zu beachten. Fraglich ist zum 6
Geschäftsnr. VII 4 – 70.20.00.
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
221
anderen, ob auch Makler gebundene Vermittler sein können. Dies hänge, so wird vertreten, im Ergebnis von der Gestaltung des Haftungsdachs ab: Nur dann, wenn dem Makler Zugang zum Gesamtmarkt oder zu einem wesentlichen Teil des Gesamtmarktes eröffnet werde, könne dieser als unabhängiger Berater des Kunden und damit als Makler agieren 7. Dies wird jedoch nur bei einem geringen Anteil der Anbieter der Fall sein: Schon unter Risikogesichtspunkten werden viele Anbieter die Produktauswahl limitieren. Allerdings beurteilt sich die Abgrenzung zwischen Handelsvertreter und Makler handelsrechtlich im Schwerpunkt danach, dass den Handelsvertreter – anders als den Makler – eine Pflicht zum Tätigwerden für das Unternehmen trifft. Im Rahmen der Abgrenzung sind weiterhin Aspekte wie die Eingliederung des Vermittlers in die Vertriebsorganisation des Unternehmens heranzuziehen 8. Aus Unternehmenssicht erscheint es also durchaus auch möglich, gebundene Vermittler über einen Maklervertrag anzubinden. 13.1.3 Unabhängige Finanzdienstleister Daneben gibt es im Bereich des Finanzdienstleistungsvertriebs auch unabhängige Finanzdienstleister. Gem. § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG unterliegen sie ebenfalls nicht der Aufsicht der BaFin. Allerdings sind die Vermittler gem. 34c I Nr. 2 und 3 GewO verpflichtet, eine Erlaubnis zum Führen dieses Gewerbes bei der zuständigen Behörde zu beantragen. Anders als im Bereich der Versicherungsvermittlung wird im Rahmen des Erlaubniserteilungsverfahrens von der Behörde aber nicht die fachliche Eignung, sondern nur die Zuverlässigkeit geprüft. Soweit die unabhängigen Vermittler geschlossene Fondsprodukte vermitteln, unterfallen sie mangels Anwendbarkeit von KWG und WpHG auf die Vermittlung dieses Produktes ohnehin nicht der Finanzmarktaufsicht: Geschlossene Fonds stellen mangels Handelbarkeit nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers kein Wertpapier dar (§ 1 Abs. 11 KWG, § 2 Abs. 1 WpHG; vgl. Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 WpHG 9). Ob dies angesichts des sich herausbildenden Zweitmarktes auch in Zukunft der Fall sein wird, bleibt abzuwarten.
7 8
9
Schwintowski, a.a.O., S. 130. BGH NJW 1992, 2818 ff; Hopt in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl., München, § 93 Rn. 11. Bundestags-Drucksachen 16/4028.
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Von der Erlaubnispflicht nach KWG sind diese Vermittler gem. § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 KWG nur dann befreit, wenn sie als Finanzdienstleistungen für andere ausschließlich die Anlageberatung und die Anlage- und Abschlussvermittlung in Bezug auf Investmentfonds erbringen und nicht befugt sind, sich bei der Erbringung dieser Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen. Mit dieser Bereichsausnahme macht der deutsche Gesetzgeber von einer den Mitgliedstaaten eingeräumten Ausnahmemöglichkeit im bisherigen Umfang Gebrauch. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass Investmentanteile ein standardisiertes Produkt seien. Die Institute oder Unternehmen, für die die Vermittlung erfolge, unterlägen ihrerseits der Aufsicht. Die Finanzdienstleister sind dann insofern unabhängig, als sie – anders als gebundene Vermittler – nicht ausschließlich für ein Unternehmen arbeiten, sondern sich aussuchen können, welches Produkt sie welchem Kunden für welche depotführende Bank vermitteln. Üblicherweise prüfen die Institute, die mit unabhängigen Vermittlern zusammen arbeiten, deren Zuverlässigkeit nicht. Sie lassen sich also beispielsweise weder ein Führungszeugnis noch die Gewerbeerlaubnis nach § 34c GewO vorlegen. Stattdessen lassen sich die Institute in der Vertriebsvereinbarung, die sie mit dem Vermittler schließen, garantieren, dass die Vermittler über alle erforderlichen Erlaubnisse verfügen. Anders als im Bereich der Versicherungsvermittlung wird kein Vermittlerregister geführt. Für den Verbraucher ist es also nicht ersichtlich, ob der Vermittler über eine Erlaubnis nach § 34c GewO verfügt oder ob diese ihm zwischenzeitlich wegen Zuverlässigkeitsmängeln entzogen worden ist. Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass der Bereich der Vermittlung von Investmentfonds weitgehend nicht reguliert ist. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber an der Bereichsausnahme festhält. 13.1.4 Durch das FRUG zu erwartende Änderungen der Vertriebsstrukturen Bisher war Anlageberatung lediglich eine Wertpapiernebendienstleistung (§ 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F.). Seit dem 01.11.2007 ist sie Wertpapier(haupt)dienstleistung. Wer nun Anlageberatung erbringen will, bedarf daher einer Zulassung. Eine Ausnahme von diesem Zulassungserfordernis ist wie-
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
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derum für die Beratung in Bezug auf Investmentfonds vorgesehen sowie für diejenigen Berater, die gebundene Vermittler nach § 2 Abs. 10 KWG sind. In § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG ist die Anlageberatung definiert als die „Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird.“ BaFin und Bundesbank haben in einem gemeinsamen Informationsblatt näher erläutert, wann eine Anlageberatung erlaubnisfrei erfolgt und wann eine Zulassung nach § 32 KWG bzw. eine Anbindung nach § 2 Abs. 10 KWG erforderlich ist 10. Ein erlaubnisfreies Tätigwerden ist insofern problematisch, als ein Anlageberater im Rahmen einer Gesamtportfoliobetrachtung typischerweise im Depot des Kunden nicht nur Investmentfonds vorfinden wird. Dort ist der Handlungsrahmen desjenigen Anlageberaters, der nicht nach § 32 KWG oder § 2 Abs. 10 KWG tätig wird, nach Aussage der BaFin und Bundesbank limitiert: „Oftmals verschaffen sich Fondsvermittler zunächst einen Überblick über das vorhandene Vermögen des Kunden. Befinden sich in seinem Depot Finanzinstrumente, bei denen es sich nicht um Investmentanteile handelt, darf der Fondsvermittler dem Kunden nicht zum Verkauf einzelner oder sämtlicher Finanzinstrumente raten. Eine solche Empfehlung würde eine Anlageberatung darstellen, für die die Ausnahmeregelung nicht eingreift. Dies gilt auch dann, wenn die Verkaufsempfehlung nur dazu dienen soll, Erlöse zu erzielen, mit denen der Kunde dann die vom Fondsvermittler empfohlenen Investmentanteile erwerben könnte. Nicht darunter fallen würde jedoch etwa die Empfehlung, den Aktienanteil am Depot um 50 % zu senken.“ An dieser Auslegung ist bereits scharfe Kritik geübt worden, weil sie das Geschäftsmodell der freien Finanzvermittler gefährden würde 11. Den freien Vermittlern bleibt im Ergebnis wohl nur die Möglichkeit, sich einem Institut nach § 2 Abs. 10 KGW anzuschließen oder aber eine Erlaubnis nach § 32
10
Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung, Stand: 12.11.2007. 11 kapitalmarkt intern 32/07 v. 10.8.2007.
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KWG zu beantragen. Die Erlaubnis nach § 32 KWG ist allerdings an eine Vielzahl von Voraussetzungen geknüpft 12: o o
o o o
o o
mindestens zwei Geschäftsleiter fachliche Eignung der Geschäftsleiter (die fachliche Eignung für die Leitung eines Instituts ist regelmäßig anzunehmen, wenn eine dreijährige leitende Tätigkeit bei einem Institut von vergleichbarer Größe und Geschäftsart nachgewiesen wird) Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter Nachweis einer angemessenen Eigenmittelausstattung umfangreiche Anforderungen an die Geschäftsorganisation (wirksames Risikomanagement, unabhängige Innenrevision, Mitarbeiter mit angemessenen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Erfahrungen, angemessene IT-Systeme und Notfallkonzepte, Compliance-Funktion, Aufzeichnungspflichten für ausgeführte Geschäfte und sämtliche Dienstleistungen) tragfähiger Geschäftsplan Ermöglichung der uneingeschränkten Bankenaufsicht
Die Rechtsfolgen der Beratung ohne Anbindung nach § 2 Abs. 10 KWG oder eigener KWG-Erlaubnis sind nicht unerheblich: Zwar führt die Beratung ohne Erlaubnis nach § 32 KWG nicht zur Nichtigkeit des Vertrages zwischen dem Vermittler und dem Institut 13. Der Verstoß führt wohl außerdem auch nicht zur Nichtigkeit des Vertrages, den der Kunde mit der Bank abgeschlossen hat. Allerdings handelt es sich bei § 32 KWG wohl um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, so dass der Verstoß gegen diese Vorschrift zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen führt 14. Zusätzlich macht sich derjenige, der ohne Erlaubnis nach § 32 KWG Finanzdienstleistungen erbringt, gem. § 54 KWG strafbar.
12
Merkblatt über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften, Deutsche Bundesbank, Stand 1.11.2007. 13 OLG Karlsruhe, Urt. vom 18.9.2006, Az. 1 U 34/06. 14 OLG Dresden, Urt. vom 20.6.2007, Az. 8 U 328/07.
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
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13.2 Kapitalanlagevermittlung und -beratung Insbesondere der 6. Abschnitt des WpHG als auch die WpDVerOV legen Verhaltenspflichten für die Vermittlung von Kapitalanlagen fest, denen Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet sind. Im Folgenden sollen die Pflichten nach § 31 WpHG hervorgehoben werden 15. Danach sind die Wertpapierdienstleistungsunternehmen beispielsweise verpflichtet, Kunden rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen zur Verfügung zu stellen, die so zu gestalten sind, dass der Kunde Art und Risiken der ihm angebotenen Produkte oder Wertpapierdienstleistungen verstehen kann. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung („Vermögensverwaltung“) erbringt, muss von den Kunden alle Informationen einholen über deren Kenntnisse und Erfahrungen, sowie über ihre Anlageziele und über ihre finanziellen Verhältnisse, die erforderlich sind, um ihnen jeweils ein geeignetes Finanzinstrument oder eine jeweils geeignete Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können. Erlangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die erforderlichen Informationen nicht, darf es im Zusammenhang mit einer Anlageberatung kein Finanzinstrument empfehlen oder im Zusammenhang mit einer Finanzportfolioverwaltung keine Empfehlung abgeben. Vor der Erbringung anderer Dienstleistungen als Anlageberatung und Finanzportfolioverwaltung hat ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen von den Kunden grundsätzlich Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen einzuholen. Gelangt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgrund dieser Informationen zu der Auffassung, dass das vom Kunden gewünschte Finanzinstrument oder die Wertpapierdienstleistung für diesen Kunden nicht angemessen ist oder erhält das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die erforderlichen Informationen nicht, hat es den Kunden darauf hinzuweisen. 13.2.1 Vertrieb über Vermittler Auf diejenigen, die ausschließlich Fonds vermitteln, sind die Vorschriften des WpHG sowie der WpDVerOV nicht anwendbar, denn Fondsvermittler sind gem. § 2a Abs. 1 WpHG keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Selbiges gilt für die gebundenen Vermittler: Diese sind ebenfalls kein Wert15
Ausführlich zu diesem Thema: Kapitel 12 – „Anlageberatung: Risiko oder Chance nach MiFID?“.
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papierdienstleistungsunternehmen im Sinne des WpHG (§ 2a Abs. 2 WpHG). Im Bereich des Vertriebs eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens über freie und gebundene Vermittler kann jedoch nur der Vermittler, der den direkten Kundenkontakt hat, die Pflichten, die dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach WpHG obliegen, erfüllen. Das Unternehmen, das sich dieses Vertriebsweges bedient, ist insoweit also auf die Vermittler angewiesen. Dies betrifft insbesondere die Pflicht zur Einholung der Kundenangaben anhand des WpHG-Bogens, aber auch sämtliche Anforderungen im Zusammenhang mit dem Finanzkommissionsgeschäft oder auch die Finanzportfolioverwaltung, die das Unternehmen dem Kunden gegenüber erbringt. Da die Vermittler selbst kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind, greift § 31e WpHG nicht. Darin ist geregelt, was gilt, wenn sich ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen eines anderen Wertpapierdienstleistungsunternehmens bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen bedient: So ist das entgegennehmende Institut nicht verpflichtet, Kundenangaben und Kundenanweisungen, die ihm von dem anderen Institut übermittelt werden, auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen. Außerdem darf sich das entgegennehmende Institut darauf verlassen, dass Empfehlungen in Bezug auf die Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung dem Kunden von dem anderen Institut im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften gegeben wurden. Einige Banken scheinen sich bei dem Vertrieb von Investmentfonds über freie Vermittler auf die Ausnahme des § 31 Abs. 7 WpHG berufen zu wollen. Danach muss ein Wertpapierhandelsunternehmen keine Informationen im Hinblick auf den Kunden einholen und überprüfen, ob das Produkt oder die Wertpapierdienstleistung zum Kunden passt, wenn ein nicht komplexes Produkt vermittelt wird, und dies auf Veranlassung des Kunden geschieht. Wann ein nicht komplexes Produkt vorliegt ist, in § 7 WpDVerOV definiert. Investmentfondsanteile fallen darunter. Die BaFin scheint jedoch eine enge Auslegung des § 31 Abs. 7 WpHG vorzunehmen: So schließt nach Auffassung der BaFin die Produktvermittlung durch freie Vermittler per se aus, dass die Vermittlung auf Veranlassung des Kunden erfolgt ist 16. Die insoweit 16
Ebenso Balzer („Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung“, in: ZBB 2007, 333, 342), wonach 31 Abs. 7 WpHG bereits dann nicht anwendbar ist, wenn die Wertpapierdienstleistung als Reaktion auf persönlich an den Kunden gerichtete Informationen beauftragt wurde.
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
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vorzufindenden Orderformulare, auf denen der Kunde ankreuzt, dass die Order auf seine Veranlassung erfolgt, und der Verzicht auf die Erhebung der Kundendaten bergen also aufsichtsrechtlich nicht unerhebliche Risiken, zumal der Kunde nicht dazu gedrängt werden darf, auf die Sorgfaltspflichten nach §§ 31 Abs. 4 und 5 WpHG zu verzichten 17. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, dass sich gebundener oder freier Vermittler bei der Vermittlung von Produkten bedient, wird also im Ergebnis nicht umhin kommen, im Wege des Outsourcings auf den Vermittler alle Pflichten zu übertragen, die das Institut mangels Kundenkontaktes nur über den Vermittler erfüllen kann. Außerdem werden die Wertpapierdienstleistungsunternehmen oftmals zusätzlich noch anhand der jeweiligen Order und des erfassten Kundenprofils überprüfen müssen, ob die Order zum Profil des Kunden passt. Was das Thema Offenlegung von Zuwendungen nach § 31d WpHG anbelangt, sind die Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, alle Zuwendungen, die das Unternehmen zulässiger Weise erhält oder verspricht, dem Kunden gegenüber offenzulegen 18. Den Vermittler trifft eine derartige Pflicht nach WpHG wiederum nicht, da er – wie oben gesagt – kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist. Allerdings sind die Vermittler wohl auf Grund der Rechtsprechung des BGH 19 dem Kunden gegenüber zur Offenlegung aller Gebühren und Provisionen, die sie selbst erhalten, verpflichtet. Somit sollte der Kunde im Ergebnis sowohl über die Zuwendungen auf Seiten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens als auch über die Zuwendungen auf Seiten des Vermittlers aufgeklärt werden. 13.2.2 Unabhängigkeit der Beratung In Bezug auf den Status des Beraters ist zu unterscheiden zwischen angestellten Arbeitnehmern und gebundenen sowie freien Vermittlern. Die angestellten Arbeitnehmer sind – anders als die Vermittler – Weisungen ihres Arbeitgebers und damit deren Produkt- und Umsatzvorgaben unterworfen. Wenn Banken ihrerseits Finanzinstrumente emittieren, werden diese oftmals 17
Balzer, a.a.O., 342. Ausführlich zu diesem Thema: Kapitel 11 – “Umgang mit Provisionszahlungen im Wertpapiergeschäft“. 19 Urt. v. 19.12.2006, Az. XI ZR 56/05. 18
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bevorzugt im Vertrieb berücksichtigt, um insbesondere innerhalb des Unternehmens eine Gewinnoptimierung zu erzielen. Bei den gebundenen Vermittlern ist darauf abzustellen, wie weit der Produktzugang reicht, der ihnen seitens ihres Unternehmens eingeräumt wird. Bei freien Vermittlern ist der Produktzugang zwar unbeschränkt; nichtsdestotrotz werden auch diese nicht unbedingt einen kompletten Marktüberblick haben. Anders als im Bereich der Versicherungsvermittlung (§ 60 Abs. 2 VVG) ist der Makler auch nicht verpflichtet, dem Kunden gegenüber offenzulegen, dass er seine Beratung auf der Grundlage einer beschränkten Produktauswahl vornimmt 20. Bei Vermittlern ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Vermittlung und Beratung auch die Provision, welche der Vermittler für das jeweilige Produkt erhält, eine Rolle spielen kann. So hat das E-Finance Lab, ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Frankfurt/Main, der Technischen Hochschule Darmstadt und mehrerer Banken und IT-Beratungsunternehmen, im Rahmen einer Studie festgestellt, dass die Anlageberatung durch unabhängige Finanzberater tendenziell besser ist, wenn sie gegen Honorar geleistet wird, und der Berater nicht auf möglichst hohe Vermittlungsprovisionen bedacht ist: „Anlageberater stehen häufig in einem Interessenkonflikt“, resümiert Professor Andreas Hackethal von E-Finance. „Auf der einen Seite suchen sie über hohe Provisionseinkünfte ihren eigenen Gewinn zu steigern. Auf der anderen Seite sollen Berater die Ziele des Kunden im Auge behalten, auch, um nicht langfristig Geschäft zu verlieren. Dieser Zielkonflikt wird durch honorarbasierte Beratung abgemildert. Vergütungsstruktur und Rationalität des Beraters sind relativ gute Indikatoren für die Qualität der Finanzberatung im Sinne einer hohen Wahrscheinlichkeit der Vermeidung von Fehlern“ 21. 13.2.3 Schadenersatzanspruch des Kunden bei Pflichtverletzung Sollte dem Kunden aufgrund von schuldhaft fehlerhafter Anlageberatung oder wegen Aufklärungspflichtverletzungen im Rahmen der Anlagevermitt20
Allerdings könnte darin eine Pflichtverletzung eines Beratungsvertrages liegen, soweit der Kunde die Erwartungshaltung äußert, der Vermittler berate ihn auf der Grundlage eines unbeschränkten Produktzugangs und der Vermittler dem nicht entgegentritt, vgl. Mülbert, Anlegerschutz bei Zertifikaten, WM 2007, S. 1149, 1155. 21 Vgl. http://www.av-finance.de/default.asp?ArtID=11481.
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
229
lung ein Schaden entstanden sein, steht ihm ein Schadenersatzanspruch zu. Sollte die Beratungs- bzw. Vermittlungsleistung durch den angestellten Bankmitarbeiter erbracht worden sein, steht dem Kunden ein Anspruch unmittelbar gegen die Bank zu. Selbiges gilt gem. § 2 Abs. 10 KGW auch bei einer Dienstleistung seitens der gebundenen Vermittlers des Instituts: Es ist aufsichtsrechtlich zwingend vorgegeben, dass das Institut, welches sich gebundener Agenten bedient, für deren Pflichtverletzungen dem Kunden gegenüber unmittelbar haftet. Auch für freie Vermittler gilt, dass diesen im Rahmen der Anlagevermittlung und Anlageberatung gewisse Pflichten obliegen. Auch wenn sich diese Pflichten mangels Anwendbarkeit nicht aus dem WpHG selbst ergeben, hat der BGH zivilrechtliche Pflichten formuliert, die eine Aufklärung des Kunden sowie, bei Zustandekommen eines Beratungsvertrages, zusätzlich eine anleger- und objektgerechten Beratung erforderlich machen 22. Danach ist der Vermittler verpflichtet, die produktspezifischen Merkmale richtig darzustellen, die mit dem Produkt verbundenen Risiken zu erklären, die Ziele der Kunden zu erfragen und die Empfehlung auf der Grundlage seiner Wünsche und Bedürfnisse abzugeben. Bei der Auslegung der Pflichten eines Vermittlers, der nicht den Anforderungen des WpHG unterliegt, sind Gerichte zudem geneigt, sich an den gesetzlichen Regelungen des WpHG zu orientieren. Auch vor diesem Hintergrund werden selbst bei fehlender Anwendbarkeit die Anforderungen des WpHG auch für freie Vermittler verbindlich. Fraglich ist jedoch, ob der Kunde bei Sorgfaltspflichtverletzungen des freien Vermittlers auch einen eigenen Anspruch gegen das Wertpapierhandelsunternehmen hat. Eine Verschuldenszurechnung nach § 831 BGB scheitert daran, dass die Vermittler mangels Weisungsbefugnis 23 des Unternehmens diesen gegenüber keine Verrichtungsgehilfen sind. Eine Verschuldenszurechnung des Vermittlers an das Unternehmen nach § 278 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn zwischen Unternehmen und Kunde ein Vertrag zustande gekommen ist. Sollte zwischen Makler und Kunden ein eigener Beratungsvertrag zustande gekommen sein, wird die Bank wohl nicht Vertragspartei dieses Beratungsvertrages sein: Zumeist hat der Vermittler für das Unternehmen keine Vertretungsbefugnis und wird als 22
Ständige Rechtsprechung seit dem „Bond-Urteil“des BGH v. 6.7.1993, XI ZR 12/93. 23 Sprau in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl, München, § 831 Rn. 5.
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Kirsten Hartmann
freier Vermittler in seinem Verständnis als unabhängiger Makler des Kunden auch nicht dem Kunden gegenüber suggerieren, für das Unternehmen zu handeln, so dass auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ein Beratungsvertrag zwischen Kunde und Unternehmen zustande kommt. Würde es sich bei den Neuregelungen in § 31 WpHG um Schutzgesetze handeln, könnte der Kunde gegen das Unternehmen einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB haben 24. Soweit das Unternehmen die Order ausführt, erbringt es ein Finanzkommissionsgeschäft. Dem Kommissionär obliegen jedenfalls im Rahmen seiner Vertragsbeziehung zum Kunden auch zivilrechtlich sinngemäß Pflichten nach § 31 Abs. 5 WpHG: Die Pflichten des Kommissionärs sind in § 384 HGB geregelt. Danach ist der Kommissionär unter anderem verpflichtet, dem Kommittenten alle für diesen bezüglich des Geschäftes wichtigen Nachrichten – insbesondere solche, die ihn zu Anordnungen bezüglich des Geschäfts bestimmen könnten – zu übermitteln 25. Es lässt sich durchaus argumentieren, dass die Information, dass das Produkt nicht zu den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden passt, diesen dazu bewegen könnten, von dem Kauf Abstand zu nehmen. Das dem Kunden gegenüber zur Haftung verpflichtete Unternehmen wird sich, je nach vertraglicher Regelung mit dem Vermittler und dem dort vereinbarten Haftungsmaßstab, dann ggf. bei dem Vermittler schadlos halten können. Bei angestellten Arbeitnehmern ist ein Innenregress jedoch nur bei grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzungen möglich 26. Gleichzeitig wird das Unternehmen bzw. der Vermittler prüfen, inwieweit eine Vermögensschadenshaftpflichtversicherung für den entstandenen Schaden aufkommt.
13.3 Zusammenfassung Es ist zu erwarten, dass Kapitalanlagen wegen der Veränderungen durch das FRUG weniger von freien Vermittlern vertrieben werden und insoweit eine Marktkonzentration stattfinden wird. 24
Ablehnend: Schäfer, in: „Sind die §§ 31ff. WphG n.F. Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB?“, in: WM 2007, 1872ff. 25 Hopt, a.a.O., § 384 Rn. 7; BGH, Urt. V. 25.6.2002, Az. XI ZR 239/01. 26 Weidenkaff, in: Palandt, a.a.O., § 611 Rn. 157f.
13. Freie Finanzvermittler vs. Bankberater?
231
Bedient sich ein Unternehmen bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Dritter, ist damit nicht allein der Dritte für die Einhaltung der Anforderungen des WpHG verantwortlich. Vielmehr ist auch das Unternehmen gefordert, die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen sicherzustellen.
IV. Wertpapiergeschäfte: über die Börse und außerbörslich
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
Frank Moser
14.1 Einleitung Best Execution gehört zu den in der Banking Community schon sehr früh und auch sehr intensiv diskutierten Themen im Rahmen der Vorbereitung der MiFID-Umsetzung. Die Bezeichnung Best Execution ist dabei im Grunde irreführend, da sie vom normalen Kunden höchstwahrscheinlich so verstanden wird, als ob das beauftragte Finanzinstitut mutmaßlich seinen individuellen Wertpapierauftrag bestmöglich ausführt. Genau dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall. Nachfolgend werden zunächst Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit Best Execution erläutert, die wesentlichen Ziele, die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Implementierung und final einige kritische Aspekte aufgezählt, die zur weiteren Diskussion dieses Themas dienen und damit zur Beantwortung der Frage, ob Best Execution immer und zu jedem Preis möglich, notwendig oder gar sinnvoll ist. Unter Best Execution Policy werden die Ausführungsgrundsätze des einzelnen Finanzinstitutes verstanden, die sicherstellen sollen, dass für jeden Kunden gemäß der Kundenklassifizierung die bestmögliche Ausführung der einzelnen Wertpapieraufträge sichergestellt werden kann. Dabei ist es entscheidend, dass diese Ausführungsgrundsätze für alle vom jeweiligen Kreditinstitut im Kundenauftrag gehandelten Finanzprodukte gelten. Dies bedeutet, dass ein Finanzinstitut sich über die folgenden Punkte Klarheit verschaffen muss: o o
Welche Kundengruppen bedient sie (Privatkunden, Professionelle Kunden oder geeignete Gegenparteien)? Welche Finanzinstrumente bietet sie den jeweiligen Kundengruppen an?
236
Frank Moser
14.2 Historie Die Diskussion zum Thema Best Execution stammt bereits aus der Zeit, als die MiFID noch ISD2 (Investment Services Directive 2) hieß. Dabei war der Grundgedanke, dass in jedem einzelnen Fall geprüft werden sollte, ob die Ausführung einer Wertpapierorder den Anforderungen der bestmöglichen Ausführung entspricht (der so genannte „Order-by-Order“-Ansatz). Diese Anforderung wurde in dieser Form in der MiFID festgeschrieben. In den ersten Entwürfen der Durchführungsrichtlinie (Level-2-Directive) wurde eine Überprüfung der Ausführungsgrundsätze noch für jede einzelne Kunden-Order gefordert („Order-by-Order“-Prüfung). Diese Anforderung wurde dann entschärft, damit der Aufwand und damit auch die ggf. den Kunden in Rechnung zu stellenden Kosten für das einzelne Institut nicht zu hoch werden und die MiFID bei Finanzinstituten fristgerecht umgesetzt werden konnte. In der nunmehr vom Gesetzgeber verabschiedeten Fassung wird nur noch gefordert, dass jedes Finanzinstitut Ausführungsgrundsätze erstellt, die strukturell gleichbleibend die bestmögliche Ausführung von Orders gewährleisten. Dies hat nicht zur Konsequenz, dass dies für jede einzelne Order in jedem Fall zutrifft.
14.3 Zielsetzung von Best Execution Orderrouting Die gesamte MiFID, und damit auch die Anforderung an Best Execution, ist vom Gedanken des Kundenschutzes geprägt. Die MiFID selbst sagt dazu im Erwägungsgrund 33: „Um zu gewährleisten, dass Kundenaufträge zu den für den Kunden günstigsten Konditionen ausgeführt werden, müssen die Wertpapierfirmen wirksam zur ‚bestmöglichen Ausführung’ verpflichtet werden“. Diese Formulierung beschreibt kurz und prägnant die Zielsetzung der gesetzlichen Anforderung an Best Execution. Da allerdings Kunden über verschiedene Vorkenntnisse, Erfahrungen und Professionalität verfügen, hat die MiFID drei wesentliche Teile eingeführt: o
die Kundenklassifizierung • Privatkunden • Professionelle Kunden • Geeignete Gegenparteien
o
die Tests zur Prüfung der Angemessenheit und Eignung eines Finanzprodukts für den Kunden
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
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Die Unterscheidung in verschiedene Kundenklassen wurde eingeführt, um den unterschiedlichen Kenntnissen und Erfahrungen des jeweiligen Kunden Rechnung zu tragen und damit vor allem deren unterschiedliche Schutzbedürfnisse darzustellen. o
die verschiedenen Gewichtungsfaktoren für die Ermittlung der Best Execution.
Die letztgenannten Gewichtungsfaktoren sollten von den Finanzinstituten je nach Kundenklassifizierung unterschiedlich bewertet werden, da diese von den unterschiedlichen Kunden(-Klassen) durchaus als unterschiedlich wichtig angesehen werden. Die zu gewichtenden Kriterien sind dabei die folgenden: o o o o o o
der Preis des Finanzinstrumentes die mit der Auftragsausführung verbundenen Kosten (z.B. des Handelsplatzes) die Geschwindigkeit der Ausführung die Wahrscheinlichkeit der Ausführung die Abwicklung des Auftrags (z.B. die Stückevaluta) den Umfang und die Art des Auftrags
Best Execution versus „Execution only“
In Abgrenzung zum Wertpapierorderrouting gemäß Best Execution gibt es noch die Ausführungsform „Execution Only“. Unter Execution Only wird die weisungsgebundene Ausführung eines Kundenauftrags verstanden. Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass: o o
eine ausdrückliche Weisung eines Kunden hinsichtlich des zu nutzenden Börsenplatzes vorliegen muss. für diejenigen Teile, die nicht von der Weisung betroffen sind, die gültige Best Execution Policy angewandt und eingehalten werden muss.
14.4 Die Strukturierung der Ausführungsgrundsätze Basierend auf der MiFID werden für die einzelnen Kundenklassen und Finanzprodukte verschiedene Ausführungsgrundsätze gefordert. Im Folgen-
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Frank Moser
den werden die unterschiedlichen Anforderungen dargestellt, die für die einzelnen Kundenklassen beachtet werden müssen. 14.4.1 Privatkunden Im Rahmen der MiFID wird für Privatkunden lediglich die Orientierung der Ausführungsgrundsätze für die bestmögliche Ausführung an dem Gesamtentgelt gefordert. Das bedeutet, dass primär der Preis und die Ausführungs- bzw. Abwicklungskosten gewichtet werden sollen. Weiterhin wird von den meisten Kunden die Wahrscheinlichkeit der Ausführung sehr hoch gewichtet, d.h. die Liquidität eines Handelsplatzes ist in der Praxis ebenfalls ein entscheidendes Kriterium. Die anderen o.g. Faktoren sollen für Privatkunden geringer gewichtet werden. 14.4.2 Professionelle Kunden Bei professionellen Kunden soll, bezogen auf die Anforderungen des Kunden, eine geeignete Gewichtung der Faktoren gewählt werden. Meistens wird ebenfalls das Gesamtentgelt in den Vordergrund gestellt. Allerdings kann es hier eine Reihe von Gründen geben, diese Gewichtung anzupassen. So kann man sich vorstellen, dass für den Kunden die Abwicklungszeit ein entscheidender Punkt ist, damit bei so genannten Durchhandelsgeschäften keine Zwangswertpapierleihe notwendig wird. Eine solche Wertpapierleihe könnte schnell den erwarteten Kursgewinn überkompensieren. Ein weiterer Aspekt könnte sein, dass das Volumen so groß ist, dass es nicht ohne Auswirkungen auf den Kurs an einem einzigen Handelsplatz positioniert werden kann. In diesem Fall wäre es wichtig, eine Strategie zu haben, wie und auf welchen Handelsplätzen Teilvolumina weitestgehend kursneutral positioniert werden können. 14.4.3 Geeignete Gegenparteien Für geeignete Gegenparteien sind generell keine Grundsätze zur Orderausführung notwendig, da der Aspekt des Kundenschutzes nicht für geeignete Gegenparteien angewendet werden muss. Allerdings macht es ggf. Sinn, einige der Regeln, die für professionelle Kunden aufgestellt wurden, ebenfalls für geeignete Gegenparteien anzubieten. Dies muss jedes Finanzinstitut unternehmensintern entscheiden.
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
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Es ist notwendig, für unterschiedliche Finanzinstrumente im Rahmen der Best Execution Policy auch unterschiedliche Ausführungsmöglichkeiten zu beschreiben. Dabei muss jedes Institut für sich entscheiden, wie fein granular die Unterscheidung innerhalb der Finanzprodukte getroffen werden soll. Hintergrund einer solchen Unterscheidung kann z.B. die folgende Gruppierung sein: o
Aktien • elektronisch handelbare Papiere • nur über andere Wege handelbare Papiere
o
Renten (Festverzinsliche Wertpapiere) • börsengehandelte Renten • nur over-the-counter (OTC) erhältliche Renten
Der entscheidende Unterschied basiert auf der Erkenntnis, dass die Hauptliquidität der verschiedenen Wertpapiergattungen durchaus in unterschiedlichen Märkten sein kann und auch tatsächlich ist.
14.5 Implementierung einer Best Execution Policy In dem folgenden Kapitel werden exemplarisch zwei mögliche Implementierungen der Best Execution Policy in die Orderroutingprozesse bei Banken, Sparkassen, Brokern oder Wertpapierdienstleistern vorgestellt, um die Grundprinzipien der Verfahren und die unterschiedlichen Möglichkeiten zu verdeutlichen. Es ergeben sich weitere Formen, z.B. Mischformen aus den beiden genannten Möglichkeiten sowie Kombinationen mit einer MTF (Multilateral Trading Facility) oder einem SI (Systematischer Internalisierer). Bei der Erstellung der Execution Policy muss beachtet werden, dass alle in der MiFID vorgeschriebenen Faktoren beachtet und gewichtet werden.
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14.5.1 Policy-basierter Ansatz
Best Execution Policy Order
WP Gruppe Handelsplatz Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 ...
Platz A Platz B Platz C ...
HandelsPlatz
Abb. 14.1: Darstellung des Policy-basierten Ansatzes
Bei dem Policy-basierten Ansatz wird im Rahmen der Policy eine Zuordnung der Wertpapiergruppen zu priorisierten Handelsplätzen dargestellt. Bei jeder Kundenorder wird anhand der Liste der Wertpapiergruppen der relevante Handelsplatz ermittelt. Sobald der Handelsplatz gefunden ist, wird die Order dort hingeleitet. Die Herausforderungen bei diesen Verfahren sind: o o
eine passende Gruppierung für die Wertpapiere zu finden die potenziellen und tatsächlich geeigneten Handelsplätze zu ermitteln und zu pflegen.
Bewusst ist hier von Handelsplätzen die Rede und nicht von Börsen, da inzwischen durchaus ebenfalls MTFs und SIs als Handelsplätze in Frage kommen. In der folgenden Tabelle werden die wesentlichen Vor- und Nachteile dargestellt, die sich aus dieser relativ einfachen Version ergeben:
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
Vorteile
Nachteile
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Herausforderungen
• Relativ einfach • Statische Konstruktion, • Wie werden OTCProdukte die nur einfache und schnell berücksichtigt? Strukturen zulässt implementierbar • Kostengünstige • Für jedes Finanzprodukt • Wie granular sind die Wertpapiergruppen wird eine WertpapierLösung zu definieren? gruppe mit Handelsplatz benötigt Tab. 14.1: Vor- und Nachteile des policybasierten Ansatzes
14.5.2 Order-by-Order-Ansatz
Ermittlung und Gewichtung der Faktoren Identifikation der möglichen Handelsplätze
Faktor/Gew icht Preis Wahrscheinlichkeit Schnelligkeit w eitere Venue A x a d k Venue B
y
b
e
l
Venue C
z
c
f
m
Auswahl der „besten“ gemäss der eigenen Best Execution Policy
Alle möglichen Venues
Abb. 14.2: Darstellung der Policy-Bildung
Dieser Ansatz war ursprünglich vom Gesetzgeber vorgesehen. Dabei war die Idee, dass bei jeder Order einzeln geprüft wird, an welchem Handelsplatz die günstigsten Konditionen zu erzielen sind. Relevant ist hier der Begriff „Kondition“ und nicht „Preis“, da der Preis lediglich einer der Gewichtungsfaktoren ist, der zu einer bestmöglichen Ausführung führt. Das
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folgende Bild stellt kurz den Auswahlprozess für die möglichen Handelsplätze dar. Im Gegensatz zum vorherigen Ansatz sind nun mehrere Handelsplätze für das gleiche Finanzinstrument möglich. Dabei müssen von jedem der vom Finanzinstitut auswählbaren Handelsplätze (Venues) unbedingt die von ihm ausgewählten Faktoren und deren Gewichtung bekannt und auch hinterlegt sein. Dies verdeutlicht Abbildung 14.2. Welche Prozessmechanik ergibt sich nun, wenn eine Order vom Kunden vorliegt? Nun muss das Institut von allen ausgewählten Handelsplätzen die aktuellen Quotes, d.h. Angebots- oder Nachfragepreise einholen. Danach muss in Echtzeit berechnet werden, welcher Handelsplatz jetzt das – gemäß der eigenen Gewichtungsfaktoren – wahrscheinlich günstigste Angebot zur Verfügung stellt. An diesen Handelsplatz muss der Wertpapierauftrag weitergeleitet werden. Allerdings kommt noch eine weitere Herausforderung hinzu: damit später belegt werden kann, dass es sich um das aktuell beste Angebot gehandelt hat, muss das Institut alle für diese Entscheidung herangezogenen Informationen speichern.
Alle möglichen Venues
Order
W eiterleitung der Order an den ausgewählten Handelsplatz
Ermittlung der Quotes der definierten Handelsplätze
Faktor/Gew icht Preis Wahrscheinlichkeit Schnelligkeit w eitere Venue A x a d k Venue B
y
b
e
l
Venue C
z
c
f
m
Gewichtung der Faktoren für das vorliegende Quote
Abb. 14.3: Darstellung einer Order-by-Order Best Execution
Dokumentation der Entscheidungsparameter
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
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In der Abbildung ist dargestellt, wie der Ablauf gemäß einer Order-byOrder-Policy sein sollte. In der folgenden Tabelle werden die wesentlichen Vor- und Nachteile dargestellt, die sich aus diesem anspruchsvollen Verfahren ergeben: Vorteile
Nachteile
• Extrem flexibel • Aufwändig in der • Implementierung • Leicht anpassbar an neue Handelsplätze • Relativ kostenintensiv in der • Flexibel bei der regelmäßigen Einbindung von • Aktualisierung OTC-Produkten
Herausforderungen Sind die Kunden bereit, den sich ggf. ergebenden Mehraufwand zu bezahlen? Inwiefern ist ein Zugriff auf alle relevanten Quotes in Echtzeit möglich?
Tab. 14.2: Vor- und Nachteile des Order-by-order-Ansatzes
14.6 Überprüfung der eigenen Best Execution Policy In der MiFID wird gefordert, dass die Best Execution Policy, also die detaillierten Ausführungsgrundsätze, mindestens einmal im Jahr oder bei relevanten Änderungen überprüft werden muss. Aber es werden keine konkreten Anhaltspunkte geliefert, welche Ereignisse eine ggf. frühere Überprüfung erzwingen bzw. zumindest sinnvoll erscheinen lassen. Nachfolgend sind daher einige Ansatzpunkte aufgelistet, welche Fragen sich Finanzinstitute in regelmäßigen Abständen stellen sollten: o o
o o o
Welche Handelsplätze sind derzeit in der Betrachtung? Ist diese Liste vollständig oder gibt es einen neuen Handelsplatz, z.B. ein SI oder eine MTF, der zukünftig ebenfalls beachtet werden sollte? Hat einer der Handelsplätze seine Gebührenstruktur deutlich verändert? Hat sich die Liste der Finanzinstrumente eines Handelsplatzes geändert? Hat sich die eigene Liste der gehandelten Finanzinstrumente geändert?
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Damit ein Finanzinstitut oder Wertpapierdienstleister die oben genannten Fragen beantworten kann, benötigt er eine Reihe von Informationen: o
Liegen die relevanten Detailinformationen möglicher, derzeit nicht berücksichtigter Handelsplätze vor? • Gehandelte Finanzinstrumente • Gebührenstruktur
o
Welche Voraussetzungen für die notwendige Datenanbindung müssen erfüllt werden, z.B. bei Order-by-Order: Echtzeitanbindung für Quotes?
o
Stellt der Handelsplatz die notwendigen statistischen Daten für eine weitergehende Prüfung zur Verfügung? • Durchschnittlicher Spread • Liquidität • Anzahl Trades pro Tag • etc.
Diese Liste lässt sich in Abhängigkeit der Komplexität und Vielzahl der gehandelten Finanzinstrumente des einzelnen Institutes durchaus noch weiter fortsetzen. Erkennbar wird, dass die Handelsbereiche des Finanzinstituts unternehmensintern festlegen sollten, welche Relevanz die Änderung der Antworten zu den o.g. Fragen in Bezug auf ihr Geschäftsmodell haben soll. Weiterhin wird eine Art Alarmsystem für diese Informationen benötigt, das anzeigt, wann sich signifikante Änderungen ergeben haben. Daraus folgt die Frage: was sind signifikante Änderungen? Diese Frage müssen die einzelnen Unternehmen, basierend auf den existierenden unternehmensinternen Ausführungsgrundsätzen, für sich selbst beantworten. Schlussendlich wird jedes Finanzinstitut für sich selbst eine Reaktionszeit definieren, die angibt: o o
in welchem Zyklus diese Angaben überprüft werden; wie viel Zeit sie sich geben, um ggf. auf Änderungen zu reagieren und dann ggf. eine neue Policy zu definieren.
