Bastian Popp Markenerfolg durch Brand Communities
GABLER RESEARCH Marken- und Produktmanagement Herausgegeben von Pro...
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Bastian Popp Markenerfolg durch Brand Communities
GABLER RESEARCH Marken- und Produktmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Franz-Rudolf Esch (schriftf.), Universität Gießen, Professor Dr. Reinhold Decker, Universität Bielefeld, Professor Dr. Andreas Herrmann, Universität St. Gallen, Professor Dr. Henrik Sattler, Universität Hamburg und Professor Dr. Herbert Woratschek, Universität Bayreuth
Die Schriftenreihe gibt Einblick in den aktuellen Stand der Forschung zum Marken- und Produktmanagement. Sie präsentiert richtungsweisende Erkenntnisse sowie wichtige empirische Untersuchungen und Methoden. Ein besonderer Wert wird auf Praxisrelevanz und Anwendungsbeispiele gelegt. Die Reihe will den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis fördern und wendet sich daher nicht nur an Studierende und Wirtschaftswissenschaftler, sondern auch an Marketingpraktiker in Unternehmen, Agenturen, Beratungen und Verbänden.
Bastian Popp
Markenerfolg durch Brand Communities Eine Analyse der Wirkung psychologischer Variablen auf ökonomische Erfolgsindikatoren Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Herbert Woratschek
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Bayreuth, 2010
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Stefanie Loyal Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2906-8
Geleitwort „All economies are service economies“ (Vargo/Lusch, 2004). Diese provokative Aussage zeigt auf, wieso Ansätze des Dienstleistungsmarketings als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Leitbilds einer allgemeinen Theorie des Marketings herangezogen werden können, die dann auch im Industrie- und Konsumgütermarketing eine sinnvolle Denkweise darstellt. Die vorliegende Arbeit setzt daher an der in Wissenschaft und Praxis weithin akzeptierten Service-Profit Chain an, die den Zusammenhang zwischen psychologischen bzw. vorökonomischen Variablen sowie dem ökonomischen Erfolg beschreibt. Dieser Kausalkette folgend werden im Dienstleistungsmarketing häufig eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit, die Stärkung der Kundenloyalität oder die Initiierung von Weiterempfehlungen angestrebt, um dauerhaft den ökonomischen Erfolg abzusichern. Im Marketing ist die Bedeutung einer starken Marke als Erfolgsgarant unbestritten, so dass es umso erstaunlicher ist, dass eine kausalanalytische Verknüpfung des Markenmanagements mit der Service-Profit Chain bislang nicht erfolgt ist. Die Identifikation von Konsumenten mit einer Marke ist für den langfristigen Markenerfolg ausschlaggebend und bislang nur unzureichend als Treiber für die Loyalität und die Kundenneugewinnung in der Service-Profit Chain untersucht. An dieser Forschungslücke setzt die Arbeit von Herrn Popp an. Als Untersuchungsobjekte dienen Brand Communities. Basierend auf den bisher zu Brand Communities vorliegenden Forschungserkenntnissen führte Herr Popp umfassende empirische Untersuchungen durch, deren Methodik und Ergebnisse im vorliegenden Buch behandelt und diskutiert werden. In einer Vorstudie werden zunächst die zentralen Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community untersucht. Dabei werden drei Motivations-Dimensionen identifiziert: markenbezogene Motivationen, communitybezogende Motivationen und Motivationen, die weder durch die Marke noch die Community, sondern durch davon unabhängige Angebote der Community (z. B. Spiele) befriedigt werden. Im umfangreichen Kausalmodell der Hauptstudie wird dann deutlich, dass die Identifikation einerseits eine direkte Determinante der Loyalität und der Weiterempfehlung ist, aber auch signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit der Konsumenten hat. Neu ist dabei, dass die Service-Profit Chain und die darin enthaltenen vorökonomischen Größen nicht nur auf die Produktmarke bezogen werden, sondern auch auf das Unternehmen (die Unternehmensmarke) sowie die Brand Community selbst bezogen und analysiert werden. Auf diese Weise kann erstmals gezeigt werden, wie die Bedeutungen der zufriedenheits- bzw. der identifikationsbasierten Kundenbindung und Kundenneugewinnung je nach Bezugsobjekt variieren. Die von Herrn Popp angestrebte ganzheitliche Betrachtung der Thematik ist zugegebenermaßen komplex, aber aufgrund des wertvollen Beitrags für Forschung und Praxis lesenswert. Zum einen werden bereits gewonnene Erkenntnisse zur Beeinflussung des Markenerfolgs erweitert und Implikationen für das Markenmanagement abgeleitet.
VI
Geleitwort
Es gibt meines Wissens bislang keine Arbeit, die all diese Größen als Prädiktoren der Kundenneugewinnung und der Kundenbindung so umfangreich modelliert und empirisch schätzt. Damit setzt die Arbeit an relevanten Fragestellungen im Marketing an und ist konzeptionell so angelegt, dass sie als Ausgangsbasis für weitere Forschungen auf diesem Gebiet dienen kann. Herr Popp hat die traditionelle Service-Profit Chain nicht nur erweitert, sondern sogar revolutioniert. In der traditionellen Service-Profit Chain ist die Kundenzufriedenheit als transaktionsbezogene Größe der zentrale Treiber für den ökonomischen Erfolg. Herr Popp kann deutlich belegen, dass die Identifikation einen deutlich stärkeren Einfluss auf den ökonomischen Erfolg hat und gibt damit einen weiteren Beleg für die Abkehr vom Transaktionsmarketing und der Hinwendung zum Beziehungsmarketing. Last, but not least wird belegt, dass es angeraten ist, den Kunden eine interessante Interaktionsplattform im Internet zu bieten, um den langfristig ökonomischen Erfolg sicherzustellen. Ich bin mir sicher, dass das Werk von Herrn Popp in Forschung und Praxis aufgenommen wird und wünsche ihm bei Verbreitung der vorliegenden Dissertationsschrift viel Erfolg!
Prof. Dr. Herbert Woratschek
Vorwort Wissenschaft und Praxis sehen in der stärkeren Beteiligung von Konsumenten an der Wertschöpfung große Herausforderungen und Möglichkeiten für Unternehmen. In vielen Bereichen verwischt die Grenze zwischen Anbieter und Nachfrager zusehends. Aus Sicht des Markenmanagements sind vor allem so genannte Brand Communities, also Gemeinschaften, die durch die soziale Interaktion von Markenfans und Markeninteressierten entstehen, von Interesse. Brand Communities beeinflussen sowohl die Einstellung und das Verhalten der Mitglieder der Brand Community als auch außenstehender Konsumenten. Die Entwicklung und die Macht von Markengemeinschaften wird dabei zusätzlich durch das Internet gefördert. Das verbindende Element einer Brand Community ist stets eine bestimmte Marke. Für den dauerhaften Erfolg einer Markengemeinschaft ist daher insbesondere die Identifikation der Konsumenten mit dieser Marke verantwortlich. Gleichzeitig wird die Bindung eines Individuums an die Brand Community durch dessen Identifikation mit der Gruppe gesichert. In Anbetracht der zunehmenden Probleme Kunden durch eine hohe Kundenzufriedenheit an das Unternehmen zu binden, liegt daher nahe, das Konzept der Konsumentenidentifikation im Brand-Community-Kontext als alternativen Weg zur Kundenbindung zu untersuchen. Dabei wird die Brand-Community-Forschung mit traditionellen Marketingansätzen verknüpft, um die Bedeutung der Identifikation für das Konsumentenverhalten zu analysieren. Als Anknüpfungspunkt dient mit der Service-Profit Chain ein Ansatz aus dem Dienstleistungsmanagement, da Dienstleistungen heutzutage für alle Unternehmen der Schlüssel zum Markterfolg sind. Das Konzept der Konsumentenidentifikation wird daher mit der Service-Profit Chain verknüpft und der Einfluss auf die Kundenbindung und die Kundenneugewinnung aufgezeigt. Die Ergebnisse erweitern damit zum einen den Forschungsstand zu Brand Communities, indem untersucht wird wie Brand Communities zum Erfolg einer Marke beitragen. Zum anderen liefert die Untersuchung wichtige Erkenntnisse für ein allgemeines Leitbild im Marketing, das in einer modifizierten Service-Profit Chain abgebildet wird. Diese Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement der Universität Bayreuth. Sie wurde im Oktober 2010 unter dem Titel „Markenerfolg durch Brand Communities - Eine theoretische und empirische Analyse der Wirkung psychologischer Variablen auf ökonomische Erfolgsindikatoren“ von der Universität Bayreuth als Dissertationsschrift angenommen. Das Zustandekommen einer Dissertation bedarf der Mitwirkung zahlreicher Menschen, denen ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen möchte. An erster Stelle möchte ich recht herzlich meinem Doktorvater und akademischen Lehrer Prof. Dr. Herbert Woratschek danken. Er hat bereits während meines Studiums mein Interesse an der Wissenschaft angeregt und mir nach Abschluss meines Studiums durch die Aufnahme in sein Lehrstuhl-Team die Möglichkeit gegeben, mich wissenschaftlich zu entfalten. Durch
VIII
Vorwort
seine wertvollen Anregungen und viele konstruktive Diskussionen hat er maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Darüber hinaus danke ich ihm für die Chance an wissenschaftlichen Konferenzen und Workshops teilzunehmen, was ich sowohl im Hinblick auf den Fortschritt meiner Dissertation als auch für meine persönliche Entwicklung schätze. Für die Übernahme des Zweitgutachtens und seine wertvollen Anregungen zu meiner Forschung möchte ich Prof. Dr. Torsten Eymann danken. Darüber hinaus danke ich Prof. Dr. Torsten M. Kühlmann für die bereitwillige Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Besonders geschätzt habe ich in den vergangenen Jahren am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement stets das angenehme Arbeitsumfeld. Die Freundschaften, die gemeinsamen Erlebnisse und die gegenseitige Unterstützung am Lehrstuhl waren und sind für mich ein wichtiger Faktor für erfolgreiches Arbeiten. Ich danke daher den gegenwärtigen und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen Prof. Dr. Stefan Roth, Dr. Sven Pastowski, Prof. Dr. Guido Schafmeister, Dr. Chris Horbel, Dr. Manuel Becher, Dr. Frank Hannich, Dr.-Ing. Petr Chvojka, Dipl.SpOec. Tim Ströbel, Dipl.-Kfm. James Madden, Dipl.-SpOec. Christian Durchholz, Dipl.Kfm. Reinhard Kunz, Dipl.-Kfm. Patrick Brehm, Dipl.-Kffr. Kristina Schneider und Dipl.SpOec. Tanja Mair sowie allen studentischen Hilfskräften für ihre tatkräftige Unterstützung. Mein besonderer Dank gilt zudem Carmen Back für ihre engagierte Unterstützung in allen Phasen meiner Dissertation. Darüber hinaus möchte ich vielen Freunden Danke sagen, die mich während meiner Promotionszeit begleitet und moralisch unterstützt haben. Schließlich möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Familie bedanken. Meine Eltern Arnold und Monika Popp haben mir bereits früh die Bedeutung von Bildung aufgezeigt und meine akademische Ausbildung ermöglicht. In meiner Frau Karin Popp habe ich das große Glück, die ideale Begleiterin im Leben gefunden zu haben, die mir auch in allen Phasen der Dissertation stets den Rücken gestärkt und mich ermutigt hat, meinen Weg weiter zu gehen. Zusammen mit meinem Sohn Alexander war sie mir immer ein großer Rückhalt und eine große Freude.
Bastian Popp
Inhaltsübersicht 1
Einleitung............................................................................................................................ 1 1.1
Problemstellung ........................................................................................................... 1
1.2 1.3
Forschungsfragen ......................................................................................................... 6 Gang der Untersuchung ............................................................................................... 9
2
Brand Communities .......................................................................................................... 12 2.1 Grundlagen von Brand Communities ........................................................................ 12 2.2 Ökonomische Relevanz von Brand Communities ..................................................... 24 2.3 Stand der Forschung zu Brand Communities ............................................................ 41
3
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities ................................. 50 3.1 Besonderheiten der Konzeptualisierung von Konstrukten im BrandCommunity-Kontext .................................................................................................. 50 3.2 Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen ............................................ 52 3.3 Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen ............. 62 3.4 Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells ................................ 85
4
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern ...................................... 98 4.1 Konzeption der empirischen Studie im Überblick ..................................................... 98 4.2 Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen................ 99 4.3 Vorstudie zur Operationalisierung der Motivation der Teilnahme an einer Brand Community.................................................................................................... 124 4.4 Hauptstudie .............................................................................................................. 130 4.5 Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen ...................................... 161
5
Implikationen für Wissenschaft und Praxis.................................................................... 171 5.1 Implikationen für die Wissenschaft ......................................................................... 171 5.2 Implikationen für die Praxis..................................................................................... 180
6
Fazit ................................................................................................................................ 191
Inhaltsverzeichnis Geleitwort.................................................................................................................................. V Vorwort ...................................................................................................................................VII Inhaltsübersicht ........................................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... XI Tabellenverzeichnis................................................................................................................ XV Abbildungsverzeichnis .........................................................................................................XVII Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................................... XIX 1
Einleitung............................................................................................................................ 1 1.1 Problemstellung ........................................................................................................... 1 1.2 Forschungsfragen ......................................................................................................... 6 1.3 Gang der Untersuchung ............................................................................................... 9
2
Brand Communities .......................................................................................................... 12 2.1 Grundlagen von Brand Communities ........................................................................ 12 2.1.1 Definition........................................................................................................ 12 2.1.2 Merkmale ........................................................................................................ 13 2.1.3 Typologisierung von Brand Communities...................................................... 16 2.1.3.1 Inhaltliche Unterscheidungsebene...................................................... 16 2.1.3.2 Strukturelle Unterscheidungsebene .................................................... 17 2.1.3.2.1 Initiierung und Führung...................................................... 17 2.1.3.2.2 Online versus Offline ......................................................... 17 2.1.3.2.3 Anzahl der Mitglieder und Stärke der Bindung ................. 18 2.1.4 Abgrenzung zu verwandten Konstrukten ....................................................... 19 2.2 Ökonomische Relevanz von Brand Communities ..................................................... 24 2.2.1 Marken und deren Bedeutung im Zeitalter von Brand Communities............. 25 2.2.2 Das Internet als Katalysator von Brand Communities ................................... 29 2.2.3 Auswirkungen von Brand Communities auf das Markenmanagement und den Unternehmenserfolg.......................................................................... 35 2.3 Stand der Forschung zu Brand Communities ............................................................ 41 2.3.1 Überblick über bisherige Studien ................................................................... 41 2.3.2 Forschungsbedarf............................................................................................ 46
3
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities ................................. 50 3.1
Besonderheiten der Konzeptualisierung von Konstrukten im BrandCommunity-Kontext .................................................................................................. 50
3.2
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen ............................................ 52 3.2.1 Loyalität.......................................................................................................... 52
XII
Inhaltsverzeichnis
3.2.2
3.2.1.1
Markenloyalität................................................................................... 52
3.2.1.2
Loyalität zur Brand Community......................................................... 56
Weiterempfehlung .......................................................................................... 57 3.2.2.1 Weiterempfehlung der Marke............................................................. 57 3.2.2.2
Weiterempfehlung der Brand Community ......................................... 61
3.3
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen ............. 62 3.3.1 Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community .............................. 62 3.3.1.1 Theoretische Grundlagen.................................................................... 62 3.3.1.1.1 Motivationsbegriff.............................................................. 62 3.3.1.1.2 Motivtheorien ..................................................................... 64 3.3.1.2 Empirische Erkenntnisse .................................................................... 67 3.3.1.2.1 Literatur zu Virtual Communities ...................................... 67 3.3.1.2.2 Literatur zu Brand Communities........................................ 68 3.3.1.3 Konzeptualisierung der Motivation zur Teilnahme an einer Brand Community .............................................................................. 69 3.3.2 Identifikation................................................................................................... 71 3.3.2.1 Theoretische Grundlagen.................................................................... 71 3.3.2.1.1 Theorie des symbolischen Interaktionismus ...................... 71 3.3.2.1.2 Selbstkongruenztheorie ...................................................... 72 3.3.2.1.3 Soziale Identitätstheorie ..................................................... 73 3.3.2.1.4 Theorie des „Psychological Sense of Community“ ............ 75 3.3.2.2 Empirische Erkenntnisse .................................................................... 77 3.3.2.3 Konzeptualisierung der Konsumentenidentifikation.......................... 78 3.3.3 Zufriedenheit................................................................................................... 84 3.4 Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells ................................ 85 3.4.1 Motivation – Identifikation............................................................................. 86 3.4.2 Zufriedenheit – Loyalität ................................................................................ 87 3.4.3 Zufriedenheit – Weiterempfehlungsverhalten ................................................ 88 3.4.4 Identifikation – Loyalität ................................................................................ 89 3.4.5 Identifikation – Weiterempfehlungsverhalten ................................................ 90 3.4.6 Identifikation – Zufriedenheit......................................................................... 91 3.4.7 Brand-Community-spezifische Erweiterung der Hypothesen ........................ 93 3.4.8 Brand-Community-Loyalität – Markenloyalität............................................. 94 3.4.9 Brand-Community-Weiterempfehlung – Weiterempfehlung Marke ............. 95 4
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern ...................................... 98 4.1 Konzeption der empirischen Studie im Überblick ..................................................... 98 4.2 Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen................ 99 4.2.1 Strukturmodell .............................................................................................. 101 4.2.2 Messmodell................................................................................................... 101
Inhaltsverzeichnis
XIII
4.2.2.1
Reflektive Messmodelle ................................................................... 101
4.2.2.2
Formative Messmodelle ................................................................... 102
4.2.2.3 Wahl eines geeigneten Messmodells................................................ 102 4.2.3 Schätzverfahren ............................................................................................ 103 4.2.3.1
Kovarianzbasierte Schätzung von Strukturgleichungsmodellen ...... 103
4.2.3.2 Varianzbasierte Schätzung von Strukturgleichungsmodellen .......... 105 4.2.3.3 Wahl des Schätzverfahrens............................................................... 106 4.2.4 Überprüfung der Spezifikation und Güte von kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen ......................................................................... 109 4.2.4.1 Überprüfung des reflektiven Messmodells....................................... 112 4.2.4.2 Beurteilung des Strukturmodells ...................................................... 122 4.3 Vorstudie zur Operationalisierung der Motivation der Teilnahme an einer Brand Community.................................................................................................... 124 4.3.1 Datenerhebung.............................................................................................. 125 4.3.2 Datenauswertung und Ergebnisse................................................................. 126 4.3.3 Konkretisierung des Untersuchungsmodells ................................................ 128 4.4 Hauptstudie .............................................................................................................. 130 4.4.1 Operationalisierung der relevanten Konstrukte ............................................ 130 4.4.1.1 Motivation zur Teilnahme an der Brand Community ...................... 130 4.4.1.2 Zufriedenheit .................................................................................... 131 4.4.1.3 Identifikation .................................................................................... 131 4.4.1.4 Kundenloyalität ................................................................................ 136 4.4.1.5 Weiterempfehlung ............................................................................ 136 4.4.2 Datenerhebung.............................................................................................. 138 4.4.3 Datenauswertung und Ergebnisse................................................................. 141 4.4.3.1 Datenaufbereitung ............................................................................ 141 4.4.3.1.1 Vorbereitung der Rohdaten .............................................. 141 4.4.3.1.2 Prüfung auf Normalverteilung.......................................... 144 4.4.3.1.3 Prüfung auf Common Method Bias.................................. 146 4.4.3.2 Überprüfung des Messmodells ......................................................... 146 4.4.3.3 Beurteilung des Strukturmodells ...................................................... 154 4.4.3.3.1 Güte des Strukturmodells ................................................. 154 4.4.3.3.2 Varianzen der endogenen latenten Variablen................... 155 4.4.3.3.3 Überprüfung der Hypothesen ........................................... 155 4.5 Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen ...................................... 161 4.5.1 Konsumentenidentifikation mit verschiedenen Identifikationsobjekten ...... 161 4.5.2 4.5.3
Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community ............................ 162 Kundenbindung............................................................................................. 163 4.5.3.1 Wirkungszusammenhänge der Bezugsobjekte Brand Community und Marke..................................................................... 164
XIV
Inhaltsverzeichnis
4.5.4
4.5.3.2
Ausgewählte Aspekte des Bezugsobjektes Unternehmen ................ 166
4.5.3.3
Einfluss der Motivationen zur Teilnahme an der Brand
Community ....................................................................................... 166 Kundenneugewinnung .................................................................................. 167 4.5.4.1
Wirkungszusammenhänge der Bezugsobjekte Brand
4.5.4.2 4.5.4.3
Community und Marke..................................................................... 168 Ausgewählte Aspekte des Bezugsobjektes Unternehmen ................ 170 Einfluss der Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community ....................................................................................... 170
5
Implikationen für Wissenschaft und Praxis.................................................................... 171 5.1 Implikationen für die Wissenschaft ......................................................................... 171 5.1.1 Forschungsergebnisse und kritische Würdigung .......................................... 171 5.1.2 Einschränkungen und Ausblick .................................................................... 177 5.2 Implikationen für die Praxis..................................................................................... 180
6
Fazit ................................................................................................................................ 191
Literaturverzeichnis................................................................................................................ 197
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Drei Ebenen des Markennutzens ................................................................... 26
Tabelle 2:
Literaturüberblick Brand Communities ......................................................... 44
Tabelle 3:
Übersicht der formulierten Hypothesen für die Hauptstudie......................... 97
Tabelle 4:
Reflektive vs. formative Messmodelle ........................................................ 103
Tabelle 5:
Vergleich kritischer Merkmale varianz- und kovarianzbasierter Schätzverfahren ........................................................................................... 107
Tabelle 6:
Überblick über die Gütemaße zur Beurteilung von Strukturgleichungsmodellen ........................................................................ 111
Tabelle 7:
Gütekriterien zur Beurteilung des Kausalmodells in dieser Arbeit ............. 112
Tabelle 8:
Validitäts- und Reliabilitätsbegriffe............................................................. 113
Tabelle 9:
Indikatorvariablen zur Messung der Motivation der Mitglieder zur Teilnahme an der Brand Community........................................................... 125
Tabelle 10:
Faktorladungsmatrix der Motivations-Statements und Faktorinterpretation ..................................................................................... 127
Tabelle 11:
Deskriptive Statistik Motivations-Statements und Motivations-Faktoren... 128
Tabelle 12:
Indikatorvariablen zur Messung der Konstrukte „Motivation Community“, „Motivation Marke“ und „Motivation Mehrwert“................ 131
Tabelle 13:
Indikatorvariablen zur Messung der Zufriedenheit mit der Community, mit der Marke bzw. mit dem Unternehmen................................................. 131
Tabelle 14:
Indikatorvariablen zur Messung der Identifikation mit der Community, der Marke bzw. dem Unternehmen.............................................................. 135
Tabelle 15:
Indikatorvariablen zur Messung der intendierten Loyalität gegenüber der Brand Community und gegenüber der Marke ....................................... 136
Tabelle 16:
Indikatorvariablen zur Messung der intendierten Weiterempfehlung der Brand Community und der Marke ............................................................... 137
Tabelle 17:
Statistische Daten der empirischen Erhebung ............................................. 139
Tabelle 18:
Deskriptive Analyse der manifesten Indikatorvariablen ............................. 140
Tabelle 19:
Datenaufbereitung (Hauptstudie)................................................................. 143
Tabelle 20:
Prüfung auf univariate Normalverteilung .................................................... 145
Tabelle 21:
Prüfung auf multivariate Normalverteilung................................................. 145
Tabelle 22:
Lokale Gütemaße der einzelnen Messmodelle ............................................ 149
XVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 23:
Globale und lokale Gütemaße des gesamten Messmodells ......................... 151
Tabelle 24:
Korrelationen, quadrierte Korrelationen und DEV der latenten Variablen und Diskriminanz nach Fornell-Larcker ..................................... 152
Tabelle 25:
Ergebnisse der Ȥ2-Differenztests ................................................................. 153
Tabelle 26:
Globale Gütemaße des Strukturgleichungsmodells..................................... 154
Tabelle 27:
Bestimmtheitsmaße der endogenen latenten Variablen............................... 155
Tabelle 28:
Standardisierte Koeffizienten des Strukturmodells ..................................... 158
Tabelle 29:
Gesamteffekte der Konstrukte auf die intendierte Verhaltensloyalität zur Brand Community und zur Marke......................................................... 164
Tabelle 30:
Gesamteffekte der Konstrukte auf die intendierte Weiterempfehlung der Brand Community und der Marke......................................................... 167
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Gang der Untersuchung ................................................................................. 11
Abbildung 2:
Alternative Konzeptualisierungen einer Brand Community ......................... 14
Abbildung 3:
Typologisierung von Communities nach Interesse und Mediennutzung....... 21
Abbildung 4:
Abgrenzung Brand Community – Kundenclub ............................................. 24
Abbildung 5:
Ökonomische Relevanz von Brand Communities ......................................... 40
Abbildung 6:
Grundmodell der „klassischen“ Motivationspsychologie.............................. 63
Abbildung 7:
Variableninteraktion zur Klärung des Motivationsbegriffs ........................... 64
Abbildung 8:
Kernelemente der sozialen Identitätstheorie.................................................. 75
Abbildung 9:
Kernelemente des Sense of Community ......................................................... 77
Abbildung 10: Untersuchungsmodell .................................................................................... 97 Abbildung 11: Vorgehensweise der empirischen Untersuchung........................................... 99 Abbildung 12: Schematische Darstellung eines Strukturgleichungsmodells ...................... 100 Abbildung 13: Kategorisierung der Anpassungsmaße......................................................... 110 Abbildung 14: Vorgehensweise bei der Gütebeurteilung der Messmodelle........................ 121 Abbildung 15: Kriterien zur Beurteilung des Strukturmodells............................................ 123 Abbildung 16: Untersuchungsmodell mit Differenzierung von MotivationsDimensionen ................................................................................................ 129 Abbildung 17: Grafische Skala zur Erhebung der Identifikation ........................................ 133 Abbildung 18: Untersuchungsmodell mit Pfadkoeffizienten............................................... 156 Abbildung 19: Zentrale Wirkungszusammenhänge der Kundenbindung............................ 165 Abbildung 20: Zentrale Einflussgrößen der Kundenneugewinnung.................................... 168 Abbildung 21: Modifizierte Service-Profit Chain ............................................................... 175
Abkürzungsverzeichnis ADF
Asymptotically Distribution Free
AGFI
Adjusted Goodness of Fit-Index
AMOS
Analysis of Moment Structures
AVE
Average Variance Extracted (durchschnittlich erfasste Varianz)
BC
Brand Community
BCs
Brand Communities
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
c
Community
ca.
circa
CFI
Comparative Fit Index
Cronbachs Į
Cronbachs Alpha
d. h.
das heißt
DEV
durchschnittlich erfasste Varianz
df
Degrees of Freedom (Freiheitsgrade)
EFA
Explorative Faktorenanalyse
et al.
et alii
etc.
et cetera
eWOM
electronic Word-of-Mouth (elektronische Mund-zu-MundKommunikation)
f.
folgende
FA
Faktorenanalyse
ff.
fortfolgende
GFI
Goodness of Fit-Index
Hx
Hypothese x
Hrsg.
