Medien & Bildung: Institutionelle Kontexte und kultureller Wandel

Torsten Meyer . Wey-Han Tan Christina Schwalbe· Ralf Appelt (Hrsg.) Medien & Bildung

Medienbildung und Gesellschaft Band 20 Herausgegeben von Winfried Marotzki Norbert Meder Dorothee M. Meister uwe Sander Johannes Fromme

Torsren Meyer Wey-Han rsn christina Schwalbe Ralf Appelt (Hrsg.)

Medien & Bildung Institutionelle Kontexte und kultureller Wandel

III VS VERLAG

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dievorliegende Publikation wurde im Rahmen des Projekts ePUSH der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und BewegungSWissenschaft der Universität Hamburg mit Mitteln der Behörde für Wissenschaft und Forschung der Freien und Hansestadt Hamburg im Programm "E-Learning und Multimedia in der Hochschullehre" gefördert. DieAuswahl des Projektes erfolgte durchdasE-Learning-Consortium Hamburg. projektträger ist die Multimedia Kontor Hamburg GmbH. MehrInformationen: www.mmkh.de E-LEARNING CONSORTlUM Hamburg

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Freie und Hansestadt Hamburg Behörde fürWissenschaft undForschung

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Psychologie undBewegungswissenschaft

1.Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © vs verlag für Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Laux I Adrienne van Wickevoort Crommelin VS verlagfür Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer sclence-sustness Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seinerTeile ist urheberrechtlich geschützt. Jede verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung desVerlags unzulässig undstrafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund verarbeitungin elektronischen Systemen. DieWiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17708-3

Inhalt Vorwort der Herausgeber

Torsten Meyer Medien & Bildung. Institutionelle Kontexte und kultureller Wandel. Einleitung

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Gründe Thomas Weber Wissensvermittlung in medialer Transformation. Bemerkungen zu sich verändernden Wertmaßstäben in der bildungspolitischen Debatte

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Kar/-Josef Pa!{!\,ini Übertragung. Bruchstücke einer Medien- und Bildungstheorie nach Freud

41

Ta'!fa Carstensen Umkämpftes Internet

55

Matifred Faßler Dissipatives Wissen: Übergänge von nationaler Universalität zu Global Knowledge Communities

67

Be'!famin jiJ"rissen >Medienbildung< - ein Konzept in heterogenen institutionellen Verwendungskontexten

83

Wry-Han Tan >E-Learning< als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen

93

Stefan SonlJilla-Weiss Kommunikationstechniken, -aktivitäten und -strategien der Generation >Web n+1<

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Kontexte

Thomas Höhne Wissen, Medien und Vermittlung

137

Wog'gang Legler Pestalozzi, die Moderne und das Internet

157

Christina Schwalbe Die Universität der Buchkultur im digital vernetzten Medium

179

Michael Scheibel Bildungsräume im Informationszeitalter

193

TimoMeisel Eine Mustersprache, die Medienbildungsräume erzeugt

203

Manfred Faßler Universität - Next Generation

221

Folgerungen

ArnoRo!f Schlüsselqualifikationen 2.0. Wissen, wie alles zusammenhängt

247

Norbert Breier Informatische Bildung und Medienbildung im Fächerkanon

255

Christian Lenz Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen der schulischen Medienpädagogik. Überlegungen aus der Sicht der Lehreraus- und -fortbildung

265

Frieder Kerler Spur, Rekonstruktion, Medium

279

GabiReinmann Forschendes Lernen und wissenschaftliches Prüfen: die potentielle und faktische Rolle der digitalen Medien

291

MantIY Schiejner Social Software und Universitäten: eine kritische Analyse des Status quo

307

MarcGöcks, Helga Bechmann E-Learning-Förderung am Hochschulstandort Hamburg: vom Content zur nachhaltigen Strategie

325

Wirklichkeiten .Andreas Hebbel-Seeger Beyond the Hype. Lehren und Lernen in der virtuellen Welt von »Second Life«

330

Lisa Rosa Neues Lernen mit Medien: Lernen und Lehren mit Weblogs in der Schule

340

DanielRöhe Zu Hause ins Netz - im Netz zu Hause

348

Tim Schmidt, Tobias Thelen Buddypress

354

woggang Neuhaus, VolkhardNordmeier, Jürgen IGrstein Learners' Garden

360

Martin Lindner Die Bildung hacken

364

Torsten M~er, OieKoch, Sebastian Plönges True Fiction: Where No Student Has Gone Before

372

Sebastian Plijnges Die Markierung der Fakultät

376

MaiteMertz Wikis als Plattform für selbstreguliertes und kollaboratives Lernen

382

Ra!! Appelt Blogfarm an der Fakultät EPB

388

OieKoch Interaktive Tafeln als neues Medium im Schulunterricht. Workshoperfahrungen mit Lehramtsstudierenden

396

MirjamBretschneider Das Hamburger Netbookstipendium: ein Erfahrungsbericht

402

Christina Schwalbe Lehr- und Lernkultur im Wandel: vom Theaterdiskurs zum Netzdialog

408

Matthias Otto Train the Teacher

416

Sebastian Plijnges »Nach wie vor können Wetten darauf abgeschlossen werden .. .« Oder: Irritation als Kommunikation

426

Wry-Han Tan Neue Medien (er-)spielen

432

Sebastian P/ijnges Postironie als Entfaltung

438

Autorenverzeichnis

447

Vorwort Medien und Bildung hängen auf vielfältige Weise zusammen, auch wenn der Medienbegtiff nicht auf meuee oder selektrischec Medien reduziert wird. Seit aber von xiigitalenc Medien, sel.eaming-, >Wissensmanagement<, >Schulen ans Netze und >Virtueller Hochschulet die Rede ist, spätestens seit eine neue Generation von >Digital Natives: in die Schulen und Hochschulen eingezogen ist, sind (neue) Medien zu einem sprioritären Themas geworden, das die Bildungswissenschaften in ihrem institutionellen und disziplinären Selbstverständnis betrifft. Der vorliegende Band beschreibt ein interdisziplinäres Diskussionssfeld, das von der Philosophie und Soziologie über die Kunst-, Medien- und Kulturwissenschaften bis zur Infortnatik reicht und einen Raum eröffnet für ein breit angelegtes Nachdenken über pädagogisch-praktische wie bildungstheoretische Implikationen des medienkulturellen Wandels im Rahmen einer weltweit werdenden »Wissensgesellschaft«. Im Fokus stehen Fragen an die Institutionen der Bildung: Vor dem Hintergrund aktueller (Hoch-)Schulentwicklungsprojekte, veränderter Praktiken der Mediennutzung und neuer Kommunikations- und Kooperationsformen denken Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichem Grad an Selbstverständlichkeit über Unter- und Hintergründe, Visionen und konkrete Szenarien der (digitalen) Zukunft der Bildungsinstitutionen nach. Das Buch dokumentiert die Aktivitäten des Arbeitsbereichs Medien & Bildung der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg in zwei wesentlichen Projekten der vergangenen vier Jahre. Im Sommersemester 2006 wurde eine Ringvorlesungsreihe mit dem Titel Medien & Bildung initiiert, die bis 2009 jeweils im Sommersemester eine insgesamt recht stattliche Zahl von Beiträgern aus ganz verschiedenen Fachgebieten und Arbeitszusammenhängen versammelt hat, die sich aus den jeweiligen Bezugsfeldern heraus dem Zusammenhang von Medien und Bildung mal grundsätzlich, mal auf bestimmte Praktiken bezogen näherten. Aus der Gesamtheit der Vorträge sind hier diejenigen zur Publikation ausgewählt, die die institutionellen Kontexte und/oder den medienkulturellen Wandlungsprozess zum Thema haben. Eine thematisch anders fokussierte Auswahl von Texten ist in dem Band »Kontrolle und Selbstkontrolle« publiziert.' 1 Meyer/Mayrberger/Münte-Goussar/Schwalbe (Hg.): Kontrolle und Selbstkontrolle. Zur Ambivalenz von E-Portfolios in Bildungsprozessen, Wiesbaden: VS 2010 (Medienbildung und Gesellschaft Bd. 19).

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Torsten Meyer, Wey-Han Tan, Christina Schwalbe, Ralf Appelt

Das zweite große, hier dokumentierte Projekt ist das Hochschulentwicklungsprojekt ePUSH, das die Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg von 2007 bis 2010 durchgeführt hat. Wesentliches Ziel des Projekts war es, die Einsatzmöglichkeiten aktueller Informationstechnologien in Studium und Lehre durch Bündelung und Kommunikation ins Bewusstsein der Lehrenden und Lernenden zu rufen und dadurch einen selbstverständlichen Umgang mit diesen Technologien zu fördern. Das Projekt umfasst dem zugehörigen Förderprogramm der Hamburger Behörde für Wissenschaft und Forschung gemäß - ein Bündel von strategischen und strukturbildenden Maßnahmen, die auf verschiedenen Ebenen relativ tief in die Organisationsentwicklung der Fakultät eingreifen, diese mitgestalten und kritisch begleiten, um eine wirklich nachhaltige Implementation aktueller Medientechnologie in der Hochschullehre zu erreichen. Durch die Kombination dieser beiden Projekte - Ringvorlesung und Hochschulentwicklung - ist eine sehr interessante Theorie-Praxis-Melange gegeben, die nicht nur die relativ einmalige Situation des Arbeitsbereichs Medien & Bildung an der Universität Hamburg zwischen Forschung, Lehre und Service abbildet, sondern diesen Überschneidungsbereich von avanciertem medien- und kulturtheoretischen Zugriff und Cutting-edge-Medienpraxis in beide Richtungen anschlussfähig und höchst produktiv macht. Insofern versteht sich dieses Publikationsprojekt auch als Fortsetzung des mit dem interdisziplinären Symposion »Bildung im Neuen Medium« initiierten und im gleichnamigen Buch- dokumentierten Diskussionsprozesses, der unsere Arbeit in den vergangenen Jahren immens geprägt hat. Davon hat auch die sehr produktive Kooperation mit den außeruniversitären Institutionen der Lehrerbildung in Hamburg profitiert, die sich hier in mehreren Beiträgen widerspiegelt. Die Autorinnen und Autoren entstammen also ganz verschiedenen Institutionen und Arbeitsumfeldern. Das Buch versammelt insofern eine Vielfalt sehr unterschiedlicher Denkrichtungen, Handlungskontexte und damit verbundener Perspektiven auf den medienkulturellen Wandel in den Schulen und Hochschulen, die in der unmittelbar folgenden Einleitung noch detailliert beschrieben werden.

Meyer/Scheibd/Münte-Goussar/Meisd/Schwawe (Hg.): Bildung im Neuen Medium. Wissensformation und digitale Infrastruktur. Education Within a New Medium. Knowledge Formation and Digital Inftastructure, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann 2008. 2

Vorwort

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Dank Wir möchten ausdrücklich und herzlich allen Beitragenden zur Ringvorlesung Medien & Bildung, allen Kollaborateuren im Projekt ePUSH und, falls nicht deckungsgleich, allen hier beitragenden Autorinnen und Autoren für die Mitarbeit danken! Ebenso herzlich geht unser Dank an alle an diesen Projekten beteiligten studierenden Mitarbeiter, die ganz entscheidend mit zum Gelingen der Ringvorlesung, des Projekts ePUSH und dieses Buchs beigetragen haben. Dank für die Unterstützung der Ringvorlesung Medien & Bildung schulden wir der Arbeitsstellejiir Wissens- und Technologietransfer der Universität HambufJ!, und dem MMKH Multimedia Kontor Hamburg, dem MMKH außerdem für die organisatorische Begleitung des Projekts ePUSH. Dem Dekanat der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft gebührt Dank für den Mut zum Einlassen auf das Projekt ePUSH und die damit zusammenhängenden kulturellen Veränderungen in der Fakultät. Dem E-Learning Consortium HambufJ!, danken wir für die Weisheit, dieses Projekt als förderungswürdig ausgewählt zu haben.

Torsten Meyer, Wey-Han Tan, Christina Schwalbe, Ralf Appelt im Herbst 2010

AlIh. 1: PlihJ PwiJ:tiPUSH, UfIitImiIiiJ Hm.1JIwg2009 (SJJ.uIiMlPliiltgu; "6- S. 426ff.)

Medien & Bildung Institutionelle Kontexte und kultureller Wandel Einleitung Torsren Meyer

Wir haben es mit nichts Geringerem zu tun als mit der Vermutung, dass die Einführung des Computers für die Gesellschaft ebenso dramatische Folgen hat wie zuvor die Einführung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks. Dirk Baecker Hintergrund dieses Buchs ist die Annahme, dass kaum etwas so große Bedeutung für die Strukturen einer Gesellschaft und die Formen einer Kultur hat wie die jeweils sgeschäftsführcndenc Verbreitungsmedien. Diese Annahme wird von einer ganzen Reihe von Autoren aus ganz verschiedenen Disziplinen geteilt. So geht etwa der Soziologe und Kulturtheoretiker Dirk Baecker in seinen eingangs zitierten »Studien zur nächsten Gesellschaft« davon aus, dass die Einführung der Sprache die Stammesgesellschaft konstituierte, die Einführung der Schrift die antike Hochkultur, die Einführung des Buchdrucks die moderne Gesellschaft und die Einführung des Computers wird die - wie Baecker im Anschluss an den Managementdenker Peter F. Drucker formuliert - »nächste Gesellschaft« konstituieren (Baecker 2007: 7). In dem hier vorliegenden Buch geht es wesentlich um die mit den Wandlungsprozessen im Übergang von der smodemem zur >nächsten Gesellschaft< verbundenen Wirkungen auf die Bildungssysteme. Wir beschränken uns dabei vornehmlich auf die Universität und die allgemeinbildende Schule und fokussieren auf die Herausforderungen für die Institutionen der Bildung, den dort veränderten Umgang mit Wissen und das sich wandelnde Verständnis von Wissen sowie die in der Erziehungswissenschaft gern so genannten >Lehr-/Lernkulturen<, die mit den vielfältigen Wandlungsprozessen entstehen und sich in ganz konkreten Praxen niederschlagen.

Bildung im Neuen Medium Für die Universität spitzen sich Baeckers Thesen zu in der Vermutung, »dass sich die Universität der auf Schrift basierenden Hochkultur der antiken Adelsgesellschaft von der Universität der auf Buchdruck basierenden Moderne ebenso sehr unter-

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_1, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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scheidet wie Letztere von der auf dem Computer beruhenden >nächsten Gesellschafix« (Baecker 2007: 102f). Dieser Ansatz ist zunächst ein epistemologischer. Er geht, wie Michel Foucault in den Standardwerken der strukturalen Epistemologie »Die Ordnung der Dinge« (dt. 1974) und »Archäologie des Wissens« (dt. 1981) zunächst einmal davon aus, dass es so etwas wie eine Episteme als spezifische Struktur des Denkens einer jeweiligen Epoche tatsächlich gibt. Mit Marshall McLuhan ~)Die Gutenberg-Galaxis« dt. 1962/1995, im Anschluss Manuel Castells »Die Internet-Galaxis« 2005), aber auch Jean-Franc;ois Lyotard ~)Das postmoderne Wissen« dt. 1982) kommt die Idee hinzu, dass für diese spezifischen Strukturen des Denkens die jeweilig dominierenden Medientechnologien prägend sein könnten. Eine allerdings höchst interessante Sonderstellung nehmen hier auch die Arbeiten des Kunsthistorikers Erwin Panofsky ~)Perspektive als Symbolische Form der Neuzeit« 1927, in Anwendung der »Philosophie der Symbolischen Formen« Ernst Cassirers), im Anschluss an Panofsky auch Lev Manovich ~)Database as a Symbolic Form« 2001) und auf ganz andere Weise die Mediologie Regis Debrays ~)Jenseits der Bilder« dt. 1999, »Einführung in die Mediologie« 2004) ein. Diese theoretischen Ansätze legen die Rede von »medieninduzierten Wissensformationen« (vgl. Meyer 2006) nahe und finden in der metaphorisch verdichteten Formulierung »Bildung im Neuen Medium« einen leicht irritierenden Ausdruck, der konstitutiv war für das gleichnamige Symposion an der Universität Hamburg und das zugehörige Buch (Meyer/Scheibel/Münte-Goussar/Meisel/Schawe 2008), in dessen unmittelbarem Anschluss das hier vorliegende Buch entstanden ist.

Mediologie der Moderne Regis Debray fasst das je spezifische Zusammenspiel von technischem Medium, symbolischer Form und kollektiver Organisation mit dem Begriff der »Mediosphäre«, Debray hat drei große, durch solche medientechnologischen Prägungen unterscheidbaren Epochen identifiziert, die er analog zu Dirk Baecker als kulturelle Makromilieus versteht: Mit »Logosphäre« bezeichnet er die durch mündliche Tradierung und handschriftliche Aufzeichnungen geprägte Mediosphäre, die sich soziologisch als Stammesgesellschaft und antike Hochkultur darstellt. Sie dauerte bis in die Renaissance, in der sowohl der Buchdruck als auch kurz vorher die in Ihrer Bedeutung als Darstellungstechnologie oft unterschätzte Abbildungstechnik der Zentralperspektive erfunden und wirksam wurden. »Vom 15. Jahrhundert bis gestern« prägten diese neuen Medientechnologien die »Graphosphare«, Zurzeit umgibt uns gerade noch die »Videosphäre«, die aber nach Debray bereits wieder

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übergeht in »eine Art Hypersphäre, die sich hauptsächlich aus digitalen Signalen zusammensetzt« (Debray 2002: 6). Die Videosphäre, deren Beginn Debray auf die Einführung des Farbfernsehens 1968 datiert, unterscheidet sich demzufolge von der Graphosphäre vor allem durch ein verändertes Zeitempfinden. Der Augenblick triumphiert über die Dauer, das Direkte über das Indirekte, das Reaktive über das Diskursive usw. Und damit hängt zusammen: Die geistige Klasse, die das »gesellschaftlich Heilige«, das, was kulturell gespeichert und an die jeweils nächste Generation weitergegeben wird, bewahrt, war in der Logosphäre die Kirche mit ihren Geistlichen. In der Graphosphäre waren es die Intellektuellen, die Professoren, Doktoren und Studienräte in Schule und Hochschule. In der Video- und Hypersphäre sind es nun die Verteiler und Produzenten der unabhängigen Medien im Fernsehen (Videosphäre) und nun vor allem im Internet (2003: 64t). Grundsätzlich problematisch an solchen mediologischen Studien ist, dass wir das Denken in weit zurückliegenden (oder vor uns liegenden) Epochen nicht wirklich nachvollziehen können, weil die jeweils relevanten Informations- und Kommunikationstechnologien das (eigene) Denken substanziell mitformen. Beispielsweise können wir uns, weil wir aufs Engste damit vertraut sind und weil sie uns deshalb so »richtig« und »natürlich« vorkommt, nicht wirklich vorstellen, dass die zentralperspektivische Darstellungstechnologie nur eine unter anderen kulturspezifischen Repräsentationsformen und eben nicht die »objektive« Abbildung der Wirklichkeit ist. Zu sehr sind wir damit vertraut. Wir sind damit so sehr vertraut, dass wir die Zentralperspektive zum kulturtechnischen Gerät gemacht und die Fotografie als juristisch wirksames Beweismittel für die Wahrheit installiert haben (vgl. Panofsky 1927; Giesecke 1998; Schmeiser 2002). Aus heutiger, insbesondere Lehrer- oder Hochschullehrer-Perspektive ist ebenso schwer vorstellbar, dass es ohne maschinelle Vervielfältigung des Wissens in Form gedruckter Bücher gar keine Notwendigkeit für eine Alphabetisierung der Bevölkerung und Einrichtung entsprechender Institutionen gegeben hätte. Ein durch handschriftliches Kopieren hergestelltes Buch war viel zu teuer, als dass die Masse der Bevölkerung damit hätte versorgt können. Das Medium Buch wäre so knapp verfügbar geblieben, dass es gar keinen Sinn gemacht hätte, dass allzu viele Menschen über die (inzwischen zur Kulturtechnik gewordene) Medienkompetenz des Lesens verfügen. Ohne Gutenbergs Erfindung und die daraus folgende Möglichkeit, Bücher in Masse produzieren zu können, hätte wohl die Idee, die Bibel in für die Rezipienten verständliche Sprachen zu übersetzen, recht wenig Sinn gemacht. In der Folge hätte es deshalb vermutlich keine Reformation gegeben und auch wohl keine Aufklärung usw. Und auch Johann Amos Comenius wäre wohl nicht auf die für damalige Ver-

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hältnisse radikale Idee einer Schule für alle Kinder gekommen, die eben diese Medienkompetenz zum Umgang mit der Informations- und Kommunikationstechnologie >Buch< vermittelt. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich deutlich, dass die kulturellen und sozialen Folgen einer bestimmten Medientechnologie unter Umständen erst in größeren historischen Zusammenhängen ersichtlich werden. Die Institution >Schule< ist, zumindest in der gegenwärtigen Form der allgemeinbildenden Schule, im weiteren Sinn ein (Neben-)Produkt der Medientechnologie des Buchdrucks, das erst mit einiger zeitlicher Verzögerung gegenüber dem >Technology Trigger: im 15. Jahrhundert entstanden ist. Bezüglich der Bedeutung der aktuellen mediologischen Revolutionen für die Schule, ebenso für die Hochschule können wir deshalb getrost schließen : Wir haben noch keine wirkliche Ahnung, wo das einmal hingeführt haben wird.

Struktur des Buchs Entsprechend grundlegend soll der Zusammenhang von Medien und Bildung hier bedacht werden. Wir gehen dazu in vier großen Abschnitten vor. Der erste Teil, »Gründe«, entfaltet aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven zunächst sehr grundlegende Fragen und steckt so das Feld für die folgenden Abschnitte ab. Im zweiten Teil werden diese theoretischen Grundlagen auf verschiedene konkrete »Kontexte« bezogen, die durch den postulierten kulturellen Wandel im Kern betroffen sind: Raum, Bildung, Wissen, Universität usw. Der dritte Abschnitt entwirft im Anschluss unter der Überschrift »Folgerungen« einige konkrete Perspektiven für die Arbeit in unterschiedlichen institutionellen und organisatorischen Zusammenhängen: Welche Konsequenzen sollten angesichts der medienkulturellen Entwicklungen der letzten Jahre gezogen werden? Wie können sich Universitäten und Schulen zu den damit verbundenen neuen Formen des Sozialen verhalten? Der vierte Abschnitt schließlich gibt unter der Überschrift »Wirklichkeiten« einen sehr vielfältigen Einblick in ganz unterschiedliche Praktiken und Arbeitszusammenhänge im Kontext von Lehre und Forschung, die sich mit dem medienkulturellen Wandel in verschiedenen Institutionen und Situationen direkt befassen.

Gründe Zum Auftakt untersucht Thomas Weber in Wissensvermittlung in medialer Traniforma/ion den Stellenwert der aktuellen Medientechnologien in den bildungspolitischen Debatten. Anhand prominenter Positionen legt er dabei die Ängste, die Macht- und

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Kontrollphantasien und damit die Wertvorstellungen offen, die der Diskussion über die durch die neuen Kommunikationsformen veränderten Möglichkeiten des Zugangs zu Wissen und Information oftmals zugrunde liegen, ohne offen ausgesprochen zu werden. Ganz anders, nämlich ausgehend vom Konzept der Übertragung nach Freud und Lacan entfaltet Karl-Josef Pazzini in Bruchstücke einer Medien- und Bildungstheorie nach Fresd, inwiefern Bildungsprozesse in mediale Verhältnisse verstrickt sind, wenn Bildung als Passage, als Wechsel von einem symbolischen Platz an einen anderen verstanden wird und die damit verbundenen Prozesse von Verführung, Widerstand und Symptombildung mitgedacht werden. In Umkämpftes Internet legt Tanja Carstensen in Ausschnitten aus ihrer an Foucault und Goffman orientierten empirischen Analyse der Selbstdarstellung von Gewerkschaften in Zeitschriften und im Internet dar, welche unterschiedlichen, teils gegensätzlichen Eigenschaften und Bedeutungen, dem Internet jeweils zugesprochen und zugedacht werden und inwiefern die Rede vom Internet zum diskursiven Austragungsort politischer Kämpfe wird. Manfred Faßler geht in Dissipatives Wissen. Übergänge von nationaler Universalität ifI GlobalKnowledge Communities der Frage nach, wie sich die mit den digitalen Medien einhergehenden Bedingungen der Wissensproduktion und -distribution auf den Ort der Universität auswirken. Hat die Universität lange Zeit als nationale Institution funktioniert, autonom im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Bereichen, so sieht Faßler die Zukunft der Universität in veränderten, mobilen Arbeitsformen, die sich nicht mehr an der traditionellen Ordnung einzelner Disziplinen orientieren, sondern in transdisziplinären, immer nur temporären Projekten ein höchst dynamisches auf konkrete, zeitlich limitierte Anwendungsf:ille bezogenes Wissen generieren. Benjamin Jörissen nimmt in >Medienbildung< - ein Konzept in heterogenen institutionellen Verwendungskontexten eine Klärung des Begriffs der Medienbildung vor. Bei der Rede von >Bildung< gelte es jeweils zu unterscheiden zwischen sBildungc als sOutputx eines Bildungssystems, Bildung als Ergebnis pädagogisch initiierter individueller Lernprozesse und Bildung als Transformation von Selbst- und Weltverhältnissen (nach Kokernohr, Koller et al.). >Medienbildung< lässt sich in Analogie dazu verstehen als Gegenstand bildungspolitischer Auseinandersetzungen, als Ziel oder Ergebnis einzelner Lernprozesse oder zur Bezeichnung von Transformationsprozessen unter dem Gesichtspunkt der Medialität. In >E -Learning
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mittlung von Analogem und Digitalem gedacht wird und welche Vorstellungen und Utopien von Steuerbarkeit und Perfektibilität als Überwindung der Unzulänglichkeiten des Subjektiven gegenüber dem Objektiven mit dem Einsatz elektrischer Medien verbunden sind. Es geht ihm auch darum, die mit jeweils >Neuen Medien: verbundenen sendliehe in greifbare Nähe rückenden Utopien zu überdenken. Stefan Sonvilla-Weiss untersucht in Kommunikationstechniken, -aktivitäten und -strategien derGeneration >Web n+ 1( die ambivalenten Folgen des medienkulturellen Wandds für die einzelnen Subjekte und deren soziales Miteinander. Er beschreibt NetzÖkonomien und Hacker-Ethiken, Ideale sozialen Netzwerkens und Wissensorganisation mittels crowdsourcing anhand verschiedener Beispiele, Deutlich wird dabei vor allem, wie der Geist der früheren Open-Source-Bewegung und der HackerEthos der 1990er-Jahre die Massenmedien-Kultur erreicht und diese mit einiger Selbstverständlichkeit unwiderruflich in eine partizipative Medienkultur verwandelt,

Kontexte In Wissen, Medien und Vermittlung legt Thomas Höhne zunächst dar, inwiefern >Wissensvermittlung< seit dem 17. Jahrhundert zunehmend zu einem zentralen Dispositiv gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse geworden ist. Bezogen auf die aktuelle Situation lässt sich unter dem Vorzeichen der Rationalisierung eine Tendenz der Entkopplung von Vermittlung und Aneignung beobachten, die das Problem der Legitimation der Auswahl und Aneignung von Wissen zunehmend an das einzelne Subjekt delegiert und das Vermittlungswissen im Sinn eines >Lernens des Lernense immer abstraktere Formen annehmen lässt. Das führt zu einer gänzlich neuen, nämlich sen tstofflichtenc Didaktik und es führt zu einem völlig veränderten, in gewisser Weise sentgrenztenc Lernsubjekt. Wolfgang Legler zeichnet in Pestalo~, die Moderne und das Internet einige bislang unerkannte historische Verbindungslinien, die das Verhältnis von Medien und Bildung betreffen. Ihren Ausgang nehmen Leglers Überlegungen bei der von Pestalozzi entworfenen formalen Bildungstheorie, die darauf abzielt, Kinder in die Lage zu versetzen, mit einfachen Methoden jeden denkbaren Sachverhalt anschaulich zu erfassen. Legler diskutiert die dabei wesentlichen Fragen nach Abstraktion und Komplexitätsreduktion und kann deutlich machen, dass veränderte Wissenskulturen - insbesondere, wenn sich die Produktions-, Aneignungs- und Legitimationsformen von Wissen so radikal verändern wie gegenwärtig - veränderte Lernkulturen erfordern. Im Rückgriff auf Regis Debray und Michael Giesecke wendet sich Christina Schwalbe in Die Universitlit derBuchkultur im digital vernetifen Medium den Folgen des

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aktuellen medialen Wandels für die Universität als Institution der Weitergabe und Produktion von Wissen zu. Um die Tragweite der derzeitigen Entwicklungen in ihrer Tiefe verstehen zu können, spannt sie einen weiten historischen Bogen von der Phase der Gründung der Universität über die neuzeitlichen Veränderungen und entdeckt in den früheren medialen Umbrüchen überraschende Parallelen zu den heutigen Vorgängen. .Ähnlich wie Manfred FaBler plädiert auch Schwalbe für eine verstärkte Hinwendung zu Formen eines operativen Umgangs mit Wissen. Ausgehend von einem historischen Vergleich wendet sich Michael Scheibel in Biidungsräume im Inftrmationszeitalter den räumlichen Bedingungen schulischen Lernens zu. War die räumliche Ordnung an Schulen im ausgehenden Mittelalter dezentral, das dort stattfindende Lernen in hohem Maße selbstorganisiert, so wird mit Comenius im 17. Jahrhundert das in der Renaissance als Abbildungstechnik entwickelte Verfahren der Zentralperspektive, das die Wahrnehmung der lernenden Subjekte auf die zentrale Autorität des Lehrers hin ausrichtet, auf die Schule übertragen. Erst mit der Reformpädagogik - und noch einmal anders durch die digitalen Medien - wird die zentralperspektivische Ordnung des pädagogischen Raumes wieder aufgebrochen. Mit dem Verhältnis von räumlichen Ordnungen und pädagogischen Prozessen befasst sich auch Timo Meisel, der in Eine Mustersprache, die Medienbiidungsräume erzeugt den Entwurf eines Baukastens für die konkrete Gestaltung von >Medienbildungsräumen< skizziert. Im ersten Teil seines Beitrages entfaltet er, wie >Medien<, >Bildung< und sRaum. zusammenhängen, indem er die Begriffe in verschiedenen Konstellationen untersucht. Im Anschluss unternimmt er den Versuch einer Formalisierung der gewonnenen Einsichten mittels einer in Anlehnung an den Architekturtheoretiker Christopher Alexander entworfenen >Mustersprache< zur Gestaltung der »pädagogischen Umgebung« (Göhlich), In einem sehr umfassenden Kontext skizziert Manfred Faßler in Universität- Next Generation, wie sich Universitäten zu den medialen und technologischen Umbrüchen verhalten sollten, um als Institutionen des professionellen Umgangs mit Wissen bestehen zu können. Während sich die klassische Universität als (alleiniger) Ort der Ansammlung von Wissen und der Überführung empirischen Materials in die Ordnung typographischer Wahrheit definierte, ist die stransklassischec Universität mit der Kränkung konfrontiert, dass sie in Bezug auf ihre Verdichtungs- und Deutungsleistungen kein Monopol mehr hat. Die Universität ist zunehmend als Instanz gefragt, die angesichts der Unübersichtlichkeit von Daten- und Informationsströmen Prozeduren der intelligenten Hierarchisierung und EntscheidungsfIndung unter komplexer werdenden Bedingungen anbieten kann und (neu) zu legitimieren weiß.

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Folgerungen Ähnlich wie Manfred Faßler setzt sich Arno Rolf in Schlüsselqualifikation 2.0. Wissen, wie alles ~sammenhängt mit der Frage auseinander, welchen Umgang ein universitärer Studiengang wie Informatik mit dem Problem der weltweit verfügbaren, permanent wachsenden Menge an Informationen und der Vielfalt und starken Qualitätsunterschiede finden kann. An ausgewählten Szenarien erläutert er, welche Strategien und Prozeduren der Komplexitätsreduktion, Selektion und Orientierung konkret in einem zeitgemäßen Studiengang Informatik entwickelt und vermittelt werden sollten. Auch Norbert Breier befasst sich in Inftrmatische Bildung und Medienbildung im Fächerkanon aus der Perspektive des Informatikdidaktikers mit dem Problem, wie mit der Fülle der weltweit vernetzten Informationsquellen ein sinnvoller Umgang gefunden werden kann. Mit Bezug auf die frühen Kybernetiker erläutert er, inwiefern sInformatil« ein eigenes Wissensgebiet darstellt und was das Spezifische dieses Fachs ausmacht. In Abgrenzung von Shannons eng gefasstem Informationsbegriff plädiert er für ein weiter gefasstes Verständnis und rückt das Fach damit in eine enge Beziehung zur Medienbildung. Christian Lenz fragt nach den Aufgaben, Miiglichkeiten und Grenzen der schulischen Medienpädagogik aus derSicht derLabreraus- und fortbildung. Vor dem Hintergrund einer Verortung der Medienpädagogik im Hamburger Schulwesen fordert er im Einklang mit aktuellen Ansätzen zur Theorie der Medienbildung einen Umgang mit Medien, der nicht auf ein instrumentelles Verständnis des Mediums als Werkzeug beschränkt ist, sondern Medien in einem umfassenden Sinn als Voraussetzung und Teil jeglicher Art von Bildungsprozessen versteht. Im Zuge der Vorstellung einer im Rahmen des baden-württembergischen Schulkunst-Programms gehaltenen Unterrichtseinheit möchte Frieder Kerler in seinem Beitrag Spur, Rekonstruktion, Medium den im Sinne Luhmanns unscharfen bzw. schwachen Begriff des Mediums präzisieren. Ausgehend vom Konzept des Mediums als Spur und Speicher fragt er, welche Relationen von Subjekt und Objekt dem Medienbegriff jeweils implizit zugrunde gelegt werden und inwiefern die an Prozessen der Vermittlung beteiligten Medien das jeweilige Verhältnis von Subjekt und Objekt transformieren. Mit der Frage, inwieweit durch den Einsatz aktueller Medientechnologien an den Hochschulen ideale Instrumente für forschendes Lernen und wissenschaftliches Prüfen gegeben sind, setzt sich Gabi Reinmann in ihrem Beitrag Forschendes Lernen und wissenschriftliches Prüfen: Diepotentielle undfaktische Rolle derdigitalen Medien auseinander. Sie rekurriert dabei eine bereits vor 40 Jahren verfasste Schrift der BAK, die Anlass für die erneute Bearbeitung der Fragestellung auch vor dem Hintergrund des

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Bologna-Prozesses ist. Die bereits damals erkannten Probleme treten, so der Befund, durch den Gebrauch digitaler Medien nur mit umso schärfer hervor. Mandy Sehiefner informiert in Social Sriftware und Unillersitäten: eine kritische AnalYse des Status quo über den derzeitigen Stand des Einsatzes von Social Software an Hochschulen und nimmt einen kritischen Abgleich der ursprünglich mit den neuen Technologien verbundenen Erwartungen vor. Nach einem differenzierten Überblick über das Spektrum der Nutzung von Web-2.0-Technologien kommt sie zu dem Ergebnis, dass man in vielen Bereichen noch weit davon entfernt ist, die Potentiale der neuen Medien auszuschöpfen, weil deren Einsatz sich oftmals auf die organisatorischer Ebene beschränkt, während der strukturelle Ist-Zustand erhalten bleibt. Mare Göeks und Helga Beehmann vom MultimediaKontor Harnburg geben in E-Learning-Förderung am Hochschulstandort Hamburg: 110m Content ~r nachhaltigen Strategie einen Einblick in die hochschulübergreifenden Maßnahmen zur Förderung von »eLearning und Multimedia in der Hochschullehre« in Hamburg. Es werden vier größere Projekte aus dem entsprechenden Sonderprogramm der Behörde für Wissenschaft und Forschung vorgestellt, die dazu beitragen sollen, strategische Maßnahmen zur nachhaltigen Implementierung von E-Learning auf breiter Ebene zu entwickeln. Der Beitrag bildet insofern die strategische Einleitung zu letzten Abschnitt des Buchs, in dem u.a. auch aus der Praxis der in diesem Kontext geförderten Projekts ePUSH berichtet wird.

Wirklichkeiten In den Kurzbeiträgen des vierten Teils werden Einblicke in den Umgang und die Erfahrungen mit aktueller Medientechnologie in unterschiedlichen Bereichen der Bildungspraxis in Schule und Hochschule gegeben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Projekten der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg, die in Zusammenhang stehen mit dem dort von 2007 bis 2010 durchgeführten Hochschulentwicklungsprojekt ePUSH. Angesichts des Umstandes, dass man mittlerweile auf eine mehrjährige Erfahrung mit vielen Anwendungen aus dem Bereich des Web 2.0 zurückblicken kann, wird an vielen Stellen auch ein Abgleich der mit den neuen Formen der Kommunikation verbundenen Wünsche und Utopien, aber auch der Ängste, mit der Realität vorgenommen. Wo werden tatsächlich neue Möglichkeiten erzeugt und wo werden lediglich bereits bekannte Formen der sozialen Interaktion reproduziert? Welche Praktiken sollten weiter verfolgt und ausgebaut werden, welche Tendenzen sind kritisch zu betrachten?

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Die Berichte aus den Erfahrungen in der Praxis bestätigen, was in den vorangehenden Abschnitten v.a. von Manfred Faßler konstatiert wurde: Die aktuellen Informations- und Kommunikationstechnologien und die sich um sie herum bildenden Medienkulturen stellen die von den klassischen Bildungsinstitutionen praktizierten Formen und Grenzziehungen in Frage. Durch die mit den veränderten Medienkulturen verbundenen Praktiken werden traditionelle Unterscheidungen wie die zwischen srealere und rvirtueller Welt< zu einer neuen Form von >Wirklichkeit< verschmolzen und klassische Autoritäts- und Herrschaftsgefüge zwischen der älteren und der jüngeren Generation zur Diskussion gestellt. Das erzeugt Verunsicherungen, wird Anlass zu neuem Nachdenken, stellt die an den medialen Gefügen Beteiligten vor neue Fragen der Entscheidung. Wie mit diesen Verunsicherungen umzugehen ist, welche Entscheidungen sich als richtig erwiesen haben werden, ist noch nicht absehbar. Hier werden paradigmatisch einige sehr verschiedene, zum Teil überraschende Möglichkeiten aufgezeigt, wie in den je besonderen Situationen an den je besonderen Orten, mit den Herausforderungen und Verunsicherungen, die durch die Neuen Medienkulturen provoziert werden, umgegangen werden kann. Bei aller kritisch zu betrachtenden Tendenz zur Standardisierung und Furcht vor den Möglichkeiten der Kontrolle, die mit den Formen digitaler Kommunikation verbunden sind, lassen die Beiträge des letzten Teils doch deutlich werden, welche vielfältigen und lebendigen Formen der Umgang mit den aktuellen Medientechnologien im Kontext von Lehre und Forschung in Schule und Hochschule haben kann. Andreas Hebbe1-Seeger liefert einen differenzierten Erfahrungsbericht über die Einbindung der Plattform »Second Life« in das universitäre Lehren und Lernen und die Möglichkeiten und Grenzen für studentische User. Lisa Rosa legt aus der Sicht der Lehreraus- und -fortbildung dar, inwiefern mit dem Web 2.0 eine neue Kultur des Lernens geschaffen wurde. Zur Veranschaulichung stellt sie einige Weblogs aus an weltweit unterschiedlichen Orten gelegenen Schulen vor, auf denen sowohl Schülerarbeiten präsentiert werden als auch ein in weiten Teilen öffentlich zugänglicher Austausch zwischen Lehrern und Schülern stattfindet. Auch Daniel Röhe, Leiter einer Hamburger Schule für Kinder mit besonderem Förderbedarf, berichtet von seinen Erfahrungen mit dem gemeinsamen Arbeiten im Klassenblog. Durch den gegenseitigen Austausch im Blog werden auch diejenigen Kinder, die ansonsten nur schwer erreichbar sind, in gemeinsame Lernprozesse eingebunden. Tim Schmidt und Tobias Thelen präsentieren einige Ausschnitte aus der Testphase der Blogfarm »Buddypress« der Universität Osnabrück, Im Dialog mit Studierenden erläutern sie die Funktion und das Themenspektrum von universitären

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Blogs im Unterschied zu anderen Anbietern und kommen auch auf grundlegende rechtliche Fragen zu sprechen. Wolfgang Neuhaus, Volkhard Nordmeier und Jürgen Kirstein stellen die Plattform »Learners' Garden« vor, deren Ziel es ist, einen Ort zu schaffen, der vor kommerziellen Übergriffen geschützt ist und gemäß den Ansätzen von >Open Educational Ressourcese, sOpen Aceesse und sOpen Sourcee freien Zugang zu wissenschaftlichen und bildungsrelevanten Ressourcen - sowohl Software und Tools als auch Inhalte und Netzwerke - zu sichern. Martin Lindner plädiert in seinem Bericht von der gemeinsam mit Basti Hirsch und anderen durchgeführten Unkonferenz »Die Bildung hacken« für neue Formen der Zusammenarbeit im Bereich der Bildung und denkt darüber nach, welche Strategien aus der derzeitigen Situation herausführen könnten: »Unsere Bildungsinstitutionen sind aus sich selbst heraus unreformierbar. Wir brauchen einen Neustart.« Torsten Meyer, OIe Koch und Sebastian Plönges stellen die verschiedenen im Rahmen des Hochschulentwicklungsprojekts ePUSH eingeführten Maßnahmen vor, die dazu dienten, einen selbstverständlichen Umgang mit den aktuellen Kommunikations- und Informationsmedien und den daraus resultierenden Veränderungen an der Fakultät für EPB der Universität Hamburg zu befördern. Sebastian Plönges nimmt eine wiederum im Zuge des ePUSH-Projekts auf dem Campusgelände vor dem Gebäude der Fakultät platzierte Installation in Form eines überdimensionierten Google-Maps-Markers, die uns mit der Allgegenwart digitaler Medien konfrontiert, zum Anlass, über das Verhältnis von >Wirklichkeit< und rvirtueller Welt< nachzudenken. Malte Mertz gibt einen Einblick in die Arbeit mit Wikis, die im Rahmen des gemeinsam mit der Universität Helsinki angebotenen Studiengangs »ePedagogy Design« eingesetzt wurden. Ralf Appelt erläutert die einzelnen Funktionen und Möglichkeiten, die Studierenden und Lehrenden durch die Blogfarm im Kontext der Plattform »life« an der Fakultät EPB zur Verfügung stehen, und zieht eine Bilanz des bisherigen Nutzungsverhaltens. OIe Kochs Beitrag ist einem neuen Instrument des Lehrens gewidmet, das zunehmende Verbreitung findet: Der Hamburger Senat hat im Jahr 2010 die Mittel zur Einführung interaktiver Tafeln an 200 Schulen bereitgestellt; ebenso wurde im Rahmen des Projekts ePUSH der Umgang mit interaktiven Tafeln in die Lehrerausbildung eingeführt. Mirjam Bretschneider, die sich in einem Praktikum in Helsinki mit dem Thema »Beratung in virtuellen Welten« auseinandergesetzt hat, konnte dabei vom Hamburger Netbookstipendium profitieren, das ihr vom Medienzentrum der Fakultät EPB verliehen wurde. Sie berichtet auch davon, wie sich auch über das Praktikum in Helsinki hinaus ihr Lernen im Hamburger Studienalltag verändert hat. Hatte Christina Schwalbe in der Rubrik »Kontexte« nach den Fol-

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gen und Konsequenzen des Übergangs von der Logosphäre in die Graphosphäre für die universitären Wissenspraktiken gefragt, so geht sie im Zuge ihrer Überlegungen zu der im Rahmen des Projekts ePUSH entwickelten KommunikationsPlattform »life« den neuen Tendenzen der universitären Lehr- und Lemkultur nach, die mit Flusser als Übergang von einer als Theaterdiskurs bezeichneten Form der Lehre zu vernetzten Formen des Dialogs verstanden werden können. Matthias Otto beschreibt die ebenfalls im Rahmen von ePUSH begonnene Einrichtung eines Systems zur Schulung von studentischen eTutoren. Er reflektiert die für die Tutoren auftretenden Probleme, die aus der Umkehrung der klassischen Autoritäts- und Rollenverhältnisse zwischen Lehrenden und Studierenden resultierten, und erläutert, wie diese Schwierigkeiten bei der Schulung und Betreuung der eTutoren gelöst bzw. gemildert wurden. Sebastian Plönges, der gemeinsam mit anderen Mitarbeitem eine Plakatserie entworfen hat, die auf das Projekt ePUSH aufmerksam machen sollte, legt aus systemtheoretischer Perspektive dar, welche Überlegungen bei der konkreten Umsetzung der Plakatentwürfe im Spiel waren. Das Ziel, über die zunächst durch Irritationen und Unsicherheiten erzeugte Aufmerksamkeit eine Teilhabe am Projektgeschehen zu erzeugen, wurde offensichtlich erreicht. Zum Abschluss nähert sich Wey-Han Tan bei seinem Nachdenken über die aus ePUSH und ähnlichen Projekten hervorgegangenen Denk- und Arbeitsformen aus spieltheoretischer Perspektive der nur scheinbar einfachen Frage, worin eigentlich der Unterschied zwischen den saltene und den sneuene Medien, mithin zwischen dem Analogen und dem Digitalen, genau besteht, und gelangt im Zuge der Beantwortung dieser Frage zu einigen interessanten lern- und bildungstheoretischen Bemerkungen. Und ganz zum Schluss nimmt Sebastian Plönges noch ein von Torsten Meyer gemeinsam mit dem Künstler Johannes Hedinger und der Kunstpädagogin Theresa Rieß durchgeführtes Projektseminar zum »Postironischen Manifest« des Schweizer Künstlerduos Com&Com zum Anlass, über die Möglichkeiten der Unterscheidung zwischen sGesagternc und sGemeintemc zu reflektieren. Anstatt vorschnell eine Entscheidung über die buchstäblichen Aussagen des »Postironischen Manifests« zu treffen, schlägt Plönges vor, es post-ironisch ernst zu nehmen und nach den Konsequenzen der damit getroffenen Entscheidung zu fragen. Im Rückgriff auf Spencer Brown argumentiert er, dass jegliche Mitteilung die Frage der Differenz zwischen Gesagtem und Gemeintem mit sich führt und somit die Entscheidung über das Verhältnis von Mitteilung und Information in der Verantwortung des Empfängers liegt. Das gilt ebenso für den Empfänger dieses Buchs. Ich wünsche eine inspirierte Lektüre.

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Gründe

Wissensvermittlung in medialer Transforma'tion Bemerkungen zu sich verändernden Wertmaßstäben in der bildungspolitischen Debatte Thomas Weber

Neue Medien als >Kränkung< des menschlichen Subjekts Wie gehen wir in Zukunft mit Wissen um? Wie sehen die neuen Schnittstellen zwischen Medien und Bildung aus? Welche Konsequenzen hat dies für unser Selbstverständnis (unsere -Identitän), für unsere Form der Gemeinschaft und damit direkt verbunden auch für die Leitwerte oder die Legitimationsinstanzen von Ethik und alltäglichen Verhaltensweisen? Diese Fragen stellen sich in den letzten Jahren verstärkt nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer )Bildungskrise<, die tradierte Bildungseinrichtungen wie Schule (siehe PISA) und Universität (siehe Bologna-Reformen) trifft und die Frage nach dem Stellenwert, nach neuen Leitwerten für diese Institutionen aufwirft. Dabei handelt es sich nicht allein um neue Konzepte der pragmatischen, technischen oder administrativen Neujustierung, sondern immer auch um Wertvorstellungen, wie dies etwa in der Diskussion bei Autoren wie Beck und Baecker deutlich wird. In diesen Diskussionen geht es nicht zuletzt auch um Medien, was die Antworten zunächst komplizierter zu machen scheint - oder Reaktionen wie diese hervorruft: »Mein Kopf kommt nicht mehr mit«, schrieb FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmaeher kürzlich in seinem neuesten Buch »Payback« (Schirrmacher 2009: 14) angesichts einer chaotisch scheinenden Informationsflut und übermächtiger, gleichwohl intransparenter Programmcodes, die unser von digitalen Anwendungen bestimmtes Leben dominieren - zum Leidwesen des geschunden sich fühlenden Subjekts: »[...] ich bin unkonzentriert, vergesslich und mein Hirn gibt jeder Ablenkung nach. Ich lebe ständig mit dem Gefühl, eine Information zu versäumen oder zu vergessen [.. .].« (Ebd.: 15) Auch wenn Frank Schirrmachers Text nicht auf der Höhe der theoretischen und wissenschaftlichen Debatte über Medien argumentiert - entsprechende Kritiken sind nachzulesen etwa bei Sascha Lobo im Spiegel! -, zitiere ich ihn hier nicht, um gegen ihn eine Spiegelfechterei zu beginnen, sondern weil ich seine Beschreibung unserer I Vgl. Lobo 2009. Lobo weist im Übrigen auch auf die snobistischen Züge von Schiermachers Argumentation hin. Tatsächlich handelt es sich hier um einen Elitendiskurs, der um den Bedeutungsverlust der Bildungseliten fürchtet wie einst die Wortintelligenz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_2, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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durch Medien geprägten Situation zunächst erst einmal ernst nehmen möchte: Denn in ihr zeigen sich typische, vielleicht auch klischeehafte Wertvorstellungen, die gerade die Debatte über Medien und Bildung bis heute prägen. Es ist einerseits das Festhalten an einer tradierten Idee des autonomen Subjekts, das seit der Aufklärung und hier insbesondere seit Immanuel Kant als Sitz der Vernunft und als Appellationsinstanz fungiert, die durch den eigenständigen Gebrauch des Verstandes die vernünftige Beherrschung der Welt (und ihrer Objekte) legitimieren soll. Und andererseits die seit Wilhelm von Humboldt meist damit zusammengedachte Idee, dass Bildung mehr als nur die Vermitdung von Wissen ist, d.h. vor allem einer von unmittelbaren wirtschaftlichen Zwängen freien Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit dienen soll, die das Individuum zu einem autonomen Subjekt heranreifen lässt. Diese Idee kommt bei Schirrmacher vor allem dort zum Vorschein, wo er den Verlust der Autonomie oder die Degradation des Subjekts beklagt. So schreibt er: »Das Verhältnis meines Gehirns zur Informationsflut ist das der permanenten würdelosen Herabstufung.« (Schirrmacher 2009: 14) Die >Kränkung< sitzt tief und erfahrt sobald von Schirrmacher eine biologische Verstärkung: Die Nutzung der digitalen Anwendungen führt zu einer Veränderung der Gehirnstrukturen, der Denkweisen selbst. Im Gegenzug erhalten die Computer eine nie gekannte Macht, ja sie treten selbst an die Stelle der Subjekte, sozusagen eine Form der Selbstermächtigung der Objekte. Schirrmacher konstatiert: »Die digitale Gesellschaft ist im Begriff, ihr Innenleben umzuprogrammieren. Auf der ganzen Welt haben Computer damit begonnen, ihre Intelligenz zusammenzulegen [. ..].« (Ebd. : 20) Zum anderen soll die Handlungsmacht des menschlichen Subjekts durch Bildung wieder zurückgewonnen werden. Seine Vorschläge zielen auf eine Stärkung der Willenskraft, die man trainieren könne wie einen Muskel (vgl. ebd.: 164) und einen Ausbruch aus den Routinen. Gerade der Bildung komme heute hier eine neue Aufgabe zu, da sie den Menschen wieder ihre Stärken bewusst machen müsse: Statt der Vermitdung von Wissensbeständen komme ihr mehr und mehr die Aufgabe zu, den Menschen die eigene Kreativität bewusst zu machen. Für Schirrmacher sind die Träger des Bildungsprozesses die tradierten Bildungsinstitutionen und er fordert entsprechende »Konsequenzen in Schulen und Hochschulen« (ebd.: 210): »Dabei geht es nicht darum, schon Kindergärten mit Computern auszustatten - im Gegenteil .« (Ebd.: 210f.) Für ihn »liegt auf der Hand, was zu tun ist. Es ist gar nicht besonders schwer, wenn man sich vom Zertifizierungswahn und der grotesken Verschulung heutiger Hochschulausbildungen verabschiedet (ebd.: 211)«: Statt Subjekte müsse heute Subjektivität unterrichtet werden, statt Wissensbestände

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müsse man Denken lehren, um die Subjekte zu »Kreativität, Toleranz und Geistesgegenwart« (ebd.: 21) zu erziehen. Ganz einfach, oder? Früher empfahlen Pädagogen das Abschalten des Fernsehens (wie etwa der von Schirrmacher geschätzte und zitierte Neil Postman - »Wir amüsieren uns zu Tode«), was beim Computer jedoch nicht geht (wie Schirrmacher einräumt), da man ihn auch zum Arbeiten benötigt; oder sie regten sich über den durch Medien bewirkten moralischen Verfall auf und forderten ein Einschreiten der staatlichen Zensur (wie etwa die Kinoreformbewegung der 191Oer-Jahre, die die geballte deutsche Wortintelligenz gegen das damals neue Medium Kino in Stellung brachte). Diesmal hingegen geht es snure um die Fähigkeit zu denken . . . In den letzten Jahren wurde diese Position in der wissenschaftlichen und theoretischen Diskussion als Mediendeterminismus bekannt. Schon in den 1990er-Jahren schrieb der Medientheoretiker Norbert Bolz: »Die Erde ist nicht der Mittelpunkt der Welt; der Mensch ist auch nur ein Tier; das Ich ist nicht der Herr im eigenen Haus - es ist uns einigermaßen gelungen, mit diesen narzißtischen Kränkungen umzugehen. Nun schicken sich künstliche Intelligenzen an, uns auch noch die letzte stolze Domäne streitig zu machen: das Denken,« (Bolz 1999: 9)

In der bolzsehen Perspektive führt die Weiterentwicklung der Maschinen zu einer immer weiteren Marginalisierung des Menschen. Die bisherigen geistes- und kulturwissenschaftlichen (oder auch kulturanthropologischen) Modelle würden kaum mehr angemessen diesen grundlegenden Wandel beschreiben, der einen anderen Standpunkt des Betrachters erfordere. Bei Bolz heißt es weiter: »Die Herausforderung der humanistischen Kultur durch die technische Wirklichkeit der neuen Medien hat Marshall McLuhan schon 1962 als Interface zweier Großstrukturen - heute würde man sagen: als Paradigmenwechsel beschrieben. Dieser Wandel der kulturellen Grundbegriffe lässt sich genauer angeben. Die Welt der neuen Medien hat von Subjekt auf System und von Subjekt-Objekt-Beziehungen auf den Regelkreis Mensch-Welt umgestellt. Was einmal Geist hieß, schreibt sich heute im Klartext von Programmen an.« (Ebd.)

Der Mensch ist nach Bolz nur noch ein Schaltmoment im Medienverbund. Doch ändert sich allein durch Medien unsere ganze Denkweise?

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Mediendeterminismus oder Komplexität von Mediensphären Schon bei McLuhan und bei Benjamin lag die Sache etwas komplizierter: Bei Benjamin ging es gerade darum, eine welthistorische Veränderung der kulturellen Perzeption zu beobachten, die allerdings nicht allein nur von Medien geprägt wurde, sondern auch von der Entwicklung einer Massengesellschaft. Entsprechend wählt Benjamin auch Begriffe, die beide Entwicklungen aufeinander beziehen: Er spricht bei technisch reproduzierbaren Kunstwerken wie dem Film nunmehr von der Möglichkeit einer »zerstreuten Rezeption in der Masse«; Benjamin versucht, sich bewusst von überkommenen Begriffen wie »Schöpfertum und Genialität« (Benjamin 1980: 473) abzusetzen, kurzum von Werten, die allein nur auf die Befindlichkeit des einzelnen Subjekts zielen; an ihre Stelle setzt er Werte, die die Bedeutung der neuen Perzeptionsformen für Gesellschaft und Kultur hervorheben. Es geht also um einen Wertewandel, der zwar mit Medien und ihrem Gebrauch verbunden ist, der in einer z.B. von Marshall McLuhan beschriebenen Mediensphären kulminiert. Dabei ging es McLuhan vor allem um die sinnliche Erfahrung von Medien, um ihre aisthetische Wahrnehmung in unterschiedlichen historischen Konstellationen und weniger um präzise benennbare Zäsuren der Kulturgeschichte durch Medien. Sein Ansatz ist daher auch weniger mediendeterministisch, sondern beschreibt Mediensphären, in der Medien komplexe Korrelationen ausbilden und damit auch die Denkweise einer Epoche prägen. Auch neuere Ansätze, die auf die Vorstellung von >Mediensphären< rekurrieren, wie etwa die von Regis Debray in Frankreich initiierte Mediologie, wehren sich explizit gegen eine monokausale oder gar deterministische Vorstellung der Prägung durch Medien (vgl. Debray 1998; 1999). Auch mit der von Debray vorgeschlagenen, an McLuhan erinnernden Periodisierung (z.B. Logosphäre für die Schriftkultur, Graphosphäre für die Buchdruckkultur Videosphäre für die Ära des Bewegtbildes bzw. bei Debray des Fernsehens USw.) geht es nicht um eine von Medien determinierte Abfolge von Epochen, also weniger um eine chronologische als vielmehr um eine logische Zuordnung, da sich die Mediensphären durchaus gegenseitig durchdringen können und die Mediologie ausdrücklich auf die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen hinweist. Die Mediologie hebt eher auf die (auch schon bei McLuhan sichtbaren) medienökologischen Dimensionen von Mediensphären ab, in denen Medien ein korrelatives System ausbilden, das die kulturelle Denkweise, die konventionalisierte kulturelle Wahrnehmung einer Epoche prägt (vgl.Weber 2008). Dabei spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle, angefangen z.B, bei den sozialen und ökonomischen Bedingungen, über die historischen Beharrungskräfte und Traditionen, hin zum Stand der technischen Entwicklung und der Beschaffenheit

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von Speichermaterialien usw. Kurzum, es geht um eine skoevolutionärec (vgl. Faßler 2009) bzw. genauer gesagt skorrelativee Entwicklung ganz unterschiedlicher Faktoren, die erst in ihrem Zusammenspiel eine >Mediensphäre< und damit auch eine kulturelle Denkweise und d.h. auch Wertmaßstäbe prägen, an denen diese sich orientiert.

Trennung von Bildung und Wissensvermittlung Dies gilt auch für Wertschätzung von Bildung und Wissensvermittlung, die in tradierten humanistischen Vorstellungen gerne zusammengedacht wurden, die aber immer stärker dort auseinanderfallen, wo tradierte Bildungseinrichtungen (wie Schule und Universität) ihr Monopol auf Wissensvermittlung verlieren und erhebliche Teile der Vermittlung von Wissen in eine immer diffuser scheinende Medienkultur übertragen werden, wo Wissen en passant, gleichsam >zerstreut< im Sinne Benjamins aufgenommen und verarbeitet wird. Wissensvermittlung trennt sich von tradierten Bildungsinstitutionen und deren Wertmaßstäben zur Bildung eines autonomen Subjekts (wie dies tatsächlich eingelöst wurde, wäre ohnehin noch eine ganz andere Frage), und verlagert sich in bildungsferne Systeme, zu denen nicht zuletzt auch die >Medien< als Programmanbieter zählen, die von wirtschaftlichen Interessen und der Eigendynamik der Institutionen geprägt werden. Schon Lyotard konstatierte 1979 eine Trennung von Wissen und Bildung, die einhergehe mit einer starken »Veräußerlichung des Wissens gegenüber dem >Wissenden«< und er fährt fort: »Das alte Prinzip, wonach der Wissenserwerb unauflösbar mit der Bildung des Geistes und selbst der Person verbunden ist, verfällt mehr und mehr. [...] Das Wissen ist und wird für seinen Verkauf geschaffen werden, und es wird für seine Verwertung in einer neuen Produktion konsumiert und konsumiert werden: in beiden Fällen, um getauscht zu werden.« (Lyotard 1999: 496) Für Lyotard gibt es für diese Veränderung zwei grundlegende Ursachen: zum einen die wirtschaftlichen Verwertungsinteressen, die das Wissen in eine wirtschaftliche Zirkulation überführen, zum anderen Medien, die ein neues Dispositiv zur Wissensvermittlung schaffen .' 2 Für Lyotard beginnt dies Ende der 1950er-Jahre, als die Nach.kriegsgesellschaften Europas das Ende der Wiederaufbauphase erreicht haben und nunmehr in ein postindustrielles bzw. auf dem Gebiet der Kultur in postmodernes Zeitalter eintreten.

3.4

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Damit gehen jedoch auch Änderungen in den Wertvorstellungen einher, da bisher gewohnte Legitimationsinstanzen und mithin auch deren Plausibilisierungskriterien sich verändern. Mit dem Aufkommen von neuen digitalen Medien gerät selbst der mühsam in der >Video sphäree gefundene Kompromiss mit dem Fernsehen (das man ja ausschalten könne, weil es nur der Unterhaltung diene) durcheinander. Die von vielen Autoren beschriebene sogenannte sHyperspharec ist ja keineswegs eine Sphäre, in der die Reste der alten Grapho- und Video sphäre verschwunden sind. Vielmehr zeigt sieh eine Kollision von Wertmaßstäben als komplexer Prozess, bei dem sich sowohl Maßstäbe aus der Vergangenheit als auch der Gegenwart oder neuerdings auch der erwarteten Zukunft wechselseitig durchdringen. Die Orientierungsmuster werden dabei von veränderten materiellen Bedingungen ebenso geprägt wie von gewachsenen kulturellen und sozialen Systemen, von technischer und institutioneller Eigendynamik ebenso wie von ökonomischen Interessen. Haben wir seit der Etablierung des Fernsehens von einem Übergang von der Graphosphäre (der sogenannten Gutenberg-Galaxis der Buchkultur) in eine sogenannte Videosphäre gesprochen, in der sich mit neuen Medien wie dem Fernsehen auch unsere kulturelle Denkweise ändert (Unterhaltungsorientierung, Globalisierung etc.), und seit dem Aufkommen von digitalen Medien, insbesondere des pes, von einem Übergang zu einer Hypersphäre, gelangen wir nun an einen Punkt, an dem wir keineswegs mehr einen neuen, fundamentalen >Turn< ausmachen, als vielmehr chaotische Strukturen der wechselseitigen Überlagerung.

Mediale Transformationskulturen Aktuell erleben wir eine massive Transformation unserer Medienkultur. Es scheint, als hätte die Multiplikation der Medien durch überkreuz verlaufende Remediatisierungsmöglichkeiten und eine sozial diversifizierte crossmediale Mediennutzung zu einer gesteigerten Komplexität geführt, deren alltägliches Handling vielleicht gerade noch gelingt, deren wissenschaftliche Beschreibung aber letzthin chaotische Strukturen an den Rändern einst etablierter medialer Praktiken einräumen muss, die die Übergänge vom einen zum anderen kaum mehr zu erklären vermag. Dies wirft Fragen auf, denn neue Medien führen nicht einfach zu einer veränderten gesellschaftlichen und kulturellen Verhaltensweise, ja sie setzen sich nicht einmal umstandslos gegen ältere Medien durch. In immer kürzeren Abständen verändern neue Medien das Nutzungsverhalten ihrer User, das eine generationsübergreifende Verbindlichkeit nicht mehr kennt: Waren

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überregionale Tageszeitungen oder auch das Fernsehen bis vor kurzem zweifellos für große Teile der Bevölkerung Orientierung gebende Leitmedien, so gilt dies heute, bei einem Durchschnittsalter z.B. der Fernsehzuschauer von 52 Jahren, nur noch für ihren überalterten Teil. Es entstehen neue fragmentierte Communities, deren Nutzungskonzepte auf die eigene Community eingeschränkt sind und oft nur einen Übergangscharakter haben oder in ihrer Nutzungsdauer eingeschränkt sind. Bislang gibt es kaum theoretische Modelle zur Beschreibung dieses Veränderungsprozesses. Arbeiten wie etwa von Henry Jenkins (2006) zur sogenannten »Convergence Culture«, von Manfred Faßler (2009) zum »Ende der Gesellschaft« (als Legitimationsinstanz) oder von Dirk Baecker (2007) zur »nächsten Gesellschaft« ~>Die nächste Universität«), haben vor allem eines gemeinsam: Sie versuchen sich kaum mehr an visionären Vorstellungen, die - gleich ob dystopisch oder utopisch - eine neue Gesellschaft proklamieren, vielmehr konstatieren sie die Ratlosigkeit der alten. Was uns derzeit in besonderem Maße verunsichert, ist, dass der Wandel weder als epochaler Bruch noch teleologisch als Endziel einer Entwicklung situiert werden kann, sondern sich >verstetigt<. Überall finden sich neue Anfange, die das Mediensystem neu kalibrieren können oder vielleicht auch nach einiger Zeit wieder verschwinden: Noch vor wenigen Jahren war von Google, YouTube, MySpace, Facebook oder Twitter nicht mal die Rede. Wir können derzeit nicht voraussagen, welche Applikationen in zwei Jahren die Nutzer antreiben, außer, dass es in spätestens zwei Jahren wieder neue Applikationen geben wird. Lässt sich der Wandel vielleicht also eher als eine Kategorie der Erwartung beschreiben, also als etwas, das man erst in der Zukunft erwartet, an dem man aber sein Verhalten in der Gegenwart orientiert? Und was folgt daraus für soziale und kulturelle Verhaltensweisen, mithin für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft und die Wertmaßstäbe, an denen sie sich orientiert? Ich möchte die aktuell zu beobachtenden Tendenzen - tentativ - mediale Transformationskulturen nennen, um damit einen spezifischen Prozess einer fortgesetzten, einer fortdauernden durch Medien bewirkten Transformation zu bezeichnen, also den Prozess eines andauernden, unabsehbaren Wandels. Mediale Transformationskulturen werden vor allem durch medial vermittelte Formen der Kommunikation geprägt und prägen ihrerseits soziale und kulturelle Verhaltensweisen. Dabei kommt ihren temporalen Strukturen eine besondere Bedeutung zu. Diese verdrängen keineswegs die bisher durch die von Sozial- und Kommunikationswissenschaft mit der Metapher des söffentlichen Raumese beschriebenen Strukturen, sondern überlagern diese: Es wird ein xloppelter Körpers ausgebildet - ähnlich wie der Körper des Königs oder des Präsidenten -, der den Körper des Menschen bzw.

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der privaten Person ja nicht zum Verschwinden bringt, sondern ihn mit neuen Verhaltensweisen überlagert. Medien öffnen insofern neue Handlungsräume, die sozial und räumlich gewachsene Kulturen durch eine temporale Strukturierung überformen oder überschreiben. Mediale Transformationskulturen sind in der Nutzungspraxis entweder a) auf einen zeitlich befristeten Zeitraum bin angelegt, b) haben transitorischen Charakter, sind also ein Übergang zu etwas anderem oder c) sie verändern fortlaufend nicht nur ihre xlnhaltce, sondern auch ihre (technischen, ökonomischen oder auch ästhetischen) Nutzungsstrukturen. Dies transformiert das kulturelle Bewusstsein ihrer Nutzung und mithin auch die Gestaltung der medialen Produktion: War z.B. das Fernsehen in den letzten Jahrzehnten vor allem auf Dauer bin angelegt, die den Alltag durch ein verlässliches Programmschema strukturieren konnte, entfällt diese Orientierungsfunktion durch die Aufsplitterung in verschiedene Distributionskanäle (zeitversetztes Fernsehen oder Internetfernsehen in verschiedenen Spielarten). Wie soll man sich nun in einer solchen von permanenten Veränderungen geprägten medialen Umwelt bewegen?

Neue Leitwerte Die Anhäufung von Wissensbeständen oder auch nur der Gebrauch der -eigenene Vernunft taugen als Konzepte heute kaum mehr, um mit den Herausforderungen einer medialen Transformationskultur mit ihren wechselnden Identitäten, Communities und damit auch Maßstäben zu Recht zu kommen. Mithin müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir es mit wechselhaften Wertvorstellungen zu tun bekommen, die sich ebenso aus Idealvorstellungen wie aus konkreten Nutzungspraktiken und Verhaltensweisen ergeben. Geistesgegenwart, Toleranz und Kreativität sind sicher positive Eigenschaften, doch taugen sie als Leitwerte, um neue Ziele für tradierte Bildungsinstitutionen zu formulieren? Denn was sich verändert ist ja nicht nur die Technik, gegen deren entspannten Gebrauch man nun - so Schirrmacher - mit trainierter Willenskraft antreten soll. Was sich ändert, ist nicht nur eine individuelle Verhaltensweise und Wahrnehmung, nicht nur eine auch neuronal beschreibbare Verdrabtung des Gehirns, sondern eine kulturelle Denk- und Kommunikationsweise, mithin die Vorstellung dessen, was unsere Gemeinschaften überhaupt zusammenhält. Es zeichnet sich ab, dass es Werte sein werden, die die Individuen miteinander verbinden, also nicht den Einzelnen als Individuum und autonomes Subjekt stärken, sondern eine Gemeinschaft. Dies wird gerade dort immer wichtiger, wo Gemeinschaften

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nur noch temporären Charakter haben und fragmentiert werden durch unterschiedliche mediale Nutzungspraktiken. Insofern geht es um Wertvorstellungen, die sich auf die Schnittstellen zwischen Mensch und Medien konzentrieren, da sich an ihnen entscheidet, WIE Communities sich herausbilden. Dies sind meist >Zugangskontrollen<, die den Gebrauch von Medien von ökonomischen Konditionen, der Beherrschung von technischen Codes oder sozialen Normen abhängig machen. Nicht eine homogene Globalisierungsgesellschaft, in der mündige Weltbürger im Rahmen eines von Ulrich Beck »Humboldt 2« des 21. Jahrhunderts genannten Projekts (vgl. Beck 2010), kann hier anvisiert werden, in der das autonome Subjekt wieder gestärkt werden soll, sondern wir brauchen Menschen, die Heterogenität, Komplexität und Verunsicherung (durch stetigen Wandel) nicht nur aushalten, sondern auch sinnvoll und menschlich gestalten können. Es wird also vor allem darum gehen, dass man nicht nur Toleranz lernt, sondern die Fähigkeit entwickelt, sich in die anderen hineinzuversetzen (z.B. durch vergleichbare eigene Medienerfahrungen), es wird nicht nur um Geistesgegenwart gehen, sondern auch um ein Gefühl und die Erfahrung dafür, sich in den unübersichtlichen Medienpraktiken zu verlieren, und es wird darum gehen, wie man zwischen verschiedenen Communities und deren Wertvorstellungen und Nutzungspraktiken zu moderieren versteht (also gelernt hat, das eigene Verhalten zu relativieren). Nicht zuletzt wird es dabei auch um Fertigkeiten gehen, Wissen zu evaluieren, zwischen verschiedenen Wissensbeständen zu navigieren und insbesondere auch zu übersetzen, was auch die Fähigkeit mit einschließt, Wissen zu transformieren. Dies setzt sowohl Kenntnisse über die Artefaktualität von Medien voraus, wie Jacques Derrida dies einmal im Gespräch mit Bernard Stiegler formulierte (vgl. Derrida/ Stiegler 2006), also Kenntnisse über die Beschaffenheit von Medien und Einsicht in die Funktionsweise unserer Mediensphäre, als auch die Einsicht, dass Aufklärung allein hier nicht ausreicht, da sie dort an ihre Grenzen stößt, wo irrationale oder gar amoralische Praktiken oder auch überkommene Reste der Vergangenheit eine Gemeinschaft stärker prägen können als rationale Übereinkünfte. Insofern hilft es nicht, nur Experten auszubilden, nur >digirnl natives- (vgl. Meyer 2008: 185), denn gerade auch die sImmigranten, bringen jene Erfahrungen der Verunsicherung und von Fremdheit mit, die Voraussetzung sind für Transformation, Übersetzung und Navigation. Anstatt vor den Problemen zu kapitulieren, anstatt nur über Kopfschmerzen zu klagen, sollte man sich einlassen auf die neuen Medien. Dabei hilft es durchaus, die eigenen Wertmaßstäbe zu überprüfen, an denen man sich bisher orientiert hat und das würde dann tatsächlich im eigenen Kopf beginnen.

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Thomas Weber

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Übertragung Bruchstücke einer Medien- und Bildungstheorie nach Freudl Karl-Josef Pazzini

Einiges könnte wirklich ankommen, aber es kommt nicht an. Es gibt hervorragende Instrumente, Inhalte, Softwarelösungen, interaktive und nicht interaktive digitale Werkzeuge zur Erschließung von Information, zu deren Umarbeitung in Wissen mit der Chance zu Bildungsprozessen beizutragen. Nicht der Mangel an Information und Wissen verhindert Bildung, Informationen bleiben ohne Folgen. Oft passiert wenig. »Passiert« meint, dass etwas von hier nach da geht, von einem Individuum zu einem anderen, gemeint ist eine Passage, die einen Platz verändert in Bezug auf die Teilnahme und Teilhabe an einem symbolischen und imaginären Universum und damit gleichzeitig jenes Universum verändert. Im Folgenden gehe ich von einer Vermutung aus: Der Einsatz von Medien in pädagogischen Prozessen ist deshalb so beliebt, weil die Übertragung so unkalkulierbar ist. Wenn Medien mit diesem Motiv eingesetzt werden, dann scheitert dies mit hoher Wahrscheinlichkeit.

Anekdote Hierzu eine Anekdote aus den Frühzeiten des MulrimediaStudios des Fachbereichs Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg: Zur Finanzierung der experimentellen Arbeit wurden Produktionsaufträge akquiriert. Ua. gab es einen Auftrag der Bundeswehr für ein Computerbased Training (CBT) zur verlässlicheren und vereinfachten Bedienung der Computer zur Befehlsweitergabe. Es waren während diverser Manöver zu viele Fehler aufgetreten. Wir bastelten eine übersichtlichere und intuitivere Oberfläche, eine Schnitrstelle zur Auswahl der Befehle, zu 1 Dieser Beitrag geht auf einen Vortrag zurück, der am 13. Juni 2006 im Rahmen der Ringvorlesung »Medien und Bildung« am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg gehalten wurde. Der Titel spielt an auf Sigmund Freuds »Bruchstück einer Hysterie-Analysc« aus dem Jahr 1901 (1992a: 179f.) Die Struktur der Hysterie zeichnet sich in einem plakativen Satz zusammengefasst dadurch aus, dass die Hysterikerin oder der Hysteriker -sagtc »Das ist es nicht!« - Und dann geht es weiter. So entstehen auch jeweils neue Medien.

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_3, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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deren Weitergabe, Plausibilitätsprüfungen usw. Nun wollte der Kontaktoffizier der Bundeswehr, dass wir Belohnungen einbauen bei der erfolgreichen Absolvierung des Trainingsprogramms. Er misstraute den Lernern und der Attraktivität unserer Programmierung. Er schlug vor, nach der erfolgreichen Absolvierung eines Abschnitts ein pornographisches Bild als Belohnung einzubauen. Das führte zu schwierigsten Diskussionen zwischen den am Projekt beteiligten Studentinnen und Studenten. Da wir nun einen Vertrag unterschrieben hatten, der die pünktliche Abgabe vorsah und den Auftraggebern das Recht auf gestalterische Eingriffe reservierte - wir waren bei Vertragsabschluss nicht auf die Idee gekommen, dass uns Eingriffe solcher Art blühten -, standen wir unter Druck. Ergebnis der Diskussion war die Einblendung der Abbildung eines Spinds, der sich blitzschnell öffnete und in der Tat für den Bruchteil einer Sekunde ein Playmate erscheinen ließ. Das konnten die Studierenden beiderlei Geschlechts als eine ironische Antwort unter Beibehaltung der Verdiensttnöglichkeiten und einer listigen Political Correctness so gerade noch akzeptieren. Tatsächlich wurde das CBT schließlich ohne diese Einblendungen ausgeliefert, da in der Zwischenzeit ein Kinderpornoskandal in einer Münchener Kaserne in die Presse geraten war und der Vorgesetzte unseres Verbindungsoffiziers diesen bei der Endabnahme brüllend als Idioten zusammenfaltete. Das hier zunächst Geplante hatte nichts mit der Förderung einer Übertragung zu tun, sondern war als vorweg genommenes Surrogat für das vermutete Ausbleiben einer solchen konzipiert. Im Grunde genommen hatte der Offizier aber nichts anderes vorgeschlagen als das, was in gemilderter Form jede auf Methodik beschränkte Didaktik tut: Er wollte ein Gleitmittel haben, damit die Passage, gar die Penetration mit neuen Informationen, auch ohne Erregung funktioniert. Er wollte Motivation substituieren . Und er setzte im Grunde an der richtigen Stelle an. Nur war es etwas primitiv.

Passage Damit komme ich zur ersten These: Eine Passage gelingt dann, wenn Neugier und Erregung da sind, wenn jemand seinen alten Platz langweiligfindet und sich in Bezug auf das, was er wissen will, dort nur mehr wenig verspricht. Der Wechsel funktioniert über Verführung. Pornographie spielt zwar mit Neugier, das ist ihr emanzipatorischer Kern, sie hat nur den Nachteil, dass sie kurzschlüssig ist und wenn sie isoliert bleibt zu Abhängigkeiten führt. Pornographie appelliert an Bedürfnisse und erleichtert die Befriedigung von aufgelaufener Spannung durch zielgenaue Erregung. Eine in diesem Sinne gute

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Pornographie ist die, die den Anspruch erfüllt, effektiv Spannungen abzubauen. Sie weist kaum über sich selbst und den mit ihr ausgelösten Vorgang hinaus, höchstens auf Wiederholung. Im Übrigen erweisen fast alle neuen Medien ihre Funktionstüchtigkeit neben dem intendierten Zweck durch einen freieren und gekonnteren Zugang zu Pornographie. Pornographie kann allerdings nicht den Kern der Neugier befördern und Fremdes, Ungewohntes attraktiv machen, sie verbindet sich auch nicht mit der komplizierten Logik einer Sache, sondern verspricht eine imaginäre, im Prinzip bekannte Befriedigung, hält die Versagung nicht aufrecht, die zu weiterem unabschließbaren Wünschen führen könnte. Sie entlastet vom komplizierten Kontakt zum Anderen. Ich zitiere Freud: »Ein wesentlicher Bestandteil dieses Erlebnisses [gemeint ist das Befriedigungserlebnis, das den inneren Reiz aufhebt, die Unruhe nimmt, Gewissheit, bzw. Befriedigung verspricht, KJP] ist das Erscheinen einer gewissen Wahrnehmung [der Nahrung im Beispiel, das Freud vorher anführt, KJP], deren Erinnerungsbild von jetzt an mit der Gedächtnisspur der Bedürfniserregung assoziiert bleibt. Sobald dies Bedürfnis ein nächstesmal auftritt, wird sich, dank der hergestellten Verknüpfung, eine psychische Regung ergeben, welche das Erinnerungsbild jener Wahrnehmung wieder besetzen und die Wahrnehmung selbst wieder hervorrufen, also eigentlich die Situation der ersten Befriedigung wiederherstellen will. Eine solche Regung ist das, was wir einen Wunsch heißen, das Wiedererscheinen der Wahrnehmung ist die Wunscherfüllung, [...]. Es hindert uns nichts, einen primitiven Zustand des psychischen Apparats anzunehmen, in dem dieser Weg wirklich so begangen wird, das Wünschen also in Halluzinieren ausläuft. Diese erste psychische Tätigkeit zielt also auf eine Wahrnehmungsidentität, nämlich auf die Wiederholung jener Wahrnehmung, welche mit der Befriedigung des Bedürfnisses verknüpft ist.« (Freud 1998: 571) Übertragung, mit ihr kommt der Andere ins Spiel, hingegen arbeitet mit Unterstellungen, mit Vermutungen, mit Zumutungen. Wenn dem Anderen ein Wissen unterstellt wird, wenn ein Subjekt vorhanden ist, dem Wissen unterstellt werden kann, dann gibt es Übertragung (Lacan). Existiert die Möglichkeit einer solchen Unterstellung nicht, kommt nichts, was als Bildung bezeichnet werden könnte, in Gang. »In ihrem Wesen ist die wirkungsvolle Übertragung, um die es geht, ganz einfach ein Akt des Sprechens. Jedesmal, wenn ein Mensch zu einem ande-

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ren in authentischer und voller Weise spricht, gibt es Übertragung im eigentlichen Sinn, symbolische Übertragung - es geschieht etwas, das die Natur der beiden anwesenden Menschen verändert.« (Lacan 1978a: 143) Und das nicht nur im physiologischen Sinn, das wäre trivial, sondern verbunden mit den Dynamiken von Identifikation und Rivalität. Rivalität lässt etwas Drittes aufscheinen. Das mögen manche für ärgerlich, lästig, beängstigend halten. Das ist aber nur die symbolische Ebene der Übertragung: Hier geht es um signifikante Ketten, die beim Anderen ankommen, die dieser für bedeutsam zu halten in der Lage ist. Die Lücken in diesem Signifikationsprozess, die Differenzen zwischen den einzelnen Signifikanten, werden auf dieser Ebene aufnehmend ergänzt und überbrückt, auch selektiv - gerade selektiv, weil niemand allesverstehen kann, schon allein aus dem Grund, weil derjenige, der spricht, sich und seine Welt im optimalen Fall selber nicht ganz versteht. Warum sollte er sonst reden? Lücken, Abbrüche, Löcher werden zur Produktion von Sinn überbrückt, z.B. durch Übertragungsliebe, mindestens durch Vertrauensvorschuss. Dabei nun tritt eine imaginäre Ebene auf. Notwendigerweise machen sich Sprecher wie Hörer Vorstellungen zu dem, was gesprochen wird. Die Kunst und Notwendigkeit pädagogischer Prozesse besteht in dieser Hinsicht darin, die Wahrscheinlichkeit dafür zu erhöhen, dass partiell sehr ähnliche Vorstellungen evoziert werden. Genau hierbei sind Medien äußerst nützlich: Man präpariert dabei einen Schirm, auf dem für alle das Gleiche zu sehen, zu lesen, zu hören ist, und hält das Setting wie einen Zaun einigermaßen stabil. Dadurch erreicht man eine Ausrichtung, aber keinesfalls eine Garantie für identisches Aufnehmen. In dieses imaginäre Register gehören auch alle ausgelösten Affekte und Leidenschaften, wie z.B.Liebe, Hass und Unwissenheit (vgl.Lacan 1978a: 239-340). Leidenschaften sitzen an den Fugen der Register: Liebe zwischen dem Symbolischen und dem Imaginären, Hass zwischen Realem und Imaginärem, Unwissenheit zwischen Realem und Symbolischem. Affekte sind Effekte bei der symbolischen Übertragung und werden zum Widerstand, der in gleicher Weise produktiv wie hinderlich ist. Affekte können nicht verdrängt, lediglich verschoben oder transformiert werden, d.h, sie sind immer im Spiel, wo es um etwas Neues und Fremdes, vielleicht auch Bedrohliches geht. Manchmal entsteht so der Wunsch, sich das, obwohl es notwendigerweise in jeder pädagogischen Situation entsteht, ersparen zu wollen. Hierzu werden dann vor allem apparative Medien als Distanzwaffen missbraucht, es ergeben sich Machteffekte mittels Medien, aus demselben Anlass heraus werden sie

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dann auch verteufelt, weil sie die Wünsche nach unkomplizierter Beziehung nicht erfüllen können. Der Missbrauch von Medien entsteht, wenn man die notwendige Schnittstelle, Medien sind Schnittstellen, selber auch die Effekte des Schneidens, bearbeiten lassen will. Eine Schnittstelle oder ein Schirm werden eingerichtet, um Trennungen und Verbindungen zu erleichtern und auszurichten, um einen Halt hierfür zu liefern, ein Einhalten. Sie können aber aus sich heraus weder diese einschneidende Funktion einüben, noch die symbolischen, affektiven und leidenschaftlichen Seiten dieses Prozesses begleiten, bewältigen, bearbeiten, auffangen, zu einer bildenden Dynamik bündeln. Dieses Charakteristikum ist die Grenze jeden (apparativen) Mediums und der zu seinem Gebrauch nötigen Fertigkeiten, auch z.B. des Buches. Eine Schnittstelle funktioniert nur so lange, wie sie nicht zur Verdinglichung von Affekten eingesetzt wird, Leidenschaften simulieren oder die Übertragung neutralisieren soll. Anders formuliert: Medien sind solange produktiv im Sinne von Bildung, wie der Pädagoge seine Aufgabe nicht an ein apparatives Medium delegieren will, den Prozess des Schneidens begleitet und dabei selbst von ihm ausgerichtet wird, er in die Einheit der Übertragung eingeht und alle Beteiligten davon verändert werden. Letztlich läuft der Einsatz von Medien immer wieder auf Menschen zu, wenn eben auch vermittelt. Darin mildern und kanalisieren sie Beziehungen, sind eines der Mittel, die Übertragung zu moderieren oder zu unterbrechen. Der Umweg oder die Abkürzung ist von Medien zu leisten. Gerade dann ist das so, wenn die Vermittlungsketten aufgrund gesellschaftlicher Differenzierungen länger, Beziehungen differenzierter werden. Dennoch gibt es beim Einsatz von Medien immer den Traum, dass die jeweils logisch ältere Generation die schwierigen Aufgaben der Herstellung von Zusammenhang an ein Medium delegieren könne. Diese Tendenz fing früh an. Sie gilt gar als die Geburtsstunde des pädagogischen Mediums, des Schulbuches und der reflektierten Didaktik gleichermaßen. Johann Amos Comenius hatte 1658 den »Orbis pictus sensualium pictus« konzipiert. Hierin weist das sichtbare Bild der Dinge den Weg zu den Worten, sie werden sozusagen miteinander verschweißt in einem Moment, wo infolge etwa des Nominalismus die Arbitrarität der Zuordnung von Signifikant und Signifikat sich aufdrängt. Lange bleibt unbemerkt, man müsste sagen: regelrecht verdrängt, dass ein »Abgrund zwischen bildlichem Sein und Bedeuten« klafft (Benjamin 1972: 342; vgl. hierzu Meister 2005: 12). Comenius schreibt in der »Großen Didaktik«: »Die Wörter sollen also nur in Verbindung mit den Sachen gelehrt und gelernt werden ebenso wie der Wein mit der Flasche, das Schwert mit der

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Scheide, das Holz mit der Rinde, die Frucht mit ihrem Kern verkauft, gekauft und herumgeschickt werden. Denn was sind die Wörter anderes als Hülsen und Scheiden der Dinge? Wenn man nun eine Sache lernt, die Muttersprache nicht ausgenommen, so müssen die Dinge, die mit den Wörtern bezeichnet werden sollen, gezeigt werden,« (Cominius 1992: 131) So wird eine Maschine begründet, Name, Darstellung und Gegenstand werden miteinander verschweißt, ohne dass klar wird und klar werden kann, wer das tut (vgl. Comenius 1657). Die Autorität wird an ein Medium abgetreten. Deshalb funktioniert es nicht, sondern wird zur Maschine weiterer didaktischer Maschinen, weil die erträumte Endastungsfunktion so gut ist. Krampfhaft wird versucht, den Repräsentationismus aufrechtzuerhalten. Carolin Meister folgert daraus: »Im Zusammenhang von Bild und Buchstabe lehrt er [Comenius, KJP] anstelle von Signifikantenketten die Lektionen einer Zeichensprache.« (Meister 2005: 13) Die Kombinatorik von Lettern oder Lauten zu Wörtern und Bedeutungen wird damit ersetzt. Der Wunschtraum, den Schnitt, der in der Vermitdung liegt, mit dem Einsatz von Medien selbst vermeiden zu können, ist hoch aggressiv. Medien werden allerlei Übel angedichtet. Zum Ideal wird es ohne Medien auszukommen, was aber heißt, dass der Pädagoge für alles stehen will oder muss. Egal in welche Richtung oder auf welcher Seite, um eine Schnittstelle zu konstruieren und deren Funktion zu ermöglichen, braucht es Setzungen, die zunächst einmal nicht abgeleitet werden können, sondern aus einem schwer bestimmbaren Begehren zu lehren resultieren.

Setzungen In pädagogischen Zusammenhängen kommt man nicht umhin, Setzungen vorzunehmen. Unter den Vorzeichen einer demoktatischen Gesellschaft ist man dabei zu einer Verantwortung verpflichtet, d.h. man muss auf Nachfragen Auskunft geben können, zumindest nachträglich rekonstruieren können, was zu solchen Setzungen geführt hat. Das ist nicht einfach, da erstens die Zukunft nicht erschlossen ist, auf die hin wir bildend tätig sind, zum zweiten gibt es kein kohärentes System mehr, keinen Kanon, aus dem heraus Setzungen leicht zu legitimieren wären. Normen erweisen sich nachträglich als wirksam, wenn sie verfehlt wurden - das gilt auch für so einfache Normen wie DIN. Freilich existieren sie auch schon jetzt, ihre Zurechnungsfähigkeit, also ihre Wirkmächtigkeit erweisen aber auch sie nur durch den Verstoß.

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Deshalb bleibt dem Pädagogen nichts, als für sein Handeln Orientierung zu finden aus den Verstößen, aus dem der Norm Widersprechenden, aus der dabei auftretenden Lust und dem artikulierten Leiden. Aus der Passion. Es gibt zwei Diskurse, die das erklärtermaßen tun: die Kunst und die Psychoanalyse. Heute beschränke ich mich auf den psychoanalytischen Diskurs, um mich Antworten auf die Frage zu nähern: Warum passiert oft nichts, warum bemerkt man zuweilen keine Lerneffekte in der durch apparative Medien gestützten Kommunikation und Interaktion, warum gibt es Widerstände, warum bemerkt man manchmal nichts, was auf Bildungsprozesse schließen ließe? Warum werden immer wieder neue apparative Möglichkeiten der Vermittlung erfunden (Medien)? Warum sind sie so hoch besetzt, gerade wenn sie neu sind, teuer und warum sind in Institutionen Machteffekte mit dem Zugang, der Distribution, der Teilhabe so deutlich verbunden?

Die Versagung, das Versagen, die Fehlende Unmittelbarkeit Eine Antwort habe ich schon angedeutet: Das Misslingen der Passage hängt zusammen mit der Unheimlichkeit dessen, was Freud die Übertragung genannt hat. Hier sollen Medien Abhilfe schaffen. Die Übertragung grenzt an die Liebe an. Alltagssprachlich wird die Übertragung häufig verstanden als ein nicht bemerkter Irrtum in der Einschätzung einer Person oder Situation, worauf dann der so Traktierte etwa antworten kann: »Ich bin aber nicht ihr Vater,« Das kommt freilich vor. Und die Reaktion darauf auch . Ob das etwas ändert, bleibt dahin gestellt, weil in der Regel schon vorher klar war, dass nicht der Vater vor der betreffenden Person steht, und derjenige, der verneint, der Vater zu sein, weiß in der Regel nichts über den Vater des Betreffenden. Es sei denn die beiden oder nur einer der beiden ist psychotisch. Man muss ein wenig in die Dynamik dessen, was mit Übertragung von Freud und anderen bezeichnet wird, einsteigen.

Notwendigkeit der Übertragung Die Notwendigkeit der Übertragung geht offenbar zurück auf die fehlende Unmittelbarkeit des Menschen im Bezug zur Welt und den Mitmenschen - anders formuliert: auf seine Vermitteltheit und damit auf die Medien, die wie das Sprechen selber den Inhalt nicht transportieren als vorher schon fertigen, sondern im Sprechen performativ und damit durch ihre genuine Eigenschaften erst aktualisieren helfen. Dabei bleibt immer etwas offen.

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Der Mensch hat wenig Instinkt und wird im Verhältnis zur Reifung seiner Nervenbahnen ziemlich früh geboren. Man kann das Mangel oder Offenheit nennen oder auch Trieb. Triebe gibt es in dem Sinn nur bei Menschen. Dies nun hat zur Folge, dass eine Schnittstelle hergestellt werden muss, die Verbindung, Austausch und Trennung ermöglicht, die trennt und verbindet. Denn der Trieb, der ist nicht einfach da. Es gibt davon keine natürliche Version; er hat dennoch etwas von >Natur< im Sinne des Unbeherrschbaren, des Vorgefundenen, des manchmal Gewaltigen und Gewalttätigen, der Lust, jedenfalls können Triebe ganz schön mächtig werden. Die Geschichte der Pädagogik zeugt vom Kampf gegen die Triebe. Gegenwärtig scheint das kein Thema zu sein. Manchmal hat man den Eindruck, Triebe gebe es nur noch im Naturschutzpark der Unmittelbarkeit. Pädagogen suchen den Naturschutzpark der Unmittelbarkeit oft auch bei den Zöglingen, tauchen dort projektiv ein und müssen natürlich davon ausgehen, dass Vermittlung und Vermitteltheit zu minimieren sei, Übertragung ein Hindernis beim geraden Marsch ins Paradies der Anschlussfähigkeit sei, wo alles so war, wie man es sah, wie man es kannte, und so, wie wir wissen, auch diese störende Sexualität überflüssig war, weil man ja schließlich lebte. Nicht zufällig schildert der Anfang der Bibel, dass Neugier, Geschlechtsunterschied, Erkenntnis und Mühsal irgendwie bei der Vertreibung aus dem Paradies zusammenspielten. Es gab dann eine Schnittstelle zwischen der Welt und dem Paradies: zwei Engel mit flammenden Schwertern, eine Firewall. An dieser verbrennen die Unmitte1barkeitsfanatiker. Dieser Naturschutzpark eröffnet sich phantasmatisch, aber nicht weniger real gerade denen, die sich in eine idyllisierte Kindheit zurücksehnen, die durch die Übertragung geöffnet wird, denen, die ihre eigene Vorzeit bei den Kindern suchen. Sie missbrauchen Kinder als Medien, als Pforten ins verloren gegangene Paradies. Die realen Kosten sind, dass sie das L in skindlichc verlieren und dafür ein S gewinnen und skindisclx werden. In der Bildung geht es - so eine mögliche Formulierung - um die Lockerung der Triebschicksale, um deren Schickung zu erfahren und eventuell ändern zu können. Es geht um die Bestimmung (wörtlich) der Grenze zwischen Körper und Seele, die in irgendeiner Weise alle mir bekannten Kulturen kennen, eventuell anders benennen. Von der Stimme, der Notwendigkeit der Bestimmung und der gewünschten Wiederholbarkeit einmal gelungener Bestimmungen leiten sich Medien ab. Diese Grenze ist nicht ursprünglich, sondern entsteht in unterschiedlicher Weise durchs Sprechen: Freud umschreibt »Trieb« so: »Unter einem >Trieb< können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuier-

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lich fließenden, innersomatischen Reizquelle, zum Unterschied vom >Reiz<, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. Trieb ist so einer der Begriffe der Abgrenzung [secare: schneiden, trennen, davon abgeleitet Sexualität, KJP] des Seelische vom Körperlichen,« (Freud 1992b: 67) Diese Reizquelle fließt natürlich auch während jeder Bildungsveranstaltung, beiderseits, auf Seiten des Pädagogen wie der Zöglinge. Die Repräsentanzen kommen zur Performanz, das heißt es kommt zur Übertragung. Man müsste vielleicht noch anders formulieren: Eine Repräsentanz existiert eigentlich nicht, sie wird lediglich versucht und geliebt im Symptom, aber dann ist sie vielleicht noch als ein Zeichen erkennbar, repräsentiert aber nichts, jedenfalls nichts Bestimmtes. Es geht vielmehr um kontinuierliche Aufführung, Inszenierung und das im Medium des Sprechens als der aktualen Verbindung von Körperlichem und Seelischen, das jegliche Vorstellung von Repräsentanz angreift (die Rede davon, dass es in der Psychoanalyse nur um Worte gehe, zeugt von der Beunruhigung, die dies auslöst. Sehnsucht nach der Reetablierung einer klaren Trennung von Körper und Seele). In diese Performanz müssen Medien eingebunden bleiben, sonst wirken sie überhaupt nicht oder nur zuf:illig bildend. Das kann man auch außerhalb pädagogischer Situationen erleben: Ein Kinobesuch etwa wirkt nur bildend, wenn er auf eine vorgängige Begehrenshaltung trifft, sonst gleitet er ab.

Symptom Insofern ist jedes apparative Medium zunächst nichts als ein Symptom, das zwischen die Individuen gefallen ist (Symptom = Zufall), das dafür steht, dass Reales, Imaginäres und Symbolisches zusammenhalten. Der Sinn eines Symptoms liegt jenseits allen Sinns. Es ist letztlich das Reale als Indiz des Unmöglichen, z.B. eine unmittelbare Koppelung zwischen Menschen, zwischen Zeichen und Bezeichnetem, zwischen Signifikanten und Sinn, das hier auftaucht. Es zeigt: Wir alle sind vermittelt, auf Medien angewiesen, sie lassen nicht zu, dass wir zur Ruhe kommen, es sei denn im wunschlosen Unglück . Das Reale, das Unvermittelte, ist dabei das Rätselhafte, das nicht gesagt ist, nicht bestimmt werden kann, das den Zusammenhalt bedroht. Das Reale ist der »Sinn des Symptoms, da es das ist, was sich immer querstellt, was nicht aufhört, sich am gleichen Platz zu wiederholen. Unter eben dieser Form der Wiederholung, des Insistierens [das ist genau die Funktion

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der Maschine wie Comenius sie konzipiert, sie will das Reale fassen, was natürlich nur auf dem Umweg über die Religion funktioniert, KJPJ zeigt sich das Reale in unserer Erfahrung. Freud hat schon die Aufmerksamkeit darauf gelenkt mit der Bemerkung, daß das Symptom nicht den Frieden wolle. Ewiger Störenfried ist es, das kleine Sandkorn, das die Maschine am reibungslosen Laufen hindert. Es hat die Funktion eines Hindernisses, eines Widerlagers, und als solches ist es am Realen beteiligt. Als starrer Punkt charakterisiert durch seine [relative, KJP] Dauerhaftigkeit und seine Hartnäckigkeit, verweist es auf eine Unmöglichkeit [die Unmöglichkeit anzukommen, nicht zu verfehlen, die Notwendigkeit, immer wieder anders ansetzen zu müssen, KJP], die es anzuerkennen gilt. Als Wirkung des Symbolischen im Realen, insofern es dort einen Mangel einführt, markiert das Symptom durch seine Beharrlichkeit die Grenze, der die Sprache aufgrund ihrer inneren Struktur begegnet, wenn sie diesem Realen völlig gerecht werden will. [Die Erfindung immer neuer Medien ist der Versuch, das Reale doch noch verlässlich zu fassen zu bekommen, KJP.] Daher vermag kein Signifikant eine eindeutige Bedeutung geltend machen, die das Reale erfassen könnte, sondern er wird immer auf einen anderen Signifikanten verweisen, um das Subjekt zu repräsentieren. Schließlich konfrontiert uns das Symptom trotz seines Status der Ersatzbefriedigung mit der Unzerstörbarkeit des Begehrens und darüber hinaus mit dem grundlegenden Seinsmangel. Es schreibt sich so an dem Punkt ein, an dem die Beziehung des Menschen zur Sprache in ihrer ganzen Disharmonie erscheint. Und wenn das Symptom ein Signifikant ist, dann ist es letztlich der Signifikant dieser inadäquaten oder disharmonischen Beziehung.« (Ritter 2000: 50f.) Die nicht direkt sprachlichen Bedingungen müssen als Kontrastmittel gepflegt werden, also als ein Rahmen, das, was man als Setting bezeichnet. Will das Sprechen gehört werden, dann geht das nur durch Anschluss, der muss nicht harmonisch sein, an das, was sich da in Szene setzt. Worte dringen ans und ins Ohr, ohne dass das eine eindeutige Wirkung hat. Neben dem Mobiliar, der Ausstattung, den Medien und den sonstigen Regelungen gehört zum pädagogischen Setting auch die Art und Weise der leibhaftigen Präsenz, die ja nicht nur eine gesprochene ist.Jeder an einer pädagogischen Situation Beteiligte hat ein solches Residuum, das, worauf er oder es sitzt, sein Besitz, seine Besessenheit. Man kann das auch Körper nennen. Die eigentliche Disziplinierung, Aufmerksam-

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keit, besteht nun darin, das Performierte nicht für das Ganze zu halten, die symbolischen Plätze, die dazu notwendig sind, nicht zu verlassen. Das geschieht allerdings dann, wenn Pädagogen projektiv zu Kindern werden, wenn sie sich anfangen einzufühlen, wenn alle Vermittlung nach Möglichkeit ausgeschlossen wird, der direkte Zugang zu Dingen und Menschen favorisiert wird, wenn man meint, die Einnahme symbolischer Plätze sei nur hinderlich für die Unmittelbarkeit des Lernerfolgs. Da, wo Unmittelbarkeit nicht erreichbar wird, wird sie, wie eingangs erwähnt, mit Schmiermitteln, genannt Motivationsstrategien, hergestellt. Aber auch die zuletzt Karikierten kommen ohne Medien nicht aus. Sie sind, entgegen diesen Wunschvorstellungen, kein Notbehelf, den man besser weglassen sollte. Sie tragen der Unmöglichkeit des direkten Zugangs zum Realen ohne die lästigen Umwege über das Imaginäre und Symbolische Rechnung. Anders gesagt, wenn Notbehelf, dann ist das gesamte menschliche Leben nur durch einen solchen existent. Entscheidend für die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Bildung ist nun der Gebrauch von Medien als Schnittstellen und als Teile des pädagogischen Settings als Umgang mit dem unmöglichen Zugang zum Realen. Oft geschieht es umgekehrt: Sie werden mit dem Versprechen eingesetzt, die Zugänge zu allem erst zu erschließen, alles Mögliche möglich zu machen. Ich möchte das andeuten:

Triebobjekte Insbesondere in Schulen und Hochschulen, anders im Kindergarten und in der frühen familiären Sozialisation, geht es um die Ausrichtung auf die Triebobjekte Stimme und Blick, die sich auf Begehren beziehen (vgl. Lacan 1978b). Der orale und der anale Trieb, ausgerichtet auf Befriedigung von Bedürfnissen und Ansprüchen, lassen sich unterdessen aber nicht stillstellen. Der Anspruch muss das Begehren (er-) tragen helfen, darf aber nicht überhand nehmen (neurotische Dummheit ist meist an vorwiegend oraler und analer Befriedigung ausgerichtet, die ist dem eigenen Körper näher). Der anale und orale Trieb sind vielleicht die Kameraden des Odysseus, die weiterrudern, während Odysseus am Mast gefesselt ist. Die Stricke können reißen. In diesem Fall spricht man von >Agieren<. Das heißt für die Konzeption des Umgangs mit Medien, dass sie als Trennungs- und Verbindungsmittel eingesetzt und bemerkt werden . Wenn sie trennen und verbinden, dann geht das nur durch Übersetzung, das erst bewirkt eine Passage. Bei Übersetzungen entstehen Gewinne und Verluste. Jedenfalls ist es nicht mehr das, was es vorher war. Dabei entstehen Widerstände, die als Produktionsmittel zu nutzen sind: Das ist das Einzige, was bildet.

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Übertragung Freud und im Anschluss Lacan haben zeit ihres Lebens in ihren Forschungen versucht, Übertragung als ein Grenzgeschehen zu begreifen, und sind damit nie zu Ende gekommen. Sie ist ein Grenzgeschehen zwischen dem, was man Psyche nennt, und dem Körperlichen. Sie hebt sicher unbewusst an, kann aber nur als solche bemerkt werden, wenn etwas von diesem Geschehen bewusst wird. Allgemeinstes Kennzeichen für das Bemerken einer Übertragung ist eine Irritation, ein Moment von Fremdheit, von Überraschung, von Attraktion, das sich bei einem der am Übertragungsgeschehen Beteiligten einstellt. Es wird erfahren als ein nicht mehr bei sich sein, zu Hause sein, als etwas Unheimliches, das nicht ganz unvertraut ist. Zunächst bemerkt wurde sie von Breuer und Freud in der Behandlung von Hysterikerinnen: Unerledigte, verdrängte Wünsche, deren Realisierung zu einem unaushaltbaren Konflikt geführt hätte, tauchen wieder auf und werden an den geheftet, der sich anbietet, oft wegen eines einzigen Zuges, der an die konfliktuöse Situation angrenzt. Die aktuelle Situation zerfällt damit in mehrere Zeiten, in eine merkwürdige Form von Gleichzeitigkeit. Diese Entdeckung wurde in einer durch therapeutische Intentionen limitierten Situation gemacht. Später wurde dann verstanden, dass solche Übertragung auch außerhalb eines therapeutischen Settings stattfindet, dass sie z.B, die Bedingung für das Zustandekommen von Beziehungen überhaupt ist, insbesondere aber von Liebesbeziehungen. Movens ist ein Moment des Wiedererkennens am anderen mit erträglicher Differenz, gleichzeitig eine Bezugnahme auf einen Mangel, auf unerfüllte Wünsche, die hoffentlich jetzt anders erledigt werden können. Der andere, so nimmt man an, hat genau das, was einem selbst fehlt. Dabei wird der unpassende Rest der Situation Z.T. ausgeblendet, uminterpretiert, eskamotiert und so kommt eine Beziehung zustande, eine Verbindung, die nunmehr beide Individuen neu strukturiert. Sie erkennen sich dabei unter Umständen selber nicht wieder, sondern nur in der überraschenden Koppelung der Reaktionen beider. Beide werden tatsächlich transformiert. Zu dieser Koppelung - wird sie nicht als direkter Eingriff umgesetzt - braucht es eines Mediums, angefangen beim Sprechen, Körpersprachen und alle die Medien, die helfen Distanzen in der Zeit und im Raum zu überbrücken. Diese Koppelung ist das Vorbild jeden Mediums. So wird ihre libidinöse Besetzung verständlich, die Wut und Hassanfalle. die Mühen, sie ständig zu verbessern. Die Intention, das Medium selber lehren zu lassen, kommt dann der Einnahme von Viagra gleich, das den Körper autonomisiert gegenüber dem Triebgeschehen, ge-

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genüber dem Anderen. Hier könnte man spekulieren, ob nicht der neue sogenannte »Virtuelle Campus« an der Hamburger Universität der Traum einer Dauererektion ist, um mit dieser alle disparaten Individuen zu verkoppeln. Medien verstanden als Moment im Bildungsprozess werden zum Beschleuniger, zur Selektionsvorrichtung, zur Wiederholung, zum Material und zur Form und Schnittstelle für Übertragung. Die Medien selber können aber nicht damit arbeiten und bleiben unempfänglich gegenüber solchen Übertragungen, die zu Bildungen führen können. Das können sie erst, wenn durch sie hindurchgesehen wird, sie zur Stütze für Übertragung werden, die aber woanders ihren Zielpunkt hat. - Übertragung geht immer daneben, ist Widerstand und Produktionsmoment. - Übertragung ist Liebe des Wissens. - Übertragung wird initiiert durch ein Subjekt, dem Wissen unterstellt wird. - Dabei geschieht etwas, das die beteiligten Individuen verändert.

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Umkämpftes Internet Tanja Carstensen

Dass die Subjekte sich selbst führen, managen, reflektieren, darstellen, thematisieren, bewerben, kontrollieren, ökonomisieren und rationalisieren müssen, ist zu einer zentralen Gegenwartsdiagnose geworden. Bereits 1978/79 betrachtete Foucault in seinen Gouvernementalitätsstudien das Subjekt als Unternehmer seiner Selbst (vgl. Foucault 2006); in der Arbeits- und Industriesoziologie vertreten Voß und Pongratz (vgl. 1998) die These, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitskraftunternehmer abgelöst wird, der sich durch stärker eigenverantwortliches und unternehmerisches Handeln auszeichne. Diese Selbsttechnologien der Subjekte stehen in engem Zusammenhang zu den neuen Internettechnologien (vgl. Paulitz 2005; Münte-Goussar 2008; Reichert 2008). Der technologische Wandel zu Weblogs, Wikis und sozialen Netzwerkseiten korrespondiert deutlich mit dem sozialen Wandel zu mehr Selbst-Führung, SelbstKontrolle und Selbstdarstellung. Persönlichkeitsproftle, Rankingsysteme, Fragebögen, Feedbackmechanismen, Kompetenzdatenbanken und Bildungscontrolling sind Ausdruck und Trainingsmöglichkeit für die Selbstpraktiken im Spannungsfeld zwischen Selbst- und Fremdführung (vgl. Reichert 2008). Gleichzeitig fordert das Internet nicht nur neue Praktiken und Nutzungsweisen heraus. Bemerkenswert ist ebenfalls die ausgeprägte Thematisierung des Internet in Diskursen, in denen Hoffnungen, Befürchtungen, Metaphern und Mythen produziert werden. Die kontroversen Debatten insbesondere von kollektiven AkteurInnen aus Politik, Ökonomie, Bildung, Wissenschaft offenbaren dabei eine ähnliche Bekenntniskultur wie die der Subjekte im Web 2.0 und produzieren Wissensbestände über vermeintliche Eigenschaften und Folgen des Internet, die auch auf die Gestaltung und Nutzung des Mediums in Bildungs- und Lernumgebungen wirken. Ich möchte in diesem Artikel die Frage verfolgen, warum das Internet ein so stark diskursiv umkämpftes Feld ist, und aufzeigen, welche Bedeutung die Diskurse über das Internet für die beteiligten AkteurInnen haben. Hierfür rekurriere ich zunächst auf Ansätze der Sozialen Bewegungsforschung und der Techniksoziologie, stelle Ergebnisse aus zwei empirischen Analysen von Diskursen über das Internet vor und ziehe hieraus abschließend einige Schlussfolgerungen für die Medienbildung.

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Der Kampf um Deutungsmacht: Soziale Bewegungsforschung Nicht nur Subjekte, sondern auch kollektive Akteure sind gefordert, sich selbst zu thematisieren, inszenieren, präsentieren und kontrollieren. Diese Anforderungen an Selbstdarstellung sind für kollektive Akteure bereits in älteren Ansätzen der Sozialen Bewegungsforschung formuliert worden. Dort hat seit der Mitte der 1980er-Jahre ein Ansatz an Bedeutung gewonnen, der sich mit den diskursiven Interpretationsleistungen politischer AkteurInnen auseinandersetzt und die strategische Komponente der Bedeutungsproduktion fokussiert. Der sogenannte -Praminge-Ansatz stellt die expressiven und diskursiven Fähigkeiten und Leistungen sozialer Bewegungen zur Konstruktion sozialer Wirklichkeit in den Mittelpunkt der Analyse. Erst die passenden Interpretationsschemata und die überzeugende Darstellung des eigenen Anliegens, die die Wahrnehmung und Einordnung von Ereignissen und Sachverhalten ermöglichen, erlauben hiernach die Mobilisierung von Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Protest (vgl. Snow/Benford 1988; auch Goffman 1977). Öffentliche Aufmerksamkeit ist umkämpft, daher müssen politische AkteurInnen, wollen sie Unterstützungsbereitschaft aus der Bevölkerung erzeugen, das, wogegen oder wofür sie sich einsetzen, gegenüber dem Publikum deutlich in Szene setzen. Im Mittelpunkt des Framing-Ansatzes steht die Annahme, dass Bewegungen einen Deutungsrahmen - frame - entwickeln müssen, innerhalb dessen sie Erklärungsmöglichkeiten, Lösungsstrategien und Mobilisierungsanreize für ein gesellschaftlich relevantes Thema anbieten. Auch müssen sie GegnerInnen benennen und vor allem ein Bild von sich selbst entwerfen (vgl. Gerhards 1992: 308). Gesellschaftliche Probleme werden nicht behandelt, weil sie da sind, sondern in den Diskursen werden politische Wirklichkeit und Relevanzen politischer Themen erst produziert.

Technik als Trägerin von Bedeutungen Warum ist Technik ein geeignetes Thema für diese expressiven und diskursiven Leistungen politischer AkteurInnen? In Anlehnung an konstruktivistische und interpretative Theorien geht die kultuttheoretische Techniksoziologie davon aus, dass Technik keine Bedeutung an sich hat. Wie der gesamten sozialen Wirklichkeit muss auch den Dingen Bedeutung erst in aktiv-konstruktiven Herstellungsprozessen zugeschrieben werden. Über interpretative Leistungen wird so auch Technik von den Subjekten in die vorhandenen Sinnstrukturen der Gesellschaft integriert (vgl. Hörning 1985). Die kulturtheoretischen Ansätze der Techniksoziologie rekonstruieren diese Prozesse der sozialen Konstruktion bzw. der interpretativen Herstellung von Technik. Dabei untersuchen sie die Handlungs- und Deutungsspielräume bei der Nutzung

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und zeigen auf, inwiefern der Umgang und die Deutung einer neuen Technik von den jeweiligen Interessenlagen, Denk- und Handlungsmustern der beteiligten AkteurInnen geprägt werden. Derselben Technik können somit unterschiedliche Eigenschaften und Auswirkungen >angehängt< werden. In diese Rahmung, d.h. die Produktion und Etablierung von Technikwahrnehmungen und -bewertungen sowie der Entwicklung von Vorstellungen srichtigere Nutzungsweisen sind diverse AkteurInnen involviert: HerstellerInnen, NutzerInnen, Unternehmen, Verbände, aber auch Parteien, soziale Bewegungen, Medien, SchriftstellerInnen und viele andere (vgL Rammert/Böhm/Olscha/Wehner 1991). Sie alle tragen durch ihre Pläne und Projekte, durch ihre Forderungen, ihre Werbemanöver und Angebotsstrategien unterschiedliche Bedeutungen an die Technik heran. So entfaltet sich durch die diversen Rahmungsversuche der unterschiedlichen AkteurInnen ein ganzes Spektrum vertexteter und visualisierter, beabsichtigter und unbeabsichtigter xl.esarteru von Technik (vgL Böhm/Wehner 1990: 108), die keinen Bezug zu den konkreten Funktionen der Technik mehr haben müssen. Um die eigene Sicht auf Technik durchzusetzen, bedienen sich die AkteurInnen strategischer Mittel, die ihr Technikbild plausibilisieren. Möglichkeiten hierfür sind Leitbilder, Metaphern, Symbole und Mythen, die auf bekannte Bilder rekurrieren, um die Technik verständlich und überzeugend zu machen. Jedes (Leit-)Bild schließt die Wahrnehmung bestimmter Eigenschaften aus und betont eine Sichtweise auf eine Technik. Die Metaphorik der Technik kann so stark werden, dass sie von den rwirklichene Problemen ablenkt und scheinbare Sachzwänge produziert, auf die reagiert werden muss. Dabei kann sie über Krisenszenarien wie über euphorische Zukunftsentwürfe die bestehenden Machtverhältnisse stützen und stärken oder auch schwächen. Auf diese Weise wirken sich Technikmetaphern auf das kulturelle Klima aus und können politische Auseinandersetzungen beeinflussen. Technik wird zum Anlass, über Gesellschaft, Erziehung, Politik, das Wesen des Menschen und sein Verhältnis zur Natur nachzudenken, sie verändert das Bewusstsein der Menschen von sich, von anderen und von seiner Beziehung zur Weh, ohne dass man sich noch mit ihren Funktionsweisen auseinandersetzen müsste (vgl. auch Turkle 1984). Ist Technik erst mit Bedeutung versehen, kann sie genutzt werden, um politische Haltungen, Stile, Einstellungen und Zukunftsentwürfe zum Ausdruck zu bringen. Individuen und kollektive AkteurInnen nutzen Technik dann, um durch Bezugnahme auf sie oder durch Umgang mit ihr (gemeinsame) Haltungen, Lebensstile,

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Zugehörigkeiten oder politische Einstellungen zum Ausdruck zu bringen. An Technik können die eigenen Interpretationen der Welt dargestellt werden - in kritischer Abgrenzung von der Technik, durch Gleichgültigkeit oder indem man sie sfeiertx, Technik wird zum »Anlass expressiver Selbstinszenierung« (Hörning/Dollhausen 1997: 167) bzw. zur »kollektive(n) Inszenierung eines bestimmten menschlichen Selbst- und Weltverständnisses« (Löchel 1997: 25). Wer über Technik spricht, trifft damit also auch immer Aussagen über sich selbst und über die eigene Wahrnehmung der Welt. Durch die »multiple Thematisierbarkeit« (Löchel 1997: 27) von Technik entstehen diverse Technikbilder und Wahrnehmungen, die Subjekten wie kollektiven AkteurInnen dazu dienen, sich durch Positionierung gegenüber der Technik selbst darzustellen und die eigene Position zu verbessern.

Zusammenführungen: Framing Technology Politische AkteurInnen, die überzeugen und mobilisieren wollen, müssen sich selbst und ihre Themen in Szene setzen, überzeugende Deutungsrahmen anbieten und Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nur über die Durchsetzung der eigenen Interpretationen erlangt bzw. festigt man Deutungsmacht. Damit debattieren politische AkteurInnen nicht über objektiv gegebene Probleme, sondern produzieren in ihren Diskursen politische Wirklichkeit und Relevanzen bestimmter Themen erst. Auch die Thematisierung von Technik durch politische AkteurInnen kann als sframinge, d.h. als Versuch, einen Interpretationsrahmen für eine Wirklichkeitskonstruktion durchzusetzen, aufgefasst werden. Dabei geht es nur bedingt um die Ermittlung der Eigenschaften einer Technik und srealere Technikfolgen, sondern vielmehr darum, Interpretationen von Technik, den sframe für die Situation- und nicht zuletzt sich selbst strategisch in Szene zu setzen. Das heißt, dass in Technikdiskursen nicht nur Aussagen über Technik, sondern gleichzeitig Aussagen über die eigene Sicht auf die Welt und über das eigene Selbstverständnis getroffen werden. Die Thematisierung von Technik dient damit dazu, auch über andere gesellschaftliche Probleme zu sprechen. In Auseinandersetzungen um Technik werden Konflikte aufgegriffen, (neu) definiert und ausgetragen. Technikdiskurse sind Kämpfe um Interpretationen der Welt, Zukunftsentwürfe und damit Macht- und Bedeutungskämpfe. In diesen Mobilisierungsversuchen politischer AkteurInnen wird Technik zur Projektionsfläche für gesellschaftliche und politische Auseinandersetzungen - und hierbei erst interpretativ hergestellt (vgl. Carstensen 2007).

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Zwei Beispiele Diese interpretative Herstellung von Technik möchte ich im Folgenden an zwei Beispielen, gewerkschaftlichen Diskursen und feministischen Diskursen, empirisch belegen.