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
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14.7 Ermittlung der Praxistauglichkeit einer Execution Policy Die Frage, ob die unternehmenseigene Execution Policy praxistauglich ist, soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: Ein Finanzinstitut hat in der Execution Policy festgelegt, dass Kundenorders immer an den umsatzstärksten Handelsplatz weitergeleitet werden, da die Annahmen bestehen, dass zum einen dort die Liquidität am größten ist, was die Wahrscheinlichkeit der Ausführung erhöht, und zum anderen der Spread zwischen Angebots- und Nachfragepreis dort am kleinsten ist, was die Wahrscheinlichkeit des besten Preises erhöht. Unterstellt wird in diesem Beispiel, dass die Abwicklungskosten der ausgewählten Handelsplätze identisch sind. Dabei stellt sich nun die Frage, in welchem Turnus die Überprüfung des Handelsumsatzes erfolgen soll bzw. kann. Das bedeutet, dass eine Bank, die z.B. an den umsatzstärksten Handelsplatz für das jeweilige Finanzinstrument die Order routen will, dies täglich, wöchentlich oder monatlich überprüfen muss, und im Fall einer Änderung des tatsächlich umsatzstärksten Handelsplatzes nicht die Execution Policy, aber ihr tatsächliches Orderrouting anpassen muss. Ferner stellt sich die Frage, wie überprüft und nachgewiesen werden kann, dass ein Finanzinstitut dauerhaft die von ihm festgelegten Kriterien berücksichtigt hat. Hierzu muss bedacht werden, dass die Order- bzw. Ausführungsdaten, die man bereits heute speichern muss, in einer angemessenen Form gespeichert werden. Nur so ist das Finanzunternehmen in der Lage, nachvollziehbar zu machen, dass es unter Anwendung der festgelegten Kriterien zum Zeitpunkt der Ordererteilung den richtigen Handelsplatz ermittelt hat. Ein Teil dieser Prüfroutine bzw. Qualitätsanalyse der Orderausführung wird hierbei möglicherweise unausgesprochen auf den informierten Bankkunden verlagert werden. Dies ist insbesondere in Fällen denkbar, in denen ein limitierter Wertpapierauftrag an dem von dem Finanzinstitut ausgewählten Handelsplatz nicht ausgeführt werden konnte, aber an einem anderen Handelsplatz zur Ausführung gekommen wäre.
14.8 Der Stand der Implementierung heute Im Folgenden ist dargestellt, wie der aktuelle Stand der Implementierung der Execution Policies in Deutschland ist. Dabei ist ausdrücklich zu be-
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rücksichtigen, dass diese Darstellung auf dem Kenntnisstand von Anfang 2008 basiert. Es ist davon auszugehen, dass sich dieses Marktbild ändern wird. 14.8.1 Was haben die meisten Institute implementiert? Beide o.g. Formen sind in der Praxis vertreten:
Policy-basierter Ansatz
Die meisten Institute haben einen Policy-basierten Ansatz implementiert. Dabei hat eine Reihe von Instituten eine sehr grobe Unterteilung der Wertpapiergruppen gewählt.
Order-by-Order
Soweit man derzeit feststellen kann, haben nur wenige Marktteilnehmer, zum größten Teil Börsenmakler, einen Order-by-Order-Ansatz im deutschsprachigen Raum gewählt. Diese Situation sieht im angelsächsischen Raum etwas anders aus. Dort hat auch eine Reihe von Kreditinstituten einen solchen Ansatz für professionelle Kunden im Angebot. Zusammenfassend ist noch anzumerken, dass aus den meisten veröffentlichten Execution Policies, die den Kunden zur Verfügung gestellt werden, nicht hervorgeht, welche Gewichtung der einzelnen Faktoren welchen Einfluss auf die Order bzw. deren Weiterleitung hat. Gerade dieser Einfluss auf die Steuerung einer Order ist allerdings eine wesentliche Information für die Bewertung einer Execution Policy. Dies ist nicht nur für Bestandskunden von Bedeutung, sondern dient vor allem potenziellen Neukunden im Wertpapiergeschäft als Orientierung bei der Auswahl eines Finanzdienstleisters. 14.8.2 Vermögensverwalter als professionelle Kunden und nicht als geeignete Gegenparteien Derzeit ist zu beobachten, dass viele Vermögensverwalter (Asset Manager) selbst lieber als professionelle Kunden klassifiziert werden möchten denn als geeignete Gegenpartei, obwohl sie in Bezug auf das verwaltete Fondsvolumen häufig größer sind als die Finanzinstitute, an die sie Wertpapieraufträge weiterleiten. Hintergrund zu diesem Vorgehen ist, dass diese Fondsgesellschaften damit die Pflicht der Erfüllung der Best Execution Po-
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
247
licy von sich selbst auf den Broker oder Makler übertragen wollen. Die Überlegung dabei ist, dass, wenn der Asset Manager professioneller Kunde ist, der Makler ihm eine Best Execution Policy zur Verfügung stellen muss und diese bei der Erteilung seiner Wertpapieraufträge auch zur Anwendung gelangt. Falls diese Policy mit der eigenen des Asset Managers übereinstimmt, kann damit die Pflicht zur Erfüllung und Prüfung der Policy an den Makler weitergegeben werden. Ob diese Überlegung rechtlich auf Dauer haltbar ist, wird sich erst in den nächsten Monaten entscheiden, sobald die Aufsicht die ersten dieser Fälle prüfen wird. 14.8.3 Best Execution bei Finanzprodukten Da sich die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung über alle Finanzinstrumente erstreckt, müssen sich Finanzinstitute über die notwendige unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Finanzinstrumente und die bereits angesprochene Granularität der Execution Policies Gedanken machen. Die Problematik in der Praxis lässt sich anhand von ein paar Beispielen verdeutlichen, nachfolgend für Aktien und Rentenpapieren.
Aktien
In diesem Fall stellt sich zunächst die Frage, ob es sich um ein liquides Papier, z.B. aus einem Index, handelt oder um eine Aktie, die nur an wenigen Handelsplätzen gelistet ist. Falls es sich um ein liquides Papier aus einem Index handelt, kann der Kunde die Entscheidung des Orderroutings durch die Bank, basierend auf der Policy, leicht erkennen. Dort steht häufig eindeutig ein Handelsplatz, der ausgewählt werden soll. Bei den weniger liquiden Aktien ist ein eindeutiger Handelsplatz nicht immer erkennbar.
Rentenpapiere
Im nächsten Beispiel handelt es sich um ein Rentenpapier, das zwar an einigen Börsen gelistet ist, aber dort derzeit nicht gehandelt wird. Nun stellen sich mehrere Fragen: o
o
Wo wird dieses Papier derzeit tatsächlich gehandelt? Ggf. wird das Finanzinstitut dieses Papier nur OTC besorgen können. Was ist der Marktpreis für dieses Papier? Bei liquiden Papieren ist es noch relativ einfach, einen Marktpreis zu ermitteln, da man über einen Kursanbieter einen aktuellen Kurs wird finden können. Weiterhin kann man sich die aktuellen Quotes
248
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o
an verschiedenen Handelsplätzen ansehen, um für sich selbst ein bestmögliches Angebot zu ermitteln. Wie kann das Finanzinstitut im Anschluss an das Geschäft dokumentieren, dass es gemäß seiner Best Execution Policy gehandelt hat?
Derzeit kann man beobachten, dass sich die meisten Finanzinstitute um die Beantwortung dieser Fragestellungen „drücken“, indem sie entweder solche Produkte gar nicht oder nur sehr eingeschränkt für den Handel zulassen, oder indem sie so weiche Formulierungen verwenden, dass sie später nicht für sie nachteilig ausgelegt werden können.
14.9 Aus dem Blickwickel des Business Nach der bisher erfolgten Darstellung des Themas Best Execution Policy aus Sicht des Kunden wird in diesem Abschnitt die Auswirkung der MiFID aus dem Blickwickel betrachtet, ob sich ggf. einige Produktbereiche „rechnen“ oder nicht. Des Weiteren wird der Versuch unternommen, einen Blick in die „Glaskugel“ zu werfen, wie sich der Markt bei diesem Thema weiter einwickeln wird. 14.9.1 Wann sollte ein Finanzinstitut welchen Ansatz wählen? Vorweg sollte ein Finanzinstitut eine Übersicht erstellen, welcher Kundentyp im Fokus des unternehmensinternen Geschäftsmodells bzw. der Betrachtungen liegt. Falls ein Finanzinstitut überwiegend Privatkunden als Kunden hat, ist die Ausgangslage vollständig anders als bei professionellen Kunden. Dies soll deshalb im Folgenden als erste Markteinschätzung dargestellt werden.
Ansatz für Privatkunden
Die aktuelle Situation sieht so aus, dass fast alle Institute, die ihren Fokus auf Privatkunden gelegt haben, einen reinen Policy-basierten Ansatz gewählt haben. Ob sich diese Entscheidung im Wettbewerb durchsetzen wird, kann derzeit noch nicht sinnvoll beurteilt werden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich auf dem Markt erst in den nächsten 24 Monaten ein gewisser Wettbewerbsdruck herausbilden wird, wenn Anbieter mit erweiterten Angeboten auf den deutschsprachigen Markt drängen werden.
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Nach derzeitiger Einschätzung ist allerdings die Mehrheit der Privatkunden nicht sehr wechselwillig, von daher sind kurzfristig keine gravierenden Marktanteilsveränderungen zu erwarten.
Ansatz für Professionelle Kunden
Vollständig anders sieht die Situation bei professionellen Kunden aus. Diese werden in Zukunft sehr genau abwägen, welche Angebote aus deren Sicht einen echten Mehrwert darstellen und welche nicht. Gerade in diesem Bereich wird sich ein größerer Wettbewerbsdruck ergeben. Dabei ist vor allem zu erwarten, dass sich neue Services am Markt etablieren werden, die dann auch zu größeren Verschiebungen des Ordervolumens führen können.
Parallele Weiterleitung von großen Orders
Im Markt kann man derzeit beobachten, dass eine große Unsicherheit besteht, wie man mit großen Orders (Block-Orders) umgehen soll und kann. Dies ist vor allem dadurch bedingt, dass in der MiFID gefordert wird, dass (noch) nicht ausgeführte Order(-Teile) spätestens am Ende des Tages veröffentlicht werden müssen. Nun haben die Kreditinstitute und auch deren Kunden erhebliche Bedenken, dass diese Veröffentlichung zu Marktauswirkungen führen kann oder wird. Die meisten Institute versuchen sich zu schützen, indem sie vom Kunden bescheinigen lassen, dass der Kunde eine solche Veröffentlichung nicht wünscht. Eine andere, grundsätzlich sicher bessere Alternative kann sein, dass diese Orders nicht nur an einen Handelsplatz weitergeleitet werden, sondern vielmehr auf mehrere Handelsplätze gleichzeitig verteilt wird. Dieses Verfahren ist mit mehreren Vorteilen verbunden: o o o o
Reduktion oder sogar Vermeidung des Risikos von Marktauswirkungen, bevor die Order vollständig ausgeführt wurde. Erhöhung der Ausführungswahrscheinlichkeit. Schnellere Ausführung der Order. Erzielung eines Preises, der „näher“ am Marktpreis liegt.
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Börsen
ServiceAnbieter
Order
MTF SI
Handelsplatz/WP-Gruppe WP -Grp1 WP-Grp 2 WP-Grp 3 Handelsplatz A
SI
Handelsplatz B
Börse
Handelsplatz C
Börse MTF
MTF
...
Zuordnung Handelsplatz zu WP Gruppe
Abb. 14.4: Parallele Weiterleitung einer Order
14.9.2 Best Execution als Service In naher Zukunft werden noch mehr Anbieter auf dem Wertpapierdienstleistungsmarkt erscheinen, die spezielle Services im Bereich Ausführung anbieten werden. Soweit man es derzeit bereits erkennen kann, gibt es mehrere Ansätze, eine „Best Execution“ als Service anzubieten. In solchen Fällen wird eine Master-Policy als Vorlage zur Verfügung gestellt, und der Kunde, in dem Fall das Finanzinstitut, parametrisiert nur noch diese Policy. Diese Parametrisierung geht von sehr einfachen Parametern bis hin zu sehr komplexen Strukturen, z.B. Order-by-Order-Ansätze. Diese verschiedenen Ebenen werden dann mit unterschiedlichen Servicekosten pauschal bzw. je Order versehen. Ebenfalls sieht man – derzeit eher im Ausland – eine Spezialisierung der angebotenen Services auf z.B. einzelne Finanzprodukte. In solchen Fällen werden zunehmend auch „Brücken“ zu bisher „exotischen“ Handelsplätzen angeboten, insbesondere MTFs bzw. SIs, die bei den meisten Instituten bisher noch nicht angebunden waren. Damit verbunden wird meistens eine Logik bzw. ein Service, der sicherstellen soll, dass der beste Preis und ausreichend Liquidität zur Verfügung stehen. Dies erfolgt über eine Struktur, bei dem der Serviceanbieter, der gleichzei-
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
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tig ein Handelsplatz ist, ein Regelwerk implementiert hat, aufgrund dessen beim Unterschreiten einer gewissen Liquidität auf weitere Handelsplätze zugegriffen wird.
14.10 Ausblick Abschließend wird der Versuch unternommen, mögliche Weiterentwicklungen im Bereich MiFID mit Bezug auf Best Execution vorherzusehen. Die nun folgenden Thesen dürfen dabei nicht als „gesetzt“ verstanden werden, vielmehr können sie hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Themengebiets Best Execution zur Diskussion anregen. 14.10.1 Negative Diskriminierung In der Finanzdienstleistungsindustrie stellt man sich seit längerem die Frage, warum einzelne Bereiche stark reguliert sind, während andere, die die gleiche Kundenintention bedienen, wesentlich weniger reguliert sind. Dazu soll folgendes kurzes Beispiel dienen: Ein Kunde möchte seine Versorgung im Alter absichern. Er geht daher zu einem Anlageberater und lässt sich eine individuelle Lösung – basierend auf Anlagen in Wertpapieren – zusammenstellen, die zu diesen Ergebnissen führen können: o o o o
Er kauft regelmäßig Wertpapiere seiner Wahl. Er investiert in einen Fonds-Sparplan bei seiner Bank. Er kauft regelmäßig Fonds-Anteile bei einer Fondsgesellschaft. Er investiert in eine Kapitalbildende Lebensversicherung (z.B. auf Fonds-Basis) bei einer Lebensversicherung.
Nun seien folgende provokativen Fragen erlaubt: 1. Was ist der Unterschied zwischen den oben genannten Anlageformen aus Sicht des Kunden bzw. seines persönlichen Schutzinteresses? 2. Wieso sind die oben genannten Bereiche so unterschiedlich im Hinblick auf die Frage der Best Execution reguliert? 3. Was für Änderungen kann man jetzt bereits bei der zukünftigen Regulierung erwarten? Speziell unter dem Aspekt, dass seitens der EU die existierenden Initiativen aus dem „Financial Service Action Plan“ in absehbarer Zeit weiter harmonisiert werden,
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Frank Moser
kann erwartet werden, dass hier eine stärkere aufsichtsrechtliche Gleichbehandlung erfolgen wird, wenngleich für Kreditinstitute, Fondsgesellschaften und Lebensversicherungen jeweils weiterhin unterschiedliche Gesetze gelten. 14.10.2 Transparenz für weitere Finanzprodukte Bisher fordert der Gesetzgeber eine Vor- und Nachhandelstransparenz nur für Aktien und aktienvertretende Zertifikate. Unter dem Aspekt der Best Execution stellt sich somit die Frage, welchen Nutzen die Forderung nach Best Execution ohne eine zugehörige Markttransparenz stiften kann. Sofern alle Marktteilnehmer nur eine eingeschränkte bzw. gar keine Markttransparenz nutzen können, ist es verständlich, dass sie für bestimmte Produktgruppen ihren Kunden nur eine vage formulierte Best Execution Policy anbieten können. Kaum ein Marktteilnehmer wird für jedes Produkt wissen können, o o
ob es für das betreffende Finanzprodukt einen definierten Markt gibt (manche Produkte sind nur over-the-counter handelbar); wie die Preisfindung für das Produkt aussieht: • Gibt es Quotes? • Was wird quotiert? • Wie liquide ist der Markt / welchen Anteil stellen die publizierten Quotes an der realen Marktliquidität dar?
Wie man aus diesen Fragestellungen bereits erkennen kann, gibt es noch eine Reihe von offenen Fragen speziell zu echten OTC-Produkten bzw. zu Produkten, die keinen liquiden Markt mehr haben, z.B. illiquide Rentenpapiere. Es sind bereits eine Reihe von Ansätzen diskutiert worden, u.a. auch Benchmarking-Verfahren. Diese sind aber von einigen Teilen der Finanzdienstleistungsindustrie auch wieder heftig kritisiert worden. Man kann davon ausgehen, dass in diesem Bereich noch weitere Lösungsansätze im Markt entwickelt werden. Derzeit scheint noch nicht erkennbar zu sein, dass der Gesetzgeber hier zeitnah eingreifen wird. Dennoch ist es denkbar, dass hier Anbieter von Servicedienstleistungen am Markt erscheinen werden, die hierfür – basierend auf deren eigenen Lösungsansätzen – Services offerieren werden.
14. Best Execution: immer und zu jedem Preis?
253
14.10.3 Fonds In Bezug auf das wichtige Finanzprodukt Fonds gibt es derzeit auch mindestens zwei Fragestellungen, die noch nicht abschließend entschieden sind. o
o
Warum sind Fonds von der Best Execution ausgenommen? Vertreter der Fondsindustrie in Deutschland verweisen verständlicherweise auf das Investmentgesetz, das ein Spezialgesetz darstellt. Vergleicht man Fonds dagegen mit einem Portfolio von Asset Backed Securities (ABS), so stellt sich die Frage, warum ABS vollumfänglich unter die MiFID fallen, während Fonds nur bedingt unter die MiFID fallen (siehe auch Diskussion „negative Diskriminierung“). Wie passt dauerhaft der Ausgabeaufschlag zur Anforderung „Best Execution“, insbesondere in den Fällen, in denen Fonds auch an der Börse gehandelt werden? Hier werden Finanzinstitute und freie Finanzvermittler möglicherweise mit der Fondsindustrie gemeinsam neue Lösungsansätze entwickeln müssen, wobei die Fondsindustrie verständlicherweise ein legitimes Interesse daran hat, ihre bisher geübte Praxis zu verteidigen.
Die vorgenannten Fallbeispiele und die aufgeworfenen Fragen zeigen, dass der europäische Gesetzgeber im Zuge der Harmonisierung von Best Execution-Anforderungen zwar unter regionalen Gesichtspunkten schon einen großen Schritt geschafft hat, indem er eine europaweit einheitliche Regelung aufgestellt hat. Im Hinblick auf bestimmte Kapitalmarktbereiche, z.B. im nach wie vor wichtigen Bereich der over-the-counter-Geschäfte (OTC) sowie bei bestimmten artverwandten Anlageprodukten ist jedoch erkennbar, dass die Harmonisierung der gesetzlichen Regulierung noch nicht abgeschlossen ist. Solange dies der Fall ist, werden Finanzinstitute im Hinblick auf ihre Best Execution Policy in weiten Teilen produktspezifische Differenzierungen hinsichtlich des Orderroutings von Kundenwertpapieraufträgen aufrecht erhalten müssen. Eine durchgängig auf alle kapitalmarktbezogenen Finanzprodukte einheitliche Best Execution Policy kann es daher auf absehbare Zeit nicht geben. Für den Kunden bedeutet dies, dass er von seinen verschiedenen Finanzinstituten unterschiedliche Best Execution Policies erhalten wird. Dies gilt sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Ausrichtung Policy-basiert vs. Order-by-order-Ansatz und sich dabei ergebender Mischformen als auch in Bezug auf die Art der Einbeziehung der verschiedenen Finanzprodukte
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Frank Moser
und den Umfang der Differenzierung innerhalb einer Produktgruppe. Berücksichtigt man nun noch die Frage der Einbeziehung bestimmter Faktoren für das Orderrouting und die Gewichtung dieser Faktoren in Bezug auf die tatsächliche Ausführung der Order, so wird erkennbar, dass selbst ein durchschnittlich interessierter professioneller Kunde Schwierigkeiten haben wird, die Qualität der einzelnen Best Execution Policies beurteilen zu können. Die konkreten Auswirkungen der unterschiedlichen Best Execution Policies im täglichen Wertpapiergeschäft werden nur diejenigen Kunden einschätzen können, die regelmäßig Geschäfte über mehrere Finanzinstitute oder Broker abwickeln.
15. Was leistet die Börse unter MiFID?
Rainer Riess
15.1 Die Anforderungen der MiFID Mit der Einführung der MiFID zum 1. November 2007 verfolgte der europäische Gesetzgeber das Ziel, einen paneuropäischen Rechtsrahmen mit einheitlichen Regeln für Wertpapierdienstleistungen zu schaffen. Zugleich soll der Anlegerschutz sowie die Effizienz und Integrität des europäischen Finanzmarktes verbessert werden. Nach Ansicht der Kommission gilt Markttransparenz allgemein als eine wesentliche Voraussetzung für die Fairness und Effizienz eines Marktes und stellt ein wichtiges Kriterium für seine Liquidität und die Qualität der Kursbildung dar 1. Dementsprechend stellt die Richtlinie Anforderungen an die Vor- und Nachhandelstransparenz von Börsen, Multilateralen Handelssystemen (MTF) und Systematischen Internalisierern. Ein weiterer Kernpunkt der MiFID ist die Verpflichtung von Wertpapierdienstleistern, ihren Kunden die günstigste Orderausführung bei nicht weisungsgebundenen Aufträgen anzubieten. Wertpapierdienstleister müssen zu diesem Zweck Ausführungsgrundsätze (so genannte Execution Policies) aufstellen, in denen je nach Wertpapier- und Kundenart die bestmögliche Orderausführung garantiert und begründet wird. Weitreichende Änderungen bringt das „neue Grundgesetz für den europäischen Finanzmarkt“ auch für den Börsenhandel mit sich. Abgeschafft wurden mit Umsetzung der MiFID die Zulassungsstellen bei den Börsen. 1
Vgl. Christian Vollmuth/Julius Seifert: “Handelstransparenz differenziert nach Marktform: geregelte Märkte, multilaterale Handelssysteme, systematische Internalisierer“ in: Peter Clouth/Volker Lang (Hrsg.): MiFID Praktikerhandbuch – Neue Verhaltensregeln für Banken und Sparkassen durch Gesetzgeber und Bankenaufsicht, Köln 2007, S. 367-398, hier S. 370.
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Rainer Riess
Die Entscheidung über die Zulassung von Wertpapieren obliegt dann künftig der Geschäftsführung der Börse. Auch der amtliche Handel als Börsensegment wurde abgeschafft. Statt geregeltem und amtlichem Markt gibt es nun lediglich ein gesetzliches Marktsegment, den „regulierten Markt“. Die Börsen können darüber hinaus weiterhin zusätzliche Qualitätssegmente für ihren Handelsplatz schaffen 2.
15.2 Services der Gruppe Deutsche Börse Die Gruppe Deutsche Börse hat die sie betreffenden Regelungen zeitgerecht umgesetzt und bietet Marktteilnehmern darüber hinaus zahlreiche neue Dienstleistungen und Services, damit diese ihren MiFID-Anforderungen nachkommen können. Die nachstehende Tabelle zeigt im Überblick selektiv Anforderungen der MiFID sowie die korrespondierenden Services der Gruppe Deutsche Börse.
Tab. 15.1: Mit den Services der Gruppe Deutsche Börse die Anforderungen der MiFID erfüllen.
2
Vgl. Jürgen Ellenberger, Einleitung: Überblick, Bedeutung, Zielsetzung, in Clouth/Lang, S. 9.
15. Was leistet die Börse unter MiFID?
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15.2.1 Best Execution Die MiFID verlangt, dass Kundenaufträge zu den für den Kunden günstigsten Konditionen ausgeführt werden müssen. Um dies zu gewährleisten, werden Wertpapierfirmen zur bestmöglichen Ausführung der Kundenaufträge verpflichtet. Diese Anforderungen gelten für alle Arten von Finanzinstrumenten mit der Ausnahme von Publikumsfonds. Die Banken müssen hierzu Maßnahmen ergreifen, um unter Berücksichtigung unterschiedlicher Faktoren systematisch die beste Ausführung der Kundenorders zu gewährleisten. 3 Gemäß § 33a WpHG sind dabei folgende Aspekte zu berücksichtigen: o o o o o o o o
Preis Kosten Schnelligkeit Wahrscheinlichkeit der Ausführung Wahrscheinlichkeit der Abrechnung Umfang Auftragsart Alle sonstigen relevanten Faktoren
Diese Faktoren müssen jeweils nach ihrer relativen Bedeutung gewichtet werden. Dabei sind folgende Kriterien zu beachten: o o o o
Merkmale des Kunden und dessen Einstufung als Privat- oder professioneller Kunde. Merkmale des Kundenauftrags (z.B. limitiert/unlimitiert). Merkmale der Finanzinstrumente, auf die sich der Auftrag bezieht. Merkmale der Handelsplätze, an die der Auftrag weitergeleitet werden kann.
Die Grundsätze der Ausführungspolitik müssen so konzipiert sein, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen für die jeweilige Kundenkategorie regelmäßig die besten Ergebnisse erbringt. Bei der Auswahl geeigneter Handelsplätze gilt es dabei sicherzustellen, dass „bei der Ausführung von Kundenaufträgen gleichbleibend das bestmögliche Ergebnis“ erzielt wird. Die Wertpapierfirmen müssen hierzu Execution Policies aufstellen, in denen sie die Wahl ihres Handelsplatzes 3
Vgl. hierzu bspw. Frank Michael Bauer, Grundlagen und Erstellung einer Best Execution Policy aus Kreditinstitutssicht in: Clouth/Lang, S. 311.
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Rainer Riess
begründen und ihre Kunden darüber informieren. Die Wertpapierfirmen sind zudem verpflichtet, ihre Execution Policies regelmäßig zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für die Wahl des Handelsplatzes. Ziel der Richtlinie ist es, hierbei eine Zersplitterung des Handels auf verschiedene Handelssysteme zu vermeiden und so einen insgesamt effizienten Markt zu gewährleisten. Mit der Pflicht zur Weiterleitung der Aufträge an den Ort mit dem besten Preis soll sichergestellt werden, dass die Markliquidität rasch auf Kursunterschiede reagieren kann und an die wettbewerbsfähigen Handelsplätze fließt. Mit dem Frankfurter Parkett und dem vollelektronischen Handelssystem Xetra® bietet die Börse Frankfurt Privatanlegern und institutionellen Investoren MiFID-konformen Handel und Best Execution in rund 250.000 Instrumenten. Mit Xetra BEST®, einer Teilfunktionalität von Xetra®, werden zudem Kundenaufträge vollständig sowie mit Preisverbesserung und ohne fixe Clearing-Entgelte kostengünstigst ausgeführt – die impliziten und expliziten Kosten werden somit reduziert. Als Nachweis für die entsprechende beste Ausführung bietet die Börse Frankfurt kostenfreie Best-Execution-Reports an. Handelsteilnehmer können anhand dieser Reports die tatsächliche Ausführungsqualität des abgelaufenen Monats für Xetra® und den Parketthandel anhand von ausgewählten Kennzahlen, welche auf den Best-Execution-Kriterien der Richtlinie basieren, verifizieren. Neben durchschnittlichem Spread, Ausführungszeit, Vollausführungsquote etc. werden Anzahl der Order pro Segment/ Index sowie durchschnittliche Ordervolumina dargestellt.
Xetra® und Xetra BEST®
Als hochliquider Markt mit höchsten gehandelten Volumina bietet Xetra® schnellen, vollelektronischen Handel zu marktgerechten Preisen und niedrigen Kosten. Kauf- und Verkaufsaufträge stehen sich im zentralen offenen Xetra®-Orderbuch gegenüber. Über die Handelsbildschirme von mehr als 4.600 registrierten Händlern bei rund 260 Teilnehmern in 19 Ländern haben nationale und internationale Investoren Zugriff auf etwa 6.000 handelbare Aktien, darunter zahlreiche europäische und US-amerikanische Blue Chips, sowie ca. 250 Exchange Traded Funds (ETF - aktiv bzw. passiv gemanagte börsengehandelte Fonds ohne Ausgabeaufschlag) und 30 Exchange Traded Commodities (ETC) wie Xetra® Gold. Sowohl für deutsche Aktien als auch die gelisteten ETFs ist Xetra® der Referenzmarkt, der sofortige Ausführung zu geringsten Kosten ermöglicht. Mit dem Xetra®Liquiditätsmaß (XLM) stellt die Deutsche Börse ein anerkanntes Konzept
15. Was leistet die Börse unter MiFID?
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zur Messung impliziter Transaktionskosten auf der Basis der erfassten Liquidität im elektronischen Handel bereit. Als besonderen Service bietet die Deutsche Börse Xetra BEST® an. Neben den bereits genannten Vorteilen einer Orderausführung auf Xetra® – höchste Ausführungsgeschwindigkeit, niedrigste implizite und explizite Transaktionskosten – bietet Xetra BEST® zusätzlich Preisverbesserung Vollausführung und Kostenersparnis für Banken durch Wegfall der fixen Clearing-Kosten an. In Xetra BEST® werden Orders von Retail-Banken an so genannte BEST-Executoren gesendet, die die Retail-Orders gegen ihre eigenen Bücher ausführen. Die Vollausführung gegen den jeweiligen BEST-Executor erfolgt mit automatischer Preisverbesserung gegenüber dem Xetra®-Orderbuch und stellt somit Best Execution sicher. Xetra BEST® ist integrierter Bestandteil von Xetra® und somit rechtlich Teil des Regulierten Marktes. Technisch ist Xetra BEST® Teil der Xetra®Infrastruktur. Das bedeutet für Xetra®-Teilnehmer MiFID-konformen Handel ohne zusätzlichen Investitionsbedarf.
Präsenzhandel an der Börse Frankfurt
An der Präsenzbörse werden im intermediärbasierten Handel die Preise in rund 250.000 Wertpapieren ermittelt: Jedes Wertpapier wird von einem Skontroführer betreut, der die Geld- und Briefkurse stellt und die eingehenden Aufträge gemäß den Preisfeststellungsregeln in fortlaufenden Auktionen ausführt bzw. sie in seinem Orderbuch verwaltet, bis sie ausgeführt oder gelöscht werden bzw. verfallen. Auch weniger liquide Papiere werden so auf dem Parkett effizient gehandelt. Die Preis- und Ausführungsqualität im Handel wird fortlaufend mit einer Performance-Messung, die bereits im Jahr 2005 eingeführt wurde, überwacht. Kriterien wie Quotierungsvolumen, Spread, Ausführungsgeschwindigkeit sowie Quote-Präsenz werden während des gesamten Handelstages von 9:00 bis 20:00 Uhr in jedem einzelnen Wertpapier gemessen. Zusätzlich dienen Referenzmärkte wie Xetra® oder internationale Handelsplätze als Qualitäts-Benchmarks. Dadurch wird eine nachhaltig hohe Qualität im Parketthandel sichergestellt und transparent dokumentiert. Darüber hinaus garantieren die Skontroführer in Frankfurt eine spreadlose Ausführung von Privatkunden-Orders in Aktien des DAX®, MDAX®, TecDAX®, SDAX® über den gesamten Handelstag. Privatanleger können von 9:00 bis 20:00 Uhr realtime die aktuellen Null-Spread-Taxen des Skontroführers unter www.deutsche-boerse.com/nullspread kostenfrei abrufen.
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Rainer Riess
Mit Umsetzung der MiFID zum 1. November 2007 hat die Deutsche Börse ein neues Entgeltmodell für den Parketthandel mit Aktien und Renten an der Börse Frankfurt sowie das Clearing eingeführt. Die Kosten der Orderausführung sind wesentlicher Bestandteil der Best Execution Anforderungen der MiFID. Das neue Entgeltmodell berechnet analog zum Xetra®Preismodell die Entgelte von Parketttransaktionen pro ausgeführter Order und abhängig vom Orderwert. Die Berechnung der Transaktionskosten ist somit vorab kalkulierbar und wird damit für Anleger transparenter; Banken wird zudem die Nachweispflicht gegenüber ihren Kunden erleichtert. 15.2.2 Nachhandelstransparenz für außerbörslich getätigte Geschäfte Mit Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie müssen Wertpapierfirmen ihre außerhalb einer Börse oder einer MTF getätigten Transaktionen in Aktien oder Aktien vertretenden Zertifikaten, die an einem geregelten Markt innerhalb des EWR zum Handel zugelassen sind, veröffentlichen. Die Veröffentlichung sollte grundsätzlich in Echtzeit, jedoch nicht später als drei Minuten nach Geschäftsabschluss getätigt werden, es sei denn, es handelt sich um ein Großgeschäft („block trade“), bei dem die Wertpapierfirma für einen Kunden gegen ihr eigenes Buch gehandelt hat. In diesem Fall ist eine verzögerte Veröffentlichung in Abhängigkeit vom gehandelten Volumen sowie der Liquidität des Instruments möglich. Die veröffentlichten Daten sollen gemäß MiFID einfach konsolidierbar sein. Weiterhin wurden von Seiten CESRs zusätzliche Empfehlungen und Richtlinien erarbeitet, die unter anderem detaillierte Anforderungen an die Datenqualitätssicherung sowie Anforderungen an die dazu genutzte Systeminfrastruktur definieren. 4 Für diese Anforderungen bietet die DBAG mit dem MiFID OTC-Nachhandelstransparenz-Service ihren Kunden ein vollumfängliches Dienstleistungsangebot an. Kunden der Deutschen Börse können ihre publikationspflichtigen OTC-Geschäfte über die Systeminfrastruktur der Deutsche
4
Vgl. hierzu „Publication and Consolidation of MiFID Market Transparency Data Level 3 CESR’s guidelines and recommendations for the consistent implementation of the Directive 2004/29/EC and the European Commission’s Regulation no. 1287/2006”.
15. Was leistet die Börse unter MiFID?
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Börse bei minimalem Aufwand kostengünstig und MiFID-konform veröffentlichen. Der Service bietet: o o o o o o o o o o
o
Abdeckung aller Instrumente, die gemäß MiFID nachhandelstransparenzpflichtig sind. Eingabe transparenzpflichtiger Geschäfte über Xetra®-Schnittstelle oder Xetra® GUI. Datenqualitätssicherung gemäß MiFID. Optionale, vollautomatische Verzögerung der Veröffentlichung von Großgeschäften. Reporting in allen gängigen Währungen möglich. Marketingfunktionalität (flexible Nutzung des Handelsplatz-IDCodes). Optionale Kombination von Nachhandelstransparenz mit Clearing und Abwicklung für ausgesuchte Instrumente. Optional ist die Eingabe für Dritte (nicht-Xetra® Members) möglich Veröffentlichung der Daten über die CEF® Datenfeeds der Deutschen Börse. End-of-Day Compliance-Report bietet eine Auflistung aller reporteten Transaktionen – kann auch zum Nachweis der Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen genutzt werden. Attraktives Preismodell sowie optionale Umsatzbeteilung.
Die Deutsche Börse bietet den MiFID-OTC-NachhandelstransparenzService europaweit an. Der Service erfüllt auch die Anforderungen der britischen Finanzaufsichtsbehörde Financial Services Authority (FSA). Diese vergibt als einzige Aufsichtsbehörde ein besonderes Zertifikat als so genannter Trade Data Monitor. Das Zertifikat signalisiert speziell Wertpapierfirmen im Regulierungsbereich der FSA die Qualität des gewählten Dienstleisters, in diesem Fall der Deutschen Börse. 15.2.3 Avox® Kundenklassifizierung als zuverlässige Datenquelle für MiFID Bei der Kundenklassifizierung unterscheidet der Gesetzgeber zwischen institutionellen Kunden, Privatkunden und geeigneter Gegenpartei, letztere sind in der Regel andere Finanzinstitute. Obwohl Kunden grundsätzlich fordern können, in eine bestimmte Kategorie eingestuft zu werden, bedient sich die Direktive zur Klassifizierung von institutionellen Kunden der drei Kennzahlen: Bilanzsumme, Nettojahresumsatz und Eigenmittel.
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Rainer Riess
Um diesen erhöhten Anforderungen an die Qualität der Kundendaten gerecht zu werden, kooperieren die Finanzinstitute in steigendem Maße mit externen Dienstleistern. Auch die Deutsche Börse bietet hierzu einen Service über ihre Tochtergesellschaft Avox® Ltd. Als Kunde des Avox® MiFID Client Classification Service liefern die Unternehmen die Daten der zu klassifizierenden institutionellen Kunden an Avox®. Avox® validiert zunächst die Kundendaten und erweitert dann die Datensätze um die drei Kennzahlen, die von MiFID für die Klassifizierung gefordert werden. Der Kunde bekommt die bereinigten und ergänzten Kundendatensätze im gewünschten Format geliefert, so dass sie ohne großen Aufwand in die eigene Dateninfrastruktur integriert werden können. Jeder Datensatz wird zusätzlich mit dem Avox® Identifier (AVID) versehen. Dieser Code kann sowohl intern als auch extern ohne Zusatzkosten genutzt und verteilt werden. 15.2.4 MiFID-Meldepflichten erfüllen mit TRICE® Mit TRICE® bietet die Deutsche Börse Handelsteilnehmern eine komfortable Lösung für die Übermittlung der Daten meldepflichtiger Geschäfte gemäß Artikel 25 MiFID und § 9 WpHG an die BaFin und andere europäische Aufsichtsbehörden.
Meldungen an die BaFin
Die Übermittlung an die BaFin ist per Dialogverfahren oder per FileTransfer möglich. Beim Dialogverfahren werden die Meldungen manuell in das von der Deutschen Börse zur Verfügung gestellte Erfassungssystem eingegeben. Beim File-Transfer konvertiert der Meldende die Angaben in das SWIFT-Format und übermittelt sie an die Deutsche Börse.
Meldungen ausländischer Handelsteilnehmer
Mit der Einführung der MiFID hat sich die Meldepflicht für ausländische Handelsteilnehmer geändert. Diese müssen nun zukünftig an ihre Heimataufsicht melden. Für französische handelnde Eurex®- und Xetra®-Teilnehmer werden automatisch Meldesätze aus den elektronischen Handelssystemen Eurex®- und Xetra® generiert und die Daten durch die Deutsche Börse direkt an die französische Finanzaufsicht gemeldet. Um diesen Service nutzen zu können, muss das betreffende Unternehmen als Eurex®- bzw. Xetra®-Handelsteilnehmer zugelassen sein. Ferner dürfen dessen Geschäfte nicht bereits durch das Haus selbst oder einen Drit-
15. Was leistet die Börse unter MiFID?
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ten, beispielsweise eine Clearingbank für Eurex®-Geschäfte bzw. Verrechnungsbank für Xetra®-Geschäfte, gemeldet werden.
15.3 100 Tage MiFID – Erfahrungsbericht 100 Tage nach Inkrafttreten der MiFID zieht die Deutsche Börse ein positives Zwischenfazit: Das elektronische Handelssystem Xetra® profitiert von Orderverlagerungen aufgrund der Richtlinie und baute im Januar seinen Marktanteil im Handel mit deutschen Standardwerten auf zuletzt rund 99 Prozent aus. Im Jahresdurchschnitt 2007 lag der Anteil bei 97 Prozent. Damit unterstreicht Xetra seine Bedeutung als MiFID Best Execution-Plattform mit der höchsten Liquidität und besten Preisen. Der Best Execution-Service für den bilateralen börslichen Handel von Banken, Xetra BEST®, verzeichnete in den letzten drei Monaten Rekordumsätze. Im Januar wurden bei 183.000 Geschäften 1,6 Mrd. Euro umgesetzt, nach 105.000 Geschäften und 1,1 Mrd. Euro im November 2007. Darüber hinaus hat die Deutsche Börse bis jetzt rund 60 Kunden innerhalb Europas für den MIFID OTC-Nachhandelstransparenz genannten Service zur Meldung von außerbörslichen Geschäften gewonnen. Auch den MiFID Client Classification Service nutzen bereits einige europäische Großbanken, um die Anforderungen der Richtlinie zur Kundenklassifizierung zu erfüllen, darunter z.B. Dresdner Kleinwort, Calyon, CM CIC Securities und Société Générale Corporate. Der Service von Avox® hat dabei die internen Teams der Banken bei einer schnellen und präzisen Aktualisierung ihrer Daten unterstützt.
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
Carsten Rößner
16.1 Einleitung Was ist außerbörslicher Handel, und was ist außerbörslicher Handel im Rahmen der MiFID, der seit dem 1. November 2007 gültigen europäischen Finanzmarktrichtlinie zur Harmonisierung und transparenteren Gestaltung des nationalen und grenzüberschreitenden Wertpapierhandels? Das folgende Kapitel behandelt den außerbörslichen Handel gemäß der deutschen Umsetzung der MiFID durch das FRUG und ihre Auswirkungen auf den Retail-Bereich. Am Beispiel einer wachstumsstarken Online-Bank, der biw Bank für Investments und Wertpapiere AG, wird die Systematik des außerbörslichen Handels unter der MiFID genauer beleuchtet. Darüber hinaus werden erste Erfahrungen wiedergegeben, wie die MiFID sich auf den außerbörslichen Handel zwischen den Wertpapierdienstleistungsunternehmen auswirkt. Die in diesem Kapitel dargestellten Erkenntnisse beruhen einerseits auf der Mitarbeit sowie dem Austausch in einzelnen MiFID-Gremien (MIFID Joint Working Group Deutschland, IT-Arbeitskreis des bwf (Bundesverband der Wertpapierfirmen e.V.), in denen praktische MiFID-Themen unter Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen diskutiert wurden. Andererseits flossen in dieses Kapitel auch die Erfahrungen bei der Gestaltung von MiFID-Lösungen der XCOM AG wie auch der technischen Umsetzung der MiFID bei der biw AG ein. Der nachfolgende Abschnitt 16.2 beinhaltet einen kurzen Überblick über die Anforderungen der MiFID hinsichtlich der Ausgestaltung des außerbörslichen Handels. Abschnitt 16.3 behandelt speziell die Auswirkungen der MiFID auf den außerbörslichen Handel im Retail-Bereich (Privatkun-
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Carsten Rößner
den). In Abschnitt 16.4 werden die Auswirkungen der MiFID im außerbörslichen Handel auf die Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Bezug auf Transparenzpflichten vorgestellt. Abschnitt 16.5 ist ein abschließendes Fazit zu den Auswirkungen der MiFID auf den außerbörslichen Handel.
16.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen der MiFID Der außerbörsliche Handel wird durch das FRUG, das nationale Umsetzungsgesetz der MiFID, definiert als „Auftragsausführung außerhalb organisierter Märkte und MTFs“. Damit ist die Auftragsausführung im außerbörslichen Handel klar abgegrenzt als Ausführung von Wertpapieraufträgen außerhalb von Börsen, des Freiverkehrs und außerhalb von MTFs. Außerdem erfasst der außerbörsliche Handel gemäß § 33a Abs. 1 und 5 WpHG die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft), für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (Eigenhandel) sowie in fremden Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung), andererseits gemäß §§ 31h, 33a Abs. 1 WpHG zusätzlich die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten oder deren Nachweis (Anlagevermittlung) sowie die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft). Nach Verlautbarung des FRUG werden mit MIFID folgende Neuerungen hinsichtlich des außerbörslichen Handels eingeführt: o
o
§ 33a Abs. 5 WpHG: Ausdrückliche Einwilligung durch den Kunden zur außerbörslichen Auftragsausführung im Rahmen der Ausführungsgrundsätze. § 31h WpHG: Nachhandelstransparenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für außerbörsliche Geschäfte mit zum Handel an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien und Aktien vertretenden Zertifikaten.
Die Neuerungen nehmen die Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit detailliert dargelegten Richtlinien in die Pflicht.