Herausgeber
i. d. R.
in der Regel
IDC
Identifikation Community
XX
Abkürzungsverzeichnis
IDM
Identifikation Marke
IDU
Identifikation Unternehmen
IFI
Incremental Fit Index
Inc.
Incorporated
ITTC
Item-to-Total-Correlation
KFA
Konfirmatorische Faktorenanalyse
KQS
Kleinste-Quadrate-Schätzer
LC
Loyalität Community
LISREL
Linear Structural Relationships
LM
Loyalität Marke
LVPLS
Latent Variable Partial Least Squares
MANOVA
Multivariate Analysis of Variance
MAPE
Mean Absolute Percentage Error
MC
Motivation Community
ME
Mean Error
ML
Maximum Likelihood
MM
Motivation Marke
MR
multiple Regression
MSE
Mean Square Error
MW
Motivation Mehrwert
m
Marke
n
Stichprobengröße
n.s.
nicht signifikant
NFI
Normed Fit Index
NH
Hypothese nicht aufgestellt
NIC
Netzwerk-Informationskriterium
NNFI
Non-Normed Fit Index
NTLI
Normed Tucker-Lewis-Index
NWOM
Negative Word-of-Mouth (negative Mund-zu-MundKommunikation)
Abkürzungsverzeichnis OIQ
Organizational Identification Questionnaire
PFA
Principal Axes Factor Analysis
PLS
Partial Least Squares
r
Pearsonscher Korrelationskoeffizient 2
R
R-Quadrat, Bestimmtheitsmaß
RFI
Relative Fit Index
RMR
Root Mean Square Residual
RMSEA
Root Mean Squared Error of Approximation
S.
Seite
S-B Ȥ2/df
Satorra-Bentler-skalierter Ȥ2-Wert in Relation zu den Freiheitsgraden
SAS PROC CALIS
Statistical Analysis System Procedure: Covariance Analysis of Linear Structural Equations
SEM
Structural Equation Model(ing)
SIC
Schwarz’sches Informationskriterium
sog.
so genannt
SPAD PLS
Special Programs and Analysis Division: Partial Least Squares
SRMR
Standardized Root Mean Square Residual
TLI
Tucker-Lewis-Index
u
Unternehmen
u. a.
und andere/unter anderem
ULS
Unweighted Least Squares
vgl.
vergleiche
VIF
Variance Inflation Factor
vs.
versus, im Gegensatz
VW
Volkswagen
w
Mehrwert
WC
Weiterempfehlung Community
WM
Weiterempfehlung Marke
WOM
Word-of-Mouth (Mund-zu-Mund-Kommunikation)
XXI
XXII
Abkürzungsverzeichnis
WWW
World Wide Web
z. B.
zum Beispiel
ZC
Zufriedenheit Community
ZM
Zufriedenheit Marke
ZU
Zufriedenheit Unternehmen
1 Einleitung 1.1
Problemstellung
Alle Unternehmen müssen heute Dienstleistungen erbringen, um ihre Produkte erfolgreich zu vermarkten. So postuliert Reinhold Groß, Leiter Services bei der Maschinenbauunternehmen Trumpf GmbH + Co. KG: „Service macht Maschinen schön.“1 Die Erbringung von Services stellt nicht nur eine fundamentale Anforderung an Industriegüterunternehmen dar, sie ist auch Voraussetzung für den Markterfolg von Konsumgüterherstellern. 2 Dies kann insbesondere damit begründet werden, dass Dienstleistungen eine entscheidende Funktion bei der Absatzunterstützung, Differenzierung, Individualisierung und Kundenbindung zukommt.3 Die in der Literatur meist verwendete Bezeichnung „produktbegleitende Dienstleistungen“4 ist insofern zu kritisieren, da sie weiterhin das Produkt in den Mittelpunkt stellt. Dies wird der zentralen Rolle von Serviceleistungen jedoch nicht gerecht, denn ohne die Erbringung zusätzlicher Dienstleistungen ist der Absatz hergestellter Produkte in der Regel nicht möglich. So müssen beispielsweise Maschinenbauunternehmen neben ihren Anlagen auch Dienstleistungen wie die Schulung und Vermittlung technischen Know-hows an die Kunden und deren Mitarbeiter sowie die Wartung der verkauften Anlagen anbieten, um ihre Güter am Markt absetzen zu können.5 Erst durch diese Dienstleistungen lässt sich nach der Fertigstellung der komplexe Betrieb einer Maschine bzw. Anlage gewährleisten. Auch der Erfolg von Konsumgüterherstellern wird gegenwärtig durch Dienstleistungen bestimmt, da es häufig nur durch Dienstleistungen gelingt, die für den Kauf entscheidende Emotionalisierung eines Produkts beim Konsumenten herzustellen. Hierzu eignen sich insbesondere Events, durch die es möglich ist, die Markenwahrnehmung zu beeinflussen. 6 Ein prominentes Beispiel ist das jährlich stattfindende Treffen von VW-Fans am Wörthersee, das von Markenfans als Dienstleistung für andere Fans bereitgestellt wird. 7 Ursprünglich von wenigen hundert Fans des VW Golf GTI initiiert, treffen sich mittlerweile rund 200.000 Besucher, um die Marke Volkswagen und deren Modelle zu feiern. Auch Volkswagen hat seit einigen Jahren den Wert dieser Gruppe für den Marken- bzw. Unternehmenserfolg erkannt
1
Vgl. Ballhaus (2009), S. 102.
2
Häußermann und Siebel sprechen daher von einer „Tertiarisierung der Produktion“ (Häußermann und Siebel (1995), S. 24).
3
Vgl. z. B. Homburg und Garbe (1996), S. 259; Engelhardt und Paul (1998), S. 1326; Steven und Schade (2004), S. 544; Beutin (2005), S. 297 ff.
4
In der wissenschaftlichen Literatur werden von Sachgüterherstellern erbrachte Dienstleistungen meist als Value Added Services (vgl. z. B. Laakmann (1995); Beutin (2005)) bzw. produktbegleitende Dienstleitungen (vgl. Lay und Nippa (2005); Voeth et al. (2008)) diskutiert.
5
Zur Bedeutung produktbegleitender Dienstleistungen im Maschinenbau vgl. z. B. Koch (2010).
6
Vgl. z. B. McAlexander und Schouten (1998), S. 378.
7
Vgl. Hoppe (2009), S. 165 ff.
B. Popp, Markenerfolg durch Brand Communities, DOI 10.1007/978-3-8349-6712-1_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Einleitung
und unterstützt daher diese Markenfans und deren Veranstaltung, die einen Service für die Markenfans darstellt. Dieser ist insofern von zentraler Bedeutung, da die hier beschriebenen Käufer der Marke einen wesentlichen Teil des Nutzens eines PKWs von Volkswagen nicht aus dem Sachgut selbst, sondern die damit verbundene Interaktion mit anderen Markenfans auf Veranstaltungen wie dem Wörthersee-Treffen ziehen. Folgerichtig ist es für den Hersteller wichtig, diese Veranstaltung als Service bereitzustellen bzw. zu fördern und damit den Absatz der Marke zu steigern. Die allgemeine Bedeutung von Dienstleistungen kann auch am Lebensmittelhersteller Maggi veranschaulicht werden. Dieser betreibt zur Vermarktung der eigenen Produkte als Dienstleistung für seine Konsumenten das so genannte „Maggi Kochstudio“ und sieht sich damit als „Ansprechpartner rund ums Kochen und Genießen“ 8 . Durch dieses Angebot erhalten die Konsumenten im Internet oder in Form von Broschüren Zugang zu tausenden Kochrezepten, können die Beratung der Maggi-Kochexperten in Anspruch nehmen, in Maggi Kochstudios vor Ort kochen und einkaufen und sich sowohl online als auch offline mit anderen Fans der Marke Maggi austauschen. Das Angebot von Maggi geht demzufolge weit über den reinen Verkauf von Lebensmittelprodukten hinaus. Vielmehr sind es gerade die angebotenen Dienstleistungen, welche die Marke von anderen Herstellern unterscheiden und von den Konsumenten geschätzt werden sowie für deren emotionale Bindung an das Unternehmen sorgen. Die angeführten Beispiele, die beliebig um weitere ergänzt werden könnten, illustrieren demnach, dass eine strikte Unterscheidung zwischen Sachgütern und Dienstleistungen weder möglich noch sinnvoll ist und für Sachgüterhersteller das Erbringen von Dienstleistungen der Schlüssel zum ökonomischen Erfolg ist. In der Marketingtheorie führt die Service-Dominant Logic9 diese Gedanken fort und sieht Güter nur als Mittel zum Zweck der Wertschöpfung an. Die Wertschöpfung kann beispielsweise darin bestehen, dass ein Reinigungsservice durch den Kauf eines Staubssaugers und das Erbringen eines Selbst-Services in Form der Eigenreinigung ersetzt wird. Insofern argumentieren die Vertreter der Service-Dominant Logic, das Sachgüter stets manifestierte Dienstleistungen sind und Dienstleistungen stets im Zentrum des ökonomischen Austauschs stehen. Daher kommt die Service-Dominant Logic zu dem Schluss: „All economies are service economies.“10
8
Vgl. Maggi GmbH (2010).
9
Die Service-Dominant Logic geht auf Vargo und Lusch zurück und stellt Service im Sinne von „doing something beneficial“ beziehungsweise die Anwendung spezifischer Kompetenzen im Rahmen von Tätigkeiten und Prozessen in den Mittelpunkt der Betrachtung ökonomischer Austauschbeziehungen (vgl. Vargo und Lusch (2006), S. 43 ff.; Vargo und Lusch (2008), S. 1 ff.).
10
Vargo und Lusch (2004), S. 10. In dieser ursprünglichen Veröffentlichung lautet die Prämisse noc: „All economies are services economies“, jedoch wurde im Zuge der Weiterentwicklung der Service-Dominant Logic stets von „service“ anstelle von „services“ gesprochen (vgl. z. B. Vargo und Lusch (2008), S. 4).
Problemstellung
3
Sowohl aus praktischer als auch aus wissenschaftlicher Sicht empfiehlt sich für Markenunternehmen folglich der Einsatz von Methoden aus dem Dienstleistungsmanagement zur Steuerung des Unternehmens und zwar unabhängig davon, welche Art von wirtschaftlichen Gütern (Industriegüter, Konsumgüter, Dienstleistungen) verkauft werden. Das Dienstleistungsmanagement orientiert sich gegenwärtig stark an den kausalen Zusammenhängen der Service-Profit Chain, die den finanziellen Erfolg eines Unternehmens als das Resultat einer Kausalkette von Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität abbildet.11 Nach Heskett et al. führt eine hohe interne Servicequalität zu Mitarbeiterzufriedenheit, die sich wiederum in der Erhöhung der Loyalität der Mitarbeiter und deren Produktivität niederschlägt.12 Eine hohe Produktivität der Mitarbeiter ist die Basis für eine hohe Dienstleistungsqualität, die für die Zufriedenheit der Kunden ausschlaggebend ist. Zufriedenere Kunden sind loyaler zu einem Unternehmen, so dass dieses höhere Gewinne erzielen kann. Diese Kausalkette ist sowohl in Theorie und Praxis weitgehend akzeptiert.13 Zudem betonen Heskett und Sasser die steigende Relevanz der in der Service-Profit Chain beschriebenen Wirkungszusammenhänge für Sachgüterhersteller. 14 Zwar wurden die Wirkungszusammenhänge der Service-Profit Chain und insbesondere der interne Teil, der sich mit internen Prozessen und den Mitarbeitern eines Unternehmens beschäftigt, vor allem in Kontexten mit hoher Mitarbeiter-Kunden-Interaktion diskutiert.15 Dennoch können gerade die kausalen Effekte des im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten externen Teils der Service-Profit Chain, d. h. der positive Zusammenhang zwischen der vom Konsumenten wahrgenommenen Qualität und der Zufriedenheit des Konsumenten, welche wiederum die zentrale Determinante der Loyalität ist, auch außerhalb dieses Kontexts beobachtet werden.16 Allerdings wird es für Unternehmen zunehmend schwerer die Beziehung zu Kunden vorwiegend über die Kundenzufriedenheit zu steuern, da eine permanente Steigerung der Kundenzufriedenheit nur schwer erreichbar ist. Entscheidend hierfür ist die Rolle der Erwartungen der Kunden, die nach dem Confirmation-Disconfirmation-Paradigma für die Zufriedenheit eines Konsumenten verantwortlich sind. Dabei vergleicht der Konsument seine Erwartungen mit der wahrgenommenen Leistung eines Anbieters. Werden die Erwartungen erfüllt, führt dies zu Kundenzufriedenheit, ist dies nicht der Fall zu Kundenunzufriedenheit.17 Da jedoch die
11
Vgl. Heskett et al. (1994); Heskett et al. (2003); Loveman (1998); Anderson und Mittal (2000); Beutin (2005), S. 297 ff.
12
Vgl. Heskett et al. (1994); Heskett et al. (2003).
13
Vgl. z. B. Rucci et al. (1998). Jedoch stellen Brady und Cronin (2001) fest, dass dieser Zusammenhang teilweise nur schwach ausgeprägt ist.
14
Vgl. Heskett und Sasser (2010), S. 20.
15
Vgl. z. B. Loveman (1998), S. 18 ff.; Rucci et al. (1998), S. 82 ff.
16
Vgl. Heskett und Sasser (2010), S. 19 ff.
17
Vgl. z. B. Bearden und Teal (1983), S. 21 ff.; Oliver (1980), S. 460 ff.; Oliver und DeSarbo (1988), S. 495 ff.
4
Einleitung
Erwartungen von den Leistungen der Vergangenheit beeinflusst werden, wird es für Unternehmen zunehmend schwerer diese zu erfüllen oder gar zu übertreffen.18 Zudem reichen hohe Zufriedenheitswerte angesichts des allgemein steigenden Zufriedenheitsniveaus häufig nicht mehr aus, um sich von Wettbewerbern zu differenzieren.19 Daher müssen neue, zusätzliche Wege zur Stärkung der Kundenbindung und Erhöhung des Unternehmenserfolgs gefunden werden.20 Eine vielversprechende Möglichkeit stellt hier der Aufbau einer starken Marke dar, um Kunden emotional an ein Unternehmen zu binden und tiefgreifende, bedeutungsvolle, langfristige Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden zu erreichen.21 Dabei kommt der Identifikation von Konsumenten mit der Marke bzw. dem Unternehmen eine herausragende Rolle zu, da Identifikationsprozesse stabile Verbindungen und damit langfristig wirksame Wechselbarrieren implizieren.22 Umso erstaunlicher ist, dass eine systematische Nutzung des Identifikationskonzeptes aufgrund des bislang geringen Erkenntnisstandes in der Marketingpraxis bislang kaum möglich ist.23 Zudem ersetzt die Identifikation von Konsumenten mit einem Unternehmen aufgrund ihrer selbstdefinitorischen und emotionalen Komponenten nicht die klassische Service-Profit Chain 24 , sondern ist vielmehr als zusätzlicher, komplementärer Treiber anzusehen.25 Dementsprechend sind grundsätzlich diejenigen Unternehmen, die sowohl eine hohe Zufriedenheit als auch eine hohe Identifikation der Kunden erreichen erfolgreicher als Unternehmen, die nur einen der Pfade bearbeiten.26 In den jüngeren Veröffentlichungen zum Branding sieht Keller als wesentliches Ziel des Branding eine Verbundenheit zwischen einem Unternehmen und seinen Kunden zu erreichen, bei der die Kunden mit der Marke interagieren und sich in höchstem Maße loyal zur Marke verhalten.27 Die enge Beziehung zur Marke veranlasst die Kunden diese weiterzuempfehlen, sich emotional zur Marke hingezogen zu fühlen und sich selbst als Teil von ihr zu sehen.
18
Vgl. Bolton und Drew (1991), S. 1 ff.; Bolding et al. (1993), S. 7 ff.; Mittal et al. (1999), S. 88 ff.
19
Einige Autoren schlagen daher vor, dass Kunden „begeistert“ werden müssen (vgl. Oliver et al. (1997), S. 313 f.; Rust und Oliver (2000), S. 91 f.).
20
Vgl. Ahearne et al. (2005).
21
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 76.
22
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003); Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 924.
23
Vgl. Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 924.
24
Vgl. Heskett et al. (1994), S. 164 ff.
25
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 49; Woratschek et al. (2008), S. 27 ff.; Woratschek et al. (2010b), S. 23 ff.
26
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 48 f. Alsem und Kostelijk fordern daher eine stärkere Integration der Markenidentität in das Marketing-Paradigma, da dieses gegenwärtig von den Kundenanforderungen bestimmt wird, während die Unternehmensressourcen in Form der Markenidentität vernachlässigt wird. Ein Ausgleich der beiden Bereiche sollte nach Meinung beider Autoren in Form eines identity based marketing erfolgen. Vgl. Alsem und Kostelijk (2008), S. 910 f.
27
Vgl. Keller (2001); Keller et al. (2008).
Problemstellung
5
Dabei kommt gerade der Weiterempfehlung einer Marke durch die Konsumenten eine besondere Bedeutung zu, da diese einen wichtigen Beitrag zur Neukundengewinnung leisten kann.28 Da Weiterempfehlungen zum Abbau von Unsicherheiten bei der Markenentscheidung und dem Aufbau von Reputation beitragen,29 wird indirekt auch die Gewinnung neuer Kunden begünstigt. Die Weiterempfehlungsabsicht muss dabei nicht zwangsläufig mit einer Bindung des Kunden an die Marke einhergehen, 30 so dass diese nicht als Indikator für die Loyalität herangezogen werden sollte. Vielmehr ist eine explizite Berücksichtigung der Weiterempfehlung als eigenständiges Konstrukt in der Service-Profit Chain angebracht, um diesen zusätzlichen Weg zum ökonomischen Erfolg zu berücksichtigen.31 Gleichzeitig zu dieser eher managementorientierten Literatur ging aus der soziologischorientierten Forschung geprägt vom Gedanken des Postmodernismus 32 das Phänomen der Brand Communities hervor.33 Mittlerweile hat das Konzept der Brand Communities in der traditionellen Marketing-Forschung Einzug gehalten.34 Wegweisend waren in diesem Bereich die Studien von McAlexander, Schouten und Koenig über Harley Davidson- und JeepAnhänger, bei denen die ethnografischen Ansätze der Begründer der Brand-CommunityForschung mit typischen Zielen der Marketing-Forschung wie beispielsweise die Entwicklung von Skalen und die Überprüfung von Hypothesen kombiniert wurden.35 Seit der Einführung des Begriffs Brand Communities durch Muniz und O’Guinn im Jahr 2001 erfreuen sich diese sowohl in der Wissenschaft36 als auch in der Marketing-Praxis37 großer Popularität. Für das Markenmanagement bringt das Phänomen der Brand Communities eine Erweiterung mit sich, da nicht nur die Beziehung der Marke (bzw. des Unternehmens) zum Kunden beach-
28
Vgl. z. B. East et al. (2008), S. 215 ff.; von Wangenheim und Bayón (2007), S. 233 ff.
29
Vgl. Helm (2000), S. 41; Helm und Günter (2000), S. 119; Sönmez und Graefe (1998), S. 112 ff.
30
Vgl. Eggert et al. (2007), S. 233 ff.; Horbel (2008), S. 14. Als Beispiel für eine gravierende Differenz zwischen der Bindung eines Kunden an einen Anbieter und der Absicht diesen weiterzuempfehlen, lässt sich der Tourismussektor anführen, da hier ein Teil der Konsumenten aufgrund des Strebens nach Abwechslung (Variety Seeking Behavior) auch bei hoher Kundenzufriedenheit den Anbieter wechselt. Folglich berichten diese Konsumenten potenziellen Neukunden zwar positive Erfahrungen mit einer Destination, sind dieser aber nicht treu. Vgl. z. B. Woratschek und Horbel (2005), S. 47 f.
31
Vgl. Woratschek und Horbel (2004), S. 286 ff.
32
Vgl. Firat und Venkatesh (1995), S. 239 ff. und zusammenfassend im Hinblick auf Brand Communities von Loewenfeld (2006), S. 72 ff.
33
Vgl. Firat und Venkatesh (1995); Cova (1997); Kozinets (1997); Kozinets (2001); Muniz und O'Guinn (2001); Holt (2002); Brown et al. (2003); Giesler und Pohlmann (2003); Muniz und Schau (2005).
34
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2002); McAlexander et al. (2003); Algesheimer et al. (2005); Andersen (2005); Piller et al. (2005); Bagozzi und Dholakia (2006b); Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008).
35
Vgl. McAlexander et al. (2002).
36
Vgl. hierzu den Literaturüberblick in Kapitel 2.3.1.
37
Beispielsweise sieht McWilliam Communities als „...poised to overtake relationship as the new marketing buzz word.” (McWilliam (2000), S. 43).
6
Einleitung
tet werden muss, sondern auch die Beziehungen der Kunden untereinander und eines Kunden zur Community insgesamt. 38 Die Markenbildung wird somit aktiv von den Konsumenten beeinflusst und kann nicht länger autonom vom Unternehmen geprägt werden. Demnach sind die Mitglieder der Brand Community entscheidend an der Wertschöpfung eines Unternehmens beteiligt.39 Gleichzeitig zeichnen sich Brand Communities durch eine hohe Markenloyalität40 und ein stark ausgeprägtes Weiterempfehlungsverhalten41 aus, so dass die Analyse des Phänomens der Brand Communities dazu beitragen kann, das allgemeine Verständnis der wichtigen ökonomischen Erfolgsindikatoren Loyalität und Weiterempfehlung zu unterstützen. Auch die Tatsache, dass das Identifikationskonzept und die Bedeutung der Identifikation mit der Community und der Marke für die Gruppenbildung bereits in der Brand-CommunityForschung untersucht wurden, legt nahe, dass sich hier vielversprechende Anknüpfungspunkte für eine Analyse der identifikations- und zufriedenheitsgetriebenen Kundenloyalität bieten. Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Brand Communities ist daher aus Sicht von Wissenschaft und Praxis von großer Relevanz, da Erkenntnisse vorangehender Forschung zur Kundenbindung und Neukundengewinnung auf deren Gültigkeit überprüft bzw. erweitert und neue Strategien für das Marketing-Management entwickelt werden können. 1.2
Forschungsfragen
Obwohl in den letzten Jahren die Anzahl der Forschungsprojekte zu Brand Communities stetig gewachsen ist,42 ist dieses Forschungsfeld weiterhin in seiner grundlegenden Entwicklung begriffen, so dass noch zahlreiche Forschungslücken existieren.43 Einige dieser Lücken sollen durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden. Eine zentrale Herausforderung dabei stellt die angemessene Berücksichtigung der in der Problemstellung angesprochenen Ausweitung der dyadischen Beziehung zwischen Anbieter und Kunde dar, so dass ein grundlegendes Ziel der Arbeit darin besteht, das Beziehungsgeflecht der Brand-Community-Mitglieder zu konzeptualisieren. Der in dieser Arbeit vorgestell-
38
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 413.
39
Vgl. de Chernatony (2009), S. 104.
40
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2003), S. 6 ff.
41
Vgl. z. B. Algesheimer et al. (2005), S. 19 ff.; von Loewenfeld (2006), S. 218 ff.
42
Vgl. hierzu den Literaturüberblick in Kapitel 2.3.1.
43
Vgl. Davidson et al. (2007), S. 208; Hoppe (2009), S. 7 f.
Forschungsfragen
7
te Lösungsansatz differenziert daher verschiedene Bezugsobjekte, 44 zu denen ein BrandCommunity-Mitglied eine Beziehung hat. Darauf aufbauend soll dann eine umfassende Betrachtung von Brand Communities erfolgen, da sich in der Vergangenheit viele empirische Untersuchungen auf ausgewählte Aspekte fokussiert haben, für eine Beurteilung der langfristigen Vorteilhaftigkeit von Brand Communities jedoch eine ganzheitliche Betrachtung angebracht erscheint. Ein umfassendes Forschungsmodell sollte daher Konstrukte enthalten, die den Erfolg einer Brand Community von deren Ursprüngen bis hin zu deren Konsequenzen erfassen. Diese Konstrukte sollten zumindest ökonomische Erfolgsindikatoren der Kundenbindung (z. B. Loyalität) und der Kundenneugewinnung (z. B. Weiterempfehlung, Reputation) enthalten, die für die Gewinnerzielung der Unternehmung von Bedeutung sind. Als wesentliche Zielgrößen kommen daher die in der Konsumentenforschung etablierten ökonomischen Erfolgsindikatoren Loyalität und Weiterempfehlung zum Einsatz. Ein wesentliches Ziel des Forschungsmodells ist die Offenlegung der zentralen Einflussfaktoren dieser beiden Konstrukte; daher werden psychologische Variablen in das Modell aufgenommen, die hypothetisch bedeutende Effekte auf diese aufweisen. Als Ausgangspunkt der Markengemeinschaft inkludiert die vorliegende Untersuchung die Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community. In Ermangelung vorhandener Instrumentarien zu deren Messung soll zunächst die Frage nach den grundlegenden Motivationen zur Partizipation an der Brand Community geklärt werden. Anschließend soll deren Relevanz für die Identifikation geschätzt werden. Die zentralen Mediatoren der Wirkungszusammenhänge sind die Konsumentenidentifikation und die Zufriedenheit. Dies ermöglicht den Vergleich der Effekte der in der Community-Forschung vorrangig diskutierten identifikationsbasierten Bindung der Mitglieder mit der in der zufriedenheitsbasierten Konsumentenbindung, die in der Marketingforschung vorherrscht. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass Brand-Community-Mitglieder ihre Beurteilung der latenten Konstrukte (Identifikation, Zufriedenheit, Loyalität und Weiterempfehlung) hinsichtlich verschiedener Bezugsobjekte differenzieren. Als Bezugsobjekte der Konsumentenbeziehung gilt es insbesondere zwischen der Marke und der Brand Community zu unterscheiden. Zudem wird häufig auch das Unternehmen selbst von den Konsumenten als eigenständiges Bezugsobjekt wahrgenommen, so dass sich auch hier die Beziehung zum Unternehmen signifikant von der Beziehung zur Marke unterscheiden kann. Besonders deut-
44
Durch die Unterscheidung verschiedener „Bezugsobjekte“ wird eine detaillierte Analyse des Beziehungsgeflechts von Brand-Community-Mitgliedern ermöglicht. Im Rahmen der Identifikation von Individuen mit einem Bezugsobjekt wird oft auch von verschiedenen „Identifikationsobjekten“, „Zielen der Identifikation“ oder dem „Fokus der Identifikation“ gesprochen (vgl. z. B. Böhm (2008), S. 11; van Dick (2004b), S. 20). Im Rahmen dieser Arbeit werden diese Begriffe daher synonym eingesetzt. In der englischsprachigen Literatur werden uneinheitlich die Bezeichnungen object of identification (vgl. z. B. Shamir (1992); Ahearne et al. (2005), S. 581) bzw. focus of identification (vgl. z. B. van Knippenberg und van Schie (2000), S. 137) als Synonyme verwendet.