Gewerkschaftliche Diskurse Im Rahmen meiner Dissertation habe ich Aussagen über das Internet in Mitgliederund weiteren gewerkschaftlichen Fachzeitschriften der Gewerkschaften ötv, DAG, IG Medien, DPG und hbv der Jahrgänge 1995-2001 analysiert und verschiedene frames herausgearbeitet (vgl. ebd.), von denen ich zwei im Folgenden vorstelle. In beiden frames stehen der Wandel der Arbeitswelt und die Veränderungen, die sich für die Gewerkschaften hieraus ergeben, im Zentrum. Im ersten frame wird diese Konstellation pessimistisch interpretiert: »Die Arbeitswelt verändert sich rasant [...] Und die Informationsrevolution geht weiter. Das Internet wird neue Kommunikationswege hervorbringen und Arbeitsorte mit vielen Beschäftigten weiter schrumpfen lassen.« (Gewerkschaftliche Monatshefte 1/2001: 54) Das Bild, das in diesem frame vom Internet entworfen wird, ist technikdeterministisch und geprägt von Vorstellungen einer unübersichtlichen, einzigartigen, unausweichlichen, unbeherrschbaren und sich rasant wandelnden, beinahe slebendigcnc Technik: »Keine andere technische Entwicklung in diesem Jahrhundert hat eine derartige Erfolgsgeschichte wie dieses inzwischen erdballumspannende Netzwerk, keine andere einen derart vielschichtig verzweigten Einfluß auf alle denkbaren Aspekte des gesellschaftlichen und privaten Lebens [...]. Dieses Internet wucherte unaufhaltsam weiter und allmählich beschleunigte sich das Wachstum und nahm einen exponentiellen Verlauf [...]. Das Internet und das WWW breiten sich seit Jahren mit schwindelerregender Geschwindigkeit aus ,« (M 4/99: 22f.) Aber auch ein ausgrenzender Charakter wird dem Internet bescheinigt, wenn die Gewerkschaften thematisieren, dass sie sich als ausgeschlossen aus betrieblichen Kommunikationsnetzen wahrnehmen. Mit all diesen Entwicklungen gehen nach

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Ansicht der Gewerkschaften Erosionstendenzen der gewerkschaftlichen Organisierungs-, Mobilisierungs- und Betreuungsarbeit einher: Die klassischen Organisationswege der Gewerkschaften werden »immer enger und immer holziger« (Gewerkschaftliche Monatshefte 1/2001: 54): »Was wäre, wenn die Gewerkschaften sich nicht zu jenen Interessengruppen entwickeln, die sich auch virtuell organisieren? [...] Innerhalb und außerhalb der Betriebe könnten kommunikationsschwache Gewerkschaften morgen durch Missachtung bestraft werden. [...] Wenn bisherige Kommunikationsplattformen an Bedeutung verlieren, müssen die Gewerkschaften neue erschließen, um nicht zur Sprachlosigkeit verdammt zu sein.« (Gewerkschaftliche Monatshefte 8-9/2000: 515ff.) Aufgrund dieser Veränderungen sehen die Gewerkschaften ihre Handlungs- und Gestaltungsbedingungen zunehmend schlechter werden. Sie entwerfen sich selbst als überfordert und formulieren verschiedenste >Die Gewerkschaften m üssen--Sätze, die auf interne Veränderungen und Reformen abzielen. Die Beiträge bleiben pessimistisch und formulieren die Befürchtung, dass die Gewerkschaften zu langsam auf den Wandel reagieren und Verliererinnen des technologischen und gesellschaftlichen Wandels sein werden. Dieser erste frame ist also geprägt von einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit den gewerkschaftlichen Kompetenzen und appelliert intern an Reformen und Veränderungen. Dem zweiten frame liegen die gleichen Gesellschaftsdiagnosen zugrunde wie dem vorangegangenen; er unterscheidet sich aber durch das gewerkschaftliche Selbstverständnis: Die Gewerkschaften entwerfen sich selbstbewusst und als kompetente Gestalterinnen. Hierdurch werden die beobachteten Veränderungen nicht mehr als bedrohlich, sondern als Möglichkeit zur Mitgestaltung und Verbesserung des eigenen Images interpretiert. Die Gewerkschaften zeigen, dass sie »entgegen der vorherrschenden öffentlichen Meinung und oft auch den Erfahrungen ihrer Mitglieder ein neues Aufgabenfeld überaus zügig und kompetent beackern können« (M 1-2/99: 17). Über diese Zurschaustellung von (Internet-)Kompetenz, Handlungs- und Gestaltungsmacht inszenieren sich die Gewerkschaften als zukunftsfähig, weitsichtig und modem und wehren sich gegen Blockade- und Technologiefeindlichkeitsvorwürfe. Das Internet wird auch hierbei als unausweichlich beschrieben. Statt des ausgrenzenden wird aber der unhierarchische, partizipative Charakter des Internet insze-

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niert, der es den Gewerkschaften beispielsweise ermöglicht, schnell und weitreichend über Arbeitskämpfe zu berichten oder mit E-Mail-Aktionen Betriebsratsgründungen zu initiieren. Im Zentrum des Deutungsmusters stehen die Chancen des Internet für Gewerkschaftspolitik. Interessant ist nun, dass die Gewerkschaften in den Diskussionen etwas betreiben, das der Selbst-Kontrolle von Subjekten ähnlich ist. Die Gewerkschaften sind in den Diskursen über das Internet sehr stark mit sich selbst beschäftigt. Das Reden über das Internet ist vor allem eine Selbstthematisierung und Selbstreflexion. In den Diskursen beklagen die Gewerkschaften, dass sie sich in einer geschwächten Position befinden und dass sie Probleme mit der Mobilisierung ihrer Mitglieder haben. Der erste frame richtet sich an die eigene Organisation und appelliert mit bedrohlichen Szenarien, sich zu reformieren. Der zweite frame enthält ein Szenario der Gefahren, in dem sich die Gewerkschaften als Beschützerinnen und Ordnungsschaffende, als aktive, relevante und kompetente AkteurInnen entwerfen. Ziel ist die Mobilisierung von an der Zukunftsfähigkeit der Gewerkschaften zweifelnden (potentiellen) AnhängerInnen. Damit tragen die Gewerkschaften über das Internet Konflikte über Themen aus, die innerhalb der Organisation auch ohne das Internet bereits umkämpft sind.

Feministische Diskurse Anband wissenschaftlicher Texte, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel sowie Internetseiten habe ich zudem an anderer Stelle verschiedene feministische Positionen zum Internet ausgewertet (vgl. Carstensen 2008). Dies ergab drei unterschiedliche frames. Kennzeichnend für den ersten frame ist die Wahrnehmung, dass das Internet aus einem männlich geprägten Entstehungskontext stammt und hinsichtlich der Nutzung und der Inhalte (wie die meisten Techniken) androzentrisch ist (vgl. Tangens 1996). Das Internet ist hiernach keine geschlechtsneutrale Technik, sondern von Anfang an geschlechterbinär codiert worden. Maßgeblich dazu beigetragen hat die Wahrnehmung des Internet als technisch: »Indem in der gesellschaftlichen Erzählung ein Diskurs mehrheitsfähig wurde, der in der Entwicklungsphase des Internet die Mitwirkung von Frauen negierte [.. .], die Internettechnologie sich in einem männlichen Feld wie der Kriegstechnologie entwickelte, die ersten Anwender vorwiegend Männer waren, sich Hacker-Kulturen ausschließlich unter männlichen Jugendlichen herausgebildet haben, wurde das Internet als smännlichee Technologie okkupiert.« (Dorer 2001: 245)

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Aus dieser Perspektive erscheint das Internet als Technik, die die Geschlechterhierarchie reproduziert. Der sehr viel langsamere bzw. fehlende Zugang von Frauen sowie geschlechtsspezifische Kommunikationsstile im Netz (vgl. Herring 1997) werden als Indizien angeführt. Auch Anmache, sexuelle Belästigungen und Pornographie im Netz sind typische Themen in diesem Deutungsmuster. Das Internet wird dabei als hoch-technisch, sehr kompliziert und als von Männern dominiert inszeniert. Frauen werden tendenziell als technikfern, ängstlich und als zu fördernd dargestellt. Abgeleitet wird daraus meist der Bedarf an Frauenfördermaßnahmen und Schulungen wie Frauen-Internetkurse oder -Projekte, damit Frauen saufholenc Der zweite frame argumentiert genau entgegengesetzt, mit einer Sichtweise auf das Internet als Medium, als kommunikativer Cyberspace und als leicht zu bedienen. In diesem werden Hoffnungen auf Vernetzung, Solidarität und Stärkung feministischer Politik geweckt. Das Netz wird als weiblich geprägter Raum interpretiert, das eine gewebte Struktur hat und einigen als weiblich definierten Tätigkeiten (Kommunizieren, Tippen, Weben) entspricht (vgl. Plant 2000). Dabei wird auf diverse Stereotype von weiblichen Kompetenzen zurückgegriffen - so sagt Sherry Turkle im Interview mit Mike Sandbothe: »Speziell das Internet ist für Frauen sehr interessant, weil es ein durch und durch kommunikatives Medium ist. Die virtuellen Gemeinschaften, die im Internet entstehen, sind auf Fähigkeiten angewiesen, die vielen Frauen eigen sind. Das sind zum Beispiel die Fähigkeit zum Komprorniß, das Interesse an der Kooperation und die Lust, etwas mit anderen zu teilen. Man könnte sagen, daß die neue Computerkultur exakt diejenigen Fähigkeiten erfordert, die traditionell von Frauen entwickelt worden sind.« (Sandbothe 1996: 15) Frauen werden dabei als sozial kompetent entworfen, ihnen wird ein starkes Bedürfnis nach Kommunikation, Austausch und Vernetzung zugeschrieben. Die ersten beiden frames dienen ganz offensichtlich dazu, Differenzen zwischen Männern und Frauen, weiblichen und männlichen Nutzungsweisen zu markieren. Der dritte frame unterscheidet sich in diesem Punkt von den ersten beiden sehr deutlich: Hier ist das Internet mit Hoffnungen verbunden, die auf Gegenentwürfe, Grenzverschiebungen, Neupositionierungen und die Überwindung der bestehenden Geschlechterverhältnisse zielen (vgl. Bath 2002). Von postmodernen Denkweisen inspirierte NetzenthusiastInnen prognostizieren, dass sich mit dem Internet die Identitäten der Menschen verändern, fragmentieren und dezentrieren. Das Internet wird als neuartiger Wahrnehmungs- und Erfahrungsraum interpretiert.

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Die Möglichkeit, anonym und scheinbar körperlos zu kommunizieren und in der elektronischen Kommunikation Identitäten frei entwerfen und damit auch ein beliebiges Geschlecht angeben zu können, das sogenannte >Gender Swapping<, entfachte eine lebhafte Diskussion um die Dekonstruktion der bipolaren Geschlechtsidentitäten (vgl. Turkle 1998). Dem Internet wurde eine »geschlechtsauflösende Wirkung« (Bath 2002) zugeschrieben. In den analysierten Texten wird formuliert, dass einige Frauen die Netzwelt »als Experimentierfeld für neue Erfahrungen [erleben], wo sie sich in elektronischen Begegnungen nicht wie eine Frau verhalten müssen und nicht nach körperlichen Gesichtspunkten beurteilt werden« (Niemeyer/Roether 1996). Die Menschen könnten »Aspekte ihrer selbst kennenlernen, die sie im sogenannten wirklichen Leben nicht artikulieren können« (Turkle in Sandbothe 1996: 14). Was in feministischen Diskursen in den vergangenen Jahren heftig umkämpft war, findet damit seine Fortsetzung in den Diskursen über das Internet. Jede Strömung entwirft dabei ihr eigenes Internet-Bild und unterstreicht so die Richtigkeit und Gültigkeit ihrer Position. Das Internet wird zum Beleg der eigenen Argumentation und kann den jeweiligen frame dramatisieren. So werden am Internet die gegenwärtig stattfindenden feministischen Kämpfe erneut ausgetragen und reproduziert. Die für politische AkteurInnen notwendigen Versuche, Deutungsmacht zu erlangen und zu behaupten, schlagen sich somit auch in Diskursen über das Internet nieder, wobei das Internet je nach Deutungsrahmen variierend entworfen wird. An den Beispielen wird deutlich, dass die Thematisierung des Internet als Strategie genutzt wird, die eigenen, bereits bestehenden Deutungsangebote möglichst überzeugend in Szene zu setzen und sich selbst darzustellen. Das Internet wird in erster Linie vor dem Hintergrund der eigenen Situation und Position gedeutet und bietet dabei Raum für diverse Szenarien. Diskurse über das Internet werden zu einer Möglichkeit der Selbstinszenierung, die eigene Sicht auf die Welt zu re-formulieren und neu zu verhandeln - mit dem jeweils beabsichtigten Entwurf eines Selbstbildes, einer Diagnose der Gegenwart mit Ursachen und Schuldigen und anhand des entsprechenden interpretativ hergestellten Internet-Bildes. Die Analysen haben zudem verdeutlicht, dass Gewerkschaften und Feministinnen die Thematisierung des Internet nutzen, um interne Selbstverständnisdebatten zu initiieren und sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Medienbildung als Diskurskritik Diskurse über das Internet sind damit nicht lediglich Debatten, in denen Chancen, Risiken und Wirkungen einer neuen Technik ermittelt werden: Sie sind auch Bedeu-

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tungskämpfe, d.h . dass über die Thematisierung des Internet auch andere Konflikte stellvertretend ausgetragen werden. AkteurInnen, die über das Internet sprechen, sagen damit etwas über sich und die Welt und versuchen, diese Sicht durchzusetzen. Eine Rekonstruktion von Diskursen politischer AkteurInnen zeigt das Gemach/sein bzw. den Herstellungsprozess des Internet und verdeutlicht, dass die Vorstellungen, die wir vom Medium Internet haben, nicht auf ein einheitliches, feststehendes >Wesene der Technik zurückgehen, sondern dass es Diskurse sind, die das Internet wirkmächtig werden lassen . Sich das diskursive Gemachtsein vor Augen zu halten, ist auch deshalb wichtig, weil die in Diskursen geschaffenen Wissensbestände und Selbstverständlichkeiten wirken, d.h. sie prägen die Nutzungsweisen, sie provozieren Hoffnungen oder Befürchtungen, Wünsche oder Ängste und wirken auf diese Weise auch identitätsbildend. Unausweichlichkeitsszenarien und technikdeterministische Interpretationen befördern Fatalismus und Ohnmacht, erschaffen vermeintliche Sachzwänge und blenden Gestaltungsmöglichkeiten aus oder machen diese sichtbar. Technikdiskurse können das gesellschaftliche und politische Klima beeinflussen, Handlungsoptionen sichtbar oder unsichtbar machen, Handlungen und Forderungen von AkteurInnen stützen, rechtfertigen oder in Frage stellen. Für das Internet werden Ressourcen bereitgestellt oder verweigert, politische Entscheidungen getroffen, Gesetze verabschiedet oder abgelehnt. Diskurse über das Internet können somit weitreichende gesellschaftliche Konsequenzen haben, während nicht (mehr) sichtbar ist, dass es gesellschaftlich hergestellt und verhandelbar ist. Auch für Lernen und Bildung heißt dies, Diskurse über das Internet ernst zu nehmen, und nicht nur konkrete Anwendungen auf ihren Sinn und Nutzen für Bildungsprozesse hin zu prüfen. »Diskurse zu analysieren heißt Kritik üben«, so Jäger (2001: 222). Niedermair (1998) stellt nicht die Technik selbst, sondern den Diskurs iiber die Technik ins Zentrum seiner sozialwissenschaftlichen Technologiekritik: »Technologiekritik ist die Kritik des Diskurses iiber die neuen Technologien, und nicht Kritik der neuen Technologien im Sinne konkreter Informations- und Kommunikationssysteme.« (Niedermair 1998: 121, Hervorh. i.O.). Eine kritische Medienbildung ist immer auch Diskurskritik, indem sie Einstellungen, Bilder, Mythen und Alltagstheorien analysiert, kritisiert und bewusst macht. Schließlich sind Medienbildung und E-Learning auch selbst Diskursfelder, in denen die Bedeutungen des Internet umkämpft sind. Eine Diskurskritik nimmt damit nicht nur Einfluss auf Symbole, Zeichen und Bedeutungen, sondern auch auf die konkrete Gestaltung und Nutzung des Internet im konkreten, alltäglichen, dinglichen Lernen.

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DissipaHves Wissen Übergänge von nationaler Universalität zu Global Knowledge Communities Manfred Faßter

»Die digitale Kultur drängt auf eine verstärkte Dezentralisierung von Information und auf mehr sschöpferische Zerstörung<, aus der Innovationen hervorgehen.« Bart Kosko, Tbe FuZ1Y Future

Was folgt der welt-bürgerlichen Universität' Der Gestus bürgerlicher Universitäten war über Jahrhunderte paradox: Es war eine nationale Wissens-Universalität. Dem Klerus entzogen und gegen den Feudaladel gesetzt, gedachte das jeweilige Welt-Bürgertum seines Weltanspruchs in der merkwürdigen Koalition von Individualität und exklusiver Wahrheit. Des Bürgers Wissen sollte Welt-Wissen sein, darunter tat er es nicht. Wege des Wissens waren stets enge Pfade einsamer, experimentierender, grübelnder Individualität - oder mach außen- schien es so. Peter Weingart nennt dies die soziale Distanz des wissenschaftlichen Wissens, eben nicht nur eine unverzichtbare Distanz des Beobachters gegenüber seiner Gegenstandswelt, sondern auch eine dem ökonomischen, produktiven, nachbarschaftlichen Alltag der Gesellung abgewandte Ferne. In den Universitäten, anfänglich Orte des absoluten, dann, im 18. und 19. Jahrhundert, Ort des (empirisch) vollständigen oder (philosophisch) vollkommenen, später des positiven, kritischen, falsifi~erbaren und des, gegenwärtig oft sogenannten, anwendbaren Wissens, wurde trotz allen Wandels der Anspruch einer sGanzheite oder >Einheit< des Wissens nicht aufgegeben. Der abstrakte Ort des Wissens blieb der Idee nach auch erhalten: Universität. Es schien zu schlecht, um wahr zu sein, dass Wissen nichts Einheitliches an sich hat, zu schlecht auch, dass Welt-Wissen nicht mehr von zentralen bürgerlichinstitutionellen Orten steuerbar sei, zu schlecht auch, dass die Wege, wie erkennen zu wissen werden kann, nicht xlie Erkennmise und xlas Wissen< umschließen. Wis-

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sen ist selbst längst zum Produkt, Projekt und zum Problem geworden. In dieser Spannung wird Wissen als uneinheitlich, als vorläsifig beschrieben, nicht ausbalancierbar ~ischen visueller und abstrakter, reflexiver und impli!?fter Entstehung, aber anerkannt abhängig von all dem . Die Entstehungsbedingungen von Wissen lassen sich gegenwärtig nicht mehr ohne kognitive Wende, die epistemologischen Familienstreits innerhalb der Natur-, Technik-, Geistes-, Medien-, Kommunikationswissenschaften, nicht ohne die apparativ-technischen Empirien von Welt und die immer komplexer werdenden Beziehungen zwischen weltweit agierenden Wissensinteressierten darstellen. Die Zwischenwelt von >Individuum< und >Wahrheit< reichert sich medial, kommunikativ, apparativ, netzwerktechnologisch, informationell an, und das gleichzeitig an jedem realen Weltort und in jeder virtuellen Community. Die klassisch-institutionellen Kopplungen welt-bürgerlicher Universität sind noch vorhanden und werden nationalpolitisch (z.B. gegen das EU-Reglement) betrieben, obwohl längst Ne~erke globaler medialer Kopplungen der Wissensgenerierung entstanden sind und ihre konkurrenzielle und kooperative Macht entfaltet haben. Wissensentstehung hängt von multisensorischen, multimedialen, interaktiven Gruppenprozessen, von skalierten oder nicht-skalierten Netzwerken, von open sources und Eigentümemetzwerken ab. Einige Aspekte habe ich in meinem kleinen Beitrag »Communities of Projects/Collaborative Intelligence« (2007) dargelegt. Um Orte, Lokalitäten, real places und virtual-real places in die dynamischen Geschehnisse gegenwärtiger, weltweiter Informationsflüsse einzubeziehen, ist allerdings eine Forschung über die Zusammenhänge von Mediendiffusion, Informationalisierung, digitaler Vernetzung, Medienkonvergenz, Face-File-Face-Kommunikation, Online-Offline-Umgebungen u.Ä. erforderlich. Hierfür könnte sich der von Alan Dennis und]oseph S. Valacich (1999) vorgestellte Media-Synchronici!J-Ansal!G den sie gegen den von Daft und Lengel in den 1980ern entwickelten Media-Richness-Ansatz vorschlugen, lohnen. Während die MediaRichness-Theorie von einer höheren Lösungskapazität von Realwelttreffen bei Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten im Wissensgenerierungsprozess ausgeht, setzen Dennis und Valacich auf synchrones Arbeiten an einem Thema - was grundsätzlich auch im Netz erfolgen kann. Für das Verhältnis von Anwesenheit-Raum-Unsicherheit-Mehrdeutigkeit unterscheiden sie zwei Kooperationstypen: konvergente Prozesse, in denen Information verdichtet werden und online oder offline stattfinden können; divergente Prozesse, in denen Informationen verteilt, von vielen Menschen geprüft und bestätigt respektive widerrufen werden.

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Mediamorphes Wissen Treten wir hier nicht zu wert in die Erforschung von virtuellen KnowledgeCommunities (vgl. Erickson/Kellog 2003) ein. Lassen wir uns noch etwas Zeit für die Formulierung eines differenzierten Wissenskonzeptes. Das informationserhaltende, auswählende Vermögen (das Vermögen, etwas zu wissen) lässt sich auch beschreiben als Fähigkeit des Menschen, ausgewählte Informationen für Erkennen und Handeln saufzubereitenc Über lange Zeit sind die damit verbundenen Formalismen sprach-kulturell eingehegt worden. Trotz weltweiter Wissenschaftskooperationen musste wissensfähige Information durch das nationale WissensNadelöhr gehen oder nicht. Eine nahtlose Wissenskultur gab es und gibt es nicht. Die gegenwärtigen Herausforderungen für die Wissensdiskurse liegen nicht allein darin, dass die institutionellen und normativen Grenzen zwischen z.B. Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, innovativen Gruppierungen durchlässig geworden sind. (vgl. Mittelstraß 1998; Stehr 2003; Weingart 2001) Es haben sich überraschend viele -Grenamanagementsc (Interdisziplinaritätsdiskurse; Debatten um art & science usw.) entwickelt. Die Herausforderungen liegen vor allem darin, dass die zu verarbeitenden Informationen zunehmend mediamorph (vgl. Fidler 1997) sind. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Bearbeitung von Informationen in wachsendem Maße von (neuen, anderen) Kulturen der Selektion von Informationen und der Reduktion von Komplexität gebunden ist (vgl. Rippl/Ruhnau 2002). Wissen wird darin zu einem störanfälligen Produkt. Denkt man Wissen und Innovation zusammen, wie wir dies hier vorhaben, so liegt die >Neuerungs-Fähigkeit< darin, zeitnah zu bereits getroffenen (Wissens-)Produktentscheidungen andere Entscheidungen auf der Basis anderer Informationen zu entwerfen und vorzuschlagen. Innovation heijit dann nicht nur, Mengen von Itiformationen ifJ verarbeiten. Es heißt, die Modi der Wissensproduktion und dadurch auch die Produkte ständig zu verändern. Unter Bedingungen des Mengen- und Komplexitätszuwachses von Informationen wird dies nicht ohne (skalierte und skalenfreie) Netzwerke (vgl. Barabasi/Bonabeau 2004) möglich sein. Hier soll versucht werden, die Mediamorphose des Wissens, die Formen des Grenzmanagements, die informationellen Vernetzungen und Partizipation zusammen darzustellen.

Wissen, ein partizipatorischer Zustand Mit dem Ausdruck »partizipatorisches Universum« bezeichnet der amerikanische theoretische Physiker John Archibald Wheeler die Vorstellung, nach der das Uni-

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versum nicht einfach xlort draußen, ist und nur seiner Entdeckung harrt, sondern erst durch die gestellten Fragen, Forschungsinstrumente, durch Informationen und die ihnen zugehörigen Reduktionen und Antworten Gestalt (Form) annimmt. Der Physiker Hans Christian von Baeyer spricht deshalb auch in Anlehnung an Wheeler vom »beobachtungsabhängigen Universum«. Eine solch radikale Position war und ist nicht unumstritten. Vor allem die Rückführung von Beobachtung auf das Verhältnis von Beobachtetem und BeobachterIn und die damit verbundene RücJifiihrung von Wissen argden Moment (oder die kulturellen Episoden) derbedachten Beobachtung wird nicht nur Widerspruch bei Wissensmanagern hervorrufen, da es doch hier vorrangig um Beobachtungs- und Unterscheidungsmanagement geht. Widerspruch wird auch von jener Seite kommen, die nach wie vor auf die Anhäufung von Wissen setzt, auf Fortschritt, auf Wahrheitsannäherung usw. Meine hier vorgestellten Überlegungen zu einem prozessuakn Wissenskonzept und die Vorstellungen eines Forschungsrahmens, der die informationelien und mediakn Umgebungen für Wissensentstehung betont, bedenkt diese Widersprüche, wird sie allerdings nicht ausführlich berücksichtigen. Für mich ist der Konstruktivismus des wheelerschen Denkens hilfreich. Partizipation setzt realistisch voraus, dass es die mögliche Agenry (die Aktivitätsjrihigkeit) eines beobachteten Gegenübers gibt, ob es nun menschlich, nicht-menschlich physikalisch, geologisch, chemisch, technologisch ist. Wir setzen damit auch voraus, dass jedes einzugehende Verhältnis dynamisch wechselseitig ist. Oder anders gesagt: Jede Beobachtung schickt eine Art Itiformationsbedaif zum Gegenstand (konstruktivistisch gesagt: eine Erwartungsbeobachtun~. Dieser gibt xler Beobachtung nichts preise, sondern nimmt die episodische Gegenstandsjorm des Itiformationstrrigers an (fälschlich als Objektivität beschrieben). Wandert der Kegel der Aufmerksamkeit und Beobachtung weiter, sinkt der Gegenstand in sein Vorhandsein zurück. Im Verlauf der Beobachtung werden Informationen also sentnommenx, um ihre Rolle in einem anderen Zusammenhang, nämlich in den >kognitiven< Instrumenten, ~B. Mustern, Schemata, Bedeutungen, zu spielen. Für unsere Wissens-Anfragen ist es wichtig zu verstehen, dass weder Codierungen noch Daten oder Informationen noch schlussendlich Wissen den Raum der Beobachtungen verlassen. Mit diesen Worten sind allerdings sehr wichtige Formgebungs- und Formerhaltungsverfahren verbunden. Codierungen sind basale Unterscheidungsregeln, Daten sind deren Zeichenfigur. Informationen gehen auf diese wiederholbaren Standards zurück (Redundanz wird dies genannt) und sind zugleich Angebote, vorher nicht geläufige Unterscheidungen (Neues, Nicht-Redundantes) zu formulieren. sSehen wir

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diese Unterscheidungen eine, so fügen wir diese in unser Erkennen ein, machen dieses dann eventuell zu unserem Wissen. Wissen ist demnach nach den Regeln des Erhaltes und den Regeln der Veränderung aufgebaut. Allerdings sind die Regeln des Erhaltens kein Versprechen auf eine überzeitliche Her- oder Zukunft von Wissen. Sie meinen nur: Versuchen wir kulturell den Laden des Wissensgeschäfts zusammenzuhalten. Dass daraus Übertreibungen folgen, bis hin zu missionarischen Idealisierungen von Erkennen (Wissen) oder auch Nicht-Erkennen (Nicht-Wissen, Glauben), ist geläufig. Anders formuliert: Bei der Beobachtung verwenden wir bereits bekannte Unterschiede, nutzen sie für Kombinationen, für Irritationen oder auch für neue Unterscheidungen. In den Unterscheidungen entsteht Partizipation, entsteht der sich mach innene bildende Beobachtungsraum. Diesen nennt Otto E. Rössler den Endo-Raum, in Abgrenzung zum beliebten Exo-Raum der Beobachtung. Das ist weniger schwierig zu denken, als vermutet. Man kann sich dies in der Erweiterung eines alten kausaltheoretischen Satzes vorstellen: Ursachen erzeugen Wirkungen und Wirkungen werden wieder zu Ursachen. Der Gegen-Stand wird zum Gegen-Akteur, wird vernetzt, steht in dynamischen Wechselwirkungen. Auf Wissen bezogen meint dies: Es ist ein 4Jnamisches, komplexitä"ts- und ä"nderungssensibJes Produkt menschlicher Wahrnehmung und Verständigung. Wir haben es also nie mit Einbahnstraßen zu tun, sondern mit massivem Gegenverkehr im Informationsfluss und ebenso massiven Konkurrenzen bei den Regeln der Selektion. Dies gilt vor allem auch für dieses aufregende (multisensorische, körperliche, sinnlich-abstrakte, abstraktionslogische) Intelligenzfeld, das wir als Wissen beschreiben. Wir versuchen Wissen mit den Methoden, die wir als wissenstypische Wege, etwas zu erkennen, beschreiben, zu beobachten. Die Gefahr ist: Es entsteht unbedachter Selbstbezug. Die Chance ist: Es entsteht bedachter Selbstbezug. Stellen wir diese Thematik aber noch zurück.

Vier Imperative Partizipation ist, wie ich sagte, nicht ohne Konstruktion zu haben; Konstruktion ist in dem Wortsinne ernst zu nehmen, dass es eine Kon-Struktur ist, in der wenigstens zwei Bereiche wechselseitig die Struktur des Gegenübers informationell beeinflussen. Und es scheint, dass gegenwärtig a. b.

die Mengen informationeller Welt-Angebote größer, die Anforderungen an informationelle Reduktion umfangreicher und

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c.

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die normativen, regulierenden, ordnungssetzenden Semantisierungen riskanter geworden sind.

Wissen, das unter diesen Bedingungen gebildet wird, steht demnach nicht nur unter den Anforderungen,

• • • •

hinreichende Mengen von Informationen mit einbezogen zu haben (Komplexitätsimperativ), sondern auch unter den Forderungen, entweder hinreichend komplexe Handlungsmodelle zu bestimmen (Anwendungsimperativ) oder entsprechende einsetzbare Wissens-Netzwerke auf sich beziehen zu können (Verne'i!'ngsimperativ) oder Handlungsalternativen aufzuzeigen und damit entstehen zu lassen, aber nicht in die Anwendungsentscheidungen selbst eingreifen zu wollen/zu können (Beratungsimperativ).

Sie können an diesen Imperativen schon erkennen, dass ich Wissen keineswegs als ein freies Gut einer Menschenassoziation verstehe, sondern als Produkt normativer, institutioneller, erzieherischer, ökonomischer, militärischer, wissenschaftlicher Unterscheidungs- und Anwendungshierarchien. Dass ich dennoch davon ausgehe, dass Wissen an individuelle Träger gebunden ist, meint nichts anderes als, dass Suppe schmecken muss, damit sie wieder bestellt wird. Wissen ist ein Formalismus, der iJVischen Konstruktion und innovatorischer Unterscheidung immerwieder neugese'i! werden muss. Auf meine begrifflichen Grundklärungen bezogen heißt dies: Mir ist an dem Argument der Komplexität nicht die fröhliche oder beängstigende Vielfalt wichtig, sondern die (ökonomie-, wissenschafts-, kunst-, alltags-, kommunikations-)kulturellen Repertoires der Reduktionen. Womit ich bei einer Frage angelangt bin, die sich sicherlich nicht nur medien- und kommunikationswissenschaftlich bearbeiten lässt: Wie lassen sich die Wechselwirkungen zwischen digital-medialer Kopplung der Informationserzeugung und -verbreitung, Programmen der Wissensverwaltung, unplanbarer Wissensgenerierung, Programmierung von Speichern und Transferprotokollen, Nutzungsstrukturen und Kompetenzentwicklungen, zwischen massivem institutionellen Wandel, Rückbau nationaler Bildungs- und Wissenssouveränität, globalen Kommunalisierungsfunktionen von Netzwerken, Communities of Projects u.a. in Zusammenhänge bringen?

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Geht man von der Anforderung aus, in diesen unumkehrbaren Prozessen globaler Wissensproduktion eine lokale, regionale, herkömmlich-soziale Markierung einzubringen, stellen sich ernstzunehmende Fragen u.a. an die Grundbedingungen wissenschaftlicher Informations- und Wissensgenerierung. Es sind diese Fragen an die institutionelle, mediale, politische Architektur des Informations- und Wissensgefüges. Also: Wie reagiert die welt-bürgerliche Universität darauf, dass sie zu einer regionalen} lokalen Universität geworden ist, die sich um Standortvorteile, Alleinstellungsmerkmale oder wirtschaftlich starke Stifter bemühen muss? Soziologie, Politologie, aber auch Wissensmanagementforschung und Forschungen zu E-Learning, E-Teaching und blended learning gehören mit an den Tisch, ebenso wie Mediendesigner, Netzbetreiber, Softwareentwickler und mathematische sowie künstlerische Visualisierer. Hier lassen sich allerdings nur wenige Aspekte aufgreifen.

Lokalisierte Univers(ali)tät Weltweit lässt sich ein fundamentaler Wandel in den Weisen der Wissensproduktion beobachten. Wissen zu erzeugen, zu erhalten, es als >Marke< zu führen, es nah an der Umsetzung oder Anwendung anzusiedeln, wird zu einem globalen Konkurrenzmechanismus. Was als Wissen anerkannt und gefördert werden soll, steht zur Disposition. In den 1960ern und 70ern sprach man von einer entstehenden »knowledgeable society« (Lane), von wissenschaftlich-technischer Revolution (Lane) oder post-industrieller Informations- und Wissensgesellschaft (Bell), und betonte als dessen Träger universitäres wissenschaftliches Wissen. Die Hoffnungen auf diesen Träger sind noch da, aber der weltweite Strukturwandel der Wissensproduktion in Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, Alltag weist in viele andere Richtungen. Wissensf:ihige Informationen nehmen in allen genannten Bereichen zu. Sie haben immer weniger mit der Suche nach universalen Gesetzen zu tun, denn mit Anwendungszusammenhängen. Transdisziplinarität, eine belastbare Zusammenführung von Wissensarten unterschiedlicher Herkunft, die auf einen Projekt- oder Problemfokus bezogen werden, ist weltweit zur wichtigen Kooperationsanforderung geworden. Die globale Medialisierung der wissensfähigen Informationen entzieht den überlieferten Strukturen im Wortsinn xlen Bodenc Entterritorialisierte Netzwerke verändern die Zeit- und Aufmerksamkeitsökonomien der Disziplinen.

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>Wer sich nicht ins Netz begibt, kommt darin ume, lautete ein Satz in den frühen 1990ern. Er hat, gerade für Wissensproduktion, und eben nicht für Archivierung, seine Provokation behalten: >Wer sich nicht in die Informationsströme begibt, kommt darin um.< Damit wird zugleich gefordert, sich über die jeweilig erforderlichen kulturellen Verdichrungen von Informationen (gerne auch Content genannt) neu und anders Gedanken zu machen. So entsteht eine bislang wenig beobachtete Sphäre der globalen Wissensmöglichkeiten und -bedingungen. Sie beeinflussen erheblich die lokalen Wissensformen und individuellen Weisen des Erkennens und Wissens. Die Chance auf Wissen löst sich zunehmend von den steilen Institutionalisierungen, die wir als Universität kennen. Wissensproduktion erfolgt mit immer größeren Reichweiten außerhalb der Körperschaft >Universität< und auch außerhalb des politisch-konzeptionell geschützten Raumes >Universität<. Das Feld der globalen Medienintegration von Information und Wissenserzeugung wird zur zentralen Thematik transnationaler Wissensproduktion und -weitergabe. Die Menschheit verfügt mit den digitalen Techniken zum ersten Mal a. b.

c.

über einen universellen Standard von Zeichen für Bilder, Texte, Töne, Bewegungen, über Kommunikations- und Transferstandards, die, gelöst von Orten und Zeiten, den Globus mit einem ununterbrochenen Informationsmantel umgeben,und über immer dichter vernetzte universell verstreute Werkstätten des Wissens .

Ob wir damit, wie Ulrich Beck einmal bemerkte, an der Schwelle einer »kosmopolitischen Gesellschaft« stehen, werden wir sehen. Und ob und wie europäische Universitäten daran beteiligt sein werden, wird die Zeit zeigen. In jedem Fall scheint es angezeigt, etwas vorsichtiger mit dem Begriff >Gesellschaft< und für diesen Beitrag, vorsichtiger mit dem Wort >Universität< umgehen. Nicht auszuschließen ist, dass beide Auslaufmodelle sind, zumindest was den territorialen und institutionellen Universalitätsbezug regionaler Kulturen angeht. Sie für einen globalen Diskurs zu retten, erfordert doch mehr als eine Auffrischung durch Adjektive. Die Frage ist daher eher: Welche Zukunft für welche Wissenswerkstatt? Ob diese dann Universität heißen wird, ist nachrangig. Die Werkstätten, die Labors, die Entstehungsorte für Wissen und dessen Anwendung, Einsatz, Kritik, haben immer weniger mit dem überlieferten Modell von

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Unioersitas und Universität zu tun. Ob dies nun behagt oder nicht: Die globalen Informations-, Kommunikations- und Medienstandards verändern Wirtschafts- und Wissensstrukturen. Der permanente Veränderungsdruck gilt nicht nur in Wirtschaft, sondern auch für Wissen und Wissenschaft. Die etablierten Abstände zwischen den Institutionen flachen ab, in den Informationsflüssen digitaler Netze sind sie verschwunden. Universitäten müssen mit ihren Fächern zu Knoten innerhalb der weltweit vernetzten Wissensumfelder werden, oder sie veröden. Damit ist eine Prognose formuliert, die auf ein Vereinsamungs-Szenario zielt, ohne dass dies für die deutschen Universitäten die Zukunft sein muss. In vielen Fächern ist nicht nur die klassische Internationalität selbstverständlich. Sie sind, wie man sagt, global aufgestellt. Die Wissensproduktion erfolgt nicht nur am heimischen Tisch nach sinteressanten produktiven Kontakten- mit der Außenwelt. Die Themen sind global. Am Ozonloch ist ebenso wenig sNationalitä« erkennbar wie bei EI Nino, am globalen Bevölkerungswachstum ebenso wenig wie an Transferstandards bei Online-, Bildoder Textübertragung, an Tagesgeschäften des Finanzkapitalmarktes, an 24-0nline der Broker. Die Überschätzung der Jahrhundertmarken smade ine oder >qualified ine trübt noch allzu oft den Blick auf die globalen Produkt- und Wissens föderationen, die entstanden sind. Der heutige und zukünftige menschliche Wissens träger informiert, kommuniziert, entwirft, produziert, konsumiert, imaginiert global, also online. Möglich, dass sich ein »homo generosus« herausbildet, wie Tor Nerretranders schreibt, ein egoistisch altruistisches Menschenkonzept sich ausweitet. Immerhin wäre dies eine der auffälligsten Veränderungen im Zwischenraum von >Individuum< und >Wahrheit<.

Lernen - high end, elsewhere Klar, soziale und individuelle Wirklichkeiten bleiben auch unter den expandierenden technologischen Realitäten und Möglichkeiten erhalten. Ihre Eigenarten gewinnen sie nicht mehr vorrangig aus den Ortsbezügen. Global ausgelegte Manager- und Hackerkulturen, virtuelle Gemeinschaften und Forschungsnetze, annähernd 1 Milliarde tägliche NetzwerknutzerInnen und weltweite zeitnah in 2 oder 30 Sekunden erledigte Informationsanfragen zeigen, dass es nicht nur Weltwissen gibt, sondern auch Handlungsfelder, die hauptsächlich im Netz verarbeitet werden. Soziale Wirklichkeit findet also dort statt, acht oder vier Stunden am Tag, und bleibt als mediale Wirklichkeit in Erinnerung. Hochschulen reagieren auf diese Themen mit mehr oder minder finanziell gut abgesicherten Infrastrukturmaßnahmen und holen damit mit enormer Zeitverzögerung

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das nach, was in Haushalten über individuelle Konsumtionsfonds bereits an Rechnern, Modems etc. gekauft wurde. Ein eher beschämender Wettbewerb, bei dem nicht nur die öffentliche Hand derzeit verliert, sondern der Sektor >Öffentliches Wissen<. Damit spreche ich mich nicht gegen die Vorgaben aus, die Universitäten (endlich) e-ready zu machen, also vom E-Learning bis zu Online-Videokonferenzen die Infrastrukturen anzubieten. Gleichwohl findet xlort vor Ort< wenig (bis keine) Innovation statt. Universität als early adopter ist auch kaum erkennbar. Wir befinden uns in der Situation, dass nicht nur in den Schulen der mediale Kompetenzwechsel vom Lehrer/von der Lehrerin zum Schüler/zur Schülerin erfolgt. Die infortnationellen Werkstätten des Wissens sind zunehmend privat eingerichtet, High-end- Lernbereiche, während die Universitäten dem nicht nachkommen. Die Prozesse des tradierten Wissenserhaltes drohen, von den gegenwärtigen und zukünftigen Bereichen der Wissens- und Wertschöpfung wegzudriften. Wahrscheinlich ist, dass sich in diesen Verläufen Gegensätze in den Modellen von Wissen zwischen Herkunft, Archiven und Institutionen einerseits und Entstehung, Verarbeitung und Erweiterung andererseits verfestigen. Sicher ist dies eine Vereinfachung, die prognostisch hilfreich erscheint. Nicht auszuschließen ist deshalb, dass in naher Zukunft innerhalb der Gesellschaften zwei Fragen gestellt werden: Warum sollen wir überlieferte Wissensbestände ohne dauerhafte Anschlussfähigkeit an Bedarfsentwicklungen weiter söffentliche finanzieren? Und: Welche Handlungsebenen müssen entwickelt werden, um noch ein paar Terabytes an Gesellschaftlichkeit im Netz der globalisierenden und individualisierenden Prozesse zu haben? Bedenkt man die angedeuteten Aspekte und verbindet diese mit den Erwartungen informations- und wissensintensiver und -sensitiver Megathemen der Zukunft, erscheinen manche universitären Ortserfahrungen eher unbeweglich. Themen wie Medienkonvergenz (Multimedia, Telekommunikation, Netzwerke), Edutainment (von Spielen bis zur Virtual University, von Medienkompetenz zu künstlichen Lernumgebungen), Life Science, Biotechnologien, Bevölkerungsexplosion und Ernährungslage, Energie, Transportsysteme, globale Migration und Gesundheit könnten sehr gut die Themen- und Projektfelder sein, um die herum sich Universitätskapazitäten gruppieren ließen. Oder es müssen völlig neue Kapazitäten gebildet werden, wenn überlieferte Strukturen sich hier uneinsichtig zeigen. Es wird einfach zu wenig versucht, über das Morgen und Übermorgen dieser hochsubventionierten Anstalt der Wissensproduktion und Wissensvermittlung nachzudenken. Dies liegt sicher auch in Personen begründet. Gravierender aber ist, dass

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aus den Fächern heraus nicht die wissenspolitische Frage danach gestellt wird, warum Gesellschaft sich in Zukunft gerade diese Art von Wissensproduktion leisten sollte. Man könnte ja in einem freudigen Sinn von der >Verwdtlichung< der Wissenschancen sprechen, die aus der politisch-edukatorischen, aufklärerischen, industriellen und wissenschaftlichen Modernität der letzten 200 Jahre entstanden ist. Also Abkehr von den Modellen der Vollständigkeit oder der Vervollständigung, von Ideen wie derjenigen, dass evolutionäre Prozesse, ob dialektisch oder linear, ein geistvolles oder erschreckendes Ende fänden. Die Universitäten werden in die Pragmatik der globalen Wissensproduktionen mit einbezogen, werden Knoten einer höchst interessanten Konkurrenz um die Bestimmung von Grundlagen, Erfordernissen, dringlichem Wissen und Anwendungen.

Interdisziplinarität oder User Generated Content Wir sprachen von Transdisziplinarität. Sie ist einer der interessantesten Begleiter beim Wandd der Abteilungs-Disziplinen zu Themen- und Projektwissen. Sie ist eine Wissens-Förderation, die den Anderungsgeschwindigkeiten in der WissensWdt entspricht. Herkömmlich herrscht eine Selbstregulierung der Fächer vor, in der über die Anforderungen, alle Phänomene zu erfassen oder zumindest einen kategorial festen, konstanten und normativ wendbaren Begriffsrahmen zu besitzen Wissensbesitzstand verteidigt wird. Daran ist erkennbar, dass gegenwärtig eine Unterscheidung zwischen a) der konservierenden Funktion der Fach- und Institutionsbildung, b) den zugelassenen Wissensbeständen und Wissensformen und c) dem neuen Erkennen und der Wissenserzeugung unerlässlich ist. In vielen Bereichen dominieren noch a) und b). Sie vertreten das Los der Institution, der Archive, der tradierten Strukturen, der strikten Hierarchien der Wissensweihung, auch Qualifikationen genannt. Es ist die alte Idee der Universitas, des geschlossenen Wissenssystems der Wdt. Über Jahrhunderte war es ein europäischer ExportscWager, umgarnt von der Behauptung, es gebe dieses eine Wissen, diese eine Wdt, geschickt von Descartes in zwei Felder geteilt. Nun wird man sagen können: Mit der Industrialisierung und mit der aufklärerischen Modernisierung entstanden neue Wissensfdder, neue Institutionen wie Schulen, Akademien, Technische Hochschulen, die mit der mittelalterlichen Idee der Universität nicht direkt etwas zu tun hatten. Dem ist nicht zu widersprechen. Diese Entwicklungen der letzten 150 Jahre zeigen auf nationaler Ebene, dass abstrahierendes wissenschaftliches Wissen, das ausschließlich auf Geist bezogen ist, nicht mehr alleine ist. So wie vorher Kirchen, Feudalherren, Klöster und ein paar

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Städte in die geistvollen Wissenschaften und in wenige Naturwissenschaftler investierten, investierten Gesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts massiv in neue Wissensproduktionen, in neue Wissenssorten und deren Anwendungen. Eine Art nationaler Wissensfirma entstand, mit institutionell und sozial strikt geregelten Wissens-Abteilungen, Abteilungsgehorsarn inklusive. Allerdings knackte es nicht im Gebälk der Hierarchisierung. Die technischen Fächer, die ingenieurswissenschaftlichen Richtungen, mitunter auch die sozialwissenschaftlichen Institute standen unter dem Negativzeichen der Anwendung und stehen dort immer noch. Fast wie ein Duplikat der Stilisierung von Hochkultur gegen Masse(-nkultur), retten sich die tradierten Vorstellungen von Universität vor dem Ansturm der Anwendbarkeit. Die aktuellen deutschen Auseinandersetzungen um das Promotionsrecht von Fachhochschulen und ob sie sich in internationalen Zusammenhängen sUniversity for applied ... < nennen dürfen, sind ein kleines Beispiel. Nun: Anwendbarkeit ist eine Kulisse, hereingeschoben in einer Situation, in der noch nicht klar erkennbar war, in welcher Weise sich die kulturellen, qualifikatorischen, wirtschaftlichen und politischen Ansprüche an Wissen veränderten, welche Wissenssorten erforderlich würden. Hinter dieser Kulisse konnte man sich verstecken (Universität als Welt(ge)wissen) oder ernsthaft vortragen (Technische Hochschulen bis Fachhochschulen). Seit drei Jahrzehnten wird ab und an eine andere Kulisse der Wissenspolitiken bewegt: Interdisziplinarität - ein hochgelobter Dauerbrenner, der seine Leuchtkraft verloren hat. Das sintere ist nicht gelungen, weil letztlich doch wieder alle auf Disziplin setzten. Die Standort- und Baupolitiken der Universität Frankfurt, sicherlich schon etliche Jahrzehnte gepflegt, sind ein interessantes Beispiel für die Beharrlichkeit überlieferter Disziplin-Trennungen, so als hätte Snow mit seinen unvereinbaren Wissenschaftskulturen doch recht. Zumindest sind die Bauplätze des Wissens in keiner kooperativen Nähe. Viel Engagement scheiterte daran, dass diese Debatten um Interdisziplinarität institutionell geführt wurden und werden. Niemand gibt von sseinem Territoriums irgendetwas ab, wenn er keine verbessernde Kompensation dafür erhält. Interdisziplinarität ist Verteilungskarnpf geworden. Oder sie scheitert daran, dass die Methoden, die Leitbilder oder die der wissenschaftlichen Prüfung entzogenen Weltbilder als unvereinbar aufgestellt sind. In allen diesen Prozessen der letzten 30 bis 50 Jahre macht sich ein Grundmangel bemerkbar: Wissen wird nicht als Gebrauch menschlicher Fähigkeit verstanden, zu erkennen und zu inter-re-agieren. Seit der Rede von Roman Herzog in den frühen 1990ern hält sich hartnäckig die Meinung, Wissen sei eine Ressource. So als könne man auf Wissen einfach zugreifen, wird die Idee gepflegt, es gehe in den schulischen oder

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universitären Ausbildungen um Wissen. Genauer betrachtet sind Universitäten gut ausgestattete Informationsproduzenten, -verwaltungen und Verwaltungen der Übersetzungsregeln für die Informationen. Aber sie haben mächtige Konkurrenz erhalten: Web 2.0, Social Net, Rich Media, Blogosphere, Virtual Commons, Virtual Universities - die ich hier unter dem Thema: User Generated Content zusammenfasse.

Open source - Open truth? User Generated Content ist aber nicht als beliebige Wahrheit misszuverstehen. Es scheint, dass der Beginn des 21. Jahrhunderts weder die Stunde der disziplinär organisierten klassischen Universität, noch die Stunde der hierüber bestimmten Wahrheit ist. Transklassische Universitäten, die selbstverständlich mit den globalen Veränderungen der Informations- und Wissensmengen zeitnah umgehen, die Fächer nach fünf Jahren zur Überprüfung freigeben, die beweglichere Besetzungspolitiken ermöglichen und mit Bereichen aufwarten, in denen unternehmerische Handlungsfelder und entsprechende Arbeitsrechtsordnungen möglich sind, sollten innerhalb der Universität diskutiert und vorbereitet werden. Es ist ein dramatischer Mangel, dass nicht an Projekten orientiert, sondern ausschließlich nach disziplinärer Begriffshygiene gelehrt und gelernt wird. Es gibt keinerlei gemeinsamen Projektbezug; Lehrpläne, Fachverständnisse, Berufshierarchien stehen dagegen. Es will mir scheinen, dass dies die größte Herausforderung an deutsche Universitäten ist: Wissensproduktion, Wissenserhalt und Wissensvermittlung sowie spezifische Stellenplanung und spezifische Vertragsstrukturen sollten auf Projekte gerichtet sein, die die Beteiligung sehr unterschiedlichen Wissens erfordern. Projekte sind der melting pot der Transdisziplinarität. Sie enthalten die Chance, komplexes Zusammenhangswissen ebenso zu erlernen wie unterschiedliche Wege, etwas zu erkennen und zu wissen. Wie sich die Ebene der Projekte zur Frage nach der Kontinuität verhält, wäre dann zu diskutieren. Das alles hängt daran, was unter Wissen verstanden wird und in welcher Weise man meint, seine Entstehung und seinen Erhalt institutionalisieren zu müssen. Ich plädiere für fachlich unterlegte Projekt-Studiengänge, d.h . auch für Fachentwicklungen, die sich ausdrücklich auf die weitreichenden Veränderungen von Wissen und von Wissensbedarf beziehen. Ob die Orte, an denen das geschieht, dann noch Universität genannt werden, ist nicht wichtig. Die Frage nach der Reichweite des Wortes und der Körperschaftlichkeit von Universität stellt sich nicht als solche, sondern aus den Prozessen heraus, die als Globalisierung, globale Medienkulturen oder global

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verstreute Wissenskulturen beschrieben werden. Wir sind an einem hochinteressanten Wechsel in den globalen Wissenskulturen beteiligt: vom archivierenden, relativ geschlossenen Konzept des Gesamtwissens (zentrierter Universalität) zu einem hochgradig vemetzten, dynamischen Konzept der weltweit verteilten Wissensgenerierung (fraktaler Globalität). Orte, an denen sehr unterschiedliches Wissen zusammenkommt, zu Projekten verdichtet wird und für Projekte bereitgestellt wird, werden darin wichtig. Netzwerke und Infortnationsströme, einzelne Menschen und Projektgruppen bestimmen die entstehenden Wissensökonomien. Es wird immer deutlicher, dass wissensbildende Informationen und die Fähigkeiten, Wissen zu erzeugen, längst nicht mehr nur in den klassischen Universitäten zu finden sind. In Agenturen, An-Instituten, Untemehmen, Forschungslabors arbeiten jene 40 Prozent eines Geburtsjahrganges, die studiert haben, und eine Vielzahl von Menschen, die in ihrer Tätigkeit enorm viele Informationen und Fähigkeiten angesammelt haben. Sind die Institutionen zu unbeweglich, auf diese globalen Herausforderungen zu reagieren, müssten dies eigentlich jene tun, die in die regionale Fläche Wissenspolitik machen können, und das sind vorrangig Städte mit einer hohen Verdichtung von Wissensproduzenten, -vertnittlem und -anwendem.

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>Medienbildung< - ein Konzept in heterogenen institutionellen Verwendungskontexten Benjamin Jörissen

Der Ausdruck >Medienbildung< hat im vergangenen Jahrzehnt erhebliche Verbreitung gefunden. Nicht nur im medienpädagogischen Diskurs, sondern auch darüber hinaus spielt er in der öffentlichen bildungspolitischen Diskussion eine zunehmende Rolle, ausgelöst wohl nicht zuletzt einerseits durch den Umstand, dass weite Teile von Politik und Gesellschaft das enorme Ausmaß des globalen medialen Wandels in seiner gesellschaftlichen Tragweite zur Kenntnis genommen haben, andererseits durch die Ubiquität des Labels -Bildungc Dabei tritt unter dem Titel >Medienbildung< zunächst, so scheint es mir, die Einsicht zutage, dass kulturelle Verlustdiagnosen und bewahrpädagogische Haltungen den medienkulturellen Umbrüchen in ihrer Differenziertheit und Komplexität nicht gerecht werden. Nicht nur würden mit einer solchen Haltung Chancen (und internationale Anschlüsse, im bildungspolitischenJatgon: Wettbewerbsfähigkeit) vergeben, auch die Diagnose von vermuteten >Gefahren< bedarf, wie immer deutlicher wird, eines erheblich differenzierteren und sachverständigeren Blicks. In großen Teilen der Medienpädagogik wird diese Position seit Jahren, ja inzwischen geradezu traditionell, begründet und konkretisiert. Medienbildung wird in dieser breiten, den fachlich-medienpädagogischen Rahmen weit übersteigenden Wahrnehmung auch zu einem Bestandteil bildungspolitischer Forderungen. Der Ausdruck hat damit, ähnlich wie der Bildungsbegriff, in sehr unterschiedliche systemspezifische Diskursperspektiven Eingang gefunden. Die datin liegende Chance einer breiten gesellschaftlichen Wahrnehmung dieses Problemfelds und des Bedarfs an aktiver medienfokussierter Bildungspolitik birgt jedoch auch die Gefahr einer Aufweichung der Begrifflichkeit auch innerhalb der erziehungswissenschaftliehen Diskussionen. Immerhin kann und muss die (z.B.beratende) Kommunikation mit bildungspolitischen und bildungsadministrativen Institutionen und deren Vertretern - wie auch mit Medienvertretern - als ein Aspekt des gesellschaftlichen Auftrags der Erziehungswissenschaft verstanden werden. Zudem muss auch die innerfachliche Perspektive in eine begriffstheoretische und eine praxistheoretische Seite unterschieden werden . Geht es der ersteren um grundlagentheoretische und empirische Selbstverständigung im Sinne etwa einer Sicherung der wissenschaftlichen Gegenstandsbereiche, der Begriffe, Methodologien und Metho-

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_6, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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den - was für sich genommen nicht auf pädagogische Praxisbezüge festgelegt ist -, so steht die praxistheoretische Perspektive in engem Bezug zu Problemstellungen im Schnittfeld von Bildungsinstitutionen und den in diesen verorteten pädagogisch organisierten Situationen und Handlungen. So sehr einerseits die Diskussion um einen systematisch und methodologisch begründeten, erkenntnistheoretisch fundierten Begriff von Bildung (analog: von Medienbildung) aus meiner Sicht unumgänglich ist, so sehr muss vor diesem Hintergrund andererseits realistischer Weise zur Kenntnis genommen werden, dass diese Forderung nicht jedem Kommunikationsauftrag der Disziplin in gleichem Maße gerecht wird. Eine Klärung der Begriffe setzt daher m.E. zweierlei voraus: •

Erstens sollte zwischen internen und externen Kommunikationen unterschieden werden. Die Erziehungswissenschaft ist in besonderem Maße mit dem Problem konfrontiert, dass ihre fachsprachlichen Begriffe - genauer: die Bezeichnungen, weniger das Bezeichnete - Teil der allgemeinen Sprache sind. Sie ist, insofern sie auch eine Wissenschaft der pädagogischen Praxis ist, sogar besonders darauf angewiesen, dass sie auf verschiedenen Ebenen außerhalb fachwissenschaftlicher Diskurse mit, beispielsweise, administrativen oder politischen Funktionsträgern kommuniziert. In der Außenkommunikation müssen strategische Komplexitätsreduktionen vorgenommen werden, um überhaupt anschlussf:ihig kommunizieren zu können. Dass dies also legitim sein kann aber auch in dieser Einklammerung zu verstehen, entsprechend mitzukommunizieren ist -, wäre zu beachten.

•

Zweitens sollten in der fachinternen Diskussion die begriffslogischen Differenzen zentraler Kategorien berücksichtigt werden. Insbesondere gälte es zu beachten, 1. dass mit unterschiedlich strukturierten Begriffstypen strukturell unterschiedliche Aspekte eines (gemeinsamen) Feldes konstruiert werden, 2. dass inhaltliche Differenzierungen undAbgrenzungen nur innerhalb vergleichbar strukturierter Begriffstypen sinnvoll aushandelbar sind (man kann beispielsweise über prozessuale Bildungsbegriffe streiten, aber schlecht darüber, ob Bildungsprozesse Lern-, Erziehungs- oder Sozialisationsprozessen rvorzuziehene seien - das ergäbe offensichtlich wenig Sinn) sowie 3. dass erst über die Ausdifferenzierung innerhalb vergleichbarer Ansätze auch Anschlüsse zwischen unterschiedlichen Kategorien genauer in den Blick ge-

>Medienbildung< - ein Konzept in heterogenen institutionellen Verwendungskontexten

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nommen werden können. Dies gilt beispielsweise für die Frage nach dem Verhältnis von Medienbildung, Medienkompetenz und Medienerziehung. Im Folgenden werden drei maßgebliche Kontexte, in denen der Terminus sBildunge eine Rolle spielt - namentlich der öffentlich-politisch-administrative (Bildungssystem); der praxistheoretisch-pädagogische (pädagogische Interaktionssysteme) sowie der begriffstheoretisch-akademische (Wissenschaftssystem) - kurz diskutiert, um im Anschluss daran drei unterschiedliche Perspektiven auf >Medienbildung< sichtbar werden zu lassen.'

Drei Perspektiven auf >Bildung< >Bildung< als Output des Bildungswesens Diese Auffassung von sBildungc zielt auf die organisierte Bereitstellung von Optionen für Individuen im Interesse des Erwerbs von Wissen, Kompetenzen, Qualifikationen, Zertifikaten etc. durch entsprechende gesellschaftliche Angebote. Sie umfasst das Ganze der politischen und administrativen Entscheidungen, ihrer Realisierung und der sich daraus ergebenden Effekte. Diese Redeweise ist notwendig bildungstheoretisch indifferent, weil sie auf innersystemische Erfolgsfaktoren (bzw. Misserfolgsfaktoren) des Bildungswesens abstellt. Maßgeblich dabei ist, wie man es neudeutsch nennt, der sOutpun des Bildungssystems. Nur dieser, als politischadministratives Ziel, kann aus dieser Systemperspektive relevant sein. Wie ein positiver Output definiert wird, ist - und dies ist für mein Argument wesentlich - nicht primär Gegenstand praktisch-pädagogischer oder theoretisch-erziehungswissenschaftlicher Überlegungen (die gleichwohl auch aus dieser Perspektive beobachtet, mithin aus der eigenen Perspektive re-konstruiert werden können), sondern vielmehr Ergebnis hochkomplexer und grundsätzlich kompromissbehafteter administrativer und bildungspolitischer Findungsprozesse, vom lokalen Schulamt bis zur Bildungspolitik auf EU-Ebene.

1 Einschränkend muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die nachfolgenden Thesen hier aus Platzgtünden nur sehr verkürzt dargelegt werden kann. Eine ausführlichere Fassung dieses Argumentationsgangs wird in der Online-Zeitschrift »MedienPädagogik« (medienpaed .com) erscheinen.

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>Bildung< als Ergebnis pädagogischer initiierter individueller Lernprozesse -Bildunge wird auch aus der praktisch-pädagogischen Perspektive als (wie auch immer vorläufiger) Endpunkt, als erreichtes bzw. angestrebtes Niveau, gedacht; allerdings als Ergebnis pädagogisch initiierter individueller Lernprozesse und nicht als abstrakter >Output< eines Bildungssystems. >Bildung< in diesem Verständnis wäre etwa definierbar als das (durch pädagogisches Handeln und pädagogische Gestaltung von Situationen bewirkte) Verfügen eines Individuums über ein (jeweils zu bestimmendes) von ihm erworbenes Wissen und Können auf einem jeweils zu bestimmenden Niveau, das je nach Kontext von einfachen Kenntnissen bis hin zu komplexen und reflexiven Kompetenzen reichen kann. Der Fokus liegt bei dieser Auffassung von >Bildung< also auf dem Lernen als seinerseits prozessualem Geschehen, das auf ein plateauhaftes Bildungsergebnis (als feststellbarem, wie auch immer als vorläufig oder intermediär definiertem status quo) abzielt.

>Bildung< als Prozess der Transformation von Selbst- und Weltverhältnissen Die dritte und letzte Verwendungsweise des Begriffs >Bildung< versteht diese nicht als Output eines Bildungssystems und auch nicht als Ergebnis von Lernprozessen. Vielmehr versteht sie Bildung selbst als Prozess; genauer: als prinzipiell unabgescWossenprozesshaftes Geschehen der Transformation von Sichtweisen auf Welt und Selbst (Kokemohr/Koller 1996). Bildung wird also differenztheoretisch gedacht; sie ist nicht in einem Outputmodell oder einem Kompetenzkatalog -fest-stellbarc Diese Perspektive ist im erziehungswissenschaftlichen Diskurs der modernen Bildungstheorie, insbesondere auch in Verbindung mit der in den letzten Jahrzehnten entstandenen qualitativ-empirischen Bildungsforschung, verortet (vgl. etwa Marotzki 2006; Ehrenspeck 2009; Garz/Blömer 2010). Es geht der Bildungstheorie um eine Form der reflexiv-disziplinären Selbstverständigung (Koller 2007), die zunächst einmal in theoretischer und qualitativ-empirischer Perspektive auf die immanente Logik von Bildungsprozessen und ihre individuellen, kulturellen, sozialen, technologischen etc, Rahmungen fokussiert.

Drei Perspektiven auf >Medienbildung< Analog zu diesen drei Verwendungsweisen von >Bildung< erscheint das Kompositum >Medienbildung<

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• •

•

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als xlie Medienbildung<, d.h. als innovationsorientierter Gegenstand von Bildungspolitik und -administration bzw. als Bezeichnung für den Output medienpädagogischer Maßnahmen im Bildungswesen; als Ziel oder Ergebnis von Lernprozessen im Feld der Medien - etwa als Synonym oder Erweiterung zu >Medienerziehung< oder zur pädagogischen Vermittlung von >Medienkompetenz< (z.B, unter dem Titel der >Mediengrundbildung~, sowie als Bezeichnung für transformatorische Prozesse ~Bildungsprozesse~ im Horizont von Medialität.

Dies sind drei unterschiedliche Gegenstandsbereiche (im selben Feld), die, jeder für sich, bestimmte Aspekte sichtbar machen, dafür aber andere invisibilisieren. Damit stellt sich die Frage, wie man die Potentiale dieser Perspektiven kommunikationsstrategisch aufgreifen kann, ohne den Begriff der Medienbildung vollkommen aufzuweichen (und damit wissenschaftlich unfruchtbar zu machen). ad 1) Die generalisierende Rede von xler Medienbildung< in der öffentlichen Diskussion - ohnehin unvermeidbar - ist m.E, insbesondere dann akzeptabel, wenn entsprechend mitkommuniziert wird bzw. es durch die vorgegebene Rahmung evident ist, dass es sich dabei um ein bildungspolitisches, programmatisches Label und nicht um einen fundierten erziehungswissenschaftlichen Begriff handelt. In diesem Fall kann der Terminus sMedienbildunge als struktureller Koppler fachintern begründeter Notwendigkeiten einerseits und bildungspolitischer sowie administrativer Kommunikationsbedarfe andererseits fungieren. ad 2) Die Bezeichnung >Medienbildung< als Ergebnis individueller Lernprozesse bzw. medienpädagogischer Organisation medienbezogenen Lernens ist im Diskurs bisweilen im Kontext des etablierten Konzepts der >Medienkompetenz< zu finden (v.a. unter dem Titel sMediengrundbildungq bzw. wird als >Zielpunkt< von Medienerziehung; vereinzelt auch als Weiterentwicklung von Medienkompetenz vorgescWagen (Aufenanger 1999; Pietraß 2009). Bei pädagogischen PraktikerInnen löst diese Ineinssetzung häufig Irritation aus. Tatsächlich sprechen die oben diskutierten begriffs strukturellen Aspekte m.E, gegen eine solche Gleichsetzung. Zum einen verweist der Kompetenzbegriff als Statusbeschreibung (von vorhandenen Dispositionen bzw. pädagogisch angestrebten Fähigkeiten) auf einen ganz anderen Sachverhalt als der prozessorientierte Bildungsbegriff, mit welchem der Ausdruck Medienbildung zumindest in der akademischen Diskussion bereits deutlich konnotiert

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ist (s.u.). Zum anderen leisten Medienkompetenzkonzepte insofern auch anderes als Medienbildungskonzepte: Mit beiden Begriffen sind unterschiedliche Perspektiven, auch unterschiedlich gelagerte Forschungsperspektiven, verbunden. Diese weisen sicherlich Berührungspunkte auf, gehen aber nicht ineinander auf und sind auch nur schwer systematisch gegenüberzustellen. Im Feld der Medienpädagogik, das traditionell mediendidaktische, medienerzieherische und mediensozialisatorische Perspektiven umfasst, stellt die Medienkompetenzforschung einen übergreifenden Aspekt im Spannungsfeld von Mediensozialisation (Sutter 2010) und Medienerziehung (Spanhel2002) dar. Mit dem Diskurs um Medienbildung ist offenbar eine vierte erziehungswissenschaftliche Grundkategorie und damit eine neue eigenständige Perspektive hinzugekommen. ad 3) Die drittgenannte Perspektive einer bildungstheoretisch motivierten Medienbildungstheorie und -forschung stellt im Rahmen einer kulturtheoretischen und zeitdiagnostischen Ausrichtung die Frage nach den Potentialen komplexer medialer Architekturen im Hinblick auf Subjektivierungs- und Bildungsprozesse. Ihr primäres Erkenntnisinteresse richtet sich darauf, • •

•

in einem allgemeinpädagogischen Erkenntnisinteresse das Thema Medialität als unverzichtbares Moment im bildungstheoretischen Diskurs auszuweisen, auf dieser Basis Medienanalyse und Medienethnographie als ein methodologisch stringent begründetes Feld der qualitativen Bildungsforschung zu bearbeiten und weiterzuentwickeln, sowie im Rahmen der somit begründeten theoretischen und empirischen Forschungsdesigns die Bildungspotenziale unterschiedlicher medialer Architekturen herauszuarbeiten, sie medienpädagogisch einschätzbar und handhabbar zu machen.

Die damit gegebene Charakterisierung einer bildungstheoretisch fundierten >Medienbildung< zielt auf ein ganzes Spektrum vorhandener, wenn auch vielfach erst ansatzweise ausdifferenzierter Medienbildungsmodelle, die sich je nach Art und Gewichtung ihrer Bildungs- und Medialitätstheorien unterscheiden. Betrachtet man die bildungstheoretisch motivierte Theoriediskussion um Medienbildung der letzten Jahre, so wird diese Vielfalt unmittelbar ersichtlich (vgl. etwa: Aufenanger 1999; Meyer 2002; Marotzki 2002; Swertz 2004; Schelhowe 2007; Spanhel2007 und 2010; Meder 2007; Sesink 2007; Bachmair 2009; Jörissen/Marotzki 2009; Fromme 2009; Pietraß 2009; Zacharias 2010). Die Bandbreite dieser bildungstheoretisch argumentierenden Ansätze zeigt ein erhebliches Potential- und auch einen Bedarf - an Austausch und

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Diskussion auf dem noch sehr jungen Feld der Medienbildung. Dabei könnten nach meiner Einschätzung maßgeblich a) einbezogene Theorien von Bildung und Subjektivierung; b) einbezogene Theorien von Medialität und Mediendynamiken sowie c) zur Anwendung kommende medienspezifische methodische und methodologische Standpunkte im Zentrum der Diskussion stehen.

Fazit

Vor dem Hintergrund der enorm dynamischen Entwicklungen im Feld der Medien stellt der Terminus >Medienbildung< offenbar einen Versuch dar, auf das >Neue< der neuen Medienkulturen in begrifflich angemessen komplexer Weise zu reagieren. Aufgrund der dabei involvierten heterogenen Systemperspektiven versammeln sich unter diesem Titel nicht nur inhaltlich, sondern strukturellunterschiedliche Verständnisse. Die daraus resultierenden Begriffsunschärfen wiederum drohen mögliche Komplexitätsgewinne einzuebnen. Insbesondere wäre dies der dort der Fall, wo >Medienbildung< mit tradierten medienpädagogischen Begriffen (Medienerziehung, Medienkompetenz) gleichgesetzt oder gar in der fachinternen Debatte mit außerfachlichen Konzepten von >Bildung< konnotiert wird. Daher gälte es, zum einen die Chancen des Konzepts als struktureller Koppler in öffentlichen Diskussionen aufzugreifen (statt hier auf konzeptionelle Feinheiten zu pochen, die in anderen als der erziehungswissenschaftlichen Systemperspektive keine leitende Rolle spielen) - nicht zuletzt, um hier als Disziplin in angemessener Weise gestaltend mitwirken zu können -, zum anderen aber, den Begriff der Medienbildung als programmatischen Titel einer noch jungen erziehungswissenschaftlichen Forschungsperspektive zu verstehen - und ihn in diesem Sinne zu diskutieren und differenzierend weiterzuentwickeln.

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>Medienbildung< - ein Konzept in heterogenen institutionellen Verwendungskontexten

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>E-Learning< als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen 1 Wey-HanTan

Lerntheorien sind eng verbunden mit der sozio-politischen, wirtschaftlichen und technisch-medialen Wirklichkeit ihrer Zeit. Parallel zum technischen Dispositiv des Mach- und Denkbaren wandelt sich dabei auch die Idee der legitimierenden Autorität von Ordnung und Vermittlung und damit gleichzeitig die Vorstellung über das Verhältnis des Menschen zur Information. Das »E« im E-Learning steht als Variable für eine gewünschte, aber noch unbenannte bzw.weitestgehend undefinierte Differenz zu früheren Kommunikations-, Ordnungsund Lehrmethoden, für einen erneuten Versuch der Vermittlung zwischen objektiver und subjektiver Ordnung. Die drei Ansätze des Behaviourismus, Kognitivismus und Konstruktivismus sind von technischen Metaphern aufgespannte wiederkehrende Versuche, eine funktionierende Beziehung zwischen diesen Gegensätzen herzustellen.

Elektronisches Lernen als Differenzbegriff Der »E«-Neologismus klingt auf den ersten Laut selbstbewusst und innovativ; vermittelt auf den zweiten aber auch eine beruhigende Vertrautheit und Stabilität, indem er quasi eine erweiterte, verbesserte Version des bereits Bekannten anbietet. Was ist nun das Bekannte? Lernen geschieht über Selektion und Ordnung des Vermittelten bzw. Lehren in der Vermittlung des zuvor Selektierten und Geordneten. Eine initiierte Lernsituation oder -umgebung kann dort entstehen, wo auf die Bedingungen von Ordnung und Vermittlung, sozusagen die Reibung zwischen der Ordnung und dem zu Ordnendem, zwischen dem Lerner und dem zu Lernenden Einfluss genommen werden kann. Zu den Reibungsmodifikatoren zählt dabei nicht nur der Einsatz technischer Medien zur Präsentation, Kommunikation oder Dokumentation, sondern auch die meist implizit damit einhergehende Autorisierung und Legitimation für die Form des Mediums und die Selektion des Inhalts. Dieser Beitrag geht zurück auf einen Vortrag, der in Dresden am 13.5.2007 auf der Tagung "Walden #3 - oder Das Kind als Medium. Tagungen und Workshops zu ästhetischer Bildung und Reform« gehalten wurde. 1

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_7, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Die Problematik unzureichender Schmierung wird regelmäßig in Zusammenhang mit den (Heraus-)Forderungen an eine >Wissensgesellschaft< genannt, in der ehemals erprobte technische Medien, Unterrichtsmethoden und Bildungsstrukturen zu scheitern drohen: Dort steht einer >Wissensflut< durch die exponentielle Zunahme verfügbarer Informationen ein gleichzeitiges Sinken der Halbwertszeit ihrer Gültigkeit gegenüber; der Umstellung auf ein kontinuierliches Lebenslanges Lernen ein kurzfristiges, flexibles Learning onDemand; dem freien Zugang zum Wissen als Mittel gegen die Wissenskluft eine Forderung nach Vermarktbarkeit und Kosteneffizienz; dem Wunsch nach einer Individualisierung der Lehre der nach Standardisierung und Modularisierung. Im vorliegenden Beitrag steht also die Vorsilbe »E« stellvertretend für den Wunsch nach einem geeigneten Universalschmiermittel, sowohl was die Ordnung und Vermittlung als auch deren Legitimation anbelangt.

Was sind >E-Medien
>E-Learning< als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen

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und erläuternde Reaktionen eines virtuellen Seminarleiters auf Grundlage der aktuellen Eingaben bzw. Aktionen des Mediennutzers simuliert. Der vormalige Betrachter wird damit zum Medium des technischen Systems. E-Medien ermöglichen so ein neuartiges Prinzip der Handhabung von Information, insofern als Informationen auf beliebige andere Informationen, z.B. auf das Verhalten eines Mediennutzers, reagieren können: Information ist nun nicht nur ein »Unterschied, der einen Unterschied ausmacht« (Bateson 1985: 582), sie unterscheidet selbst. In beiden Fällen der Digitalisierung werden Informationen und Informationskontexte von ihrem materiellen Substrat entkoppelt und in eine immaterielle, objektivierte Form überführt, die bestimmte Vorteile aufweist: Sie ist vollständig sowie endlich beschreibbar und damit absolut identisch und kostengünstig reproduzierbar sowie distribuierbar; und sie kann zur Ordnung oder Vermittlung auf sich selbst angewendetwerden. Es geht bei dieser Form des E-Learning nicht nur um das schnellere und kostengünstigere Verteilen von Informationen, sondern um das anschließende möglichst reibungsfreie Verschalten mit dem analogen Lerner. Zugespitzt gesagt, geht es nicht um die Handhabung von Daten, sondern um den Begriff von Daten (vgl. Kittler 1996). Hier stehen sich eine notwendige Ordnungsstruktur und der Wunsch nach Lernerautonomie sowie eine technisch bedingte Vermittlung und der Wunsch nach einem utopischen Medium gegenüber. Das E ist also nicht besonders treffend gewählt, denn bei E-Medien geht es so wenig um Elektronik und Elektrizität, wie es beim Wechsel von einer Kultur der oralen Überlieferung zu einer Schriftkultur um die Einführung von Tinte und Papier geht.

Die digitale Utopie und ihr Verhältnis zum Analogen Das Herstellen von Eindeutigkeit und Erwartbarkeit ist eine primäre Funktion von Kultur. Um der Unzulänglichkeit der subjektiven, mehrdeutigen Sprachbedeutung zu entgehen und ein objektives, eindeutiges Werkzeug für Gewinn, Abbildung und Vermittlung von Erkenntnis zu erhalten, gibt es seit dem jüdisch-christlichen Ursprungsmythos - der Erschaffung der Welt durch das Wort Gottes - die Idee einer Universalsprache. Mittels einer solchen Sprache wäre es möglich, die Schöpfung bzw. bestimmte Teilbereiche trennscharf und stabil abzubilden oder wie Leibniz es 1714 für eine solche »speciosa gerneralis« formuliert: »Worte und Zeichen selbst würden die Vernunft in ihr führen, und die Irrtümer [.. .] seien nichts als Rechenfehler.« (Leibniz 1960/61, Bd. III: 605, zit. nach Krämer 1988: 104)

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Skinner schreibt 1974 in ähnlichem Duktus wie Leibniz, wenn auch mit anderer Intention, dass einer wissenschaftlich erarbeiteten objektiven Technik der Vorzug vor dem >gesunden Menschenverstande als höchst unbefriedigendem Ordnungs- und Organisationsinstrument gegeben werden sollte, denn dessen »verheerenden Resultate [...] kommen in jeder Lebenslage zum Vorschein [...] und unser Ungenügen in all diesen Bereichen wird so lange andauern, bis eine wissenschaftliche Analyse die Vorteile einer effektiveren Technik deutlich werden läßt« (Skinner 1974: 234, zit, nach Weizenbaum 1978: 321). Heinz von Foerster zeigt angesichts einer unbeständigen Wirklichkeit zwar Verständnis für die kulturbedingte Suche nach einer »paradiesischen« Technik, die stets zuverlässig erwartbaren Erfolg garantiert, warnt aber auch, dass wir »[... ] als Kinder unserer Kultur in triviale Systeme vernarrt [sind], und wann immer die Dinge nicht so funktionieren, wie man es erwartet, werden wir versuchen, sie zu trivialisieren« (Foerster 1996: 13). Hartmut Winkler schließlich bringt das Dilemma, das sich zwischen beruhigender Eindeutigkeit und überraschender Vielfältigkeit eröffnet, auf den Punkt: »Es liegt an unserem Bedürfnis, beides zu haben: beliebige Komplexität und die narzißtische Freude des Überblicks, die Vielfalt des Sprechens und die Transparenz auf die Gegenstände, eine Sprache ohne metaphysisch-hierarchische Zentrierung, die ihre Kohärenz dennoch souverän aufrechterhält.« (Winkler 1996) Das Versprechen des Digitalen liegt in der absoluten, objektiven Transparenz und Zugänglichkeit aufgezeichneter Prozesse bei gleichzeitiger Herstellung zuverlässiger Erwartbarkeit," Es ist eine Rückführung in die Einfalt des Paradieses, bevor die Menschheit nach dem - oder durch den - Sündenfall in die unscharfe Mehrdeutigkeit der Welt entlassen wurde. Im Digitalen wird eine Utopie erzeugt, ein Nicht-Ort, der sich aber im Gegensatz zu seinen literarischen Gegenstücken seinen Lesern gegenüber verhalten und mit ihnen interagieren kann. Dieser digitale Nicht-Ort ist kaum direkt an unser analoges Wesen anzukoppeln, sondern benötigt eine Maskierung, um in Kontakt mit uns treten zu können und als lehrendes Gegenüber wirksam zu werden; diese Maske ist dabei nicht an den Computer gebunden, sondern kann z.B, auch als Rechenalgorithmus, als mechanischer

4 Trotz Vermarktung dieses Versprechens mag die Wirkliehkeit des Windows- oder iPhone-Nutzers anders aussehen.

>E-Learning< als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen

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>Automatie Teachere oder als schriftliche Nutzwertanalyse auftreten. Dieses Interface stellt einerseits die technische Bedienoberfläche dar, ist andererseits aber auch Träger der Legitimation und der Autorität, die diesem Nicht-Ort als Lern- und Lehrumgebung beigemessen wird, sei es nun eine empirisch nachgewiesene Wirksamkeit bzw. Effizienzsteigerung, eine notwendige Anpassung an informatorische und kognitive Realitäten oder die Ermöglichung der Idee eines autonomen Subjekts. Objektivierte digitale Darstellungen, insbesondere solche des Verhaltens, eröffnen verschiedene Möglichkeiten einer Bezugnahme zum Analogen: Z.B. in der Weise, dass das objektiv Digitale als dem subjektiv Analogen überlegen angesehen wird; dass es als ihm gleichwertig betrachtet wird; oder dass es einen notwendigen bzw. gefährlichen Kompromiss dem subjektiv Analogen gegenüber darstellt. In diesen wechselnden Verhältnissen zwischen dem Analogen und dem Digitalen sind die drei großen Lernparadigmen des letzten Jahrhunderts, des Behaviourismus, des Kognitivismus und des moderaten bzw. radikalen Konstruktivismus, zusammengefasst. Die damit verknüpften Utopien haben sich in die Praxis des heutigen ELearnings eingeschrieben: Erstens in eine digital herstellbare Ordnung des Analogen, beispielsweise über Wissensagenten, Datamining, Suchmaschinen, Knowledge Management Tools oder Semantic Networking; zweitens in eine Anschlussfähigkeit zwischen dem Analogen und dem Digitalen für die Vermittelbarkeit dieser Ordnung, beispielsweise über adaptive Tutorsysteme; und schließlich drittens in ein Versprechen bzw. in die Notwendigkeit einer analogen Autonomie des Lerners in Form von Simulationen, Hypermedia oder Computer supported communities of practice/of interest.

Efficiency Movement und Behaviourismus: die Unterordnung des Analogen unter das Digitale Der Behaviourismus als erste wissenschaftlich-empirisch fundierte Theorie des Verhaltens bzw. der Verhaltensänderung, gleichzeitig verbunden mit der Einführung mechanisierter Lehrmethoden, ist der Ausgangspunkt für die nachfolgend dargestellten Lerntheorien, die sich mit Techniken der Digitalisierung auseinandersetzen.

Der Kult um die Effizienz, wie er besonders in den USA des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Form der E.fJicienry Movement in Erscheinung trat, zielte auf eine rationale Gestaltung aller Lebensbereiche ab, von der Staatsführung über Produktion und Handel bis hin zur Mode. Eine Art evolutionäre Selektion gesellschaftlicher Verhal-

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tensweisen sollte stattfinden, die überflüssige, behindernde Traditionen hinter sich zurücklassen würde und auf ein Maximum an Effizienz zulaufen würde, d.h. auf eine stete Erhöhung von Geschwindigkeit, Qualität und Rentabilität gesellschaftlicher und individueller Akte. Henry Ford entwickelte 1910 die Fließbandfertigung, während Frederick W Taylor zur selben Zeit die analytischen Grundlagen für einen rationalisierten und maximal produktiven Arbeitsablauf ausarbeitete. Taylors Ziel den objektiv besten Weg zur optimalen Arbeitseffizienz zu Gunsten von Arbeiter, Unternehmer und Nation zu finden (vgl. Taylor 1911), hat alle Bereiche des Lebens in den Industrienationen beeinflusst. Die ersten standardisierten Tests erschienen ebenfalls in dieser Epoche: Frederick W Kellyentwickelte 1914 den Multiple Choice Test, dessen Nützlichkeit sich im 1. Weltkrieg beweisen sollte, als eine erhebliche Menge an Rekruten auf Einsatztauglichkeit und Zuordnung zu Waffengattungen bewertet werden mussten. Anfang des 20. Jahrhunderts öffnen weiterhin die ersten großen Warenhäuser ihre Türen, gefüllt mit industriell gefertigten Artikeln. Thieme, ein deutscher PhantastikAutor, veröffentlicht 1909 dazu die utopische Skizze »Das Warenhaus der Zukunft«, in der sich ein Afrikaner aus den deutschen Kolonien in ein Berliner Warenhaus eines zukünftigen Jahres 1940 begibt und dort die Entscheidung trifft., unterstützt durch fonografische Lehrmaschinen und Chemotherapie die deutsche Sprache, eine weiße Hautfarbe sowie eine gesellschaftliche Position samt angemessener Verhaltensweisen zu erwerben - natürlich gegen Kredit (vgl. Steinmüller/Steinmüller 1999: 34). Derartige Ideen von Bildung und Identität nehmen so ihren Platz in der Reihe industriell gefertigter Waren ein. Frederic Skinner geht 1948 in seiner Vision von »Walden Two« weiter in Richtung der Aufprägung eines kompletten ethischen >Betrieb systemse, welches Gier, Neid, Aggressivität, Unglück oder Faulheit unmöglich machen soll (vgl. Skinner 1972: 104). Die gesellschaftliche Utopie des Behaviourismus umfasst einen rassen- und klassenlosen Menschen (vgl. Watson 1924: 82), dem über eine mechanisierbare Form effizient Wissen zugeführt werden kann, welches er nach einem ankonditionierten Verhalten zur Anwendung kommen lässt. In Skinners »Walden Two« wird dabei deutlich, dass neben dem Vermittelten auch das Vermittelnde selbst vermittelt werden muss: in diesem Fall die Akzeptanz einer gesichtslosen, absoluten Autorität. Ob Skinners »Walden Two« oder sein Projekt Orcon.! in dem konditionierte Tauben als organische Flugleitsysteme für Lenkwaffen genutzt werden: In einer Gesell5

sOrcor«steht 1944 für sOrganicControk bzw.Projekt ,Pigeon<des US National Difen.re &seaTCh Committee.

>E-Learning< als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen

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schaft, die noch keine leistungsfähigen Computer hervorgebracht hat, muss noch der mechanisch zu prägende tierische oder menschliche Organismus die Funktion eines Platzhalters für die Sehnsucht nach stabiler Ordnung und sicherer Vermittlung sowie nach einer beliebig programmierbaren universellen Maschine erfüllen. In einer komplementären Form zu dieser Mechanisierung des Organischen beschreibt Edward Lee Thorndike bereits 1912 eine Art mechanisches Buch, das neben einer passiv ordnenden auch die aktiv vermittelnde Eigenschaft eines Lehrers aufweist. Das Organische wird damit in den Routinevorgängen des Lehrens durch einen digital entscheidenden Mechanismus ersetzbar. »If, by a miracle of mechanical ingenuity, a book could be so arranged that only to rum who had done what was directed on page one would page two become visible, and so on, much that now requires personal instruction could be managed by print,« (Thorndike 1912: 165) Die Menge des zu vermittelnden Wissens ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema, jedoch die wachsende Zahl an Menschen, die für Wirtschaft und Krieg in kurzer Zeit ausgebildet werden müssen, so dass Sidney L. Pressey eine zu dieser Zeit noch ausstehende »Industrielle Revolution des Unterrichts« fordert (vgl. Pressey 1932). Die eigentliche Revolution besteht jedoch in der Idee, dass funktionales menschliches Verhalten einem Subjekt gegenüber formalisiert, codiert und auf entsprechender Hardware abgespielt werden kann . In den mechanischen Büchern von Thorndike, den lochkartenähnlichen Multiple Choice Tests von Kelly sowie den Lehrmaschinen von Pressey und Skinner sind damit die Anfänge analog-digitaler Interaktivität zu Unterrichtszwecken und damit der Beginn des E-Learning zu sehen.

Kybernetik und Kognitivismus: die Gleichsetzung des Analogen mit dem Digitalen Die Kybernetik als interdisziplinäre Metawissenschaft, von den USA stark gefördert mit dem Beginn des Kalten Krieges, sieht kognitives Handeln als informationsverarbeitenden Prozess an: Kognitive Systeme befinden sich in diskret beschreibbaren Zuständen, auf die mit Eingaben von außen so eingewirkt werden kann, dass es zu einer internen Zustandsänderung kommt, aus der sich wiederum bestimmte Ausgaben ergeben. Der menschliche Geist arbeite also, basierend auf diskreten neuronalen Zuständen, prinzipiell digital und damit ähnlich einer programmgesteuerten symbolverarbeitenden Maschine.

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Diese Idee ermöglicht einerseits neue Wege der Modellierung menschlicher Kognition, andererseits scheint damit der Unterschied zwischen menschlicher analoger und maschineller digitaler Informationsverarbeitung aufgehoben zu sein: Prinzipiell lassen sich damit beide als vergleichbare Prozesse der Symbolverarbeitung betrachten und, mittels der richtigen Technik, zu einem effizienten Lehr-Lernsystem verschalten. Der vielfältige Einfluss der >kybernetischen Wende< auf alle Bereiche von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik (vgl. Pias 2004b) kann verglichen werden mit dem des EfJicienry Movement zu Anfang des Jahrhunderts. Die Forderungen an die Geistes- und Sozialwissenschaften nach Wissenschaftlichkeit, empirischer Wirksamkeit und Effizienz durch ein objektives Kalkül ähneln dabei denen der Behavioristen. Als große Aufgabe einer Kybernetisierung der Erziehungswissenschaft führt z.B. Helmar G. Frank neben einer Objektivierung pädagogischer Aufgaben »die Beschleun~ung des Lernens und Umlemens« auf (Frank 1962: 22, Hervorh. i.O), Das Sprachlabor als kybernetische Form rückgekoppelten, individuellen Lernens ist in den 1070er-Jahren ein allgegenwärtiger Ausrüstungsgegenstand des Sprachunterrichts. Richard Olechowski betont in diesem Zusammenhang für den einübenden Sprachunterricht »die - notwendige - Automatisierung des im Lernprozeß Geübten und nicht etwa [.. .] Reflexion des Subjekts über den Lernprozeß, über Sinn, Zweck und Einsatz der Ausbildung usw. Das alleinige Kriterium, nach welchem jede Methode zum einübenden Lernen beurteilt werden muß, ist der Grad der durch sie erreichten Effektivitätssteigerung« (Olechowski 1973: 9). Optimale Effizienz im Lernen und Umlernen - die Behaltensleistung - ist eines der Hauptziele der kybernetischen bzw. kognitivistischen Pädagogik, die damit in ihrer Praxis prinzipiell anschließbar an den Behaviorismus ist. Bereits in den 1960er-Jahren ist dieses Ziel jedoch auch geprägt durch die Erkenntnis einer heraufziehenden Überlastung natürlicher menschlicher Kognition durch die zunehmende Menge an verfügbarer Information (vgl. Frank 1962: 21). Das Problem einer sinnvollen, stets aktuellen Ordnung und Selektion des zu Vermitrelnden rückt damit auf dieselbe Stufe wie das der effizienten Vermittlung. Die kybernetische Vorstellung umfasst dabei zur Vermittlung einerseits sich dem Lerner anpassende elektronische Tutorenprogramme, andererseits zur Selektion und Ordnung des Wissens autonome, nach der Kognition des Lerners modellierte Wissensagenten, die eigenständig auswählen, was relevant und damit vermittelnswert ist.

)E-l.eaming< al. Vermittlung zwischen dem Artalogen und dem Digitalen

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Modell",,,,ng .Ordnung"

Die Gesellschaft und der Lernende dieser kybernetischen Utopie ist eine sich selbst regdode Chimäre aus organischer und maschineller Kognition, die sich stets ca.he eines homöostatischen Optimwns an Effizienz hält, während sie Informs.tioneo. aufnimmt, verarbeitet und wieder ausscheidet. Die Gleichsetzung analoger und digitaler Systeme, die eine :reibungslose Verschaltung erst ermöglicht, beraubt die Kybernetik aber eines kritischen Außenblicks, der Selbstkritik und Fortentwicldung ermöglichen wiirde. Aus einer dynamischen »eXPerimentellen Epistemologie« (PW 2004a) wird eine dogmatische Methodologie. Diese kann duüber hinaus ihre teeh.aischen Versprechen von intelligenten Tutorensystemen und autonomen Wissensagenten nicht erfiiI1en. Was übrig bleibt von einer Idee eines semantisch-interpretativen Wechselspiels zwischen menschlicher und maschineller Kognition, um die Otdnung und die Vermittlung von Information zu opt:imi.ercn, ist die vorstrukturierte bzw. sich durch den Nutzerzugriff selbst strukturierende Datenbank des sich verhaltenden Expertensystems und der über diskrete Parameter erfassbare Lerner bzw. dessen binär-logischer Output.

Moderater und radikaler Konstruktivismus: die (Re-)Konstruktion des Analogen aus dem Digitalen Das Ziel des Konstruktivismus ist ein autonome~ interessen- bzw. pt:aDsgeIeitet lernendes und gegenüber anderen Sichtweisen tnle:rantes Subjekt, das sich auf selbst gewählten Pfaden individuell bedeutsames Wasen aneignet. Dabei lisst sich ein pragmatischer, moderater Konstruktivismus von einem erkenntnistheoretischen :m.dilWen Konstruktivismus unterscheiden (vgL Tan 2006: 45). Der moderate Konstruktivismus schließt dAbei an den kybernetischen GedAnken eines Austausches zwischen Lerner und Lemwngebung an, gibt aber den Anspruch

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Simulation

Nachmodellierter TeilMpekt der Weil

Lerner

.Abb. 2.. MNImtIrr ~ I-wJb dtr~S ~ bII Mrr-r1flf1Plti,g~lItId ~ T~~ Mtw-Rltmtd-1ItId tIantMr ~1f m( das V.mrJtM tkr WdfrjllJm.

eines technisch ~ten Systems zugunsten der Idee eines autonomen, von Effizicn2zwängen befreiten Lerners auf. Bei einer c:rforschba:rcn Sfurulation als Le:mwngebung hieße dies z.R, dus der Lerner über einen Avatar mit einer virtIlellen Umgebung oder Entität interagiert, die s.ich nach bestimmten eioprogrammierten Handlungsmustern verhilt. LemzieJ. ist in diesem Fall die eigenständige, affirmative Rekonstruktion der Regeln, die das latente Verl1alten der Nachbildung bestimmen. Die Objcktivationsleistung der > ~ Entwick:l.cr liegt dabei in Selektion, Ordnung und Abstraktion beim Aufbau der simulierten Umwdt und ihrer Vcrhaltenstegeln. Die kognitive analoge Suche des Lemen nach dem vorher digital Verborgenen geschieht dabei meist im Rahmen einer Simulation oder eines Hypermediums. Als Beispiel kann hier die Beschreibung der COfIIiiiw Flexibifi!y von Rand Spiro und Jibn-Clw>gJohng di=n, boi du ~[d]as LerozieJ. ist, im Betdch der ill-struetuted domain [...] zu einem Streifzug dun:h Szenen einzuladen, die dun:h meht&.ches Betrachten, wechselseitigen Ve:rglcich und lkatta:ngement eine sich aufdtingende Deutung medial reptäsent:ieten und methodisch objektivi.etcn« (Miiller t 996: 79).

Der radikale Konstruktivismus zielt im Gegensatz zu seiner moderaten Variante darauf ab, den Vorgang des Entbergens und Rekonstruierens selbst, also die kritische ReBekrion von Lem- und Wisscnsgewohnheitcn., in den Mittelpunkt der Etken.ntnistätigkeit zu stellen. Eine radikal konstruktivistische Hcrangehcnswcise würde z.B. beim Ansatz der UII1ISabiJi!y (vgl Tan 2009: 44) auf den Einbau unerwartetet Störungen, Itritationen und Rcibungsflichen setzen, die zur Reflexion, Kritik und Verindenmg der Simulation,

)E-Learning< al. Vermittlung zwilchen dem Analogen und dem Digitalen

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Simulation 2. Ordnung - UnusabHity

Nadl· modeillener Teilaspekt der Weil

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Lerner

Irritationen und Reibungswiderstande

ili:rer Regeln, ili:rer BedienoberBäche oder MS Zwecks hcrausfottlcm. Gtegoty Bateson Z.B. stdlte seinen Studenten folgende Aufgabe. um das gewohnte, eindeutig bcmtwortbarc MlllJipk-ChoUf-Scherm. in Frage zu stellen. Das Muster der Aufgabe scheint nur auf den ersten Blick. bekannt, die cinsctzendc Irritation b.cn dabei der Einstieg in die R.cBcktion des selbstverständlich und damit unsichtbar Gewordenen wcnlcn, »Eine bestimmte Mutter belohnt ihren kI.cincn Sohn gewöhnlich mit Eiskttm, wenn er seinen Spinat gegessen lat. Welche zusätzlichen Informationen würden Sie br:auchen, um voraussagen zu können, ob sich bei dem. Kind folgende Entwicklung einstellen wird: a. Es wird schließlich Spinat licbc.n oder hassen; b. Eiskrem licbc.n oder hassen oder Co die Mutter lieben oder lassen?« (Bateson 1985: 17) Bat.esons )Aufg:abe< ist mit den den Studenten bisher zur Vcrfiigung stehenden bzw. gestellten Mitteln nicht zu lösen. sie erfordert selbstrc:fcrcnticll eine Neuorientierung hinsichtlich des Begriffs )Aufg:abe<. Ersetzt man Mutter, Sohn, Spinat und Eiskrem mit Lchrumgcbung, Lcmer, Infonnation und Befriedigung, ctgcben sich glcicbzei.tig zwei der Grundprobl.cme der WlSsensvcrmittluog: die Legitimation auf Seite der angebotenen Inhalte und die Motivation auf Seiten der Lcmcr, sich auf diese einzulassen. Das Spiel mit Grenzen, die Ancignung, Dckonstruktion und Umdcutung von Lch:rtnlltcriiL oder gar die Pcrsiflic:rungvon Methoden dutth du künstliche Herstellen von

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Reibung ist in üblichen Lehrprogrammen nicht einfach umzusetzen. Ohne begleitende Kontextualisierung und genau definierbares Lernziel können diese Techniken auf den Lerner irritierend und demotivierend wirken, weiterhin für die Vertreiber abschreckend durch den anarchistischen Tenor der Aneignung und Veränderung von Inhalten und Medien. Radikal konstruktivistische Ansätze finden sich somit auch eher im Bereich der traditionellen Hackerszene, der Kunst oder der unabhängig produzierten Computerspiele wieder," Bei den spielerischen Ansätzen dieser in/auf das Nirgendwo weisenden Didaktik, wie sie z.B, Gonzalo Frasca in »September 12th - a toy world« (2002) oder R. Garry Shirts in »Starpower« (1968) umsetzen, ist der Spieler gefordert, nicht zu gewinnen, sondern die Regeln, nach denen er spielt, in Frage zu stellen. Die Utopie des radikal konstruierenden Lerners als autonomen Erschaffers seines Wissens blendet bestimmte Gefahren aus: Dies sind vor allem der Verlust der Orientierung mit nachfolgender Frustration und Demotivation angesichts unstrukturierter komplexer Problemfelder sowie die Alleinschuld des autonomen Subjekts an einem möglichen Scheitern. Die moderat konstruktivistische Utopie umgeht diese Probleme, kämpft aber dafür mit demselben Problem der digitalen Gängelung wie bereits der Behaviorismus und die Kybernetik und versteckt diese in einer unobtrusiven, aber redigierten und objektivierten virtuellen Lernumgebung aus Simulation und Hypermedia.

Konnektivismus: die (Er-)Mittelung des Analogen aus dem Digitalen Jedes Lernparadigma, insbesondere das die Lernerautonomie betonende konstruktivistische, ist angesichts einer exponentiell wachsenden Flut von Informationen mit den Fragen nach Übersicht und der Relevanz sowie der Legitimation von Ordnung konfrontiert. Wissen mit konstatiert kürzer werdender Halbwertszeit wird Z.B. im Beruf, so die Forderung von Politik und Wirtschaft, schnell, flexibel,just in timeund on demand benötigt, rasch veraltendes oder unbenötigtes Just-in-case-Wissen, wie es Schule, Studium und Berufsbildung vermitteln, soll vermieden werden. Wenn man dieser Forderung folgt, stellt sich das Problem: Was ist der aktuelle demand, und wie kann man ihm zeitnah entsprechen? 6 Siehe z.B, Frasca (2001), dessen »Gaming of The Oppressed« u.a, auf Brechts Konzept der Verfremdung aufbaut. Haclcing als kreativ-subversives Überschreiten von Grenzserzungen, seien es soziokulturelle oder technische (vgLPias 2002), ähnelt in dieser Weise der künstlerischen Avantgarde .

>E-Learning< als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen

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Das Werkzeug, das von Natur aus darauf angelegt ist, verlässlich(e) Ordnung(en) zu schaffen, ist die menschliche Kognition und im überzeitlichen Sinne deren kulturelle Organisation. Es liegt daher nahe, das Verhalten eng vernetzter Gemeinschaften, welche sich über gemeinsame Interessen oder Praktiken definieren, als kognitives System höherer Ordnung zu nutzen, nicht nur als Erschaffer und Archivar gemeinschaftlichen Wissens, sondern auch von Wissen über dieses Wissen, über Legitimation und Bewertungssysteme, Relevanz und Ordnungen. »The eure to information overload is more information« (Weinberger 2005), in Form gemeinsam generierter und technisch ausgewerteter Metainformation. Nach der symbolischen künstlichen Intelligenz der Kybernetik bzw. des Kognitivismus und dem (sich) selbst organisierenden Lerner des Konstruktivismus tritt in jüngerer Zeit die Idee einer sich selbst organisierenden Schwarmintelligenz? in den Vordergrund: George Siemens sieht im sogenannten Konnektivismus (vgl. Siemens 2005) ein dominierendes neues Lern- und Wissensparadigma. Wer weiß etwas, das mir nützlich ist? Als wie relevant wird dieses Wissen von anderen bewertet? Wie viele und welche Quellen legitimieren das Wissen? Die Kommunikation von Wissen in sozio-technischen Netzwerken steht mit diesen Fragen im Zentrum der Betrachtung, vor allem aber deren Metakommunikation über die Relevanz, Referenz und Resonanz von Wissen. Kommentierung, Verlinkung, Tagging, Feeds und andere Funktionen von Sodal Software sollen dynamische, technisch unterstützte Netzwerke menschlich-maschinell organisierten Wissens und Wissensaustausches unterstützen. Die Utopie des Konnektivismus ist die Zusammenführung von individuellem und organisationalem bzw. gemeinschaftlichem Wissen über eine technisch unterstützte Vernetzung, eine Art extrem beschleunigter und gleichzeitig enträumlichter sozialer Konstruktivismus, der auf den Prinzipien der Demokratie, der Autonomie und des freien Zugangs zur Information aufbaut. Der Konnektivismus tritt damit gleichzeitig bestimmten aktuellen Problemen der drei vorhergehenden Lernparadigmen bzw. deren technischer Praxis entgegen, nämlich: • •

7

Wie ermöglicht man effizient und kostengünstig den Zugang zu notwendigem Wissen angesichts einer sehr großen Anzahl von potentiellen Lernern? Wie kann man rasch wachsende Wissensbestände sich selbst organisieren lassen und wie stellt man eine reagierend-rückgekoppelte Lernumgebung her? Der informatische Fachterminus für »Schwarmintelligenz« lautet bezeichnenderweise »Konnektionis-

mus«, Für eine Einführung in die technische Interpretation bietet sich Urs Heckmann (1999) an, für die

wissenssoziologische James Surowiecki (2005).

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•

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Wie erhält und unterstützt man die Autonomie des Lerners bei drohender Desorientierung angesichts einer Informationsüberflutung und der alleinigen Verantwortung, bei Versagen damit zurechtzukommen? Wie kann Wissen trotz subjektiver Konstruktion objektiviert und legitimiert werden?

Das Versprechen der Reibungsreduktion zwischen Lernstoff und Lernenden wird im Konnektivismus nicht durch instantane positive Verstärkung, kybernetisch geregelte Verschmelzung oder explorativ-autonome Entdeckungslust erreicht, sondern durch digital-vernetzte Reichweite und Aktualität, was das soziale und individuelle kognitive Netzwerk angeht, in dem man lernt. Die Rolle des Experten wird abgelöst durch die Mittelung des Wissens aller Netzwerkteilnehmer, eine Abkehr von den maschinell hergestellten und daher vollständig kontrollierbaren Lernanwendungen. Allerdings könnte man hier eine digital verwaltete Diktatur der Masse aufkommen sehen sowie die Gefahr eines sozialen Solipsismus und Opportunismus (vgl. Lanier 2006). Bereits heute kann jeder ein von ähnlich Denkenden spezifisch verlinktes Internet-Sub-Universum aufsuchen, in dem sich durchgängig eine Bestätigung der eigenen Weltsicht finden lässt: Auch das mag zu einer Reibungsreduktion und dadurch zu einer seffizientereue Lernsituation führen. Warum sind die vorherigen Paradigmen des Lehrens und Lernens aus Sicht von Siemens nun bisher daran gescheitert, das zu Vermittelnde zu ordnen und das Geordnete zu vermitteln? »Behaviorism, cognitivism, and constructivism are the three broad learning theories most often utilized in the creation of instructional environments. These theories, however, were developed in a time when learning was not impacted through technology.« (Siemens 2005)8 Damit reiht sich der Konnektivismus ungewollt in die dort aufgeführten xx-basierten früheren Theorien und deren Umsetzungen ein. Auch dort sollten jeweils neue Techniken und Technologien eine stabile und wohltätige Vermittlung zwischen dem Digitalen und dem Analogen herbeiführen. In dem Augenblick, wo das ursprüngliche Experiment zum konkteten Instrument und die Vision zum kaum erfüllbaren Ver8 Siemens' eingeschränkte Sichtweise auf Lehr- und Lerntechnologien kann als Phänomen ebenfalls durch Alan Kays Zitat, das das ePUSH-Projekt als Poster begleitet hat, beschrieben werden: »[fechnology is] technology only to people born before it was invented.« (Alan Kay zit. nach Tapscott 2009: 19)

)E-Learninge als Vermittlung zwischen dem Analogen und dem Digitalen

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sprechen wurden, entstand jeweils ein neues Paradigma, das die Unzllliingliebkcit der bestehenden Ordnung und Vermittlung mit der Verfügbarkcit neuer Techniken endlich - aufgehoben sah.

Dat E alt Autdruck einet andauernden Wuntchet Die Ansätze. welche die gegenwärtige digitale Utopie des E-I....eaming aufspannen. bilden eine Mischform aus humanistisch-aufklärerischem Ideal. aus neoliberal-marktwirtschaftlicher Effizi.enzforderung und einem technisch geprägten Rationalismus. Vor diesem relativ konstant bleibenden ideellen Hintergrund vollzieht sich eine rasante quantitativ-inhaltliche und qualitativ-technisch-medial.e Entwicklung. die die aktuelle Hardware, die aktuellen Formate und schließlich das aktuelle Wissen rasch obsolet werden lässt. Demgegenüber erweckt: das stete Gefühl der Bewegung die Erwutung nach dem. Relevanteren, Ei.ngä:ngigeren und Legitimeren, nach dem. baldigen Einlösen des utopischen Versprechens eines reibungslosen Lcmens. Was bleibt anderes übrig, als die unerfiillte digitale Utopie in gewissen Zcitabstinden, ctwll alle drcißigJahrc, neu zu erfinden, neu zu maskieren und sie an gerade vcrfiigbare technische Entwicklungen, Praktiken und Metaphernräumc anzupassen?

E ~ AbI!. 4: DIr bIJmdI Mmrth lIIUi dif ""'-grtH Tirü.fIi-f; BoothrttIbm E mulU

DU ~ S.Mfr(6iJJrm

fIk UrspriiJogI thr bIJoIifIII

Das E stellt in seiner fast 3.000 Jahre alten Ausgangsfonn im protosemitischen Alphabet einen Menschen mit zum Himmel hcrvorgercckten Armen dar, passend zur implizicrtcn Anrufung einer höheren, göttlichen Autorität. Das D entstand aus der abstrahierten. Darstellung einer mit einem Vothang vetdcclrtcn Türöffnung. Das beschcidcne:rc D erscheint mir sowohl sympathischer als auch treffender für die Versuche, mit c1ckttonischen :Mitteln zwischen dem Analogen und dem Digitalen zu

vermlrteln,

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Kommunikationstechniken, -oktivitdten und -strategien der Generation >Web n+ 1 < Stefan Senvilla -Weiss

Wenn eine neue Kulturtechnik ihre Kinderschuhe ablegt und ihr volles Potential in einem weiten Feld von Anwendungen entfaltet, geschieht es oft, dass die Besonderheiten individueller Stile, Techniken, Aktivitäten und Ausdrücke zwar stillschweigend bekannt, aber nicht ausdrücklich im Hinblick auf ihren soziokulturellen Einfluss charakterisiert oder erforscht werden. Man kann auch feststellen, dass eine Kulturtechnik, sobald sie kanonisch geworden ist im Sinne eines anerkannten und offiziell zugelassenen, soziokulturell eingebetteten Allgemeinguts, nicht nur die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit formt, sondern auch maßgeblich ist für den Wohlstand sowie das materielle, spirituelle und intellektuelle Wachstum von Staat, Nationen und Menschheit anregt. Solange jedoch grundlegende Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Mathematik noch nicht voll ausgebildet sind (die geschätzte Analphabetenrate in Europa liegt bei vier Prozent), erscheint es etwas anmaßend, sich auf die digitale Kompetenz Jugendlicher zu konzentrieren, während die Gesellschaft überaltert und das Analphabetentum zunimmt. Andererseits könnten mobile Anbindung und allgegenwärtiger Zugang zu offenen, frei zugänglichen pädagogischen Ressourcen eventuell zusätzliche Prozesse gesellschaftlichen Engagements in überwiegend informellen Lernumgebungen in Gang setzen. Ein Argument wie dieses geht in eine ähnliche Richtung wie die bislang unerfüllten Versprechungen der E-Richtlinien überall in Europa (z.B. die Forderung nach lebenslangem Lernen). In Bezug auf Analphabeten wütde dies bedeuten, die Möglichkeiten der autodidaktischen Aneignung mobiler Kommunikationsformen (z.B. Handy) zu nutzen. Unter erziehungswissenschaftlichem Gesichtspunkt wäre damit die Herausforderung verbunden, spielerische Wege audio-visuellen Lernens für entweder Einzel- oder Gruppenlernen zu entwickeln. Da Analphabeten teilweise oder vollständig ins Arbeitsleben integriert sind, ohne dass ihre Umwelt über dieses Manko Bescheid wüsste, müssen sie ihr Leben lang verschiedene Taktiken, Strategien und Fähigkeiten entwickeln, um öffentliche Bloßstellung zu vermeiden. Dieses Beispiel veranschaulicht trotz seines harten sozialen Anklangs die beinahe nahtlose Koexistenz von zwei parallelen Welten menschlicher Interaktion, der mündlichen und der symbolischen Form der schriftlichen Kommunikation (in diesem Fall der

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_8, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Mobilfunk). Es ist daher nicht überraschend, dass die weltweite Verbreitung der Mobilfunkgeräte die aller früher genutzten Medien bei weitem übertrifft. Lässt dieser Schwall an mündlicher Kommunikation, übermittelt und abgespeichert als digitale Information, auf den Niedergang oder sogar auf das Verschwinden der Schrift schließen? Oder befinden wir uns lediglich inmitten einer radikalen Transformation durch die Erschaffung mehrerer Formen von Meta-Sprachen mitsamt neuen sprachlichen Ausdrücken - Abkürzungen in Kombination mit Umwandlungen zu Icons und textbezogenen Abänderungen von Schlagworten, Kennzeichen und global entschlüsselbarem Vokabular? Zwar sind auf der Ebene des Verhältnisses von Mündlichkeit, Visualität und Schriftlichkeit sowie im Umgang mit Zeichenverbünden enorme und rasante Änderungen zu verzeichnen, doch mindestens ebenso bedeutsam, wenn nicht bedeutsamer, sind die damit verbundenen Veränderungen im Bereich des Sozialen, die zwar nicht unmittelbar offen zutage treten, deren Folgen für die einzelnen Subjekte jedoch grundlegend sind. Ein wichtiger Apsekt ist das Phänomen der >Entgrenzung< des Lernens, das nun nicht mehr auf bestimmte institutionelle Einrichtungen und Vorgaben beschränkt ist, sondern sich zunehmend in sinformellenc Kontexten vollzieht.

Lebenslanges Lernen - ein unvollendetes Projekt der Moderne? Das Konzept des lebenslangen Lernens verfolgt die Idee des »unvollendeten Projekts der Moderne« (vgl. Habermas 1980), welches kurz gesagt zu einer postmodernen Vorstellung eines endlosen interpretativen »Spielraums«geführt hat, in dem es keinen Platz mehr für die Werte der Aufklärung wie Wahrheit, Vernunft und Kritik gibt. Diese Unvollständigkeit erinnert auffallend an die dauerhafte Software-Krise, die nun ihr viertes Jahrzehnt erreicht hat. Diese spezielle Krise ist weniger ökologisch bestimmt, da Softwaretechnologie abstrakte Objekte hervorbringt, die nicht in ökologische Kategorien eingeordnet werden können. Bei der Software-Entwicklung ist Rationalisierung ein wesentliches Instrument nicht nur für die Sicherung von Wissen, sondern auch um die Effizienz intelligenter Datenverarbeitung zu gewährleisten. Ihre schnelle Entwicklung und Verbreitung wiederholte den Prozess sozioökonomischer Modernisierung in einem verdichteten Ablauf, und es scheint, dass keine andere Technologie je einen ähnlichen Status als Synonym für kulturelle Modernität erreicht hat. Software-Entwicklung ist außerdem eine Technik rationaler Kontrolle, welche das Verlangen der Moderne nach rationaler Wahrnehmung und Kontrollierbarkeit natürlicher, intellektueller und sozialer Prozesse widerspiegelt. Sie ging aus einer Wissenschaft hervor, die auf der strengsten Form von Rationalität beruht: mathemati-

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scher Beweisbarkeit. Rene Descartes erklärte in seiner frühen Abhandlung Regulae (1628/29) die Mathematik zur einzig verlässlichen Grundlage für die Wissenschaft. Wie kein anderer Philosoph sah er die Methodik, das Denken und die Arbeitsweise seiner Disziplin voraus. Die formale mathematische Logik unterscheidet sich jedoch von Software dadurch, dass Wissenschafder mathematische Modelle nutzen, um Gesetze der Natur oder der Wissenschaft zu erforschen und zu verstehen, während Software die >Realität< nachbaut. Dies beruht offensichdich auf einem tief sitzenden Irrglauben, da Softwareentwieklung nicht berücksichtigt, dass die Rolle der Mathematik beim Programmieren nicht die eines >Modells der Welt< ist, sondern eine formale Beschreibung von Bedeutungen und Zielen. Da solche Beschreibungen nicht wie Modelle durch Experimente verifiziert werden können, sondern nur aus mathematischer und wissenschaftlicher Perspektive durch Kommunikation akzeptiert oder verworfen werden können, entsteht eine unüberwindbare Verifizierungs-Kluft. Vom Standpunkt mathematischer Rationalität aus ist diese Kluft so schwerwiegend, dass die Bedeutungs- und Zielbeschreibungen entweder durch neue Programmiertechniken oder Formalisierungshilfen verdrängt werden, oder einfach aufgrund fehlender Kompetenz von den Hauptproblemfeldern ausgeschlossen werden. Die Folge sind systemimmanente >Bugs< in Betriebssystemen, die meist durch die Übernahme der Quellcodes älterer Betriebssysteme und deren Implementierung in neue Programmierumgebungen entstehen. Die Entwicklung immer komplexer werdender Softwaresysteme sowie ihre zunehmend weltweite Vernetzung von sowohl proprietären als auch Open-Source-Anwendungen hat unsere Gesellschaft verwandelt in »eine Gesellschaft der Direktübertragung (live coverage), die weder Zukunft noch Vergangenheit kennt, da sie weder Weite noch Dauer hat; eine allerorts intensiv gegenwärtige Gesellschaft, mit anderen Worten, derganzen Welt te/epräsent.« (Virilio 1996: 25) Diese Entwicklung verläuft zweifellos parallel zur Verlagerung von industriellen zu postindustriellen Gesellschaften, eine Verlagerung, die Beck (1986) vorausschauend in seinem Buch »Risikogesellschaft« darstellt, wenn er schreibt »Individualisierung bedeutet Marktabhängigkeit in allen Dimensionen der Lebensführung«, und weiter ausführt, dass »[djiese institutionellen Prägungen des Lebenslaufes bedeuten, daß Regelungen im Bildungssystem (z.B, Bildungszeiten), im Berufssystem (z.B. Arbeitszeiten im täglichen Wechsel und im Gesamdebenslauf) und im System sozialer Sicherungen direkt verzahnt sindmit Phasen im Lebenslatif derMenschen« (ebd. 212). In Becks Begrifflichkeit bedeutet Individualisierung gleichzeitig Institutionalisierung, institutioneller Charakter, und daher die Möglichkeit der Politik, unsere Lebensläufe und unser Leben zu gestalten.

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Mehr als zwanzig Jahre später scheint es so, also ob die von Beck bereits frühzeitig erkannte Notlage einer Gesellschaft, die sich anschickt, eine enorme Verlagerung von einer industriellen zu einer postindustriellen, dienstleistungsorientierten Wissensgesellschaft durchzumachen, vollständig eingetreten seien. Auch scheint die Gesellschaft, der Antony Giddens (1996) überwiegend dekontextualisierte, abstrakte Formen sozialer Institutionen bescheinigt, bittere Aktualität zu werden, einhergehend mit dem Zusammenbruch der heutigen Weltwirtschaft. In dieser Hinsicht werden notwendigerweise neue Fragen zu Größe und Umfang des Kollateralschadens auftreten, welche wiederum zur Neuordnung der politischen und sozioökonomischen Architektur der nahen Zukunft führen müssen. Man könnte nun anführen, dass das Konzept des lebenslangen Lernens eine noch bessere Antwort auf die vielen (künftigen) Unwägbarkeiten bietet. Falls jedoch mehrere dienstleistungsorientierte und industrielle Sektoren zusammenbrechen und dadurch Arbeitslosigkeit und soziale Spannungen zunehmen, wird das Konzept der permanenten Weiterbildung allein nicht genügen, um - angesichts destabilisierender Märkte - wirtschaftlichen WoWstand zu gewährleisten. Die individuelle Bereitschaft, auf den sich bescWeunigenden Wandel flexibel und anpassungsfähig zu reagieren, geschieht unter dem Druck neoliberaler Arbeitsmarktpolitik, die mit ScWagwörternwie >globaler Wettbewerb<, >Auslagerung von Arbeitsplatzene und >Niedriglohn< operiert, um die dahinterliegende Profitgier von Großkonzernen zu verscWeiern. Dies beinhaltet eine zunehmende Vielfalt und Zersplitterung von Erfahrungen und Institutionen sowie eine größere Bereitschaft zur Tolerierung deregulierender Maßnahmen und direkter oder indirekter Einflüsse spekulativer Marktinstrumente - Instrumente, welche, woWgemerkt, die soziale Marktwirtschaft ausgelöscht haben. Dies hat zur Spaltung des Individuums in multiple Identitäten sowie zu Verwerfungen in Privat- und Berufsleben, zum Verlust sozialer Bindungen, zu Fragmentierung und Verwundbarkeit von Loyalitäten und Gemeinwohl geführt. Andererseits wurde ein viel stärkeres Gewicht auf Konsum und dessen Vergnügungen gelegt, wodurch eine neue partizipative, schöpferische und kreative Netzwerk-Kultur entstanden ist, in welcher der Konsument als Produzent agiert und umgekehrt. Mehr Wahlmöglichkeiten im Leben haben zwangsläufig neue Ansprüche hervorgerufen, welche wiederum eine Lifestyle-Wirtschaft entfesselt haben, die ihren Schwerpunkt auf die Erfüllung von fast jedem denkbaren individuellen Wunsch legt, nicht zuletzt ausgelöst durch allumfassende Irreführung und Pluralismus der Populärkultur. Hochgeschwindigkeits-Datenverbindungen, allgegenwärtige EDV und Externalisierung von Informations- und Wissensressourcen in global vernetzte Datenbanken haben eine gigantische Akkumulation an digitaler Information und Wissen geschaffen: Im 19.