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
267
16.2.1 Ausdrückliche Zustimmung zum außerbörslichen Handel Der Auftragsausführung im außerbörslichen Handel muss ein privater oder professioneller Kunde ausdrücklich zustimmen, sei es für den Einzelfall oder generell. Die Regelung gemäß § 33a Abs. 5 WpHG ist Bestandteil der Anforderung an Wertpapierdienstleistungsunternehmen, den Kunden über die Ausführungsgrundsätze zu informieren und hierfür seine Zustimmung einzuholen. Die Einwilligung ist beim Kunden ausdrücklich einzuholen..Dies bedeutet, dass der Kunde entweder ausdrücklich mündlich, über ein Schriftstück oder mittels eines adäquaten elektronischen Mechanismus’ bei jedem Wertpapierauftrag einzeln oder aber generell dem außerbörslichen Handel zustimmen muss. Wenn die Einwilligung mündlich erteilt wird, sollte sie unbedingt dokumentiert werden. Die Einholung der Zustimmung sowohl zu den Ausführungsgrundsätzen als auch zur außerbörslichen Auftragsausführung entfällt bei Geeigneten Gegenparteien 1. 16.2.2 Nachhandelstransparenzpflicht § 31h WpHG verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen, für ausserbörsliche Auftragsausführungen in an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien sowie Aktien vertretenden Zertifikaten Stückzahl, Marktpreis sowie Zeitpunkt (Tag und Uhrzeit) des Geschäftsabschlusses zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen und soweit wie möglich auf Echtzeitbasis, spätestens nach drei Minuten, zu veröffentlichen. Hiervon betroffen sind sowohl das Finanzkommissionsgeschäft als auch der Eigenhandel sowie Anlage- und Abschlussvermittlung in Aktien und Hinterlegungsscheinen für Aktien wie z.B. Global Depository Receipts (GDR), welche das Eigentum an einer, mehrerer oder an einem Bruchteil von Aktien verbriefen. Die detaillierte Ausgestaltung dieser Regelung ist in der MiFID-Durchführungsverordnung 2 definiert. Hintergrund ist die Verbesserung der Transparenz der Liquidität der an einem organisierten Markt zugelassenen Aktien sowie Aktien vertretenden Zertifikaten durch Veröffentlichung ebenfalls aller außerbörslichen Geschäfte. Alle börslichen oder MTF-Geschäfte werden bereits über die entsprechenden Marktsysteme publiziert. Mit dieser Anforderung stehen Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Pflicht, im Besonderen Festpreisgeschäfte mit Kunden oder Geschäftspartnern über einen idealerweise 1 2
§ 31b WpHG. Artt. 27ff. Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission.
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Carsten Rößner
automatisierten Mechanismus zu publizieren. Sofern beide Geschäftsparteien keine Vereinbarung getroffen haben, muss das Geschäft nach folgender Reihenfolge das betroffene Institut veröffentlichen: 1. das verkaufende Wertpapierdienstleistungsunternehmen 2. das im Rahmen eines Finanzkommissionsgeschäftes für einen Kunden verkaufende Wertpapierdienstleistungsunternehmen 3. das im Rahmen eines Finanzkommissionsgeschäftes für einen Kunden kaufende Wertpapierdienstleistungsunternehmen 4. das kaufende Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Im Falle von Kommissionsketten erscheinen bilaterale Vereinbarungen unverzichtbar, um sowohl die Publikation sicher zu stellen als auch die doppelte Veröffentlichung des gleichen Geschäfts zu vermeiden. Zu veröffentlichen ist über Börsensysteme, Systeme Dritter wie z.B. Informationsanbieter (Bloomberg, Reuters etc.) oder über eigene Vorkehrungen wie etwa die eigene Webseite. Die Veröffentlichungsfrist von maximal drei Minuten nach Geschäftsabschluss stellt die wesentliche Anforderung der Nachhandelstransparenz dar. Eine verzögerte Veröffentlichung ist nur möglich, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen Geschäfte mit Kunden im Wege des Eigenhandels durchführt. In Abhängigkeit vom Volumen der Auftragsausführung und des durchschnittlichen täglichen Umsatzes (DTU) der gehandelten Aktie kann die Verzögerung für die Veröffentlichung des Geschäfts zwischen 60 Minuten bis maximal zum Ende des dritten Handelstages, der dem Geschäftsabschluss folgt, betragen. Die volumenabhängige zeitliche Verzögerung ermöglicht, dass von Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen des Kundengeschäftes eingegangene Risikopositionen nicht unmittelbar dem Markt preisgegeben werden müssen.
16.3 Aufklärungspflichten im außerbörslichen Handel
16.3.1 Außerbörslicher Handel im Retail-Bereich Unter dem außerbörslichen Handel im Retail-Bereich versteht man den außerbörslichen Handel privater und professioneller Kunden ohne gewerblichen Zweck. Am Beispiel der biw AG werden die Aufklärungspflichten
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
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im Zusammenhang mit dem außerbörslichen Handel beleuchtet, wie sie gegenüber dem privaten wie auch professionellen Kunden umgesetzt wurden. Die biw AG ist eine weitestgehend technisierte Transaktions- und Online-Bank mit umfassender Erfahrung im Wertpapiergeschäft. Als OnlineBank richtet sich die biw AG an private und professionelle Kunden, als Transaktionsbank an Wertpapierdienstleistungsunternehmen wie Vermögensverwalter, Banken, Online-Broker und andere Finanzintermediäre. Als Transaktionsbank bietet die biw AG Vertragspartnern von der Konto-/ Depotführung bis zur Abwicklung von Wertpapiertransaktionen alle Dienstleistungsprozesse einer Vollbank. Dies beinhaltet vor allem die Möglichkeit des Handelns von Finanzinstrumenten an verschiedenen Ausführungsplätzen. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Vertragspartner werden privaten und professionellen Endkunden unterschiedliche Zugänge zu Ausführungsplätzen sowie damit verbunden ebenfalls verschiedenartige Preis- und Leistungsmodelle angeboten. Mittlerweile bietet die biw AG Zugänge zu zahlreichen außerbörslichen Handelsplattformen an, u.a. o o o o
o o o
CATS-OS (CitiGroup Automated Trading System) Force (von BNP Paribas) ICOM (Warrant Trading System von Commerzbank AG) T.I.Q.S. (Trading Information und Quote System der TIQS GmbH & Co.KG, einem Tochterunternehmen der Börse Stuttgart AG und der EUWAX AG) Tradelink (von vwd Transaction Solutions AG) Tradegate (von Tradegate Wertpapierhandelsbank AG), ein MTF XOL (Xavex Online von Deutsche Bank AG).
Den außerbörslichen Handelsplattformen gemein sind üblicherweise ausgedehnte Handelszeiten zwischen 08:00 bis 22:00 Uhr sowie die Anbindung zahlreicher Finanzdienstleistungsinstitute, die über außerbörsliche Handelsplattformen z.T. selbst aufgelegte Finanzinstrumente ausgeben („Emittenten“) oder für dezidierte Finanzinstrumente Preise stellen („Market Maker“). Der Geschäftsabschluss erfolgt im Regelfall im Rahmen des sog. „Quote-Request-Verfahrens“. Handelsteilnehmer können dabei an den jeweiligen Emittenten oder den mit der Betreuung des jeweiligen Finanzinstruments betrauten Market Maker während der Handelszeiten eine Quote-Anfrage (Preis und Volumen) richten. Der Emittent bzw. Market Maker stellt gemäß definiertem Regelwerk dem Handelsteilnehmer auf die Quote-Anfrage einen verbindlichen Kauf- oder Verkaufspreis (Quote) zu der angegebenen Menge zur Verfügung. Der Handelsteilnehmer muss sich daraufhin innerhalb von einigen Sekunden entscheiden, ob er dieses Ge-
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schäft zu diesen Bedingungen abschließen will oder nicht. Nimmt der Handelsteilnehmer das Angebot des Emittenten bzw. Market Makers innerhalb des zugesicherten Stillhaltezeitraums für die Quotierung an, kommt das Geschäft im Regelfall zustande. Je nach Regelwerk kann nach dem Verstreichen des Stillhaltezeitraums Emittent bzw. Market Maker die Quotierung zurücknehmen oder ändern. Viele der außerbörslichen Handelsplattformen bieten mittlerweile im Rahmen des Quote-Request-Verfahrens Handelsteilnehmern die Möglichkeit, dem Emittenten oder dem mit der Betreuung des jeweiligen Finanzinstruments verantwortlichen Market Maker limitierte Orders aufzugeben. Damit reifen die Marktmodelle der außerbörslichen Handelsplattformen zu konkurrenzfähigen Ausführungsplätzen gegenüber den Handelssegmenten organisierter Märkte und MTFs. Vorrangig an außerbörslichen Handelsplattformen angeboten werden verbriefte Derivate (Optionsscheine, Zertifikate), die häufig von den Betreibern der außerbörslichen Handelsplattformen emittiert oder über andere Emittenten vermittelt werden. Der außerbörsliche Handel ergänzt insbesondere das in der Regel standardisierte Angebot der Börsen um innovative Finanzprodukte, die individuelle Strategien der Absicherung ermöglichen. Andererseits können Kunden über maßgeschneiderte Zertifikate sowie Optionsscheine und den Wegfall von Börsengebühren günstiger in den Wertpapierhandel einsteigen als an den Börsen. So ist es nicht verwunderlich, dass der außerbörsliche Handel in den letzten Jahren im Vergleich zum börslichen Handel überproportional gewachsen ist. Bei der biw AG stieg allein im Jahr 2007 das an die außerbörslichen Handelsplattformen geroutete Ordervolumen um das Fünfzehnfache gegenüber dem an die deutschen Börsen einschließlich XETRA gerouteten Ordervolumen. Viele der außerbörslichen Handelsplattformen wie die oben genannten CATS-OS, T.I.Q.S. oder Tradelink gelten unter MiFID zwar als außerbörslich, stellen indes MTF-ähnliche Handelssysteme dar. Mit der Einführung der MiFID beantragte die Tradegate Wertpapierhandelsbank AG für die gleichnamige außerbörsliche Handelsplattform die Zulassung als MTF und erhielt die Betreiberlizenz hierfür von der BaFin. Im Unterschied zur Anbindung an außerbörsliche Handelsplattformen ist die Teilnahme zum Handel an einer MTF gemäß § 31f WpHG i.V.m. § 19 Abs. 2 und 4 BörsG nur Gewerbetreibenden gestattet, die u.a. eine minimale Eigenkapitalausstattung i.H.v. EUR 50.000,- vorweisen und für börsenmäßig handelbare Vermögensgegenstände die Anschaffung und Veräußerung auf eigene
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Rechnung oder auf fremde Rechnung im eigenen Namen betreiben oder vermitteln. 16.3.2 Auswirkungen der MiFID im Retail-Bereich In diesem Abschnitt werden mögliche Auswirkungen des FRUG im RetailBereich beschrieben. Aufgrund der Neuregelungen der MiFID müssen Kunden ab dem 1. November 2007 umfangreicher als bisher durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen informiert werden. Wesentlicher Bestandteil der den Kunden neu bereitzustellenden Informationen sind die geänderten Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (SOB), die Ausführungsgrundsätze (Best Execution Policy) sowie die Grundsätze im Umgang mit Interessenkonflikten (Conflicts of Interests Policy). Hinsichtlich der Ausführungsgrundsätze ist, wie oben gesagt, eine Zustimmung des Kunden erforderlich. Um die Einholung von Unterschriften oder Rücklaufüberwachungen zu vermeiden, wird gemeinhin von den Bankenverbänden die Einbeziehung der Ausführungsgrundsätze in die neu gefassten SOB empfohlen. Damit kann die bei Neu- wie auch Bestandskunden nach § 33a Abs. 6 S. 1 Nr. 1 WpHG erforderliche Zustimmung im Wege des AGB-Zustimmungsmechanismus nach Nr. 1 Abs. 2 AGBBanken eingeholt werden. Widerspricht der Kunde den geänderten SOB einschließlich der individuellen Ausführungsgrundsätze nicht innerhalb einer in den AGB-Banken festgelegten Frist von sechs Wochen, gelten die SOB als vereinbart und die Zustimmung zu den Ausführungsgrundsätzen des Wertpapierdienstleistungsunternehmen als erteilt. Von dem Zustimmungsmechanismus haben die meisten Wertpapierdienstleistungsunternehmen Gebrauch gemacht. Dagegen muss das Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33a Abs. 5 S. 2 WpHG für die außerbörsliche Auftragsausführung die ausdrückliche Einwilligung des Kunden einholen. Die Zustimmung kann generell oder im Einzelfall erfolgen. Um Rechtssicherheit zu erlangen, ist hierfür eine Unterschrift erforderlich. Ebenfalls möglich ist eine personalisierte elektronische Zustimmung, z.B. über das „Durchklicken“ eines PopUp-Fensters, dessen Inhalt der authentifizierte Benutzer lesen und über das Anklicken einer Checkbox oder eines Auswahlknopfes verlassen muss, um weiter außerbörslich handeln zu können. Mit einem derartigen Zustimmungsmechanismus ist die Einwilligung ausdrücklich und nachvollziehbar gewährleistet.
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Carsten Rößner
Einige Online-Broker haben sich eines solchen oder ähnlichen Vorgehens bei ihren Online-Kunden bedient. Die biw AG als Online- und Transaktionsbank nutzt den schon vor dem MiFID-Zeitalter implementierten Mechanismus zur Bestätigung des Willens des Kunden im Einzelfall, ausserbörslich zu handeln. Der für das Online-Brokerage authentifizierte Benutzer wählt den Ausführungsplatz selbständig aus. Alle Informationen über die Ausführungsplätze, über die ein Online-Kunde der biw AG handeln kann, stehen auf der Webseite der biw AG aktuell bereit. Da außerbörsliche Handelsplätze als solche gekennzeichnet sind, erfolgt die Einwilligung des Kunden zum außerbörslichen Handel mit der selbständigen Eingabe des Wertpapierauftrages in den Online-Client gemäß willentlicher und per Kundenweisung ausdrücklicher Auswahl des außerbörslichen Handelsplatzes. Hinsichtlich der konkludent erforderlichen Einwilligung eines Kunden zu den geänderten SOB und den neu verfassten Ausführungsgrundsätzen hat sich die biw AG bei den Online-Kunden des AGB-Zustimmungsmechanismus’ bedient. Die Online-Kunden der biw AG wurden über eine plakativ hervorgehobene Kurzinformation zur MiFID auf der Webseite über die neuen Richtlinien im Wertpapierhandel und den entsprechenden Änderungen in den AGBs hingewiesen. Die AGBs beinhalten die geänderten Sonderbedingungen, in denen wiederum über die ausdrückliche Einwilligung des Kunden zur außerbörslichen Auftragsausführung informiert wird. Die Ausführungsgrundsätze der biw AG gelten als Anlage mit den AGBs zusammen. Ähnlich verfahren Kreditinstitute, die neben dem Filialgeschäft ebenfalls Online-Brokerage betreiben. Das Einholen einer ausdrücklichen Einwilligung des Kunden zum außerbörslichen Handel erfolgt in den meisten Fällen über die ausdrückliche Zustimmung des Kunden zu den ab 1. November 2007 geänderten AGBs. Kreditinstitute mit überwiegend schriftlichem Kontakt zum Kunden fordern die Einwilligung über ein Schriftstück mit der Zustimmung zu den SOB und weiteren Grundsätzen von ihren Kunden ein. Aufgrund der Rücklaufüberwachungen sind die Aufwendungen hierfür immens hoch. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welche OnlineBrokerage anbieten, haben hingegen überschaubare Anpassungen im Online-Client umgesetzt, um die Einwilligung zum außerbörslichen Handel möglichst einfach und transparent zu gestalten. Gemäß § 31c WpHG kann eine geeignete Gegenpartei als Kunde bei einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen generell oder pro Wertpapiersegment oder Gattung einen Status als professioneller Kunde beantragen.
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
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In der Praxis deutlich erkennbar ist die Tendenz geeigneter Gegenparteien, den Status des professionellen Kunden gegenüber Wertpapierfirmen zu beantragen, denen IW-Orders 3 oder VWAP-Orders 4 übertragen werden. Hintergrund der gewünschten Einstufung ist oftmals der Wunsch der Bereitstellung der Ausführungsgrundsätze wie auch das allgemein höhere Schutz- und Informationsbedürfnis. 16.3.3 Außerbörslicher Handel von Investmentanteilen Im Zusammenhang mit dem außerbörslichen Handel zu betrachten ist der Bezug von Investmentfondsanteilen über die die jeweiligen Investmentfonds verwaltenden Kapitalanlagegesellschaften. Im Regelfall werden für Kunden Investmentfondsanteile von Wertpapierdienstleistungsunternehmen über Kapitalanlagegesellschaften mit einem Ausgabeaufschlag erworben bzw. mit einem entsprechenden Rücknahmeabschlag veräußert. Neben dem Erwerb der Investmentfondsanteile über Kapitalanlagegesellschaften können sogenannte „Exchange Traded Funds“ (ETFs) über Börsen gehandelt werden. Dies betrifft ebenso eine Vielzahl von Investmentfondsanteilen, die von der Kapitalanlagegesellschaft nicht für den Börsenhandel vorgesehen sind, jedoch ebenfalls börslich bezogen werden können. Der Erwerb und die Veräußerung von Investmentfondsanteilen fällt nach der deutschen MiFID-Umsetzung nicht als Wertpapierdienstleistung unter die Bestimmungen des WpHG, so dass die o.g. Pflichten – inkonsequenterweise – nicht für den An- und Verkauf von Investmentfondsanteilen gelten. Im Besonderen muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen für den Bezug und die Rückgabe von Investmentfondsanteilen über eine Kapitalanlagegesellschaft nur dann die ausdrückliche Zustimmung privater und professioneller Kunden einholen, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen in den Ausführungsgrundsätzen den Bezug und die Rückgabe von Investmentfondsanteilen individuell regelt. Ist dies nicht der Fall, genügt es, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Rahmen der allgemeinen Pflicht der Kundeninformation gemäß § 31 Abs. 3 WpHG den Kunden über die Möglichkeit sowie die Kosten und Nebenkosten des Erwerbs oder die Veräußerung von Investmentfondsanteilen über anderweitige Ausführungsplätze informiert. Die meisten Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben bei der Ausgestaltung der geänderten SOBs und der 3 4
„Interessewahrend“ ausgeführte Orders. Ausführung zum „volume-weighted average price“, also einem volumengewichteten Durchschnittskurs.
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Ausführungsgrundsätze von dieser Variante Gebrauch gemacht. In den Ausführungsgrundsätzen vieler Banken findet der Erwerb oder die Veräußerung von Investmentfondsanteilen entweder keine Erwähnung oder es gibt einen Hinweis, dass Kundenaufträge zum Erwerb oder zur Veräußerung von Investmentfondsanteilen grundsätzlich nach Maßgabe des Investmentgesetzes und Kundenaufträge in Exchange Traded Funds an einer inländischen Börse ausgeführt werden, soweit diese in Deutschland börsengehandelt sind und eine derartige Auftragsausführung mit dem Kunden vereinbart ist. Das Investmentgesetz erlaubt dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, bei weisungslosen Aufträgen im Rahmen des Kommissionsgeschäftes Fonds außerbörslich von der Kapitalanlagegesellschaft zu beziehen, ohne alternative Ausführungsvarianten im Sinne einer Best Execution in Betracht zu ziehen. In diesem Fall ist der private oder professionelle Kunde gefordert, beim Erwerb von Investmentfondsanteilen Ausgabeaufschlag und Inventarwert im Falle des Bezugs über eine Kapitalanlagegesellschaft gegen Maklercourtage, Mindestprovision, Börsengebühren sowie Liquidität im Falle des Bezugs über Börsen oder andere Ausführungsplätze abzuwägen.
16.4 Transparenzpflichten im außerbörslichen Handel
16.4.1 Festpreis- und Kommissionsgeschäfte In diesem Kapitel werden die verschiedenen Formen des außerbörslichen Handels in Aktien und Aktien vertretenden Zertifikaten (am Beispiel des Kaufs von Siemens-Aktien) dargestellt, welche hinsichtlich der Nachhandelstransparenz gemäß § 31h WpHG für den außerbörslichen Handel von Wertpapierdienstleistungsunternehmen relevant sind. Im Wesentlichen zu unterscheiden sind Festpreisgeschäft und Kommissionsgeschäft. Festpreisgeschäfte finden vorrangig zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen statt, z.B. zwischen Bank und Finanzintermediär, bei denen größere Blöcke von Wertpapieren übertragen werden. Diese Wertpapiergeschäfte gingen vor dem 1. November 2007 am organisierten Markt vorbei und wurden im Regelfall nicht veröffentlicht.
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
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Beispiel: ‚Kaufe 10.000 SIE‘
WP DLUnternehmen
WP DLUnternehmen
(Kaufvertrag gem. § 433 BGB)
Abb. 16.1: Festpreisgeschäft zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen
Ebenso branchenüblich sind spezielle Festpreisgeschäfte, bei denen ein professioneller Kunde oder eine geeignete Gegenpartei, z.B. eine Bank, einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wie z.B. einem in der Auftragsausführung erfahrenen Makler, eine Order als Festpreisgeschäft mit schnittkursbasierter Abrechnung vorgibt.
Beispiel: 4*1.200 Kauf SIE
‚Kaufe 5.000 SIE‘ Bank
Org. Markt gegen Kontrahenten
Makler
Kaufvertrag gem. § 433 BGB): Abrechnung zum Schnittkurs zzgl. Courtage & Gebühren
MTFs gegen Kontrahenten
Eigenbestand 200 Short
Abb. 16.2: Schnittkursgeschäft zwischen Makler und Bank
Zur Bedienung des Wertpapierauftrages führt der Makler an mehreren Ausführungsplätzen das entsprechende Geschäft auf nachgelagerten Ausführungsplätzen (Marktseitengeschäft) aus. Bei einem Schnittkursgeschäft führt im o.a. Beispiel der Makler Marktseitengeschäfte auf einem oder mehreren Ausführungsplätzen aus. Nach Ausführung aller Marktseitengeschäfte zur Abdeckung des vom Kunden beauftragten Volumens rechnet der Makler den Wertpapierauftrag zum Durchschnittskurs aller Marktseitengeschäfte ab, zuzüglich Courtage und angefallener Gebühren. Die eben-
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so üblichen VWAP-Geschäfte unterscheiden sich von den Schnittkursgeschäften dadurch, dass der Makler gegen den Kunden zum VWAP über einen definierten Zeitraum, im Regelfall einen Tag, abrechnet, ebenfalls zuzüglich Courtage und angefallener Gebühren. Der Umlauf der gehandelten Stücke war vor dem 1. November 2007 nur insofern transparent, dass Marktseitengeschäfte an organisierten Märkten und börsenähnlichen Einrichtungen – letztgenannte sind vergleichbar mit MTFs – bereits veröffentlicht wurden und dem interessierten Kunden über Handels-Frontends oder Kursdaten zugänglich waren. Entgegen dem Festpreisgeschäft zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen wird beim Kommissionsgeschäft ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wie ein auf die Auftragsausführung spezialisierter Makler durch einen Kunden, etwa eine Bank, beauftragt, einen Wertpapierauftrag gemäß Vorgaben auszuführen. Beispiel:
Bank
Makler ‚Kaufe 5.000 SIE‘ (Kommissionsvertrag)
5.000 Kauf SIE (Ausführungsgeschäft)
Org. Markt gegen Kontrahenten
Abb. 16.3: Kommissionsgeschäft zwischen Makler und Bank
Neben diesem „normalen“ Kommissionsgeschäft zwischen Banken und Maklern – oder, wenn die Bank im Kundenauftrag handelt, mit dem Makler als Zwischenkommissionär – sind auch „marktschonende“ Kommissionsgeschäfte üblich, d.h. solche, bei denen großvolumige Orders in mehreren Tranchen gegen verschiedene Kontrahenten auf einem oder mehreren Ausführungsplätzen, z.B. XETRA, deutsche Regionalbörsen, Euronext, MTFs, außerbörsliche Handelsplattformen oder direkt gegen andere Wertpapierdienstleistungsunternehmen ausgeführt werden, um den „Markt zu schonen“, also größere Kursschwankungen zu vermeiden.
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
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Beispiel:
Bank
Makler ‚Kaufe 50.000 SIE marktschonend‘ (Kommissionsvertrag)
10*5.000 Kauf SIE (Ausführungsgeschäft)
Org. Markt gegen Kontrahenten
Abb. 16.4: Kommissionsgeschäft marktschonend zwischen Makler und Bank
16.4.2 Welche Geschäfte sind nun zu veröffentlichen? Ein von Vertretern des Zentralen Kreditausschusses ZKA und der BaFin eingerichteter Arbeitskreis “Markttransparenz“ hat in einer Sitzung am 12. September 2007 erste Klarheit in die Umsetzung der Nachhandelstransparenzpflicht gebracht. Das erst im November 2007 verabschiedete Protokoll zu dieser Sitzung sieht folgende Regelung hierzu vor: Nicht veröffentlichungspflichtig sind Kommissionsgeschäfte, wie z.B. im Rahmen einer IW-Order, wenn diese über die Teilabschlüsse an organisierten Märkten, MTFs oder gegen andere Kontrahenten im Rahmen der gleichen Nachhandelstransparenzpflicht bereits schon veröffentlicht worden sind. Diese Interpretation war schon vor dem 12. September 2007 bekannt und stellt sich gemäß o.a. Beispiels wie folgt dar:
Bank
Makler ‚Kaufe 50.000 SIE marktschonend‘
10*5.000 Kauf SIE
Org. Markt gegen Kontrahenten
Publikation über org. Markt keine Publikationspflicht
Abb. 16.5: Publikationspflichten bei Kommissionsgeschäft zwischen Makler und Bank
Zunächst unklar war indes der Umgang mit Schnittkurs- bzw. VWAP-Geschäften, für die gemäß Art. 3 Abs. 2 MiFID-Durchführungsverordnung implizit eine Veröffentlichungspflicht besteht. In dem Protokoll zur Sit-
278
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zung am 12. September 2007 ist niedergelegt, dass bei Schnittkurs- sowie VWAP-Geschäften nur der Anteil des Geschäftes von der Nachhandelstransparenzpflicht erfasst wird, welcher aus dem Nostro (u.a. eigener Handelsbestand) bzw. dem eigenen Handelsbuch des Wertpapierdienstleistungsunternehmen beigesteuert wird. Unerheblich hierbei ist, ob es sich bei dem Nostro um einen Long- oder Short-Bestand handelt. Die bereits über die nachgelagerten Ausführungsplätze veröffentlichten Teilabschlüsse müssen nicht nochmals publiziert werden. Die Regelung erfasst ebenfalls die Nettogeschäfte als Sonderfall der Schnittkursgeschäfte mit den in den Preis bereits eingerechneten Courtageund Gebührenbeträgen. Die publizierten Geschäfte sind im Regelfall mit dem Zusatz „abweichend vom Marktpreis“ zu kennzeichnen. Die Veröffentlichungsfrist beginnt mit der Ansage des jeweiligen Preises, im Regelfall ist dies der Zeitpunkt der Verbuchung der gehandelten Stücke.
Bank
‚Kaufe 5.000 SIE AQR‘
Makler
4*1.200 Kauf SIE
Org. Markt gegen Kontrahenten
Publikation über org. Markt
Abrechnung zum Schnittkurs zzgl. Courtage & Gebühren
MTFs gegen Kontrahenten
Makler: Pflicht zur Publikation für 200 SIE
Eigenbestand 200
Abb. 16.6: Publikationspflichten bei Kommissionsgeschäft zwischen Makler und Bank
Diese Regelung bewirkt im Umkehrschluss, dass bei einem Schnittkursoder VWAP-Geschäft das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eigene Short- und Long-Bestände dem Markt innerhalb von höchstens drei Minuten oder einer verzögerten Veröffentlichungsfrist bekannt geben muss, welche sich aus der nicht vollständigen Bedienung des Festpreisgeschäftes ergeben. Selbst wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit der Publikation weder Geschäftsart „Kauf“ noch „Verkauf“ noch den Kontrahenten bekannt gibt, kann ein Kunde ggf. über Stückzahl, Preis und Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Rückschlüsse auf das Handelsbuchrisiko des Wertpapierdienstleistungsunternehmens schließen.
16. Außerbörslicher Handel – Gut für den Kunden!
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Uneingeschränkte Transparenzpflicht besteht indes für alle außerbörslichen Festpreisgeschäfte, d.h. immer dann, wenn dem Kunden bereits vor den Teilabschlüssen auf der Marktseite ein bestimmter Preis angesagt wird. Die Veröffentlichungsfrist beginnt in diesem Fall mit dem Abschluss des Geschäftes. Von Wertpapierdienstleistungsunternehmen bevorzugte Transparenzmedien sind o zur Einstellung XETRA-Frontend in Verbindung mit der Publikation über das Kursverteilungssystem CEF der Deutschen Börse Systems AG sowie o zur Einstellung XONTRO Systemanschluss Makler mit Publikation über das Kursverteilungssystem KDV der Börse Stuttgart AG. Bevorzugte Informationsmedien sind Bloomberg und Reuters. Die Nutzung von Transparenz- und Informationsmedien für die Nachvollziehbarkeit der Nachhandelstransparenz ist natürlich kostenpflichtig. Es ist zu vermuten, dass der Informationsbedarf hinsichtlich der Liquidität im außerbörslichen Handel vorrangig unter den Wertpapierdienstleistungsunternehmen bzw. geeigneten Gegenparteien steigen wird. Ggf. werden auch professionelle Kunden für diese Informationen Geld investieren, um sich ein besseres Bild von den im Umlauf befindlichen Stücken der sie interessierenden Wertpapiere zu verschaffen. Zum Start der MiFID am 1. November 2007 war der Begriff „MiFID“ einem Großteil vor allem privater Kunden nicht bekannt. Einer repräsentativen Online-Umfrage des Kapitalanlagemagazins „Das Investment“ im Oktober 2007 zufolge hatten 82 % der befragten Deutschen im Alter von 18 bis 45 Jahren noch nichts von der MiFID gehört. Das vorrangige Interesse von knapp zwei Drittel der Umfrageteilnehmer galt der Aufklärungspflicht der Berater über Provisionen. Die Aufklärungspflicht über Ausführungsgrundsätze und die ausdrückliche Zustimmung zum außerbörslichen Handel stehen bei privaten Kunden in Deutschland weniger im Fokus. Dies bestätigten auch Podiumsdiskussionen sowie Erfahrungen in Gremien zum gleichen Zeitpunkt. Ausführungsgrundsätze haben indes eine weitaus größere Bedeutung für Vermögensverwalter, die sich für die Ausführung von Wertpapieraufträgen spezialisierter Wertpapierdienstleistungsunternehmen bedienen, also über Prime Broker oder Makler handeln. Von dem mit der Auftragsausführung betrauten Prime Broker oder Makler wird die Erstellung von Ausführungsgrundsätzen erwartet. Nicht selten beantragt das auf die Finanzport-
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folioverwaltung spezialisierte Wertpapierdienstleistungsunternehmen als Kunde des Prime Brokers oder Maklers die Einstufung als professioneller Kunde statt der per se gegebenen Einstufung als geeignete Gegenpartei. Als professioneller Kunde darf ein Finanzportfolioverwalter Ausführungsgrundsätze von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen einfordern, als geeignete Gegenpartei indes nicht. Über die Auswirkungen der MiFID auf den außerbörslichen Handel gibt es unterschiedliche Meinungen, vor allem darüber, was die Umverteilung des Orderflows zwischen außerbörslichen Handelsplattformen, organisierten Märkten und MTFs angeht. Die Statistiken hierzu haben noch eine zu geringe Aussagekraft, als dass ein allgemeiner Trend erkennbar wäre. Sicher ist, dass die durch die MiFID an europäische Ausführungsplätze gestellten Anforderungen für mehr Transparenz sowie Wettbewerb und Eigenwerbung der verschiedenen Ausführungsplätze sorgen. Der Kunde wird im Rahmen der Aufklärung (Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung gemäß § 31 Abs. 4 und 5 WpHG) und des Erfordernisses der ausdrücklichen Zustimmung zur Auftragsausführung an außerbörslichen Handelsplattformen sensibilisiert. Im beratungsfreien Geschäft der reinen Ausführung von Wertpapieraufträgen, selbständig oder weisungsgebunden, haben sich die Bedingungen der außerbörslichen Auftragsausführung verbessert. Die außerbörslichen Handelsplattformen sind funktionaler ausgestaltet, seien es Marktübersichten, Portfoliotracker oder Chartfunktionen sowie die Erweiterung um Funktionen wie Limit Orders. Dieser Umstand ist aber unabhängig von der MiFID zu sehen. Er entstand vielmehr aufgrund des starken Angebots und Wachstums außerbörslicher Handelsplattformen. Die Regelung zur Nachhandelstransparenz dient dem Zweck, einen transparenten Preisfindungsmechanismus zu garantieren und nicht bekannte Liquidität aufzudecken. Von dieser Regelung werden in erster Linie Wertpapierdienstleistungsunternehmen bzw. geeignete Gegenparteien sowie professionelle Kunden profitieren, welche in der Lage sind, außerbörsliche Festpreisgeschäfte sowie eingegangene Handelsbuchpositionen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen richtig zu bewerten.
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen
Peter Heister
17.1 Einleitung Die Finanzmarktrichtlinie MiFID wurde zum 1. November 2007 von der Mehrzahl der 30 betroffenen EU-Länder umgesetzt. Länder, in denen die Richtlinie sich noch in der Umsetzungsphase befindet, planen einen Abschluss im ersten Halbjahr 2008. MiFID wird großen Einfluss auf die Finanzmärkte nehmen. Die Richtlinie betrifft nahezu alle Finanzdienstleister wie Banken, Asset Manager, Vermögensverwalter, Handelsplattformen, usw. und beeinflusst alle wesentlichen Geschäftsprozesse vom Front bis hin zum Back Office. Ein stärkerer Wettbewerb wird durch die wachsende Zahl an Handelsplätzen und aus neuen Dienstleistungen bzw. Produkten von bestehenden Handelsplätzen (Börsen bzw. Regulierten Märkten – RM) entstehen. Alternative Handelsplätze zu den Börsen sind: o
o
Multilaterale Handelssysteme (MTF, alternative bzw. börsenähnliche Handelssysteme, der Freiverkehr an Börsen fällt in Deutschland ebenfalls hierunter) Systematische Internalisierer (SI, Orderausführung gegen den Eigenbestand)
Eine Markterweiterung und neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben sich aus der Intensivierung des Wettbewerbs durch den europäischen Pass für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, und durch die höhere Preistransparenz (Vor- und Nachhandelstransparenz) sowie die Pflicht zur Best Execution (§ 33a WpHG).
282
Peter Heister
Seit dem 1. November 2007 sind bereits mehr als zehn SIs und mehrere MTFs auf dem Markt aktiv. Durch die erhöhte Anzahl von Handelsplätzen und erweiterten Geschäftsmöglichkeiten ergeben sich eine Vielzahl von neuen Marktdaten, z.B. Kunden- & Produktklassifikation, Vor- und Nachhandelstransparenz, handelsplatzbezogene Statistiken und Transaktionskosten, Wertpapier- bzw. handelsplatzbezogene Liquidität. Es ist abzusehen, dass sowohl durch die Handelsdaten der neuen Handelsplätze und durch die häufigere Aktualisierung der Kurse der bestehenden Handelsplätze (Börsen) das Volumen der Marktdaten erheblich steigen wird. Finanzinstitute benötigen den Zugriff auf die neuen Handelsplätze und deren Wertpapierquotierungen, um sich weiterhin wettbewerbsfähig im Finanzmarkt zu behaupten und strategisch zu positionieren. Der Börsenzwang für den Handel und die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen entfällt durch MiFID. Es ist zu erwarten, dass sich über die nächsten Jahre eine gewisse Liquiditätsverschiebung hin zu den außerbörslichen Handelsplätzen ergeben wird. Der Einfluss und die Bedeutung der neuen aus MiFID resultierenden Marktdaten für den Finanzmarkt, die Finanzunternehmen sowie auf die Geschäftsprozesse wird im folgenden Abschnitt aufgezeigt und in Bezug zur Praxis gestellt.
17.2 Marktdaten resultierend aus Vor- und Nachhandelstransparenz (Pre- & Post-Trade Reporting) Durch die generelle Veröffentlichungspflicht im Sinne einer Vor- und Nachhandelstransparenz wird im Finanzmarkt seit dem 1. November 2007 die gewünschte Markttransparenz vorgeschrieben. Eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung besteht nach neuer Rechtslage gemäß § 31 BörsG, § 31g Abs. 3 und 4 WpHG, § 31h WpHG für abgeschlossene Wertpapiergeschäfte (Nachhandelstransparenz). Die Veröffentlichung soll soweit möglich in Echtzeit (maximal nach drei Minuten; Art. 29 Abs. 5 der EU-Verordnung), unter Angabe von Preis, Volumen, Zeitpunkt des Abschlusses sowie Handelsplatz 1 erfolgen. Für großvolumige Aufträge (Block-Trades), abhängig von der Art und Umfang des Geschäf1
Der Begriff umfasst Regulierten Markt bzw. Börse, MTF und SI.
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 283
tes kann die BaFin nach § 31h Abs. 2 WpHG eine verzögerte Veröffentlichung gestatten. Eine Vorhandelstransparenz ist für geregelte Märkte und MTFs nach § 31g Abs. 1 und 2 WpHG und § 30 BörsG und für systematische Internalisierer nach § 32g WpHG vorgeschrieben. Hiernach sind die aktuellen Geld- und Briefkurse (BID & ASK) und – sofern vorhanden – die Markttiefe zu den betreffenden Kursen zu veröffentlichen. Die Pflicht zur Vor- und Nachhandelstransparenz besteht nur für eine definierte Anzahl an börsenzugelassenen Wertpapieren. Diese liquiden Wertpapiere werden von der jeweils zuständigen Behörde des Landes, in Deutschland die BaFin, definiert und in einer europaweiten Gesamtliste (über 800 liquide Aktien) vom CESR (Committee of European Securities Regulators) veröffentlicht und ständig aktualisiert. 17.2.1 Publizieren von Vor- und Nachhandelskursen Eine Veröffentlichung von Vor- und Nachhandelsinformationen kann durch das Finanzunternehmen selbst über ein allgemein zugängliches Internetportal oder ausgelagert durch einen Datenaggregator 2 und/oder Primary Publisher 3 geschehen. Informationsanbieter, Börsen, neue Dienstleister (z.B. Markit Boat) können als Datenaggregatoren und/oder Primary Publisher ihre Dienste anbieten. CESR hat die Empfehlung ausgesprochen, Transaktionsdaten nur über einen Veröffentlichungskanal im Markt zu verbreiten, um eine Redundanz der veröffentlichten Transaktionsinformationen zu vermeiden. Folgende Aggregatoren und Primary Publisher sind ein Auszug aus der Gesamtliste: o o o 2
3
Regulierte Märkte: Deutsche Börse, Wiener Börse, London Stock Exchange usw. MTFs: Chi-x, Equiduct, usw. Datenprovider: Reuters, GL Trade, usw.
Dienstleister oder Informationsanbieter, welche die Daten resultierend aus Vorund Nachhandelstransparenz von Finanzinstituten aggregieren und an Primary Publisher oder Informationsanbieter verteilen. Es besteht keine Pflicht zur Datenveröffentlichung nach MiFID, diese geschieht durch den Primary Publisher. Dienstleister oder Informationsanbieter, welche die Daten resultierend aus der Vor- und Nachhandelstransparenz von Datenaggregatoren oder direkt vom Finanzunternehmen beziehen und entsprechend der MiFID-Vorgaben veröffentlichen.
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o
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Andere Dienstleister: Markit Boat usw.
Eine Liste der zurzeit bekannten Anbieter ist auf der Webpage der Financial Information Services Division (FISD) zu finden 4. Durch die zusätzlichen Datenquellen (RMs, MTFs und SIs) wird eine Vielzahl von neuen bzw. zusätzlichen Marktdaten entstehen, wie z.B. o o o o
Marktpreise von alternativen Handelsplätzen (MTFs und SIs), Wertpapierbezogene Handelsplatzliquidität, Handelsplatzbezogene Transaktionskonditionen und -kosten, Performancestatistiken der Handelsplätze; Benchmarks und berechnete Daten.
17.2.2 Marktdaten resultierend aus MiFID Durch die MiFID wird sich das Datenvolumen erhöhen und die zu verarbeitende Informationsflut für die Finanzunternehmen beträchtlich zunehmen. Die Wettbewerbsfähigkeit eines Finanzunternehmens im lokalen und europäischen Finanzmarkt wird sich durch den effizienten und flexiblen Umgang mit verschiedenen Marktsituationen und der Handhabung bzw. Auslegung der Best Execution Policy bestimmen. Finanzunternehmen benötigen hierfür den Zugang zu den aus der MiFID resultierenden und den bereits existierenden Marktdaten in Echtzeit sowie die dazugehörige Historie. Die im Folgenden dargestellten Informations- und Verarbeitungsanforderungen sind Beispiele und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit: o
o
o
4
Marktübersichten für Wertpapierquotierungen (indikative und handelbare Preise), mögliche und gehandelte Volumina für die aktuelle Liste der liquiden Wertpapiere der verschiedenen europäischen Handelsplätze (Börsen, MTFs & SIs). Marktaktivität von Brokern und Finanzunternehmen auf den unterschiedlichen Regulierten Märkten sowie außerbörslichen Handelsplätzen (MTF und SI), ermittelt durch Anzahl, Volumen und Zeit der platzierten bzw. ausgeführten Orders. Echtzeit und historische Handelsdaten (Tickdaten) für alle börsenzugelassenen Wertpapiere der entsprechenden Handelsplätze.
http://www.fisd.net/mifid/MiFID_data_sources.asp.
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 285
o o
Liste der börsenzugelassenen und der liquiden Wertpapiere nach Land und Heimatbörse. Liste von MTFs und SIs.
Die aktuelle Liste der mehr als 7.000 an Börsen zugelassenen und der mehr als 800 liquiden Aktien sowie eine Liste der aktiven Systematischen Internalisierer und MTFs ist auf der Webseite 5 der CESR erhältlich. Durch die Pflicht zur Vorhandelstransparenz werden handelbare Preise für die als liquide definierten Aktien veröffentlicht. Finanzinstitute und andere Marktteilnehmer, wie Broker und Makler, haben hierdurch die Möglichkeit, sich über das Angebot auf dem Markt zu informieren. Sie können den Ort der Orderausführung nach der individuellen Best Execution Policy wählen. Handelsplatzabhängige Liquidität, Volatilität, Wertpapierquotierungen und das verfügbare Volumen für das entsprechende Wertpapier haben einen wesentlichen Einfluss auf die Ausführungswahrscheinlichkeit der Order. Die Transaktionskosten sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil, der die Best Execution der Kundenorder beeinflusst. Aus der Vielzahl der Einflussfaktoren ist ersichtlich, dass die Verfügbarkeit der Quotierungen der verschiedenen Handelsplätze allein nicht ausreichend ist, um das beste Resultat für den Kunden sicherzustellen. Es stellt sich die Frage für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, woher die relevanten Quotierungen und Daten bezogen werden können, um die Verpflichtungen nach MiFID in Bezug auf Best Execution erfüllen zu können. Börsen, MTFs und Informationsanbieter (Thomson Financial, Reuters, Telekurs, usw.) und neue Dienstleistungsunternehmen (Markit Boat) bieten die durch MiFID resultierenden zusätzlichen und neuen Marktdaten über verschiedene Produkte, z.B. Terminals oder Datenfeeds, mit unterschiedlicher Informationsabdeckung und Datenqualität an.