8
Einleitung
lich wird dieser Sachverhalt an der Identifikation eines Konsumenten, die auf jedes dieser drei Bezugsobjekte (Brand Community, Marke, Unternehmen) gerichtet sein kann und dementsprechend die wahrgenommene Einheit zwischen einem Konsumenten und dem jeweiligen Bezugsobjekt unterschiedlich ausfallen kann. Äquivalent sind Konsumenten allerdings beispielsweise auch in der Lage ihre Zufriedenheitsurteile hinsichtlich der drei Bezugsobjekte zu differenzieren. Diese Komplexität des Beziehungsgeflechts eines Brand-CommunityMitglieds muss in einem Forschungsmodell, das Brand Communities untersucht, berücksichtigt werden. Da jedoch auch Konsumenten außerhalb einer Brand Community in der Regel Beziehungen zu anderen Kunden eines Unternehmens, zum Unternehmen selbst und zur Marke aufweisen, ist ein Transfer der Erfahrungen der Brand-Community-Forschung erstrebenswert. Die vorliegende Arbeit soll daher auch dazu genutzt werden, die Erkenntnisse durch Brand Communities und die „traditionelle“ Konsumentenforschung stärker zu integrieren und etablierte Management-Konzepte durch Erkenntnisse aus der Brand-Community-Forschung zu erweitern. Die in der Problemstellung in Abschnitt 1.1 aufgezeigte Verbindung zwischen der Konsumentenidentifikation und Brand Communities legt nahe, dass auf diesem Gebiet durch den Spezialfall der Brand Communities Forschungsergebnisse erzielt werden können, die auch für die allgemeine Marketingforschung von Bedeutung sind. Auf Basis dieser Überlegungen wird ein Forschungsmodell entwickelt, das zur Klärung der nachfolgenden Forschungsfragen geeignet ist: 1. Was sind die Motivationen von Brand-Community-Mitgliedern zur Teilnahme an einer Brand Community und auf welche übergeordneten Dimensionen lassen sich diese verdichten? 2. Welche Bezugsobjekte differenzieren Brand-Community-Mitglieder? 3. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Differenzierung verschiedener Bezugsobjekte für die Struktur der Wirkungszusammenhänge einer Service-Profit Chain? 4. Welchen Einfluss üben die Motivationen auf die Verbindung der Brand-CommunityMitglieder zu verschiedenen Identifikationsobjekten aus? 5. Was sind die entscheidenden Einflussgrößen für die Loyalität gegenüber der Brand Community und die Loyalität gegenüber der Marke? 6. Was sind die entscheidenden Einflussgrößen für die Weiterempfehlung der Brand Community und die Weiterempfehlung der Marke? 7. Lässt sich durch eine Bindung an die Community auch die Bindung an die Marke erhöhen? 8. Lässt sich durch eine Weiterempfehlung der Community auch die Weiterempfehlung an die Marke erhöhen?
Gang der Untersuchung
9
Zur Klärung dieser Forschungsfragen soll im Rahmen dieser Arbeit ein theoriegeleitetes Vorgehen gewählt werden, welches auf verhaltenswissenschaftlichen Marketingtheorien basiert.45 Im Speziellen lässt sich die Brand-Community-Forschung in die Sozialpsychologie46 einordnen, kann aber gleichzeitig auch dem Neobehaviorismus47 zugewiesen werden.48 1.3
Gang der Untersuchung
Vor dem Hintergrund der dargelegten Problemstellung und der daraus abgeleiteten Forschungsfragen ergibt sich der in Abbildung 1 dargestellte Gang der Untersuchung. Kapitel 2 erläutert grundlegend das Phänomen Brand Communities. Zunächst werden hierfür die Grundlagen von Brand Communities erläutert und dieses Phänomen zu anderen Konstrukten abgegrenzt. Anschließend wird die praktische und die wissenschaftliche Bedeutung von Brand Communities aufgezeigt, indem die ökonomische Relevanz, der Stand der Forschung und Forschungslücken dargelegt werden. In Kapitel 3 erfolgt die Erarbeitung eines Forschungsmodells zur Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities. Dabei werden zunächst die Besonderheiten bei der Betrachtung theoretischer Konstrukte im Brand-Community-Kontext diskutiert und damit die Basis für die anschließende Konzeptualisierung der für die Untersuchung relevanten Konstrukte gelegt. Als zentrale unternehmerische Zielgrößen werden die ökonomischen Erfolgsindikatoren Loyalität und Weiterempfehlung identifiziert. Die entscheidenden Determinanten dieser Konstrukte sind in der Motivation zur Teilnahme an der Brand Community, der Zufriedenheit und der Konsumentenidentifikation zu sehen. Zur Fundierung der Konstrukte wird jeweils dessen Relevanz für das Marken- bzw. Brand-Community-Management veranschaulicht und die dazugehörigen theoretischen Grundlagen bzw. Forschungsrichtungen erläutert. Diese Ausführungen dienen als Grundlage der Konzeptualisierung der einzelnen Konstrukte. Im Anschluss erfolgt die Ableitung der Forschungshypothesen für die empirische Studie und deren Zusammenfassung in einem Strukturgleichungsmodell. Die Beschreibung und Diskussion der empirischen Untersuchung erfolgt in Kapitel 4. Nach einem Überblick über die Gesamtkonzeption der empirischen Untersuchung werden zunächst die Grundlagen der Strukturgleichungsmodellierung vorgestellt, die im Hinblick auf die Durchführung der Studie und die Datenauswertung besonders relevant sind. Daran anschließend erfolgt eine quantitative Vorstudie mit dem Ziel, die zentralen Dimensionen der Motivation zur Teilnahme an einer Brand Community zu ermitteln und das Untersuchungsmodell auf
45
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 10 ff.
46
Vgl. grundlegend Fischer und Wiswede (2002); Forgas und Schust (1987); Newcomb (1959).
47
Vgl. z. B. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 34 ff.; Trommsdorff (2004), S. 152f.
48
Zur Einordnung der Brand-Community-Forschung in die Wissenschaftsdisziplinen vgl. grundlegend Hoppe (2009), S. 12 ff.
10
Einleitung
Basis dieser Ergebnisse zu konkretisieren. In den Ausführungen zur Hauptstudie werden zunächst die Operationalisierung der Konstrukte und die Datenerhebung beschrieben. Anschließend wird detailliert das Vorgehen der Datenauswertung und die Ergebnisse der Schätzung des Strukturgleichungsmodells vorgestellt. Das Kapitel der empirischen Untersuchung schließt mit einer Diskussion der zentralen Ergebnisse aus Vor- und Hauptstudie, wobei vier Teilbereiche untergliedert werden: erstens die Konsumentenidentifikation mit verschiedenen Identifikationsobjekten, zweitens die Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community, drittens die Kundenbindung und viertens die Kundenneugewinnung. In Kapitel 5 werden auf Basis der empirischen Erkenntnisse zum Konsumentenverhalten von Brand-Community-Mitgliedern Implikationen für die Wissenschaft und die Praxis abgeleitet und diskutiert. Zum einen erfolgt eine kritische Analyse aus dem Blickwinkel der Wissenschaft über den Erkenntnisbeitrag der Forschungsergebnisse sowie ein Ausblick auf zukünftige Forschungsmöglichkeiten, zum anderen werden vor dem Hintergrund der Ergebnisse der empirischen Untersuchung Implikationen für die Praxis vorgestellt und die Übertragbarkeit auf Nicht-Brand-Community-Mitglieder diskutiert. Schließlich enthält die Arbeit ein kurzes Fazit (Kapitel 6) mit den wichtigsten Erkenntnissen der Untersuchung.
Gang der Untersuchung
11
Virtual Brand Communities Kap. 2.1 Grundlagen von Virtual Brand Communities • • • •
Definition Merkmale Typologisierung Abgrenzung
Kap. 2.2 Ökonomische Relevanz von Brand Communities
Kap. 2.3 Stand der Forschung zu Brand Communities
• Markenverständnis • Internet als BC-Katalysator • Auswirkungen von BCs
• Überblick • Forschungsbedarf
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities Kap. 3.1 Besonderheiten der Konzeptualisierung von Konstrukten im Brand-Community-Kontext
Unternehmerische Zielgrößen
Kap. 3.2
• Loyalität • Weiterempfehlung
Kap. 3.3 Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen • Motivation zur Teilnahme an der Brand Community • Identifikation • Zufriedenheit
Hypothesengenerierung und Ableitung des Untersuchungsmodells
Kap. 3.4
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Kap. 4.1 / 4.2 Konzeption und Grundlagen der Strukturgleichungsmodellierung
Kap. 4.3
Vorstudie
• Identifikation zentraler Motivations-Dimensionen
Hauptstudie
Kap. 4.4
• Analyse der Wirkungszusammenhänge der Konstrukte
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen
Kap. 4.5
Implikationen für Wissenschaft und Praxis Implikationen für die Wissenschaft
Kap. 5.1
Implikationen für die Praxis
• Forschungsergebnisse und kritische Würdigung • Einschränkung und Ausblick
• Handlungsempfehlungen • Übertragbarkeit auf Nicht-Brand-Community-Mitglieder
Fazit Abbildung 1:
Gang der Untersuchung
Kap. 5.2
Kap. 6
2 Brand Communities Im folgenden Kapitel werden zunächst die Grundlagen von Brand Communities erläutert. Nach diesen theoretischen Ausführungen wird anhand der ökonomischen Relevanz von Markengemeinschaften auch deren praktische Bedeutung aufgezeigt. Das Kapitel schließt mit einer Gegenüberstellung des Standes der Forschung zu Brand Communities und der Ableitung von Forschungslücken. 2.1
Grundlagen von Brand Communities
2.1.1
Definition
Der Begriff der Brand Community wurde durch Muniz und O’Guinn im Jahr 2001 geprägt. Die beiden Autoren definierten diese als „specialized, non-geographically bound community, based on a structured set of social relationships among admirers of a brand”49. Diese Definition wurde weitgehend von anderen Forschern akzeptiert bzw. als Basis eigener Definitionen verwendet.50 Jedoch geht die Einschränkung auf „Bewunderer“ (admirers) einer Marke einigen Autoren zu weit, so dass diese die Mitgliedergruppe der Brand Community weiter fassen und alle interessierten Konsumenten einbeziehen.51 Zudem wird für Markengemeinschaften, die überwiegend online interagieren, eine Präzisierung des Begriffs durch die Voranstellung der Bezeichnung Virtual bzw. Online vorgenommen.52 Diese Ausprägungsform einer Brand Community wird auch im Rahmen dieser Arbeit untersucht und daher wie folgt definiert: Eine Virtual Brand Community ist eine interessenbasierte Gemeinschaft von Konsumenten, deren Interaktion überwiegend online stattfindet und auf eine bestimmte Marke ausgerichtet ist.
49
Muniz und O'Guinn (2001), S. 412.
50
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2002); Andersen (2005); Algesheimer et al. (2005); Bagozzi und Dholakia (2006b); Schouten et al. (2007); Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008). Eine eigene deutschsprachige Definition hat sich im deutschsprachigen Raum (bislang) nicht etabliert. Einzig von Loewenfeld hat eine Begriffsbestimmung erarbeitet, die nachfolgend angeführt wird: „Eine Brand Community ist eine ortsungebundene, offline und/oder online existierende, interessenbasierte Gemeinschaft, die speziell auf eine bestimmte Marke ausgerichtet ist und dabei durch die Schaffung einer Umgebung mit einem hohen Identifikationspotenzial Anhänger und Bewunderer der Marke sowie Kunden mit einem generellen Interesse an der Marke interaktiv vereint. Kennzeichnend ist hierbei die Herausbildung eines starken Gemeinschaftsgefühls und einer sozialen Identität. Idealerweise verbinden sich in einer BC traditionelle Community-Werte sowohl mit funktionalen als auch mit individuellen Bedürfnissen.“ (von Loewenfeld (2006), S. 133).
51
So sprechen beispielsweise Huber et al. von „Verwendern einer Marke“ (Huber et al. (2006), S. 9) und von Loewenfeld schließt „Kunden mit einem generellen Interesse an der Marke“ mit ein (von Loewenfeld (2006), S. 133).
52
Vgl. z. B. Broderick et al. (2003), S. 75 ff.; Casalo et al. (2007), S. 775 ff.; Casalo et al. (2008), S. 19 ff.; Cova und Pace (2006), S. 1087; Kim et al. (2008), S. 357 ff.; Maclaran und Catterall (2002), S. 319 ff.
B. Popp, Markenerfolg durch Brand Communities, DOI 10.1007/978-3-8349-6712-1_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Grundlagen von Brand Communities
13
Diese Definition ist bewusst vergleichsweise offen gewählt, da die Mitglieder einer Brand Community meist online und offline in Kontakt stehen und die Übergänge zwischen beiden Extremformen fließend sind. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe Brand Community, Virtual Brand Community, Online Brand Community und Markengemeinschaft53 daher weitgehend synonym verwendet.54 2.1.2
Merkmale
Den Kern einer Brand Community nimmt eine Marke ein55, so dass Markengemeinschaften explizit einen kommerziellen Charakter aufweisen.56 Demnach wird eine Brand Community insbesondere durch die Konsumgewohnheiten und -erfahrungen der Mitglieder zusammengehalten.57 Die Anhänger der Marke teilen ihre Begeisterung für eine bestimmte Marke58 und tauschen sich stark untereinander aus.59 Dadurch interpretiert und handelt die Brand Community die Markenbedeutung aus60 und die klassische dyadische Sichtweise des Beziehungsmarketings wird erweitert.61 Das entstehende Beziehungsgeflecht sehen Muniz und O’Guinn als eine Brand-Community-Triade aus Kunde-Marke-Kunde. 62 McAlexander, Schouten und Koenig hingegen schlagen als Ergebnis ihrer Studien ein kundenzentriertes BrandCommunity-Modell vor, in dessen Mittelpunkt der Kunde steht und seine Beziehungen zur Marke, zu anderen Kunden, dem Produkt und dem Marketer betrachtet werden.63 Upshaw und Taylor wiederum untersuchen das Beziehungsgeflecht in einer sog. brand.comm, einem Netzwerk verschiedener Stakeholder einer Marke, in dessen Mittelpunkt der Kunde steht.64 Abbildung 2 fasst die alternativen Konzeptualisierungen dieses Kerngedankens zusammen.
53
Vgl. z. B. Hellmann (2005), S. 38; von Loewenfeld und Herrmann (2004), S. 42; von Loewenfeld (2006), S. 3.
54
Sofern die Kommunikation der Community-Mitglieder überwiegend online stattfindet und diese Tatsache als entscheidend erachtet wird, werden die Begriffe „Virtual Brand Community“ bzw. „Online Brand Community“ eingesetzt.
55
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 426; Patterson und O'Malley (2006), S. 15. Häufig stehen technologische Produkte, Automobile, Prominente, Sport oder Fernsehshows im Mittelpunkt der Community (vgl. Luedicke und Giesler (2007), S. 275).
56
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 415. Die Autoren sehen darin einen entscheidenden Unterschied zu den von Maffesoli beschriebenen Neo-Tribes (vgl. Maffesoli (1996)).
57
Vgl. Schouten und McAlexander (1995), S. 43.
58
Vgl. de Valck (2005), S. 270.
59
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 79 ff.; Dholakia et al. (2004), S. 244 ff.; Algesheimer et al. (2010), S. 756.
60
Vgl. Cova (1997), S. 413 ff.; Huber et al. (2006), S. 10.
61
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 426; McAlexander et al. (2002), S. 39; Huber et al. (2006), S. 9.
62
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001).
63
Vgl. McAlexander et al. (2002).
64
Vgl. Upshaw (2001).
14
Brand Communities Brand Community Triade
Kundenzentrisches Brand Community Modell
Segmente einer Brand Community (brand.comm)
Muniz und O‘Guinn (2001)
McAlexander, Schouten und Koenig (2002)
Upshaw und Taylor (2000)
Marke
Marke
Produkt relevanter Kunde
Kunde
Zulieferer
Investoren
Kunde
Handel/ Verkäufer
Kunde Kunde
Abbildung 2:
Beschäftigte
Marketer
Strategische Verbünde
Distributoren
Alternative Konzeptualisierungen einer Brand Community65
Diesen unterschiedlichen Ansätzen ist gemein, dass sie eine aktive Beeinflussung der Markenbildung durch die Community abbilden. Während traditionell die Beziehung zwischen dem Anbieter und dem Konsumenten das Konsumentenverhalten geprägt hat, ist durch die Interaktion der Konsumenten in Brand Communities eine Erweiterung des Beziehungsgeflechts von Konsumenten festzustellen. Somit erfolgt die Aussendung von Informationen über eine Leistung nicht mehr alleine durch das Unternehmen direkt bzw. mittels der angebotenen Marke an die potenziellen Abnehmer, sondern auch durch andere Konsumenten. 66 Zwar waren die Beziehungen zwischen einzelnen Konsumenten ebenfalls bereits vor der Untersuchung des Phänomens der Brand Communities Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung, 67 allerdings wird der Dialog unter den Konsumenten durch das Aufkommen der Communities zusätzlich gefördert. Darüber hinaus kommt durch die Verbundenheit mit der Brand Community eine neue Qualität der Kommunikation hinzu und die Kunden interagieren mit ihrer bevorzugten Marke und der Community als solche.68 Neben der Veränderung der Beziehung zwischen Marke und Konsument heben Muniz und O’Guinn, die in ihrer Studie überwiegend einen soziologischen Blickwinkel einnehmen und ethnografische Forschungsansätze und deduktive Methoden verwenden, als Ergebnis ihrer Literaturauswertung drei Hauptmerkmale von Brand Communities hervor: 69 das Gemeinschaftsgefühl der Mitglieder, gemeinsame Rituale und Traditionen sowie die moralische Verantwortung der Mitglieder. Unter dem Gemeinschaftsgefühl („consciousness of kind“) ist die intrinsische Verbindung, die die Mitglieder untereinander empfinden, zu verstehen. Durch die gemeinsame Verbindung zur Marke und den starken Austausch zwischen Community-Mitgliedern entsteht ein Wirgefühl,
65
In Anlehnung an von Loewenfeld (2006), S. 125.
66
Vgl. McAlexander et al. (2002), S. 39.
67
Insbesondere das Weiterempfehlungsverhalten von Konsumenten wurde auch in der Vergangenheit bereits ausführlich wissenschaftlich untersucht (vgl. Kapitel 3.2.2 und die dort angegebene Literatur).
68
Vgl. Otnes und MacLaran (2007), S. 64.
69
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 418 ff. Diese Charakteristika werden von anderen Autoren als zentrale Aspekte einer Brand Community gesehen (vgl. von Loewenfeld (2006), S. 152; Hanion (2006), S. 16 f.).
Grundlagen von Brand Communities
15
das einerseits die Zugehörigkeit zur Markengemeinschaft70 manifestiert und andererseits die Abgrenzung zu anderen Gruppierungen71 ausdrückt. Die Mitglieder sehen sich dabei als Teil einer größeren Gemeinschaft.72 Zugleich kennen sie sich in ihrer Wahrnehmung gegenseitig auf eine gewisse Art und Weise, obwohl sie sich unter Umständen noch nie begegnet sind,73 und identifizieren sich miteinander.74 Das zweite elementare Merkmal einer Markengemeinschaft sind gemeinsame Rituale und Traditionen („shared rituals and traditions“).75 Durch diese wird die Bedeutung der Community ausgehandelt sowie innerhalb und außerhalb der Community verbreitet. Dadurch wird ein gemeinsames Bewusstsein hinsichtlich Kultur und Tradition aufrechterhalten sowie verhaltensrelevante Normen und Werte entwickelt. Im Mittelpunkt dieser sozialen Prozesse stehen insbesondere die Partizipation der Konsumenten in der Community und deren Erfahrungen mit der Marke, die im Zentrum der Community steht.76 Basis und Ergebnis dieser Rituale stellen die geteilten Werte der Brand-Community-Mitglieder dar. 77 Zu den bekanntesten Ritualen und Traditionen gehören das Feiern der Marke und der Austausch über diese.78 Als dritte zentrale Gemeinsamkeit von Brand Communities gilt „a sense of moral responsibility”79, also das Gefühl des Einzelnen, gegenüber der Community und den einzelnen Mitgliedern verpflichtet zu sein. Diese moralische Verantwortung ist insbesondere auf das Halten und Anwerben von Mitgliedern sowie auf die Unterstützung von Mitgliedern hinsichtlich der Nutzung der Marke gerichtet und trägt somit wesentlich zu gemeinsamen Handlungen und der Gruppenkohäsion bei.80 Der Einsatz der Konsumenten für die Markengemeinschaft setzt zwar deren Bereitschaft, der Marke einen Großteil ihrer Zeit zu widmen, voraus,81 sichert aber das Überleben der Community.82
70
Vgl. McMillan und Chavis (1986), S. 6 ff.; McMillan (1996), S. 315 ff.
71
Vgl. Huber et al. (2006), S. 9; Muniz und O'Guinn (2001), S. 421; Postmes et al. (2000), S. 343; Schögel et al. (2005), S. 2 ff.
72
Vgl. Mathwick et al. (2008), S. 24. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit wird als wichtigstes Merkmal einer Brand Community angesehen (vgl. z. B. Flavian und Guinaliu (2005), S. 406).
73
Vgl. Szmigin und Carrigan (2006), S. 300.
74
Vgl. Algesheimer et al. (2005), S. 20.
75
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 421 ff.
76
Vgl. Hollenbeck et al. (2006), S. 576.
77
Vgl. Casalo et al. (2007), S. 777; Cova et al. (2007), S. 314.
78
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 421 ff.; McAlexander et al. (2002), S. 42; Schau und Muniz (2006), S. 19 ff.; Woodside et al. (2008), S. 97 ff.
79
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 413.
80
Vgl. Brown et al. (2003), S. 24; Mathwick et al. (2008), S. 24; McAlexander et al. (2002), S. 42; Pace et al. (2007), S. 321; Shang et al. (2006), S. 400.
81
Vgl. Lindstrom (2002a).
82
Vgl. Schau und Muniz (2006), S. 19 ff.
16
Brand Communities
2.1.3
Typologisierung von Brand Communities
Neben den drei beschriebenen fundamentalen Eigenschaften einer Brand Community (Gemeinschaftsgefühl, gemeinsame Rituale und Traditionen, moralische Verantwortung) wurden in der Literatur eine Vielzahl weiterer Charakteristika einer Brand Community diskutiert und als Basis für die Typologisierung von (Brand) Communities eingesetzt.83 Als zentrale Dimensionen lassen sich bei den meisten Kategorisierungsansätzen der inhaltliche Fokus und strukturelle Unterscheidungsmerkmale identifizieren. 2.1.3.1
Inhaltliche Unterscheidungsebene
Die Einordnung von Brand Communities auf inhaltlicher Ebene wird in Anlehnung an den Kategorisierungsansatz von Armstrong und Hagel 84 veranschaulicht, der als einer der am häufigsten zitierten Ansätze gilt. Die Unterscheidung erfolgt dabei inhaltlich nach den Bedürfnissen der Teilnehmer von Online Communities hinsichtlich Interessen („Communities of Interest“), Beziehungen („Communities of Relationships“), Fantasie („Communities of Fantasy“) und Transaktionen („Communities of Transaction“). In Communities of Transaction liegt der Schwerpunkt auf dem Kauf und Verkauf von Produkten und Dienstleistungen (z. B. ebay.de, mobile.de etc.). Communities of Interest vereinen Personen, die sich intensiv zu einem bestimmten Thema austauschen wollen (z. B. Fans einer bestimmten Marke bzw. eines bestimmten Hobbys etc.). Die interpersonelle Kommunikation zwischen den Teilnehmern der Community ist hier wesentlich höher als bei den vorgenannten Communities of Transaction. Communities of Fantasy dienen den Teilnehmern vor allem dazu, virtuelle Welten, Charaktere und Geschichten zu erschaffen (z. B. Second Life, World of Warcraft etc.). Dabei ist die tatsächliche Identität der Teilnehmer dieser Communities oft von nachrangiger Bedeutung, vielmehr steht die Interaktion untereinander im Vordergrund. In Communities of Relationships finden sich Personen aufgrund von gemeinsamen Erlebnissen, gleicher Geschichte, geografischer Nähe oder gleichen Erfahrungen zusammen und bilden eine sehr persönliche und eng verbundene Einheit (z. B. Selbsthilfegruppen etc.). Zudem können nach neuerem Verständnis dieser Kategorie Social Network Sites wie Facebook, MySpace, StudiVZ und XING unter diese Art von Communities subsumiert werden.85 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll diesem Ansatz weitgehend gefolgt werden. Jedoch werden Communities of Fantasy als eine Unterform der Communities of Interest gesehen.86 Zudem ist bei den Communities of Interest zwar ein bestimmtes Thema die Basis der Gemeinschaft, allerdings werden weitere Themenbereiche und eine intensive Kommunikation der
83
Vgl. grundlegend von Loewenfeld (2006), S. 39 ff.; Hartleb (2009), S. 10 ff.
84
Vgl. Armstrong und Hagel (1996), S. 135 ff.
85
Vgl. z. B. Hartleb (2009), S. 13.
86
Vgl. auch Schubert (2000), S. 30 f.
Grundlagen von Brand Communities
17
Mitglieder auf persönlicher Ebene im Gegensatz zu der Definition von Armstrong und Hagel nicht ausgeschlossen, sondern als positive Ergänzung gesehen.87 Im Hinblick auf den inhaltlichen Fokus der Community ergeben sich demnach die Oberkategorien Communities of Interest, Communities of Relationships und Communities of Transaction, wobei Brand Communities zu den Communities of Interest zählen. 2.1.3.2
Strukturelle Unterscheidungsebene
Auf einer zweiten Ebene wird zwischen verschiedenen strukturellen Merkmalen differenziert. Im Folgenden sollen die im Hinblick auf Brand Communities bedeutendsten, in der Literatur am meisten diskutierten Merkmale kurz erläutert werden. 2.1.3.2.1
Initiierung und Führung
Brand Communities können sowohl durch Fans einer Marke als auch durch das Unternehmen gegründet und geführt werden.88 Daher wird auch zwischen offiziellen, d. h. vom Markenunternehmen geführten, und inoffiziellen, d. h. von Privatpersonen betriebenen, Brand Communities unterschieden. 89 In offiziellen Brand Communities steht meist das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens im Vordergrund, so dass manche Autoren diese auch als kommerzielle Brand Communities und inoffizielle Markengemeinschaften als nicht-kommerzielle Brand Communities bezeichnen. 90 Aus Unternehmenssicht besteht bei inoffiziellen Brand Communities der Nachteil darin, dass sie außerhalb der Kontrolle des Unternehmens stehen.91 Durch die fehlende Steuerungs- und Eingriffsmöglichkeit des Markenunternehmens können inoffizielle Brand Communities somit unerwünschte Vorstellungen von der Marke durchsetzen. Auch von Unternehmen initiierte Brand Communities sind auf die Mitwirkung der Konsumenten an der Community angewiesen, so dass es die Hauptaufgabe des Managements ist, die Interaktion der Markenfans zu ermöglichen.92 2.1.3.2.2
Online versus Offline
Bereits Muniz und O’Guinn weisen in ihrer ursprünglichen Beschreibung von Brand Communities explizit darauf hin, dass Gemeinschaften insbesondere durch das Auftreten von
87
Vgl. auch Hartleb (2009), S. 13.
88
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 934; von Loewenfeld (2006), S. 10.
89
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 127.
90
Vgl. Hartleb (2009), S. 15; von Loewenfeld (2006), S. 127. Grundsätzlich sind jedoch alle Brand Communities kommerziell in dem Sinn, dass die Marke, um die sich eine Markengemeinschaft bildet, ein kommerzielles Objekt darstellt.
91
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 127.
92
Vgl. Fournier et al. (2005), S. 18.