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Jahrhundert dauerte es etwa fünfzig Jahre, um das Wissen der Welt zu verdoppeln; heutzutage verdoppelt sich hingegen unsere Wissensbasis in weniger als einem Jahr. Anscheinend durchdringt IKT (Informations-/Kommunikationstechnologie) unser Leben wie keine andere Technologie zuvor; dadurch wurde aber auch eine stetig wachsende Kluft zwischen den >Habenden< und den >Nicht-Habenden< (vgl. YouTube Video Globalization: TbeHaves and Haue Nots) geschaffen im Hinblick auf den weltweiten Zugang zu diesen Technologien sowie auf die Zwiespältigkeit zwischen lustvoller Konnektivität und einem unheimlichen Verdacht der Kontrolle und Überwachung. Besonders relevant ist hierbei, dass die Ausweitung sozialer Spaltungen in den Bereichen Einkommen, Beschäftigung, Unterkunft, Gesundheit und Bildung, einschließlich des Zugangs zu Information noch größer und in stärkerem Maße wahrnehmbar wird; d.h. Belege für das Wachstum von sozialem Ausschluss, mit dem Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit aufgrund von Arbeitslosigkeit einhergehen, nehmen deutlich zu. Bei der ersten Vorstellung der europäischen Version des LLP-Konzepts1 auf dem Bologna-Folgetreffen in Prag im Jahr 2001 wurden grundlegende Elemente des europäischen Hochschulraums umrissen. Erstens soll lebenslanges Lernen alle Phasen des Lernens von der Vorschule bis zum Ruhestand umfassen und außerdem das breite Spektrum formalen, nicht-formalen und informellen Lernens abdecken. Zweitens würde es die Implementierung dieser Idee erleichtern, wenn man unterschiedliche Verfahrensweisen bei Aus- und Weiterbildung in zentralen Aspekten wie Bildung, Jugendliche, Beschäftigung und Forschung zusammenführen würde. Drittens sind Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen nötig, die jedem Individuum die Möglichkeit geben, zwischen verschiedenen Lernumgebungen, Arbeitsstellen, Regionen und Ländern zu wählen, um Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen zu verbessern und diese angemessen einzusetzen. Ein anderer der umrissenen wichtigen Aspekte bezieht sich auf ein zusammenhängendes System von Credits (vgl. ECTS), welches die Bewertung und Anerkennung von in der Schule, an der Universität und im Rahmen von arbeitsplatzbezogenem Lernen erworbenen Diplomen und Zertifikaten erlaubt. Auf diese Weise könnte die Übertragung von Qualifikationen zwischen Schulen, Universitäten und der Arbeitswelt sichergestellt werden ...

Verwundbarkeiten einer künftigen lernintensiven Gesellschaft Um funktionsfähige Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen im Hinblick auf kreative und flexible Lernumgebungen zu schaffen, müssen grundlegende ÄnderunI

ILP - Lifelong Learning Program.

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gen erfolgen, die den erwarteten Szenarien gerecht werden, z.B. der Verlagerung von bislang überwiegend technokratischen, hierarchischen und exklusiven Herangehensweisen an Erziehung und Fertigkeitserwerb zu allgegenwärtigen Formen gleichmäßigen Zugangs zu sowohl institutionellen als auch informellen Informations- und Wissensgrundlagen. Hierzu gehören personalisierte digitale Räume, in denen jeder einzelne Lerner umfassende lebenslange Aufzeichnungen über Lernziele und -erfolge anlegen kann, unabhängig von Zeit, Ort und Zugangsgerät. Was bedeutet das in der Praxis, insbesondere wenn man an die Konsequenzen von Lifelogging denkt . .. ? Ein System, das aufzeichnet und meldet, was Leute wissen, was sie gelernt haben, was sie zu lernen anstreben oder auch nicht, zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten, ist anfällig für permanente Überwachung und Kontrolle. Die Idee eines xligitalen Lebensgedächnisses< ist nichts Neues, entsprechen doch viele dieser technologischen Versprechen den menschlichen Gewohnheiten, im Laufe eines Lebens zu sammeln und zu archivieren. Allerdings hat der dialogfähige Datenaustausch zwischen passiver und aktiver digitaler Selbstüberwachung zu verschiedenen Trugschlüssen geführt. Einer dieser Trugschlüsse ist die Annahme, dass Technologie uns helfen kann, Erfahrungen zu teilen. Wenn wir Erinnerungsfetzen ~memory bits<) in externen Datenbanken aufbewahren, nehmen wir an, dass andere Leute an unserer Wahrnehmung der Welt teilhaben können. Da eine ungefilterte, objektive Wahrnehmung der Welt nicht möglich ist, erstellt der Lifelogger seinen/ihten individuellen Kontext während der Datenerfassung im Abgleich mit seinem/ihrem eigenen kognitiven und emotionalen Bild der Welt - ein Vorgang, der nicht wiederholt werden kann. Daher liefert das erfasste Material nur den externen Kontext und klammert den internen Kontext aus. Gleichwohl ist es das Modell der Innenwelt, welches es uns ermöglicht, die Quellen im Vergleich mit bestehenden Erinnerungen zu interpretieren und zu bewerten. Wir wissen, dass Information und Kontrolle eng miteinander verbundene Konzepte innerhalb der Systemtheorie sind (wie z.B. Kybernetik) . Ideen können extrahiert werden und können, z.B. in einem Computer, von Menschen unabhängig existieren. Demzufolge können Informationen und ihte Verarbeitung in körperloser Form existieren. Daher wird die Bedeutung (der Inhalt) von Informationen als irrelevant für die Bestimmung ihres Werts im Hinblick auf quantitative Größen beiseite gelegt. In der Kybernetik geht es aber auch um >Zweckmäßigkeit<, Ziele, Informationsflüsse, Kontrollprozesse zur Entscheidungsfindung und Feedback (richtig definiert) auf allen Ebenen lebender Systeme. Crowdsourcing ist ein gutes Beispiel dafür, wie formbar die Prinzipien der Open Source- und Tauschkultur werden ~>du trägst etwas bei, um im Gegenzug etwas Bes-

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seres zu erhaltene), nicht zuletzt ausgelöst durch den wirksamen Einsatz von Massenkommunikation und -zusammenarbeit, durch Web-2.0-Technologien ermöglicht, um auf Kosten jedes Einzelnen Mitwirkenden Gewinn zu erzielen. Die Prinzipien offener Dialoge und gemeinsamer Netzwerke können daher nicht von ideologiegetriebenen Marktmechanismen getrennt werden. Was bisher als Wirtschaftlichkeit durch Massenproduktion (economy of scale) betrachtet wurde, bei der es keinen Austausch von Waren, sondern nur von immateriellen Gütern gibt, wurde erst kürzlich durch die Ankündigung verzerrt, dass der Bertelsmann Verlag, Teil der multinationalen Random House Gruppe, vorhabe, eine deutsche Version von Wikipedia zu drucken. Diese marktorientierte Handlung torpediert die Grundprinzipien einer partizipativen Online-Enzyklopädie auf vielfältige Weise: a) ein ehrenamtlich mitgestaltetes, offenes und dynamisches webbasiertes Wissenslager kann nicht in statische Printmedien übertragen werden; b) offener Inhalt ist für alle frei verfügbar, während die gedruckte Version dies nicht ist; c) eine Buch-Version ist begrenzt in ihrer Größe, Skalierbarkeit, allgemeinen Geltung, Verbreitung und ihres (in sich geschlossenen) Formats; d) das Argument, dass eine Druckversion auch die Armen und jene ohne Internetzugang erreichen wütde, gilt im speziellen Fall einer deutschen Version nicht (und ich bezweifle, dass es für andere Länder mit einer hohen Anzahl an Analphabeten gelten könnte); e) obwohl die GNU-Lizenz für freie Dokumentation kommerzielle Folgenutzungen erlaubt, besteht ein grundlegender Unterschied zwischen der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle unter Beibehaltung des offenen Quellcodes und dem Verkauf eines Buchs, das wirklich nicht modifiziert werden kann. Dieses Beispiel zeigt uns, wie ausbeutbar eine >Geschenkkultur< ist und wie raffiniert Marktmechanismen in den Namen und die Symbole des AllgemeinwoWs eingehüllt werden. Doch nicht nur werfen derartige Versuche der Wertschöpfung neue Fragen und Probleme auf, wenn wir uns an den kollaborativen Projekten als User und Produzenten beteiligen, sind wir darüber hinaus auch in anderer Weise als einzelne Subjekte von den Folgen der vernetzten Arbeitsformen betroffen. Nicht nur besetzen wir mit unseren Kommunikationstechnologien öffentliche Räume und Sphären (z.B, im Konzept der ProxemiR), wir hinterlassen gleichzeitig unsere digitalen Spuren (Ort, Provider, Sender, Empfänger, Dienste, USw.) mit jeder einzelnen Mensch-Medium-Interaktion in global vernetzten Datenbanken. Diese Art der Verschränkung von informellem persönlichem Raum (Individuum + Kom2 Der Ausdruck >Proxemik< (proxemics) wurde von dem Anthropologen Edward T. Hall 1966 eingeführt. Proxemik ist die Untersuchung bestimmter messbarer Abstände zwischen Menschen, wenn sie interagieren.

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munikationsmedien) mit sozialem, öffentlichem Raum und Datenraum (Radio und elektromagnetische Wellen) setzt dialogfähige Technologie, Medieninteraktion und Datenübertragung voraus. In dieser Konstellation beansprucht jedes einzelne eingeschaltete mobile Endgerät für sich, von Anfang an ein Client- und Serversystem bereitzustellen, z.B. durch die Unterstützung vorkonfigutierter Widget-Bibliotheken. Der Nutzer wird fixer Bestandteil des Informationsraumes, unabhängig von seiner/ ihrer Interaktion, da jedes mobile Kommunikationsgerät nicht nur erreichbar, sondern auch auffindbar ist. Inzwischen bieten mehrere Onlinedienste (trackyourtruck.com, childlocate.co.uk) GPS-Standortverfolgung an, um es Eltern oder Arbeitgebern zu ermöglichen, von einem internetfähigen Handy oder pe aus auf einer Straßenkarte den exakten Standort ihrer Kinder oder Angestellten aus der Ferne zu überwachen, vorausgesetzt, dass das Mobiltelefon tatsächlich entweder an der beobachteten Person oder dem Untersuchungsgegenstand befestigt ist. Dies ist eine Art investigativer Datenspionage, welche über die individuelle Einfluss- und Kontrollsphäre hinausgeht, da öffentlich-private Einrichtungen (Versicherungsunternehmen, e-governrnent) immer mehr auf (un-)freiwilligen Datenspuren basierende private Informationen anhäufen. Am Beispiel von Amazon kann man eine der ersten und vielleicht auch eine der erfolgreichsten in den elektronischen Handel eingebetteten Marketingtechniken beobachten, bei der die Personalisierung der eigenen Erfahrungen durch Kunden-Nachverfolgung eingesetzt wird. Aber was für das Einkaufserlebnis bequem erscheint, z.B, Empfehlungen beruhend auf vergangenen Einkäufen oder Auflistungen von Bewertungen und Orientierungshilfen, die von Nutzern geschrieben wurden, ist nicht unbedingt zum Vorteil des Endverbrauchers. Manche Zukunftsszenarien zeigen uns recht deutlich, in welche Richtung der Missbrauch persönlicher Datenansammlungen führen kann: Stellen Sie sich beispielsweise eine Situation vor, in der Sie telefonisch eine Pizza bestellen und der Angestellte am anderen Ende der Leitung Ihnen eine fettarme, vegetarische Version vorschlägt, während er Ihren persönlichen Datensatz mit Ihrer Telefonnummer, Wohnadresse, Bank- und Kreditkartensaldo, persönlichen Gesundheitsrisiken etc, abgleicht. Es ist diese mit elektronischer Kommunikation einhergehende Meta-Ebene, die eine nicht greifbare Grauzone geschaffen hat, ein Verdachtsmoment, in dem jedes Medium eine smediale Sub-Ebenes beinhaltet, die sich hinter dem materiellen Medium verbirgt. In anderen Worten, wer auch immer mit elektronischen Daten zu tun hat, kann absichtlich oder unabsichtlich als selektronischerc Mitwisser in eine Situation gelangen, in der eine bestimmte Handlung eine kontrollierende, täuschende oder

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manipulierende Aktion auslösen kann - was bedauerlicherweise in verschiedenen Fällen von Datenmissbrauch durch Arbeitgeber bereits geschehen ist.

Netz-Ökonomien Angesichts der immer schnelleren Verbreitung von Mobiltelefonen (vier Milliarden im Jahr 2009) hätten die Hauptprotagonisten der frühen Moderne - obwohl sie viele Spekulationen über die neuen Möglichkeiten des elektronischen Zeitalters und seiner blühenden Kommuniktionsmedien (Radio, Fernsehen, Telefon, Fax und frühe Computernetzwerke) anstellten - nie das exponentielle Wachstum und die Geschwindigkeit des Zusammenwachsens von Technologien zu einem einzigen Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsgerät vorhersagen können. Dagegen besitzt McLuhans Äußerung »In the future, people will no longer only gather in classrooms to learn but will also be moved by selectronic circuitryr« (McLuhan 1966), eine faszinierende Aktualität in Bezug auf die Gestaltung künftiger Lern- und Arbeitsräume. Trotz des Dämpfers für den übermäßig hochgejubelten Boom virtueller Büros und Tele-Arbeitsplätze in den frühen 1990er-Jahren, teils aufgrund sozialer Defizite, gewinnen McLuhans Überlegungen anders als ursprünglich gedacht wieder an Dynamik durch die globale ökologische und ökonomische Krise und die Forderung nach Reduktion des Kohlenstoffausstoßes, was u.a, einer recht populistischen Formel entspricht: elektronische Netzwerke = weniger Reisen = weniger Emissionen = weniger Klimaschäden. Leider ist dies eine fehlerhafte und viel zu vereinfachende Argumentation , da elektronische Netzwerkinstrumente an die Bedürfnisse einer mobilen Gesellschaft angepasst wurden, die von globalen Märkten bestimmt ist. In dieser Hinsicht mag es nicht sehr hilfreich sein zu fragen, ob das Huhn oder das Ei zuerst da war. Worauf jedoch sehr deutlich hingewiesen werden kann, ist die Tatsache, dass frühe Konzepte elektronischer Vernetzung, mit Ausnahme früher künstlerischer Versuche, technologischen Umgebungen eine menschliche Note zu geben (vgl. Chandler 2005: 153), aus strategischer, durch den Kalten Krieg gelenkter Datenkommunikation (package Switching) entstanden sind. Dafür wurden multiple Computerverbindungen mit einer gemeinsamen Kommunikationsverbindung eingerichtet (Arpanet). Im Rückblick waren Internet und WWW nicht nur ein sozial gesteuerter Kommunikationsansatz, im Gegensatz zu beispielsweise der Entwicklung des Telefons (Alexander Bell war im Hauptberuf Gehörlosenlehrer). Eher theoretisch betrachtend würde ich behaupten, dass mobile Telefonie in die gesamte Bewegung sozialer Medien kommunikative soziale Aspekte eingebracht hat, während das Internet Wegbereiter für das globale System miteinander verbundener Computernetzwerke war. Dementspre-

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chend verfolgen die heutigen Netzwerk-Kulturen eine Strategie des Verschmelzens verschiedener Formen von Techno-Kommunikation zu einem einzigen Medium mit drei Haupteigenschaften: Mobilität, Verbundenheit und AlIgegenwärtigkeit. Was Mobilität angeht, so können wir eine Reaktionsbereitschaft auf die Herausforderungen, die in der Erziehung, im Berufs- und Privatleben am weitesten verbreiet sind, beobachten: Kommunikationsmedien werden so gestaltet, dass sie an den persönlichen informellen Raum, der nicht stationär ist, sondern sich mit uns bewegt, angepasst werden können. Konnektivität setzt ein elektronisches Netzwerk voraus, das die Informations- und Kommunikationsverbindungen unserer Wahl herstellt; AlIgegenwärtigkeit überschreitet unsere räumlich-zeitliche Beziehung zu unserer unmittelbaren Umgebung hin zum Cyberraum, dem Zustand des (zumindest scheinbar) Überall-gleichzeitig-Seins. Eingebettet in dieses Dreieck sind menschliche und/oder maschinelle Interaktionen, die einer komplexen Logik technologischer Verbesserung und sozialer Ergonomie folgen. Ein rein technologisch-positivistischer Ansatz reicht daher nicht aus, um die gegenwärtigen netzbasierten Kommunikationsformen stichhaltig zu beschreiben. In der sozialen Netzwerktheorie werden Anleihen bei Angewandter Mathematik, Netzwerkwissenschaft und Graphentheorie (Leonhard Euler, 1736) gemacht, in denen Potenzgesetzstrukturen, bekannt als Pareto-Verteilung (oder die 80-20-Regel, benannt nach dem Ökonomen J. M. Juran) , eine wesentliche Rolle spielen: Das heißt, manche Menschen (oder Organisationen oder irgendein Organismus) werden mächtiger als andere, indem sie enge Beziehungen zu anderen Verbindungen aufbauen und damit zu wichtigen Knotenpunkten werden. Ursprünglich stand diese Beobachtung im Zusammenhang mit einer von dem italienischen Wirtschaftswissenschaftlicher Vilfredo Pareto im Jahr 1906 durchgeführten Untersuchung über Einkommen und Wohlstand, bei der festgestellt wurde, dass 80 % des Wohlstands in Italien sich im Besitz von 20 % der Bevölkerung befand. Er führte dann Untersuchungen zu einer Reihe anderer Länder durch und stellte zu seiner Überraschung fest, dass dort eine ähnliche Verteilung vorlag. Dies ist natürlich eine stark verkürzte Erklärung der komplexen zugrundeliegenden mathematischen Formeln, aber in diesem speziellen Kontext genügt dies als stichhaltiges Argument gegen falsche Erwartungshaltungen, welche an die gegenwärtige Entwicklung sozialer Medien herangetragen werden, wenn sie zu Synonymen für die Demoktatisierung von Wissen und Information auf der Grundlage einer vermeintlichen Kultur gemeinsamer Nutzung werden. Dies legt nahe, dass ein Markt mit einer weitreichenden Wahlfreiheit ein gewisses Maß an Ungleichheit hervorbringen wird, indem die oberen 20 % der Elemente ~Hits(

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oder sHead-) gegenüber den anderen 80 % ~Nicht-Hits( oder >Lang Tail<) bevorzugt werden. MySpacc, Faccbook und viele andere Unternehmen haben festgestellt, dass sie die Produktionshilfsmittel aus der Hand geben, aber dennoch Eigentümer der entstehenden Produkte bleiben können. Eine der grundlegenden wirtschaftlichen Besonderheiten von Web 2.0 ist die Verteilung der Produktion auf viele und die Konzentration der wirtschaftlichen Entlohnung auf wenige. Es ist ein Naturalpächter-System, bei dem die Naturalpächter in der Regel zufrieden sind, da ihr Interesse der Selbstdarstellung oder dem Knüpfen von Kontakten gilt, nicht dem Geldverdienen; außerdem ist der ökonomische Wert jeder ihrer einzelnen Beiträge belanglos. Erst durch die massenhafte Ansammlung dieser Beiträge wird das Geschäft lukrativ. Mit anderen Worten, die Naturalpächter betätigen sich zufrieden in einer Aufmerksamkeits-Wirtschaft, während ihre Aufseher sich zufrieden in einer Geldwirtschaft betätigen. Dabei agiert die Aufmerksamkeits-Wirtschaft nicht getrennt von der Geldwirtschaft; sie ist einfach ein Mittel, um billige Beiträge für die Geldwirtschaft zu erstellen. Aber erklärt das Wissen über messbare und quantifizierbare Bindeglieder, Verbindungen und Knotenpunkte, die der sozialen Interaktion eines Individuums oder einer Gruppe zugeordnet werden, die ganze Bandbreite der Meta-Kommunikation, den Kontext, in dem jemand etwas sagt, den Ton und die Lautstärke unserer Stimme oder die Körpersprache, um nur ein paar zu nennen? Wer Voice-over-IP-Konferenzen oder einfache Chat-Unterhaltungen erlebt hat, weiß, wie schwer es ist, sich mit Hilfe gegenwärtiger Technologie über komplexe Themenbereiche sstörungsfrek zu unterhalten. Erst kürzlich hatte ich bei einer Online-Konferenz, zu der ich als Vortragender eingeladen war, eine Schwarzes-LochErfahrung, als der Bildschirm vor mir zu einer stummen Wand wurde, die meine Stimme zurückwarf und ein paar wackelige Bilder meiner Webcam zeigte. Während meines Monologs, der ursprünglich als sDiskussionc geplant war, erschienen ein paar vereinzelte Chat-Gesprächsfetzen irgendwo unten auf dem Bildschirm, als ich versuchte mich meiner Präsenz zu vergewissern, während ich anonym sprach und meine Online-Präsentation einer Zuhörerschaft von 40 Personen zeigte, die sich an verschiedenen Orten der Welt befanden und per Chat miteinander verbunden waren. Dies war zugegebenermaßen die schlimmste Online-Kommunikation, die ich je hatte, da die Zuhörerschaft anonym blieb, der Kanal blockiert war und nur eine spärliche Anzahl an Zuhörern nach der Veranstaltung ihr Feedback gab. Im Nachhinein frage ich mich, wie die 80-20-Regel auf diese Erfahrung fehlgeschlagener Kommunikation angewendet werden kann, die ganz bewusst als innovative Online-Veranstaltung deklariert worden war. In diesem Fall ist es wahrscheinlich so,

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dass 20 % der technischen Defekte 80 % der Probleme oder Frustrationen verursachten. Daher mein Vorschlag: Es ist sinnvoll, 80 % seiner Zeit und Energie auf die 20 % der Arbeit zu konzentrieren, die wirklich wichtig sind. Genau da kommt die Qualität der Kommunikation mit ins Spiel, dergestalt, dass ein sinnvoller Medieneinsatz die Interpretierbarkeit von Informationen erleichtert. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ein nicht funktionierender Kommunikationskanal das Vertrauen, Engagement, Interesse und die Motivation der beteiligten Akteure mindert. Es tritt immer dann große Verunsicherung auf, wenn die Mitteilung nicht dekodiert werden kann, unabhängig davon, ob die Interaktion in realen oder virtuellen Umgebungen stattfindet. Im Alltag kann unsere Befihigung zu nicht-verbaler Kommunikation durch Gesten, Körperhaltungen, Gesichtsausdrücke oder Augenkontakt ein nützliches Instrument sein, das uns dabei hilft, entweder die Sprache zu unterstützen oder verschleierte verbale Mitteilungen zu entziffern. Online-Kommunikation limitiert uns in unserer ganzkörperlichen Wahrnehmung und Kommunikationsfähigkeit, von der technischen Unzulänglichkeit, die aktuelle Technologie mit sich bringt, ganz zu schweigen. »Im Internet weiß keiner, dass du ein Hund bist« (veröffentlicht in The New Yorker, 1993) ist eine treffende Karikatur und Metapher, die ein weiteres rutschiges Terrain enthüllt, nämlich das der semantischen/ontologischen Frage, ob ein Computer jemals den Turing-Test bestehen wird. Auf alle Fälle haben Worte für Computer keine Bedeutung, es sei denn, DU gibst sie ihnen.

Der soziale Netzwerker Menschen stehen weltweit in Verbindung durch soziale Netzwerkinstrumente. Die heutigen sozialen Netzwerker haben Konten in verschiedenen sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, Jv!ySpace, StudiVZ, Xing und StqyFriends; sie /wittern mit ihrem iPhone, sie streamen Live-Videomitteilungen auf seismic ein, informieren ihre Community durch Blog-Einträge und veröffentlichen Videos auf YouTube. Das ist jedoch längst noch nicht genug: Sie benötigen pingfm (ein Web Service, der social media aktualisiert und auf einen Blick zusammenfasst), um ihre Überdosis an Inhalt zu bewältigen. Sie werden Tweetdeck nicht auslassen, da diese Desktop-Applikation es ihnen erlaubt, Nachrichten aus verschiedenen sozialen Medien gleichzeitig zu überblikken und zu selektieren. Und last but not least sorgt der RSS Reader dafür, dass ihre Blog-/Webseiten-Updates eine strukturierte, lesbare Form behalten. Es geht nicht darum, ein Gesamtbild des sogenannten Medien-Hypes zu sehen, der sich durch die Netzwerkpraxen sozialer Medien entwickelt hat: »Was du willst, ist nicht, dorthin zu kommen; du willst dort sein.«

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Die traditionelle Definition des >Nutzers( verliert damit seinen bislang bestimmenden Charakter des Informationskonsums und der Anwendungsnutzung. Eine neue Spezies, der soziale Netzwerker, ist entstanden. Er/sie ist ein multitaskingfähiger Informationsproduzent und -manager, ein Multimedia-Künstler und ein Homepage-Designer, ein Schauspieler und Regisseur selbstgemachter Videos, ein Herausgeber und Autor seines/ihres eigenen Blogs, ein Moderator und Administrator eines Forums, um nur einige der zuvor genannten Besonderheiten aufzuzählen. Klassische Medien wie Zeitungen, Magazine, Fernsehsender, Radio, Bücher, E-MailProvider und Telefonverkäufer verlieren an Terrain und Publikum. Ihre Informations-, Dienstleistungs- und Unterhaltungsvorherrschaft beginnt zu bröckeln. Jede neue Existenzgründung im Netz hat eine bestimmte Zielgruppe im Auge, die durch ZurverfügungsteIlen geeigneter Werkzeuge von Seiten des Providers ihre eigene Kreativität am besten ausleben kann. Dadurch wird die Zahl der Nutzer, Käufer und Abonnenten klassischer Medien immer weiter reduziert. Informationsbrocken treffen die digitalen Freaks über Twitter fast in Echtzeit, und es ist der Nutzer, der entscheidet. Sie selektieren und veröffentlichen ihre eigenen Informationen und stellen diese und die anderer Netzwerker direkt bei ihren eigenen Communities ein. Diese Formen der Interaktion erfordern persönliche Kommunikationsfähigkeit und -kompetenz, um die Informationen auf ihre Relevanz und ihren Mehrwert durch die Verteilung an andere hin zu beurteilen. Mittlerweile erfreuen sich Musikvideos größerer Beliebtheit auf YouTube als im Fernsehen. Dies ist nicht überraschend, da Filme und Serien u.a. gestreamt oder heruntergeladen werden können ohne lästige Unterbrechungen durch Fernsehwerbung. Verschiedene Arten von Blogs bieten ein umfassenderes und vielseitigeres Informationsspektrum als jedes andere Medium zuvor. ICQ, S~e, Ventrilo und viele andere Anwendungen übernehmen die Rolle der klassischen Telefonie. Soziale Netzwerke sind die neue Heimat, Bazare der Avatare, E-life-Kinos, Drehund Angelpunkte der Netzwerk-Generationen; sie zeigen Orte, Aktionen, Kontakte, Neuigkeiten, ihr eigenes kreatives Material, Vorlieben, Ideen, Empfehlungen und Kritik. Aber worin besteht die soziale Komponente? Vielleicht könnte man sozialen Netzwerken und ihren Akteuren das vereinigende Bedürfnis zuschreiben, Information und Erfahrungen mit anderen zu teilen und zu übermitteln, an gemeinschaftlich durchgeführten Projekten und Initiativen teilzunehmen und einander bei der Lösung eines Problems zu unterstützen oder einfach frischen und inspirierenden Input zu erhalten. Daraus entwickeln sich neue Interessenmgeinschaften und Praktiken, neue

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Freunde erscheinen auf den Kontaktlisten und infolgedessen entstehen verschiedene neue Unter-Verzweigungen im Netz. Eine Hauptbeschäftigung dieser Communities ist es dann, die nötigen Fähigkeiten, Prozeduren und Verhaltensweisen zu entwickeln, um durch die Unterschiedlichkeit der beteiligten Personen gemeinsam schöpferisch tätig zu werden. Diese demokratischen Werkzeuge, die Diversität und Unabhängigkeit der Meinungen, die Dezentralisierung und Ansammlung von Informationen und Erfahrungen, sind mit der Hoffnung verknüpft, dass die Gedanken/Ideen/Überlegungen der Community sich zumindest zu einer Art kollektivem sozialem System entwickeln können.

Das Soziale im Finden, Speichern und Teilen von Information Bei meinem Versuch einige der vorherrschenden Techniken und Werkzeuge zu beschreiben, die in >Web n+l<-Technologien angewandt werden, bemühe ich mich gleichzeitig darum herauszufinden, worin die wichtigsten Besonderheiten bestehen und wie sie als erkennbare Techniken und Strategien im Rahmen der Kornmunikationskultur angegangen werden können. Die Wurzeln von Social Bookmarking reichen zurück bis zur Einführung von OnlineDiensten in den späten 1990er-Jahren. Es ermöglichte den Nutzern, sowohl private als auch öffentliche Lesezeichen zu setzen. Über die Jahre wurden weitere Funktionen wie die Bereitstellung von Ordnern für die Verwaltung von Lesezeichen hinzugefügt. Manche Dienste und Programme boten auch die automatische Sortierung von Lesezeichen in passende Ordner, Browser-Schaltflächen zum Speichern von Lesezeichen und zum Versenden der Lesezeichen per E-Mail. Im Rückblick erscheint es so, als ob Bookmarking + Social zu einer untrennbaren Einheit individueller Vorlieben für bestimmte Interessengebiete verschmolzen seien. Diese resultieren aus Suchergebnissen aus dem Internet, welche frei zugänglich sind und als Lesezeichen abgespeichert allen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang versuche ich mich zu erinnern, ob es im prädigitalen Zeitalter ein ähnliches Prinzip im Hinblick auf Lesezeichen gab. Ein Vergleich ist jedoch eigentlich unzulässig, da jedes Bemühen, einen historisch stringenten Übergang vom Analogen zum Digitalen nachzuweisen, schon an den Ausgangsbedingungen scheitert. Ein persönliches Lesezeichen in einem privaten Buch kann weder mit bibliothekarischer I<.atalogisierung und Indizierung verglichen werden noch mit irgendeiner Art digitaler Speicherung und Freigabe von Informationen, da es nicht gleichzeitig mit mehreren anderen geteilt oder an sie verteilt werden kann. In diesem Zusammenhang erscheint der Begriff xl.esezeicherx etwas irrefüh-

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rend, was ebenso für viele andere Metaphern gilt, die einfach analoge Bezeichnungen auf digitale Werkzeuge anwenden, die in Wirklichkeit eine völlig andere Wirkung haben. Ein gutes Beispiel, das Anklänge an Metaphern der realen Welt bietet, ist unsere Computer-Arbeitsoberfläche, welche die alte Büropalette mit Schreibtisch (desk), Ordnern (folders), Dokumenten (files),usw. beinhaltet. So wie Objekte in realen Büroumgebungen herumbewegt und eingesetzt werden (suchen, sammeln USw.), folgen auch Dokumente und Ordner auf der Arbeitsoberfläche einer ähnlichen Logik, da sie eine Datenstruktur beinhalten, die in einer Datenbank gespeichert ist, während die Nutzerinteraktion mit Software als Algorithmus beschrieben wird. Mit Social Bookmarking kann man in erster Line eine persönliche Sammlung von Links online anlegen, ähnlich wie die Lesezeichen oder Favoriten im Browser, die aber außerdem für andere auf der persönlichen Archiv-Seite zugänglich sind. Aber bevor ich auf die relevanten Fragen sozialer Medien hinsichtlich Geben und Nehmen von Information eingehe, ist es angebracht, an die tatsächlichen Aktivitäten von Social Bookmarking im Internet zu erinnern. Eine kontinuierlich wachsende Anzahl an Menschen verbringt immer mehr Zeit im Internet auf der Suche nach Informationen zu ihrem Spezialgebiet. Informationsquellen sind nicht mehr rar, da E-Mail, Newsletter, das Abonnement von RSS-Newsfeeds und die Nutzung von Suchmaschinen dabei helfen, Ressourcen zu entdecken, die im privaten oder beruflichen Kontext wertvoll sein können. Gelegentlich werden Ordner im Internetbrowser genutzt, um die Lesezeichen von Online-Ressourcen zu ordnen, aber diese Praxis ist ineffizient geworden. Wenn eine Ressource für mehrere Themenbereiche relevant ist, so muss der Nutzer dieses Lesezeichen in verschiedenen Ordnern speichern, und manchmal wird er/sie während der Arbeit im Büro feststellen, dass wichtige Lesezeichen sich auf dem Rechner zu Hause befinden. Ein anderes Szenario unterstellt, dass der Nutzer die mit Lesezeichen versehene Seite auf seinem Computer vermutet, das Auffinden einer Seite unter Hunderten von Lesezeichen sich aber als schwieriger erweist als die erneute Suche über eine Suchmaschine. Wer Lesezeichen an Kollegen oder Freunde weitergeben will, wird gebeten, die Referenz zu finden und zu mailen. Eine viel größere Wirkung könnte erzielt werden durch die Nutzung von beispielsweise del.icio.us, indem man Lesezeichen einfügt und sie mit ein paar relevanten Schlagworten (Tags) versieht. Hier wird der soziale Charakter dieser Art des Austauschs deutlich, da man die Liste veröffentlichen kann, so dass Kollegen und Freunde leicht dorthin geleitet werden oder andere die Lesezeichenliste mit Hilfe von Schlagworten finden können. Wenn eine Seite mit einem Lesezeichen versehen ist, teilt die Social Bookmarking Software dem Nutzer mit, wie

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viele andere dieselbe Seite ebenfalls mit Lesezeichen versehen haben. Und wenn man auf diese Zahl klickt, kann man genau sehen, wer die Seite sonst noch mit Lesezeichen versehen hat und wann sie jeweils gefunden wurde. Ein weiterer Klick zeigt dann die Lesezeichen-Sammlungen anderer, die an der eigenen Seite interessiert sind. All dies kann dabei helfen, das gemeinsame Sammeln und Zusammenfassen von Lesezeichen zu vereinfachen, wodurch ein Netz an Ressourcen und Verbindungen entsteht, das nicht auf Individuen und ihre Ordner begrenzt ist, sondern die Interessen und Ansichten einer Gemeinschaft von Nutzern darstellt. Aufgrund der fast unzählbaren Menge an Social Bookmarking-Werkzeugen, die im Internet verfügbar sind,' sind es nicht nur die Pragmatiker, die den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen können. Was ist nun also der Mehrwert und warum kann man diese speziellen Werkzeuge als wesentlichen Bestandteil von Medienkompetenz betrachten? Mit Hilfe von Social Bookmarking können Nutzer durch informelle Organisationsstrukturen gewissermaßen eine größere Vielfalt an unterschiedlichen Blickwinkeln auf Informationen und Ressourcen generieren. Im Gegensatz zum Informationsaustausch durch Einzelpersonen wirken neue Interessengemeinschaften weiterhin auf die anhaltende Entwicklung von Folksonomien und gebräuchlichen Tags für Ressourcen ein. Die weit verbreitete Akzeptanz des Taggings (Verschlagwortens) ist ein Herzstück der kooperativen Klassifikation und Kommunikation, die im Internet um 2004 durch Social Software-Anwendungen populät wurde und die Aktivitäten und Methoden zum gemeinsamen Erstellen und Verwalten von Tags mit sich brachte, mit denen Inhalte kommentiert und kategorisiert werden können. Die Vorteile, die viele Nutzer einem auf Folksonomie gestützen Recherche-Instrument zuschreiben, beziehen sich auf die Erkenntnisse anderer Nutzer, durch die man Informationen finden kann, die sich nicht nur auf das fragliche Thema beziehen; wenn man z.B. nach Informationen zu Fotografie sucht, kann man die Verbindungen anderer Nutzer zwischen Fotografie und Filmscannern oder Stereoskopie finden, was einen in neue, möglicherweise nützliche Richtungen führen kann. Es ist hier entscheidend, den weiteren Zusammenhang zu betrachten, insbesondere wenn man die klassische Art einer relativ statischen Form der Taxonomie mit der dynamischen, nutzergesteuerten Art von Instrumenten vergleicht, welche die Nutzer dazu ermuntern wiederzukommen, da die Art der Kooperation und die SammS. unter http://www.searchenginejoumal.com/125-social-bookmarking-sites-importance-of-user-generated-tags-votes-and-links/6066/ [11.01.2010].

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lungen sich beständig im Fluss befinden. Dieses Prinzip der Nutzereinbindung in die Klassifikation von Online-Ressourcen durch die Vergabe von Tags wird von den Verfechtern organisierten Wissens, das in Klassifikations- und KategorisierungsSchemata übertragen wird, kritisch gesehen. Es ist sicherlich unklug, wissenschaftlich überwachte Taxonomien mit nutzergenerierten Tags zu vermischen, obgleich die Bewertung individueller Ressourcen, die zu einem Bewertungssystem führen, das als gemeinschaftlicher Filter wirkt, von beträchtlichem Nutzen für einen interkulturellen und interdisziplinären Thesaurus sein könnte, insbesondere im Bereich fließenden/ anpassungsfähigen/entstehenden Vokabulars. Es liegt in der Natur nutzergenerierter Information, dass es keine Übersicht darüber gibt, wie Ressourcen organisiert oder verschlagwortet werden, was zu einer uneinheitlichen oder einfach schlechten Verwendung von Tags führen kann . Andere Bedenken betreffen die Mehrdeutigkeit gemeinschaftlicher Schlagwortsysteme, sofern keine Gewissheit über einen plausiblen Bezug zwischen Tags und einem wohldefinierten Konzept besteht. Als ob Synonyme, Rechtschreibfehler, fehlerhafte Kodierungen und Wortzusammensetzungen nicht schon genug Verwirrung stiften würden, machen es Pidgins (vgl. Pinker 2000), eine Kombination aus Worten verschiedener Sprachen ohne jegliche grammatikalische Struktur, noch schlimmer. Tagging kann zu einem zentralen Instrument werden, wenn es Hilfestellungen zur Erstellung der Schlagwort-Auswahl anbietet wie z.B. eine Checkliste an Fragen, die sich auf das zu verschlagwortende Objekt beziehen, um die Aufmerksamkeit des Taggers auf verschiedene hervorstechende Besonderheiten hinzulenken. Eine andere Idee, die umgesetzt werden könnte, ist die Einführung von semantischen Strukturen bei Tags. Derzeit sind Tags allgemein als einzelne oder zusammengesetzte Worte definiert, wodurch Information im Zuge der Verschlagwortung verloren gehen kann. Einzelwort-Tags fehlt die Information, die normalerweise in der Wortstellung eines Satzes enthalten ist. Dies kann man insbesondere im Englischen feststellen durch die Trennung der Adjektive von den Substantiven. Wenn man beispielsweise ein Foto verschlagwortet, möchte man ggf. Tags verwenden, um eine rote Rose oder eine weiße Lilie zu beschreiben. Sobald die Einzelwort-Tags srotx, >Rose<, >weiß< und >Lilie< in die Datenbank aufgenommen sind, verlieren sie ihre Bedeutung. Suchende Nutzer wissen nun nicht mehr, welche Blume rot und welche weiß ist. Das Problem der Adjektiv/SubstantivTrennung ist jedoch nicht in jeder Sprache gleich relevant. In manchen Sprachen wird das Problem vermieden oder entschärft, etwa in solchen Sprachen wie Russisch oder Deutsch ~weiße Liliee, srote Rose<), die Deklinationen für Substantive und Adjektive verwenden. Was zusammengesetzte Worte angeht, so werden meist indivi-

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duelle Regeln angewendet, um Beziehungen innerhalb eines ansonsten pauschalen Namensfelds zu kennzeichnen. Diese Kennzeichen gelten jedoch für die persönliche Verwendung, sind nicht standardisiert und können daher nicht zum gemeinsamen Nutzen eingesetzt werden. Bei der Mehrheit sozialer Medien sind die Technologie und der Grad an Interaktion, die hinter Social Bookmarking stehen, nicht sehr komplex, d.h., dass die Teilnahmeschwelle für den normalen Nutzer niedrig ist. Wie bei allem, was nur wenige Klicks oder Schritte entfernt zu sein scheint ~)Start blogging in two easy stepsl«), liegt das verführerische Element sozialer Medien offentliehtlieh im schnellen Zugang und einfacher Prozedur der Veröffentlichung. Social Bookmarking beruht jedoch auf der Interaktion zwischen verschiedenen Anwendungen, d.h. dass das Verschlagworten von Informationen automatisch auf Multimedia-Dateien und E-Mails ausgeweitet ist. Soziale Medien befördern die Ansammlung und Darstellung von multimedialen Inhalten aus unterschiedlichen Informationsquellen. Anstatt soziale Medien als übergreifende Bezeichnung für verschiedene Arten der Interaktion zu propagieren, die ja definitionsgemäß nicht unbedingt sozial sind, möchte ich stattdessen ein anderes, weiter gefasstes Konzept vorschlagen, nämlich das der vernetzten Kommunikation als der Art, wie Menschen und Maschinen miteinander in Verbindung treten, kommunizieren und zusammenarbeiten. Dies ist nicht auf Arten der Mensch-zu-Mensch-Interaktion beschränkt, sondern schließt z.B, APIs (Application Programming Interfaces/ Anwendungsprogrammierschnittstellen) ein, die es Internet-Communities ermöglicht haben, eine offene Architektur zum Austausch von Inhalten und Daten zwischen Communities und Anwendungen zu erstellen. Auf diese Weise kann ein bestimmter Inhalt im Netz auf vielfältigen Wegen verteilt oder aktualisiert werden. Durch die Verlagerung weg von formalen Taxonomien wird ein Weg vorgezeichnet, wie neue Nutzergemeinschaften entstehen und wie Tags im Hinblick auf Kriterien der Zweckmäßigkeit wie Selbstdarstellung, Organisation, Lernen, Finden und Entscheidungshilfen beurteilt werden. Das Taggen von Informationsressourcen mit Schlagworten wird allmählich Klassifikationssysteme sowie Datenbanken- und Informationsmanagement verändern. In vernetzten Communities, in denen Ideen frei zirkulieren, wird es zunehmend unwichtiger, wo genau die Informationen gefunden wurden. Viel wichtiger wird es sein, diese möglichst schnell aufrufen und mit den Peers und Kollegen austauschen und gemeinsam nutzen zu können. Immer wieder müssen wir uns dabei mit teils offenen, teils latenten Widerständen gegen den Wissenstransfer arrangieren, welche in der menschlichen Natur tief verwurzelt zu sein scheinen, einem unüberwindbaren Hindernis für das Teilen von Wissen - gehe es nun um die Weitergabe von Refe-

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renzlisten, Bibliographien, Aufsätzen oder von anderen Ressourcen an Peers oder Studenten. Es liegt noch ein weiter Weg vor uns.

Hacker-Ethik und gesellschaftliches Engagement Hacken ist nicht auf Computer begrenzt. »Cultural Hacking - die Kunst des strategischen Handelns« (vgl.Düllo/LiebI200S) beschäftigt sich beispielsweise mit aktuellen Formen subversiver Strategien, die Ansätze zu einem Gegenmodell zum vorherrschenden Konsumzwang aufzeigen, welcher durch eine mediale Werbemaschinerie angetrieben wird. Dabei werden Aktivitäten und Strategien dadaistischer und situationistischer Bewegungen aufgegriffen, die sich vor allem gegen die Hegemonie des Establishments und ihre medialen Botschaften richten. In meinem Buch »(IN)VISIBLE« (2008) erörtere ich, wie kulturelle Anspielungen meist zu stereotypen Bezeichnungen verkommen, welche die Werbeindustrie - unter dem Deckmantel der Globalisierung - zu ihrem eigenen Vorteil nutzt. Augenscheinlich dient die bloße Präsenz von weltweit agierenden Unternehmen als Beleg dafür, dass deren Konzernpraktiken allen Menschen nützlich sind. Dabei spielen die Werbung und ihre Interssenvertreter eine zentrale Rolle, indem sie Kapitalmärkte auf der Suche nach immer höheren Renditen tatktäftig unterstützen, um so gesellschaftspolitische Macht und Einfluss ausüben zu können (vgl. Klein 1999). Somit werden ursprünglich subversive Arbeiten und Ideen selbst von den Massenmedien" verwendet und in Form von lukrativen Angeboten als Gegenleistung für die Teilnahme an sironischenc Werbekampagnen vergütet. Slavoj ZiZek behauptet, dass die Art der Distanz, die durch Culture Jamrning entsteht, es der Ideologie ermöglicht zu agieren: »[I]ndem es das Zeichensystem des Kapitals angreift und sich davon distanziert, erzeugt das Subjekt eine Fantasie der Überschreitung, die seine/ihre tatsächliche Komplizenschaft mit dem Kapitalismus als allumfassendem System rverschleiertc« (ZiZek 1989: 28) Ohne zu genau auf die Details der Geschichte des Hackens einzugehen, ist es doch wichtig, seine Entstehung und seinen ursprünglichen Zweck zu verstehen; so war ein shacl« beispielsweise immer eine Vereinfachung oder Modifikation - eine Möglichkeit, die Standardverfahren eines Objekts oder Systems zu umgehen oder zu überarbeiten. Der Begriff entstand 1960 im MIT durch eine Gruppe von Studenten, die ihre Spielzeugeisenbahnen hackten, um deren Funktionsweise zu modifizieren. Diese und andere frühe Computerhacker waren überzeugte Programmier-Liebhaber, 4

S. unter http://www.i-shop-therefore-i-am.dk/[11 .01.2010].

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Experten, die hauptsächlich an der Modifikation von Software interessiert waren, um diese zu optimieren, individuell spezifischen Einsatzzwecken anzupassen oder einfach nur aus Spaß daran, zu lernen, wie die Dinge funktionieren. In vielen Fällen waren die Vereinfachungen und Modifikationen dieser Hacker sogar eleganter als die professionellen Anwendungen, die sie ersetzten oder umgingen. Während der 1970er-Jahre drang Hacken ins öffentliche Bewusstsein, zeitgleich mit dem Auftreten von Phreaks oder Pbone Hackern, einem Teil der aufkommenden Culture JammingAktivitäten wie Haaiuism, die eine völlig neue Richtung subversiver Strategien und Techniken gegen Konzernkulturen einschlugen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Fähigkeiten und Einstellungen der Software Hacker sowie die Traditionen der gemeinsamen Kultur, die den Begriff >Hacker< hervorbrachte, wie Eric Raymond es so treffend in Hacking, Open Source, and Free srftware formulierte, herauszuarbeiten (vgl. Raymond 2001). Immer noch bemerkenswert sind seine Anmerkungen zum »Status in der HackerKultur«, die im Rückblick die Kernprizipien von sozialer Vernetzung plausibel machen. Wie Raymond feststellt, funktioniert Hackertum über Reputation: Ob die Lösungen wirklich gut sind, können normalerweise nur die technisch Ebenbürtigen oder Überlegenen beurteilen. Genau genommen ist Hackertum eine Geschenkkultur, in der man seine Zeit, seine Kreativität und seine Fähigkeiten verschenkt. Mit Phänomenen der Akkumulation von Daten und der zunehmenden sozialen Vernetzung durch die digitalen Medien setzt sich die international agierende Piratenpartei auseinander. Das »Pirate Manifestoe' ist ein Versuch der Piratenparteiin Schweden und Deutschland," ein Sprachrohr für die fundamentalen Rechte und Zielsetzungen digitaler Arbeit und ihrer kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Implikationen zu etablieren. Ich werde ein paar Punkte aus diesem Manifest herausgreifen, die als erste Schritte hin zur Bewusstseinsbildung im politischen Establishment bezüglich der komplexen Probleme des Datenschutzes, der Überwachung und der Infrastruktur in einer vernetzten Gesellschaft betrachtet werden können. Die folgenden Passagen konzentrieren sich auf Fragen dazu, wie wir bessere Lösungen finden können, um geistiges Eigentum zu schützen und gleichzeitig Urheberrechtsgesetze, individuelle und gemeinsame Rechte, Kulturerbe und Datenschutz den sich ändernden Berufen, Produktions-, Arbeits- und Lebensweisen sowie vernetzten, parallel existierenden Gesellschaften entsprechend zu verankern, anzupassen und zu modifizieren. S. unter http://www.wirecl.com/beyoncl_the_beyoncl/2009/10/ancl-yet-another-pirate-manifesto/ [10.12.2009]. 6 S. unter http://www.piratpartiet.se/international/english [10.12.2009].

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Kernpunkte sind der Schutz von Bürgerrechten, der Wille, unsere Kultur allen zugänglich zu machen und die Erkenntnis, dass Patente und private Monopole der Gesellschaft schaden. In diesem Zusammenhang kann der Film »RIP: aremix Manifesto 2.0« (Open Source Cinema"') einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis von free cu/lure beisteuern. Jedes der Filmkapitel, z.B. »Copyright vs Copyleft«, »The Past tries to control the future«, »Back in the People's Hands«, »The Revolution will be digitalized«, passt gut zu den Argumenten der Piratenpartei, die behaupten, dass Urheberrechte ursprünglich geschaffen wutden, um das Recht eines Urhebers, als Urheber anerkannt zu werden, zu regeln, und später ausgedehnt wurden, um sowohl das gewerbsmäßige Kopieren von Werken abzudecken als auch um die natürlichen Rechte von Bürgern und Nonprofit-Organisationen zu begrenzen. Was die Piratenpartei kritisiert" ist, dass diese Gewichtsverlagerung eine inakzeptable Entwicklung ausgelöst hat, indem nämlich wirtschaftliche und technologische Entwicklungen das Urheberrecht so aus dem Gleichgewicht gebracht haben, dass wenige große Marktteilnehmer gegenüber Konsumenten, Urhebern und der Gesellschaft insgesamt ungerecht bevorzugt werden. So sind, beispielsweise, Millionen an klassischen Liedern, Filmen und Büchern in den Tresoren riesiger Medienkonzerne gelagert, von ihrer Zielgruppe nicht stark genug nachgefragt um erneut aufgelegt zu werden, aber potentiell zu einträglich um sie freizugeben. Kulturerbe muss aber allen zugänglich sein; ein grundlegendes Anliegen ist, dass Ideen, Wissen und Informationen von Natur aus nicht-exklusiv sind und iht gemeinschaftlicher Wert in der ihnen innewohnenden Eigenschaft liegt, geteilt und verbreitet werden zu können. Die Dienstleistungen und die Unterstützung, die Nonprofit-Organisationen wie Crealive Commonswissenschaftlichen und akademischen Gemeinschaften bieten, ist nur ein erster Schritt zur Sondierung des legalen Teilens, Nutzens, Umfunktionierens und Remixens von kulturellen, pädagogischen und wissenschaftlichen Inhalten, die der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stehen. Änderungen im Kampf um gewerbliche Urheberrechte mit dem Ausbalancieren sich widersprechender geschäftlicher Interessen und Vorschläge zur Verringerung des gewerblichen Urheberrechtsschurzes, z.B. des Monopols, gewerbsmäßig Kopien eines Werks zu erstellen, auf fünf Jahre ab dem Datum der Publikation des Werks, werden in der näheren Zukunft wohl nicht durchgesetzt werden können. Im Geiste von Open Source, Free Software und General Public License ist die neue politische Bewegung ein wichtiges Sprachorgan für die Generation )Web n-r l«, die versucht, auf die bestehenden und neuen Her7

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s. unter http://www.opensourcecinema.org/project/rip2.0 [10.12.2009]. S. unter http://docs.piratpartiet.se/Principles%203.2.pdf [10.12.2009].

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ausforderungen, die das digitale Leben an Individuen und die Gesellschaft stellt, zu reagieren, indem sie neue Lösungen findet, um die Rechte der Bürger, ihr Recht auf Privatsphäre und grundlegende Menschenrechte, zu wahren. In diesem Sinne muss gesellschaftliches Engagement in öffentlichen Räumen als Werkzeug, Praxis und Technik überdacht und reorganisert werden im Hinblick auf synchrone Arten realer und virtueller Kommunikation mit sozialen Medien. Flashmobl sind ein gutes Beispiel dafür, wie schnell sich eine große Menschenmenge an einem öffentlichen Ort versammeln, innerhalb einer kurzen Zeit eine Handlung durchführen und sich dann schnell wieder zerstreuen kann. Was Flashmobs von Smartmobs (vgl. Rheingold 2002) unterscheidet, ist die Tatsache, dass Flashmobs nicht unbedingt einen Zweck verfolgen, auch wenn sie eine Meinung oder eine Aussage wiedergeben können. Mit anderen Worten, die Definition von Smartmobs entstand aus SmartMob Technologies und deren Auswirkung auf Kommunikation und Kooperation sowohl auf nutzbringende als auch auf zerstörerische Weise: Beispielsweisewurde sie bei manchen ihrer frühesten Anwender genutzt, um die Demokratie zu unterstützen, und von anderen, um Terroranschläge zu koordinieren. Im Gegensatz dazu stellen Flashmobs den kurzlebigen Eventcharakter in den Vordergrund, der sozial, kulturell, politisch oder künstlerisch motiviert sein kann, und nutzen eine Mischung an Werkzeugen und Methoden, um die Anweisungen entweder über E-Mail, SMS, Foren, Diskussionsgruppen oder Mundpropaganda zu übermitteln. Aus dem »Flashmob-Manifest« können wir ersehen, wie die Generation >Web n-H« darstellerische und aktivistische Fähigkeiten und Kompetenzen entwickelt, um ihre Botschaft in öffentlichen Räumen durch spielerische Verwendung und Umdeutung historischer Happenings zu übermitteln, einer Art partizipativer neuer Medienkunst, die eine Interaktion zwischen dem Darsteller und dem Publikum betont. Die imaginäre >Wand< zwischen >Darsteller< und >Zuschauer< wird bei Happenings durchbrochen, indem jeder Anwesende in die Erschaffung des Kunstwerks eingebunden wird und es keine festen Regeln, sondern nur vage Richtlinien gibt, an die die Darsteller sich halten. Happenings und Flashmobs sind gemeinsam a) kurze Dauer; b) improvisierte Absprachen; c) Massentauglichkeit; d) spontane Teilnahme; e) Neuartigkeit und Kreativität; f) keine Einschränkung in der Wahl der Ausdrucksmittel; g) Ortsunabhängigkeit, um nur einige Merkmale zu nennen. Die heutigen, hauptsächlich politisch motivierten, Flashmobs hingegen führen eine Reihe von Regeln und Richtlinien ein, die als Voraussetzung angesehen werden für • Ein Q&A mit dem anonymen Gründer der Flashmobs. http://www.hweekly.com/2004-08-0S/news/ my-name-is-bill [10.12.2009].

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erfolgreiche und unverwechselbare Kommunikation und Durchführung innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens und Eventzwecks, z.B. auf die folgende Art: a) ein Flashmob muss eigenständig bleiben; b) die Mobber kommunizieren während des Flashmobs nicht miteinander; c) die Zusammenkünfte müssen zu einem exakten Zeitpunkt stattfinden und der Mob darf nicht länger als 10 Minuten dauern; d) eine Einzelperson kann einen Flashmob auslösen. Obwohl die Popularität von Flashmobs kurzlebig und ihr Stil absichtlich vergänglich ist, wird ihre Verbreitung durch Blogs und etablierte Medien gut dokumentiert und bekannt gemacht, hauptsächlich aufgrund der Nutzung mobiler Kommunikationstechnologien. Der Hacker-Ethos der frühen Open-Source-Bewegung hat also die MassenmedienKultur der Konsumenten unwiderruflich in eine partizipative Medienkultur verwandelt, die neue Arten des Nutzer-Engagements und der Interaktion mit dem öffentlichen Bereich sowohl on- als auch offline geschaffen hat. Da Remediation zu einem Signifikanten fließender realer und virtueller Weltaufführungen geworden ist, erforscht die Generation )Web n+1< fortwährend die einander durchdringenden Grenzen technologiegestützer Formen von Produktion, Rezeption und Wahrnehmung in unabhängigen soziokulturellen und politischen Kontexten. Übersetzung: Judith Keinath

Literatur Beek, Ulrieh (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a.M.: Suhr-

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Stefan Sonvilla-Weiss

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Kontexte

Wissen, Medien und Vermittlung Thomas Höhne

Einleitung Mit dem modernen Staat kam es im 17. Jahrhundert zu der Einsicht, dass eine Gesellschaft nur entwicklungsfähig ist, wenn in ihr das wesentliche Wissen weitergegeben wird . Insofern ist die Frage der Reproduktion der Gesellschaft genuin an die gesellschaftliche Reproduktion von Wissen und damit ist an bestimmte Vermittlungiformen von Wissen gebunden. Darüber hinaus beinhaltet die Vermittlung von Wissen grundsätzlich ein reflexives Moment insofern, als in der Regel nur das Wissen weitergegeben wird, das in irgendeiner Weise als gesellschaftlich relevant erachtet und daraufhin selegiert worden ist. In diesem Sinne ist Wissen von den Formen seiner Vermittlung nicht if/ trennen. Verfolgt man diesen Gedankengang mit Blick auf die Subjekte weiter, so zeigt sich zunächst, dass das Vermittlungswissen auch immer auf bestimmte >vermittlungssubjektee hin gedacht und konstruiert wird und worden ist. Sei es, dass es sich um die Weitergabe traditionellen Wissens an die nächste Generation in Form von Mythen handelt, um modernes Schulwissen in Schulbüchern, das an die Schüler und Schülerinnen einer bestimmten Klassenstufe vermittelt werden soll, oder um das Wissen auf einem Beipackzettel eines Medikaments, in dem - in möglichst verständlicher Sprache - die Wirkungsweisen und Nebenwirkungen dem Benutzer verständlich und damit vermittelt werden sollen. In gewisser Weise wird daher durch das Wissen auch das >Aneignungssubjekt< konstruiert, eben als Adressat von Mythen, von Schulbüchern oder von Beipackzetteln. Damit wird durch die spezifische Vermittlungsform auch eine bestimmte Form der Aneignung 1 nahegelegt (rituelle Weitergabe von und Erfahrung durch Geschichten, Lernen mit Schulbüchern, Selbstinstruktion durch Lesen eines Beipackzettels). Im Folgenden soll dieser locker angedeutete Zusammenhang von Wissen, seinen Formen der Vermittlung und den Subjekten (als Ziel von Vermittlung) genauer unter-

I Die subjektive Aneignungsseite von Wissen wird in der Analyse vor allem im dritten Teil berücksichtigt, wenn es um die Untersuchung der Subjekteffekte geht. Im zweiten Teil der historischen Rekonstruktion wird der Fokus auf die Vermittlung von Wissen gelegt, da zunächst die Vermittlung von Wissen historisch als wichtige Frage bzw. als Problem artikuliert wurde, bevor auch die Aneignungsseite etwa in Form der pädagogisch-didaktischen Reflexions-theorie seit dem 18. Jahrhundert mitgedacht wurde .

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_9, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Thomas Höhne

sucht werden. Dabei soll zunächst historisch die zentrale gesellschaftliche Bedeutung der Vermittlung von Wissen im Kontext der Entstehung des neuzeitlichen Staates aufgezeigt werden. Die historische Rekonstruktion soll deutlich machen, dass die Vermittlung und systematische Weitergabe von Wissen sich nicht allein auf die Didaktik beschränkt, sondern gerade auch mit den aufkommenden Medien (Buchdruck, Zeitungswesen) und Wissenschaften wie auch mit den Ansprüchen und Erfordernissen des modernen Staates in Zusammenhang steht, der ein zunehmendes Interesse an gebildeten und gut ausgebildeten Bürgern entwickelte. Mit diesem umfassenden Prozess einer Neuordnung des Wissens zu Vermittlungszwecken entsteht historisch ein - mit Foucault gesprochen - eigenständiges Feld derRationalitlit b~ einDispositiv, nlimlich das der Wissensvermittlung. Mithilfe der Darstellung der Genese des Dispositvs gewinnen wir Anhaltspunkte, mit denen im Anschluss gegenwärtige Veränderungen von Wissen untersucht werden können. In welcher Weise das aktuelle Vermittlungsdispositiv mit bestimmten Macht- und Subjekteffekten einhergeht, soll anschließend untersucht werden, abschließend folgt ein Resümee.

Die Vermittlung von Wissen als gesellschaftliches Problem der Moderne

Die Entstehung des modernen Vermitdungsdispositivs Die folgende Rekonstruktion soll den Blick dafür öffnen, in welch umfassender Weise die systematische Vermittlung von Wissen mit der Entwicklung des neuzeitlichen Staates und den modernen Wissenschaften zu einem zentralen gesellschaftspolitischen Thema wurde. Der Ausgangspunkt dafür ist, dass Gesellschaft, Staat und Politik seit dem 17. Jahrhundert vor der Frage standen, in welcher Weise welches Wissen systematisch der gesamten Bevölkerung vermittelt werden kann und soll. Damit wurde historisch zum ersten Mal ein grundlegend neues reflexives VerhiJltnis ~m gesellschriftlichen Wissen konstituiert, bei dem es um neue Regierungstechniken, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungsmöglichkeiten, kurzum: eine gezielte Steuerung des gesellschriftlichen Fortschritts ging. Neben Staat, Politik, Ökonomie waren es vor allem die neuzeitlichen Wissenschaften, die zunehmend den entscheidenden Maßstab dieses säkularen Fortschrittsdiskurses bildeten. Es wurde aber bald deutlich, dass gesellschaftlicher Fortschritt nicht nur mit wissenschaftlichem Wissen an sich zu erreichen war, sondern - und dies scheint mir ein wesentlicher Gedanke zu sein - vor allem auch mit der Möglichkeit und Notwendigkeit einherging, dieses Wissen gesellschriftlich umfassend ~ vermitteln und damit tiefer in der Gesellschaft zu verankern. Um dies zu ermöglichen, war eine Systematik von Methoden und The-

Wissen, Medien und Vermittlung

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orien der Vermittlung notwendig, durch die gezielte Vermittlung überhaupt erst ermöglicht und auf ihre Effekte hin reflektiert werden konnte. Mit den modernen Verbreitungsmedien seit dem Beginn des Buchdrucks entwickelte sich eine gesellschaftliche »Kommunikation unter Abwesenden« (Luhmann) und zugleich kam es zu einer Medialisierung von Wissen. Es entstand also eine ganz neue Kommunikationsebene mit einer eignen raumzeitlichen Struktur, denn die medialisierten Formen der Kommunikation »lösen Kommunikationsvorgänge aus der Provinzialität raumzeitlich beschränkter Kontexte und lassen Öffentlichkeiten entstehen, indem sie abstrakte Gleichzeitigkeit eines virtuell präsent gehaltenen Netzes von räumlich und zeitlich weit entfernten Kommunikationsinhalten herstellen und die Botschaften für vielfaltige Kontexte verfügbar halten« (Habermas 1981: 573).

Das Wissen, das nicht mehr an die Autorität von Personen gebunden ist, macht die soziale Wissensproduktion und -kommunikation aber auch kontingenter und risikoreicher - scheinbar sicheres Wissen kann jederzeit und überball bezweifelt und kritisiert werden. Diese »Koevolution von Wissen, Informationsverarbeitung und Medien« (Giesecke 2005: 15) bildet ein Signum moderner Wissenskommunikation. Medien stellen hierbei Ermiiglicher, Bt;grenzerund zugleich Mittler sozialer Wissenskommunikation dar, die nicht mehr lokal oder personal gebunden ist (vgl. McQuai11994). Diese Entwicklungen raumzeitlicher Expansion und medialer Vermittlung sozialer Kommunikation auf der einen Seite und die beginnende gesellschaftliche Ausdifferenzierung spezifischer Bereiche und die staatliche Zentralisierung von Herrschaft auf der anderen Seite bilden wesentliche Strukturelemente eines aufkommenden europäischen Nationalstaatensystems. Diese Entwicklungen stellen auch für die Entstehung des modernen Schulsystems und für Didaktik/Curriculum den konstitutiven Rahmen dar (vgl. Meyer/Ramirez 1997/2005: 220). Historisch zentral für die neuzeitliche Didaktik ist, wie etwa David Harnilton bemerkt, der »Ordnungsgedanke«, welcher der systemtisch-methodischen Vermittlung von Wissen zum Zweck von Lernen und Bildung zugrunde liege (Harnilton 1995: 85). So nehmen Methode und Systematik im Rahmen des enzyklopädischen pädagogischen Programms von Comenius ~)Pansophiae Prodromus« bzw. »Panpaidia«) und seinen Nachfolgern für die Gestaltung des öffentlichen Unterrichts einen zentralen Stellenwert ein (ebd.: 86, Garin 1967: 35f.). Der moderne Gedanke neuzeitlicher Didaktik lit;gt hierbei in derVermittlung eines universellen Systems geordneten Wissens an alle Menschen btfV. eine Bevölkerung nach lernökonomischen, rationalen Kriterien ifI BildungsiJVecken. )Vermittlung< meintdaran anschließend einen

1.40

Thomas Höhne

spezifischen und reflexiven ModusderWeitergabe von Wissen} mit dem grundlegende Aspekte wie Intentionen (Vermittlungsabsichten)} Vermittlungsziele (Adressaten) LerniJele)} eine Systematik (Curriculum) Methoden) und entsprechende Institutionalisierungiformen (Schule usw.) verbunden sind. In diesem Sinne hebt historisch die moderne Pädagogik mit der Vermittlungsfunktion von Wissen in Gestalt der Didaktik im 17. Jahrhundert an, jedoch bleibt hierbei das Subjekt als Adressat von Vermittlung noch abstrakt. Erst mit der »Psychologisierung der Unterrichtsarbeit« seit Mitte des 18. Jahrhunderts (Terhart 2009: 27) wird der Adressat des universellen Vermittlungsanspruchs der Didaktik konkretisiert. In dem Maße, in dem »elementare psychologische Vorstellungen über kindgerechtes Lehren und Lernen« zum Tragen kommen, wird aus »Schulehalten« schließlich »Unterrichten« (ebd.: 26f.). Die Frage nach der Angemessenheit und Wirkung des pädagogischen Handelns und Vermitte1ns wird erst im Kontext dieser Psychologisierung und der sEntdeckung des Subjekts- im Vermittlungsprozess bedeutungsvoll. Damit findet sich, was Vermittlung als eigenes Feld betrifft, eine komplexe Konstellation aus unterschiedlichen Akteuren und Bereichen, denn mit der Entstehung moderner Verbreitungsmedien durch den Buchdruck, mit den staatlich-politischen Vermittlungsansprüchen und der Entstehung der institutionalisierten Bildung wird Wissen überregional, systematisch und umfassend vermittelbar. Es ist der absolutistische, aufgeklärte Staat, der historisch zum ersten Mal das Interesse artikuliert, in systematischer Absicht Wissen »möglichst rational, effektiv, kostengünstig« an die Bevölkerung zu vermitteln (Terhart 2009: 27). Mit dem Bildungs!}stem soll das notwendig »höhere Qualifikations- und Ausbildungsniveau für immer größere Teile der Bevölkerung« (ebd.) garantiert werden, wodurch der Anschluss von Wissen und Ausbildung an den sich ausbildenden frühkapitalistischen Arbeitsmarkt und damit an das Wirtschaftssystem gesichert werden soll. Die entstehende moderne Wissenschtift wird hierbei zu einem zentralen Referenzbereich für die Vermittlung gesellschaftlichen Wissens, da gesellschaftlicher Fortschritt nur mit einem gewissen Bildungs- und Wissensniveau der Bevölkerung zu erreichen ist (vgl. Fend 2006: 107ff.). Mit diesem neuzeitlichen Modernisierungsprogramm im Viereck von Staat, Wissenschaft, Medien und Bildung entsteht mit Blick auf Wissen(-svermittlung) ein neuer umfassender gesellschaftlicher Reproduktionszusammenhan~

In diesem weiten Sinne wird Vermittlung historisch sowie systematisch zu einer grundlegenden gesellschaftlichen Aufgabe (vgl. Kade 1997: 34), da die Weitergabe von Wissen nicht mehr zufällig, sondern systematisch, nicht mehr selektiv für eine kleine gesellschaftliche Gruppe, sondern für die gesamte Bevölkerung erfolgen soll. Damit stellt sich zum einen das Problem der legitimen Selektion des als relevant erachteten Vermittlungswissens. Welches Wissen soll vermittelt werden? Wer wählt dieses Wissen

Wissen, Medien und Vermittlung

141

aus? Zum anderen wird erstmalig die gesamte Bevölkerung bzw. die Menschheit zum Ziel einer systematischen Vermittlung von Wissen.2 Mit der Frage nach Ordnung, Systematik und Selektion relevanten Wissens zum Zweck der Vermittlung ergibt sich zugleich die Frage nach der Spezifik des Adressaten und dem Ziel von Vermittlung. Ein Blick auf die Entwicklung der modernen Didaktik zeigt, dass ihr Ursprung im Rationalismus des 17.Jahrhunderts liegt (vgl. Bollmann 2001: 147ff.). Der »pädagogische Realismus« des 17. Jahrhunderts zeichne sich vor allem durch eine »rnethodisehe Aneignung von Welt« durch das Subjekt aus. Die Kunst des Unterrichtens sei durch die didaktisch-pädagogische Fähigkeit definiert worden, den Heranwachsenden die Dinge näherzubringen und sie dergestalt immer und überall symbolisch zugänglich und vermittelbar zu machen (vgl. ebd.: 166). Erst ein derart didaktisch >in-Form-gebrachtes-Wissen< wird zur In-Formation und somit zugänglich für die systematische Aneignung, wobei in anderen Bereichen auch andere Formen von Vermittlung und Aneignung gegeben sind, die auch zum Vermittlungsdispositiv gehören, ohne jedoch eine didaktische Form zu besitzen (s. Kasten).

Didaktik als Teil des modernen Vermittlungsdispositivs So wie die Didaktik pädagogisch strukturiertes Wissen zu Lernzwecken vermittelt, so hat jedes Dektet, jeder Erlass oder jeder Regierungssprecher die Aufgabe der Vermitrlung von Regierungspolitik. Werbung svermittelte im weitesten Sinne Produkte (und erzeugt ganz mebenbek eine Konsumentenidentität), wie auch die Medien Nachrichten vermitteln. Die jeweiligen Vermittlungslogiken werden erst durch die Differenzen in ihren Zweckbestimrnungen unterschiedlich und haben einen spezifischen Gegenstand (pädagogisches Material, Produkt, Nachricht, Regierungspolitik), sind kausalanalytisch mit entsprechenden Wirkungs- bzw. Steuerungsannahmen (Lernen, Verkaufen, Informieren, Überzeugen) und mit jeweiligen Leitvorstellungen sihrer Zielgruppe- (Schüler, Kundin, Publikum, Wählerin) verbunden. Die Akteure dieses Vermittlungssystems verfügen - als ein gemeinsames Merkmal bei aller Unterschiedlichkeit der Bereiche, in denen sie operieren - über Vermittlungswissen als spezielle Expertise, die sich durch entsprechende Steuerungs- und Wirkungsannahmen und Vorstellungen von Einflussnahme auf Denken und Handeln der Subjekte auszeichnet.

Deutlich wird auch der moderne Universalismus des neuzeitlichen Vermittlungswissens etwa in der Schule (Dreeben 1968/1980), denn potentieller Adressat von Vermittlung ist "unter den Bedingungen umfassender sozialer Inklusion die gesamte Menschheit, die Totalität der Individuen und auf der Interaktionsebene jeweils eine Teilmenge davon« (Kade 1997: 49). 2

1.42

Thomas Höhne

Mit Foucault lässt sich der angedeutete Reproduktionszusammenhang aus verschiedenen Akteuren, Institutionen und Diskursen präziser als Dispositiv beschreiben, in das die Didaktik eingebettet ist.' Ein Dispositiv ist nach Foucault ein Netzwerk aus heterogenen Institutionen, Diskursen und Praktiken, das in unterschiedlichen Bereichen ein »neues Feld der Rationalität« eröffnet - hier das der »Rationalität der Vermittlung« -, das »vorwiegend strategische Funktion« hat, da es eine Reaktion auf eine historische Problemlage bzw. eine »Notlage« darstellt (Foucault 1978: 119f.). Die Not- oder Problemlage, auf die das Vermittlungsdispositiv reagiert, zeigt sich in den ökonomischen, (bildungs-)politischen und wissenschaftlichen Veränderungen seit dem 17. Jahrhundert: »Die Entstehung eines Schul- und Unterrichtswesens für alle und in staatlicher Regie wird in dem Maße notwendig, wie aufgrund der Zunahme des erreichten Wissenstandes sowie eines beschleunigten gesellschaftlichen Wandels (neue Wirtschaftsformen, Entstehung des Staates und seiner Ordnungsleistungen etc.) die Weitergabe des kulturell erreichten Wissens- und Fähigkeitsniveaus durch einfachen Mitvollzug der nachwachsenden Generationen am Leben der älteren Generationen nicht mehr ausreicht. Die ökonomisch-technische Entwicklung verlangt ein höheres Qualifikations- und Disziplinierungsniveau für immer größere Teile der Bevölkerung. Der Prozess der notwendigen Wissensübertragung, Qualifizierung und Sozialisation lässt sich schließlich nur noch durch ein allgemeines, vom Staat organisiertes Unterrichtswesen garantieren.« (Terhart 2009: 26) Mit der Wissensvermittlung als neuem Feld der Rationalität ist also auch ein lang anhaltender Prozess einer komplexen und umfassenden Transformation beschrieben, durch den sich zum einen neue Subjektivierungsweisen etablieren (neue Lernformen in der Schule, psychologisierende Beurteilungspraktiken) und zum anderen sich auch die gesellschafdichen Machtformen verändern. Damit kommt es auch zu einer >Modernisierung< von Macht- und Subjektivierungsformen insofern, als mit der Ver-

Die Genese des Vermittlungsdispositivs hat eine doppelte intermediäre Funktion, da es zum einen Wissen zwischen den verschiedenen Bereichen und Akteuren vermittelt (politik, Bildung, Ökonomie USw.), worin seine Transferfunktion liegt. Zum anderen ist es spezifisch für die Transformation von Spezialwiesen in eine vermittelbare Form zuständig. Die damit verbundene Reflexivität (Was wird wie, mit welchen Mitteln, Zielsetzungen und Adressatenbesonderheiten zum Vermittlungswissen) changiert strukturell zwischen diesen beiden Funktionen von Transfer und Transformation. 3

Wissen, Medien und Vermittlung

143

mittlungsproblematik stärker denn je die Frage der Wirkungen von Handlungen in den Fordergrund rückt - und damit die Formen der Aneignung von Wissen im Feld der Vermittlung. Waren >Vermittlung< und >Aneignung< von Wissen als Komplementärprozesse in vormodernen, vor allem religiösen Kontexten nahezu identisch (repetitiv, autoritäre Vermittlungspraktiken) und daher weder systematisch noch reflexiv aufeinander bezogen - mangels einer adäquaten Vermittlungstheorie -, so werden beide Prozesse nun zunehmend analytisch voneinander getrennt, differenziert und durch die Frage nach den Wirkungen von Vermittlung ergänzt. Dazu ist eine bessere Kenntnis über die Einstellungen, Befindlichkeiten, Möglichkeiten usw. auf Seiten der (Aneignungs-)Subjekte vonnöten, was im 18. Jahrhundert schließlich zur erwähnten >psychologischene Wende im Vermittlungs-jAneignungsverhältnis führt. Analog dazu, so könnte man sagen, psychologisieren sich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in dem Maße, wie das Subjekt zum Ziel systematischer Erziehungs- und Bildungsprozesse wird. Denn mit dem Wechsel von >Schulehalten< zum >Unterrichten< entsteht ein umfangreiches Wissen über Schüler, deren Wünsche, Kapazitäten und Belastungsgrenzen, das erst ein systematisches pädagogisches und didaktisches Steuern des Unterrichtsprozesses ermöglicht. Das erwähnte höhere >Disziplinierungsniveau< im Bildungsbereich wird durch eine enge Verkniipfung von Vermittlungs- undAneignungsjormen erreicht, die dem Vermittlungsdispositiv zugrunde liegen. Dazu gehören auch genuin neue Medien, durch die kulturelle Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen vermittelt werden - Schulbücher, Fibeln, Hefte usw. halten Einzug in den modernen Schulalltag. Sie sind in entsprechende institutionell geregelte disziplinierende Vermittlungspraktiken wie etwa Rituale des Auswendiglernens eingebettet, die in Form der modernen Schule über zwei Jahrhunderte durchgesetzt werden. Vermittlung und Aneignung sind auf der Ebene der Praktiken (Unterricht) in Form neuer Lernmedien der spezifischen Unterrichtskommunikation und interaktion, durch Prüfungs- und Testpraktiken, die voranschreitende Normierung des Vermittlungswissens (Curricula, Schulbücher) usw. eng miteinander verknüpft. Durch Formen wie repetitiven Unterricht oder Eins-zu-Eins-Reproduktion von Wissen sind die Aneignungsformen insofern eng an die Vermittlungsformen gekoppelt, als sie von ihnen direkt abhängen: Der monologisierende, belehrende und sanktionierende Frontalunterricht des Lehrers erfordert auf Schülerseite entsprechend disziplinierte Formen des Aneignens, des aufmerksamen Zubörens, des getreuen Reproduzierens und der Fähigkeit, an geeigneter Stelle diese vermittelten >Wahrheiten< vorzutragen. Allgemein lässt sich also sagen, dass die Form der Suijektivierung (diszipliniertes Schülersuijekt), die Vermittlungs- undAneignungsjormen (lehrer-, wahrheits- und reproduktionsorientierter Unterricht) und

1.4.4

Thomas Höhne

Machiformen (Disziplin, Sanktion) hierbei unmittelbar miteinander im Zusammenhang stehen. Ich möchte vor der Analyse der Veränderungen von Wissen und seinen Vermittlungsformen im nächsten Teil die wichtigsten Punkte zum Vermittlungsdispositiv noch einmal zusammenfassen: •

•

•

Als >Vermittlungsdispositiv< wird ein eigenes (neues) Feld der Rationalität bezeichnet, das sich seit dem 17. Jahrhundert in Form von Diskursen, Praktiken und Institutionen gebildet hat. Es ist eng verknüpft mit gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen, da gesellschaftlicher Fortschritt und die Steigerung des Disziplinniveaus genuin an die allgemeingesellschaftliche Vermittlung innovativen Wissens geknüpft sind. Dieses umfassende Dispositiv bzw. Feld konstituiert sich historisch aus der komplexen Konstellation von Staat/Politik, Wissenschaft, Medien und Bildung/Didaktik. >Vermittlung< wird in diesem umfassenden Sinn zu einem reflexiven Wissen insofern, als Vermittlungs- und Aneignungsseite seit dem 18. Jahrhundert systematisch aufeinander bezogen und in Form einer pädagogisch-didaktischen Wirkungstheorie reflektiert werden (Wirkungen von Unterrichten, psychologische Theorien). Mit der reflexiven Form von >Vermittlung< und >Aneignung< werden auch spezifische didaktisch-pädagogische Subjektivierungsweisen und Machtformen kultiviert und gesellschaftlich verallgemeinert (s. Kasten). Infolgedessen haben sich auch gesellschaftliche Machtformen gewandelt und xnodernisienx, da sie - gleichsam pädagogisiert - auch eine pädagogisch-didaktische Ausdrucksform erhalten haben (Lernarten, Methoden der Wissensaneignung, Prüfungen, Definitionen von nützlichem Wissen USw.).

Der gegenwärtige Wandel von Wissen, Vermittlung und Aneignung Im dritten Teil soll nun der Frage nachgegangen werden, wie sich das Vermittlungsdispositiv aktuell gestaltet und verändert. Zunächst wird ein Blick auf die Veränderungen von Wissen und die sich wandelnden Lehr-, Lern- und Vermittlungsformen geworfen. Anschließend werden die Macht- und Subjektivierungseffekte der veränderten Praktiken und Diskurse dargestellt. Ich beschränke mich in der Darstellung der Veränderungen von Wissen seit den 1960er-Jahren im Folgenden auf drei Entwicklungen: Die Heterogenisierung von Wissen, die Kompetenzorientierung bei der Wissensvermittlung und die zeitlich-räumlichen Entgrenzungen von Lernen.

Wissen, Medien und Vermittlung

145

Die gesellschaFtliche Funktion von Vermittlungsarbeit Der italienische Marxist Antonio Gramsei hat im Rahmen seines Konzepts von Hegemonie besonders den Zusammenhang von Vermittlung und Macht herausgearbeitet. So betont er, dass die Gesellschaft durch eine permanente gesellschaftliche und kulturelle Vermittlungsarbeit charakterisiert sei, für welche die Intellektuellen als professionelle Vermittler eine zentrale Rolle spielen. Zu den Intellektuellen und Wissensexperten einer Gesellschaft zählen nach Gramsei nicht nur LehrerInnen, sondern auch Parteivorsitzende, Priester, Gewerkschaftsfunktionäre, Vorgesetzte in Betrieben usw. - d.h. alle, die qua Funktion in einem besonderen Lehrer-Schiller-Verhältnis stehen, eine erzieherische Funktion im weitesten Sinne haben und permanente Vermittlungsarbeit leisten. Moderne Macht- und Hegemoniebeziehungen besitzen demnach per se eine eminent pädagogische Seite, welche die Vermitdung eines spezifischen Wissens, einer Haltung, einer Disposition oder eines Habitus beinhaltet. Gramsei geht davon aus, dass »jede Hegemoniebeziehung notwendigerweise eine pädagogische Beziehung« (Gramsci 1983: 257) ist, die zwischen Einzelnen, national zwischen gesellschafdichen Gruppen und Klassen, aber auch international zwischen Nationen und »Zivilisationen« (ebd.) vermittelt. Dies verweist darauf, dass moderne gesellschaftliche Machtverhältnisse nicht mnvermitteltx, sondern über erzieherische Praktiken auch außerhalb klassischer Erziehungsinstitutionen wie Familie und Schule reproduziert werden und eine Vielzahl von Macht- und Herrschaftsformen beinhalten, die auf der Logik von Freiheit und Autonomie aufbauen. Wichtig ist hierbei der Umstand, dass Wissen, d.h. hegemoniales Wissen, eine wichtige Funktion hat, denn Vermittlung - so Gramsei trägt wesendich zur Herstellung eines sozialen Konsens als »strukturierte Uneinigkeit« (Stuart Hall) bei.

Heterogenisierung von Wissen, Vermittlung und Aneignung Die zunehmende Heterogenisierung von Wissen seit den 1960er-Jahren ist verschiedenen gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen geschuldet und beinhaltet so unterschiedliche Entwicklungen wie etwa die Lockerung von Normen, die zunehmende Komplexität von Alltagswissen, die Medialisierung von Wissen durch neue Medien oder die verstärkte Differenzierung von Arbeit, Beruf und Ausbildung. Mit diesen Heterogenisierungstendenzen erhebt sich ein grundlegendes Legitimationsproblem von Lern- und Vermittlungswissen, d.h. die Frage, wie wird von wem welches Wissen als vermittlungs- und lernrelevant erachtet, ausgewählt und für Lernzwecke strukturiert? Wenn auch das Problem der legitimen Auswahl von Wissen zur gezielten

1.46

Thomas Höhne

Vermittlung nicht völlig neu ist," so drängt es sich mit dem rascheren Wandel von Wissen im Kontext der Wissensgesellschaft mehr denn je auf. Die Bestimmung eines verbindlichen Allgemeinwissens zu Bildungszwecken wird sachlich wie auch normativ schwieriger, wenn man auf traditionelle Konzepte wie eine gemeinsame Lebenswelt, ein einheitliches Bildungswissen oder ein allgemeines Subjekt (Menschheit, Bevölkerung, Bürger) rekurriert. In dieser Hinsicht verschäift sich das Selektionsproblem von Vermittlungswissen im Rahmen institutionalisierter Bildung, denn ein für alle verbindliches Allgemeinwissen scheint kaum noch definierbar (vgl. Pinar u.a, 1995). So setzen klassisch didaktische Theorien wie etwa die des >ExemplarischenElementare< oder xlas Fundamentale< zur Ermittlung des Allgemeinen eines Bildungswissens mit dem Ziel der Bewältigung der Stofffülle ein Konzept repräsentativen Wissens voraus, das als nicht mehr haltbar kritisiert wird (vgl. z.B. Wigger 2004: 267f.). Seit den 1960er-Jahren haben zudem sozialstrukturelle, kulturelle und ökonomische Veränderungen zu weiteren Transformationen sowohl von Wissen als auch der damit verbundenen Vermittlungs- und Aneignungsformen geführt. Eine dominante Entwicklung zeigt sich darin, dass analog zur Pluralisierung von Wissen im wissenschaftlichen und (bildungs-)politischen Diskurs mit Hinweisen auf eine verstärkte Individualisierung von Lernen gefordert wird. Dies bedeutet zum einen, dass das Problem der Selektion und Vermittlung eines richtigen/adriquaten Wissens auf die individuelle Verantwortung der Subjekte verschoben wird, die schließlich auch für Auswahl und Aneignung des srichtigene Wissens zuständig sind. Zum anderen stellt dies auch ein Indiz für eine stärkere Entkopplung von Vermittlung undAneignung dar - was, wie weiter unten gezeigt wird - zu einer Formalisierung von Aneignungsprozessen bei gleichzeitiger Funktionalisierung von Vermittlungswissen führt. An dieser Entwicklung wird deutlich, dass sich mit der veränderten Relationierung von Vermittlung und Aneignung auch die Macht- und Subjektivierungsformen wandeln. Eine individualisierte Verantwortungsethik liefert hierfür die entscheidende Begleitmusik, durch die sich der normative Druck einergesellschriftlichen und ökonomischen Steigerung nunprimär auf die Aneignungsseite verlagert. Den äußeren institutionellen Rahmen dafür bilden die Veränderungen staatlich-politischer Steuerung, denn es werden im Zuge staatlichen Umsteuerns im Bildungsbereich (Stichwort Outputorientierung) Bildungsstandards etabliert, die eine (funktionalistische) Antwort auf das Selektionsproblem mangels einer curricularen Einheit von Vermittlungswissen darstellen. Erst durch die KoppFreerk Huisken hat bereits Anfang der 1970er-Jahre auf das grundlegende Normproblem bei der didaktisch-curricularen Auswahl des srichdgen Wissens( hingewiesen (vgl. 1972: 36).

4

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lung der Aneignungsseite mit den outputorientierten Bildungsstandards wird also eine nachhaltige Individualisierung von Lernen erreicht. Daher stellen Standards nur scheinbar eine gegenläufige Tendenz zum individualisierten Wissenserwerb dar. In der bildungspolitischen Realität bedeutet dies, dass Bildungsstandards und der Kompetenzbegriff sich gegenseitig ergänzen. Hierbei sind Kompetenzen als ein System festgelegter und individuell zu erreichender Kompetenzstufen zu verstehen, die von Bildungsstandards gerahmt werden.

Wissen(-svermittlung) im Zeichen der Kompetenzorientierung Zur Heterogenisierungsproblematik trägt auch, wie schon angedeutet, der strukturelle Wandel im Bereich der Arbeit bei, der zu nachhaltigen Veränderungen von Qualifikationen, Qualifikationsmerkmalen und -formen geführt hat. Zu den Transformationen gehören technologische Entwicklungen im Produktionsbereich, die Veränderungen von Berufen und die Entstehung neuer Berufe, neue Produktionsweisen wie Lean Production oder Just-in-time-Produktion sowie neue Managementmethoden. Diese Transformationen lassen sich unter dem Begriff der >Flexibilisierung< zusammenfassen. Durch die Strukturveränderungen in Arbeit und Beruf entwickelte sich der Flexibilisierungsdiskurs, was den Bildungsbereich betrifft, zunächst in der Berufsbildung seit den 1970/80er-Jahren und griff im Verlauf der 1990er-Jahre auf den schulischen und universitären Bereich über. Hierbei wird die sFlexibilisierungc von Vermittlungsund Aneignungsformen vor allem mit Rekurs auf den Kompetenzbegriff legitimiert. Das im Verlauf der 1990er-Jahre dominant gewordene bildungspolitische Leitbild der Kompetenz(-orientierung) stellt somit auch in zweifacher Weise die >Antwort< auf die beiden Heterogenisierungstendenzen (Normen- und Qualifikationsproblem) dar: Sie führt auf der einen Seite zu einer (ökonomischen) Funktionalisierung von Vermitdungswissen und gleichzeitig auf der Diskursebene zu einer (neo-)liberalen Individualisierungsprogrammatik, durch welche die Aneignungsseite von der Vermitdungsseite entkoppelt wird. In die Lücke, die sich aus der Heterogenisierung von Wissen und der Normproblematik ergibt, stößt die funktionale Neudefinition von Allgemeinwissen (Vermittlungsseite), zu welcher der Kompetenzbegriff den notwendigen komplementären Teil bildet (Aneignungsseite). Gemäß PISA-Programmatik sollen etwa die »Basiskompetenzen« erfasst werden, »die in modernen Gesellschaften für eine befriedigende Lebensführung in persönlicher und wirtschafdicher Hinsicht sowie für eine aktive Teilnahme am gesellschafdichen Leben notwendig sind« (pISA 2000: 29). Dieser »funktionalistische Ansatz« (ebd.) macht zweierlei deudich: Zum einen wird »die

1.48

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befriedigende Lebensführung« explizit an die Ökonomie geknüpft - andere Bereiche wie etwa >Kultur< oder andere mögliche Kategorien wie ssoziokulrurelles Existenzminimume werden hier nicht genannt," Zum anderen steckt ein entscheidend aktivierendes und normatives Moment in der Verknüpfung von »Basiskompetenzen« und der »aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben«. Würde vorausgesetzt, dass die Basiskompetenzen nicht nur ein notwendiges, sondern hinreichendes Kriterium für die aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben darstellten, dann hieße dies im Umkehrschluss: Wer nicht aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann, verfügt vermutlich/wahrscheinlich/möglicherweise nicht über ausreichende Basiskompetenzen, Damit wird die Verantwortung für Aktivität/Passivität, Integration/Desintegration dem Individuum zugeschrieben. Die erwähnte Heterogenisierung von Wissensformen augrund der Veränderungen im Arbeitsleben wirken in nachhaltiger Weise auf Qualifikation und Ausbildung zurück, was ein Indiz für eine verstärkte Rücksteuerung des Bildungsbereichs durch die Ökonomie ist. Diese Tendenz zeigte sich schon im modernisierungstheoretischen Bildungsreformdiskurs der 1960er-/1970er-Jahre, bei dem Bildung und Ökonomie durch eine humankapitalistische Orientierung enger aufeinander bezogen wurden (Stichwort Bildungsreserven) und der ökonomische Aspekt des Wertes von Wissen und dessen Vermittlung als zentraler Modernisierungsfaktor herausgestellt wurde. In dem Maße, in dem Arbeit und Ökonomie im Verlauf der 1990er-Jahre zur primären Referenz für die Legitimation bildungspolitischer Entscheidungen wurden, vollzog sich die funktionalistische Verschiebung von Vermittlungswissen. Einen wichtigen Meilenstein stellt in dieser Entwicklung die Einführung des Konzepts der »Schliisselqualifikation« bzw. des Konzepts der beruflichen Kompetenzen dar. Aufgrund der Strukturveränderungen von Arbeit könnten - so lautet Dieter Mertens' bekannte These von 1974 - bereits die Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht mehr durch den klassischen Qualifikationsbegriff abgedeckt werden. Notwendig seien »übergeordnete Bildungsziele und Bildungselemente«, die er im Rahmen der »Schl üsselqualifikationen« als ein Set übergreifender »Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten« begreift (Mertens nach Gapski 2001: 98). Dies ist historisch der Take-off eines Diskurses über Individualisierung, 5

Natürlich könnte man den Verweis "in wirtschaftlicher Hinsichte auch existenziell verstehen, dass jemand

ein ausreichendes Einkommen haben muss, ein Dach über dem Kopf, eine Arbeit usw. Aber es bleibt - wie ich meine, mit Absicht - offen, ob hier nicht eher ein erfolgreiches ökonomisches Agieren gemeint ist, das sich etwa am Berufserfolg bemisst. Auch der Passus »befriedigende Lebensfiihrung« lässt an Schwammigkeit nichts zu wiinschen übrig: befriedigend für wen? Was heißt überhaupt sbefriedigend-P Diese PISA-Definition von Kompetenz changiert strategisch zwischen einer individualisierenden und gesellschaftlichen Lesart, legt aber meiner Ansicht nach an den entscheidenden Stellen Ersteres nahe.

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Funktionalisierung und Flexibilisierung von Lernen und Wissenserwerb nach dem Vorbild einer sich zunehmend verändernden beruflichen Praxis. Die Rückwirkung ökonomischer Entwicklungen auf Bildungskonzepte zeigt sich aktuell im Merkmal der Employability bzw. Berufsfähigkeit, die im Bologna-Prozess vor allem bei der Gestaltung der BA-Studiengänge eine zentrale Rolle spielt. Mit dieser Entwicklung zeichnet sich auch normativ eine bemerkenswerte Verschiebung ab: von einer ursprünglich sozialen und institutionell ausgerichteten Integration qua Allgemeinwissen hin zu einer (postulierten) Se/bstink/usion der Suo/ekle. Dies könnte mit Blick auf Vermittlungspraktiken bedeuten, dass Vermittlung im Kern nur noch als sSelbstvermittlungc denkbar und praktizierbar wäre - analog etwa zur Neutralisierung des Sozialisationsbegriffs durch das Theorem der >Selbstsozialisation< (vgl. Zinnecker 2000). Dies hat nicht nur eine Individualisierung von Verantwortung für den eigenen Bildungs(miss)erfolg zur Folge (vgl. Doherty 2006), sondern unterliegt auch einem naturalistischen Fehlschluss, da von >Selbstorganisation< als einer analytischen Kategorie normativ auf die >Pflicht< zur Selbstorganisation geschlossen wird.

Raum-zeitliche und biographische Entgrenzungen von Lernen Eine weitere Entwicklung stellt die Entgren~ng und Deinstitutiona/isierung oon Lernen (Dislozierung von Lernorten, Entgrenzung von Lernzeiten) dar. Mit der Pluralisierung von (möglichen) Lernorten wird zum einen auf die zunehmende Bedeutung »informellen Lernens« hingewiesen, zum anderen wird Lernen als lebenslanger Prozess begriffen. Diese »Entgrenzung von Arbeit und Leben« (Overwien 2004: 51) ist verbunden mit der Expansion von Lernen in Bereiche wie >Arbeitsplatz<, -soziale Bewegungen<, sneue Medien-, >Freizeit< und würde »durch die Schwierigkeit verstärkt, die sich erweiternde Vielfalt von Lerngegenständen innerhalb der >Wissensgesellschaft< noch curricular zu erfassen« (ebd.). Dazu gehört auch die biographische Entgrenzung von Lernen durch das Konzept des lebenslangen Lernens, das in den 1960er-Jahren von der UNESCO propagiert wurde. Durch die Erstreckung des Lernens auf den gesamten Lebensverlauf werden gleichzeitig mehrere Probleme sbearbeite«, die sich mit den angedeuteten Veränderungen ergeben. Zum einen ergibt sich lebenslanges Lernen buchstäblich als notwendige Folge aus den zeiträumlichen Deinstitutionalisierungstendenzen klasssischer Lernorte wie Schule, stellt aber auch eine Antwort auf die Flexibilisierungserfordernisse am Arbeitsmarkt dar und ist zum anderen eine Möglichkeit, mit dem Problem der Heterogenität und Selektion von Wissen umzugehen, indem das relevante und anzueignende Wissen von Subjekten selbst bestimmt werden soll. Darüber hinaus entlastet es auch vom Zeitproblem, denn alles über die

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>Basiskompetenzen< hinausgehende noch zu erwerbende Wissen kann/muss/sollte dann später flexibel und individuell angeeignet werden.

Die neue Rationalität von Vermittlung und Aneignung Nachdem einige gegenwärtig wichtige Veränderungen von Wissen beleuchtet wurden, soll nun abschließend untersucht werden, in welcher Weise dies Auswirkungen auf das Feld bzw. das Dispositiv der Wissensvermittlung hat. Zwei Fragen möchte ich abschließend in dem Zusammenhang noch nachgehen: Welche Folgen ergeben sich aus den dargestellten Veränderungen der Formen von Wissensvermittlung und -aneignung vor allem mit Blick auf Macht und Subjektivierungspraktiken? Führt dies zu einer veränderten und qualitativ neuen Rationalität der Vermittlung, was auf eine grundlegende Transformation des Vermittlungsdispositivs schließen lassen könnte? Dazu gehört, auch im Sinne der Dispositivanalyse zu fragen, auf welche aktualhistorische Not- oder Problemlage damit reagiert wird.

Veränderte Rationalisierungsstrategien Die dargestellten tiefgreifenden Transformationen von Wissen wirken sich in mehrfacher Weise auf die Vermittlungs- und Aneignungsformen aus. Eine wichtige Verschiebung im Vermittlungsdispositiv seit den 1990er-Jahren ist die Ausweitung ökonomischer Rationalisierung auf die Suijekte, da gesellschaftlich und politisch ein zunehmend outputorientierter Blick auf das eigene Selbst produziert wird. Über Diskurse und Praktiken von verkürzten Lernzeiten, Privatisierung und verdichteter Stofffülle (G 8, BA, Modularisierung, Studiengebühren) wird perfomativ die Haltung eines strukturellen Selbst-Vorbehalts auf Subjektseite kultiviert, der zu einer dauerhaften SelbstBefragung und -kontrolle der Effizienz und Effektivität des eigenen Lernens und der gesamten >Persönlichkeitsentwick1ung< führt. Die damit verbundenen Anrufungen folgen im Wesentlichen einer Rationalität bzw. einem Regime der Selbststeuerung auf Seiten des Subjekts. In gleichem Maße wird die Rationalität der Wissensvermittlungsformen ökonomistisch insofern überschrieben, als die Vermittlungspraktiken einer rigiden zeit- und wissensökonomischen Logik folgen - wenn man die erwähnte Verkürzung der Lernzeit (G 8, BA/MA-System), die Modularisierung der Studieninhalte ~Wissenspake­ te~ oder die Umschreibung von Curricula auf kompetenzorientierte Bildungspläne betrachtet. Die zeitliche und thematische Verdichtung von Inhalten (Diskurse, Vermittlungswissen), die über institutionelle Praktiken reguliert werden (Zentralarbeiten,

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Tests) und die individualisierende Kompetenzorientierung bilden zentrale Aspekte einerneuen Rationalität des Vermittlungs- undAneignungsfeldes, die unabdingbar zusammengehören und aufeinander verweisen. Die >subjektive ökonomische Rationalisierunge ist nicht schlicht eine lineare Fortschreibung der klassischen abendländischen Rationalitätsformen (Cartesianismus, protestantische Ethik, Positivismus, bürokratische Herrschaft, Taylorismus USw.), denn sie fokussiert auf die Optimierung der Suijekte qua ökonomischer Selbsttechnologien (z.B, Selbstunternehmertum). Während den erwähnten Rationalitätsformen in unterschiedlichen Bereichen ein Kanon explizit vermittelbarer Werte, Normen, Regeln oder Handlungsanleitung zugrunde lag, die zugleich und systematisch eine Engführung individueller Freiheit und Autonomie bedeutete, sind wir aktuell mit einem saufgeklärten<, oder genauer: durch die Aufklärung >abgeklärten Rationalismus, konfrontiert, bei dem Freiheit und Autonomie mit einem ökonomischen Funktionalismus verknüpft werden. Dieser wirkt dahingehend sbefreiendc auf den Einzelnen, als durch ihn die Unverbindlichkeit sozialer Werte und Normen hervorgekehrt wird, wodurch augenscheinlich dem Individuum ein Freiheitsangebot gemacht wird, bei dem die scheinbaren >gesellschaftlichen Restriktionen: (Normen, staatliche Vorgaben) den vermeintlichen >wirtschaftlichen Freiheitern gegenüber gestellt werden. So wird der Markt als Ort der Möglichkeiten postuliert, während Staat, Politik und Gesellschaft als restriktive Bereiche definiert werden. Was die Rationalität der Praktiken und Subjektivierungsweisen betrifft, so handelt es sich um eine Mischung aus unterschiedlichen Rationalitätiformen - klassische Formen der Kontrolle, Disziplinierung gekoppelt mit einer Verantwortungsethik und einem Individualisierungsdiskurs, welche auch die Strategien subjektiver Rationalisierung prägen. Wo die Grenzen und Bestimmbarkeit von Autonomie und Heteronomie, von Selbstbehauptung und Unterwerfung verlaufen, ist nicht eindeutig festzulegen und daher auch immer Ausdruck gesellschaftlicher Kämpfe um die Bedeutung von Wissen und Bildung für die Subjekte. In dessen Zentrum steht das Problem der Definitionsmacht um das Verhältnis von Wissen und Subjekt und die Frage, worin der Rationalisierung< meint hierbei den Prozess des allmählichen Einschreibens von Wissensformen, Praktiken und Diskursen in die gesellschaftliche Normalität und Institutionen, die einer Logik der Steigerung und Optimierung gesellschaftlichen Fortschritts folgen (vgl. Abschnitt 2). sRarionalitän bezieht sich auf ein Wissen, Wahrnehmungs- Erkenntnisformen (Vernunft, Urteil) auf Subjektseite oder bestimmte Praktiken oder Handlungen wie >Planung<, >Prognose<, >Kalkulation< usw., die Teil des Rationalisierungsprozesses sind. Insofern Subjekte bestimmte Steigerungs- und Optimierungslogiken in ihr Denken, Handeln, Wahrnehmen, Bewerten usw. integrieren, möchte ich von einer >Selbstrationalisierung< sprechen, die zur angedeuteten gesellschaftlichen Rationalisierung dazugeh ört. 6

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gesellschaftliche Wert von Wissen besteht und wer diesen Wert (ökonomischer Wert, kultureller Wert, subjektiver Wert, Gebrauchs- und Tauschwert USw.) bestimmt.

Lernmonade, outputkontrollierte Vermitdung und Formalisierung Die diagnostizierte ökonomistische Selbstrationalisierung der Subjekte (Aneignungsseite) hat ihre Entsprechung auf der Vermittlungsseite in der Tendenz zur erwähnten Formalisierun!.J Funktionalisierung und Standardisierung von Wissen. Ein Indiz dafür ist die starke Orientierung an Methoden und formalen Kompetenzen, die in entsprechend formalisierten Prüfungs- und Testritualen abgefragt werden," Dabei wird unterstellt, dass eine Erhöhung der methodischen Kompetenz zu einer bereichsunabhängigen Optimierung der Aneignung von Wissen führe. Mit dieser Entst'!f1lichung bifJJ. Entmaterialisierung des Aneignungsprozesses wird einer Entkopplung von Wissen, Vermittlung und Aneignung und dem Subjekt Vorschub geleistet. Dies hat eine Dominanz des Prinzips >Lernen des Lernense und von Methoden im Vermittlungsprozess (z.B. die Klippert-Methode im Unterricht) bei gleichzeitiger Abstraktion von inhaltlichen Strukturen zur Folge. Diese Entmaterialisierung von Lernen erinnert an den historischen Ausgangspunkt des Vermittlungsdispositivs, nämlich den europäischen Rationalismus, durch den das Methodenprimat als Erkenntnisideal begründet wurde. In diesem Sinne stellt das Formalisierungspostulat auch einen Indikator für die zunehmende (Re-)Rationalisierung von Lernprozessen dar. Diese Formalisierung ist zugleich eine Reaktion auf das aufgezeigte Problem der Heterogenisierung des gesellschaftlichen Wissens , denn die vielfältigen Forderungen nach Kreativtechniken, Fähigkeiten zur Selektion von Information, Handlungskompetenz, Selbstmanagement, Reflexionsfähigkeit, Teamfähigkeit, Moderation, Selbstdarstellung (vgl. z.B. de Haan/Poltermann 2002: 330) verweisen darauf, in welch hohem Maße die sKontextfreiheitc bzw. Abstraktion von sozialen Kontexten zum normativen Ziel von sbereichsübergreifenderx Kompetenzen geworden ist. Denn diese normativen Bestimmungen von Kompetenz(en) blenden die Widersprüche, Probleme, sozialen Restriktionen und >DysfunktionalitätenEntgrenzung< deuten zugleich auf einen veränderten Modus der sozialen Regulation von Lernen, doch implizieren sie nicht automatisch, dass Lernen nur noch sindividuelk und Ein Effekt dessen ist die Flut von BA-Einfiihrungen mit entsprechendem Überblickswissen, kanonisierter Lehrstoff oder die signifikante Zunahme von Prüfungen.

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damit vorsozial stattfindet. Mit der einseitigen Betonung des Erwerbs individueller Kompetenzen wird zudem ein pädagogisches Leitbild nach den Bildungsvorstellungen eines mittel- und oberklassenspezifischen Habitus geschaffen, bei dem die freie Selbstentfaltung durch Bildung »Ausdruck eines Privilegs oben stehender, nach Distinktion strebender Milieus« ist (Bremer 2004: 269). Daher ist eine Analyse und Begründung von Lernen stets in Verbindung mit den sozialen ReguIierungsformen vorzunehmen. Die beschriebenen Veränderungen von Vermittlungs- und Aneignungsformen gehen mit einem grundlegend gewandelten Wissensbegriff bzw. Wissensverständnis einher. Vor allem im politischen Bereich zeigt sich im Kontext neuer Steuerung und der Umstellung auf Output-Steuerung ein zunehmend technologisch-rationalistisches Verständnis von Wissen. Hierbei wird >Wissen< mit quantifizierbarer >Information< gleichgesetzt, wodurch es, so hatre jean-Francois Lyotard bereits in den 1970er-Jahren in seinen Analysen zur Informationsgesellschaft festgestellt, zunehmend seinen Gebrauchswert verliere und einer Tauschwertlogik unterworfen werde (Lyotard 1979/1993: 24). Damit verfalle die Bildungsfunktion von Wissen grundlegend, denn die Verbindung von Wissen und Subjekt, die dem klassischen Bildungsdenken zugründe liege, löse sich in der Wissensgesellschaft grundlegend auf. Sie stehe unter der »Hegemonie der Informatik«, wodurch Wissen auf seinen slnformationswer« verkürzt werde (ebd.: 23f.). Gleich einer Art xligitalem Positivismuse werde Erkenntnis dabei auf »Informationsquanten« zusammengezogen (ebd.) und der Logik von »InputOutput-Matrizen« unterworfen (ebd.: 15). Ein aktuelles Beispiel eines technologischrationalistischen Wissen(schaft)sverständnisses sind die Forschungsschwerpunkte des BMBF im Bereich empirische Bildungsforschung. Diese ist programmatisch und primär quantitativ-naturwissenschaftlich ausgerichtet mit den Schwerpunkten Nationales Bildungspanel (Indikatoren, Statistik), Neurowissenschaften und Lehr-LernForschung, psychologische Leistungsdiagnostik und technologiebasiertes Testen. Empirisches Wissen wird hierbei (normativ) als sicheres Steuerungswissen aufgefasst, mit dem klare und eindeutige Wirkungsanalysen für eine evidenzbasierte Forschung und Bildungspolitik erbracht werden sollen.

Resümee Das wesentliche Ziel der Ausführungen bestand darin, >Wissensvermittlung< historisch und systematisch als einen zentralen Parameter gesellschaftlicher Modernisierung herauszuarbeiten. Es wurde zunächst gezeigt, in welcher Weise historisch mit der Entstehung des modernen Staates, des Bildungssystems, der Medien und der neuzeitlichen Wissenschaften die Frage der systematischen Vermittlung von Wissen

15.4

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an die gesamte Bevölkerung für die gesellschaftliche Entwicklung wichtig wurde. Mithilfe des Dispositivbegriffs von Michel Foucault wurde nicht nur die Konstellation aus Akteuren, Feldern, Institutionen, Diskursen und Praktiken des >Vermittlungsdispositivse konkret fassbar, sondern vor allem auch die Frage nach der sneuen Rationalität< von Vermittlung in den Vordergrund gerückt. Diese Perspektive hat auch deutlich gemacht, in welcher Weise das moderne Vermittlungsdispositiv auch eine Reaktion/ Antwort auf das grundlegende Problem einer gesamtgesellschaftlichen Modernisierung im Kontext wirtschaftlicher und politischer Entwicklungen (Kapitalismus, Industrialisierung, Nationalstaaten USw.) darstellt. Was die aktuelle Formierung des Vermittlungsdispositivs betrifft, so lässt sich als eine zentrale Entwicklung die weitgehende Entkopplung von Vermittlung und Aneignung beobachten. Dies hängt in vielfältiger Weise auf der einen Seite mit den Veränderungen (Differenzierung, Spezialisierung) von Wissen und Arbeit, von Beruf, Qualifikationen und Fähigkeiten zusammen. Auf der anderen Seite wird besagte Entkopplung auch durch bildungspolitische Umsteuerung in Richtung einer Outputorientierung dadurch vorangetrieben, dass Kontrollen, Tests, Prüfungen, Standardisierungen mit individualisierenden Praktiken des Wissenserwerbs verknüpft und theoretisch mit dem Kompetenzbegriff legitimiert werden. Es ist im Kern diese Mischung aus Kontrollpraktiken/Kontrolldiskursen und der Individualisierung von Aneignung, die im Kern das (neo-)liberale Vermittlungsdispositiv ausmacht. Es wurde darauf verwiesen, dass diese Tendenz auch auf einer Verantwortungsethik gründet, die dem Einzelnen Lust und Last des richtigen Wissenserwerbs zuschreibt. Damit santworte« das Dispositiv auch auf die Veränderungen von Wissen, wie sie vor allem in Kontext der Wissensgesellschaft immer wieder hervorgehoben werden. Die Heterogenisierung von Wissens(-formen) gehört elementar dazu, sei es, dass damit die Veränderungen von Normen und Werten gemeint sind, die zerbrochene Einheit eines von allen Mitgliedern gleichermaßen akzeptierten kanonischen Wissens, das ehemals die Grundlage für Vermittlungsprozesse bildete, sei es, dass auf die Medialisierung von Wissen und die damit einhergehenden raumzeitlichen, institutionellen Veränderungen von Bildungsprozessen (Entgrenzungen) abgehoben wird. Eine gegenwärtig dominierende Entwicklung stellt hierbei die Ökonomisierung von Wissen bzw. seine ökonomistische Umschreibung dar. Diese kann so verschiedene Formen annehmen wie Studiengebühren (privatisierung, Kapitalisierung von Wissen), verkürzte Lernzeiten in Bildungsinstitutionen (G 8) und eine verlängerte Lernzeit in Form des geforderten lebenslangen Lernens (Zeitökonomie) oder auch die Verdichtung und Modularisierung von Wissen als >Lernstoff<. All diesen Formen ist gemeinsam, dass sie unter dem Primat von Effizienz und Effektivität stehen, auf die

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Vermittlungswissen bzw. die Praktiken der Vermittlung und Aneignung strukturiert werden. Mit der Orientierung der Bildungspolitik an Leistung, Ergebnissen, Effizienz und Effektivität des Bildungssystems - sprich: an Output - hat sich auch eine fundamentale Veränderung auf der Aneignungsseite der Subjekte vollzogen. Analog zu der Entwicklung auf bildungspolitischer Ebene kann man mit Blick auf die Subjekteffekte von einer gesellschaftlich forcierten soutputgcsteuertenc Selbstrationalisierung der Subjekte sprechen. Eine verstärkte funktionale Orientierung des Vermitdungsund Aneignungswissens, das primär am instrumentellen Erfolg des eigenen Handelns ausgerichtet ist, wird mit einer Betonung formaler Fähigkeiten verknüpft, die in unterschiedlichen sozialen Bereichen als zentral postuliert werden. Das Umschreiben von Lehrplänen auf kompetenzorientierte Bildungspläne, die kompetenzgetriebene Modularisierung von Vermittlungswissen im Bereich von Aus- und Weiterbildung sowie universitärer Bildung zielt langfristig auf ein gänzlich verändertes Lernsubjekt. Nicht nur Arbeit und Leben werden im Kontext der Wissensgesellschaft entgrenzt, sondern auch das Lernen. In dieser Perspektive wäre Lernen der zentrale gesellschaftliche Modus geworden, um Fortschritt und Modernisierung zu steuern.

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Pestalozzi, die Moderne und das Internet 1 Wolfgang Legler

Vorbemerkungen und Überblick In meinem Beitrag geht es um den Versuch, einige historische Verbindungslinien aufzuzeigen, die mir für das Verhältnis von Medien und Bildung von Belang zu sein scheinen. Den Ausgangspunkt bildet dabei Pestalozzi, der schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor dem Problem steht, dass sich das verfügbare Wissen seiner Zeit mit den vorhandenen medialen Möglichkeiten nicht mehr anschaulich präsentieren lässt. Er versucht, dieses Problem im Kontext seiner Elementarmethode mit einem abstrahierenden Linearzeichnen zu lösen, durch das schon kleine Kinder zu einem genauen Hinsehen und Beobachten erzogen werden sollten, mit dessen Hilfe sie schrittweise in die Lage versetzt werden sollten, jeden denkbaren Sachverhalt sanschauliehe zu erfassen. Denn die Anschauung galt seit Kant als unverzichtbares Fundament für die Begriffsbildung und alle damit verbundenen weiter gehenden intellektuellen Leistungen. Pestalozzis sformalee Bildungstheorie unterscheidet sich nicht nur fundamental von der bis heute virulenten smaterialenc bildungstheoretischen Vorstellung von einem verbindlichen Kanon von repräsentativen Inhalten unserer >Kultur<, der als sBildunge an die jeweils nachfolgende Generation weitergegeben werden müsse. Sein Ansatz eröffnet - zumindest konzeptionell - auch Spielräume für eine Disponibilität und Offenheit des Denkens, die kulturelle Fixierungen überwinden und Neues generieren können. Dies will ich mit einer zugegebenermaßen gewagten Hypothese in einem zweiten Teil in Anlehnung an Norman Brosterman zeigen, der in seinem Buch »Inventing Kindergarten« Friedrich Fröbels von Pestalozzi inspiriertes Konzept einer ästhetischen Elementarerziehung zu einem entscheidenden Impulsgeber für die radikale Erneuerung der bildenden Kunst in der klassischen Moderne erklärt. Die Reduktion komplexer Phänomene auf wenige elementare Grundformen kennzeichnet zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber nicht nur die Erneuerung der Kunst, sondern auch die Umwälzungen der Wissenschaft, besonders der Physik. Und beides hat erkennbar etwas miteinander zu tun. Später gelingt es, nicht nur die Phänomene der Natur vom Mikrokosmos bis zum Makrokosmos auf elementare Grundbausteine und Bewegungsgesetze zurüekzu1 Vortrag vom 24. April 2007 im Rahmen der Ringvorlesung »Medien und Bildung« am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg.

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_10, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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führen, sondern auch Maschinen zu entwickeln, die nicht nur komplizierte Rechenvorgänge bewältigen und komplexe technische Abläufe in der Produktion steuern, sondern auch unglaubliche Mengen von Bildern und Texten speichern, bearbeitbar und miteinander vernetzbar machen konnten. Die Basis solcher Leistungen der Computertechnik ist eine radikale Elementarisierung der zu bearbeitenden Daten: Weil Elektrizität und Elektronik gleichermaßen nur über das sErkennen. bzw. die Wirkung von lediglich !{!Vei unterscheidbaren Zuständen funktioniert - entweder es fließt Strom oder er fließt nicht - muss jede eingegebene Information in Kombinationen von zwei Zeichen übersetzt werden. Das erfordert besonders bei der Entwicklung entsprechender Programme erhebliche Abstraktionsleistungen und, wo es um die Entwicklung neuer Lösungen geht, eine große Beweglichkeit des Denkens. Das Resultat dieser Entwicklung ist, dass heute das, was sich Comenius 1658 mit seinem »Orbis sensualium pictus« vorgenommen hatte und was Pestalozzi schon vor 200 Jahren für nicht mehr realistisch hielt, nämlich »die sichtbare Welt, d.h . alle grundlegenden Weltdinge und Lebensverrichtungen in Bildern zu zeigen und mit Worten zu benennen«, zumindest technisch kein Problem mehr darstellt. Das ist der Inhalt des dritten Teils, der sich abschließend mit der Frage auseinandersetzt, welche neuen Probleme sich für die Pädagogik aus dieser veränderten Situation ergeben. Die Darstellbarkeit des Wissens als Grundlage seiner anschaulichen Präsentation, die Pestalozzi zur Abkehr von einer smaterialenc und der Entwicklung einer sformalene Bildungstheorie veranlasst hat, scheint kein Problem mehr darzustellen. Aber sich deshalb heute beruhigt auf das Nachdenken über xlnhaltec und material definierte >Bildungsstandards< zu beschränken, scheint mir nun mit Blick auf die Menge verftigbaren Wissens und das heute ganz anders zu bewertende Problem seiner Legitimation ein ziemlich absurdes Unterfangen. Dass Schule und Bildungsadministration bei der Einführung des achtstufigen Gymnasiums offenbar außerstande sind, den >UnterrichtsstoffGanztagesschule< firmieren zu lassen, weil die armen Kinder zwischenzeitlich wenigstens etwas zu essen bekommen, scheint mir ebenso Ausdruck solcher Absurdität wie die künftigen Studierendengenerationen drohenden BA/MAStudiengänge, die bei einer Verkürzung der Studienzeit, über die man denken kann, wie man will, in erster Linie die Unfähigkeit der Universität belegen, von der Gleichung wie1Stoff, viele Leistungspunkte, viele Pflichtveranstaltungen = ein besseres Studiume abzurücken und darüber nachzudenken, welche qualitativen Veriinderungen unter den Bedingungen einer veränderten Struktur und auch von E-Learning und Web 2.0 sinnvoll und möglich wären. Das Resultat dieser Unfähigkeit, von der der Fachbe-

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reich Erziehungswissenschaft übrigens keine Ausnahme bildet - auch hier wird um jeden Leistungspunkt erbittert gekämpft, sind mit Pflichtmodulen vollgestopfte Studiengänge mit einem Marathon von Teilprüfungen, in denen es z.B. für individuelle Schwerpunktbildungen kaum Spielräume gibt. Ich habe den - denkbaren - Zusammenhang meiner drei im Vortragstitel genannten thematischen Schwerpunkte - Pestalozzi, die Moderne und das Internet - schon in diesem einleitenden Überblick ein wenig inhaltlich illustriert, damit es Ihnen leichter fällt, in den nachfolgenden drei Kapiteln den Überblick zu behalten. Dass diese Kapitel unterschiedlich lang sind, hängt einfach damit zusammen, dass ich mich in der Geschichte der Pädagogik und in kunstpädagogischen und kunstgeschichtlichen Entwicklungen und Diskursen erheblich besser auskenne als z.B. in Computerangelegenheiten und mit dem Internet.