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http://mifiddatabase.cesr.eu/Index.aspx?sectionlinks_id=4&language=0&page Name=Home
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17.3 Wertschöpfung durch Datenveredelung und qualitative Zusatzinformation Die wachsende Anzahl der Basisdaten aus bestehenden und neuen Datenquellen erfordert hochwertige, bearbeitete und bewertete Informationen. Zusatzinformationen wie z.B. gehandeltes Volumen, Geld/Brief-Spanne (Bid/Ask Spread), Volatilität und Performancestatistiken ermöglichen es, aussagekräftige und wertvolle Kennzahlen zu erstellen. Mit diesen kann eine Bewertung der Handelsplatzperformance vorgenommen werden. Die Qualität der Orderausführung wird bestimmt durch das erzielte Ergebnis der ausgeführten Kundenorder, wesentlich beeinflusst durch den erzielten An- bzw. Verkaufspreis, die Ausführungsgeschwindigkeit und die internen und externen Transaktionskosten. Diese Mehrwertdaten ermöglichen es den Finanzinstituten, effizient den Order- und den damit verbunden Entscheidungsprozess, bezogen auf ihre Best Execution Policy, durchzuführen. Im Folgenden werden einige der wesentlichen Mehrwertdaten (Kennzahlen, Benchmarks, usw.) beschrieben. 17.3.1 European Best Bid Offer Unter European Best Bid Offer (EBBO) wird ein über alle Handelsplätze ermittelter wertpapierbezogener bester Geld- und Briefkurs verstanden. Börsen erlauben eine EBBO-Kalkulation, basierend auf Echtzeitdaten, nur dann, wenn sichergestellt ist, dass die Informationsabnehmer die anfallenden Informationsgebühren der Börsen zahlen. MTFs und SIs werden in der Mehrheit ihre Daten gebührenfrei zu Verfügung stellen. Der auf ein Finanzunternehmen und Marktkonditionen bezogene beste Geld- bzw. Briefkurs wird als Best Bid Offer (BBO) bezeichnet. Die Sicht auf den Finanzmarkt wird durch die individuellen Konditionen (z.B. direkter Zugang zu Börsen oder über Broker, MTFs, implizite und explizite Kosten, usw.) für die Ermittlung des BBO definiert und dadurch entsprechend eingeschränkt. Durch die unternehmensbezogene Fokussierung auf den Finanzmarkt hat der individuelle BBO eine wesentlich höhere Bedeutung, da er die unternehmensspezifischen Konditionen berücksichtigt. Finanzunternehmen zahlen in der Regel nur die Gebühren für Echtzeitdaten an Börsen, an denen sie direkt Aufträge ausführen. Um sicherzustellen, dass die Ermittlung des wertpapierbezogenen besten Angebotes von Geld-
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 287
und Briefkurs (EBBO) aussagekräftig ist und für Analyse und Entscheidungsfindung herangezogen werden kann, ist es unerlässlich, verschiedene Datenqualitäten (z.B. indikative und/oder handelbare Quotierung) des EBBO darzustellen und entsprechend zu kennzeichnen. Die Aussagekräftigkeit des EBBO und Best Bid Offer (BBO) ist im Wesentlichen beeinflusst von o
o
der Anzahl der einbezogenen Handelsplätze, die einen Kurs stellen, und den definierten Konditionen zur Ermittlung des EBBO bzw. BBO sowie die Angabe des Handelsplatzes, der den EBBO bzw. den BBO stellt. der Qualität der Quotierung (indikativ oder handelbar, Echtzeit oder verzögert). Die Qualität der Quotierung ist wesentlich für die Verwendung des EBBOs bzw. BBOs in weiterführenden Anwendungen und Berechnungen.
Ein BBO, basierend auf handelbaren Quotierungen, kann direkt zur Orderausführung entsprechend der Best Execution Policy des Wertpapierdienstleistungsunternehmens verwendet werden. Basierend auf indikativen Quotierungen ist der EBBO bzw. der individuelle BBO für die Bewertung der Marktaktivität, Handelplatzliquidität und Handelsplatzperformance aussagekräftig. Ein aussagekräftiger EBBO/BBO könnte wie folgt ermittelt werden: o
o
Allgemeiner, zentral kalkulierter EBBO: Die Berechnung des EBBO erfolgt auf Basis verzögerter Daten über alle Handelsplätze (Verzögerung zwischen 30 Minuten bis zwei Stunden). Dieser EBBO kann von allen Instituten und deren Anwendern bezogen werden. Er kann zum Beispiel bei der Auswahl der Handelsplätze für die Best Execution Policy eines Finanzunternehmens verwendet werden. Unternehmensindividuell definierter, zentral oder kundenseitig kalkulierter Best Bid Offer (BBO): Aktuelle (Echtzeit-)Ermittlung des BBO, basierend auf individueller Unternehmens- bzw. Anwenderberechtigung zum Bezug von Börsendaten unter Berücksichtigung der handelsplatzbezogenen Transaktionskosten. Im Unterschied zu dem zentral ermittelten EBBO bezieht sich der BBO auf individuelle Konditionen des Finanzunternehmens und kann dadurch als Entscheidungsgrundlage für die Orderausführung herangezogen werden.
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o
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Marktbezogene BBOs können, begrenzt auf Quotierungen und Konditionen von Regulierten Märkten, kalkuliert werden. Des Weiteren kann der BBO, bezogen auf die Quotierungen und Konditionen des außerbörslichen Handels (OTC) von MTFs und Sis, ermittelt werden. Dies bietet die Möglichkeit, beide Marktgruppen miteinander zu vergleichen und dadurch die bestmögliche Ausführung zu gewährleisten sowie die unternehmensinterne Best Execution Policy zu bewerten.
Die Historie der verschiedenen BBOs und des EBBO sowie der betreffenden Konditionen und historischen Handelsdaten (Tickdaten) werden zur Bewertung der Best Execution Policies benötigt. Basierend auf dem Analyseresultat können notwendige strategische Änderungen in der Best Execution Policy vorgenommen werden. Diese Daten sind ebenfalls für die MiFID-Konformitätsüberprüfung (MiFID Compliance) und Überwachung der Orderausführung wesentlich, die auf Anforderung des Unternehmensmanagements zur Risikobegrenzung, der Aufsichtsbehörde (z.B. FSA, BaFin) und des Kunden erfolgen kann. 17.3.2 Handelsplätze – Performancestatistiken und Konditionen Nach § 33 WpHG müssen die Transaktionskosten bei der Orderausführung berücksichtigt werden, um das bestmögliche Resultat für den Kunden zu erzielen. Einige der MTFs liefern handelbare Quotierungen inklusive der Transaktionskosten. Dies ermöglicht es Finanzunternehmen, schnell und objektiv Kundenorders unter Berücksichtigung ihrer Best Execution Policy zu platzieren. Übersichten der Marktaktivität und Performancestatistiken der Ausführungsorte wie z.B. tagesaktuelle und historische handelsplatz- sowie wertpapierbezogene Informationen können wesentlich sein bei der Selektion der Handelsplätze für die Orderausführung. Hierzu zählen zum Beispiel: o o o o o o
Liquidität (z.B. aus gehandeltem Volumen, Bid/Ask Spread, BBO) Marktkennzahlen (z.B. VWAP: Volume Weighted Average Price) Handelbares und gehandeltes Volumen Anzahl der täglich ausgeführten und stornierten Transaktionen Ausführungsgeschwindigkeit Anzahl der Transaktionen, für die nach Ordereingang eine Preisverbesserung erzielt wurde.
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 289
Eine weitere wichtige Rolle haben die oben genannten Informationen bei der Auswahl der Handelsplätze und Partner (Broker) für die unternehmensindividuelle Best Execution Policy. Die Ausführungswahrscheinlichkeit und Geschwindigkeit kann aus den obigen Statistiken ermittelt werden. Diese Statistiken können erheblichen Einfluss bei der Ausführung von Kundenorders haben. Die Verfügbarkeit der zuvor aufgeführten Informationen, bezogen auf die zusätzlichen alternativen Ausführungsorte wie MTFs und SIs wird ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sein. Die Herausforderung für die Unternehmen ergibt sich aus der Frage, woher oder von wem sie ein möglichst umfassendes und qualitativ hochwertiges Datenangebot bekommen. 17.3.3 Markt- und handelsplatzabhängige Schlusskurse Der Börsenzwang für den Handel und die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen entfällt durch die MiFID. Dadurch werden mehr Marktdaten (z.B. OTC-Schlusskurse) durch die wachsende Zahl an außerbörslichen Handelsplätzen verfügbar werden. Die Aussagefähigkeit des Börsenschlusskurses für ein Wertpapier ist somit nunmehr nur bedingt verwendbar, da an den weiteren außerbörslichen Handelsplätzen der Handel fortgesetzt wird. Um den Markt zum Abschluss des Börsentages der individuellen Märkte bewerten zu können, werden entsprechende Kursnotierungen der außerbörslichen Handelsplätze zeitgleich zum Börsenschlusskurs als Referenz für die betreffenden Wertpapiere benötigt. Des Weiteren werden für die täglichen Handelsabschlussbewertung und Kalkulation entsprechende außerbörsliche OTC-Schlusskurse benötigt. Hier werden u.a. Banken und Kapitalanlagegesellschaften intern festlegen müssen, welche Referenzkurse für die tägliche Handelsbewertung und Überwachung der Limit-Einhaltung zugrunde gelegt werden sollen. 17.3.4 Kunden- und Produktklassifikationen Nach neuer Rechtslage werden Kunden in Privatkunden (Retail), Professionelle Kunden und Geeignete Gegenparteien (Finanzintermediäre) unterteilt. Im Bereich der Privatkunden ist über die bloße Klassifizierung hinaus gefordert, die Anleger nach ihrem Erfahrungsgrad und ihren Kenntnissen hinsichtlich der angebotenen Finanzprodukte, ihrer Risikobereitschaft so-
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wie den individuellen Investitionszielen zu untersuchen und entsprechend zu behandeln. Abhängig von der Einstufung des Kunden wird die Eignung der Anlagen bewertet und ausgewählt, d.h. der Kunde wird in entsprechenden Systemen des Finanzunternehmens für den Handel mit bestimmten Produktgruppen berechtigt. Nach einer Marktstudie des Kapitalanlagemagazins „Das Investment“ in Kooperation mit F&S Medienservice von November 2007 wünschen sich 49 % der Befragten eine individuellere Beratung, und 43 % sind bereit, ihre gesamte finanzielle Situation dafür offen zu legen. Nach dem oben Gesagten zur MiFID-Vorgabe zur Kundenklassifizierung und Best Execution erscheint es sinnvoll, Wertpapiere bzw. Produkte ebenfalls in Gruppen zu segmentieren und entsprechend zu klassifizieren, so dass entsprechend der Kundenklassifikation die Order nach der Best Execution Policy an dem dafür am besten geeigneten Handelsplatz ausgeführt werden kann. Dadurch, dass zum MiFID-Startdatum am 1. November 2007 kein Standard vorhanden war, hat jedes Finanzunternehmen seine eigenen individuellen kunden- und produktgruppenbezogenen Klassifizierungen erstellt. Dies erschwert es, Geschäfte zwischen den verschieden Finanzunternehmen abzuwickeln, da die Klassifizierungen unterschiedlich sind. Besonders deutlich wird dies bei der Einschätzung der Risikoneigung des Kunden bzw. der Risikoträchtigkeit des einzelnen Produktes. Einige Dienstleister werden in den nächsten Monaten Standardlösungen zur Wertpapier- und Produktklassifizierung anbieten, die als Referenzen zur Erstellung der individuellen Kunden- und Produktklassifizierungen des Unternehmens, aber auch zur Überprüfung derselben herangezogen werden können. Des Weiteren kann hierdurch eine Referenzierung der Kunden- bzw. Produktklassifizierungen zwischen verschiedenen Finanzunternehmen bzw. Produkten ermöglicht werden.
17.4 Bedeutung der MiFID-Marktdaten im Geschäftsablauf Die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Positionierung eines Finanzunternehmens im europäischen Markt wird wesentlich durch das Produktangebot des bestehenden bzw. erweiterten Geschäftsgebietes in Europa bestimmt werden. Das Produktangebot wird stark durch die MiFIDVorgaben wie Best Execution, den Zugang zu den neuen Handelsplätzen
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 291
wie MTFs und SIs sowie der Flexibilität in der Anpassung der Best Execution Policy des Unternehmens an die sich ständig ändernden Marktanforderungen beeinflusst. Marktdaten sowie „value-added“ Informationen bzw. Benchmarks (EBBO, individualisierter BBO, OTC-Referenz- und Schlusskurs) werden für die Orderausführung nach der Best Execution Policy benötigt. Alternative Handelsplätze wie MTFs und SIs haben ein hohes Interesse daran, ihre handelbaren Kurse und Konditionen dem Markt in Echtzeit zugänglich zu machen. Dies geschieht durch direkte Kundenanschlüsse, über Datenaggregatoren und Informationsanbieter, sowie über neue Dienstleistungsunternehmen (z.B. Markit Boat). Der Einfluss und die Bedeutung der Marktdaten für den täglichen Geschäftsablauf wird in den folgenden Kapiteln beschrieben. In Abb. 17.1 wird der Ablauf des Beratungs- und Orderprozesses dargestellt.
Abb. 17.1: Beratungs- und Orderprozess
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17.4.1 Kundenberatung, Orderaufnahme und Vorbereitung zur Ausführung Standardisierte Produkt- bzw. Wertpapiergruppierungen werden benötigt, um entsprechend der Kundenklassifizierung die Kundenaufträge nach der vorgegebenen Best Excution Policy an den entsprechenden Handelsplätzen auszuführen. Die Art des Kundenauftrages (Retail-, Limit-, Blockorder) hat ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die Orderausführung. Um den Kunden effizient und nach den MiFID-Vorgaben beraten zu können, sind Marktdaten und die Ausführungskonditionen der verschiedenen Handelsplätze äußerst hilfreich. Für die aktuellen Marktkursübersichten und Informationsverarbeitungslösungen werden intuitiv erkennbare und effiziente Datenanzeigen benötigt, um entsprechend der Best Execution Policy die Kundenorder auszuführen. Die Darstellung von Marktdaten, bezogen auf einen spezifischen Handelsplatz oder handelsplatzübergreifend auf ein Wertpapier, kann durch freigestaltbare Datenanzeigen, unternehmens- und anwenderindividuell ermöglicht werden. Um eine Vergleichbarkeit der Kursnotierungen über die verschiedenen Handelsplätze zu ermöglichen, wird eine Devisenumrechnung benötigt. Dies kann auf vom Informationsanbieter berechneten oder unternehmensintern vorgegebenen täglichen Devisenumrechnungskursen basieren. Der Zugriff auf die Marktdaten ist abhängig von den Handelsplatzbezugsberechtigungen des Unternehmens und des individuellen Mitarbeiters. Gestaltet man die Datendarstellung im Hinblick auf handelbare Kursnotierungen und Volumina handelsplatzübergreifend, so kann die Möglichkeit zur Arbitrage im europäischen Markt zwischen den verschiedenen Handelsplätzen ermittelt und möglicherweise zum Wettbewerbsvorteil genutzt werden. Eine Marktpreisentwicklung kann durch eine „Time & Sales“Funktionalität in Echtzeit nach Abschluss der Transaktion dargestellt werden. Hierdurch ist eine wertpapierbezogene Sicht auf die Marktaktivität der betreffenden Handelsplätze und Partner (Intermediäre) möglich. 17.4.2 Orderausführung nach Best Execution Policy Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen nach § 33 WpHG das bestmögliche Resultat für den Kunden, basierend auf der Best Execution Policy des Unternehmens, garantieren. Eine Herausforderung für Finanzun-
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 293
ternehmen ist es, den Handelsplatz zu bestimmen, der sich am besten für die entsprechende Kundenorder eignet. Wesentliche Kriterien bzw. Gewichtungsfaktoren, entsprechend der Kunden- und Produktklassifikation, die eine Entscheidung für die Orderausführung an einem Handelsplatz oder durch einen Handelspartner (Intermediär) nach der Best Execution Policy ermöglichen, sind z.B.: o o o o o
Preis/Quotierung des Wertpapiers, Ausführungswahrscheinlichkeit, Ausführungs- bzw. Abwicklungsgeschwindigkeit, Transaktionskosten (interne und externe Ausführungskosten), Umfang und Art des Kundenauftrages.
Marktdaten und –übersichten sowie spezielle Kennzahlen und bewertete Marktdaten wie zum Beispiel EBBO, unternehmensindividueller BBO, VWAP sowie OTC-Referenz und -schlusskurse spielen eine wesentliche Rolle bei der Orderausführung und Selektion des geeigneten Handelsplatzes bzw. -partners. Eine wertpapier- und handelsplatzbezogene Liquidität kann aus dem gehandelten Volumen, den Quotierungen und dem dazugehörigen Spread ermittelt werden. Als verbreitetes Maß zur Bewertung der Geld- und Kapitalmarkteffizienz im Finanzmarkt wird oftmals die Geld-Brief Spanne verwendet. Eine kleinere Geld-Brief-Spanne deutet auf eine einheitliche Einschätzung der Marktteilnehmer hinsichtlich des Werts einer Aktie hin. Bei engen Geld-Brief-Spannen ist die Marktliquidität hoch, und die Transaktionskosten sind entsprechend niedrig. Sie wird daher zukünftig im Rahmen der Orderausführung nach der Best Execution Policy noch mehr an Bedeutung gewinnen. Durch die erhöhte Markttransparenz und die Pflicht, die Ausführungskosten bei der Orderausführung nach der Best Execution Policy zu berücksichtigen, bieten viele Handelsplätze an, kleine Transaktionseinheiten mit keinem oder nur einem kleinen Spread abzuwickeln. Daraus läst sich ableiten, dass sich der Trend hin zu kleineren Transaktionseinheiten weiter verstärken wird, d.h. das zahlenmäßige Transaktionsvolumen wird insgesamt zunehmen. Um das Geschäft des Unternehmens vermehrt auf höhervolumige Kunden- sowie institutionelle Aufträge fokussieren zu können, wird ein Unternehmen versuchen, kleinere Aufträge (Retailorders) soweit wie möglich durch algorithmischen Handel zu automatisieren.
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Um den algorithmischen Handel und die entsprechenden Anwendungen zu unterstützen, werden folgende Informationen benötigt: o o o o o
Handelbare Kursnotierungen und Tickdaten (Echtzeit und Historie) Handelbares Volumen (angebotene Stückzahlen) Geld-/Brief-Spanne Transaktionskosten Art der Order, Produkt- bzw. Wertpapierklassifizierung
Für individuelle Marktbewertungen (z.B. Liquidität, BBO) werden Marktdaten und deren Konditionen als Datenfeed benötigt, um die entsprechenden Anwendungen mit Informationen zu versorgen. Das Lösungsangebot der unterschiedlichen Informationsanbieter umfasst handelsplatz- und wertpapierbezogene Kursnotierungen und -übersichten, generelle und spezielle Markt- und Effizienzkennzahlen sowie Bewertungen bezogen auf die Ausführungsorte. 17.4.3 Bedeutung der Marktdaten für Best Execution und Compliance Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen gem. § 33 WpHG nachweisen, dass sie alles Notwendige getan haben, um für den Kundenauftrag gleichbleibend das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Das Ergebnis einer von Thomson IFR initiierten Marktstudie (Juni 2007) in Zusammenarbeit mit der JWG-IT Gruppe in London zeigte, dass 68 % der Finanzunternehmen Kundenanfragen betreffend ihrer “Best Execution Policy” bereits im 1. Quartal 2008 und mehr als 80 % bis spätestens Ende 2008 erwarten. Die Orderausführung und zugrundeliegende Konditionen (Transaktionsdaten, Kunden- & Produktklassifizierungen, Best Execution Policy & AGBs, usw.) müssen für mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden und jederzeit auf Kundenanfrage oder bei der Überprüfung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden abrufbar sein. Je nach Komplexität der Best Execution Policy werden eventuell auch weitere Marktinformationen, siehe Abschnitt 17.4.2, benötigt. Hier muss jedes Finanzunternehmen für sich definieren, welche zusätzlichen Daten es speichern möchte, und eventuell entsprechende Vereinbarungen mit seinen Outsourcing-Partnern treffen.
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 295
Die Handelsplätze und -partner müssen in der Best Execution Policy definiert sein. MiFID gestattet jedoch, dass in bestimmten Situationen ein Ausführungsort bzw. -partner gewählt werden kann, der nicht in der Best Execution Policy genannt ist. Eine solche Situation ist gegeben, wenn z.B. der Ausführungsort zum Zeitpunkt der Orderausführung nicht im Zugriff ist (eventuelle technische Störung oder bereits geschlossen) und unter Beachtung, das beste Ergebnis für den Kunden zu erzielen, die Order an einem anderen Handelsplatz ausgeführt wird. Hieraus wird ersichtlich, dass Unternehmen eine laufende Überwachung der Orderausführungen nach ihrer Best Execution Policy, d.h. alle zwei bis drei Tage, benötigen. In diesem Zeitrahmen kann noch die Begründung für die Ausführung an einem nicht nach Best Execution Policy definierten Ausführungsort nachvollzogen werden und die Transaktionsausführung als MiFID-konform betrachtet werden. Bei einer Überprüfungsanfrage ist es notwendig, die entsprechenden Marktdaten und Konditionen dieses Ausführungsortes für die Berichterstellung im Zugriff zu haben. Die Überprüfung und Analyse der Best Execution Policy eines Unternehmens muss mindestens einmal jährlich erfolgen. Unternehmen werden eine Evaluierung und Anpassung ihrer Best Execution Policy mit großer Wahrscheinlichkeit mehrmals im Jahr durchführen, um sich immer wieder wettbewerbsfähig und strategisch im europäischen Markt zu positionieren. Nach der Marktumfrage von Sungard/TradeTech werden ca. 35 % der Unternehmen die notwendigen Daten zur MiFID-Konformitätsüberwachung und -prüfung selber vorhalten, ca. 35 % wollen dieses auslagern, und die verbleibenden 30 % haben sich noch nicht entschieden. Die hierfür benötigten Markt-, Unternehmens- und Kundeninformationen sind im Abschnitt 17.4.2 dargestellt. Folgende Abbildung zeigt eine Zusammenfassung der benötigten Marktinformationen entlang des Beratungs-, Handels- und MiFID-Konformitätsprozesses.
296
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Workflow & Informationsfluss
Anwender
Prozesse &
Markt
Pre-Trade
Monitoring
Kundenberater / Service ¾
Kundenberatung & -mgmt.
Händler ¾
(Kunden- & Produktklassifizierung)
Marktdaten ¾
Post – Trade
Trade
Analyse
Best Execution Analyse & Orderausführung nach der Best Execution Policy
Management
Front-, Mid-, Back- Office ¾
Post-Trade Transparenz
¾
MiFID Compliance Mgmt. & Reporting
(Marktübersichten Æ Handelsplatz & Wertpapier bezogene Informationen & Transaktionskonditionen; Statistiken Æ Liquidität, Ausführungswahrscheinlichkeit & -geschwindigkeit, usw.)
Marktübersichten & -analyse (handelbare & gehandelte Marktpreise von RMs, MTFs & SIs; value added Informationen EBBO, BBO, OTC Referenz- & Schlusskurse, usw.) ¾
Order Routing & Mgmt.
¾
Pre-Trade Transparency
(Marktdaten – EBBO, BBO, OTC Referenz- & Schlusskurse, Tickdaten in Echtzeit & historisch, Handelsplatzstatistiken; Abwicklungs- & Kostentransparenz) ¾
Best Execution Policy Analyse (Daten Æ siehe wie zuvor)
Kundenorder -Analyse, -Routing & -Mgmt.
Marktdaten -Versorgung, -Analyse & Distribution (intern & extern)
Abb. 17.2: Marktinformationen entlang der Orderausführung-Workflows nach MiFID
17.5 Ausblick für die Marktdatenentwicklung und -anforderungen Die Mehrheit der Finanzunternehmen (73 % 6) hat ihre Projekte zur Erreichung der MiFID-Konformität abgeschlossen, die verbleibenden Unternehmen planen, ihre Projekte bis spätestens zum Ende des zweiten Quartals in 2008 abgeschlossen zu haben. Die Diversifizierung von Finanzunternehmen im europäischen Markt sowie ihre Wettbewerbsfähigkeit werden sich aus der Bewertung der erzielten Ergebnisse bei der Ausführung von Kundenaufträgen unter Einhaltung
6
Quelle: Studie von TradeTech November 2007.
17. Erhöhte Markttransparenz fördert qualitativ bessere Marktinformationen 297
der individuellen Best Execution Policy ergeben. Wesentlich hierfür wird die Nachweisbarkeit und entsprechende Darstellung der Ergebnisse sein. Ausschlaggebend für die strategische Positionierung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Europa über die nächsten Jahre wird die Anpassungsfähigkeit der individuellen Geschäftsmodelle und der entsprechenden Best Execution Policy an die sich durch MiFID veränderten Marktbedingungen sein. Verschiedene Marktstudien und Informationen von MiFID-Arbeitsgruppen gehen davon aus, dass sich über die nächsten zwei Jahre die Anzahl der SIs und MTFs erhöhen wird. Turquoise, ein Konsortium aus mehreren Banken, wird in 2008 ein weiteres MTF an den Markt bringen. Während der ersten Tage von MiFID wurde eine kleine Liquiditätsverschiebung hin zu MTFs und SIs wahrgenommen. Eine Marktstudie der Aite Group aus November 2007 zeigte, dass Unternehmen eine dreiprozentige Liquiditätsverschiebung bis Ende 2007 erwarteten; sie prognostizieren danach eine Abwanderung der Liquidität hin zu alternativen Handelsplätzen von 20 % bis zum Jahr 2011. Eine weitere Marktstudie von TradeTech zeigt, dass 76 % der befragten Unternehmen mit einer minimalen Liquiditätsverschiebung rechnen, und 15 % eine wesentliche Verschiebung der Liquidität erwarten. Der Zugriff auf die erweiterten Handelsmöglichkeiten, entstehend durch neue Produktofferten von Börsen, MTFs und SIs, sowie die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Marktdaten und aufbereiteten Daten (z.B. EBBO, individueller BBO, VWAP, OTC-Referenz- und -schlusskurs usw.) werden immer wesentlicher werden o o
für effiziente Handelsentscheidungen, Handelsplatzanalysen und Bewertungen sowie für die MiFID-Konformitätsprüfungen und notwendigen Anpassungen der Geschäftsmodelle und der relevanten Best Execution Policy.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Informationsanbieter und Dienstleister wird wesentlich durch ihre Anpassungsfähigkeit an sich ständig ändernde Marktbedingungen und -erweiterungen beeinflusst. Eine strategische Marktpositionierung wird durch ein ständig aktuelles, umfassendes und qualitatives Angebot an Marktdaten, Kennzahlen und Mehrwertdaten in Verbindung mit dem entsprechendem Lösungsangebot ermöglicht.
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Die eventuelle Ausweitung der MiFID-Vorgaben durch die EU in die Bereiche Renten (Bonds) und derivative Finanzprodukte werden das Datenspektrum wesentlich erweitern. Die Entscheidung für diese Bereiche steht noch aus und wird nicht vor 2009 erwartet. Abschließend kann gesagt werden, dass die Vielfalt der aus MiFID resultierenden Marktdaten und daraus berechnete Benchmarks für Finanzunternehmen unabdingbar sind für erfolgreiche Geschäfte und damit verbundene Erträge sowie eine strategische Marktpositionierung.
V. Überwachung und Kontrolle
18. Welche Interessenkonflikte haben Banken?
Ulrich L. Göres
18.1 Gründe für die Einführung eines Interessenkonfliktmanagements Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Deutschland sind überwiegend als Universalbanken tätig, d.h. sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine Vielzahl von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen für Dritte besorgen, andererseits aber auch eigene Interessen verfolgen, beispielsweise den Eigenhandel betreiben. Darüber hinaus haben die Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmen eigene Interessen, z.B. wenn sie selbst in Finanzinstrumenten ihr Geld anlegen. Diese Gemengelage hat zur Folge, dass es innerhalb eines (Wertpapierdienstleistungs-) Unternehmens eine Vielzahl von – möglicherweise divergierenden – Interessen gibt. Um als redlicher und fairer Vertragspartner wahrgenommen zu werden, haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein elementares Interesse daran, für die jeweiligen Interessen einen sachgerechten Ausgleich zu finden. Darüber hinaus sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, ein geeignetes Interessenkonfliktmanagement zu etablieren. 1 18.1.1 Gesetzliche Pflichten Die Vorschriften hierzu enthält das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Im Einzelnen sind dies:
1
Vgl. Assmann, ÖBA 2007, S. 40 ff.; Loy in: Clouth/Lang, MiFIDPraktikerhandbuch, Rn. 571 ff.
302
Ulrich L. Göres
Organisationspflichten des § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG
Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, auf Dauer wirksame Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen zwischen ihm selbst einschließlich seiner Mitarbeiter und der mit ihm direkt oder indirekt durch Kontrolle im Sinne von § 1 Abs. 8 des Kreditwesengesetzes (KWG) verbundenen Personen und Unternehmen und seinen Kunden oder zwischen seinen Kunden zu erkenne und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen zu vermeiden. 2 Für Mitarbeiter, deren Tätigkeit Anlass zu einem Interessenkonflikt geben könnte, oder die auf Grund ihrer Tätigkeit Zugang haben zu Insiderinformationen nach § 13 WpHG oder zu anderen vertraulichen Informationen über Kunden oder solche Geschäfte, die mit Kunden getätigt werden, müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33b WpHG angemessene Mittel und Verfahren einsetzen, die verhindern, dass Mitarbeiter davon in unzulässiger Art und Weise profitieren (siehe dazu unter 18.3). Bei der Erstellung und Weitergabe von Finanzanalysen müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen zusätzliche Organisationspflichten 3 nach § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG in Verbindung mit § 5a der Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten 4 (Finanzanalyseverordnung – FinAnV) als auch besondere Regelungen für Mitarbeitergeschäfte (§ 33b Abs. 5 und 6 WpHG) 5 beachten. Dies dient dazu, die Unabhängigkeit und Objektivität derjenigen, die an der Erstellung von Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG beteiligt sind, zu gewährleisten (siehe dazu unter 18.4). Darüber hinaus enthält das WpHG in § 31d spezifische Regelungen zum Umgang mit der Annahme und Gewährung von Zuwendungen, die in Kapitel 11 – „Umgang mit Provisionszahlungen im Wertpapiergeschäft unter MiFID“ erläutert werden.
2
3
4 5
Zur Definition des Interessenkonflikts, vgl. Meyer/Paetzel in: Hirte/Möller, § 33, Rn. 62 ff.; Koller in: Assmann/Schneider, § 33, Rn. 32. Göres in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch für Kapitalmarktinformation, § 24, Rn. 102. Göres, aaO., Rn. 157 ff. Göres, aaO., Rn. 150 ff.
18. Welche Interessenkonflikte haben Banken?
303
Ferner sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33a WpHG dazu verpflichtet, Grundsätze zur Auftragsausführung der Kundenaufträge festzulegen (sog. Best Execution Policy), um bei der Ausführung das bestmögliche Ergebnis für seine Kunden zu erreichen 6.
Informationspflicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG über einen bestehenden Interessenkonflikt
Sofern die vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen getroffenen organisatorischen Vorkehrungen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen eine Beeinträchtigung von Kundeninteressen zu vermeiden, ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verpflichtet, vor Durchführung von Geschäften für Kunden, diesen die allgemeine Art und Herkunft des Interessenkonflikts eindeutig darzulegen 7. Trotz der Offenlegung unterliegt das Wertpapierdienstleistungsunternehmen aber weiterhin der Pflicht zur Einrichtung organisatorischer Vorkehrungen im Sinne des § 33 WpHG. Diese Offenbarungspflicht ist keine wertpapierrechtliche Besonderheit, sondern existiert auch in anderen Bereichen wie beispielsweise bei der Rechtsberatung. Ein Rechtsanwalt ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber demjenigen, der ihm ein neues Mandat anträgt, ungefragt dazu verpflichtet, offen zu legen, ob er oder ein anderes Mitglied seiner Sozietät den Gegner in dem ihm angetragenen Verfahren häufig in Rechtsangelegenheiten vertritt, und zwar unabhängig davon, ob ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zu dem neuen Mandat besteht. 8 Denn aus Sicht des Mandanten kann es fraglich sein, ob ein Anwalt, der häufig für eine bestimmte Partei tätig ist, die entgegengesetzten Interessen mit gleichem Nachdruck vertreten wird wie gegenüber einer Partei, für die er nicht regelmäßig anwaltlich tätig ist. Legt er dies nicht offen, begeht er eine schuldhafte Pflichtverletzung bei Vertragsverhandlungen, die dem Geschädigten Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (§ 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB) gewährt.
6 7
8
Siehe hierzu Kapitel 14 – „Best Execution immer und zu jedem Preis?“. Zu potentiell offenlegungspflichtigen Interessenkonflikten bei Zertifikaten vgl. Mülbert, WM 2007, 1149, 1153. BGH ZIP 2008, 369, 370.
304
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Im Falle des § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG muss die Unterrichtung des Kunden unter Berücksichtigung seiner Einstufung als Privatkunde, professioneller Kunde oder geeigneter Gegenpartei erfolgen, um ihm eine Entscheidung auf informierter Grundlage zu ermöglichen 9. Insoweit ergänzen die Informationspflichten die Organisationspflichten des § 33 WpHG. Als Beispiel für einen freiwillig offen gelegten Interessenkonflikt kann die Übernahme der Schering AG angeführt werden. Im Zuge des Erwerbs- und Übernahmeangebots der Merck Vierte Allgemeine Beteiligungsgesellschaft mbH, das von der Deutschen Bank begleitet wurde, entstand für dessen Vorstandmitglied ein Interessenskonflikt im Hinblick auf seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Schering AG. Dieser Konflikt wurde vom Vorstandsmitglied unverzüglich gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Schering AG offen gelegt. Zur Lösung des Konflikts wurde vereinbart, dass das Vorstandsmitglied an den Sitzungen des Aufsichtsrats nur nach vorheriger Abstimmung mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden teilnimmt, und dass ihm keine Informationen zugänglich gemacht werden, die für das Übernahmeverfahren von Bedeutung sein können. 10 Einen Katalog zwingend offenzulegender Interessenkonflikte enthält § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 a) bis d) 11 der FinAnV. Hiernach müssen Kreditoder Finanzdienstleistungsinstitute oder nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen oder Zweigniederlassungen im Sinne des § 53b KWG mit ihnen verbundene Unternehmen oder unabhängige Finanzanalysten beispielsweise wesentliche Beteiligungen an den Emittenten offen legen, die sie analysieren und bewerten, oder angeben, ob sie die Finanzinstrumente, die selbst, oder deren Emittenten Gegenstand der Finanzanalyse sind, als sog. „Designated Sponsor“ oder als Market Maker betreuen. 18.1.2 Interessenkonfliktmanagement aus geschäftspolitischen Gründen Zusätzlich zu den gesetzlichen Verpflichtungen haben insbesondere Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein elementares Interesse daran, ein ef9
Siehe § 13 Abs. 4 Satz 1 WpDVerOV. Zur Klassifizierung der Kunden in bestimmte Klassen siehe Kapitel 6 – „Die Bedeutung der unterschiedlichen Kundenkategorien“. 10 Siehe dazu Geschäftsbericht der Bayer Schering Pharma AG 2006, S. 13. 11 Vgl. dazu Göres in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch für Kapitalmarktinformation, § 24, Rn. 105 ff.; ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht – Handbuch für die Praxis, Kennzeichen 634b/3, Rn. 78 ff.
18. Welche Interessenkonflikte haben Banken?
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fizientes Interessenkonfliktmanagement zu etablieren. Es gibt eine Reihe von Fallgestaltungen, in denen das parallele Verfolgen zweier Interessen rechtlich als einwandfrei eingestuft werden würde, dies aber gleichzeitig von den Kunden, den Marktteilnehmern und/oder der breiten Öffentlichkeit nicht verstanden und daher zu Reputationsschäden und/oder zu wirtschaftlichen Verlusten führen würde. Dies ist beispielweise dann der Fall, wenn eine Bank für einen Emittenten ein Aktienrückkaufprogramm durchführt, mit dem dieser seinen Börsenkurs verbessern möchte, und gleichzeitig die in ihrem Anlagebestand gehaltenen Aktien dieses Emittenten veräußert. Sofern dabei eine WpHG-relevante Schwelle unterschritten wird (z.B. 3 %), müsste die Bank dies entsprechend melden, und der Emittent und die Öffentlichkeit würden hiervon erfahren. Rechtlich ist ein solches Vorgehen einwandfrei möglich, sofern die bestehenden Vertraulichkeitsbereiche zwischen der Beteiligungsabteilung und dem Handel nicht verletzt werden, aber weder der Emittent noch die Öffentlichkeit würden Verständnis für die Veräußerung aufbringen. Gleiches würde für den Fall gelten, dass die Bank die Aktie des Emittenten ausgerechnet in dem Augenblick, in dem ein Aktienrückkaufprogramm durchgeführt wird, zum Kauf empfiehlt. Wie schwierig es ist, der Öffentlichkeit und bisweilen auch dem Emittenten zu erläutern, dass es in der Bank verschiedene Vertraulichkeitsbereiche gibt, mag folgendes Beispiel illustrieren: Im August 2001 beauftragte ein asiatischer Großinvestor eine Bank mit dem Verkauf von 44 Mio. Aktien eines deutschen im DAX® gelisteten Emittenten. Vier Kalendertage bzw. zwei Werktage zuvor erneuerte der Analyst dieser Bank die Kaufempfehlung für die Aktie des Emittenten und gab gleichzeitig Informationen zu den auslaufenden Lock-up-Perioden verschiedener Aktionäre. Im Zuge des zwei Werktage nach Erscheinen der Finanzanalyse durchgeführten Paketverkaufes fiel die Aktie des Emittenten auf den tiefsten Stand seit ihrer Börseneinführung. Nach mehrmonatiger Untersuchung gelangte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu dem Ergebnis, dass die Vertraulichkeitsbereiche zwischen dem Analysebereich einerseits und der für die Veräußerung/Platzierung zuständigen Abteilung andererseits gewahrt worden waren. In der Öffentlichkeit wurde die Empfehlung so aufgenommen, als habe die Bank den Wert heraufgestuft, um ein besseres Verkaufsergebnis zu erzielen. Nach Berichten in den Medien hatten auf Grund dieses Vorfalles vier der fünf
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größten deutschen Fondsgesellschaften ihren Handel mit dem Institut vorübergehend unterbrochen. 12 Um ein mögliches Interessenkonfliktpotential zu erkennen, fließen in der Regel zur Veröffentlichung anstehende Finanzanalysestudien daher in eine sog. Konfliktdatenbank ein. Meldet nun ein Geschäftsbereich eine geplante Transaktion zur Zustimmung an, ist es der die Konfliktdatenbank betreuenden Compliance-Abteilung möglich, den möglichen Interessenkonflikt frühzeitig zu identifizieren und eine geschäftspolitische Entscheidung herbeizuführen, ob man die Finanzanalyse veröffentlicht oder aus geschäftspolitischen und/oder Reputationsgründen davon Abstand nimmt. 13 Darüber hinaus finden sich auch in anderen Rechtsgebieten Vorschriften, die von dem Neutralitätsgedanken geprägt sind. Hervorzuheben ist in dieser Hinsicht besonders das öffentliche Vergabeverfahren. 14 Angesichts der angespannten Finanzlage arbeiten öffentlich-rechtliche Träger (Kommunen etc.) verstärkt mit privaten Investoren im Rahmen sog. Public Private Partnerships zusammen. Letztere stellen dabei insbesondere Finanzmittel und Fachwissen zur Verfügung. Die Beratung der öffentlichen Träger bei der Konzeptionierung und der Ausschreibung übernehmen hierbei oft Unternehmen, die auch in einem Konzernverbund zu einem Kreditinstitut stehen können. Bei der dann stattfindenden Ausschreibung bewerben sich potentielle Investoren, die ihre Finanzkraft gegenüber den öffentlichen Trägern in der Regel durch eine Zusammenarbeit mit einem Kreditinstitut nachweisen müssen. Meist fragen diese dann bei ihrer Hausbank an. Sofern diese mit dem Beratungsunternehmen in einem Konzernverbund steht, ist die Neutralität nach der gesetzlichen Konzeption des § 16 Abs. 1 der Vergabeverordnung nur dann gewahrt, wenn das vom Auftraggeber, d.h. vom öffentlichen Träger eingeschaltete Beratungsunternehmen, ausreichende organisatorische Maßnahmen getroffen und überwacht hat, um die Neutralität des Vergabeverfahrens sicher zu stellen, d.h. insbesondere verhindert hat, dass Informationen aus dem Beratungsmandat weiter gegeben werden. Um jedes Risiko auszuräumen, kann sich das Beratungsunternehmen aus dem Verfahren zurückziehen, sobald es Kenntnis von der Tätigkeit eines mit ihm konzernrechtlich verbundenen Kreditinsti12
Siehe dazu die Darstellung im Spiegel 34/2001 unter „Die Schlacht der Spekulanten“ vom 20.08.2001, S. 96 ff. 13 Zu den Einzelheiten vgl. Kapitel 20 – „Erweiterte Steuerungs- und Überwachungsaufgaben in Banken“. 14 Siehe dazu Kleinert/Göres, Der Kommunaljurist 2006, S. 361 ff.
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tuts für einen Bieter/Bewerber erlangt. Ist die Neutralität nicht gewahrt, käme es im äußersten Fall zu einem Abbruch des Vergabeverfahrens und einer neuerlichen – mit erheblichen Kosten und Zeitverzögerungen verbundenen – Ausschreibung. Von daher ist es auch hier elementar, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen frühzeitig Kenntnis von solchen geplanten Beteiligungen am Vergabeverfahren als Berater bzw. als Finanzier des Bewerbers erlangt. Daher verpflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Regel ihre unterschiedlichen Geschäftseinheiten vor Abschluss eines Mandats, einen sog. Interessenkonfliktcheck durchzuführen.
18.2 Konkretisierung der gesetzlichen Pflichten durch die WpDVerOV Die gesetzliche Verpflichtung in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG wird konkretisiert durch § 13 der Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDVerOV). 18.2.1 Anforderungen des § 13 Abs. 1 WpDVerOV an die Identifikation von Interessenkonflikten Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind gesetzlich gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 WpDVerOV fortlaufend dazu verpflichtet, sämtliche von ihnen angebotenen Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen fortlaufend daraufhin zu kontrollieren, ob bei deren Erbringung möglicherweise Interessenkonflikte auftreten können. Interessenkonflikte können bestehen zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen (einschließlich seiner Mitarbeiter im Sinne des § 33b WpHG 15 und der mit ihm direkt oder indirekt durch Kontrolle im Sinne des § 1 Abs. 8 KWG verbundenen Personen und Unternehmen) und seinen Kunden oder zwischen seinen Kunden. Zu beachten ist, dass nicht bereits 15
Dies ergibt sich aus der Begründung zum FRUG, wonach „§ 33b Abs. 1 WpHG den Begriff der Mitarbeiter für die Zwecke des 6. Abschnitts [ergänzt: d.h. der §§ 31 bis 37a WpHG] definiert […].“, vgl. BT-Drs. 16/4028, S. 74. Zum Begriff des „Mitarbeiters“, vgl. die Ausführungen unter 18.3.