18
Brand Communities
Massenmedien nicht mehr an einen geografischen Ort gebunden sind.93 Vielmehr sehen sie Markengemeinschaften in einer gemeinsamen Identität begründet. Brand Communities setzen demnach keinen physischen Kontakt der Mitglieder voraus. Je nach Schwerpunkt der Interaktion unter den Community-Mitgliedern werden diese daher als online oder offline charakterisiert. 94 Bei Offline Communities steht die Face-to-Face-Kommunikation im Vordergrund, wohingegen bei Online Communities bzw. Virtual Brand Communities die Interaktion auf Technologien des Internets basiert. Häufig agieren Brand Communities sowohl online als auch offline, so dass die Zuordnung auf Basis der überwiegenden Kommunikationsart erfolgt.95 Durch die parallele persönliche und virtuelle Interaktion ergeben sich Synergien beider Kommunikationswege. Dementsprechend führen originär ausschließlich im Internet interagierende Markengemeinschaften häufig Events ein, die ein physisches Treffen der Mitglieder ermöglichen. Umgekehrt erweitern Communities mit Face-to-Face-Kontakt im Lauf der Zeit ihre Kommunikation auf das Internet. 2.1.3.2.3
Anzahl der Mitglieder und Stärke der Bindung
Brand Communities lassen sich zudem nach der Stärke der Bindung, die im Wesentlichen von der Anzahl der Mitglieder einer Brand Community abhängig ist, charakterisieren. Dholakia und Bagozzi differenzieren daher zwischen netzwerkbasierten (network-based) und kleingruppenbasierten (small-group-based) Brand Communities. 96 In kleingruppenbasierten Communities steht die Verbindung zwischen einzelnen Mitgliedern im Vordergrund, wohingegen in netzwerkbasierten Brand Communities ein umfangreiches, dynamisches Netzwerk von Beziehungen primärer Fokus der Community ist. 97 Mitglieder von netzwerkbasierten Brand Communities identifizieren sich daher mit der Gruppe als Ganzes und nicht unbedingt mit einzelnen Personen.98 Kleingruppenbasierte Brand Communities bestehen hingegen aus weniger als 50 Mitgliedern, die sich meist gegenseitig kennen und freundschaftlich verbunden sind.99 Im Rahmen dieser Arbeit stehen netzwerkbasierte Brand Communities im Mittelpunkt der Untersuchung.
93
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 415. In ihrer Argumentation hinsichtlich der Ortsunabhängigkeit von Brand Communities greifen die Autoren das Konzept der Imagined Community auf (vgl. Bender (1978), Anderson (1983)).
94
Vgl. Hartleb (2009), S. 15; Hoppe (2009), S. 33.
95
Vgl. Fox (2004), S. 57 f.
96
Vgl. Dholakia et al. (2004), S. 46 ff.; Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 247 ff.
97
Vgl. Algesheimer und Herrmann (2005b), S. 758.
98
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 939.
99
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 939; Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 46.
Grundlagen von Brand Communities 2.1.4
19
Abgrenzung zu verwandten Konstrukten
Die Idee des gemeinsamen Konsums ist nicht vollkommen neu, so dass im Rahmen der Brand-Community-Forschung auf vorangehende Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden kann. Zentrale Merkmale von Brand Communities finden sich zum Teil bereits in früheren Gemeinschafts-Konzepten 100 bzw. können zur Abgrenzung dieser Konzepte von Brand Communities herangezogen werden. Aufgrund dieser Nähe zu anderen in der Marketing-Forschung untersuchten Phänomenen werden an dieser Stelle Parallelen aufgezeigt bzw. eine genauere Abgrenzung vorgenommen. Abgrenzung Brand Community – Community Der Begriff Community stammt aus der anthropologischen und soziologischen Forschung und gehört nach Ansicht von Kozinets zu den wichtigsten, komplexesten und am meisten diskutierten Begriffen der westlichen Welt.101 Auf eine ausführliche Diskussion der umfangreichen Literatur zu Communities wird daher an dieser Stelle verzichtet.102 Vielmehr soll der zentrale Unterschied zu Brand Communities herausgestellt werden, der im Fokus der Community zu sehen ist.103 In einer Community unterliegt der soziale Austausch zwischen den Mitgliedern „einem wohlverstandenen Schwerpunkt, etwa einem gemeinsamen Ziel, geteilter Identität, einem gemeinsamen Besitz oder gemeinsamen Interessen”104. Damit können in Communities sehr unterschiedliche und breite Themen im Mittelpunkt stehen.105 Hingegen bildet sich eine Brand Community immer um eine bestimmte Marke, um die sich deren Anhänger scharen.106 Somit stellen Brand Communities eine Spezialform der Community dar.107
100
Zu diesen Konzepten zählen u. a. Consumption Communities (vgl. Boorstin (1974); McGrath et al. (1993)), Brandfests (vgl. McAlexander und Schouten (1998)), Subcultures of Consumption (vgl. Schouten und McAlexander (1995)), Communities of Consumption (vgl. Kozinets (1999)), Brand Tribes (vgl. Cova und Pace (2006)), Neotribalism (vgl. Maffesoli (1996)) und Urban Neighborhoods (vgl. Jannowitz (1952)).
101
Vgl. Kozinets (2002), S. 21.
102
Eine ausführliche Diskussion des Community-Begriffs findet sich z. B. bei von Loewenfeld (2006), S. 1847. Im deutschsprachigen Raum wird zuweilen die Bezeichnung synonym zu einer Gemeinschaft verwendet (vgl. Diemers (2001), S. 132; von Loewenfeld (2006), S. 20).
103
Vgl. z. B. Hoppe (2009), S. 25.
104
Vgl. Algesheimer (2004), S. 48 oder auch Algesheimer und Herrmann (2005a), S. 750.
105
Vgl. Hagel und Armstrong (1997), S. 143.
106
Vgl. Casalo et al. (2007), S. 787; von Loewenfeld (2006), S. 126 ff.
107
Vgl. Mühlenbeck und Skibicki (2007), S. 32 ff.; Muniz und O'Guinn (2001), S. 412.
20
Brand Communities
Abgrenzung Brand Community – Virtual Community Findet die soziale Interaktion einer Community im Internet108 statt, wird diese als Virtual Community109 bezeichnet. Eine frühe Definition stammt von Rheingold und beschreibt Virtual Communities als „…social aggregations that emerge from the net when enough people carry on... public discussions long enough, with sufficient human feeling, to form webs of personal relationships in cyberspace.” 110 Die Bedeutung von Virtual Communities wurde erstmals umfassend von Hagel und Armstrong aufgezeigt.111 Auch Brand Communities werden häufig durch internetbasierte Technologien unterstützt, allerdings ist das Konzept der Brand Communities weiter und umfasst grundsätzlich alle Individuen, die sich mit einer Marke verbunden fühlen, unabhängig davon, ob sie überwiegend online oder offline kommunizieren.112 Im Unterschied dazu sind Virtual Communities definitionsgemäß auf den Onlinebereich beschränkt, allerdings muss das Thema der Community nicht zwangsläufig eine Marke sein (vgl. Abbildung 3).
108
Das Internet bezeichnet ein weltweites Netz aus Rechnernetzwerken und ermöglicht die Nutzung von Internetdiensten wie E-Mail und des World Wide Web (WWW). Kommunikation, die über diese Kanäle erfolgt, wird oft durch Hinzufügen der Bezeichnungen „online“ oder „virtuell“ (bzw. engl. virtual) konkretisiert.
109
Die Bezeichnung Virtual Community wurde von den Internet-Pionieren Licklider und Taylor eingeführt (vgl. Licklider und Taylor (1968)). Im Rahmen dieser Arbeit wird synonym zum Begriff Virtual Community die ebenfalls gebräuchliche Bezeichnung Online Community eingesetzt. Als einflussreiche Grundlagenwerke zu Virtual Communities sollen an dieser Stelle Hagel und Armstrong (1997) und Rheingold (1993) angeführt werden.
110
Rheingold (1993), S. 5. Den zahlreichen seither erschienenen Definitionen (vgl. z. B. Hagel und Armstrong (1997), S. 143; Komito (1998); Panten et al. (2001) von Virtual Communities ist gemein, dass die Interaktion über das Internet erfolgt.
111
Dementsprechend wählen Hagel und Armstrong folgende Beschreibung für Virtual Communities: „Virtual Communities are groups of people with common interests and needs who come together online. Most are drawn by the opportunity to share a sense of community with like-minded strangers, regardless of where they live. But virtual communities are more than just a social phenomenon. What starts off as a group drawn together by common interests ends up as a group with a critical mass of purchasing power, partly thanks to the fact that communities allow members to exchange information on such things as a product’s price and quality.” (Hagel und Armstrong (1997), S. 143).
112
Vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 572.
Art des Kontakts
Grundlagen von Brand Communities
21
Elektronische Kommunikation (online)
Virtual Community
Virtual Brand Community
Physischer Kontakt (offline)
Community
Brand Community
beliebig
Marke Interesse
Abbildung 3:
Typologisierung von Communities nach Interesse und Mediennutzung
Abgrenzung Brand Community – Subcultures of Consumption Schouten und McAlexander definieren Subcultures of Consumption als „distinctive subgroup of society that self-selects on the basis of a shared commitment to a particular product class, brand, or consumption activity. Other characteristics of a subculture of consumption include an identificable, hierarchical social structure; an unique ethos, or set of shared beliefs and values; and unique jargons, rituals, and modes of symbolic expression.”113 Demnach weisen Konsumsubkulturen viele Ähnlichkeiten zu Brand Communities auf, dennoch werden in der Literatur zu beiden Phänomenen auch entscheidende Unterschiede angeführt.114 Zu den bedeutendsten zählt die inhaltliche Ausrichtung, denn Konsumsubkulturen sind auf eine bestimmte Produktgruppe, eine gemeinsame Konsumaktivität oder eine Marke ausgerichtet,115 eine Brand Community ist hingegen immer auf eine Marke fokussiert.116 Zudem wird in der Beschreibung von Subcultures of Consumption angeführt, dass diese die vorherrschende Kultur zurückweisen und dadurch einen Outsider-Status besitzen,117 was beides nicht auch für eine Brand Community gelten muss.118
113
Vgl. Schouten und McAlexander (1995), S. 43.
114
Vgl. dazu die detaillierte Unterscheidung der Begriffe Subculture of Consumption und Brand Community bei de Burgh-Woodman und Brace-Govan (2007), S. 193 ff.
115
Vgl. Schouten und McAlexander (1995), S. 43.
116
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412; Cova und Pace (2006), S. 1089.
117
Vgl. Schouten und McAlexander (1995), S. 50 und S. 58.
118
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 414. Muniz und O’Guinn sehen Subcultures of Consumption daher als deutlich ungewöhnlicher als Brand Communities.
22
Brand Communities
Abgrenzung Brand Community – Neo-tribes Ein weiterer für die Auseinandersetzung mit Brand Communities relevanter Forschungsstrang ist in der Literatur zu (Neo-)Tribes119 bzw. Consumption Tribes120 zu sehen. Diese werden als „network of heterogeneous persons – in terms of age, sex, income, etc. – who are linked by a shared passion or emotion; a tribe is capable of collective action, its members are not simple consumers, they are also advocates“ definiert. Tribes weisen eine starke lokale Prägung auf; demgegenüber haben Brand Communities keine geografischen Grenzen und sind vom Charakter explizit kommerziell, d. h. das zentrale Objekt, die Marke, ist ein kommerzielles Produkt.121 Abgrenzung Brand Community – Consumption Communities / Virtual Community of Consumption Der Begriff Consumption Communities122 wird in der Literatur teilweise als Oberbegriff für Subcultures of Consumption, Brand Communities und Tribes verwendet.123 Zentrale Merkmale von Consumption Communities sind Handlungen und Objekte des Konsums, 124 die allerdings nicht auf eine bestimmte Marke eingeschränkt sind. Somit ist das verbindende Element der Community der gemeinsame Konsum eines Produktes und nicht wie bei Brand Communities eine bestimmte Marke und die Interaktion mit der Marke und CommunityMitgliedern. Die gleiche Unterscheidung trifft auch für die von Kozinets diskutierten Virtual Communities of Consumption125 und Virtual Brand Communities zu.
119
Vgl. Maffesoli (1996).
120
Vgl. Cova und Cova (2001), S. 67 ff.; Cova und Cova (2002), S. 602.
121
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412. Kritisch anzumerken ist, dass die Aussage, Brand Communities seien stets kommerziell insofern irreführend sein kann, als dass sie zu der Annahme führen kann, dass Brand Communities stets kommerziell betrieben werden.
122
Vgl.Boorstin (1974).
123
Vgl. Belk und Tumbat (2005), S. 206. Der Begriff Consumption Communities fasst damit die später eingeführten, stärker spezialisierten Community-Formen zusammen (vgl. Pace et al. (2007), S. 313; Schouten et al. (2007), S. 357).
124
Vgl. Holt (2002), S. 87; Davidson et al. (2007), S. 216.
125
Die Nähe der Virtual Communities of Consumption zu Brand Communities zeigt sich in der Definition: „Virtual communities of consumption are a specific subgroup of virtual communities that explicitly center upon consumption-related interests. They can be defined as affiliative groups whose online interactions are based upon shared enthusiasm for, and knowledge of, a specific consumption activity or related group of activities.” (Kozinets (1999), S. 254).
Grundlagen von Brand Communities
23
Abgrenzung Brand Community – Lifestyle Segmente In der Marketingforschung und -praxis werden häufig Lifestyle-Segmente126 und Referenzgruppen 127 untersucht. 128 Brand Communities sind von diesen Phänomenen deutlich abzugrenzen, denn im Zentrum stehen nicht mehrere Produkte oder Marken, sondern nur eine bestimmte Marke.129 Diese Marke dient zudem in Brand Communities nicht nur zur symbolischen Identifikation, sondern es herrscht eine leidenschaftliche Verbundenheit zur Marke und Community, der die Mitglieder viel Zeit widmen.130 Abgrenzung Brand Community – Kundenclub Auch Kundenclubs131 weisen zum Teil ähnliche Charakteristika wie Brand Communities auf, allerdings existieren auch entscheidende Unterschiede zwischen beiden Konzepten. 132 So werden Brand Communities meist von Konsumenten initiiert, wohingegen ein Kundenclub immer von einem Unternehmen organisiert wird. 133 Im Kundenclub soll eine emotionale Beziehung zum Kunden insbesondere durch monetäre (z. B. Rabatte oder Sonderangebote) und nicht-monetäre Nutzenvorteile (z. B. Versicherungen oder andere Serviceleistungen) aufgebaut werden.134 Derartige kognitive Anreizmechanismen treten in einer Brand Community in den Hintergrund, da diese den Kundenclub um einen psychosozialen Wert erweitert.135 Dieser resultiert zu großen Teilen aus der Kommunikation der Konsumenten, die nicht länger dialogorientiert zwischen Kunde und Unternehmen, sondern netzwerkorientiert zwischen den Kunden untereinander und dem Unternehmen erfolgt.136 Dies geht mit dem für Brand Communities charakteristischen Zusammengehörigkeitsgefühl sowie der gegenseitigen moralischen Verantwortung einher. Je nach Ausprägung der unterscheidenden Merkmale ist der
126
Vgl. z. B. Englis und Solomon (1995); Plummer (1974); Wells und Tigert (1971), S. 27 ff.
127
Vgl. Bearden und Etzel (1982).
128
Vgl. Holt (1997).
129
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 98.
130
Vgl. Fournier et al. (2005), S. 17; Lindstrom (2002b).
131
„Ein Kundenclub ist eine zumindest kommunikative Einheit von Personen oder Organisationen, die von einem Unternehmen initiiert und betrieben wird, um mit den Mitgliedern in regelmäßigem, direktem Kontakt zu stehen und ihnen ein Leistungspaket mit hohem wahrnehmbaren Nutzen anzubieten.“ (vgl. Butscher (1998), S. 57). Zum Kundenclub vgl. beispielsweise Wiencke und Koke (1994); Holz (1997); Butscher (1998); Hartmann et al. (2004); Tomczak et al. (2005).
132
Vgl. Schneckenburger et al. (2005).
133
Vgl. z. B. Algesheimer (2004), S. 62.
134
Der Einsatz monetärer Anreize zur Kundenbindung ist ambivalent zu sehen, da Konsumenten zuweilen nur dem Loyalitätsprogramm und nicht der Marke treu sind (vgl. Rosenspan (1998); Huber et al. (2006), S. 7).
135
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427; Algesheimer und Herrmann (2005a), S. 761.
136
Vgl. Algesheimer (2004), S. 62. Allgemein gilt die hohe Interaktivität in Brand Communities, die die Möglichkeit eines Dialogs zwischen Mitgliedern und/oder mit dem Hersteller ermöglicht, als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum Kundenclub (vgl. z. B. Jenner (2002), S. 809 ff. sowie Herrmann et al. (2005), S. 8).
24
Brand Communities
Übergang vom Kundenclub zur Brand Community fließend (vgl. Abbildung 4). Im Rahmen dieser Arbeit wird ein Kundenclub jedoch nicht als Brand Community verstanden.137 netzwerkorientiert Brand Community
dialogorientiert Kundenclub
emotionale Anreize Abbildung 4:
kognitive Anreize
Abgrenzung Brand Community – Kundenclub
Abgrenzung Brand Community – Fanclub Eine sehr große Ähnlichkeit besteht hingegen zu Fanclubs, die in der Regel dezentral von den Konsumenten initiiert, geleitet und verwaltet werden.138 Besonders deutlich werden die Parallelen von Fanclubs und Brand Communities im Sport: Nach dem in Kapitel 2.2.1 zugrunde gelegten Markenverständnis fallen viele Fußballvereine gleichermaßen unter die Markendefinition. Zugleich fühlen Fans eine tiefe Verbundenheit mit dem Verein sowie zu anderen Fans und es existieren gemeinsame Rituale und Traditionen.139 Brand Communities können daher als auf spezifische Marken bezogene Fanclubs angesehen werden.140 Wie bei Brand Communities stehen die Markeninhaber in direktem oder indirektem Kontakt mit den Konsumenten, die im sozialen Netzwerk Fanclub interagieren, d. h. die Interaktion findet nicht dialogorientiert, sondern stets netzwerkorientiert statt. 2.2
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
Bereits in ihrem grundlegenden Werk zu Brand Communities weisen Muniz und O’Guinn auf deren große Bedeutung für wichtige Zielgrößen des Marketings hin: „A strong brand community can lead to a socially embedded and entrenched loyalty, brand commitment (Jacoby und Chestnut (1978); Keller (1998)), and even hyper-loyalty (McAlexander und Schouten (1998))”141. Im Folgenden soll diese ökonomische Relevanz von Brand Communities genauer aufgezeigt werden. Im ersten Schritt wird in Abschnitt 2.2.1 daher zunächst die Bedeutung von Marken aus Konsumenten- und Unternehmenssicht sowie das gegenwärtige Markenver-
137
Diese Ansicht wird auch von weiteren Autoren vertreten (vgl. z. B. Algesheimer (2004), S. 60 ff.; Verstraete (2004), S. 35), wenngleich durchaus eine Gleichsetzung beider Phänomene zu finden ist (vgl. Paul und Runte (1999), S. 129).
138
Vgl. Algesheimer (2004), S. 60; Wiencke und Koke (1994), S. 17.
139
Vgl. z. B. Branscombe und Wann (1993); Bristow und Sebastian (2001); Carlson et al. (2002); Carlson et al. (2008); Sutton et al. (1997); Wann (1995). Zur Bedeutung von Gruppenprozessen für das Verhalten von Sport-Fans vgl. z. B. Boyle und Magnusson (2007); Crawford (2004); Devasagayam und Buff (2008); Heere und James (2007); Ingham und McDonald (2003); Murrell und Dietz (1992).
140
Vgl. Algesheimer (2004), S. 62; Hartleb (2009), S. 33; Huber et al. (2006), S. 6 ff.
141
Muniz und O'Guinn (2001), S. 427.
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
25
ständnis erläutert und dadurch die grundsätzliche Relevanz von Brand Communities veranschaulicht. Anschließend wird in Abschnitt 2.2.2 die Rolle des Internets als Katalysator von Brand Communities verdeutlicht. Die konkreten Auswirkungen von Brand Communities auf das Markenmanagement und unternehmerische Zielgrößen werden schließlich in Abschnitt 2.2.3 diskutiert. 2.2.1
Marken und deren Bedeutung im Zeitalter von Brand Communities
Der Marke und damit auch dem Markenmanagement bzw. Branding142 kommt in der Marketingpraxis in den letzten Jahren eine sehr große Bedeutung zu.143 Die originäre Eigenschaft von Marken besteht in der Fähigkeit, durch das Hinzufügen einer zusätzlichen Dimension ein markiertes Produkt von einem unmarkierten Produkt, das die gleichen Bedürfnisse erfüllen soll, zu unterscheiden.144 Die Angleichung der Produktqualitäten in vielen Bereichen führt dazu, dass dieser intangible Aspekt einer Marke immer wichtiger wird. Durch die verschiedenen Funktionen einer Marke für den Konsumenten werden Marken zu einem zentralen Einflussfaktor des Kaufverhaltens.145 Dabei kann aus Konsumentensicht grundsätzlich zwischen einer funktionalen, sozialen oder persönlichen Nutzenebene unterschieden werden (vgl. Tabelle 1).146 Auf funktionaler Ebene dominiert die Bedeutung der Komplexitätsreduktion, die darin begründet ist, dass Marken eine verdichtete Information darstellen und alle mit ihr verknüpften Assoziationen komprimieren.147 Dies schlägt sich in geringeren Informations- und Suchkosten148 und einem geringeren Risiko, das eng mit dem Vertrauen verbunden ist, nieder.149
142
Supphellen definiert Branding als „the enterprise of creating added value in the minds of consumers, that is, building perceived values beyond the observable physical value of the product, and thus differentiating the product.” (Supphellen (2000), S. 319). Eine ähnliche Definition liefert Keller: „Branding involves the process of endowing products and services with the advantages that accrue to building a strong brand (e. g., enhanced loyalty, price premiums, etc.” (Keller et al. (2008), S. 595).
143
Vgl. de Chernatony und Dall'Olmo Riley (1998), S. 427; Keller (1998), S. 86 f.; Keller und Lehmann (2006), S. 740 ff. Zur Bedeutung der Marke für Dienstleistungen vgl. z. B. Klaus und Maklan (2007).
144
Vgl. Keller et al. (2008), S. 3; Kotler und Bliemel (2006). Meffert, Burmann und Koers beschreiben eine Marke daher auch als ein „Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht der relevanten Zielgruppen nachhaltig differenziert.“ (Meffert et al. (2005a), S. 3).
145
Vgl. Esch et al. (2005), S. 12.
146
Vgl. z. B. Sweeney und Soutar (2001), S. 211.
147
In der verhaltenswissenschaftlichen Forschung werden höherwertige Informationen, die eine verdichtende, entlastende Funktion ausüben, mit dem Begriff „information chunk“ bezeichnet (vgl. Jacoby et al. (1977), S. 209; Kroeber-Riel et al. (2008), S. 316).
148
Aus transaktionskostentheoretischer Sicht kann ein markiertes Produkt für den Konsumenten „günstiger“ sein als ein nicht markiertes, da letztlich die Summe aus Preis und Transaktionskosten kaufverhaltensrelevant ist (vgl. Kaas (1990), S. 543).
149
Vgl. Roselius (1971); Keller et al. (2008), S. 10.
26
Brand Communities
Der soziale Nutzen einer Marke beinhaltet die Bedürfnisse nach externer Wertschätzung, Selbstdarstellung, Gruppenzugehörigkeit und Prestige. Diese Bedürfnisse drücken den Wunsch der Konsumenten nach Anerkennung und sozialen Beziehungen aus. Beides wird durch die symbolische Funktion der Marke ermöglicht, durch die Individuen eine soziale Gruppenzugehörigkeit und ein Gemeinschaftsgefühl zum Ausdruck bringen können.150 Da in Brand Communities die Marke sogar den Kommunikationsmittelpunkt darstellt, wird in der Literatur auch von der Marke als Mythos151 und deren Religionsfunktion152 gesprochen. Meist erfüllen Marken auf der sozialen Ebene darüber hinaus eine Prestigefunktion für den Nachfrager, da er diese über die funktionale Bedürfniserfüllung hinaus zum Ausdruck seiner Persönlichkeit nutzt. 153 Durch den Kauf einer Marke kann der Konsument von der identitätsstiftenden Wirkung einer Marke profitieren, bestimmte Attribute der Marke auf sich selbst übertragen und sein Eigenbild definieren.154 Folglich bevorzugen Konsumenten eine Marke, wenn diese ihrem tatsächlichen oder gewünschten Selbstbild entspricht155 oder durch diese die Mitgliedschaft zu einer bestimmten Gruppe begründet ist.156 Schließlich umfasst die persönliche Nutzenebene die reine Bedürfniserfüllung sowie die persönlichen Emotionen, die mit der Marke verbunden sind. Nutzenebene Funktionale Nutzenebene
Soziale Nutzenebene
Persönliche Nutzenebene
Tabelle 1:
Markenfunktionen Komplexitätsreduktion im Entscheidungsprozess im Sinne von: x Reduzierung der Informations- und Suchkosten x Risikoreduzierung x Erwartungserfüllung bspw. hinsichtlich der Qualität und des Preis-/Leistungsverhältnisses x Vertrauensfunktion x Externe Wertschätzung x Selbstdarstellung x Bedürfnis der Gruppenzugehörigkeit x Prestige x Bedürfniserfüllung x Emotionale Verbundenheit
Drei Ebenen des Markennutzens157
150
Diese „Community-Funktion“ stellt die Grundlage für die Existenz von Brand Communities dar und wird daher im Rahmen dieser Arbeit besonders hervorgehoben.
151
Vgl. z. B. Kehrer (2001); Kozinets (2001); Arnezeder (2005).
152
Vgl. Kunde (2000); Muniz und Schau (2005).
153
Vgl. Meffert et al. (2005b), S. 11.
154
Zur Übertragung von Werthaltungen durch Konsum vgl. z. B. Haseloff (2000), S. 150 ff.; Karmasin (2007), S. 245 ff.
155
Vgl. Escalas und Bettman (2005), S. 378 ff.
156
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.
157
Quelle: Hartleb (2009), S. 24. In Anlehnung an: Meffert et al. (2008), S. 366 f.