Pestalozzi, Fröbel und das Problem der Abstraktion Dass das Erlernen des Zeichnens nicht nur der Ausbildung einer wenn nicht notwendigen, so doch wenigstens nützlichen Fertigkeit für künftige Künstler, kunstbeflissene Dilettanten und viele Handwerksberufe dient, sondern der Entwicklung des Kindes und seiner Möglichkeiten in einem noch sehr viel allgemeineren Sinne dienen kann, hatte vor Pestalozzi schonJeanJacques Rousseau (1712-1778) erkannt. »Mir wäre es lieb«, schreibt er in seinem 1762 erschienen Erziehungsroman »Emile oder über die Erziehung« über das Zeichnen, »wenn mein Kind diese Kunst kultivierte, nicht so sehr um der Kunst selbst willen, sondern um einen scharfen Blick und eine geschickte Hand zu bekommen.« (1976: 311) Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), der ein großer Verehrer Rousseaus ist, greift diese Argumentation auf und fokussiert dabei besonders auf ein über das Zeichnen vermitteltes Training für ein genaues Hinsehen und Beobachten, das er zum Ausgangspunkt seiner »Elementarmethode« erklärt. Den Hintergrund dafür bildet, beginnend mit Alexander Gottlieb Baumgartens 1750 erschienener »Aesthetica«, eine Neubewertung der besonderen Leistungen der Sinnlichkeit im Blick auf die Möglichkeiten des Verstandes durch die Philosophie. Zentrale Bedeutung gewinnt dabei Kants 1781 erschienene »Kritik der reinen Vernunft«, in der die »transzendentale .Ästhetik« als eine »Wissenschaft von allen Prinzipien der Sinnlichkeit apriori« der »transzendentalen Logik«, in der es um die Leistungen des Verstandes geht, vorangestellt ist (1956: 64). Kant kommt zu dem Schluss, dass unsere Erkenntnis »aus zwei Grundquellen des Gemüts« entspringe, weil wir nichts

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mit dem Verstande erkennen können, was nicht zuvor Gegenstand unserer sinnlichen Anschauung war. Was uns heute fast trivial erscheint, hat nach den Worten des französischen Philosophen Luc Ferry »eine wirkliche Revolution und einen in der Geschichte nie gehabten Perspektivenwechsel« des Denkens eingeleitet (Ferry 1992: 95). Denn indem Kant die menschliche Erkenntnistätigkeit an die Leistungen der Sinne bindet, wird sie aus ihrer letztendlichen Orientierung auf ein göttliches Absolutes gelöst und als prinzipiell diesseitig bzw. endlich begriffen. >Gott< wird zwar als eine xldeec der Vernunft durchaus akzeptiert, aber an dem, was als objektive Wahrheit auf theoretischem Wege beweisbar ist, hat er keinen Anteil mehr. Wolfgang Welsch sieht in Kants Rückbindung der menschlichen Erkenntnis an die Leistungen der Sinnlichkeit den Beginn einer »epistemologischen Asthetisierung«, die bis heute andauert (Welsch 1993: 233). Für die Pädagogik des ausgehenden 18. Jahrhunderts ergab sich aus Kants Perspektivenwechsel des Denkens die Herausforderung, das Verhältnis von Sinnlichkeit und Vernunft neu zu denken. Obwohl wir nicht wissen, ob Pestalozzi jemals Kant gelesen hat, verweist seine Äußerung, »daß die Anschauung das absolute Fundament der Erkenntnis sei« und dass deshalb »[ede Erkenntnis von der Anschauung ausgehen und auf sie müsse zurück geführet werden«, darauf, dass er sich mit genau dieser Herausforderung auseinandersetzt (Sämtliche Werke, Bd. 13: 309).2 Das Ziel einer neu zu entwickelnden Methode der Elementarbildung müsse es deshalb sein, »die mechanische Form allen Unterrichts den ewigen Gesetzen zu unterwerfen, nach welchen der menschliche Geist sich von sinnlichen Anschauungen zu deutlichen Begriffen erhebt« (ebd.: 242). Nun hatten aber ja auch schon Comenius in seinem »Orbis sensualium pictus« (1658) und Johann Bernhard Basedow; der in Hamburg das Johanneum besucht hatte und später auch eine Zeit lang am Christianeum in Altona tätig war, in seinem 1774 gedruckten »Elementarwerk« mit einem für damalige Verhältnisse enormen lliustrationsaufwand Begriffe durch Bilder sanschaulieh gemacht< (vgl. Abb. 1 und 2). Aber das konnte nach Pestalozzis Überzeugung nicht der richtige Weg sein. In seiner »Lenzburger Rede« (1809) kritisiert Pestalozzi die bloße Orientierung »auf die Menge der Dinge« bei Cornenius, sein Bestreben, »dem Kinde alle Gegenstände 2 Bei weiteren Zitaten wird jeweils nur die Bandzahl mit dem Hinweis auf die entsprechende(n) Seite(n) genannt.

Pestalozzi, die Modeme und das Internet

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des Dascyns empirisch vor(zu]führen« als einen didaktischen Matmalismus, dessen Grenzen darin deutlich wüttlen, dass man - da lKicr Kreis der Gegenstände um. den Menschen her [...] besclttänkt« sei - auf eine »gemalte Welt« ZUfÜckg:teifen musse, um das »Prinzip der sinnlichen .Anschau~ durchzuhalten (22: 175). 1:<100;"..

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Im ltElementatwe.t:k« Basedows sieht Pesta1.ozzi nur die Fortset2uOg dessen, »WaS Comemus angefangen hatte«, und stellt sarkastisch fest:, dass Basedow »2U seinen Hundert Kupfcrmfeln ebensowohl hundert Bände hätte liefern können« (ebdV - In der Tat musste die Realisierung des Anspruches, den Comcnius mit seinem »Orbis scnsualium. pict:us« verfolgt hatte, »die sichtbare Welt«, du heißt »alle grundlegenden Wcltdinge und Lebcmvcrrichtungen« abzubilden und zu benennen schon am Ende des 18. Jahrhunderts »2U einem uferlosen Enzyklopädismus« führen (Lehmensid: 1926: 34). Pestalozzi. :reagiert also auch auf die modeme Erwciterung des Wissens, wenn er in seinem Konzept der Elementarbildung versucht. die .Anschauung zu )psychologiskre.n<, d.h. von der matürlichen< Anschauung ausgehend eine Anschauungskunst zu entwickeln. um. auch jene WlSSen8- und Er&hrungsbestindc, die außerhalb des eige.o.en Gesichtskreises licgc.o., »Wenigstens in gewissem Umfil.llg als Eigenerfahrung zugänglich zu machen« (Liedtkc 1977: 256). Wih:rcnd uns die tlatiirlic:hc Anschauung die Welt »als ein ineinandcr:fließcndes Meer verwirrter Anschauungen vor Augen« führt (13: 254), ist es die »Sache des Unterrichts und der Knnsbl: - wobei )Kunst< hier nichts anderes als )Methode< bedeutet-, , »Kiihn und groß in .eioe:o. Be.~bU!lp', aber die geistige SelIntindigkeit ~ Menschemw.m ve:rkeD-

nmd. bloß im Matericllcn und in ajnnHchc:o. Bcg:ciffcn lebend, materiaHajne Cl: die BrzjclmogvoIlkommm, uDd untetwarl du Kind UDbc:diDgt ~ objcktivt::o. .jnnljchm. Welt.« (Bbd.)

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»dass sie das, was die Natur zerstreut, in großer Entfernung und in verwirrten Verhältnissen uns vorlegt, in einen engeren Kreis und in regelmäßigen Reihenfolgen zusammenstellt und unseren fünf Sinnen nach Verhältnissen näher bringt, welche unser Erinnerungsvermögen erleichtern und unsere Sinne selbst dahin erheben, uns die Gegenstände der Welt täglich zahlreicher, dauerhafter und richtiger vorzustellen« (ebd.: 245). Das gelingt nicht primär durch eine Veranschaulichung der Gegenstände selbst, denn dabei ist die Gefahr zu groß, »in eine gedankenlose Vermischung der Außenseite der Gegenstände mit ihrem Wesen [...] zu fallen« (ebd.: 250). Vielmehr muss es nach Pestalozzi gelingen, die Anschauung selbst so zu trainieren, dass sie »die ganze Summe aller äußern Eigenschaften eines Gegenstandes im Kreise seines Umrisses« (ebd.: 256), d.h. seiner Form, seiner Maße und Proportionen, richtig zu erfassen vermag. Zeichnenlernen bedeutet für Pestalozzi also »linearische Bestimmung der Form« (ebd.: 285), das heißt: richtig sehen lernen. Denn das ist die erste Voraussetzung dafür, den Weg der Erkenntnis »von dunkeln Anschauungen zu bestimmten, von bestimmten Anschauungen zu klaren Vorstellungen und von klaren Vorstellungen zu deutlichen Begriffen« zu ebnen (ebd.: 258). In der kunstpädagogischen Pestalozzi-Rezeption spielen die skizzierten serkenntnistheoretischem Grundlagen der Elementarmethode kaum eine Rolle. Sie beschränkt sich auf das, was Pestalozzi deren »Ausführungsmittel« nennt, und kommt zu ziemlich vernichtenden Urteilen: Wolfgang Kemp spricht im Zusammenhang mit dem Zeichnen von geraden Linien und abstrakten geometrischen Formen 1976 von »Realitätsverlust« (23) und »Mechanisierung« (ebd.: 26) und rückt das Elementarzeichnen in die Nähe eines disziplinierenden »Massenunterrichts« (ebd.: 24). Später subsumiert er unter »methodische Ansätze der Pestalozzi-Schule« ausdrücklich auch noch »das Stigmen- oder Netzzeichnen, das Takt- und Diktatzeichnen« und charakterisiert alle diese Ansätze mit »dem Stichwort disziplinierendes Zeichen<.< (Kemp 1979: 303f.). Noch 1998 konstatiert auch Gunter Otto, bei Pestalozzi trete »neben dem formalen Charakter des Unterrichts das disziplinierende Moment in aller Deutlichkeit hervor« (Otto 1998: 16). Unglücklicherweise scheinen Kemp und Otto Recht zu haben, denn wo Pestalozzis methodische Vorschläge zum Zeichnen konkret werden, wirken sie in der Tat ungeheuer schematisch und reduziert. Da das Zeichnen als »linearische Bestimmung der Form« (s.o.) darauf beruht, dass »deren Umfang und Inhalt durch die vollendete Ausmessungskraft richtig und genau

Putalozzi,. die Modeme und das Internet

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bestimmt wurden« (13: 283), stellt Pestaloz:zi das Zeichnen zunächst ganz in den Dienst der »Messkunst« (vgl. Abb. 3).

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(_:A1J 1971, BJ.2: 166).

Und damit Schülertätigkeit, Anschauung und Begriffsbildung eicht auseiaanderfallen, wird das Vonnachen des Lehrers und das Nachmachen der Schüler durch ein Vor- und Nachsprechen ergänzt: »Der Lehrer zieht seine Linie und spricht den Kindern vor: Ich ziehe eine wagrechte Linie. Die Kinder thun das gleiche und sprechen alle zugleich: Ich ziehe eine wagrechte Linie. Der Lehrer. Habt ihr es gethan? Die Kinder antworten: Ja! Lehrer. Was habt ihr gethan? Kinde:t. Ich habe eine wagrechte Linie gezogen. Der Lehrer fährt fort .... (15, 223)

16.4

Wolfgang Legillf

Abbildung 4 zeigt, wie auf diese Weise längere und kützere Linien gezeichnet, um ihre eigene Linge verdoppelt und vervielfacht, durch Punkte zwei-, vier-, achtmal, später auch drei-, fiinf- und siebenmal unterteilt werden; durch Einführung senkrechter Linien werden Winkel gebildet, schließlich das Quadrat und das Rechteck. In der Mitte du Tabelk: sind allein 27 übungsschritte zur Teilung des Quadrats erla:nnbar. Die l.et:ztcn Reihen verweisen auf das Zeichne:n von Diagona11inicn, deren Lage jeweils durch das Verhältnis von Breite und Höhe du Quadrate bestimmt wetdcn soll. Jeder übungsteil ist wohlgemerkt bis »ZU:[ Vollkommenheit« zu fiibtcn, wobei der Gebrauch von Lineal und Zirkel dem Sinn der Übungen entsprechend »durchaus nicht zu erlauben« ist (ebd.: 184). Ganz wohl war es Pestalozzi bei diesen beschränkten Anfängen des Zeichnens im Dienste der »Messkunst« offenbar selbst nicht. Jedenfalls schreibt er in »Wie Gertrud ihre Kinder lehrte, die Kinder sollten durch ständige Übung »stufenweise auf den Punkt« geführt werden, »dass das weitere Im-Aug'-Haben der Ausmessungslini.en ihnen alJmgbJich ganz überflüssig wird und von den Führungsmitteln der Kunst ihnen nichts übrigbleibt als die Kunst eelbsts (13: 289). Aber dahin ist es eben ein weiter Weg, obwohl Pestalozzi den Kindem schon »in den Zusammensetzungen des Vierecks und des Rnnden [...] die größte Preiheire lassen und sie »aelber reitze(n)« möchte, »ihre Einbildungskraft zur Erfindung solcher Zusammensetzungen anzusttcngcn« (15: 185, vgI. Abb. 5, die aus einem ZeichenIehrbuch von Pestalossis Schüler Joseph Schmid stammt). Pestaloeais Hauptproblem bei der Entwicklung einer elementaren Zeichcnmethode ist die - bis zur Entdeclmng der sogenannten >freien< Kinderzeichnung am Ende des 19. Jahrhunderts vollkommen unstrittige - Übeeeugucg dass sich die >K:rii.ftel des Kindes nur in Korrespondenz zu solchen Aufgaben entwickeln können. die es bis !(fIf' VoIJk.om.. menheit erfüllen kann. Deshalb kam für die ersten Zeichenübungen. die ja von sehr kleinen Kindern bewältigt werden sollten, das zu jener Zeit im Zeichenunterricht der höheAbb.J:~r(JI ren Schulen dominierende Kopieren von Vorlagenblättern IhrA+/HAlbr-J"JtiM nicht.in. Frage. Z-mlJagillUlIiIItt ,. Andcrcneits hatte sich schon im 18. Jahrhundert .in. der dU;" dirMiJIr." brriIWIII Nachfolge der »Anleitung zur Zeichnungskllnst« des Wa1~ IlllliQliJJ..JStJ"-.Jr!J«ll i.JI.~{JdttMiJ 1809..29) Ionen Gerard de Laieesse eine Methode des Zeichcnunter-

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richts entwickelt, die letztendlich zwar auch auf das Kopieren hinausläuft, aber einen »kurzen und sicheren Weg« aufzuzeigen verspricht, »durch geometrische Regeln diese Kunst zu erlernen« (aus dem Untertitel einer Ausgabe von 1804; Herv. WL.). So müssen die Schüler bei Lairesse nach ausführlichen Vorübungen im Zeichnen geometrischer Grundformen z.B. auch vor dem Zeichnen eines Apfels, eines Fensters oder eines Kelches zunächst einmal die darin enthaltenen Formen der Kugel, des Quadrats oder Kegels erkennen und benennen. Solche Momente einer geometrisierenden Abstraktion nutzt Pestalozzi dann als Mittel einer noch radikaleren Elementarisierung. Diese Erklärungen machen Pestalozzis Anfänge des Zeichenunterrichts aus heutiger Sicht sicherlich nicht besser, aber sie zeigen, dass ihr Problem eben nicht eine pädagogische Intentionalität ist, die mit Begriffen wie sRealitätsverlusu oder >Disziplinierung< gekennzeichnet werden kann, sondern die Diskrepanz zwischen einer ehrgeizigen aufklärerischen Zielsetzung - für aUe Kinder über die begrenzte Unmittelbarkeit ihrer Lebensumstände hinaus Wege zu klaren Vorstellungen und deutlichen Begriffen zu ebnen - und dem, was pädagogisch, besonders zeichendidaktisch zu Beginn des 19. Jahrhunderts denkbar war. Und da gab es keinen Weg,von dem Gebot abzurücken, dass eine Zeichnung, die in der Schule angefertigt wird, in erster Linie srichtig, zu sein habe. In jedem Fall ist es nun wirklich Unsinn, wie Wolfgang Kemp 1976 zu behaupten, Pestalozzis Methode erweise sich als »klassenbedingt und bedingend«, weil ihr hoher Abstraktionsgrad Prädispositionen voraussetze, »die allein das bürgerlich sozialisierte Kind auf die Dauer erbringen kann« (Kemp 1976: 24). Denn eine solche Einschätzung geht nicht nur vollkommen an Pestalozzis konzeptionellem und praktischem Engagement für eine Aufhebung der >Klassenunterschiede< in der Bildung vorbei. Sie verkennt auch die historischen Kontexte, in denen sich dieses Engagement behaupten muss. Tatsächlich wird die von Pestalozzi intendierte sformalee Bildung der kindlichen »Geisteskräfte« und die damit verbundene Förderung der »geistige(n) Selbständigkeit der Menschennatur«, wie es bei Pestalozzi heißt (22: 175), spätestens nach dem Wiener Kongress 1815, als sich die politische Großwetterlage ändert und sich die konservativen Kräfte neu formieren, massiv bekämpft. Besonders die Volksschule soll sich nun wieder darauf beschränken, Kenntnisse und Fertigkeiten für das Nächste des praktischen Lebens, fraglose kirchliche Gläubigkeit, Anhänglichkeit und Liebe :(JIm Herrscherhaus zu vermitteln. Das führt so weit, dass in den sogenannten >Stiehlschen Regulativen. von 1854 der im Zuge der Einführung der Pestalozzischen Methode in den preußischen Volksschulen unter Wilhelm von Humboldt etablierte Zeichenunterricht wieder aus dem Lehrplan gestrichen wird.

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So wie Pestalozzis Elementarzeichnen finden auch Friedrich Fröbels (1782-1852) Vorschläge zu einer ästhetisch geprägten Elementarerziehung in der neueren Kunstpädagogik keine positive Resonanz. Helmut Hartwig, den ich übrigens ebenso wie Wolfgang Kemp ansonsten durchaus hochschätze, attestiert Fröbel 1976 zwar, er könne »als Vertreter des fortschrittlichen Bürgertums« gelten, um ihn dann jedoch gleich »seiner rechten Fraktion« zuzuordnen (Hartwig 1976: 77). Fröbels »Konservatismus« (ebd.: 72) macht Hartwig an seiner »Abstraktionsdidaktik« fest, die dem Kind »das Wesen der Wirklichkeit [...] nicht in den historisch-gesellschaftlichen Bestimmungen, die die Natur im Laufe der Menschheitsgeschichte in den Gegenständen angenommen hat«, zeige, sondern die Gegenstände als Erscheinungsweisen von Elementarformen (wie Kugel, Würfel, Walze etc.) begreife (ebd.: 76). »Mit seiner Zerlegung der Welt in Grundformen«, heißt es weiter, löst Fröbel »in einer traditionellen und zugleich auf der Ebene allgemeiner Didaktik zukunftsweisenden Art das erzbürgerliche Problem: allgemeine Bedingungen für die Beherrschung und die organisierte Produktion von Wirklichkeit anzugeben - und er erweitert die Perspektive auf das Subjekt. D.h., er zeigt einen Weg, wie auch das Subjekt, seine Wahrnehmung, beherrschbar ist, und in den Dienst genommen werden kann. [...] Die Grenzen handwerklicher Produktion und Arbeitsteilung werden überschreitbar, die Produktion von Gegenständen wird zum Problem einer richtigen Zusammensetzung von (in Massenproduktion herstellbaren) Teilen. So weist seine Didaktik auf die industrielle, maschinenmäßige Herstellung von Gegenständen.« (Ebd.: 77f.) Dass es Fröbel wie Pestalozzi, in dessen Modellschule in Yverdon er 1808 bis 1810 mitarbeitet hatte und den er einmal als seinen »geistigen Vater« bezeichnete (vgl.Stadler 1993, Bd. 2: 477), um eine stärkere Verallgemeinerung der pädagogischen Inhalte über die Unmittelbarkeit der jeweiligen Lebensumstände hinaus ging, ist sicherlich richtig. Aber nicht weil er die Absicht verfolgt, die Subjekte sbeherrschban zu machen, sondern um sie besser darauf vorzubereiten, durch die aufkommende Massenproduktion immer wieder aus ihren bisherigen Lebens- und Arbeitverhältnissen gerissen zu werden und sich auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt neu orientieren zu müssen. Besonders Pestalozzis Pädagogik hat in diesem Sinne auch ganz explizit auf die Verelendung weiter Teile besonders der Landbevölkerung reagiert und ist dabei den Herrschenden mit dem Bemühen um geistige Beweglichkeit und Selbständigkeit, wie wir gesehen haben, viel zu weit gegangen. Bei Fröbel, der sich in diesem Bemühen ganz mit Pestalozzi einig ist, ist das nicht anders: In der Zeit der politischen Restauration gerät seine »Allgemeine Deutsche Erziehungsanstalt« in Keilhau bei Rudolstadt in den Ruf eines »Demagogennestes« und einer »Brutstätte revolutionären Geistes« und nach den Unruhen von 1848 wird schon 1851, also noch drei Jahre vor

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den Stiehlsehen Regulativen, die »Schließung von Kindergärten nach Fröbelschen Grundsätzen« in Preußen verfügt. Soviel zu Fröbels sKonservativismusc

Abstraktion und Moderne Sehen wir uns zunächst noch ein wenig genauer an, was Fröbels »Abstraktionsdidaktik« (Hartwig) ausmacht. Auf einen knappen Nenner gebracht, handelt es sich um Ideen zu einer möglichst vielseitigen Förderung der Entwicklung des Kindes durch Spiel und Bewegung. Dafür werden sogenannte »Spielgaben« vorgeschlagen, die z.B, unterstützt durch Reime oder Lieder vielfältige Erfahrungen und Entdeckungen ermöglichen - ohne die Anschauung und das Vorstellungsvermögen dabei allzu eng auf bestimmte Inhalte zu fixieren. Letzteres geschieht im eigenen alltäglichen Spiel der Kinder ja ohnehin und bedarf keiner besonderen Impulse. Die erste Spielgabe ist ein Ball, der an einem Schnürchen geführt werden kann. Er ist rund, wie viele andere Gegenstände aus dem Erfahrungsbereich des Kleinkindes, er hat Volumen, Farbe, besteht aus je besonderem Material, er hat einen Schwerpunkt, kann ruhen und sich bewegen, dabei rollen, springen, hüpfen etc. Die in Abb. 6 gezeigten elementaren Operationen werden durch kurze Liedehen begleitet oder auch angeregt, nach dem Muster: »Liebes Bällchen rolle her, ich erwarte Dich gar sehr,« Oder: »Das Bällchen leicht beweget sich, hin, her, hin, her. Auch ich ganz leicht bewege mich, hin, her, hin, her. Mein rechter Arm beweget sich, hin, her, hin, her. Mein linker Arm beweget sich, hin, her, hin, her« etc. (vgl. Fröbel1986, Bd. 3: 67). Schon 1844 erschienen, zweistimmig gesetzt, 100 solcher Lieder allein zum Spielen mit dem Ball. Die zweite Spielgabe umfasst Kugel und Würfel, manchmal auch den Zylinder. Es folgen in den Spielgaben 3 bis 6 unterschiedliche Formen von Bauklötzchen, verschiedenfarbige Legetäfelchen als 7. Spielgabe (Abb. 7) und als Nummer 8, 9, 15, 16 und 17 alle möglichen Varianten von Stäbchen zum Legen oder Flechten von Figuren. Das Zeichnen einfacher Formen und Muster im Quadratnetz ist erst der Inhalt der 10. Spielgabe (vgl. Abb. 8). Die Spielgaben 11 und 12 enthalten Anregungen zum Entwickeln von Formen und Mustern durch Perforieren und Nähen. Das Ausschneiden, Flechten und Falten von Bunt- oder schwarzem Scherenschnittpapier wird in der 13., 14. und 18. Spie1gabe geübt. Zahnstocher und halbgetrocknete Erbsen werden in der 19. Spielgabe für die Lösung konstruktiver Aufgaben genutzt und schließlich wird in der 20. und letzten Spielgabe auch noch mit Ton modelliert. Die Spielgaben werden zwar in einem zeitlichen Nacheinander eingeführt, aber lösen sich nicht ab. Die früheren Spiel- und Gestaltungsmöglichkeiten bleiben vielmehr als Angebot vorhanden.

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Vergessen wir nicht: Wtr befinden uns auf der Ebene der >VorschulerziehUDg( und da wiinsch~ ich mir - trot:z aller Vorbeh.al~ gegenüber dem fast thtrcbgIingig ifcrmalen< Ch........ der _ Übungen- ein =gIeichba<e. ,,"-p_tial zum Probieren und Erfinden in manchem gegcnwiirtigen deutschen Kindergarten, der über das Ausschneiden vorgegebener Schablonen noch nicht hinausgekommen ist. Denken wir die fröbelschen Spielgaben mit der pestalozzischen Elementa.rmethode zusammen, so könnte man die »ästhetische Elementarerziehung« Fröbel.s als deren nachträglich entwickelres Fundament ansehen, weil die Spielvorschläge an die Besonderheiten der senswnotorischen .AltA 7:ArfIfit m.u MiiMImu_ tiIJr 7. S~ USA., und peäopeestionalen Periode der '895

1.

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kindlichen Entwicklung angepasst sind. Dabei bildet das anschauliche Denken der peäopeeseionslen Phase du Ve:r-

bindungsglied zur Elementarmethede

AbA 8: DU mim btidmSrilrtlliMs H.eflu "h.N~ftirKmtlmr_.B..AtI.nrM,

und ihrem Bemühen um genaues Hinsehen und Beobachten, du Pestalozzi als unabdingbare Voraussetzung für alle weitergehenden Formen im Sinne der piagetschen konkreten und formalen Denk.operati.onen ansieht.

Wenn ich den etwas ~sigen Versuch unternehmen sollte, die Pädagogik: Pescalozais und Pröbele im Sinne der >Mediologie< zu inteepeetieeen, mit der uns Tbrsten Meyer im ersten Vortrag dieser Ringvorlesung bekannt gemacht hat, so wüttle ich behaupten, dass beide das Ziel verfolgen, die Kottelationen zwischen intellektuellem, materiellen und sozialem Leben in ihrer Zeit neu zu jwtieren. Beide sind >Mode:misi.erer<, die gedanklich und praktisch versuchen, die Bildung aJkrMensehen anschlwsfihig an die epistemologischen Potentiale der Graphosphäre - und du heißt hier besonders an die .AßJJ=Jiinmg - zu machen: .Alle Menschen sollen der Tendenz nach in die Lage versetzt werden, sich ihres eigenen Verstandes ohne die .Ank:itung (besser: die normierenden Vorgaben) Anderer zu bedienen. Pestalozzi und Pröbel haben erlwmt, dsee es, um sich des in der Graphosphäre verfügbaren Wasens bedienen zu köccec, bestimmter intellektueller Dispositionen bedarf, die besonders damit zusammenhängen, dass du Verstehen von und du Operieren mit Sprache an das Votha:ndcnsein von durch Anschtuumg begriindetcn VOnRIIJmgen gebunden ist. Nur so kann »das Redenlernen auch zu einem Mittel der Ve:tnunftbild~ werden (14: 64). Beide wissen, dass sich ein geeiehes Oben der Anschauung nicht nur auf den begrenzten Horizont der jcwdligen Lebensumstinde beschränken datt, sondern dass es, wie im Gebrauch der fröbclschen Spic1g2ben, von Anfang an mit vidfiilt:igen E:rfahmngen. gedanklichen He:ra.wfottlerungen und Sprachhandlungen vttbunden werden mws, um die Beweglichkeit des Denkens zu fördern und es aw seinen Fixierungen auf du bereits Vorltandene zu lösen, damit Neues entstehen kann. Der amerikanische Architekt und Autor Norman Brosterman teilt diese positive Sicht nicht nur, sondern beschreibt in seinem erstmals 1997 erschienenen Buch »Irrventing Kindergarten« auch, wie zahlreiche Künstler der klassischen Moderne, darunter Faul 11". . _ 18JO, IIIfIIdJ.JM N.iJH J.r ~ ZlidMdblmgm tJm S~ tJm BiIMmItrIf!id- bti ~ WrJr

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Klee, ]oha.cnes Irren, Josef Alben, Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, um nur die prominentesten zu nennen. z.T. schon als Kinder in fröbe1schea Kindergärten oder wie Ittcn und Alben in ihrer Ausbildung zum Grundschu1lchter, die gestalterischen Möglichkeiten einer geocceeisiereedec Abstralrtion kennen gelernt haben. Dass solche Erfahrungen und Eindrücke ihre spätere künstlerische Arbeit vicllcicht tatsicblich nicht unwesentlich beeinflusst haben könnten, scheint mir im Blick auf die Beispiele, die Brosterman zusammenstellt, garkeine 80 abstruse Idee zu sein, wie man anfinglich denken könnte (vgI. Abb. 9 und 10). Für Neuerer der Attbitcktur wie Lc Cotbusier und Frank lloyd Wrigbt gilt übrigens Vetglcichbarcs. Denkt man an die zentrale Rolle des Qtwirats in Pcstalozzis Elementarmethode, könnte man den Gedanken Brostermans sogat' noch weiter spinnen und auch noch weiter veraIIgemeinern. Wenn Kasimir Malcwitsch1915 mit seinem »Schwarun Quadrat« (vgL Abb. 12) »die Kunst vom Gewicht der Dinge befreien« möchte, weil er - wie z.B. auch Mondrian - glaubt,»die Erkenntnis des Universalen« offenbare sich »nur jenseits der wechselnden Erscheinungen in einerobjektiven Sicht der Reinheits (Bachmayer 1992: 34), so ist dieser Anspruch einer radikalenVerallgemeinerung, der ja zugleich den Nullpunkt eines Neuanfangs, eine nicht mehr hintergehbare Offenheit für neue Formen, markiert, einigen Überlegungen, die der Elementannethode

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zugrunde liegen, gar nicht so fremd. Die Pädagogik setzt hier nicht mehr auf eine Auswahl von Unterrichtsgegenständen, sondern, wie Pestalozzis Schiiler und Interpeet johsnnes Niederer fonnuliert, auf »Vollstindigkeit der Anschauunge (vgl Oste:rwa1de:r 1996: 107). Und diese Vollstiindigkeit, die nur auf dem Wege einer gtößt-

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möglichen Vereinfachung und Verallgemeinerung erreicht werde.n kann. schafft eb en dadurch Spielri.ume für Subjektivität, fiir geistige Tätigkeit. Das Quadrat interessiert also nicht primär als geometrische Form, sondern, so Niederer, als ein »subjektives Bildungsmittd«. Von der Idee des Quadrats ausgehend wird die »stufenweise fortschreitende Modifikation der Form ins Unendliche möglich« (Niederer 1804, zit. nach Osterwalder 1996: 108). Diese Einschätzung ließe sich auch Malcwitsch zuschreiben. Ich verschone Sie mit weiteren W2ghalsigen Spekulationen und komme von der behaupteten >Modcmität< Pestalozzis und Fröbels - wie immer mit einigen kleinen Um-

wegen- zum. Internet,

Moderne, Abttraktion, Internet Ich hatte einleitend ja schon daran erinnert, dass die Reduktion der anschaulk:hen Welt auf wenige elementare Grundformen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur die Emeuenmg der Kunst kennzeichnet, sondern auch die Umwälzungen der Witsenstht(t. besonders der Physik bestimmt. Beides hat erkennbar miteinander zu tun. Kandinskys bekannte Äußerung aus dem Jahr 1914, das »Zerfallen des Atoms war in meiner Seele dem Zerfall der ganzen Welt gleich«, illustriert diesen Zusammenhang

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173

(vgl. zusammenfassend Gassner/Kersten 1991) und sein Buch »Das Geistige in der Kunst« (vgl. Kandinsky 1912) ist eine Antwort auf diesen »Zerfall« der materiellen Welt, die deshalb nun auch nicht mehr einfach >abgebildet< werden kann. Die euklidischen Dimensionen Punkt, Linie und Fläche (vgl. Kandinsky 1926) werden vielmehr aus ihrer geometrischen Fixierung im Kontext zentralperspektivischer Darstellung gelöst und als sautonome, künstlerische Ausdrucksmittel von jeder instrumentalisierenden Indienstnahme befreit. In ein freies Spiel gebracht, können sie neue Ordnungen in einer unendlichen Vielfalt erzeugen. Wie in der Physik, die noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als Optik, Akustik, Mechanik oder Wärmelehre »ganz anthropozentrisch auf die Sinnesorgane des Menschen zugeschnitten war« (Vollmer 1993: 38f.), und jetzt in Bereiche des Mikro- und Makrokosmos vordringt, in denen unsere xiatürlicherx Anschauungen versagen, wird auch in der bildenden Kunst das Verhältnis von Anschauung und Wirklichkeit neu bestimmt. Die Kunst bleibt nicht in den Grenzen des Sichtbaren gefangen. Sie kann, wie der Phänomenologe Michel Henry in einem Aufsatz mit dem Titel »Die abstrakte Malerei und der Kosmos« im Blick auf Kandinsky formuliert, »zu einer Malerei des Unsichtbaren werden: sehen lassen, was nie gesehen wird« (Henry 1992: 291). Paul Klees bekannte Äußerung, die Kunst gebe nicht das Sichtbare wieder, sondern mache sichtbar, geht in die gleiche Richtung. Dieser Befund ändert freilich nichts daran, dass die konkrete Tätigkeit und die Anschauung anthropologisch und entwicklungspsychologisch unhintergehbare Grundlagen aller shoherene kognitiven Leistungen sind. Aber er macht eben auch deutlich, dass dieser Zusammenhang pädagogisch und didaktisch immer wieder neugedacht werden muss. Die Möglichkeiten von Erkenntnis müssten ansonsten im eben skizzierten Zusammenhang auf die »kognitive Nische« des Mesokosmos (ebd.), d.h. die Welt der mittleren Dimensionen, die unserer »natürlichen« Anschauung zugänglich ist, beschränkt bleiben (Vollmer 1993: 38). Pestalozzis Konzept einer »Intellektualisierung« der Anschauung ist so gesehen trotz aller Unzulänglichkeit ihrer »Ausfiihrungsmittel« - nicht nur ein Denkansatz, besser mit der gewachsenen Menge des verfügbaren Wissens zurechtzukommen, sondern antizipiert im oben angedeuteten Bezug auf die Moderne in gewisser Weise auch die veränderte Qualitci! des Wissens. Was wir von ihm lernen können, ist also, dass veränderte Wissenskulturen veränderte Kulturen des Umgangs mit Wissen, oder einfacher und auf Schule und Hochschule bezogen: eine veränderte Lernkulturerforderlich machen. Das gilt natürlich besonders dann, wenn sich die Produktions-, Aneignungs- und notwendigen Legitimationsformen von Wissen so radikal verändern wie gegenwärtig unter dem Vorzeichen des Internet und der Postmoderne.

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Tatsächlich scheint es ja so zu sein, dass das von Comenius 1658 mit seinem »Orbis sensualium pictus« realisierte Vorhaben, »die sichtbare Welt, d.h. alle grundlegenden Weltdinge und Lebensverrichtungen in Bildern zu zeigen und mit Worten zu benennen«, das Pestalozzi schon 150 Jahre später nicht mehr für realisierbar hielt, 200 Jahre nach Pestalozzi zumindest technisch kein Problem mehr darstellt. Was bedeutet das für die Pädagogik? - Darf sie sich nun wieder auf Fragen der AuswaW notwendigen undgeeigneten Wissens und auf das Nachdenken über geeignete Methoden der Wissensvermittlung beschränken? Die unverändert starke Fixierung der deutschen Schule (und Hochschule) auf verbindliche Innhalte, smateriak definierte Bildungsstandards und >Belehrung< scheint darauf hinzuweisen, dass sie das tut. Diese Fixierung erscheint mir aber besonders unter zwei Gesichtspunkten zunehmend anachronistisch, die auch in den beiden vorangegangenen Vorlesungen schon angesprochen worden sind und die ich - auch zeitbedingt - nur noch sehr kurz ansprechen kann. Sie betreffen im Zusammenhang mit der Auswahl von >Lehr- und Lerninhalten< im Sinne einer Vereinheitlichung und Verallgemeinerung von Wissen die Frage der Legitimierung des Wissens und im Blick auf die oben angesprochenen veränderten Produktions- und Aneignungsformen von Wissen die Frage der Lernkultur. Jede Auswahl notwendigen undgeeigneten Wissens setzt AuswaWkriterien voraus, die in den Zeiten der Buchkultur bevorzugt von jenen übergreifenden Begründungszusammenhängen abgeleitet wurden, die Lyotard die »großen Erzählungen« nennt. Torsten Meyer hatte, wenn ich mich recht erinnere, darauf hingewiesen, als er Lyotards 1979 erschienenes Buch »Das postmoderne Wissen« erwähnte. Solche großen Erzählungen, Lyotard nennt z.B. »die Dialektik des Geistes« oder »die Emanzipation der Menschheit« (vgl. 1994: 96ff., 175), setzen Ordnungsprinzipien und ein Zentrum voraus, von dem aus gedacht und begründet werden kann. Vorgaben dieser Art tragen potentiell totalitäre Züge, denn als letzte Begründungen sind sie selbst nicht verhandelbar. Gleichzeitig steigt mit der ständig wachsenden Flut von Informationen und einer längst unübersehbar gewordenen Menge universell verfügbaren Wissens aber gerade das Bedürfnis nach Ordnung und Orientierung. Wie soll man pädagogisch damit umgehen, wenn auch die über den Dialog erzielte Übereinstimmung als Gültigkeitskriterium ausscheidet, weil dieses Kriterium, so Lyotard in Abgrenzung zu Habermas, die Gültigkeit der Emanzipationserzählung voraussetzt? Die Lage wird umso prekärer, als die Bildungsadministration gerade gegenwärtig versucht, das Kriterium der Leistungssteigerung als unhinterfragbaren Konsens zu etablieren, d.h, um die Metapher von R6gis Debray in Torsten Meyers Vortrag aufzunehmen, die Scharniere zwischen intellektuellem, materiellen und sozialen Leben von jedem Quietschen zu befreien.

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Lyotards Lösungsvorschlag, der sich, wie seine gesamte Argumentation, allerdings primär auf Legitimationsprobleme wissenschriftlichen Wissens bezieht, ist die Legitimierung des postmodernen Wissens durch die »Paralogie«, ein Denken iJVischen den geregelten Systemen, an den Übergängen zwischen den verschiedenen Sprachspielen oder »Diskursgenres« (vgl. Reese-Schäfer 1989: 31).4 Nur in der Paralogie ist ein lokaler Konsens der jeweilsgegenwa"rtigen Mitspieler möglich. Das setzt die Anerkennung der Vielgestaltigkeit der Sprachspiele voraus und lässt immer nur Übereinkünfte auf Zeit zu. Dabei könnte das, was Lyotard »die Informatisierung der Gesellschaft nennt«, eine wichtige Rolle spielen. Denn wenn es gelingt, der Öffentlichkeit »freien Zugang zu den Speichern und Datenbanken« zu verschaffen (Lyotard 1994: 192), wird ein unerschöpflicher »Vorrat an Erkenntnissen« verfügbar, der dem »Wunsch nach Gerechtigkeit und [. ..] nach Unbekanntem gleichermaßen« Rechnung trägt (193). Das ist eine extrem verkürzte Wiedergabe der Argumentation Lyotards, die an dieser Stelle auch nur die Funktion hat, anzudeuten, dass kanonisiertes Wissen in Bildungsplänen gültige und nachvollziehbare Auswahlkriterien in den jeweils zugeordneten Fachwissenschaften voraussetzt, die in dieser Form oft längst fragwürdig geworden sind. Der durch das Internet möglich gewordene Zugriff auf einen tendenziell unerschöpflichen Vorrat an Wissen erfordert grundsätzlich andere Formen seiner Legitimierung und macht auch neue, lokal und temporär gültige Vereinbarungen über Inhalte des Lernens möglich, deren Zustandekommen dann selbst ein wichtiger Bestandteil des Lernprozesses sein müsste und das Spannungsgefüge jeweils unterschiedlicher Geltungsansprüche nicht ausblenden dürfte . Damit ist als wichtigster Aspekt einer neuen Lernkulmr schon die Befähigung zu einer zunehmenden Selbststeuerung des eigenen Lernprozesses angesprochen. Die Konsequenz wären ein deutlicher Rückgang der sBelehrungc und eine Schaffung von Lernumgebungen im Sinn von >Werkstätten<, in denen die Kinder und Jugendlichen mit den dafür erforderlichen Materialien und Werkzeuge ihre eigenen Fragen und Problemlösungen finden und entwickeln können. Sowohl was die Legitimierung des Wissens als auch was die Lernkultur betrifft, müsste Vergleichbares natürlich auch für das Studium an einer Hochschule gelten.

4 Den Terminus »Sprachspielee übernimmt Lyotard von Wittgenstein. Er bezeichnet verschiedene Arten von Aussagen (Lyotard unterschiedet denotative, performative und präskriptive Aussagen), die, wie alle Spiele, bestimmten Regeln gehorchen und bei denen es, wie in srichtigera Spielen auch, um einen Wettkampf um das Gewinnen des Spiels gehen kann (vgl.Lyotard 1994: 36ff.).

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Ich wollte Ihnen am Ende eigentlich noch Gründe dafür nennen, warum ich die bildende Kunst für ein exemplarisches Übungsfeld dafür halte, sich in komplexen, nicht hierarchisch strukturierten Feldern zu bewegen, mit Uneindeutigkeit, Perspektivenwechseln und Bedeutungsverschiebungen zurechtzukommen und projektorientiert, intermedial und ergebnisoffen zu arbeiten, dass ästhetische Bildung also geradezu mustergültig die Signaturen einer >Lernkultur< tragen kann, die den veränderten Qualitäten der Produktion, Vermittlung und Aneignung von Wissen in den Zeiten des Internet und der Postmoderne entsprechen. Das können Ihnen aber zu gegebener Zeit sicherlich auch Torsten Meyer oder die Tutoren dieser Veranstaltung erklären. Mir bleibt, noch einmal für das Fragmentarische und Ungeklärte meiner bisherigen Überlegungen um Nachsicht zu bitten und Ihnen für das geduldige und hoffentlich auch aufmerksame Zuhören zu danken.

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Die Universität der Buchkultur im digital vernetzten Medium Christina Schwalbe

Einleitung 1 Wir erleben derzeit einen tiefgreifenden Prozess kulturellen Wandels, der im Zusammenhang mit der Entwicklung von Computer und Internet zu sehen ist. Aktuell in diesem Kontext zu beobachtende Veränderungen der Formen von Kommunikation, Übermittlung, sozialer Konstruktion und Ordnung von Wissen werfen die Frage auf, wie sich traditionelle Rollenverständnisse hinsichtlich der Produktion und Weitergabe kulturell verfügbaren Wissens verändern - und wie sich dies auf die Strukturen von Universitäten als Orten der Wissensproduktion und Übermittlung auswirken wird. Um die Reichweite der aktuellen kulturellen Veränderungen verstehen zu können, möchte ich mit Blick auf die Geschichte der europäischen Universität den aktuellen medialen Wandel vom Buch als kulturell dominantem Verbreitungsmedium hin zu einem allgegenwärtigen digital vernetzten Medium in Abgrenzung bzw. im Vergleich zu früheren medialen und damit auch zu früheren kulturellen Umbruchprozessen untersuchen. Ich schlage daher einen etwas weiter gefassten Bogen von der Gründungsphase der Universität in einer durch Schrift und mündliche Kommunikation geprägten Epoche, um darauf aufbauend die Strukturen der modernen Universität, die in der Buchkultur geprägt wurden, zu analysieren und damit ein Bild der noch heute in ihren Grundzügen so bestehenden Universität zu zeichnen. Als Analyserahmen für die Betrachtung der Universitätsgeschichte dient mir die von Regis Debray (2003) vorgeschlagene Einteilung kultureller Epochen in Mediosphären. Im Zentrum der Untersuchung stehen Fragen nach Konzepten von Wissen, Wissenschaft und universitärer Kommunikation bei Lehr- und Lernprozessen: Wie wird Wissen produziert, gespeichert, weitergegeben und organisiert? Welche Art von Wissen wird als wissenschaftliches Wissen angesehen? Durch welche Mechanismen wird >gesichertes< wissenschaftliches Wissen legitimiert? Was bedeutet Wissenschaft bzw. Erziehung zur Wissenschaft? Abschließend werden einige Beobachtungen zu veränderten WisTeile dieses Artikels sind parallel veröffentlicht in »Die Universität - ein Bildungsmedium im Wandel« (Schwalbe 2011).

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_11, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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senspraktiken im Netz dargelegt, die Anknüpfungspunkte für weitere Überlegungen und Forschungen zum Wandel der Universität als Bildungsinstitution in einer Zeit digital vernetztet Kulturen liefern sollen.

Mediosphären Folgt man den Betrachtungen Debrays, so lassen sich kulturelle Epochen nach den technischen Medien der Übermittlung unterscheiden. Debray benennt vier solcher Mediosphären: Die Logosphrire ist das »technisch-kulturelle Milieu, das durch die Erfindung der Schrift entstanden ist, in dem das Wort jedoch das wichtigste Kommunikations- und Übertragungsmittel bleibt« (Debray 2003: 58). Die Schrift dient als externe Gedächtnisstütze sowie der Vorbereitung von Reden und Vorträgen - sie ist also quasi >Diener der Sprache, Als Graphosphäre bezeichnet Debray »die durch den Buchdruck eingeleitete Epoche, in der die Bücher nach und nach das Buch ersetzen« (ebd.: 58). Die Gründung der modernen Universität und des allgemeinen Schulsystems fällt in diese Epoche. Nach einer kurzen durch Bild und Ton geprägten Epoche beginnt sich nun eine digitale Mediosphäre herauszubilden, die als Hypersphrire oder Numerosphäre bezeichnet wird. Es gilt zu untersuchen, welche Auswirkungen ein sich extrem schnell entwickelndes, digital vernetztes Medium auf unsere Kultur, unser Verständnis von Wissenschaft und auf unser Bildungssystem haben wird.

Funktion der Universität Die moderne Universität, wie wir sie heute kennen, nimmt als Bildungsinstitution eine spezifische Stellung ein. Spezifisch, da sie sich aufgrund der Einheit von Forschung und Lehre sowohl in ihrer sozialen Organisation als auch in ihrer gesellschaftlichen Funktion von anderen Bildungsinstitutionen wie z.B. Fachhochschulen oder allgemein- und berufsbildenden Schulen unterscheidet. Universitäten sind Hochschulen, die der Pflege und Entwicklung der Wissenschaften sowie seit jeher insbesondere der »Erziehung zur Wissenschaft« (vgl. Baecker 2007: 116fE.) bzw. der wissenschaftlichen Bildung und Ausbildung dienen. Seit dem europäischen Mittelalter ist die Universität geprägt durch die Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden im wissenschaftlichen System. Lehr- und Lernprozesse an der Universität zielten stets darauf ab, den in der jeweiligen medienkulturhistorischen Epoche wissenschaftlich anerkannten Umgang mit Wissen zu erlernen und die jeweils >gültigen< wissenschaftlichen Methoden zu verstehen und anzuwenden - wobei das Ziel der wissenschaftlichen Ausbildung nicht notwendigerweise die weitere Beschäftigung im Wissenschaftssystem ist.

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Die wissenschaftliche Ausbildung soll dazu befähigen, wissenschaftliche Vorgaben und Forschungsergebnisse zur Lösung von Problemen nutzen zu können - und dazu ist es notwendig, die Produktion wissenschaftlicher Forschungsergebnisse nachvollziehen zu können. Nur über die Überprüfung der regelgerechten wissenschaftlichen Produktion von Wissen, nicht über die Autorität seiner Herkunft, kann Wissen als tatsächlich gesichert angenommen werden.

Kernaufgabe der Universität: Erziehung zur Wissenschaft Aufgrund dieser grundlegenden Aufgabe der Universität, zur Wissenschaft zu erziehen bzw. wissenschaftliche (Aus-)Bildung zu ermöglichen, unterscheiden sich Universitäten von anderen Bildungsinstitutionen dadurch, dass es nicht nur um die Übermittlung von Wissen als tradierten Kulturbeständen geht, sondern dass gleichsam die Methoden und Prozesse mit übermittelt werden, die zur Entstehung dieses Wissens beitragen. Genau dies ist ein zentraler Ansatzpunkt, von dem aus sich der Wandel der Universität beobachten und erklären lässt. Mit Bezug auf Debray - und auch auf Medientheoretiker wie Marshall McLuhan (1994) oder die Soziologen Dirk Baecker (2007) und Manuel Castells (2004) lässt sich die für diese Überlegungen zentrale Annahme formulieren, dass die Einführung neuer technischer Verbreitungsmedien nicht nur entscheidenden Einfluss auf die Kommunikationsprozesse, also die Formen der Weitergabe von Informationen im Raum, nimmt, sondern dass sich das Konzept von Wissen und das Wissenschaftsverständnis grundlegend ändern. Die Definition dessen, was als wissenschaftliches Wissen gilt, als Wissen, das in Universitäten verhandelt wird, mit anderen Worten die inhaltliche Orientierung der Wissenschaften, ändert sich ebenso wie die legitimierende Referenz dieses Wissens, die Formen der Archivierung, der Organisation und der Zugänglichmachung bzw. Publikation des Wissens und die Formen der wissenschaftlichen Ausbildung und Zertifizierung.

Die Universität der Logosphäre Mit Blick auf die Entstehung der modernen Universität soll verdeutlicht werden, wie sich das aktuell der Universität immer noch zugrunde liegende Wissenschaftsverständnis entwickelt hat. Abschließend folgen einige Beobachtungen darüber, inwiefern aktuelle Tendenzen des Umgangs mit Wissen im Netz diese tradierten wissenschaftlichen Mechanismen herausfordern und eventuell ein Umdenken in der Organisation und der Zielsetzung wissenschaftlicher Ausbildung als erforderlich erscheinen lassen.

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Die europäische Universität war in ihrer Phase der Gründung im Mittelalter, die in die Epoche der Logosphäre raut, in erster Linie damit befasst, überliefertes Wissen zusammenzuführen, zu systematisieren und dieses Wissen weiterzuvermitteln. Wissenschaftliches Wissen war Offenbarungswissen, welches »möglichst vollständig erfasst, von fremden Zusätzen gereinigt, nach seinen eigenen Maßstäben geordnet, sicher weitergegeben und an jedem diesseitigen Phänomen dargestellt und nachgewiesen werden musste« (Weber 2002: 38). Im Zentrum der Wissenschaft stand als methodische und didaktische Herangehensweise die scholastische Methode," die darauf abzielte, Beobachtungen so zu deuten, dass sie mit vorgegebenen Prinzipien und deren Konsequenzen vereinbar waren und sich eine widerspruchsfreie Theorie ergab. »Jede wissenschaftliche Beweisführung musste also auf die aedequatio intellectus et reizielen; nicht auf exakte Empirie und empirische Ursache-Wirkungsnachweise kam es dabei an, sondern auf die Einordnung der Phänomene in die göttliche Ordnung und deren Beurteilung nach der christlichen Norm mittels Analogie und Vergleich.« (Ebd.: 38) In der mündlichen Kommunikationsform der Vorlesung übermittelten die Professoren ausgewählte Texte und kommentierten diese gegebenenfalls. Die Wissensaneignung der Studierenden geschah durch Zuhören und individuelle Gedächtnisspeicherung. Der Umgang mit Wissen war auf ein striktes Festhalten am Wortlaut und einen stark formalisierten Umgang mit Worten ausgerichtet. Hierin begründet sich, dass die Gedächtnisspeicherung als immer noch wichtigstes Mittel der Wissensaneignung auch in der Schriftkultur der Logosphäre überhaupt funktionierte. In den Prüfungen und Disputationen ging es in erster Linie um die korrekte Reproduktion des auf diese Weise angeeigneten Wissens und das Beherrschen der scholastischen Methode. Erziehung zur Wissenschaft in der Universität der Logosphäre bedeutete also, Kenntnis über den vorgegebenen Wissenskanon zu erwerben, um diesen auch langfristig im kulturellen Gedächtnis bewahren und übermitteln zu kön-

2 Herausarbeitung einer Leitfrage (quaestio) und logische Ableitung von Nebenfragen; scharfe Abgrenzung und Unterscheidung der Begriffe (distinctio); begriffliche und logisch strikte Beweisführung; hoch differenzierte Erörterung der Gründe und Gegengründe in formal durchorganisierter Disputation; bestätigende Zuordnung des Befundes in den Kontext der docttina sacra, dabei auf allen Stufen Bezugnahme auf die einschlägigen christlichen Autoritäten.

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nen und die Fähigkeit zu entwickeln, unter Verwendung der scholastischen Methode Probleme beurteilen und in die göttliche Ordnung einordnen zu können. Die Schriften, die zusätzlich zur individuellen Gedächtnisspeicherung von Wissen vorhanden waren und auf die sich die Vorlesungen bezogen, wurden von den Professoren und den sich später herausbildenden Kloster- bzw. Fakultäts- und Universitätsbibliotheken in sehr begrenztem Maß zur Verfügung gestellt - gleichzeitig waren es damit auch Instrumente der Kontrolle darüber, welches Wissen weitergegeben wurde. Höheres Wissen war nicht frei zugänglich. Die Wissenschaftsauffassung und die Unterrichtsmethode unterstützten bzw. erzeugten eine hierarchischautoritäre Struktur (vgl. ebd.: 63ff.). Die Legitimation von Wissen bzw. Wahrheit war gebunden an Institutionen, also an die Universität und auch die Kirche, sowie an die durch diese Institutionen dazu befähigten Personen wie z.B. Professoren und Magister an Universitäten und den Klerus (vgl. auch Debray 2003; Giesecke 1991).

Erfindung des Buchdrucks Die Erfindung des Buchdrucks und die Entstehung von Druckereien und neuen Netzen der Distribution - also das, was Debray als prägenden Moment der Graphosphäre benennt - führte dazu, dass nun ein und derselbe Inhalt massenhaft kopiert und verteilt werden konnte.

Zugang zum Wissen - freier Markt Wurde, wie mit Bezug auf die Universität der Logosphäre angedeutet wurde, vor der Entstehung des Buchdrucks und eines zugehörigen Verbreitungsdispositivs der Zugang zu Wissen über Handschriften und mündliche Übermittlungsprozesse durch hierarchisierte, institutionelle Kommunikationsnetze organisiert, treten diese durch Institutionen aufgebauten Grenzen und Exklusionsmechanismen in den Hintergrund: Bücher und Druckerzeugnisse werden zu Waren auf dem freien Markt: »Nicht [mehr] in erster Linie Stand oder Profession, sondern das Geld soll fürderhin der Mechanismus sein, nach dem Informationen verteilt werden. Wer Geld besaß, konnte drucken lassen und die Druckerzeugnisse kaufen«, so beschreibt Michael Giesecke (2002: 59) die Veränderung der Mechanismen des Zugangs zum Wissen - und damit einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem veränderten Wissenschaftsverständnis.

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Übermittlung und Kommunikation - Vergrößerung der Reichweiten Mit der Etablierung der Technik des Buchdrucks und dem Entstehen neuer Verbreitungsnetze wurde die territoriale Reichweite der Verbreitung von Wissen im Gegensatz zur mündlichen Verbreitung, die an die Person gebunden war, erhöht. Gleichzeitig wurde durch die vermehrte Auslagerung von Wissen in Bücher und Zeitschriften auch die chronologische Reichweite erhöht. Die Möglichkeit zur Übermittlung im Sinne Debrays, also die Weitergabe von Wissen über die Zeit, wurde durch die Entlastung des individuellen Gedächtnisses von dieser Aufgabe deutlich vereinfacht - in der Folge nahm die Produktion neuen Wissens innerhalb dieser Epoche sichtbar zu.

Das Individuum als Wissen schaffendes Subjekt Diese zunehmende Verfügbarkeit von gedruckten Informationen förderte und erforderte zugleich eine Zuwendung zu einer aktiven Auseinandersetzung mit der Schriftdie Alphabetisierung der Bevölkerung als Voraussetzung zur eigenständigen Beschäftigung mit Schrift hier natürlich mit eingeschlossen. Das subjektive Bild der Welt entstand nun nicht mehr in erster Linie aufgrund mündlich tradierter (fremder) Interpretationen von Schriften, sondern die Fähigkeit selbst zu lesen und zu schreiben ermöglichte eine individuelle, eigenständige Auseinandersetzung mit den übermittelten Botschaften. Das Individuum als Wissen schaffendes Subjekt tritt in den Vordergrund. Diese massenhaft verbreiteten gedruckten Informationen werden nicht mehr durch eine institutionelle Autorität geordnet und bewertet, sondern müssen durch kritische Bewertung und Vergleich individuell verarbeitet werden. »Zur zentralen Tugend der Gesellschaft wird die Kritik.« (Baecker 2007: 17)

Das Buch als Kommunikationsmedium im neuzeitlichen Wissenschaftsverständnis Ein Wissenschaftsverständnis, das eben dieses Wissen schaffende Subjekt und den kritischen Umgang mit Texten und nicht das Paradigma einer konfessionell kontrollierten institutionellen Autorität ins Zentrum stellt, beginnt sich zu entwickeln. Der Zusammenhang zwischen der Entstehung des neuzeitlichen Wissenschaftsverständnisses und der Entwicklung der Buchkultur soll kurz mit Bezug auf Michael Giesecke dargelegt werden: Dieser geht von einem monomedialen Kommunikationskonzept der Buchkultur aus (vgl. Giesecke 2002: 52ff.). Sein Kommunikationskonzept beruht auf der Grundannahme, dass dem gedruckten Buch in der Buchkultur die zentrale kommunikative Funktion zukommt. Hierin liegt ein bedeutender Unterschied zu den

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mittelalterlichen und antiken Handschriften, die der individuellen Gedächtnisentlastung dienten: Sie besaßen keine eigenständige kommunikative Funktion, sondern waren eingebunden in mündliche Kommunikationssysteme. Kommunikation in der Buchkultur war nun also nach diesem Verständnis nicht nur unabhängig von der räumlichen Nähe möglich, auch zeitliche Differenzen der an der Kommunikation Beteiligten traten dadurch als Hindernis für Kommunikation in den Hintergrund. Nach Giesecke ermöglicht die lineare Struktur von Produktion und Übermittlung von Wissen in typographischer Form es dem Leser eines Buches, den Gedankengang des Autors nachzuvollziehen, er folgt der Perspektive des Verfassers. Beim Lesen eines Buches kann man entweder den Standpunkt des Autors übernehmen, eine Gegenposition einnehmen oder den Gedankengang durch Referenzieren weiter fortführen. Giesecke bezeichnet diese Art der Kommunikation als soziale Informationsverarbeitung, jedoch ohne direkte Interaktion. Die neuzeitliche Wissenschaft und damit die traditionelle Struktur und das Selbstverständnis heutiger Universitäten beruht auf diesen Strukturen der interaktionsfreien, sozialen Informationsverarbeitung: Wissen wird akkumuliert und weiterentwickelt. Auf Basis vorhandenen Wissens wird neues Wissen erzeugt (vgl. ebd.: 310ff.).

Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsverständnis Ein dementsprechendes neues >graphosphärisches< Wissenschaftsverständnis entwickelte sich jedoch zunächst außerhalb der Universität im historischen Kontext der Aufklärung. Die Drucktechnik wurde zum zentralen Instrument des sich außerhalb der Universitäten in neu gegründeten Akademien im Sinne des Humanismus und der Aufklärung entwickelnden Wissenschaftsverständnisses. Die interaktionsfreie Kommunikation mittels gedruckter Texte führte zur Entstehung neuer wissenschaftlicher Publikationsformate. Die Protokolle der mündlich gehaltenen Disputationen (die Dissertationen) wurden zunehmend veröffentlicht - später setzte sich die Dissertation als eigenständige schriftliche Arbeit durch; das wissenschaftliche Zeitschriftenwesen als aktuelles Kommunikationsmedium entstand, der wachsende Buchmarkt verlangte »nach Verzeichnissen und Listen [...], nach Buchankündigungen und Rezensionen« (Gierl 2004: 431). Die Zeitschriften waren Medium des Disputs und damit wissenschaftlicher Kommunikation, die alte Form des Gelehrtenbriefs verschwand. Die neuen Publikationsformate erforderten neue Dokumentations- und Findesysteme. Es entstanden interne Ordnungsstrukturen wie Gliederung, Inhaltsverzeichnis,

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Wort- und Sachregister, Fußnoten mit Verweisen auf zitierte Publikationen sowie externe Ordnungsstrukturen in Form von Metadaten, Systematiken, Schlagwörtern, Enzyklopädien. Die Universitäten hielten zunächst am traditionellen Wissenschaftsverständnis und an den traditionellen Kommunikationsstrukturen fest. Natürlich wurden auch in Universitäten zunehmend Texte in gedruckter Form genutzt, die Bibliotheken erweiterten ihre Sammlungen und die Vorlesungen wurden weniger als Diktiervorlesungen, sondern verstärkt als kommentierende Vorlesungen abgehalten. Dennoch verblieb das Grundprinzip des Wissenschaftsverständnisses zunächst in den hierarchischen Strukturen, die dem konfessionellen Denken untergeordnet waren. Das Rollenverständnis und die Prozesse der Legitimierung des Wissens blieben dem alten Paradigma verhaftet. Allerdings bot die universitäre Bildung die Grundlage für die außerhalb der Universitäten stattfindenden und nach außen drängenden Veränderungen der Wissenschaft. Dieses letztgenannte Phänomen erscheint insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen spannend, wo sich gleichfalls außerhalb der Universität neue Strukturen des Umgangs mit Wissen bilden. An Universitäten werden die neuen Medien jedoch in erster Linie als neue Mittel und Mittler zur Unterstützung von Lehrund Lernprozessen angesehen oder auch einfach als weiterer Kanal zur Verbreitung der gewohnten wissenschaftlichen Publikationsformen genutzt - die Grundprinzipien des Wissenschaftsverständnisses und die grundlegenden Kommunikationsstrukturen bleiben jedoch bisher noch weitgehend unverändert. Durch die im 17. Und 18. Jahrhundert neu entstandenen Formen wissenschaftlicher Forschung außerhalb der Institution Universität geriet die Universität in den Zugzwang einer argumentativen Rechtfertigung des universitären Wissens, ihrer Tätigkeit und ihrer gesellschaftlichen Funktion. Die Gründung der Universität als Ort der Einheit von Forschung und Lehre durch Wilhelm von Humboldt kann als strukturelle Antwort der Universität auf die Ausweitung eines neuen gesellschaftlichen Wissenschaftsverständnisses verstanden werden. Im Kern ging es nun nicht mehr hauptsächlich um Übermittlung, Verteilung und Speicherung von Wissen, sondern zunehmend auch um die Erzeugung von Wissen. Ziel der universitären Ausbildung ist nun nicht mehr die Wiederholung des Buchwissens wie in der mittelalterlichen Universität, sondern die Ausbildung in der »Kunst des wissenschaftlichen Verstandesgebrauchs« im Medium des Buches als methodisches Ziel der Universität (Röhrs 1995: 23). Die wissenschaftliche Legitimation wird über die Teilnahme an den wis-

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senschaftliehen Prozessen der Buchkultur, also über die Teilnahme an der Kommunikation mittels Publikationen erworben. Peer-Review-Verfahren dienen hier als Filter der Wissenschaftlichkeit und damit der Wissens sicherurig in der textbasierten Wissenschaftskommunikation.

Entwicklung einer digitalen Mediosphäre Im Netz deuten sich gerade - ähnlich wie auch bereits infoIge der Einführung des Buchdrucks - neue Prozeduren des Umgangs mit Wissen an. Nicht mehr nur das Buch als zentrales Kommunikationsmedium, das gekennzeichnet ist durch interaktionsfreie soziale Informationsverarbeitung, sondern ein partizipatorisches, interaktives, global vernetztes Medium beginnt sich als allgegenwärtiges Kommunikations-, Verbreitungs- und sich dynamisch wandelndes Archiv- und Speichermedium zu etablieren. Der Computer beginnt, so beschreibt es Dirk Baecker (2007: 140), »sich [...] mit einem eigenen Gedächtnis an der Kommunikation der Gesellschaft zu beteiligen.« In der sich gerade herausbildenden digitalen Mediosphäre und unter dem Einfluss neuer Wissenspraktiken scheint sich auch das Konzept von Wissenschaft - und damit auch die gesellschaftliche Funktion und die Bedeutung der Universität - zu verändern.

Kollektive Wissensorganisation Aktuell ist zu beobachten, dass das Verhältnis zwischen den Medien der Verbreitung im Raum und den Medien der Verbreitung von Wissen in der Zeit zunehmend prekär wird. Die digitalen Infrastrukturen vergrößern die territoriale Reichweite, verkürzen aber die chronologische. Die globale Vernetzung und die Geschwindigkeit, in der Informationen sich über die digitalen Netze verbreiten, führt zu einer kaum noch überschaubaren Menge an Informationen, die mit den Methoden der Systematisierung und Ordnung von Wissen aus der Buchkultur kaum noch zu bewältigen sind. Im Netz wird eine auf den Moment, auf die Gegenwart ausgerichtete Kommunikation befördert, es geht um schnelle Information, um direkte Interaktion, um Kollaboration. Informationen werden ständig de- und rekontextualisiert und in neuer Kombination und Form weitergegeben. Mit Bezug auf Luhmann beschreibt Baeeker die Herausforderung der Kommunikation in der vernetzten Gesellschaft folgendermaßen: »Man gibt Daten ein und ruft Daten ab, so die Beobachtung von Luhmann, ohne noch zwischen diesen Daten eine Verbindung herstellen zu können, wie

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man es in der Sprache, in der Schrift und auch im Buchdruck gewohnt war. Weder die Stimme und ihr Grenzen ziehender Kontext noch der Text und der ihm ablesbare Zweck noch das Buch und die in ihm steckende Kritikfestigkeit helfen dabei, mit den Daten umzugehen, die auf den Bildschirmen der Terminals, die an den Netzen der Computer hängen, auftauchen.« (Baecker 2007: 140) Neue Strategien werden ausgelotet, um der ungeordneten, digitalen, sieh dynamisch verändernden Informationsflut Herr zu werden: In der Anfangszeit des WWW wurden die Ordnungs- und Systematisierungsmechanismen der Buchkultur auf die Prozesse der Informations- und Wissensorganisation im Netz übertragen: Es entstanden Kataloge als Suchmaschinen, die nachträgliche Katalogisierung der Informationen wurde durch Menschen oder auch Maschinen vorgenommen. Doch die Schnelligkeit, in der Informationen produziert, weitergegeben, verändert und permanent de- und rekontextualisiert werden, erfordert veränderte Ordnungsstrukturen. Hypertext besitzt, im Gegensatz zu linear organisierten Büchern, wenige interne Ordnungsstrukturen. Die Inhalte werden in immer kleinere Häppchen unterteilt und können über Verweise beliebig kombiniert und vernetzt werden. Eine Form der Wissensorganisation, die sich aktuell herausbildet, ist die Organisation der Inhalte durch die Benutzer in Form von Social Tagging. Zu großen Teilen geschieht die Systematisierung des verteilten Wissens dabei bereits während des Prozesses der Wissensproduktion und nicht als nachgelagerter Prozess. Über eine Art Metastruktur des Netzes in Form von Verweis- und Empfehlungsstrukturen, die auf der Weisheit der Massen, einer Art kollektiven Intelligenz beruhen, wie z.B. Social-Bookmarking-Dienste wie delicious oder auch über Twitter, erlangen wir Zugang zum kollektiv organisierten Wissen und finden so jeweils Informationen, die für bestimmte Handlungskontexte als interessant und wichtig angesehen werden. Das Eingebundensein in Netzwerke wird dabei zum grundlegenden Prinzip für Kooperation.

Verbreitung, Zugang, Viabilität Bereits infolge der Erfindung des Buchdrucks und Umwandlung von Wissen zu einer externalisierten Ware in Form gedruckter Bücher, die über den freien Markt verbreitet wurden, war der Zugang zu Wissen nicht mehr in erster Linie durch eine institutionelle Macht kontrolliert. Mit der Entwicklung des Internets weitet sich aktuell der Zugang zu Wissen im Unterschied zur traditionellen Buchkultur erneut aus. In zunehmendem Maße sind Informationen aus nahezu allen wissenschaftlichen Berei-

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chen beinahe überall und jederzeit verfügbar - die Verfügbarkeit und Allgegenwärtigkeit steigt mit der Zunahme mobiler, vernetzter technischer Geräte und Interfaces. Das wissenschaftliche Wissen, das dabei über die digitalen Medien schnell und mit großer räumlicher Reichweite - und damit eben mit globaler Präsenz - publiziert und weitergegeben wird, hat häufig nicht mehr die traditionellen Prozesse der wissenschaftlichen Wissens- bzw. Qualitätssicherung durchlaufen, es wird in vielen Fällen ohne das Durchlaufen von Peer-Review-Prozessen veröffentlicht. Die Legitimierung dieses Wissens ist nicht mehr ausschließlich abhängig von einer wissenschaftlichen Autorität, sondern im Moment seines Funktionierens, Wissen legitimiert sich aus dem Anwendungskontext (vgl. Debray 2003: 65) heraus - es muss in erster Linie viabel sein. Die privilegierte Stellung wissenschaftlichen Wissens, das ewige Gültigkeit für sich beansprucht, scheint unter diesen Voraussetzungen abzunehmen. »Die Kriterien der Beurteilung von Qualität und Relevanz des Wissens werden nicht mehr allein von der Wissenschaft selbst definiert, sondern auch von den Anwendern des Wissens aufgrund ihrer jeweiligen Relevanzkriterien und Nutzenerwartungen.« (Weingart 2003: 134) Das Know-how ersetzt das bewahrte Wissen - wissenschaftliches Wissen muss neben anderen Wissensformen bestehen, mit ihnen in praktischen Kontexten konkurrieren. Wissenschaftliche Forschung wird verstärkt durch öffentliche Forderungen und öffentliches Interesse beeinflusst. Wissen wird zunehmend in problemorientierten, temporären Projektgemeinschaften produziert, die Manfred Faßler als »Communities of Project« bezeichnet (vgl. Faßler 2007 und in diesem Band, 67-81). Der Prozess des Wissen Schaffens in diesen Communities of Project beruht eher auf dem Prinzip von Kollaboration im Sinn einer kollektiven Intelligenz als auf individuellem Expertenturn. Statt linear organisierter Akkumulation von (wahrem) Wissen auf Basis interaktionsfreier, sozialer Informationsverarbeitung, wie sie Giesecke (2002) als typisch für die Buchkultur beschreibt, beruht diese kollektive Produktion (funktionierenden) Wissens auf vernetzten Strukturen der Interaktion (vgl. Schwalbe/Meyer 2009). Das Subjekt als erkenntnistheoretisches Paradigma scheint in Prozessen der Wissensproduktion, die an konkreten, viablen Problemlösungen orientiert ist, an Bedeutung zu verlieren.

Perspektiven In Bezug auf die Strukturen der Wissenskommunikation in Universitäten lässt sich beobachten, dass die traditionellen geschlossenen, elitären Formen der Kommunikation im Rahmen universitärer Lehre einer offenen Form der Wissenskommunikation gegenüber stehen, in der potentiell jeder zum Sender werden kann. Die Weitergabe

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von Informationen im Netz ist gleichzeitig eingebunden in einen offenen, globalen Dialog, der zur Veränderung und Reorganisation der ursprünglichen Informationen führt. Die Rollenverteilung bei der Produktion und Weitergabe von Wissen, wie sie in der Universität der Buchkultur gang und gäbe ist, wird durch die Produktion und den regen Verkehr des Wissens im Netz in Frage gestellt. Wie auch schon infolge der Einführung des Buchdrucks entwickelt sich ein veränderter Umgang mit Wissen außerhalb der Universität. Zentral für das Verständnis der Universität als wissenschaftliche Bildungsinstitution bleibt die Frage, welche Bildungsziele an einer Universität verfolgt werden müssen, um zu einer selbstbestimmten Teilhabe an den sich entwickelnden Strukturen zu befähigen, die sich in einem ständigen, dynamischen Wandel befinden - und die aktive Partizipation an einem offenen, vernetzten Dialog ins Zentrum stellen, da man ohne die Eingebundenheit in Netzwerke von der Kommunikation ausgeschlossen würde. Erachtet man als ein zentrales Bildungsziel die Fähigkeit zu einem reflektiertem Umgang mit Wissen und die Kenntnis und das Verständnis von Prozessen der Wissensproduktion, so gewinnen in einer komplexen, sich ständig ändernden digital-vernetzten Umwelt die Vermittlung von Metawissen über den Erwerb von und den Umgang mit Wissen sowie der Erwerb sozial-kollaborativer Kompetenzen an Bedeutung. Erziehung zur Wissenschaft in der digitalen Mediosphäre bedeutet, um noch einmal Dirk Baecker zu zitieren, die Einübung eines operativen »Umgang[s] mit Komplexität« (Baecker 2007: 143). Es bleibt jedoch abzuwarten, was die strukturelle Antwort der Universität auf die Einführung eines digitalvernetzten Mediums gewesen sein wird ...

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Bildungsräume im Informationszeitalter

Als der italienischeMaler Masaccioin den 2Oer-Jahren des 15.Jahthunderts sein Fresko »Die Heilige llieifaltigkeit« in der FlOttnZet Kapelle St. Maria Novdla enthüllte, dürfte die Verwund.enmg groß gewesen sein. Nahm der Betrachter den idealen Standpunkt .im Raum ein, eröffnete sichfiir ihn ein neuer Raum im Bild: Wie ein Loch in der Wand erschien hinter dem gek:re:uzigtenJesus Christus ein simulierter Raum in Brunelleschis modernem Baustil. Masaccios Verweis auf Brunelleschi ist dabei ein doppelter. Filippo Brunelleschi gilt eicht nur als Erfinder der Zecteelpeespektive, welche erst die Konstruktion der räumlichen TIefenwirkung im Bild zuließ, sein Name steht zugldch fiir die Wredergeburt: die Renaissance - oder wie es der Kunsthistoriker Ernst H. Gombrich nennt: sdie Eroberung der WJrldichkeit« (vgI. Gombrich t 996: 223ff.). Es handelt sich in Masaccios Fresko jedoch um eine Wirldichkcit, die nur von einem bestimmten idealen Beobachterstandpunkt aus wahme.bmbar ist. Die Zentralperspektive konstruiert eine riiumlichc Wtedcrgabe unter der Annahme einer

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Versteht man die Entdeckung der perspektivischen Konstruktion nicht nur als ein Gesmltungsmittcl der Malerei, sondern als eine Erneuerung des Wttklichkcits~­ smndnisses, dann wird die Dimension dieser Eroberung der Wtrldichkcit bewusst. »Perspektive meint ein Programm visueller Infonnationsverarbeitung. an dem viele Generationen und Kulturen mitgearbeitet haben. In der friihneuzeitli-

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Michael Scheibel

chen Ausarbeitung gibt dieses Programm eine Anleitung für alle Phasen der Informationsverarbeitung von der Wahrnehmung über die Speicherung und Interpretation der Informationen bis hin zu ihrer Darstellung in Bild und Wort«, bedenkt der Medienhistoriker Michael Giesecke (Giesecke 2002: 303). Die Zentralperspektive ist der Nährboden für eine erkenntnistheoretische Grundhaltung, die sich von der oralen Kultur des Mittelalters absetzt. Die visuelle Wahrnehmung wird mit der Durchsetzung der Perspektive in der Renaissance zum Prototyp der Informationsgewinnung, die sich mit den neuzeitlichen Errungenschaften technisieren lässt. Wenn Albrecht Dürer in seinem Lehrbuch »Unterweysung der Messung mit dem Zirckel und Richtscheyt« im Jahr 1525 ein Verfahren entwickelt, wie mit technischen Hilfsmitteln eine Laute perspektivisch konstruiert werden kann, dann geht er damit über die individuelle Informationsverarbeitung hinaus und betritt das Terrain sozialer Informationsverarbeitung. Zum einen tritt der Mensch durch dieses Verfahren neben den Wahrnehmungsvorgang und zum anderen liegen dem Konstruktionsvorgang nun ausformulierte Regeln zugrunde, die eine Verifikation oder Falsifikation der Information durch weitere Personen an anderen Orten und zu späteren Zeiten zulassen. Die Zentralperspektive ermöglicht somit eine interaktionsfreie Verständigung über die sichtbare Umwelt. Sie erreicht dies durch ein Reglement beziehungsweise durch eine Normierung und somit durch eine Entsubjektivierung des Erkenntnisprozesses (vgl. Giesecke 2002: 308-311). »Man greift also viel zu kurz, wenn man das zentralperspektivische Programm lediglich als ein ästhetisches Prinzip begreift und seine Bedeutung auf den künstlerischen Bereich beschränkt. Mag die Perspektivlehre im Spätmittelalter nur das mehr oder weniger geheime Sonderwissen einiger Kunsthandwerker gewesen sein, am Ende des Industriezeitalters lernt jedes Kind ihre geometrischen Grundlagen und wendet ihre Prinzipien bei der Verständigung über die Umwelt an. Sie bildet die erkenntnistheoretische Grundlage unserer neuzeitlichen Wissenschaft und Technik.« (Ebd. : 301) Es verwundert daher kaum, wenn die zentralperspektivische Konzeption gleichfalls den Lehrraum erreichte - und dies nicht nur metaphorisch, sondern ganz direkt. Bis heute müssen schulpflichtige Kinder nicht selten die Ordnung des zentral organisierten Klassenraums akzeptieren. Kein geringerer als der Begründer der neuzeitlichen Erziehungslehre, Johann Amos Comenius, übertrug das in der Renaissance entwickelte Verfahren der Perspektive auf den Schulraum: »Der Lehrer wurde zum

Bildung'räume im Informationtzeitaher

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Fluciltpunkt jeglicher Sinnesoricntierung du Schülers, schreibt der Pädagoge Michael Göhlich in seiner histnrischen Abhandlung »Die pädagogische Umgebung« (Göhlich 1993: 131). Dagegen zeichnete sich die Organisation der mittelalterlichen und frühn~cit1ichenSchulri.ume häufig duteh eine Deaentealität aus. Kein zenttalperspektivisch konziple:tte:r Katheder, keine auf Lehrerpult und Tafel ausgerichteten Sitzpläac. dafür Tischgruppen und offene Zimmer waren Merkmale des Untenichtsraums der Rechenmeister des 15. bis 17. Jahrhunderts. Im Zentrum dieser Räume stand nicht der Lehrer, sondem Le:mmittcl und Selbscl.ehrbücher. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts sollte diese Konzeption des dezentralisierten SchuIraums neu formuliert werden: in der Refonnpädagogik. »Montessori schaffte das Katheder ab. richtete den SchuIra.um mit von Kindem tragbaren Tischen und Stühlen in verschiedener Größe und Fonn und aus unterschiedlichen Materialien ein [...]. Bis ins Mobiliar verstand Montessori den Schulraum als worbereirete Umgebung<. die so zum Nachdenken und Lernen acregen sollte, daß die Lehrerin zurücktreten konnte.« (Ebd.: 147f.)

In diesem SchuIra.um gibt es kein Zentrum mehr - außer dem. Kind selbst. Denn die Pädagogik von Ma.ria. Montessori zielt darauf, »das Kind als Mittelpunkt: des ganzen Betriebes, das alleinlernt, das frei ist in du Wahl seiner Beschäftigung und Bewegung« (Montessori 1989: 117) zu verstehen. In einem dezentral organisierten Unterrichtsraum kann das Kind nur noch an einer Stelle Halt finden: bei sich selbst. Zentralitit und Dczentralitiit des Schulraums korrespondieren mit den Konzepten von Fremdkonttollc und Selbstkontrolle. Die zentralpcrspcktivische Konzeption

AIM2.. EiM~~_1900

Ahlt3:S~""~ _16.~

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des Schulraums, die Forderung, alle Schüler müssten dem Lehrer frontaJ. gege.nübe.r sitzen., trug den Absolutismus in die Schule. Dagegen war mit den Schülern der Rechenmeister eine Generation hctangewachscn, die die Fihigkeit zur Selbstergsnisation und Selbstkontrolle erlernen musste, um in der frühen Neuzeit in einem aufkommenden länderühergrcifenden Handelsraum zu agi.cren (vgl Göhlich 1993: 311,144). Gans ähnlich werden durch die :reformpädagogischen Bestrebungen die Schulabgänger auf das postindustrielle Zeitalter vorbereitet

»Die Hightech-Gesellschaft fordert den Erwerb neuer sozialer Grundfer-

tigkciten (Selbstorgacisation, Selbstregulierung), neuer emotio-kogcitiver Grundfertigkciten (Sdbstmotivierung durch Selbstkontrolle; Lust- und Erkecntnisgewinn durch Selbst-Entdecken). Die Reform pädagogischer Umgebung erscheint angesichts dessen nicht als >Pädagogik vom Kinde 3US(. sondem als gcsamtwirtschaftlich sinnvolle und erforderliche Modcrnisicrung des Schulbctricbs.« (Ebd.: 99f:) Im Information.szeitalter löst sich die zentrale Ausrichtung des Schulraums auf Lehrer und Tafd auf. In einer Wdt, die keine Fixpunkte und Konstanten mehr zu bieten scheint, ist die Zenttalpe.rspektive als erkenntnistheoretische und pädagogische Grundhaltung obsolet geworden. Das Zentrum liegt nicht mehr a.uße1:haJ.b, sondern in jedem einzelnen Menschen.

In Medien lernen Betritt man heute ein Klassenzimmer einer Grundschule, so wird man nicht selten von einer sinnlich-ästhetischen Umgebung verlockt; Lc:rnccken, Ruhezonen, bereitgestellte Lehr- und Le:mmateria.li.en zum Selbst-Entdeclren, unterstützt durch ein riiumli.ches Ambiente, das Abenteuer und zugleich Heimat verspricht. Das reformierte Kla.ssenzimmer ist eine Lcrn1andschaft. Alles wird getan. um es wie eine solche erscheinen zu lassen. Pflanzen und Pflanzenbildet; auf die Winde gemalt und von der Decke hängend. bestimmen beispielsweise .Ahb. 4:KJ.u~1Ik s~, StintltuMn-mtrIlKl4sst, 1991

das Bild. Es wird bisweilen versucht, das Kla.ssenzimmer in eine natürliche Umge-

Bildungll'äume im Informationszeitalter

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bung zu verwandeln, einen natürlichen Kunstraum oder künstlichen Natuttaum als Erlebnis- und Lcrnraum zu erschaffen.

»Worin liegt der Sinn der Umstru.kturienmg du frontalen Sittordnung in eine nicht-fixic:rtc Zone und viele )Eckem, der Sinn du Verwandlung althergebrachter Lcbrmittcl und du Einfiihrung neuer Materialien? Was soll die Änderung des unterrichtlichen Ablaufs hin zur Nutzung des Klassenzimmers in Form von )FreiarbeiR~ (Ebd.: 45) Dies fragt der Pädagoge Michael Göhlich und erkennt in der Reform des Schulraums zwei Tendenzen: Das ideale reformpädagogische Klassenzimmer ist eine miniaturisierte Welt voller Abenteuer und ein Zuhause für das Kind - beides mit dem Ziel. das Selbst des Schülers via Selbstregulierung zu entwickeln. Göhlich konstatiert: »Wu sehen in beiden Tendenzen eine starke Zunahme des simulatorischen Moments von Schule, eine Simulation allerdings. die die Kinder der Zukunft möglichcrwe.ise als selbstverständliche wirruelle Realitä.~ erfuhren. Der Schulraum wird zum scyber-spacec« (Ebd.)

Ortswcchsc1: Zentrum für Kunst- und Medientechnologie in Karlsruhe. Die im Medicnmuseurn ausgestellte Installation »Intctactive Plant Growing«von den Künstlern Christa Sommc:ter und .Laurcn.t Mignonncau ermöglicht es dem Besuchet, sich an der Schöpfung der Natur zu bctciligcn. In einem abgedunkelten Raum stehen auf Sockdn Pflanzen vor einer Projcktionswmd. Durch die Berührung der P8anzcn wird das Wachstum von mehr als 25 computergcncri.crten virtuellen Pflanzen ausgelöst Je nach Intcnsitit und Folge der Bcrührong erscheinen wachsende PfIanzcn verschie-

AMl5:~PJ.atG~_S~& ~199J

dener Art, die nach und nach das Projektionsbild c:rfiillcn. Die Simulation des PBanzcnwachstums wird durch die sinnliche Handlung des Beriih:rens ausgelöst. Die mit Sensoren präparierten Pflanzenwurzeln geben bei Annäherung einer Hand Impulse an einen Computer weiter, der durch algorithmlsche Rechenprozesse die artifizielle Pflanzenwelt entstehen lässt

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Es sind zwei Momente, die hier interessieren: die Simulation und die Schnittstelle zu dieser. Die computergenerierten Bilder in dieser Installation beschreiben einen Raum und einen Zeitver1auf, die nicht mehr als Mimesis und nicht einmal mehr als Repräsentation des natürlichen Vorgangs gelten können. Vielmehr bilden sie eine modcllhaftc Vcrlllufsnachahm.ung: eine Simulation eines Vo.rgangs. Geschaffen wird eine Mögli.chkcit eines Vorgangs. dem kein vorangcga.ngcnes V01'bild entspricht: »[D]as 8mlulationsprogramm des Computers kann grundsätzIk:h ein ebenso cnkt:es Bild eines vergangenen wie auch eines möglichen zukünftigen Ablaufs als gegenwärtig berechnen und damit erzeugen.« (Großkla.us 1995: 141)Voo:gäDge können visualisiert werden, die für uns nicht beobachtbar, vielleicht gar nicht existent, oder noch nicht eDstcnt und insofern möglich sind. »Simulation ist eine Mimesis auf der Ebene der Strukturen (Regeln, Programme) - wäbrcnd Mimesis auf der Ebene der materi.cllcn Phänomcn.c stchenbliebe - Simulation ist eine Mimesis höherer Abstraktionsstufe - eine materielle Verlaufs-Nachahmung im Modell,« (Ebd.: 151) Die Schnittstelle zu dieser Ebene der Strukturen, zu den Regeln und Programmen., ist in der Installation die Natur sdbst. Die Pflanze dient als vegetatives Interface und cnnöglicht dem Menschen einen Zugang zum apparativen Sysrcm, letztlich zum simulic:tten Natuttaum.

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Betrachtet man die Installation »Intcractivc Plant GrowitJg« als simulativc Weiterent-

wicklung des :tefonnicrtcn Klassenzimmers, stellt sich die herausfordernde Fr:age, was zukünftig als Medium bezeichnet we:tdcn sollte und wie in diesem Medium. ge-

ßildungsräume im Informotionszeitolter

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lernt wird. Bisher war das Lehrmedium schlechthin das Buch. Der 1658 erschienene »Orbis sensualium pictus« des Johann Amos Comenius gehörte zweihundert Jahre lang zu den auflagenstärksten Büchern für Lehrer und Schüler und avancierte zum Vorbild jedes Lehrbuchs. In 150 Bildern und Bilderläuterungen sollte »ein kurzer Begriff der ganzen Welt« gegeben werden, wie es in der Einleitung geschrieben steht. Den Kindern, die doch in der Welt leben und sie täglich erfahren, wird diese noch einmal in einem Bilderzyklus präsentiert. Diese Tatsache ist für den Pädagogen Klaus Mollenhauer Grund genug, dieses Buch dem Anfang der xnodernenc Pädagogik zuzuschreiben: »Pädagogik, so könnte man sagen, ist seit 300 Jahren die Welt snoch einmak, und zwar in stilisierten Abbildungen, ein gewaltiges ästhetisch-symbolisches Unternehmen, eine Art Riesen-Collage, die inzwischen [...] im Weltmaßstab betrieben wird.« (Mollenhauer 1983: 53) Mollenhauer betont die Abgrenzung Comenius' sowohl gegenüber der abstrakten scholastischen Manier des damals üblichen Unterrichts als auch gegenüber dem neu aufkommenden Empirismus eines Francis Bacon, einem radikalen Empirismus, bei dem sich alles in Sinnesdaten auflöst. Vielmehr sei der comenianische Entwurf von Sinneswahrnehmung der Auffassung des Sprachphilosophen Ludwig Wittgenstein ähnlich, bemerkt Mollenhauer und folgert daraus : »Damit etwas, das in die Sinne kommt, überhaupt als bedeutsam wahrgenommen wird, muß zuvor oder mindestens zusammen mit der Sinneswahrnehmung irgend etwas anderes geschehen.« Mollenhauer zieht mit seiner Interpretation des »Orbis pictus« die pädagogische Konsequenz: »Der zu lernende -Gegenstanck ist deshalb weder nur Sinnesdatum noch reine Idee, sondern beides.« (Ebd.: 59) Dieses Zitat soll unvermittelt mit einem Zitat von dem Professor of Technoetic Art Roy Ascott konfrontiert werden: »Cyberarchitektur richtet sich von nun an ebenso an die gedanklichen wie die körperlichen Standorte.« (Zitiert nach Kerckhove 2002: 17) Die Aussage Mollenhauers bekommt an dieser Stelle nicht nur besonderes Gewicht - dem Weder-noch wird regelrecht ein eigener Raum zugedacht. Der Medientheoretiker Derrick de Kerckhove kommentiert in seinem Buch »Die Architektur der Intelligenz« das Zitat von Ascott: »Der Cyberspace hat ein Niveau erreicht, das erkennen lässt, dass er konsistent, komplex und flexibel ist. Er scheint qualitativ anders und doch teilwei-

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se in den anderen Arten von >Rawn< enthalten, in d.cneo. Menschen leben: dem physischen und dem mentalen. Wir haben es mit einem dritten Raum zu tun, zwischen dem physischen und dem mentalen, aber auch mitten drin und :rundherum. Be erfordert Sttuktnrierung und Verwaltung und ist also architektonischen Überlegungen ,ug"'g'''h.« (Ehd.) Kerckhoves Interesse gilt einer Architektur, die die physische und mentale Verknüpfung von Kötpe:r und Denken zwischen Menschen unterstützt - er nennt sie Vern.ct2u.ngSatchitektttt. Sie gestaltet einen Raum, in dem vemetates Denken duteh die entsprechenden Verbindungen von Teclmologien unterstiitzt wird. Der springende Punkt für Kerckhove ist, dass unsere Verbindung mit dem Weltgedächtnis eines Tages so eng sein könnte wie die mit unserem ganz persönlichen Denken (vgI. ebd.: 49). Am Ende des Werlres von Kerckhove resümiert die Architekturtheoretikerin MariaIuisa Palumbo: ,.Von der Annahme ausgehend, dass die Auswirkungen einer analytischen, das heißt alphabetischen Einstellung dem Raum gegenübe.r zu einet Trennung zwischen der subjektiven Dimension des Menschen als eines denkenden Wesens (und daher seines eigenen geistigen Theaters) und der objektiven Dimension einer kollektiven Bühne führten. auf der individuelle Handlungen stattfinden. erscheint es durchaus möglich, dass die Wttkungen dessen. was wir eine vernetzende oder mediale Einstellung nennen können, ebenfalls ein neues Rawnkonzept stimuliert, und zwar in Fenn eines aktiven Intemk:tionsfeldes, einer neuen Kontinuität, einer elektromagnetischen Ve.rwobenheit zwischen Subjekten, die voneinander räumlich entfernt und qua1itativ verschieden sind wie Körper, Gegenstinde, die übe:rgrcifende Gesamtheit, die gebaute Umgebung, die uns umgibt.« (Zitiert nach ebd.: 88)

Folgenwir dem Architekturkritiker IAligi Prestinenza Puglisi und stellen uns eine

zukünftige Hyper-Architektur als LernAjk

7: A.rlJfimI ;" Jitj/II/IIl Nd!(!1I_ PirtwIJ8II

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raum vor: »Thewall [...] must become a :Eiltet that recetvee and transmits a wealth of information [...] just Iike a television

Bildungsräume im Informationszeitalter

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and space must become a medium which you pass through, picking up the information with which is organized.« (puglisi 1999: 56) Die Gleichung Raum = Medium und Wände = Interfaces mag zugespitzt erscheinen, macht jedoch eines deutlich: Raum wird nicht mehr im Alltagsverständnis begriffen, als ein Raum der durch Wände, Böden und Decken begrenzt einen Bewegungsraum vorgibt. Dem Raum wird vielmehr eine neue virtuelle Erweiterung hinzugefügt und den Wänden eine neue Eigenschaft als Schnittstellen. Das Gebaute bekommt eine dynamische und interaktive Fähigkeit. Gebauter Raum ist letztlich ein erweiterter Raum der Informationsflüsse und Kommunikationsprozesse. Wir stehen - anders als beim Buch - nicht außerhalb der Darstellung von Informationen, sondern sind als navigierende Verknüpfungen mittendrin (vgl. Dodge/Kitchin. In: Kerckhove 2002: 44). Eine Trennung zwischen Informationsgenerierung und Informationswahrnehmung ist nur noch bedingt nachvollziehbar. Vielmehr wird der Vernetzungsraum zum Ort des Geschehens. Oder im Bild und mit den Worten Vilem Flussers gesprochen: »Wir haben uns ein Netz von zwischenmenschlichen Beziehungen vorzustellen, ein sintersubjektives Relationsfelde Die Fäden dieses Netzes sind als Kanäle zu sehen, durch welche Informationen wie Vorstellungen, Gefühle, Absichten oder Erkenntnisse fließen. Diese Fäden verknoten sich provisorisch und bilden das, was wir smenschlichc Subjekree nennen. Die Gesamtheit der Fäden macht die konkrete Lebenswelt aus, und die Knoten darin sind absttakte Exttapolationen [...] Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind an verschiedenen Orten des Netzes verschieden dicht gesponnen. Je dichter sie sind, desto skonkretere sind sie. Diese dichten Stellen bilden Wellentäler im Feld, das man sich schwingend wird vorstellen müssen. An diesen dichten Stellen rücken die Knoten einander näher, sie saktualisierem sich gegenseitig.« (Flusser 1997: 178f.) (Dieser Text ist einAUSZUg ausdem Buch ))A rchitek tur des Wissens - Bildungsräume im Informationszeitaltem, München: kopaed 2008.)

Literatur Flusser, Vil~m (1997): »Die Stadt als Wellental in der Bilderflut«, In: Ders.: Medienkultur, hg. von Stefan Bollmann, Frankfurt a.M.: Fischer, 175-182 (1990 Lo.). Giesecke, Michael (2002): Von den Mythen der Buchkultur Zu den Visionen der Informationsgesellschaft. Trendforschungen zur kulturellen Medienökologie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

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Göhlich, Michael (1993): Die pädagogische Umgebung. Eine Geschichte des Schulraums seit dem Mittelalter, Weinheim: Deutscher Studien Verlag. Gombrich, Ernst H. (1996): Die Geschichte der Kunst, 16.Aufl., Frankfurt a.M.: Fischer. Großklaus, Götz (1995): Medien-Zeit. Medien-Raum. Zum Wandel der raumzeitlichen Wahrnehmung in der Moderne, Frankfurt a.M. : Suhrkamp. Kerckhove, Derrick de (2002): Die Architektur der Intelligenz . Wie die Vernetzung der Welt unsere Wahrnehmung verändert, Basel, Boston, Berlin: Birkbäuser. Mollenhauer, Klaus (1983): Vergessene Zusammenhänge. Über Kultur und Erziehung, München: Juventa Verlag. Montessori, Maria (1989): Kinder sind anders, 3. Aufl., München: dtv. (1938 i.O.) Puglisi, Luigi Prestinenza (1999): Hyper architecture: spaces in the electtonic age, Base!, Boston, Berlin: Birkbäuser.

Abbildungen »Der Maler studiert die Gesetze der Verkürzung«, Holzschnitt von Albrecht Dürer aus seinem Lehrbuch »Unterweysung der Messung mit dem Zirckel und Richtscheyt«, 1525. Quelle: Gombrich, Ernst H. (1996): »Die Geschichte der Kunst<<, erw. u. überarb. und neu gestalt. 16. Ausgabe, Frankfurt/M.: Fischer, 359. »Eine viktorianische Zeichenklasse um 1900«. Quelle: Gombrich, Ernst H. (1960): Art and Illusion. A study in the Psychology of Pictorial Representation, New York: Pantheon Books, 148. »Schulraum eines Rechenmeisters im 16. Jahrhundert«. Quelle: Alt, Robert 1966: Bilderatlas zur Schulund Erziehungsgeschichte: Band 1, Von der Urgeschichte bis zum Vorabend der bürgetlichen Revolution, Berlin: Volk und Wissen, 209/4. »Klassenzimmer als Simulationsraum, Schulraum einer ersten Klasse 1991«. Quelle: Nicolas, Bärbel (1991): Lernen, mit Arbeitsmitteln umzugehen. In: Die Grundschulzeitschrift 41,22. »Interactive Plant Growing« von Sommerer & Mignonneau 1993, Interactive Computer Installation, Collection of the Mediamuseum at the ZKM Karlsruhe. © Sommerer & MignonneauJoh. Amos Commenii Orbis sensualium pictus, englische Ausgabe aus dem Jahr 1659. Quelle:Johann Amos Comenius: Orbis sensualium pictus, London 1659 (Faksimile vom Original der Comenius-Bücherei Leipzig, Zürich 1992, 28f.). »Arbeiten in digitalen Netzen und virtuellen Räumen«, Workshop an der Akademie Schloss Rotenfels 2003 (Collage). Quelle: http://www.vk.abk-stuttgart.de/schulprojekt © Michael Scheibe!,

Eine Mustersprache, die Medienbildungsräume erzeugt TimoMeisel

Die Integration der neuesten Medien in das Lehren und Lernen stellt die Pädagogik immer noch vor große Herausforderungen. In den letzten 20 Jahren sind viele Modelle gekommen und gegangen und es wurde viel Geld in Cutting-Edge-Infrastrukturen investiert, die heute längst Elektroschrott der problematischeren Sorte sind. Dem Versprechen einer neuen Lehr- und Lernkultur allerdings sind wir durch Maßnahmen wie Schulen ansNetz und E-Learning noch nicht wesentlich näher gekommen. Dieser Beitrag handelt von dem Vorhaben, einen praktischen Werkzeugkasten für die Gestaltung von >Medienbildungsräumen< - Arbeits- und Lernräumen unter dem Vorzeichen der neuesten Medien - zusammenzustellen, der nicht morgen schon wieder zum alten Eisen gehört. Hierfür möchte ich in einem ersten Schritt meine Deutung des Problemhorizonts Medien, Raum und Bildung darlegen, indem ich mir die Begriffe in verschiedenen Konstellationen anschaue. Im Anschluss daran wird es recht konkret, wenn es um das Verfahren zur Formalisierung der gewonnenen Einsichten geht: eine sogenannte Mustersprache. Ich werde Beispiele geben, die einen Eindruck von der Praktikabilität der Mustersprache vermitteln sollen. Das Ergebnis meines Projekts soll zuletzt ein fortschreibbares Handbuch sein, das interessierte Pädagoglnnen, ArchitektInnen, SchülerInnen, KünstlerInnen dazu ermutigt, die Gestaltung ihrer pädagogischen Umgebung selbst in die Hand zu nehmen. >Echte< Ergebnisse wie z.B. erste fertige Muster gibt es übrigens noch nicht. Wohl aber eine recht genaue Versuchsanordnung, deren Aufbau ich nun schildern werde. Der holprig anmutende Titel meines Aufsatzes ist eine Reminiszenz an eine frühe Schrift des Mathematikers, Architekten und Philosophen Christopher Alexander von 1968: »A Pattern Language Which Generates Multi-Service Centers«, Mit diesem Text legte Alexander das Fundament für eine der einflussreichsten Publikationen der Planungstheorie des 20. Jahrhunderts »A Pattern Language« (Alexander 1977), zu

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Dieser nützliche Begriff geht auf Michael Göhlichs Studie »Die pädagogische Umgebung« (1993) zurück.

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_13, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Deutsch »Eine Mustersprache«.' Alexanders Werke insgesamt" und die Mustersprache im Besonderen liefern für mein Vorhaben die theoretischen Grundannahmen, die Methodik und - mit den von Alexander und seinen MitarbeiterInnen erarbeiteten Mustern - wichtige inhaltliche Bausteine. Nicht zuletzt begründet Alexanders Art, die Dinge zu betrachten, eine politische Haltung. Diese leitet auch mein Vorhaben und bildet den Resonanzboden der folgenden Erkundungen: radikal anthropozentrisch, emanzipativ-partizipatorisch und unhierarchisch in den praktischen Konsequenzen, strukturiert, rational und präzise, aber doch holistisch in der wissenschaftlichen Betrachtung.

Medien, Bildung, Raum Die Bezeichnung Medienbildungsraum steckt das pädagogische Problemfeld ab, auf das ich mit dem Mittel der Mustersprache zurückgreifen möchte. Die verschmolzenen Substantive versinnbildlichen die enge Beziehung dreier maßgeblicher Dispositive des Lernens und Lehrens. Sie weisen außerdem auf eine neue Qualität hin, die aus ihrem Zusammenwirken entsteht. Mir ist klar, dass man sich mit jedem einzelnen dieser Begriffe schwer überschaubare Bedeutungsräume einhandelt. Sie weisen bereits für sich genommen unzählige Brüche und Kontinuitäten und bilden wissenschaftliche Disziplinen und Fraktionen auf. Ich möchte daher knapp erläutern, wie ich sie für mein Vorhaben eingrenze und wo ich ihre Verzahnungen sehe: Raum meint eine Umgebungsstruktur, die Zusammenkunft und Zusammenarbeit ermöglicht: Klassenräume, Wikis, Universitäten, Videochats. Ich verwende also einen gedehnten Raumbegriff eher im Sinne von >Umwelt< als von >Baukörper< oder >Zimmerc Die Grenze solcher Umgebungen zu Medien ist, wie die Aufzählung andeutet, mitunter fließend. Es gibt Überschneidungsbereiche, in denen Medien Räume und Räume Medien sein können. Medien sind die Mittler, Träger und Überträger von Wissen: Bücher, Datenleitungen, Lehrer, Interfaces, Archive. Ich deute sie mediologisch (dazu später mehr) als zunächst Herausgegeben von Hermann Czech 1995. Hiermit meine ich alle Werke der Center for Environmental Sttucture-Reihe, von denen die Mustersprache einen von insgesamt sieben aufeinander bezogenen Bänden stellt, sowie Ale:xandersdreibändiges kosmologisches Spätwerk »The Nature of Order« (2002). 2

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Eine Mustersprache

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neutrale, vermittelnde Infrastrukturen bzw. Vehikel, die erst in der Bezugnahme auf soziale Wirklichkeiten und ästhetische Praktiken eine zeitweilige Form annehmen. Diese kann unter Umständen einen ausgeprägten Raumcharakter haben wie z.B. in den Social Media.

Bildung bezeichnet das Ziel des Lernens und Lehrens. In der klassischen Auslegung, der ich folgen möchte, meint sie eine Form der Persönlichkeitsentwicklung, die auf Autonomiegewinn, Emanzipation und selbstbestimmte Initiative zielt. Sie kann selbstständig oder angeleitet in Angriff genommen werden. Bildung ist auch ein politischer Begriff, der gegen funktionalistische Zu- und Angriffe aus Wirtschaft und Staatsbürokratie in Schutz genommen werden muss. Die etymologische Nähe der Begriffe Bilden und Bauen ist mir sehr willkommen: Beide beschreiben Möglichkeiten, gestaltend auf die Wirklichkeit zuzugehen. Warum soll es nun von Vorteil sein, Raum, Medien und Bildung gleichzeitig zu untersuchen? Potenziert sich dadurch nicht nur ihre Vieldeutigkeit und Unübersichtlichkeit? Erstens: Die Entfaltung einer gewissen Komplexität bewerte ich für die gegenwärtige Diskussion als notwendig und nützlich. Sie steigert die Zugriffsmöglichkeiten auf die Lern-Wirklichkeit. Aktuelle medienpädagogische Konzepte wie Technology Enhanced Learsing oder Blended Learning kranken oft an konzeptionellen Einseitigkeiten, die in der Eindimensionalität ihres Ansatzes begründet sind. Hier wird aus der Perspektive der Bildung auf die neuesten, technischen Medien geschaut - oft in der Art wie das Kaninchen auf die Schlange. Man redet über kognitive Prozesse, über das Wechselspiel von Medienensembles und Wissensmanagement. 4 Es werden Instrumente und Infrastrukturen entwickelt, die dieses Wechselspiel steuern sollen. Diese erweisen sich oft schnell als veraltungsanfällig und unausgereift. In der Folge polarisieren sich die pädagogischen Fraktionen in >Vorprescher< (technikverliebte Trendscouts) auf der einen und >Verhinderer< (gerechte Bewahrer der didaktischen Überlieferung) auf der anderen Seite. In diesem Widerstreit wird das Kind >Weiterentwicklungder Lernkulture mit dem Bade ausgeschüttet. Der Begriff Raum ermöglicht hier einen Ausweg: Er bringt einen zusätzlichen Vektor in das Beziehungsgefüge von Medien und Bildung ein, der von Begegnung, Körperlichkeit und der Aneignung von Umwelt handelt - menschliche Dimensionen, die 4

Wissen wird dabei vor allem >zwischen den Ohrene, d.h. im Gehirn lokalisiert.

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schon immer in enger Beziehung zur Bildung standen und die in der Lage sind, die gewaltige Dynamik des Wechselspiels von Medien und Bildung an Erfahrungswerte in der materiellen Welt zurückzubinden und produktiv zu zähmen. Er wirkt vermittelnd und vertiefend, weil er eine Spanne von Wissens- und Orientierungsformen in die angestrebte neue Lernkultur einbringt, die nicht rein kognitiv sind. Zweitens: Mit einer konsequent transdisziplinären Arbeitsweise lässt sich das Problem einer eventuellen übermäßigen Komplexitätsentfaltung gut bannen und produktiv wenden. Das heißt, dass man in die Umsetzung des hier skizzierten Vorhabens von vornherein Fachleute aus den verschiedensten Disziplinen einbinden kann und sollte. In einem professionell moderierten kollaborativen Verbund z.B. aus KulturwissenschaftlerInnen, PsychologInnen und MedizinerInnen, PädagogInnen, ArchitektInnen und DesignerInnen können die einzelnen Perspektiven den praktischen Wert eines Medienbildungsraums erheblich steigern. Diesen transdisziplinären Verständigungs-Prozess betrachte ich als ein Kernstück des MedienbildungsraumProjekts. Drittens: Durch die Zusammenschau von Medien, Raum und Bildung wird meines Erachtens ein genaueres Verständnis des Wandels unserer Lehr- und Lernkultur möglich, als wenn man sie nur in Bezug auf die in verschiedenen Zeitspannen verwendeten Medien betrachtet - und dies sowohl in der historischen Fluchtlinie als auch in Hinblick auf die gegenwärtigen Entwicklungen. In den nächsten Absätzen will ich diese Vermutung ausführen.

BildungsRaum Der Zusammenhang von Raum und Bildung wurde bereits vor langer Zeit erkannt und in verschiedenem Ausmaß in Lehr- und Lernszenarien einbezogen. Insbesondere die reformpädagogischen Strömungen können auf eine lange Tradition der dezidierten >Lernraumgestaltung< zurückblicken. In der Waldorf-Pädagogik wurde sie aus der Kosmologie Rudolf Steiners abgeleitet und betont den Einfluss von Materialität, Farbe und Form auf die Lernfähigkeit und die Bildungsmöglichkeiten innerhalb einer gesetzten Umgebung. Bei Maria Montessori bieten die Lern- und Sinnesmaterialien in ihrem räumlichen Arrangement einen materiellen Rahmen zur Erprobung individueller, nicht vordefinierter Bildungswege. Der Begründer der Reggio-Pädagogik Loris Malaguzzi betrachtete den Raum als »dritten Lehrer«, der neben Gleichaltrigen und Erwachsenen eine Bildungsfigur darstellt, an und in der gelernt wird. In allen drei Bei-

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spielen wird der Raum als ein Komplize betrachtet. Er wird, nachdem er als prägende pädagogische Umgebung identifiziert ist, für Lernprozesse eingespannt.

MedienBildung Wenn wir die Geschichte der Bildung zurückverfolgen, sehen wir deutlich, welche zentrale Rolle den Medien darin zukommt. Der Mediologe Regis Debray unterteilt die Kultur- und Zivilisationsgeschichte, die immer auch eine Bildungsgeschichte ist, nach den jeweiligentechnischen und sozialen Ensembles der symbolischen Übertragung in Mediosphiiren. Die Logosphiire war durch mündliche Tradierung und handschriftliche Fixierung geprägt, die Graphosphiire, die laut Debray »vom 15. Jahrhundert bis gestern reicht«, war um den Buchdruck arrangiert. Nach einer kurzen Übergangsphase in der Videosphäre bewegen wir uns aktuell in die Hypersphäre, die sich hauptsächlich aus digitalen Signalen zusammensetzt (Debray 2002: 6). Es herrscht im pädagogischen Mainstream weitgehende Einigkeit darüber, dass wir mit dem Einzug der vernetzten digitalen Infrastrukturen einen grundlegenden Wandel unserer Kommunikationskultur erleben. Dass dieser Folgen für das Lernen und Lehren haben wird, wird ebenfalls kaum bezweifelt und schlägt sich in einer Vielzahl von bildungspolitischen und planerischen Maßnahmen nieder. Medienbildung ist in aller Munde und ihre Konzepte entwickeln sich rasant, oft endang der sportlich getakteten Zyklen von Hard- und Softwareinnovation. Diese Dynamik des Übergangs in eine neue kulturelle Gesamtverfassung, die man Debray folgend Hypersphäre oder auch, wie wir einmal vorschlugen, NeuesMedium (im Singular, vgl. Meyer 2008) nennen kann, erschwert es, die schwindenden graphosphärischen Gewissheiten durch halbwegs konstante neue Orientierungen zu ersetzen. Der US-amerikanische Pädagoge Karl Fisch hat in seinem breit rezipierten Videoessay »Did You Know?
Nachzuschlagen unter http://thefischbowl.blogspot.com/2006/08/did-you-know.html [9.10.2010].

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len müssen, dass die Bildungslandschaft noch eine ganze Weile eine Baustelle bleibt (Sesink 2006: 72f.).

MedienRaum Medienräume können von zwei Seiten betreten werden: Einerseits entgrenzen und durchkreuzen asynchrone und translokale Formen der Zusammenkunft in digitalen Infrastrukturen reale Orte wie das Bahnabteil, das Cafe und das Klassenzimmer. Im Netz blühen Organisations- und Kommunikationsformen sowie Habitate auf, die zum Beispiel als Community ein soziales Versprechen einlösen, für das man früher einen Club, ein Vereinsheim oder einen Seminarrraum betreten musste. In Foren versammeln sich >Impertlnnen<, aufgeklärte DilettantInnen verschiedenster Wissensgebiete, flexibel unter dem Dach gemeinsamer Interessen und machen sich im besten Fall »gegenseitig schlauere" Die/der ausgewiesene ExpertIn ist dabei nur eine/runter vielen, sie/er muss sich ihre/seine Autorität wie alle anderen durch eine freigiebige und kooperative Haltung verdienen. Über die Qualität der Netz-Sozialität werden kontroverse Debatten geführt. Bei differenzierter Betrachtung kommt man aber nicht umhin, ihre schönsten Blüten als vorbildliche und tiefgreifende Bildungs-Phänomene anzuerkennen. Aus der Bildung der Communities7 heraus sind wichtige pädagogische Impulse zu erwarten. Bei der Medienraumbildung muss es darum gehen, ihrer Entwicklung mit virtuellen und physischen MöglichkeitsOrten Raum zu geben. Auf der anderen Seite erleben wir aktuell die Augmentierunt von physischen Räumen durch interaktive digitale Darstellungs- und Produktionstechniken. Dabei verdienen neben den informationsgesättigten, als digital bezeichneten Räumen? besonders solche Orte unsere Aufmerksamkeit, die auf unsere Gesten reagieren können, die virtuelle und materielle Aspekte fusionieren und damit die Lücke zwischen Vorstellung und Realität verkleinern." Hier lässt sich ein beträchtliches pädagogisches Potential heben. 6 Mit diesem Slogan haben die KünstlerInnen Christoph Schäfer und Margit Czenki treffend die Effekte der partizipativen Prozesse beschrieben, die sie im Projekt »Park Fiction« (Durchsetzung und Bau eines Community-Parks in Hamburg St. Pauli) eingesetzt haben. 7 Der Begriff stammt von Torsten Meyer, der in seinen aktuellen Arbeiten den Weg von der Bildung des Menschen zur Bildung der Communities untersucht. 8 Augmented Reality meint die computergestützte Erweiterung der Sinneswahrnehmung. • Michael Scheibel beschreibt solche Räume in seiner Studie »Architektur des Wissens« in vielen interessanten Facetten (vgl. Scheibel 2008). 10 Stichworte in diesem Zusammenhang sind Tangibility, Fabbing, Fritzing usw.

Eine Mustersprache

209

Nach dem Vorbild von Maria Montessoris Lern- und Sinnesmaterialien muss an einem Arrangement solcher Tools und Verfahrensweisen gearbeitet werden, das einen Rahmen für experimentelle und spielerische Lernprozesse fördert. Mit einiger Sicherheit werden dann bald Konturen einer wahrhaft hypersphärischen pädagogischen Umgebung erkennbar. Damit sind wir in einem greifbaren Medienbildungsraum angelangt.

MedienBildungsRaum An diesem Punkt möchte ich die Ebene der Analyse verlassen und ins Konkrete gehen, denn der Wert des Projekts Medienraumbildung wird sich wesentlich in der Anwendung erweisen müssen. Das Ziel soll eine Grundlage für ganz reale hypersphärische pädagogische Umgebungen sein: eine veränderte Arbeits-Raumkultur, maßgeschneiderte Lehr- und Lernszenarien, sinnliche Medien-Ensembles, soziale Lern-Netzwerke und vieles mehr. Die oben skizzierten Konstellationen lassen einige Umrisse davon erkennen, sie zeigen aber auch grundsätzliche Schwierigkeiten, die im Wesen des Problemfelds liegen. Diese scheinen einer Festschreibung und Operationalisierung auf den ersten Blick im Weg zu stehen. Besondere Beachtung verdienen: • •

•

die Schwierigkeit, Konzepte zu finden, die in der Dynamik des Übergangs eine gewisse Zeitspanne überdauern können, also Konstanten im Prinzip Baustelle sind; die Schwierigkeit, den vieldimensionalen und ineinander verwobenen Problembereich in konkrete, hinreichend isolierte Gegenstände zu unterteilen und dabei seiner Komplexität und - wie der Netzpionier Ted Nelson es formulieren würdeprinzipiellen >Intertwingularity< gerecht zu werden; daraus folgend die Schwierigkeit, einen praktischen Umgang mit diesen herausgelösten Entitäten vorzuschlagen, sie somit in Gestaltungsgrundlagen zu transformieren, ohne dass die mit ihnen verbundenen Probleme mit einfachen Lösungen schlicht erschlagen werden.

Wie kann man mit diesen Hürden auf dem Weg von der Theorie zur Praxis umgehen? Hier möchte ich mich an Buckrninster Fullers berühmten Aphorismus »Don't fight forces. Use Them!« (puller 1932) halten.

Dynamik, Konstanten: Die Gegenstände müssen auf einer Abstraktionsebene formuliert werden, die bleibende Problemkonstellationen herauslöst. Die Beschreibung muss hinreichend konkret sein, um eine zielgerichtete Umsetzung anzuleiten. Sie muss dabei aber flexibel genug bleiben, um die Gegenstände an unterschiedlichste

210

limo Meisel

Umgebungen anpassen zu können - und dies auch kontinuierlich, wenn wir >Under constructione als Grundverfassung annehmen.

Intertwingulari!J, Herausläsung: Die Gegenstände müssen so plastisch gefasst werden, dass sie von verschiedenen Seiten aus betrachtet werden können - unter gestalterischen, psychologischen, pädagogischen, architektonischen, kommunikationswissenschaftlichen und weiteren Gesichtspunkten. So wird aus dem Nachteil der Brüchigkeit bzw. der Weitschweifigkeit der Begriffe der Vorteil, sich einem Gegenstand auf unterschiedliche Weise nähern zu können und ihn dadurch in seiner vielfältigen Einbettung in eine Umgebung zu sehen. Auch in Bezug auf das laufende Fortschreiben und Modifizieren wird sich Multidisziplinarität als hilfreich erweisen . Lösungswege, Haltung: Der Landschaftsphilosoph und Begründer der Spaziergangswissenschaft Lucius Burkhard (2004) wies einmal darauf hin, wie die Politik einfache Lösungen für vielschichtige Probleme sucht und dazu die Architektur einsetzt: Zur Lösung des Problems salternde Gesellschaft< wird ein Altenheim gebaut. Auf dieses kann der Politiker zeigen und behaupten, er habe sich des Problems angenommen. Wir sollten solche kurzschlüssigen, allzu pragmatischen Maßnahmen vermeiden. Wir müssen also einen Weg finden, eine handhabbare, präzise, plastische Sicht auf das Problemfeld zu ermöglichen, die es in einem geteilten Bewusstsein behandelbar macht. Gleichzeitig muss diese Sicht entlang hochdynarnischer, mehrdimensionaler, miteinander verbundener Problembereiche in einem kollaborativen, transdisziplinären Prozess ständig korrigierbar und weiterentwickelbar sein. Für dieses Vorhaben liefert uns Christopher Alexander eine Steilvorlage: die Mustersprache.