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wegen eines Gewinns, eines Vorteils oder wegen der Vermeidung eines Nachteils auf das Vorliegen eines möglichen Interessenkonfliktes zu schließen ist. Entscheidend ist, dass gleichzeitig ein möglicher Nachteil für einen Kunden erkennbar ist. Bei der Identifikation von Interessenkonflikten haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen insbesondere jeweils folgende Fragen zu prüfen 16: o Kann das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder ein Mitarbeiter zu Lasten von Kunden einen finanziellen Vorteil erzielen oder Verlust vermeiden? o Kann das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Mitarbeiter am Ergebnis einer für den Kunden erbrachten Wertpapierdienstoder Wertpapiernebendienstleistung oder eines für diese getätigten Geschäfts ein Interesse haben, das nicht mit dem Kundeninteresse übereinstimmt? o Existieren finanzielle oder sonstige Anreize, die Interessen eines Kunden oder einer Kundengruppe über die Interessen anderer Kunden zu stellen? o Geht das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Mitarbeiter dem gleichen Geschäft nach wie der Kunde? o Erhält das Wertpapierdienstleistungsunternehmen und/oder Mitarbeiter im Zusammenhang mit der für einen Kunden erbrachten Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistung eine über die hierfür übliche Provision oder Gebühr hinausgehende Zuwendung? Bei der Feststellung von Arten von potentiellen Interessenkonflikten ist ein besonderes Augenmerk auf die Bereiche Anlageberatung, Handel (einschließlich Eigenhandel und Eigengeschäft), Finanzportfolioverwaltung, Unternehmensfinanzierung, Emissions- und Platzierungsgeschäft sowie das M&A-Geschäft zu werfen 17. Das gilt insbesondere dann, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder ein Konzernunternehmen mehrere dieser Dienstleistungen anbietet 18. 16
Siehe § 13 Abs. 1 WpDVerOV. Erwägungsgrund 26 der Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG der MiFID. 18 Begründung zur WpDVerOV vom 1.10.2007, S. 20. 17
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18.2.2 Erstellung einer sog. Interessenkonfliktmatrix Zur Ermittlung bzw. zur Darstellung verwenden Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Praxis das auf den nachfolgenden Seiten exemplarisch dargestellte Schema. In einer Tabelle sind waagerecht sämtliche vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen erbrachten Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen aufzulisten. Im Beispiel sind dies die Anlageberatung und die Vermögensverwaltung. Auf der Senkrechten werden dann die verschiedenen Quellen benannt, aus denen sich bei der Erbringung der jeweiligen in der Waagerechten genannten Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen Interessenkonflikte ergeben können. Dabei ist zunächst zwischen Instituts-, Mitarbeiter- und Kundeninteressen (d.h. widerstreitenden Interessen anderer Kundengruppen) zu differenzieren. Hinsichtlich der Institutsinteressen kann eine Unterscheidung nach einzelnen Geschäftsbereichen oder Dienstleistungen zweckmäßig sein. Im nachfolgenden Beispiel sind dies die Punkte Mandate bei Gesellschaften, wesentliche Beteiligung etc. Darüber hinaus werden in dieser Interessenkonfliktmatrix die Maßnahmen zur Bewältigung der möglichen Interessenkonflikte aufgezeigt.
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Wertpapierdienstleistung
Anlageberatung
Vermögensverwaltung (VV)
Konfliktquelle Institutsinteressen
Mandate bei Gesellschaften
Wesentliche Beteiligung (mehr als 5% des Grundkapitals der Gesellschaft)
Anlageberatung
o
Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder Mitarbeiter der Bank sind Mandatsträger (Vorstand, Aufsichtsrat) bei einer Gesellschaft, die von der Bank empfohlene Finanzinstrumente emittiert.
o
Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder Mitarbeiter der Bank sind Mandatsträger (Vorstand, Aufsichtsrat) bei einer Gesellschaft, die für die Anlageentscheidung der Bank relevante Finanzinstrumente emittiert.
-- > Gefahr der Beratung entgegen den Interessen der Kunden
-- > Gefahr einer Anlageentscheidung entgegen den Interessen des Kunden der VV
Mögliche Maßnahmen: • Beachtung der Grundsätze anleger- und anlage- bzw. objektgerechten Beratung • Organisatorische und ggf. räumliche Separierung der betroffenen Geschäftsbereiche (Vertraulichkeitsbereiche)
Mögliche Maßnahmen: • Beachtung der vereinbarten Anlagerichtlinien bzw. allgemein des Kundeninteresses bei der Anlageentscheidung. • Organisatorische und ggf. räumliche Separierung der betroffenen Geschäftsbereiche (Vertraulichkeitsbereiche)
o
Wesentliche Beteiligung an Gesellschaft, die von der Bank empfohlene Finanzinstrumente emittiert.
o
Wesentliche Beteiligung an Gesellschaft, die für die Anlageentscheidung der Bank relevante Finanzinstrumente emittiert.
-- > Gefahr der Beratung entgegen den Interessen der Kunden
-- > Gefahr einer Anlageentscheidung entgegen den Interessen des Kunden der VV
Mögliche Maßnahmen: • Beachtung der Grundsätze anleger- und anlage- bzw. objektgerechten Beratung • Organisatorische und ggf. räumliche Separierung der betroffenen Geschäftsbereiche (Vertraulichkeitsbereiche)
Mögliche Maßnahmen: • Beachtung der vereinbarten Anlagerichtlinien bzw. allgemein des Kundeninteresses bei der Anlageentscheidung. • Organisatorische und ggf. räumliche Separierung der betroffenen Geschäftsbereiche (Vertraulichkeitsbereiche)
o
Empfehlung des bereffenden Geschäfts (Kommissions-, Vermittlungs- oder Festpreisgeschäft; Kauf statt Tausch), des betreffenden Finanzinstruments, der betreffenden Anlagestrategie (letzteres bei Anlageberatung zur VV) liegt nicht im Kundeninteresse.
Mögliche Maßnahmen (kumulativ): • Beachtung der Grundsätze anleger- und anlage- bzw. objektgerechten Beratung (i.V.m der Best Execution Policy der Bank) • Überprüfung von Vertriebsstrukturen und -leistungen
o
Anlageentscheidung zum betreffenden Geschäft (Kommissions-, Vermittlungs- oder Festpreisgeschäft; Kauf statt Tausch) zum betreffenden Finanzinstrument liegt nicht im Kundeninteresse
Mögliche Maßnahmen (kumulativ): • Beachtung der vereinbarten Anlagerichtlinien bzw. allgemein des Kundeninteresses bei der Anlageentscheidung (i.V.m der Best Execution Policy der Bank) • Überprüfung von Vertriebsstrukturen und –leistungen
18. Welche Interessenkonflikte haben Banken? Wertpapierdienstleistung
Anlageberatung
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Vermögensverwaltung (VV)
Konfliktquelle
Vermögensverwaltung
o
Bevorzugung von VV-Kunden bei der Anlageentscheidung zum Nachteil anderer VV-Kunden
Mögliche Maßnahme: • Nur sachlich gerechtfertigte Differenzierung bei der Anlageentscheidung für VV-Kunden Orderausführung
o
Zusammenfassung von Kundenaufträgen im Institutsinteresse und zum Nachteil von Kunden (z.B. auch bei nicht vollständiger Ausführung oder unterschiedlichen Ausführungspreisen)
Mögliche Maßnahmen: • Bankinterne Regelung, dass eine Zusammenfassung von Aufträgen (Kundenaufträge und/oder von bankeigenen Aufträgen mit Kundenaufträgen unzulässig ist) • Beachtung der Grundsätze zur Zusammenlegung von Aufträgen gemäß § 11 WpDVerOV. o
Benachteiligung bestimmter Kundenorders bei der Weiterleitung /Ausführung (im Verhältnis von verschiednen VV-Kunden oder im Verhältnis VV-Kunde zu NichtVV-Kunden
Mögliche Maßnahmen: • Beachtung des Prioritätsprinzips, d.h. Weiterleitung / Ausführung der Kundenaufträge in der Reihenfolge ihres Eingangs (§ 31c Abs. 1 Nr. 2 WpHG)
Tab. 18.1: Interessenkonfliktmatrix
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18.2.3 Anforderungen des § 13 Abs. 1 und 2 WpDVerOV an Inhalt und Form der Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten (sog. Conflict of Interest Policy) § 13 Abs. 2 WpDVerOV verlangt von Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine schriftliche Beschreibung der identifizierten Interessenkonflikte und der Maßnahmen, mit denen diese grundsätzlich bewältigt werden. 19 Hierbei wird auf die Inhalte der zuvor exemplarisch dargestellten Interessenkonfliktmatrix zurückgegriffen.
Maßnahmen
Hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Maßnahmen enthält § 13 Abs. 3 WpDVerOV eine nicht abschließende Aufzählung, auf welche ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen dabei zurückgreifen kann. Es ist zu beachten, dass diese Maßnahmen nur dann in der Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten aufzuführen sind, wenn dies dem sachgerechten Interessenkonfliktmanagement dient. Sofern mit einer oder mehreren der nachfolgenden Maßnahmen nicht der erforderliche Grad an Unabhängigkeit erzielt wird, sind alternative oder zusätzliche Maßnahmen zu treffen, § 13 Abs. 3 Satz 3 WpDVerOV. Folgende Maßnahmen, die allein oder kumulativ genutzt werden können, werden explizit in der WpDVerOV erwähnt: o
19
Einrichtung von Vertraulichkeitsbereichen mittels sog. Informationsbarrieren (sog. Chinese Walls 20). Dies bedeutet, dass vertrauliche Informationen den jeweiligen Vertraulichkeitsbereich (in der Regel ist dies ein Geschäftsbereich, aber auch innerhalb eines Geschäftsbereichs können verschiedene Vertraulichkeitsbereiche existieren) nicht verlassen dürfen. Etwas anderes gilt dann, wenn die Einschaltung Dritter zur Aufgabenerfüllung notwendig ist und die Vertraulichkeit gewahrt bleibt (sog. „Need-to-Know“-Prin-
Maurenbrecher sieht darin zu Recht das „Herzstück des Managements von Interessenkonflikten, AJP 2005, 19, 29. 20 Zur Bildung von Vertraulichkeitsbereichen und der Darstellung der verschiedenen Arten von Chinese Walls, vgl. Eisele, in; Schimansky/Bunte/ Lwowski/Eisele, Bankrechtshandbuch § 109, Rn. 141 ff. sowie Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, Univ.-Diss. 2003, S. 73 ff.
18. Welche Interessenkonflikte haben Banken?
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zip 21). Von der Restriktion ausgenommen sind öffentlich zugängliche Informationen (beispielsweise Inhalte von Presseberichten). Bei diesen ist es zulässig, dass Mitarbeiter, die in verschiedenen Vertraulichkeitsbereichen arbeiten, sich darüber austauschen. Zivilrechtlich bewirkt eine ordnungsgemäß geschaffene und überwachte Chinese Wall, dass das Wissen eines abgeschotteten Geschäftsbereichs nicht einem anderen Geschäftsbereich oder dem Unternehmen insgesamt zugerechnet werden kann 22.
21
o
Die Vergütungsstruktur der Mitarbeiter muss so gestaltet sein, dass sie konfliktträchtige Abhängigkeiten der Mitarbeiter vermeidet. Dies setzt voraus, dass sie unabhängig ist von der Vergütung anderer Mitarbeiter mit anderen Aufgabenbereichen sowie von den von diesen erwirtschafteten Unternehmenserlösen oder Prämien, sofern dies einen Interessenkonflikt nach sich ziehen könnte. Unzulässig ist es daher beispielsweise, die Vergütung von sog. Sell-side-Analysten 23, d.h. solchen, die z.B. in Kreditinstituten Finanzanalysen für die Weitergabe an in der Regel professionelle Kunden verfassen, an die Profitabilität des unternehmensinternen Investment-Banking Geschäfts zu koppeln. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass Finanzanalysten negative Empfehlungen zurückhaltender aussprechen würden, um die eigene Vergütung nicht zu reduzieren. Unzulässig ist es hingegen nicht, Mitarbeiter an den Gesamterträgen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens mittels einer variablen Erfolgsvergütung (sog. Bonus) partizipieren zu lassen. Dies gilt auch für Mitarbeiter der Compliance-Abteilung.
o
Die unsachgemäße Einflussnahme anderer Personen auf die Tätigkeit von Mitarbeitern, die Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen erbringen, ist zu verhindern. 24 Dabei ist es gleichgültig, ob die Einflussnahme durch andere Mitarbeiter des
Siehe dazu Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski/Eisele, Bankrechtshandbuch § 109, Rn. 141. Vgl. dazu Jahn unter 2. a), S. 13. 22 Siehe zur Erläuterung ausführlich Lösler, Compliance im Wertpapierdienstleistungskonzern, S. 92 ff. und; 307. 23 Zur Erläuterung der unterschiedlichen Arten von Analysten, vgl. Göres, Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und –analysten bei der Wertpapieranalyse, Univ.-Diss. 2003, S. 30 ff.; Vogler, Schadensersatzhaftung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens für fehlerhafte Aktienanalysen, Univ.Diss. 2005, S. 48 ff. 24 § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 WpDVerOV.
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Instituts, des Konzerns oder instituts- oder konzernfremde Personen erfolgt 25. In der Praxis geschieht dies beispielsweise mittels der Separierung der Zuständigkeiten für den Vertrieb und deren Überwachung sowohl in personeller als auch in funktioneller Hinsicht (z.B. Schaffung separater Berichts- und Disziplinarlinien an den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung). Um den Einfluss von Dritten auf die eigenen Mitarbeiter infolge von Zuwendungen (Geschenken und Einladungen) zu minimieren, verfügen die Unternehmen in der Regel über eine sog. Geschenkerichtlinie oder einen Verhaltenskodex (sog. Code of Conduct), der die Annahme als auch die Gewährung von Zuwendungen regelt.
25
o
Während die Annahme von Bargeld und bargeldähnlichen Zuwendungen (z.B. Schecks oder Warengutscheinen) grundsätzlich verboten sein sollte, kann die von sonstigen Zuwendungen unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werden. Um von vornherein den Anschein von Bestechlichkeit und/oder Korruption zu vermeiden, empfiehlt es sich für ein Unternehmen, Mitarbeiter, denen eine Zuwendung angeboten wird, zu verpflichten, dies bei der Erreichung eines bestimmten Wertes (z.B. 50 EUR) grundsätzlich gegenüber dem Vorgesetzten anzuzeigen. Hierdurch wird Transparenz erzeugt, die es ermöglicht, ein mögliches Beeinflussungspotential zu erkennen.
o
Sofern die Zuwendung den Grenzwert (z.B. 50 EUR) überschreitet, ist es sinnvoll, die Annahme nur dann als zulässig anzusehen, wenn der direkte Vorgesetzte ihr zugestimmt hat. Sofern diese Zustimmung nicht erteilt wird, ist die Zuwendung entweder an den Gewährenden zurück zu geben oder, falls dies (insbesondere aus geschäftspolitischen Gründen) nicht möglich ist, unverzüglich einer bestimmten Stelle innerhalb des Unternehmens zu übergeben. In der Regel werden diese Gegenstände dann versteigert und der Erlös einer sozialen Einrichtung gespendet.
o
Darüber hinaus empfiehlt es sich, ab einem bestimmten Wert (z.B. ab 150 EUR) eine Annahme grundsätzlich zu untersagen.
o
Erhält der Mitarbeiter Einladungen zu Veranstaltungen (z.B. zu Sport- oder Kulturevents), sollten die Reise- und Unterbringungs-
Begründung zur WpDVerOV vom 1.10.2007, S. 21.
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kosten grundsätzlich vom Unternehmen des Mitarbeiters getragen werden 26. Etwas Anderes sollte nur dann gelten, wenn trotz der Annahme der Anschein von Interessenkonflikten ausgeschlossen ist. Dies wird man beispielsweise bei Einladungen von Betriebsräten zu politischen Diskussionen durch politiknahe Stiftungen und/ oder Gewerkschaften annehmen können.
o
Die Beteiligung von Mitarbeitern an verschiedenen (konfligierenden) Wertpapierdienst- oder Wertpapiernebendienstleistungen in engem zeitlichen Zusammenhang ist zu verhindern oder zu kontrollieren, sofern dies ein ordnungsgemäßes Interessenkonfliktmanagement beeinträchtigen würde. 27
o
Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Haupttätigkeit potentiell widerstreitende Interessen, insbesondere von Kunden oder des Wertpapierdienstleistungsunternehmens wahrnehmen, sind gesondert zu überwachen. 28
Angemessenheitsregelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 und § 13 Abs. 3 Satz 1 WpDVerOV
Die Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten muss Art, Umfang und die Komplexität des Geschäftsmodells des Wertpapierdienstleistungsunternehmens berücksichtigen. Daraus folgt, dass die Richtlinie bei größeren Instituten weitaus komplexer und detaillierter ausfallen wird als bei kleineren. Diese Angemessenheitsregel erstreckt sich auch auf die zu treffenden Maßnahmen. Nur wenn der erforderliche Grad an Unabhängigkeit nicht erzielt wird, sind dafür alternative oder zusätzliche Maßnahmen zu treffen 29. Ein Beispiel, bei dem die ausdrücklich genannten Maßnahmen als nicht ausreichend angesehen werden, sind die sog. variablen Mitarbeiter26
So ausdrücklich zur Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten durch Emittenten für Analysten das BaFin-Schreiben vom 21.12.2007 (GZ: WA 36 – Wp-2002-2007/0006) zur Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 S. 4, 34b WpHG in Verbindung mit der FinAnV, wonach „[…] wegen des Auftretens möglicher Interessenkonflikte die Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten durch Emittenten für Analysten ebenso abzulehnen ist, wie dies bei Präsenten von Emittenten an Finanzanalysten der Fall ist“. 27 § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 WpDVerOV. 28 § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 WpDVerOV. 29 § 13 Abs. 3 Satz 3 WpDVerOV.
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vergütungsmodelle, bei denen die Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber für den Absatz bestimmter Produkte und/oder Produkttypen zur Vertriebssteigerung eine leistungsbezogene Vergütung erhalten 30. Hierdurch könnte der Anlageberater dahingehend beeinflusst werden, dass er Kunden vorrangig die mit einer höheren Vergütung versehenen Produkte offeriert. Indes ist zu beachten, dass der Anlageberater nach der Rechtsprechung dazu verpflichtet ist, den Kunden anleger- und anlage- bzw. objektgerecht zu beraten 31, d.h. dem Kunden nur solche Produkte zu empfehlen, die – unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse und Erfahrungen – seinen Anlagezielen und seinen finanziellen Verhältnissen entsprechen, also für ihn geeignet sind. Sofern das empfohlene Produkt also ebenfalls für den Kunden geeignet ist, wird man variable Vergütungsmodelle als grundsätzlich zulässig ansehen müssen. Denn es ist keineswegs erforderlich, dass dem Kunden das für ihn optimale Produkt empfohlen wird. Um Missbrauchsfällen vorzubeugen, sollte Compliance und/oder die interne Revision in regelmäßigen Abständen stichprobenartig die zur Ermittlung des Kundenprofils ausgefüllten Wertpapierbögen mit den vom Anlageberater empfohlenen und vom Kunden erworbenen Produkten abgleichen, um zu verifizieren, dass eine sachgerechte Beratung erfolgt ist.
Einbeziehung anderer Unternehmen derselben Unternehmensgruppe, § 13 Abs. 2 Satz 2 WpDVerOV
Neben den eigenen Interessen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist auch Interessenkonflikten Rechnung zu tragen, die sich aus der Struktur und Geschäftstätigkeit anderer Unternehmen derselben Unternehmensgruppe 32 ergeben. Erforderlich ist also ein konzernweites Interessenkonfliktmanagement.
Information der Kunden über die Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten nach § 5 Abs. 3 WpDVerOV
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 h) WpDVerOV ist das Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, Privatkunden die Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 WpDVerOV auszuhändigen. Die Beschreibung der Grundsätze zum Interessenskonfliktmanagement kann auch in zusammen-
30
Röh, BB 2008, 398, 406. BGH Urteil vom 6.7.1993 – XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126 ff., sog. „Bond“Rechtsprechung. 32 § 13 Abs. 2 Satz 3 WpDVerOV. 31
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gefasster Form erfolgen 33, wobei dem Kunden auf dessen Wunsch jederzeit Einzelheiten zu diesen Grundsätzen mitzuteilen sind. 34 In der Praxis operieren die Wertpapierdienstleistungsunternehmen meist mit zwei Fassungen der Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten, nämlich einer Zusammenfassung und einer ausführlichen Darstellung. Letztere wird in der Regel nur auf ausdrücklichen Kundenwunsch versandt.
18.3 Mitarbeitergeschäfte Mit der Einführung des § 33b WpHG durch das FRUG zum 1. November 2007 wurden erstmals ausdrücklich gesetzliche Regelungen über Mitarbeitergeschäfte ins WpHG aufgenommen 35. Bis zum 31.10.2007 galten die sog. „Mitarbeiter-Leitsätze“ der BaFin 36, die mit Schreiben der BaFin vom 23. Oktober 2007 aufgehoben wurden. Mitarbeitergeschäfte dürfen nicht gegen Kundeninteressen gerichtet sein. Bei Interessenkollisionen haben die Kundeninteressen und die Eigeninteressen des Instituts Vorrang. 18.3.1 Begriff des Mitarbeiters Die gesetzliche Regelung des § 33b WpHG erfasst nicht sämtliche Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, sondern nur die ausdrücklich in 33b Abs. 1 WpHG genannten. Hiernach sind „Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens: o
33
die Mitglieder der Leitungsorgane, die persönlich haftenden Gesellschafter und vergleichbare Personen, die Geschäftsführer so-
Begründung zur WpDVerOV vom 1.10.2007, S. 8. § 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. i) WpDVerOV. 35 Held in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, Rn. 447 ff. 36 Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeiter der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte vom 7.6.2000 (BAnz. Nr. 131 vom 15.7.2000, S. 13 790). Diese wurden gestützt auf § 33 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 2 WpHG a.F. sowie § 25a Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 KWG a.F. Vgl. dazu Baur, Die Bank 2000, 611 ff. und von Kopp-Colomb, WM 2000, 2414 ff. 34
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wie die vertraglich gebundenen Vermittler im Sinne des § 2 Abs. 10 Satz 1 des KWG und deren Geschäftsführer, o
alle natürlichen Personen, derer sich das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder dessen vertraglich gebundene Vermittler bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen, insbesondere aufgrund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses, bedienen, und
o
alle natürlichen Personen, die im Rahmen einer Auslagerungsvereinbarung unmittelbar an Dienstleistungen für das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder dessen vertraglich gebundene Vermittler zum Zweck der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen beteiligt sind.“
Im Gegensatz zu den ursprünglichen Mitarbeiterleitsätzen, die für Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute galten, verpflichtet § 33b WpHG nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Erstmalig erfasst werden durch § 33b WpHG ausdrücklich persönlich haftende Gesellschafter des Unternehmens. Gleiches gilt für die Einbeziehung vertraglich gebundener Ausschließlichkeitsvermittler. Deren Erfassung hat in der Praxis selbst beim Vorliegen eines Allfinanzkonzerns, bestehend u.a. aus einer Versicherung und einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen, keine große Bedeutung. Dies liegt daran, dass die für die Versicherung tätigen Versicherungsvermittler nur dann als Mitarbeiter anzusehen wären, wenn sie ausschließlich beim Wertpapierdienstleistungsunternehmen an der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen mitwirken würden. Als solche käme allenfalls die Anlageberatung in Betracht, die in der Praxis aber in der Regel von den Bankmitarbeitern übernommen wird. Die neue Regelung erfasst – im Gegensatz zu den Mitarbeiterleitsätzen – erstaunlicherweise nicht die Mitarbeiter, die an der Erbringung von Wertpapiernebendienstleistungen beteiligt sind. Insoweit sind beispielsweise Mitarbeiter ausgenommen, die in der M&A-Beratung, der Kreditabteilung, im Depotgeschäft, im Research oder im Emissions- und Platzierungsgeschäft tätig sind 37, also regelmäßig Zugang zu vertraulichen und/oder Insiderinformationen nach § 13 WpHG haben. Insoweit muss man die Regelung des § 33b WpHG als missglückt bezeichnen.
37
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Da wie eingangs bereits erläutert die Regelung des § 33b WpHG gerade dazu dient, mögliche Interessenkonflikte bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu vermeiden und die Weitergabe bzw. Ausnutzung von Insiderinformationen zu verhindern, wird aus pragmatischen Gründen vertreten, dass Mitarbeiter, die an der Erbringung von konfliktträchtigen Wertpapiernebendienstleistungen mitwirken, über § 33 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Verbindung mit § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KWG und § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG erfasst sind. 38 Folgt man dieser Ansicht, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 33b WpHG insgesamt überflüssig ist, da sie keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat, der nicht bereits in den zuvor genannten Vorschriften enthalten wäre. Um rechtlich eine sichere Grundlage zu haben, schließen Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Praxis eine Betriebsvereinbarung ab, wodurch gerade auch die an der Erbringung von Wertpapiernebendienstleistungen mitwirkenden Mitarbeiter den institutsinternen Regelungen über Mitarbeitergeschäfte unterworfen werden, da gerade sie Zugang zu vertraulichen und/oder Insiderinformationen im Sinne des § 13 WpHG haben. 18.3.2 Organisationsverpflichtungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte Gemäß § 33b Abs. 3 WpHG müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen angemessene Mittel und Verfahren einsetzen, um Mitarbeiter, deren Tätigkeit Anlass zu einem Interessenkonflikt geben könnte, oder die aufgrund ihrer Tätigkeit Zugang zu Insiderinformationen nach § 13 WpHG oder zu anderen vertraulichen Informationen haben, daran zu hindern,
38
o
ein Mitarbeitergeschäft zu tätigen, welches gegen eine Vorschrift des 6. Abschnitts des WpHG, d.h. der §§ 31 bis 37a WpHG, oder § 14 WpHG verstoßen könnte, oder welches mit dem Missbrauch oder der vorschriftswidrigen Weitergabe vertraulicher Informationen verbunden ist,
o
außerhalb ihrer vorgesehenen Tätigkeit als Mitarbeiter einem anderen ein Geschäft über Finanzinstrumente zu empfehlen, welches als Mitarbeitergeschäft unter § 33b Abs. 3 Nr. 1 oder Absatz 5 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG oder unter das Verbot des Missbrauchs von Informationen im Zusammenhang mit Kundenaufträgen (§ 31c
So beispielsweise Röh, BB 2008, 398, 407.
320
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Abs. 1 Nr. 5 WpHG) fiele oder einen anderen zu einem solchen Geschäft zu verleiten, o
unbeschadet des Verbots nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG außerhalb ihrer vorgesehenen Tätigkeit als Mitarbeiter einem anderen Meinungen oder Informationen in dem Bewusstsein zugänglich zu machen, dass der andere hierdurch verleitet werden dürfte, ein Geschäft zu tätigen, das – wäre es ein Mitarbeitergeschäft – die Voraussetzungen des § 33b Abs. 3 Nr. 1 oder Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG erfüllen würde oder gegen das Verbot des Missbrauchs von Informationen im Zusammenhang mit Kundenaufträgen verstieße (§ 31c Abs. 1 Nr. 5 WpHG), oder einem Dritten ein solches Geschäft zu empfehlen oder ihn zu einem solchen zu verleiten.
Um zu verhindern, dass Mitarbeiter beispielsweise vertrauliche und/oder Insiderinformationen nutzen, die sie beispielsweise im Zuge einer M&ABeratung erlangt haben, verpflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Praxis ihre Mitarbeiter dazu, sich vor der Auftragserteilung für die Transaktion eine Zustimmung des arbeitgebenden Instituts zu holen (sog. pre-approval- oder pre-clearance-Verfahren). Vor Erteilung der Zustimmung erfolgt ein Abgleich mit der gemäß § 15b WpHG zu führenden Insiderliste. Diese wird in vielen Instituten zusammen mit der Beobachtungsliste (sog. „Watch List“) geführt. Die Watch List ist eine in Compliance geführte Auflistung aller Insiderinformationen des jeweiligen Unternehmens bzw. Konzerns. Diese Informationen können sich sowohl auf Emittenten börsennotierter Werte als auch die Bank selbst beziehen. Sie wird streng vertraulich geführt, und nur wenige Mitarbeiter der Compliance-Organisation haben Zugriff darauf. Beim Abgleich mit der Insiderliste/Watch List wird geprüft, ob der Mitarbeiter in Bezug auf den Emittenten, dessen Finanzinstrumente er erwerben möchte, über Insiderinformationen im Sinne des § 13 WpHG verfügt. Sofern dies der Fall ist, wird die Zustimmung zur angefragten Transaktion versagt. Der Abgleich mit den Einträgen auf der Insiderliste kann manuell oder mittels eines ITSystems erfolgen. Welche Voraussetzungen die zu treffenden organisatorischen Vorkehrungen erfüllen müssen, um als angemessen angesehen zu werden, bestimmt § 33b Abs. 4 WpHG. Hiernach müssen diese zumindest darauf ausgerichtet sein, zu gewährleisten, dass
18. Welche Interessenkonflikte haben Banken?
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o
alle von § 33b Abs. 3 WpHG erfassten Mitarbeiter die Beschränkungen für Mitarbeitergeschäfte und die Vorkehrungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach § 33b Abs. 3 WpHG kennen,
o
das Wertpapierdienstleistungsunternehmen von jedem Mitarbeitergeschäft eines Mitarbeiters im Sinne des § 33b Abs. 3 WpHG entweder durch Anzeige des Mitarbeiters oder ein anderes Feststellungsverfahren unverzüglich Kenntnis erhalten kann, […] und
o
das Wertpapierdienstleistungsunternehmen alle Mitarbeitergeschäfte, von denen es Kenntnis erhält, und alle Erlaubnisse und Verbote, die mit diesen Geschäften erteilt werden, dokumentiert.
Wertpapierdienstleistungsunternehmen nehmen in der Regel in den Arbeitsverträgen Regelungen zu Mitarbeitergeschäften auf oder beziehen die dazu existierende institutsinterne Richtlinie in den Arbeitsvertrag mit ein. Mitarbeiter werden darüber hinaus in regelmäßigen Abständen geschult, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Mitarbeiter mit den Regelungen vertraut sind. Um einen Überblick über die von den Mitarbeitern im Sinne des § 33b Abs. 3 WpHG 39 getätigten Mitarbeitergeschäfte zu erhalten, verpflichten die Wertpapierdienstleistungsunternehmen diese Mitarbeiter einerseits, die von ihnen unterhaltenen Konto- und Depotverbindungen sowie die von ihnen übernommenen Vollmachten dem Institut gegenüber offen zu legen. Hierbei ist das Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf die Ehrlichkeit und Redlichkeit des jeweiligen Mitarbeiters angewiesen. Verschweigt dieser seinem Arbeitgeber mutwillig ein Konto und/oder Wertpapierdepot, über das er selbst oder auf Grund einer Vollmacht verfügen kann, so besteht für die Bank keine Möglichkeit, dies offiziell in Erfahrung zu brin-
39
Alle anderen Mitarbeiter müssen nur auf Verlangen des Instituts ihre Kontound Depotverbindungen sowie die von ihnen übernommenen Vollmachten offen legen. Die Offenlegung der auf diesen Konten und Depots getätigten Mitarbeitergeschäfte kann nur bei berechtigtem Interesse verlangt werden. Dies ist dann gegeben, wenn dem Institut Anhaltspunkte vorliegen, dass der Mitarbeiter gegen gesetzliche oder sonstige aufsichtsrechtliche Regelungen verstoßen haben könnte.
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gen, beispielsweise mittels des sog. Kontenabrufverfahrens nach § 24c Abs. 3 KWG 40, da sie nicht zum Kreis der Abrufberechtigten gehört. Damit Wertpapierdienstleistungsunternehmen unverzüglich Kenntnis von den getätigten Mitarbeitergeschäften erlangen, gibt es in der Praxis eine Reihe von Modellen. Einige Institute verpflichten ihre Mitarbeiter, sämtliche Konten und Wertpapierdepots ausschließlich im eigenen Hause zu führen und Mitarbeitergeschäfte ausschließlich über diese abzuwickeln. Andere erlauben es ihren Mitarbeitern, ihre Konten und Wertpapierdepots bei Drittbanken zu unterhalten. Alle von § 33b Abs. 3 WpHG erfassten Mitarbeiter sind, sofern sie ein Konto und Depot bei einem Drittinstitut unterhalten, verpflichtet, das konto- und depotführende Institut zu veranlassen, eine Zweitschrift an das arbeitgebende Institut zu senden. Dies bedeutet, dass nicht nur der Mitarbeiter eine Abrechnung der Transaktion von der depotführenden Bank erhält, sondern auch das jeweilige ihn beschäftigende Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Soweit das Übersenden von Zweitschriften unterbleibt (z.B. weil das depotführende Institut diesen Service nicht oder nur gegen hohe Gebühren anbietet, die vom Mitarbeiter zu tragen sind, da er sich für dieses Institut entschieden hat), sind die Mitarbeiter verpflichtet, unaufgefordert jedes über ein Drittinstitut abgewickelte Mitarbeitergeschäft unter Angabe der Details unverzüglich der Stelle im Unternehmen anzuzeigen, die von der Geschäftsleitung für die Überwachung der Mitarbeitergeschäft benannt worden ist. Dies wird in der Regel die Compliance-Stelle sein. Hat die Bank ihre Mitarbeiter dazu verpflichtet, die Wertpapierdepots im eigenen Hause zu führen, entfällt der manuelle Aufwand des Einpflegens der – mittels der Zweitschriften übersandten – Transaktionen in das Monitoringsystem. Ferner ist es möglich, eine Transaktion, die nicht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und/oder der institutsinternen Richtlinie getätigt wurde, gegen den Eigenbestand der Bank rück abzuwickeln. Wird das Depot bei einer Drittbank geführt, müsste der Mitarbeiter in einem solchen Fall das Wertpapier veräußern, den mit der Transaktion erzielten Kursgewinn spenden und die Spendenquittung seinem Arbeitgeber zuleiten. 40
Vgl. zu den Einzelheiten Göres, NJW 2005, S. 253 ff. und NJW 2005, 1902 ff. Zur Verfassungsmäßigkeit des sog. Kontenabrufverfahrens nach § 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 AO, siehe Beschluss des BVerfG - 1 BvR 1550/03 vom 13.6.2007, abrufbar unter: http://www.bverfg.de/entscheidungen/ rs20070613_1bvr155003.html.
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Darüber hinaus gelten besondere Anforderungen im Rahmen von Auslagerungsvereinbarungen, auf die hier nicht näher eingegangen wird 41. 18.3.3 Mitarbeitergeschäfte von Finanzanalysten Für Personen, die Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG erstellen, gelten besondere Pflichten in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte. Ausweislich von § 33b Abs. 5 WpHG müssen „Wertpapierdienstleistungsunternehmen über organisatorische Vorkehrungen verfügen, die darauf ausgerichtet sind, zu gewährleisten, dass Mitarbeiter, die den Inhalt und wahrscheinlichen Zeitplan einer bislang noch unveröffentlichten Finanzanalyse kennen, solange keine Geschäfte mit den Finanzinstrumenten oder damit verbundenen Finanzinstrumenten, auf welche sich diese Finanzanalysen beziehen, tätigen, bis die Empfänger ausreichend Gelegenheit für eine Reaktion hatten. Wie bereits erörtert, fallen nicht unter den Mitarbeiterbegriff diejenigen, die an der Erbringung von Wertpapiernebendiensteistungen mitwirken. Da die Finanzanalyse aber eine solche Wertpapiernebendienstleistung darstellt, sind die natürlichen Personen, die eine Finanzanalyse erstellen, vom Mitarbeiterbegriff des § 33b Abs. 1 Nr. 3 WpHG selbst nicht erfasst 42, wenngleich gerade sie über den Inhalt der unveröffentlichten Finanzanalyse Kenntnis haben. Auch eine Zuordnung unter die anderen Fälle des § 33b Abs. 1 WpHG ist nicht möglich. Insoweit hat der deutsche Gesetzgeber Artikel 25 a) und b) der Durchführungsrichtlinie 2006/73/EG zur MiFID nicht umgesetzt. Um diese Nichterfassung der Finanzanalysten und damit die fehlerhafte Umsetzung nachträglich zu „heilen“, verlangt § 5a Abs. 2 Nr. 1 FinAnV, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen mithilfe organisatorischer Vorkehrungen gewährleisten müssen, dass bei Finanzanalysten die Vorgaben des § 33b Nr. 1 und Nr. 2 des WpHG eingehalten werden. Mithin erklärt eine die gesetzliche Regelung konkretisierende Verordnung eine im Gesetz stehende Regelung, die nach ihrem Wortlaut ausdrücklich keine Anwendung findet, für anwendbar. Auch wenn dieses Vorgehen vom Er-
41
Siehe dazu Held in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, Rn. 462; Göres in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, WpHG, § 33b; Röh, BB 2008, 398, 408. 42 Göres, BKR 2007, 85, 91; Röh, BB 2008, 398, 409.
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gebnis her betrachtet richtig ist, sollte die fehlerhaft Umsetzung in § 33b Abs. 5 WpHG korrigiert werden. Die in § 33b Abs. 5 WpHG angesprochene ausreichende Reaktionsmöglichkeit ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn bei Vorliegen der schriftlichen Kundenempfehlung mindestens die Bereichsöffentlichkeit durch Veröffentlichung über ein bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen, börsenzugelassenen Unternehmen und Versicherungsunternehmen weit verbreitetes, elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem (wie beispielsweise Reuters oder Bloomberg) hergestellt worden ist. Unabhängig von dieser gesetzlichen Regelung unterliegen innerhalb eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens die an der Erstellung beteiligten Personen in der Regel z.B. durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung einem grundsätzlichen Handelsverbot in den von ihnen oder ihrem Team analysierten Werten. Zusätzlich sind sie meist dem bereits beschriebenen Pre-approval-Verfahren unterworfen. 43 Ihnen ist also der Handel nur bei Zustimmung einer unabhängigen Abteilung (in der Regel ist dies Compliance), der der Zeitplan der in der Zukunft erscheinenden ResearchPublikationen bekannt ist, gestattet. Ferner müssen die vom Wertpapierdienstleistungsunternehmen getroffenen Vorkehrungen darauf ausgerichtet sein zu gewährleisten, dass die an der Erstellung dieser Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG beteiligten Mitarbeiter nur in Ausnahmefällen und mit vorheriger Zustimmung der Rechts- oder der Compliance-Abteilung ein Mitarbeitergeschäft in den analysierten bzw. den damit verbundenen Finanzinstrumenten entgegen den aktuellen Empfehlungen tätigen. Einen Ausnahmefall wird man dann bejahen, wenn der an der Erstellung der Finanzanalyse Beteiligte nachvollziehbare Gründe für sein beabsichtigtes Geschäft schildert, wie z.B. die Finanzierung von eben zu diesem Zeitpunkt notwendigen und/oder kapitalintensiven Anschaffungen (Erwerb einer Immobilie). Die Regelungen des § 33b Abs. 5 WpHG finden keine Anwendung auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die von einem Dritten erstellte Finanzanalysen öffentlich verbreiten oder an ihre Kunden weitergeben, wenn
43
Eisele, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch § 109 Rn. 165. Siehe dazu bereits 18.3.2.
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bestimmte in § 33b Abs. 6 WpHG definierte Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind 44.
18.4 Organisatorische Anforderungen, § 34b Abs. 5 WpHG in Verbindung mit § 5a FinAnV Darüber hinaus müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG erstellen oder erstellen lassen und diese als objektiv darstellen, besondere Organisationspflichten erfüllen. Die in § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG in Verbindung mit § 5a FinAnV statuierten detaillierten Organisationspflichten berücksichtigen insbesondere die von der International Organisation of Securitites Commissions (IOSCO) am 25. September 2003 veröffentlichten Richtlinien für den sachgerechten Umgang mit Interessenkonflikten 45. 18.4.1 Grundsatz Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen sicherstellen, dass sowohl ihre Finanzanalysten als auch ihre Mitarbeiter, die an der Erstellung der Finanzanalyse beteiligt sind, oder deren bestimmungsgemäße Aufgaben oder wirtschaftliche Interessen mit den Interessen der voraussichtlichen Empfänger der Finanzanalyse in Konflikt treten können, ihrer Tätigkeit unabhängig nachkommen können. 18.4.2 Spezifische organisatorische Anforderungen Um diese Unabhängigkeit zu gewährleisten, müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter Berücksichtigung ihrer Größe und Ausstattung sowie der Interessen der Empfehlungsempfänger die für sie und ihre Unternehmensgruppe angemessenen Vorkehrungen treffen. Dazu zählen: 44
Siehe zu den Einzelheiten Göres, in: Mülbert/Habersack/Schlitt, Handbuch für Kapitalmarktinformation, § 24, Rn. 155 f. und 172. 45 Diese sog. “Statement of Principles“ sind abrufbar unter: http:www.iosco.org/ library/pubdocs/pdf/IOSCOPD150.pdf. Der diesen Richtlinien zugrunde liegende Bericht (“Report on Analyst Conflict of Interest“) ist abrufbar unter: http:www.iosco.org/library/pubdocs/pdf/IOSCOPD152.pdf. Vgl. dazu Göres, Interessenkonflikte von Wertpapierdienstleistern und -analysten bei der Wertpapieranalyse, Univ.-Diss. 2003, S. 308 ff.
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Verhinderung oder Kontrolle des Informationsaustauschs
Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen gemäß § 5a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 FinAnV einen Informationsaustausch zwischen Finanzanalysten und solchen Mitarbeitern, deren bestimmungsgemäße Aufgaben oder wirtschaftliche Interessen einen Interessenkonflikt mit Interessen der voraussichtlichen Empfänger der Finanzanalyse nach sich ziehen könnte, wirksam verhindern oder kontrollieren. Dies bedeutet, dass der Informationsaustausch zwischen Finanzanalysten und Mitarbeitern der M&A-Abteilung sowie mit Personen, die „Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft stehen“, in der Regel untersagt ist bzw. kontrolliert werden muss. Der Austausch öffentlich zugänglicher Informationen zwischen Finanzanalysten und diesen Personen ist aber weiterhin zulässig. Unabhängigkeit der Vergütung
Die Vergütung für die Ersteller von Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG ist so zu gestalten, dass sie unabhängig von der Vergütung anderer Mitarbeiter oder von den von diesen erwirtschafteten Unternehmenserlösen oder Prämien erfolgt, sofern die Verknüpfung einen Interessenkonflikt auslösen könnte 46.