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
27
Aus den Funktionen der Marken für Konsumenten leiten sich wiederum zahlreiche Chancen für Unternehmen ab. Hier lassen sich z. B. die Präferenzbildung der Konsumenten, die Differenzierung gegenüber Wettbewerbern, eine höhere Kundenbindung, die Risikoreduktion aufgrund der langfristigen Wirkung der Marke, eine Steigerung des Unternehmenswertes, preispolitischer Spielraum, segmentspezifische Marktbearbeitung und Markenexpansionsstrategien anführen.158 Die Vielzahl der skizzierten Funktionen von Marken aus Konsumenten- und Unternehmenssicht veranschaulichen deren Bedeutung für das Marketing, die auch im Hinblick auf verschiedenste ökonomische Zielgrößen empirisch bestätigt wurde. 159 Die absatzfördernde Wirkung der Marke spiegelt sich letztlich im Markenwert160 wider, so dass dessen Steigerung eine der zentralen Aufgaben der Markenführung161 durch ein Unternehmen ist. Dabei wird meist ein identitätsorientierter Markenansatz162 verfolgt, der auf Überlegungen zur Identität von Personen basiert und dementsprechend die Markenidentität, 163 die spezifische Persönlichkeit der Marke (brand personality164), zum Ausdruck bringt.165 Zur besseren Erfassung der Beziehung zwischen Konsument und Marke wird der Marke daher eine Persönlichkeit zugeschrieben.166 Folgerichtig sieht Fournier die Marke als einen „active, contributing partner in the dyadic relationship that exists between the person and the brand.”167 Mit dieser Grundidee wird durch das Markenmanagement, zu dessen Aufgaben grundsätzlich die Pla-
158
Auf eine ausführliche Diskussion der Funktionen der Marke aus Unternehmenssicht soll im Rahmen dieser Arbeit aus Platzgründen verzichtet werden. Stattdessen wird auf weiterführende Literatur verwiesen, vgl. z. B. Upshaw und Taylor (2000), S. 38; Bruhn (2004), S. 28 ff.; Meffert et al. (2005b), S. 12 ff.; Herrmann et al. (2005), S. 474.
159
Zur Messung des Erfolgs von Marken vgl. grundlegend de Chematony et al. (1998), S. 765 ff.; Keller und Lehmann (2006), S. 744 ff.
160
Zur Markenbewertung siehe z. B. Bentele et al. (2009); Repenn et al. (2005); Schimansky (2004).
161
Gegenstand der Markenführung ist die Schaffung und Pflege einer Marke (vgl. Baumgarth (2008), S. 6).
162
Vgl. Burmann und Meffert (2005b), S. 75 ff.
163
Mühlbacher und Hemetsberger unterscheiden zwischen der „intended identity“, die vom Unternehmen ausgeht und der „enacted identity“, die durch die Interpretation des Konsumenten bestimmt wird. Das Konzept des Brand Image, das der enacted identity ähnlich ist, vernachlässigt hingegen die Social Identity Theory und die darin begründeten Markenbildungsprozesse. Vgl. Hemetsberger und Mühlbacher (2009).
164
Die Brand Personality wird verstanden als „set of human characteristics associated with a brand“ (Aaker (1997), S. 347). Vgl. grundsätzlich Aaker und Fournier (1995); Aaker (1997); Fournier (1998).
165
Vgl. Burmann und Meffert (2005b), S. 49. Das Konzept der Markenpersönlichkeit (brand identity) wurde stark von Aaker (Aaker (1991); Aaker und Fournier (1995)) und Keller (Keller (1993); Keller et al. (2008)) geprägt. Eine umfassende Übersicht über das Konzept der Identität im Markenmanagement liefern Csaba und Bengtsson (2006), S. 118 ff.
166
Vgl. Aaker und Fournier (1995); Aaker (1997); Fournier (1998).
167
Vgl. Aaker und Fournier (1995), S. 393.
28
Brand Communities
nung, Koordination und Kontrolle aller Maßnahmen zum Aufbau starker Marken bei allen Zielgruppen gehören,168 die Maximierung der markeninduzierten Erfolgsgrößen angestrebt. Allerdings sieht sich das Markenmanagement in den letzten Jahren mit einem deutlichen Wandel des Verständnisses von Marken konfrontiert, der entscheidende Implikationen für das Management nach sich zieht und das Phänomen der Brand Communities in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses rückt. Demnach zeigt sich, dass der Fokus der Forschung, der ursprünglich auf dem Markenmanagement durch ein Unternehmen und auf dem Produkt lag, gegenwärtig auf die Rolle des Konsumenten bei der Wertschöpfung durch Marken übergegangen ist.169 Diese Entwicklung lässt sich bereits bei der Betrachtung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Definition des Markenbegriffs170 erkennen. Ausgehend von der Marke als gewerblichem Schutzrecht171 über die Marke als markiertes Produkt und die „eigentliche“ Marke, die ausschließlich in den Köpfen der Konsumenten existiert172, wird die Marke in zahlreichen jüngeren Publikationen als sozialpsychologisches Phänomen gesehen.173 Folgerichtig beschreibt eine Vielzahl von Autoren Marken aus einem sozialen Blickwinkel heraus.174 So sehen Mühlbacher et al. Marken als komplexe, soziale Phänomene, die nicht von einem Unternehmen geführt werden können.175 Vielmehr wird die Marke durch die Interaktionen einer Vielzahl an Markeninteressierten gestaltet und ist somit Ergebnis eines CoCreation-Prozesses, der zum Lebensstil der Konsumenten beiträgt.176 Einige Forscher greifen daher die Denkart der Service-Dominant Logic177 auf und fordern aufgrund der Parallelen des aktuellen Markenverständnisses mit diesem Denkansatz, dass beide Forschungsrichtungen stärker integriert werden sollen.178
168
Vgl. Burmann und Meffert (2005a), S. 75.
169
Vgl. Schroeder (2009), S. 123.
170
Zu den Begriffen Marke bzw. engl. Brand vgl. grundsätzlich Bennett (1995); de Chernatony und Dall'Olmo Riley (1998); de Chernatony (2009); Langner (2003), S. 4 ff. Eine historische, semantische Analyse des Begriffes brand wird ausführlich bei Stern (2006) vorgestellt. Die Entwicklungsstufen des Markenbegriffs werden z. B. bei de Chernatony (2009), S. 101 ff.; Meffert und Burmann (2005), S. 19 ff. aufgezeigt.
171
Vgl. z. B. American Marketing Association (AMA) (2004); Schröder (2001).
172
Vgl. Meffert et al. (2005a), S. 5. Ogilvy definiert daher eine Marke schlicht als „the consumer’s idea of a product“ (Ogilvy (1951) zitiert nach Esch (2008), S. 22).
173
Vgl. de Chernatony und Dall'Olmo Riley (1998), S. 427; Keller (1998), S. 86 f.; Meffert et al. (2005a), S. 22 ff.
174
Vgl. z. B. Algesheimer et al. (2005), S. 19; Balmer (2005), S. 34 ff.; McAlexander et al. (2002), S. 38 ff.; McWilliam (2000), S. 43 ff.; Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.; Schroeder (2009), S. 123 ff; Veloutsou (2009), S. 127 ff.
175
Vgl. Mühlbacher et al. (2006).
176
Vgl. de Chernatony (2009), S. 104; Payne et al. (2009), S. 379 ff.
177
Vgl. Vargo und Lusch (2004); Vargo und Lusch (2008).
178
Vgl. Brodie (2009), S. 107; Merz et al. (2009), S. 328.
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
29
Als Resultat des Wandels im Markenverständnis zeigen sich demnach zwei Aspekte, die für die Weiterentwicklung des Markenmanagements von großer Bedeutung sind: Erstens reicht eine dyadische Beziehung zwischen Konsument und Anbieter nicht aus, um die Bedeutung von Marken vollständig zu erfassen, da die sozialen Aspekte des Konsums nicht berücksichtigt werden.179 Zweitens erfassen bestehende Handlungsempfehlungen zur Markensteuerung den Einfluss der Konsumenten auf die Marke nicht in ausreichendem Umfang. Hier zeigt sich die hohe Relevanz von Brand Communities für das Markenmanagement, da in diesen die beiden oben angeführten Aspekte in äußerstem Umfang beobachtet werden können. Durch das Verständnis von Brand Communities kann es Marketern daher gelingen, die soziale Komplexität des Phänomens einer Marke zu strukturieren und Strategien zu entwickeln, durch welche die Entwicklung der Marke gesteuert und damit der Einfluss des Unternehmens über den Vermögenswert Marke gesichert werden kann.180 2.2.2
Das Internet als Katalysator von Brand Communities
Neben dem Wandel des Markenverständnisses ist die gestiegene Relevanz von Brand Communities für das Markenmanagement vor allem auf das Internet zurückzuführen. Obwohl Brand Communities mit persönlichem Kontakt der Mitglieder (face-to-face) schon relativ lange existieren, hat erst der Boom des Internets in den 1990er Jahren und die Entwicklung hin zum sog. Web 2.0181 und die damit verbundene zunehmende Anzahl von Online Communities und Community-Mitgliedern 182 das Marketingpotenzial von Brand Communities für Unternehmen erkennen lassen.183 Im Folgenden wird der besonderen Bedeutung des Internets als Katalysator184 der Entwicklung von Communities Rechnung getragen und erläutert, worin diese begründet ist.185 Als Interaktionsplattform nutzen virtuelle Gemeinschaften nicht in Wirklichkeit vorhandene, sondern vom Computer generierte Räume, wie z. B. asynchrone Foren oder synchrone
179
Vgl. z. B. Muniz und O'Guinn (2001); Schouten et al. (2002); McAlexander et al. (2002); O'Guinn und Muniz (2005). O’Guinn und Muniz fassen ihre Kritik wie folgt zusammen: „The truly social aspects of consumption have been largeley overlooked and undervalued.“ (O'Guinn und Muniz (2005), S. 253).
180
Vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 582.
181
Der Begriff „Web 2.0“ steht für eine Reihe interaktiver und kollaborativer Elemente des Internets und wurde maßgeblich durch O’Reilly geprägt (vgl. O’Reilly (2005)).
182
Als Beleg hierfür wird auf die Ergebnisse aktueller Studien zur Internetnutzung verwiesen: Laut ARD/ZDFOnlinestudie (vgl. Eimeren und Frees (2009); Busemann und Gscheidle (2009)) nutzen 34 % der Internetnutzer zumindest gelegentlich Communities. Die Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA) stellt zudem fest, dass Internet-Nutzer oft in mehreren Communities gleichzeitig aktiv sind (vgl. Schneller (2009)).
183
Vgl. z. B. Huber et al. (2006), S. 7.
184
Vgl. Sonnenburg und Hannemann (2009), S. 49.
185
Auf eine umfassende Vorstellung der Forschung zu Virtual Communities soll hingegen aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet werden und auf weiterführende Literatur verwiesen werden (vgl. z. B. Schoberth (2010), S. 17 ff. sowie die dort angegebenen Studien).
30
Brand Communities
Chats.186 Durch die digitalen Innovationen des letzten Jahrzehnts können Individuen nahezu mühelos miteinander kommunizieren.187 Dabei ist es denkbar und sinnvoll, virtuelle Gemeinschaften auch durch Treffen in der „realen“ Welt (d. h. offline) bzw. umgekehrt Gemeinschaften, die v. a. durch den persönlichen Kontakt geprägt sind, durch virtuelle Interaktionsmöglichkeiten zu stärken.188 Die Interaktion im Internet ist dementsprechend eine bedeutende Erweiterung des Sozial- und Konsumverhaltens189 und bringt veränderte Kundenbeziehungen mit sich.190 Die Auswirkungen der computervermittelten Kommunikation auf soziale Strukturen wurden in der soziologischen Forschung zum Teil kontrovers diskutiert. Im Zentrum stehen vor allem die Fragen, ob durch virtuelle Umgebungen überhaupt der Aufbau von Gemeinschaften möglich ist und wie sich die Onlinekommunikation auf bestehende Kontakte auswirkt.191 Dabei werden insbesondere die Bedeutung des fehlenden persönlichen Kontakts und damit der nonverbalen Kommunikation192 sowie die Konsequenzen der Anonymität im Internet193 untersucht. Beispielsweise weisen Sproull und Kiesler in einer frühen Untersuchung auf einen reduzierten Detailgrad der persönlichen Kommunikation hin, der vor allem auf technischen Einschränkungen beruht. 194 Der technologische Fortschritt hat jedoch neue Möglichkeiten (z. B. die einfache Nutzung von Bildern und Videos in der Kommunikation) mit sich gebracht, die diese Restriktionen teilweise überwinden und gleichzeitig die Ubiquität des Internets ermöglichen. Dementsprechend zeigen neuere Untersuchungen, dass das Internet ein allgegenwärtiger Teil des Lebens ist und in das allgemeine Sozialverhalten der Individuen einfließt. 195 Auch die in zahlreichen Untersuchungen aufgezeigten möglichen Folgen der Anonymität der Onlinekommunikation, bei der oft auf Realnamen oder andere Identifikationsmerkmale verzichtet wird, erscheinen - zumindest im Kontext von Brand Communities - vernachlässigbar. Zwar wird von einigen Autoren herausgestellt, dass einzelne Personen mehrere Identitiäten verfolgen und sich als das andere Geschlecht ausweisen können und die
186
Während asynchrone, d.h. ungleichzeitige Kommunikationsformen überlegtere Antworten und eine übersichtlichere Strukturierung ermöglichen, zeichnet sich Kommunikation in Echtzeit insbesondere durch die hohe Spontaneität aus und wird persönlicher wahrgenommen (vgl. MCWILLIAM (2001), S. 73).
187
Vgl. Deighton und Kornfeld (2009), S. 4.
188
Vgl. Eppler und Diemers (2001), S. 25 ff.; Figallo (1998).
189
Vgl. Kozinets (1999), S. 253.
190
Für einen grundlegenden Überlick des Einflusses der neuen Medien auf das Customer Relationship Management siehe z. B. Hennig-Thurau et al. (2010), S. 311 ff.
191
Vgl. z. B. Döring (2003), S. 403 ff., Walther (1995), S. 186 ff.
192
Vgl. z. B. Walther (1994), S. 476; Sproull et al. (1991), S. 33 ff.; Stallabras (1995), S. 3 ff.
193
Vgl. z. B. Connolly et al. (1990), S. 689 ff.; Joinson (2001), S. 177 ff.; Sassenberg und Boos (2003), S. 405 ff.
194
Vgl. z. B. Sproull et al. (1991), S. 33 ff.
195
Vgl. z. B. Joinson (2001), S. 190.
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
31
Hemmschwelle zur Verletzung sozialer Schranken und Beleidigungen sinkt,196 allerdings ist vor dem Hintergrund der gemeinsamen positiven emotionalen Verbindung mit einer Marke und dem Zugehörigkeitsgefühl zur Community eine unvorteilhafte Wirkung der Anonymität unwahrscheinlich. Vielmehr liegt es nahe, dass sich die ebenfalls in der Literatur diskutierten Vorteile der Anonymität positiv auf das soziale Netzwerk auswirken. Hier sind beispielsweise die Unabhängigkeit vom sozialen Status in der realen Welt und die Identitätsbildung durch Kommunikationskonventionen (Rituale, Sanktionen und nonverbale Interaktionsformen) zu nennen, die dafür förderlich sind, dass Online-Beziehungen den Charakter einer starken Beziehung197 annehmen und sich auch auf die reale Welt ausweiten.198 Die Verschmelzung der beiden Kommunikationswege dürfte in Anbetracht der Tatsache, dass jüngere Generationen bereits von Geburt an Informationstechnologien gewöhnt sind, weiter zunehmen. So spricht Prensky von digital natives, die von Computern, Videospielen, digitalen Musikwiedergabegeräten, Videokameras, Mobiltelefonen und vielen weiteren Spiel- und Werkzeugen des digitalen Zeitalters umgeben sind und diesen uneingeschränkt vertrauen. 199 Für diese Net generation200 stellt das Internet ein zentrales Mittel für soziale Interaktionen dar. Beispiele wie der Erfolg des iPhone 201 zeigen, dass das Internet einen elementaren Teil des Lebens vieler Konsumenten darstellt und sich dieser Trend nicht nur auf die jüngere Generation beschränkt.202 In der soziologisch geprägten Literatur herrscht dementsprechend inzwischen weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Trennung von Offline- und Onlinekommunikation nicht möglich ist.203 Darüber hinaus wurden in der Literatur die Auswirkungen des Internets auf den für die Ausbildung einer Community zentralen Gemeinschaftssinn kontrovers diskutiert. So stellte Putnam die These auf, dass die Technologisierung der Gesellschaft deren Gemeinschaftssinn zerstört.204 Zahlreiche andere Autoren, insbesondere in der Literatur zu virtuellen Communities, widersprechen dieser These jedoch.205 Demnach kann die gegenwärtige Entwicklung von
196
Vgl. Reid (1991); Smith (1999), S. 134 ff.; Stallabras (1995), S. 3 ff.; Thiedeke (2003), S. 23 ff.
197
Starke Beziehungen sind langfristig angelegt, weisen eine hohe Frequenz auf und sind durch Reziprozität und gegenseitige Hilfe gekennzeichnet (vgl. Wellmann (2000), S. 155 ff.).
198
Vgl. Döring (2003), S. 403 ff.; Bagozzi und Dholakia (2002), S. 14 ff.; Koh und Kim (2003), S. 7.
199
Vgl. Prensky (2001), S. 1 ff.
200
Vgl. Tapscott (1998).
201
Das iPhone ist ein von Apple Inc. entwickeltes Smartphone, dessen Funktionalitäten neben dem Telefonieren u.a. den Zugang zum Internet und die Nutzung von Social Networking Diensten ermöglicht.
202
Das iPhone wurde vom TIME Magazine zur Innovation des Jahres 2007 gekürt. In der Begründung dieser Wahl wird ebenfalls auf die Verschmelzung von Internet-Technologien und alltäglichem Leben hingewiesen: „One of the big trends of 2007 was the idea that computing doesn't belong just in cyberspace, it needs to happen here, in the real world, where actual stuff happens.“ (Grossman (2007)).
203
Vgl. Bagozzi und Dholakia (2002), S. 7; Döring (2003), S. 403 ff.
204
Vgl. Putnam (1995), S. 75.
205
Vgl. Wellmann (2000), S. 134 ff.; Obst et al. (2002), S. 99.
32
Brand Communities
Communities im Zeitalter des Internets vielmehr als Weiterentwicklung des CommunityVerständnisses gesehen werden.206 So wurde im Rahmen der Brand-Community-Forschung zwar eine niedrigere Ausprägung des Gemeinschaftssinns in Online Communities im Vergleich zu Markengemeinschaften mit persönlichem Kontakt festgestellt,207 dennoch bietet das Internet als Kommunikationsplattform eine große Chance, einen in der Gesellschaft teilweise verlorenen Gemeinschaftssinn wieder aufzubauen.208 Nach Ansicht von Muniz und O’Guinn ist dies in weiten Teilen auf die Einführung von Massenmedien zurückzuführen, durch die Individuen erkannt haben, dass nahezu alle Merkmale geografischer Gemeinschaften auch durch virtuelle Alternativen ersetzt werden können. 209 Die Überbrückung der räumlichen Entfernung zwischen Konsumenten ist insofern von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Online Communities, da sie dadurch in der Lage sind, sehr viele Individuen zusammenzubringen. Somit ist es für eine (Brand) Community leichter, die „kritische Masse“ an Gleichgesinnten zu vereinen.210 Dadurch können Netzeffekte realisiert und der Nutzen für CommunityMitglieder gesteigert werden.211 Zudem trägt die typische Kultur des Internets, die durch Offenheit und gemeinsamen Austausch geprägt ist, zum Erfolg von Online Communities bei.212 Die Weiterentwicklung des Internets weicht die Grenzen zwischen Konsumenten und Produzenten weiter auf, 213 indem es zum Normalfall geworden ist, dass sich Nutzer von Internetangeboten an der Leistungserstellung beteiligen, z. B. indem sie Videos hochladen, Kundenbewertungen und Kommentare schreiben, Verkaufsangebote einstellen oder Profile in Social-Networking-Sites betreiben. Dementsprechend sind es Konsumenten gewohnt, Einfluss auf Inhalte nehmen zu können, und viele kleine Beiträge ergeben oftmals ein großes Ganzes.214 Auch Unternehmen haben erkannt, dass Kunden nicht nur Umsatz bringen, sondern über Ressourcen verfügen, die nutzbringend - zum Vorteil für beide Seiten - eingesetzt werden können. Gerade Unternehmen, die
206
Vgl. z. B. von Loewenfeld (2006), S. 29.
207
Vgl. Huber et al. (2006), S. 46.
208
Vgl. Uslaner (2000), S. 63.
209
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 413.
210
Vgl. Kollmann und Stöckmann (2008), S. 40.
211
Vgl. Hagel und Armstrong (1997), S. 21; Shapiro und Varian (1999), S. 184. Zur Einschätzung von Netzeffekten wird auf Metcalfe’s Law verwiesen, nach dem der Wert eines Netzwerks mit dem Quadrat der Anzahl der Netzwerkteilnehmer steigt (vgl. Metcalfe (1995)). Ein Literaturüberblick zur Messung und Wirkung von Netzeffekten in der ökonomischen Forschung findet sich z. B. bei Clement und Schollmeyer (2009).
212
Vgl. Berners-Lee und Fischetti (2000), S. 107 ff.
213
Vgl. Bohl et al. (2007), S. 233. Die Bedeutung der Interaktion im Rahmen der Co-Creation wird z. B. bei Etgar (2008) oder Fang et al. (2008) aufgezeigt.
214
Teilweise nutzen Unternehmen Online Communities auch proaktiv und tragen diesen Aufgaben an, die ursprünglich von einem Agenten des Unternehmens (meist ein Mitarbeiter) ausgeführt wurden. In der Literatur wird dies meist unter den Begriffen der „interaktiven Wertschöpfung (vgl. z. B. Reichwald und Piller (2009), S. 1 ff.) bzw. Crowdsourcing (vgl. Howe (2006)) diskutiert.
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
33
vom sog. Web 2.0 profitieren möchten, sind auf die Konsumenten angewiesen, denn ohne die User gibt es keinen Content, ohne Content keinen Nutzen für die User. Upshaw und Taylor formulierten daher ein Gesetz der wechselseitig vorteilhaften Interaktion (Law of Mutually Beneficial Interaction), nach dem der Wert der Marke eine direkte Funktion der wechselseitig vorteilhaften Interaktion zwischen der Marke und ihrer größeren Community darstellt. 215 Branding im Zeitalter des Web 2.0 setzt daher die Bereitschaft voraus, die Stimmen der Konsumenten zu hören und ihre Wünsche bei der Ausrichtung der Markenstrategie zu integrieren. Christodoulides sieht Markenmanagement im Internet daher als Beispiel der von Vargo und Lusch postulierten „co-creation of meaning“, die gleichzeitig das Ende der Steuerung der Marke durch das Unternehmen bedeutet.216 Auch andere Autoren betonen, dass Markeninhaber insbesondere durch das Internet die Kontrolle über die Marke verloren hätten und eher an der Entwicklung der Marke und der Kommunikation über diese mitwirken als diese zu lenken.217 Die Bedeutung des Internets für diesen Prozess ist auch trotz einer erheblichen Zahl an Nicht-Nutzern des Internets 218 enorm, da im Sinne der „Two-Step-FlowHypothese“ von Lazarsfeld219 davon auszugehen ist, dass Inhalte, die zunächst im Internet diskutiert werden, im zweiten Schritt an weniger durch Massenmedien beeinflusste Individuen verbreitet werden. Folglich werden markenbezogene Inhalte, die in einer Online Community diskutiert werden, im zweiten Schritt an Konsumenten herangetragen, die nicht an der Community teilnehmen. Die deutliche Veränderung der Kommunikation zwischen Marken und ihren Konsumenten im Internet spiegelt die obige Entwicklung wider. Die Internetauftritte von Unternehmen sind stark durch die Eigenschaften der Multimedialität und der Interaktivität gekennzeichnet.220 Die Interaktivität ermöglicht somit – im Unterschied zur traditionellen einseitigen Massenkommunikation ohne Feedback-Möglichkeit - eine aktive Rolle des Konsumenten im zweiseitigen Kommunikationsprozess. 221 Dementsprechend sind bei der interaktiven Internetkommunikation Nutzer gleichzeitig Sender und Empfänger.222 So stellen Esch und Kiss fest, dass hoch interaktive Markenauftritte bei deren Nutzern zu besseren Einstellungen zur Website und zur Marke sowie zu positiveren Verhaltensabsichten führen als die gering interaktiven
215
Vgl. Upshaw und Taylor (2000), S. 101 f.
216
Vgl. Christodoulides (2009), S. 142.
217
Vgl. Deighton und Kornfeld (2009); Hennig-Thurau et al. (2010), S. 313.
218
Die Zahl der „Offliner“, d.h. der Personen, die das Internet nicht nutzen, liegt nach aktueller Schätzung des (N)Onliner-Atlas 2010 bei 28% (vgl. Initiative D21 e. V. (2010)).
219
Vgl. Lazarsfeld et al. (1944).
220
Vgl. Esch et al. (2002), S. 236 ff., Esch und Kiss (2006), S. 99; Hoffman und Novak (1996), S. 52 ff.
221
Vgl. Esch und Kiss (2006), S. 99.
222
Vgl. Esch und Kiss (2006), S. 99; Hoffman und Novak (1996), S. 52; Riedl und Busch (1997), S. 165; Wamser (2000), S. 134.
34
Brand Communities
Auftritte. 223 Durch die Bereitstellung von mehr Interaktionsmöglichkeiten lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer Interaktion erhöhen, so dass Konsumenten sich intensiver mit dem Internetauftritt eines Unternehmens beschäftigen.224 Gleichzeitig führen die interaktive Auseinandersetzung mit Markeninformationen und die Aktivierung und Stimulation der kognitiven Verarbeitungsprozesse zu einer intensiveren Verarbeitung der Informationen und besseren Lernleistungen.225 Unternehmen können dabei vom sog. flow-Erlebnis226 der Internet-Nutzer profitieren.227 Dieses umfasst das subjektive Vergnügen eines Individuums an der Interaktion mit einer Technologie und beschreibt somit das Ausmaß der kognitiven Absorption eines Individuums bei der Nutzung von Online Communities.228 Auch wenn Kritiker dieses Konstrukts dessen zu weite Definition bemängeln,229 erscheinen die Elemente, die sich auf die intrinsische Freude beziehen, für das Konsumentenverhalten im Internet relevant.230 Die hohe Interaktivität231 des Internets und die damit einhergehende vermehrte Kommunikation zwischen den Community-Mitgliedern führen letztlich zu einer stärkeren Community und unterstützen den Aufbau der Community. 232 Die Vielzahl an Kommunikationsakten und Kommunikationspartnern in einer virtuellen Community kann allerdings auch zum Problem der Informationsüberlastung führen,233 so dass die Individuen nicht mehr in der Lage sind, die Botschaften zu verarbeiten und angemessen zu reagieren.234 Individuen lernen daher Strategien, die ihnen helfen, die für sie relevanten Informationen herauszufiltern und die Informati-
223
Vgl. Esch und Kiss (2006), S. 106 ff. Zudem berichten die Autoren von einem positiven Zusammenhang zwischen dem Grad der Interaktivität und der Stärke der beim Surfen entstehenden Absorbiertheit.
224
Vgl. Esch und Kiss (2006), S. 101.
225
Vgl. Esch und Kiss (2006), S. 101. Die Unterschiede zwischen einer freien und einer interaktiven Auseinandersetzung mit Produktinformationen werden z. B. bei Ariely (2000) aufgezeigt.
226
Vgl. z. B. Csikszentmihalyi (1987); Csikszentmihalyi (1988); Csikszentmihalyi und LeFevre (1989).
227
Vgl. z. B. Esch und Kiss (2006), S. 102.
228
Vgl. Agarwal und Karahanna (2000), S. 665.
229
Vgl. Koufaris et al. (2002), S. 115 ff.
230
Durch das „Abtauchen“ in die Online-Welt werden anderweitige kognitive Bedürfnisse ausgeblendet und das eigene Verhalten beeinflusst (vgl. Huang (2006), S. 383 ff.).