Mustersprache Als Christopher Alexander ab 1967 seine ersten Gehversuche mit Mustersprachen unternahm, hatte er eine architektonische Revolution im Sinn: eine gänzlich neue Herangehensweise an das Bauen, die nach und nach das gegenwärtige, technobürokratisch-funktionalistische System der Umwe1tgestaltung ablösen sollte." Mit dem Mittel Aus dem Klappentext von »A Pattern Language<<: »[...] to provide a complete working alternative to present ideas about architecture, building and planning - an alternative which will, we hope, gradually replace current ideas and practises,e 11

Out

Eine Mustersprache

211

der Mustersprache sollte eine spezifische menschliche Qualität in der gebauten Umwelt zurückgewonnen werden ~>The Quality without a Name«, Alexander 1979), die mit der Industrialisierung des Bauens um den Wendepunkt zur Moderne und durch das Abreißen der Tradierung von Baumethoden verloren gegangen sei. Vor der Moderne, so Alexander, habe es gewissermaßen eine gemeinsam geteilte Sprache gegeben, die vom Sinn der Bauformen erzählte und über die eine stille Einigkeit herrschte. Man kommunizierte sauf der Baustellee über einen ungeschriebenen Kanon, und dieser war die Grundlage dafür, dasselbe immer und immer wieder zu bauen, ohne es zweimal gleich zu tun. Die Mustersprache, die später ihren Niederschlag in »A Pattern Language« fand, sollte eine Diskussionsgrundlage für einen neuen Kanon bieten. Das Ziel war hierbei aber nicht nur, eine Art Katalog für professionelle Architekdnnen zusammenzustellen, sondern eine generative Grammatik'< für die gebaute Umwelt vorzulegen, die verdichtet, gewendet und an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden kann - und damit ein hochgradig emanzipatives, explizit nicht expertokratischeP Handbuch zu verfassen, das jeden dazu anleiten kann, seine Geschicke selbst in die Hand zu nehmen. Den Kern einer Mustersprache bilden einzelne Muster. Ein Muster ist eine Entität, die auf einer bestimmten Hierarchieebene aus dem Ganzen des von Alexander behandelten Problemfelds, der gebauten Umwelt, herausgelöst wurde. Es ist immer mit verschiedenen anderen Mustern in der Hierarchie verbunden und nicht ohne diese denkbar. Wenn wir uns die Struktur der Pattern Language anschauen, die von Alexander und seinen MitarbeiterInnen vorgelegt wurde, sollte der Umriss eines Musters klar werden: »A Pattern Language« besteht aus 253 Mustern, die in einer Hierarchie angeordnet sind, die von der Regionalplanung bis zur Innenraumgestaltung reicht." Diese beginnt mit ganz >großen< Mustern (1 - UNABHÄNGIGE REGIONEN, 2 - DIE VERTEILUNG DER STADTE) und endet mit ganz skleinene (247 - FUGEN IM PFLASTER, 249 - ORNAMENT). Die großen Muster beinhalten immer verschiedene kleine Muster, die kleinen Muster verweisen auf diverse große Muster.

12 Wer in der Mustersprache Analogien Zu Chomskys generativer Grammatik entdeckt, ist sicher nicht auf der falschen Fährte. Alexander hat sich mehrfach explizit auf Chomskys Arbeiten bezogen (z.B in Arch+ 189: Entwurfsmuster). 13 Ein weiterer Begriff, den ich von Torsten Meyer geliehen habe. 14 Der Untertitel lautet »Städte - Gebäude - Konstruktion«.

212

Timo Meiael

Eine Muster-Sprache

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Die einzelnen Muster folgen einer strengen Form. Als Beispiel möchte ich das Muster 148 - KLEINE ARBEITSGRUPPEN heranziehen, weil es sich mit leichter Modifikation in eine Mustersprache für Medienbildungmume integrieren ließe. Jedes Muster eröffnet mit einem TIteIbktt. Nach der durc:hlaufenden Numm.er, die den Platz in der Hierarchie marlriert (148). steht der Name des Musters (KLEINE ARBEITSGRUPPEN). gefolgt von einer Bewertung durch das Herausgcberko1lektiv (keiner, ein oder zwei Sterne). Diese Bewertungen sind wegen der qualitativen Offenheit, die sie eneuget1, bemerkenswert. KLEINE ARBEITSGRUPPEN ist mit zwei Sternen bewertet, was bedeu~ dass sich die Herausgeber sicher sind, hier ein wahthaft invari2.ntes Muster entdeckt zu haben. Muster mit nur einem Stern sollen m.ch Anweisung der Autorlnnen nicht allzu:respektvoll behmdelt werden, bei Mustern ohne Stern ist &, dass keine befriedigende Lösung fiir das Problem angeboten werden konnte. Dennoch wird das Problem selbst als derart relevmt angesehen, dass es einen Platz in der Sprache: finden musste, so dass daran weitergearbdtet werden kann.. Auf dem Titelblatt befindet sich jeweils zusätzlich ein Foto, das eine Vorstdlungvon der beschriebenen Situation gibt. Nach dem Umblittem wird derTenkörper eröffuet mit Verweisen auf größere Muster, in denen das aktudk: Muster ein Mosaikstein ist (oder, wie.Al.aa.nd.e.r es formu-

Eine Mustenprache

213

lieren würde: das kleine Muster hilft dabei, die größeren zu generieren). In unserem Beispiel werden 80 - SELBSTVERWALTETE WERKSTATIEN UND BüRos und 146 - FLEXIBLE BüROFLÄCHE genannt und es wird darauf aufmerksam gemacht, dass der dort diskutierte A!:beitnawn noch der Untcrtcilung bedarf. Es folgt das eigentliche Muster, das mit einem fett gcdrucktc.n .Absatz beginnt, der den Kern des Problems darstdlt: »Wenn mehr als ein halbes Dutzend Menschen an ein und demselben Platz arbeitet, ist es sehr wichtig, dass sie nicht in einem riesigen Rawn ohne Gliederung arbeiten, sondcm stattdessen ihren .Atbcitsrawn untcrtcilcn und kleine Groppen bilden könncn.« (AlCXllD.dc:r 1995: 762)

Darauf folgt eine konzise Durchführung (selten mehr als 3 Buchsciten) mit vertiefenden Betrachtungen des Sachverhalts. Verweisen auf Studien, Skizzen, empirischen Belegen. Versuchen, QueIlcn usf Das Muster endet mit einem weiterenfettgedruckten Absatz, der eine Anweisung zur Problembehandlung gibt:

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21.4

Timo Meiael

»Teil Einrichtungen in kleine, rilumlich un~cheidbare Arbdtsgruppen auL Leg diese Arbcitsgmppcn so an, daß jeder die anderen Mitgli.cdc:r seiner Gruppe zumindest teilweise sehen kann; und leg mehrere: Gruppen so an, daß sie einen gemeinsamen Eingang, das Essen. die Bürogerät:e, Trinkwasserspende< und Toilott
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Eine Mustersprache

215

nächst höchsten markierten Nummer gesprungen. Auch hier werden alle Muster markiert, die relevant sind, besonders die kleineren . Im Zweifel lässt man ein Muster eher weg, da die Liste schnell zu lang wird. Jedenfalls wird weiter so verfahren, bis alle Muster, die das Projekt betreffen, angekreuzt sind. Diese können nun durch eigenes Material, durch eigene Muster ergänzt werden bzw. modifiziert werden, um für das spezifische Projekt zu funktionieren. Eine Mustersprache ist also strukturell betrachtet ein erweiterbarer Hypertext. Die Konstellation von Mustern, die ein behandeltes Problemfeld beschreibt, ist fortschreibbar, ergänzbar, modifizierbar, komplex und beziehungsreich und doch präzise und im Ergebnis sehr praxistauglich.

Eine Mustersproehe für Medienbildungsräume Christopher Alexander schlägt vor, die Mustersprache aus »A Patrern Language« als einen allgemeinen Ausgangspunkt für spezielle Mustersprachen zu betrachten. Der Prozess, um zu einer eigenen Sprachsequenz zu kommen, solle dabei unbedingt als poetischer und nicht als kanonischer begriffen werden - mit allen künstlerischen Freiheiten, die daraus erwachsen . Die vorhandenen Muster sollen individuell an das eigene Thema angepasst, um notwendige selbst verfasste Muster ergänzt und mit diesen zu einer neuen Mustersprache verdichtet werden. Wie kann also eine Mustersprache für einen Medienbildungsraum aussehen? Schauen wir uns einmal zwei Skizzen möglicher Muster an. Diese sind noch unausgearbeitet, verdeudichen aber die notwendige Ebene der Problembetrachtung. Ein relativ >großes( Muster, also eines, das in der Hierarchie weit oben rangieren würde, wäre folgendes:

Generationenlücke** »SchülerInnen wachsen in ganz andere Medienrealitäten hinein als ihre LehrerInnen. Die LehrerInnen müssen aber befähigt sein, den SchülerInnen einen differenzierten, emanzipativen und kritischen Mediengebrauch innerhalb ihrer Medienrealität vorzuleben und beizubringen.« Als nächstes würde nun eine Durchführung des Problems folgen, die hier aus Platzgründen entfallen soll. Es sei nur kurz auf die Studien von Prensky (Digital Natives vs. Digital Immigrants) und die jährlichen »Horizon Reports« verwiesen.

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Timo Meisel

Eine Konklusion wäre: »Sorge dafür, dass ein sehr enger Austausch zwischen LehrerInnen und SchülerInnen aufrechterhalten wird. Binde die SchülerInnen nach ihren jeweiligen Talenten so oft wie möglich in die Vermittlungsprozesse ein, in die Veranstaltung von Workshops, Seminaren, Arbeitsgemeinschaften, und in die interne Organisation. Was ihnen an Lehrerfahrung fehlt, kompensieren sie durch zeitgemäße Perspektiven.« Das zweite Muster ist ein recht skleinesc

Benutzungsgradient* »Es ist jedem unangenehm, Leute bei konzentrierter Arbeit zu stören. Dennoch tut ein Ort des Austauschs und der Sozialität auf relativ engem Raum auch denen gut, die an Stillarbeits-Aufgaben arbeiten.« Hier die Schlussfolgerung: »Stufe die Benutzungszonen des Arbeitsraumes so ab, dass vom Eingang bis zu dem Punkt, dem am weitesten vom Eingang entfernt ist, ein Konzentrationszonen-Verlauf entsteht. Ordne offene Zonen mit hoher Sozialität und lockerer Atmosphäre nahe zum Eingang, Zonen mit konzentrierter Atmosphäre möglichst weit von ihm weg. Diese Zonen kannst Du je nach Charakter auch partiell oder ganz abschirmen.« Bei diesem Muster kann man erkennen, dass es sich mit dem oben vorgestellten Muster 146 - FLEXIBLE BÜROFLÄCHE aus »A Pattern Language« verbinden ließe. Für die Muster, die einen Medienbildungsraum generieren, könnten wir also mit »A Pattern Language« in der Hand ansetzen und unsere Liste dann um eigene Muster ergänzen, die unserem Problembereich entspringen. Wir sehen, dass die beiden vorgestellten Muster sich recht gut in ganz unterschiedliche Kontexte übertragen lassen . Sie verzahnen sich ineinander, bleiben aber immer auftrennbar, je nach Einflussmöglichkeit desjenigen, der sie umsetzen möchte. Eine Agglomeration von Mustern ist somit das Gegenmodell zu einem >Masterplan< der die Umsetzung top down regelt und die Details unter seine Ägide stellt. Wenn man

Eine Mustersprache

217

sich die Heterogenität von Bildungseinrichtungen in Bezug auf Budget, Platz, Bürokratie, Curriculum etc. vor Augen führt, ist die flexible Übertragbarkeit und Unterteilbarkeit von Konzepten eine Grundanforderung, um überhaupt zu einer Umsetzung zu kommen. Eine Mustersprache bietet den Rahmen dafür, kleinschrittig und anpassungsfähig auf Erfolge zuzugehen.

Eine Mustersprache der nächsten Generation »A Pattern Language« wurde vom Autorlnnenkollektiv" um Alexander 1977 veröffentlicht. Damals waren die aktuellen Dokumentations-, Kollaborations- und Publikationsumgebungen allenfalls zarte Zukunftsmusik. Wenn wir heute den Aufbau einer Mustersprache für die Medienraumbildung angreifen wollen, drängt sich eine lang etablierte webbasierte Autorenumgebung geradezu auf: das Wiki. Mit einem an unsere Bedürfnisse angepassten Wiki können wir für die Entwicklungsarbeit an der Sprache alle Vorteile der entgrenzten Zusammenarbeit im Netz und der Kontrolle durch Versionierung nutzen. Wir könnten einen breiten interdisziplinären Zusammenhang von KollaborateurInnen aufbauen, die aus ihrer jeweiligen Profession heraus an gemeinsamen Mustern arbeiten. Wir könnten ein gemeinsames Bewertungssystem einsetzen. Wir könnten die Muster unmittelbar über Hyperlinks miteinander vernetzen und diese Netzstruktur auch sichtbar machen. Und wir könnten die fortgeschriebene, laufend angepasste Sprache ohne Hürden für alle verfügbar machen, die sie interessieren mag. Denn genau darauf soll es ja hinauslaufen: Auf die Übertragung der Muster in die spezifischen Umwehen der Bildungseinrichtungen. Diese könnten in einem Wiki zusätzlich direktes Feedback über die Praktikabilität einzelner Muster geben. Hätte Alexander, angenommen er hätte über eine solche Technologie verfügt, für die Mustersprache ein Wiki eingesetzt? Die Frage läuft auf einen interessanten Zirkelschluss hinaus: Die Erfinder des Wiki berufen sich auf Alexander und »A Pattern Language« als wesentliche Ideengeber. Wie übrigens viele Akteure der digitalen Avantgarde dies tun - die GeburtshelferInnen der objektorientierten Programmierung, der Design Patterns, der Datenbankentwick1ung und so fort.

Eine Mustersprache ist ein Werkzeugkoffer. Sie offenbart erst in der Anwendung ihre Qualität, sie generiert erst hier fassbare Strukturen und schlägt sich bestenfalls in Orten nieder, die gerne und intensiv genutzt werden. Allerdings kann man die späteren

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Sam Ishikawa, Murray Silversrein, Max Jacobson, Ingrid Fiksdabl-King und Shlomo Angd.

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Timo Meisel

Nutzer über das Mittel der Mustersprache auch sehr gut in den Entstehungsprozess solcher Orte einbinden, denn die Muster markieren grundlegende diskutierbare Probleme, für die gemeinsam nach spezifischen, angepassten Lösungen gesucht werden kann. Sie können nur gewinnen, wenn sßetroffenee daran mitarbeiten. Es ist evident, dass eine Einbindung die Identifikation mit dem Ort verstärkt, die Verantwortung, die für ihn empfunden witd, und die Bindung, die an ihn entwickelt witd. Dieser Komplex ist besonders im büroktatisch entfremdeten Umfeld der meisten Schulen und Hochschulen ein starker pädagogischer Katalysator. Besonders beim Problemfeld Medienbildungsraum ist die Missachtung derjenigen, die angesprochen werden sollen, ein fataler Fehler, Wie in unserem obigen Muster GENERATIONENLÜCKE angesprochen, ist es beinahe unmöglich, die Medienrealität der Digital Natives zu antizipieren und ihnen Fertigkost zu servieren. Wir werden dann eine Abstimmung mit den Füßen erleben. Man muss sich also >gegenseitig schlauere machen, am besten am lebenden Objekt: in einem leeren Raum, der mit den Werkzeugen der Mustersprache gemeinsam eingerichtet witd. Wenn wit die Medienraumbildung derart als wechselseitige Bildungsaufgabe begreifen, ermöglicht die Atbeit endang der Mustersprache echte, gestaltende Partizipation." Sie zeitigt Lerneffekte in Bezug auf das übergreifende Thema, weil über die Muster das Problemfeld Lernkultur von allen Seiten ausgeleuchtet witd. So könnte aus dem Vorhaben >EineMustersprache, die Medienbildungsräume erzeugt<, nach und nach ein alternatives pädagogisches Paradigma gewonnen werden: identifizierende, befähigende, kteativ-aktive Pädagogik - in Gegenbewegung zum herrschenden (kybernetischen) Leitmotiv der Überwachung, Selbststeuerung und Selbstkontrolle.F

Literatur Alexander, Christopher (1968): A Pattern Language which Generates Multi-Service Centers (mit Sara Ishikawa and Murray Silverstein), Betkeley, Califotnia: Center for Environmental Sttucture. Alexander, Christopher (1977): A Pattern Language. Towns - Buildings - Consttuction (mit Sara Ishikawa, Murray Silverstein, Max Jacobson, Ingrid Fiksdahl-King, Shlomo Angd), New York: Oxford University Press.

Im Gegensatz zu Partizipation nach dem Feigenblatt-Prinzip: »I participate, You participate, We participate, They decide.« 17 Riet möchte ich auf Stephan Münte-Goussars gouvernementalitätstheoretische Arbeiten zur Selbststeuerung als pädagogisches Paradigma hinweisen, z.B. in Meyer/Scheibd/Münte-Goussar et al. 2008.

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Eine Mustersprache

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Alexander, Christopher (1995):Eine Mustersprache (mit Sara Ishikawa,Murray Silverstein, MaxJacobson, Ingrid Fiksdahl-King, Shlomo Angel), herausgegeben von Herrmann Czech, Wien: Löcker (1977 i.O), Alexander, Christopher (1979):The Timeless Way of Building, New York: Oxford University Press. Burkhard, Lucius (2004): Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch, Kassel: Martin Schmitz Verlag. Debray, Regis (1992):Der Tod des Bildes erfordert eine neue Mediologie. In: Heidelberger e-Journal für Rirualwissenschaft, s. unter http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/-esjournal/fundstuecke/debray.pdf

[16.7.2007] . Göhlich, Michael (1993):Die pädagogische Umgebung, Weinheim: DSV. Fuller, Richard Buclaninster (1932):A Correlating Medium For the Forces of Architeeture. In: Shelter 2nd Edition, Vol. 4, May,158ff. Meyer, Torsten/Scheibel, Michael/Münte-Goussar, Stephan/Schawe, Julia/Meisel, Timo (Hg.) (2008):Bildung im Neuen Medium. Wissensformation und digitale Infrastruktur/Education Within a New Medium. Knowledge Formation and Digital Infrastructure, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann. OWP /P Cannon Design, VS Furniture, Bruce Mau Design (2010):The Third Teacher. 79 Ways

You Can Use Design to Transform Teaching & Learning, New York: Abrams. Prensky, Marc (2001):Digital Natives, Digital Immigrants. Part 1. In: On Tbe Horizon, MCB University Press, Vol. 9 No. 5, Oktober 2001,1-6. ScheibeI, Michael (2008):Architektur des Wissens. Bildungsräume im Informationszeitalter, München: kopaed. Sesink, Werner (2006):.Under constructione als neue Grundverfassung. In: Scheibe!,Michael: »Under construction«. Ein Meinungsspiegel zur Transformation von Bildungsinstirutionen. In: merz-

medien+erziehung 2/2006,71-74.

Sllld.sfi/;t 11I»I IBM - G!DIItI/ IItIIfIMIifm 0IIIIHk 2.0 ~ I. lIIIRr http:// -ibJII...6o~ {O).O6.2008, 10:12].

Universität - Next Generatian'

»Wissen wird meiner Meinung nach stets entworfen.«

R4mdph GhmiIk (2000,250)

Souveranitabverluste Deraeit gibt es viele Fragen zu Universitäten: Solles Volluniversitäten oder Te.il.universitäten geben? Was heißt Internationalisierung, wenn die meisten Universitäten nicht einmal eine Doppelpromotion ermöglichen? Wie weit haben Universitäten die Empfehlung des Wissenschaftsratesvon 2001 angenommen. Hybridbibliothekeo. zur Verbesserung der Informationsversw:guog ein>uführenI , vortDg an der Univerr.itit.H2m.burg, gehahen

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03.06.2008.

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_14, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Manfred Faßler

Wie ist das Verhältnis von individuellen Computerkosten zu Pro-Kopfausgaben der Universitäten? Welche Computer Literaey ist bei den Universitätsprofessoren vorhanden? Welches Niveau der E-Readyness ist erreicht und wie, falls hoch genug, wird es gehalten? Welche Verträge haben die Universitäten mit z.B, Microsoft, Hp, mit IBM oder Linux abgeschlossen? Wollen Fächer, Universitäten und Verbände am Open Access teilnehmen, also »an Netzaktivitäten, deren gemeinsames Anliegen es ist, das kulturelle Erbe und das verfügbare wissenschaftliche Wissen weltweit kostenfrei zugänglich zu machen«, wie es in der Open-Access-Tagungsankündigung der PU Berlin, MPG, DFG, FHG heißt? Und worin bestehen »kulturelles Erbe« oder »verfügbares wissenschaftliches Wissen«? Verstehen sich die Universitäten als Teil des Open-Knowledge-Geschehens oder sind sie ein Closed Shop? Wie sieht es mit E-Research aus? Dies sind nur wenige andeutende Fragen. Ich werde sie hier nicht beantworten können. Sie zeigen allerdings in eine Richtung:

• • •

auf die Universitäten in globalen, nach-aufklärerischen Strukturen; auf Universitäten, die sich mit nicht an sie adressierten Informationsströmen statr mit Bibliotheken befassen müssen; auf Universitäten, die, ohne dass irgend jemand es wollte, mit einem Infoverse konfrontiert sind, mit einem integrierten, heterogenen, global verteilten Repository von beliebigen Daten und Diensten, heterogenen Sinnofferten und unkontrollierbaren Ausschlusscodierungen.

Globale Systeme des Mobile Computing, die die Konzepte der Mobilen Visualisierung der 1990er-Jahre fortsetzen, erzeugen durch ihre Netzrealität erheblichen Druck auf die öffentlichen und privaten Universitäten. Wo findet Wissensgenerierung statt? Welche Kontroll- und Referenzregeln werden dabei verwendet? Gibt es bereits globale Strukturen, in denen Informationen in Erkennen und in dessen Formierung als Wissen übergehen? Könnte es sein, dass Anwendbarkeit und Projektfähigkeit eine viel größere Herausforderung der Fächerhierarchien und Prüfungsämter darstellen als das Ende der Gutenberggalaxis? Universitäten sind schon lange nicht mehr Herr oder Dame im >Haus des Wissens(. Erkennbar ist ein Souveränitätsverlust neuer Art: Er betrifft nicht mehr die Menge

Universität - Next Generation

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oder Verbreitung von wissensfähigen Informationen; er betrifft die Codierungsregeln von Wissensbedingungen, also die izulässigerx Unterscheidungs-, Deutungs-, Auswahl- und Ordnungscluster von Informationen. Gegenüber den damit einhergehenden Veränderungen nehmen sich die industriemodernen Souveränitätseinschränkungen harmlos aus. Sie bestanden • einerseits in der Durchsetzung der Produktionskategorien im akademischen Feld und reichten vom Konflikt um die technischen Akademien im 19.Jahrhundert bis zu gegenwärtigen Kämpfen um das Promotionsrecht der FHs • und andererseits bestehen sie seit geraumer Zeit in der regulativen Diskussion um die sAnwendung/Anwendbarkeit< wissenschaftlich ermöglichten Wissens. Diese Konflikte beziehen sich darauf, dass Universitäten (als soziale Systeme) Ausschlussverfahren gegen Sinnofferten codieren und koordinieren und zugleich Anschlussverfahren an die übrig gebliebenen Sinnversprechen codieren. Darin waren und sind Universitäten allen sozialen Systemen gleich. Eine Schlussfolgerung ist: Der Abbau der modernen ökonomischen, politischen und medialen Betriebssysteme erfasst selbstverständlich auch die Universitäten, die sich von klassischen zu transklassischen Systemen wandeln müssen.

Klassisch: Ihre besondere Bedeutung erhielten die universitären Codierungs-Verfahren und die Institutionen deshalb, weil die wissenschaftlichen Informationsbestände alle anderen Teilsysteme durchdringen konnten und sollten. (Tendenz: wissenschaftlich aufgeklärte oder organisierte Gesellschaft.) Allerdings stets mit der Vorgabe eines Top-Down-Verlaufes, niemals umgekehrt. Transklassisch: Gegenwärtig geschieht gerade das, was ausgeschlossen sein sollte: Im Infoverse sind Programme, Gruppen, virtuelle Systeme dabei, in die Ausschluss- und Anschlussregime einzudringen, oder, was noch schwieriger zu sein scheint, konkurrierende leistungsfähige Codierungen und Koordinierungen von Informationsströmen zu entwickeln. Die Hierarchien werden chaotisiert, fraktalisiert. Informationserzeugende und -konsumierende Universitäten stehen vor den Anforderungen, innerhalb der Produktions-, Anwendungs- und Informationsanforderun-

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Manfred Faßler

gen plausible Gründe für ihre Codierung von Ausschluss- und Anschlussverfahren zu entwickeln.

Informationsuniversitäten? Der vorhin erwähnte Ausdruck xlnformationsstr ömec bezieht sich auf vier wichtige Unterscheidungen:

• • • •

darauf, dass für die Möglichkeit, etwas erkennen und wissen zu können, nur vorsortierte Daten, also programmatisch erzeugte Muster einer kommunizierbaren Form, sprich Informationen, von Bedeutung sind, darauf, dass diese Programme grundsätzlich von jedem Informations-Anbieter entwickelt und als Marke respektive Konkurrenzvorteil angeboten werden können, z.B. als Portale, virtuelle Studiengänge etc. darauf, dass die änderungsintensiven Programm-Informations-Ketten die Bedeutung der kumulativen Praxen der Bibliotheken erheblich geschwächt haben, und schließlich darauf, dass Informationen weltweit von akademischen Institutionen >entkoppelt< sind, was dazu führt, dass diese sich in ähnlicher Weise ssuchendc und sanbietende verhalten müssen wie jeder individuelle Teilnehmer.

Informationsströme sind nach meinem Verständnis codierte Vorprogramme des Wissens. Bei ihrer Erzeugung bedienen sich die menschlich oder schaltungstechnisch automatisierten Programme anfänglich der unwillkürlichen Verbreitungsmuster vorsortierter Daten mit dem Ziel, Formoptionen, d.h. Wissens- und Handlungsoptionen setzen zu können. Wichtig für meine Überlegungen ist, dass die Programme, die für die mediale Kopplung von Wissen zuständig sind, weder nationalsprachlich noch regional-kulturell eingehegt werden können. Ihre Codierungsketten und Regien sind prinzipiell universal geworden. (Derzeit dominiert noch Netz-Englisch als Lingua Franca. Denkbar ist aber auch, dass dies nicht so bleiben wird .) Über diese Codierungsketten werden Daten in kommunikative Rohprodukte, sprich: Informationen, transformiert, werden zu Optionswaren, die zur Löschung oder Veredelung, d.h. zur Selektion und Transformation angeboten werden. Schaut man nicht genau hin, so wirken Old-School-Konzepte von Universitäten in

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diesem Vernetzungsgeschehen wie Raffinerien, in denen noch die institutionellen, nach Weisungshierarchien geordneten Regime der Vorprogramme dominieren. Das Hauptprogramm würde dann noch in der Anhäufung von Wissen bestehen. Bei näherem Hinschauen stellt sich dies in vielen Fächern sicher sehr unterschiedlich dar. So sind vor allem Naturwissenschaften, Technikwissenschaften, Informatik, aber auch Neurowissenschaften

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methodisch test-, experiment- und laborgebunden, sind die validen Forschungsergebnisse stark prozessorientiert (im Gegensatz zu selbst systemisch argumentierenden Bestandskategorien der Sozial- und Geisteswissenschaften) oder sind die Publikationsregeln auf zeitnahe, rasche Veröffentlichungen angewiesen, was die i.w.S. naturwissenschaftlichen Fächer, aber auch BWL, dazu bringt, selbstverständlich die Journal-Formate digitaler Netze zu nutzen.

Der Anderungsdruck entsteht allerdings nicht durch diesen professionellen Alltag. Vielmehr ist der Druck auf die Universitäten durch die Revision des Hauptprogramms entstanden. Es geht nicht mehr um lokale Anhäufung von Wissen, sondern um die Beteiligung an der Entwicklung und Verwendung weltweit einsetzbarer Programme zur Erzeugung von Wissen. Die zugewiesene Wissenssouveränität der Universitäten löst sich auf und damit eine Doppel-illusion. Sie bestand 1. 2.

in den herrschaftlichen Kopplungsverhältnissen von Institution und Informationund darin, diese Kopplung als exklusive Quelle dauerhaften Wissens setzen zu können.

Wissen zu ermöglichen, gehört zwar zum Kerngeschäft der Universität. Allerdings wird man anerkennen müssen, dass Wissen

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kognitionswissenschaftlich ein individueller Denkstatus und keine entpersönlichte Verfügungsmasse der Institution ist; zudem ist es an globale Kommunikationscluster gebunden, die weit über den Verfügungsrahmen universitärer Programme hinausgehen.

Dies mag eine Kränkung sein, die es zu verarbeiten gilt:

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die Einsicht, dass Universitäten nicht Wissen speichern oder exklusiv erzeugen, sondern die Programme (die Routinen und Subroutinen) der Datengruppierung und -selektion die semiotischen und semantischen Rahmenbedingungen für Beobachtungssprachen und -verfahren erzeugen, erhalten und weitergeben müssen. Betrachtet man die globalen digitalen Netzentwicklungen, sieht man ohne Anstrengung, dass öffentliche (und auch private) Universitäten in diesem Job nicht mehr allein sind. Die Prozesse, Daten in Informationen umzuwandeln, sind

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entweder weltweit kommerzialisiert, sind den öffentlich-legitimen Kontrollen traditioneller Weise entzogen oder sie bilden sich in freien Netzwerken aus.

Öffentliche Universitäten haben im Bemühen um anerkannte Verdichtungs- und Deutungsleistungen kein Monopol mehr. Die digitalisierten Programm-Märkte für Wissensentstehung sind prinzipiell offen. Die Lokalität, die Geographie des Wissens oder der Bildung, die nach wie vor gerne angerufen werden, wenn es um Bildungs-, Gründungs- oder Abwicklungspolitik geht, kann gegenüber den kinetischen Landkarten der Knoten, Hubs, Communities, der Nutzungsc1uster etc, nur wenig ausrichten, will sie denn auf der Ebene der Programmstandards und gruppenspezifischen Lern- und Anpassungsleistungen konkurrieren. Allerdings wird die personalisierbare Lokalität der Universitäten dann gewinnen können, wenn ungebundene, d.h, von Projekten und Profession freie Programmchroniken und Programmlogiken angeboten werden. Wir stehen zunehmend gerade seitens der Netzentwicklungen vor der Frage, wie Zusammenhänge, Wechselwirkungen, Dynamiken etc. systemisch sausseherx, d.h. nicht im Geschäft der Differenzierung und Entscheidung, sondern im Blick auf das Vorhaben, in dem Schaltungszuständen und Transformationsketten jene Funktion bzw. Bedeutung zukommt, die wir ja erleben, auf die wir reagieren. Diese Frage richtet sich auf das, was als >Sinn< systemischer Prozesse bezeichnet wird. Dieser >Sinn< ist bei Universitäten nicht mehr im Ausgleichen des Gegensatzes von >Wissenskumulation< und moch nicht Erkanntem: zu sehen. Er besteht in den plausiblen Angeboten von angepasstem Sinn und Modellen flexibler Sinnsetzung. Jeder Einzelne in diesem institutionellen Rahmen wird damit nur umgehen können, wenn er oder sie eine spezifische Erzählweise des Erkennens, ein spezifisches Programm damit verbinden kann. Informationsuniversitäten werden nur dann am informationeilen Weltgeschehen teilnehmen, wenn Lehrende, Forschende, Lernende zusammen Selektions- und Erklärungsprogramme entwickeln und anbieten, Form-

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optionen von Wissen erfinden und in die Testfelder möglicher Zusammenhänge einbringen. D.h., sie müssen neue Facherzählungen entwickeln, deren Fokus die kooperative Erzeugung und Verwendung von Daten ist.

Netzhumanismus Das einige Jahrhunderte alte Versprechen der sich selbst erklärenden wissenschaftlichen Forschung und der damit verbundenen szugelassenen, Denkfreiheiten hatte sich für Europa aus dem Renaissance-Humanismus und dem Wesen Mensch ergeben. Maßstäbe waren die Typographie der Verständigung, also buchstäbliches Wissen, ebensolche Wahrheiten und Weltanspruch. Die Empirien haben sich geändert: Heute sollten wir von globalem Netzhumanismus, von informationeller und multimedialer Intelligenz sprechen, von Nano- und Femtosekundenrealitäten, von Daten, die die Welt nicht braucht, und Welten, die noch gar nicht bei den Daten angekommen sind. Hierauf werde ich etwas näher eingehen: auf die Welten, die als Modellvorstellungen zur Gruppierung und Nutzung von Daten, also als Interpretamente zur Erzeugung von Informationen eingesetzt werden könnten und müssten. Es sind diese Welten, oder anders gesagt: die immer wieder neu zusammenzusetzenden Realitätsmodelle, mit denen Forschung und Theoriebildung versuchen muss, den Datenströmen Kanäle, Selektionsweisen, Regelsysteme entgegenzuhalten. Aber dies bedeutet dann auch: Aufklärung 2.0, Aufklärung unterhalb der Wesentlichkeit des Menschen, Aufklärung anhand des Unwesentlichen (Gregory Bateson), des Un-jekts (peter Fuchs), der Exformation (Vilem Flusser), also der Programme, durch die und in denen Daten zu Informationen gemacht werden können. Wir befinden uns - aus meiner Sicht - in der Phase, in der universitäres Wissen auf Information umgestellt wird, in der also Modelle und Fächer entwickelt werden, die sich mit theoriegeleiteten Experimenten, mit unsinnlichen Informationen befassen müssen, ob in der Bioinformatik, der Quantenphysik, der Informatik, der Neurowissenschaften, der Neuroökonomie, der Anthropologie des Medialen o.Ä. Diese Entwicklungen von Nano-Mikro-Bio-Techno-Astro werden andere Universitäten erzeugen, erzwingen.

Von der Magie der Gemeinschaft zur Magie des Marktes Wissen wurde über 1000 Jahre in einer magischen Gemeinschaftsform gehalten: universitas. Spätestens mit der Gründung der Universität Bologna im Jahr 1088, gehört diese zum institutionellen Körper Europas.

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Gebunden an geschlossene Systeme, entstand geschlossenes, systematisch vollständiges, ordnungsbestimmtes und ordnungsbestimmendes Wissen. Es war ein Dispositiv klerikaler und politischer Macht. Mit der Industrialisierung lockerte sich dies etwas; aber der Textcorpus und der Institutionscorpus blieben symbiotisch. Es gab keine Abstoßreaktion. Nun sind schon geraume Zeiten etliche Informations- und Datenbestände weder an Text noch an sinnliche Dinge und Gegenständlichkeit gebunden:

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die Mikro- und Teleskope der Renaissance, die Elektrizität des frühen 19. Jahrhunderts, die Telepräsenz der Morsezeichen oder die Lichtschriften talbotscher oder daguerrscher Fotografie; Röntgens Strahlenbilder oder atomphysikalische Bilder zerlegten bereits die Ding-Wissensachse.

Was sie nicht berührten, war allerdings der monopolistische Wissensgestus der Universität. Es war jene magische Gemeinschaftsform, gebaut aus Vollkommenheits-Theologie, Vollständigkeitsideologie, Weltbestand und Textbestand, Institution und regulativer Lehr-, Erhaltungs- und Verbreitungsordnung, verbunden mit modernem teleologischen Fortschrittsverlangen, die nicht zerstörbar schien. Zuviel regulative Macht hing an der aggressiven, gleichwohl fruchtbaren Setzung des typographischen Universums. Wenn Experiment, Erfahrungen, Tests und Kritiken in der Form des buchstäblichen Wissens abgelegt waren, schien man im Vorhof von Arkadien angelangt zu sein. Aber eben jener Terminus der Wissensgesellschaft, durch den unterscheiden, erkennen und wissen zum Breitensport mit Spitzenförderung ausgerufen werden, zerlegt das Akkumulations- und Verbreitungsmonopol der Universität in etliche Einzelteileallerdings mit den alten Instrumenten und alten Ergebnissen. Mir ist nicht klar, wie man weiter sicher im Gestus des politisch-wirtschaftlich-universitären Komplexes von Wissensgesellschaft reden kann, wo doch Global Digital Oppportunity und Global Knowledge Opportunity markieren, dass die Übergänge in eine hochgradig vernetzte Dynamik digitaler Dauerpräsenz von wissensfähigen Informationen nicht nur schon längst erfolgt sind. Die damit verbundenen Dynamiken sind nicht aufzuhalten. Die globalen Selektions- und Regelungsdefizite in den Informationsströmen bedürfen nicht nationaler Institutionen, sondern grundständig veränderter Denk-, Entscheidungs- und Projektstrukturen.

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Darauf komme ich noch zurück. Globale, zeitintensive Wettbewerbsareale sind programmiert und programmieren sich ständig um. In ihnen herrscht mediamorphe Kommunikation vor. Sie ist informationsintensiv und -sensitiv, interaktiv, vernetzt, flexibilisiert. In ihnen stehen Communities of Projects gegen Institution. Wir befinden uns, vermutlich seit der Durchsetzung von www, schon jenseits einer postmonopolen und post-institutionellen Wissensstruktur: nämlich in fusionierten Habitaten, die durch Daten- und Informationsströme entstehen und sich erhalten und Wissensentstehung als selbstbezügliche Programmentwicklung praktizieren und praktizieren müssen. Sie haben eigene Publikationsregeln, eigene Aufmerksamkeitsund Wahrheitsökonomien, eigene Archive, Caches, Blogs, Wikis, Communities, Serious Games entwickelt.

Stunde der globalen Projekt-Eliten Mit dem Titel »Universität - Next Generation« übernehme ich bewusst den gegenwärtigen Sprachgebrauch xlntemet Next Generation: oder >WEB Next Generationc Ich mache dies, um nicht von >Universität der Zukunfte zu sprechen, sondern von den aktuellen Bedingungen von Universität als Sammlungsort von kognitiven Programmen, mit deren Hilfe Informationen in ihren komplexesten Allgemeinheitsbezügen bearbeitet werden. Dokumentiert sind diese Programme in Bibliotheken, Qualifikationshierarchien, in personalisierten Funktionsgruppen und Architekturen. Der Terminus >Programm< ermöglicht es, zwischen Material, Zeichen, Erkennen und Wissen unhintergehbare Zusammenhänge zu denken, die bislang eher fachpolitisch und wissenspolitisch getrennt sind. Aber bereits der Volksmund weiß, dass >jemand strohdoofe ist, oder xlumm wie ALDI-Brot<,womit unterstellt wird, dass andere Brotsorten schlauer sind. Nun, die Markenpolitik greift da eher. Aber bleiben wir beim Thema: Stroh, d.h, Materialität, ist doof, auch Silizium. Auch die Kuhhaut wird nicht schlau dadurch, dass man viele Wörter und Sätze auf ihr hinterlässt. Nicht einmal der Mensch, der die Zeichen sieht . Denn er muss mit den Augen schauen und lesen, denken und sortieren lernen, womit wir schon im Programmuniversum sind. Dieses besteht in Unterscheidungs-, Speicher-, Erhaltungs-, Weitergabe- oder Veränderungsintelligenzen, die sich als Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit programmatisch erhalten.

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Die Programme können durch keine Materialität gesichert werden, sondern nur durch deren Verwendungsregeln, d.h. durch Kooperationen. Aus diesen Erfahrungen sind Systeme der strikten Deutung, der Interpretationsregeln entstanden. Die global vernetzten Beziehungen dieser Programmsammlungen zum Wissen sind nicht eindeutig. Ungewissheiten breiten sich aus. Die Gemütlichkeit des institutionellen Wandels, selbst die kontroverser Reformen, ist verflogen. Viele beteiligen sich an den Bestrebungen, Universität nunmehr global zu reformulieren,

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Aber sollte man Universität von Gesellschaft lösen, deren industrielle, mediale und administrative Betriebssysteme überholt sind? Welche Anpassung der Universitäten ist gemeint? Woran anpassen?

Die Stunde der Wahrheit, von der Peter Weingart sprach, ist keine Stunde Null, keine Chance auf einen kompletten Neuanfang, sondern ein Umbau bei laufenden Prozessen. Und welche sollte man berücksichtigen? Weltweite Neugründungen von Universitäten, globale Vernetzungen, unübersehbare Datenströme? Sollten wir beginnen, Daten- und Informationswohlstand als Defizit zu begreifen, als Regelungs- und Selektionsarmut? Lägen die Wege, diese Armut zu bekämpfen in neuen Themen- und Regelungssetzungen? Wer sollte dies vornehmen: informationell intelligente Weltklassen? Info-Eliten? Es hat den Anschein, dass situative, lösungsorientierte, aktuelle Projekte das neue globale Format der Informationsnutzung darstellen . Es entstehen, wie ich es nannte, Communities of Projects, die nicht nur zu einzelmenschlichen Biographisierungen von Netzleben und Netzarbeiten führen. Sie erzeugen kurzzeitige Wissensgemeinschaften:

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nicht magisch, aber als Markt, nicht institutionell, sondern als neue Währung in weltweiten Anpassungs- und Innovationsökonomien.

Folge: Absorptionsfähige Universitäten In diesem Konkurrenzfeld entdeckten viele Universitäts-Leitungen zunächst die Notwendigkeit eines >Image< und den späteren Bedarf an Corporate Identity. Nur, für die Anpassungs- und Innovationsökonomien geht es nicht um irgendein farbliches, standortpolitisches Alleinstellungsmerkmal. Die Anforderungen gehen in Richtung

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Net Identity. Dies ist das Feld der neuen Magie: das Versprechen, gezielt, produktiv, anpassungsreich, thematisch präzise Informationen absorbieren zu können, sie in spezifische Erkenntnisprozesse und Anwendungsformate zu übersetzen, um schließlich wieder informationsfähige Innovationen zu erzeugen - ob nun als inkrementale oder substantielle Innovationen. Absorption, Kooperation und Angebote von Information sind sozusagen die Währungseinheiten dieser Prozesse. Wissen lässt sich unter diesen Gedanken nicht mehr institutionell reduzieren. Es ist in einer überraschenden Weise strikt individualisiert. Nehmen wir an, dass Wissen eine systemisch anerkannte Fähigkeit des einzelnen Menschen ist, gegenständlich-sachliche Modelle, begrifflich-abstrakte Erklärungsordnungen, Berechnungs- oder Bedeutungsverfahren aufeinander beziehen zu können, um sie zu bestätigen, zu verändern, neue Modelle, Verfahren, Ordnungen - also Programme zu entwerfen, so sind diese Fähigkeiten durch die Programmsammlungen der Universitäten nicht garantiert. In meinem Vortrag werde ich nicht auf diese kognitionswissenschaftlich spannende Frage des Erlernens von Programmen eingehen, die die Menschen zu wissenschaftlichem Wissen befähigen - obwoW es mich in den Fingern juckt. Ich wende die Frage etwas anders: Werden in und für Universitäten solche Programme (Theorien, Heuristiken, Methodiken, Lehrpläne) entwickelt, die den ständig neu zusammengesetzten Allgemeinheitsbezügen entsprechen? Derzeit erleben und praktizieren wir die Ausweitung der digitalen vernetzten Felder menschlichen Tuns, Denkens und Handelns. Kommunikation, Medien, Kooperation, Partizipation und ähnliche Begriffe beschreiben einen Wirbel der Zeitordnungen, der Daten- und Informationsströme. Oft hat es den Anschein, dass nicht nur begriffliches Denken zu spät kommt - dies ist auch nicht neu. Aber gerade Universitäten scheinen dieses >zu spät< noch zu befördern. Die These ist: Universitäten müssen zunehmend absorptionsfähig sein, um die Problemstellungen, die außerhalb ihrer entwickelt werden, zeitnah aufnehmen und in einem Vormarktmodell darlegen zu können.

Mediamorph und netzwerkgekoppelt Anstelle der überlieferten politisch-institutionellen Ordnungs-Kopplung, die über den Leitsatz >Wissen ist Macht< sich legitimierte, tritt die informationsökonomische

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Netzwerk-Kopplung. Dies betrifft nicht vorrangig die Verwertbarkeit wissensfähigen Denkens, sondern den Zeitwettbewerb um Wissenserfindung und -entstehung. Das Stichwort ist dabei: Wissensgenerierung. Auf diesen Zeitwettbewerb sind aus meiner Sicht die meisten Wissenskonzepte nicht eingestellt. Sie sind in einem einfachen Sinn zu langsam. Dies aus mehreren Gründen; entweder sind sie

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an akkumulative Modelle des Wissensreichtums gebunden, an formalisierte Hierarchien gebunden, institutionell überdeterminiert, in vielen Bereichen den Zeitordnungen des Typographischen, des Buchdruckes, den Redaktions-, Verlags- und Publikationszeiten ausgeliefert oder Kollektivitäts- und Machtprinzipien von Theorieschulen verpflichtet.

Dies kann ich hier nicht ausführlich darlegen. Gleichwohl ist es hilfreich, sich die Spannungen zu vergegenwärtigen, die sich gegen diese Langsamkeit des zertifizierten Peergroup-Wissens aufbauen.

Individualisierung, Zufälle, Flexibilisierung Drei Aspekte seien hervorgehoben:

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Der erste besteht in den sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zu entkollektivierender, nachsozialer, nachsolidarischer Individualisierung, ob unter dem Ausdruck des Risikos, der Prekarisierung oder der Deregulierung. Begleitet wird dies schon seit den 1970er-Jahren von dem, was die Biographieforschung als Entstandardisierung des Berufslebens beschreibt und die Lebensstilforschung als vorläufiges Gruppenstyling kennt. Statt Kulturen des Dauerhaften also >Culture Clulx und >Style Councik Der zweite Aspekt besteht in der weitreichenden Umstrukturierung der mediengestützten Kommunikation zur medienintegrierten Kommunikation, vom Informationskonsumenten zum Informationsprosumenten. Anfänglich bewegte sich dies im Technopool der einkanaligen Sender-Empfänger-Modelle oder verkapselte sich im Modell des Schreib-Lese-Lern-Verhaltens des typographischen Universums. Engagierte Ansätze, den Rezipienten als aktiv wahrnehmenden Menschen zu entdecken, veränderten etwas. Die Umbrüche in den Medienlandschaften erfolgten mit den PCs und ihrer Vernetzung. Diese Strukturen führten neben medienintegrierter Individualkommunikation auch einen digitalen Kommunika-

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tionshabitus der >Beschleunigung< und der Zufälle ein. Er war durch maschinelle Echtzeitkommunikation möglich geworden und eröffnete eine mediamorphe Kopplung von Individualität, (synchrone und asynchrone) Eigenzeit, Zeit-Communities, globale oder lokale Kooperationen, Telepräsenz, aber auch remote control (Fernsteuerung durch Maschinencodes). Der dritte Aspekt besteht in der raschen Kommerzialisierung des Daten- und Informationsfeldes und in der ebenso raschen Ökonomisierung der Online-Habitate,

Mit guten Gründen sprechen deshalb z.B. Ulrich Beck, Michael Giesecke und Dirk Baecker von der Rückkehr des Individuums in die dynamischen Reproduktionsgeschehen globaler Gegenwarten. Zugleich aber wird der idealisierenden Hoffnung einer >großen Freihein des Individuums die Spitze genommen. Individualisierung geht einher mit einer »time of the tribes«, einer Tribalisierung, wie Maffiesoli es nannte, einer »Brasilianisierung« nach Ulrich Beck, einer Verclanung sozialer Systeme oder, wie es Peter Sloterdijk nannte: einer »Singapurisierung«, einer von Individuen hingenommenen oder anerkannten autoritären Regulierungspolitik.

High-End-Universalität, überall Für die Universitäten stellen diese Prozesse, die innerhalb von drei Jahrzehnten in dichter Reihenfolge hintereinander kamen, völlig neue Probleme dar. Es geht nun nicht mehr um die am Rande von Fachbereichsrats- oder Senats sitzungen gestellten Fragen: »Mit welcher Lerngeneration haben wir es denn jetzt zu tun? Mit welchen Sozialisationsdefiziten? Wie können wir das didaktisch, pädagogisch auffangen?« Die Antworten waren meist Ratlosigkeit, Muddling Through oder Fatalismus. Die Ratlosigkeit, die uns derzeit umtreibt, besteht darin, dass wir in einer Begründungs-, Erklärungs- und Legitimationskrise wissenschaftlich-institutionellen Wissens stehen. Sie ist nicht existentiell (zumindest noch nicht), da gerade die Mittelbauten der Universitäten in zunehmend mehr Fachbereichen sich in den digitalen Räumen der Weltkommunikation bewegen. Zudem stellen sich viele Universitäten dem Applikationsideal der E-Readyness. Allerdings fehlen Konzepte und die Finanzierung des offenen E-Research und der entsprechenden Begleitforschungen zum Aufbau medienintegrierten multisensorischen und heterarchischen Wissens. Zwar ist Blended Learning in das Portfolio der Universitäten aufgenommen. Auch wird über netzgestützten Vertrieb des Wissens, über Wissenstransferleistungen etc. nachgedacht. Aus meiner Sicht fehlt es aber an ausdrücklich studien- und forschungsbezogenen Kon-

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zepten vernetzter Universitäten, die grundsätzlich von globalen Informationsströmen und Selektionsregeln ausgehen, wobei global in diesem Fall heißt: offene partizipatorische Netzwerke mit High-End-Arbeitsflächen in Garagen, Bahnhöfen, Instituten, Kantinen, Universitäten, Wirtschaftsunternehmen.

Informationelle Ich-AGs, gebrauchswertes Wissen Für manche sieht es so aus, als würde dadurch das bestandsgebundene Akkumulationsmodell des universitären Wissens auf das zirkuläre, momentane Akkumulationsmodell von Kapitalen umorientiert - und damit der klassischen institutionellen Kontrolle entzogen. Kevin Kelly hat diesen Prozess für verschiedene Wissens- und Forschungsbereiche in »Escape Velocity« einprägsam dargestellt. Wissen wird kurzzeitiges, vorübergehendes Wissen, informations- und theoriegeleitetes Wissen. Die Denkweise )Wissen< ist ständig den Selektionsregeln der Anwendung, der Absorption oder der Falsifikation unterstellt. Aus meiner Sicht ist durch die medientechnologische und die daten-kapitallogische Reformulierung von Wissen als Zwischenprodukt wahrnehmend-reflexiver Informationsnutzung längst der competitive point of diJJerence in jede Wissensregel eingefügt. Nicht die vollständigen Gedankensysteme konkurrieren, sondern die architektonischen Einzelelemente. Die Erwartung, dass es nicht um Wissen als Ware geht, sondern um die frühzeitige und erfolgreiche Konstruktion des studierenden Individuums als informationelle Ich-AG, gewinnt langsam an Kontur. Und diese sieht nicht immer )gut< aus. Die Strukturen des BA/MA-Unternehmens, das sich die europäischen Universitäten flächendeckend vorgenommen haben, führen nicht nur zu enormen Workloads bei Studierenden und zu administrativen und prüfungstechnischen Daueranstrengungen bei Lehrenden. Die wissenschaftlich-wirtschaftlichen Anwendungsökonomien für so geschultes Personal sind unklar. Dabei geht es nicht darum zu sagen: »Dieses Wissen brauchst Du noch in 10 Jahren. Also lerne fleißig.« Abgesehen von der Unmöglichkeit derartiger Prognosen müsste es meines Erachtens um die Unterstützung bei der Entwicklung vielfältigenden, entwerfenden, experimentierenden und kooperativen Wahrnehmens und Denkens gehen. Ist uns das in den Strukturen von BA und MA möglich? Im Kerngeschäft sicher nicht! Dort prüfen wir die Studierenden eher in die kognitive Trägheit und uns in die Selbstbefriedigung durch extrem schlechte oder supergute Benotung. Aber wenn das Wissen der Zukunft eben erst in dieser, also morgen, übermorgen, an anderen Orten, in anderen Zusammenhängen entstehen wird, dann stehen die

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Universitäten vor der Anforderung, Wahrnehmung und ein Denken zu fördern und zu fordern, das begründet und methodisch nach komplexen Unterscheidungen und Entscheidungen suchen kann, nach kooperativen Bindungen in Projekten. Es mangelt an der Fähigkeit, Projekte zu denken sowie daran, Denken zu projektieren. Wirtschaftsvertreter, die sich gerne im nörgeligen Gestus auf sfehlende Berufsfeldbezüge< berufen, sollten auch ehrlich genug sein zu sagen, dass sie selbst nicht wissen, wie ihr Berufsfeld in zwei Jahren aussehen wird. Ihr Job bestünde darin, jene prozesslogischen Kenntnisse zu formulieren, die erforderlich sind und die im universitären Ausbildungsgang eventuell auch berücksichtigt werden könnten. Nun, meistens kennen sie diese selbst nicht. Offene Kooperationen wären dafür sehr angebracht.

Unterscheidungs-, Zusammenhangs- und Entscheidungsfähigkeit als Marke Universitäten werden sich um Wissen als Denkweisen kümmern müssen, die weltweit einsetzbar sind. Db. es geht um Entwicklung, Stützung und Förderung von Fragestilen, Frageweisen, der engen Bindung von medialer Erfahrung, Computer Literacy, Wahrnehmung und Denken. Universitäten müssen sich um Wahrnehmungs-, Selektions-, Deutungsprogramme kümmern, um mentale Routinen. Dh, es geht auch bei Universitäten um die Transformation der medialen Präsenz und Verkörperung von Informationen. Informationen werden in den digitalen Räumen als wissensbefähigende Pogramme angeboten. Umso wichtiger wird es werden, wissenschaftliche Selektions- und Deutungsprogramme zu ermöglichen, um fachlich (und vielleicht auch lokal) auf die globalen (zum Teil gerade fachlich nicht vorsortierten) Informationsströme eingehen zu können. (In diesem Kontext ist auch die Beobachtung zu sehen, dass im deutschen Wikipedia die Präsenz von Wissenschaftlern als Autoren kärglich ist.) Wir erleben demnach seit geraumer Zeit nicht nur eine rasante Relativierung des monopolförmigen akademischen Binnenmarktes, der durch die Institutionalisierungs- und Minderheitspolitiken der zurückliegenden Jahrhunderte bestimmt war. Unis, FHs und Akademien >produzieren< zunehmend für externe Abnehmer. Wir erleben und gestalten zudem einen globalen Wettlauf um die Entwicklung und Setzung weltweit einsetzbarer kognitiver Programme, Programme medial-wissenschaftlicher Kompetenzen, anonym-wissenschaftlicher Kooperationen oder universitärer Telepräsenz. Die Forderungen nach sInternationalisierung des Studiums, hingegen setzen auf Präsenzstudien und sind an die Mobilitätsbereitschaft des Einzelnen adressiert. So verändert sich >Wissen als Markee zu -Denkfähigkeit als Markec

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Dieser Shift ist hat es in sich, denn er zeigt an, dass nicht nur die individuellen Ebenen des >Systems Wissen< umgestaltet werden, wie gerade angesprochen. Das systemische Design wissenschaftlichen Wissens wird neu gruppiert: Das institutionelle, typographische, curricular und weihe- respektive prüfungstechnisch hierarchisierte Systemdesign sieht sich zunehmend komplexeren und komplexer verschalteten Programmen, digitalen Netzwerken, unberufenen und ungeprüften Kennern und Wissenden gegenüber. Dies betrifft nicht nur online angebotene Referate, Hilfen, Hausarbeiten, auf PowerPoint aufbauende Publikations- und Darstellungsformate, Digital Storytelling oder das von IBM protegierte Pechacucha. Es betrifft vor allem die Zeit- und Referenzökonomien von Erfahrung, Partizipation, Kenntnis und Wissen. Zunehmend mehr Wissen >geschieht< in Projekten und durch die Biographisierung von Projektteilnahme, von virtueller Spielführerschaft und globaler Präsenz.

Neue Perspektiven, aber bitte keine neue Renaissance Der »Renaissance des Bildungsgedankens« werde im »Zeitalter von Netzwerken, Virtualisierung und Fernkommunikation ein neuer physischer Raum gegeben für das gemeinsame Lösen von Problemen«, schwärmt die Homepage der Leuphana Universität für die »Zivilgese11schaft des 21. Jahrhunderts«, also die Uni Lüneburg. Darunter sollte man es auch nicht tun, weder unter diesem Bildungs-Anspruch, noch unter den architektonischen Möglichkeiten, z.B, beim Neubau einzelner Universitätsgebäude auf einen Architekten wie Libeskind zuzugehen. Nun hat nicht jeder die Idee, Libeskind anzuwerben. Dass die Architekturen der Universitäten in den seltensten Fällen auf >Lernästhetik< der Informationsgesellschaft setzen, sondern den Bezug zu Wissen und Forschung immer noch zwischen

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Natursteinverplattung, Efeu, Repräsentationsbauten (Neubauten der Frankfurter Uni Campus Westend), vermeintlichem Demokratie-Industrierealismus im Lager- oder Bürohausimage (Bochum) oder dem Großbetrieb Universität (Bie1efe1d)

suchen, ist bekannt wie schmerzlich . - Letzteres vor allem für jemanden, der sich an den guten oder schlechten Versuchen von audiovisueller Netzpräsenz von Informationen und Wissensversprechungen erfreut und danach fragt, warum die Natur- oder die Verwaltungshermetik der Gebäude in vielen deutschen Universitäten noch dominiert. - Die Vorstellungen über die Heimat wissenschaftlichen Wissens sind unsi-

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cherer geworden. Die Verlegung in das 21. Jahrhundert ist aus der Sicht vielf:i.ltiger Zeitbezüge völlig richtig. Aber die angepeilten Zeithorizonte sind noch keine klaren wissenschaftlichen oder wissenspolitischen Perspektiven. So merkt Hans Mohr in »Wissen: Prinzip und Ressource« (1999) zu Recht an: »Der Stellenwert der Wissenschaft in Gesellschaft ist gefährdet., und die von der Verfassung gewährte >Freiheit der Forschung< ist in Frage gestellt. Nur solange die Menschen im Lande gute Gründe haben, an einen engen Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Wohlfahrt zu glauben, Wissenschaft als Vehikel des Wohlstands zu begreifen, werden sie eine autonome, auf Erkenntnis zielende Wissenschaft gewähren lassen und sie angemessen unterstützen.« (Ebd.: 32) Mohr geht es letztlich um die Spielräume einer Forschungsgesellschaft, deren Grundlegung in den sozial organisierten Interessen an Erkenntnis, d.h. Interessen an Regeln und erklärenden und anwendbaren Gesetzmäßigkeiten erfolgt. Erfolge wissenschaftlichen Wissens und Vertrauen in dieses (Wissen und diese Erfolge) schreibt er groß. Man muss sich darauf verlassen können. Die Beispiele, die er einbringt., stellen eine enge Beziehung von naturwissenschaftlich erkannten Gesetzmäßigkeiten und vertrauensbildender Anwendung her, nach der Logik des quod erat demonstrandum, was zu beweisen war. Spätestens seit der Atomphysik, der Kybernetik, der Informatik und der Genetik verschwinden Erkenntnisprozesse für eine längere Zeit im sinnlich-materiell Unbeobachtbaren, in den zunehmend technogenen und mediamorphen Prozessen. Es sind keine Inkubationszeiten, keine Reifungsprozesse irgendwelcher Gedanken im Spiel. Welt stellt sich nicht nur als technologisierte Welt der Automobilität, der Küchengeräte, der Flugsimulatoren oder Bankautomaten dar. Gegenständliches Geschehen ist zunehmend rückbezogen auf unerfahrbare Schaltungswelten, auf in ihrer Komplexität nicht zwischenmenschlich kommunizierbare interaktive Programmnetzwerke. D.h. zwischen die klassische Koalition aus Gesetzen (Natur- oder Sozial- oder Kulturgesetze) und gerätetechnischen und organisatorischen Beweisen, dass Mensch sie srichtigc erklärt und anwendungsfähig verstanden hat, tritt die Einsicht: Unter/hinter/ in jeder Oberfläche brodelt es. Nur was?

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Dies zu beantworten, sind Wissenschaften in systemischer Weise gefragt, d.h. sie müssen sich auf ihre eigenen Erkenntnis-, Labor- und Verallgemeinerungsverfahren beziehen können, um wirklich >fit für die Zukunft< sein zu können.

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Umgekehrt müssen soziale Systeme, die sich Wissenschaften leisten, zunehmend mehr in das Entstehungswissen investieren, als sich auf die Geltung anwendbarer Wissenschaft zu verlassen.

Damit bestreite ich nicht, dass die von uns Menschen künstlich aufgebaute Welt auf »gesichertem Wissen (reliable knowledge) der Wissenschaft und dem darauf aufbauenden konstruktiven Denken der Ingenieure« (ebd.: 33) beruht. Gibt es Katastrophen wie Zugunglüeke, Flugzeugabstürze, den Kollaps eines AK.\v, werden menschliches Versagen, Ermüdung des Materials, Kettenreaktion 0.A. angeführt. Dies trifft bestimmte Prozessbereiche. Was aber, wenn der Kollaps in den Anwendungs-Programmen enthalten ist? Was, wenn selbstreferentiell geordnete Informationen und Erkenntnis nicht mehr auf eine gestalterisch-stabile Außenwelt gerichtet sind, also nicht mehr in irgendeiner Assistentenfunktion xler Natur< auftreten, sondern eine Eigenwelt sind, mit starken informationellen Binnendynamiken und Gesetzen - als epigenetisches oder koevolutionäres Universum? Wir benötigen Universitäten, die mit dem Selbstverständnis weltweit auftreten: Bei uns lernen Sie, mit Künstlichkeit zu kooperieren und zu leben. Aber Skepsis ist angesagt, gerade in Deutschland. »Wir bilden vorrangig Humankapital für gestern.« (Ebd.: 120) Humankapital ist im makroökonomischen Sinn die wirtschaftlich nutzbare Qualifikation einer Bevölkerung. Eine breit angelegte Politik zugunsten von Verbundforschung im vorwettbewerblichen Raum, von Innovationsnetzwerken, von breiter Offensive gegen die Technikaversionen ist dringend. Wer betreibt sie?

Architekturen von Denkweisen Die Dynamiken neuer, überraschender, offener und projektgebundener Suche nach wissensfähigen Informationen liefern so viel räumliches Spiel (siehe z.B. Second Life) um Charaktere und nicht um Fenster, Mauern, Türen und ermächtigte Gebäude, dass der Gestus der exklusiven, arbeitsreichen oder auch fundamentalen Wahrheit, der in vielen realen Gebäuden auftritt, eher szurück-« als sin die Zukunft weistc Nun mag ich mich nicht auf die Architektur-Schulenstreits einlassen, obwohl ich nicht verhehle, dass die Denkanstöße von Libeskind, Saha Hadid und Coop Himmelb(l)au mir näher am ästhetischen Geschehen der Umformulierung von Weltbezügen sind als manch anderer. Neben den Architekturen der Gebäude steht allerdings die Frage nach den Architekturen der Denkweisen, die vermittelt werden sollen, die in diesen realen

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»H äusern des Wissens«, um einen Titel von Jürgen Mittelstraß zu zitieren, letztlich nur Zwischenstationen finden können und ansonsten längst z.B. als mediale Intelligenz zum Erbe der Menschheit geworden sind. Mit der Rede von der Architektur der Denkweisen, von medialer Intelligenz und Erbe der Menschheit stelle ich nicht die national-regionalen Anstrengungen in Abrede, vorzeigbare >Wissens schmiedene oder >Zentren der Exzellenz: zu fordern und zu fördern. Versteht man diese als Bemühungen, an den globalen Standards der Wissensentwicklung teilnehmen zu können, so stellen sich dennoch zwei weitere Fragen:

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Ist dabei berücksichtigt, dass die Informationsströme, aus denen eventuell mit bestimmten Heuristiken, Denkregeln und Kommunikationsregimen Wissen generiert werden kann, globalen, sofortigen, interaktiv-selektiven Prozessen zugehören, denen Universitäten nie und nimmer >gerecht< werden können? Ist dabei auch berücksichtigt, dass es nicht mehr um das kleine, feine Labor am Ende des Ganges geht, sondern die Netzbasis der Forschungen und deren digitale Regeln längst die Welt zum Labor gemacht hat?

Hier ist für mich eher interessant, ob die lokalen Universitäten den zivilgesellschaftliehen, global-zivilisatorischen oder netz-universalen Charakter der >Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden, (noch) ermöglichen, oder ob dieser in eine ParallelUniversitas auszuwandern begonnen hat: in die Strukturen

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der Online-Realitäten technogener Datengewinnung, gruppenspezifischer (durch z.B. aus Forschungen entstehende Interpretamente von Daten) oder unternehmerischer (Datamining) Informationsaufbereitung oder in Strukturen kooperativer, anonym-solidarischer Unterstützung bei OnlineLernprozessen?

Informationskonsum verändert schneller als die Institutionen Es ist mir klar: Das sind eine Menge Großworte, die näherer technologischer und medialer Beschreibung bedürfen. Ich verzichte zunächst darauf. Sie geben kaum einen Eindruck darüber wieder, wie weitreichend bereits die Veränderungen der epistemisehen Landschaften durch Visualisierungen von handlungsleitenden Erkenntnissen (in Medizin, Hirn- und Weltraumforschung), von Neuroökonomie, Ökologie, Serious Games und Edutainment gediehen ist. Noch geben sie einen Eindruck davon, wie sich der kommunikative Status von Schriften und Texten im Netz (siehe Wiki-Sprach-

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listen und automatisierte Übersetzung), aber vor allem Texte für Bildschirme verändert haben, wie sehr die Zeitformate der Präsenz und Präsentation die Darstellung von Erkanntem oder Bekanntem veränderten. Nicht die Sinne haben sich verändert, nicht die Physiologien, sondern die sinnlich oder epistemisch präsenten Welten. Am Bildschirm unterscheide ich anders als an der Straßenecke, beim Hacking unterscheide ich anders als bei einer zu beauftragenden Google-Suche. Global hat sich das Monitoring der Gehirne durch die um- und informierten Mitwelten verändert. Mit ihnen verändern sich die Arten, Themen, Instrumente, Zielsetzungen von Beobachtungen. Wissenschaftlich stehen wir weltweiten Veränderungen im Aufbau, der zeitlichen, räumlichen Kooperation und Arbeitsteilung, der Interaktivität, der Präsenzregeln und der Aufmerksamkeitsökonomien von Lernen, Erkennen und Wissen gegenüber, für die nicht nur die entsprechend auffordernde Architektur zu debattieren und zu bauen ist, sondern für die neue zeitökonomische, komplexitätstheoretische, prozesswissenschaftliche Konzepte für die Entstehung von Wissen in cyber-lokalen Zusammenhängen ausstehen. In der Tat sind die Liegenschaften der Universitäten, so attraktiv sie auch sind, so stark sie als Sticky Knowledge Places wirken mögen und begeistern, nicht mehr ohne die Cybernetic Localisms, ohne die kinetischen Landkarten der Datenströme, der HUB-Aktivitäten, der Serververteilungen oder der geographischen Netzdichten zu beschreiben. Das wohl Irritierendste daran ist: Für die privaten, aus den Konsumtionsfonds der Familien weltweit gezahlten Vernetzungen ist keinerlei öffentliche Planung möglich. Hierbei sind Neugier, Bildungsvorteil, Anschlussfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Konsumlust von Spielen, Unterhaltung, Edutainment, Informationsbedarf und Informationsinteresse, Experimentierlust und Wettbewerbe, Communities im Spiel. Individueller Konsum von Informationen ist die Ressource der Veränderung. Damit wende ich mich gegen den Redenklassiker: >Wissen ist unsere wichtigste Ressource«

Wissen ist keine Ressource Die Universität ist seit einigen Jahren mein Hauptarbeitgeber, oder ist es doch eher das Land Hessen, oder der Bund? Meine Arbeit besteht in wissenschaftlicher Ausbildung, sogenannter wissenschaftlicher Selbstverwaltung, individueller Forschung oder solcher im Verbund, Publikationen, Kooperationen und einigem mehr. Schaue ich meinen Arbeitsalltag an, so besteht er aus E-Mails, über die ich meine Sekretärin ent-

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laste, in Arbeitskontakten über das Netz (thematisch) oder real im Netz, über Konferenz- und Reisevorbereitungen im Netz, im Schreiben am Computer, Formatieren von Texten, lustlos vorbereiteten PowerPoint-Präsentationen, Anlegen von DatenFiles auf Festplatten, externen Speichern, USB-Sticks, lustvollem Umschneiden von digitalen Bildern, in realen Seminaren und vireal zugeschickten Hausarbeiten oder Referatstexten, in Formaten des E-Learnings und Bestrebungen, E-Research bei Kollegen plausibel zu machen, ... aber er besteht auch darin, dass ich nicht mehr weiß, welche Datei auf welchem USB-Stick gelistet ist, dass ich herumsuche, bei alten Dateien hängen bleibe oder mich auch daran erinnere, dass ich die Datei gelöscht habe, nach dem Prinzip: Nur der neue Text zählt, späterer Ärger inklusive ... Die Virealität ist also geläufig, auch bei etlichen Kolleginnen und Kollegen, selten high-end- und schon gar nicht IPv6-fähig. Vorrangig möchte ich diesen Aspekt auch nicht behandeln, obwohl eine Menge Sprengkraft in der Tatsache steckt, dass Deutschland im EU-Vergleich der Netznutzungsentwicklung zurückgefallen ist und das IT-Ranking der Universitäten nicht nur Extreme offenbart, z.B. wenn die Uni Tübingen 1.000 Vorlesungen im Netz hat, es aber an der Uni Frankfurt schwierig ist, audiovisuelle Speicherungen der Lehrenden vorzunehmen, sondern auch innerhalb der Universitäten die Täler zwischen Betriebswirtschaftslehre, Medizin, Jura, Philosophie oder Sprachwissenschaften noch sehr tief sind. Mir geht es heute um die Frage, ob der Streit um die Entwicklungsfähigkeit der Universitäten richtig geführt wird mit der von Altbundespräsident Roman Herzog bis in die Wissensforschung hinein vertretene These: »Wissen ist eine Ressource«, und vor allem, es sei dies in erster Linie als eine >nachwachsende<, also zu pflegende Ressource. Abgesehen davon, dass damit Wissen über die ökonomisch-konkurrenzfähige Dimension bestimmt wird, was immerhin eine klare Position ist und insofern hilfreich, ist die Aussage irreführend.

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Denn ginge es um Pflege der Entwicklungsbedingungen von >Wissen<, müsste entweder die einzelmensch1iche Wahrnehmung mit einem Pflegegeld (allerdings ohne Pflegeversicherung) versehen werden, oder die Orte, an denen die Pflege stattfinden sollte, müssten Universalmittel erhalten. Ginge es um Wissensressource als Humanressource, sollte die Wirtschaft klar formulieren können, welches Wissen sie denn morgen, übermorgen, kommendes Jahr oder in den F&E-Bereichen benötigen wird. Berücksichtigen wir, dass 80 % der in 5 Jahren relevanten Wissensfelder globalen Wirtschaftens heute nicht bekannt sind, dürfte eine prognostische Aussage schwer fallen.

2.42

•

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Geht es um den empirisch beeindruckenden sechsten Kondratieffzyklus, in dessen Verlauf die Informationswirtschaft in allen sozialen Systemen, die Computer auf sich anwenden, bereits heute mehr als 50 % des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes ausmacht, so ist das Argument: >Wissen ist eine Ressource: in einem kuriosen Sinne schicksalhaft. Denn dann geht es nicht mehr um Wissen im kanonischen oder fachlich abfragbaren Sinn.

Dann geht es um Numerosität, Computer Literacy,das Erlernen und Weiterentwickeln von visuellen Codierungen epistemischer Bereiche, um informationelle und mediale Intelligenz, um Online-Kompetenz, Blended Life, anonyme Kooperation, um die Fähigkeit, CLANs zu organisieren, neben dem Multitasking der vielen Anforderungen veränderte, neue Hierarchisierungen von Bezugssystemen zu entwickeln. Ich könnte noch weitere Bereiche anführen, meine aber, dass die Richtung schon deutlich wird.

Vom kommunikativen Multitasking zur intelligenten Hierarchisierung Fassen wir diese letztgenannten sozialen, kognitiven, technologischen und organisatorischen Fähigkeiten zusammen, so geht es bei ihnen um lernende Anpassung, um die koevolutionären Fähigkeiten jedes einzelnen Menschen, auf veränderte Mitwelten verändernd, d.h, sich und die Mitwelt verändernd zu reagieren. Solange es um individuelle Muster geht, sind diese Interreaktionen erfahrungsgebunden. Ihre Klugheit ist die der bereits komplex vermittelten und in komplexe Sttukturen integrierten denkenden Wahrnehmung. Hierum kann es in Universitäten nicht vorrangig gehen, aus mindestens zwei Gründen:

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Der erste ergibt sich daraus, dass die angesprochenen Fähigkeiten und Fertigkeiten schon von der WWW-, Blog-, Woo- und Second-Life-Generation von Kindesbeinen auf erlernt werden und zum kommunikativen Multitasking der informationellen Netzwelten gehören. Der zweite ergibt sich daraus, dass es in universitären Prozessen eben nicht um Multitasking, sondern um Hierarchisierung geht, um die Ansprüche von größeren Reichweiten einmaliger oder mehrmalig bestätigter Ergebnisse, seien diese material-empirisch oder programmlogisch-empirisch.

Gerade deshalb: Wenn Universitäten auf die individuell mitgebrachten Fähigkeiten nicht bestätigend reagieren können oder sie nicht fordern, verlieren sie ihre Legitimation durch le-

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bensgeschichtliche Anschlusslosigkeit. (Warum sollte ich studieren?, lautet dann die legitime Frage.) Dies ist die eine Seite. Die andere besteht darin, dass Universitäten durch ihre Schulung des Denkens etwas anbieten können, das im seriellen Multitasking täglicher Netznutzung kaum möglich ist: das Einüben von Hierarchisierungs-Kompetenz als Fähigkeit und Recht, diese vorzunehmen, was die Voraussetzung ist für die Glaubwürdigkeit und Anerkennung der Ergebnisse. D.h. die Fähigkeit, den Programmwelten die eigene Differenzierungsgeschichte entgegenhalten zu können, Quelle hinreichend komplexer Unterscheidungsleistungen und entsprechender Informationen werden zu können. Universitäten stehen allerdings auch in Hierarchisierungs-Konkurrenz. Weltweit sind Creative Classes (Richard Florida) entstanden. Diese wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen kreativen Klassen sind dabei, den >Mode 2< der Wissenserzeugung zu überwinden.

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Mode 1 bestand in der strikten Disziplinordnung; Mode 2 besteht in disziplin- und praxisübergreifenden Kooperationen. Mode 3 der Wissensgenerierung besteht in der globalen Codierung von informatione11en Wissensprogrammen, die in verschiedensten Bereichen aktiviert werden können.

Abschlussfrage: Sind die Universitäten auf diese Super-Helix von kreativen Klassen in Wirtschaft, wissenschaftlich-technologischen Prozessen im künstlerischen Feld und privatem High-End-Konsum von Informationen vorbereitet?

Literatur Barabäsi, Albert-Laszlo (2002): Linked: The New Science of Networks, Cambridge, MA: Basic Books. Bayer, Hans Christian von (2005): Das informative Universum. Das neue Wdtbild der Physik, München: Beck. Dennis, Alan R./Valacich,Joseph S. (1999): Rethinking Media Richness: Towards a Theory of Media Synchronicity.In: Proceedings of the 3200 Hawaii International Conference on System Seiences (HICSS), 10 S. Erickson, Thomas/KeIlog, Wendy A. (2003): Knowledge Communities: Online Environments for Supporting Knowledge Management and its Social Context. In: Ackermann, Mark et al. (Hg.): Sharing Expertise: Beyond Knowledge Management, Cambridge, MA: The MIT Press, 299-326.

2.44

Manfred Faßler

Favre-Bulle, Bernard (2001): Information und Zusammenhang. Informationsfluss in Prozessen der Wahrnehmung, des Denkens und der Kommunikation, Wien/New York: Springer. Fidler, Roger (1997): MediaMorphosis. Understanding New Media, Thousand Oaks/London/New Delhi: Pine Forge Press. Gibbons, Michael/Limoges, Camil1e/Nowotny, He1ga/Schwartzmann, Simon/Scott, Peter/ Trow, Martin (2000): The New Production of Knowledge - The Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies,London/Thousand Oaks/New Delhi: Sage Publications. Kelly, Kevin (1997):Das Ende der Kontrolle. Die biologische Wende in Wirtschaft, Technik und Gesell-

schaft, Mannheim: Bollmann. Matthiesen, Ulf (2004): Wissen in Stadtregionen. In: Ders, (Hg.): Stadtregion und Wissen. Analysen und Plädoyers für eine wissensbasierte Stadtpolitik, Wiesbaden: VS Verlag, 11-28. Mittelstraß, Jürgen (1998):Die Häuser des Wissens, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Pinker, Steven (1998):Wie das Denken im Kopf entsteht, München: Kindler. Polanyi, Michael (1998):Personal Knowledge. Towards a Post-Critical Philosophy, London: Routledge (1958 i.o.). Stehr, Nico (2003): Wissenspolitik. Die Überwachung des Wissens, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Vogel, Matthias (2001): Medien der Vernunft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Warnecke, Hans-Jürgen (1995): Aufbruch zum fraktalen Unternehmen, Berlin/Heidelberg/New York: Springer. Weingart, Peter (2001): Die Stunde der Wahrheit? Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft, Göttingen: Velbrück Wissenschaft.

Folgerungen

Schlüsselqualifikationen 2.0 Wissen, wie alles zusammenhängt AmoRolf

Was ist da (beim Bologna-Prozess) schief gelaufen? »Zwei Schwachstellen fallen mir auf. Die neuen Studiengänge brauchen Anteile für das, was früher studium generale hieß und eben nicht allein auf die fachliche Seite ausgerichtet ist, sondern der Allgemeinbildung dient.... Es braucht eindeutig mehr Wertschätzung für die Lehre.« Interview Ministerin Schavan, taz vom 29.3.10

Frank Schirrmacher bekennt in seinem Buch Pqyback, dass er den geistigen Anforderungen unserer Zeit nicht mehr gewachsen ist. Sein Kopf komme nicht mehr mit. Er sei unkonzentriert, vergesslich und ständig abgelenkt. Und das alles verursache das Internet mit seinen Mails, Tweets, Google-Angeboten und sozialen Netzwerken wie Facebook. Aufgefressen von der Angst, etwas zu verpassen und von dem Zwang, jede Information zu konsumieren. Er könne zunehmend nicht mehr unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Das Problem sei seine Mensch-ComputerSchnittstelle. Die Möglichkeiten sich zu informieren, am Leben der vielen Anderen teilzunehmen war noch nie so phantastisch groß, zugleich fühlen sich viele Nutzer überfordert und meinen, im Meer der Informationen zu ertrinken. Das, was vielen zum Problem geworden ist, sehen viele Studierende eher pragmatisch. Der Wissenserwerb in Zeiten von Internet und E-Learning läuft an Hochschulen häufig nach der Helene-Hegemann-Methode ab: Zunächst machen sich die Studierenden, z.B. im Rahmen einer Studien- oder Hausarbeit, bei Wikipedia sschlaue, ein Einstieg ist geschafft. Anschließend wird dieses Wissen mit Google angereichert. Damit ist Überblickswissen vorhanden. Mit geschickter Copy-andpaste-Komposition lässt sich daraus schon ein >Werk< erstellen. Der ein oder andere Studierende gibt sich mit diesem Wissenserwerb zufrieden und bricht seinen Lernprozess hier bereits ab. Zwar ist am Ende jeder Studierende für seinen Wissenserwerb selbst verantwortlich. Die erkennbar unbefriedigende Situation sollte von den Hochschulen aber als

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_15, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Herausforderung angesehen werden, das Internet in Vorlesungen und Seminaren auszuprobieren und sinnvolle Anwendungen zu entwickeln. Beispiele gibt es durchaus. Unter der Metapher E-Learning hat sich ein umfangreicher Forschungsschwerpunkt an den Universitäten entwickelt. Ein Beispiel von vielen: So hat der Osnabrücker Informatikprofessor Oliver Vornberg seine Vorlesungen als Video ins Netz gestellt. Per RSS ist es möglich, Sequenzen aufs iPod zu laden. Die übliche Dozentenangst, dann würden sie ja vor leeren Bänken sitzen, scheint unbegründet. Die Videos dienen den Studierenden vor allem zur Prüfungsvorbereitung. Der Heidelberger Informatik-Didaktiker Christian Spannagel wirbt für die Nutzung von Twitter und Facebook im Uni-Alltag. Social Networks seien »anarchisch«, »bottom up« und in der Lage, die hierarchische Beziehung zwischen Profs und Studis aufzubrechen. Seine Vorstellung: Twitternde Studierende sind in der Vorlesung untereinander vernetzt und können sich zeitgleich »im Untergrund« gegenüber dem von vorne »beschallenden« Prof. »verbünden«. Spielt der »Beschaller« mit, so könne sich eine für ihn fruchtbare Rückkopplung ergeben. Die These: Uni 2.0 macht Wilhelm von Humboldt erst wirklich möglich - weil sich erst jetzt ProfessorInnen und Studendnnen auf Augenhöhe begegnen. Diese Ansätze sind aber noch keine zufriedenstellende Antwort auf Schirrmachers Klage, dass es im Netz zwar unendlich viel Müll, aber auch unzählige intelligente Gedanken gibt, die jedermann interessieren müssten. Wie also könnte ein Seminar aussehen, das diesen Informationspool nutzt und dabei die Spreu vom Weizen trennt? Wie könnte das Internet so eingebunden werden, dass Denken, Erkenntnis und Kreativität unterstützt werden? Widerstand dürfte dabei nicht von den Studierenden kommen, die über Blogs, Facebook etc. längst selbst Produzenten von Informationen sind und Plattformen wie Wikipedia, Google etc. zu wichtigen Bestandteilen ihrer Lernprozesse gemacht haben. Eher dürfte es die an PowerPoint gewöhnten Dozenten Überwindung kosten. Uns interessiert noch eine zweite Frage, die wir ebenfalls mit der Metapher Schlüsselqualifikationen 2.0 belegen wollen: In der Hochschullehre hat sich ein Verständnis von Schlüsselqualifikationen durchgesetzt, das u.a. auf Arbeits- und Präsentationstechniken sowie Team- und Kooperationsfähigkeit setzt. Eine Erweiterung dieses Verständnisses erscheint uns dringend geboten, weil Computer und Internet sowohl Ökonomie wie Gesellschaft grundlegend verändern. Die hierdurch ausgelösten Potentiale und Risiken zu verstehen, wird in Zukunft eine entscheidende Herausforderung für Studierende wie Beschäftigte sein. Ein systematisches Angebot, das diese Zusammenhänge transparent machen kann, ist bislang nicht vorhanden. Wir werden dafür ein Angebot unterbreiten.

Schlüsselqualifikationen 2.0

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Die Reflexion und Gestaltung dieser Prozesse in der Perspektive der IT-gestützten Wissensgesellschaft steht in unserem Fokus der Schlüsselqualifkationen. Konkret definieren wir Schlüsselqualifikationen als »(Orientierungs-)Wissen, wie alles mit Computer und Internet zusammenhängt und wie Gesellschaft damit zukünftig gestaltet werden kann«. Zunächst aber zu der Frage, wie das Internet in Seminaren genutzt werden kann, um Denken, Erkenntnis und Kreativität der Studierenden zu unterstützen.

Themengärten im Netz Ein interessanter Vorschlag kommt von außerhalb der Universitäten. Alexander Kluge schlägt vor, der digitalen Überforderung durch Verringerung der Datenmenge Herr zu werden und zwar so, »dass sie in Ihren Kopf passt, dann geht es doch ... Wir brauchen Gärten zum Sammeln, Sortieren und Reduzieren der Datenflut.« (Kluge 2009). Seine Idee könnte darauf hinauslaufen, z.B. Studierenden und Lehrenden in gemeinsamen Lernprozessen das Sammeln, Sortieren und Reduzieren der vielfältigen Netz-Informationen zu überlassen und so die Spreu vom Weizen zu trennen. Dieses Konzept wird am Department Informatik der Universität Hamburg im Seminar »Web-2.0-Design der Wissensgesellschaft« erprobt. Die Studierenden haben in Gruppen Thesen zu bearbeiten und dabei kontroverse Rollen einzunehmen. Thesen sind beispielsweise: »Die Ara des Gedruckten (Buch, Print Newspaper) geht zu Ende. Internet, Handy und iPad sind die Totengräber. Gestalten Sie ein Modell für Magazine/Bücher im Jahre 2020 aus Sicht von Verlagen und Lesem,« Oder: »Plattformkonzerne wie Google, Facebook, Apple & Co. werden die globale Ökonomie unter sich aufteilen. Gestalten Sie eine Option zu dieser Zukunft 2020.« Die Aufgabe der Studierenden besteht darin, im Netz, Informationen und Argumente für ihre Positionen zu recherchieren, in Form von selbst definierten Themengärten zu strukturieren und diese mithilfe von Wikis oder Weblogs zu dokumentieren. Gleichzeitig sind brauchbare Software-Plattformen bzw. -Werkzeuge zu recherchieren, auszuprobieren und einzusetzen. In diesem Prozess lernen sie, die Spreu vom Weizen zu trennen, Texte zu bewerten und ihre Entscheidung zu rechtfertigen. Sie werden auch gefordert, sich mit längeren Texten auseinandersetzen, was für durch Facebook und Twitter sozialisierte Studierende zuweilen schon eine Herausforderung ist. Sie können Dossiers anlegen, die den Stand des Wissens für ein Thema mit Literaturhinweisen, Links, Blogs, Aufsätzen und eigenen Arbeiten und Kommentierungen abdecken. Die Metapher Themengarten deutet an, dass die Studierenden entscheiden müssen, was dort wachsen und was schrumpfen sollte, was für ihren Lernprozess relevant ist

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und was nicht. Ein Garten ist nie fertig, er braucht Pflege und je nach Nutzer werden neue Pflanzen hinzukommen, verblühte müssen entsorgt werden. Die beschriebene Architektur garantiert ein hohes Maß an inhaltlicher Selbstorganisation und Kooperation. Eigenarbeit verknüpft sich mit Gruppenkommunikation, Orientierungskompetenz kann wachsen. Das Internet wird ansatzweise beherrschbar. Ähnlich wie bei Plattformorganisationen, z.B. bei Google, wird jeder Beitrag die xlntelligenze und das Interesse am jeweiligen Themengarten erhöhen. Je sschlauere dieser wird, desto besser sind die Such- und Lernergebnisse, was wiederum zu einer verstärkten Nutzung der Gärten führt. Denkbar und auch wünschenswert ist es, dass in Seminaren auf diese Weise dem Regime der powerpoint-präsentierenden Studierenden und Hochschullehrer das Licht ausgeblasen werden kann.

Konkretisierung der Schlüsselqualifikationen für die IT-gestützte Wissensgesellschaft Zu unserem Verständnis von Schlüsselqualifikationen zählen wir die Ausbildung von Orientierungskompetenz und Urteilsvertnögen. Beim Orientierungswissen geht es um die Erschließung von Wissenszusammenhängen, Begründungen, Nebenfolgen und Wechselwirkungen. Es stellt sich detertninistischen Sichtweisen entgegen. Ohne Orientierungswissen sind Studierende nicht in der Lage, das erlernte Fachwissen mit gesellschaftlichen Kontexten zu verknüpfen. Sie werden von reflektierenden Prozessen endastet und nicht auf mögliche Konflikte vorbereitet, die mit dem Einsatz ihrer Fachkompetenz verbunden sein können. Fundierte Antworten auf unabhängige Zukunftsfragen jenseits technischer und ökonomischer Verwertbarkeit bleiben so auf der Strecke. Eine Gesellschaft entledigt sich der umfassenden Bildungs- und Urteilsfähigkeit ihrer Experten. Orientierungswissen zu stärken ist nicht nur angesichts der Infortnationsflut, hervorgerufen durch das Internet, eine wachsende Herausforderung. Das Bachelorstudium in der heutigen Form priorisiert in den technischen und ökonomischen Gestaltungsdisziplinen die Vertnitdung von Fachwissen, es lässt wenig Zeit für den Erwerb von Orientierungswissen. Konkret und beispielhaft sollten die Schlüsselqualifikationen die Einübung in die Auseinandersetzung mit folgenden Themen und Fragen umfassen:

Vom Kontor zur Netzökonomie Wissenschafder und Praktiker blenden historische Entwicklungsverläufe oft aus. Tatsächlich sind in das Zusammenwirken von Organisationen, Infortnationstechnik

Schlüsselqualifikationen 2.0

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und Gesellschaft >Jahresringe< eingeschrieben. Sie können Aussagen über konfliktreiche Verläufe und über Möglichkeiten und Grenzen zukünftiger Entwicklungen machen. Die Pfadentwicklung von Taylor und Ford bis zu aktuellen Netzwerkorganisationen kann dies exemplarisch verdeutlichen.

Wachstum und Informationstechnik In welcher Beziehung stehen Arbeitsmarkt, Innovationen, Rationalisierung, Produktivitätsgewinne und Informationstechnik zueinander? Was haben Computer und Internet mit der Finanzkrise zu tun? Gibt es für hoch entwickelte Gesellschaften Optionen, den Kreislauf von Produktivitätszuwächsen durch technischen Fortschritt, Wachstum, immer härter werdendem globalem Wettbewerb, der Notwendigkeit einen Teil des Wachstums zur Schadensbekämpfung ausgeben zu müssen und dem Zwang ausreichend Arbeitsplätze bereitzustellen, zu durchbrechen? Zukunft der Arbeit Geht mit dem Web 2.0 eine Neuverteilung von Arbeit und Gewinnen einher? Wie sehen die neuen Arbeitsverhältnisse aus - arbeitet man in Teams oder als Freelancer, Praktikant und Leiharbeiter? Welche Folgen haben die neuen Schlagworte sCrowdsourcingc slnteraktive Wertschöpfung
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Gorz stellt die Frage: »Ist die Ökonomie des Wissens dazu berufen, eine Ökonomie der Gemeinschaftlichkeit und der Unentgeltlichkeit zu sein ... ?« (Gorz 2007: 17ff.)

Datenschutz und Politik Ist es richtig, dass die jüngere Generation ihr Privatleben im Netz unbekümmert offenlegt? Und ist die Politik angesichts vermuteter Terrorismusgefahren willens, weitgehende Einschränkungen der Privatsphäre und der Freiheitsrechte der Bürger durchzusetzen? Google, Facebook, Apple & Co. Google & Co. zählen zur Kategorie der Plattformkonzerne. Ihre Schlüsselkompetenz besteht in der wechselseitigen Vernetzung von Plattform und Nutzer, was beide zum >Schwingen< bringt. Sie machen sich Wissen, Intelligenz und Neugier der Akteure zunutze. Jeder Beitrag erhöht die slntelligenz. und das Interesse an der Plattform. Wie verändern sie Kultur und Ökonomie? Enterprise 2.0 Die Metapher Enterprise 2.0 fragt danach, wie Social Software, z.B. Blogs, Foren und Wikis, Unternehmen und Arbeit verändern und welche Gestaltungsoptionen vorhanden sind. Wie sieht die Zukunft der Unternehmen aus? Die Entwicklungen der verschiedenen Branchen sind zu diskutieren. Green Society Globales wirtschaftliches Wachstum und der damit einhergehende Warenfluss haben Folgen für Umwelt und Klima. Ist eine Brechung dieses Pfades angesichts der Klimaproblematik unausweichlich oder lassen sich Leitplanken einbauen, die eine nachhaltige Pfadkorrektur erlauben? Wie können wir mit der doppelten ökologischen Herausforderung fertig werden: Reduzierung der Co2- Emissionen und absehbare Endlichkeit der Ressourcen. Weitere Stichworte sind: Green IT: Computer, Rechenzentren und das Internet als immense Stromschlucker. Reduktionsstrategien. Zu enge >IT Life Cycle-Perspektivee' Wie könnte eine erweiterte Green IT-Sicht aussehen? Nachhaltige Sriftwareprodukte: Resourcen schonende Software und Software ressourschonend entwickeln. Green Enterprises: Ökobilanzen, Stoffstrommanagement, Sankey-Diagramme, betriebliche Umweltinformationssysteme und ihre Software-Unterstützung. Darstel-

Schlüsselqualifikationen 2.0

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lung von Referenzmodellen. Berücksichtigung von sökclogischen Innovationsfallen. und >Reboundeffekten<. Die exemplarische Umsetzung dieses Konzeptes wird am Studienschwerpunkt »Informatiksysteme in Organisationen und in der globalen Gesellschaft« am Fachbereich Informatik der Universität Hamburg realisiert. Diese Sichtweise auf Schlüsselqualifikationen ist bislang in kaum einem Curriculum der Bundesrepublik vertreten. Ein Transfer in andere Fakultäten, z.B. in die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie in die Ingenieurwissenschaften, wird angestrebt. Weitere Informationen bietet das Blog mikropolis.org.

Literatur Gorz, Andre (2009): Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur politischen Ökologie, Zürich: Rotpunktverlag. Kluge, Alexander (2009): Der Angriff der 13. Fee. In : Freitag Nr. 52/53, s. unter http://www.fteitag.de/kultur/0952-zukunft-netz-kluge-interview [22.09.2010]. Krause, Detlev/Rolf, Arno/Christ, Marcel/Simon, Edouard (2006): Wissen. Wie alles zusammenhängt - Das Mikropolis-Modell als Orientierungswerkzeug für die Gestaltung von Informationstechnik in Organisationen und Gesellschaft. In: Informatik Spektrum, Heft 4, 263--273. Rolf, Arno (2008): MIKROPOUS 2010. Menschen, Computer, Internet in der globalen Gesellschaft, Marburg: Metropolis Verlag. Schirrmacher, Frank (2009): Payback, München: Kar! Blessing Verlag.

Informatische Bildung und Medienbildung im Fächerkanon Norbert Breier

Vorbemerkungen Bildungsziele und -inhalte sind immer ein Spiegelbild der politischen und ökonomischen Verhältnisse. Diese These ist allgemeingültig, in Zeiten gesellschaftlichen Wandels wird dies aber im besonderen Maße sichtbar. Unsere Gesellschaft befindet sich an der Schwelle des Übergangs von der Industriegesellschaft zur Informations- und Wissensgesellschaft, in der aus Information generiertes Wissen zum entscheidenden Produktionsfaktor wird. Die Vernetzung der weltweit angelegten Informationsquellen durch das Internet führt dazu, dass die global verteilte Information prinzipiell für jeden Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar ist und dass jeder sein individuelles Wissen durch Aneignung und Verarbeitung der Information selbst erweitern kann. Dazu werden in zunehmendem Maße Werkzeuge in Form von Informatiksystemen1 benötigt, ohne die die Fülle an Information schon heute nicht mehr zu bewältigen ist. Der Informatik als Wissenschaft kommt dabei eine Schlüsse1rollezu, da sie systematisch Möglichkeiten der automatischen Informationsverarbeitung und Wissensrepräsentation untersucht und in Informatiksystemen nutzbar macht (vgl. Gesellschaft für Informatik 2000). Die Gesellschaft für Informatik, der Jv.1NU, der VDI und die BITKOM haben sich in den letzten Jahren wiederholt dafür ausgesprochen, Informatik in der Sekundarstufe I als Pflichtfach an allen allgemeinbildenden Schulen einzuführen, die Informatik in der gymnasialen Oberstufe zu stärken und sie als vollwertiges Prüfungsfach an weiterführenden Schulen zuzulassen - nicht als Konkurrenz, sondern als notwendige Ergänzung zu den klassischen Naturwissenschaften. Vielen Entscheidungsträgern fällt die Einsicht in diese Notwendigkeit offensichtlich immer noch schwer, aber da Bildungsziele und -inhalte immer ein Spiegelbild der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sind, wird die Informatik - ähnlich wie die Naturwissenschaften vor 100 Jahren - in der Informations- und Wissensgesellschaft ihren Platz im Pflichtbereich der Sekundarstufe I finden . Dieser Begriff umfasst nicht nur die Hardware und Software, sondern alle durch die Einbettung des Systems in einen Anwendungsbereich bedingten Fragestellungen.

1

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_16, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Folgendes Bild, das mein Schweizer Kollege Werner Hartmann in seinem Buch »Informatikunterricht planen und durchführen« beschreibt, ist typisch für die Schullandschaft und so oder ähnlich auch auf die Situation in Deutschland übertragbar: »ilnformatikunterricht ist flächendeckend eingeführtk Gymnasiallehrer N. ärgert sich über diese Zeitungsmeldung. Kaum steht in einem Schulkreis in jedem Schulzimmer ein Computer, schon wird behauptet, der Informatikunterricht sei eingeführt worden. Da verwendet die Musiklehrerin ein Notensatzprogramm und gelegentlich ein computergestütztes Lernprogramm und schon wird von ihr behauptet, sie habe die Informatik in ihren Unterricht integriert. Wie soll er vor diesem Hintergrund die verantwortlichen Stellen davon überzeugen, dass Informatikunterricht für ein modernes Gymnasium ein Muss ist?« (Hartmann 2006: 3)

Fakt ist, Computer sind heute aus der Schule nicht mehr wegzudenken. Ihr Einsatz umfasst im Wesentlichen drei Bereiche:

• • •

Computer als Gegenstand in der informatischen Bildung, Computer als Mediwn im Fachunterricht, Computer als Werkzeug in der Hand des Lehrenden und Lernenden.

Auch wenn die Grenzen fließend sind, muss zwischen diesen Einsatzbereichen sauber getrennt werden, denn sie unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der dominierenden Tätigkeitsmerkmale der Lernenden (produzieren, gestalten, vermitteln - untersuchen, analysieren) als auch hinsichtlich der eigentlichen Zielsetzungen der Lehrenden, die mit dem Einsatz von Computern verfolgt werden (Erhöhung des Lehr-LernErfolgs im jeweiligen Unterrichtsfach, Erhöhung der Effizienz der Arbeit der Lehrenden und Lernenden - Sach-, Handlungs- und Beurteilungskompetenz im Umgang mit Informatiksystemen). Mit der Nutzung von Kommunikationsdiensten und Hypermedia-Arbeitsumgebungen verliert die Einteilung in Werkzeug und Medium heute an Trennschärfe fundierte Grundkenntnisse im Umgang mit Informatiksystemen aber bleiben notwendige Voraussetzung. Neue Medien als Synonym für Multimedia und Telekommunikation drangen in den 1990er-Jahren zunehmend als Werkzeug und Medium in den Unterricht vor. Die Bund-Länder-Kommission reagierte auf diese neuen Veränderungen 1995 mit einem Orientierungsrahmen »Medienerziehung in der Schule« und empfahl in einer inte-

Informatische Bildung und Medienbildung im Fächerkanon

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grierten Medienerziehung die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zum sachgerechten, kritischen, sozial verantwortlichen, produktiven und kreativen Umgang mit Medien und deren Botschaften. Jedes Fach wird in den Empfehlungen der BLK aufgefordert, mit seinen Gegenstandsbereichen, Sichtweisen und Methoden seine spezifischen Beiträge zur Medienerziehung zu leisten. Für das Fach Informatik stellt sich diese Aufgabe in besonderer Weise, denn Neue Medien sind computergestützte Medien, also Informatiksysteme, und die wiederum sind Gegenstand des Informatikunterrichts. Die Gesellschaft für Informatik reagierte auf diese Entwicklung 1999 mit einer Empfehlung »Informatische Bildung und Medienerziehung«, die von einem Arbeitskreis des Fachausschusses 7.3 »Informatische Bildung in Schulen« erarbeitet wurde (Gesellschaft für Informatik 1999). Sie greift Konzepte und Vorschläge von KMK und BLK zur integrativen Medienerziehung in der Schule auf und beschreibt den Beitrag der Informatik zur Förderung von Medienkompetenz im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien. Informatische Bildung wird dabei definiert als das Ergebnis von Lernprozessen, in denen Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Arbeitsweisen und die gesellschaftliche Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien erschlossen werden sollen.

Zur fachdidaktischen Entwicklung des Informatikunterrichts Bis Anfang der 1990er-Jahre gingen didaktische Ansätze der Informatik von den Begriffen »Rechenanlagen«, »Algorithmus«, »Anwendung« oder »Benutzer« aus, die den heutigen Ansprüchen eines allgemeinbildenden Faches aber nicht mehr genügen, da die daraus resultierenden Lerninhalte nicht die nötige Breite bzw. Tiefe aufweisen. Vor diesem Hintergrund entwickelte ich 1994 auf den 1. Fachdidaktischen Gesprächen der TU Dresden das Konzept für einen informationsorientierten didaktischen Ansatz : »In einem zeitgemäßen Informatikunterricht steht meines Erachtens nicht der Algorithmus, sondern die Information als dritte Grundgröße der realen Welt neben Stoff und Energie im Mittelpunkt. [. . .] Informatische Bildung ist jener Teil der Allgemeinbildung, der die Welt unter informationellern Aspekt betrachtet, während die naturwissenschaftlichen Fächer den stofflichen oder energetischen Aspekt in den Mittelpunkt ihres Unterrichts stellen.«(Breier 1994: 92) 2

Als Synonym für Materie (lat.: materia = »Stoffe) ,

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Information ist dabei im umgangssprachlichen Sinn zu verstehen: als Bedeutungsinhalt einer Aussage, Belehrung, Benachrichtigung, Botschaft, Mitteilung, Nachricht o.ä. Das ist zwar eine unscharfe Begriffsbildung, aber sie ist für die meisten Informatiker ausreichend und zudem für die Wissenschaft Informatik besser geeignet als der quantitative Informationsbegriff von Shannon. Letzterer ist rein technischer und syntaktischer Natur, und Peter Rechenberg sagt von ihm mit Recht, dass er »für die heutige Informatik überflüssig, ja irreführend« ist (Rechenberg 2003: 322). Was Information nicht ist, das hat N orbert Wiener schon 1948 erkannt: »Information ist Information, weder Materie noch Energie.« (Wiener 1948: 155). Uwe Aßmann und Theo Ungerer bezeichneten diesen Ausspruch von Norbert Wiener als informatisches Grundgesetz und konstatierten: »Das ist es, was die frühen Kybernetiker entdeckten: Information ist eine dritte Grundgröße der Natur, wohl zu unterscheiden von den beiden anderen Größen, Materie und Energie. [...] Seit der Entdeckung des informatischen Grundgesetzes jedoch prägt der Umgang mit der Information als dritter Grundgröße sowohl die Wissenschaft als auch die Technik und verändert damit laufend unsere gesellschaftliche Umgebung. Wesentliche Elemente des Lebens (Kommunikation, Umgang mit Wissen, Problemlösung) laufen nicht auf der Ebene von Energie und Materie ab, sondern gehorchen eigenen Naturgesetzen, eben denen der Informatik. [. . .] Tragisch ist, dass, obwohl das informatische Grundgesetz schon vor über 50 Jahren entdeckt wurde, die Informatik gegenüber den sich mit Materie und Energie beschäftigenden Wissenschaften eine untergeordnete Rolle spielt.« (Aßmanri/Ungerer 2001: 402) Der Umgang mit Information und die Beherrschung von Informatiksystemen entwickeln sich zunehmend zu einer neuen Kulturtechnik, deren Stellenwert dem Lesen, Schreiben und Rechnen gleichkommt. Dazu gehören:

• • • •

die Beschaffung von Information, das Repräsentieren von Information in maschinell verarbeitbaren Zeichen (Daten), die maschinelle Verarbeitung und Verteilung der Daten und die Gewinnung neuer Information durch Interpretation der gewonnenen Daten, die zusammen mit dem Vorwissen zu neuem Wissen führt.

Informatische Bildung und Medienbildung im Fächerkanon

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Dem liegt das folgende Grundschema der vom Menschen gesteuerten Verarbeitung und Übermittlung von Information zugrunde. Informationen

--------..-

repräsentieren

t

interpretieren

J

Symbole Daten

InFormationen

I verarbeiten/übermitteln

Symbole Daten

Abb. 1: Grundsthema derVerarbeitung und Übermittlung von Informationen

Informationsverarbeitung ist Symbolverarbeitung. Auch das hat die neue Kulturtechnik mit den klassischen Kulturtechniken gemein, denn auch Lesen, Schreiben und Rechnen ist Symbolverarbeitung. Kulturell gewanddt haben sich lediglich die Praktiken der Symbolverarbeitung - von der Handarbeit zur Automatisierung. Anstelle von Papier und Schreibwerkzeug nutzen wir heute den Bildschirm und die Tastatur des Computers (vgl. Krämer 1997). Auch die vom Menschen gesteuerte maschinelle Informationsverarbeitung kann mit diesem Grundschema der Verarbeitung und Übermittlung von Information beschrieben werden. Die Zeichen müssen dazu lediglich maschinell verarbeitbar, also Daten sein. Dabei wird deutlich, dass natürliche informationsverarbeitende Systeme als Vorbild für Informatiksysteme dienten, die die Menschen sich im Laufe der Entwicklung als Pendant zu den stoff- und energiewandelnden Maschinen zur Erleichterung ihres Lebens geschaffen haben. Im Gegensatz zu jenen wurden Informatiksysteme, die Teile der geistigen Arbeit des Menschen automatisieren, aber erst Mitte des letzten Jahrhunderts möglich, als die mathematisch-naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Voraussetzungen dafür erfüllt waren.

Informatik im Föcherkanon Orientieren wir uns an diesen drei Grundgrößen (Stoff, Energie und Information) und den klassischen Disziplinen, so ergibt sich beinahe zwangsläufig ein System, in welches die klassischen Naturwissenschaften eingebunden sind: Chemie als die

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Lehre von den Stoffen und deren Wandlung, Physik als die Lehre von der Energie und deren Wandlung, Informatik als die Lehre von der Information und deren Verarbeitung. Biologie als die Lehre vom Zusammenwirken von Stoff, Energie und Information in lebenden Systemen und Technik als die Lehre vom Zusammenwirken von Stoff, Energie und Information in unbelebten Systemen (vgl. Sprengel 1997). Der informationsorientierte didaktische Ansatz rückt so den Informatikunterricht aus Sicht der Allgemeinbildung in die Nähe der klassischen naturwissenschaftlichen Fächer und rechtfertigt seine gleichberechtigte Zuordnung zum mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Aufgabenfeld MINT. Der im vorigen Abschnitt gezogene Vergleich von Informatiksystemen mit stoffund energiewandelnden Maschinen impliziert, dass sich der Informatikunterricht nicht in der Bedienung von Geräten und Software von ausgewählten Anwendungen erschöpfen kann, sondern die Schülerinnen und Schüler sollen sich - wie in den naturwissenschaftlichen Fächern - Hintergrundwissen über Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Arbeitsweisen und die gesellschaftliche Bedeutung von Informatiksystemen aneignen. Einen wesentlichen Unterschied zu den stoff- und energiewandelnden Maschinen gilt es aber zu beachten: Informatiksysteme sind im Gegensatz zu jenen in der Schule präsent und werden von den Lernenden und Lehrenden in zunehmendem Maße im Unterricht nahezu aller Fächer als Werkzeug und Medium eingesetzt. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, dass guter Informatikunterricht sowohl Konzeptwissen als auch Produktwissen zur Bedienung von Geräten und Software umfasst: Das Wissen über die Bedienung der in der Schule vorhandenen Hard- und Softwareprodukte fördert die Handlungsorientierung, damit die Lernenden ihr Wissen in der schulischen und außerschulischen Praxis umsetzen können. Das Konzeptwissen hilft beim Einordnen von Fakten in größere Zusammenhänge und erleichtert somit das Lernen. Es ermöglicht außerdem den Transfer von früher erworbenen Kenntnissen auf neue Situationen (vgl. Hartmann 2006). Über den Begriff der Information ist zugleich die Chance gegeben, eine Brücke zur Medienbildung sowie zwischen naturwissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen, sprachlichen und technischen Fächern zu schlagen, um fächerverbindendes und fachübergreifendes Lernen zu befördern.

Informatische Bildung und Medienbildung Informatische Bildung und Medienbildung sind in meinem Verständnis zwei sich ergänzende, wechselseitig bedingende Aufgaben schulischer Bildung und Erziehung.

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Dass ihre Aufgabenfelder nicht überschneidungsfrei sind, liegt in der Natur der neuen, computerbasierten Medien. Der spezifische Beitrag der informatischen Bildung zur Medienbildung liegt deshalb in der Bereitstellung grundlegender informatischer Methoden und Sichtweisen, die ein Verständnis des Mediums Computer bzw. computerbasierter Medien erst ermöglichen. Dieser Beitrag kann m.E. von keinem anderen Bildungsangebot geleistet werden. Fakt ist auch, dass informatische Bildung und Medienbildung sich immer weiter auf einander zu bewegen. Wie Werner Sesink (2002) sehen immer mehr Medienpädagogen ein Verständnis der grundlegenden technischen Funktionsprinzipien und die Fähigkeit, in der Entwicklung und Anwendung neuer Technologien eigene Gestaltungskriterien und Fähigkeiten einzubringen und Verantwortung zu übernehmen, als zentrale Dimensionen einer Kompetenz für computerbasierte Medien an. Das aber sind genuin informatische Kompetenzen, wie sie in den Grundsätzen und Standards für die Informatik in der Schule (Gesellschaft für Informatik 2008) verankert sind. In diesen weitreichenden Empfehlungen der Gesellschaft für Informatik wird insbesondere auch gefordert, dass verstärkt Fragen in den Mittelpunkt des Informatikunterrichts zu rücken sind, die über die technischen Sachverhalte hinaus den gesellschaftlichen Kontext, vor allem Aspekte der Ökonomie, der Kultur, der Politik oder des Rechts umfassen. Außerdem soll die informatische Bildung die Kommunikationsund Argumentationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie den reflektierten Einsatz von Informatiksystemen fördern. Die »Bildungsstandards Informatik« formulieren Mindeststandards, wie sie heute von der KMK gefordert werden, und benennen in fünf Prozess- und fünf Inhaltsbereichen die Kompetenzen, die die Schülerinnen und Schüler bis zum mittleren Schulabschluss im Informatikunterricht erwerben sollten. Für Medienbildung müssten vergleichbare Bildungsstandards bzw. Kompetenzbereiche erst noch formuliert werden.

Fazit und Ausblick Informations- und Kommunikationstechnologien prägen die Lebenswelt junger Menschen nachhaltig und verlangen neue, weitreichende Kompetenzen im Umgang mit Information und informationsverarbeitender Technik, deren Vermittlung ureigenste Aufgabe der allgemeinbildenden Schule ist. Sie hat die Bedingungen für eine systematische und nachhaltige Entwicklung von Medienbildung als integraler Bestandteil von Allgemeinbildung und wichtige Voraussetzung für die persönliche Entfaltung von Berufs- und Ausbildungsfähigkeit zu schaffen (vgl.BMBF 2009). Wer diese berechtigten Forderungen aufstellt, kommt an einer Verknüpfung mit der

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informatischen Bildung nicht vorbei. Einige Bundesländer wie Bayern, MecklenburgVorpommern und Sachsen haben in allen Schulformen verpflichtend einen Informatikunterricht eingeführt, der - so die Einschätzung einer Expertenkommission des BMBF zur Medienbildung - »jedoch im Hinblick auf ein umfassend zu betrachtendes Medienhandeln nicht weit genug greift« (BMBF 2009: 9). Hier könnte man ansetzen und analysieren, welche Aspekte der Medienbildung dort gegenwärtig nicht genügend verankert sind und integriert werden sollten. Die Argumentation, dass Computer und Internet heute in allen Fächern genutzt werden und deshalb kein eigenes Fach für die informatische Bildung und Medienbildung erforderlich ist, ist m. E. nicht haltbar. Der in allen Bundesländern verfolgte fachintegrative und fächerverbindende Ansatz sieht auf dem Papier gut aus, aber diese gute -Papierlagee stimmt oft nicht mit der Realität überein. Er behindert aber zugleich eine ehrliche Diskussion über notwendige Veränderungen an der Fächerstruktur. Die klassischen Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen werden ebenfalls im täglichen Leben und in allen Unterrichtsfächern genutzt, aber - eben weil es Kulturtechniken sind - in den Kernfächern Deutsch bzw.Mathematik systematisch unterrichtet. Warum heute an der Schwelle des Übergangs zur Informations- und Wissensgesellschaft für die informatische Bildung und Medienbildung kein eigenständiges Fach vorgehalten wird, ist nicht einzusehen. Solange es Fächer gibt, muss diese Frage erlaubt sein und durch klare politische Entscheidungen beantwortet werden. Wie immer die Entscheidung ausgehen mag: »Die Medienerziehung kann ihre hochgesteckten Ziele nur erfüllen, wenn sie von angemessener informatischer Bildung in Form eines systematischen Informatikunterrichts begleitet wird.« (Reiter 2003: 42)

Literatur Aßmann, Uwe/Ungerer, Theo (2001): Informatik in der Schule. In : Informatik-Spektrum, Bd. 24, Nr. 6, Dezember, 401--405.

BMBF (2009): Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur. Bericht einer Expertenkommission des BMBF zur Medienbildung, s. unter: http://www.bmbEde/pub/kompetenzen_in_digital_kultur.pdf [12.09.2010]. Breier, Norbert (1994): Informatische Bildung als Teil der Allgemeinbildung. In: LOG IN, 14 Jg.,

H. 5/6,90-93. Gesellschaft für Informatik (1999): Empfehlungen »Informatische Bildung und Medienerziehung«. In: LOG IN, 19 Jg., H. 6 (Beilage).

Gesellschaft für Informatik (2000): Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemeinbildenden Schulen. In: LOG IN, 20 Jg., H. 2 (Beilage).

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Gesellschaft für Informatik (2008): Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule - Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I. In: LOG IN, 28. Jg., H . 150/151, Beilage. Hartmann, Werner/Näf, Michael/Reichert, Raimond (2006): Informatikunterricht planen und durchführen, Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag. Krämer, Sybille (1997): Werkzeug - Denkzeug - Spielzeug: Zehn Thesen über unseren Umgang mit Computern. In: Informatik und Lernen in der Informationsgesellschaft, 7. GI-Fachtagung Informatik und Schule, Duisburg, 1997, 7-13. Rechenberg, Peter (2003): Zum Informationsbegriff in der Informationstheorie. In: Informatik Spektrum 14, Oktober 2003,317-326. Reiter, Anton/ScheidJ. Gerhard/Strohmer, Heinz/Titder, Lydia/Weissenböck, Martin (2003): Schulinformatik in Österreich - Erfahrungen und Beispiele aus dem Unterricht, Wien: Ueberreuter, Sesink Werner (2002): Welches werden in 5 Jahren zentrale Dimensionen einer Kompetenz für computerbasierte Medien sein - und für wen? In: Medienkompetenz - Kompetenz für neue Medien. Forum Bildung 2002, 80--84. Sprengel, Hans-Jfugen (1997): PC oder Telekommunikation? In: Schulverwaltung MO Nr. 11/97, 303--305.

Wiener, Norbert (1992): Kybernetik - Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und in der Maschine, Düsseldorf: Econ-Verlag (i.D.:Cybernetics, 1948).

Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen der schulischen Medienpädagogik Überlegungen aus der Sicht der lehreraus- und -fortbildung 1 Christian Lenz

Vorab einige Worte zum Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwieklung Hamburg (LI), an dem ich arbeite: Am LI finden nicht nur Aus- und Fortbildungen für Lehrer statt, sondern das LI hat auch eine eigene Abteilung für Qualitätsentwicklung in Schule und Unterricht und eine Abteilung für Gesundheitsförderung, Gewaltund Suchtprävention. Das zentrale Anliegen des Referates Medienpädagogik im LI ist es, unsere potentiellen sKunderu - ca. 15.000 Hamburger Lehrerinnen und Lehrer sowie um die 800 Referendare - mit dem Thema Medienpädagogik insbesondere aus der schulischen Perspektive zu konfrontieren. Aus drei Gründen halten wir diese >Zumutung< für notwendig: Zum einen sind wir der Auffassung, dass eine theoretisch fundierte Auseinandersetzung mit Medien für alle, die in der Schule tätig sind, für die Reflexion ihrer Unterrichtspraxis und ihrer beruflichen Rolle gewinnbringend ist. Zweitens möchten wir die Lehrer auch in praktischer Hinsicht zu einem kompetenten Umgang insbesondere mit den Digitalen Medien ausbilden. Mittelbar sollen diese Maßnahmen drittens dazu fuhren, dass Unterricht und Schule besser gestaltet werden, indem Lehr- und Lernprozesse intensiver werden. Dem genannten Thema möchte ich mich in drei Schritten nähern. Zunächst möchte ich eine Begriffsbestimmung und Verortung der Medienpädagogik im Hamburger Schulwesen vornehmen, im Anschluss möchte ich einen Blick auf die aktuelle Situation der Schule werfen. Im darauf folgenden Abschnitt möchte ich schließlich einige Möglichkeiten und Perspektiven aufzeigen.

1 Vortrag im

Rahmen der Ringvorlesung »Medien & Bildung« am 25. April 2006. Damals war der Autor Referatsleiter für Medienpädagogik im Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Hamburg.

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_17, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Begriffsbestimmung und Verortung Das Verständnis von sschulischer Medienpädagogik< in den Hamburger Bildungsplänen Die Hamburger Medienpädagogik befindet sich insofern in einer wunderbaren Situation, als sie im Schulgesetz in Form eines Aufgabengebietes verankert ist. Diese Aufgabengebiete (z.B, Rechtserziehung, Verkehrserziehung, Sexualerziehung) sollen integrativer Bestandteil der anderen Fächer sein und daher hat jedes Aufgabengebiet einen eigenen Rahmenplan. Die Rahmenpläne für Medienpädagogik an Hamburger Schulen finden sich also in den Aufgabengebieten der jeweiligen Schulformen und Schulstufenr' Das Ziel ist eine möglichst umfassende Medienkompetenz, die nicht nur bei den Lernenden zu erzeugen ist, sondern ebenso bei den Lehrenden. Medienkompetenz bedeutet, sich in der stark von Medien durchdrungenen Lebens- und Arbeitswelt kompetent orientieren und verantwortungsbewusst handeln zu können. Das betrifft sowohl die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten digitaler Medien als auch insgesamt den Umgang mit Informationen, Kommunikationsmöglichkeiten und die eigene Gestaltung medialer Produkte. Die kritische Distanz zu medialen Welten ist eine Grundvoraussetzung zur Teilhabe und Mitgestaltung der gegenwärtigen und zukünftigen Welt. Der (mittlerweile aktualisierte) Rahmenplan orientiert sich an fünf medienpädagogischen Kompetenzbereichen: Kommunikation, Information, Visualisierung, Gestaltung, Analyse/Reflektion (vgl. Rahmenplan Medienerziehung, Gy 7-10, Hamburg 2009, ebenso in den anderen Schulformen und Schulstufen). Dieses Verständnis der Medienkompetenz geht von der Annahme aus, dass jegliche Art von Bildung ohne Medien nicht denkbar ist. Dieser Gedanke wird in nahezu allen aktuellen Ansätzen der Medienpädagogik reflektiert. Medienpädagogik ist damit ein zentraler Bestandteil eines Bildungskonzeptes, das in hohem Maße an die Lebensumwelt unserer Schülerinnen und Schüler anknüpft. Daraus folgt aber auch, dass sich der daraus ergebende Unterricht stets wandeln muss. Wir können uns als Lehrer nicht zurücklehnen, sondern auch für uns gilt der Grundsatz des lebenslangen Lernens." Das spezifisch Spannende der Medienpädagogik ist, dass Veränderungen technologischer Art nicht nur die lebensweltlichen Bezüge der Kinder und Jugendlichen betreffen, sondern dass sich damit auch die http://www.harnburg.de/bildungsplaene/ [30.12.2010] Einige sprechen von »berufslangem Lernen«, ich möchte gerne auf der Verwendung vom »lebenslangen Lernen« bestehen. 2

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Rahmenbedingungen für unseren Unterricht ändern, und dies in grundlegender Weise. Vor fünf oder vor zehn Jahren war noch nicht absehbar, welche Dynamiken dadurch entstehen, dass viele Informationen im Internet bereitgestellt werden, und welche Kompetenzen Kinder und Jugendliche brauchen, um sich in dieser Informationsflut zurechtzufinden. Immer wieder wird es neue Impulse geben, die wir in der Schule aufnehmen müssen, wenngleich dies nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass wir uns als Pädagogen lediglich anzupassen hätten. M.B. ist hier eine selbstbewusste, reflektierte Haltung angebracht. Wir müssen immer wieder reflektieren, was wir mit unserem pädagogischen Handwerkszeug, zu dem auch technologische und mediale Apparaturen und die damit verbundenen Veränderungen gehören, erreichen wollen. Darin liegt eine Herausforderung der Medienpädagogik. Das allgemeine Ziel jeglichen Unterrichts - Kinder und Jugendliche dazu in die Lage zu versetzen, in der Zukunft an der Gesellschaft teilzuhaben und diese Gesellschaft mitzugestalten - gilt auch für die Medienpädagogik. Für die Medienpädagogik bedeutet dies ganz konkret, dass wir einer xligitalen Spaltung< entgegenwirken müssen, d.h., dass die Schule jedem Schüler und jeder Schülerin die Möglichkeit geben muss, diese Kompetenzen zu erlernen, insbesondere denjenigen SchülerInnen, denen diese Geräte zuhause nicht zur Verfügung stehen. Dass in diesem Bereich die Abhängigkeit des Bildungserfolges von den häuslichen Gegebenheiten bzw. von dem sozialen Umfeld in besonderem Maße abhängt, hat bislang jede Schulleistungsuntersuchung gezeigt. Hier besteht immer noch ein enormer Handlungsbedarf. Darauf werde ich noch einmal zurückkommen. Der soziale Ausgleich ist ein wesentliches Motiv für die Verankerung der Medienpädagogik in der Schule, und ich würde sogar die These wagen, dass wir mit der Medienpädagogik nicht nur vor einer Unterrichtsaufgabe unter anderen stehen, sondern dass die Medienpädagogik damit ein besonderes Motiv hat, über Bildung nachzudenken und auf einer grundsätzlichen Ebene zu fragen, was durch guten Unterricht eigentlich erreicht werden soll.