Beschränkung der Teilnahme von Finanzanalysten an bestimmten, ihre Objektivität möglicherweise gefährdenden Aktivitäten
Durch die Beschränkung der Teilnahme von Finanzanalysten an bestimmten, ihre Objektivität möglicherweise gefährdenden Aktivitäten ist eine etwaige Befangenheit der Finanzanalysten zu verhindern. Die Regelung statuiert kein grundsätzliches Teilnahmeverbot der Finanzanalysten an bestimmten Aktivitäten wie z.B. der Teilnahme an der Mandatsakquisition oder dem sog. „Pitch“. Charakteristisch für einen Pitch ist, dass sich auf die Initiative eines Unternehmens hin mehrere Banken um ein Mandat, z.B. um die Durchführung einer Kapitalerhöhung, bewerben. An welchen Aktivitäten ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Finanzanalysten die Teilnahme untersagen sollte, weil nicht durch organisatorische Vorkehrungen hinreichend sicher gestellt werden kann, dass die
46
Siehe dazu bereits die Ausführungen unter 18.2.3.
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Objektivität nicht gefährdet wird, muss anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen beabsichtigt, seine Finanzanalyse als objektiv und unabhängig zu präsentieren, ist die gleichzeitige aktive Teilnahme von Finanzanalysten und Investmentbankern an einem Pitch abzulehnen 47. Selbst die Einbindung einer internen unabhängigen Stelle im Vorfeld (in der Regel der Compliance-Abteilung), z.B. im Wege der Vorab-Benachrichtigung, erscheint nicht hinreichend geeignet, die Unabhängigkeit eines Finanzanalysten zu sichern, der sich zusammen mit (einem) Mitglied(ern) der Investmentbanking-Abteilung um ein vom Emittenten ausgeschriebenes Mandat bewirbt. Zulässig ist hingegen beispielsweise die gegenseitige bereichsüberschreitende Kommunikation über Marktkommentare, Branchenbeurteilungen, Bewertungsmodelle des Finanzanalysten sowie mögliche Geschäftsideen und die Diskussion über die Aufnahme des Research über einen Emittenten 48. Ob Finanzanalysten die Teilnahme an sog. Road-Shows gestattet sein sollte und, wenn ja, welche Beiträge sie erbringen dürfen, muss ebenfalls differenziert betrachtet werden. Denn der Begriff „Road Show“, den weder der Gesetzgeber noch die Aufsichtsbehörden bislang definiert haben, wird oftmals pauschal verwendet, ohne die den jeweiligen Veranstaltungen zugrunde liegende Interessenkonstellation zu berücksichtigen. Die dabei existierenden Interessen sind sehr vielschichtig, müssen aber nicht grundsätzlich konfligieren. Generell sind zu unterscheiden die transaktionsbezogenen Road-Shows (sog. deal-related road-shows) und die nicht transaktionsbezogenen RoadShows (sog. non deal-related road-shows). Sog. deal-related Road-Shows werden bei einem Börsengang (sog. Initial Public Offering = IPO) oder einer Kapitalerhöhung durchgeführt. Teilnehmer einer solchen unter Leitung des Konsortialführers stattfindenden Unternehmenspräsentation sind der Vorstand des Emittenten und die eingeladenen, in der Regel institutionellen Investoren, Portfoliomanager und Broker. Neben der Vorstellung des Managements des Emittenten werden Informationen über den Emittenten selbst und seine Stellung in der Branche gegeben, ehe die Grundzüge der jeweiligen Emission (Umfang und voraussichtlicher Preis)
47
Eisele in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch § 109 Rn. 159; Göres, BKR 2007, 85, 91 f. 48 Eisele aaO.
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erläutert werden. Anschließend erfolgt eine Präsentation durch das Management, ehe die Investoren die Gelegenheit erhalten, Fragen zu stellen. Verbot des Erhalts von Zuwendungen
Die organisatorischen Vorkehrungen eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens müssen ferner gewährleisten, dass weder sie selbst noch ihre an der Erstellung von Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG beteiligten Mitarbeiter Zuwendungen im Sinne des § 31d Abs. 2 WpHG von Personen annehmen, die ein wesentliches Interesse am Inhalt solcher Finanzanalysen haben. Unabhängig von dieser Vorschrift ist es zweckmäßig für ein (Wertpapierdienstleistungs-)Unternehmen, den grundsätzlich gewünschten Umgang mit Zuwendungen schriftlich in einer institutsinternen Verhaltensrichtlinie zu fixieren 49. Auch wenn ausweislich der Begründung zur Ersten Änderungsverordnung zur FinAnV kleine Geschenke oder kleinere Einladungen nicht unter die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Nr. 2 FinAnV fallen, haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Schreiben der BaFin vom 21. Dezember 2007 zu beachten. Hiernach sollte die Übernahme von Reise- und Unterbringungskosten seitens des Emittenten für Analysten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen grundsätzlich unterbleiben 50. Ferner sind von § 5a Abs. 2 Nr. 2 FinAnV nach der Begründung zur Ersten Änderungsverordnung zur FinAnV hauptvertraglich geschuldete Geldleistungen des Emittenten im Rahmen einer Vereinbarung über die Erstellung einer Finanzanalyse ausgenommen. Die Vereinbarung einer solchen sog. Auftragsstudie ist indes gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 d) FinAnV offen zu legen 51. Verbot der Zusicherung einer positiven Empfehlung
Um zu verhindern, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen Mandate für die Durchführung eines IPO/einer Kapitalmaßnahme von Emittenten nur deshalb erhalten, weil sie bei der Bewerbung eine positive ResearchCoverage zugesagt haben, müssen die organisatorischen Vorkehrungen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ferner gewährleisten, dass dem 49
Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter 18.2.3 und Göres, BKR 2007, 85, 92. Vgl. dazu bereits die Ausführungen unter 18.2.3. 51 Vgl. dazu Göres, in: Mülbert/Habersack/Schlitt, § 24, Rn. 114 ff.; ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht - Handbuch für die Praxis, Kennzeichen 634b/3, Rn. 83 f. 50
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Emittenten keine für ihn günstige Empfehlung versprochen wird. Ein solches Verbot sollte in der institutsinternen Research-Policy ausdrücklich fixiert werden.
Grundsätzliches Verbot der Vorabzugänglichmachung von Entwürfen von Finanzanalysen
Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss darüber hinaus mit Hilfe von organisatorischen Vorkehrungen gewährleisten, dass Entwürfe für Finanzanalysen im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG nicht dem Emittenten, Mitarbeitern, die nicht an der Erstellung dieser Publikation beteiligt sind, oder Dritten vor der offiziellen Verbreitung oder Veröffentlichung zugänglich gemacht werden 52. Ausnahme
Die Pflichten des § 5a Abs. 1 und 2 FinAnV gelten gemäß § 5a Abs. 3 FinAnV nicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die eine von einem Dritten erstellte Finanzanalyse im Sinne des § 34b Abs. 5 Satz 3 WpHG unter den oben zu § 33b Abs. 6 WpHG dargestellten Anforderungen öffentlich verbreiten oder an ihre Kunden weitergeben 53.
18.5 Fazit Die Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung zur Etablierung eines konzernweiten Interessenkonfliktmanagements erfordert eine größere personelle und sachliche Ausstattung der dafür zuständigen (Compliance-)Abteilung und ist insoweit – je nach Größe und Komplexität des Wertpapierdienstleistungsunternehmens – mit erheblichen Kosten verbunden. Neben der zu Beginn einmalig durchzuführenden Bestandaufnahme, welche Dienstleistungen das Wertpapierdienstleistungsunternehmen überhaupt erbringt, und bei welchen es zu möglichen Interessenkonflikten kommen könnte, stellt die fortlaufende Identifizierung eine große Herausforderung dar. Dieser kann insbesondere durch die Etablierung einer Anzeigepflicht
52
Vgl. dazu Göres, in: Mülbert/Habersack/Schlitt, § 24, Rn. 92 ff.; ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht - Handbuch für die Praxis, Kennzeichen 634b/3, Rn. 65.. 53 Vgl. dazu Held, in: Clouth/Lang, MiFID-Praktikerhandbuch, Rn. 496 f.
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bei der Erweiterung bzw. Modifizierung bestehender Dienstleistungen gegenüber einer bestimmten Abteilung genügt werden. Die Neuregelungen in § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG zur Einrichtung eines Interessenkonfliktmanagements und insbesondere die Hinweispflicht in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG stärken die Interessen des Kunden nachdrücklich, insbesondere wird er durch die Richtlinie zum Umgang mit Interessenkonflikten dahingehend sensibilisiert, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen aufgrund des Geschäftsmodells einer Vielzahl von möglichen Interessenkonflikten ausgesetzt ist. Die §§ 31 Abs. 1 Nr. 2 und 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG stellen aber keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar und lösen daher bei Verstößen keine deliktischen Schadensersatzansprüche aus. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sie als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen wären. Zwar hat § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eindeutig anlegerschützenden Charakter, indes geht die in § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG enthaltene Informationspflicht nicht über die Reichweite (vor-)vertraglicher Aufklärungs- und Beratungspflichten hinaus. Genau dieses verlangt der Bundesgerichtshof aber für die Bejahung eines Schutzgesetzes 54. Aus der Verletzung der in § 33 WpHG festgelegten organisationsbezogenen Pflichten folgt ebenfalls keine zivilrechtliche Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, da diese Norm institutsbezogene allgemeine Rahmenbedingungen zur Erbringung von Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen etabliert, diese aber nicht dem Schutz des Einzelnen oder einzelner Personenkreise dienen 55. Die durch die Umsetzung der MiFID ins Wertpapierhandelsgesetz implementierten Neuregelungen zu Mitarbeitergeschäften stellen ebenso wie die spezifischen Organisationspflichten für Finanzanalysten nur eine Festschreibung des Status Quo in den Wertpapierdienstleistungsunternehmen dar, so dass der Anpassungsbedarf gering ist.
54
So bereits überzeugend Schäfer, WM 2007, 1872, 1876; a.A. Kumpan/Hellgardt, BB 2006, 1714, 1716 und Assmann, ÖBA 2007, 40, 46; Spindler/Kasten, AG 2006, 785, 791. 55 BGHZ 147, 343, 352 f.; Vgl. dazu Meyer/Paetzel in: Hirte/Möller, WpHG, § 33, Rn. 120f.
19. Die externe Prüfung des Wertpapiergeschäfts nach MiFID
Martina Rangol
19.1 Einführung Die externe Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes ist in § 36 WpHG geregelt. Gegenüber anderen gesetzlichen Pflichtprüfungen, z.B. der Jahresabschlussprüfung, weist die Prüfung nach § 36 WpHG Besonderheiten auf, zu deren besserem Verständnis zunächst ein kurzer Blick auf die Historie gestattet sei. 19.1.1 Historie Bereits mit der Einführung des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) in Deutschland im Jahre 1995 ist neben die jährliche Pflichtprüfung des Jahresabschlusses der Kreditinstitute eine weitere jährliche Pflichtprüfung getreten, die Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes der Kreditinstitute nach § 36 WpHG. Wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der ordnungsgemäßen Verwahrung fremder Vermögenswerte, insbesondere der durch die Bank verwahrten Kundenwertpapiere (Depotgeschäft), gab es zu diesem Zeitpunkt bereits ein „Pendant“, nämlich die jährliche Prüfung des Depotgeschäftes (Depotprüfung). Sie umfasste bis zum Inkrafttreten des WpHG auch die Prüfung des sog. „Effektengeschäftes“, d.h. den An- und Verkauf von Wertpapieren im Kundenauftrag. Ende des Jahres 1998 wurde das Kreditwesengesetzes (KWG), die Grundlage für die Beaufsichtigung der Kreditinstitute, durch die sog. 6. KWGNovelle umfassend novelliert und neue Aufsichtsmaßstäbe für das Wertpapiergeschäft der Kreditinstitute, aber auch der Börsenmakler, Vermögensverwalter und Anlagevermittler gesetzt. Von dieser Neuordnung wurden auch die Depotprüfung und die Prüfung nach § 36 WpHG erfasst. Bis
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Martina Rangol
zu diesem Zeitpunkt wurden die beiden Prüfungen unmittelbar unter der Regie der Aufsichtsbehörden durchgeführt. Im Regelfall haben die Aufsichtsbehörden dabei diese Prüfungen nicht mit eigenem Personal durchgeführt, sondern z.B. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Wirtschaftprüfer oder – im Falle verbandszugehöriger Institute – die zuständigen Prüfungsverbände oder Prüfungsstellen (im Folgenden kurz: „Prüfer“) beauftragt. Prüfungsgegenstand, Art und Umfang der Prüfung wurden in einem Prüfungsauftrag der Aufsichtsbehörden an den Prüfer adressiert. Mit der Änderung des KWG und des WpHG in 1998 trat an die Stelle der jährlichen Pflichtprüfung unter der Regie der BaFin die Verpflichtung der Wertpapierfirma, sich grundsätzlich mindestens einmal jährlich einer Prüfung der Meldepflichten und der Verhaltenspflichten des 6. Abschnitts zu unterziehen. Prüfungsgegenstand, Art und Umfang der Prüfung sowie Anforderungen an die Berichterstattung wurden erstmals gesetzlich geregelt. Die Regelungen für die Depotprüfung wurden als Teil der Jahresabschlussprüfung in § 29 Abs. 2 KWG und die Prüfungsberichtsverordnung (PrüfbV 1998) aufgenommen. Die Anforderungen an die Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes finden sich seitdem in § 36 WpHG und der Wertpapierdienstleistungsprüfungsverordnung (WpDPV). 19.1.2 Auswirkungen der MiFID auf die externe Prüfung Der Gegenstand der jährlichen externen Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes folgt den wachsenden gesetzlichen Anforderungen an die Wertpapierfirmen. Seit 1999 haben zahlreiche Gesetzesnovellen im Bereich der Finanzmarktaufsicht, namentlich das Dritte und Vierte Finanzmarktförderungsgesetz sowie das Anlegerschutzverbesserungsgesetz zu einer Fortentwicklung des materiellen Rechts mit den Schwerpunkten Anlegerschutz und Kapitalmarkttransparenz geführt. So wurde die WpDPV 2005 neu gefasst und Anfang des Jahres 2007 erneut geändert. Mit der Umsetzung der MiFID durch das FRUG zum 1. November 2007 geht die Zweite Änderung der WpDPV innerhalb eines Kalenderjahres einher. Ebenso wie die MiFID für die Wertpapierfirmen eine Vielzahl gesetzlicher Neuerungen bringt, steht auch der Prüfer vor neuen Aufgaben. Bei der Betrachtung der Auswirkungen der MiFID auf die externe Prüfung ist zu berücksichtigen, dass die MiFID ein europäisches Regelwerk ist, das bei seiner Transformation bereits auf eine hohe nationale Regelungsdichte getroffen ist. Zwar waren in Deutschland nicht alle Anforderungen, die Wertpapierfirmen zu erfüllen hatten, bisher gesetzlich kodifiziert. Die
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Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), hatte aber durch ihre Verwaltungsrichtlinien und BaFin-Rundschreiben zu allen wesentlichen Bereichen solide und hinreichend detaillierte Aufsichtsstandards geschaffen. Durch die Umsetzung der MiFID sind diese jetzt im Wesentlichen im WpHG selbst oder in flankierenden Rechtsverordnungen, insb. der WpDVerOV, der Verordnung der Änderung der Finanzanalyseverordnung FinAnV und der WertpapierhandelMeldeverordnung WpHMV aufgegangen. Die BaFin-Verwaltungsrichtlinien konnten dementsprechend aufgehoben werden. Im Kern bedeutet die MiFID-Transformation für viele Tätigkeiten der Wertpapierfirmen und die damit korrespondierenden Prüfungsfelder der externen Prüfung nach § 36 WpHG daher keine inhaltliche Änderung. Allerdings hat sich für einige Tätigkeiten die Detailtiefe der Anforderungen deutlich erhöht. Entsprechend der neuen Entwicklungen an den Finanzmärkten, den Finanzprodukten und den Anlagetätigkeiten gibt es daneben aber auch inhaltliche Änderungen. Die Einhaltung der neuen gesetzlichen Anforderungen durch die Wertpapierfirmen und die Änderungen der WpDPV sind erstmalig für die Prüfungssaison 2008 anzuwenden. 19.1.3 Auswirkungen auf die Prüfung des Depotgeschäftes Die neue WpDPV regelt auch die jährliche Prüfung des Depotgeschäftes bei solchen Instituten, die als Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Depotgeschäft betreiben. Die materiellen Bestimmungen zum Depotgeschäft finden sich nicht im WpHG, sondern im Depotgesetz (DepotG). Ferner hat der Prüfer im Rahmen der Depotprüfung die Bekanntmachung der BaFin „Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit des Depotgeschäftes und der Erfüllung von Wertpapierlieferverpflichtungen“ zu beachten. Für Kreditinstitute, die keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind, aber das Depotgeschäft betreiben, verbleibt die Depotprüfung Teil der Jahresabschlussprüfung in Verbindung mit der PrüfbV (1998). Eine Novellierung der PrüfbV ist zurzeit in Vorbereitung; eine Angleichung und Aktualisierung der Anforderungen an die Depotprüfung an die Regelungen der WpDPV ist vorgesehen. Das Nebeneinander von WpDPV und PrüfbV, das von der Praxis z.T. als misslich und nur schwer nachvollziehbar empfunden wird, geht auf die Historie und die Besonderheit zurück, dass das Depotgeschäft anders als in anderen europäischen Staaten nach dem KWG als
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Bankgeschäft qualifiziert wird und als solches bereits der Aufsicht unterliegt. Das WpHG qualifiziert das Depotgeschäft als Wertpapiernebendienstleistung. Werden durch ein Kreditinstitut, das das Depotgeschäft betreibt, aber nicht gleichzeitig auch Wertpapierdienstleistungen ausgeführt, so ist es nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu qualifizieren. Das DepotG hat durch die Umsetzung der MiFID keine wesentlichen materiellen Änderungen erfahren. Besondere Auswirkungen auf die Prüfung des Depotgeschäftes sind daher nicht zu erwarten. Allerdings gibt es durchaus Berührungspunkte, da das Depotgeschäft als Wertpapiernebendienstleistung ebenfalls den Änderungen durch die MiFID unterliegt. Zu nennen sind hier z.B. die neuen allgemeinen Informationspflichten über das Dienstleistungsspektrum oder die Anpassung des § 24 Abs. 2 DepotG an geänderte Abrechnungsmodalitäten. 19.1.4 Auswirkungen auf die Prüfung der Depotbankfunktion Haben Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Funktion als Depotbank im Sinne des § 20 Investmentgesetzes (InvG) übernommen, so ist auch dieses Geschäft einmal jährlich im Rahmen der Prüfung nach § 36 WpHG zu prüfen. Mit dem Investmentänderungsgesetz 2007 hat diese Prüfung eine einheitliche Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 3 InvG erhalten. Allerdings fehlt (noch) ein entsprechender Hinweis der WpDPV, was vermutlich auf die schnelle Abfolge bzw. das Nebeneinander der gesetzlichen Änderungen zurückgeführt werden kann. Die Anwendbarkeit der WpDPV folgt aus der Begründung zur WpDPV zu den Depotbankvorschriften. Bezüglich des Nebeneinanders von WpDPV und PrüfbV (1998) gilt das zum Depotgeschäft Gesagte. 19.1.5 Exkurs: Prüfung bei Kapitalanlagegesellschaften Aufgrund der Änderungen des WpHG durch das Investmentänderungsgesetz zum Jahresende 2007 sind Kapitalanlagegesellschaften keine Kreditinstitute mehr, sondern sog. „Institute sui generis“ (Institute eigener Art) und damit auch keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen mehr. Kapitalanlagegesellschaften unterliegen damit nicht mehr unmittelbar den Regelungen des WpHG und der Prüfung nach § 36 WpHG. Sofern Kapitalanlagegesellschaften Nebentätigkeiten der Anlageberatung und/oder der Vermögensverwaltung in Finanzinstrumenten erbringen oder für Kunden Anteilscheine verwahren (Depotgeschäft), sind allerdings bestimmte Vorschriften des WpHG für diese Geschäftsfelder entsprechend anwendbar.
19. Die externe Prüfung des Wertpapiergeschäfts nach MiFID
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Die Prüfung der Einhaltung dieser Anforderungen durch die Kapitalanlagegesellschaft ist zukünftig Teil der Jahresabschlussprüfung der Kapitalanlagegesellschaft (vgl. § 19f Abs. 2 InvG 2007). Da sowohl Übergangsvorschriften als auch weitere Detailregelungen zur Prüfungsdurchführung bisher fehlen, erscheint es bis auf weiteres sinnvoll, die Prüfung der Einhaltung der entsprechenden Bestimmungen des WpHG – sofern einschlägig – in Anlehnung an die Prüfung nach § 36 WpHG durchzuführen. 19.1.6 Fazit Die folgende Betrachtung der Auswirkungen auf Basis der MiFID auf die Prüfung nach § 36 WpHG beschränkt sich auf ausgewählte, wesentliche prüfungsrelevante Neuregelungen, bezogen auf die Änderungen durch die MIFID, und stellt keine umfassende Darstellung der Prüfung nach § 36 WpHG dar. Die Prüfung des Depotgeschäftes und der Depotbankfunktion werden nicht im Einzelnen betrachtet. In einem abschließenden Kapitel soll auf die Besonderheiten der Prüfung der erstmaligen Anwendung des neuen WpHG und die Kernpunkte der MiFID-Umsetzung aus Sicht des Verfassers eingegangen werden. Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich zu vielen Themenfeldern, die bereits in der Entstehungsgeschichte der MiFID heftig diskutiert wurden, z.B. zu Fragen der Best Execution für solche Institute, die Aufträge zur Ausführung an andere Intermediäre weiterleiten oder Festpreisgeschäfte abschließen, noch keine als annähernd gefestigt zu bezeichnende Rechtsauffassung gebildet hat. Es ist davon auszugehen, dass sich bei den bestehenden Zweifelsfragen erst nach und nach annähernd verlässliche Maßstäbe herauskristallisieren werden.
19.2 Prüfungspflicht und Berichtszeitraum
19.2.1 Adressaten der Prüfung nach § 36 WpHG Prüfungspflichtig sind grundsätzlich alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sofern nicht einer der Ausnahmetatbestände des WpHG greift. Auch Zweigniederlassungen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen
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mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU/des EWR im Sinne von § 53b KWG müssen sich grundsätzlich einmal jährlich nach § 36 WpHG im Hinblick auf die Einhaltung der Verhaltensregeln des 6. Abschnitt des WpHG (§§ 31ff. WpHG) prüfen lassen. Allerdings sind nicht alle Vorschriften des 6. Abschnitts auf solche Zweigniederlassungen anwendbar, da sie nach den Bestimmungen des Europäischen Passes auch in ihrem Herkunftsland beaufsichtigt werden. Dementsprechend benennt § 36a WpHG diejenigen Verhaltensvorschriften des WpHG, die auf solche Zweigniederlassungen anwendbar sind. Nur die Einhaltung dieser Vorschriften ist im Rahmen der jährlichen Prüfung zu prüfen. Eine Prüfung des Depotgeschäftes muss bei solchen Zweigniederlassungen nicht erfolgen 1. Unterhält das Institut Zweigstellen oder Zweigniederlassungen im Ausland, sind diese in die Prüfung einzubeziehen. Sofern die Zweigniederlassung ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der EU/des EWR hat, umfasst die Prüfung nicht alle Teilbereiche, sondern nur bestimmte Prüfungsfelder (vgl. Erläuterungen zu § 1 WpDPV). 19.2.2 Prüfungsbefreiung Auf Antrag des Wertpapierdienstleistungsunternehmens kann die BaFin von einer jährlichen Prüfung absehen, wenn im Hinblick auf Art und Umfang des Wertpapierdienstleistungsunternehmens zu Aufsichtszwecken eine jährliche Prüfung nicht erforderlich erscheint und das Wertpapierdienstleistungsgeschäft mangelfrei geführt wurde. Eine Erstprüfung nach Aufnahme des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes ist immer erforderlich. Die Modalitäten für eine Prüfungsbefreiung sind in dem Schreiben der BaFin vom 27. Mai 2004 „Änderung der Ermessenkriterien im Rahmen der Prüfungsbefreiung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 WpHG“ geregelt. Ausgenommen von der Möglichkeit der Befreiung von der jährlichen Prüfung ist seit dem 1. November 2007 die Prüfung der Einhaltung der Anforderungen an die getrennte Vermögensverwahrung gemäß § 34a WpHG. Betroffen davon sind alle Institute, die nicht über eine Erlaubnis zum Einlagengeschäft und/oder eine Erlaubnis zum Depotgeschäft verfügen 1
vgl. BaFin: Erläuterungen zur Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung (WpDPV) nach § 36 Abs. 5 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) vom 16. Dezember 2004 (Stand nach Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der WpDPV vom 24. Oktober 2007).
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und/oder die im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit mit Zustimmung des Kunden Kundenfinanzinstrumente für eigene Rechnung, z.B. im Rahmen von Wertpapierdarlehensgeschäften, einsetzen. Diese Änderung führt dazu, dass z.B. bei allen Finanzdienstleistungsinstituten, die befugt sind, Kundengelder oder Kundenwertpapiere entgegenzunehmen, und die im übrigen eine Befreiung von der jährlichen Prüfung erwirkt haben, dennoch eine jährliche Prüfung, bezogen auf die Einhaltung der Anforderungen nach § 34a WpHG, durchzuführen ist. 19.2.3 Ende der Prüfungspflicht Die Prüfungspflicht endet, wenn die Eigenschaft als Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht mehr besteht, d.h. relevante Geschäfte nicht mehr betrieben werden und vollständig abgewickelt worden sind. Kundenfinanzinstrumente, Marginzahlungen oder sonstige Sicherheitsleistungen müssen im Auftrag des Kunden auf andere Institute übertragen oder an den Kunden herausgegeben worden sein. 19.2.4 Berichtszeitraum Die Prüfung nach § 36 WpHG ist eine Zeitraumprüfung. Der Zeitraum, der Gegenstand der Prüfung ist (Berichtszeitraum), umfasst in der Regel den Zeitraum zwischen dem Prüfungsstichtag der vorangegangenen Prüfung und dem Stichtag der folgenden Prüfung. Der Berichtszeitraum kann mit dem Geschäftsjahr des Instituts oder dem Kalenderjahr identisch sein, ist dies jedoch aufgrund der Bedürfnisse der Praxis in der Regel nicht. Allerdings muss dass Unternehmen vor Ablauf eines jeden Geschäftsjahres einen Prüfer mit der Prüfung nach § 36 WpHG beauftragt haben. Weitere Besonderheiten der Beauftragung sind im WpHG und der WpDPV geregelt. Die Prüfung muss spätesten 15 Monate nach dem Anfang des für sie maßgeblichen Berichtszeitraums begonnen worden sein.
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19.3 Ziele und Gegenstand der Prüfung
19.3.1 Ziele Die Zielsetzung der externen Prüfung folgt der Zielsetzung der MiFID. Der Fokus der Prüfung nach § 36 WpHG liegt – wie bisher – auf dem Schutz der Anleger, insbesondere auf dem Schutz der Privatkunden. Geschützt werden die Anleger in ihrer Gesamtheit, nicht der einzelne Anleger. Daneben treten die durch die MiFID neu eingeführten Vorschriften zur Vor- und Nachhandelstransparenz. Die externe Prüfung unterstreicht den hohen Stellenwert des Anlegerschutzes. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße und gesetzeskonforme Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen liegt ausschließlich bei der Geschäftsführung der Wertpapierfirma. Die Vertreter der BaFin betonen regelmäßig die besondere Bedeutung des Prüfungsberichtes, der vielfach für die Aufsicht die wesentliche Informationsquelle für die Wahrnehmung der Aufsichtstätigkeit darstellt. Vor diesem Hintergrund sieht die BaFin den Wirtschaftsprüfer als „verlängerten Arm“ der Aufsicht an und verlangt von dem Prüfungsbericht verlässliche, vergleichbare und belastbare Informationen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Anforderungen an die externe Prüfung detailliert in der WpDPV geregelt. Der Prüfer ist zur gewissenhaften Prüfung verpflichtet. Dabei ergeben sich unbeschadet der Eigenverantwortlichkeit die im Einzelnen zu beachtenden Kriterien auch aus der Berufsauffassung, die das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) in seinen IDW-Prüfungsstandards festlegt. In den IDW-Prüfungsstandards legt das IDW die Berufsauffassung zu den von Wirtschaftsprüfern bei der Durchführung von Jahresabschlussprüfungen und anderen Prüfungen von den Prüfern zu beachtenden Zielen sowie allgemeine Grundsätze dar und verdeutlicht zugleich gegenüber der Öffentlichkeit den Inhalt und die Grenzen derartiger Prüfungen. Für die Prüfung nach § 36 WpHG hat das IDW den Prüfungsstandard (PS) IDW PS 521 „Die Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes nach § 36 WpHG“ entwickelt, der zurzeit zur Anpassung an die Änderungen der MiFID überarbeitet wird.
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19.3.2 Gegenstand der Prüfung nach MiFID Die Änderungen der WpDPV vollziehen die materiellen Änderungen nach, die das WpHG einschließlich der relevanten Rechtsverordnungen durch die MiFID erfahren hat. Prüfungsgegenstand nach § 1 Abs. 1 WpDPV (ohne Depotgeschäft und Depotbankfunktion, vgl. dazu Abschnitt 19.1) sind danach: o o
die Prüfung der Einhaltung der Meldepflichten die Prüfung der Einhaltung der Verhaltensregeln des 6. Abschnitts des WpHG in Verbindung mit den zugehörigen Rechtsverordnungen und der MiFID-Durchführungsverordnung
Die jährliche Prüfung bezieht sich grundsätzlich auf alle genannten Vorschriften und auf alle Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen des Instituts. Mit der Umsetzung der MiFID hat sich der Prüfungsgegenstand erheblich erweitert. Prüfungsrelevante Neuerungen ergeben sich neben der Einführung neuer Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen sowie neuer Finanzinstrumente insbesondere durch: o o
o o
o
o
die Legaldefinition von Kundenklassen und der Ausdifferenzierung der kundenbezogenen Pflichten, die Konkretisierung der kunden- und dienstleistungsspezifischen Informations-, Explorations-, Offenlegungs- und Berichtspflichten, z.B. der Anforderungen an die Ausgestaltung der Marketinginformationen oder die Detailanforderungen an die Berichterstattung für Privatkunden im Rahmen der Vermögensverwaltung, die Anforderungen bezüglich gewährter und/oder erhaltener Zuwendungen und deren Offenlegung (Inducements), besondere Organisations- und Verhaltensanforderungen bezüglich der Auftragsausführung im bestmöglichen Kundeninteressen („Best Execution“), besondere Verhaltens-, Organisations- und Transparenzanforderungen zum Umgang mit Interessenkonflikten (Interessenkonfliktmanagement), die Konkretisierung von allgemeinen und besonderen Organisationspflichten für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen, namentlich die Anforderungen zum Umgang mit Beschwerden von Privatkunden (Compliance-Organisation und Beschwerdemanagement),
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o o
Änderungen der Aufzeichnungspflichten, die Vorgaben zur Vor- und Nachhandelstransparenz für Betreiber multilateraler Handelssysteme, systematische Internalisierer sowie für alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen bei Abschluss von OTC-Aktiengeschäften.
Bei der Prüfung sind neben dem WpHG, den einschlägigen Verordnungstexten und der WpDPV auch die von der BaFin erlassenen Richtlinien, Bekanntmachungen und norminterpretierenden Schreiben heranzuziehen, die die BaFin veröffentlicht hat.
19.4 Wesentliche Änderungen der WpDPV Bevor im Einzelnen auf die Besonderheiten der Prüfung des Wertpapierdienstleistungsgeschäftes und einzelne Aspekte der neuen WpDPV eingegangen wird, wird nachfolgend zunächst kurz der Prüfungsprozess beschrieben. 19.4.1 Prüfungsprozess Stark vereinfacht lässt sich der Prüfungsprozess gedanklich in mehrere Schritte einteilen. Er beginnt mit der Prüfungsplanung und der Festlegung der Prüfungsstrategie. Ein wesentlicher Baustein der Prüfungsstrategie sind die Kenntnisse und Erfahrungen des Prüfers des Instituts aus vorangegangenen Prüfungen und ggf. seiner Tätigkeit als Prüfer des Jahresabschlusses des Instituts. Dabei berücksichtigt er das sog. „Kontrollumfeld“ des Instituts, z.B. die Ergebnisse der Arbeiten der Internen Revision, aus denen sich wichtige Hinweise für die Prüfungstätigkeiten ergeben können, oder Informationen über Kundenbeschwerden, aber auch aktuelle Branchenentwicklungen und -risiken unter Berücksichtigung von Art und Umfang der durch das Unternehmen angebotenen Dienstleistungen. Das Ergebnis der Auswertung dieser Informationen führt zu einer ersten, vorläufigen Risikoeinschätzung, bezogen auf die einzelnen Prüfungsfelder und einer ersten Einschätzung der erforderlichen Prüfungsintensität, die ggf. bei Bedarf aufgrund der im Verlauf der Prüfung gewonnen Erkenntnisse anzupassen ist. Ausgangspunkt der Prüfung ist in der Regel die Prüfung der Ausgestaltung des internen Kontrollsystems (Aufbauprüfung). In einem weiteren Schritt
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muss dann berücksichtigt werden, mit welcher Zuverlässigkeit das interne Kontrollsystem mögliche Fehler identifiziert. Dazu müssen die internen Kontrollen auf ihre Angemessenheit und Wirksamkeit hin untersucht werden, die sog. Funktionsprüfung. Auf dem Ergebnis dieser Prüfung aufbauend werden aussagebezogene Prüfungshandlungen durchgeführt mit dem Ziel, die noch verbleibenden Fehlermöglichkeiten zu lokalisieren. Die aussagebezogenen Prüfungshandlungen lassen sich in analytische Prüfungshandlungen und Einzelfallprüfungen unterscheiden. Analytische Prüfungshandlungen sind im Wesentlichen Plausibilitätsprüfungen, während Einzelfallprüfungen auf Stichproben beruhen. Die Intensität der einzelnen Prüfungsschritte wird jeweils vom Ergebnis der vorangegangenen Prüfungen, der vorläufigen Risikoeinschätzung und der bisher erzielten Prüfungsergebnisse bestimmt. Wertpapierdienstleistungsunternehmen setzen in erheblichem Umfang Informationstechnologie (IT) zur Abwicklung ihrer Geschäftsprozesse ein, insbesondere bei Massenvorgängen wie z.B. im Bereich der Auftragsausführung oder dem Meldewesen nach § 9 WpHG. Neben konventionellen Prüfungshandlungen ist daher die Prüfung der zugrundeliegenden ITSysteme und des internen Kontrollsystems in Abhängigkeit von Art und Umfang der Geschäftsstruktur unbedingt notwendiger Bestandteil der Prüfung. Moderne Prüfungsansätze erweitern die System- und Funktionsprüfung um eine Analyse der Geschäftsprozesse. Bei Massenvorgängen bietet sich der Einsatz von Prüfsoftware an, mit der sich alle aufzeichnungspflichtigen Geschäftsvorfälle effizient und effektiv durch die Vorgabe entsprechender Prüfungsparameter plausibilisieren und Schwerpunkte für Einzelfallprüfungen bestimmen lassen. 19.4.2 Das Konzept der WpDPV Die WpDPV ist im Vergleich zu gesetzlichen Vorgaben für andere gesetzliche Pflichtprüfungen, z.B. Jahresabschlussprüfungen, sozusagen „einzigartig“. Während der Abschlussprüfer gehalten ist, seine Prüfung und Prüfungsschwerpunkte flexibel an der Risikolage des jeweiligen Unternehmens und seine Prüfung und Berichterstattung risikoorientiert auszurichten, adressiert die WpDPV an den Prüfer Anforderungen bezüglich des Prüfungsvorgehens und der Berichterstattung und gibt ihm hinsichtlich der Bewertung der Prüfungsaussagen eine engmaschige Fehler- und Mangelsystematik vor. Der Verordnungsgeber ist sich dessen bewusst und begründet die besondere Konzeption mit dem Hinweis auf das besondere Aufsichtsbedürfnis im Wertpapierdienstleistungsgeschäft und die Notwen-
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digkeit, annähernd vergleichbare Prüfungsergebnisse und Prüfungsberichte zu erhalten. Neben der Umsetzung der vielfältigen gesetzlichen Neuregelungen erhöht die neue WpDPV nochmals die Regelungsdichte hinsichtlich des Prüfungsvorgehens durch neue, spezifische Anforderungen an die Prüfungsdurchführung und eine nochmals verfeinerte Fehler-/Mangelsystematik. Die Detailtiefe bezüglich der Vorgaben für die Berichterstattung des Prüfers hat sich ebenfalls erhöht. Der Fragebogen, der dem Prüfungsbericht als Anlage beizufügen ist, wurde neu gefasst. Die bisherige Regelung zu den Prüfungsarten (Eingangs-, Regel-, Schwerpunktprüfung), die mit der WpDPV (2005) eingeführt worden war, ist entfallen. Der Prüfer kann, vorbehaltlich der von der BaFin getroffenen Bestimmungen über den Inhalt der Prüfung (sog. BaFin-Schwerpunkte), nach pflichtgemäßem Ermessen bei der Prüfung eigene Schwerpunkte bilden und sich auf Systemprüfungen mit Funktionstests und Stichproben beschränken, sofern nicht in Einzelfällen eine lückenlose Prüfung erforderlich ist. 19.4.3 Fehler- und Mangelsystematik der WpDPV Der Fehlerbegriff der WpDPV wurde nicht geändert. Danach ist ein Fehler jede einzelne Abweichung von den gesetzlichen Anforderungen. Die Fehlerdefinition gilt grundsätzlich für alle Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen und nach der Integration der Prüfung des Depotgeschäfts und der Depotbankfunktion in die WpDPV wohl auch für diese Tätigkeiten. Da eine Vielzahl der gesetzlichen Bestimmungen keinen bestimmten, an die Wertpapierfirmen adressierten Anwendungsbefehl mitliefert, sondern vielmehr mit sog. „unbestimmten Rechtsbegriffen“ arbeitet, ist die Bedeutung des prüferischen Ermessens bei der Feststellung, ob die einzelnen gesetzlichen Anforderungen eingehalten sind oder nicht, unter Berücksichtigung der Auslegungen der BaFin und Würdigung aller Umstände bei dem geprüften Unternehmen hervorzuheben. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Fehler vorliegt, ist der Prüfer grundsätzlich an die durch die BaFin veröffentlichten Richtlinien, Bekanntmachungen und norminterpretierenden Schreiben gebunden. Eine Abweichung von der Auslegung durch die BaFin ist möglich, muss jedoch im Prüfungsbericht dargestellt und begründet werden.
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Die Mangelbegriffe des § 2 Abs. 2 der WpDPV werden durch die Umsetzung der MiFID neu geordnet. Wie bisher sind detailliert ausdrücklich bestimmte gesetzliche Tatbestände einem vordefinierten „qualitativen“ (Nr. 1) oder „quantitativen“ (Nr. 2) Mangelbegriff zugeordnet. Diese konkrete Zuordnung erfasst aber nicht alle gesetzlichen Tatbestände, die Gegenstand der Prüfung nach § 36 WpHG sind. Für den verbleibenden „Rest“ der Tatbestände wurde ein Auffangtatbestand geschaffen, der hier als „sonstiger Mangel“ (Nr. 3) bezeichnet werden soll. Die Zuordnung einzelner gesetzlicher Tatbestände zum qualitativen oder quantitativen Mangel hat sich im Wesentlichen aufgrund der materiellen Neuregelungen des WpHG geändert. Für die einzelnen Tatbestände der Rechtsverordnungen (WpDVerOV, FinAnV, WpHMV und Durchführungsverordnung) wird keine ausdrückliche Mangelzuordnung getroffen. Insofern wird die Zuordnung den Anwendern überlassen, was in der Praxis für Diskussionen sorgen dürfte, da sich die gesetzlichen Tatbestände des WpHG und der Rechtsverordnungen nicht eins zu eins gegenüberstehen. 19.4.4 Qualitativer Mangel Ein qualitativer Mangel liegt vor, wenn der Prüfer jeweils zu einem der in dem Katalog zu Nr. 1 WpDPV genannten gesetzlichen Tatbestände einen (einzigen) Fehler im Sinne der WpDPV feststellt. Nach den Erläuterungen zur WpDPV benennt Nr. 1 diejenigen Fälle, für die in der Regel von einem besonderen aufsichtsrechtlichen Überprüfungsbedarf auszugehen ist, so dass die BaFin insoweit auf jeden einzelnen Vorfall aufmerksam gemacht werden muss, der nicht mit den in Nr. 1 genannten Vorschriften in Einklang steht. Zu den gesetzlichen Tatbeständen, die nach dem qualitativen Mangelbegriff zu bewerten sind, zählen in erster Linie zentrale Bestimmungen des Anlegerschutzes, so z.B. das Verbot, einem Kunden bestimmte Finanzinstrumente zu empfehlen, die nicht zu seinem Anlagerprofil passen, oder die Verpflichtung, Vermögenswerte der Kunden getrennt vom eigenen Vermögen und den Vermögensverwerten anderer Kunden zu verwahren. Ferner führt jeder einzelne Fehler im Rahmen der Kundenklassifizierung zu einem qualitativen Mangel, also z.B. die fehlerhafte Zuordnung eines Kunden zu einer Kundenklasse, und zwar nach dem Wortlaut ohne Berücksichtigung, ob dieser Fehler für den Kunden mit einem höheren oder einem niedrigen Schutzniveau verbunden ist. Zum Kreis der Tatbestände, die nach dem qualitativen Mangelbegriff zu bewerten sind, zählen ferner einzelne, jedoch nicht alle Organisations-
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pflichten. Erfasst sind die Anforderungen an das Interessenkonfliktmanagement und das Erfordernis angemessener Vorkehrungen, um die Kontinuität und Regelmäßigkeit der Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen zu gewährleisten. Es erstaunt, dass die Einrichtung einer dauerhaften, wirksamen und unabhängigen Compliance-Funktion in diesem Katalog fehlt. Als weitere Tatbestände der Nummer 1 werden genannt: o o o o o
die Pflichten fairer Kundeninformation die Warnpflicht im Rahmen des Angemessenheitstests die Anforderungen an die Auslagerung der Vermögensverwaltung für Privatkunden an Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat die Nachweispflichten im Rahmen der Best Execution die Beachtung der Vorgaben der BaFin für Werbemaßnahmen (Verbot des sogenannten „cold calling“)
19.4.5 Quantitativer Mangel Für diejenigen gesetzlichen Tatbestände, die dem quantitativen Mangel der Nr. 2 zugeordnet sind, beträgt die maßgebende Fehlerhäufigkeit unverändert > 5 %. Nach den Erläuterungen zur WpDPV ist der Prüfer bei der Festlegung des Prüfungsvorgehens zu den Tatbeständen des quantitativen Mangels nicht frei. Er ist vielmehr verpflichtet, Stichproben zu ziehen und die Fehlerhäufigkeit zu messen. Das Verfahren zur Ermittlung der Stichprobe – mathematisch statistisch oder bewusste Auswahl – ist in das pflichtgemäße Ermessen des Prüfers gestellt. In der Praxis werden die Stichproben nahezu ausschließlich bewusst, d.h. risikoorientiert, ausgewählt, was auch den Erwartungen der BaFin entspricht. Darauf weisen die Erläuterungen zur WpDPV hin, wo es heißt: „Es wird vielmehr erwartet, dass der Prüfer gezielt in sensiblen Bereichen nach Fehlern sucht und über erhöhte Fehlerquoten in diesen Bereichen berichtet“. Das Ergebnis einer bewussten, risikoorientierten Stichprobe lässt sich – anders als das Ergebnis einer mathematisch statistischen Stichprobe – nicht auf die Grundgesamtheit übertragen. Der Umfang der einzelnen Stichprobe ist bei der risikoorientierten Stichprobe in der Regel deutlich kleiner. Dennoch muss der Prüfer ein fundiertes Urteil über die Einhaltung der Vorschriften im Gesamtunternehmen fällen können. Daher kann er auch bei den Tatbeständen, für die die Bewertung nach dem quantitativen Mangelbegriff gilt, auf die Prüfungsmethoden der System- und Funktionsprüfung zurückgreifen. Ergibt eine sehr kleine Stichprobe einen Mangel, so entscheidet der Prüfer
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nach pflichtgemäßem Ermessen, ob er die Stichprobe ausdehnt, um das gefundene Ergebnis zu verifizieren. Neben den Meldepflichten nach § 9 WpHG werden im Wesentlichen einzelne Kundeninformationspflichten, die Pflichten zur Einholung der Kundenangaben im Rahmen der Anlageberatung und Vermögensverwaltung sowie die Aufzeichnungspflichten der Bewertung nach dem quantitativen Mangelbegriff unterworfen. Da die Aufzeichnungspflichten, anders als der bisherige § 34 WpHG, nicht mehr ausschließlich katalogartig die Aufzeichnung einzelner, namentlich genannter Daten fordern, sondern in Teilen auch generalklauselartig gefasst sind, erscheint fraglich, ob alle Aufzeichnungspflichten für eine Messung der Fehlerhäufigkeit im Stichprobenverfahren taugen. 19.4.6 Auffangtatbestand „sonstiger Mangel“ Die WpDPV führt als Auffangtatbestand einen neuen Mangelbegriff ein („sonstiger Mangel“). Danach liegt in Bezug auf diejenigen gesetzlichen Regelungen, die ausdrücklich weder dem qualitativen noch dem quantitativen Mangelbegriff zugeordnet sind, ein Mangel vor, wenn entweder o
o
insgesamt fünf Prozent oder mehr der Geschäftsvorfälle in einer zu einem gesetzlichen Tatbestand vorgenommenen Stichprobe mindestens einen Fehler im Sinne der WpDPV aufweisen, oder der Prüfer auf andere Weise zu einem gesetzlichen Tatbestand Fehler feststellt, die einem solchen Stichprobenergebnis nach seinem pflichtgemäßen Ermessen gleichwertig sind.