231
Die Interaktivität beschreibt die „Eigenschaft von Kommunikationspartnern bzw. die technische Fähigkeit von Computersoftware und -hardware, mit einem Nutzer in Interaktion treten zu können“ (Esch und Kiss (2006), S. 99; vgl. auch Rechenberg und Pombergerger (2002), S. 767 f.). Zur Interaktivität von Websites vgl. z. B. Gerpott (2005); Liu (2003).
232
Vgl. McWilliam (2000), S. 43 ff.
233
Zur Beschreibung der Kommunikationsstrukturen in virtuellen Gemeinschaften verwenden einige Autoren die soziale Netzwerkanalyse (vgl. z. B. Brown et al. (2007); Dwyer (2007); Steyer et al. (2006); Wellman et al. (1996)), da diese etablierte Metriken und Werkzeuge zur Beschreibung der relationalen Strukturen bietet (vgl. Scott (2000); Wassermann und Faust (1994)).
234
Vgl. Hiltz und Turoff (1985). Das Konzept der Informationsüberlastung (information overload) behandelt die Tatsache, dass dem menschlichen Gehirn enge Grenzen in der Differenzierung externer Informationen gesetzt sind und wird erstmals von Miller eingeführt (vgl. Miller (1956)).
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
35
onsüberlastung zu vermeiden. Gelingt ihnen dies nicht, führt dies meist zum Verlassen der virtuellen Gemeinschaft.235 Betreiber einer Virtual Community sollten daher ihrerseits bei der Gestaltung der Community darauf achten, dass es nicht zu einer Informationsüberlastung kommt.236 Abschließend ist festzuhalten, dass die Charakteristika des Internets die wachsende Bedeutung von Brand Communities forcieren. Die Gewöhnung der Konsumenten an das Internet und seine unterschiedlichen Ausprägungsformen im Alltag tragen weiter zum Erfolg internetbasierter Angebote und deren Bedeutung in der Gesellschaft bei. Eine strikte Trennung von Online und Offline Communities ist dabei aufgrund der gleichzeitigen Nutzung beider Kommunikationswege meist nicht angebracht bzw. unmöglich. Auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird weitgehend auf diese Unterscheidung verzichtet. 2.2.3
Auswirkungen von Brand Communities auf das Markenmanagement und den Unternehmenserfolg
Wie in Abschnitt 2.1 ausführlich erläutert wurde, basieren Brand Communities auf sozialen Interaktionen unter Konsumenten, in deren Mittelpunkt eine Marke steht.237 Die Mitglieder der Brand Community fühlen sich sehr verbunden mit dieser Marke und identifizieren sich mit ihr.238 Dadurch entsteht ein soziales Netzwerk mit Beziehungen zu anderen Fans,239 das den Konsumenten ermöglicht, sich frei und ungehindert über die Marke mit Gleichgesinnten auszutauschen. Diese Interaktionen der Nachfrager oder „consumer-to-consumer interactions“ (c-to-c) können allgemein als bewusste oder unbewusste Interaktion zwischen Konsumenten und/oder Gruppen beschrieben werden und finden in der Vorkaufphase, der eigentlichen Kaufphase oder nach einem Kauf statt. 240 Die Art und Weise der Interaktion kann sehr unterschiedlich sein und beispielsweise aus einer zufälligen kurzen Begegnung oder einer intensiven Diskussion bestehen.241 Wie nachfolgend gezeigt wird, hat diese Interaktion innerhalb und außerhalb der Brand Community zahlreiche bedeutende Auswirkungen auf den Markenerfolg.
235
Vgl. Hiltz und Turoff (1985), S. 680 ff.; Jones et al. (2004), S. 194 ff.
236
Hilfreich erscheinen hierfür beispielsweise Untergruppen, Nachrichtenfilter, eine Suchfunktion, die Möglichkeit zum Verfassen persönlicher Nachrichten.
237
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412.
238
Vgl. Belk und Tumbat (2005), S. 205.
239
Vgl. Quinn und Devasagayam (2005), S. 104; Davidson et al. (2007), S. 211.
240
Vgl. Algesheimer (2004), S. 8.
241
Vgl. Clark und Martin (1994), S. 1 ff.
36
Brand Communities
Die oben beschriebene Kommunikation unter den Brand-Community-Mitgliedern beeinflusst die Beziehung und die Einstellung der Konsumenten zur Marke242 und erhöht deren Markeninvolvement.243 Dies ist einerseits durch die Kommunikation innerhalb der Markengemeinschaft der Fall. 244 Andererseits stellen Markengemeinschaften oftmals auch eine wertvolle Informationsquelle für außenstehende Konsumenten dar, die spontanen, unregelmäßigen Kontakt zu Brand-Community-Mitgliedern haben oder auf deren Unterhaltungen im Internet stoßen. Die markenbezogene Interaktion der Brand Community verändert demnach maßgeblich die Markenkommunikation eines Unternehmens. 245 Die Diskussionen der BrandCommunity-Mitglieder über markenbezogene Inhalte wirken sich dabei nicht nur auf die Verbindung der Konsumenten untereinander, sondern auch auf die Ausgestaltung und die Interpretation der Marke aus.246 Ähnlich wie es das Konzept der Co-Creation247 vorsieht, liegt die Weiterentwicklung einer Marke nicht allein beim Markeninhaber, sondern wird vom Unternehmen und den Konsumenten der Marke gemeinsam betrieben. Im Extremfall wird die Marke sogar vollständig der Kultur einer Markengemeinschaft überlassen.248 Patterson und O’Malley betonen daher die Bedeutung der Konsumenten bei der Markengestaltung, indem sie diese als „ultimate arbiters of brand meaning“ bezeichnen.249 Der Einfluss der Brand Community auf die Marke kann zwar grundsätzlich positiv gesehen werden, da dadurch neue Impulse für die Marke aus Konsumentensicht eingebracht werden und das Gefühl der Mitgestaltung der Marke durch die Konsumenten auch deren Bindung an die Marke stärkt; allerdings können auch von einer Marke überzeugte Konsumenten zum Risiko für das Unternehmen werden, falls sich deren Interesse an der Marke unvorteilhaft auf das Unternehmen auswirkt.250 So können Markenenthusiasten versuchen, ihre eigenen Vorstellungen von der Marke gegenüber dem Unternehmen durchzusetzen, obwohl diese eventuell mit der Strategie des Unternehmens in Konflikt stehen. 251 Dies kann letztlich zu einer
242
Vgl. Ahonen und Moore (2005), S. 108 f. Die Tatsache, dass sich Konsumenten in ihren Einstellungen und Verhaltensweisen durch andere beeinflussen lassen, ist in der Konsumentenverhaltensforschung hinreichend bekannt (vgl. z. B. Bearden et al. (1989); Netemeyer et al. (1992)).
243
Vgl. Upshaw und Taylor (2001), S. 418; Upshaw und Taylor (2000), S. 175; von Loewenfeld (2006), S. 250.
244
Die Beziehung und Einstellung eines Konsumenten wird durch die Kommunikation mit anderen Community-Mitgliedern beeinflusst (vgl. z. B. Baumgarth 2004).
245
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 426; von Loewenfeld (2006), S. 98. Der Einfluss auf die Markenkommunikation steigt zudem mit der Größe der Community (vgl. Algesheimer (2004), S. 397 ff.).
246
Vgl. Ahonen und Moore (2005), S. 108 f.; Chang und Chieng (2006), S. 948 ff.
247
Vgl. z. B. Prahalad und Ramaswamy (2004b); Prahalad und Ramaswamy (2004a).
248
Vgl. Tropp (2009), S. 187.
249
Patterson und O'Malley (2006), S. 17.
250
Vgl. z. B. Algesheimer und Herrmann (2005a), S. 759; von Loewenfeld (2006), S. 127 f.
251
So hat beispielsweise das amerikanische Modeunternehmen GAP Inc. auf die Einführung eines neuen Markenlogos verzichtet, nachdem Fans der Marke im Internet das neue Design scharf kritisiert hatten (vgl. GAP Inc. (2010); Nudd (2010); HORIZONT.NET (2010)).
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
37
Verselbständigung der Brand Community führen. 252 Zudem besteht die Gefahr, dass die Begeisterung einer Marke zu einem Markenfanatismus umschlägt, der das Risiko der Abschottung von der Gesellschaft birgt. Der zunehmende Einfluss der Konsumenten auf die Gestaltung einer Marke muss daher durch das Markenmanagement berücksichtigt werden, weshalb einige Autoren eine interaktionsorientierte Markenführung253 fordern. Diese ist vor allem dadurch möglich, dass Brand Communities einen interessanten Kommunikationskanal für Unternehmen darstellen, der zur Aussendung von Werbebotschaften an die Konsumenten genutzt werden kann, 254 dabei aber auch die Möglichkeit zur Rückmeldung durch den Konsumenten besteht. Die Mitglieder einer Brand Community tauschen sich primär über eine bestimmte Marke und ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit dieser aus und unterstützen sich gegenseitig bei der Anwendung des Produkts. Dadurch weisen Brand-Community-Mitglieder ein hohes Markenwissen auf, das durch den kontinuierlichen Erfahrungs- und Meinungsaustausch rund um die Marke ständig erweitert wird.255 Dies wirkt sich positiv auf die Beratung256 und den Support einer Marke aus, da diese Leistungen zum Teil von Konsumenten übernommen werden bzw. zusätzlich zu denen des Markeninhabers zur Verfügung stehen.257 Als Resultat dieser Aktivitäten der Brand-Community-Mitglieder lassen sich eine höhere Qualität dieser Dienste und Kosteneinsparungen auf Seiten des Unternehmens festhalten. Gleichzeitig stellt die Markengemeinschaft ein Potenzial für die Marktforschung eines Unternehmens dar.258 Insbesondere können Informationen für eine bedürfnisgerechtere Leistungsgestaltung und eine zielgruppenspezifische Kundenansprache durch die Brand Community gewonnen werden.259 Dies ist beispielsweise durch die Analyse der Kommunikation innerhalb der Community oder die Erstellung von Kauf- und Präferenzprofilen der Teilnehmer möglich.260 Dadurch können traditionelle Verfahren der Kundensegmentierung ergänzt werden261
252
Vgl. Schögel et al. (2005), S. 4; Huber et al. (2006), S. 48.
253
Vgl. z. B. Totz (2005). Als Interaktion wird dabei ein „aktives, individuelles (Kommunikations-)Verhalten der gegenseitigen Beeinflussung und der wechselseitigen Abhängigkeiten“ verstanden (Esch und Kiss (2006), S. 99).
254
Vgl. Muniz und O'Guinn (2005).
255
Vgl. Casalo et al. (2007), S. 780.
256
Vgl. Kanamori und Kimura (2003); Algesheimer (2004), S. 418 f.
257
Vgl. Nambisan und Baron (2007).
258
Vgl. Algesheimer und Herrmann (2005a), S. 759; Huber et al. (2006), S. 11; Schmitt (2006); Baumgartner (2007). Durch die Offenheit der meisten Brand Communities haben jedoch auch Konkurrenten die Möglichkeit zur Informationsgewinnung und im Extremfall zur Sabotage (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427; von Loewenfeld (2006), S. 127).
259
Vgl. Weiber und Meyer (2002), S. 355 ff.
260
Vgl. Hagel und Armstrong (1997), S. 25 f.; Hippner et al. (2002), S. 88 ff.; Weiber und Meyer (2002), S. 355 ff.
38
Brand Communities
und eine individuellere Ansprache bzw. maßgeschneiderte Leistungen ermöglicht werden.262 Diese können entweder über die traditionellen Wege abgesetzt oder auch direkt über die Brand Community als Absatzkanal vertrieben werden.263 Weiterhin belegen empirische Studien positive Auswirkungen der Mitgliedschaft in einer Brand Community auf die Markenzufriedenheit. 264 Außerdem sind Brand-CommunityMitglieder toleranter gegenüber Fehlern des Produktes bzw. der Dienstleistung.265 Das Feedback der hoch involvierten Brand-Community-Mitglieder kann zudem dabei helfen, das Produktrisiko bei der Neuprodukteinführung zu verringern.266 Dies kann einerseits passiv durch die Auswertung der Kommunikation innerhalb einer Markengemeinschaft erreicht werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, die Brand Community in die Neuproduktentwicklung einzubeziehen.267 Empirische Studien zu dieser sog. Community-Based Innovation268 zeigen, dass Brand-Community-Mitglieder bereit sind, sich aktiv an der Weiterentwicklung der Produkte ihrer Marke zu beteiligen und das Engagement zum Erfolg einer Innovation beitragen kann und über die Brand Community der Zugang zu sog. Lead Usern269 möglich ist.270 Zudem belegen Untersuchungen, dass mit zunehmender Dauer der Mitgliedschaft in einer Brand Community und mit steigender Partizipation an dieser einerseits die Wahrscheinlichkeit der Adaption von Neuprodukten der im Fokus der Community stehenden Marke steigt und andererseits parallel die Empfänglichkeit für Neuentwicklungen der Konkurrenz sinkt.271 Die positive Markeneinstellung der Brand-Community-Mitglieder schlägt sich dementsprechend auch in deren Kaufverhalten nieder. Dieses ist durch die Mitgliedschaft in dieser entscheidend geprägt.272 So sind die Mitglieder einer Markengemeinschaft loyaler gegenüber der
261
So sehen einige Autoren eine bessere Berücksichtigung der aktuellen Bedürfnisse als gängige Segmentierungskriterien (vgl. Herrmann et al. (2005), S. 8; Algesheimer (2004), S. 407 ff.) bzw. die Möglichkeit einer individuelleren Ansprache des Konsumenten (z. B. Huber et al. (2006), S. 56; von Loewenfeld (2006), S. 283).
262
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 283.
263
Vgl. z. B. Albers et al. (1999); S. 955 ff.
264
Vgl. Algesheimer (2004), S. 8 ff.; McAlexander et al. (2003), S. 6.
265
Vgl. McAlexander et al. (2002), S. 52.
266
Vgl. McWilliam (2000), S. 45.
267
Vgl. Füller et al. (2006a), S. 57 ff.; Kim et al. (2008), S. 357 ff.; Rowley et al. (2007), S. 136 ff.
268
Vgl.Füller et al. (2006a); Füller et al. (2008).
269
Vgl. von Hippel (1986).
270
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427; Schögel et al. (2005), S. 3; Franke und Shah (2003).
271
Vgl. Thompson und Sinha (2008).
272
So konstatiert Cova „The link is more important than the thing.“ (Cova (1997), S. 307) und Heitmann, Prykop und Aschmoneit „Many products are bought not because they meet customer requirements best but because they enable customers to be part of a community collectively interested in the same set of values.” (Heitmann et al. (2004)).
Ökonomische Relevanz von Brand Communities
39
Marke,273 kaufen zudem häufiger Produkte der Marke und weisen höhere Umsätze pro Einkauf274 sowie eine höhere Preisbereitschaft275 auf. Gleichzeitig führt der Nutzen aus der markenbezogenen Kommunikation mit anderen Teilnehmern der Brand Community zu einer Reduzierung des Variety-Seeking Behaviors276 und stärkt die Position der Marke gegenüber Wettbewerbern.277 Außerdem können Unternehmen vom Cross-Selling-Potenzial der Brand Community profitieren, da eine längere und intensivere Beziehung zur Marke zu größerem Vertrauen in das Unternehmen führt und loyale Kunden daher eher bereit sind, auch andere Leistungen eines Anbieters nachzufragen als Neukunden.278 Die längere Dauer der Kundenbeziehung führt darüber hinaus zur Einsparung von Transaktionskosten auf Seiten des Unternehmens, da Marketingaktivitäten besser an die Zielgruppe angepasst werden können und geringere Streuverluste entstehen.279 Neben höheren Erlösen durch die Mitglieder einer Brand Community kann diese auch zur Kundenneugewinnung beitragen. Empirische Studien zeigen, dass Brand-CommunityMitglieder die Marke häufig weiterempfehlen.280 Die positive281 Mund-zu-Mund-Propaganda trägt darüber hinaus zur Erhöhung der Reputation der Marke bzw. zur Imageverbesserung bei,282 da persönlich weitergegebene Informationen einen hohen Einfluss auf die Einstellungen von Konsumenten ausüben.283 Die Verbesserung des Markenimages kann zudem aktiv vom Unternehmen über das sog. Brand Leveraging verfolgt werden, bei dem versucht wird „Marken mit existierenden Erinnerungen zu Menschen, Dingen, Plätzen oder anderen Marken zu verbinden, um von deren Markenwert zu profitieren.“284
273
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2002), S. 52; Upshaw und Taylor (2000), S. 219; von Loewenfeld (2006), S. 275 ff.
274
Vgl. von Loewenfeld et al. (2006), S. 11; von Loewenfeld (2006), S. 153.
275
Die ist insbesondere im Zusatznutzen durch die Community begründet (vgl. Huber et al. (2006), S. 12).
276
Das Variety-Seeking Behavior eines Konsumenten beschreibt dessen Streben nach Abwechslung, das dazu führt, dass er beim wiederholten Kauf von Produkten oder Dienstleistungen unabhängig von seiner Zufriedenheit den Anbieter wechselt. Vgl. grundlegend Faison (1977); Givon (1984); Horbel (2008), S. 42 ff; Hoyer und Ridgway (1984); McAlister und Pessemier (1982).
277 Vgl. Huber et al. (2006), S. 12 ff. 278
Vgl. Eggert (1999), S. 4.
279
Vgl. Braunstein (2001), S. 4 f.
280
Vgl. Algesheimer (2004), S. 418 ff.; von Loewenfeld (2006), S. 218 ff.; von Loewenfeld et al. (2006), S. 11.
281
Grundsätzlich birgt die Ansammlung von Konsumenten in einer Gruppe, insbesondere bei Unzufriedenheit der Konsumenten, auch die Gefahr der Verbreitung negativer markenbezogener Kommunikation (vgl. z. B. Maclaran und Catterall (2002); Sjödin (2008), S. 258 ff.). Aufgrund der hohen Überzeugung der BrandCommunity-Mitglieder und ihrer höheren Fehlertoleranz ist diese allerdings vergleichsweise gering einzuschätzen.
282
Vgl. Upshaw und Taylor (2000), S. 89.
283
Vgl. z. B. Venkatesan (1966), S. 384 ff.; Brown und Reingen (1987), S. 350 ff.; Bansal und Voyer (2000), S. 166 ff.
284
Vgl. z. B. Algesheimer (2004), S. 402.
40
Brand Communities
Die ökonomische Relevanz von Brand Communities wird in Abbildung 5 zusammengefasst, wobei zwischen Aspekten, die durch die Mitgliedschaft von Konsumenten in einer Brand Community erhöht werden und Potenzialen von Brand Communities, die das Unternehmen nutzen kann, unterschieden wird. Aufgrund der überwiegend positiven Auswirkungen von Brand Communities stellen Markengemeinschaften gewissermaßen „soziales Kapital“ bzw. einen Vermögenswert eines Unternehmens dar.285 Für Unternehmen bietet sich die Möglichkeit Brand Communities aktiv zur Erreichung unternehmerischer Ziele einzusetzen. 286 Der Aufbau und die Unterstützung einer Brand Community kann aus Marketing-Perspektive sowohl eine kosteneffiziente als auch mächtige Maßnahme sein.287 Voraussetzung hierfür ist, dass die mit der Brand Community verbundenen Kosten geringer als die positiven Auswirkungen der Brand Community auf den ökonomischen Erfolg sind. Da die Höhe der Kosten für das Unternehmen je nach Form und Ausgestaltung der Markengemeinschaft recht unterschiedlich sein kann, wird auf deren allgemeine Diskussion an dieser Stelle verzichtet, sondern auf eine Einzelfallbetrachtung verwiesen.288 Erhöhung durch die Mitgliedschaft in einer Brand Community: x Beziehung und Einstellung zur Marke x Markeninvolvement x Einfluss auf die bzw. Co-Creation der Marke x Toleranz gegenüber Fehlern x Zufriedenheit mit der Marke x Weiterempfehlung der Marke x Wiederkauf x Kauffrequenz x Volumen pro Kauf x Cross-Selling x Preisbereitschaft
Abbildung 5:
Potenzial von Brand Communities für Unternehmen: x Marktforschung x Kundensegmentierung x Kauf-/Präferenzprofile x Integration in das Innovationsmanagement (Co-Design) x Übernahme des Supports/der Beratung (Co-Maintenance) x Kommunikationskanal x Absatzkanal (Co-Distribution) x Erfahrungskurveneffekte x Effizienzsteigerung bei der Leistungserstellung x Umsatzsteigerung x Steigerung der Reputation/des Markenimages x Co-Creation der Marke und von Markenevents x Co-Promotion x Co-Meaning Creation
Ökonomische Relevanz von Brand Communities289
285
Vgl. Algesheimer (2004), S. 418 f.; Mathwick et al. (2008).
286
Zahlreiche Autoren befassen sich daher auch mit ökonomischen Effekten des Community-Managements (vgl. z. B. Rösger et al. (2007); Hartleb (2009)).
287
Vgl. Algesheimer et al. (2005), S. 19.
288
Beispielsweise fallen für ein Unternehmen keine Kosten für den Betrieb einer Brand Community an, falls diese von privaten Markenfans betrieben wird. In diesem Fall wären insbesondere Monitoring-Kosten bzw. Ausgaben für die zusätzliche Unterstützung der Community relevant. Hingegen muss bei unternehmensinitiierten Brand Communities der Markeninhaber neben den Kosten für die Infrastruktur der Brand Community auch die Ausgaben für die Vermarktung der Community und deren Unterhalt tragen.
289
Eigene Darstellung.
Stand der Forschung zu Brand Communities
41
Praxisbeispiele erfolgreicher Brand Communities zeigen, dass dieses Phänomen nicht auf bestimmte Branchen oder Produktgruppen beschränkt ist. Grundsätzlich ermöglichen insbesondere starke, einzigartige Marken den Konsumenten die freiwillige Entwicklung von Beziehungen zur Marke, zum Produkt und Unternehmen sowie zu anderen Besitzern.290 Dabei müssen die Marken nicht auch zwangsläufig umsatzstarke Marken sein, vielmehr kommt es auch auf die Einzigartigkeit einer Marke an. Oft weisen gerade kleine und mittelständische Unternehmen durch ihre hohe Innovationskraft Alleinstellungsmerkmale auf. Diese Vielfalt aktiver Markengemeinschaften lässt sich aus dem Literaturüberblick zu Brand Communities erkennen, der nachfolgend in Kapitel 2.3.1 in Tabelle 2 vorgestellt wird. Dennoch muss abschließend angemerkt werden, dass Beispiele gescheiterter Brand Communities offenlegen, dass es keinen Automatismus für erfolgreiche Brand Communities gibt und dass nicht jede Marke dauerhaft als Mittelpunkt einer Community von Fans dieser Marke fungieren kann.291 2.3
Stand der Forschung zu Brand Communities
2.3.1
Überblick über bisherige Studien
Wie in Kapitel 2.1.4 aufgezeigt, weisen Brand Communities bedeutende Ähnlichkeiten zu angrenzenden Formen von Gemeinschaften, wie z. B. Konsumsubkulturen292 auf. Dennoch lässt sich das Brand-Community-Phänomen aufgrund der alleinigen Fokussierung auf eine bestimmte Marke deutlich von anderen in der Literatur diskutierten Konstrukten trennen, so dass der nachfolgende Literaturüberblick sich auf veröffentlichte Forschungsprojekte zu Brand Communities seit der Einführung des Begriffs 2001 durch Muniz und O’Guinn 293 beschränkt. Es wurden 55 diesem Forschungsgebiet zugehörige Publikationen identifiziert, die nachfolgend in Tabelle 2 aufgeführt sind. Diese Gegenüberstellung soll einen kompakten Überblick über die Inhalte, Methoden und untersuchten Marken geben. Auf eine ausführliche Vorstellung bzw. Diskussion der Beiträge soll im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Stattdessen wird auf die Originalpublikationen294 oder aktuellen Aufarbeitungen des State-ofthe-Art295 der Brand-Community-Forschung verwiesen.
290
Vgl. Bauer et al. (2005), S. 13. Eine genauere Analyse der Eignungskriterien einer Marke für Brand Communities wird bei der Ableitung von Implikationen für die Praxis in Abschnitt 5.2 durchgeführt.
291
Als Beispiele für misslungene Brand-Community-Initiativen können z. B. die Markengemeinschaften der Telekom (vgl. Kowalewsky (2007)) und des Energieversorgers E.ON (vgl. von Loewenfeld und Herrmann (2004), S. 42 ff.) angeführt werden.
292
Vgl. Schouten und McAlexander (1995), S. 43 ff.
293
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.
294
Die vollständigen Zitationsangaben sind dem Literaturverzeichnis dieser Arbeit zu entnehmen.
295
Vgl. z. B. Hartleb (2009), S. 36 ff.; Hoppe (2009), S. 52 ff.