Die aktuelle Situation in der Schule Bildungspolitische Rahmenbedingungen der Medienpädagogik an Hamburger Schulen - Möglichkeiten und Grenzen Wie stellt sich die Situation der Medienpädagogik an Hamburger Schulen dar? Die 450 Hamburger Schulen lassen sich zwar nicht über einen Kamm scheren, aber durch verschiedene Schulleistungsuntersuchungen lässt sich ein annäherndes Bild der Lage zeichnen.

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Während die PISA-Studie den Leistungsstand auf verschiedenen Gebieten darstellt, erfasst die Timms-Studie naturwissenschaftliche Kenntnisse und die IGLU-Studie untersucht die Lesefertigkeiten der Grundschüler. Von Hamburg ging die Initiative für einen sehr konstruktiven frühen Zugang zu den Lernausgangsuntersuchungen aus, die LAU-Studie, die momentan von Klasse 5 bis Klasse 13 durchgelaufen ist, wodurch sich Lernzuwächse über einen Zeitraum von 8 Jahren verfolgen lassen. Eine solche Studie liefert natürlich spannendes Untersuchungsmaterial. Kess ist eine weitere Studie über Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern am Ende der 4. Klasse." Anhand dieser Schulleistungsuntersuchungen ließen sich große Defizite bei den Schülerinnen und Schülern in den Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen feststellen. Experten im Bereich Bildungspolitik sind nicht überrascht von dem traurigen Befund der PISA-Untersuchung der 15-Jährigen, dass Hamburg einen großen Anteil von sogenannten >Risikoschülern<s - ca. 30 % der untersuchten Altersgruppe - hat. Diese Schüler haben von ihren häuslichen bzw. familiären Bedingungen her eine schlechte Ausgangsposition. Deshalb ist es für uns als Lehrerfortbilder und Schulentwickler das oberste Gebot, die Lehrer, die diese Schüler unterrichten, besonders auszubilden, was wegen der hohen Belastung der Lehrer an Haupt- und Realschulen oft schwierig ist. Erstaunlicherweise hat es eine bundesweite Reaktion auf diese Befunde gegeben: Die Kultusministerkonferenz hat sich tatsächlich auf gemeinsame Standards geeinigt, die die Bereiche Deutsch, Mathematik, Sprachen und Naturwissenschaften betreffen. Diese Standards sind interessanterweise an Kompetenzen orientiert. Gegenüber den früheren Formulierungen, in denen es lediglich um zu erlernende Rabmenthemen, Inhalte und sStoffec ging, ist das ein Fortschritt. Nun ist man einen Schritt weiter gegangen, indem man versucht, zu definieren, welche Kompetenzen und Fähigkeiten hinter dem jeweils Gelernten stecken. Entscheidend sind z.B. Fragen wie diese: Welche Fertigkeiten muss ein Schüler am Ende des 10. Jahrgangs haben? Die Bundesländer haben sich verpflichtet, ihre Rahmenpläne an diesen Standards auszurichten und jeder Lehrer kann bzw. muss sich die Standards ansehen. In Hamburg war dies bereits bei der letzten Lehrplanrevision geschehen. Derartige Leistungsuntersuchungen führen natürlich auch in Hamburg immer wieder zu der Frage nach einem Ranking der Schulen. Andere Bundesländer sind in dieser Hinsicht schon viel weiter, einige europäische Länder geben sogar so weit, das Ranking in direkter Weise über Haushaltsmittelzuweisungen entscheiden zu lassen. Glücklicherweise ist man in Hamburg von einem solchen Szenario noch weit entfernt. 5 Sogenannte .Risikoschiller
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Eine Einigung auf ein gemeinsames Verständnis von Medienkompetenz, also auf die Entwicklung eines verbindlichen bundesweiten Standards für die Frage nach der Medienkompetenz der SchülerInnen hat es bislang nicht gegeben. In meinen Augen ist dies ein großes Defizit. Nicht umsonst lässt sich von einer vierten Kulturtechnik sprechen. Neben dem Lesen, Schreiben und Rechnen, den klassischen Kulturtechniken, müssen Jugendliche auch ein Grundwissen im Umgang mit Medien in das Berufsleben und zur Gestaltung der Gesellschaft mitbringen." Da die Schulpolitik hier noch große Leerstellen aufweist (jedes Bundesland betreibt hier seine eigene Politik), wird diese Frage von den unterschiedlichsten Institutionen und auch von der freien Wirtschaft aufgegriffen und debattiert. Das führt zu einer verzerrten Wahrnehmung in diesem Bereich, wenn beispielsweise Einrichtungen wie europäische sComputerführerecheinec mit Medienkompetenz gleichgesetzt werden. Für unsere Arbeit ist das von großem Nachteil, weil dieser europäische Computerführerschein letztendlich nur einen schmalen Bereich der fünf Kompetenzbereiche abdeckt, nämlich lediglich die Werkzeugkompetenz. Nicht einmal die Prüfung einer Problemlösekompetenz gehört dazu, sondern einzig die Fähigkeit der Bedienung einer Software aus dem Bereich der gängigen Office-Programme. Eine solche Zertifizierung ist für viele Betriebe leider ein Einstellungskriterium. Deshalb finden Sie derartige Fortbildungen auch im Angebot des U, obwohl wir inhaltlich ansonsten gar nicht in diese Richtung tendieren. Wir möchten erreichen, dass Schüler umfassende Medienkompetenz erlangen und dies auch nachweisen können. Eines unserer hoffnungsvollen Projekte basiert auf der Idee, den Schülern ein Instrumentarium mitzugeben, mit dem sie diese Kompetenzen auch implizit nachweisen können, beispielsweise in einem eigenen Portfolio. Die Ergebnisse der genannten Schulleistungsuntersuchungen sorgen natürlich in den Medien stets für erhitzte Debatten oder Meldungen wie »Computer macht scWau. Wer als Schüler regelmäßig zuhause den Computer zum Lernen nutzt, zeigt in der Regel in allen wichtigen Schulfächern bessere Leistungen.« Hier hat sich die Computerindustrie gleichsam den offiziellen Stempel vom Pisa-Konsortium geholt die OECD hatte eine Studie mit dem schönen Titel »Are students ready for a technology-rich world?« herausgebracht. Die Kollegen hatten die Daten der Pisa-Untersuchung von 2003 unter die Lupe genommen, die in der Tat auf einer sehr basalen Ebene der Werkzeugnutzung Fragen stellten wie etwa: »Wie häufig nutzt Du den Rechner?« »Hast Du zuhause einen Zugang zum Internet?« »Wo hast Du am meisten • Vgl. hierzu den Beitrag von Norbert Breier zur Informatik als grundlegender Kulturtechnik, in diesem Band, 255-263.

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gelernt, zuhause, mit Deinen Freunden oder in der Schule?« etc. Diese Daten wurden in Korrelation gesetzt zur Leistungsfähigkeit dieser SchülerInnen. In Deutschland waren im Fach Mathematik ls-jährige Schüler ihren gleichaltrigen Mitschülern ohne regelmäßige PC-Nutzung zuhause fast ein Schuljahr voraus. Wunderbar! Das ist vermeintlich Wasser auf die Mühlen der Medienpädagogik. Ich kann nur empfehlen, vorsichtig mit solchen Ergebnissen und Meldungen umzugehen. Denn dieser OECD-Bericht kommt zwar aus einem sehr renommierten Hause, aber es gibt auch Studien wie die von Carola Padtberg in SPIEGEL ONLINE im Oktober 2005 veröffentlichte: »Je mehr am Computer, desto dümmer. Die Pisastudie legte nahe, dass Schüler im Unterricht besser abschneiden, wenn sie viel Zeit am Computer verbringen. Zwei Münchner Forscher halten das für Unfug. Darum fordern sie: Volle Kraft zurück.«? Daraus werden teilweise fragwürdige Konsequenzen gezogen. So haben auf einer der letzten didacta-Messen die Entwickler dieser Studie vom Institut für Wirtschaftsforschung auf derartige Untersuchungsergebnisse hingewiesen und den Vorschlag unterbreitet, dass es sinnvoller wäre, mehr Lehrer einzustellen statt in neue Computerausstattungen zu investieren. Diese zeitlich kurz hintereinander veröffentlichen Befunde und Stellungnahmen zeigen, dass man mit Daten aus Schulleistungsuntersuchungen äußerst vorsichtig umgehen muss. Eine Korrelation ist nicht gleichzusetzen mit einer Kausalität. Als Pädagogen müssen wir uns fragen, ob der Gebrauch des Computers die Leistungen der Schüler in einem Fach wie Mathematik tatsächlich ursächlich beeinflusst. In der Wissenschaft wird mit diesbezüglichen Schlussfolgerungen meist vorsichtig umgegangen. Pädagogen sind zwar selbstverständlich auf die redliche Zuarbeit der Wissenschaft angewiesen, dürfen diesen Untersuchungen aber keinesfalls unkritisch vertrauen. Neben den beiden genannten Beispielen gibt es zahlreiche neue Untersuchungen, die in den Medien sehr verkürzt dargestellt werden, während die dahinter stehenden Wissenschaftler ganz andere Intentionen verfolgen. Datenmaterial wie das eben angesprochene hat den bildungspolitischen Effekt, dass Qualitätsentwicklung an Schulen zu einem Leitthema erhoben wird. Diese Form des Verordnens von Seiten der Politik ist allerdings mit dem Problem verbunden, dass es sich um Top-Down-Prozesse handelt, während Impulse, die >von untene ausgehen, leider oftmals steckenbleiben. Im Zusammenhang mit der Diskussion um Maßnahmen zur Qualitätssicherung ist in Hamburg der Orientierungsrahmen Schulqualität entstanden, der jetzt ganz neu herausgekommen ist und mit großem Aufwand an den Schulen verankert wird." 7

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S. unter: http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0.1518.378164.00.html [30.12.2010]. http://www.bildungsmonitoring.hamburg.de/index.php/article/detail/1027 [30.12.2010]

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Dieser Orientierungsrahmen bietet eine gute Gelegenheit, um mit Eltern, Schülern und Lehrern darüber ins Gespräch zu kommen, was eigentlich schulische Qualität ausmacht. Erstmals mussten Schulen gemeinsam mit der Schulaufsicht Ziele vereinbaren - »Zielleistungsvereinbarungen«. Es galt also konkret zu überlegen, was überhaupt als gemeinsames Ziel anerkannt werden kann, worin jeweils eine Maßnahme bestehen kann und wie ein Gelingen, Erfolg oder Misserfolg nachgewiesen werden kann. Jedes Jahr muss Bericht erstattet werden. Zu fragen ist natürlich auch, was passieren soll, wenn die Ziele nicht erreicht wurden. Aber was heißt eigentlich >gut
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Herausforderungen und Erfahrungen, die mit neuen Medien verbunden sind, ist von diesen Grenzen in besonderem Maße betroffen. Der Orientierungsrahmen als ein Werk, das dazu dient, sich über die wesentlichen Kriterien für die Qualität von Schule zu verständigen, kann der Gefahr, sich in Teilzielen zu verlieren, entgegenwirken. Auch zum Thema Medieneinsatz und Medienentwicklung werden Qualitätsbereiche definiert. Die allgemeinen Strukturen werden von den Bereichen Führung und Management, Bildung und Erziehung, Wirkung und Ergebnisse gebildet. Innerhalb dieser allgemeinen Qualitätskriterien findet sich auch die Möglichkeit, die Arbeit mit Medien gut zu gestalten und demokratische Umgangsformen im schulischen Alltag zu verankern. So ist durch den Orientierungsrahmen theoretisch sehr wohl die Möglichkeit gegeben, dass sich Schule im positiven Sinne verändern kann. Aber auch bei diesem Entwurf stellt sich die Frage, was daraus in der konkreten Umsetzung wird, wie die Administration diesen Text auslegt, wie die Behörde und natürlich die Lehrer und Schulleiter vor Ort konkret damit umgehen. Lässt eine Schulleitung Prozesse der Beteiligung entstehen oder - theoretisch auch denkbar - schließt die Schulleitung die Zielund Leistungsvereinbarungen im Alleingang ab? Der Orientierungsrahmen ist als Werkzeug selbst nicht an sich gut oder schlecht, sondern es kommt auf die Anwendung und den Zweck des jeweiligen Einsatzes an. Medienpädagogik ist nicht nur Aufgabe der einzelnen Lehrer, sondern auch Aufgabe der Schulleitung. Das gilt es explizit zu erwähnen, weil viele Lehrer, die an Fortbildungen des LI teilnehmen und hoch motiviert an die Schule zurückkehren, daran scheitern, dass die schulischen Strukturen eine Änderung des Handelns nicht zulassen. Insbesondere Fragen der Investition in eine angemessene Ausstattung und der räumlichen Gestaltung hängen stark davon ab, welchen Stellenwert die Schulleitung der Medienpädagogik einräumt. Fragen wie die, ob man separate Computerräume oder Medieninseln, Wissenszentren oder Selbstlernzentren einrichtet, kann kein einzelner Lehrer für sich beantworten. Hierfür bedarf es der Prozesse des Aushandelns und gemeinsamen Ausarbeitens von Zielen vor Ort, an denen Schüler, Lehrer und Schulleitung und Eltern sich beteiligen. Da der Umgang mit Medien sich nicht nur auf die Schule, sondern auch auf viele Bereiche der Freizeit erstreckt, ist es wünschenswert, dass möglichst viele Formen des gegenseitigen Austauschs von Erfahrungen zwischen Schulen und außerschulischen Einrichtungen und Institutionen befördert werden. Dabei sollten in erster Linie die >Betroffenen< selbst, die Kinder und Jugendlichen, einbezogen werden. Diese Medienexperten sind in einer Welt groß geworden, die manchem Lehrer fremd ist.

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Die Perspektive - Schule der Hoffnung Medienerfahrungen von Kindern und Jugendlichen Im Folgenden möchte ich zwei Schlaglichter werfen auf etwas, womit viele Kinder und Jugendliche täglich beschäftigt sind - Computerspiele. Computerspiele haben eine ganz eigene Faszination, die sich in einem Vortrag wie diesem nur schwer transportieren lässt. Ich kann nur empfehlen, den Umgang mit Computerspielen selbst auszuprobieren oder einem Spieler oder einer Spielerin über die Schulter zu schauen. Denn das, was ich Ihnen jetzt hier zeigen kann als kleinen Ausschnitt, kann nur einen vagen Eindruck geben von der Erfahrungswelt des Computerspiels. Der hier gezeigte Ausschnitt entstammt einem sehr erfolgreichen Spiel: »Need for speed most wanted« der Firma Electronic Arts, das schon länger am Markt ist und von dem daher bereits mehrere Versionen existieren." Man kann in die Rolle des Rennfahrers schlüpfen, ein schnelles Auto steuern und bei Bedarf auch von der Polizei verfolgen lassen. Der Grundgedanke des Spiels bzw. seine Faszination besteht darin, etwas ausleben zu können, was in der Realität eher unmöglich ist. Man kann sich eine Verfolgungsjagd in einer Stadt liefern oder an illegalen Straßenrennen teilnehmen. Wer diese Rennen gewinnt, kann sich neue Stadtteile erschließen, wo wieder neue Szenarien zur Verfügung stehen. Eine Wirklichkeit, in die Jugendliche hineinschlüpfen - vielleicht zur Entspannung, nachdem oder bevor sie ihre Englischvokabeln gelernt haben. Diese Computerspiele bewirken natürlich etwas, mit diesen Spielen können auch bestimmte Fähigkeiten trainiert werden. Studierende werden wahrscheinlich bereits schneller sein als ich in ihren Reaktionen mit dem Joystick oder mit der Maus und wenn wir unseren Kindern und Jugendlichen zusehen, wird wiederum ein Unterschied zu merken sein. Es geht aber bei Weitem nicht nur um Reaktionszeiten und Bewegungsabläufe, sondern auch um strategisches Handeln, Denkprozesse, soziales Verhalten und ähnliche Aspekte. Diese Fertigkeiten und unterschiedlichen Verbindungen von Wahrnehmung, Denkprozessen und Reaktion und sozialem Verhalten werden in anderen Ländern wie z.B. den USA, Großbritannien oder Dänemark viel intensiver erforscht als in Deutschland. Hierzulande ist es noch mit einem gewissen Tabu belegt, Computerspiele zu erforschen. In Köln und Hannover beschäftigen sich bereits einige Fachhochschulen und Universitäten mit derartigen Fragestellungen. Es ist noch unklar, wie die Wahrnehmung von SchülerInnen im Einzelnen beeinflusst • Einen Eindruck kann man sich auf youtube verschaffen, z.B. unter: http://www.youtube.com/watch? v=ySLWjAjS4_8 [30.12.2010].

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wird, aber die Vermutung, dass sich im Zuge eines intensiven Eintauchens in die virtuelle Umgebung eines Computerspiels die Wahrnehmung verändert, wird niemand bestreiten wollen. Aus einer solchen Untersuchung stammt auch die Schlagzeile: »Gehirntraining mit dem Ego-Shooter«. Wahrscheinlich ist einigen von ihnen auch das Spiel »Splinter Cell- Pandora tomorrow« bekannt, von dem ich hier einen kurzen Vorspann zeige." Bemerkenswert an diesem Spiel ist die enge Verschmelzung zwischen Computerspiel und Film. Bei der guten Grafikleistung eines Spielerechners ist der Eindruck, dass man sich durch eine Realität bewegt wie in einem Film, enorm stark. Das Faszinierende an den Spielen ist, dass man die Abläufe selbst beeinflussen kann. Anders als in der Pionierzeit des Computerspiels, als die Spieler noch wussten, hinter welcher Ecke des Labyrinths das Monster hervorkommen würde, sorgen hochkomplexe Engines für sehr realistisch wirkende Effekte und einen hohen Grad an Immersion. Man kann ein tolles Nachtsichtgerät ausprobieren, verfügt über eine Wärmebildkamera und ein großes Arsenal von Waffen und kann in verschiedene Rollen schlüpfen. Zudem findet die Rückmeldung über Erfolg oder Misserfolg unmittelbar statt. Man muss nicht erst warten, bis ein Lehrer die Klausur korrigiert, sondern wird sofort über den Stand des Erfolges, das Ranking, seine Stärken und Schwächen und den Trainingsbedarf informiert. Interessanterweise werden Spiele wie »Splinter Cell«in der Terrorismusbekämpfung eingesetzt. Was soeben an positiven Leistungsmerkmalen der Computerspiele formuliert wurde, kann natürlich ebenso in negativer Form ergänzt werden. Vielen Eltern und Pädagogen machen diese Computerspiele Angst. Die von mir gewählten Beispiele sind noch relativ sharmlosc Andere Referenten arbeiten mit wesentlich brutaleren Beispielen. Ich wollte lediglich transportieren, dass eine Faszination in den Spielen liegt und dass sich die Wirkung, die diese Spiele auf Schüler haben, nicht auf einfache Ergebnisse reduzieren lässt. Aber selbstverständlich fragen sich Eltern und Pädagogen: »Ist das richtig, dass mein Kind/die Schüler sich mit Computerspielen beschäftigen?« Der Einwand der Gefahr einer allzu einseitigen Beschäftigung ist berechtigt. Wer mit passionierten Online-Rollenspielern spricht, findet diese Feststellung häufig bestätigt. Eine interessante Anekdote, die auf einer Tagung in Köln an dieser Fachhochschule erzählt wurde, handelt von einem Studenten, der sich in einem Online- Rollenspiel befand und beim Kölner Karneval leider vergessen hat, seine Flotten zu sichern woraufhin alles zerstört wurde. Der Kommentar des Studenten lautete: »Da hab' ich 10

S. unter http://www.youtube.com/watch?v=ZugHKNzM4bw [30.12.2010].

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wohl nicht aufgepasst und da war ich so zerstört, da musste ich erst mal noch einen Urlaub hinten dranhängen, um mich davon zu erholen.« Dies zur Illustration der starken Verknüpfung von virtueller und realer Welt. Wie geht die ältere Generation mit den fremden Welten von Kindern und Jugendlichen um? Ich möchte im Folgenden einige Überlegungen skizzieren, die für schulische Medienpädagogik und für das Elterhaus und auch für die außerschulische Jugendarbeit m.E, grundlegend sind. Zum einen sollte es ganz basal darum gehen, einen Dialog herzustellen, die Offenheit gegenüber den Erfahrungen und der Lebenswelt der jüngeren Generation beizubehalten, miteinander reden zu können, ohne gleich in moralisierende Vorhaltungen zu verfallen. Dies erfordert zunächst einiges an Anstrengung und Überwindung der eigenen inneren Zensurmechanismen. Aber damit ist zugleich auch eine eigene Neugier als Antrieb im positiven Sinne verbunden. Was passiert denn da bei dem anderen, was macht der denn da eigentlich? Ein weiteres grundlegendes Ziel sollte darin bestehen,Jugendliche und Kinder selbst dafür zu sensibilisieren, wie Medien auf sie wirken, mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen, trotz oder gerade angesichts brutaler Bilder und Szenarien einen Dialog herzustellen. Es geht darum, Formen der Symbolisierung und der Artikulation im Umgang mit den in diesen Medien konkretisierten Szenarien und Phantasien zu finden.

Abschließende Bemerkungen für die Konzeption von Unterricht und Schule Abschließend möchte ich die ich hier vorgetragenen Überlegungen im Hinblick auf die Entwicklung eigener Unterrichtsentwürfe als Student, Referendar oder Lehrer konkretisieren. Sehr häufig empfehlen wir die Implementierung der Arbeit mit Medien in den Unterrichtsalltag," Wichtig ist, dass der Umgang mit Medien nicht additiv bzw. als separate Einheit zum bisherigen Unterricht dazukommt, sondern dass von vornherein nach Möglichkeiten des Einsatzes von Medien als integrativer Bestandteil des Unterrichts gefragt wird. Dabei muss das Rad nicht immer neu erfunden werden, im Internet gibt es zahlreiche Beispiele, wie Medien im Unterricht angewandt werden können. Wobei sich auch angesichts dieser vorfindliehen Beispiele stets die Frage nach der Qualität gestellt werden sollte.

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Vgl. hierzu den Beitrag von Daniel Röhe in diesem Band, 348-353.

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Beispiele zur Integration von Medien im Unterricht Ich gebe Ihnen hier zwei Beispiele. Eine Kollegin hat in einem 12.Jahrgang das Thema Gedichte durchgenommen und in vier Schulstunden mit diesem Jahrgang zwei Präsentationen erarbeitet. Natürlich haben diese Präsentationen ihre Schwächen. Auf der anderen Seite - wenn man sich überlegt, dass diese Arbeiten in zwei Doppelstunden entstanden sind, ohne dass vorher eine Einführung in PowerPoint gegeben worden war - liegen beachtliche Leistungen vor. Die Bilder haben die SchülerInnen teilweise aus dem Internet geholt, teilweise selbst weiter verfremdet, teilweise selbst aufgenommen oder gezeichnet. Man mag - und sollte - zu solchen Präsentationen eine differenzierte Haltung einnehmen. Ich behaupte nicht, dass dies das beste Beispiel für das Erlernen des Umgangs mit PowerPoint ist. Es sollte jedoch deutlich geworden sein, dass es für einen Einstieg in derartige Software nicht notwendig ist, dafür zwei Stunden in der Woche gesondert zu reservieren und die Schüler nur mit Fragen zu einer bestimmten Software zu konfrontieren, ohne dabei an fachlichen Themen zu arbeiten. Schüler haben einen ganz eigenen Zugang zu diesen Medien und finden meist Wege, sich gegenseitig zu unterstützen. Unsere Aufgabe ist es, im Nachhinein das Erreichte gemeinsam anzuschauen, zu bewerten, zu benennen, was verbessert werden kann, und gestalterische Aspekte anzusprechen wie etwa die Frage, ob die Visualisierung eines Gedichts stimmig ist. Selbst mit einem minimalen Zeitaufwand lässt sich Medienarbeit in den Unterricht integrieren, ohne dass es einer großen zusätzlichen Anstrengung bedarf. Das zweite Beispiel stammt aus dem Bereich der Arbeitslehre, auch hier handelt es sich nicht um etwas Spektakuläres. Ich habe bewusst keine Hochglanzprojekte ausgewählt, weil es mir um das alltägliche Arbeiten geht. Bei dieser Schülerarbeit sollte demonstriert werden, wie ein Schlüsselschloss gebaut wird; das ist in der Arbeitslehre gang und gäbe. Diese Anleitung wurde von Lehrern und Schülern gemeinsam erstellt, sie haben einen Fertigungsablauf in eine Präsentation übersetzt. Das Interessante daran ist, dass die Schüler sich erst einmal darüber Gedanken machen müssen, welche Schritte dazu gehören, und in einem zweiten Schritt überlegen, wie sie diese Schritte darstellen können und was dabei für andere Schüler wichtig ist, damit sie den Prozess nachvollziehen können. Das hat natürlich etwas Schematisches, es handelt sich nicht um eine kreative künstlerische Arbeit. In erster Linie geht es hierbei um eine Form systematisierten Arbeitens. Insbesondere in der Arbeitslehre, die im Hamburger Schulwesen an den Gesamtschulen stark vertreten ist, haben derartige Arbeitsabläufe eine hohe Bedeutung. Vor allem für die eingangs genannten Risikogruppen sind derartige computergestützte Arbeitsformen enorm wichtig. Sie erfahren z.B. in unmittelbarer Form, dass es wichtig ist, eine Fläche berechnen zu können, wenn man ein Zimmer

Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen der schulischen Medienpädagogik

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streichen möchte. Auch der Zugang zur Verwendung bestimmter Werkzeuge ist im Zuge der Erstellung einer PowerPointpräsentation ein anderer. Die Erstellung dieser Präsentation war natürlich etwas zeitaufwändiger, aber auch hier wurde mit ganz einfachen Mitteln gearbeitet: mit einer Digitalkamera und einer PowerPointpräsentation. Das sind einfache Beispiele, die sich im Unterrichtsalltag ohne großen zusätzlichen Aufwand realisieren lassen.

Ansätze zur Schulentwicklung Notwendig sind jedoch flankierende Maßnahmen im Bereich der Schulentwicklung, um medienpädagogische Ansätze nachhaltig zu verankern:

• • • • •

Erarbeitung einer schulinternen Medienentwicklungsplanung, Abstimmung einer schulinternen Fortbildungsplanung, Sicherung eines technischen Wartungskonzeptes, Nutzung der pädagogisch-technischen Beratung und Unterstützung bei der IuK-Beschaffung u.v.m.

Mein vorläufiges Zwischen- oder Endergebnis lautet: Im schulischen Alltag existieren viele medienpädagogische Ansätze nebeneinander. Es gibt kein alleingültiges Rezept, wie mit den unterschiedlichen medialen Erfahrungen und Erlebniswelten der Schüler umgegangen werden kann. Eines aber ist hoffentlich deutlich geworden: Eine Vermeidungsstrategie kann nicht erfolgreich sein. Diese Erkenntnis korrespondiert mit den Erkenntnissen, mit denen auch in der Suchtprävention gearbeitet wird. Es hilft also nicht, wenn wir die Schüler von bestimmten Orten fernhalten - wir sollten Kinder und Jugendliche dafür stärken, das Leben aus eigener Kraft heraus zu meistern, ohne dass sie einer permanenten Kontrolle ausgesetzt sind. In unserem Fall heißt dies: Sie sollten so früh wie möglich in der Lage sein, selbst darüber zu entscheiden, was sie unter sinnvoller Nutzung der Medien verstehen - und auch mal abschalten können.

Spur, Rekonstruktion, Medium Frieder Kerler

Gelegt werden soll die Spur eines konstruktiven Verständnisses der Beförderung von Mitteilungen in der vagen Hoffnung, dadurch die etwas abgenutzt erscheinende Begriffsruine >Medium< da und dort zu restaurieren. Vorgestellt wird dazu eine Einheit aus dem Kunstunterricht, die an Re- und Neukonstruktionsversuchen verloren gegangener Zusammenhänge mit erhaltenen Bruchstücken - also eben am Erzeugen einer Spur - beispielhaft Medienumgang demonstriert. Ich verfolge dabei die Fährte -Subjekt - Medium - Subjekte Einleiten möchte ich mit einigen Bemerkungen zum Begriff des Mediums. Es folgen knappe Andeutungen zum Bezug meiner Bemühungen: zu Bildung und Unterricht als ästhetischem Handeln. Zur Veranschaulichung verweise ich auf Materialien im Internet zum Thema im Schulkunst-Programm, einer baden-württembergischen Bildungs-Initiative. Anschließend widme ich mich der Spur als Medium. Dazu zitiere ich einige Materialien der Spuren-Redaktion und stelle einen kurzen Abschnitt aus einer Einführung in das Thema vor, die im Unterricht und bei Lehrerfortbildungen Verwendung fand. Daran wird sich der Bericht über eine Unterrichtssequenz zum Thema »Spur als Medium« anfügen. Aus gegebenen Bruchstücken entwickelten Schülerinnen und Schüler einer achten Klasse ihre Deutungen und traten als Botschafter der eigenen Nachricht auf. Die sSpeicherfunktionc der Medien soll besonders betrachtet werden. Schließen möchte ich mit einigen lakonischen Bemerkungen zur Schulbildung. Bemerkungen, die mir - fast möchte ich sagen folgerichtig - aus dem Vorgestellten hervorzugehen scheinen.

>Medium< Wie geht es dem Begriff >Medium
T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_18, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Frieder Kerler

sozialen Erheblichkeiten (Niklas Luhmann spricht von der Liebe als Medium'), Da wird allerlei übermittelt. Von übersinnlich begabten Menschen als Medien, als Verbindung zu Verstorbenen, ganz zu schweigen. An dieser unvollständigen Übersicht mag deutlich werden, dass sich der Begriff des Mediums bzw. der Medien bemerkenswert unscharf und mithin schwach darstellt. Ich hege den Verdacht - so meine These -, dass die Welt - »Alles was der Fall ist« diesen Begriff hinter sich gelassen hat. Zu meiner Studienzeit meinten Medien im Sprachspiel der Öffentlichkeit >Massenmediene - also etwa Zeitung, Radio und Fernsehen - und wurden, nicht ganz zu Unrecht, als heimtückische Machtinstrumente der Manipulation, d.h, der Lügen und Verführung im Interesse des Kapitals, verschrien. Als >Neues Medium, kam vor allem >Video< in den Blick. Ein demokratisches, positives Gegenmodell zum öffentlich-rechtlichen Staatsfernsehen, damals auf gemütlichen, übersichtlichen drei Kanälen. Begriffe haben ihre Geschichte, sie wandeln sich einerseits durch Reformulierungen - Richard Rorty spricht vom neuen Vokabular zur Erzeugung neuer Wirklichkeiten (Rorty 1987: 390~ -, anderseits durch die Entwicklung der Referenzen, auf die sich die Begriffe beziehen. Übersehen wird dabei gelegentlich, dass in einer Schicht darunter Denkmodelle lagern, die, selten thematisiert oder gar in Frage gestellt, den Diskurs wesentlich bedingen. Etwa: Subjekt-Objekt-Vorstellungen, die Wertschätzung - vielleicht die Überschätzung - der festen, harten Dinge statt ihrer Beziehungen, der Vorrang der Stabilität vor Dynamik; die Grundlagen haben wir meist fest im Blick, die Relationen, die Verläufe übersehen wir leicht, bis hin zu ethischen Polaritäten. Ich komme darauf zurück.

1 Liebe fungiert - nach Luhmann - in der heutigen funktional ausdifferenzierten Gesellschaft in erster Linie als »symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium«, das unwahrscheinliche Kommunikation wahrscheinlich machen soll (vgl. Luhmann 2003: 114). 2 Rorty wählte dafür den alten Begriff der ,Bildung<, in dem bereits der Gedanke einer Selbst-Formung und -Veränderung steckt: »D as Unternehmen, uns und andere zu bilden, kann in der [00'] Tätigkeit bestehen, Verbindungen zwischen unserer eigenen Kultur und irgendeiner exotischen Kultur oder Gesehichtsepoche herzustellen oder zwischen unserem eigenen Fach und einer anderen Disziplin, die mit einem inkommensurablen Vokabular inkommensurable Ziele zu verfolgen scheint. Oder es kann in der sp oetisch ene Tätigkeit bestehen, sich solche neuen Ziele, eine neue Termioologie oder neue Disziplinen auszudenken, an die sich dann [. . .] die Reinterpretation unserer vertrauten Umwelt in der noch unvertrauten Begrifflichkeit unserer Innovationen anschließt. In beiden Fällen ist diese Tätigkeit bildend [00']'« (Ebd.)

Spur, Rekonstruktion, Medium

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Dem Medienbegriff möchte ich mich über den Spur-Begriff nähern und mögliche Begriffs-Rekonstruktionsansätze anhand des Diskurses der Spuren-Redaktion des Schulkunst-Projekts illustrieren. Um es vorwegzunehmen, wandelte sich unser SpurBegriff von der formalen Beschreibung zur inhaltlichen Deutung, vom Vorgefundenen zu seiner Geschichte, kurz: vom Phänomen zur Hermeneutik. Ich halte diesen Umweg für viel versprechend. Er könnte zur Veranschaulichung eines pragmatischen Medienverständnisses beitragen. Also aufs Ganze gesehen wohl wenig Neues, sondern vielmehr der Versuch einer Präzisierung.

Bildung und Unterricht als ästhetisches Handeln Gunter Otto fasst 1994 eine Position von Dieter Henrich (1989) folgendermaßen zusammen: »Ästhetische Erfahrung bezieht sich nicht auf Kunsterfahrung, sondern ist ein Modus, Welt und sich selbst im Verhältnis zur Welt und zur Weltsicht anderer zu erfahren.« (Otto 1994: 56) Das beschreibt m.E, bündig, was unter Bildung im besten Sinn verstanden werden kann. Kulturelle Gegebenheiten, die Lebenswelt in all ihren Facetten, regt die Individuen, die in sie hineinwachsen an, mitzuschwingen. Begabungen, Talente, Interessen und Fähigkeiten ermöglichen die »Resonanz der Teilhabe« - wie Sloterdijk es genannt hat. Wie stellt sich dieser Modus einer gelingenden Bildung dar? Wir bilden uns und werden gebildet im Kontakt mit Verhältnissen kultureller Bedingungen, Meinungen, Ideen ..., die geeignet sind, uns zu berühren. Was an uns vorüberzieht ohne Widerhall, ohne uns wirklich zu erreichen, was uns also nicht beeindruckt, hinterlässt kaum Spuren, die uns bilden, die erinnert werden können und Folgen haben. Ein Beispiel: Lassen wir uns durchs Internet oder die TVKanäle treiben, erzeugt das verlässlich Ablenkung, Zerstreuung, Verzettelung bis hin zur Denklähmung. Was bleibt von einem durchzappten Fernsehabend am nächsten Morgen? Können wir uns aber mit einem Erlebnis, einer Situation, einer Handlung, einer Begegnung oder auch mit Bildern, Geschichten, vermittelten Gedankengängen usw. verbinden - beziehen wir sie auf uns -, werden sie uns bilden. Das gilt auch für die Schule. Eine ästhetische Aneignung der Welt erscheint in dieser Hinsicht besonders viel versprechend. Was könnte damit genau gemeint sein? Unsere Welt konstituiert sich mittels ästhetischer Kategorien. Ästhetischer Umgang verbindet die Hervorbringung Poiesis, das Erschaffene, das Werk - mit der Praxis - performativen Aspekten, der Handlung und Darstellung - und legt gleichzeitig eine Reflexion darüber nahe. Dewey (1980) spricht von ästhetischer Erfahrung als einer Grundform unserer Erfah-

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Frieder Kerler

rungsmöglichkeiten, wobei unweigerlich Sinnfragen auftauchen. Henrich bemerkt im Hinblick auf das Ästhetische eine »Flexibilisierung« des Erkenntnisbegriffs (vgl. Henrich 1989: 162). Diese Beweglichkeit erscheint mir wertvoll. Ästhetische Tätigkeit, also exploratives (erforschendes, erkundendes) Verhalten, das Neugier fördert, gebunden an assoziative, kombinatorische Kreativität, das gestalterische Experiment, repräsentiert eine Dimension der Vernunft, die Henrich als »Weltbeziehung mit Erschließungskraft« beschreibt (vgl. ebd.). Ästhetische Aneignung, ästhetisches Denken und Handeln, übersteigt also bloßen Nachvollzug, bloße Nachahmung - oder wie Kant formuliert hat: »Nachäffung« (Kant 1990: § 49) - durch Schöpferkraft, die sich durch ein »In-Beziehung-Setzen« ausdrückt. Die eigene Hervorbringung, die kreative Alternative, ist geeignet, WeltDeutungen in Frage zu stellen und mag dadurch irritieren, jedenfalls werden bestehende Weltansichten überprüft, und andere Sichtweisen zur Kenntnis genommen, anders formuliert: Diskontinuitäts- und Differenzerfahrungen relativieren und korrigieren oberflächliche, unbedachte, etwa modische Einschätzungen und begünstigen ein Eindringen in die Welt. Ich möchte im Folgenden anhand einiger Materialien aus der Arbeit unserer Spuren-Redaktion einen konstruktiven Spurbegriff einführen.

Das Schulkunst-Programm Das Schulkunst-Programm ist Teil des im Jahre 1984 vom Ministerium für Kultus, Jugend und Sport initiierten sAktionsprogramms zur Förderung der musisch-kulturellen Erziehung an den Schulden des Landes Baden-Württemberg<. Durch das Programm können künstlerische Projekte mit Jugendlichen in und außerhalb der Schulen unterstützt werden. Einen wichtigen Bestandteil des Schulkunst-Programms bilden die Ausstellungen rund um ein festgelegtes jahresthema,"

Spur als Medium Bilder laden ein zur Interpretation - Spuren fordern sie heraus. Sie bleiben ohne Deutung, ohne Erklärung oder Interpretation unerkannte, belanglose Beiläufigkei-

Hier finden sich einige Materialien zum Spuren-Thema: http ://www.kultusportal-bw.de/servlet/ PB/ -s] osqhcadui3uwlcg2q1nwptusudkhex/menu/1176081_11/index.htm1?pbanker=Spuren#Spuren [29.11.2010]. Den Diskurs der Spuren-Redaktion zeichnet dieser Text nach: http ://www.kultusportal-bw.de/servlet/ PB/-s/osqhcadui3uwlcg2q1nwptusudkhex/show/1186817/SpurFKpdf [29.11.2010].

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Spur. Rekonstruktion. Medium

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ten, leicht zu übersehen. Was etwas als Spur auszeichnet, ist äußerlich, es wird der Erscheinung zugeschrieben. Ein Beispiel. Die Gummiabschürfungcn auf dem Asphalt werden erst als )Bremsspur< verstanden zum Hinweis auf den Unfall, dessen Sclttcckcn und dessen Folgen die Betroffenen, anband dieser Spur, erinnern. Für Unbeteiligte bleiben es Amcichen einer entschiedenen Verzägcrong, deren Konsequenzen sie nicht kennen können. Sputen geben ihre Bedeutung nur dem preis, der sie sozusagen als -Besiehuegsgescbichee zu lesen vc:rmag, der ihre Relationen, ihre Bedeutungs-Bcziigc herzustellen weiß; kurz: ihren Kontext kennt. Sputen scheinen mithin der Inbegriff des Hintersinns, der kodierten, verschlüsselten, manchmal geheimnisvollen Botschaft, Sputen erscheinen dynamisch, stehen in 'Vic1fältigcn raumzeitlichcn Bezügen, wandeln sich mit der Zeit. Ein Beispiel.: Ein Astronom und ein Astrologe. ein Christ und ein Atheist, ein Kind des 17. und eines des 21. Jahrhunderts werden den Komctcnschwdf einer Sternschnuppe jcwdls recht unterschiedlich deuten. Für jeden =g die Lichtspur VOt' dem Hintergrund der Kultur seiner Zeit und seines Vorwissens bemerkenswert erscheinen, aber vermutlich mit immer anderer Bedeutung. eigener Auslegung - eben eigener Sinnkonsttuktion. So weit unser Ansatz.

Die Beobachtung einer Reihe äbnlich.cr Formen - eine Fußspur im Schnee -legt den Gedanken der Wiederholung eines Merkmals nahe. Die Relationen der Elemente, die eine Spurwahrnehmung bilden, finden sich im Übergang. im Zwischenraum. Insbesondere die Gestaltgesetze der Nähe und der .Ähnlichkeit formulieren die Struk:tu.rcn so1ch.c:r Spuren. Aber auch die übrigen Gestaltgesetze der geschlossenen

Form, der guten Fortsetzung und des gemeinsamen Scbicksals - hen:lich poetische Bezeiclmungen allesamt - scheinen grundlegende Struhuren von Spurverläufen wie von Wthmehmungcn- beaeichnea zu können. überdies sind Spuren zdchentheoretisch betrachtetweder IIrone- bildhafte Zeichennoch Symbole- Zeichen, deee Verständnis auf Verabredung beruht, SiesindIndizessls hirrwciscndc. anwesende Zeichen vttwdscn sie .uf Abwesendes. So treten Spurensls Medien. hervor, die durch ihre Bedeutung über !ich hinaus weisen.

Es gibt den VcrunllCher. der - absichtlich oder unahsichdich - Mittdhmge.n zuriic:klässt fiir Kundige, die in der Lagt: sind, sie zu rekonstruieren. So ergibt sich die mediale Beziehung: Subjekt - Botschaft - Subjekt. Da das Verstindnis der Bcdeunmg einerSpur. ihre Deunmg, ihre Interpretation, hermcncurische Mühen macht, Hegen Missverständnisse, wie bei jedermcxlia1en Vermittlung, im Bereich des Möglichen. Die Botschaft der Hinredassenachaft wird vom Betrachter re-konstruiert; das heißt aktucIl erzeugt, und sogt mithin über ihn 10 vid WlI wie über die Spur seihst. Der Spurensucher spricht viel von sieb. wenn er seine Sicht der F"ahrte crliutcrt. So wird

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Spur, Rekonstruktion, M.dium

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aus dem Spurensucher über den Interpreten der Spureolege.r. Unversehens kommt er uns als Schöpfer seiner Spur entgegen. Ein l.et:zter, vorläufiger Gedanke dazu: Die Begegnung einer Spur als .Ankündigung, als Verheißung, als Hinterlassenschaft der Vergangenheit - später wieder entdecktkann in die Zukunft fühten. Es ist etwas angelegt, dem nachgespürt, das eingeholt und entdeckt wetden kann.

Eine Unterrichbsequenz in einer achten Klaue - Medien als Speicher Derart ausgerüstet und vorbereitet; möchte ich sie jetzt mit der Arbeit einer achten Klasse zum Thema vertraut machen. Den Schülcrinncn und Schülern lagen die Bildteile aus dem Ftesko von Hcraklion als Farbkopie vor. Diese Bmchst:fu:kc sortierten sie neu. um so eigene Nachrichten zu illustric:ren. Die Rekonstruktionsversuchc verbindet untereinander die Erwartung oder der Glaube an die Möglichkeit, eine verständliche, sinnige, zusammenhängende, nachvollziehbare Mitteilung zu konstruieren. Das entspricht unserer Erfah:rung. QNid l1UII? Was soll's? Wozu das Ganze? Die Übungen im Umgang mit visuell Gestaltetem schärfen zunächst das Erkennen von Unterschieden und entwickeln so die W:a.hrnehmungskompetenz. Textur und Struktur. äußere Erscheinung der Oberflä.che und innerer Zusammenhang des Bildes, ergeben. aufeinander bezogen und ineinander verschräckt, Unterscheiden und Deuten, Sinn und Verstii.nclnis.4 Frühere Kulturen etwa hinterlassen Spuren. Als mediale Qualitäten kommen neben der Vcrmittlerfunktion von allem Anfang an besonders >Speichctaufga.bencin den Blick. Wie steht es mit dieser medialen Qualitit? Eine durcha.us aktuelle Frage: Wir verlassen uns zunehmend auf externe Speicher und pflegen den inter• Ein BcispicI: Kunsthistoriker. 60ZU5agcn >Optiker< vomFach,agieren öfter fern gestahl,rinhcr Ptuis. Sie tun siehgclegentlkh icllwo:r. drudrgnphW;he Vcr&hn:n zutteffi:nd zu erlo:nnen.

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Frieder Kerler

nea nicht sonderlich. Mit den ebenso absehbaren wie bcdaucrli.chen Einbußen an Erinnc:rung und Daten.

Das ist seit Iangem bekannt. Antike Texte berichten dies bereits, samt der verderblichen Einflüsse. In Patons be.riihmtem Phaidros-Dialog diskutiert Sosrates die Schrift quasi als >Gedächtnisprothese< inklusive ihrer Wirkung für das Erinnern. Es lohnt wohl, die Stelle zu zitieren. Sokrates sagt also: »Denn Vergessenheit wird dieses [die Rede ist von der Schrift] in den Seelen derer, die es kcnnenlcmen, herbeiführen durch Vemachlässigung des Erinnerns, sofern sie nun im Vertrauen auf die Schrift, von außen her mittels fremder Zeichen, nicht von innen her, aus sich selbst, das Erinnern schöpfcn.« (Platnn, Phaidros: 274b--277a)

Übrigens weist Samtes - in der platonischen Redaktion - sogleich auf die sozial abtriglichen Konsequenzen hin: »Von der Weisheit aber bietest du den Schülern nur Schein, nicht Wahrheit dar. Denn Vielhörer sind sie dir nun ohne Belehrung. und so werden sieViel.wisser zu sein meinen, da sie doch insgeheim Nichtswisser sind und Leute, mit denen schwer umzugehen ist, indem sie Scheinweise geworden sind, nicht

Weise.« (Ebd.) Man wird dieses Phänomen später gelegentlich als antes Bücherwissens geißeln. Meine Schüler entwickeln eine zmentale Bulimie -. auf denTermin hin wird Information verfügbar, die Tage später schon wieder vergessen ist.

Abschließende Bemerkungen zur Schule Das aktuell so genannte ,Neue Medium< - der Computer inklusive seiner Peripherie als Materialisierung der Djgitalisation - und sein Gebrauch muten gelegentlich m0derner an als Ihr Diskurs, der oft in traditionellen Denkfiguren befangen bleibt. Medien werden entweder negativ als kulturfremde, gar subjek:tfeindliche und mithin bedrohliche Techno1ogi.en (Stichwort übe.rwachung) erlebt und beschrieben oder DWl begegnet ihnen positiv, aber ebenso undifferenziert mit fast ehrfiirchtige.t: Be-

Spur, Rekonstruktion, Medium

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wunderung und preist sie als Lebensbereicherung. Kulturpessimismus versus Technikfetischismus: Negativ empfundene, ängstliche Ablehnung medial verursachter Änderungen unserer Lebenswelt steht positiven >Erlösungs-Erwartungen
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Frieder Kerler

Diese wertschöpfende Funktion realisiert sich im Handeln, im praktischen Umgang, speziell im ästhetischen Tun. Die Grundform menschlicher Erfahrung stellt sich als ästhetisches Tun und Denken, also - im besten Fall - in gestaltender Produktion dar. Die Erschließung neuer Bedeutungen, geistvoll-witziger, unerwarteter Verbindungen, die Generierung utopischer Möglichkeiten, überraschender Fiktionen, eröffnet über neue Spielräume neue Einflüsse. Daraus erwächst zunächst ein bestimmtes Bildverständnis (Vorstellungs- wie Darstellungsverständnis), seiner Struktur als Ausdruck, als Erscheinung latenter Bedeutungen, sowie eine Bildkompetenz seiner Funktionen und Potenzen: auch seiner Freiheiten und Grenzen, die zu verantworten sind ," Dabei spielen immer Konstruktionen, so viel könnte jetzt plausibel geworden sein, also Vorstellungen, Vorwegnahmen, Vermutungen, Assoziationen, Inspirationen, kurz: Hypothesen die entscheidende Rolle. Oder xnediak formuliert: die eigenen Erwartungen bezüglich der Erwartungen der Anderen ... Zuletzt wirft das Gesagte natürlich für die Schule die Frage auf: Ist das überhaupt erwünscht? Steht nicht Innovation als Strategie, alte Aufgaben neu zu lösen, zwar hoch im Kurs, Kreativität aber eher unter Generalverdacht, neue Probleme ohne Not zu erzeugen und Lösungen zu präsentieren für Fragen, die keiner gestellt hat? Wem Phantasie und Kreativität als eine unerwünschte, gar lästige, jedenfalls entbehrliche Alternative zur >Wirklichkeit< erscheint, zu einer Wirklichkeit, die zu ergreifen sei wie sie erwünscht ist, wer also innere Bilder als Störfaktor eher unterdrücken will, dem wird Sinnlichkeit, dem werden vielleicht die Sinne an sich - also die Fähigkeiten zu erkennen, zu unterscheiden, zu bewerten, aber auch zu phantasieren und zu genießen - suspekt erscheinen. Was sich nicht begrifflich, am besten in Maß und Zahl und ohne Rest, fassen lässt, wirkt bedrohlich, günstigstenfalls als überflüssiger Luxus, als nichtsnutziges Allotria. Von Alexander von Humboldt wird kolportiert, dass ihn Bücher ohne Zahlen beunruhigten (vgl. Kehlmann 2005: 221). Vor diesem Hintergrund einer unübersichtlichen Lebenswelt erscheint Bildung, die auf Kreativität setzt, die eigene Ideen wagt und im Labor der Gestaltung experimentiert, unversehens subversiv.

6 Jean-Luc

Godard (2003): »Das Gesagte kommt vom Gesehenen.«

Spur, Rekonstruktion, Medium

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Literatur Arendt, Hannah (1960): Vita activa oder Vom tätigen Leben, München: Piper. Bense, Max (1999): Kybernetik oder Die Metatechni.k einer Maschine. In: Pias, Claus/Engell, Lorenz/ Fahle, Oliver/Vogl, Joseph/Neitzel, Britta (Hg.): Kursbuch Medienkultur, Stuttgart: DVA, 472--483 (1951 i.o.).

Dewey, John (1980): Kunst als Erfahrung, Frankfurt a.M.: Suhrkamp (1934 i.O), Godard, Jean-Luc (2003): Das Gesagte kommt vom Gesehenen. Drei Gespräche, Bern/Berlin: Gachnang & Springer

Henrich, Dieter (1989): Kunstphilosophie und Kunstpraxis. In: Kunstforum 100, 162-179. Kant, Immanuel (1990): Kritik der Urteilskraft, Hamburg: Meiner (1790 i.O), Kehlmann, Daniel (2005): Die Vermessung der Welt, Reinbek b. Hamburg: Rowohlt. Luhmann, Niklas (2003): liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität, 7. Aufl., Frankfurt a.M.: Suhrkamp (1994 i.o.).

Nake, Frieder (1984): Schnittstelle Mensch-Maschine. In: Kursbuch 75: ComputerkuItur, 109-118. Otto, Gunter (1994): Das Ästhetische ist »Das Andere der Vernunft«, In: Friedrich Jahtesheft XXII, 1994, 56-58.

Rorty, Richard (1987): Der Spiegel der Natur, Frankfurt a.M.: Suhrkamp (1979 i.O),

Abbildungen »Bremsspur«, Foto: Kerler »Kometenschweif<<, Foto: Kerler »Bildung«, Foto: Kerler »Krokuspflücker« [Der »Blaue Affe«], Archäologisches Museum von Heraklion, Fresko im Saal XVI, aus der Zeit der neuen Paläste, erste und zweite Fassung. Foto : Kerler »Platon und Sokrates«, eingeklebter Druck, in: Derrida, Jacques (1982): Die Postkarte von Sokrates bis an

Freud und jenseits. 1. Lieferung, Berlin: Brinkmann & Bose (1980 i.O}, 300.

Forschendes Lernen und wissenschaftliches Prüfen: die potentielle und faktische Rolle der digitalen Medien Gabi Reinmann

Einleitung: Wandel und Konstanz in 40 Jahren »Vor ziemlich genau zweihundert Jahren verfassten Humboldt und Schleiermacher ihre Denkschriften für eine neue Universität. Zu den wichtigsten Ideen darin gehörte, dass die Studierenden nicht [.. .] belehrt werden, sondern aktiv an der Wissenschaft [...] teilnehmen. Sie sollten forschend lernen [...].« (Huber 2009: 4) Mehr als eineinhalb Jahrhunderte später nahm sich der Hochschuldidaktische Ausschuss der Bundesassistentenkonferenz (BAK) der Idee des forschenden Lernens erneut an und verfasste im Jahr 1970 eine Schrift, deren Diagnosen und Forderungen für die Gestaltung von Lehre und Prüfungen bis heute kaum etwas an Aktualität eingebüßt haben. 40Jahre sind seit dieser Denkschrift nun vergangen - nicht lange bezogen auf die Geschichte der deutschen Universität, aber eine halbe Ewigkeit bezogen auf die Entwicklung digitaler Medien (vgl.Sesink 2008). Das Thema sforschendes Lernern ist gewissermaßen ein Klassiker: Betrachtet man die letzten vier Jahrzehnte, dann fallen weder große Hypes um das Thema mit weithin sichtbaren Publikationswellen noch Täler auf, in denen das forschende Lernen gänzlich in Vergessenheit geriet. Vielmehr erscheinen kontinuierlich, aber in überschaubarer Anzahl, Bücher und Artikel, die sich dem Thema immer wieder annehmen, allem voran in der Lehrerbildung (vgl. Obolenski/Meyer 2006). Huber (2009: 5) sieht im Zuge des voranschreitenden Bologna-Prozesses allerdings ein aktuell wachsendes Interesse am forschenden Lernen. Die Gründe seien zum einen direkt in der damit verbundenen Kompetenzorientierung zu suchen, die politisch und wissenschaftlich propagiert wird, und zum anderen indirekt in der Sorge, dass speziell Bachelor-Studiengänge das traditionsreiche Ziel eines forschenden Lernens im Studium in weite Ferne rücken lassen. Sieht man sich Lehrveranstaltungen an den Hochschulen daraufhin an, welche Veranstaltungsformen und -methoden zum Einsatz kommen, dann hält sich, so meine Einschätzung, die Chance in Grenzen, in heutigen Zeiten deutlich sichtbare Prozesse

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_19, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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des Wandels im Vergleich zu 1970 wahrzunehmen. Viele der damals festgestellten Probleme scheinen zudem nach wie vor ungelöst. Richtet man den Blick dagegen auf die technologische Entwicklung, dann treffen wir auf einen riesigen Fortschritt in den Möglichkeiten, via Medien Informationen einzuholen, zu kommunizieren, zu kooperieren und zu publizieren - Möglichkeiten, die sich selbstverständlich auch für die Hochschullehre nutzen lassen. Welche neuen Chancen das forschende Lernen speziell durch digitale Medien erfahren könnte, war und ist bis dato - von einzelnen Konzepten wie z.B, virtuellen »communities of inquiry« (Czerwionka/de Witt 2006) einmal abgesehen - kaum ein Thema. Mit dem folgenden Beitrag möchte ich bewusst die BAK-Schrift zum forschenden Lernen und wissenschaftlichen Prüfen von 1970 heranziehen und als Ausgangspunkt für die Frage nehmen, ob und inwieweit die dort beschriebenen Herausforderungen heute nach wie vor bestehen bzw. ob und inwieweit die damals formulierten Forderungen umgesetzt wurden: Was hat sich verändert, was ist gleich geblieben und was haben wir erreicht? Der dazwischen liegende Zeitraum von 40Jahren scheint mir ein guter Anlass für einen derartigen Vergleichzu sein. Meine Antworten auf diese Fragen sind essayistischer Art und basieren auf meinen eigenen Beobachtungen und Erfahrungen als Hochschullehrerin in den letzen knapp zehn Jahren. Auf dieser Grundlage möchte ich des Weiteren Überlegungen anstellen, in welcher Weise digitale Medien eine Hilfe dabei sein könnten, das forschende Lernen an unseren Universitäten überhaupt oder besser als bisher zu verankern und/ oder bis heute ungelöste Probleme kreativer anzugehen. Digitale Medien spielten in den 1970er-Jahren für die Hochschullehre noch keine nennenswerte Rolle. Hier haben wir heute natürlich eine gänzlich andere Situation. Die Verfügbarkeit und Qualität der digitalen Medien im Jahr 2010 ermöglicht es uns, Lehr-Lernszenarien und -methoden anders umzusetzen und stellenweise neue Ziele - auch für forschendes Lernen und wissenschaftliches Prüfen - zu formulieren.

Forschendes Lernen in der wissenschaftlichen Ausbildung Ziele der wissenschaftlichen Ausbildung Wissenschaftliche Ausbildung - so heißt es in der Denkschrift von 19701 - ist Ausbildung durch Wissenschaftler, in einer Wissenschaft,ftireinen auf Wissenschaft ange1 Die folgenden Darstellungen, die mit Verweis auf die BAK von 1970 verbunden sind, beziehen sich auf die Originalschrift mit dem Titel Forschendes Leme« - Wissenschaftliches Prüfen. Im Jahr 2009 erfolgte im UniversitätsVerlagWebler ein (unveränderter) Neudruck mit einem neuen Vorwort.

Forschendes Lernen und wissenschoftliches Prüfen

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wiesenen Beruf. Da Wissenschaft aber kein statischer Besitz bestimmter Kenntnisse oder Techniken, sondern ein dynamischer Prozess der Forschung und Reflexion ist, müsse diese Ausbildung durch Teilnahme an der Wissenschaft erfolgen . Die Ziele einer solchen wissenschaftlichen Ausbildung sind vielf:i.ltig: (a) Es gilt, fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben. (b) Man sollte wissenschaftliche Erkenntnisse praktisch anwenden können und deren gesellschaftliche Relevanz kennen. (c) Ziel ist es zudem, über methodische Sicherheit zu verfügen, aber auch Kontrolle und Kritik ausüben, kommunizieren, kooperieren, Motivation entwickeln, kreativ und autonom sein zu können. Auch für eine überwiegend berufsbezogene wissenschaftliche Ausbildung hätten diese Ziele, so die Autoren der Denkschrift, Gültigkeit und würden vor allem eines nicht zulassen: ein Nacheinander von Wissenserwerb und Forschen. Forschendes Lernen dürfe daher nicht in späte Studienabschnitte verschoben werden, nach dem Motto: Erst einmal die Grundlagen lernen und dann ein bisschen wissenschaftlich tätig sein. Eine solche Trennung sei daher genauso zu vermeiden wie Kurzstudiengänge, die eine solche nur verschärfen würden. Wir werden noch sehen, dass die Auffassung vom forschenden Lernen aus einer didaktischen Sicht immer noch Gültigkeit hat. Auch die Ziele der wissenschaftlichen Ausbildung klingen geradezu modern - immerhin sind sowohl Fachkompetenzen als auch Schlüsselkompetenzen genannt, wie sie heute heißen. Dass immer mehr Berufe komplexer werden - man denke nur an das Stichwort Wissensarbeit (vgl. z.B, Willke 2001) - und eine wissenschaftliche Ausbildung erfordern, für die man die Wissenschaft braucht, wird 2009 ebenfalls niemand bestreiten - im Gegenteil: Das passt zur Rhetorik der Wissensgesellschaft (vgl. Hasler Roumois 2007). Man muss aber auch sehen, dass eine Ausbildung durch Teilnahme an der Wissenschaft im Zuge von Bologna meist in späte Studienabschnitte bzw. in das Master-Studium nach einem Bachelor-Studium verschoben ist. Seit Beginn des Bologna-Prozesses vor zehn Jahren wird genau die Trennung vollzogen, vor der man 1970 so nachdrücklich gewarnt hat. Kurzstudiengänge sind Realität geworden. Begründet wird das mit internationaler Anschlussf:ihigkeit und Berufsorientierung, die man nicht mehr mit Wissen und Können in genuin wissenschaftlichen Tätigkeiten zu erreichen glaubt. Forschendes Lernen ist auch heute noch ein viel gebrauchter Begriff und nicht selten erklärtes didaktisches Ziel. Der bildungspolitische Wille hinter dem forschenden Lernen aber - so meine Einschätzung - ist ein gänzlich anderer als vor 40 Jahren. Hier hat ein einschneidender Wandel stattgefunden.

Forschendes Lernen und ergänzende Lernformen Die Autoren der Denkschrift von 1970 verstehen unter forschendem Lernen, dass Studierende an aktuell bestehender Forschung teilnehmen oder potentielle Forschungs-

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aufgaben übernehmen sollten. Dazu gehört, ein Thema selbständig zu wählen, eine eigene Strategie zu entwickeln und das Risiko von Irrwegen und Umwegen zu tragen. Zum forschenden Lernen gehört auch, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, erzielte Ergebnisse zu prüfen und erreichte Resultate nachprüfbar und verständlich darzustellen.l Ein solches Lernen, das wird eingeräumt, ist voraussetzungsreich und bedarf der Ergänzung durch andere Formen des Lernens. Diese sind das genetische, das rezeptive und das kritische Lernen. Auch 1970 also hat man nicht behauptet, man könne sieh alle Inhalte in allen Disziplinen in gleicher Weise komplett über Teilnahme an der Wissenschaft aneignen. Vielmehr genüge es manchmal, wissenschaftliche Erkenntnisprozesse von der Ausgangsfrage bis zum Resultat nachzuvollziehen und genetisch zu lernen. Beim genetischen Lernen steht der Studierende vor dem zu lösenden oder einem analogen Problem und durchläuft - arrangiert vom Lehrenden - die wichtigsten Stationen noch einmal mehr oder weniger frei. Genetisches Lernen sei da sinnvoll, wo forschendes Lernen zu schwierig, zu zeitraubend oder zu ressourcenintensiv ist. Ein solchermaßen induktives Lernen könne und müsse man - so das zweite Eingeständnis - durch rezeptives Lernen ergänzen. Systematische oder auch problembezogene Wissensvermittlung ist also in der Denkschrift zum forschenden Lernen keineswegs obsolet. Insbesondere wenn es einen konsensf:ihigen Wissenskanon gibt, solle dieser im Überblick vermittelt und nicht künstlich in Prozesse umgesetzt werden. Alle drei Lernformen gilt es - so die letzte Empfehlung - so zu begleiten, dass typische Haltungen des Forschenden erworben werden. Ziel eines solchen kritischen Lemens sei es, die Grundfragen der jeweiligen Wissenschaft und den Erkenntnisprozess zu reflektieren, kritische Distanz zu entwickeln, aber auch Techniken des selbständigen wissenschaftlichen Arbeitens zu erlernen. Nach dem heutigen Stand lerntheoretischer Erkenntnisse kann man wohl eine Kombination der genannten vier Lernformen für die Hochschullehre ohne Zögern gutheißen. Forschendes Lernen ist eine geradezu klassische Forderung. Deren Umsetzung - noch dazu als Leitprinzip - aber bleibt zunehmend den besonders gut ausgestatteten Exzellenz-Studiengängen vorbehalten oder ist auf einzelne Veranstaltungen beschränkt, deren Dozenten ein besonderes Engagement an den Tag legen. Kurzstudiengänge wie der Bachelor lassen dafür schon aus zeitlichen Gründen kaum mehr Platz. Das gilt mitunter auch für das genetische Lernen, das, nebenbei bemerkt, hohe didaktische Kompetenz und nicht unerhebliche Vorbereitung erfordert. Faktisch be2 Ein aktueller Sammelband zu einem von der Kiirber Stiftung geförderten Projekt zum forschenden Lernen bestätigt im Wesentlichen diese Kernmerkmale des forschenden Lernens (vgl. Huber/ Hellmer/Schneider 2009).

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stimmt das rezeptive Lernen den Alltag vieler Studierender vor allem auf der BachelorStufe. Innerhalb der Bologna-Logik erscheint das funktional, gilt es doch als Ziel, möglichst vergleichbare Grundlagenkenntnisse zu vermitteln. Ob sich dahinter tatsächlich ein jeweils konsensfähiger Wissenskanon verbirgt, darf wohl bezweifelt werden. Das kritische Lernen würde man heute wohl eher als reflexives Lernen bezeichnen, es hat seinen Charakter ebenso geändert. Deutlich etwa ist eine Verschiebung der Relevanzen: Fertigkeiten zur Informationsrecherche und -bewertung sowie Techniken der wissenschaftlichen Wissensproduktion sind in Zielkatalogen dominanter als Kritikfähigkeit und kritische Distanz. Wissenschaftstheoretische Reflexionen während des gesamten Studiums, wie man sie 1970 noch gefordert hat, sind - so meine Beobachtung -längst dem engen Zeitdiktat der neuen Studiengänge zum Opfer gefallen und einem scheinbar praxistauglicheren Schlüsselkompetenzerwerb gewichen.

Voraussetzungen für forschendes Lernen Man hätte 1970 keine Denkschrift zum forschenden Lernen gebraucht, wenn es bereits Kern der Hochschullehre gewesen wäre. Die Feststellung, dass forschendes Lernen in der Hochschule heute wenige Chancen hat, heißt also nicht, dass früher alles besser war. Schon vor 40 Jahren hat man zudem erkannt, dass eine ganze Reihe von Voraussetzungen nötig sind, um das forschende Lernen zum Leitprinzip machen zu können: Da forschendes, aber auch genetisches Lernen spezialisiert sind, müsse man diese Lernformen, so die Autoren der Denkschrift, mit dem Aufbau systematischen Wissens abstimmen und ihnen einen eigenen Platz im Curriculum zuweisen. Neben dieser curricularen Voraussetzung erfordere das forschende Lernen von den Studierenden Motivation, Einzel- bzw. Selbststudium und Kooperation. Vor allem die Motivation wurde schon 1970 als Problem erkannt. So ist in der Denkschrift wörtlich von Indifferenz, Unzuverlässigkeit, mangelnder Konstanz und zu niedrigem Anspruch der Studierenden die Rede. Deutlich wird das Dilemma herausgestellt, dass forschendes Lernen zwar das beste Verfahren sei, um höhere Motivation hervorzubringen, gleichzeitig aber ein Minimum eben dieser Motivation voraussetze. Mindern könne man das Motivationsproblem durch mehrere Maßnahmen: etwa Einführungen, die Problembewusstsein schaffen; eine breitere Anwendung des genetischen Lernens, um eine Fragehaltung zu fördern; eine Reduktion von Prüfungen und obligatorischen Veranstaltungen; mehr Raum für individuelle und kollektive Initiativen, die offiziell anerkannt und veröffentlicht werden. Schließlich müssten auch seitens der Lehrenden Bedingungen erfüllt sein, damit das forschende Lernen möglich wird: Sie müssen in der Lage und willens sein, am Curriculum mitzuwirken, die Studierenden zu moti-

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vieren, sie zu beraten, Lernsituationen zu organisieren, Wissen zu vermitteln und Gruppen zu betreuen. Die Arbeitsformen, die Lehrende beherrschen sollten, klingen höchst aktuell: Projekte, Praxiskontakte und eine Neugestaltung des Praktikums, interdisziplinäre Kooperationen und Integration von Experten in die Lehre. Für all dies seien die Lehrenden zu entlasten, denn forschendes Lernen sei aufwändig und brauche Zeit. Nach zehn Jahren Bologna muss man sich zumindest die Frage stellen, ob wir die curricularen Voraussetzungen für das forschende Lernen nicht schon verspielt haben (s.o.). Dass sich die Klagen seitens der Lehrenden über die motivationale Grundstimmung der Studierenden nicht gelegt haben, könnte man auf das ewige Unverständnis zwischen den Generationen schieben. Neu aber ist, dass Studierende die Bologna-Logik längst internalisiert haben und ein individualökonomisches Kalkül an den Tag legen, das mit intrinsischer Motivation zum forschenden Lernen nicht mehr viel zu tun haben dürfte.' Wenig hat sich auch an der Diagnose geändert, Studierende würden über zu geringe Fähigkeiten zur Selbstorganisation für das Einzelstudium und zur Kooperation verfügen, wobei man heute zunehmend die externen Bedingungen (zu wenig Freiräume) zumindest mitverantwortlich machen kann. Bei den Vorschlägen, wie man hier in den zeitlich straff organisierten Studiengängen Abhilfe schafft, ist man im Vergleich zu 1970 wenig kreativ. Statt Prüfungen und obligatorische Veranstaltungen zu reduzieren, um individuelle und kollektive Initiativen zu fördern, werden diese erhöht - ungeachtet der Tatsache, dass das in einem eklatanten Widerspruch zur angestrebten Kompetenzorientierung steht, die mit dem BolognaProzess gefordert wird. Ob Lehrende heute besser und methodisch vielfältiger als vor 40 Jahren Lernsituationen gestalten, individuell beraten und Gruppen betreuen, darf bezweifelt werden. Die meisten verbringen mehr Zeit für Dokumentationen, Anträge und Wettbewerbsbeiträge als für die Belange der Studierenden. Die zeitlichen Belastungen wachsen.

Wissenschaftliche Ausbildung mit digitalen Medien Wesentliche Neuerungen zum jörschenden Lernen haben wir heute im Vergleich zu 1970 nicht vorzuweisen. Ein Umbenennen in sinquiry learning< und der Vorschlag, Man könnte einwenden, dass der Bildungsstreik in>Herbst 2009 gezeigt habe, dass sich die Studierenden zu wehren beginnen. Dem ist einerseits zuzustimmen; andererseits aber wurden aufwändigere Aktionen wie Hörsaalbesetzungen von einer ausgesprochen kleinen Anzahl politisch aktiver Studierender ausgeübt, die genau nicht die Mehrheit der heute Studierenden repräsentieren. 3

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dieses in Online Communities zu praktizieren, mag das Interesse am forschenden Lernen beflügelt haben. Neuartige konzeptionelle Vorschläge für didaktische Szenarien aber sind daraus nicht hervorgegangen (vgl. hierzu Reinmann 2009). Wir verfügen heute über zahlreiche Werkzeuge, welche die Forschungstätigkeit enorm unterstützen. Diese bieten aber nicht automatisch Leitlinien dafür, forschendes Lernen an der Hochschule zu fördern. Vor allem können sie fehlende curriculare und zeitliche Rahmenbedingungen für das forschende Lernen nicht kompensieren. Individuelle und kollektive Arbeitsergebnisse von Studierenden können wir heute leichter sichtbar machen: Einfach handzuhabende Content-Management-Systeme ermöglichen jedem Web-Nutzer, ohne Programmierkenntnisse eigene Inhalte zu publizieren . Pioniere auf dem Sektor des E-Learning an den Hochschulen experimentieren hierzu mit Wikis, Blogs, Podcasts oder Videoportalen (vgl. Issing/Klimsa 2009). Eine offizielle Anerkennung von Leistungen, insbesondere wenn sie außerhalb der klassischen Lehrveranstaltung vollbracht werden, setzt allerdings andere Fähigkeiten als Medienkompetenz seitens der Lehrenden voraus: Nur über trickreiches Verhalten lassen sich unplanbare Lern- und Arbeitsergebnisse an elektronischen Systemen zur Leistungspunkte-Erfassung vorbei in die Prüfungsämter schleusen. Viele Gedanken hat man sich in den vergangenen Jahren dazu gemacht, wie man forschendes Lernen über digitale Technologien nachbilden bzw. simulieren kann. Zwar hört man in diesem Zusammenhang an der Hochschule nur mehr selten den Begriff des genetischen Lernens. Die Merkmale dieser Lernform aber sind häufig Zielkriterien für digitale Lernwelten, die interaktiv, explorativ und mit Virtual-Reality-Elementen versehen sind (z.B. Pätzold 2007). Virtuelle Labore, in denen sich quasi ferngesteuert naturwissenschaftlich-technische Versuche aufbauen, durchführen und auswerten lassen, stehen an der Schnittstelle zwischen forschendem und genetischem Lernen. Deren Entwicklung aber ist teuer und analoge Angebote für Geistes- und Sozialwissenschaften gibt es kaum. Auch zum rezeptiven Lernen hat die Arbeit mit digitalen Medien in Verbindung mit der Lernpsychologie schon in den 1990er-Jahren eine Vielzahl von Multimedia-Entwicklungen hervorgebracht (vgl. z.B. Thissen 2003). In den letzten Jahren haben sich Forschungen zum mobilen Lernen (vgl. z.B, Döring 2010) dazugesellt, bei denen es häufig um rezeptives Lernen geht; ein oft diskutiertes Beispiel sind Vorlesungsaufzeichnungen. Auch Konzepte zur Entwicklung und Nutzung von Reusable Learning Objects (vgl. z.B. Baumgartner 2004) sind in vielen Fällen eng mit dem rezeptiven Lernen verbunden. Leider haben sich parallel dazu nur wenige Fachgruppen gebildet, die aufbauend auf einem konsensfähigen Wissenskanon gemeinsame Repositorien mit wiederverwendbaren Lernmaterialien anbieten. Diese wären zumindest eine Mög-

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lichkeit, neben den wachsenden Aufgaben eine Entlastung für Lehrende zu schaffen. Das kritische bzw. reflexive Lernen findet heute seinen Niederschlag vor allem in der Verwendung von Weblogs im Allgemeinen oder von E-Portfolios im Besonderen (ich gehe beim wissenschaftlichen Prüfen noch einmal darauf ein). Zur Beratung und Betreuung greifen die meisten Lehrenden ganz selbstverständlich auch auf elektronische Wege zurück, was vieles effizienter macht (vgl. z.B, Ojstersek 2009). Ob das immer und in jeder Hinsicht zu mehr Effizienz führt, sei dahingestellt. Im Gegenzug nämlich sind die Hürden seitens der Studierenden gefallen, Ad-hocFragen zu stellen, anderweitig aufzufindende Informationen einzufordern oder verzichtbare Mitteilungen zu machen. Projektorientierte, praxisorientierte und soziale Arbeitiförmen für forschendes, genetisches und kritisches Lernen, wie sie bereits 1970 empfohlen wurden, sind nach wie vor aktuell. Hier haben wit heute mit digitalen Kommunikationstechnologien und neuen Social Software-Anwendungen natürlich viel mehr Möglichkeiten (vgl.Alby 2008): Diese reichen von einfachen Tools zur Terminfindung und Koordination für die Gruppenarbeit über synchrone und asynchrone Kommunikation bis zu Werkzeugen zur kollaborativen Arbeit an gemeinsamen Inhalten. Hat man in den 1990er-Jahren noch versucht, all diese Funktionalitäten in großen Learning-Management-Systemen quasi unter einem Dach anzubieten, greifen immer mehr Web-Nutzer lieber auf frei verfügbare Web-Anwendungen zurück, die dann einfach kombiniert werden. Dem rasanten Wandel auf dem Sektor der digitalen Medien hinkt die E-LearningForschung fast immer hinterher. Trotzdem werden verschiedene Medien und Szenarien praktisch erprobt und beobachtet, manchmal auch in größer angelegten Forschungsprogrammen systematisch untersucht (vgl. Apostolopoulos/Hoffmann/ Mansmann/Schwill 2009). Zum selbstorganisierten und kooperativen Lernen mit digitalen Technologien gibt es theoretische Konzepte und Resultate aus Evaluationsstudien. Es dürfte also weder primär am wissenschaftlichen Erkenntnisstand noch an der technischen Ausstattung liegen, warum sich die Forderungen an eine didaktische Erneuerung der Lehre von 1970 lesen als seien sie - wie man heute sagen müsste für eine sQualitätsoffensivec in der Hochschullehre 2010 geschrieben.

Wissenschaftliches Prüfen in der Ausbildung Reformtendenzen beim wissenschaftlichen Prüfen Eine Studienreform - so liest man in der Denkschrift von 1970 - sei ohne Prüfungsreform unmöglich: Sowohl Prüfungen mit Rechtsfolgen, die zur Selektion führen, als

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auch Prüfungen mit didaktischen Funktionen, die der Rückmeldung, Selbstkontrolle und Evaluation dienen, seien integraler Bestandteil der Hochschuldidaktik. Eine Reform von Prüfungen könne in verschiedene und widerstreitende Richtungen gehen: in Richtung Objektivierung, Individualisierung, Kontrolle und Entlastung. Die Forderung nach Objektivierung führt zu standardisierten Testverfahren, die aber im Widerspruch zur Individualisierung stehen. Zwischen beiden könnte eine flexible Kontrolle etwa durch mehrere Prüfer oder Prüfungsrezensionen vermitteln, was aber wieder der Forderung nach Entlastung widerspricht. Letztlich - so wird festgestellt - würden Objektivierung und Kontrolle dazu führen, dass das bestehende Prüfungssystem im Sinne des Leistungsnachweises optimiert und stabilisiert wird. Individualisierung und Entlastung würden dieser Optimierung entgegenstehen und es ermöglichen, das bestehende Prüfungssystem allmählich aufzulösen und ganz abzuschaffen. Die Kommission kommt zu einem klaren Schluss: »Solange nicht eindeutig bewiesen ist, daß die selektierenden Prüfungen hinsichtlich ihres prognostischen Wertes signifikant zuverlässiger sind als der Zufall, muß die Maxime festgehalten werden, daß die hypothetisch möglichen Vorteile der Prüfungen gegenüber dem Zufall die existentiellen Konsequenzen nicht rechtfertigen können, die gegenwärtig mit so unsicheren Entscheidungen verbunden sind.« (BAK 1970: 57) Stattdessen sollten Studien- und Berufsberatung sowie Möglichkeiten der Selbstkontrolle als Instrumente der Steuerung dienen. Eine Abschaffung von Prüfungen mit Rechtsfolgen - so heißt es in der genannten Schrift der BAK weiter - setze allerdings wiederum bei den Studierenden voraus, dass diese auch ohne externen Druck ausreichend motiviert sind. Man versuche, sich die Reaktion einer Akkreditierungsagentur vorzustellen, wenn man einen innovativen Studiengang vorlegt, der auf >Prüfungen mit Rechtsfolgen< verzichtet. Aber, so meine Einschätzung, das kann sich niemand vorstellen, weil allein schon die Konstruktion eines solchen Studiengangs heute unvorstellbar geworden ist - anders als 1970, als man den Gedanken zumindest noch äußern durfte. Ähnlich wie auf dem Schulsektor verbinden wir heute an der Hochschule geradezu reflexartig den Wunsch nach höherer Qualität mit Bildungsstandards, die ihrerseits nach einer möglichst sobjektivene Überprüfung des jeweils erreichten Leistungsstands verlangen (vgl. Reinmann im Druck). Objektivierung und Kontrolle sind also nach wie vor Reformtendenzen im Prüfungsbereich. Nennenswerte Diskussionen über ein etwaiges Spannungsverhältnis zu anderen Tendenzen aber finden nicht mehr statt. Haben wir

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also den damals geforderten Beweis inzwischen erbracht, dass selektierende Prüfungen prognostisch besser sind als der Zufall? Vertreter der großen, von der OECD geförderten Testindustrie bejahen dies bereits mit Blick auf die Schule und werden es womöglich bald auch mit Blick auf die Hochschule tun. Doch man darf davon ausgehen, dass Testkonstrukteure von heute und die Autoren der Denkschrift von 1970 jeweils andere Ziele im Blick haben bzw. hatten. In der Öffentlichkeit jedenfalls haben PISA und Bologna den Glauben an eine wissenschaftliche Vorhersagbarkeit von Kompetenz und Erfolg bereits verstärkt. Dem Glauben folgen Taten: Wenn Kompetenz zunehmend das ist, was ein Kompetenztest misst, dann werden Testergebnisse auch über Berufswege entscheiden können.

Komponenten des wissenschaftlichen Prüfens Bei der Diskussion und Einschätzung des Prüfungswesens werden in der Denkschrift von 1970 drei Ebenen unterschieden: die Setzung der Inhalte, die Bestimmung von Verfahren und die Beurteilung: (a) Bei der Selifing der Inhalte müsse man einen Wissenskanon, der sich via Konsens normieren lässt, von Spezialthemen unterscheiden, an denen man nur exemplarisch lernen kann. (b) Da die Ziele einer wissenschaftlichen Ausbildung vielfaltig sind, komme es bei der Bestimmung von Veifahren darauf an, mehrere und verschiedene Prüfungsformen anzuwenden: Genannt werden erstens Tests bzw. Klausuren, die sich prinzipiell nur für den abfragbaren, normierten Wissenskanon eignen, zweitens die Demonstration von Fertigkeiten durch Vormachen und drittens Methoden zur Prüfung problemlösenden Verhaltens, wofür Seminarund Abschlussarbeiten, Thesenverteidigungen, Referate, Buchrezensionen, Entwürfe und Konstruktionen vorgeschlagen werden. Vielfaltige Prüfungen dieser Art - so heißt es in der Denkschrift weiter - sollten kumulativ, also studienbegleitend, erfolgen, um Studierende und Lehrende von punktuellen Prüfungen am Ende des Studiums zu entlasten. (c) Als besonders kritisch erachten die Autoren der Expertise die Beurteilung, also das Benotungssystem: Das Benotungssystem täusche eine Objektivierungs- und Differenzierungsfähigkeit vor, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sei. Zwischen sehr unterschiedlichen Leistungen werde bei der Benotung in keiner Weise unterschieden. Dazu komme der messtheoretische Fehler, Durchschnittsnoten zu bilden, obschon allenfalls ein Ordinalskalen-Niveau vorliegt. Die Urteile sbestanderx und micht bestandene, in Einzelfällen auch ein smit Auszeichnung bestandene würden - so die Folgerung - in jedem Fall genügen und sollten auf einzelnen Zieldimensionen und nicht pauschal angewandt werden. Mängel und Fehler des vorherrschenden Prüfungsverfahrens solle man dokumentieren und veröffentlichen. Wichtig sei es,

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Hochschullehrern die Möglichkeit zu geben, im Kontext des Prüfens mehr und intensiver zu experimentieren. Die 1970 getroffene Unterscheidung von Zielsetzung, Verfahrensbestimmung und Beurteilung bei der Gestaltung von Prüfungen findet sich exakt in dieser Weise auch bei der Definition von Bildungsstandardswieder: Nach einer Expertise, die Jürgen Oelkers und Kurt Reusser im Auftrag des BMBF im Jahr 2008 verfasst haben, umfassen Standards die Definition von Zielen, eine Darstellung von Verfahren, wie man das Erreichen dieser Ziele erfassen kann, sowie Angaben zum Niveau, das anzustreben ist und den Maßstab für eine Beurteilung bildet. Die Einsichten dazu, was man zum Prüfen braucht, sind folglich gleich geblieben; allenfalls die eine oder andere Bezeichnung mag sich ein wenig geändert haben. Modern mutet auch die 1970 formulierte Dreiteilung von Ergebnissen im Studium an, nämlich: (a) Wissen, das sich via Testaufgaben abfragen lässt, (b) Fertigkeiten, die man durch konkretes Tun zum Ausdruck bringen muss, und (c) überfachliche Fähigkeiten und Bereitschaften einschließlich Haltungen, wie man sie nur beim komplexen Problemlösen beobachten kann. Diese Darstellung weist eine zumindest hohe Ähnlichkeit zu gängigen Kompetenzkonzepten auf, die uns als großartige Neuerung verkauft werden. Weder 1970 noch heute aber verfügen wir über praktikable und funktionsf:.i.hige Methoden, die vielf:iltigen Ergebnisse eines Studiums sinnvoll und gleichwertig zu überprüfen. Erreicht allerdings haben wir das 1970 geforderte verteilte Prüfen: Mit der Bologna-Reform haben große abschließende Prüfungen einer Vielzahl von Prüfungen nach Veranstaltungen und/oder Modulen Platz gemacht. Ihr selektierender Charakter aber ist geblieben und durchsetzt heute die gesamte Studiendauer. Im Vergleich zu früher hat sich damit ein Hybridmodell aus Prüfungsverteilung und Kontrolle entwickelt, das weder für die Studierenden noch für die Lehrenden eine wie auch immer geartete Entlastung für sinnvollere Aktivitäten mit sich bringt. Nach wie vor ungelöst ist das Problem der Objektivität und Differenzierungsf:.i.higkeit von Prüfungen: Auch 2009 sind Noten nicht intervallskaliert, was niemanden davon abhält, unablässig Durchschnittsnoten zu bilden. Auch 2009 wird einseitig und ohne Blick auf die Ziele eines wissenschaftlichen Studiums das geprüft, was sich eben prüfen lässt, ungeachtet der Unmöglichkeit, auf diesem Wege differenzierte Urteile etwa über die Berufsfähigkeit einer Person abgeben zu können (vgl. Müller/ Schrnidt 2009). Der Unterschied zu 1970 aber ist der, dass man dies heute ohne jede Selbstkritik und in dem Glauben tut, dass genau diese Objektivität und Differenzierung über mehr Prüfungen und vor allem mehr standardisierte Testverfahren letztlich zu erreichen seien. In der Folge ist es nur konsequent, dass es seit Bologna niemand mehr wagt, die Abschaffung von Prüfungen zu fordern: Dies würde das

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gesamte Ideengebäude einer transparenten, vergleichbaren und damit auch plan- und kontrollierbaren Kompetenzförderung zum Einsturz bringen. Man ist geneigt, die Forderung von 1970 nach Abschaffung von Prüfungen mit Rechtsfolgen als radikal und als bemitleidenswertes Relikt der 68er-Bewegung zu deuten. Aber ist die flächendeckende Standardisierung des Bildungssystems nicht wesentlich radikaler als das Plädoyer, Beratung, Selbstevaluation und verbale Urteile über vielf:iltige Leistungen zu kombinieren, um eine invalide Selektion zu ersetzen? Eine Dokumentation von Fehlern und Erfahrungen bei Prüfungen ist meines Wissens nie erfolgt. Das ist schade, würde doch genau eine solche Dokumentation eine große Hilfe für den praktischen Lehr- und Prüfungsalltag bieten. Schließlich ist der 1970 geforderte Spielraum für Experimente gerade in einem so sensiblen Bereich wie Prüfungen heute enger denn je: Niemand will schließlich laufende oder anstehende Akkreditierungsverfahren gefährden, die keine ausgefallenen Experimente erlauben.

Prüfen mit digitalen Medien Die Rolle der digitalen Medien im Kontext des wissenschaftlichen Prüfens ist schwer auf einen Nenner zu bringen. Auf der einen Seite wird das Thema Prüfen nur zögerlich in die E-Learning-Forschung aufgenommen, obschon praktische Erfahrungen wie auch empirische Befunde eine klare Sprache sprechen: Studierende lernen das, was geprüft wird. Hochwertige didaktische Szenarien entfalten also praktisch wenig Wirkung, wenn man die Prüfungsverfahren nicht darauf abstimmt. In diesem Punkt ist in 40 Jahren wiederum wenig passiert: Auch 1970 schon klagte man darüber, dass Studierende ohne externen Druck, also ohne Prüfungen, schwer zu motivieren seien. Damals aber räumte man ein, dass dies eine Folge der Sozialisation in einem Bildungssystem ist, in dem es kein Lernen gibt, ohne dass geprüft und aussortiert wird. Eine empirische Untersuchung dieser Annahme müsste das Prüfungswesen an der Hochschule abschaffen, was in 40 Jahren niemand versucht hat. Folglich bleibt uns nichts anderes übrig, als Didaktik und Prüfung if/sammen anzugehen und entsprechende Forschungen zu betreiben. Neben oder trotz der Zurückhaltung beim Assessment in der didaktisch ausgerichteten E-Learning-Forschung werden auf der anderen Seite tendenziell große Hoffnungen auf digitale Technologien im Kontext des Prüfens gesetzt. Diese Hoffnungen sind relativ breit gestreut und decken viele Aspekte des Prüfens ab. Betrachten wir an der Stelle noch einmal die 1970 genannte Dreiteilung von Prüfungsverfahren in Tests für abfragbares Grundlagenwissen, in Demonstrationen von Fertigkeiten und in Methoden zur Prüfung problemlösenden Verhaltens. Die digita-

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len Technologien bieten für alle Verfahren interessante Umsetzungsmöglichkeiten: Bildungspolitisch im Visier sind derzeit vor allem technologiebasierte Testverfahren, die das BMBF und die DFG gleichermaßen mit hohen Summen fördern (vgl. z.B. Hartig/Klieme/Leutner 2008). Neue Softwarepakete erleichtern die Entwicklung von Testitems und automatisieren Auswertung und Rückmeldung von Ergebnissen. Die ersten Test-Center an Universitäten sind eingerichtet und machen die Durchführung von E-Klausuren in großem Stil auch praktisch möglich. Man erwartet Effizienzvorteile, mehr Objektivität und Differenzierung (vgl. z.B, Wannemacher 2007). Daneben gibt es erste Bemühungen, auch Art und Qualität von Testaufgaben mit Hilfe digitaler Technologien zu verbessern: Audio- und Video-Komponenten z.B. können die Authentizität kontextualisierter Atifgaben erhöhen. Die schon genannten digitalen Lernwelten mit Virtual Reality-Elementen einschließlich virtueller Labore können infolge ihrer interaktiven Funktionen auch Prüfverfahren integrieren: Im besten Fall entsprechen diese dann einer >Demonstration von Fertigkeitenc Für den flächendeckenden Betrieb aber sind derzeitige Pilotentwicklungen längst nicht geeignet. Mit dem Aufkommen von Web-2.0-Anwendungen, die im Gegensatz zu aufwändigen technischen Groß-Systemen meist ohne Lizenzgebühren von jedem Internet-Nutzer verwendet werden können, haben sich alternative Assessment-Formen entwickelt: In Wikis können kollaborative Produkte entstehen, bei denen auch Einzelleistungen noch sichtbar und prinzipiell beurteilbar sind. Peer-Bewertungen werden bei digital verfügbaren Lernergebnissen jeglichen Formats einfacher. Weblogs schließlich haben sich als gute Möglichkeit erwiesen, Lernprozesse und -ergebnisse nicht nur zu dokumentieren, sondern auch zu reflektieren (zusammenfassend vgl. Reinmann 2009). Die dabei entstehenden E-Portfolios haben eine rege Forschungstätigkeit entfacht (vgl. z.B. Brahm/Seufert 2007). Viele der zuletzt genannten Anwendungen haben bislang nur experimentellen Charakter als Prüfungen mit didaktischen Funktionen. Die alten Dilemmata aber haben auch die digitalen Technologien bis heute nicht auflösen können: Sobald man z.B. E-Portfolios als individualisierte Prüfung mit Rechtsfolgen einsetzen will, explodiert der Aufwand für deren Beurteilung (vgl. Reinmann/ Sippel 2011). Interaktive Lernwelten als handlungsorientierte Abschlussprüfung scheitern am unermesslich hohen Aufwand für deren Erstellung. Die digital einfache Integration von Peer-Bewertungen erzeugt einen zu hohen Kontrollaufwand seitens des Lehrenden. Ob mit oder ohne digitale Medien dreht man sich hier im Kreis und entscheidet sich für die einfachste Lösung: das technologiebasierte Testen. Über aktuelle Unzulänglichkeiten tröstet man sich mit dem Argument hinweg, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die jetzt noch hölzern anmutenden Testverfahren immer

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differenzierter das Kompetenzniveau eines Menschen naturwissenschaftlich und mathematisch genau vermessen. Auch von normativen Aufgaben können uns die digitalen Technologien nicht befreien. Unabhängig davon, wie kreativ, objektiv, sozial, individualisiert oder differenziert digitale Technologien ein Assessment machen können: Ihr Einsatz setzt voraus, dass wir uns Gedanken darüber gemacht haben, welche Ziele wir mit der wissenschaftlichen Ausbildung verfolgen, welche Verfahren uns zum Überprüfen der Zielerreichung legitim erscheinen und welche Normen der Bellrtei11lngwir zugrunde legen. Die Vorliebe für technologiebasiertes Testen kann also zwei Gründe haben: Entweder man drückt sich mit Blick auf die ersehnte Entlastung vor einer lästigen normativen Diskussion und findet sich in einer entsprechend unreflektierten Praxis wieder. Oder die Entscheidungen sind längst gefallen: zugunsten einer Prüfungspraxis, die sich nahtlos einpasst in eine Hochschulbildung, die zunehmend nach ökonomischen Prinzipien gestaltet wird.

Schlussbemerkung: Die nächsten 40 Jahre Nun fragt man sich als Leser vielleicht, was aus einer solchen Analyse folgt. Was macht man mit der Erkenntnis, dass sich viele Defizite in der Hochschullehre seit 40 Jahren kaum verringert haben? Was hilft es einem zu erkennen, dass die digitalen Medien immerhin das Potential erhöht haben, bessere didaktische Szenarien und Prüfungsverfahren zu kreieren? Was nutzt uns das Ergebnis, dass wir früher wie heute zwar um die Verbindung von Didaktik und Prüfung wissen, diesem Wissen aber kaum Taten folgen? Und was folgt aus der Einsicht, dass sich vor allem in den vergangenen zehn Jahren trotz allen oberflächlichen Beharrungsvermögens ein tiefgreifender Wandel im innersten Kern der Universitäten vollzogen hat? Ich würde darauf gerne eine Antwort geben, aber ich habe keine, obschon ich oft und seit längerem darüber nachdenke. Ich gehöre zu denjenigen, die die ersten Aufschreie gegen Bologna nichtverstanden haben: Wir haben an der Universität Augsburg ab 2001 einen Bachelor- und Master-Studiengang aufgebaut, bei dem wir uns - vielleicht naiv - an die vergleichsweise simplen Vorgaben der ersten Bologna-Deklaration gehalten haben und unbehelligt von einer Akkreditierung eine buntere Didaktik und Prüfungskultur entwickelt haben, als wir es in vorangegangenen Magisterstudiengängen hatten. Was hätte ich gegen Bologna haben sollen? Inzwischen ist fast ein Jahrzehnt vergangen. Den Studiengang mussten wir umgestalten, weil er nun akkreditiert werden soll: Die bisherige Praxis hätte keine Chance auf das so begehrte Zertifikat einer Agentur, die damit Geld verdient, dass Professoren fast kostenlos ihre Zeit und Expertise zur Verfügung stellen. Wir haben in unserem Studiengang Fehler gemacht und wieder

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korrigiert. Wir haben mit Medien und Methoden experimentiert, Wege und Irrwege gefunden. Die Studierenden hat das nicht verstört - im Gegenteil. Internationale Ziele und Ansprüche aber sind wichtiger geworden als lokale Akzeptanz und Zufriedenheit bei denjenigen, die sich von der Hochschule eine wissenschaftliche Ausbildung erhoffen. Ich muss mein Urteil über Bologna revidieren. Ich habe den Schub zur subtilen Ökonomisierung unterschätzt, der damit einhergeht - flankiert von Exzellenz-Initiativen, Wettbewerben und Kongressen, die sich von denen der Beratungsbranche für die Industrie kaum mehr unterscheiden. Analysen dieser Situation sind wichtig, aber nicht ausreichend. Neue Expertisen erleiden womöglich dasselbe Schicksal wie die Denkschrift der Bundesassistentenkonferenz zum forschenden Lernen und wissenschaftlichen Prüfen von 1970: Sie dienen dann in 40 Jahren als Ausgangspunkt für eine erneute Analyse, was in 40 Jahren alles nicht passiert ist. Es ist wohl an der Zeit, darüber nachzudenken, was wir jenseits kluger Schriften tun können, wenn wir mit der Hochschullehre etwas anderes wollen als die Verbesserung des Humankapitals in einer komplett ökonomisierten Gesellschaft.

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Social Software und Universitäten: eine kritische Analyse des Status quo Mandy Schiefner

Im Mai 2008 habe ich an der Universität Hamburg im Rahmen der Ringvorlesung Medienbildung einen Vortrag zum Thema »Communities in der Hochschule« gehalten. Während im Frühling 2008 die meisten Web-2.0-Anwendungen, gerade im Bereich der Hochschule, eher neu waren, Weblogs, Wikis und Social Communities in den Hochschulen gerade in den Kinderschuhen steckten; so sieht dies zumindest auf den ersten Blick im Jahr 2010 ganz anders aus. Mittlerweile werden kollaborative Research Tools und Literaturverwaltung durch Forschende immer mehr genutzt, Datenerhebung via Weblogs und Twitrer stellt keine Neuerung mehr dar. Eigentlich doch alles gut - auf den ersten Blick. Doch wie werden diese Möglichkeiten eigentlich an Hochschulen genutzt? Wie haben digitale Technologien, vor allem aber Social Software, bisher Einzug in die Universitäten gehalten - und was hat sich dadurch geändert? Ziel des folgenden Artikels ist es, das Feld der virtuellen Vernetzung und den Community-Aufbau an Universitäten und in der Wissenschaft abzustecken und nachvollziehbar zu machen, wie Kernprozesse an Hochschulen durch Social Software unterstützt werden können.

Universitäten und Socicl Software Blättert man in der Herbstausgabe der c't 2009, so stößt man auf den Titel »Vernetzte Forscher. Soziale Netze Netzwerke für Wissenschaftler«, der verschiedene community-basierte Tools für Forschende vorstellt und einordnet. Es gibt also einige technische Möglichkeiten, Social Software an Universitäten einzusetzen. Doch wie sieht es momentan mit der Integration von Web-2.0-Tools an Universitäten aus? Kann man davon ausgehen, dass diese genutzt werden, und wenn ja, in welchen Bereichen? Universitäten agierten schon immer netzwerkartig und arbeitsteilig. Somit erscheint es im ersten Moment eher trivial, sich um die Integration von digitalen Medien und Social Software an Universitäten Gedanken zu machen, zumal der Hauptfokus von Social Software auf Partizipation und Beteiligung von Einzelnen liegt. Wissen wird hier in Forscherteams gewonnen und über Arbeitsgruppen oder Konferenzen distribuiert. (Forscher-)Netzwerke sind zentrale Orte der Wissensgenerierung. Auch das

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_20, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Internet ist für Universitäten eigentlich kein neues Medium, zählten doch Forschende auf der ganzen Welt zu den ersten Nutzern des Internets und Begriffe wie Cyberscience (vgl. Nentwich 2003) oder E-Research (vgl. Anderson/Kanuka 2003) und EScience sind nicht erst seit dem Aufkommen von Web 2.0 in der Diskussion. Das sneuee Web scheint durchaus vor allem für dieses partizipative und kollaborative Arbeiten wie geschaffen, leistet es doch eine schnelle und kostengünstige Vernetzung. Ergebnisse können schnell publiziert und öffentlich diskutiert werden, Forschungsprozesse werden transparenter und auch für eine breite Öffentlichkeit nachvollziehbar usw. Während mittlerweile auch Betriebe den Einsatz von Web-2.0-Technologien fördern (z.B. Koch/Richter 2009; Back/Gronau/ Tochtermann 2009), ist eine Beschäftigung mit Web-2.0-Technologien an Universitäten bisher eher rar. Auch Schlagwörter wie >Wissenschaft 2.0< ändern an der bislang eher geringen Verbreitung von Social Software an Universitäten wenig. An Universitäten kann man drei Bereiche mit unterschiedlichen Bedürfnissen unterscheiden:

• • •

Lehre Forschung sowie Administration und Verwaltung

In allen diesen Bereichen kann Social Software eingesetzt werden. Die Frage ist nun, wie das bisher passiert ist. Zur Illustration verschiedener Einsatzbereiche von Social Software an Universitäten möchte ich bezogen auf die drei Bereiche Forschung, Lehre und Verwaltung Beispiele von Web-2.0-Technologien herausgreifen und einordnen. Damit betrachte ich im Gegensatz zu anderen Artikeln Mehrwerte von Social Software nicht unter dem Blickwinkelder Technologie (vgl. Köhler 2008), sondern gehe von den konkreten Aufgaben und Prozessen an Universitäten in unterschiedlichen Bereichen aus. An welchen Stellen wird bisher Social Software eingesetzt, und was ist der Vorteil auf individueller und/oder institutioneller Ebene? Von den vielen technologischen Möglichkeiten von Social Software werde ich jedoch nur einzelne Beispiele aufgreifen.

Sodal Software in der Lehre In den letzten Jahren bestand eine große Bereitschaft und ein großes Engagement, digitale Medien und Social Software mit Lehr-Lernfragen zu verbinden und zu reflektieren (vgl. z.B. Merkt/Mayrberger/Schulmeister et al. 2007; Zauchner/ Baumgartner/Blaschitz et al. 2008; Apostolopoulos/Hoffmann/Mansmann et al.

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2009). Insbesondere Social Software wird erhöhtes Potential auch im Bildungsbereich zugesprochen, verändert es doch die Gewohnheiten der Mediennutzung: Studierende nutzen die Medien nun nicht mehr nur passiv,sondern es besteht die Möglichkeit zur aktiven Teilhabe und Partizipation, zur Vernetzung von Personen, zur Kollaboration; Nutzende können Inhalte neu erstellen (Stichwort user generated content) oder neu kombinieren (Stichwort Mash-Ups). Hiermit ist die Hoffnung verbunden, durch Aktivierung auch tiefergehende Lernprozesse auszulösen bzw. den shift from teaching to learning (vgl.WeIbers/Wildt 2005) zu vollziehen. Im Rahmen von Lehr-Lernprozessen an Universitäten lassen sich verschiedene Bereiche unterscheiden, in denen Social Software eingesetzt wird und ihre Potentiale entfalten kann. Im Folgenden soll auf einige Aspekte exemplarisch eingegangen werden; eine Vertiefung dieser didaktischen Fragen findet sich im Beitrag von Christina Schwalbe in diesem Band (179-191).

Austausch und Interaktion Zwei wesentliche Vorteile von Social Software sind der erleichterte Austauschund die besseren Möglichkeiten der Interaktion. Diese Prinzipien können auch in Lehr-Lernprozessen umgesetzt werden. So bieten z.B. Weblogs die Möglichkeit, den Kontakt zwischen Studierenden untereinander oder aber auch zwischen Studierenden und Lehrenden zu verbessern, wie z.B, im Weblog Logik-Gazette,' das die Lehrveranstaltungen im Philosophischen Seminar der Universität Zürich unterstützt. Hier können Studierende ihre Fragen, Beiträge und Kommentare zu unterschiedlichen Themen veröffentlichen, Tutoren beantworten die Fragen, korrigieren eventuell falsche Antworten oder geben Übungsaufgaben vor. Ähnliche Einsatzmöglichkeiten von Blogs zur Verbesserung der Interaktion gibt es mittlerweile an vieIen Universitäten (vgl.z.B. Nackerud 2008). Eine Möglichkeit der Interaktion stellt auch das gemeinsame Bearbeiten von Texten dar. Dafür haben sich vor allem Wikis an Universitäten mittlerweile etabliert (vgl.Wannemacher 2008), sei es in formellen Lernszenarien, z.B. zum Brainstorming, zur kollaborativen Erstellung von Texten, zum Anfertigen von Glossaren oder in informelleren Szenarien zur Unterstützung des Studienalltags (vgl.]adin/Zöserl2009).

I

http://philsem.nns.ch/e-learning/logik/2010/wordpress/ [12.09.2010].

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Aktivierung von Studierenden Auch zur Vor-undNachbereitung uon Lehroeranstaitungen sind vielfältige Arten von Social Software nutzbar. So setzen viele Dozierende mittlerweile Podcasts ein, die auch sehr gerne von Studierenden genutzt werden (vgl. Kleimann/Özkilik/Göcks 2008), sich jedoch häufig auf die Aufzeichnung der Vorlesung beschränken (Rohs/Streule 2009). Doch die Zuhörsituation kann mittels Social Software aktiver umgestaltet werden. So hat Gabi Reinmann ihre Vorlesung komplett auf einen Podcast mit Lektürehinweisen umgestellt und die Klausuraufgaben von Studierenden in einem Wiki erstellen lassen," Auch der Einsatz von Twitter als Classroom Response System? oder für eine öffentliche Diskussion mit Rückfragemöglichkeit bietet Chancen der Aktivierung. Hier wird Social Software mit traditionellen Formen verknüpft, um eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lernstoff zu erreichen.

Monitoring und Reflexion des Lernprozesses Lernprozesse leben von einer mehr oder weniger selbstständigen Evaluation des eigenen Kompetenzaufbaus. Mittels Social Software ist vor allem eine Stärkung kooperativer und formativer Formen von Leistungsnachweisen möglich. Z.B. können mittels Wikis koiJaboratilJ Prüfungsfragen erarbeitet werden. So werden Elemente des Lernens durch Lehren unterstützt. Auch das Führen eines Lern-oderEtfthrunggournals mit Weblogs fördert eine Auseinandersetzung mit dem Lernprozess über eine gewisse Zeit hinweg und unterstützt die Reflexion des eigenen Lernprozesses. Ein Vorteil von Social Software liegt in der Verbindung mit anderen Lernenden. So können Lernprozesse in einem Weblog reflektiert und von anderen zum einen inhaltlich, zum anderen auch motivational kommentiert werden. Allerdings muss Öffentlichkeit nicht zwangsläufig die gesamte Welt meinen. Im Rahmen von Lernprozessen (vor allem auf Bachelor- und Masterstufe) bietet es sich an, Weblogs auch teilöffentlich zu führen und zum Beispiel nur der eigenen Seminargruppe zugänglich zu machen. So hat man dennoch einen geschützten Rahmen, in dem Lernende Erfahrungen sammeln können. Auf Doktoratsstufe besteht eine Kompetenz auch darin, mit öffentlicher Kritik umgehen zu können. Somit bieten öffentlich geführte Weblogs über die eigene Lernerfahrung neben den klassischen Verfahren wie Peer-Review oder Repliken ein Feld zur Kompetenzentwicklung in den Bereichen Reflexion der ersten eigenen Forschungstätigkeit und Umgang mit Kritik (vgl. Schiefner/Ebner 2008). 2 3

http://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2010/03/Vortrag...Dresden_Maerz10.pdf [12.09.2010]. beispielsweise http://www.polleverywhere.com/[12.09.2010].

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Kritische Stimmen Jedoch darf nicht ungesagt bleiben, dass die Integration von Social Software in die Lehre nicht einfach zu realisieren ist. Social Software als Tools, die eher in informellen Settings wie der Freizeit genutzt werden, können nicht einfach auf formale Lern- und Bildungssettings übertragen werden und sie entfalten in diesen institutionellen Kontexten auch nicht automatisch die gleiche Wirksamkeit wie in informellen Settings (vgl.Jadin/Zöserl 2009). Die Nutzung von Social Software braucht eine erhöhte Selbstorganisation auf Seiten der Studierenden und den Willen der Dozierenden, den Studierenden auch Freiheiten zuzugestehen (vgl. Reinmann 2009). Für Dozierende bedeutet der Einsatz von Social Software durch die erhöhte Interaktion und aktive Partizipation wie individuelle Rückmeldungen Mehrarbeit (vgl. Leidl/ Müller 2008).

Sodal Software in der Forschung Möchte man mehr über den Einsatz von Social Software in der Forschung wissen, stellt man schnell fest, dass es zwar viele Einzelbeispiele, aber nur wenige Untersuchungen gibt (vgl. Zerfaß/Welker/Schmidt 2008; Nentwich 2009). Diese kommen meist, wie Nentwich (2009), zu einer vorsichtigen, abwartenden Einschätzung. Erst langsam entwickeln sich Forschungsprojekte, die sich der Zusammenarbeit von Forschenden mittels Web-2.0-Tools (z.B, das europaweite Stellar") widmen. Fragt man Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, was sie an Web-2.0-Tools am meisten schätzen, so sind dies vor allem der schnelle Austausch von Informationen, die Vernetzung und die vereinfachte Möglichkeit zur virtuellen Zusammenarbeit (vgl. Perez 2010). In all diesen Bereichen haben sich mittlerweile Ansätze der Social Software-Nutzung etabliert. Einige davon werden im Folgenden vorgestellt, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Literaturverwaltung und Datenerhebung Social Software wird in den meisten Fällen bisher eher zur Vernetzung und Kommunikation eingesetzt. Doch auch im Rahmen der Datenerhebung bieten sich Möglichkeiten an, auf neue Formen zurückzugreifen. Ein erster Schritt im Forschungsprozess stellt die Literaturrecherche und die Verwaltung von Informationen dar. Für diese Arbeiten setzen sich Formen von So4

http://www.stellarnet.eu/ [12.09.2010].

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cial Tagging, d.h. dem gemeinsamen Verschlagworten und Sammeln von Literatur, langsam durch (vgl. Gaiser/Hampel/Panke 2008). Auch haben sich spezielle Literaturverwaltungs-Tools entwickelt, die nicht nur ein Verschlagworten erlauben, sondern auch das Verfügbarmachen von Literatursammlungen für unterschiedliche Personen oder den Aufbau von gemeinsamen literaturverwaltungen. Neuere Systeme wie z.B, Mendeley" bieten zudem eine Profilbildung an, womit die Nutzung dieses Tools auch zur Darstellung individueller Leistungen und damit zum Reputationsgewinn genutzt werden kann . Somit tendiert hier der Bereich Literaturverwaltung hin zu einem für das Web 2.0 typischen Identitätsmanagement (vgl. Völzke/ lütte 2008; Reinmann/Bianco 2008). Während Microblogging dazu dienen kann, Hinweise auf Literaturquellen, Berichte oder ähnliche Informationen zu verteilen (vgl. Ebner/Schiefner 2008; Nentwich/ Herwich/Kittenberger 2009), können Weblogs, die von längeren, reflektierten Beiträgen leben, im Bereich literaturverwaltung dazu dienen, die eigene Literatur und spannende Informationen im Rahmen von (persönlichen oder kollaborativen) Wissensmanagement-Prozessen sichtbar, durchsuchbar und wiederauffindbar zu machen. Auch für andere Personen wird dieses Wissen dann zugänglich, und Weblogs werden zu Informationstools (vgl. Zerfaß/Bogosyan 2007). Ein weiterer Aspekt ist die Datenerhebung. Auch hier bietet Social Software eine wahre Fundgrube - Weblogs, Microblogging, Simulationen oder andere Web-2.0-Formen bieten immer mehr Möglichkeiten, an Datenmaterial zu kommen (vgl. Scholz 2008: 233ff). Zunehmend vollziehen sich soziale Prozesse öffentlich im Internet, somit steht mehr Untersuchungsmaterial zur Verfügung, z.B. in Form öffentlich artikulierter Meinungen, aber auch der Zugang zu potentiellen Probanden wird erheblich vereinfacht, Letzteres ist insbesondere interessant für Sozialwissenschaften. Zum anderen kann man die Web-2.0-Technologien ebenso nutzen, um Daten auszuwerten, z.B. bietet Twitter verschiedene Analysetools, mit denen jede/r zu einer/m Forschenden werden kann (vgl. Herwig/Kittenberger/Nentwich et al. 2009), auch Wikis können im Rahmen qualitativer Forschungsmethoden eingesetzt werden (vgl. Rohs 2007).

Wissenschaftskommunikation Social Software hat auch Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Wissenschaftskommunikation (vgl. z.B, Ball 2007; Reips 2008; Nentwich 2009). 5

http://www.mendeley.com/[12.09.2010].

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Eine Form der Wissenschaftskommunikation ist das Peer Review. Offene Formen des Peer Reviews haben sich bereits vor der Verbreitung der Web-2.0-Technologien herausgebildet (z.B. in Foren'), jedoch ist es mittels Social Software einfacher geworden, sich miteinander zu vernetzen. So ist es durch Social Software möglich, auch neue Formen des Peer Reviews zu verwirklichen, wie sie z.B. mit der Gründung der Commuity »(Bildungs-)Wissenschaftler 2.0«7 erprobt wird. Dabei werden unterschiedliche Ziele verfolgt: vom gegenseitigen Austausch vor einer Veröffentlichung von Artikeln bis hin zu einer offenen Zusammenarbeit in Teams, die sieh virtuell auf dieser Plattform einfinden (vgl. Reinmann/Sippel/Spannagel2010). Auch für die Unterstützung von Tagungen undKotiferenzen als eine weitere Form von Wissenschaftskommunikation eignet sich Social Software. So hat die letztjährige GMK-Tagung »Stream up your live« zur Vorbereitung eine Community eingesetzt, die die Tagung abbildete, und so den Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, schon vor der Tagung Fragen zu den einzelnen Inhalten zu stellen, Aspekte der Tagung zu diskutieren oder sich bereits vor Tagungsbeginn kennenzulernen. Weiterhin wurden nach der Tagung in dieser Community die Links zu den Aufzeichnungen und anderen Informationen abgelegt. Weblogs eignen sich hervorragend für die Nachbereitung von Tagungen, seien es individuelle Weblogs von Teilnehmenden oder institutionalisierte Weblogs der Tagung (vgl. GMW-Tagung 2009~. Während Tagungen hat sich die Nutzung von Microblogging-Tools wie Twitter bewährt. Damit ist es möglich, sich auf einer Tagung miteinander zu vernetzen, Informationen zu notieren und Beiträge zu diskutieren. Allerdings ist der Wert für Nicht-Teilnehmende eher geringer als für Teilnehmende der Konferenzen (vgl. Ebner/Mühlburger/Schaffert/Schiefner/ Reinhardt/Wheeler 2010). Kommunikation von und über Wissenschaft findet nicht nur auf Tagungen statt, sondern insbesondere in Form von Publikationen. Weblogs als Web-2.0-Tools eignen sich dafür, zum einen als Publikationsmedium genutzt zu werden und/oder die eigene Forschung zu diskutieren: Nentwich unterscheidet u.a. folgende Einsatzbereiche (vgl. 2009: 12): Blogbeiträge können als Publikationsform der Ergebnisse fungieren, aber auch als Learning Journal eingesetzt werden, in dem über gemachte Erfahrungen in der Forschung berichtet und reflektiert wird, oder zur persönlichen Etablierung in der innerwissenschaftlichen und externen Öffentlichkeit, zur Siehtbarmachung der eigenen Forschung und Expertise im Feld. Auch 6 7

8

http://paedagogisches-joumal.de/download.php?list.16 [12.09.2010]. http://wissenschaftler20.mixxt.de/[12.09.2010]. http://userblogs.fu-berlin.de/e-leaming2009/ [12.09.2010].

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lose Forschernetzwerke können mittels Weblogs untereinander kommunizieren und so up to date bleiben.

Zusammenarbeit Die letzte Funktion von Weblogs lenkt den Fokus auf das Zusammenspiel von Forschenden, für das Social Software ebenfalls Einsatzbereiche liefern kann. Z.B. bieten Online Communities beim Austausch von Wissenschriftler(-gruppen) einen Mehrwert. So wurde letztes Jahr in Dortmund im Rahmen der Jahrestagung der Sektion Medienpädagogik der DGfE ein virtuelles Doktorandennetzwerk? von Doktoranden und Doktorandinnen gegründet, die ihre Dissertation im Bereich der Medienpädagogik schreiben. Hier ist es möglich, sich zum einen über das Promovieren auszutauschen, zum anderen aber auch Gleichgesinnte kennenzulernen und Informationen zu erhalten, z.B. über aktuelle Calls,Tagungen oder auch Stellenausschreibungen für Medienpädagogen. Solche Netzwerke hat es vor der Verbreitung der Web-2.0-Technologie auch gegeben, jedoch ermöglichen Online Communities eine Partizipationsmöglichkeit, die zudem sehr einfach ist. Darüber hinaus ermöglichen Online Communities, Doktoranden eines Themenbereiches miteinander zu verknüpfen, die räumlich an verschiedenen Orten arbeiten. Ebenso haben speziell für Forschende entwickelte Plattformen wie Mendeley, ResearchGATE oder academia.edu hohe Zuwachsraten an Mitgliedern, alle mit dem Ziel, Wissenschaftler miteinander zu vernetzen, sei es über Forschungsprojekte oder Publikationen. Doch nicht nur ein loser Austausch, auch verbindlichere Formen einer verteilten Zusammenarbeit von Wissenschriftler(-gruppen) sind mit Social Software denkbar. Hier sind vor allem Wikis zu nennen, die die kollaborative Textarbeit zwischen Forschenden, die nicht am gleichen Ort sein müssen, ermöglichen (vgl. Rohs 2007).

Kritische Stinunen Sich verstärkt auf die mit dem Web 2.0 einhergehenden Formen der Zusammenarbeit einzulassen, birgt allerdings auch Nachteile, denn gewichtige Gründe sprechen auch weiterhin gegen den Einsatz von Social Software in der Wissenschaft (vgl.Nentwich 2009; Harley/ Acord/Earl-Novell/Lawrence/King 2010): Zeitmangel, fehlende Anreizsysteme, eine nach wie vor große Skepsis hinsichtlich des Nutzens und der Qualität (vgl. Scholz 2008), Probleme der Konkurrenz und Autorschaft, ethische Be• http://medienpaedagogik.mixxt.de/ [12.09.2010].

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denken (vgl. Nosek/Banaji/Greenwald 2002) oder auch das Fehlen von Forschungsstandards (vgl. Schenk/Taddicken/Welker 200B). Gerade im Rahmen der universitären Laufbahnen und der Verortung in das sSystem Universität< zählt bisher das auf Papier geschriebene Wort, am besten in einem Journal mit Peer Review-Verfahren. Andere, neue Formen der Wissenskommunikation wie z.B. Weblogs leiden vor allem unter mangelnder Legitimation. Dies gilt auch für die digitalen Formen der Vernetzung. Der Einsatz von Social Software zahlt sich nicht unmittelbar im Kreditsystem der Wissenschaft aus, wie Harley/Acord/Earl-Novell et al. (2010) anmerken: »The advice given to pre-tenure scholars was quite consistent across all fields: focus on publishing in the right venues and avoid spending too much time on public engagement, committee work, writing op-ed pieces, developing websites, blogging, and other non-traditional forms of electronic dissemination (including courseware).« (Ebd.: B)

Sodal Software in den zentralen Diensten Weitere Bereiche der Nutzung von Social Software an der Universität finden sich auf der Ebene der zentralen Dienste oder Verwaltungen, wobei ich zur Verwaltung auch alle Diensdeistungseinrichtungen an Universitäten zähle, die Dozierende sowie Forschende in unterschiedlichen Aspekten unterstützen, wie z.B, E-Learning-Zentren oder Hochschuldidaktikeinrichtungen, aber auch Nachwuchsförderungsstellen oder Personalabteilungen.