Die Mehrzahl der gesetzlichen Tatbestände des WpHG, die nach § 36 WpHG zu prüfen sind, fällt unter diesen Auffangtatbestand. Der Auffangtatbestand „sonstiger Mangel“ umfasst sowohl solche gesetzlichen Vorschriften, die einer Stichprobenprüfung zugänglich sind, als auch Tatbestände, für die nach der Art der Anforderung an das Unternehmen keine Stichprobe gezogen werden kann. So lässt sich z.B. die Frage nach einer angemessenen Aufbau- und Ablauforganisation nicht durch Wiegen, Messen oder Zählen, also mit Hilfe quantitativer Methoden, ermitteln. Vor diesem Hintergrund erscheint die Definition des „sonstigen Mangels“ in seiner zweiten Variante unter Rückgriff auf die Gleichwertigkeit einer (nicht durchführbaren) Stichprobe für die Praxis wenig hilfreich und war einer der Kritikpunkte des Berufsstandes. Dieser hatte sich dafür ausge-
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sprochen, die Fehler- und Mangelsystematik aufzugeben und zu dem für alle gesetzlichen Tatbestände einheitlichen Mangelbegriff der WpDPV (1999) zurückzukehren. Danach waren „Mängel“ im Sinne der WpDPV nicht alle im Einzelfall aufgetretenen Fehler, sondern nur solche von einer gewissen Tragweite, die von ihrer Art her geeignet waren, die Ordnungsmäßigkeit der Erbringung der Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen zu beeinträchtigen. Für die Beurteilung der „Mangelhaftigkeit“ im Sinne der Nr. 3 bietet es sich nach Auffassung des Verfassers an, auf diesen wertenden Mangelbegriff der WpDPV (1999) zurückzugreifen, sofern es sich nicht um stichprobentaugliche Tatbestände handelt. Da die WpDPV für die Tatbestände, die unter den Auffangtatbestand fallen, kein bestimmtes Prüfungsvorgehen fordert, entscheidet der Prüfer im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens, welches Prüfungsverfahren er wählt. Anders als bei dem vordefinierten qualitativen Mangelbegriff der Nr. 1 folgt beim „sonstigen Mangel“ in der zweiten Alternative bei wertender Betrachtung aus einem einzelnen Fehler nicht zwingend ein Mangel, was auch in den Erläuterungen zur WpDPV zum Ausdruck kommt. Der Mangelbegriff in seinen neuen, unterschiedlichen Ausprägungen gilt nach dem Wortlaut der WpDPV nur für „die übrigen Verhaltensregeln“, nicht aber für das Depotgeschäft und die Depotbankfunktion. Da die Fehler- und Mangelsystematik, die erstmalig mit der WpDPV 2005 eingeführt und jetzt modifiziert wurde, sowie die damit verbundenen Wertigkeitsfragen nicht unumstritten sind, verbietet sich aus Sicht des Verfassers eine entsprechende Anwendung auf die Prüfung des Depotgeschäftes und der Depotbankfunktion. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Fehler- und Mangelsystematik der WpDPV sich durch den aufsichtsrechtlichen Überprüfungsbedarf der BaFin ergibt und dem Zweck dient, (annähernd) vergleichbare Prüfungsergebnisse zu erhalten. Der Gesetzgeber selbst hat im WpHG keine vergleichbare, unmittelbare „Nomenklatur“ der Vorschriften geschaffen. Eine Wertigkeit der Vorschriften kann mittelbar aus der unterschiedlichen Höhe der Bußgeldbewehrung gefolgert werden, wobei sich ein Gleichklang zwischen den Bußgeldtatbeständen und der Mangelsystematik nicht in allen Fällen verzeichnen lässt. Ein solcher Gleichklang besteht bedauerlicher Weise auch nicht zwischen der Mangelsystematik und dem Fragebogen (Anlage zu § 5 Abs. 6 WpDPV), der dem Prüfungsbericht beizufügen ist. Dadurch müssen die Prüfungsergebnisse ein zweites Mal entsprechend der Ordnung des Fragebogens aufbereitet und dargestellt werden.
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19.4.7 Anforderungen an die Berichterstattung Allgemeine Anforderungen an den Prüfungsbericht enthält – wie bisher – § 5 WpDPV. Sofern die BaFin Bestimmungen über den Inhalt der Prüfung, insbesondere Schwerpunkte der Prüfung festgesetzt hat, sind im Prüfungsbericht die insoweit vorgenommenen Prüfungshandlungen und Feststellungen im Bericht detailliert darzustellen. Daneben muss aus dem Prüfungsbericht auch hervorgehen, in Bezug auf welche Teilbereiche der Prüfer nach pflichtgemäßem Ermessen eigene Prüfungsschwerpunkte gesetzt hat und welche Prüfungsverfahren (System- und Funktionsprüfungen, Stichprobenverfahren etc.) er angewendet hat. Ferner muss der Prüfer über die Beseitigung von Mängeln, die im Vorjahr festgestellt wurden, berichten. Neu aufgenommen wurden Pflichtangaben betreffend des gewählten Stichprobenverfahrens sowie von Stichprobenanzahl und -ergebnis, die es der Aufsicht ermöglichen sollen, Prüfungsverfahren und Prüfungsergebnis vollumfänglich nachzuvollziehen. Fraglich erscheint, inwieweit Detailangaben zum Stichprobenergebnis im Bereich des quantitativen Mangelbegriffs auch dann erforderlich sind, wenn die Fehlerquote unter fünf Prozent liegt. Eine Fehlerquote unter fünf Prozent bedeutet in der Diktion der WpDPV „mangelfrei“. Besondere Anforderungen an den Inhalt des Prüfungsberichtes adressiert § 6 WpDPV. Aufgrund der zahlreichen gesetzlichen Neuregelungen hat sich der Pflichtenkatalog in Bezug auf die Darstellung der Prüfungsergebnisse verlängert. Unter Beachtung des Erfordernisses einer ausführlichen Mangeldarstellung obliegt der Umfang der Berichterstattung im Übrigen dem pflichtgemäßen Ermessen des Prüfers. Dabei hat er das Gebot der Klarheit und Übersichtlichkeit zu beachten. Für einen schnellen Gesamtüberblick über die Prüfungsergebnisse hat der Prüfer wie bisher in einer Schlussbemerkung des Prüfungsberichtes ein verbales Gesamturteil zur Prüfung abzugeben. Die festgestellten Mängel mit Fundstellen im Prüfungsbericht sind dabei in der Schlussbemerkung aufzuzählen. Adressaten des Prüfungsberichtes sind die gesetzlichen Vertreter, ggf. auch das Aufsichtsorgan der Institute, sowie die BaFin und die Deutsche Bundesbank.
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19.4.8 Fragebogen Die wesentlichen Prüfungsergebnisse, so die Erläuterungen zur WpDPV, hat der Prüfer in einem Fragebogen (vgl. Anlage zu § 5 Abs. 6 WpDPV) dem Prüfungsbericht beizufügen. Konzeption und Inhalt des Fragebogens haben sich geändert. Der Fragebogen enthält nicht alle gesetzlichen Anforderungen, die Gegenstand der Prüfung sind, sondern nur eine Auswahl, deren Einhaltung aus Sicht der BaFin von besonderer Bedeutung ist, um gegebenenfalls ein schnelles Einschreiten zu ermöglichen. Der Fragebogen soll es der BaFin ermöglichen, die problematischen Fälle auf den ersten Blick zu erfassen und die Prüfungsberichte entsprechend der Dringlichkeit effizient auszuwerten.
19.5 Die Prüfung in 2008
19.5.1 Ausgangslage Für die erste Prüfung nach Einführung der MiFID zum 1. November 2007 besteht die Besonderheit darin, dass bei vielen Wertpapierfirmen der Berichtszeitraum, d.h. der Zeitraum, auf den sich die Prüfung bezieht, sowohl eine Zeitspanne vor dem Stichtag des Inkrafttretens der MiFID als auch einen Zeitraum nach dem 1. November 2007 umfassen wird, zum Beispiel vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2008. Formal betrachtet hat der Prüfer für alle Geschäftsvorfälle und die Anforderungen an die interne Organisation des Unternehmens für die Zeit bis zum 31. Oktober 2007 das WpHG in seiner alten Fassung zu berücksichtigen, für alle Geschäftsvorfälle ab dem 1. November 2007 dann die Neuregelungen, von denen außerdem einige wenige erst zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten sind. Für die Wertpapierfirmen würde das eine doppelte Belastung bedeuten. Mitglieder des IDW-Arbeitskreises WpHG/Finanzdienstleistungsinstitute haben diese und andere Einzelfragen zur Prüfung mit Vertretern der BaFin, Sektor Wertpapieraufsicht, anlässlich des Jah-
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resgespräches Ende Oktober 2007 diskutiert 2. Zusammengefasst lassen sich daraus folgende Erwartungen ableiten: o o
o
Im Vordergrund der MiFID-Erstprüfung in 2008 soll die Prüfung nach neuem Recht stehen. Die Prüfung des vor dem 1. November 2007 liegenden Berichtszeitraums sollte sich vorrangig mit der Beseitigung der Mängel befassen, die in der Vorjahresprüfung aufgedeckt wurden. Besondere Bedeutung kommt der von den Instituten eingerichteten Verfahren zur Umsetzung der neuen Anforderungen einschließlich der Prüfung der Vollständigkeit der Umsetzung zu.
Im Rahmen der Berichterstattung wird eine umfassende Darstellung der Umsetzungsmaßnahmen im Prüfungsbericht erwartet mit Angaben zum Stand der Implementierung. Sofern der Prüfer Schwachstellen feststellt, müssen Angaben zu den Maßnahmen und dem Zeitplan zu deren Behebung in den Prüfungsbericht aufgenommen werden. Soweit der Prüfer Mängel feststellt, die auf Umstellungsprobleme zurückzuführen sind, kann das entsprechende Kennzeichen im Fragebogen mit einer erläuternden Fußnote versehen oder alternativ in Klammern gesetzt werden. Bei der Beurteilung von Umsetzungsmaßnahmen, die weder im Gesetz noch in den Verordnungen bzw. in veröffentlichten aufsichtsrechtlichen Schreiben eindeutig geregelt sind, können die von den kreditwirtschaftlichen Verbänden herausgegebenen Leitfäden als Orientierungshilfe herangezogen werden 3. 19.5.2 Prüfungsansatz 2008 Die Tatsache, dass eine Vielzahl der neuen Vorschriften „nur“ zu einer inhaltlichen Konkretisierung bereits bestehender Pflichten führt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die MiFID-Umsetzung für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen ein Höchstmaß an Querschnitt durch Organisation, Geschäftsprozesse und IT-Systeme bedeutet. Die MiFIDBetroffenheit einer Wertpapierfirma hängt dabei von dem jeweiligen Angebot an Wertpapierdienstleistungen und -nebendienstleistungen, der angebotenen Produktpalette und der Kundenstruktur der Wertpapierfirma ab.
2
3
IDW Nr. 1-2/2008 Fachnachrichten, S. 69 ff. „Prüfung nach § 36 Abs. 1 WpHG“. vgl. IDV Fachnachrichten aaO.
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Diese „Dreidimensionalität“ der MiFID bildet sozusagen den Ausgangspunkt für die Prüfungsplanung im Hinblick auf die jeweilige MiFIDBetroffenheit. Daran anknüpfend können in Abhängigkeit von der jeweiligen bisherigen Aufbau- und Ablauforganisation sowie der IT-Infrastruktur notwendige Umstellungsmaßnahmen abgeleitet werden (Gap-Analyse). Das so gefundene jeweilige „MiFID-Soll“ kann der Prüfer mit den MiFIDProjektergebnissen der Wertpapierfirma abgleichen, um sich zunächst ein Bild davon zu machen, ob die von der Wertpapierfirma aufgesetzten Umsetzungsmaßnahmen vollständig sind oder hier ggf. Lücken bestehen. Anhand dieser ersten Gesamtschau können dann die einzelnen Umsetzungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Vorgaben der WpDPV analysiert werden. Bei Wertpapierfirmen, die das Privatkundengeschäft betreiben, aber auch professionelle Kunden oder geeignete Gegenparteien zu ihren Kunden zählen, kann es sich anbieten, bei einer möglichen Auswahl einer oder mehrerer Prüfungsschwerpunkte durch den Prüfer das in Abhängigkeit von der Kundenklasse abgestufte Schutzniveau der MiFID zu berücksichtigen und mögliche Prüfungsschwerpunkte im Bereich der Neuerungen im Privatkundengeschäft zu setzen. 19.5.3 Ausgewählte Fragestellungen Die vollständige Umsetzung sämtlicher MiFID-Neuerungen bis in den Kern der Unternehmensabläufe dürfte noch nicht in allen Fällen abgeschlossen sein. So mögen zwar alle Privatkunden über Zuwendungen in allgemeiner Form, den Umgang mit Interessenkonflikten und die BestExecution Policy unterrichtet worden sein und neue Basisinformationen über die Anlage in Finanzinstrumenten erhalten haben. Mit der zeitgerechten einmaligen „Umstellung“ der Kundenseite ist es jedoch nicht getan. Vielmehr fordert MiFID eine dauerhafte Integration der neuen Anforderungen in die Unternehmensorganisation. Zu den „Dauerbrennern“, die aus den Fachkonzepten der Umstellungsphase in die Linienorganisation zu überführen sind, dürften dabei zählen: o o o
die Überwachung der Einhaltung der Ausführungsgrundsätze (Best Execution) und deren mindestens jährliche Überprüfung, Vorkehrungen zum Umgang mit Interessenkonflikten, Vorkehrungen im Bereich der Zuwendungen, z.B. durch Einrichtung einer entsprechenden „Evidenzzentrale“, unterlegt durch eine unternehmensweite Zuwendungsdatenbank.
19. Die externe Prüfung des Wertpapiergeschäfts nach MiFID
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Im Rahmen der Prüfung kommt der Einhaltung der Aufzeichnungspflichten eine besondere Bedeutung zu. Grundsätzlich gilt, dass für die Art und den Umfang der Aufzeichnungen die Nachvollziehbarkeit der Pflichterfüllung das entscheidende Kriterium ist. Bezüglich der Erfüllung der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten konkretisiert § 14 WpDVerOV die gesetzlichen Anforderungen. Im Übrigen ist der Nachweis der Einhaltung der Anforderungen grundsätzlich auch durch Vorhalten entsprechender Organisationsanweisungen und systemische Vorkehrungen möglich, soweit die Nachvollziehbarkeit dadurch gewährleistet ist. Bestimmte Aufzeichnungspflichten werden ausdrücklich in § 14 Abs. 2 WpDVerOV genannt. Das legt eine Einzelaufzeichnung nahe, sofern nicht eine der ebenfalls in § 14 WpDVerOV genannten Ausnahmen (z.B. geeigneter Geschäftsabschluss kann Aufzeichnung über Anlageberatung ersetzen) greift. Entsprechend den europarechtlichen Vorgaben wird die BaFin auf ihrer Internetseite ein Verzeichnis der Mindestaufzeichnungen veröffentlichen, die die Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem WpHG und der WpDVerOV vorzunehmen haben. Wollte das Verzeichnis vollständig alle Aufzeichnungspflichten benennen, so würde es wohl sehr umfangreich werden. Der bei Redaktionsschluss vorliegende Entwurf der BaFin 4 ist ausdrücklich nicht abschließend, was zu der Frage führt, welche (eigenständige) Bedeutung dem Verzeichnis zukommt. In Bezug auf die Aufbewahrungsfristen – das WpHG erfordert grundsätzlich eine Aufbewahrung von mindestens fünf Jahren – sind auch die Anforderungen des HGB zu beachten. Für Buchungsbelege gilt danach z.B. eine zehnjährige Aufbewahrungsfrist. 19.5.4 Ausblick Die ersten Entwürfe zur MiFID stammen aus dem Jahr 2001. Viele Wertpapierfirmen, Verbände, Börsen, Politiker, Anwälte und Aufseher, vielleicht auch einige Kunden haben seitdem die MiFID aktiv begleitet und gestaltet. Entstanden ist ein sehr vielschichtiges Regelwerk. Der Nuancenreichtum offenbart sich bei der Anwendung in der Praxis. Hier erscheint es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass es zur Erfüllung der vielfältigen Anforderungen nicht zwingend nur eine einzige, die „richtige“ Umsetzung gibt. So hält auch die BaFin im Sinne einer prinzipienbasierten Aufsicht 4
http://www.bafin.de/cln_043/nn_722552/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE /Unternehmen/Konsultationen/2008/kon__0408__Mindestaufzeichnungen.html? __nnn=true
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Martina Rangol
unterschiedliche Umsetzungswege für zulässig, soweit die gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen weder verletzt noch umgangen werden 5. Setzt man „MiFID-Umsetzung“ gleich mit der dauerhaften Implementierung der neuen gesetzlichen Anforderungen in die Unternehmensabläufe und entsprechender, wirksamer Kontrollverfahren, so ist davon auszugehen, dass die Frage der „vollständigen Umsetzung“ nicht nur für 2008, sondern auch in Folgejahren noch auf der Tagesordnung stehen wird.
5
vgl. IDW Fachnachrichten aaO.
20. Erweiterte Steuerungs- und Überwachungsaufgaben in Banken
Michael Jahn
20.1 Aufgaben und Abgrenzung
20.1.1 Definition – Compliance ist organisatorische Anforderung Der Begriff Compliance ist in verschiedenen Bereichen des heutigen Lebens anzutreffen und findet neben der Finanzbranche beispielsweise auch noch in der Medizin oder der Chemie seine Anwendung. Das Wort an sich stammt ursprünglich aus dem Englischen und bedeutet soviel wie „Einhaltung“, „Befolgung“ oder auch „Erfüllung“. Im Finanzdienstleistungssektor bedeutet Compliance vor allen Dingen die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und anderen Anweisungen, die nicht zwingend den Charakter einer gesetzlichen Norm haben müssen. Es ist möglich und durchaus üblich, dass Unternehmen sich freiwillig bestimmte Verhaltensregeln auferlegen, die sie in Kodizes und Richtlinien (sog. „Policies“) niederschreiben. Compliance bedeutet also, dass das Unternehmen sich im Einklang mit seinem regulatorischen Rahmen befindet, unabhängig davon, ob dieser zwingend und allgemeinverbindlich ist, oder ob es sich um eine freiwillige Selbstbeschränkung handelt. Auf den ersten Blick ist dies nichts Besonderes, da es selbstverständlich sein sollte, dass sich jedes Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit an die geltenden Gesetze hält. Ziel der Compliance-Abteilung ist es aber nicht, sämtliches Handeln im täglichen operativen Geschäft eines Unternehmens nachträglich zu überprüfen, sondern durch gezielte organisatorische Maßnahmen präventiv mögliche Verstöße erst gar nicht entstehen zu lassen.
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Michael Jahn
20.1.2 Rechtliche Grundlage Die Einrichtung einer Compliance-Abteilung in einem Finanzdienstleistungsunternehmen ist nunmehr ein gesetzliches Erfordernis 1. In § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 25a Abs. 1 KWG sowie § 13 WpDVerOV ist geregelt, dass die Unternehmen, die in den Anwendungsbereich dieser Normen fallen, eine Compliance-Funktion einzurichten haben. Vor der Umsetzung der MiFID war diese Anforderung gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Dennoch sind zumindest bei den größeren Häusern bereits seit Anfang der 1990er Jahre entsprechende Abteilungen eingerichtet, die regelmäßig als Bezeichnung auch nur den Namen Compliance tragen. Bei kleineren Unternehmen gab es zumindest Mitarbeiter, die ComplianceAufgaben wahrgenommen haben, oder die Compliance-Funktion wurde durch andere Abteilungen wie die Rechtsabteilung mit ausgeübt. Ausschlaggebend für die Einrichtung von Compliance-Abteilungen war die 1993 verabschiedete Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (93/22/EWG), welche erstmals nach dem Vorbild englischer Investmentbanken Compliance-Strukturen vorsah. Das normative Erfordernis stellt somit keine wesentliche Neuerung dar, sondern ist vielmehr eine gesetzliche Bestätigung des gelebten Status Quo, die in den betroffenen Unternehmen keine größeren Umstrukturierungen erforderlich gemacht hat. 20.1.3 Aufgabenbereich und Ziele Der Aufgabenbereich einer Compliance-Abteilung ist gesetzlich nicht abschließend definiert. Einzelne Aufgaben lassen sich zwar den verschiedenen Vorschriften entnehmen, es handelt sich dabei aber keinesfalls um einen endgültigen Katalog, der nicht erweiterbar wäre.
Compliance-Risiko
Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die Aufgabe von Compliance das Management von sog. Compliance-Risiken ist, d.h. die Vermeidung und die Verringerung des Risikos von Schäden, die dadurch entstehen können, dass ein Institut sich nicht im Einklang mit dem dafür geltenden Vorschriften befindet. 1
Es sollen in diesem Kapitel ausschließlich Compliance-Organisationen behandelt werden, die aus dem Finanzdienstleistungssektor stammen. Für weiterführende Informationen zum Thema Compliance in anderen Bereichen wird auf die einschlägige Literatur verwiesen.
20. Erweiterte Steuerungs- und Überwachungsaufgaben in Banken
355
Zum einen handelt es sich dabei um Risiken, die sich aus dem Verhältnis des Instituts gegenüber seiner Aufsichtsbehörde ergeben, also der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die Sanktionen, die seitens der BaFin drohen, reichen von einfachen Verwarnungen und Bußgeldern bis hin zum Entzug der Banklizenz. Die Sanktionen können aus unterschiedlichen Gründen drohen, beispielsweise der Verletzung von Melde- und Anzeigepflichten, fehlerhafter Aufbauorganisation oder unterlassener Überwachung von Geschäften. Zum anderen handelt es sich um Risiken, die sich aus dem operationellen Handeln des Instituts ergeben können. Konkret sind hierbei Haftungs- und Reputationsrisiken zu nennen. Insbesondere aus letzteren können wiederum finanzielle Schäden entstehen, deren voller Umfang sich nicht immer abschätzen lässt, da nicht ersichtlich ist, welcher potentieller Kunde durch schlechte Presse sich gegen das betroffene Unternehmen entschieden hat und nun Geschäfte mit einem Wettbewerber macht. Zudem kann es bei börsennotierten Unternehmen unter Umständen zu erheblichen Kursverlusten kommen, die dessen Wert mindern. Haftungsrisiken können beispielsweise dort entstehen, wo ein Unternehmen sich vertraglich exklusiv an einen bestimmten Kunden bindet und später durch weitere Verträge Gefahr läuft, gegen diese Exklusivitätsvereinbarung zu verstoßen. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben ist es nicht möglich, ein unternehmensöffentliches Register zu führen, welches all diese Vereinbarungen auflistet. Daher müssen diese Informationen bei einer zentralen Compliance-Stelle auf vertraulicher Basis geführt und im Einzelfall auf mögliche Verstöße geprüft werden. Reputationsrisiken können in denkbar vielen Konstellationen auftreten. Man könnte sie auch als Überbegriff für alle Risiken ansehen, da sowohl aufsichtsrechtliche als auch haftungsrechtliche Verstöße immer einen Reputationsverlust zur Folge haben können. Um etwas mehr Trennschärfe zu erhalten, sollen an dieser Stelle nur solche Risiken als Reputationsrisiken bezeichnet werden, bei denen trotz eines absolut gesetzeskonformen Verhaltens immer noch das Risiko besteht, dass in der Öffentlichkeit das Verhalten der Bank als fragwürdig oder gar regelwidrig angesehen wird. Dem Unternehmen ist in diesen Fällen rechtlich nichts vorzuwerfen, ein böser Schein bleibt aber erhalten, der zu Misstrauen oder gar Geschäftsverlust führen kann. Compliance-Risiken wirken sich also immer auch auf die Geschäftspolitik eines Unternehmens aus. Da Compliance diese Risiken überwacht und im
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Zweifelsfall in den Geschäftsbereichen intervenieren muss, sieht sich Compliance häufig dem Vorwurf der Geschäftsverhinderung ausgesetzt.
Wertpapiercompliance
Eine der wesentlichen Kernaufgaben lässt sich aus dem WpHG und der WpDVerOV entnehmen, wonach eine Compliance-Abteilung Grundsätze und Verfahren zu etablieren hat, die geeignet sind, die Gefahr einer Verletzung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und den in den entsprechenden Verordnungen geregelten Verpflichtungen durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder seine Mitarbeiter zu verhindern, sowie die mit einer Verletzung verbundenen Risiken im Vorhinein aufzudecken. Zudem obliegt es Compliance, die Angemessenheit und Wirksamkeit dieser Maßnahmen regelmäßig zu überwachen. Sollten Defizite vorhanden sein, hat Compliance darauf hinzuwirken, dass diese auch behoben werden. Vorrangig handelt es sich also um die unternehmensinterne Sicherstellung der Befolgung des Wertpapierhandelsrechts. Diese Art von Compliance wird auch Wertpapier- oder Securities Compliance genannt. o
Beratungsfunktion Um Compliance-Risiken ausschließen oder verringern zu können, ist begleitende und dauerhafte Beratung der Geschäftseinheiten unumgänglich. Compliance unterstützt die einzelnen Geschäftsfelder regelmäßig bei allen Fragen, die sich hinsichtlich von Compliance-Risiken ergeben können. Ziel ist es, präventiv durch Beratung mögliche Verstöße gar nicht erst entstehen zu lassen. Idealerweise ist Compliance daher von Anfang an bei der Entwicklung von Transaktionen, Projekten oder Geschäftsmodellen eingebunden und begleitet die Geschäftsbereiche im alltäglichen operativen Geschäft.
o
Schulungsfunktion Die alleinige Existenz und Veröffentlichung von Rechtsvorschriften oder unternehmensinternen Anweisungen kann nicht sicherstellen, dass alle Mitarbeiter eines Unternehmens die für sie relevanten Vorschriften kennen, und diese auch verstanden haben. Daher ist eine weitere Kernaufgabe von Compliance die Schulung der Mitarbeiter. In den Schulungen werden die notwendigen Inhalte vermittelt, und es besteht vor allen Dingen Raum für Fragen, so
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dass im Dialog ein besseres Verständnis für Sinn und Zweck der jeweiligen Vorschriften geschaffen wird. o
Überwachungsfunktion Neben präventiven Maßnahmen wie Beratung und Schulung nimmt Compliance auch eine repressive Überwachungsfunktion wahr. Compliance überwacht beispielsweise die Geschäfte der Bank und der Mitarbeiter und prüft diese auf mögliche Verstöße und Straftaten wie beispielsweise Insiderhandel und Marktmanipulation. Im Rahmen dieser Tätigkeit überwacht Compliance beispielsweise den Eigenhandel und die Geschäfte von Mitarbeitern. Dieses eher enge Verständnis von reiner Wertpapier-Compliance ist mittlerweile durch zusätzliche Aufgaben erweitert worden. Die einzelnen Aufgaben sollen nun im Einzelnen kurz vorgestellt werden.
Geldwäscheprävention
Ein wichtiges Thema, mit dem sich Compliance-Abteilungen beschäftigen, ist die Prävention von Geldwäsche. Als Geldwäsche sind solche Handlungen zu verstehen, bei denen Gelder, die aus einer kriminellen Straftat stammen, zurück in den Finanz- und Wirtschaftskreislauf integriert werden und dabei die Herkunft dieser Gelder verschleiert wird. Als strafbare Vortaten kommen beispielsweise Steuerhinterziehung, Betrug, Untreue, aber auch Delikte wie Drogen- oder Waffenhandel in Betracht. Über Scheingeschäfte wird in der Regel schmutziges Geld dem Finanz- und Wirtschaftskreislauf zugeführt, so dass der Anschein entsteht, dass es sich um „sauberes“ Geld handelt. Daher auch der sehr plastische Ausdruck der Geldwäsche. Der Ansatz ist hier ein anderer als bei der Wertpapiercompliance. Im Wertpapiergeschäft tritt Compliance als Anwalt des Kunden im Unternehmen auf, d.h. die Abteilung hat dafür Sorge zu tragen, dass im Umgang mit Kunden fair und interessenkonfliktfrei vorgegangen wird. Die Geldwäscheprävention setzt einen Schritt früher an und überprüft vor einer möglichen Kundenbeziehung den Kunden und seine Geschäfte auf Zuverlässigkeit und Gesetzmäßigkeit.
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Die Zielrichtungen beider Themen sind also gegenläufig. Wertpapiercompliance schützt den Kunden vor dem Unternehmen. Die Geldwäscheprävention schützt das Unternehmen vor dem Kunden. Erfolgreiche Geldwäscheprävention bedeutet, die eigenen Kunden gut zu kennen. Daher durchläuft jeder Kunde einen Kundenannahmeprozess, bei dem verschiedene Daten zum Hintergrund des Kunden abgefragt werden. Daraus wird das Risiko abgeleitet, das bei dem betreffenden Kunden besteht. Je nach Ergebnis dieser Risikobewertung erfolgen bestimmte Überwachungsroutinen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass ein normales Gehaltskonto eines inländischen Arbeitnehmers als unkritisch anzusehen ist. Interessant sind vielmehr Konten etwa von Firmenkunden, die ihren Sitz im Ausland haben und regelmäßig hohe Bargeldeinnahmen vorweisen. Hier könnte man an ein ausländisches Spielcasino denken, welches nur einem schwachen regulatorischen Rahmen unterworfen ist. Das Thema Geldwäscheprävention ist sehr vielschichtig. Es geht nicht allein darum, kleine Betrügereien aufzudecken; der Umfang dieser Tätigkeit reicht vielmehr bis hin zur erfolgreichen Verhinderung der Terrorismusfinanzierung. Da dieses Thema so vielschichtig ist, sind ebenso wie bei der Wertpapiercompliance Beratung, Schulung und Überwachung unerlässlich. Insbesondere bei standardisierten Prozessen wie bei der Kundenannahme muss Compliance frühzeitig eingebunden werden, damit die regulatorischen Erfordernisse eingehalten werden.
Betrugsbekämpfung
Ein Thema, das in der jüngeren Vergangenheit verstärkt in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gelangte, ist das Thema Betrugsbekämpfung. Nicht zuletzt durch den Korruptionsskandal bei Siemens ist eine breite Öffentlichkeit für dieses Thema mittlerweile sensibilisiert worden. Dabei kann man dieses Thema sehr weit fassen. Es geht nicht allein um die Verhinderung der Einrichtung von schwarzen Kassen in einem Unternehmen. Der Blick ist wesentlich weiter und umfassender. Betrugs- und Korruptionsfälle sind in vielen Konstellationen denkbar. Mitarbeiter, Kunden, Wettbewerber, Amtsträger, Behörden oder auch andere Organisationen und Verbände kommen als mögliche Zielobjekte solcher Handlungen in Betracht. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die
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Vorgenannten unter bestimmten Umständen als Täter in Frage kommen. Die Aufgabe von Compliance muss es hier sein, eine umfassende Analyse zu erstellen, in welchen Konstellationen Betrugs- und Korruptionsdelikte auftreten können, damit wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Auch hier ist Compliance in der Verantwortung zu beraten, zu schulen und zu überwachen.
Weitere Themen
Je nach Verständnis können im Bereich Compliance noch andere Themen angesiedelt sein. Häufige Aufgaben sind beispielsweise das sog. „WhistleBlowing“, der „Code of Conduct“ oder auch das Management von Reputationsrisiken. Der Ausdruck „Whistle-Blowing“ stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „verpfeifen“ oder auch „verraten“. In der Sache geht es darum, eine unabhängige Stelle zu schaffen, bei der Mitarbeiter – u.U. auch anonym – Straftaten, Vergehen oder nur Auffälligkeiten melden können, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass seitens des Betroffenen, der auch der Vorgesetzte sein kann, Sanktionen drohen. Der „Code of Conduct“ ist eine Art Verhaltensrichtlinie, die sich das Unternehmen selbst gibt, und die bei den großen DAX®-Unternehmen heutzutage üblich ist. Es handelt sich dabei um selbstauferlegte Verhaltensweisen im Geschäftsleben, die die Integrität des Unternehmens fördern sollen. Das Management von Reputationsrisiken hat den Sinn, das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit zu schützen. Es gilt, dass Unternehmen vor schlechter Presse zu bewahren, in dem die geschäftlichen Tätigkeiten der Bank überwacht und gegebenenfalls auch geändert werden. Dies kommt beispielsweise in Betracht bei der Anbahnung einer Geschäftsbeziehung mit einem Waffenhändler oder der Finanzierung von Atomkraftwerken. Auch wenn die Kunden im legalen Bereich handeln, kann es sein, dass die öffentliche Wahrnehmung – etwa aufgrund ethischer oder moralischer Maßstäbe in der Gesellschaft – ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu zwingt, andere auf eine Geschäftsbeziehungen zu verzichten. 20.1.4 Abgrenzung zu anderen Bereichen Der Aufgabenbereich einer Compliance-Abteilung hat Schnittmengen mit anderen Abteilungen bei einem Finanzdienstleister. Die Grenzen zwischen
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den einzelnen Bereichen können fließend sein. Nachfolgend soll dennoch der Versuch unternommen werden, eine gewisse Trennschärfe zwischen Compliance und anderen Bereichen zu erreichen.
Interne Revision
Die Interne Revisionsabteilung ist wie Compliance obligatorischer Bestandteil der Organisation eines Finanzdienstleistungsunternehmens. Im Gegensatz zur Externen Revision ist sie Teil des Unternehmens und dauerhaft in diesem angesiedelt. Die Mitarbeiter der Internen Revision sind Angestellte des Unternehmens und werden auch von diesem bezahlt. Unter der Externen Revision versteht man im Allgemeinen selbstständige und unabhängige Wirtschaftsprüfer, die neben der Internen Revision Prüfungen vornehmen. Diese werden zwar ebenfalls von der geprüften Firma bezahlt, sind aber weder deren Angestellte noch ein dauerhafter Bestandteil derer Organisation. Der Begriff Revision leitet sich von dem lateinischen Wort revidere ab und bedeutet so viel wie „Rückschau“ oder auch „Überprüfung“. Damit wird auch schon relativ deutlich, was zu den Aufgaben einer Revisionsabteilung gehört. Die Revisoren gehen in die einzelnen Abteilungen eines Unternehmens und untersuchen deren Organisation, Prozesse, Anweisungen und operatives Handeln auf Rechtmäßigkeit. Dabei wird die Interne Revision als unabhängige Funktion definiert, d.h. sie ist nicht Bestandteil des operativen Geschäfts und gehört auch sonst keinem anderen Bereich des Unternehmens an. Diese Unabhängigkeit der Revision ist zwingend erforderlich, um sicherzustellen, dass ihre Prüfungen objektiv und neutral durchgeführt werden. Dabei lässt sich die Arbeit der Internen Revision in drei Säulen einteilen. Zum Einen ist dies das Risikomanagement. Dabei unterstützt die Interne Revision die Beurteilung und Verbesserung von risikobezogenen Prozessen. Dadurch soll das Risiko möglicher schädigender Ereignisse verhindert werden. Zum anderen überprüft die Interne Revision Kontrollprozesse. Dabei ist es Aufgabe der Internen Revision, die bestehenden Prozesse zu verbessern, um eine Zielerreichung wahrscheinlicher zu machen. Es geht dabei also nicht allein um die Vermeidung schädigender Ereignisse, sondern um die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit positiver Ereignisse. Letztlich überprüft die Interne Revision auch Führungs- und Überwachungsprozesse. Ziel dieser Prüfung ist es, die durch die Unternehmensleitung
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eingeführten betrieblichen Abläufe und Strukturen zu verbessern und effizienter zu machen. Die Interne Revision nimmt also ähnlich wie Compliance eine Überwachungs- und Beratungsfunktion wahr. Allerdings ist der Ansatz ein anderer. Die Interne Revision überprüft das gesamte Unternehmen. Compliance hingegen ist spezialisiert auf das Wertpapiergeschäft. Der Aufgabenbereich von Compliance ist daher wesentlich spezialisierter. Zudem setzt Compliance zeitlich vor der Internen Revision an. Letztere überprüft nur bestehende Prozesse, Abläufe und Anweisungen, wenn sie bereits im Unternehmen gelebt werden. Die Sicht ist „ex post“ während eines Prüfungszeitpunkts. Compliance dagegen ist in den täglichen Geschäftsbetrieb eingebunden und berät auf täglicher Basis die Geschäftsbereiche. Bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen wirkt Compliance mit und gestaltet damit aktiv von Anfang an („ex ante“) mit. Der Compliance-Ansatz ist daher proaktiv und dauerhaft, was auch den Hauptunterschied ausmacht.
Rechtsabteilung
Die Rechtsabteilung ist in allen Finanzdienstleistungsunternehmen ein fester Bestandteil der Aufbauorganisation. Ihre Aufgabe wird in der modernen Geschäftssprache als „Managing Corporate Legal Affairs“ bezeichnet. Letztlich verbirgt sich hinter diesem Ausdruck nichts anderes als die Tätigkeit einer herkömmlichen Anwaltskanzlei, nur dass diese Kanzlei eine unternehmensinterne ist, die auch nur für das jeweilige Unternehmen tätig wird. Die Rechtsabteilung ist Anwalt des Unternehmens, von daher sind die Aufgabenbereiche vielfältig. Je nach Unternehmenszweck hat sich eine Rechtsabteilung mit den unterschiedlichsten Themen auseinanderzusetzen. In einem Finanzdienstleistungsunternehmen werden dabei regelmäßig Themen wie Wertpapier-, Kredit-, Börsen-, Aufsichts-, Arbeits-, Handelsoder auch allgemeines Zivilrecht von Bedeutung sein. An dieser Stelle lässt sich bereits erkennen, wo der Unterschied zu Compliance liegt. Die Themen der Rechtsabteilung sind weit gefasst und umfassend. Compliance ist spezialisiert auf Wertpapierthemen, so dass es nur in diesem Bereich zu Berührungspunkten kommt. Zum anderen haben Compliance und Rechtsabteilung verschiedene Sichtweisen. Die Rechtsabteilung versteht sich als Anwalt des Unternehmens, Compliance hingegen als Anwalt des Kunden im Unternehmen. Die Rechtsabteilung wird sich also immer die Frage stellen, ob der jeweilige Prozess, Ablauf, Geschäftstyp etc. rechtlich in Ordnung ist. Compliance wird sich zudem aber
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die Frage stellen, ob dies für die Kunden des Unternehmens auch so in Ordnung ist und im Zweifelsfall nach Lösungen suchen, die eher im Kundeninteresse sind. Ein weiterer Unterschied in der Arbeitsweise der beiden Abteilungen liegt im Zeitpunkt der Involvierung. Während die Geschäftsbereiche durch Compliance eine proaktive und dauerhafte Betreuung erfahren, wird die Rechtsabteilung in der Regel auf Anfrage tätig, wenn eine konkrete Rechtsfrage besteht. Compliance versucht also durch Mitgestaltung von Prozessen und Abläufen, im Voraus eine Vielzahl von Geschäften rechtlich sauber zu gestalten, die Rechtsabteilung wird nur auf Anfrage der betroffenen Geschäftseinheit im Einzelfall aktiv.
Beschwerdemanagement
§ 33 Abs. 1 Nr. 4 WpHG sieht vor, dass ein Finanzdienstleistungsunternehmen wirksame und transparente Verfahren für eine angemessene und unverzügliche Bearbeitung von Beschwerden durch Privatkunden vorhalten und jede Beschwerde sowie die zu ihrer Abhilfe getroffenen Maßnahmen dokumentieren muss. Diese Organisationspflicht kann in verschiedenen Bereichen eines Unternehmens angesiedelt werden. Dem Selbstverständnis von Compliance als Anwalt des Kunden im Unternehmen würde es entsprechen, wenn das Beschwerdemanagement bei Compliance angesiedelt wäre. Dem stehen aber sachliche Gründe entgegen, und es ist sinnvoller, diese Aufgabe in dem Geschäftsbereich zu belassen, der mit den Privatkunden auch arbeitet. Regelmäßig wird ein Kunde, der sich mit einer Beschwerde an die Bank wendet, an einer schnellen Behebung des Problems interessiert sein. Den Fehler beheben kann aber nur der Geschäftsbereich, der die fehlerhafte Dienstleistung angeboten hat. Ein Umweg über Compliance würde zu einer Verzögerung führen, die nicht im Interesse des Kunden sein kann. Praktikabler ist es daher, Compliance bei der Entwicklung des Beschwerdesystems frühzeitig zu involvieren und das System den ComplianceAnforderungen entsprechend einzurichten. Damit ist sichergestellt, dass sowohl die regulatorischen Anforderungen als auch das Kundeninteresse gewahrt bleibt.