42
Brand Communities
Autor / Jahr
Methode und Daten
Algesheimer und Dholakia (2008)
Protokolliertes Nutzerverhalten (LogfileAuswertung: n=79.242) Protokolliertes Nutzerverhalten (LogfileAuswertung: n=6.776) Online-Fragebogen (n=529)
Algesheimer et al. (2010) Algesheimer et al. (2006)
Untersuchungsgegenstand/Marke ebay
ebay
Automobil-Fanclubs
Algesheimer (2004); Algesheimer et al. (2005)
Online-Fragebogen (n=529)
Diverse AutomobilMarken
Andersen (2005)
Ethnographie
Coloplast
Bagozzi und Dholakia (2002) Bagozzi und Dholakia (2006a) Bagozzi, Bergami, Marzocchi und Morandin (2008) Bagozzi und Dholakia (2006b)
Schriftlicher Fragebogen (n=157) Online-Fragebogen (n=402) Schriftlicher Fragebogen (n=174)
Virtuelle Communities Linux
Schriftlicher Fragebogen (n=154)
Harley Davidson
Belk und Tumbat (2005) Carlson et al. (2008)
Ethnographie
Macintosh
Webbasierter Fragebogen (n=314); Schriftlicher Fragebogen (n=158)
Freizeitpark
Casalo et al. (2007)
Online-Fragebogen (n=215)
Open-SourceSoftware
Casalo, Flavian und Guinaliu (2010 )
Online-Fragebogen
Mehrere OnlineCommunities
Casalo et al. (2008)
Webbasierter Fragebogen (n=215)
Open-SourceSoftware
Cova und Pace (2006)
Netnographie
Nutella
Cova et al. (2007)
Ethnographie
Warhammer
Davidson et al. (2007)
Semistrukturierte Interviews, Fokusgruppen
Magazin-Marken
Devasagayam und Buff (2008)
Schriftlicher Fragebogen (n=111)
Basketball-Team
Flavian und Guinaliu (2005)
Case Studies
Fuller, Jawecki und Muhlbacher (2007)
Netnographie
iVillage, Guinness, Amazon, Apple, Manchester United Nike
Ducati
Inhalt Einfluss der Interaktion mit dem Unternehmen auf das Konsumentenverhalten Einfluss der Teilnahme an einer Brand Community einer Auktionsplattform auf das Konsumentenverhalten Einflussfaktoren und Konsequenzen von Brand Communities auf das intendierte und tatsächliche Verhalten der Konsumenten Analyse der Wirkung von Brand Communities auf intendierte und tatsächliche Markenloyalität und Weiterempfehlung (inklusive Moderatoreffekte Markenwissen und Größe der Brand Community) Aufbau und Bedeutung von virtuellen Brand Communities in B2B-Märkten Einflussfaktoren der Teilnahme an virtuellen Communities Beweggründe der Teilnahme an und Auswirkungen von virtuellen Communities Ermittlung der Motive für die Teilnahme an einer Brand Community und deren Einfluss im Rahmen der Entscheidungsfindung Untersuchung des Gruppenverhaltens von kleingruppenbasierten und netzwerkbasierten Brand Communities Beschreibung des Brand Cults und Diskussion dessen religiöser Aspekte Unterscheidung zwischen sozialen und psychologischen Brand Communities und Diskussion der Rolle des „Psychological Sense of Community“ Wirkung der Partizipation in virtuellen Brand Communities auf Markenloyalität und Markenvertrauen Vertrauen in, Vertrautheit mit und Zufriedenheit mit der Community als Einflussgrößen der Partizipation an einer Brand Community, die wiederum die Kundenloyalität beeinflusst Einfluss der Partizipation in Virtual Brand Communities auf Markenloyalität und Markenvertrauen Virtuelle Brand Community für Convenience Produkte und Diskussion der Unterschiede zu Luxusgütern Unterschiede zwischen Brand Communities im internationalen Vergleich und Herausforderungen für globale Marken Identifikation von fünf Erfolgsfaktoren für den Aufbau von Brand Communities in der Medienbranche: Markenimage, hedonistische Aspekte, Markenhistorie, öffentlicher Konsum, freier Wettbewerb Unterschiedliche Formen der Mitgliedschaft und Arten von Brand Communities im Sport Virtual Brand Communities im Rahmen der Distribution von Produkten über das Internet Integration von Community-Mitgliedern in den Produktinnovationsprozess
Stand der Forschung zu Brand Communities Autor / Jahr
Methode und Daten
Füller et al. (2008)
Schriftlicher Fragebogen (n=550)
Hellmann und Kenning (2007) Hickman und Ward (2007)
Schriftlicher Fragebogen (n=80) Webbasierter Fragebogen (Apple: n=108; PC: n=64; Iowa: n=77; Purdue: n=105) Netnographie
Automobil- und Medienmarken PC vs. Apple, zwei FootballMannschaften
Jang, Olfman, Ko, Koh und Kim (2008)
Webbasierter Fragebogen (n=250)
SKY, ACU, iSKY, Verna, Samsung, Hyundai
Kim et al. (2008)
Ethnographie, Netnographie
MP3-Player, Mobiltelefone
Leigh, Peters und Shelton (2006)
Ethnographie
MG
von Loewenfeld (2006)
Online-Fragebogen (Sony Playstation: n=863; Auto: n=371)
Sony-Playstation, BMW, Mercedes, Skoda
Luedicke (2006)
Netnographie
HUMMER
McAlexander und Schouten (1998) McAlexander et al. (2002)
Ethnographie
Harley Davidson, Jeep Jeep, Harley Davidson
Hickman und Ward (2007)
Untersuchungsgegenstand/Marke VW GTI
Intel, AMD
McAlexander et al. (2003)
Ethnographie, Schriftlicher Fragebogen (Studie 1: n=453, Studie 2: n=259) Ethnographie, Schriftlicher Fragebogen (n=372)
McAlexander, Koenig und Schouten (2004)
Schriftlicher Fragebogen (n=481)
Universität
Morais, Kerstetter und Yarnal (2006)
Ethnographie
Kreuzfahrtschiffe
Morandin, Bagozzi und Bergami (2005) Muniz und O'Guinn (2001)
Schriftlicher Fragebogen (n=174) Ethnographie
Ducati
Muniz und Schau (2005)
Netnographie
Apple Newton
Casino
Saab, Macintosh, Ford Bronco
43 Inhalt Einflussfaktoren auf die Partizipation von Brand-Community-Mitgliedern am Innovationsprozess Abbildung der Bindung an eine Brand Community durch konzentrische Kreise Untersuchung der Einstellung von BrandCommunity-Mitgliedern gegenüber konkurrierenden Marken anhand des „Trash Talks“ (schlecht reden) und der Schadenfreude Untersuchung des Einflusses der Aktivität in und der Dauer der Zugehörigkeit zu einer Community auf die Akzeptanz neuer Produkte der eigenen oder konkurrierender Marken Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Charakteristiken von Online Brand Communities (Interaktion, Belohnung von Aktivitäten) auf das Commitment und die Markenloyalität Partizipation von Mitgliedern einer virtuellen Brand Community in der Neuproduktentwicklung Authentizität im Konsumentenkontext basiert auf dem Produkt, dessen Besitz, Konsumerfahrungen und Identitätsbildung und -bestätigung Entwicklung des Konstrukts BrandCommunity-Qualität und Untersuchung des Einflusses auf die Markenloyalität und die Weiterempfehlung Rolle der sozialen Umwelt (Pro- und Antagonisten) für den Erfolg einer (polarisierenden) Brand Community Definition und Beschreibung von Brandfests (Beziehungen, Funktionen, Effekte) Beschreibung von Brand Communities und Entwicklung eines kundenzentrierten Brand-Community-Modells (als Weiterentwicklung der Brand-Community-Triade) Herausstellung des zentralen Einflusses der „Brand Community Integration“ auf die Kundenloyalität Einfluss der Beziehungen unter Studierenden während der Studienzeit auf die langfristige Loyalität gegenüber der Universität Einfluss der Beziehung zu einem Unternehmen und der Beziehung zu anderen Kunden auf die Loyalität gegenüber einem Tourismus-Unternehmen Identifikation von Motiven der Teilnahme an Brand Communities Vorstellung, Beschreibung und Begriffsdefinition von Brand Communities und Darlegung der Brand-Community-Triade Fortbestand von Brand Communities nach Aufgabe der Marke durch den Markeninhaber und Beschreibung als eine Art „Religion“
44
Brand Communities
Autor / Jahr
Methode und Daten
Muniz und Schau (2007)
Netnographie
Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008)
Schriftlicher Fragebogen (n=104), OnlineFragebogen (n=125)
Siedler von Catan, Swatch
Quinn und Devasagayam (2005)
Schriftlicher Fragebogen (n=55)
indische Marken
Rosenbaum, Ostrom und Kuntze (2005)
Mündliche Fragebogenerhebung (n=153)
Kundenbindungsprogramme
Schau und Muniz (2002)
Netnographie
Schau und Muniz (2006)
Netnographie
Apple, Harley Davidson, Saab, Tom Petty, Xena Warrior Princess Apple Newton
Schouten und McAlexander (1995)
Ethnographie
Harley Davidson
Schouten et al. (2007)
Ethnographie, Schriftlicher Fragebogen (Studie 1: n=259, Studie 2: n=453) Online-Fragebogen (n=316)
Jeep
Netnographie
Coca-Cola
Online-Fragebogen (n=956) und schriftlicher Fragebogen (n=941) Netnographie
Pharma-Marke
Woisetschläger, Hartleb und Blut (2008)
Online-Fragebogen (n=1025)
Fußball
Zhu, Dholakia, Chen und Algesheimer (in Press)
Protokolliertes Nutzerverhalten (LogfileAuswertung: 6 Studien)
Prosper, ebay
Shang et al. (2006)
Sicilia und Palazon (2008) Stokburger-Sauer (2010) Thompson und Sinha (2008)
Tabelle 2:
296
Untersuchungsgegenstand/Marke Apple Newton
Apple
Intel, AMD, ATI, INVIDIA
Inhalt Marketingaktivitäten der Mitglieder von Brand Communities aufgegebener Marken als Versuch der Wiederbelebung der Marke, zur Bindung der Gemeinschaft und zur Definition ihrer Werte Segmentierung von Brand-CommunityMitgliedern in sechs Gruppen: „Enthusiasts“, „Users“, „Behind-the-Sense“, „NotMe“, „Average“ und „Socializers“ Ethnizität in Brand Communities: Bedeutung für die Loyalität und Zusammenhang mit der Brand Community-Integration Erhöhung der Loyalität durch Sense of Community in Kundenbindungsprogrammen Untersuchung des Einflusses der Brand Community auf die persönliche Identität
Storytelling unter Konsumenten zur Erinnerung der Markenhistorie bei nicht mehr fortgeführten Marken Definition und Charakterisierung von Subcultures of Consumption und Untersuchung des Verhaltens der Mitglieder Auswirkungen von Konsumerfahrungen (z. B. Flow-Erlebnisse, Grenzerfahrungen) auf die Bindung an die Brand Community Markenloyalität als Ergebnis der Aktivität von Brand-Community-Mitgliedern („Posting“, „Lurking“) Entwicklung einer virtuellen Brand Community auf Basis einer Offline Community Marketingaktivitäten zur Förderung der Brand Community und Steigerung der Identifikation der Mitglieder mit der Marke Einfluss der Teilnahme an Online Brand Communities und der Dauer der Mitgliedschaft auf die Produktadoption Analyse einer unternehmensinitiierten Brand Community und der Auswirkungen der Community-Interaktion auf das Markenimage des Unternehmens Einfluss von Online Communities auf das Risikoverhalten der Mitglieder
Literaturüberblick Brand Communities296
Die Beiträge sind nach dem Namen des (ersten) Autors alphabetisch angeordnet.
Stand der Forschung zu Brand Communities
45
Obwohl sich viele Publikationen gleichzeitig mit mehreren Themenbereichen auseinandersetzen, lassen sich zentrale Forschungsrichtungen der Brand-Community-Forschung identifizieren, die im Folgenden kurz aufgezeigt werden.297 Ein großer Teil der in Tabelle 2 aufgeführten Publikationen zu Brand Communities lässt sich inhaltlich der Grundlagenforschung zuordnen und setzt sich mit den Charakteristika von Brand Communities auseinander. Diese Veröffentlichungen wurden daher teilweise bereits bei der Vorstellung von Brand Communities in Abschnitt 2.1 zitiert. Nach dem grundsätzlichen Nachweis der Existenz von Markengemeinschaften und der Begriffseinführung Brand Communities durch Muniz und O’Guinn298 wurden z. B. der Community-Begriff in späteren Arbeiten erweitert, 299 zentrale Eigenschaften von Brand Communities beschrieben 300 und Typologisierungsmöglichkeiten vorgestellt.301 Zudem wird das Verhältnis einer Brand Community zu anderen Gruppen untersucht, wobei entweder die Beziehung zu konkurrierenden Marken 302 , markenübergreifenden Communities 303 oder die soziale Umgebung der Brand Community304 im Mittelpunkt der Untersuchung stehen. Ein weiterer Bereich der Brand-Community-Forschung untersucht die Mitgliedschaft bzw. die Partizipation der Konsumenten an der Markengemeinschaft und notwendige Voraussetzungen für den Erfolg von Brand Communities ab. Dabei werden zunächst verschiedene Formen der Mitgliedschaft diskutiert.305 Zudem werden die Beweggründe zur Teilnahme306 und Einflussfaktoren auf die Beteiligung307 der Mitglieder an der Brand Community sowie Erfolgsfaktoren308 bzw. notwendige Voraussetzungen für die dauerhafte Existenz einer Markengemeinschaft untersucht.
297
Anzumerken ist, dass sich nicht alle Studien überschneidungsfrei einer Forschungsrichtung zuordnen lassen.
298
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.
299
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2002), S. 39; von Loewenfeld (2006), S. 133.
300
Vgl. z. B. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.; Muniz und Schau (2005), S. 737 ff.; Schau und Muniz (2006), S. 21 ff., Belk und Tumbat (2005), S. 205 ff.
301
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 2.1.3 und die dort angegebene Literatur.
302
Vgl. z. B. Muniz und O'Guinn (2001), S. 413 ff.; Hickman und Ward (2007), S. 314 ff.; Thompson und Sinha (2008), S. 65 ff. Muniz und O’Guinn prägen im Zusammenhang mit der Abgrenzung zu konkurrierenden Marken den Begriff Oppositional Brand Loyalty, der beschreibt, was eine bestimmte Marke und die Mitglieder einer Brand Community dieser Marke nicht sind und damit die Abgrenzung zu anderen Gruppen verstärkt (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 420).
303
Vgl. Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 53 ff.
304
Vgl. z. B. Hollenbeck und Zinkhan (2006), S. 1 ff.; Luedicke (2006), S. 486 ff.
305
Vgl. z..B. Hellmann und Kenning (2007), S. 40 ff.; Morandin et al. (2008), S. 7 ff.; Devasagayam und Buff (2008), S. 24 f.
306
Vgl. Bagozzi et al. (2008).
307
Vgl. z. B. Casalo et al. (2008), S. 19 ff.; Woisetschläger et al. (2008), S. 237 ff.; Bagozzi et al. (2008).
308
Vgl. von Loewenfeld (2006).
46
Brand Communities
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt befasst sich mit den Auswirkungen von Markengemeinschaften auf die Einstellungen, Verhaltensabsichten und das tatsächliche Verhalten der BrandCommunity-Mitglieder. Dabei werden zum einen soziale und psychologische Prozesse in Brand Communities wie beispielsweise die Bedeutung von Normen der Gruppe309 und des Gruppendrucks bzw. Gruppensogs 310 untersucht. Zum anderen wurden Effekte von Brand Communities auf ökonomisch relevante Zielgrößen beschrieben. Diese wurden bereits in Abschnitt 2.2 ausführlich diskutiert und werden daher an dieser Stelle nicht erneut aufgeführt.311 Allerdings lässt sich hinzufügen, dass aufgrund der ökonomischen Bedeutung von Brand Communities inzwischen diverse Publikationen zum Management312 von Brand Communities veröffentlicht wurden. Eng mit der ökonomischen Forschung in Verbindung steht darüber hinaus ein Forschungsstrang, der die Nutzung bzw. den Wert der Beiträge und Aktivitäten der Brand Community analysiert.313 Hierunter fallen insbesondere Studien zur Integration der Kunden in den Innovationsprozess, 314 zur Unterstützung bei Problemen mit einem Produkt (Support), 315 und zur Kreation von Werbebotschaften durch Brand-Community-Mitglieder.316 2.3.2
Forschungsbedarf
Der im vorangehenden Abschnitt skizzierte Stand der Forschung zu Brand Communities belegt, dass dieses Phänomen in den letzten Jahren Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge war. Der Literaturüberblick zeigt allerdings, dass viele Studien einen qualitativen Charakter aufweisen und die meisten quantitativen Studien lediglich auf einen ausgewählten Aspekt von Brand Communities fokussieren bzw. sich entweder auf die Einflussfaktoren von Brand Communities317 oder auf deren Auswirkungen318 beschränken, so dass kein zusammenhängendes Bild der Wirkungszusammenhänge zustande kommt.
309 310
Vgl. Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 47 ff. Vgl. z. B. Algesheimer (2004), S. 154 ff.
311
Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.2 in dieser Arbeit und die dort angeführte Literatur.
312
Vgl. z. B. Fournier et al. (2005), S. 16 ff. ; Herrmann et al. (2005), S. 6 ff.; Herrmann et al. (2010), S. 469 ff.; Mühlenbeck und Skibicki (2007); Hartleb (2009).
313
Die Aktivitäten und Beiträge der Brand Community lassen sich unter den englischen Begriff ConsumerGenerated Content subsumieren.
314
Vgl. z. B. Füller et al. (2008), S. 608 ff.; Füller et al. (2006a), S. 57 ff.; Kim et al. (2008), S. 357 ff., Pitta und Fowler (2005), S. 283 ff.
315
Vgl. Schau und Muniz (2006), S. 21.
316
Vgl. Muniz und Schau (2007), S. 187 ff.
317
Vgl. Bagozzi et al. (2008), S. 1 ff.
318
Vgl. Casalo et al. (2007), S. 775 ff.
Stand der Forschung zu Brand Communities
47
Auch inhaltlich lassen sich in mehreren Themenbereichen Forschungslücken identifizieren, die bei der Entwicklung des Forschungsmodells dieser Untersuchung aufgegriffen werden sollen. Zunächst ist festzustellen, dass insbesondere für die Motivation zur Teilnahme an einer Brand Community bislang keine das gesamte Spektrum an Motivationen umfassenden quantitativen Untersuchungen vorliegen. Vielmehr werden spezifische Motivationen herausgegriffen 319 oder ein qualitatives Design gewählt.320 Die vergleichsweise geringe Beachtung der Beweggründe zur Partizipation an einer Brand Community ist vor allem aufgrund der Tatsache, dass die Motivationen der (potenziellen) Mitglieder eine zentrale Determinante des Erfolgs einer Brand Community darstellen, zu bemängeln.321 Es erscheint daher angebracht, die Studien, die noch explorativen Charakter aufweisen, durch quantitative Methoden zu ergänzen322 und eine die komplette Bandbreite an Motivationen umfassende empirische Erhebung durchzuführen, die die Identifikation der zentralen Motivations-Dimensionen ermöglicht. Wie die kritische Auseinandersetzung mit der existierenden Brand-Community-Forschung weiterhin zeigt, erfolgt in den meisten Studien eine unzureichende Berücksichtigung aller verschiedenen, für die Mitglieder einer Brand Community relevanten Bezugsobjekte.323 Wie Muniz und O’Guinn bereits bei der Einführung des Brand-Community-Begriffs beschreiben, weisen Brand-Community-Mitglieder Beziehungen zu mehreren Bezugsobjekten auf. 324 Dabei differenzieren die Autoren die Beziehungen Kunde-Marke, Kunde-Kunde und KundeCommunity. Auch McAlexander, Schouten und Koenig weisen auf die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der Beziehungen von Brand-Community-Mitgliedern hin und sehen als Bezugsobjekte die Marke, das Produkt, das Unternehmen und andere Konsumenten.325 In der Tat ist die Überlegung, dass die Einstellung eines Individuums zu einer Marke, neben dessen Beziehung zur Marke selbst, auch von der Interaktion mit anderen Konsumenten oder der Beziehung des Konsumenten zum Hersteller (Unternehmen) geprägt ist, wichtig. Dies lässt sich beispielsweise an der Beziehung eines Konsumenten zur Marke iPhone beschreiben, die von der Beziehung des Konsumenten zu weiteren Bezugsobjekten beeinflusst wird. So profitierte (und profitiert) das iPhone davon, dass es von Apple Inc. und nicht von
319
Vgl. z. B. Bagozzi et al. (2008); Hoppe (2009).
320
Vgl. z. B. Morandin et al. (2005); Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008).
321
Auch Morandin, Bagozzi und Bergami bemängeln die unzureichende Untersuchung der Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community: „A better understanding of the reasons and goals for joining and participating in brand communities would seem to be an interesting topic of research and could lead to useful practical implications for management.” (Morandin et al. (2005), S. 7).
322
Vgl. Kelle (2007), S. 50 ff.
323
Zur Notwendigkeit der Differenzierung unterschiedlicher Bezugsobjekte vgl. grundsätzlich Kapitel 2.1.2 und Kapitel 3.1.
324
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 413 ff.
325
Vgl. McAlexander et al. (2003), S. 39 ff.
48
Brand Communities
Microsoft hergestellt wird und dieses Unternehmen bereits selbst ein bestimmtes Image am Markt hatte (und hat). Darüber hinaus interagieren die (potenziellen) Kunden auch mit den Nutzern der Produkte des Unternehmens, die ihrerseits einen Lebensstil verkörpern. Je nachdem welche Erfahrungen und Einstellungen ein Individuum nun mit einem dieser Bezugsobjekte macht oder hat, kommt es zu Interaktionseffekten zwischen den verschiedenen Bezugsobjekten, so dass es wichtig ist, alle relevanten Bezugsobjekte zu berücksichtigen. Zwar greifen mehrere Autoren diese Gedanken auf und integrieren bei der Untersuchung des Beziehungsgeflechts von Brand-Community-Mitgliedern mehrere Bezugsobjekte.326 Dennoch fehlt in den empirischen Studien eine durchgehende Differenzierung der Zielkonstrukte der jeweiligen Untersuchung hinsichtlich dieser Bezugsobjekte. Diese erscheint jedoch zwingend erforderlich, um die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Beziehungen eines BrandCommunity-Mitglieds offenzulegen und Implikationen abzuleiten. Ein umfassendes Forschungsmodell zu Brand Communities sollte daher die berücksichtigten Konstrukte verschiedenen Bezugsobjekten zuordnen. Als mögliche Zielkonstrukte eines solchen Forschungsmodells erscheint es sinnvoll, solche Konstrukte mit in das Modell zu integrieren, die für den langfristigen Erfolg verantwortlich sind. Von zentraler Bedeutung für den Zusammenhalt von Brand Communities ist das Gemeinschaftsgefühl der Mitglieder 327 und deren soziale Identität, 328 die in der Community begründet ist. Das Konstrukt der Konsumentenidentifikation erscheint geeignet, diese Aspekte abzubilden und ist gleichzeitig auch auf andere relevante Kundenbeziehungen anwendbar. Aus wissenschaftlicher Sicht ist daher die Analyse des Identifikationskonstrukts im BrandCommunity-Kontext, d. h. unter Berücksichtigung verschiedener Identifikationsziele wünschenswert. Aus Sicht der Praxis ist zudem die Bedeutung des Identifikationskonstrukts für unternehmerische Zielgrößen von großem Interesse. Der Literaturüberblick über die Brand-Community-Forschung zeigt jedoch, dass auf einen Vergleich der Verbundenheit mit einer Brand Community oder einer Marke durch die Identifikation mit dieser mit traditionellen Wegen der Loyalitätssteigerung verzichtet wird. Dementsprechend erfolgt auch keine Einbindung von Brand Communities in existierende Management-Strategien. So fokussiert die Literatur zu Brand Communities insbesondere auf die loyalitätsstiftende Wirkung der Identifikation,329 wohingegen in der Konsumentenverhaltensforschung dem Zufriedenheitskonstrukt eine zentrale Bedeutung für die Kundenloyalität
326
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 933 ff.; Stokburger-Sauer (2010), S. 347 ff.
327
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.; McMillan (1996), S. 315 ff.
328
Die soziale Identität ist defniert als „…the part of the individuals self concept which derives from their knowledge of their membership in a social group together with the value and emotional significance attached to that membership“ (Tajfel (1978b), S. 63).
329
Vgl. Abschnitt 3.3.2.
Stand der Forschung zu Brand Communities
49
zugeschrieben wird.330 Letztere kommt insbesondere in der Service-Profit Chain zum Ausdruck, die einen in Wissenschaft und Praxis etablierten Ansatz zur Abbildung des Konsumentenverhaltens darstellt.331 Die Integration der Identifikation in dieses Management-Konzept ist jedoch erst ansatzweise erfolgt.332 Ziel dieser Arbeit ist daher die Entwicklung eines umfassenden Forschungsmodells, das ausgehend von den Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community, die Identifikation und die Zufriedenheit der Brand-Community-Mitglieder als wesentliche Determinanten des Loyalitäts- und Weiterempfehlungsverhaltens untersucht und dabei verschiedene Bezugsobjekte differenziert.
330
Vgl. Abschnitt 3.3.3
331
Vgl. Kapitel1.1. Ein ähnlich erfolgreicher Ansatz für das Brand-Community-Management hat sich bislang noch nicht etabliert (vgl. Hartleb (2009), S. 54).
332
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 38 ff.
3 Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities Im folgenden Kapitel wird ein Modell zur Untersuchung des Einflusses von Brand Communities auf unternehmerische Zielgrößen entwickelt. Hierzu werden zunächst die Besonderheiten bei der Betrachtung von Brand-Community-Mitgliedern erläutert. Anschließend werden die relevanten unternehmerischen Zielgrößen des Untersuchungsmodells sowie deren Determinanten identifiziert und konzeptualisiert. Dabei werden für jedes der Konstrukte dessen Relevanz für die Untersuchung und die theoretischen Grundlagen bzw. die zentralen Forschungsrichtungen aufgezeigt. Bei den Ausführungen zu den Konstrukten wird bewusst auf eine Gleichgewichtung verzichtet. Vielmehr werden diejenigen Konstrukte ausführlicher vorgestellt, die auf dem Gebiet der Konsumentenforschung als innovativ anzusehen sind bzw. deren Forschungsstand sich in der Weiterentwicklung befindet. Im Anschluss an die Konzeptualisierung der Konstrukte werden in Kapitel 3.4 die Zusammenhänge der vorgestellten Konstrukte aufgezeigt und die Forschungshypothesen zu einem Strukturgleichungsmodell verdichtet. 3.1
Besonderheiten der Konzeptualisierung von Konstrukten im Brand-Community-Kontext
Im Rahmen der Konzeptualisierung333 wird die vermutete semantische Struktur eines theoretischen Konstruktes beschrieben. 334 Ein theoretisches Konstrukt ist dabei als „...an abstract entity which represents the „true“, nonobservable state or nature of a phenomenon“335 definiert. Als Beispiele lassen sich die Einstellung oder die Loyalität eines Kunden anführen. Da theoretische Konstrukte nicht direkt beobachtet oder gemessen werden können, bedient man sich der indirekten Messung über beobachtbare Indikatoren.336 Grundsätzlich kann zwischen einfaktoriellen und mehrfaktoriellen Konstrukten unterschieden werden.337 Im einfaktoriellen Fall weisen die Indikatoren eines Konstruktes bereits eine hohe Konvergenzvalidität auf, so dass Konstrukt und Faktor identisch sind.338 Im mehrfaktoriellen Fall müssen die Indikatoren dagegen auf mehrere Faktoren verteilt werden. Sind diese ein und derselben theoretischen Dimension zugeordnet, handelt es sich um ein eindimensionales Konstrukt.339 Hingegen liegt ein mehrdimensionales Konstrukt vor, falls die einzelnen Di-
333
Zur Konzeptualisierung komplexer Konstrukte vgl. Homburg und Giering (1996), S. 5.
334
Vgl. Eggert (1999), S. 101.
335
Bagozzi und Fornell (1982), S. 24 bzw. ähnlich Bagozzi und Philips (1982), S. 465.
336
Vgl. Churchill (1979), S. 66; Homburg und Giering (1996), S. 6. Vgl. hierzu die Ausführungen zur Operationalisierung der theoretischen Konstrukte in Kapitel 4.4.1.
337
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 481.
338
Die Konvergenzvalidität lässt sich als „…the degree to which two or more concepts to measure the same concept are in agreement…“ (Bagozzi und Philips (1982), S. 468) definieren.
339
Vgl. Anderson et al. (1987), S. 435.