Informationsaustausch und Vernetzung Ein Einsatzgebiet von Social Software für zentrale Einrichtungen ist der Informationsaustausch innerhalb der Universität. Im Rahmen einer Software-Migtierung haben z.B. die Informatikdienste der Universität Zürich einen Weblogl O eingerichtet, um interessierte Mitarbeitende kontinuierlich über die Auswahl der Software und über die einzelnen Entscheidungsschritte auf dem Laufenden zu halten. Somit gewann das Projekt öffendiche Aufmerksamkeit und das Weblog konnte so das Change Management unterstützen. Weiterhin steht das Weblog auch über die Softwareeinführung hinaus noch zur Verfügung, wenn z.B, Probleme auftreten, deren Lösung dann über das Weblog verbreitet wird. 10

https://www.lotus.uzh.ch/apps/id/blogrom.nsf/ [12.09.2010].

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Auch eine V ernet~mg von überdie Universitli/ verteilten Mitarbeitern zu einzelnen Themenbereichen oder Arbeitsgemeinschaften kann mittels Weblogs untestützt werden. An der Universität Zürich besteht eine solche lose Community von Personen, die sich mit E-Learning beschäftigen, zum Teil in den akademischen Diensten, zum Teil in den Fakultäten und in der Informatikabteilung. Die Nutzung eines Weblogs bietet hier die Möglichkeit, einen besseren Austausch von Informationen, aber auch Erfahrungswissen zu organisieren (vgl. Schiefner/Noetzli/Seiler Schiedt 2007).

Öffentlichkeitsarbeit Im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit können u.a. Podcasts dazu dienen, unter dem Stichwort Public Understanding rf theSciences andHumanities (PUSH) Vorlesungen oder Vorträge öffentlich zu machen, Alumni- oder Serviceinformationen zu geben oder die Funktion eines Agenda Settings für hochschulpolitische Themen zu übernehmen (eine Übersicht über diverse Zielgruppen gibt Meier 2007). Ebenso ist es möglich, mit Podcasts Themen innerhalb der Universität auf die Agenda zu setzen. Ein Beispiel für dieses Agenda-Setting sind die Aufzeichnungen der Hochschuldidaktik der Universität Zürich. Die Veranstaltungen zum Gespräch über Lehr-/Lernfragen werden aufgezeichnet und stehen über die Veranstaltung hinaus weiteren Interessenten innerhalb und außerhalb der Universität zur Verfügung. Auch ist es möglich, mittels Weblogs aus der Forschung einer Universität zu berichten (z.B. die Weblogs von Forschenden der Universität Zürich für die Öffentlichkeit anlässlich des 175-jährigenJubiläums). Somit kann Social Software als »Fenster im Elfenbeinturm« (vgl. Nentwich 2009) die Universität gesehen werden, aber auch Wissenschaft und Forschung für die Öffentlichkeit transparenter machen .

(Hochschuldidaktische) Weiterbildung Eine Tätigkeit vieler zentraler Organisationseinheiten ist die Weiterbildung des an der Universität tätigen Personals (z.B. Hochschuldiaktik-Abteilungen, E-LearningZentren). Bei der Weiterbildung des akademischen Personals im Bereich Didaktik und Medien witd auch eine akademische Medienkompetenz angestrebt. D.h. es geht im Rahmen der Weiterbildung nicht um eine bloße Vermittlung von Nutzungskompetenz, sondern umfassend um den Aufbau akademischer Medienkompetenz, die auch Wissen über didaktische Szenarien sowie orientierendes Kontextwissen im Bereich von Lehr-Lernmedien sowie didaktisches Wissen integriert (vgl. Wedekind 2008; Mayrberger 2010). Dieses Orientierungswissen ist dabei nicht an eine spezielle

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Form von Medien gebunden, sondern beinhaltet neben aktuellen Web-2.0-Medien auch digitale oder traditionelle Medien wie Skripte, Overheadprojektoren oder die klassische Wandtafel. Um diese Kompetenzförderung auf breiter Ebene auch leisten zu können, ist es nötig, Medien als eine wichtige Grundlage der hochschuldidaktischen Weiterbildung ernst zu nehmen. Dies sollte weniger in Form von >Stand-alone<-Kursen geschehen, wünschenswert ist vielmehr eine integrierte Form der Auseinandersetzung mit Medien und eine Reflexion des Umgangs mit Medien in sklassischcnc hochschuldidaktischen Kursen. Auch hier ist der Einsatz von Social Software möglich und bringt ähnliche Vorteile wie in der grundständigen Lehre. So kann Podcasting im Rahmen itiformeller Weiterbildungs- undltiformationsangebote (vgl. Berzbach 2006) eingesetzt werden, indem von den einzelnen Abteilungen Podcasts über Themenbereiche produziert werden, die von Interesse sind." Somit kommt es zu einer Weiterbildung sen passant<, sei es inhaltlicher Art, sei es unterstützender Art (z.B.das Erlangen des Wissens, welche Abteilung welche Supportleistungen zur Verfügung stellt). Im Bereich der Nachbereitung oder auch der Nachhaltigkeit von Weiterbildungen bieten sich Social Communities geradezu an. So setzt die Hochschuldidaktik der Universität Zürich eine Community ein, um den Teilnehmenden der hochschuldidaktischen Weiterbildungsprogramme eine Plattform zum Austausch mit Gleichgesinnten oder anderen Hochschuldidaktikern zu bieten, aber auch um dem Thema »Lernen und Lehren an der Universität Zürich« einen Raum zu geben.

Kritische Stimmen Eine Besonderheit kommt im Bereich der hochschuldidaktischen Weiterbildung auf die Lehrenden zu: Sie müssen sich mit ihren eigenen individuellen Lehrstilen auseinandersetzen. Durch die Integration von digitalen Medien in die Hochschullehre kommt es meist zu organisatorischen Veränderungen des Lehrens und Lernens, während bisher kaum eine Veränderung der Lehr-Lernkultur zu verzeichnen ist. Dozierende geraten oft in zunehmenden Zeit- und Erfolgsdruck, auch digitale Medien, in unserem Fall Social Software, in der Lehre einzusetzen. Statt sich mit den Potentialen einzelner Medien kritisch und reflexivauseinanderzusetzen, übertragen Sie meist ihre bisherige Unterrichtsart und Methode des Präsenzunterrichts auf das Lernen mit 11 Beispiel: Internationalisierungs-Podcast der Arbeitsstelle für Hochschuldidaktik der Universität Zürich, E-Learning-Podcast im Bereich E-Learning der beiden Zürcher Hochschulen.

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neuen Medien, ohne sich der Spezifika mediengestützter Lehre bewusst zu sein, und fallen so in saltec Rollenmuster zurück. In einem solchen Ansatz ist die Gefahr des Scheiterns groß, das wirkliche Potential von Social Software wird nicht ausgenutzt. Somit bietet die Integration von Social Software in die hochschuldidaktische Weiterbildung in Form des pädagogischen >Doppeldeckers< zum einen die Möglichkeit, die Tools in der Handhabung und vor allem sam eigenen Leibe kennenzulernen sowie zum anderen, die Veränderungen der Formen von Lehren und Lernen zu diskutieren und zu reflektieren. Gerade die Verbindung von informellen Tools mit formalen Lernszenarien (vgl. Abschnitt 1.3) muss an dieser Stelle thematisiert werden.

Steiniger Weg zur >Universität 2.0< In den vorangegangenen Abschnitten wurde das breite Spektrum von Web-2.0Nutzungen an Universitäten aufgezeigt. Der Vorteil von Web 2.0 für die Universitäten und damit die Wende im Bereich der Technologienutzung im Vergleich zum vorherigen Web 1.0 fußt, wie die unterschiedlichen Beispiele zeigen, auf folgenden Prinzipien (vgl. Schenk/Taddicken/Welker 2008): Ko-Orientierung und kollektive Intelligenz, Partizipation und Dynamisierung, Interaktion und Kommunikation sowie Authentizität und virtuelle Gemeinschaft. Die oben vorgestellten Beispiele dürfen allerdings nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass dies zumeist Einzelfälle sind. Im Rahmen der Integration von Social Software an Universitäten handelt es sich um individuelle, freiwillige Projekte, die wenig Wirksamkeit über das jeweilige Einsatzszenario hinaus entfalten können. Potentiale wurden in unterschiedlichen Bereichen gezeigt: in Forschung, Lehre und Dienstleistung. Obwohl Universitäten und Web-2.0-Prinzipien an vielen Stellen sehr gut zusammenzupassen scheinen, kann man (noch) nicht von einem Durchbruch im Bereich der Nutzung von Web 2.0 an Universitäten ausgehen. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht neu: Schon 2005 beklagt sich Declan Butler, dass Wissenschaftler die neue Technologie verschlafen. Fünf Jahre später, eine gefühlte >Ewigkeit< im digitalen Zeitalter, ist man nur an wenigen Stellen wirklich weiter. Doch liegt dies wohl nicht unbedingt an der Technologie, sondern eher an der Institution. Dirk Baecker merkt kritisch an, »dass der Geist und Idee der Universität sich am besten dadurch charakterisieren lassen, dass sie vom jeweils nicht mehr dominierenden Kommunikationsmedium schwärmen« (Baeeker 2007: 104). Vielleicht braucht man aber in der Diskussion um Social Software in der Wissenschaft eine stärkere Verbindung zwischen dem Einsatz von Social Software in den Wissenschaften und dem Einsatz von Social Software in der Institution Universität

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als Expertenorganisation. Als Expertenorganisation ist die Universität eine besondere Form der Organisation (vgl. Pellert 1999). Referenzpunkt der Forschenden ist weniger die Institution als die fachlichen Peergroups. Zumindest im Bereich der Forschung sfunktioniertx die Peer-Forschung aber sehr traditionell (vgl. Abschnitt 3.4). Birgt Social Software also nur für die Lehre und institutionelle Probleme einen Mehrwert, während in der Wissenschaft Social Software keine Rolle spielt? Ich denke nein. Schon unter dem Aspekt von forschungsbasierter Lehre witd diese Trennung obsolet, hier kommt die Auswahl und der Nutzen von Medien aus beiden Bereichen zusammen - wobei zu fragen ist, welche Funktion welches Medium übernimmt bzw. welche Rolle Social Software da spielen kann. Wird forschendes Lernen nämlich mit Medien unterstützt, haben die Studierenden die Gelegenheit, zum einen in eine Scientific Community zu wachsen, zum anderen das Feld der Medien und Wissenschaftskommunikation zu reflektieren: Sie lernen nicht nur das Forschen am eigenen Forschungsgegenstand, sondern auch den Habitus der wissenschaftlichen Kommunikation (vgl. Schiefner/Tremp/Bihrer 2010). Durch eine stärkere Verbindung der Nutzung von Social Software in beiden Bereichen können Impulse zur Veränderung von Universität und Wissenschaft gegeben werden: Somit kann Social Software zum einen in der Lehre, zum anderen in der Forschung zur Lösung von Problemen eingesetzt werden, in denen es um Ko-Orientierung und kollektive Intelligenz, Partizipation und Dynarnisierung, Interaktion und Kommunikation sowie um Authentizität und virtuelle Gemeinschaft (siehe oben) geht. Zeitgleich ist ein Zusammenspiel von klassischen und sneuene Medien immer wieder neu zu denken und zu reflektieren. Diese wechselseitige Durchdringung des Medieneinsatzes im Rahmen des forschenden Lernens könnte Veränderungen auf beiden Seiten bewitken (und der Bildung medialer Monokulturen entgegenwitken). Um es provokant mit Dirk Baecker zu formulieren: »Die Universität ist primär nicht eine Stätte der wissenschaftlichen Forschung, sondern eine Sozialisationsagentur für die Heranführung des Nachwuchses an die komplexen Fragen von Welt, Leben und Gesellschaft« (Baecker 2006: 3) - und eben auch an mediale Kommunikationsformen.

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E-Learning-Förderung am Hochschulstandort Hamburg: vom Content zur nachhaltigen Strategie Mare Göcks, Hdga Bechmann

Neben der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, der Fakultätenbildung und der zunehmenden Hochschulautonomie sind Themen wie eine zunehmende Durchlässigkeit und die Einführung von Studiengebühren in unterschiedlichen Bundesländern weitere wesentliche Bestandteile umfassender Hochschulreformen, denen sich die Hochschulen seit einigen Jahren mit zum Teil schmerzhaften Einschnitten unterziehen müssen. Einhergehend mit den Studiengebühren werden aber auch eine Verbesserung der Qualität von Studien-, Lehr- und Forschungsbedingungen, ein erhöhter Studienerfolg und ein erweiterter Bildungsauftrag erwartet, wenn nicht gar gefordert. Diese Anspruchshaltung manifestiert sich nicht nur auf Seiten der zahlenden Studierenden oder auch der Behörden und Ministerien, sondern auch auf Seiten der interessierten Öffentlichkeit und nicht zuletzt der Hochschulen selbst, die sich einem immer stärker werdenden Wettbewerb ausgesetzt sehen. Angesichts dieses Veränderungsdrucks stehen die Hochschulen vor der Notwendigkeit, Prozesse und Services in Lehre, Verwaltung, Management und Forschung gezielt zu analysieren und effizienter zu gestalten. Dem Anspruch effizienterer Gestaltung der Prozesse und einer immer weiter steigenden Zahl von Prozessabläufen lässt sich häufig nur mit entsprechenden IT-Instrumenten und Systemlösungen gerecht werden - im Bereich der Lehr-/Lernunterstützung z.B. durch E-Learning-Anwendungen und Lernmanagementsysteme. Diesen Herausforderungen stellt sich der Hochschulstandort Hamburg seit einigen Jahren in unterschiedlichen Themenbereichen durch umfangreiche Förder- und Projektinitiativen, den Aufbau geeigneter Infrastrukturen sowie durch hochschulinterne Veränderungsmaßnahmen und auch hochschulübergreifende Kooperationen. Vor allem dieser hochschulübergreifende Ansatz erfährt bei der spezifischen Charakteristik des Hochschulstandortes und Stadtstaates Hamburg eine besondere Bedeutung. Dabei zählt der Wissenschaftsstandort Hamburg mit seinen sechs öffentlich-staatlichen Hochschuleinrichtungen (Universität Hamburg, Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Technische Universität Hamburg-Harburg, HafenCity Universität, Hochschule für Musik und Theater, Hochschule für bildende Künste) zu einer der wichtigsten Wissenschaftsregionen in Deutschland. Seine Besonderheit bezieht der

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_21, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Mare Göeks, Helga ßeehmann

Standort durch seine hohe Qualität und Angebotsvielfalt sowie durch seine Hochschuldichte, die eine wichtige Grundlage für verstärkte Vernetzungs- und Kooperationsbemühungen darstellt. Diese standortspezifischen Gegebenheiten, die BA/MA-Reform sowie der steigende Veränderungs- und Modernisierungsdruck haben in der Vergangenheit zu zahlreichen Maßnahmen geführt, die vor allem durch die Initiierung von Förderprogrammen sowie den Aufbau von Infra- und Unterstützungsstrukturen u.a, eine erhöhte Flexibilisierung und Bedürfnisorientierung der Lehre zum Ziel hatten. Vor diesem Hintergrund wurden in gewisser Analogie zu den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Maßnahmen »Neue Medien in der BildungHochschulen« vom Hamburger Senat Finanzmittel für umfangreiche E-LearningFörderungen zur Verfügung gestellt. So sollte das bereits vorhandene, aber verteilte Know-how stärker gebündelt und der Einsatz von Neuen Medien an Hamburgs Hochschulen zielgerichtet weiterentwickelt werden. Dafür wurden zur Entwicklung und Verbreitung von E-Learning-Aktivitäten an den Hamburger Hochschulen im Rahmen des 2002 von der Behörde für Wissenschaft und Forschung (BWF) gestarteten Sonderprogramms »eLearning und Multimedia in der Hochschullehre« bis heute insgesamt knapp über 9 Millionen Euro bereitgestellt. Das Sonderprogramm erstreckt sich auf vier Förderphasen: Innerhalb der ersten drei Förderphasen stand vor allem die Entwicklung von E-Learning-Inhalten, sogenannten Contents, im Fokus. Im Zeitraum von 2002-2006 wurden mit diesem Fokus insgesamt 72 Groß- und 117 Kleinprojekte an den öffentlichen Hamburger Hochschulen gefördert. Ein Einblick in die Ergebnisse und Produkte dieser Projekte kann online gewonnen werden.' Hingegen stehen in der aktuellen vierten und vorerst letzten Förderphase des Sonderprogramms nicht mehr wie zuvor Contentförderungen, sondern strategische und strukturbildende Vorhaben im Mittelpunkt. Im Zeitraum von 2007-2010 wurden vier strategische Referenzprojekte mit einem Gesamtvolumen von knapp 1,5 Millionen Euro gefördert. Vorgabe war, dass die Projekte das Ziel verfolgen, E-LearningMaßnahmen in den Fakultäten bzw. der gesamten Hochschule zu etablieren sowie die Entwicklung und Umsetzung organisationaler Ansätze zur Einführung von ELearning in Abstimmung mit den Erfordernissen der Bologna-konformen BA/MAStudiengänge zu fördern. In den Projektanträgen mussten die Verantwortung für den Bereich des E-Learnings verbindlich geregelt und personelle Ressourcen für Beratung, Support und Service vorgesehen sein. Zielvereinbarungen mit dem Präsidium Eine Auflistung ausgewählter Projektergebnisse findet sich unter http://www.mmkh.de/index.php? idcat= 119 [12.09.2010].

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E-Learning-Förderung am Hachschulstandart Hamburg

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der Hochschule bzw. Medienentwicklungspläne mit der BWF waren Voraussetzungen für eine erfolgreiche Antragstellung. Dabei war es wichtig, dass die Projektanträge keinen punktuellen, sondern einen integrativen Ansatz verfolgen, der sich am StudentLift ycle (von den Studienbewerbern bis zu den Alumni) orientiert. Somit soll die Projektförderung dazu dienen, E-Learning in den allgemeinen Organisationsprozessen der Fakultäten und der gesamten Hochschule zu verankern. Dafür notwendige Voraussetzungen sind vor allem Überlegungen und Konzepte zu alternativen Anreizstrukturen für den Lehrkörper sowie die Förderung von Qualifizierungsmaßnahmen. Da es sich bei der Projektförderung nur um eine Anschubfinanzierung handelt, mussten die Anträge zudem ein Konzept für die nachhaltige Verankerung und Fortführung der Projektzielsetzungen aufweisen. Die vier ausgewählten Projekte sind »ePUSH« und »eLBasel« der Universität Harnburg, »beluga« der Staats- und Universitätsbibliothek sowie weiterer wissenschaftlicher Hamburger Bibliotheken und »StudIPort 2.0« der Technischen Universität Hamburg-Harburg, die nachfolgend kurz skizziert werdenf

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Das Konsortialprojekt »eLBasel« wird von vier Fakultäten gemeinsam mit dem Präsidium der Universität Hamburg durchgeführt. Ziel ist die nachhaltige Integration digitaler Medien in alle Kernprozesse von Studium und Lehre und damit die Umsetzung der E-Learning-Strategie der Universität. »ePUSH« ist ein Vernetzungs- und Integrationsprojekt, das E-Learning-Strukturen und Angebote der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft an der Universität zusammenführen, entwickeln und nachhaltig etablieren soll. Im Projekt »beluga« bauen die wissenschaftlichen Bibliotheken Hamburgs eine Rechercheplattform auf, von der Informationen über Literatur in E-LearningUmgebungen exportiert werden können. »StudIPort 2.0« soll Studierende der TU Hamburg-Harburg durch Einrichtung persönlicher Lernumgebungen in Form von E-Portfolios und Kommunikationsmöglichkeiten des Web 2.0 in der Lernplattform Stud.IP unterstützen.

Im Kontext des Sonderprogramms wurden zudem organisationale Infrastrukturen geschaffen, um für die breitangelegte Projektförderung geeignete und effiziente Ausführlichere Beschreibungen der aktuell vier geförderten Projekte finden sich unter http://www. mmkh.de/index.php?idcat=32&lang=1&client=1 [12.09.2010].

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Mare Göeks, Helga ßeehmann

Steuerungs-, Beratungs- sowie Unterstützungsinstrumentarien vorhalten zu können. Zu diesen zentral aufgesetzten Organisationsstrukturen zählen vor allem das eLearning Consortium Hamburg (E-Learning Expertengremium) sowie das Multimedia Kontor Hamburg. Daneben haben sich an den einzelnen Hochschulen und auch durch hochschulübergreifende Kooperationen weitere Strukturen und Angebote für E-Learning entwickelt, wodurch sich E-Learning am Hochschulstandort Hamburg zunehmend verstetigt.

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Wirklichkeiten

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_22, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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AndnKIs Hebbel-Seeoer

Im Zuge immer leistungsfiihigerer Computerha.rdware und immer größerer Bandbreite beim Zugriff auf das Intcmct hat sich das Konzept kommunikativer und kollabotativcr virtueller Welten von tcxtbasicrtcn MUDs (Multi User Dungcons) in den 198Oct:-Jahren zu komplcxc:n Echtzcit-Intetaktionstiumen unter einet graphischen Bcnutzcrobe:rBiche wdtc:tcntwickcIt. Wcscntlli::he Charakteristika dieser virtuellen Welten sind neben einer hohen Immersion, welche fii.r ein >Eintliluchen< der Nutzer in das virtuelle Geschehen steht, vor allem Konsistenz und Persistenz: »Konsistenz beschreibt, dass Objekte einer virtuellen Welt von den Nut:zem objektiv gleich oder zumindest sehr ihnlich wahrgenommen werden. [...] Persistenz betitelt die Unabhängigkeit der Beständigkeit einervirtuellen Welt von ihren Nutzem. Auch nach Verlassen dervirtuell.en Welt bleiben ihre Kreationen bestehen und können wahrgenommen und weiter bearbeitet werd.en.«

(Lattemann 2009) Damit wurden nicht nur immer größere Zielgruppen erschlossen, sondern auch neue Nutzungsperspcktivcn entworfen. Digitale Spic1c als ,Motor< der technologischen Entwicklung stcllcn noch immer das bevorzugte Anwcndungsfcld dar. Sie wetde:n inzwischen jedoch ßanIricrt von einer Deutung virtueller Welten als Kommunikations-, Matketing- und LcmpIattformcn. Insbesondere die virtucIlc Welt »Sccond Lifc« av:mcicrtc seit ihrem Launch 2003 rasch zu einer viel beachteten .Anwendung. Anstatt Nutzem Inventar und Zielsetzung vceeugeben, setzt Second Life auf umfangreiche Freiheitsgrade: Der Betreiber IJnJm 1.Ab bietet mit Second Life eine te<:hnologische Lösung, mit der sich virtuelle Räume, Gegenstände und Verllal.tenswcisen gestalten lassen. Darüber hinaus stellt Üflden Lib das Hosting der geschaffenen virtuellen Räume und Güter sicher. Secccd Life ist damit nicht viel mehr als ein Rahmen, dessen inhaltliche Ausgestaltung vollständig in den Händen der Nutzer liegt. Analogien zum ,Real Lifc< stellen das Raumlron2cpt dar, wclchcs Ortskoordinaten über drei Achsen auf einet virtuellen Landkarte abbildet, die AbA4:V~H~;"S-mLfl: Integration eines realweItlich orientier.ArurJ-RMJ-Lift~~ . . ten Physikmod.elIs sowie die Nutzung UtIiIimiIiiJ ~ (btip:// rIItrl._I-"#fi/ U~H-my12J/IJ5/27) eines zu einer realen Wihrung (US-

ßeyond the Hype

333

Dollar) frei konvertierbaren Zahlungsmittels. Als Kommunikationsmittel fungieren Bild, Schrift- und Verbalsprache, die sich durch einfache Gesten des virtuellen Ichs (Avatar) ergänzen lassen. Das Fehlen einer klaren Zieldefinition erwies sich in der Folge jedoch als äußerst ambivalent. Auf der einen Seite ist es die Basis für das kreative Potential. Auf der anderen Seite fällt es schwer, eine individuell bedeutsame Zielsetzung ohne vertiefte Kenntnis des Gegenstandes zu entwickeln. So bescherte eine hohe positivistische Medienpräsenz in der >Hype<-Phase um die Jahre 2006/2007 herum Second Life neben öffentlicher Aufmerksamkeit rasch steigende Nutzerzahlen. Die meisten Nutzer blieben jedoch einmalige Besucher, die sich in entvölkerten Szenarien wie in Geisterstädten auf der Suche nach persönlicher Sinngebung verloren. Neben technischen und instrumentellen Hürden ist diese Entwicklung sicher auch dem Geschäftsmodell des Betreibers Linden Lab geschuldet, welches Gestaltungsrechte, die über die Erscheinung des eigenen Avatars hinausgehen, kommerziellen Kunden mit virtuellem Landbesitz vorbehält. Eine freie Nutzung von Second Life im Sinne des Web 2.0 (vgl. O'Reilly 2005; Häusler 2007) ist damit zumindest eingeschränkt. Produzenten und Rezipienten, Anbieter und Konsumenten bleiben zunächst qua Rollendefinition getrennt. Das gilt auch für den Lehrbetrieb. Hochschulen schaffen sich in Second Life virtuelle Präsenzen, die sich nicht selten am realweltlichen Original orientieren (vgl. Abb. 4). Konventionalisierte Raummetaphern bedingen dabei kognitive Endastung und einen hohen Grad an Immersion. Den Studierenden kommt in diesem Setting gleichwohl vor allem die Aufgabe zu, die virtuellen Räume zu sbeleben; - gestalten können sie diese meist nicht. Für das Anbahnen einer emotionalen Bindung ebenso wie für eine angestrebte Wissenskonstruktion ist das zu wenig: »After several sessions, I asked a student >What do you think of Second Life so far?< and they asked >WeIl, what can I do in it?«< (MokaDanielsen 2009: 13) Der Eigenaktivität kommt nicht nur im Sinne eines konstruktivistischen Lernverständnisses (vgl. z.B. Krapp/Weidemann 2001; Schulmeister 2003) sowie auf der Basis motivationspsychologischer Annahmen (vgl. z.B. Heckhausen 1989; Müller 2006; Wegge 1998) eine zentrale Rolle zu. Sie erscheint gleichermaßen als Schlüssel zu den Potentialen virtueller Welten. Während die einfache Adaption des Real Life nicht viel mehr sein kann als ein bestmöglicher Kompromiss, um beispielsweise eine Kommunikation über Raumgrenzen hinweg zu ermöglichen, gilt es domänenspezifische Nutzungsszenarien zu entwickeln, die über realweltliche Möglichkeiten hinausgehen oder diese substantiell ergänzen und erweitern.

334

AndnlGI Hebbel-Seeger

Dies bedeutet nicht, das Lernen neu zu erfinden. Ganz im Gegenteil unterscheiden sich ».Lehren und Lernen [•••] nicht danach. ob sie in Präsenzlemphasen oder in virtuellen Lernumgebungen staufinden« (Schulmeister 2005: 43).Im Kontext der Nutzung von Second Life kommt dieser Aussage aber eine doppelte Bedeutung zu. Auf der einen Seite spiegelt die Aussage den oben skizzierten institutionaliskrten Zugang zu Second Life wider, der sich dadurch auszeichnet, dass sich Hochschulen zunächst auch in virtuellen Welten so verhalten wie im Real Life. Traditionelle LehrLern-Settings werden adaptiert. Zentraler Mclttwcrt ist dabei die überwindung der Raumgrenze und weniger die didaktische Innovation. Es werden vor a11cm Vorlesungen angeboten und Kongresse organisiert. Das ist alletditlgs keineswegs nur kritisch zu sehen. Die >kIassischem akademischen Formate der mündlichen Weitugabc 'VOn Wissen haben nach wie vor ihre Bc:rcchtigung, wenn Rezeption nicht als passiver Pr0zess verstanden, sondc:rn ganz im Gegenteil vom Rezipienten erwartet wird. »daes er dieInhalte argumentativ nachvollziehen und behalten (compreh.cnsive listcning) sowie einordnen und kritisch bewerten kann (criticallistening)« (Reinmann 2009: 260). Auf der anderen Seite betont das Zitat die grundlegende Bedeutung einerlemtheoreti.schen Fundierung in der didaktisch-methodischen Gestaltung von Lehr-/Lcmprozessen. Die Situie.rtheit eines Lernprozesses (vgL Schulmeister 2003: 84) meint nicht nur das Herstellen eines konkreten Anwendungsbezuges, sondern dcok.t immer auch den konkreten Kontext der Lemsituation mit: »Leaming in a meaningful and relevant contest is matt effectivc than outside timt contest,« (Susi/Johannesson/Backlund

2<J07,9)

In Hinblick auf die Nutzung virtueller Welten zu Lehr- /Lcmzweckcn bedeutet dies, diese nicht unter der Ziclvorgabc cinc:r innovativen Mediennutzung quasi zum.Selbstzweck werden zu lassen, sondern hinsichtlich ihrer Mclttwc:rte kritisch zu hinter-

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-"ift/WV%20NtmI/126/140/49 [12.09.2010}.

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[12.09.2010].

Beyond th. Hyp.

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fragen. Lehren und Lernen in und. mit virtuellen Welten funktioniert weder anders als das analoge Dcpe.ndant noch wen alleine »VtttudJ.e Realitäten können in der Lehre [••.] nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn der Mediencinsatz auf die jeweiligen Lerninhalte, den beteiligten Personenkrds und die organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen abgestimmt ist,e (Schwan/Buder 2006: 1) Für ein rezeptives Lernen ergeben sich methodische Optionen in der Nutzung virtueller Realitäten vor allem aus der Darstellung von Dingen und Sachverhalten, die den menschlichen Sinnen nicht unmittelbar zuginglich sind, weil sie in der Realität beispielsweise entweder zu klein oder zu groß sind oder sich zu schnell oder zu langsam vollziehen, um vom menschlichen .Auge wahrgenommen zu werden (vgL Z.B. Wmn 1993): Zu diesem Zweck können in virtuellen Räumen Wissensinhalte visualisiert, skaliert und schematisiert werden (vgL Abb. 5). Selbst fur das idealtypische Format rezeptiven Lemens, das Hören eines mündlichen Vortrages, lassen sich gegenüber der realen Vortragssitllation originäre Gestaltungsmaßnahmen in virtuellen Welten entwickeln. Diese kompensieren gleichwohl nicht die systembedingten Einschränkungen, die zu einer verminderten kommunikativen Komp1eJ.ität führen, weil Mimik und Gestik fehlen oder doch zumindest stark vereinfacht werden und eine räumliche- und mediale Barriere die Kommunibtionspartner trennen. Originäre Gestaltungsmaßnahmen virtuell.e.r Welten beziehen sich im Wesentlichen auf die interaktive und die visuelle Gestaltung eines Vortrages (vgL Reinmann 2009: 257f.). So ist es in Second Life möglich. das Auditorium über einfache Abstimmungstools zu aktivieren und.in das Vortragsgeschehen einzubinden. Für Real Life-Veranstaltungen etablierte Verfahren, wie die Begleitung des mündlichen Vortrags durch großfottnatige Visualisieru:ngen (Folien), lassen sich in Second lifc nicht nur adaptieren, sondern um die Möglichkeit der Dantellung von Sachverhalten anh2.nd von annähernd frei sklllierbarcn sowie einfach austausch- und erweiterbaren (auch) dymmischen 3D-Modellen erweitern (vgL Abb. 6). Eine neue Dimension erreicht die Vaua.li.sierung, wenn an die Stelle von Modellen rasche Ortswechsel des gesamten Auditoriums treten. Das immersive Erleben der Vortragssituation wird

336

Andreal Hllbblll-SlIlIgllr

dabei mit einer am Vortragsgegenstand orientierten Immersion verknüpft; die technologische Umsetzung der VISion des lflkgenden Klassenzanmersc Entsprechende Installationen in virtuellen Wdten lassen darüber hinaus eine .Annäherung an ein generisches Lernen zu, indem an einer abstrahierten Wttk.AltA 8: ~ iII SHmlllLift lichkcit Erkenntnieprozesse nachvollzogen werden sollen. Wih:rcnd bei Explcrationswelten Vcrstchensprozcsse im Vonic:rgrund stehen, die auf der Idee des forschenden Lemens aufsetzen (vgL z.B, Schwan/Budc:r 2006), haben Trainingswdtcn V01' allem die Vermittlung peoeeduralee und handlnngsbC%Ogcner Fertigkeiten zum Ziel (vgL Abb. 7). Dabei erhalten die Leme:r häufig neuartige oder die Realität ergänzende Formen des Feedbacks (vgL e.B, Rosser/Lynch/Cuddihy et aL 2000). Als Bedingung für den Erfolg. dh. im Wesentlichen für die angestrebte Übertragbarkeit des in virtu.ellen Lemumgebungen erworbenen Wissens auf realwelt1iche Konteste, identifizieren Schwan und Buder (2006) folgende zentrale Variablen: ~~und~derH~~~~~diedcn~en~~

fügung gestellt werden. Ein großer Umfang an potcnzicllen Handlungen ist zwar mit einem größeren Spielraum bei der Exploration, aber möglicherweise auch mit einer Ablcnku:ng vorn eigentlichen Lcmgcgenstand verbundene (Schwan/Budcr 2006: 11) Die größten potentiellen Handlungsmöglichkeiten eröffnen sich in virtuellen Wdten dann. wenn gestaltend in das virtuelle Umfeld eingegriffen werden kann, indem Objekte modelliert und mit Funktionen versehen werden können. In Second Life ist es vergleichsweise leicht, einfache Objekte zu modellieren. VOftussetzung dafiir ist jedoch, dass der Nutzer entweder als Eigentümer einerRegion über die entsprechenden Baurechte verfügt: oderaber diese ihm vom jeweiligen Eigentümer eingeriumtwerden. Das Modellieren von Objekten erfolgt mit Hilfe des in Secocd Lift implementierten Editors aus geometrische.n Grundformen, den sogenannten >PriInSl (Primitives), die zusammengesetzt und verknüpft werden. Für die Zuweirrung von Funktionen ist eine cigcnc Skriptsprache, die Linden Scrlpting Languagc (LSL), implementiert, deren Syntax den objcktorientierten Programmiersprachen »C« und »Java« ihnclt. Nutzer ohne

Beyond the Hype

337

entsprechende Vorkenntnisse finden jedoch zahlreiche fertige, gleichwohl beispielsweise hinsichtlich der jeweils gewünschten Parameter modifizierbare Skripte in der Programmbibliothek von Second Life vor. Tatsächlich haben Studierende in meinen Lehrveranstaltungen nach einer kurzen Einführung von zwei bis drei Sitzungen eigene funktionstragende Objekte wie z.B. Vendore (Ausgabegeräte) oder Fahrzeuge erstellt (vgl. Abb. 8). Dabei haben die Studierenden meist in Gruppen gearbeitet, so dass das Element der Konstruktion mit Kommunikation und Kollaboration zu einer idealtypischen (Lern-)Einheit verknüpft wurde - weil Wissen im Austausch mit anderen konventionalisiert werden muss und weil jedes dieser Elemente intrinsische Motivation begünstigt (vgl. z.B. Deci/Ryan 1985; 2000). Bezogen auf übergeordnete Kompetenzen, wie die Fähigkeit, kreative Ideen zu entwickeln, die eigenen Gedanken zu abstrahieren und zu kommunizieren, sowie in sozialen Prozessen ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen und im konkreten Handeln zu reflektieren, bietet Second Life »ein beeindruckendes Feld für experimentelle Lernprojekte, weil es mehrere Lerner gleichzeitig miteinander arbeiten lässt, weil man Zeit hat, immer wieder neue Lösungsansätze auszuprobieren, bis einer zum Erfolg führt« (pichler 2007: 48). Lernen verändert sich in diesem Umfeld zu einem >wissenschaftlichenArbeiten<: »It's a way to help students learn in a way that is not lecture-based, but exploration based. You can be presented with a problem, then hypothesize about the problem, and it all can be built. You wind up having a process that's a lot more like science than memorizing formulas and facts.« (Toto 2007) Der Aufwand dafür ist jedoch hoch; ebenso die Gefahr »einer Ablenkung vom eigentlichen Lerngegenstand« (Schwan/Buder 2006: 11), wenn man sich beispielsweise bei der Bearbeitung eines Projektes in Details der grafischen Gestaltung verliert oder Einarbeitungszeiten in das System eine vernünftige Relation zum gewünschten Lernziel vermissen lassen. Das mag auf den ersten Blick ernüchternd erscheinen: Auch virtuelle Welten können die naiven Hoffnungen nicht einlösen, die schon in den 1990er-Jahren vielfach an das Aufkommen der >Neuen Medien: in der Bildung geknüpft wurden. Sie machen Lehren und Lernen weder einfacher noch (grundsätzlich) besser. Der Hype um virtuelle

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Andreas Hebbel-Seeger

Welten wie Second Life ist inzwischen längst verflogen. >Beyond the Hypee bleibt aber keine Katerstimmung zurück, sondern die Erkenntnis, ein weiteres mächtiges Werkzeug für ein technologiegestütztes Lehren und Lernen zu haben. Insgesamt bietet Second Life für das Lehren und Lernen vielfache Unterstützungsfunktionen: Diese können insbesondere durch Überwindung von Zeit- und Raumgrenzen die Lernorganisation vereinfachen, mittels ergänzender Darstellungsformen die Lernrnöglichkeiten erweitern sowie vor allem in einem situierten, kommunikativen und kollaborativen Prozess alternative Lernformen etablieren. Erfolgreiches Lernen >passiert< jedoch nicht von allein. Vielmehr bedarf es dafür der Strukturierung des Lernprozesses, der Festlegung sinnvoller Handlungsmöglichkeiten und einer ergänzenden Unterstützung der Lernenden durch äußere Rückmeldungen (vgl. Bowman/ Wineman/Hodges 1999; Salzman/Dede/Loftin et al. 1999; Roussos/Moher/Leigh et al. 1999; Youngblut 1998).

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ßeyond the Hype

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339

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_23, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

3.42

Usa Rosa

Bei der Suche nach »Lernen + Neue Medien« liefert Google inzwischen über 1 Million Hits. Seit der Computer in der Schule nicht bloß mehr in den Informatik-Kursen der Oberstufe in Erscheinung tritt, muss man sich damit beschäftigen, wie er in den bestehenden Unterricht hineinpasst. Und immer deutlicher wird dabei, dass der Computer mit Internet und Web 2.0 eben nicht in den alten Unterricht hineinpasst, sondern einen neuen Unterricht nicht bloß ermöglicht, vielmehr geradezu erzwingt. »Neues Lernen + Medien« bringt immerhin schon 68.000 Treffer. Auf die Frage jedoch, worin das Neue am Neuen Lernen, ausgelöst durch das Internet, genau besteht, erhält man sehr unterschiedliche Antworten. Vieles von dem, was »Neues Lernen mit Medien« genannt wird, halte ich genau besehen für Varianten des Alten Lernens unter Nutzung neuer Instrumente. Zu fragen wäre also: Was ist das Neue am Neuen Lernen? Hat es etwas mit den Neuen Medien zu tun? Und wenn ja, was? Ich betrachte Neues Lernen und Neue Medien nicht als zwei verschiedene, voneinander unabhängige Dinge, die zusammenzubringen wären. Ich sehe einen inneren Zusammenhang. Diesen Zusammenhang möchte ich kurz erläutern. 1. Ich verstehe das Internet als Leitmedium der heraufdämmernden neuen Epoche der Wissensgesellschaft - oder anders: der >Lernkultur<, also einer Kultur, deren Hauptmerkmal das Lernen ist. Leitmedium bedeutet, dass das Internet nicht einfach als zusätzliches Medium zu den bisherigen zu sehen ist, sondern dass es DAS Kommunikations- und Informationsmedium der Epoche ist - im Unterschied zum Druckerzeugnis als dem Leitmedium der vorigen Epoche des Buchdrucks oder der skriptorischen oder der oralen Kultur in den Epochen davor. Das Leitmedium bestimmt die Art und Weise der Informationsverbreitung und der Kommunikation in der jeweiligen Gesellschaft und weist den jeweils älteren Medien einen veränderten Platz in der Informationsbeschaffung, Kommunikation und Wissensproduktion zu. 2. Zu unterscheiden sind Medium und Werkzeug. Ein Kommunikations-Medium ist nicht einfach nur ein Instrument (das ist es immer zwar auch, aber eben nicht nur), ein Gerät, das - vergleichbar dem Radio, Filmapparat oder Faxgerät - relativ folgenlos durch ein anderes ersetzt werden könnte. Ein Kommunikations-Medium beeinflusst selbst die Kommunikation - ihre Art und Weise und auch ihre Ergebnisse - und die Kommunizierenden selbst! »The medium is the message« - so fasst Marshall McLuhan diese Eigenschaft des Mediums radikal zusammen. Gemeint ist mit Botschaft des Mediums nicht, was es - etwa als Website oder als Buch - dem Leser inhaltlich vermittelt, sondern welche Auswirkungen es ins-

Neues Lernen mit Medien

343

gesamt auf Individuum und Gesellschaft hat. McLuhan verwendet den Begriff »Botschaft« gleichbedeutend mit »Wirkung«. Zu fragen ist also, welche »Message« das Internet insbesondere auf der Stufe Web 2.0 in diesem Sinn für uns enthält. Vergegenwärtigen wir uns noch einmal den Unterschied von Web 2.0 gegenüber Web 1.0: 1990

Internet (Web 1.0)

Hyperlinks

Verknüpfung von Websites

Verweise auf Inhalte

2000

Web 2.0

Social Software

Verknüpfung von Menschen

Kommunikation über Inhalte

War das Web 1.0 also mure ein unbegrenzter Speicher von Informationen, die per Hypertext miteinander zu Wissen verknüpft und von den Benutzern von überallher erreichbar sind, so ist das Web 2.0 darüber hinaus ein Wissensgenerator, ein Produktions-raume, in dem jeder Benutzer als Produzent von Wissen auftteten kann. In Wikis und Webloggemeinschaften kann in Netzteams Spezialwissen erzeugt, gesammelt und verbreitet und gemeinsam an neuen Problemlösungen gearbeitet werden. Ich sehe vor allem drei zentrale Elemente der sBotschafu Web 2.0, die dieses Medium von jedem anderen früheren unterscheiden: 1. Das Netzprinzip: Überall kann jederzeit jeder mit jedem verknüpft werden: Austausch mit potentiell allen. Dadurch wird sowohl Austausch von Verschiedenem zum Prinzip als auch die Möglichkeit, sich mit Gleichinteressierten auszutauschen. Bildung von Netzwerken und Praxisgemeinschaften. 2. Das Prinzip der Selbststeuerung (User generated content; Produser/Prosument): Die Vernetzung provoziert die Selbststeuerung und setzt sie zugleich voraus. 3. Das Prinzip des persönlichen Sinns: Das Subjekt und seine individuelle Perspektive auf die Welt erhält ausschlaggebende Bedeutung; persönliche Sinnbildung wird durch Vernetzung und Selbststeuerung sowohl vorausgesetzt als auch gefördert. Diese drei Prinzipien erfordern und ermöglichen nicht nur ein völlig neues Lernen von Individuum und Gesellschaft, sondern zugleich auch die Entwicklung eines bedeutenden Merkmals demokratischer Gesellschaft, der Partizipation: Sie verweisen auf die Kompetenzen, die nötig sind, um an der >Lernkultur< partizipieren zu können:

3.4.4

Lisa Rosa

• die Fähigkeit zur eigenen Sinnbildung; • die Fähigkeit zur Kommunikation in heterogenen Gruppen; • die Fähigkeit, selbständig Probleme zu identifizieren und zu lösen; • die Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln In der folgenden Gegenüberstellung sehen Sie, dass die Prinzipien des neuen Leitmediums Internet auch als neue Denkprinzipien zu verstehen sind, die wiederum zu einer Neugestaltung von Lehr-/Lernprozessen führen müssen: >Altes< Denken

Unterrichten

>Internet<-Denken

Neue lernkultur

Linear, Kausalketten

lehrerzentriert, >einer an ellee, >Musik von vornee, Belehrung, lehrgang, Instruktion

Netzförmig, polykausal, interoktiv

lernerzentriert, lerner sind Knoten im lernnetz; jeder lernt; >alle an alle<, Kommunikation im WWW, Projektlernen

>objektiv<

Moterial wird vorgegeben, >richtige< Problemlösungen und Deutungen liegen fest.

Intersubjektiv, multiperspektivisch

Material wird von den lernern gefunden; Material und Interpretationen werden ausgetauscht; Deutungen werden ausgehandelt.

persönliche allgemeingültige Bedeu- lehrer bestimmt den Sinnbildung tungen Gegenstand des lernens und die Lernziele; er stellt die konkreten Aufgaben für die Aneignung der objektiven Bedeutung.

lerner bestimmen Gegenstände des lernens und ihre Ziele selbst und stellen sich eigene Aufgaben Für die Erzeugung eigener Sinnbildung.

© Lisa Rosa

Das Kommunikationsmedium hat seine eigenen Gesetze, seine eigene Dynamik. Das gilt natürlich für alle Internetanwendungen, also auch für das Weblog. Selbstverständlich kann man ein Weblog auch einfach nur als Werkzeug benutzen, alternativ zu anderen im selben Zusammenhang, und dabei seinen Mediencharakter (seine sBotschafn) ignorieren. Aus den Anfängen der Computerbenutzung kennt fast jeder meiner Generation die Stufe, in der er zunächst den Computer bloß als vorteilhaftere Schreibmaschine mit Speicherfunktion benutzte. Analog dazu wäre die Verwendung eines Weblogs als digitales Notizbuch anstatt eines Schreibheftes zu sehen - nämlich als unterste Stufe der Mediennutzung als Werkzeug. Das Weblog in seinem Mediencharakter genutzt, kann jedoch ein Lernen nach

Neues Lernen mitMedien

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den neuen Prinzipien ermöglichen: nach dem persönlichen Sinn, selbstbestimmt und interaktiv vernetzt. An einigen Beispielen der Anwendung von Weblogs in Unterricht und Schule möchte ich Ihnen jetzt verschiedene Stufen der Verwirklichung dieser Möglichkeit zeigen. Ich will dabei jeweils fragen und mit Ihnen diskutieren: • • • •

Worin besteht hier das Neue Lernen? Wird hier der Mediencharakter - also die Prinzipien des Web 2.0 - optimal genutzt - oder bloß ein instrumenteller Aspekt? Wird es bloß als alternatives Werkzeug in die alte Unterrichtsorganisation eingefügt oder kann es seine Potentiale für eine neue Art des Lernens entfalten? Welche Folgen hat die Mediennutzung für die alte Unterrichtsgestaltung? Worin gerät sie mit ihr in Widerspruch - z.B. was die Raumbedingungen und die Zeitorganisation angeht? Welche Veränderungen werden nötig und möglich?

Wo das neue Medium vorerst als bloßes Tool in den Traditionsbetrieb der Schule eingepasst wird, bedeutet das nicht, dass das nicht sinnvoll ist. Sowieso sind wir notgedrungen im Stadium des Experimentierens. Und auch wenn das Weblog >nur< als Werkzeug genutzt wird, um allen Schülern jederzeit den Zugang zur schriftlichen Formulierung der Aufgabenstellung und des Unterrichtsmaterials zu verschaffen: Es ist im Unterricht angekommen und kann vielleicht wie das Trojanische Pferd seine -Message, herauslassen.

http://www.bloghof.net/norberto42/archive/2006/01/13/430uobnlamOj.htm Der Lehrer Norberto benutzt ein Weblog, um seinen Schülern Material für die Vorbereitung einer Deutschklausur online zur Verfügung zu stellen. Entsprechend wird die Kommentarfunktion genutzt: Die Schüler bedanken sich.

http://www.gohlkeweb.com/lek/ Der Geographie-Kurs von Gohlke führte zweiJahre lang ein Kurs blog. Darin postete der Lehrer alle Materialien und Aufgaben, Ratschläge zur Arbeitsmethodik und Organisatorisches. Aber auch die Schüler stellten Arbeitsergebnisse hinein sowie Berichte über eine Kursfahrt und Abschlussfeier. Kaum Kommentare (also wenig Interaktion).

http://gk13-comingofage.blogspot.com/ Englischlehrer Bühler richtete ein Weblog zur Lektüre eines englischen Buches im Fremdsprachenunterricht ein. Die Schüler begleiten ihre Lektüre mit Inhaltsangaben und Reflexionen in eigenen Blogs, die auf diesem Blog verlinkt sind. Am Ende der

3.46

Usa Rosa

Unterrichtseinheit kam es zu einem Kontakt mit der Schriftstellerin, die die Schülerblogs besuchte und deren Beiträge kommentierte. Die eigentliche Lerntätigkeit fand in den jeweiligenSchülerblogs statt. Die Texte der Schüler werden gegenseitig gelesen und kommentiert.

http://larissa-comingofage.blogspot.com/ Beispiel für ein SchülerInnenblog zu dieser Lektüre. http://elefantenklasse.de/ startseite/home..../ Elefantenklasse Die Lehrerin hat für die 2. Grundschulklasse ein wunderschönes Blog gestaltet; die Schüler schrieben in dieses Klassentagebuch bis zum Ende ihrer Grundschulzeit hinein, was sie im Unterricht erlebten. Erfreulich, dass die Lehrerin die Beiträge offenbar NICHT vorkorrigiert hat! http://www.teachandlearn.ca/blog/2007/10/27/how-to-grow-a-blog/ Konrad Glogowski, Englischlehrer in Kanada, hat die Schüler seiner 7. Klassen eigene Blogs kreieren lassen. In seinem Edu-Blog beschreibt und reflektiert er über mehrere Jahre hinweg ausführlich seine Unterrichtserfahrungen damit. Die Schüler wurden angeleitet, ihr echtes eigenes Blog shochzubringenc und in der Blogosphäre zu verankern. Mit sechte meine ich, dass das Medium nicht pädagogisch verzweekt, als Gerät benutzt wurde, um eine schon vordem bestehende Unterrichtsaufgabe mit neuen Mitteln auszuführen, sondern dass die Aufgabe das Einrichten und Führen eines Blogs selbst war. Eine neue Aufgabe: Die Beherrschung des Neuen Mediums und damit die Beherrschung der Neuen Prinzipien. Die Schüler bloggen nicht über den Unterricht oder zu Unterrichts- oder Klassenthemen, sondern zu einem selbst gewählten (Lern )Gegenstand (eben wie die sechtem Blogger auch), der sie wirklich interessiert und begeistert. Hier waren die Themen u.a. Tierschutz, Klimakatastrophe, Meeresbiologie, Afrika, Menschenrechte. Also gab es ein Tierschutzblog, ein Afrikablog, ein Menschenrechtsblog usw. Die Schüler recherchieren zu ihrem Thema, posten Beiträge, sammeln Links in ihrer BIogroll und besuchen andere Seiten im Netz, die zum selben Gegenstand arbeiten. Dort nehmen sie neue Hinweise und Ideen auf und hinterlassen eigene Kommentare und Traekbacks. Sie werden zu Experten ihres Gegenstands, sie lernen, ein Blog als ihr persönliches Tor zur Welt zu führen und sich mit anderen Experten zu vernetzen. http://www.flickr.com/photos/teachandlearn/1776430181/sizes/ 0/ Glogowskis Arbeitsbogen: »Wie man ein Blog hochbringt.«

Neues Lernen mitMedien

347

http://www.flickr.com/photos/teachandlearn/1776454477/ sizes/l/ Das Lösungsbeispiel eines Schülers. http://klaas.wijnia.com/klasblog/ Auch ein wichtiger Teil des Mathematikunterrichts kann via Blog stattfinden: Auf Elminje Wijnias Klassenblog (niederländisch) konnten 2005 die Schüler die Hausaufgaben nicht nur abholen, sondern auch ihre Probleme damit untereinander diskutieren und sich gegenseitig mit Erklärungen unterstützen, indem sie die Kommentarfunktion nutzten. Die Kommentare sind leider für die Öffentlichkeit gesperrt. http://e1mine.wijnia.com/weblog/archives/cat_blog_in_the_classroom.html Auf ihrem eigenen Blog beschreibt Wijnia, wie die Schüler mit dem Klassenblog gearbeitet haben. http://gymnasium-blomberg.de/ Das Herrman-Vöchting-Gymnasium Blomberg hat sich 2005 seine Homepage als Weblog eingerichtet. Als ich sie damals im Netz zum ersten Mal besuchte, war noch wenig los. Man sah nur ein paar Mitteilungen des Administrators. Inzwischen ist die Seite voller Traffic. Sie ist zum öffentlichen Marktplatz der Schulgemeinde geworden, dient der inneren Kommunikation ebenso wie der Außendarstellung der Schule und enthält mit eingebautem Wiki und anderen Applikationen auch eine Menge Unterrichtsergebnisse. Wenn Sie meine Social-Bookmark-Seite aufrufen, dann haben Sie jederzeit Zugang zu den Seiten, die ich verwendet habe, und außerdem zu einer sich laufend erweiternden kommentierten Linksamrnlung zum Thema:

http://www.mister-wong.de/user/Lisarosa/bodenseekongress/

Vorlrag in einem Workshop der Klausur »N eues Lernen mit Medien« auf demAdZ-Ne"<}Perk-Knngress vom 2.-5. Oktober2008.

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_24, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Daniel Röhe

Exempel Es ist Sonntag, später Nachmittag, und ich sitze am Computer bei der Unterrichtsvorbereitung. Eben habe ich eine neue Aufgabe in dem von mir angelegten Blog meiner Klasse veröffentlicht - für die Stunde im Computerraum am Montag versteht sich. Während ich meine weiteren Vorbereitungen für die Woche treffe, signalisiert mein Mailprogramm eine neue Nachricht. Sie weist mich auf einen Kommentar im Blog hin. Er kommt von Jens, einem meiner Schüler. Jens sitzt wohl auch gerade am Computer und vertreibt sich seinen Nachmittag. Wie für viele anderen Schüler auch, ist unser Klassenblog Ausgangspunkt seiner Reise durchs Internet, sogar am Wochenende. Dabei hat er heute schon die Aufgabe für den nächsten Tag entdeckt, gelesen und gelöst. Die Lösung hat Jens gleich in einem Kommentar hinterlassen. Am nächsten Tag wird er stolz zu mir kommen und fragen, ob ich schon gelesen hätte, was er rausbekommen hat. Damit stehe ihm ja wohl nun das Recht zu, im Computerraum seinen eigenen Interessen nachzugehen. Aber dann nimmt er wie selbstverständlich eine Helferrolle ein, sieht, dass andere Schüler die Aufgabe nicht ohne Probleme lösen können, und zeigt ihnen, wie seine nächsten Schritte ausgesehenhaben.

Zur Bedeutung der Medien für Schüler Beim Lesen des Kommentars dachte ich in meiner ersten Reaktion daran, dass Jens nun tatsächlich keine Aufgabe im Unterricht mehr zu erledigen haben würde und dass damit der Unterricht für ihn an Sinn und Zweck verlieren würde. Im zweiten Moment wurde mir klar, was sich da eigentlich gerade enthüllt. Ich habe mit dem Klassenblog als Medium im Unterricht die Schüler viel umfassender erreicht, als mir bis dato bewusst war. Denn nicht jeder Schüler hinterlässt sichtbare Spuren auf der Seite wie Jens mit seinem Kommentar. Sie nutzen die Seite dennoch als Ausgangspunkt oder Ziel für ihre Reisen durchs Netz. Ich habe Jens' Kommentar zum Anlass genommen, mit der Klasse darüber zu sprechen, ob und wie sie den Blog über den Unterrichtsalltag hinaus nutzen. Dabei kam heraus, dass sie die Seite nicht nur in der Schule, sondern eben auch von zu Hause aus nutzen. Viele Schüler zeigen auf der Internetseite beispielsweise ihren Eltern die Bilder von aktuellen Klassenaktivitäten. Die Schule gehört für die Jugendlichen viel stärker zu ihrem Lebensmittelpunkt, als ich es noch aus der Halbtagsschule gewohnt bin. Im Ganztagsschulbetrieb verbringen die Schüler deutlich mehr Zeit und damit auch Freizeit miteinander. Lernen und Leben gehören viel stärker zusammen als in Halbtagsschulen mit den eng getakteten Lernblöcken des herkömmlichen Unterrichts. Der

Zu Hause ins Netz - im Netz zu Hause

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Austausch mit den Eltern über die Erlebnisse in der Schule gewinnt eine neue Qualität. Die Berichte und Fotos auf der Internetseite aus dem Schulleben bieten dazu einen willkommenen Ausgangspunkt. So können über die Klassenwebseite auch Eltern stärker am Leben ihrer Kinder teilhaben, die Grenzen zwischen Lern- und Freizeit weiter aufgelöst werden. Die Bedeutung der Kommunikation, auch über das Netz, wird für die Jugendlichen erlebbar. Andere Schüler lesen auch zu Hause noch einmal die Einträge und Kommentare aus dem Unterricht. So wie es Jens an dem Sonntag getan hat. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. Er ist wie einige seiner Mitschüler nur schwer zum Lesen zu motivieren. Denn die Schriftsprache hat für viele Jungen und Mädchen an unserer Schule für Kinder mit besonderem Förderbedarf noch keine große kulturelle Bedeutung. Lesen und Schreiben fallt vielen Schülern in meiner Klasse auch nach acht Jahren Deutschunterricht noch sehr schwer. Unterschiedlich starke Beeinträchtigungen des Lernens verzögern den Schriftspracherwerb erheblich. Gerade deshalb ist es für die Schüler so wichtig, dass das Geschriebene für jeden eine persönliche Bedeutung hat. Wem dennoch der Zugang zum schriftdominierten Netz schwer fallt, dem biete ich die Aufgaben zusätzlich in einem Podcast als gesprochene Version an. Dieser deckt zwar nicht alle Inhalte des Blogs ab, kann jedoch die wesentlichen Inhalte vermitteln und motiviert zudem, die geschriebenen Kommentare mit viel Mühe lesend zu erschließen. Multimedialität wird hier zu einem differenzierten Unterrichtsangebot für eine sehr heterogene Schülerschaft. Weitere Möglichkeiten der Multimedialität von Blogs bietet die Einbindung anderer Web-Z.O-Dienste. So sind Fotos der Klassenaktivitäten auf der Fotoplattform flickt abgelegt. Mit Google Maps erschließen sich die Schüler die Stadt und den Weg zu ihrem Praktikumsplatz. So legen wir gemeinsam Karten an, markieren wichtige Standpunkte und binden diese in Blogbeiträge ein. Neben dem Podcast lösen Fotos und Karten die Dominanz der Schriftsprache auf und machen diese in der engen Verbindung gleichzeitig leichter erschließbar. Von zu Hause wie in der Schule nutzen die Schüler nach meinem Eindruck auch sehr stark die sßlogrolk der klasseneigenen Internetseite. Dabei handelt es sich um eine Liste von Links aus drei Kategorien: >Hobbies< mit Links zur Jugendfeuerwehr und den Lieblingsvideos auf Youtube, >Spiele< mit Links zu altersgerechten Spielesammlungen im Internet und >Unterricht< mit Links, die wir im Unterricht nutzen, beispielsweise Berufswahlseiten. Damit wird ein umfassendes Spektrum der Schülerinteressen angesprochen, bei dem jeder selbstständig entscheiden kann, welchen Hinweisen er oder sie nachgeht. Das lästige Eintippen von Internetadressen entfallt und erleichtert insbesondere den Schülern das Suchen im Netz, die Schwierigkeiten haben, sich die Adressen zu merken oder korrekt einzugeben. So bin ich schon mehrfach gebeten

352

Daniel Röhe

worden, die Internetadresse einer Lieblingsseite mit aufzunehmen. Der Klassenblog fungiert hier als Startseite für das moderierte Surfen im Netz. Diese Seite begünstigt ein schnelles Erreichen des Ziels ohne Umwege über werbeträchtige oder zwielichtige Fangseiten. Nur die Seiten, deren Inhalte für mehrere Schüler spannend, nicht Gewalt verherrlichend oder zu kommerziell sind, werden in die Blogroll aufgenommen. Diese Bewertung erfolgt immer im Austausch mit der ganzen Klasse. Offensichtlich ist es mit der Aufbereitung einer klasseneigenen Internetseite gelungen, sie nicht wie ein ins Netz verlagertes Lehrbuch wirken zu lassen. Es geht nicht mehr ausschließlich darum, Unterrichtsinhalte zu vermitteln. Gerade mit diesem Anspruch gelingt es, dass sich die Schüler mit dem Lerngegenstand motiviert und zwangfrei auseinandersetzen.

Medien als Gegenstand des Unterrichts Im Unterricht nutzen die Schüler den Klassenblog, um Informationen zu Themen aus anderen Fächern zu gewinnen. Computerunterricht ist für mich eher zu einem Unterricht im Computerraum geworden. Ich suche immer nach Themen aus anderen Fächern, die sich im Internet erweitern, anreichern und behandeln lassen. Deshalb stehen den Schülern auch mehrere Computer in der Klasse zur Verfügung, die in anderen Fächern jederzeit mitgenutzt werden können. Eine Auseinandersetzung mit dem Computer als Selbstzweck ohne inhaltlichen Bezug zu anderen Fächern wollte mir nie gelingen. Eine Reduzierung des Computers auf die technische Funktion macht diese obsolet. Die Funktionen des Computers erhalten ihren Sinn nur in deren Nutzung. Es erscheint hinfällig, zu fragen, was eine Blogroll ist. Die Schüler erleben dies und benennen dies wie selbstverständlich. Dort, wo sich der Blog als Medium nicht handelnd erschließen lässt, dürfen Erklärungen nicht fehlen. In dem Moment, wo Schüler die Nutzung einer Funktion nicht verstehen, müssen selbstverständlich Erklärungen eingeschoben werden. Diese nehmen aber einen minimalen Anteil im Unterricht ein. Die Funktionen der Webseite werden zumeist im wiederholten handelnden Umgang mit dem Medium gelernt. Ein Lesen von Informationstexten über technische Feinheiten oder das Abprüfen von Wissen mit Arbeitsblättern führt zu keinem Lernfortschritt. Mit Verweis auf konstruktivistische Lerntheorien lässt sich zeigen, wie das Netz von jedem im Blog individuell erschlossen werden kann. An anderen Stellen im vorliegenden Band dürfte ebenfalls deutlich werden, dass die isolierte Behandlung von Medien im Unterricht weitestgehend obsolet ist. Unterricht muss sich implizit immer Medien bedienen, um überhaupt stattfinden zu können. Wer Neue Medien künstlich aus dem Unterricht herausheben will, beschwört ein

Zu Hause ins Netz - im Netz zu Hause

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Thema herauf, das für Schüler womöglich gar keine große Bedeutung hat und dem sie entsprechend wenig Motivation entgegenbringen. Sicherlich haben Neue Medien eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung und führen zu einem kulturellen Wandel. Für Digital Natives der Jugendgeneration zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist das Internet aber ein Kommunikationsraum, der schon vor dem Unterricht da war. Das ist für sie viel wichtiger als die reflektierte Behandlung einer etwaigen gesellschaftlichen Bedeutung. Mit dem Klassenblog gelingt es, die Schüler da zu erreichen, wo sie stehen. Wenn man sie von da aus zu einem Lernweg einladen kann, ist einem viel bedeutsameren und zeitloseren pädagogischen Anspruch gedient. Hierfür bedarf es keiner eigenen >Neuen Medien<-Pädagogik oder -didaktik als Reaktion auf eine schnelllebige und somit vorübergehende gesellschaftliche Entwicklung.

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_25, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Tim Schmidt wrote a new blag post: Warum Uni.Blogs' ~......

18 months ago [View

Ein eigenes kostenloses Blog kann sichjeder einfach und schnell bei einemder vielen Blcgbostee im Internet einrichten. In einer Community wie Pacebock oder XING aktiv zu werden, um sich zu vernetzen, ist mindestens genauso einfach. Auch Studierende und Lehrende ma.chen von diesen Möglichkeiten bereits vielfiiltig Gebrauch. Eine Online-Befragung mit 836 Teilnehmern in der internen Lemplattfonn der Universität Osnabrück: hatAn&ng 2010 ergeben: 73 % der Nutzet sind auch bei StuchVZ aktiv, 36 % bei Facebook, 19 % lesen Blogs und verfassen Kommentare und 10 % betreiben ein eigenes Blog. Obwohl es also an Möglichkeiten nicht mangelt, betreibt die Universität Oecebrück seit Sommer 2007 eine eigene Blogfarm mit Social-Netww:k.Funktionen, die allen Mitarbeitern und Studierenden der Hochschule offensteht Mehr als 1.200 der insgesamt 12.000 potentiellen Nutzer habensichbei der Blogfarm angemeldet 146 aktive Blogs mit 25.613 Beiträgen und 9.874 Kommentaren sind entstanden, alleinim abgelaufenen Wmtersem.ester 2009/2010 kamen 6.735 Beitrage und 978 Kommentare hinzu. Insgesamt wurden die Beiträge in der BIogfarm über 16 Millionen mal abgerufen. Die Universität bietet diesen Dienst an, weil sie ihren Mitgliedem die Möglichkeit geben will. sich unter dem Dach der >Mar)re( Universität Osnabrück zu präsentieren. Den Blogs verleiht dieser Umstand Seriosität, der Universität eine Form inoffiziellen Marketings und Außens~enden sowie MitgIiedem interessante Einblicke in das Leben an der Hochschule.

Studentin 17 months, 3weeks ago 1 Was eine Blogfarm leisten kann, ist mir klar, aber was hat es mit >Social.Network-Funktionen< auf sich? Wollt ihr ein kleines Facebook aufbauen? lobias Thelen 17 months, 3weeks ego] Die Blogfarm läuft mit der bekannten Open-Source-Software Wordpress in der Multi-User-Ver9ion. Darauf setzt die Pluginsammlung Buddypress auf, die aus einzelnen, unverbundenen Blogs ein >Soziales Net2Wet1a macht Mit Facebook etc. soll das nicht konkunie.ren, sondern vielmehr das

Buddyp.....

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verbindende Dach bilden. Wtr bieten Besuchern und Nutzern nicht nur Eineelblogs an. sondern erlauben den Menschen dahinter; .Aktivititen in verschiedenen Blogs zu verknüpfen und sich selbst als Autoren mit vielen Facetten zu priiscnti.crcn. Für die Universität sind die Funktionen besonders wichtig, die den Obcrlilick schaffen und Beziehungen zwischen Themen und - wenn sie wollen - auch Personen sichtbar machen. Am deutlichsten sichtbar wird das auf der Startseite, die einen Gesamtüberblick bietet: Was tut sich gerade in (den Blags) der Universität?

Student 17 menths, 3 W<W 'll" I Es kann also jeder Student und jeder Dozent im Namen der Hochschule beliebige Texte veröffentlichen? Ist das im Sinne der Hochschule? • fen,

Tim Schmidt 17 months, 3weeks ago 1 Ja, solange die Nutzet sich an geltende Gesetze halten, lassen wir af-

was veröffentlicht werden darf. Vielfalt soll ja gerade nicht unterbundec, sondern gefördert werden. Allerdings wird schon k:largemacht, dass da nicht sdie Meinung der Hochschule, vertreten wird. Ein einheitlich gestaltetes Impressum zu jedem Blag, das wir als Plugin entwickdt haben, ermöglicht dic~~~~~~~auch~den~~m~der

Hochschule.

Studentin 17 mcnths, 3 weeks ago I Und damit sind alle rechtlichen Fallstricke aus dem Weg geräumt?

Tobias Th.len 17 months, 3wecks ago ] Am Anfang des Projekts gab es - wie auch an anderen Hochschulen mit vergleichbaren Projekten - Bedenken bezüglich möglicher Rechtsproblcme wie Urheberrechtsvcrletzungen oder Verleumdungen. Zudem werden auch Datenschutxfragen berührt. Die Autoren müssen ihren echten Namen nicht nennen. wir wissen aber, wer sich hinter einem Pseudonym verbirgt, und das oben erwähnte Impressum ermöglicht auch Außenstehenden die Kontaktaufnahme. In den mehr als 2 % Jahren ist es in Osnabrück zu keinen nennenswerten Problemen gekommen. Die Nutzer wissen, dass sie nicht völlig anonym sind. und sind entsprechend umsichtig. Die Plattform ist daher für viele Inhalte auch gar nicht interessant.

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Tim Sehmidt, Tobias Th.I.n

Tobia..Thelen wrote anewblogpost: Was passiert in den Uni-Blogs' 18 months ago [View Die meisten Inhalte in der Blogfarm beziehen sich tatsächlich auf Studium, Forschung, Lehre und das Leben drumherum. Das thematische Spektrum reicht von Fachsch2ftsblogs über Blogs, die in der Lehre verwendet werden, bis hin zu Blogs, die eine Tagungshomepage ersetzen. Ganz persönliche Blogs. die gerne völlig an0nym (bzw. pseudonym) geführt werden, finden sich kaum. ebenso wenig Blogs mit kritischen politischen Inhalten. Für diese Nutzetgruppen sind von der Hochschule unabhingige Plattformen deutlich attraktiver. Spannend ist es aber fii:r die, die sich tatsächlich aus der Hochschule heraus öffentlich äußern wollen.

Studentin 17 months, 3 weeks ago I Geht das auch in Richtung öffentlk:he:r Science-Blogs?

•

Tim Schmidt 17 months, 3 weeka ago 1

Ja, da tut sich zurzeit in

Deutschland ja einiges, wie der Erfolg von ScienceBlogs.de belegt. Interessant ist das auch fiir Studierende: Wer in dieser Form Ergebnisse von Studiena.rbei.ten oder eigenen kleinen Forschungen und Entwicklungen öffentlich macht, kann - auch dank der Marke Universität Osnabriick - damit rechnen, gefunden und wahrgenommen ZU werden. In eine ähnliche Richtung gehen auch die Tagungsblogs, die sehr beliebt sind. Mit wenig.Aufwand ist eine Webseite für eine Tagung erstellt, es gibt Plugins, die die Anmeldung regeln, und sowohl im Vorfeld als auch im Nachhinein lassen sich.AnkündigLmgen, Materialien und Videos einfach platzieren. Auch wenn die Kommunikation mit der Öffentlichkeit da nicht im Vordergrund steht, kommen Kommentare, Fragen und Diskussionen ganz >natürlichI hinzu. L

Student 17 moatbs, 3 weeks egc 1

~, -

Und was habe ich mir unter Blogs in der Lehre vorzustellen? Öffentliche

Lomt>gobücl=?

•

Tim Schmidt 17 months, 3 weeks ago 1

Das klassische Lemtagebuch in Form sdbstkritischcr Reflexion des Lernens ist in der Öffentlichkeit vermutlich weniger gut aufgehoben. Aber denken Sie an Seminardiskussionen und K.urzessays: Weshalb sollten solche L

Buddypress

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Diskussionen auf den Seminarraum beschränkt bleiben? Die Studierenden

gewinnen übrigens nebenher noch erheblich an Medienk.ompetenz. Infonn2.tionen und Argumente für die Öffentlichkeit attraktiv aufbereiten zu können will- und muss - gelernt sein.

labias Thelen 17 months, 3weeks ago 1 Oder denken Sie an Lehrende, die ih:teLehre öffentlich machen wollen. Die Uni-Blogs sind eine gute Plattform, um Vorlesungsaufi:eichnungen und -materialien gut sichtbar im Netz zugä.nglich zu machen. Für Nachwuchswissenschaftler eine gute Möglichkeit, sich zu profilieren.

Tim Schmidt wrote a new blog post: Unser Fazit

18 months ago IView Für die Unive:rsitilt Osnabriick ist die Blogfa:rm ein Erfolg. Mit relativ geringem Aufwand bieten wir einen Dienst an, der für viele Nutzungsformen attraktiv ist: Weniger als Konkurrenz zu etablierten anonymen Bloghostenl, spezialisierten Themenblogdiensten oder großen Social-Nctwo.rk-Diensten. Sondern als übersichtlichen Ort, an dem sich Nutzet als Mitglieder der Hochschule zeigen. ihre Themen einbringen und mit anderen vernetzen. Sie profitieren von den geringen technischen Hürden sowie von du Seriositilt des gesamten Angebotes. Die Hochschule kann nach innen und außen ein lebendiges Bild vermitteln und ihre Mitarbeiter und Studierenden aktiv einbeziehen.

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_26, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Wolfgong Neuhous, Volkhord Nordmeier, Jürgen Kirstein

Das Internet, ein permanent wachsendes, scheinbar unerschöpfliches Paradies, zeigt sich uns heute als ein Ökosystem von Informationen, Werkzeugen und Dienstleistungen, auf das von überall aus zugegriffen werden kann. Wir alle können mit Hilfe unterschiedlicher Endgeräte wie Handys, MP3-Player, digitale Kameras, Laptops oder PCs beliebige Informationen abrufen und hinzufügen und auf ständig neue Arten mit Gleichgesinnten persönlich oder in öffentlichen Communities kommunizieren. Insbesondere für Lernende entsteht hier ein fruchtbares, allerdings auch zunehmend bedrohtes Aktionsfeld. Zwei mächtige Ktäfte, gegen die wir dieses Paradies heute zu verteidigen haben, sind die massive Kommerzialisierung des Netzes und das zunehmende informationelle Rauschen, das es immer schwerer macht, aus dem ständig wachsenden Fluss von Informationen die wirklich relevanten Informationen herauszugreifen. Mit dem Projekt »Learners' Garden«! bemühen wir uns darum, das Paradies - gegen den Mainstream der Kommerzialisierung - zu verteidigen, indem wir Ansätze wie -Open Educational Ressources- (freier Zugang zu Lernmaterialien und Online-Werkzeugen), >Open Aceesse (freier Zugang zu wissenschaftlichen Artikeln) und >Open Sourcec (freier Zugang zu Software-Quellcodes) offensiv unterstützen. Gleichzeitig ermuntern wir die E-Learning-Industrie, Produkte, mit denen sie im Business-toBusiness-Sektor im großen Maßstab Gewinne erzielt, im öffentlichen Bildungssektor kostenlos anzubieten. Das Angebot qualitativ anspruchsvoller, werbefrei betriebener Freeware (kostenlose Software) und entsprechender Online-Services im Rahmen des Learners' Garden bringt den Herstellern ein gutes Renommee (virales Marketing) und den Nutzern zusätzliche Optionen, aktiv Wissen zu konstruieren. Idee ist es, mit der Internet-Plattform Learners' Garden Lernenden zu jeder Zeit und für jeden Zweck das jeweils beste verfügbare Online-Werkzeug zugänglich zu machen. Hinter diesem Service-Angebot steht ein Verständnis von Lernen, das einerseits jüngere Erkenntnisse der Hirnforschung aufgreift und sich andererseits distanziert von konservativen Konzepten des E-Learnings, die das Lernen auf eher konsumtive Handlungen am Computer-Monitor reduzieren. Menschen vermehren ihr implizites Wissen und Können nicht durch das Anfüllen eines Informationsspeichers (Nürnberger Trichter, Instruktionsdesign), sondern durch die Veränderung ihrer organischen Struktur aufgrund wiederkehrender Interaktionen mit der Umwelt (vgl. Fuchs 2009: 128). Ansätze der Reformpädagogik (vgl. Dewey, Montessori et al.) und I

S. unter http://www.learnersgarden.de.

Learners' Garden

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der gemäßigte Konstruktivismus finden ihre Bestätigung durch aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung. Forschendes Lernen, Entdeckendes Lernen, Projektarbeit, Produktorientiertes Lernen, Lernen durch Lehren, problembasiertes Lernen, selbstorganisiertes Lernen, um nur einige reformpädagogisch begründete Ansätze zu nennen, finden auch heute noch viel zu wenig Beachtung in der schulischen und universitären Praxis. Deshalb wollen wir mit der Learners'-Garden-Plattform eine Ressource bereitstellen, mit der diese aktiven und selbstorganisierten Formen des Lernens praktisch unterstützt und angeregt werden können. Viele der hier aufgeführten Ansätze stützen sich auf fokussierende Methoden der Wissenskonstruktion, mit denen Lernende die Probleme des informationellen Rauschens im Internet einfach dadurch überwinden können, dass sie ein konkretes Ziel verfolgen. Sie setzen ein Werkzeug ein, um ein bestimmtes Produkt zu erstellen (Lerninhalt, Objekt, Portfolio, Präsentation, Veranstaltung, Plakat o..Ä.). Den im Internet abgerufenen Informationen wird durch die zielorientierte Produktion und durch die Nutzung der Information in einem für die Lernenden bedeutsamen Kontext Sinn gegeben. Da angebotene Werkzeuge im Web sich ständig verändern, zu anderen Bedingungen angeboten werden oder ganz vom Markt verschwinden und die Zahl entsprechender Werkzeuge ständig wächst, gehen wir davon aus, dass nur ein Community-Betrieb der Plattform die Gewähr dafür bieten kann, diese große Informationsmenge zielgerecht auswerten und aktuell halten zu können. Deshalb laden wir jede Leserin und jeden Leser herzlich dazu ein, sich am Aufbau der Learners'-Garden-Plattform aktiv zu beteiligen.

Literatur Dewey, John (1916): Democracy and Education. The Macmillan Company, s. unter http://www.ilt. columbia.edu/publications/dewey.html [28.02.2010]. Fuchs, Thomas (2009): Das Gehirn - ein Beziehungsorgan. Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption, Stuttgart: Kohlhammer. Neubaus, Wolfgang/Nordmeier, Volkhard/Kirstein, Jütgen (2009): Learners ' Garden - Aufbau eines Community getriebenen Werkzeug- und Metbodenpools für Lehrende und Studierende zur Unterstützung produktorientierter Formen des Lehrens und Lernens, In: Apostolopoulos, Nicolas/Hoffmann, Harriet/Mansmann, Veronika/Schwill, Andreas (Hg.): E-Leamiug 2009 - Lernen im digitalen Zeitalter, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann.

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_27, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Martin Lindner

»Die Bildung hacken« war eine »selbstorganisierende Unkonferenz«, die sich im Sommer 2009 in Berlin ereignete. Dort trafen sich ca. 30 Leute aus den verschiedensten Kontexten: E-Learning 2.0 und Enterprise 2.0, Social Media, Schule und Uni, berufliche und politische Bildung ... Einig waren wir uns in der Unzufriedenheit mit den real existierenden Bildungsinstitutionen auf allen Ebenen.' Drei Statements standen am Anfang: (1) Der Preis für Abschlüsse und Zertifikate, gemessen in Geld und Lebenszeit, steigt immer höher an, während ihr Kurswert gegen null fällt, (2) Wissen, das nicht geteilt wird, ist jetzt schon vergessen. Alles Wissen, das nicht im Web zirkuliert, ist jetzt schon vergessen. (3) Das Bildungssystem ist hoffnungslos erstarrt - man kann nur neue Strukturen daneben stellen, als Bypass, und warten, bis sich das alte System von selbst erledigt. »Die Bildung hacken« hatte sich um Ostern herum zusammengebraut. Aus einer spontanen Idee von Basti Hirsch und mir (via Skype) entstand eine Wiki-Seite, der Rest ergab sich vor allem durch das Echtzeit-Feedback aus dem Twitter-Netzwerk. Drei Wochen später hatten sich Ort, Zeit, Kernthemen, TeilnehmerInnen und Format herauskristallisiert. Das war auch ein Experiment mit Medien und Bildung, auf mehreren Ebenen: • Ohne Twitter, Wiki, Etherpad, Skype (IM und Audio) hätte es weder Idee noch Durchführung gegeben. • Die >Unkonferenz< war selbst ein soziales/mediales Experiment auf der Schnittstelle zwischen swirklicher Welt< und Medienwelt und damit ein Vorgriff auf künftige informelle Formen des kollaborativen Wissenserwerbs. • Nur vom Web-2.0-Standpunkt aus war (und ist) es überhaupt möglich, sich radikal aus der Binnenperspektive unseres Bildungssystems zu befreien. • Web-2.0-Applikationen sind nach unserer Überzeugung der notwendige Startpunkt für die vielen wildwüchsigen und offenen Alternativstrukturen, die künftig neben das bestehende Bildungssystem treten müssen und treten werden.

Wiki zur Unkonferenz »Die Bildung hacken« (Berlin, 22.10.2009) s. unter http ://wwweblern.pbworks. corni und http://wwweblern.pbworks.com/6Thernenfelder [12.10.2010]. Der Aufruf (pdt) findet sich auf http://www.scribd.com/doc/13659365/BildungHackenAufrufv01090326 Ein ausführlicher Blogpost dazu: Lindner, Martin (2009): Hacking Education: Die Bildung »hacken«, WWWeblemen-Blog (24.3.2009), s. unter http://wwweblernen.de/?s=Bildung+Hacken [12.10.2010]. I

Die Bildung hacken

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Das Wort »Hacken« wurde von uns positiv besetzt, wie das Open-Source-Programmierer und MIT-Studenten seit Jahrzehnten tun: Kreative, technisch versierte und lose vernetzte sEinzelkampfec funktionieren ein vorhandenes kompliziertes und geschlossenes System für eigene Zwecke um, spielerisch und mit möglichst einfachen Mitteln. Das geschlossene System wird geöffnet, die Leitungen werden angezapft, die Möglichkeiten anders genutzt als vorgeschrieben. >Hacker< in diesem Sinn sind Tim BernersLee (World-Wide-Web-Erfinder), Linus Torvalds (Unux-Inspirator), Ward Cunningham (Wiki-Erfinder) - und eben auch Dave Winer, der Blog- und RSS-Pionier, der 2003 für seine BloggetCon-Konferenz Begriff und Konzept der »Unconference« prägte.' Am Anfang stand ein spontaner Reflex auf die New Yorker Tagung »Hacking Education« im Februar 2009. Kernsätze und spontane Gedanken der Teilnehmer waren durch Twitter sofort ins Web gelangt. Etwa 50 Avantgardisten hatten sich dort gefragt, was Bildung im anbrechenden Web-Zeitalter bedeutet: Venture capitalists, WebIntellektuelle, Software-Entwickler, GründerInnen von Web-Startups und Bildungsprojekten und eine Handvoll innovativer Außenseiter aus den Universitäten," Als eintägiges Round-Table-Gespräch war »Hacking Education« eine besonders puristische Umsetzung der ursprünglichen Unkonferenz-Idee, die Dave Winer als Gegenmodell zu Podiumsdiskussionen verstand: »Das Expertenwissen, das bei Konferenzen im Saal versammelt ist, ist immer weit größer als das Expertenwissen auf der Bühne,« Allen Varianten von Unkonferenz-Formaten ist gemeinsam, dass sie das Expertenwissen aller TeilnehmerInnen zutage fördern sollen, nach dem Vorbild der Open Source-Communities, die sich im Web der 1990er-Jahre herausbildeten.

Barcamps sind noch weniger moderiert und fokussiert als Uncotiferences im engeren Sinn. Sie entstanden aus einer zweiten Urveranstaltung: Tim O'Reilly, Chef des gleichnamigen IT-Buchverlags, lud ebenfalls 2003 die »Friends of O'Reilly« zum FooDave Winer erzählt die Geschichte des Unconference-Konzepts hier: Winer, Dave (2008):Rethinking the conference. Scripting News (Blog),22.Juni 2008, s. unter http://www.scripting.com/stories/2008/06/22/ rethinkingTheConference.httnl [12.10.2010]. 3 Ein Blog-Bericht zum Roundtable »Hacking Education« mit weiteren Links ist hier zu finden: http://www.avc.com/a_vc/2009/03/hacking-education-continued.httnl [12.10.2010]. Das Transkript ist hier hinterlegt : http://unionsquareventutes.com/2009/0S/hacking-education.php [12.10.2010].Die Teilnehmetliste ist ein Who is Who der amerikanischen Education-2.0-Szene: http://publicusv.wiki.zoho.com/ HackingEducationAttendees.httnl [12.10.2010]. Die #hackedu-Tweets von Twitter sind hier archiviert: http ://www.squidoo.com/Hacking...Education [12.10.2010]. 2

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Martin Lindner

Camp ein, um über die neuen Entwicklungen im Web zu diskutieren. Aus dem FooCamp entstand 2005 als selbstorganisiertes Spin-off das erste Barcamp, daraus wurde dann innerhalb kürzester Zeit eine weltweite virale Bewegung," Beide Ur-Unkonferenz-Linien sind also eng verbunden mit dem Web 2.0 und der Open-Source-Bewegung. Winer ist schon seit Mitte der 1990er-Jahre einer der wichtigsten Wegbereiter von Blogs und RSS-Feeds, O'Reilly prägte und definierte 2004 selbst den Begriff »Web 2.0«. (Zuerst übrigens als markenrechtlich geschützten Titel einer kommerziellen und eher konventionellen Konferenz.) Von Anfang an ging es darum, den offenen und kollaborativen Geist des Webs in die rwirkliche Welt< zu übertragen, um dort ebenso inspirierende Netzwerkeffekte und Kettenreaktionen live zu erleben. Interessanterweise gab es parallel ganz ähnliche Tendenzen in der Offline-Welt: Das FooCamp war inspiriert vom kalifornischen OpenSpace-Konzept, das ab 1992 bekannt gemacht hatte, und auch das World-Ct#C-Format, das wir dann bei »Die Bildung Hacken« in veränderter Form aufgriffen, stammt aus den 1990ern. 5 Beides gehört in den Kontext der >Auflösung der alten Organisationen-, die seit den 1980er-Jahren diskutiert wird: An die Stelle der alten Büro-Apparate mit ihrer ZiegelBeton-Glas-Hardware treten seither flexiblere und dynamischere >Projekt-Organisationenc Wesentlicher Treiber sind die vernetzten, dezentralen und zunehmend mobilen Medien: von E-Mail, Intranet und SAP bis zum heutigen >Enterprise 2.0<. Die alte, fest verdrahtete Form der institutionalisierten Interaktion löst sich unaufhaltsam auf: in Unternehmen, in der öffentlichen Verwaltung, in Universitäten und bald auch in den Schulen. Zum ersten Mal in der Geschichte sind Privatpersonen mit sehr viel moderneren und leistungsfähigeren Mitteln zum Wissenserwerb und zur sozialen Selbstorganisation ausgestattet als die großen Organisationen und Institutionen. Fast alle haben Zugang Eine gute Zusammenfassung zu Geschichte und Konzept der »Barcamps« hat Wikipedia: http:// en.wiki pedia.org/wiki/BarCamp [12.10.2010]. 5 Das Open-Space-Konzept von »selbst-organisierenden Zusammenkünften« wurde von dem kalifornisehen Hippie-Unternehmensberater Harrison Owen in den 1980er-Jahren entwickelt, der das übrigens eine soziale »Technologie« nennt. S. unter http ://en.wikipedia.org/wiki/Open_Space_Technology [12.10.2010]. Die verwandte World-Cy'l-Methode entstand 1995: http://www.theworldcafe.com/history_map.htm [12.10.2010]. 4

Die Bildung hacken

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zum weltweiten Web, während sie in den Klassen und Seminaren künstlich dumm, unselbständig und isoliert gehalten werden. Und die Schere geht immer weiter auf. Aber die kulturellen Formen hinken den technologischen Entwicklungen und medialen Praktiken hoffnungslos hinterher. Die Bildungsinstitutionen flüchten sich in immer noch rigidere Lehr- und Prüfungspläne, um den eigenen Horror Vacuizu überdecken. Und auch die Einzelnen sind überfordert mit der enormen Ermächtigung, die ja zugleich eine extreme Zumutung ist. Unkonferenzen und Barcamps sind experimentelle Bildungsveranstaltungen, die auf diese Herausforderungen reagieren. »Die Bildung hacken« orientierte sich weniger an den Barcamps und Open Spaces als an den stärker strukturierten und konzentrierten Unkonferenz-Formen: Speedgeeking (d.h. in einer Stunde stellen 6 Leute an 6 Stehtischen Projekte oder Ideen vor, für jeweils genau 8 Minuten, die TeilnehmerInnen teilen sich in kleine Gruppen auf, die von Station zu Station wechseln, bis sie alles gehört haben); Knowledge Crifes (d.h. Arbeitsgruppen, die sich länger Zeit nehmen, aber ebenfalls von Thema zu Thema rotieren). Plenum-Diskussionen organisierten wir als Quäker Sessions: Alle stehen im Kreis und jeweils die Person tritt vor, über die gerade der Geist gekommen ist." Das zentrale Problem der Form, nicht nur bei »Die Bildung hacken«, ist die Nachhaltigkeit. Es ist sehr schwer, die kollaborativen Inspirationen solcher Events so festzuhalten, dass sie später im Web als Kristallisationspunkte für weitere konkrete Wissensprozesse dienen können. Wir experimentierten mit Etherpad-Live-Protokollen (eine Art Wikiseite, in die mehrere Leute gleichzeitig schreiben können) und 1000mikes. com, einem Web-Service, bei dem man per Handy spontane Live-Audio-Clips streamen und in einer Art Podcast-Kanal speichern kann. Das sind viel versprechende Technologien, aber die Umsetzung lässt noch viel Spielraum zur Verbesserung. Die größte Schwierigkeit ist natürlich, dass intensiver Austausch im sozialen Kreis grundsätzlich schlecht mit der Tätigkeit des Schreibens zusammenpasst. Schreiben Speedgeeking wird hier am besten beschrieben: http://facilitation.aspirationtech.org/index.php?title=F acilitation:SpeedGeeking [12.10.2010]. Das KnoIJ/kdge C,yewurde von dem Knowledge Management-2.0Vordenker David Gurteen populär gemacht: http://www.gurteen.com/gurteen/gurteen.nsf/id/kcafe [12.10.2010]. Eine Variante ist das Speed uaming Ca/i (Graham Attwell et al.): http://www.pontydysgu. org/2010/07/how-we-share-our-ideas-ple_bcn/ [12.10.2010]. Quäker Session bezieht sich auf die unprogrammed IJ/orships der Quäker-Kirche : http://en.wikipedia.org/wiki/Rdigious_Society_oCFriends# Unprogrammed_worship [12.10.2010]. 6

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Martin Lindner

dauert einfach zu lange, und es setzt Distanz voraus. Sogar Live-Twittern funktioniert eher bei Formen mit herkömmlichem Sprecher/Publikum-Muster, gerade weil dort viele Leute unausgelastet herumsitzen und ihren Gedanken Luft machen wollen. Das aufwändig erstellte Transkript von »Hacking Education« zeigt, dass es noch nicht einmal reicht, alles festzuhalten und zu veröffentlichen. Was dort wirklich wirksam war, waren die Echtzeit-Tweets. Nötig wäre es, Gedanken und Inhalte bereits während der Veranstaltung in leicht verdauliche und weiterverwertbare microcontent chunks zu zerlegen. Solche chunks können dann im Web weiter ausgesät werden und ansteckend wirken (vgl. Lindner 2007). Lösungsansätze für dieses Nachhaltigkeitsproblem bieten am ehesten: • Echtzeit-Grafiken, die den Inhalt einer Session zum ssozialen Objekt< verdichten (vgl. Lindner 2009). (Hierfür bedarf es bislang versierter Zeichner, die jede Session protokollieren," Könnte man dafür Templates entwickeln, die auch für normale Teilnehmer funktionieren?) • Kurzvideos im YouTube-Format. (Nachträgliches Schneiden ist zu teuer und langwierig. Besser sind Live-Statements und Kurzinterviews mit billigen Digitalkameras oder Smartphones, die von vornherein Clip-Format haben und möglichst sofort hochgeladen werden.) • Audioclips als Live-Podcasting. (Auch hier gilt: Von vornherein getrennte Statements in Clip-Form aufnehmen und sofort hochladen, z.B, mit 1000mikes.) • Microblogging ist alternativlos als kommunikatives >Bindegewebe<, nicht zuletzt auch, um die anderen ssozialen Objektes zu verbreiten. Auch Mitschriften funktionieren vermutlich besser in Form von getaggten Mikrotexten. Das muss aber vorab besser organisiert werden. (Eine Alternative zu Twitter könnte hier z.B. GoogleBuzz werden.) »Die Bildung hacken« stand am Ende der ersten Welle der Unkonferenzen. Auch in Deutschland breiteten sich 2008/2009 (leicht verspätet) Barcamps, Web Mondays, Mobile Mondays, Tweet-ups ... rasend schnell aus. Die Euphorie lebte wesentlich von der Aufbruchstimmung. Man brauchte Reaktionsbeschleuniger für geistige und

,ViswU Language< bzw. ,VizNotes< sind ein immer noch unterschätztes Mittel. Hier ein gutes Blog einer Praktikerin: http://rathergraphic.blogspot.com [12.10.2010]. Die amerikanische Firma Roof Larning ist sehr erfolgreich damit, Workshops graphisch saufzuzcichncru und die resultierende Grafik für den weiteren Lernprozess einzusetzen: http://www.brandeins.de/archiv/ magazin/machs-dir-nicht-zu-einfach/artikel/bilderbuchhaltung.html [12.10.2010].

7

Die Bildung hacken

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soziale Prozesse, die bereits in Bewegung geraten waren, ein Schneeballsystem für Ideen und soziale Netzwerke. Gegenwärtig ist aber ein Bruch spürbar: Zum einen wurden die radikalen Formen inzwischen vielfach vom Mainstream entdeckt und verwässert, zum anderen beginnen sich auch die Pioniere zu wiederholen. Es reicht nicht, sich gegenseitig immer wieder neu die immer gleiche frohe Web-Botschaft zu verkünden. Es kommt jetzt darauf an, etwas Greifbares und Dauerhaftes herzustellen, und dafür haben wir noch nicht die richtigen Formen gefunden (weder online noch offline) . Das war übrigens auch ein Thema von »Die Bildung hacken«: Wie kann man für die Selbstorganisation von Online-Selbstlerngruppen Muster bereitstellen, etwa nach dem Vorbild der Ano1!Ymen Alkoholiker ~anonyme NichtlernerUnschooling< bzw. >Deschooling<9 gehören zusammen. Aus dieser Urzelle könnten sich künftig alternative Bildungsstrukturen entwickeln, wie vor über 100 Jahten in der Atbeiterbewegung. Es gibt auch kaum einen anderen Ausweg. Denn das erscheint uns inzwischen als sicher: Unsere Bildungsinstitutionen sind aus sich selbst heraus unreformierbar. Wir brauchen einen Neustart.

Literatur Lindner, Martin (2007): Use Your Tool, Your Mind Will Follow. Learning in Immersive Micromedia & Microknowledge Environments. In: Whitlock, Denise/Wheeler Steve (Hg.): Research Proceedings of the 13th Association for Learning Technology Conference (ALT-C2006), Edinburgh, UK: Heriot Watt University Press, 41--49,s. unter http ://www.sctibd.com/doc/12389/0n-Micromedia-Microlearning [12.10.2010]. Lindner, Martin (2009): »Soziale Objekte« im Marketing 2.0. Blog des eVideo-Studiengangs an der HTW Berlin (21. Dezember 2009), s. unter http://evideo.htw-berlin.de/weblog/kolumnen/lindner20/ soziale-objekte-im-marketing-2-0/ [12.10.2010].

8 S. unter http://gettinglearningdone.wikispaces.com/ [12.10.2010]. • S. unter http://en.wikipedia.org/wiki/Unschooling [12.10.2010] sowie unter http://en.wikipedia.org/ wiki/Deschooling...Society [12.10.2010].

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_28, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Torsten Meyer, Oie Koch, Sebastian Plönges

Der Film »true fiction« erzählt die fiktive Geschichte einer Studierenden mit Namen Laura. Sie ist 23 Jahre alt, lebt und studiert in Hamburg. Laura lebt in einer Welt, in der Gleichzeitigkeit, Kontingenz, das Ineinandergreifen von Realität und Virtualität, ein Weltweitwerden der Kommunikation und ein zuvor nicht gekannter Zugang zu Informationen alltäglich sind. Für klassische Institutionen wie die Universität stellt das eine große Herausforderung dar. Studierende wie Laura stellen traditionelle Strukturen in Frage und wollen beim Aufbau und Austesten neuer Strukturen und Lösungen dieses Problems helfen. Lösungen, von denen sie wissen, dass sie immer vorläufig bleiben werden, wie Werner Sesink deutlich macht: »Die Bildungseinrichtungen werden sich darauf einstellen müssen, dass sie zu permanenten Baustellen werden. >Under Constructione wird keine vorübergehende Behinderung des Betriebs mehr anzeigen, sondern die neue Grundverfassung.« (Sesink 2009: 4)1 Das >Baustellen-Prinzip< diente dem vom eLearning Consortium Hamburg (ELCH) geförderten Hochschulentwicklungsprojekt ePUSH über die gesamte Laufzeit des Projekts, November 2007 bis Oktober 2010, als taktische Grundannahme, kondensiert in der Devise salways betac - für endgültige Lösungen ist es wohl noch zu früh. Das erklärte Ziel des Projekts war, einen selbstverständlichen Umgang mit den sich aktuell entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien (lCT) in Studium und Lehre an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft zu fördern. Zur nachhaltigen und dauerhaft flexiblen Implementierung wurden umfangreiche Strukturmaßnahmen entwickelt und in der Breite umgesetzt. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der gegenseitigen Durchdringung realer und virtueller Informations- und Bildungsräume. Es wurden Schnittstellen zwischen sreal lifee und >virtual reality< geschaffen durch die Konzeption und Installation digitaler Wegweiser in Form interaktiver Informationsbildschirme, die eine Art >augmented reality< in den Fluren des Fakultätshauptgebäudes bilden. Zu den basalen Infrastrukturmaßnahmen gehört auch die Entkopplung von Internetnutzung und Computerarbeitsräumen: Zur Erprobung neuer didaktischer Möglichkeiten des I Werner Sesink versieht seine prägnante Stellungnahme entsprechend mit der überschrift: .Under constructione als neue Grundverfassung. In : Scheibe!, Michael: »Under consttuction« . Ein Meinungsspiegel zur Transformation von Bildungsinstitutionen - Teil 1. In: merz medien + erziehung, 50 (2,3), s. unter: http:// www.medien-kunst-bildung.de/textliste.htm1# [22.10.2010].

True Fiction: Where No Student Has Gone ßefore

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>mobile computing< wurde ein Notebookcenter (bestehend aus zwei Rollwagen mit je einem Seminarsatz Laptops) angeschafft und erfolgreich in die Lehrpraxis integriert. Um die Sensibilisierung für gegenwärtige und kommende Herausforderungen einer zurzeit noch primär durch den Buchdruck geprägten Kultur in den Bildungsinstitutionen zu fördern, wurde die Notwendigkeit einer neuen Lehr- und Lernkultur öffentlichkeitswirksam thematisiert, hierbei wurde wieder auf das Thema der symbolischen Durchdringung von realer und virtueller Realität zurückgegriffen: in Form eines physischen »Google Maps«-Markers vor dem Fakultätshauptgebäude am VonMeIle-Park 8. Modellhaft visualisiert wurden die Überlegungen zum Projekt ePUSH im >Student Lifecyclee eines Hamburger Lehramtsstudenten in Abwandlung des Hamburger Uund S-Bahn-Netzplans. Als zentrales Medium einer nachhaltigen Implementierung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ist jenseits infrastruktureller Maßnahmen vor allem die zukünftige Lehrperson anzusehen, deren universitäre Ausbildung als grüne Linie des Lehramtsstudiums im Fahrplan zu finden ist. Durch die Arbeit und Ausbildung an Whiteboards ist es den künftigen LehrerInnen möglich, praxisrelevante Neuerungen auszutesten. Während der gesamten Projektlaufzeit wurde kontinuierlich der jeweiligeBedarf der Studierenden erhoben und eine zentrale AnlaufsteIle für Kommunikation und Vernetzung ins Leben gerufen: »Iife«, das Webmagazin und die Online-Community der Fakultät EPB, erleichtert den Zugang zu Informationen für interessierte Studierende und bietet auch einer breiten Öffentlichkeit einen Überblick über die verschiedenen Personen, Arbeitsbereiche, Projekte sowie Forschungs- und Lehraktivitäten der Fakultät. So konnten Information, Organisation und Kollaboration verbessert und neue Kanäle zur Kommunikation zwischen Studierenden und Lehrenden geschaffen werden. Die Mitarbeit engagierter Studierender und die Rückbindung an ihre Bedürfnisse waren dabei unerlässlich. So konnte in der Lehr- und Lernpraxis an den Grenzen einer >nächsten Universität< experimentell geforscht werden - und Antworten auf drängende Fragen der Zukunft gefunden werden. Damit Universitäten auch in einer nächsten Gesellschaft Orte bleiben können, an denen bisher Ungedachtes gedacht werden kann - richtige, unbedingte Universitäten, ohne Schranken für Denken, Lernen und Bildung. Klingt nach Science Fiction? Lassen Sie sich überraschen ... Coming soon to a university near you. www.truefiction-derfilm.de

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_29, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Sebastian Plönges

»Let a marker be represented by a vertical stroke,« »Let the state be known by the mark. Call the state the marked state,« George Spencer Brown

Vor dem Gebäude der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Pychologie und Bewegungswissenschaft steht ein nahezu zwei Meter großer, roter Marker. Ein Marker, wie man ihn möglicherweise aus »Google Maps«, dem Kartographiedienst des kalifornischen Internetdiensdeistungsunternehmens, kennt. Der Marker ist, auch wenn es den Anschein haben mag, nicht vom Himmel gefallen. Im Gegenteil: Er wurde dort aufgestellt, einbetoniert - installiert, wie man seit dem 16.Jahrhundert zu sagen pflegt. Der Marker steht, streng genommen, nicht im Weg, sondern am Wegesrand. 1 Trotzdem kann es ihm gelingen, die alltägliche Routine des Vorbeigehens zu unterbrechen. Eine solche Intervention kann als gelungen gelten, wenn der Marker als solcher zur Kenntnis genommen wird, also als Zeiger. Dann nämlich stellt sich dem Betrachter die Frage nach dem Zweck: »Warum wurde dieser Marker hier aufgestellt?« oder: »Warum wurde dieser Marker hieraufgestellt?« Möglicherweise zunächst aber auch: »Woher kommt er mir so bekannt vor?« - oder nicht zuletzt: »Worauf weist er hin?« In diesem Moment generiert der Marker seine eigene Ordnung; seine Installation wurde als eine Mitteilung verstanden und der Betrachter sieht sich nun mit der Aufgabe konfrontiert, dem unverhofften Rätsel auf die Spur zu kommen: Das kann nur gelingen, wenn er »[...] die Unterscheidungsstruktur des Werkes entschlüsselt und daran erkennt, daß so etwas nicht von selbst entstanden sein kann, sondern sich einer Absicht auf Information verdankt.« (Luhmann 1997: 70) So oder so: Das Objekt, sobald es als Kunst verstanden worden ist, generiert Anschlussfähigkeit für weitere Kommunikation. Dafür ist es zunächst unerheblich, ob die auf einer am Marker angebrachten Sprechblase referenzierte URV notiert worden ist und später von zu Hause abgerufen wird oder ob konsequenterweise eine Suchanfrage wie »Google Maps Marker Uni Hamburg, Fakultät EPB« für erste Aufklärung sorgt: Die Spur führt ins World Wide Web - oder kommt sie etwa von dort? Um diese Frage adäquat beantworten zu können - wenn sie überhaupt entscheidbar ist - sollte meines Erachtens eine sehr viel grundlegendere Frage ins Zentrum 1 2

Längengrad: 9°57'52" Breitengrad: 53°55'38", um genau zu sein. http://life.epb.uni-hamburg.de/earth [22.10.2010].

Die Markierung der Fakultät

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der Aufmerksamkeit gerückt werden: Nämlich wie heute in Anbetracht einer zunehmend wechselseitigen Durchdringung von Online- und Offlinekommunikation das Verhältnis von >Realität< und >Virtualität< angemessen zu denken ist. Und: Welche Implikationen resultieren aus diesem Verhältnis für eine zeitgemäße Lern- und Lehrkultur? Diese Fragen sind in einem knappen Artikel wie diesem nicht zu lösen - aber immerhin zu dokumentieren. Kunst und Wahrscheinlichkeitsrechnung waren seit jeher besonders geeignet, die voraussetzungsvolle Rede von der rvirtucllen Realität< mit einem Fragezeichen zu versehen. Voraussetzungsvoll, weil sie für gewöhnlich mit einem Ordnungsvorrang der entsprechend unterschiedenen >realen Realität< einhergeht, der ein höherer Grad an Wirklichkeit zugeschrieben wird; die rvirtuelle Realität< wird dagegen für künstlicher, unnatürlicher, artifizieller gehalten. In diesem ontologisierenden Konkurrenzschema verliert die Virtualität gegen die Realität. Dieser Antagonismus kann getrost verworfen werden:" Bei Niklas Luhmann ist zu lesen, dass die fiktionalen Welten der Unterhaltungstexte und -filme immer schon virtuelle Welten waren (vgl. Luhmann 2004: 98f.), dass im strengeren Sinn bereits Sprache oder Schrift als Erweiterungen der sogenannten Realität gelten müssten (vgl. Luhmann 1997: 401)4 - als >augmented realiry
Tina Piazzi und Stefan M. Seydel formulieren diese Absicht sehr radikal: »Die Unterscheidung )Real :

Virtuelle ist längst gelöscht. Was bleibt, aktueller denn je, ist die alte Frage: Wer kann seinen Ideen besser,

glaubwürdiger, kompetenter, intensiver, lauter, länger, dominanter, mächtiger, gewaltiger zu einem Durchbruch verhelfen?« (piazzi/Seydel201 0: 86) 4 Tatsächlich kann übrigens die S cience Fiction die Realisierung der virtuellen Welt für sich beanspruchen: In William Gibsons 1982 erschienener Kurzgeschichte »Burning Chromes findet der Terminus yberspace nachweislich zum ersten Mal Erwähnung (noch zwei Jahre vor Veröffentlichung von Gibsons Roman »Neuromancer«, dem diese Vorreiterrolle in der Literatur für gewöhnlich zugesprochen wird). Das Konzept selbst ist älter. Für diesen Hinweis danke ich Wey-Han Tan.

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Sebastian Plönges

Wie ist in Anbetracht solcher Schwierigkeiten mit dieser Unterscheidung umzugehen? Es kann nicht das erklärte Ziel sein, die zu dekonstruierende Differenz durch eine andere zu ersetzen," Wie ist dem vermuteten Unheil also beizukommen, wenn selbst das bloße Leugnen der Unterscheidung diese noch reaktiviert? Schließlich haben wir, sobald wir betonen, die Unterscheidung von Realität und Virtualität abzulehnen, diese bereits als Unterscheidung wieder eingeführt. Unter diesen Umständen wollen wir uns stattdessen damit begnügen, die Realität der kognitiven Operationen als primäre Realität anzuerkennen (vgl. Luhmann 2008: 17) und die Unterscheidung von Realität und Virtualität als eine in sich selbst wiedereintretende Form des Operierens im Medium der Realität zu denken.? Mit Hilfe der Notation aus George Spencer Browns »Laws of Form« lässt sich dieser Vorschlag wie folgt illustrieren: Realität =

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Wir haben es dann nicht mehr mit einem ontologischen Antagonismus zu tun, sondern mit Relationen zwischen Ordnungen von Realitäten. Wir verlassen den semantischen Raum Alteuropas: Dazu werden die Fragen »Wie werden die zahlreichen Realitäten konstruiert?« und »Wie verhalten sich diese Realitäten zueinander?« der Frage »Was ist real?« vorgezogen. Der Operationsmodus ist von Interesse, wir beobachten Beobachter. Es braucht eine Kultur, die die wechselseitige Durchdringung zu akzeptieren lernt als eine Form mit zwei Seiten, die ohne die andere Seite zerfällt: re-entrant statt konkurrierend. Dieses Durchdringungsverhältnis ist bildungstheoretisch gewendet möglicherweise am treffendsten als Virtualitiitslageruni beschrieben worden. In diesem Zugang wird den virtuellen Aspekten der Realität ebenso Rechnung getragen wie den Die Rede von den sogenannten digital natives und ihrem Komplement, den digital immigrants, scheint beispielsweise funktional auf ein ähnliches Schema hinauszulaufen. 6 VgL dazu mit Blick auf Stadtplanung Baecker 2009/10: 6: »Die nächste Stadt ist virtuell, das heißt sie bezieht ihre Realität daraus, dass sie Formen aller Art medialisiert und so deren Material für andere Formen brauchbar macht. Virtualität ist hierbei nicht etwa das Gegenteil von Realität, wie es ein weit verbreiteter Irrtum haben will, sondern eine Form des Umgangs mit Realität.« 7 D.h. als »Erweiterung des Möglichkeitraumes, in welchem Menschen Erfahrungen machen [.. .].« aörissen/Marotzki 2009: 201) Der Begriff des Raumes kann an dieser Stelle nicht problematisiert werden, birgt aber theoretische Gefahren. 5

Die Markierung der Fakultät

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realen Aspekten der Virtualität. Pädagogen sei an dieser Stelle zu Gelassenheit geraten: Für hinreichend flexible Beobachtungsschemata besteht keine Gefahr, von diesem Durchdringungsverhältnis überfordert zu werden - im Gegenteil: »In bildungstheoretischer Perspektive geraten [...] vor allem die enthaltenen Bildungschancen und Reflexionsanlässe in den Blick«, diagnostizieren Winfried Marotzki und Benjamin Jörissen (2009: 208). Die reale Realität verschwindet derweil im Übrigen nicht, wie hier und dort befürchtet worden ist, sie wird nur als undurchsichtiger und kontingenter als jemals zuvor erfahren. Sie ist kein knappes Gut, sondern umgekehrt als ein pluralistisches Überangebot vorhanden. Das Symptom der Angst und Unruhe ist dabei keineswegs neu: Der Verlust von Erwartungssicherheiten in Anbetracht von Überschusssinn wurde stets als Verlust von Weltordnung erfahren. Das Operieren in virtuellen Realitäten kann als Wegweiser (bzw. Marker) verstanden werden. Diese Marker sind, in loser Anlehnung an Elena Esposito, ebenso wie Landkarten und Spiegel nicht deshalb wertvoll, weil sie mit der Realität übereinstimmen (was »unnötig und auch nicht wünschenswert wäre«), sondern wegen ihres Realismus (vgl. Esposito 2008: 60f.).8 Ein solcher Spiegel kann der Gesellschaft zur Reflexion ihrer eigenen Kontingenz dienen; es zeichnen sich originäre Anlässe, Räume und Potentiale für Bildungsprozesse am Horizont ab. Dafür empfiehlt es sich, nicht gegen Komplexität und Kontingenz zu agieren - sondern mit ihnen zu arbeiten. Diese Aufgabe stellt sich heute möglicherweise dringender als je zuvor.

Literatur Baecker, Dirk (2009/10): Die nächste Stadt: Ein Pflichtenheft, s. unter http://www.dirkbaecker.com/ Pflichtenheft.pdf [10.10.2010]. Esposito, Elena (2007): Die Fiktion der wahrscheinlichen Realität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. jörissen, Benjamin/Marotzki, Winfried (2009): Medienbildung. Eine Einführung, Bad Heilbrunn: Klinkhardt, Latour, Bruno (2007): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (1997): Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (2008): Die Realität der Massenmedien, 3. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag (1995 i.o.). Piazzi, Tina/Seydel/Stefan M. (2010): Die Form der Unruhe, Band 2: Die Praxis, Hamburg: Junius. Spencer Brown, George (1979): Laws of Form, New York: Dutton (1969 i.O},

s S. unter http://gettinglearningdone.wikispaces.com/ [12.10.2010].

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_30, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Malte Mertz

Im Rahmen des internationalen MA-Studiengangs »ePedagogy Design« werden an der Universität Harnburg Seminare angeboten, an denen Studierende sowohl vor Ort als auch von beliebigen Orten aus teilnehmen können. In diesen Seminaren spielen digitale Kommunikation und Tools wie Skype, Adobe Connect und EduCommsy eine entscheidende Rolle bei der Koordination des gemeinsamen Lernens. Darüber hinaus werden die Seminare seit dem Sommersemester 2009 durch ein zentrales Wiki unterstützt, das als gemeinsame Plattform kollaboratives Arbeiten und selbstreguliertes Lernen unterstützen soll: Neben Selbstlernmodulen, die eine Erweiterung zu den Präsenzseminaren darstellen, werden hier aufbereitete Seminarthemen und studentische Arbeiten zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig handelt es sich jedoch auch um eine Arbeitsplattform, auf der Studenten gemeinsame Projekte koordinieren und Themenkomplexe synchron bearbeiten können. Gerade in einem internationalen, dezentralisierten und auf Fernstudium basierenden Studiengang wie »ePedagogy Design« hat interessegeleitetes und selbstreguliertes Lernen (vgl. Reinmann 2009) eine hohe Bedeutung. Eigenständige und kollaborative Arbeitsmethoden sowie Techniken des Web 2.0 gewinnen jedoch auch allgemein im Kontext von Jugend- und Erwachsenenbildung als Lehr- und Lernmethoden an Relevanz: zum einen zur Förderung von Medienkompetenz (vgl. Baacke 1996; 1999), zum anderen als Methoden, die informelles Lernen, Social Skills und weitere Schlüsselkompetenzen fördern (vgl. Dürnberger/Sporer 2009). Gleichzeitig soll das Angebot alternativer Arbeitsformen auch eine Reaktion auf veränderte Ansprüche der Studierenden sein und Flexibilität und Offenheit in der individuellen Leistungserbringung ermöglichen: Wiki-Beiträge,Medien-Projekte und Modul-Elemente sollen auch an Stelle von Hausarbeiten und Referaten als Prüfungsleistungen erbracht werden können. Wikis bieten sich aus verschiedenen Gründen als Grundlage für ein derartiges Konzept an: Sie zeichnen sich meist durch einfache Bedienbarkeit aus, ermöglichen aber gleichzeitig Flexibilität in Form und Strukturierung der Inhalte. Je nach zugrunde liegender Software ist durch Erweiterungen die Einbindung beliebiger Medienformate möglich, Hierarchien und Ordnungen können ohne besondere Kenntnisse von den Nutzern erzeugt und verändert werden. Die Entscheidung für ein gemeinsames Wiki für alle Seminare beruht auf der Überschneidung der Seminarinhalte und ihrem gemeinsamen Kontext. Diese Zentralisierung erforderte zusammen mit den vielfältigen Aufgaben des Wikis eine klare, aber flexible Strukturierung: Die Nutzung als Plattform für kollaborative und individuelle Textarbeit schafft sich ständig ändernde, zum Teil nur provisorische und nicht leicht einzuordnende Inhalte.

Wikis als Plattform für selbstreguliertes und kollaboratives Lernen

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Dem gegenüber stehen redigierte Artikel und vernetzte Themenkomplexe wie die Selbstlernmodule. Dies erfordert nicht nur ständige Moderation und verbindliche Nutzungsregeln, sondern auch die Flexibilität, Unvorhergesehenes einzubinden - sowohl technisch als auch organisatorisch. Auf technischer Seite wurde dies gelöst, indem mit MediaWiki eine weit verbreitete Open-Source-Software verwendet wurde, für die neben einer großen Anzahl an Erweiterungen auch eine umfangreiche Dokumentation und Support in User-Foren zu finden ist. Dies erleichtert auch die zukünftige Weiterführung durch unter Umständen wechselnde Mitarbeiter. Auf struktureller Ebene wurde nach dem von Werner Sesink propagierten Paradigma »Under Construction« (in: Scheibel 2006) verfahren: Gerade in den ersten Monaten wuchs und entstand das Wiki im praktischen Gebrauch: Die für die Betreuung und Einrichtung der Software zuständigen studentischen MitarbeiterInnen waren gleichzeitig als Studierende und TutorInnen an den Seminaren beteiligt, in denen das Wiki von Beginn an verwendet wurde. Auf diese Weise wurden die Bedürfnisse und Anforderungen in der täglichen Nutzung ermittelt, Umstrukturierungen und Verbesserungen konnten direkt eingearbeitet werden. Diese Vorgehensweise bot auch den SeminarteilnehmerInnen ungewohnte Möglichkeiten, die natürlich auch eine Herausforderung bedeuten konnten: Die Studierenden wurden so an der Entwicklung des Wikis und damit des von ihnen verwendeten Lern-Werkzeuges direkt beteiligt: Partizipation, Kollaborativität und Selbstregulierung waren also auch Bestandteil der Lehr- und Arbeits-Organisation in den Seminaren. Die Einbindung der Studierenden in vormals vorgegebene Entscheidungen bedeutet jedoch nicht, dass die Lehre auf die Funktion eines Service-Providers für Lerninfrastruktur und Themen reduziert wird, im Gegenteil: Während Referate und Hausarbeiten mit teils vorgegebenen Themen als größtenteils eingeübte und ritualisierte Kulturtechniken oft Sicherheit bieten, verursacht die inhaltliche und strukturelle Entscheidungsfreiheit bei der Projektarbeit im Wiki oft Verunsicherung. Die oft ungewohnten Arbeitsformen fordern dadurch einen erhöhten Aufwand sowohl in der Betreuung der Studierenden als auch hinsichtlich der Rückmeldung zu ihren Outputs. Gerade die Ausrichtung auf kollaboratives Arbeiten und selbstorganisiertes Lernen verlangt zum Teil einen erhöhten Aufwand in der Moderation: Durch zeitlich und räumlich dezentralisierte Kooperation der Teilnehmer können manche die Mitarbeit fördernde soziale Mechanismen wegfallen, so dass regelmäßige Re-Aktivierung von außen notwendig werden kann (vgl. Hron/Friedrich 2002). Gleichzeitig entsteht sowohl durch technische als auch durch inhaltliche Unsicherheiten schnell ein Bedarf an Unterstützung und Feedback durch die Seminarleitung. Nicht zuletzt enthält die

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Malte Mertz

Forderung nach selbstreguliertem Lernen auch immer das Paradox der geforderten Freiwilligkeit.

Literatur Baacke, Dieter (1996): Medienkompetenz - Begrifflichkeit und sozialer Wandel. In: von Rein, Antje (Hg): Medienkompetenz als Schlüsselbegriff, Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 112-124. Baacke, Dieter (1999): Projekte als Formen der Medienarbeit. In: Baaeke, Dieter/Kornblum, Susanne/ Lauffer, JÜtgen/Mikos, Lotbat/Thiele, Günter A. (Hg): Handbuch Medien: Medienkompetenz - Modelle und Projekte, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 31-35. Dürnberger, Hannah/Sporer, Thomas (2009): Selbstorganisierte Projektgruppen von StudierendenNeue Wege bei der Kompetenzentwicklung an Hochschulen. In: Apostolopoulos, Nicolas/Hoffmann, Hatriet/Mansmann, Veronika /Schwill, Andreas (Hg.): E-Leatning 2009 - Lernen im digitalen Zeitalter, Münster: Waxmann, 30--40. Hron, Aemi1ian/Friedrich, Helmut F. (2003): A review of web-based collaborativ leatning: Factors beyond technology. In :Journal of Computer Assisted Leaming 19, 70--79. Reinmann, Gabi (2009): Selbstorganisation auf dem Prüfstand: Das Web 2.0 und seine Grenzen (losigkeit),Preprint, unveröffentlicht. ScheibeI, Michael (2006):»Under construction« - Ein Meinungsspiegel zur Transformation von Bildungsinstitutionen - Teil 1. In : merz medien + erziehung, 50 (2, 3), datin: Sesink, Werner: ,Under Constructione als neue Grundverfassung, s. unter: http://www.medien-kunst-bildung.de/ textliste.html# [01. 03. 2009].