Operationelle Geschäftsbereiche
Auch wenn Compliance den operationell tätigen Geschäftseinheiten beratend zur Seite steht, kommt es zu keiner Vermischung oder Aufweichung
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von Verantwortlichkeiten. Der jeweilige Geschäftsbereich ist und bleibt dafür verantwortlich, dass er sich innerhalb des ihm vorgegebenen regulatorischen Rahmens bewegt. Mögliche Gesetzesverstöße können nicht mit einem Verweis auf eine mögliche Verantwortung von Compliance entschuldigt werden. Da Compliance keine geschäftlich operierende Einheit ist, liegt die Verantwortung für das jeweilige Geschäft bei dem handelnden Geschäftsbereich. Die Compliance-Stelle ist als unabhängige Funktion zu sehen, die zwar aktiv beratend unterstützt, aber niemals geschäftspolitische Entscheidungen trifft. Welche unternehmerischen Schritte das Unternehmen macht, hat Compliance nicht zu entscheiden. Allerdings ist die Beurteilung möglicher Risiken der getroffenen Entscheidung eine wesentliche Aufgabe. Es geht letztlich also nicht um die Frage, ob eine Dienstleistung angeboten wird, sondern um die Frage, wie man sie anbieten muss.
20.2 Instrumente und Maßnahmen Die Funktion von Compliance sollte nun deutlich geworden sein. Nachfolgend werden die Instrumente und Maßnahmen erläutert, die von der Compliance-Abteilung zur Erfüllung ihrer Aufgaben angewendet werden. Die Darstellung wird sich auf die Wertpapier-Compliance-Themen beschränken. 20.2.1 Vertraulichkeitsbereiche und Informationen im Unternehmen Das Geschäft mit Wertpapieren ist häufig ein sehr schnelles und von Informationen über die gehandelten Werte stark beeinflusstes. Fast könnte man meinen, dass die Information über eine Sache wichtiger geworden ist als die Sache selbst. Daher ist verantwortungsvoller Umgang mit Informationen eine der Kernaufgaben von Compliance. Ein Finanzdienstleister erlangt durch sein tägliches Geschäft eine Vielzahl von Informationen, die als vertraulich einzustufen sind. Die Vertraulichkeit bezieht sich dabei nicht allein auf Personen außerhalb des Unternehmens, sondern auch auf Mitarbeiter. Eine Kunde kann erwarten, dass seine Informationen auch innerhalb des Unternehmens mit der gleichen Sorgfalt behandelt werden, wie er sie im Umgang mit Außenstehenden verlangt.
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Der Gesetzgeber hat im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) festgelegt, dass Kundeninformationen innerhalb eines Finanzdienstleistungsunternehmens nicht frei und ohne Grundsätze weitergegeben werden dürfen. Vielmehr ist eine Weitergabe von Informationen nur nach dem sog. „Need-to-knowPrinzip“ erlaubt. Dieses Prinzip besagt, dass ein Mitarbeiter Zugang nur zu den Informationen haben darf, die er für die Erledigung seiner Aufgaben benötigt. Das mag im ersten Moment nicht zwingend einleuchtend sein, da das Unternehmen dem Kunden als eine einheitliche juristische Person gegenübertritt, so dass es verwirren mag, dass innerhalb einer Rechtsperson verschiedene Wissensstufen existieren sollen. Verständlicher wird dieses Prinzip, wenn man bedenkt, dass innerhalb einer Bank verschiedene Bereiche mit verschiedenen Aufgaben arbeiten können. Dieses Prinzip schützt daher den Kunden, was an einem einfachen Beispiel erläutert werden soll. Man stelle sich ein börsennotiertes Unternehmen vor, das zur Finanzierung einer Übernahme eines ebenfalls börsennotierten Konkurrenten einen Kredit bei einer Bank aufnimmt. Die Übernahmeabsicht ist nicht öffentlich bekannt. Sie ist eine wertvolle Information für jeden Wertpapierhändler der Bank, da er bei Kenntnis dieses Umstandes leicht vorhersagen kann, dass der Börsenwert des Zielobjektes steigen wird. Ein Informationsfluss zwischen der Finanzierungseinheit und dem Handel der Bank muss hier also unterbunden werden. Die Lösung dieses Problems hat der Gesetzgeber im WpHG durch das Erfordernis von Vertraulichkeitsbereichen geschaffen. Ein Vertraulichkeitsbereich ist gekennzeichnet durch o o o
funktionale und räumliche Trennung von Bereichen, Schaffung von Zutrittsbeschränkungen, die Regelung von Zugriffsberechtigungen auf Daten.
Es findet also sowohl ein physische als auch technische Trennung von Personen und Informationen statt. Innerhalb von Vertraulichkeitsbereichen können Informationen frei ausgetauscht werden. Zwischen verschiedenen Vertraulichkeitsbereichen ist der Austausch von Informationen grundsätzlich untersagt. Ein Austausch compliance-relevanter Informationen zwischen den definierten Vertraulichkeitsbereichen kann jedoch aufgrund betrieblicher Notwendigkeiten in einem beschränkten Maße stattfinden. Hier findet dann das Need-to-knowPrinzip Anwendung.
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Die Trennung von Vertraulichkeitsbereichen wird durch Informationsbarrieren erreicht, die man auch als sog. „Chinese Walls“ bezeichnet. Chinese Walls haben den Vorteil, dass die Handlungsfähigkeit der einzelnen Bereiche der Bank gewährleistet bleibt, da die vorhandenen compliancerelevanten Informationen auf diesen Bereich beschränkt bleiben. 20.2.2 Anweisungen (Policies) Der regulatorische Rahmen, in dem sich ein Finanzdienstleister bewegt, findet sich in Gesetzestexten des jeweiligen Niederlassungslandes und den Richtlinien der jeweiligen Aufsichtsbehörde. Diese allgemeinverbindlichen Vorschriften sind aber nicht die einzigen Anweisungen, die die Mitarbeiter eines Unternehmens bei ihrer täglichen Arbeit zu beachten haben. Unternehmensinterne Anweisungen (sog. „Policies“) sind wesentlicher Bestandteil der Unternehmensführung. Darin werden grundsätzliche Verhaltensweisen festgehalten, die für alle Mitarbeiter gültig sind. Ebenso kann es für bestimmte Gruppen von Mitarbeitern Sonderregelungen geben, die wegen der jeweiligen Tätigkeit erforderlich sind. Compliance ist verantwortlich für die Erstellung von Policies, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen erforderlich sind. Darüber hinaus kann Compliance aber auch für allgemeine Anweisungen verantwortlich sein. Aus Sicht von Compliance sind folgende Policies regelmäßig von Bedeutung: o
o
o
o o
Verhaltensrichtlinie (sog. „Code of Conduct“), welcher die grundsätzlichen Werte und Verhaltensweisen im Geschäftsleben beschreibt. Anweisung über den Umgang mit Zuwendungen, die Wertgrenzen für den Umgang von Geschenken oder anderen Vergünstigen an oder von Mitarbeitern festlegt (sog. „Gift Policy“). Anweisung über die Zulässigkeit von Mitarbeitergeschäften (ehemals Mitarbeiterleitsätze der BaFin), die Regeln für Geschäfte in Wertpapieren von Mitarbeitern mit besonderer Funktion festlegt. Anweisung über den Umgang mit Interessenkonflikten. Anweisung zur Verhinderung von Marktmissbrauch.
Diese Liste ist nicht abschließend und je nach Selbstverständnis einer Compliance-Abteilung beliebig erweiterbar. Sie zeigt aber das Minimum, was durch eine Compliance-Abteilung an Anweisungen zu erstellen sein wird.
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20.2.3 Interessenkonfliktmanagement Das Interessenkonfliktmanagement stellt eine der wichtigsten Aufgaben von Compliance dar. Ziel ist es, dass das Finanzdienstleistungsunternehmen frei von Interessenkonflikten handelt. Wie der Name schon verrät, geht es hierbei um widerstreitende Interessen, bei denen die Gefahr besteht, dass das Finanzdienstleistungsunternehmen aufgrund eigener Interessen die Interessen des Kunden vernachlässigt oder gar schädigt. Dabei ist zu beachten, dass der Schutz des Kundeninteresses nicht unbegrenzt gilt. Grundsätzlich ist das Unternehmen nur verpflichtet, die Leistung zu erbringen, zu der es sich verpflichtet hat. Weitergehende Leistungen sind nicht zu erbringen; das Unternehmen kann durchaus auch eigene Interessen verfolgen. So darf es beispielsweise durchaus mit Gewinnerzielungsabsicht handeln, auch wenn dies nicht im Interesse des Kunden sein mag.
Konstellationen von Interessenkonflikten
Interessenkonflikte können zwischen einem Kunden und dem Unternehmen und zwischen einzelnen Kunden des Unternehmens auftreten. Da ein Unternehmen durch verschiedene Personen handeln kann, bedeutet dies konkret, dass Interessenkonflikte sich ergeben können zwischen der Bank, anderen Unternehmen des Konzerns, der Geschäftsleitung, den Mitarbeitern der Bank oder anderen Personen, die mit der Bank verbunden sind, und den Kunden der Bank oder zwischen den Kunden der Bank. Die einzelnen Konstellationen sind vielfältig, wobei es immer wieder auftretende und besonders typische Interessenkonflikte gibt. Interessenkonflikte können insbesondere entstehen o
o o o
bei Erhalt oder Gewähr von Zuwendungen (bspw. Platzierungs-/ laufenden Vertriebsprovisionen/geldwerten Vorteilen) von Dritten oder an Dritte im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen, durch erfolgsbezogene Vergütung von Mitarbeitern und Vermittlern, bei Gewähr von Zuwendungen an Mitarbeiter und Vermittler der Bank, aus anderen Geschäftstätigkeiten der Bank, insbesondere dem Interesse der Bank an Eigenhandelsgewinnen und am Absatz selbst emittierter Wertpapiere,
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o
o o o
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aus Beziehungen der Bank mit Emittenten von Finanzinstrumenten, etwa bei Bestehen einer Kreditbeziehung, der Mitwirkung an Emissionen, bei Kooperationen, bei der Erstellung von Finanzanalysen über Wertpapiere, die Kunden zum Erwerb angeboten werden, durch Erlangung von Informationen, die nicht öffentlich bekannt sind, aus persönlichen Beziehungen der Mitarbeiter oder der Geschäftsleitung oder der mit diesen verbundenen Personen, oder bei der Mitwirkung dieser Personen in Aufsichts- oder Beiräten.
Auch wenn für Interessenkonflikte eine Kundenbeziehung Voraussetzung ist, so trifft die Verpflichtung zum Management von Interessenkonflikten immer den Finanzdienstleister als solchen. Der Kunde wird von den Vorschriften des WpHG geschützt und muss selbst keine Maßnahmen ergreifen.
Typen von Interessenkonflikten
Grundsätzlich gibt es drei Typen von Interessenkonflikten. Zum einen gibt es Interessenkonflikte, die die Bank weder verhindern noch überwachen kann. Ein Beispiel wäre strafrechtlich relevantes Verhalten eines einzelnen Mitarbeiters, der Insiderinformationen ausnutzt und auf einem bei seinem Arbeitgeber nicht gemeldeten Konto ein verbotenes Wertpapiergeschäft ausübt (Insiderhandel). So ein Verhalten kann das Unternehmen nur durch Anweisung verbieten, aber nicht aktiv überwachen oder verhindern. Zum Anderen gibt es Interessenkonflikte, die die Bank durch nachträgliche Kontrollen überwachen und gegebenenfalls sanktionieren kann. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn ein Mitarbeiter im Eigenhandel eine Insidertransaktion ausführt, die bei den routinemäßigen Kontrollen der Bank aufgedeckt wird. Hier kann die Bank sowohl das Handeln verbieten als auch aktiv kontrollieren und sanktionieren. Diese beiden Arten von Interessenkonflikten sind persönliche Interessenkonflikte von Mitarbeitern, die ein entsprechendes vorschriftswidriges Verhalten voraussetzen. Schließlich gibt es noch Interessenkonflikte, die die Bank vor ihrer Entstehung verhindern kann und muss. Durch organisatorische Maßnahmen hat sie ihr Geschäftsgebahren so ausrichten, dass Interessenkonflikte durch die
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Mitarbeiter bzw. die Compliance-Abteilung rechtzeitig erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden können.
Gesetzliche Anforderungen
Der Gesetzgeber verlangt von den Finanzdienstleistungsunternehmen organisatorische Maßnahmen zum Management von Interessenkonflikten. Darunter ist eine dreistufige Aufgabe zu verstehen. Im ersten Schritt muss das Unternehmen in der Lage sein, potentielle Interessenkonflikte zu identifizieren. Im zweiten Schritt muss es Maßnahmen ergreifen, um das Entstehen dieser Konflikte zu verhindern. Sollte der Konflikt unvermeidbar sein, muss es Maßnahmen zu dessen Management ergreifen. o
Identifikation von Interessenkonflikten Die schwierigste und umfangreichste Aufgabe beim Management von Interessenkonflikten stellt die Identifikation potentieller Konflikte dar. Um potentielle Interessenkonflikte identifizieren zu können, muss man wissen, mit welchen Kunden die Bank welche Geschäfte tätig. Zudem muss man wissen, welche Informationen als vertraulich zu behandeln bzw. als Insiderinformationen einzustufen sind. Des Weiteren ist Kenntnis von Aktivitäten der Mitarbeiter erforderlich (z.B. welcher Mitarbeiter ein Mandat bei einem anderen Unternehmen hat). Ebenfalls muss man wissen, welche Aktivitäten das Unternehmen unabhängig von Kunden plant. Dazu gehören Beteiligungs-, Übernahme- oder Fusionspläne des Unternehmens. Auch die Veröffentlichung von Finanzanalysen zu börsennotierten Unternehmen ist zu beachten. Kurz gesagt: Man muss wissen, was in dem Unternehmen passiert. Der Gesetzgeber verlangt von Unternehmen sogar, dass es Interessenkonflikte konzernweit, also über die eigene rechtliche Einheit hinaus, identifiziert. Dies erhöht die Informationsmenge und damit den Komplexitätsgrad enorm. Hat man all diese Informationen gesammelt, kann man erst mit der eigentlichen Aufgabe beginnen. Es gilt alle Informationen gegeneinander abzugleichen und auf mögliche Interessenkonflikte zu überprüfen. Dabei ist jeder Fall isoliert zu betrachten und zu bewerten. Eine abschließende Aufzählung sämtlicher möglicher Konflikte ist nicht möglich, da die insbesondere in einem international operierenden Konzern die Anzahl der denkbaren Konstellationen entsprechend groß ist.
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Diese Aufgabe obliegt dem Compliance-Bereich, da dieser alle Transaktion und Aktivitäten in einem Unternehmen kennen darf, ja sogar kennen muss. Andere Bereiche eines Unternehmens wären nicht in der Lage, diese Aufgabe zu erfüllen, da sie nur die Informationen erhalten dürfen, die zur Erledigung ihrer Aufgaben notwendig sind (Need-to-know-Prinzip, s.o.). Compliance hingegen ist nicht an die bestehenden Vertraulichkeitsbereiche und Chinese Walls gebunden. Die Abteilung steht – bildlich gesprochen – „über der Mauer“. Dies ist auch der Grund dafür, warum Compliance einen gesonderten Vertrauensbereich darstellt, der von den anderen Bereichen der Bank getrennt sein muss, und der technisch wie auch physisch mit gesonderten Zugangsrechten auszustatten ist. o
Technische Unterstützung Allein mit der Berechtigung, sämtliche relevanten Informationen in einem Unternehmen zu kennen, ist es nicht getan. Insbesondere bei einem konzernweiten Management von Interessenkonflikten ist technische Unterstützung durch ein IT-Tool unverzichtbar. Der Mehrwert eines IT-Tools besteht darin, dass man alle Informationen in einer Datenbank zusammenfassen und diese mit bestimmten Suchkriterien und Parametern auswerten kann. Ein IT-Tool ist also in der Lage, vordefinierte Auffälligkeiten schnell zu finden und dem Anwender anzuzeigen. Ein Mensch, der dies mit manueller Arbeit versuchen würde, bräuchte unverhältnismäßig lange für dieselbe Aufgabe. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit von fehlerhaften oder unvollständigen Suchen im Datenhaushalt erhöht. Diese Lösung ist daher unpraktikabel und ein Wettbewerbshindernis, da das Klären von Interessenkonflikten schnell, zeitnah fehlerfrei erfolgen muss.
Was ein IT-Tool nicht leisten kann, ist die Bewertung von möglichen Interessenkonflikten. Diese Aufgabe wird immer dem Menschen obliegen, der das System bedient. Das Tool kann mögliche Treffer anzeigen, aber es kann nicht entscheiden, wie damit umzugehen ist. Daher ist ein Konfliktmanagement nur teilweise automatisierbar. Die Entscheidung über den und das Management des potentiellen Konflikts sind Aufgabe des jeweiligen ComplianceMitarbeiters. Dies ist auch deswegen von Bedeutung, weil fehlerhaftes Konfliktmanagement zu finanziellen Verlusten führen kann.
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Wird ein Konflikt angenommen, wo keiner besteht, und das Geschäft wird nicht gemacht, ist der Verlust offensichtlich und unnötig. Wird ein Konflikt übersehen und ein Geschäft gemacht, das nicht getätigt werden dürfte, entstehen finanzielle Risiken durch Bußgelder der Aufsichtsbehörde, zivilrechtliche Schäden etwa infolge der Nichtigkeit des Geschäfts, mögliche Vertragsstrafen und nicht zuletzt durch entgangene zukünftige Geschäfte aufgrund von Reputationsschäden. Letztere sind regelmäßig die gefährlichsten, da sich diese nicht eindeutig quantifizierbar sind. Der Compliance-Mitarbeiter wird im konkreten Konfliktfall also auch als Unterstützung der Geschäftsbereiche benötigt, da nur in Zusammenarbeit beider Bereiche eine sachgerechte Lösung möglich ist. Dies schützt das Unternehmen und dessen Wettbewerbsfähigkeit. Denn eines darf man nicht vergessen: Letztlich wollen Unternehmen Geschäfte machen und Geld verdienen. o
Konfliktmanagement Die nächste Ebene des Interessenkonfliktmanagements ist die Verhinderung potentieller Konflikte. Ist ein solcher identifiziert worden, gilt es, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die diesen auflösen. Als Maßnahmen zur Vermeidung und Management von Konflikten kommen in Betracht: • • • • •
Errichtung von Vertraulichkeitsbereichen. Trennung von Funktionen innerhalb eines Vertraulichkeitsbereichs. Offenlegung des Konflikts an einen oder mehrere Kunden. Einholung der Zustimmung von einem oder mehreren Kunden, dass die Transaktion fortgesetzt werden darf. Ablehnung für einen oder mehrere Kunden zu abreiten, die in den Konflikt involviert sind.
Für welche Maßnahmen man sich entscheidet, hängt letztlich von dem Umfeld ab, in dem man sich bewegt. Marktusancen, Marktstandards und die Professionalität der Beteiligten sind Faktoren, die beim Konfliktmanagement beachtet werden müssen. Als letzte Möglichkeit kommt in Betracht, das konfliktbehaftete Geschäft nicht auszuführen. Dies ist aus Unternehmenssicht die denkbar schlechteste Lösung. Sie kann aber in einer Gesamtbe-
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trachtung der Lage erforderlich sein. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es nicht immer rechtliche Gründe sind, die ein Unternehmen dazu bringen, von einem Geschäft Abstand zu nehmen. In der Mehrzahl sind es Reputationsrisiken, die einen Geschäftsabschluss verhindern. Der wirtschaftliche Schaden, der durch eine negative Presse entstehen kann, kann wesentlich größer sein als mögliche Bußgelder seitens der Aufsichtsbehörden. 20.2.4 Listen und Verzeichnisse Innerhalb einer Compliance-Abteilung finden sich Listen oder Verzeichnisse mit vertraulichem Inhalt. Diese Listen benötigt Compliance in der täglichen Arbeit, z.B. beim Identifizieren von Interessenkonflikten.
Liste mit Insiderinformationen (sog. „Watch List“)
Die Watch List ist eine in Compliance geführte Auflistung aller Insiderinformationen des jeweiligen Unternehmens bzw. Konzerns. Diese Informationen können sich sowohl auf Emittenten börsennotierter Werte als auch die Bank selbst beziehen. Sie wird streng vertraulich geführt, und nur wenige Mitarbeiter der Compliance-Organisation haben Zugriff darauf. Welche Information eine Insiderinformation ist, ist gesetzlich definiert. Eine Insiderinformation ist demnach „eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen, und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenoder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen.“ An Informationen findet man auf der Watch List den Namen des Emittenten, den Grund der Meldung, konkrete Details zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt, die involvierten Personen und den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Sachverhalt. Die Watch List erfüllt verschiedene Funktionen. Die wichtigsten sind o o o
die Dokumentation der Einhaltung von Chinese Walls, die Dokumentation, wenn Informationen zwischen zwei getrennten Vertraulichkeiten ausgetauscht werden (sog. Wall-Crossings), die Kontrolle von Mitarbeiter- und Eigenhandelsgeschäften bezüglich einer unzulässigen Ausnutzung von Insiderinformationen.
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Die Watch List dient somit der Überwachung des bankweiten Informationsflusses von Insiderinformationen. Zudem kann durch sie ein möglicher Gesetzesverstoß wegen Handelns aufgrund von Insiderinformationen aufgedeckt werden. Für Mitarbeiter, die über Insiderinformationen verfügen, gelten nämlich besondere Regeln. Demnach darf ein Insider o
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weder für sich noch für andere Geschäfte in Wertpapieren des Emittenten oder in Derivaten, die sich auf Wertpapiere des Emittenten beziehen, tätigen, entsprechende Werte nicht empfehlen, die Informationen nicht unbefugt an Dritte weitergeben oder diesen zugänglich machen.
Die Überwachung solcher Geschäfte obliegt ebenfalls Compliance.
Liste mit vertraulichen Geschäftsdaten
Nicht jede Information über einen Kunden oder eine Transaktion ist gleichzeitig eine Insiderinformation. Dennoch kann die Information vertraulich sein und im Zusammenspiel mit anderen Informationen zu einem Interessenkonflikt führen. Dies ist regelmäßig bei Reputationsrisiken der Fall. Besonders bei Veröffentlichung einer Finanzanalyse kann sich das Unternehmen widersprüchlich verhalten. Man stelle sich folgenden Fall vor: Ein Geschäftsbereich schließt mit einem Kunden einen Vertrag und begibt für diesen daraufhin eine Anleihe. Die Anleihedetails stellen dabei keine Insiderinformation dar. Gleichzeitig veröffentlicht die Abteilung, die mit Erstellung von Finanzanalysen betraut ist, eine Bewertung des Unternehmens, in der zu lesen ist, es sei denkbar unklug, wenn das Unternehmen in der aktuellen Lage eine Anleihe herausgeben würde. Rein rechtlich würde dieser Fall kein Problem darstellen. Im Gegenteil, er würde beweisen, dass die Vertraulichkeitsbereiche im Unternehmen funktionieren. Die Wahrnehmung beim Kunden wäre sicherlich eine ganz andere. Obwohl das Unternehmen also rechtlich alles richtig gemacht hat, hätte es den Kunden u.U. am Ende verloren. Daher ist es erforderlich, auch über eine Liste zu verfügen, die eine Übersicht über den vertraulichen Datenhaushalt der Bank ermöglicht.
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Sperrliste (Restricted List)
Ein Instrument zur Steuerung von Information innerhalb eines Unternehmens und zur Steuerung des Handelns des Unternehmens sind Sperrlisten, die sog. „Restricted List“. Auf die Liste werden börsennotierte Unternehmen aufgenommen, für die sich das Unternehmen selbst Handels- oder Veröffentlichungsbeschränkungen auferlegt. Die Beschränkung führt bezüglich der aufgenommenen Werte zu einem generellen Verbot, so dass hinsichtlich des betroffenen Unternehmens keine Finanzanalyse (Research) veröffentlicht werden oder die Aktie des Unternehmens nicht gehandelt werden darf 2. Adressat des Veröffentlichungsverbots ist die jeweilige Abteilung, die mit der Erstellung von Finanzanalysen betraut ist. Adressaten des Handelsverbots sind die Mitarbeiter des Unternehmens, die Transaktionen in dem jeweiligen Wert tätigen. Dabei kann das Verbot sie sowohl als Mitarbeiter der Bank als auch als Privatperson treffen, d.h. das Verbot richtet sich gegen Tätigkeiten für den Eigenhandel der Bank und auch gegen private Geschäfte der Mitarbeiter. Die Aufnahme eines Wertes auf die Restricted List ist nicht unbegrenzt. Ebenso kann in Einzelfällen in Abstimmung mit Compliance eine Aufhebung eines Verbots möglich sein. Grundsätzlich wird sich jede Bank bemühen, die Aufnahme eines Wertes so kurz wie möglich zu halten. Der Grund dafür ist offensichtlich. Mit selbstauferlegten Verboten blockiert sich ein Unternehmen in seinem Handeln. Zudem ist mit jedem Wert, der sich auf der Liste befindet, ein gewisses Maß an organisatorischem Aufwand verbunden, da die Verbote überwacht werden und hierfür Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Restriktion ist als dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens nicht förderlich. Es stellt sich die Frage, warum sich ein Finanzdienstleister solche Verbote selbst auferlegt. Die Verbote erfolgen im Kunden- und auch im eigenen Interesse, und sie werden ausgelöst durch vertragliche Vereinbarungen oder durch compliance-relevante Informationen. Vertragliche Verbote ergeben sich aus den Geschäftsbeziehungen mit dem jeweiligen Kunden. Bei Abschluss eines Geschäfts wird im Vertrag das Handels- oder das Veröffentlichungsverbot vereinbart, so dass die Pflicht zur Aufnahme auf die Restricted List sich direkt aus dem Vertrag ergibt. Das Interesse des Kunden 2
Davon ausgenommen ist das laufende Market Making.
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am Verbot besteht darin, dass bezüglich seines Unternehmens Handlungen vorgenommen werden, die seinen Börsenwert für ihn negativ beeinflussen könnten. Compliance-Relevanz liegt vor, wenn die Bank über vertrauliche Informationen verfügt und die Gefahr eines Interessenkonfliktes besteht, z.B. weil durch die mit dem Kunden abgeschlossene Transaktion die Möglichkeit von erheblichen Kursveränderungen besteht (kurssteigernd- und -senkend). Die Restricted List selbst ist als vertraulich einzustufen, auch wenn Ihr Inhalt nur wenige Informationen hat, z.B. den Namen des Unternehmens und Art und Dauer der Beschränkung. Da von der Liste aber eine erhebliche Signalwirkung ausgehen kann, ist sie nach dem „Need-to-know-Prinzip“ nur den betroffenen Mitarbeitern zugänglich zu machen. Eine Veröffentlichung der Liste außerhalb des Unternehmens ist unzulässig.
20.3 Zusammenfassung Abschließend ist festzuhalten, dass eine Compliance-Abteilung keinen statischen Aufgabenbereich hat. Die Tätigkeit von Compliance richtet sich nach dem Geschäftsmodell und den angebotenen Dienstleistungen des jeweiligen Unternehmens. Diese sind in der Regel flexibel und passen sich den Anforderungen des jeweiligen Marktes an. Entsprechendes muss Compliance tun.
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Andreas von Böhlen Dipl.-Ökonom Andreas von Böhlen hat nach Banklehre und wirtschaftswissenschaftlichem Studium zehn Jahre lang bei mehreren internationalen Unternehmensberatungen (u.a. PriceWaterhouseCoopers und Droege & Comp. AG) als Senior-Projektmanager gearbeitet. Schwerpunkt seiner Arbeiten bildeten Strategie-, Organisations- und Prozessoptimierungsprojekte im In- und Ausland bei Banken. Seit neun Jahren ist er bei der WestLB als Projektmanager beschäftigt. Dort hat er diverse große, international ausgerichtete Optimierungsprojekte geleitet. Als Gesamtprojektleiter des MiFID-Projektes in der WestLB AG war er für die weltweite Implementierung der MiFID verantwortlich. In dieser Funktion hat er auch auf Konferenzen im In- und Ausland zu MiFID-Umsetzungsthemen vorgetragen. Er ist Mitglied der deutschen MiFID-Joint Working Group. E-Mail:
[email protected]
Jochen Eichhorn Dr. Jochen Eichhorn ist Rechtsanwalt und Partner der Anwaltskanzlei Lachner Graf von Westphalen Spamer in Frankfurt am Main. Er berät überwiegend Banken, Finanzdienstleistungsinstitute und Kapitalsammelstellen. Dabei ist er spezialisiert auf bank- und kapitalmarktrechtliche Themen sowie auf alle Rechtsfragen des Privatkundengeschäfts und des Asset Managements (Investmentfonds). Darüber hinaus umfasst seine Beratung alle Compliance-relevanten Fragestellungen. Dr. Jochen Eichhorn blickt in diesen Themen auf eine 16-jährige Praxis zurück, im Rahmen derer er sowohl verantwortliche Positionen in Banken und Investmentgesellschaften innehatte, als auch an maßgeblichen Gesetzgebungsverfahren als Interessenvertreter beteiligt war.
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Sabine Forster Sabine Forster ist seit 2005 in der Compliance-Abteilung der Union Asset Management Holding AG tätig. Nach ihrem Einstieg als Rechtsanwältin in einer renommierten Kanzlei – mit Spezialisierung Anlegerschutz – wechselte sie ihr berufliches Spektrum über die Tätigkeit bei der deutschen Finanzaufsichtsbehörde und einer großen international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in die Bereiche des Kapitalmarkt- und des Kapitalmarktaufsichtsrechtes. Sie betreut bei der Union Investment Gruppe u.a. die Compliance-rechtlichen Themenfelder im Zusammenhang mit der MiFID.
PJ Di Giammarino PJ Di Giammarino ist Gründer und Vorsitzender der JWG-IT Group Limited. Vorher war er Co-Vorsitzender der IT-Arbeitsgruppe der MiFID Joint Working Group. In dieser Funktion arbeitete er mit Brokern und Asset Managern, der Europäischen Kommission, CESR, der FSA und anderen Aufsichtsbehörden aus Europa einerseits sowie IT-Dienstleistern und Marktdatenanbietern andererseits zusammen. PJ di Giammarino war davor Chief Operating Officer und verantwortlich für IT Customer Services bei Barclays Capital. Seine Karriere begann er als Top-Management Consultant für IT-Strategieentwicklung bei u.a. A.T. Kearney, Booz Allen & Hamilton und McKinsey. Er verfügt über weitreichende Berufserfahrung in Europa, Amerika und Asien. Er publiziert regelmäßig und spricht auf Konferenzen zu Themen der EU-Regulierung und der IT-Infrastruktur von Finanzdienstleistern. PJ di Giammarino hat einen B.A. in Economics von der Wesleyan Universität (Connecticut).
Ulrich L. Göres Dr. Ulrich L. Göres ist seit April 2007 für die Commerzbank AG im Geschäftsbereich Group Compliance in Frankfurt am Main tätig und verantwortet dort den Bereich „Markets Compliance“, d. h. die ComplianceBetreuung der Investment Banking-Aktivitäten des Commerzbank-Konzerns. Er ist Lehrbeauftragter für Bank- und Kapitalmarktrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Münster. Als Referent ist er u. a. im Rahmen des „CIIA – Certified International Investment Analyst“-Programms der DVFA und im Rahmen des „Certified Compliance Professio-
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nal (CCP)“-Programms der Frankfurt School of Finance & Management tätig. Dr. Göres ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Veröffentlichungen, darunter Kommentierungen zu § 34b WpHG i.V.m. der FinAnV, zu den §§ 33, 33a, 33b WpHG sowie zu Ratingverfahren.
Peter Gomber Prof. Dr. Peter Gomber leitet die Professur für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere e-Finance, im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Frankfurt. Er ist Mitglied des Vorstands des E-Finance Lab, einer Kooperation der Universitäten Frankfurt und Darmstadt und eines Netzwerks von Industriepartnern aus der Finanzwirtschaft. Er leitet dort das Forschungscluster „Management der Wertschöpfungskette im Wertpapierhandel“. In seiner akademischen Arbeit befasst sich Peter Gomber mit Marktmikrostruktur- und Auktionstheorie, institutionellem Wertpapierhandel, innovativen Konzepten und Technologien für den elektronischen Wertpapierhandel und dem Einfluss regulatorischer Maßnahmen auf die Finanzwirtschaft.
Kirsten Hartmann Dr. Kirsten Hartmann ist Leiterin der Rechtsabteilung der Hesse Newman Group, Hamburg und verantwortet dort den aktien- sowie bank- und kapitalmarktrechtlichen Bereich. Bevor sie diese Aufgabe übernahm, war sie in der Rechtsabteilung der WestLB AG, Düsseldorf, unter anderem für den Wiederaufbau des Bereichs Private Banking und als Teilprojektleiterin für die Implementierung der MiFID verantwortlich. Zuvor war sie als Rechtsanwältin in einer internationalen Kanzlei tätig.
Peter Heister Dipl.-Ing. Peter Heister (MA) kann durch seine internationalen Verantwortungen bei Reuters und Telerate in den Bereichen Produkt und Business Development Management für Kontinentaleuropa auf eine mehr als 20jährige Erfahrung im europäischen Finanzmarkt zurückgreifen. Mit dem Thema MiFID hat er sich bereits frühzeitig auseinandergesetzt. Während seiner Tätigkeit bei Oracle als Business Development Manager Financial Services hat er die Deutsche MiFID-Joint Working Group mit initiiert. Seit
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Juni 2006 ist er bei Thomson Reuters als Head of Business Development Continental Europe tätig. Durch seine internationalen Verbindungen zu anderen MiFID-Arbeitsgruppen in Europa verfügt er über ein breites Spektrum an Informationen und Erfahrungen verschiedenster Finanzinstitute.
Michael Jahn Michael Jahn hat an der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt Rechtswissenschaften studiert. Im Anschluss arbeitete er bei der Fidelity Investment Services GmbH sowie bei der BaFin bevor er im April 2006 zur Commerzbank AG wechselte, wo er bis heute im Bereich Group Compliance tätig ist. Zu seinen Hauptaufgaben gehört u.a. das Interessenkonfliktmanagement des Konzerns sowie die rechtliche Betreuung der Geschäftseinheiten im Investment Banking.
Jens Kan Jens Kan ist Bankkaufmann und Rechtsanwalt. Als solcher ist er seit Februar 2004 im Geschäftsbereich Recht und Compliance der WestLB AG tätig. Zu seinen Aufgaben zählt die Beratung der zentralen Kapitalmarktbereiche der Bank. Herr Kan hat im MiFID-Umsetzungsprojekt der WestLB AG von Beginn an mitgewirkt und war dort zuständig für die Themen Zuwendungen, Transparenz und Meldewesen sowie die Formulierung der Best Execution Policy der Bank. Daneben ist er Mitglied eines überregionalen MiFID-Expertengremiums. E-Mail:
[email protected]
Wolfgang Kirsten Dr. Wolfgang Kirsten ist Leiter Compliance der Union Asset Management Holding AG und zuständig für die Group Policy. Er war nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre und Promotion an der Universität Kiel als Analyst und Portfoliomanager in verschiedenen Banken und Kapitalanlagegesellschaften tätig. Bei der Union Investment war er seit 1993 als Fondsmanager, Leiter des Bereichs Forschung und Entwicklung sowie als Geschäftsleiter der Union Investment Luxembourg tätig. Er ist Mitglied des BVI Compliance Forums und verschiedener Arbeitsgruppen bei dem europäischen Investmentverband EFAMA. Er war Mitglied der Forum
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Group der Europäischen Kommission zu Financial Analysts 2003 und der Expertengruppe der EU zur Novellierung des Rahmens für Investmentfonds (Expert Group on Investment Fund Market Efficiency, 2006).
Frank Moser Frank Moser ist Business Development Manager Financial Services bei der Fa. Adept Consulting in Frankfurt. Er kann auf über acht Jahre Erfahrung im Bereich „Business Development Financial Services“ zurückblicken. Dabei hat er diese Tätigkeit sowohl aus der Sicht eines HardwareHerstellers, eines Berater als auch eines Software-Anbieters wahrgenommen. Sein Fachwissen zum Kapitalmarkt hat er in sechs Jahren als Implementierungs-Projektleiter bei einem spezialisierten Softwarehaus im Umfeld Asset Management erworben. Mit MiFID beschäftigte sich Herr Moser bereits in 2005, er ist ein Gründungsmitglied der deutschen MiFIDJoint Working Group. Daneben ist er auch bei weiteren ComplianceThemen beratend tätig.
Damaris Nicodem Dr. Damaris Nicodem ist seit 2006 als Referentin der Gruppe Kapitalmarktrecht in der Rechtsabteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes tätig. In dieser Funktion hat sie den Gesetzgebungsprozess für die MiFID sowie für andere kapitalmarktbezogene Richtlinien des Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen bis zu ihrer Umsetzung in nationales Recht begleitet. Ihre besonderen Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich des Wertpapierhandelsgesetzes auf dem Gebiet der allgemeinen Verhaltenspflichten, der Kundenkategorisierung, der Zuwendungen, der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (insbesondere Anlageberatung und Vermögensverwaltung) sowie der Markttransparenz. Zuvor arbeitete sie als Rechtsanwältin in einer auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HumboldtUniversität zu Berlin. Sie promovierte zu Fragen des Doppellistings im amerikanischen und deutschen Recht am Beispiel der Ad-hoc-Publizität.
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Stephan Niermann Rechtsanwalt Dr. Stephan Niermann studierte nach einer Bankausbildung bei der Commerzbank Rechtswissenschaft in Bielefeld. Im Anschluss promovierte er zu einem Thema aus dem Bereich der Geldwäscheprävention. In 2005 wurde er Leiter des Bereichs Compliance bei der WestLB International S.A. Luxembourg. In seinen Tätigkeitsbereich fallen u.a. die Beratung der Abteilungen im Kapitalmarktrecht und Bankaufsichtsrecht sowie die Durchführung von Projekten, wie z.B. zur Umsetzung der MiFID. Seit März 2008 ist er Leiter Compliance für die Region EMEA West der WestLB AG. Dr. Niermann ist als Referent auf nationalen und internationalen Konferenzen tätig.
Martina Rangol Martina Rangol ist als Senior Manager bei PricewaterhouseCoopers verantwortlich für Compliance im Banken- und Finanzdienstleistungssektor mit den Schwerpunkten Wertpapierdienstleistungen und Depotgeschäft. Sie begleitete von Beginn an mehrere nationale und europäische Rechtsetzungsvorhaben im Bereich der Banken- und Wertpapieraufsicht (Financial Service Action Plan). Sie ist Mitglied im paneuropäischen PwC-Netzwerk für Regulatory and Advisory Services und leitet die PwC MiFIDProjektgruppe in Deutschland. Martina Rangol ist Juristin und Wirtschaftsprüferin.
Rainer Riess Rainer Riess ist Geschäftsführer der FWB Frankfurter Wertpapierbörse und Managing Director des Bereichs Cash Market Development der Deutsche Börse AG. In dieser Funktion ist er verantwortlich für Vertrieb, Business Development und Emittentenbetreuung des Kassamarktes der Deutschen Börse – besonders die Weiterentwicklung des elektronischen Handelssystems Xetra® und der Börse Frankfurt.
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Lars Röh Dr. Lars Röh war von 1995 bis 2000 als Rechtsanwalt im Berliner Büro von Haarmann, Hemmelrath & Partner tätig. Von dort wechselte er in die Rechtsabteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), wo er bis 2007 für den Bereich Kapitalmarktrecht verantwortlich war. Seit Januar 2008 ist er Partner der Berliner Anwaltssozietät lindenpartners.
Carsten Rößner Dr. Carsten Rößner ist seit 1984 in der Informationstechnologie tätig, während des Studiums in der Administration von Midrange- und Client-/ Server-Systemen, nach der Promotion als Programmierer und Projektleiter bei Banking- und Brokerage-Applikationen sowie diversen SAP R/3-Projekten. Er hat während seiner Forschungstätigkeit wie auch als Dozent Vorträge bei namhaften internationalen Konferenzen und an Universitäten (Berkeley, Tel Aviv, Melbourne) gehalten. 1997 wechselte er von der Forschung in die IT-/Software-Branche mit den Schwerpunkten Bank-, Handels- und ERP-Systeme. Hier war er zuletzt tätig als CIO einer kleinen Bank und als Geschäftsleiter eines IT-Systemhauses für Finanzdienstleister. Seit 2007 leitet Dr. Rößner den Geschäftsbereich Institutioneller Wertpapierhandel der XCOM AG. Im Rahmen von MiFID verantwortete er die Entwicklung von MiFID-Lösungen für Handels- und Banksysteme.
Birgit Rost Dr. Birgit Rost ist seit dem Jahr 2007 in der Rechtsabteilung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes tätig und dort Referentin in der Gruppe Kapitalmarktrecht. In dieser Funktion hat sie den Gesetzgebungsprozess für die MIFID sowie für andere kapitalmarktbezogene Richtlinien des Aktionsplans für Finanzdienstleistungen bis zu ihrer Umsetzung in nationales Recht begleitet. Ihre besonderen Tätigkeitsschwerpunkte liegen auf dem Gebiet des Investmentrechts, dem Recht der Wertpapiere sowie der Compliance-Organisation. Zuvor arbeitete Dr. Rost als Referentin im Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts sowie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie promovierte zur Regulierung der internationalen Finanz- und Kapitalmärkte.
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Michaela Theißen Dr. Michaela Theißen studierte Rechtswissenschaften an der JustusLiebig-Universität in Gießen. Sie ist seit 1995 als Rechtsanwältin zugelassen und promovierte 1998 an der Humboldt-Universität in Berlin mit einem handelsrechtlichen Thema. Seit 1998 arbeitet Dr. Michaela Theißen als Syndikusanwältin bei der WestLB AG in Düsseldorf. Ihr beruflicher Schwerpunkt liegt in verschiedenen Bereichen des Bankrechts, insbesondere in der Anlageberatung und, in neuerer Zeit, den Anforderungen von MiFID. Außerdem hält sie Fachvorträge in diesen Themengebieten.
Frank Zingel Rechtsanwalt Dr. Frank Zingel ist Leiter des Geschäftsbereichs Kapitalmärkte im Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB. Er ist befasst mit dem gesamten regulatorischen Umfeld für die Geschäftstätigkeit der Mitgliedsinstitute des VÖB auf den Kapitalmärkten. Die MiFID hat er von den ersten Richtlinienvorschlägen der Kommission an begleitet.