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_31, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Ralf Appelt

Seit 1997 gibt es Weblogs (kurz Blogs) die, anfangs noch in sehr einfacher Form, Informationen im Internet (Web) chronologisch dokumentieren (loggen/log von Logbuch). Wie viele andere Hochschulen unterhält auch die Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Harnburg eine Blogfarm. Eine Blogfarm ermöglicht das einfache Bereitstellen und Aktualisieren von Blogs. Die regulär angebotenen Plattformen zur elekttonischen Unterstützung von Lehrveranstaltungen bieten bereits ein breites Spekttum an Funktionen an, Blogs füllen jedoch eine Nische, die von den etablierten Systemen bislang nicht bedient wird. Inhalte zu erstellen, zu verwalten, zu kategorisieren, zu verschlagworten und automatisch mit einem Zeitstempel zu versehen, sind Standardfunktionen, die jedes einfache Lernmanagement System unterstützen sollte. Blogs bieten jedoch weitere Möglichkeiten. So kann der Autor des Blogs im Regelfall erheblichen Einfluss auf die visuelle Gestaltung des Blogs nehmen. Allein diese Art der Personalisierung des Systems trägt bereits zu einer deutlich stärkeren Identifikation des Autors mit seinen Inhalten bei. Die Möglichkeit, auf einfache Art Inhalte für die gesamte Internetgemeinde bereitzustellen und einen Austausch darüber zu ermöglichen, unabhängig davon, ob die Rezipienten Mitglieder der Hochschule sind oder nicht, stellt einen weiteren Vorteil dar. Über die Funktion der Trackbacks und Pingbacks ist es sogar möglich, Diskussionen über verschiedene Blogs hinweg zu führen. Die eigenen Gedanken zu bestimmten Themen können also publiziert werden, ohne sie in ein fremdes Online-System einspeisen zu müssen. Der Urheber der Inhalte behält die Hoheit über seine Daten, ohne deshalb vom Austausch ausgeschlossen zu sein. Sollte ein Autor die Hochschule eines Tages verlassen, ist mit wenigen Klicks der Export der eigenen Daten möglich, die sich in ein eigenes Blog oder in eine Bloginstallation einer anderen Hochschule importieren lassen. Da die erstellten Inhalte ebenso mobil sind wie ihr Autor, können Blogs der Forderung nach lebenslangem Lernen Rechnung tragen bzw. diesem Wunsch entsprechen. Neben dem Austausch mit der Onlinewelt bieten Blogs einen Anreiz für jeden Einzelnen, sich vertieft mit Lerninhalten auseinanderzusetzen. Wer Inhalte in einem Blog hinterlegen möchte, wird dazu angehalten, diese zu kategorisieren und mit Schlagworten (Tags) zu versehen. Es wird dem Autor also eine Strukturierung des Materials nahegelegt, die eine eingehende Beschäftigung mit dem Inhalt erfordert. Derart werden auch Formen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem hinterlegten Material angeregt.

Blogfarm an der Fakultät EPB

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Nutzungsmöglichkeiten für Blogs im universitären Kontext

Forschung Im Bereich der Forschung können Blogs den Austausch mit Kollegen desselben Faches, aus anderen Disziplinen sowie der Öffentlichkeit beflügeln. Sie dienen ebenfalls zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen oder als persönliche Blogs von Wissenschaftlern zu ihren Forschungsgebieten. Lehre Im Lehrbetrieb können neben einzelnen Lernenden und Lehrenden ganze Lehrveranstaltungen vom Blogeinsatz profitieren. Lernende Lernende können Blogs z.B.in Form eines Lerntagebuches zur Dokumentation ihres persönlichen Lernprozesses einsetzen. Die Reflexion der Einträge im Lerntagebuch kann durch Leitfragen und spezifische AufgabensteIlungen (sogenannte Prompts) forciert werden (vgl.Glogger/Holzäpfel/ Schwonke/Nückles/Renkl2009). Diese können z.B, als Satzanfange zur Tagesbilanz formuliert werden: • Mir war heute sehr hilfreich, dass ...

• Es wäre heute wichtig gewesen, wenn .. . • Ich empfand Langeweile, als ... • Für mich war besonders interessant, dass ... • Ich fühlte mich abgehängt, weil ... • Ich war froh, dass .. . (vgl. Stangl 2010) Eine technische Unterstützung, z.B. in Form von Templates, ist bisher nicht in das System integriert. Zudem scheint eine inhaltliche Einführung in das Konzept >Lerntagebuche erfolgversprechender als eine technische Unterstützung für das Schreiben von Lerntagebüchern. Auch Praktikumsberichte lassen sich auf einfache Weise als Blog realisieren und ermöglichen so weiterhin einen Kontakt zu Kommilitonen und Praktikumsbetreuern. Dies kann im Sinne der Reputation für den Praktikanten genauso wie für die Praktikumsstelle und die Hochschule bedeutsam sein. Dass die im Studium erstellten Texte

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Ralf Appelt

nicht nur dem Dozenten und den Kommilitonen, sondern potentiell der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, stellt eine weitere Besonderheit von Blogs dar. Darüber hinaus eignen sich Blogs hervorragend zur Koordination und Kommunikation von Gruppenarbeit. Besonders wenn es darum geht, Rechercheergebnisse zu sammeln, sind Blogs eine wertvolle Unterstützung. Die bereits erwähnte optische Anpassbarkeit setzt sich im Funktionsumfang vieler Blogsysteme fort. Der Nutzer kann weitere Dienste in das Blog integrieren und so die persönlichen Datenströme im Blog zusammenfühten. Durch die Verschränkung von expliziten Lernkontexten mit anderen Webaktivitäten werden informelle Lernprinzipien und eine Orientierung am Konzept des »personal Learning Environments« (PLE) gefördert.

Lehrende Lehrende können ein persönliches Blog betreiben, indem sie z.B. über die Inhalte und Formen ihrer Lehrveranstaltungen schreiben und den Lehrprozess reflektieren. Geschieht dies in einem Blog, so ist (auch dort) die Möglichkeit gegeben, Rückmeldungen der Studierenden aufzunehmen, um die eigene Lehrtätigkeit dadurch weiterzuentwickeln. Lehrveranstaltungen Wenn es um die Unterstützung ganzer Lehrveranstaltungen geht, lassen sich Blogs z.B, als Feedbackkanal nutzen. Studierende haben so auch außerhalb der Veranstaltungszeiten und räume Gelegenheit aufkommende Fragen und Rückmeldungen zur Veranstaltungen >in< der Veranstaltung zu platzieren. Die kann z.B. als Kommentar zu den Ankündigungen oder Protokollen einzelner Veranstaltungen erfolgen. Auch Seminarmaterialien lassen sich problemlos im Blog ablegen, diese können durch weitere Einträge, Kommentare oder Trackbacks von allen Teilnehmern um Rechercheergebnisse ergänzt werden. Videos oder Audiomitschnitte der Veranstaltung lassen sich ebenso einbinden wie weiterführendes Material verschiedener Medienformate (Text, Bild, Ton, Video). Insbesondere für Lehrveranstaltungen sind verschiedene Stufen der Partizipation durch die Studierenden denkbar: 1. Stufe: Der Dozent bloggt - Studierende kommentieren. 2. Stufe: Der Dozent stellt Inhalte der Studierenden als Blogbeitrag ein. 3. Stufe: Dozent und Studierende arbeiten gemeinsam im Blog. 4. Stufe: Die Studierenden haben eigene Blogs.

Blogfarm an der Fakultät EPB

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Stufe 1-3 bezeichnet Röll als contentorientierte Nutzung. Lediglich die vierte Stufe bezeichnet er als diskursorientierte Nutzungsform von Seminarblogs (vgl. Röll2005). Für den Lehrenden ist die Möglichkeit besonders reizvoll, begleitend zu den Lehrveranstaltungen die unterschiedlichen Lernstände der Studierenden beurteilen zu können und jeweils die entsprechende individuelle Hilfestellung anbieten zu können. Unklarheiten aus dem Kontext der Lehrveranstaltungen können zwischen den Präsenzphasen im Blog z.B, in Form von Kommentaren geäußert werden und durch den Dozenten oder die Peers geklärt werden.

Projekte Projekte können Kollaborationen und Kommunikation in einem Blog abbilden, es kann zur Dokumentation des Projektfortschrittes und zur Außendarstellungvon Projektergebnissen genutzt werden. Auch die Kommunikation mit Personen, die nicht zum Projekt, aber zur Scientific Community gehören, kann über ein Blog stattfinden.

Einrichtungen und Gruppierungen Einrichtungen und Gruppierungen können Blogs als einfachen Newskanal nutzen, um über Neuanschaffungen oder wichtige Entscheidungen zu berichten und mit den Lesern in einen Austausch zu kommen. Auf diesem Weg kann eine virtuelle Community von Personen entstehen, die mehr oder weniger regelmäßig mit diesen Einrichtungen/Gruppierungen in Kontakt stehen. Zugangsbeschränkte Blogs können auch für das interne Wissensmanagement einzelner Bereiche genutzt werden.

Bisherige ErFahrungen Auf der seit ca. zwei Jahren bestehenden Plattform haben sich bislang 95 Benutzer registriert, von denen 45 Blogs betrieben werden. Darunter gibt es Blogs zu Lehrveranstaltungen mit mehreren registrierten Benutzern und einzelne Nutzer, die an mehreren Blogs beteiligt sind. Nachdem die Blogs zunächst nur durch Lehrende beantragt werden konnten, ist die Registrierung mittlerweile auch für Studierende geöffnet. Es wurde keine aktive Werbung für das Blogsystem gemacht, vor diesem Hintergrund ist o.g. Umfang der Nutzung durchaus sehr zufriedenstellend. Die technische Grundlage für das System ist die Open-Source-Software WordPress. Diese ist an rund 30 Hochschulen im deutschsprachigen Bereich im Einsatz.

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Ralf Appelt

Interessant ist, dass über die Kommentarfunktion mehrfach ein Austausch mit Personen, die nicht dem Kreis der Lehrveranstaltungen oder Projekte angehörten oder sich gar von außerhalb der Universität zu Wort meldeten, zustande gekommen ist, ohne dass dies zuvor aktiv gefördert worden war. Allein die Offenheit des Systems hat teilweise sehr anregende Konversationen in die Lehrveranstaltungen hineingetragen. Einhergehend mit dem technischen Angebot der Nutzung von Blogs wird jedoch vor allem eine entsprechende Lehr- und Lernkultur benötigt. Blogs erfordern eine große Bereitschaft der Autoren, sich und ihren Lehr- bzw. Lernprozess nach außen zu öffnen, um die sich bietenden Chancen voll nutzen zu können. Privatsphäre und Urheberrecht bedürfen hierbei ebenfalls besonderer Berücksichtigung. Wie bei anderen Medien und Methoden auch, ist der Einsatz von Blogs vorzubereiten und mit entsprechenden Gedanken und Maßnahmen zu begleiten.

Literatur Glogger, Inga/Holzäpfel, Lars/Schwonke, Rolf/Nückles, Matthias/Renkl, Alexander (2009): Aktivierung von Lernstrategien beim Schreiben von Lerntagebüchern: Wie spezifisch müssen Prompts sein? In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 23, 95--104. Röll, Martin (2005): Corporate E-Learning mit Weblogs und RSS.In: Hohenstein, Andreas/Wilbers, Karl (Hg.):Handbuch E-Learning, Köln: Fachverlag Deutscher Wirtschaftsdienst, s, unter http ://www. roell.net/publikationen/roell05-elearning-weblogs-rss.pdf [03.07.2009]. Stangl Werner (2010): Lerntagebücher als Werkzeug für selbstorganisiertes Lernen Lerntagebücher, s, unter http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNTECHNIK/Lerntagebuch.shtml [30.09.2010].

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_32, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Oie Koch

Bei einer interaktiven Tafel handelt es sich um eine Projektionsfläche. die über ein USB-Kabel mit einem Computer verbunden ist. Das Bild des Computers wird mit einem Bemler auf die Tafel projiziert. Je IJ2.Ch Hersteller lwJn eine Eingabe an der Tafel über einen spezielkn ek:ktromagnetischen Stift oder über eine dru.cksensitive Obc.r.flä.che mit dem Finget: oder einer Stifu.ttrappe geschehen. Der Computer kann so, ihalich wie mit einer Computermaus. über die Tafcloberflic:he bedient werden.

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Der Beamer sollte sich so dicht wie möglich an der Projektionsfläche befinden. um einen störenden Schattenwurf zu vermeiden. Der Trend geht zu einer integrierten Lösung, bei der ein Kur.roistanzbeamer über einen oberhalb des Boards angebrachten Arm fest mit der Tafel verbunden ist. Die Installation des Gerätes auf Schienen an der Wand ermöglicht eine bequeme Höhenverstdlung. Eine spezielle. je IJ2.Ch Hersteller variierende Tafelsoftware ermöglicht das einfache und intuitive Erstellen von Tafelbildem. Die Tafelbilder können klassisch aussehen und nur Tat und Zeichnungen enthalten. Darüber hinaus ist aber auch die Einbindung von Bildern, Videos, .Animationen und Simulationen ebenso möglich wie das .Ank:gen von Bereichen, die von den Schül.em eigenstindig bearbeitet werden müssen und Möglichkeiten zur Sclbstüberpriifung sowie fiir automatisches Feedback: enthalten. Die Software stellt eine Vie1Hh1 von Möglichkeiten fiir didaktisches &.perimentieten zur Verfügung. Als Beispiel kann ein virtueI1er Vorhang vor das gesamte Bild gezogen werden oder mit sogenannter >Zauberti.nte< geschrieben wetden, so dass

Interaktive Tafeln als neues Medium im Schulunterricht

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die Schrift erst nach und nach sichtbar wird. Typische >Werkzeuge< eines Mathematiklehrers wie beispielsweise der überdimensionale Winkelmesser, der Zirkel oder das Lineal stehen ebenso zur Verfügung wie eine Texterkennung, die handschriftlich Geschriebenes in Computerschrift umwandelt. Unterrichtseinheiten können durch Lehrende im Vorfeld gestaltet und im Unterricht ergänzt und verändert werden. Tafelbilder der letzten Unterrichtsstunde können von Lehrerinnen und Lehrern wieder aufgegriffen und fortgesetzt werden. Das Erarbeitete kann in verschiedene Dateiformate exportiert, als E-Mailanhang verschickt oder auch ausgedruckt werden. Einige Tafelprogramme großer Hersteller bieten fertige Unterrichtsvorschläge oder graphische Bausteine für Tafelbilder an, welche aus einer Bibliothek abgerufen werden können. Auch Internetplattformen zum Austausch von Unterrichtseinheiten stehen zur Verfügung. Der Hamburger Senat hat mit dem Sonderinvestitionsprogramm »Hamburg 2010« vor einigen Jahren 5,6 Millionen Euro für interaktive Medien zur Verfügung gestellt und damit den Schulen eine Möglichkeit gegeben, sich mit interaktiven Tafeln auszurüsten. Hamburg ist schon jetzt eines der führenden Länder beim Einsatz interaktiver Tafeln. Mehr als 200 Schulen sind mit mindestens drei Geräten ausgestattet. Derzeit läuft eine Multiplikatorenausbildung, in der zwei bis drei Lehrerinnen und Lehrer pro Schule ausgebildet werden. Es ist ein naheliegender Gedanke, Lehramtsstudierenden in Hamburg schon während ihrer Ausbildung die Möglichkeit der Nutzung und Erprobung interaktiver Tafeln zu ermöglichen. Die Fakultät Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft (EPB) der Universität Hamburg wurde durch das Projekt »ePUSH« in den letzten drei Jahren mit 14 fest installierten Geräten verschiedener Hersteller und einer mobilen Variante ausgestattet. Die Nutzung interaktiver Tafeln ist derzeit noch kein fester Bestandteil des Lehramtscurriculums. Das Medienzentrum der Fakultät EPB bietet jedoch regelmäßig Workshops an, in denen sich Studierende auf freiwilliger Basis mit der Thematik beschäftigen können. Die Teilnehmer sind größtenteils Lehramtsstudierende, die während eines Schulpraktikums des öfteren einer interaktiven Tafel begegnet sind und sich dadurch der neuen Herausforderung für Lehrer bewusst geworden sind. Der Workshop befasst sich anfangs mit der Bedienung der Geräte und einem Überblick über die unterschiedlichen am Markt erhältlichen Varianten. Ein wichtiger Aspekt ist außerdem die Reflektion des praktischen und didaktischen Nutzens aus pädagogischer Sicht.

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Viele Teilnehmer berichten von einer Hemmschwelle, die Geräte zu nutzen, da sie komplizierte technische Probleme erwarten. Sie erinnern sich dabei oft an die von Problemen mit dem Beamc:t begleiteten Referate aus ihrer Schul- und Unizeit.

Ein anfinglich oft distanzierter Umgang mit der )Zau~ weicht in den Workshops in der Regel sehr schnell einem intuitiven Ausprobieren von Möglichkciten und Grenzen. Da die Systeme gut aufeinander abestimmt sind, treten technische Probleme selten auf: Die Abbängjgkcit des geplanten Unterrichtsverlaufes vom Funktionieren der Technik. witd als häufiger Ablehnungsgrund der intctaktiven Tafeln genannt. In den Schulen witd aus diesem Grund oft eine Lehrkraft zum >Compu~erten< ernannt, der bei technischen Problemen um Hilfe gebeten werden kann. Ein von den Teilnehmern häu6g geäußerter Wunsch ist die Möglichkeit, im Unterricht spontan etwas fur alle Schüler anschreiben zu können. Da int.erakt.M:: Tafeln in der Regel nicht mit Whit.eboardma.rkem beschrieben werden dürfen, muss es für die klassische Tafelnutzung andere Lösungen geben. So gibt es beispielsweise Modelle, bei denen ein herkömmliches Whiteboard vorgeklappt werden kann. Einige Klassenräume. in denen es der Platz zulässt, sind mit interaktiver Tafel und Whiteboard oder

Interaktive Tafeln als neues Medium im Schulunterricht

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Kreidetafel nebeneinander ausgestattet. Oft wird das Board in der ersten Stunde eingeschaltet und erst nach der letzten Stunde wieder ausgeschaltet, so dass es jederzeit auch für schnelle und spontane Anschriebe zur Verfügung steht. Eine grundsätzliche Frage, die sich Schulen stellen müssen, bleibt jedoch, ob die interaktive Tafel die herkömmliche ersetzen oder ergänzen soll. Die Forderung des Frontalunterrichts und die Befürchtung einer hohlen Multimediashow vor der Klasse ist ein wiederholtes Argument der Kritiker interaktiver Tafeln. Bei den Studierenden steht oft der Wunsch im Vordergrund, aktuelle Medien in den Unterricht einzubinden. Die Tafel ermöglicht im Gegensatz zu einer Kombination aus Computer unt Beamer oder einem Pen Display (interaktiver Bildschirm auf dem Tisch) eine hohe Präsenz von Lehrern oder einzelnen Schülern und den Vorgängen auf dem Bildschirm im Klassenraum. Den Studierenden ist bewusst, dass die interaktive Tafel ein neues Werkzeug für Lehrkräfte ist, welches gut beherrscht werden muss. Das Gerät allein macht noch keinen besseren Unterricht, auch wenn es die Schüler zunächst motiviert. Eine Unterrichtseinheit, welche die didaktischen Möglichkeiten der Tafeln voll ausschöpfen soll, bedarf in der Regel viel Vorbereitungszeit. Viele sGimmicksc wie die Zaubertinte können in einigen Szenarien mit jungen Schülern gut verwendet werden, haben aber in der Oberstufe keinen sinnvollen Nutzen. Viele Teilnehmer der Workshops begrüßen vor allem die Vereinfachung des Dokumentierens von Tafelbildern durch das digitale Speichern und die Möglichkeit, den Unterricht jederzeit durch interaktive Inhalte zu bereichern, ohne dafür extra Computer und Beamer aufzubauen. Das Internet hält durch die Tafel Einzug in den Klassenraum und den Unterricht. Die von den Studierenden gewünschte Nutzung des Internets mit und vor der Klasse zur Recherche und Veranschaulichung wird so möglich und einfach. Alle Teilnehmer vermuten, dass die interaktive Tafel aus der Schule der Zukunft nicht mehr wegzudenken ist und langfristig die Kreidetafel ablösen wird. Die Hersteller arbeiten bereits an weiteren Verbesserungen wie großen Touchscreens oder Gruppenarbeitsplätzen mit interaktiven Tischflächen.

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Mirjam Bretschneider

Das Stipendium Das Netbookstipendium ist ein Förderprogramm des Medienzentrums an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg und wurde im Sommersemester 2009 zum ersten Mal vergeben. Ziel der Initiatoren ist es, Studentinnen und Studenten im Studium zu unterstützen - sei es bei Studienprojekten, Abschlussarbeiten oder Praktika. Für die Auslobung der Förderung gibt es vor allem einen Grund: Rechner sind aus der Organisation und Bewältigungdes Studiums nicht mehr wegzudenken (vgl.Schwalbe2009a). So melden sich Studenten an der Universität Hamburg über das Studieninfo-Netz STiNE für Seminare und Module an, Texte und Lernmaterialien werden über Lernplattformen wie Commsy zur Verfügung gestellt, und Literatur recherchiert man in Bibliothekskatalogen ebenfalls online. Daneben ist der Alltag von Studierenden bewegt: Von zu Hause aus geht es an die Uni in einen Kurs, von dort aus zum Arbeiten in die Bibliothek und im Anschluss daran zum Nebenjob. Ein leichtes Netbook ist dabei weitaus komfortabler als ein herkömmliches Notebook.

Das Gerät Bei den Netbooks, die drei Studierenden zu Verfügung gestellt wurden, handelt es sich um Asus Eee PCs 1000B. Dieser EeePC verfügt über einen 10,1-Zo11-Bildschirm, eine einfache Kamera und ein eingebautes Mikrofon. Mit einem Gewicht von 1,45 kg, einer Akku-Laufzeit von etwa vier Stunden und den Maßen etwa eines DIN A4-Blattes eignet es sich gut für den mobilen Einsatz. Der Zugang zum Internet ist über einen WLAN-Adapter möglich. Das Herausragende an dieser Geräteklasse ist, dass bei der Ausstattung mit Kamera und Mikrofon im Gegensatz zu den anderen Komponenten nicht gespart wurde. Damit ist es ohne weiteres Zubehör zum Beispiel für Videotelefonie geeignet.

Geförderte Projekte Die ersten geförderten Projekte waren zwei Abschlussarbeiten und ein Praktikum: • Antje Breitkopf schrieb ihre Magisterarbeit über das Projekt »One laptop per child« (OLPC) und forschte dafür in Peru (vgl. Schwalbe 2009b). • Kati Hack beschäftigte sich in ihrer Diplomarbeit mit dem Thema »Werteerziehung in der Natur« (vgl. ebd.). • Ich selbst habe ein Praktikum in Helsinki absolviert und mich dort mit dem Thema »Beratung in virtuellen Welten« auseinandergesetzt.

Das Hamburger Netbaakstipendium: ein Erfahrungsbericht

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Persönliche Erfahrungen mit dem Netbook Das Netbook war für mich zum einen mein Arbeitsgerät: Meine Arbeit im Praktikum bestand vor allem aus Recherchen in der virtuellen Welt »Second Life«. Dazu nutzte ich neben einem Rechner am Arbeitsplatz auch das Netbook. Trotz der einfachen Ausstattung reichte es für das Arbeiten in und mit Second Life und gängigen OfficeAnwendungen aus. Das geringe Gewicht zahlte sich bei meinem Arbeitsweg aus, den ich zu Fuß zurücklegte. Zum anderen, und das macht für mich den eigentlichen Zweck dieses Computers aus, war es das Kommunikationsmittel, mit dem ich den Kontakt zu Familie und Freunden in Deutschland pflegte.

Nachhaltige Veränderungen Da ich das Netbook über das Praktikum hinaus nutzen kann, hat sich auch in meinem Studienalltag einiges verändert: Mein Studium verläuft inzwischen nahezu papierlos, weil ich viele Materialien wie oben beschrieben digital zur Verfügung habe und Notizen am Rechner mache. Daneben nutze ich ihn, um im Seminar schnell Begriffe nachzuschlagen oder um mir über ein Thema einen kurzen Überblick zu verschaffen. Ich genieße auch die Möglichkeit, ortsunabhängig zu arbeiten: Da das Gerät in eine etwas geräumigere Umhängetasche passt, kann ich Dinge auch draußen sitzend erledigen. Genauso lässt sich damit gut auf Zugfahrten arbeiten, die ich regelmäßig unternehme. An anderer Stelle kommt mir einmal mehr die geringe Größe des Netbooks zugute: Es lässt sich hervorragend für Präsentationen nutzen, sowohl auf Tagungen als auch im Privaten zum Zeigen von Urlaubsfotos.

Über das Stipendium hinaus: Netbooks als Instrument zur Teilhabe Online zu kommunizieren ist heute für die meisten Menschen essentiell: Ob man eine E-Mail schreibt. twittert, eine Statusmeldung bei Facebook einstellt oder Messenger wie Skype oder ICQ nutzt - immer braucht man einen Rechner (oder ein Smartphone) mit Internetzugang. Netbooks sind mit allem ausgestattet, was dafür nötig istund noch wichtiger: Sie sind günstig. Das ist nicht nur für die meistens nicht besonders finanzkräftigen Studentinnen und Studenten von Bedeutung, sondern allgemein für diejenigen, die sich keinen Desktoprechner oder ein herkömmliches Notebook leisten können. Dazu gehören beispielsweise auch die 14,3 % (vgl. Martens 2009: 8) der Bevölkerung, die unter der Armutsgrenze leben oder von Armut bedroht sind. Auch diese Menschen müssen flexibel und mobil erreichbar sein. Sie haben mit einem

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Mirjam Bretschneider

Netbook die Möglichkeit, am Leben im Internet teilzunehmen und die Kommunikationsmittel zu nutzen, die für viele von so großer Bedeutung sind.

Literatur Martens, Rudolf (2009):Unter unseren Verhältnissen ...: der erste Armutsatlas für Regionen in Deutschland, Berlin: Der Paritätisehe Gesamtverband, s, unter: http://www.forsehung.paritaet.org/ fileadtnin/SUBDOMAINS/forsehung/armutsatlas/download/armutsatlas_web.pdf [25.02.2010]. Schwalbe, Christina (2009a):Netbook-Stipendium für Studierende, s. unter: http://life.epb.uni-hamburg.de/node/2841 [23.02.2010]. Schwalbe, Christina (2009b): Netbook an Stipendiantinnen überreicht, s. unter: http://life.epb.unihamburg.de/node/3336 [23.02.2010].

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Christina Schwalbe

Universitäten sind traditionell Institutionen, in denen Wissen produziert, transformiert und transportiert wird. Im Zentrum der folgenden Überlegungen steht die Universität als Ort des Lehrens und Lernens. Ein Ort also, an dem die Lehrenden versuchen, ihr Wissen zu übermitteln und in organisierten Lehr- und Lernsituationen bei den Studierenden einen Lernprozess anzustoßen. Dabei bezieht sich der Lernprozess sowohl darauf, das vom Lehrenden weitergegebene Wissen zu verstehen, die empfangenen Informationen in eigene Wissensstrukturen mit einzubauen, als auch Kompetenzen im Umgang mit Wissen und Informationen zu entwickeln - und damit Kompetenzen im Umgang mit Wissensspeichern und Kommunikationsformen. Wissen ist in diesem Zusammenhang vielschichtig zu sehen, es sind sowohl individuelle als auch kollektive Aspekte mitzudenken. Dem radikal-konstruktivistischen Verständnis Ernst von Glasersfelds folgend ist »Wissen [...] kein Bild oder keine Repräsentation der Realität, es ist vielmehr eine Landkarte dessen, was die Realität uns zu tun erlaubt. Es ist das Repertoire an Begriffen, begrifflichen Beziehungen und Handlungen oder Operationen, die sich in der Verfolgung unserer Ziele als viabel erwiesen haben.« (1997: 202) Zusätzlich zu dieser Perspektive auf das Individuum ergibt sich aus der Ablage von individuellem Wissen in Wissensspeichern - also in den jeweils aktuellen Medien eine weitere Perspektive: Implizites Wissen kann in explizites Wissen verwandelt werden. Durch die Veröffentlichung wird das Wissen in einen gesellschaftlichen Kontext gebracht, wird Teil eines kollektiven Wissenskanons. Was als Wissen in diesem Sinn definiert wird und wie damit umgangen wird, ist kulturell beeinflusst - und kann damit nicht getrennt von den entsprechenden Medientechnologien gesehen werden. Ist nachstehend von Wissen die Rede, so ist damit Wissen im gesellschaftlichen Kontext gemeint, also eine gesellschaftliche Einordnung von Informationen in einen durch kulturelle Zusammenhänge definierten Wissenskanon. Für das Individuum erscheint das explizite Wissen in den verschiedenen Wissensspeichern zunächst als Information, die in eigene vorhandene Wissensstrukturen eingebunden werden muss, um somit zu individuellem Wissen zu werden. Der Umgang mit Wissen und Informationen ist also abhängig von den Medien, die zur Speicherung und zur Kommunikation und Weitergabe von Wissen verwendet werden. Der Begriff Kommunikation wird im Folgenden basierend auf dem Modell von Vilem Flusser verwendet. Flusser (2007) benennt die zwei Kommunikationsformen Dialog und Diskurs; der Dialog ist eine Kommunikationsform, in der durch Aus-

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tausch von Informationen neue Informationen synthetisiert und produziert werden. der Diskurs dient zur Weitergabe und Speicherung von Informationen. Sowohl die Codes, in denen Informationen produziert, gespeichert und weitttgegeben werden. als auch die dialogischen und diskursiven Strukturen der Konununikation sind nur im ZUS2.lIlm.enhang mit den InformatlOlls- U.tl.d KommlUribtionsmedien:zu sehen. 'fraditiondl ist die Lchr- und LcmkuJ.tu:r an Universititen gcprigt durch eine typ0graphische Kultur. Dies bezieht sich auf Kornmunikationsstrukturen in der universitären Lehre und den Umgang mit Wissen und Informationen, aber auch dara~ welche Kulturtcchniken gefördert werden - und damit zusammenhängend, was als Mcdicokompetenz, als Kompetenz im Umgang mit Infonnations- und Kommutlihtionsmcdi.en, angesehen wird.

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Die gegenwärtig noch dominierende Kultur universitärer Lehre vollzi.cht sich in einer Art und Weise, welche mit einer linearen Kornmutlihtionsform ohne direkte Interaktion in Verbindung gebracht werden kAnn. wie sie der 'fradition der Buchkultur entstammtl (vgl Gicseckc 2CNJ2: 31Off.): Lehrende sind in erster Linie übc.rmittler von WlSSen, sie geben ihr Wissen in Vorlesungen und Seminaren an die Studiettnden weiter. Meist tun sie das in einer Form, die Vl1i.m F1usSet als »Thcaterdiskursc bezeichnet. Die Studierenden sind in erster Linie Empfiingc.r von Informationen. 1 Weiten:.Ausfiihmngcn sum. Kommunilrationskomlc:pt der BucbImItur siehe: in meinem Bcitng »Die: Univerf,itil: der BucbIwltur im digital ~tl:ll Median«, in c\ie$cm Band, 179-191.

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Christina Schwalbe

Aufgebaut ist die Kommunikation in dieser traditionellen universitären Lehr- und Lernkultur auf typographischen Codes. Die Auswahl dessen, was in den Wissensspeichern der typographisch geprägten Kultur abgelegt wird, d.h. also, was als gedrucktes Buch veröffentlicht wird, obliegt zu einem Großteil den Universitäten. Die Veröffentlichung und Verbreitung von Informationen unterliegt damit einer Art sakademischem Filtere Mit der Entwicklung des World Wide Web CWWWJ hat sich der Umgang mit Informationen stark gewandelt, es entstehen neue Arten zur Speicherung von Wissen und zur Darstellung von Informationen. Das WWW ist nicht mehr - wie das Buch - ein Kanal zur interaktionsfreien Kommunikation von Wissen. Sowohl durch die veränderte Form der Darstellung von Informationen als nicht-linearem Hypertext als auch die erweiterten Kommunikations- und Rückkopplungsmöglichkeiten weichen die traditionelle Trennung der Rollen von Autor und Leser auf, ein Umdenken im Umgang mit Wissen wird erforderlich. Die ersten Initiativen an Hochschulen als Reaktion auf die Entwicklungen des WWW als Informations- und Kommunikationsmedien beliefen sich jedoch in erster Linie auf die Übertragung des Buchdenkens auf digitale und elektronische Medien. So wie das Buch ein Behälter von Wissen in Form typographischer Codes ist, so wurde das Internet als ein Behälter von Informationen in digitaler Form verstanden - als Medium zur Übermittlung und Bereitstellung von eher statischen Inhalten - wenn auch nicht mehr in einer linearen Ordnung, sondern in Form des Hypertexts. Die Andersartigkeit der vernetzten digitalen Medien in Bezug auf Kommunikation und der Umgang mit Information und Wissen wurden dabei nicht berücksichtigt. In den letzten Jahren jedoch hat sich das WWW von einem als Buchinternet verstandenen, mehr oder weniger statischen Informationsmedium mit geringen Partizipationsmöglichkeiten zu einem Mitmach-Web gewandelt, von einem Behälter zu einer Ansammlung von Anwendungen. Interaktion und Partizipation ergänzen die bis dato eher auf dem einseitigen Sender-Empfänger-Modell basierenden Strukturen der Kommunikation. Die Weitergabe von Wissen und Informationen ist zunehmend auch eingebunden in rückkopplungsintensive Strukturen. Mit Bezug auf das Kommunikationsmodell von Flusser könnte man sagen, dass in einer durch digitale Medien geprägten Kultur verstärkt Diskurs und Dialog aneinander gekoppelt werden (vgl. Schwalbe/Meyer 2009: 44 f.). Auch ist eine Öffnung traditionell geschlossener Strukturen zu beobachten: Feedback und Dialog zwischen Lehrenden und Studierenden sind nicht mehr notwendigerweise an institutionell organisierte geschlossene Formen der Kommunikation gekoppelt. Ebenso wird es Studierenden erleichtert, selber unabhängig von institutioneller Or-

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• •

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ganisation als Sender zu fungieren und DaJ.oge anzuregen. Informelle Bildungsprozesse k.öcnen mehr Platz auch innerllalb des Bildungsraums Universität erlangen. Die Möglichkd.ten det: Partizipation an der Produktion und Distnbution von WISsen und Informationen auch ohne den akademischen Filter der Buchlwltur, ebenso wie die Möglichkeiten der einfachen Vervicl&J.t:igung, führen zu einer stetig wachsenden Menge an verfügbarer Information. Die Vermittlung von Met:awissen übet den Erwerb von und den Umgang mit Wissen sowie det Erwerb sozial-kollabot'ativer Kompetenzen gewinnen damit in einet zeitgemäßen univcrsitiiren Lehr- und Letnkultur an BedClltung. Im Rahmen des Projektes ~PUSH«2 sollte daher mit dem Aus- und Aufbau zeitgemäßer Informations- und Kommunikationsstruktu.ren zur Unterstü:~ung von Lehre: und Studium - neben der Reaktion auf sich verändernde K.ommunikationsfonnen auch die Medi.enk.ompetenz Studierender in Bezug auf aktuelle Medien gefördert werden. Eine aktive und reBektierte Nutzung von Social. Software und kollaborat:iven, digital vemetzten Tools sollte gestärkt werden. Im Zentrum der Maßnahme »eCommuaityBuilding« des Projektes »ePUSH« stand in diesem Sinn det: Autbau des partizipat:iven Webportals ~1ife«3 als zenttalet Kommuhttp://tnmt..uni-hunburg.de/cpUlh [22.10.2010]. I http://life.epb.uni-hambmg.de [22.10.2010].

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nikationspunkt sowohl für intcmc als auch externe Kommunikation, eine .Art digitale Repräsentanz des ~tären Geschehens mit Möglichkeiten zur Inte1'a.ktion und Vernetzung. Ober diese neue Fakultits-Community wird die Universität als ttaditiondl geschlossene Institution, die bis heute geprägt ist durch die linellfe Kommunikationssttuktur der Buchkultur. eingebunden in den Netzdialog des digitalen Mediums.

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Literatur Femet, CJlrlatlna (2007): Netwotking in. uni.vct5itkll- how ~eol can :u,:cept thc: ~ and •

an ~ litttrnItivc rolc. ~ the$s, Univl=rsity of Art attd Th:sign, Hdsinki &: Univcrlitit Ifam-

burg, 5. Ulltcr: http://www;du:istinafcmct./MA-'):llutinFcmcr.pdf [15.04.08].

Flueeer. Vilbn (2007): KommunikoIogic, 4. .AufI., Frankfurt a.M.: FiKher (1998 LU). GfaedcC', Miehad (2002): Von den Mythen der Buchkultur zu. den V1Iioncn der Informationlgelcll-

1cl1aft, Frankfurt a.M.: SubJ:kamp.

Lehr- und Lernkultur im Wandel

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Glasersfeld, Ernst von (1997): Wege des Wissens: konstruktivistische Erkundungen durch unser Denken, Heidelberg: Carl-Auer-Systeme,

Meyer, Torsten/Scheibel, Michael/Münte-Goussar, Stephan/Meisel, Timo/Schawe, Julia (Hg.) (2008): Bildung im Neuen Medium - Wissensformation und digitale Infrastruktur. Education Within a

New Medium - Knowledge Formation and Digital Infrastructure, Münster/New York/München/Berlin: Waxmann.

Schwalbe, Christina/Meyer, Torsten (2009): Umbauten im und am Bildungsraum. Zum medieninduzierten Wandel der Kommunikationsstrukturen in der Hochschulbildung. In: Grell, Petra/Marotzki, Winfried/Schelhowe, Heidi (Hg.): Neue digitale Kultur- und Bildungsräume, Wiesbaden: VS Verlag, 27-50.

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_35, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Malthias Otto

Ausgangslage »Die Seminarunterlagen finden Sie in unserem Seminarordner in der Bibliothek, bitte gehen Sie sorgsam mit den Unterlagen beim Kopieren um.« Eine Studentin daraufhin: »Können Sie nicht einen CommSy-Raum einrichten, uns die Materialien hochladen und uns per Raumpasswort zulassen? Das ist doch viel einfacher.« Lehrender: »Kennt sich jemand damit aus?« Situationen wie diese sind kein Einzelfall - so unsere Erfahrung. Die Lehrkräfte der Universitäten sind in der Regel nicht explizit für E-Learning-Arrangements ausgebildet. Darüber hinaus gibt es z.T. erhebliche Differenzen im technischen Knowhow einzelner Lehrender. An Aus- und Weiterbildungsangeboten mangelt es nicht, seit Jahren bieten das Regionale Rechenzentrum und andere Einrichtungen entsprechende Kurse für Lehrende an. Nur werden diese Weiterbildungsmöglichkeiten von denjenigen, die keine oder wenige Vorerfahrungen mit diesem Thema haben, nicht genutzt. Allein die Vorstellung, mit den eigenen Fähigkeiten und (Un-)kenntnissen in einer Schulung konfrontiert zu werden, noch dazu in Gegenwart anderer, schreckt ab. Warum etwas ändern, was sich bisher bewährt hat? - Never change a running System. Doch gerade die Lehrenden, die sich an dieses Motto halten, stehen zunehmend unter Druck. Nicht weil dies die Universität von ihnen verlangt oder es die Anforderungen des Arbeitsmarkts gebieten. Es sind die Studierenden, die zunehmend von ihren Lehrenden erwarten, digitale Medien und Werkzeuge wie selbstverständlich auch im Seminaralltag zu einzusetzen. Wie kann man diese Lehrenden erreichen?Wie sie motivieren und ihr Interesse wecken?

Die Idee An der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft (EPB) der Universität Hamburg wurde in einer Teilmaßnahme des fachübergreifenden E-Learning-Projekts »ePUSH«l ein neuartiges Qualifikationskonzept für Lehrende erprobt, um den Umgang mit Medien und den Einsatz von E-Learning in der Lehre zu fördern. Das Konzept sollte folgende Kriterien erfüllen:

• Das Lernen findet nicht mehr im Seminarraum, sondern am Arbeitsplatz (training on the job) statt. Es werden aktuelle Fragestellungen der anstehenden Lehrplanung bearbeitet.

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Website des >>ePUSH«-Projekts: http://mms.uni-hamburg.de/blogs/epush/ [09.08.2010].

Train the Teacher

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Der Lehrende selbst kann wählen, in welchen Bereichen er oder sie sich fortbilden möchte und welche digitalen Hilfsmittel im Unterricht erprobt werden sollen. Auftretende Probleme und Fragen werden möglichst zeitnah geklärt und gelöst. Die Fortbildung setzt am Lernstand des jeweiligen Lehrenden an, um Unter- als auch Überforderung im Lernen zu vermeiden und die Lernmotivation zu fördern. Die Lerngeschwindigkeit wird den jeweiligen Erfordernissen angepasst.

Diese Ansprüche sind in klassischen Schulungen nur bedingt umsetzbar. Daher entschieden wir uns, Studierende zu sogenannten se'Iutorenc auszubilden, welche die Lehrenden der Fakultät in Einzelbetreuung ein Semester lang qualifizieren, beraten und unterstützen. Das Konzept wurde in im Wintersemester 2008/09, Sommersemester 2009 und Wintersemester 2010 im Rahmen des »ePUSH«-Projekts erprobt und wird mittlerweile durch das eLearning- Büro der Fakultät fortgeführt. Das im Vergleich zu einer Schulung kostenintensivere Tutorenkonzept ist unserer Meinung nach für die Vermittlung und Förderung von E-Learning in der Lehre besonders gut geeignet. Klassische Vermittlungskonzepte gehen von einem einheitlichen und sich nicht verändernden Beratungsbedarf aus. Dass dem nicht so ist, zeigen Befragungen von Lehrenden zu Vorkenntnissen, EDV-Affinität und Beratungsbedarf: Ansprüche und Vorkenntnisse differieren zum Teil stark. Zudem ergeben sich bei vielen Lehrenden Probleme und Fragen erst im Laufe des Semesters. Eine einmalige Schulung wird diesem Umstand nicht gerecht. Überdies lassen sich mit der integrierten, flexiblen, persönlichen Beratung durch geschulte Studierende tatsächlich auch Lehrende erreichen, die keine Fortbildungsveranstaltung aufsuchen würden. Um eine derartige Ausbildung überhaupt konzipieren zu können, musste zuvor geklärt werden, in welchen Bereichen diese Gruppe von Lehrenden Qualifikationsbedarf und Interesse hat.

Bedarf aus Sicht der Lehrenden Aus den Bewerbungsunterlagen der Lehrenden für das eTutorenprogramm konnten wir den Beratungsbedarf erschließen. Auf diese Themen mussten die zukünftigen eTutoren auf jedem Fall vorbereitet werden. Nachgefragt wurden vor allem Weiterbildungen rund um die Funktionen und didaktische Einbindung der CommunityPlattform EduCommSy (40 %) sowie den Einsatz von E-Portfolios, PowerPoint und Interaktive Tafeln in der Lehre (jeweils ca. 10 %) (vgl. Abb. 5). Die hohe Nachfrage nach EduCommSy verwundert nicht, ist dies doch die meistgenutzte Plattform an der Fakultät. Viele Lehrende waren mit den Grundlagen der

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Matthial 0110

Pkttform wie: dem Dateiupload Bit St\ldierende vertraut, sahen sich •• ~ jedoch nicht in der Lage, cb.s ganze Potential zu nutzen - nicht nur in technischer, sondern vor allem auch in didaktischer Hinsicht Es stdlte sich beispiel.swc.i.se die Frage, wie: man den Zugang Bit Studierende einfacher gestalten kann, wie sich commsy-inteme Diskussionsforen sinnvoll in wöchentliche Seminarsitzungen einbinden lassen, wie: man die Studierenden m0tivieren bnn, sich auch außerhalb der Prisenzzeit im Seminar aktiv an Abb.J.. ~;"S~2009 der Diskussion zu beteiligen. und. ~,-) wie man die Ergebnisse wiederum in die Lchtc einbindet. Ziel der durch eTutoren gestützten Beratung war es in erster Linie, in Zusammenarbeit mit den Lchtcnden Antwortm auf diese Fragen zu geben. Darüber hinaus bestand die Hoffnung, Lchtcnde Bit wdtctgchende Themen zu interessieren und diese im Ide:aIfiill in der Lchtc zu erproben - wie z.R in einem Fall die Nutzung )intctakt.ivcr T:afelrn -, um die .Anwcndung psychologischer Testvcrfiliren aus Pmb2ndensicht zu veranschaulichen. Die inhaltliche Ausrichtung der Ausbildung basiert lLa.. auf diesen Daten.

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Inhaltliche Schwerpunkte der eTutorenausbildung Unter Federfiihrung der »ePUSH«-Maßmilhmen »eSupport Schlüsselkompetenzen« und »eQualifizierungq wurde in Zusammenarbeit mit dem MultiMedia-Studio und dem eLea.ming Büro. dem Zentrum Bit SchlüsseJkompetenzen der Fakultät und dem Zentrum Bit Hochschul- und Weiterentwicklung cb.s Konzept zur eTutorenausbildung entwickelt und durchgeführt. Die Ausbildung der eTutottn umfasste den Umgang mit Hard- und Software sowie mit diversen Intemetanwendungen. um die LehroIganisation zu erleichtern, Lehrinhalte zu vermitteln, zu prüfen und virtuell zu kommunizieren. Darüber hinaus wurden auch di.dak.tische Fragen thematisiert (vgl. Tabelle 1).

Train the Teacher

Themen

Inhalte

E-Didaktik

• Einführung in >E-Szenanen< • Generierung und kritische Bewertung von E-Szenanen • Diskussion typischer Probleme und Lösungsmöglichkeiten im eLearning

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Virtuelle Kommunikation • Erarbeitung zentraler Kriterien von virtueller und E-Moderation Kommunikation und E-Moderation; praktische Nutzung von Lehr- und Erprobung in der Online-Moderation Lernplattformen • Überblick und praktische Erprobung des Community-Systems EduCommSy zur Unterstützung von Lehrveranstaltungen • Überblick und praktische Erprobung der Lehr-/ Lernplattform OUT Web-2.0-Tools zur Unterstützung von Bildungsprozessen

• Weblogs, Wikis • Social Bookmarking, Podcasting, RSS-Feeds

Interaktive Tafeln

• Einführung in den Einsatz interaktiver Tafeln im Unterricht/Seminar

Online-Seminare/ Vorlesungen

• Einführung in die Arbeit mit virtuellen Arbeitsräumen mit Adobe Connectf und Adobe Presenterf

E-Portfolio

• Gestaltung digitaler Portfolioprüfungen

Praxisvorbereitung

• Klärung von Rolle und Spannungsfeldern des eTutors • Vorbereitung auf die Erstgespräche/Auftragsklärung • Projektverlauf/Organisatorisches

Tabelle 1: Themen dereTlltorenaushildung

Die Schwerpunkte der Ausbildung wurden vor jedem Durchgang an die Bedürfnisse der Antragssteller, sprich Lehrenden, angepasst. Die Ausbildung selbst gliederte sich in einen Basis- und einen Vertiefungsteil. Im Basisteil wurden grundlegende Anwendungen vermittelt, im Vertiefungsteil ein bis zwei Themen vertieft, je nach Interesse des Tutors und Bedarf der Lehrenden. Unserer Erfahrung nach reicht ein dreitägiger Workshop, selbst bei Tutoren mit Vorkenntnissen, nicht aus, um genügend Expertise

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Matthias Otto

auf allen Themengebieten zu sammeln. Daher wurde für die Tutoren die Möglichkeit geschaffen, sich auf einzelne Themen zu spezialisieren. Von den Tutoren wurde zudem erwartet, sich während der Beratungsphase bei Bedarf selbst fortzubilden. Als Tutoren bewerben konnten sich alle Studierende der Universitäten Hamburgs. Die Bewerber verfügten in der Regel bereits über fundiertes Vorwissen im Umgang mit verschiedenen Softwareprogrammen.

Ausbildungsverlauf und Qualitätssicherung Es lassen sich vier grundlegende Phasen des eTutorenprogramms unterscheiden: Vorlaufphase, Ausbildung, Beratung und Nachbereitung. In der Vorlaufphase werden die Themen der Ausbildung grob festgelegt, Trainer und Tutoren angeworben und parallel dazu die Lehrenden der Fakultät über das Qualifikationsangebot informiert. Die Lehrenden bewerben sich und bekommen je nach Einschätzung des Qualifikationsbedarfs Tutorenstunden zugewiesen. Gemeinsam mit den Trainern werden verbindliche Ausbildungsinhalte und Termine abgesprochen (vgl.Abb. 6). vorlesungsfreie Zeit Grobes Ausbildungskonzept, Rekrutierung von Trainern

Angebot an alle Lehrenden GgF. Anpassung des der Fakultät, Bewerbung der Ausbildungskonzepts . . Lehrenden ..

IL......+

Rekrutierung von Tutoren

Abb. 6: VorlaufPhase

Nach einem unverbindlichen Informationsabend für interessierte Studierende, um die Modalitäten der Ausbildung und Stellen zu klären, folgt ein dreitägiger Ausbildungsworkshop (vgl. Abb. 7). Die Studierenden erhalten anschließend ein Teilnahmezertifikat. Nach Abschluss der Ausbildung können sich die zukünftigen eTutoren einzelnen Lehrenden zuordnen. Die endgültige Entscheidung über die Verteilung liegt jedoch in der Verantwortung der Ausbildungsorganisation. Sechs bis acht Wochen vor Beginn der Vorlesungszeit führen die eTutoren mit ihrem jeweiligen Lehrenden ein Auftragsklärungsgespräch durch, um die gemeinsame

Train the Teacher

vorlesungsfreie Zeit Kennenlernen und InFormationsabend (0,5 Tage)

Vorlesungszeit Ausbildung und AuFtragsvergabe (3 Tagel

Beratungstätigkeit

.423

vorlesungsfreie Zeit NachbereitungstreFFen und Evaluation (0,5 Tage)

Zwei SupervisionstreFFen (2 x 0,25 Tage)

LauFende Betreuung der eTutoren

Abb. 7: Ablauf von Ausbildung undBeratllng

Zusammenarbeit zu definieren und schriftlich zu fixieren. Die Tutoren reichen das Konzept ein und erhalten nach Bewilligung ihre Verträge. Während der Beratungsphase stehen die Organisatoren und ggf. auch Trainer den eTutoren bei Fragen zur Verfügung. In Supervisionssitzungen werden eventuelle Anliegen der Tutoren besprochen. Nach Abschluss der Beratungsphase werden Workshop sowie Beratungstätigkeit rückblickend evaluiert. Die Lehrenden erhalten gegen Ende der vorlesungs freien Zeit einen Fragebogen, um ihrerseits die Beratungsdienstleistung zu bewerten. Die Evaluationsergebnisse fließen wiederum in den nächsten Ausbildungsdurchgang ein. Falls möglich, bietet es sich an, nur eine Ausbildungsrunde pro Jahr durchzuführen und die Tutoren über zwei Semester oder länger zu beschäftigen.

Betreuungsumfang Der den Lehrenden zur Verfügung gestellte Betreuungsumfang variiert zwischen 0,25 SWS und 2 SWS - in Abhängigkeit einer vorherigen Aufwandseinschätzung. Die Einschätzung erfolgt sowohl nach quantitativen als auch nach qualitativen Kriterien (Zahl der Seminare und Projekte, Komplexität des zu vermittelten Knowhows, Vorkenntnisse des Lehrenden, etc.). Die durchschnittliche Betreuungsrate des Sommersemesters 2009 lag bei 1,2 SWS pro Lehrendem - das entspricht einem Beratungskontingent von 37,8 Zeitstunden. Die Beratungszeit umfasst die Vor- und Nachbereitung, die Beratungssitzungen und falls notwendig die selbstgesteuerte Weiterbildung des Tutors.

A2A

Matthias Otta

Erfahrungen Im Wintersemester 2008/09 wurden 13 eTutoren qualifiziert. Die Evaluationsergebnisse der ersten Ausbildungsrunde lassen auf eine sehr gute Akzeptanz des Angebots durch die Lehrenden der Fakultät schließen. Die Betreuung und Beratung durch die eTutoren habe ihnen neue Denkanstöße gegeben, eLearning-Anwendungen zu nutzen. Anlass zur Kritik gaben technische Anlaufschwierigkeiten bei der Nutzung elektronischer Tafeln und das relativ spät angesetzte Erstgespräch mit den eTutoren kurz vor Beginn der Vorlesungszeit. Dieser Termin wurde daher im zweiten Ausbildungsdurchgang deutlich vorgezogen. Nahezu alle Lehrenden gaben an, das neu erworbene Wissen auch im folgenden Semester nutzen zu wollen und zu können. Das Angebot der eTutoren wurde von den Lehrenden durchweg positiv bewertet. Die Zusammenarbeit mit dem Tutor hat die Mehrzahl der Lehrenden als angenehm und bereichernd beschrieben. Aufgrund der positiven Resonanz wurden im Sommersemester 2009 erneut 10 eTutoren ausgebildet und eingesetzt. Die gute Akzeptanz des Angebots wurde in der Evaluation erneut bestätigt. Die Nachfrage nach den eTutoren von Seiten der Lehrenden ist zum Sommersemester leicht gestiegen - von 14 auf 21 Bewerbungen. Im Sommersemester wurden darüber hinaus vier Hilfskräfte mit ausgebildet, um einerseits Kosten zu sparen und andererseits die Nachhaltigkeit des Lernerfolgs weiter zu fördern. Rückblickend hat sich diese Konstellation als eher ungünstig erwiesen, da Hilfskräfte im Gegensatz zu >Beratern< eine andere Rolle gegenüber den Lehrenden einnehmen und häufig dazu eingesetzt wurden, Arbeiten zu übernehmen, anstatt den Lehrenden zu qualifizieren. Die Gefahr, als zusätzliche Hilfskraft und nicht als Berater eingesetzt zu werden, bestand auch für die regulär ausgebildeten Tutoren. Hier galt es eine Balance zwischen Beratungsdienstleistungen, dem Kernanliegen des Programms, aber auch unterstützenden Hilfeleistungen zu finden, ohne in die Rolle einer Hilfskraft gedrängt zu werden. Insbesondere bei den bereits besser qualifizierten Lehrenden wurde dieser Rollenkonflikt Thema in der Beratungsphase. Unserer Erfahrung nach ist es daher absolut notwendig, den Tutoren die Gelegenheit zu geben, sich in begleitenden Supervisionssitzungen zu diesem Thema und anderen Fragen auszutauschen. Das Erstgespräch zwischen Tutor und Lehrendem sollte darüber hinaus bereits in der Ausbildungsphase eingeübt werden, um möglichst frühzeitig eventuell divergierende Rollenvorstellungen klären zu können. Nicht alle Lehrenden waren im Verlauf der Beratungsphase auch bereit, die dafür notwendige Zeit zu investieren. Veränderungen in den Zeitkontingenten sind zwar nicht wünschenswert, lassen sich aber nicht immer umgehen. Um diesem Umstand

Train the Teacher

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gerecht zu werden, wurden entsprechende Kontingente im Prozess gekürzt oder erweitert. Teilweise arbeiteten auch zwei eTutoren zu Beginn des Semesters konzentriert mit einem Lehrenden zusammen, um sich danach auf zwei Lehrende aufzuteilen. Das eTutorenkonzept ist kein Selbstläufer, sondern bedarf einer aktiven Organisation und des kontinuierlichen Kontakts zu den Tutoren. Die Nachfrage nach eTutoren nahm während der Projektlaufzeit stetig zu. Für die Lehrenden ist die individuell zugeschnittene, zeitlich flexible Mischung aus Beratung und Betreuung dem Anschein nach attraktiv. Die eTutoren sind in ihrer Rolle sowohl Berater als auch Dienstleister. Sie geben den Lehrenden neue Impulse für die Einbindung von eLearning in die Lehre und unterstützen sie gleichzeitig in der Umsetzung. Der unserer Erfahrung nach teils sehr heterogene Kenntnisstand der Lehrenden, die unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten und das breite Themenspektrum sprechen unserer Meinung nach für ein individuelles, niederschwelliges Beratungskonzept. Allerdings fordert der Einsatz von eTutoren auch von den Lehrenden die Bereitschaft, Zeit zu investieren und die Motivation, dazuzulernen, um nachhaltig profitieren zu können. Erst dann kann die Betreuung durch den eTutor zu langfristigen Lerneffekten und damit zu einer nachhaltigen Qualitätssteigerung in der Lehre führen.

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_36, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

428

Sebastian Plönges

»Die Einsatzmöglichkeiten aktueller Informations- und Kommunikationstechnologien in Studium und Lehre an der Fakultät durch Bündelung und Kommunikation ins Bewusstsein der Lehrenden und Lernenden zu rufen und dadurch einen selbstverständlichen Umgang mit diesen Technologien zu befördern«, so lässt sich das Ziel des Hochschulentwicklungsprojekts »ePUSH« prägnant zusammenfassen.' Die Realisierung dieses Ziels ist auf vielfältige Weise verfolgt worden - nicht zuletzt durch das Hinterlassen prägnanter Spuren in den Räumlichkeiten der Fakultät. Zentrale Metapher und Medium war dabei ein Hinwegsetzen über die irreführende und nicht mehr zeitgemäße Grenze zwischen Online- und Offlinekommunikation.i Für eine gleichermaßen sinnvolle wie selbstverständliche Einbindung digitaler Medien in den Universitätsalltag steht die Technik nur an zweiter Stelle. Am Beginn der Reflexion gegenwärtiger Herausforderungen - insbesondere auf einer basal-kulturellen Ebene - muss zunächst eine Kommunikationsofferte stehen: ein Angebot, das irritiert, die Neugier des Betrachters weckt und Anlass für weitere Fragen gibt. Im Wintersemester 2008/2009 sowie in den darauf folgenden Semestern entstand hierfür eine achtteilige Serie von Plakaten, die zum generellen Nachdenken über den Einsatz aktueller Medien in Bildungszusammenhängen anregen sollte. Im Dilemma zwischen erhobenem Zeigefinger einerseits und abgegriffener (und damit wahrscheinlich: ignorierter) Werbeästhetik andererseits wurde bei der Konzeption der Posterreihe ein dritter Weg gewählt: Es galt hierbei die Rezeption der Nachricht als entscheidenden Teil des Kommunikationsprozesses zu verstehen.' Die Decodierungsarbeit und Verantwortlichkeit des Empfängers wurde unter Verzicht auf eine eindeutige Assoziation der Plakate mit dem Projekt »ePUSH« ernst genommen. Eine so erzeugte »spezifische Ungewissheits' und Irritation diente als Ausgangspunkt für weitere Spuren: Die erste Auflage bestand aus der Kombination von Fotografien aus den Gebäuden der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft mit verschiedenen Zitaten, die auf kulturelle und gesellschaftliche Herausforderungen Vgl. http://mms.uni-hamburg.de/blogs/epush [10.09.2010]. Zur Unterscheidung real/virtuell bzw. online/offline vgl. auch den Artikel »Die Markierung der Fakultät« im vorliegenden Band, 376-381. 3 Umberto Eco spricht mit Blick auf dieses Phänomen von der Interpremtionsvariabilität (vgl. Eco 1998: 152), Niklas Luhmann vom kommunikativen Dreiklang aus Information, Mitteilung und Verstehen (vgl. Luhmann 1984: 194ff.). Heinz von Foerster prägte das geflügelte Wort vom Empfänger, der den Sinn einer Botschaft bestimme (vgl. Foerster 2008). 4 Sie ähnelt funktional der Werbung: »Schon daß man überhaupt die Frage stellt, ob oder ob nicht (eine neue Küche angeschafft werden sollte), ist ein Erfolg der Werbung; denn wahrscheinlicher ist ja zunächst, daß der Geist sich nicht mit seiner Küche, sondern mit etwas anderem beschäftigt.« (Luhmann 2008 : 88) 1

2

»Nach wie vor können Wetten darauf abgeschlossen werden ... «

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und Hoffnungen im Zuge des aktuellen Medienwechsels hinweisen - denn auch der alltägliche Lern- und Lehrbetrieb bleibt davon selbstverständlich nicht unberührt." Erst in einer zeitlich abgesetzten zweiten Runde wurden neue Fotografien neben Zitaten auch mit Logos, einer Webadresse sowie einem sogenannten >QR-Code< für mobile Geräte versehen; die Links führten den geneigten Betrachter auf eine eigens zu diesem Zwecke erstellte Seite des Webmagazins der Fakultät: »life«, Dort konnte (und kann nach wie vor) ein Überblick über das Projekt »ePUSH«, seine einzelnen Maßnahmen und MitarbeiterInnen gewonnen werden." Schnell erlangten die Plakate auch über die Grenzen der Fakultät hinaus Bekanntheit: Die Serie stieß in Blogs und beim Mikrobloggingdienst Twitter auf große Resonanz, für Konferenzen und Barcamps außerhalb Hamburgs wurden Exemplare angefordert. Es bleibt resümierend festzuhalten, dass die Plakatserie ihre beabsichtigte Funktion erfüllt hat, über die Schaffung von Voraussetzungen für weitere Kommunikation eine Motivation zur Inklusion in soziale Systeme zu leisten," Dass dazu eine Form gefunden worden ist, die sich als resonanzfähig erwiesen hat, mag als Glücksfall gelten - oder als Verweis auf eine spezifische Form der Kommunikation: Dirk Baecker kennzeichnet den selbst wiederum funktionalen Zusammenhang zwischen Funktion einerseits und Form andererseits als Design (vgl. Baecker 2007b: 265). Dies kann mit Hilfe der Notation George Spencer Browns »Laws of Form« wie folgt illustriert werden: Design

=

I

I

Funktion Form I

In diesem Sinne, als eine Form mit zwei sich wechselseitig informierenden Seiten, mag die Arbeit an der Plakatserie als gelungenes Design verstanden werden. Es können aber auch einfach »[... ] Wetten darauf abgeschlossen werden, worin die Kulturform bestehen wird, die der Überforderung der aktuellen Gesellschaft durch den Computer gewachsen sein wird« (Baecker 2007a: 125). Einige Beispiele: »[edes neue Verbreitungsmedium konfrontiert die Gesellsebaft mit neuen und übersebüssigen Mögliebkeiten der Kommunikation, für deren Handhabung die bisherige Struktur und Kultur der Gesellsebaft nicht ausreichen,« (Baeeker 2007a: 7) »Our intelligence tends to produce teebnologica! and socia! ebange at a rate faster than our institutions and emotions can cope with.« (Dyer 2005: 441) 6 Vgl. http://life.epb.uni-hamburg.de/epush [10.09.2010]. 7 Werbung erfiillt diese spezifisebe inklusive Funktion gewöhnlieb zum Zweck der Teilhabe an wirtsebaftlicher Kommunikation (das heißt: für das beworbene Produkt zu zahlen); aber aueb für weitere Systeme sind Inklusionsleistungen denk- und erwartbar: Im konkreten Fall ist dabei zunäebst an die Systeme der Massenmedien und der Wissensebaft zu denken. 5

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Sebastian Plönges

Literatur Baecker, Dirk (2007a): Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Baecker, Dirk (2007b): Form und Formen der Kommunikation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Dyer, Gwynne (2005): War. The Lethal Custom, New York: Carroll & Graf. Eco, Umberto (1998): Für eine semiologische Guerilla. In: Ders.: Über Gott und die Welt. Essays und Glossen, München: dtv, 146--156 (1983 i.o.). Foerster, Heinz von (2008): Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker, 8. Aufl., Heidelberg: Carl-Auer-Systeme-Verlag (1998 i.o.). Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (2008): Die Realität der Massenmedien, 3. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag (1995 i.o.). Spencer Brown, George (1979): Laws of Form, New York: Dutton (1969 i.O).

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_37, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Wey-Han Tan

»Der sinnliche Trieb will bestimmt werden, er will sein Objekt empfangen; der Formtrieb will selbst bestimmen, er will sein Objekt hervorbringen; der Spieltrieb wird also bestrebt sein, so zu empfangen, wie er selbst hervorgebracht hätte, und so hervorzubringen, wie der Sinn zu empfangen trachtet.« Schiller 1795

Medien bestimmen, wie wir uns ausdrücken und was wir als Mitteilung erkennen können. Gleichzeitig sind Medien selbst Artefakte und Gegenstand von Veränderung. Ob die Form einer Vorlesung, eines Computerspiels oder eines Sammelbands: Das, was erwartet, gesagt und verstanden werden kann, ist gleichermaßen Bedingung und Ergebnis des Mediums. Würde ein Radio z.B. neben der Funktion als Empfänger noch zum Sendeapparat für Jedermann werden, wie Brecht es sich 1932 vorstellte, würde die Verschiebung der Grenzen des bestehenden technischen Mediums und seiner Sendeformate eine Neudefinition nötig machen: Es wäre kein Radio mehr. Wenn man sich hingegen in beliebig viele personalisierte Mailinglisten eintragen kann und die dortigen Mails auf maximal 140 Zeichen beschränkt werden, dann srnailtx man zwar nicht mehr, befindet sich mit Twitter aber immer noch in einer Form des vernetzten, digitalen Mediums. Das meuee Medium kann im Vergleich zu sklassischerx Medien seine Regeln und Grenzen auf dieselbe Art und Weise codieren wie seine Inhalte. Ein virtuelles Blatt Papier mit gedruckter Information kann so z.B, im Computer hunderte von Quadratmetern groß sein; die Abschnitte können nichtlinear aufeinander verweisen; ihre Position zueinander verändern; vom Leser ergänzt oder erneut publiziert werden. Auch eine Landkarte, bibliografische Fußnoten, ein Zettelkasten oder ein schwarzes Brett können dies leisten, aber das sneueeMedium kann Eigenschaften dieser sklassischenc Medien simulieren und darüber zusammenführen, erweitern oder unterbinden. Webseiten, elektronische Präsentationen oder Tweets sind zwar sneuee Medien, aber gleichzeitig selbst Formen im neuen Medium. Dieses kann deshalb so dynamisch, schnelllebig und emergent sein, weil hier »Medialität [...] zur Form in einem Medium« (Meder 2008: 47) werden kann, weil es einen »Raum, Räume zu schaffen« (Sesink 2008: 15) darstellt. »Always Beta« bzw. das »Prinzip Baustclle«, beides inoffizielle Leitfiguren des *mms und des Projekts »ePUSH« (vgl. z.B, Appelt 2008), stehen so nicht nur für einen geforderten offenen Umgang mit sneuene Medien seitens der Nutzer, sondern auch für das mediale Charakteristikum, das diese Art des Umgangs erforderlich macht. Mit der aktuellen Idee eines Metamediums als dominierendes Verbreitungsmedium (Baecker 2007: 7), in dem beliebige neue Medien in potentia möglich sind, stellt sich

Neue Medien (er-)spielen

.435

die medienpädagogische bzw. bildungstheoretische Frage, wie man sich dieser Seite der Medialität annähern kann. Mallen, Bloggen oder ein Social-Network-Profil inhaltlich zu gestalten >lernt< man üblicherweise, indem man sich den Gegebenheiten des und den allgemeinen Erwartungen an das Medium unterwirft. Das >Erfinden< neuer analoger und digitaler Medien bzw. medialer Formate scheint dagegen Avantgarde-Künsdern und Startup-Unternehmen vorbehalten zu sein. Erleichtern lässt sich diese Aufgabe, wenn wir neue Medien mit Regelspielen und Mediendesigner mit Spielerfindern vergleichen: Wenn wir die Züge und Entscheidungen in einem Spiel als regelkonformen, expressiven und kreativen Kommunikationsprozess zwischen den Spielern ansehen, dann stellt die Summe aus Spielregeln und -material ein Mikromedium im Medium Spiel dar. Eingabegeräte, Internetanwendungen und vernetzte Gemeinschaften können so durch technische oder konzeptuelle Umdeutung zu Spielmaterial, Spielfeld und Spielfiguren werden, während das Erstellen von und Reagieren auf Informationen das Wesen von Spielzügen annimmt: Das Spielen von Counterstrike, Fußball oder einem Quiz wäre vergleichbar mit der Nutzung von Twitter, Kommunikation in sozialen Netzwerken oder der Teilnahme an einem E-Learning-Modul. Spiel und Spielen teilen weitere Eigenschaften mit dem digitalen Medium: Es können beliebige technische und inhaltliche mediale Formen integriert werden; Interaktivität, Dialogizität und Prozesshaftigkeit sind bezeichnend für den Umgang; und emergentes, grenzüberschreitendes Verhalten wird unterstützt, wenn nicht herausgefordert. Eine Veränderung der Spielregeln - dies umfasst auch die Bedeutung dessen , was man tut und warum man es tut - kann als eine Veränderung zweiter Ordnung betrachtet werden, in diesem Fall die Erstellung eines neuen Spiels bzw. eines neuen Mediums. Exemplarisch lässt sich dies - sowohlludisch als auch medial - darstellen an MMOGs (Massive Multiplayer Online Games) wie »Nethernet«, Alternate Reality Games wie »World Without Oil« oder dem umfangreichen Archiv von »TV-Tropes«. »Nethernet« (Hall et al. 2007) deutet den alltäglichen monologischen Akt des Surfens und Recherchierens zu einer Sequenz dialogischer Spielzüge um, die auf das gesamte WWW als potentielles Spielfeld mit allen Webseiten als umkämpfte Ressourcen zugreift; »World Without Oil« (Eklund et al. 2007) lässt Spieler vor dem Hintergrund einer fiktiven Ölkrise ihre Spielzüge als sich aufeinander beziehende Äußerungen, Publikationen und mediale Einspeisungen in Form von Blogs, Forumsbeiträgen, Youtube-Filmen etc. vornehmen. Das digital-vernetzte Medium dient bei Spielen wie »Nethernet« oder »World Without Oil« als lliusionsmaschine, als eine frei gestaltbare Bühne, bei der Requisiten und Dramaturgie der Informationshandhabung beliebig

436

Wey-Han Tan

umgedeutet werden können - genauso wie beide Spiele ihrerseits bereits Abwandlungen bzw. Erweiterungen bestehender analoger und digitaler Spieltypen darstellen. Neben der Generierung von Gemeinschaften und Inszenierungen zu einem bestimmten Thema können diese für das Spiel erschlossene Räume Ausgangspunkt für Medienautoren sein und umgekehrt. Demgegenüber versucht sich das von Nutzern ständig erweiterte »TV-Tropes«-Wiki (TV-Tropes 2004--2010) dokumentarisch an einer Sammlung und Genealogie sämtlicher konzeptuell-inhaltlicher Tropen von TV-Serien, Film und Computerspielen. Es ist ein Bottom-Up Versuch, den Möglichkeitsraum für inhaltliche Kreation und Rezeption dieser Formate vollständig abzubilden: Es ist u.a. ein Katalog mit >Spielmateriak für potentielle Autoren und Hinweisgeber auf die Funktionsweise, d.h. auf die Spielregeln von Unterhaltungsmedien. Im Vergleich zur sernsrenc Simulation als metamediale Ausprägung des Digitalen besitzt das Spiel sowohl Einschränkungen als auch Freiheiten: Abbildungstreue und damit auch die Übertragbarkeit von simulierten Objekten, Prozessen und Systemen ins Reale ist im Spiel optional, während ihm anarchistische Tendenzen von Zerstörung, Ablehnung, Umdeutung und Kreation zu eigen sind: Es geht beim Spielen nicht oder zumindest nicht nur um das Finden des besten oder sinnvollsten Wegs, sondern um das lustvolle Erfassen des Terrains, des Möglichkeitsraums, in dem man sich mit jedem konkteten Spiel bewegt. Unsinn und Verwerfungen, Umwege und Scheitern gehören zum Spiel genauso wie strategisch sinnvolles und zielgerichtetes Handeln. Ein spielerischer Umgang mit Medien - sowohl inhaltlich, konzeptuell als auch mit medialen Grenzen und Erwartungen - könnte im größeren Rahmen das fördern, was als »adaptives Verhaltenspotential« eine Grundbedingung für eine mit ständiger sozio-technischer Veränderung konfrontierten Gesellschaft (Sutton-Smith 1978: 82) darstellt; es könnte weiterhin einen besonders geeigneten Mittler zwischen Veränderung und Identität zur Verfügung stellen. Im Vergleich zu den analogen mögen die digitalen Medien und ihre Spiele technisch hermetisch erscheinen, ihre Konzepte sind jedoch genauso offen für Hausregeln wie Kartenspiele: »A new card game starts in a small way, either as someone's invention, or as a modification of an existing game.« (Will »Card game« 2001-2010). In dieser Hinsicht ist »ePUSH«, sind die meisten Projekte im Bereich »e« als Versuche zu werten, neue, interessante Spiele mit sinnvollen Spielzielen zu entwerfen. Die Frage, die sich für die Zukunft stellen wird, ist aber diese: Wie ermöglicht und erleichtert man es den Mediennutzern, zur nächsten Generation von Medienerfindern zu werden?

Neue Medien (er-)spielen

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Literatur Appelt, Ralf (2010): AlwaysBeta - Prinzip Baustelle. Blogbeitrag vom 3.11.2008 im Blog des *mms der Fakultät EPB, s. unter http://blogs.epb.uni-hamburg.de/mms/2008/11/03/always-beta-prinzipbaustelle/ [12.11.2010]. Baecker, Dirk (2007):Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Eklund, Ken/McGonigal, Jane/Cook, Dee/Lamb, Marie/Senderhauf, Michelle/Wells, Krystyn (2007): World Without Oil. Free online multiplayer educational game, Independent Lens, s. unter http:// www.worldwithoutoil.org/ [8.10.2010]. HaU. Justin/Gough, Duncan/Grace, Merci Victoria (2007-2009): Nethernet. Free networked online massive multiplayer game, 2007 bekannt als PassivelyMultiplayer Online Game PMOG, s. unter http:// thenethemet.com/ [14.08.2010]. Meder, Norbert (2008):Die Luhmannsche Systemtheotie und der Medienbegtiff. In: Fromme,]ohannes/Sesink, Werner (Hg.): Pädagogische Medientheorie, Wiesbaden: VS Verlag, 37-49. Sesink, Werner (2008):Bildungstheorie und Medienpädagogik. Versuch eines Brückenschlags. In: Fromme,]ohannes/Sesink, Werner (Hg.):Pädagogische Medientheorie, Wiesbaden: VS Verlag, 13--35. Schiller, Friedrich (1879):Über die Ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen. Vierzehnter Brief. In: Sämmtliche Werke, vierter Band, Stuttgart: JG. Cotta'sche Buchhandlung (1795 i.Q.), 558--573,s. unter http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=2397&kapitel=1#gb_found [8.10.2010]. Sutton-Smith, Brian (1978):Die Dialektik des Spiels, Schorndorf: Verlag Karl Hofmann. Wiki »TV Tropes - Television Tropes and Idioms« (2004--2010), s. unter http://tvttopes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/HomePage [8.10.2010]. Wiki »Card game« (2001-2010), s. unter http ://en.wikipedia.org/wiki/Card....game [29.09.2010].

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T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5_38, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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Sebastian Plönges

»Ironie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles, was zugleich gut und groß ist.« Friedrich Schlegel 1797 »Everything is filled with magic and beauty.« Com&Com2008

Im Frühjahr 2009 fand an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Harnburg ein in mindestens zweifacher Hinsicht merkwürdiges Projektseminar statt. Unter der Leitung von Torsten Meyer und in Kooperation mit Johannes Bedinger und Theresa Rieß stand dabei die theoretische und praktische Arbeit mit dem »firs:postironic manifesto« des Schweizer Künstlerduos Com&Com im Mittelpunkt (vgl. Meyer 2009). Merkwürdig ist dabei zunächst der Begriff »Postironie« - was soll man sich darunter vorstellen? Der folgende Artikel ist Ergebnis des Versuchs, ihr auf die Spur zu kommen. Dazu wird ein Umweg über die Form der Ironie unerlässlich sein: »Ist das ironisch gemeint?« - Diese Frage steht fast notwendig am Beginn der Erörterungen. Ebenso eine Warnung: Man muss Johannes Hedinger und Marcus Gossolt, alias Com&Com, mit Vorsicht begegnen, wenn sie eine Distanzierung von Ironie proklamieren. Denn insbesondere während ihrer frühen Schaffensphase zeichneten sich die Arbeiten der beiden Schweizer in besonderem Maße durch Formenbildung im Medium der Ironie aus; es handelte sich um Parodien und Überzeichnungen, Provokationen und Fakes. Kann man sich dem Phänomen der Postironie überhaupt unironisch nähern? Kornelia Imesch interpretiert das Manifest in ihrem Aufsatz ))Com&Coms )Wiedergeburt< in der Schönheit und im Werk« als eine Trendwende und Absage an »poststrukturalistische Meta- und Dekonstruktionsdiskurse«, als ein »Echtheitsrevival« sogar (vgl. Imesch 2010: 390). Eine gänzlich unironische Lesart ist offenbar möglich . Im vorliegenden Aufsatz wird aber eine alternative Interpretation vorgeschlagen, die weder den Postironiker ironisiert noch die großen Erzählungen von Vernunft, Wahrheit, Geschichte, Fortschritt oder Kunst reanimieren muss. Es gibt einen dritten Weg zwischen alltäglich gewordener Trivialironie und reaktionärem Realismus: Man nimmt das postironische Manifest ernst und diskutiert die Folgen dieser Entscheidung. Wir nä-

Postironie als Entfaltung

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hern uns dafür dem Postironiker zunächst über seine Distanzierungvon der Ironielund fragen anschließend, ob es in Anbetracht dieser Distanzierung möglich ist, das postironische Manifest als Ankündigung eines Paradigmenwechsels zu interpretieren. Diesbezüglich werden allerdings Zweifel anzumelden sein; möglicherweise geht es gerade um die Rettung der Ironie in Zeiten ihres inflationären Gebrauchs. Zuletzt wird in Form eines Ausblicks die Form der postironischen Haltung mit rezenten Entwicklungen der Nutzung von Medien (z.B, der Realität oder des worM wide web) parallelisiert - in einem zweiten Sinne des Wortes smerkwürdigc Merkwürdig, weil es sich womöglich um eine empfehlenswerte Weise des Umgangs mit Realitäten handelt, der eine Zukunftsfähigkeit bescheinigt werden kann.

Die Form der Ironie Womit hat man es zu tun, wenn von xlroniee die Rede ist? Eine gängige Definition schlägt zum Beispiel Wolfgang Kayser vor, wenn er schreibt: »Bei der Ironie ist das Gegenteil von dem gemeint, was mit den Worten gesagt wird.« (Kayser 1969: 111f.) Doch möglicherweise sind diese und ähnliche Versuche bereits zu exklusiv. Ich schlage vor, Ironie in erster Annäherung und unter Nutzung der Notation George Spencer Browns »Laws of Form« als die Einheit der Differenz von Gemeintem, aber nicht Gesagtem bzw. Gesagtem und möglicherweise Gemeintem zu skizzieren:

Ironie

=

I

Nicht-Gesagtes IGemeintes I

Das Gemeinte liegt im Bereich des Nicht-Gesagten: Man meint also, was man nicht sagt (und muss, nebenbei bemerkt, auch nicht mehr meinen, was man sagt) (vgl.

1 Vgl. beispielsweise folgenden Kommentar von Johannes Hedinger im Weblog »beizzweinulkc Wir »sind müde geworden, den Agent-Provocateur, den Betriebskaspar [siel] und die Superironiker Zu geben. Das stetige Dekonstruieren, Brechen und Zweifeln 3. Grades kotzt uns an. [.. .] Postirony ist dabei ein erster Schritt, eine Krücke und Keil, um sich vom der teils auch belastenden Vergangenheit zu befreien,« S. unter http://beizzweinull.wordpress.com/2009/07/27/ endlich-mal-was-schones/ [20.10.2010].

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Baecker 1997: 488). Die Beziehung kann dann auch die Form einer Negation" annehmen - ebenso gut aber auch unbestimmt bleiben. So oder so, damit steht ein Problem im Raum: Das Verhältnis von Gesagtem und Gemeintem ist unklar, der Interpret wird daraus nicht schlau. Was unter normalen, unironischen Umständen als Fehler in der Kommunikation gelten könnte, wird bei der Verwendung von Ironie bewusst forciert: Beide Anschlussmöglichkeiten, ironisch oder nicht, sind denkbar und wahrscheinlich - ohne weitere Anhaltspunkte oszilliert der Beobachter zwischen Ja und Nein - die Interpretation bleibt in der Schwebe.' Dieser Umstand kann auf zwei völlig verschiedene Arten taktisch ausgenutzt werden: Einerseits mag die ironische Rede der Selbstentlastung dienen. Sobald der Mitteilende in das Medium der Ironie wechselt, geht er auf Nummer sicher; er macht sich unangreifbar, indem er sich einer Festlegung entzieht: Jeder denkbare Einwand kann unter Verweis auf die ebenso wahrscheinliche andere Seite der Unterscheidung unterlaufen werden. Diese triviale Form der Ironie, die sich das potentielle Negationsverhältnis zunutze macht, hat sich als Strategie etabliert, als Redemodus verselbständigt; man könnte sie destruktive Ironie nennen. Um diese Spielart der Ironie geht es im Folgenden nicht mehr, sie hat die Stufe des rhetorischen Tricks nie verlassen. Aber es ist eine andere, eine konstruktive Form der Ironie denkbar," Diese zweite Form scheint beispielsweise Donna Haraway im Blick zu haben, wenn sie schreibt, dass Ironie »von Widersprüchen [handele], die sich nicht - nicht einmal dialektisch - in ein größeres Ganzes auflösen lassen, und von der Spannung, unvereinbare Dinge beieinander zu halten, weil beide oder alle notwendig und wahr sind,« (Haraway 1985: 1) Hier ist möglicherweise die originäre Leistung der Postironie zu verorten: Sie ist das Aber nicht: bloße Negation (obschon sie als solche benutzt, interpretiert werden kann). Die Idee der Unterscheidung ist grundsätzlicher, radikaler als die Idee der Negation. Denn die Idee der Negation setzt immer schon das Vorhandensein einer Position voraus, wie Niklas Luhmann (vgl. 1997: 926f.) zutreffend bemerkt. Für das Spencer Brown'sche cross muss die Position aber nicht notwendig gegeben sein. Vgl. dazu vertiefend: Lau 2008: 122f. 3 Vgl. folgende Analogie zum Lügner-Paradox: S1: Die Aussage von S2 ist ironisch. S2: Die Aussage von S1 ist nicht ironisch. Aus der Ironie von S2 resultiert, dass auch Sl ironisch ist. Wenn aber Sl ironisch gemeint ist, ist die Aussage von S2 ernst zu nehmen: Sl ist folglich nicht ironisch und informiert uns über die Ironie der Aussage S2. Wir haben es mit einem infiniten Regress zu tun, einem potentiell unendlichen Oszillieren. 4 Für den Vorschlag, von der Ironie Abstand zu nehmen und stattdessen Humor zu beweisen, danke ich Sänke Ahrens. Vgl. ders. 2011: 197: »Der Humor kann damit als die Habitus gewordene Verantwortungsethik des Experimentators angesehen werden, als Haltung gegenüber der Haltlosigkeit.« 2

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Angebot einer Möglichkeit des produktiven Umgangs mit Kontingenzen - in Anbetracht und Abgrenzung von der alltäglichen Feigheit des Taktierens im Medium der destruktiven Trivialironie. Um diese Hypothese faktisch zu untermauern, muss Ironie im Prozess der Kommunikation berücksichtigt werden; ein statisches Verständnis bleibt notwendig unterbestimmt,"

Die Ironie der Kommunikation Wie wird die Differenz von Gesagtem und möglicherweise Gemeintem prozessiert? Wer entscheidet defacta über Ironie und Ernst? Es ist, so muss man notorisch erinnern, die ironische Kommunikation selbst, in der die Ironie liegt.6 Wir re-formulieren, wiederum unter Rückgriff auf Spencer Brown:

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Ironische Kommunikation = I Mitteilung Information I Das Was der Information tritt zurück, das Wie der Mitteilung schiebt sich in den Vordergrund: Die Mitteilung wird als Information behandelt," Jegliche Kommunikation gerät unter Ironieverdacht: Mitteilung und Information stehen fortan in einem Spannungsverhältnis. Nichts ist mehr eindeutig; und dennoch muss man in der Folge irgendwie damit umgehen, dass beide Anschlussmöglichkeiten offen sind," Das Problem, auf das Postironie eine Antwort sein konnte, stellt sich, sobald Ironie einmal ins Es ist kein Zufall, dass Ironie in der Regel auf Interaktion zwischen Anwesenden angewiesen ist und im Medium der Schrift nur schwer vollständig simuliert werden kann. 6 S. hierzu Luhmann 1997: 96: »Diese Eigendetermination ermöglicht erst das Tolerieren, ja absichtliche Placieren von Unbestimmtheiten, zum Beispiel von Fragen von Mehrdeutigkeiten, von paradoxen Mitteilungen, von Ironie. Die Kommunikation selbst entscheidet, notfalls über Rückfragen oder Unbeachtetlassen, über ihre eigenen Ansprüche an Bestimmtheit, ebenso wie über einen bestimmten Verwendungssinn von Unbestimmtheiten. Und die letzte Kontrolle über die Selbstfesdegung auf der Dimension von bestimmt zu unbestimmt liegt in der Frage, was zur Fortsetzung bzw. zum Abbruch laufender Kommunikationen beiträgt.« 7 S. Fuchs 1993: 102: »Das wird notwendig [... ], weil die Fremdreferenzseite [also: die Information, S.P.] unbestimmbar (unendlich) gesetzt (transzendentalisiert) wird.« Hier lohnt sich offenbar der terminologische Vergleich von Fuchs und Schlegel, denn auch Letzterer hatte Ironie seinetzeit als »epfdeixis der Unendlichkeit« bzw. »transcendentale Buffonierie« umschrieben (vgl. dazu ebd.: 94). Bezeichnend übrigens, dass es der bouffon, der Hofnarr, war, dem es im Rahmen schelmischer Rede als einzigem gestattet war, dem König zu widersprechen. 8 Konsequent bezeichnet Fuchs die Ironie als »Urfigur des double bind« (ebd.: 93). 5

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Spiel gekommen ist: Man wird sie nicht wieder los. Da hilft weder Augenzwinkern noch das Beteuern, man meine das alles keinesfalls ironisch - denn solche Beteuerungen verweisen immer schon auf die Möglichkeit von Ironie: »Innocence lost cannot be reclaimed so simply.« (Shakar 2002: 140) Die Ironie setzt sich parasitär in der Kommunikation fest - sie gleicht einem Virus, dem nur schwerlich Herr zu werden ist, nachdem es sich einmal eingenistet hat. Der Ironiker de-präzisiert, er manipuliert, er führt Kontingenzen, Rauschen und Unschärfe ein, wo der Aufklärer ehedem um Eindeutigkeit, rauschfreie Klarheit und Widerspruchsfreiheit bemüht war (vgl. Fuchs 1993: 100 und 108 sowie Baecker 1997: 493). Der Ironiker mag sinngemäß als ein Vorfahre des zeitgenössischen Hackers gelten, denn auch dieser »nistet sich wie ein Parasit in den herrschenden Sprachspielen ein und bringt sie mit seinen Interventionen zum Rauschen,« (Baecker 2008: 80?

Die Entfaltung Im Entweder und Oder von Ja] Nein und Ja undNein entscheidet sich der Postironiker für das Ja (beziehungsweise die Authentizität, das Ungebrochene, die Schönheit und den Zauber). Er setzt alles auf eine Seite (ohne zu leugnen eine Wahl gehabt zu haben), er markiert seinen Präferen!(JVerl, und das alles ist ihm nicht peinlich: Er trifft eine Unterscheidung und übernimmt die Verantwortung dafür - er deklariert sie geradezu. In regenbogenfarbener Manifestform sogar - und hofft so, Erwartungen zu stabilisieren. Die Errungenschaften ironischer Kommunikation werden nicht aufgegeben das wäre ein fataler Schritt und insofern ist die Rede von einem »Revivalder Echtheit« nur das objektivistische Pendant zur oben skizzierten Trivialform der Ironie: Es geht nicht zurück in die Höhle oder in ein prd-ironiscbes Paradies, naiver Realismus ist keine Option. Die großen Erzählungen können einstweilen bleiben, wo sie sind, es besteht kein Bedarf an Wiedergeburt. In der hier vorgeschlagenen Lesart ist das Aushalten - nicht Ausschalten! - von Kontingenzen die Stärke des Postironikers, der somit eine freie und produktive Option zur Entfaltung der Ironie-Paradoxie anbietet. Nur wer Offenheit und Wahlmöglichkeiten besitzt, kann verantwortlich handeln: »Freiheit und Verantwortung gehören zusammen«, wie Heinz von Foerster stets betonte (vgl. Foerster 2008: 36). Durch die Übernahme von Verantwortung und die Benennung des Beobachters gelingt es dem Postironiker zugleich, Ironie in ihrer elaborierten Form aufrechtzuerhalten - das postironische Manifest von Com&Com ist hierfür das beste Beispiel, es ist hinrei• In diesem Sinne kann der oben in Fußnote 7 erwähnte bouffon als ein ,Hacker am Hofee gelten ,

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chend offen in der soeben skizzierten Art. Zugleich zeigt sich: Das Problem, auf das die Postironie eine Antwort sein könnte, hört auf ein Problem zu sein, sobald man produktiv mit Paradoxien umzugehen lernt. Für die Form der Postironie mag damit gelten, was Niklas Luhmann seinerzeit für die Formen der Postmoderne so treffend auf den Punkt brachte: Man solle sich mit dem Vergnügen des Wiedererkennens nicht begnügen: »Das wiederverwendete Formenarsenal ist anders gemeint.« (Luhmann 1997: 1149) Während des ganzen Kreuzens und Oszillierens ist Zeit vergangen und man muss vor zu eiligem Verstehen warnen. Die Form der Postironie schließt, wie jede Form, ein, was sie ausschließt. Ob all diese Beobachtungen nun tatsächlich auf die Postironie Hedingers und Gossolts zutreffen? Ob das alles so gemeint war? Wer weiß das schon . . . Das postironische Manifest erlaubt das Schweben im Kontingenten und einen produktiven Umgang damit zugleich - wenn man es so lesen will und bereit ist, dafür zu argumentieren.

Post Scriptum: eine Übersetzung Zu Beginn des Artikels wurden dem Leser zwei Merkwürdigkeiten versprochen, und dieses Versprechen ist bislang nur zur Hälfte eingelöst worden. Die zweite Merkwürdigkeit rechtfertigt nicht zuletzt die Veröffentlichung dieser Überlegungen im Rahmen eines Buches, das mit »Medien & Bildung« überschrieben ist. Die These, die hier nicht ausgeführt, aber doch wenigstens angedeutet werden kann, lautet wie folgt: Angemessene Theorien und Praxen der Erziehung, des Mediums oder nicht zuletzt der Wissenschaft müssen der Haltung Rechnung tragen, die hier unter Verweis auf Postironie veranschaulicht worden ist. Das Spiel ist riskant, denn es sind immer abweichende Erklärungen, Übersetzungen, Nachrichten oder Expertisen verfügbaraber all das rechtfertigt keine Distanzierung zur bloßen Sicherung der mutmaßlichen eigenen Überlegenheit und auch keine zu einfachen Wahrheiten. Das Spiel ist immer schon in Gang und kann nicht unterbrochen werden, Beschreibungen im Verhältnis 1:1 sind unmöglich. Es ist ein selektiver Umgang mit Selektivität gefordert, der für so manchen Zögling der ubiquitären Internetkultur mit ihren instantanen Kommunikationsoptionen selbstverständlich und intuitiv ist. Selbstverständlicher und intuitiver jedenfalls als für viele seiner Lehrer.

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Literatur Ahrens, Sänke (2011): Experiment und Exploration. Bildung als experimentelle Form der Welterschließung, Bielefeld: transcript.

Baecker, Dirk (2008): Nie wieder Vernunft, Heidelberg: Carl Auer Verlag. Baecker, Dirk (1997): Ernste Kommunikation. In: Merkur, H . 579 Guni), 486--495. Foerster, Heinz von (2008): Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners, Heidelberg: Carl Auer Verlag. Fuchs, Peter (1993): Modeme Kommunikation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Haraway, Donna (1985): Ein Manifest für Cyborgs, 18 S., s, unter http://www.hermeneia.ch/cyborgmanifesto.pdf [20.10.2010]. Imesch, Kornelia (2010): Com&Coms »Wiedergeburt« in der Schönheit und im Werk. In: Hedinger, Johannes M./Gossolt, Marcus/CenttePasquArt Biel/Bienne (Hg.): Lexikon zur zeitgenössischen Kunst von Com&Com. La realite depasse la fiction, Sulgen/Zürich: Niggli, 388--390. Kayser, Wolfgang (1969): Das sprachliche Kunstwerk, Bern: Francke (1948 i.O). Lau, Felix (2008): Die Form der Paradoxie, Heidelberg: Carl Auer Verlag. Meyer, Torsten (2009): Kommunikation und kultutelle Innovation im Zeitalter der Postironie und Utopie 2.0. Eine Seminarankündigung, s. unter http://medialogy.de/2009/02/05/projektseminar-comcom/ [20.10.2010]. Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Schlegel, Friedrich (1967): Lyceums-Fragmente. In: Ders.: Charakteristiken und Kritiken 1(1796--1801), hg. v. Hans Eichner. Band 2 der 1. Abteilung der Kritischen Friedrich-Schlegel-Ausgabe, München/Paderborn/Wien: Schöningh (1797 i.o.), 147-163. Shakar, Alex (2002): The Savage Girl, New York: Harper, Spencer Brown, George: (1979): Laws of Form, New York: Dutton (1969 i.O).

Autorenverzeichnis Ralf Appelt I Dipl.-Päd., ist seit 2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter des MultiMedia-Studios der Fakultätfiir E'iJehungswissenscha[t, Psychologie und Bewegungswissenschaft an der UnilJersität Hamburg. Er hat in Hamburg Erziehungswissenschaft mit den Schwerpunkten Erwachsenenbildung, Personalentwicklung, sowie Medien und Bildung studiert. Der Schwerpunkt in seinem MA-Studiengang»ePedagogy Design - Visual KnowledgeBuilding«inHamburgundHdsinkilaginderNutzungvonsocialSoftwareimBildungskontext.Seine Forschungsinteressensindmobilelearningunddie UnterstützungvonBildungsprozessenmitsocialSoftware. Näheres unter: http://appdt.net/

Helga ßechmann I M.A., studierte Anglistik, Amerikanistik undJapanologie an der UnilJersität Hamburg, Swansea University (Wales, GB) und am SmitbCollege (USA). Hdga Bechmann ist seit 2005 Projektleiterin im Multimedia Kontor Hamburg (MMKH), Bereich eLearning-Support. Zu ihren Aufgabenschwerpunkten gehören die jährliche Konferenz »Campus Innovation« und die Begleitung von e-learning-bezogenen Aktivitäten der Hamburger Hochschulen sowie generell Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen. In ihren vorherigen Tätigkeiten war Helga Bechmann u.a. bei der GeseUschaftfiir Technologieförderung Itzehoe für mehrere EU-Projekte aus dem Programm »Information Society Technologies« zuständig und arbeitete als Koordinatorin für Internationale Beziehungen in der PrajekturlJerwaltung Kochi, Japan.

Norbert ßreier I Prof. Dr, rer, nat, Dr, paed. habil., seit 2003 als Professor für Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Didaktik der Informatik an der UnilJersität Hamburg tätig, davor 27 Jahre an der Universität Greifswald in der Informatik und ihrer Didaktik gearbeitet. Meine Arbeitsschwerpunkte in Lehre, Forschung und Gremienarbeit sind die informatische Bildung und die Medienbildung, so war ich z.B, in der GeseUschaft fiir Informatik sechs Jahre Sprecher des Fachausschusses »Informatische Bildung in Schulen« und habe einige Empfehlungen der GeseUschaft fiir Informatik zur Förderung der Schulinformatik federführend vorbereitet. Näheres unter: http://www.erzwiss.uni-hamburg.de/personal/breier Mirjam ßretschneider I ist seit dem Wintersemester 2004 an der Universität Hamburg und studiert seit 2006 Erziehungswissenschaft (Diplom). Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind Beratung und Medienpädagogik. Zur Zeit schreibt sie ihre Diplomarbeit über »Blended Learning und die Sdbstmanagementmethode Introvision«.

Tcn]c Carstensen I Dr, phil., Soziologin, stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe »Arbeit- Gender Technik«der TU Hamburg-Harburg, aktuell Leitung des Projekts »Subjektkonstruktionen und digitale Kultur«, Studium der Soziologie, Volkswirtschaftslehre, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und Pädagogik in Marburg und Hamburg, Betriebsrats- und Gewerkschaftsarbeit in der Kinobranche. Promotion über die soziale Konstruktion des Internets in politischen Diskursen. Seit 2003 in der Arbeitsgruppe »Arbeit - Gender Technik« der TU Hamburg-Harburg. 2007 Mitgrüodung des Feministischen Instituts Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Technik- und Internetsoziologie, Geschlechterforschung, Arbeitssoziologie, Diskursforschung. Näheres unter: http://www.tu-harburg.de/agentec/team/carstensen.htm Manfred Faßler I Prof. Dr, habil., Dipl.-Soz., Goetbe-Universität Frankfurt a.M. Lehrgebiete: Kommunikations- und Medienwissenschaften, Netzwerkforschung, Wahrnehmungstheorien, Interaktionsforschung,

T. Meyer, et al. (Hrsg.), Medien & Bildung, DOI 10.1007/978-3-531-92082-5, © vs verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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digitaleEntwurfs- und Gestaltungsprozesse, Bildwissenschaft,Global Digital Culture und Wissenskulturen. Näheres unter: http://fame-frankfurt.de; http://www.uni-frankfurt.de/fb/fb09/kulturanthro/staff/ fasslerhome.html Mare Göcks I Dr, rer, pol., ist Geschäftsführer des Multimedia Kontor Hamburg (MMKH), einem Unternehmen der Hamburger Hochschulen. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin war er seit 2002 als Projektmanager eines E-Leaming-Projektes des BMBF an der Brandenburgirchen Technischen UniVlirsität Cottbus (BTU) tätig. Im Jahr 2004 übernahm er die operative Leitung des Hochschulverbundes ftJr eLearning undMultimedia in Brandenburg (HVMB). Ende 2006 promovierte er an der BTU zum Dr, rer, pol. Seit Anfang 2007 arbeitet er für das MMKH, zunächst als Leiter des hochschulübergreifenden Projektprogramms »eCampus« und seit März 2008 zudem auch in der Funktion des Geschäftsführers. Andreas Hebbel-Seeger I Prof. Dr, Sportwiss., studierte Erziehungswissenschaft, Sport und Deutsch an der Universität Hamburg. Nach Staatsexamen und Promotion absolvierte er zunächst sein Referendariat im Schuldienst und trat anschließend eine Hochschullehrerstelle am Fachbereich Sporlwissenscheift der UniversitätHamburg an. Später vertrat er an der UniVllrsität Augsburg am InstitutftJrMedien undBildungstechnologie die Professur für digitale Medien. Heute ist er Professor für Medienmanagement an der Macromedia Hochschule ftJr Medien und Kommunikation und Prodekan am Campus Hamburg. Sein Schwerpunkt in Forschung und Lehre liegt auf der Nutzung digitaler Medien zu Lehr- und Lern- und Marketingzwecken. Thomas Höhne I Prof. Dr, phil., Pädagogische Hochschule Freiburg, Allgemeine Erziehungswissenschaft. Arbeitsschwerpunkte: Gesellschafrliche und politische Rahmenbedingungen von Bildung, Veränderungen von Bildungssteuemng, Politische Ökonomie der Bildung, Erziehungswissenschaftliche Wissensforschung, Methoden der Bildungsforschung, Schulbuchforschung. Benjamin Jörissen I Dr, phil., Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg/Institut ftJr Errjehungswissenscheift. Arbeitsschwerpunkte: Theorie und Methoden der Medienbildung; Theorien und Probleme der Identität; Historische Anthropologie der Erkenntnis; Qualitative Bildungs- und Sozialforschung, Näheres unter: http://joerissen.name/

I Aufzeichner von Anfang an. 1972-77 Staatliche Akademie derBildenden Kiinste Stuttgart, Universitäten Stuttgartund Tübingen, lebt und experimentiert in Göppingen,

Frieder Kerler

Ole Koch I Geboren und aufgewachsen nahe Kiel. Lehramtsstudium für die Oberstufe (Biologie und Physik) in Harnburg mit besonderem Interesse für »Medien und Bildung«. Studentischer Mitarbeiter im Projekt >>ePUSH« . Workshopleiter im Multimediastudio derFakultätEPB derUniversität Hamburg und freiberuflicher Mediengestalter. Jürgen Kirstein I Dr, rer, nat., Freie Universität Berlin, Fachbereich Pfrysik, forscht seit 1996 über multimediale Repräsentationen von realen Experimenten für das Lehren und Lernen in der Physik. Zuvor war er über zehn Jahre als Studienrat für die Fächer Physik, Mathematik und Informatik im Schuldienst tätig. Er hat das !BE-Format entwickelt (Interaktive Bildschirmexperimente) und zahlreiche Entwicklungs- und Evaluierungsprojekte zu Anwendungen von !BE in Schule, Hochschule und der Öffentlichkeitsarbeit konzipiert und verantwortlich geleitet. Seine Arbeiten wurden unter anderem mit dem »European Academic Software Award« (2000) und mit dem »Digita« (2008) ausgezeichnet. Als Kollegiat

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der Alcatel-Uicent Stiftung für Kommllnikationsjorschllng ist er seit 2002 am interdisziplinären wissenschaftliehen Austausch zu Grundfragen multimedialer Lehre und Lernens beteiligt. Näheres unter: http://didaktik.physik.fu-berlin.de/home/kirstein.html

WolFgang Legler I Prof. Dr, phil., em. Prof. für »Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Didaktik der ästhetischen Erziehung, Schwerpunkt: Bildende Kunst in der Primarstufe« an der Universität Hambllrg. 1983 und 1995 Gastaufenthalte am JordanhiU CoUege bzw. der Strathcfyde Usisersity in Glasgow, Schottland. 1993-95 Mitarbeit im Graduiertenkolleg »Ästhetische Bildung« der Delltschen Forschllngsgemeinsch# (DFG). 1999-2002 Lehraufträge an der Universität Bem im Nachdiplomstudiengang »Fachdidaktik Kunst und Gestaltung«, 2006---2009 Mitwirkung am Studiengang »Master of Advanced Studies in Fachdidaktik Kunst und Gestaltung« der Universität Bem. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte und bildungstheoretische Orientierung der Kunstpädagogik, Kunsterziehung in der Grundschule. Christian Lenz I verheiratet, 2 Kinder, Studium der Theologie und Physik für höheres Lehramt in G öttingen, seit 1991 Lehrer in Hamburg, davon ca. 10 Jahre an der Otto-Hahn-Gesamtschlile in Hamburg-Jenfe!d, seit 1997 unterschiedliche Tätigkeiten in der Lehreraus- und -fortbildung, 2003--2010 Referatsleiter Medienpädagogik am undesinstitlitfür LehrerbildNng lindSchlilentwicklllng in Hamburg, seit Mai 2010 Schulleiter des KMrt-Kijrber-Gymnasilims in Hamburg-Billstedt. Martin Lindner I Dr. phil. habil., seit 2005 Spezialist für Wissens- und Lernprozesse im Web 2.0 (Forschung und Beratung): Mikrolernen im Arbeitsfluss, informelles Lernen, Praktiker- und Expertengruppen, Netzwerke, virtuelle Teams, Unternehmen 2.0, lernende Organisation. Medienwissenschaftler, digitaler Immigrant. Im vergangenen Jahrhundert, in einem früheren Leben Literaturwissenschaftler (Dr, phil. habil.), Kontakt: [email protected] Timo Meisel I M.A., arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstlihlfür KunstlindihreDidaktik (Schwetpllnkt AktlieUe Medienkllltllr) der Universität 1!' Köln und darüber hinaus als Berater, Informationsdesigner und Designpublizist. Er forscht dazu, wie eine pädagogische Umgebung unter dem Vorzeichen der Digitalität aussehen kann. Malte Mertz I ist Studentischer Mitarbeiter im *mms eLearning Büro der Universität Hambllrg und hat zwei Seminare von Christina Schwalbe als Tutor im Rahmen von »Seminare ans Netz« unterstützt. Er studiert Lehramt mit den Fächern Sozialwissenschaften und Spanisch, mit einem Fokus auf Medienpädagogik, und schreibt seine Examensarbeit zum Thema »Identitätskonstruktion in Social Networks«. Außerdem sucht er als Scout für die Hamburger Agentur TrendONE Innovationen und neue Entwicklungen im Bereich Social Media und Web-Marketing. Auf Twitter ist er unter twitter.com/DoppelM zu finden. Torsten Meyer I Prof. Dr, phil., seit 2010 Professor für Kunst und Ihre Didaktik an der Universität 1!' Zuvor Juniorprofessor an der Universität Hambllrg. Leitung des MliltiMedia-Stlidios im Fachbereich EriJehlingswirsensch#, Projektleitung »ePUSH«. Arbeitsschwerpunkte: Pädagogische Medientheorie, Bildung im Neuen Medium, Globalisierung und Digitalisation, Lehren nach dem Ende des Durchblicks, medieninduzierte Wissensformationen und -formatierungen, Mediologie der Bildung, Hochschulentwicklung. Publikationen: Interfaces, Medien Bildung, Bie!efe!d 2002; (mit M. Scheibe! et al., Hg.): Bildung im Neuen Medium. Wissensformation und digitale Infrastruktur. Education Within a New Medium. Knowledge Formation and Digital Infrasttucture, Miinster/New York/Miinchen/Berlin 2008; (mit A. Sabisch, Hg.):

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Kunst Pädagogik Forschung. Aktuelle Zugänge und Perspektiven, Bielefeld 2009; zahlreiche Beiträge zur pädagogischen Medientheorie in verschiedenen Feldern, zuletzt: On the Database Principle: Knowledge and Delusion, In: Sonvilla-Weiß,Stefan (Hg.): Mashup Cultures, Wien/New York 2010. Näheres unter: http://www.medialogy.de

Wolfgang Neuhaus I Freie Universität Berlin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Pl(jsik,befasst sich in Forschung und Lehre mit Formen des mediengestützten Lehrens und Lernens unter konstruktivistischer Perspektive. Derzeit erarbeit er im Rahmen der Exzellenz-Initiative des BMBF ein Konzept für die multimediale Dokumentation naturwissenschaftlicher Forschungsszenarien in den Bereichen Nanophysik und Biophysik. In seinem Promotionsvorhaben befasst er sich mit didaktischen Voraussetzungen für die lemwirksame Nutzung multimedialer, interaktiver Mediendemente als Module des Lehrbuchs der Zukunft. Bei der Koordination von nationalen und internationalen Projekten wie z.B, »Lernportal Bildungsbegleitung<<, »Herbstschule E-Learning« und dem "World Tune Projekt« sammelte er umfassende berufliche Erfahrungen in den Bereichen Lehrerfortbildung, Berufliche Bildung und Hochschuldidaktik. Homepage: http://didaktik.physik.fu-berlin.de/home/neuhaus .html

Volkhard Nordmeier I Prof. Dr, rer, nat., Freie Universität Berlin; befasst sich mit der Entwicklung und Erprobung von Software zum Computereinsatz im Physikunterricht sowie der Erforschung von Formaten zur multimedialen Repräsentation realer physikalischer Experimente und innovativer Interaktionsformen in ICT-unterstützten Lehr-Lern-Szenarien für Schule und Hochschule. Mitherausgeber der Schulbuchreihe "Physik interaktiv«, der Zeitschrift "Praxis der Naturwissenschaften - Physik«, der OnlineZeitschrift "Physik und Didaktik in Schule und Hochschule« (phyDid) und der jährlich erscheinenden Medienreihe zur "Didaktik der Physik« des Fachverbands Didaktik tkr Pl(jsik der Deutschen Pl(jsikalischen Gesellschtift sowie Autor zahlreicher fachdidaktischer Publikationen. Näheres unter: http://didaktik.physik.fu-berlin.de/home/nordmeier.html Matthias Otto I Dip!. Psych., Studium der Psychologie in Hamburg, Lehrkraft für besondere Aufgaben im Zentrli111 ftir Schliisselkompetenzen tkr FakultätjiJrE'ifehungswissenschaft, P{Jchologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg, freier Berater und Trainer. Arbeitsschwerpunkte: Diagnostik sozialer Kompetenzen, Sdf-Assessments, Blended Learning, Kompetenztrainings in den Bereichen Konfliktbewältigung, Kornmunikationspsychologie, Nutzung digitaler Medien, Stress- und Zeittnanagement. Karl-Josef Pazzini I Prof. Dr, phil., Professor für Bildende Kunst und Erziehungswissenschaft (Universität Hambur;i), Psychoanalytiker in eigener Praxis. Arbeit an: Bildung vor Bildern, Psychoanalyse und Lehren, Wahn - Wissen - Institution, psychoanalytisches Setting, unschuldige Kinder. Näheres unter: http://mms.uni-hamburg.de/blogs/pazzini, http://freud1acan.de; http://www.cafdeonar.de/ Sebastian Plönges I studiert Philosophie und Geschichte für das Lehramt an der Oberstufe in Hamburg Studentischer Mitarbeiter im MultiMedia-SlJidio (*111111S) derFakultätjiJr Erziehungswissenschaft, P{Jchologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg. Arbeitsschwerpunkte sind Systemtheorie sowie pädagogische und systemische Medientheorie. Näheres unter: http://sebastian-ploenges.com Gabi Reinmann I Prof. Dr. phil., Dip!.-Psych., studierte Psychologie sowie Pädagogik und Psycholinguistik (promotion) und war bis 2001 am InstiM jiJr Empirische Pädagogik und Pädagogische P{JchoiIJgie an der Ll'vlUMünchen als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Assistentin tätig. 2001-2010 war sie Professorin

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fiir Medienpiidagogik an der UniversitätAugsbu'Xund gründete 2007 das InstitutPrMedien undBiidungstechnologie mit. Seit 2010 ist sie Professorin fiir Lsbren und Urnen mit Medien an der Universität der Bundes-wehr München. Arbeitsschwerpunkte: Didaktisches Design mit digitalen Medien, Wissensmanagement und Metathemen der Bildungsforschung. Näheres unter: http://gabi-reinmann.de

Daniel Röhe I ist Sonderschullehrer mit dem Unterrichtsfach Arbeitslehre, Technik, und arbeitet seit 2006 an der Bugenhagenschule, Harnburg. Er ist dort seit 2010 Schulleiter der Grundschule und Schule fiir Kinder mit besonderem Förderbedarf. Studiert hat Daniel Röhe an der Universität Hambu'X u.a, mit dem Schwerpunkt Medien und Bildung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind neben dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht und diverser Lehrerfortbildungen zum Thema vor allem Fragen der Integration von Schülern mit Behinderung in den Unterricht.

I Prof. Dr. rer, pol., ist seit 1986 Universitätsprofessor an der Universität Hamburg, Fachbereich Informatik. Seine Schwerpunkte sind Informatiksysteme in Organisationen und Gesellschaft, Umweltinformatik sowie interdisziplinäre Technikforschung. Er hat an der Universität Hambu'X die Lehr- und For-

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schungsschwerpunkte Umweltinformatik, Technikbewertung und Technikgestaltung etabliert sowie den Studiengang »Wirtschaftsinformatik« aufgebaut. Er ist Mitgründer der Forschungs- und Beratungsstelle FORBIT e.V.,Hamburg, sowie des Institutsfiir UmlJleltinformatik GmbH, Hambu'X (IFU).

Usa Rosa I hat 20Jahre als Lehrerin fiir Musik, Geschichte und Politik an einer Westberliner Gesamtschule und einem Hamburger Gymnasium gearbeitet. Seit 2005 ist sie am Lzndesinstitutfiiruhrerbiidung undSchulentIJIicklung Hambu'Xin der Lehreraus- und -Fortbildung tätig. Ihr Arbeitsbereich »Lernen in der Wissensgesellschaft« enthält die Schwerpunkte Lerntheorie. Medientheorie, Media Literacy, historisch-politisches Lernen, Erinnerungskultur in der deutschen Einwanderungsgesellschaft. Mit Referendaren und Lehrern erarbeitet Lisa Rosa in Projektseminaren Möglichkeiten der Lernprozessgestaltung mit Web-2.0-Medien und Projektformaten sowie die Erprobung neuer Ansätze selbstgesteuerten Lernens im Lernbereich Gesellschaft. Näheres unter: http://shiftingschool.wordpress.com; Arbeitsblog: http://lisarosa.wordpress.com; Twitter: http://twitter.com/lisarosa

I M.A., ist freiberuflicher Projektentwickler und Fachautor. Er arbeitete als Wissenschaftler in Medienprojekten an der Akademie derBildenden J{jJnste Stuttgart sowie am MultiMedia-Studio der Universität Hambu'X und gründete in Berlin das Bürofiir BiidungsentlJlickiung. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Wissensräume und Schnittstellen zwischen Medien, Kunst und Bildung. Publikationen: Bild Medien Wissen (2002), Visuelle Netze (2004), Bildung im Neuen Medium (2008), Architektur des Wissens (2008). Näheres unter: http://www.medien-kunst-bildung.de Michael Scheibel

I M.A., studierte Erziehungswissenschaft, Informationswissenschaft und Kunstgeschichte. Nach Ihrem Studium begann sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule NordlJIestschlJlei<> bis sie 2006 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an das E-uaming Center der Universität Zürich wechselte. Seit 2007 ist sie stellvertretende Leiterin der Hochschuldidaktik an der Universität Zürich. Interessenfelder: Medien in der Hochschullehre, Web 2.0, Bildungsforschung und Hochschulentwicklung. Näheres unter: http://www.2headz.ch/Mandyz.htrn1;http://2headz.ch/blog/?page_id=897 Mandy SchieFner

I Dipl.-Päd., Universität Omabrück, Erziehungs- und Kultutwissenschaften. Arbeitsschwerpunkte: Bildungstheorie, Medientheorie und Psychoanalyse.

Tim Schmidt

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Autorenverzeichnis

Christina Schwalbe I Dip!. Ing., M.A., studierte Medienrechnik, Erziehungswissenschafr und ePedagogy Design in Hamburg und Helsinki; seit 2007 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg am Fachbereich E~ehungswissenschtift im MultiMedia Studio. Im Rahmen des Projektes >>ePUSH« war sie für die Leitung des Teilprojektes >>eCommunityBuilding« zuständig. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Medien und Bildung, Mediengeschichte und Kulturgeschichte, Kommunikation, E-Portfolio. Näheres unter http://mms.uni-hamburg.de/schwalbe

Stefan Sonvilla-Weiss I Prof. Dr., international tätig als Kommunikationswissenschafter, Kunst- und Medienpädagoge aus Österreich, seit 2003 Universitätsprofessor für »Visuelle Kultur und Kornmunikation« an der Aalto-Universität, InstitutfürKuns:undDesign, Helsinhi. Leiter des internationalen englischsprachigen Master of Arts Studiums >>ePedagogy Design - Visual Knowledge Building«, welches 2007 von der Europäischen Kommission als Erfolgsgeschichte im Rahmen innovativer Curriculum-Projekte ausgezeichnet wurde. In seiner Forschungsarbeit versucht er Antworten darauf zu finden, wie Interaktionen in global vernetzten realen und virtuellen Räumen neue Formen kommunikativer, kreativer und sozialer Praxen hervorbringen können. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher und Publikationen, u.a: Hacking and Remixing. In: Net Works. Case Studies in Web Art and Design, New York: Routledge 2011. Mashup Cultures, Wien, New York: Springer 2010; (IN)VISIBLE. Learning to Act in the Metaverse. Wien, New York: Springer 2009. Wey-Han Tan I Dip!.-Päd., ist zur Zeit als Leiter des eLearning Biiros derFakultätE~ehungswissenschtift, P!Ychologie undBewegungswissenschtift an der Universität Hamburg tätig. Nach einem Studium der Diplompädagogik mit Schwerpunkt im Bereich neuer Medien und eines nachfolgenden internationalen M.A. in ePedagogy Design umfassen die Interessen- und Forschungsgebiete radikale und moderat konstruktivistische Ansätze in Lehre und Lernen sowie Themen der ästhetischen Bildung, Game Based Learning in Form von Spielen zweiter Ordnung und (analoges) Spieldesign.

TobiasThelen I Dr, phil., ist Wissenschaftlicher Leiter des Zentrumsfür Informationsmanagement undvirtueUe Lehreder Universität Osnabriick sowie Dozent für Web- und E-Learning-Technologien im Institutfürlriformatik. Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen die Gestaltung und Evaluation von E-Learning-Werkzeugen und kollaborativen elektronischen Arbeitsumgebungen sowie die Entwicklung intelligenter tutorieller Systeme, insbesondere zur Unterstützung des Schtiftspracherwerbs. Tobias Thelen promovierte im Fach Computerlinguistik und Künstliche Intelligenz zur »automatischen Analyse von Rechtschreibleistungen bei Schreibanfängern« und ist Mitglied des Arbeitskreises Orthographie und Textproduktion, des InstitutsfürKognitionswissenschtift derUniversität Osnabrück, Sprecher der niedersächmchen Arbeitsgemeinschaft Lernmanagemenf!Jsteme und Gründungsmitglied von Stud.IPe.V sowie der Stud.IPDeveloper Core GrolljJ. Thomas Weber I PD Dr. habil., derzeit Privatdozent am Institutfür MuJikwirsenschtift undMedienwissenschaft der Humboldt-Universität 1!' Berlin sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt »Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland von 1945--2005« . Aktuelle Arbeitsschwerpunkte: Ästhetik medialer Transformationsprozesse sowie die Korrelation von Mediengeschichte und Erinnerungskultur. Letzte Publikationen (11l Auswahl): Medialität als Grenzerfahrung. Futurische Medien im Kino der 80er- und 90er-Jahre, Bielefeld 2008; Mediologie als Methode, Berlin 2008 (hg. zusammen mit Birgit Mersmann); Leitmedien in der mediologischen Analyse. In: Müller, Daniel/Ligensa, Annemone/Gendolla, Peter (Hg.): Leitmedien. Konzepte - Relevanz - Geschichte, Bd. 2, Bielefeld 2009, 95--107.