B. Popp, Markenerfolg durch Brand Communities, DOI 10.1007/978-3-8349-6712-1_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Besonderheiten der Konzeptualisierung von Konstrukten im Brand-Community-Kontext
51
mensionen des Konstruktes nicht direkt über Indikatoren erfasst werden können, sondern ihrerseits wiederum aus mehreren Faktoren bestehen. Die unterschiedliche Zuordnung der Indikatoren setzt somit deren hohe Diskriminanzvalidität voraus.340 Ziel der Konzeptualisierung ist im Folgenden die sinnvolle Abbildung der komplexen Konstrukte, die im Mittelpunkt der Untersuchung des Konsumentenverhaltens von BrandCommunity-Mitgliedern stehen. Eine entscheidende Frage ist hierbei, wann ein einzelnes Konstrukt zu bilden ist und wann mehrere Konstrukte und Dimensionen nötig sind. Allgemein wird die Bildung von verschiedenen Konstrukten und Dimensionen empfohlen, wenn ein komplexes Phänomen fokussiert untersucht wird.341 Eine Zusammenführung hat hingegen den Vorteil, die Multikollinearität der Konstrukte zu begrenzen.342 Bei der Konzeptualisierung der latenten Variablen im Brand-Community-Kontext ist zu beachten, dass Brand-Community-Mitglieder wie in Kapitel 2.1.2 aufgezeigt nicht nur eine dyadische Beziehung zur Marke aufweisen, sondern weitere Beziehungen relevant sind. Die ausschließliche Untersuchung der Beziehung eines Kunden zur Marke und die Fokussierung der Konstrukte auf diese Beziehung würden demnach zusätzliche Beziehungen zwischen einem Konsumenten und anderen Bezugsobjekten nicht berücksichtigen.343 Aus Kundensicht ist die Unterscheidung zwischen verschiedenen Bezugsobjekten allerdings notwendig344 und entsprechend den Ausführungen in Kapitel 2.1.2 lassen sich eine Beziehung des Konsumenten zur Brand Community, zur Marke, zum Produkt und zu einem Unternehmen differenzieren.345 Allerdings wird im Folgenden nicht zwischen den beiden Bezugsobjekten Marke und Produkt getrennt, da die Marke auch als „consumers idea of a product“346 beschrieben werden kann und damit deckungsgleich zum Produkt ist.347 Zudem bestätigen empirische Untersuchungen im Brand-Community-Kontext eine mangelnde Diskriminanz der Beziehungen von Kunden zur Marke bzw. zum Produkt.348 Im Folgenden werden daher als Bezugsobjekte, die ein Brand-Community-Mitglied wahrnimmt, die Brand Community, die Marke (Produktmar-
340
Unter Diskriminanzvalidität verstehen Bagozzi und Philips „… the degree to which measures of distinct concepts differ“ (Bagozzi und Philips (1982), S. 468).
341
Vgl. z. B. Eggert (1999), S. 101.
342
Vgl. Bagozzi (1982a), S. 562. Die Vermeidung der Multikollinearität von Konstrukten ist insbesondere für den Fall, dass diese als Antezedenzvariablen verwendet werden notwendig.
343
Vgl. Stokburger-Sauer (2010), S. 348.
344
Vgl. Ambler et al. (2002), S. 18 ff.
345
Diese Sichtweise folgt dem kundenzentrierten Brand-Community-Modell (vgl. McAlexander et al. (2003), S. 39), inkludiert aber gleichzeitig die Beziehungen der Brand-Community-Triade (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427).
346
Ogilvy (1951) zitiert aus Blackston (2003), S. 101.
347
Vgl. Hogg und Michell (1996), S. 633; von Loewenfeld (2006), S. 126.
348
Vgl. Stokburger-Sauer (2010), S. 359. Stockburger-Sauer verzichtet bei der Auswertung ihrer BrandCommunity-Studie auf eine Berücksichtigung der Beziehung Kunde-Produkt.
52
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
ke) und das Unternehmen unterschieden.349 Dieser Differenzierung von drei Bezugsobjekten wird bei der Konzeptualisierung der latenten Variablen gefolgt und die untersuchten Konstrukte durch die Angabe des Bezugsobjektes konkretisiert. 3.2
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen
In Abschnitt 2.2 wurde bereits ausführlich die ökonomische Relevanz von Brand Communities diskutiert und zahlreiche positive Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten vorgestellt. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden als wesentliche unternehmerische Zielgrößen die Loyalität zur Marke, die Loyalität zur Community, die Weiterempfehlung der Marke und die Weiterempfehlung der Community herangezogen. Durch diese Auswahl der Zielkonstrukte werden einerseits die unterschiedlichen Bezugsobjekte Marke bzw. Community und andererseits sowohl aktuelle Kunden durch das Loyalitätskonstrukt als auch die Neukundengewinnung durch Weiterempfehlungen berücksichtigt. 3.2.1
Loyalität
Eine zentrale unternehmerische Zielgröße ist die Loyalität der Kunden.350 In der Vergangenheit wurde in Studien zum Konsumentenverhalten meist die Loyalität zur Marke bzw. zu einem Unternehmen betrachtet.351 In neueren Publikationen wird zusätzlich oder ausschließlich die Loyalität der Konsumenten untereinander untersucht, um die Interaktionen und die Beziehungen zwischen Konsumenten einer Marke zu berücksichtigen.352 Im Folgenden werden beide Konstrukte - Loyalität zur Marke und Loyalität zur Brand Community - separat konzeptualisiert, auch wenn grundlegende Überlegungen beiden Konstrukten gemein sind. 3.2.1.1
Markenloyalität
In Wissenschaft und Praxis herrscht Einigkeit darüber, dass die Kundenloyalität von großer Bedeutung für den ökonomischen Erfolg ist.353 Zahlreiche empirische Studien belegen vorteilhafte Auswirkungen auf unternehmerische Zielgrößen. So konnte beispielsweise bei loyalen Kunden eine höhere Kauffrequenz und ein größeres Volumen pro Transaktion festgestellt
349
Algesheimer, Herrmann und Dimpfel nehmen in einer Brand-Community-Studie im Automobilmarkt eine ähnliche Unterscheidung vor und differenzieren eine „Beziehungsebene zur Marke“ und eine „Beziehungsebene zur Brand Community“ (vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 937).
350
Vgl. z. B. Bhote (1996), Heskett et al. (1997), Oliver (1999), Reichheld und Teal (2001), Zeithaml et al. (1996). Es ist kritisch anzumerken, dass die Loyalität nur Konsumenten erfasst, die bereits Besitzer einer Marke bzw. Kunden eines Unternehmens sind. Potenzielle Kunden werden auf diese Weise nicht erfasst.
351
Vgl. z. B. Chaudhuri und Holbrook (2001); Fournier und Yao (1997); Fournier (1998); Jacoby und Chestnut (1978), Jacoby und Kyner (1973), Dick und Basu (1994)
352
Vgl. Algesheimer et al. (2005); Bagozzi und Dholakia (2006b); Carlson et al. (2008); Casalo et al. (2007); McAlexander et al. (2003); Muniz und O'Guinn (2001); Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008); Schau et al. (2009); Schouten et al. (2007).
353
Ein Überblick der Profitwirksamkeit der Kundenloyalität findet sich bei Reichheld und Teal (2001), S. 39.
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen
53
werden. 354 Zugleich steigt durch das höhere Vertrauen dauerhaft loyaler Kunden in einen Anbieter auch das Cross-Buying-Potenzial, und es werden auch vermehrt andere Leistungen eines Anbieters nachgefragt.355 Darüber hinaus besitzen Stammkunden eine niedrigere Preiselastizität als Neukunden und reagieren daher weniger sensibel auf Preiserhöhungen ihres Anbieters oder auf Preissenkungen der Konkurrenz.356 Neben diesen umsatzsteigernden Effekten sind durch eine hohe Kundenloyalität auch Kosteneinsparungen möglich. Mit zunehmender Dauer der Geschäftsbeziehung nimmt das Wissen über den Kunden zu, Marketingaktivitäten können besser angepasst und die Kosten der Kundenbearbeitung reduziert werden. 357 Diese Einsparung von Transaktionskosten ist ebenfalls direkt ökonomisch wirksam. 358 Insgesamt lassen sich für Unternehmen beachtliche Kostenvorteile durch eine hohe Kundenbindung359 erzielen, da die Kosten der Kundenbindung im Allgemeinen deutlich unter den Kosten der Neukundengewinnung liegen.360 Außer den direkt ökonomisch wirksamen Kriterien sind vor allem die indirekt wirksamen Effekte für den hohen Stellenwert der Kundenloyalität verantwortlich. Hierzu zählen insbesondere das positive Weiterempfehlungsverhalten loyaler Kunden und die Vermeidung negativer Kommunikation.361 Zudem wird das Kaufverhalten eines Konsumenten auch durch das Verhalten anderer Konsumenten positiv beeinflusst. 362 Neben zusätzlichen Umsätzen birgt eine hohe Kundenbindung auch Kostensenkungspotenzial bei Marketingmaßnahmen.363
354
Vgl. Buchanan und Gillies (1990), S. 524.
355
Vgl. Eckert (1994), S. 4; Reichheld und Teal (2001), S. 43.
356
Vgl. Anderson und Sullivan (1993), S. 125 ff., Zeithaml et al. (1996), S. 37. Andere Autoren stellen eine höhere Preisbereitschaft bei loyalen Kunden fest (vgl. Jacoby und Chestnut (1978), S. 53; Pessemier (1959), S. 42; Reichheld und Teal (2001), S. 49).
357
Vgl. Braunstein (2001), S. 5 f.; Reichheld und Teal (2001), S. 45; Anderson et al. (1994), S. 94. Hohe Lernkurveneffekte können insbesondere bei Dienstleistungen mit hoher Integrativität realisiert werden.
358
Vgl. Buchanan und Gillies (1990), S. 524.
359
Unter Kundenbindung wird die tatsächliche Bindung eines Kunden an die Marke oder das Unternehmen verstanden (vgl. Siems (2003)). Diese kann sich durch ein tatsächliches Verhalten oder eine Verhaltensabsicht äußern. Allerdings gilt eine Verhaltensabsicht noch nicht als vollendete Kundenbindung. Die Verhaltensabsicht wird als Kundenloyalität bezeichnet. Die Kundenloyalität ist somit im engeren Sinne als Vorstufe der Kundenbindung zu sehen und stellt die verringerte Wechselbereitschaft zu anderen Anbietern dar.
360
So schätzt z. B. Butscher (1998), S. 73, dass es vier- bis sechsmal teurer ist, etwas an einen Neukunden zu verkaufen als einen Bestandskunden zu einem Nachkauf bzw. zusätzlichen Kauf zu bewegen. Bhote (1996) geht gar von fünf- bis siebenmal so hohen Kosten aus. Vgl. auch Heskett et al. (1994), S. 164.
361
Vgl. z. B. Bearden und Etzel (1982), S. 183 ff.; Richins (1983), S. 68 ff.; Brown und Reingen (1987), S. 350 ff.; File et al. (1992), S. 5 ff.; Bone (1992), S. 579 ff.; Buttle (1998), S. 241; Bansal und Voyer (2000), S. 166 ff.; Harrison-Walker (2001), S. 60 ff; Grewal et al. (2003), S. 187 ff.; Brown et al. (2005), S. 123 ff. Studien zum Weiterempfehlungsverhalten im Internet finden sich z. B. bei Godes und Mayzlin (2004), S. 545 ff.; Chevalier und Mayzlin (2006), S. 345 ff.; Mayzlin (2006), S. 155 ff.; Brown et al. (2007), S. 2 ff.; Dwyer (2007), S. 63 ff.; Sjödin (2008), S. 258 ff.; Libai et al. (2010), S. 267 ff.
362
Vgl. Harris et al. (1997), S. 173 ff.
363
Vgl. Abschnitt 3.2.2.
54
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
Trotz der großen Bedeutung des Loyalitäts-Konstrukts im Marketing gibt es keine einheitliche, gemeinhin akzeptierte Definition und Operationalisierung des Loyalitätsbegriffes in der Literatur.364 Vielmehr können zwei Grundauffassungen unterschieden werden: Die behavioristische Sichtweise einerseits betrachtet das beobachtbare Kaufverhalten als Indikator für die Loyalität, die psychologische Sichtweise andererseits zieht nicht beobachtbare Indikatoren für die Messung der Loyalität heran.365 Die in der frühen Loyalitätsforschung vorherrschende ausschließliche Orientierung am beobachtbaren Wiederkaufverhalten vernachlässigt die Ursachen der Wiederinanspruchnahme eines Anbieters, da sie sich alleine an objektiven Kriterien wie dem Kaufanteil366, der Kaufreihenfolge367 und der Kaufwahrscheinlichkeit368 orientiert.369 Diese Auffassung des Loyalitätsbegriffes greift demnach zu kurz, da sie auch dann loyales Verhalten unterstellt, wenn ein Wiederkauf auf eine zufällige Kaufhandlung oder die Gebundenheit370 eines Kunden an einen Anbieter zurückzuführen ist.371 Es erscheint daher sinnvoller, die Kundenloyalität als Einstellung des Konsumenten zur Geschäftsbeziehung bzw. als beabsichtigtes Wiederkaufverhalten zu betrachten.372 Dementsprechend sehen Jacoby und Chestnut Loyalität als eine Haltung des Konsumenten („attitudinal construct“).373 Eine weit verbreitete Begriffsdefinition der Kundenloyalität, die diesem Verständnis Rechnung trägt, wird von Oliver geliefert, der diese als
364
Dementsprechend betonen viele Forscher den Bedarf einer adäquaten Konzeptualisierung und Operationalisierung (vgl. z. B. Fournier und Yao (1997), S. 451).
365
Vgl. Jacoby und Kyner (1973); Chaudhuri und Holbrook (2001).
366
Der Kaufanteil entspricht dabei dem Anteil der Käufe eines Kunden einer bestimmten Marke an seinen gesamten Käufen. Cunningham (1956) spricht von einem markentreuen Kunden ab einem Kaufanteil von 50 %, andere Werte fordern Charlton und Ehrenberg (1976) (67 %) und Harary und Lipstein (1962) (75 %).
367
Im Allgemeinen werden Konsumenten umso loyaler eingestuft, je häufiger sie aufeinanderfolgend beim gleichen Anbieter kaufen. Tucker (1964) und McConnell (1968) fordern, dass eine Leistung mehr als dreimal in Folge in Anspruch genommen wird. Weiterhin unterscheidet Brown (1952) abhängig von der Kaufreihenfolge zwischen „undivided loyalty“ (AAAA), „divided loyalty“ (ABABABA), „unstable loyalty“ (AAABBB) und „no loyalty“.
368
Die Kaufwahrscheinlichkeit wird dabei meist über sog. Markow-Ketten (z. B. Harary und Lipstein (1962)) oder bedingte Wahrscheinlichkeiten auf Basis von Zeitreihendaten (z. B. Frank (1962); Bass (1974)) operationalisiert.
369
Manche Autoren bedienen sich auch einer Kombination der angeführten verhaltensorientierten Kriterien (vgl. Frank et al. (1969); Tucker (1964)). Vgl. auch allgemein Peter (1997), S. 364 ff.
370
Zur Differenzierung der beiden Kundenbindungsdimensionen „Verbundenheit“ und „Gebundenheit“ vgl. Eggert (1999), S. 129 ff.
371
Die ausschließlich verhaltensbezogene Messung der Loyalität wurde insbesondere von Day kritisiert, der die mangelnde Trennung von echter und unechter Loyalität bemängelt: „The key point is that these spuriously loyal buyers lack any attachment to brand attributes, and they can be immediately captured by another brand that offers a better deal…“ (Day (1969), S. 30). Zu dieser Kritik vgl. auch Jacoby und Kyner (1973), S. 2; Eggert (1999), S. 61 ff.
372
Vgl. Eggert (1999), S. 61 ff. Singh und Sirdeshmukh (2000) definieren beispielsweise das Loyalitätskonstrukt „as a behavioral intention to maintain an ongoing relationship“ (S. 161).
373
Vgl. Jacoby und Chestnut (1978).
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen
55
„a deeply held commitment to rebuy or repatronize a preferred product/service consistently in the future, thereby causing repetitive same-brand or same brand-set purchasing, despite situational influences and marketing efforts having the potential to cause switching behavior” definiert.374 In neueren Ansätzen wird zudem teilweise eine mehrdimensionale Konzeptualisierung der Kundenloyalität eingesetzt, die verhaltensorientierte und einstellungsorientierte Komponenten berücksichtigen soll.375 Dabei wird meist zwischen dem tatsächlichen und dem intendierten Wiederkaufverhalten unterschieden.376 Weiterhin ist das Begriffsverständnis der Loyalität stark von der kognitionspsychologischen Literatur geprägt, die sich vor allem mit der Bildung von Einstellungen befasst.377 Im Hinblick auf die Markenloyalität (bzw. die Loyalität zu einer Community) erscheint eine Konzeptualisierung der Loyalität als Konsequenz einer interpersonalen Beziehung angebracht. 378 Dabei gelten persönliche Investitionen, die Nachfrager in Interaktionen mit der Marke oder der Brand Community einbringen, als fundamental für die Loyalität.379 Fournier und Yao fordern daher eine Kombination der soziologischen und psychologischen Sichtweisen, um ein besseres Verständnis der Loyalitätsprozesse zu ermöglichen.380 Im Rahmen dieser Arbeit soll Markenloyalität daher explizit als Konsequenz einer interpersonalen Beziehung zur Marke, die eine langfristige, vertraute und emotionsgeladene Partnerschaft darstellt, gesehen werden.381 Hierzu soll der Loyalitätsbegriff als die Verhaltensabsicht eines Konsumenten, einem Anbieter treu zu bleiben, d. h. dessen intendiertes Wiederkaufverhalten, aufgefasst werden.382 Diese Eingrenzung erscheint zweckmäßig, da die Verhaltensabsicht als geeigneter Indikator des Verhaltens betrachtet werden kann.383 Zugleich vermeidet diese Operationalisierung die Problematik, dass eine Messung des tatsächlichen Kaufverhaltens erst zeitlich nach der Abfrage
374
Oliver (1999), S. 34.
375
Vgl. Oliver (1997), S. 393 ff. Zur Diskussion zweidimensionaler Ansätze im Vergleich zu eindimensionalen Ansätzen vgl. Diller (1996), S. 85 f. sowie Peter (1997), S. 7 ff.
376
Vgl. Oliver (1999). Fournier und Yao (1997) bezeichnen dieses Verständnis als „hybriden Loyalitätsbegriff“ (S. 642).
377
Einen Überblick zur kognitionspsychologischen Literatur mit dem Schwerpunkt der Markenloyalität bieten beispielsweise Dick und Basu (1994).
378
Ansätze dieser Art finden sich z. B. bei Solomon (1986); Olsen (1993); Schouten und McAlexander (1995).
379
Vgl. McCracken (1993), S. 125 ff.; Olsen (1993), S. 245 ff.; Schouten und McAlexander (1995), S. 43 ff.; Muniz und O'Guinn (2001), S. 412 ff.; McAlexander et al. (2002), S. 38 ff.
380
Vgl. Fournier und Yao (1997), S. 453.
381
Vgl. Fournier (1998), S. 343.
382
Vgl. Braunstein (2001), S. 27.
383
Vgl. Braunstein (2001), S. 11. Die hohe Korrelation zwischen Verhaltensabsicht und tatsächlichem Verhalten wird durch Metaanalysen zu diesem Zusammenhang bestätigt (vgl. Ajzen (1985), S. 17; Frey et al. (1993), S. 373) und wird von Ajzen in der sog. Theory of Planned Behavior beschrieben (vgl. Ajzen (1985); Ajzen und Madden (1986); Ajzen (1991)).
56
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
der Verhaltensintention erfolgen kann, dies aufgrund der Anonymität der Befragung allerdings nur schwer möglich ist. 3.2.1.2
Loyalität zur Brand Community
Empirische Brand-Community-Studien zeigen, dass die Loyalität auch für eine Brand Community, d. h. dessen Betreiber, eine zentrale Zielgröße darstellt.384 Im Hinblick auf die Konzeptualisierung dieses Konstrukts zeigt sich jedoch, dass dem Konstrukt weder in der soziologischen bzw. sozialpsychologischen Forschung noch in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine große Beachtung zuteil wurde.385 Als Kern der Ansätze einiger Autoren386 zur Charakterisierung der Loyalität gegenüber einer Gruppe zeigt sich, dass sich loyales Verhalten durch einen Beitrag zum Wohl der Gemeinschaft auszeichnet. Dies drückt sich auch in der Definition von Brewer und Brown aus, die Loyalität gegenüber einer Gruppe als „...adherence to ingroup norms and trustworthiness in dealings with fellow ingroup members“387 sehen. Wie Zdaniuk und Levine anmerken, beinhaltet die intendierte oder tatsächliche Loyalität gegenüber einer Gruppe allerdings mehr als ein „pro-group behavior“388. Ihrer Ansicht nach ist die Loyalität höher einzuschätzen, falls die Unterstützung der Gruppe mit persönlichen Opfern einhergeht. Algesheimer stellt hierzu jedoch fest, dass dieser Ansatz im Widerspruch zu den austauschtheoretischen Konzepten und deren Annahme, dass Mitglieder einer Interaktionsbeziehung nur dann treu bleiben, wenn diese als belohnend eingeschätzt werden, steht.389 Weiterhin wird als Bestandteil der Loyalität gegenüber einer Gruppe in der bestehenden Literatur die Ähnlichkeit eines Individuums mit der Gruppe und die wahrgenommene Nähe390 zu dieser diskutiert. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sollen diese Elemente bewusst nicht zur Beschreibung der Loyalität gegenüber der Brand Community herangezogen werden, da sie Teil der ebenfalls untersuchten Identifikation der Brand-CommunityMitglieder mit dieser sind.
384
Vgl. z. B. die Studien von Algesheimer et al. (2005); Algesheimer et al. (2006); McAlexander et al. (2003); Porter und Donthu (2008); Scarpi (2010); Schouten et al. (2007); Stokburger-Sauer (2010).
385
Vgl. Zdaniuk und Levine (2001), S. 502.
386
Hier sind insbesondere die Beiträge von Scott (1965), S. 24; James und Cropanzano (1994), S. 24; Brewer und Brown (1998), S. 560 zu nennen.
387
Vgl. Brewer und Brown (1998), S. 560.
388
Zdaniuk und Levine (2001), S. 502.
389
Vgl. Algesheimer (2004), S. 118.
390
Die Nähe zeigt sich in einem Gefühl des „sense of closeness one party feels toward the other“ (Ross et al. (1997), S. 681 und in ähnlicher Form Lawler und Yoon (1996), S. 90).
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen
57
Vielmehr wird die Brand-Community-Loyalität in dieser Arbeit in Anlehnung an die Konzeptualisierung der Markenloyalität als das intendierte Verhalten eines Mitglieds der Brand Community treu zu bleiben, definiert.391 3.2.2
Weiterempfehlung
Neben der Loyalität stellt die Weiterempfehlung eine zentrale Zielgröße des MarketingManagements dar. Während die Loyalität eine Erfolgsgröße für bestehende Kunden ist, kann die Weiterempfehlung als Indikator der Kundenneugewinnung gesehen werden.392 3.2.2.1
Weiterempfehlung der Marke
Der Einfluss der interpersonellen Kommunikation auf (Konsum-)Entscheidungen wurde ursprünglich in der Sozialpsychologie untersucht und nachgewiesen.393 Wesentliche Erkenntnisse dieser Forschung lassen sich auch auf das Konsumentenverhalten übertragen. 394 Die Auswirkungen der Mund-zu-Mund-Kommunikation (engl. Word-of-Mouth behavior395 bzw. WOM) auf den Unternehmenserfolg wurden bereits in den 1950er Jahren aufgezeigt,396 weshalb dieser im Marketing eine zentrale Bedeutung zugeschrieben wird.397 Dementsprechend finden sich zahlreiche theoretische und empirische Untersuchungen allgemein398 zu Mund-zuMund-Kommunikation oder positiven399 bzw. negativen400 Weiterempfehlungen durch Konsumenten. Weiterempfehlungen haben sich dabei als effektives Instrument zur Beeinflussung
391
Die Loyalität basiert insbesondere darauf, dass diese im austauschtheoretischen Sinn als attraktiv angesehen wird (vgl. grundlegend Algesheimer (2004), S. 74 ff.)
392
Vgl. Horbel (2008), S. 22; Woratschek und Horbel (2003), S. 209 ff.; Woratschek und Horbel (2005), S. 43 ff.; Horbel und Woratschek (2009), S. 423 ff.; von Wangenheim (2003), S. 124 ff.; von Wangenheim und Bayón (2007), S. 233.
393
Vgl. grundlegend Katz und Lazarsfeld (1955).
394
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 518 ff.
395
Tax, Chandrashekaran und Christiansen definieren das Word-of-Mouth behavior beispielsweise als „informal communication between customers that may be positive, neutral or negative in valence and deals with characteristics of a business and/or its goods and services” (Tax et al. (1993), S. 74).
396
Vgl. Whyte Jr (1954); Dichter (1966).
397
Beispielsweise stellen Heskett, Jones, Loveman, Sasser und Schlesinger die große Bedeutung von WOM anhand des Konzepts des Customer Lifetime Value heraus, indem sie darauf hinweisen, dass dieser durch die Berücksichtigung von Weiterempfehlungen „astronomisch“ sein könne (vgl. Heskett et al. (1994)).
398
Ein grundlegender Literaturüberblick findet sich z. B. in der Metaanalyse von de Matos und Rossi (2008).
399
Positive Weiterempfehlungen definiert Wheiler als „favorable WOM passed on by a customer about a certain product or service” (Wheiler (1987), S. 191 f.).
400
Vgl. z. B. Richins (1983). Dort werden negative Weiterempfehlungen (NWOM) als „interpersonal communication among consumers concerning a marketing organisation or product which denigrates the object of communication” definiert.
58
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
der Einstellungen und des Verhaltens von Konsumenten erwiesen.401 Der Beitrag von Weiterempfehlungen zum Unternehmenserfolg wurde vor allem durch die Neukundengewinnung über Weiterempfehlungen empirisch belegt.402 Zahlreiche Autoren haben die Überlegenheit der Mund-zu-Mund-Kommunikation im Hinblick auf die Beeinflussung der Einstellungen und des Verhaltens von Konsumenten gegenüber traditionellen Kommunikationswegen wie z. B. Zeitungsanzeigen, Radiowerbung und persönlichen Verkaufsgesprächen quantifiziert und gehen von einer zwei- bis neunmal so hohen Effektivität aus.403 Die neuere Forschung zur Mund-zu-Mund-Kommunikation bestätigt, dass diese auch im Internet ein großes Erfolgspotenzial für Unternehmen darstellt.404 Wesentliche Gründe für den Erfolg der Weiterempfehlungen liegen in der hohen Glaubwürdigkeit405 und der hohen Reichweite406. Empirische Studien zeigen zudem, dass Weiterempfehlungen bei einem hohen wahrgenommenen Risiko besonders einflussreich sind.407 Zudem wird die Kaufrelevanz einer Weiterempfehlung durch Eigenschaften des Empfehlungsgebers, wie z. B. dessen Expertentum, dessen Ähnlichkeit mit dem Empfehlungsempfänger und der emotionalen Bindung zwischen Empfehlungsgeber und -empfänger beeinflusst.408 Von besonderer Bedeutung für die Effektivität von Weiterempfehlungen sind demnach Meinungsführer, sog. Opinion Leader409, die in sozialen Gruppen einen verstärkten Einfluss auf die Einstellungen, Meinungen und Verhaltsweisen anderer Gruppenmitglieder ausüben. Die TwoStep-Flow-Hypothese410 von Lazarsfeld et. al geht davon aus, dass Informationen im ersten
401
Vgl. z. B. Brown und Reingen (1987); Brown et al. (2005); Gruen et al. (2006); Murray (1991); Swan und Oliver (1989); von Wangenheim und Bayón (2004). Darüber hinaus wurde in experimentellen Studien gezeigt, dass durch positive Kundenempfehlungen auch die Bindung der Empfehlenden erhöht werden kann (vgl. Eggert et al. (2007)). Dieser Spezialfall soll im Rahmen dieser Studie nicht untersucht werden.
402
Vgl. z. B. East et al. (2008), S. 215 ff.; von Wangenheim und Bayón (2007), S. 233 ff.
403
So schätzen Katz und Lazarsfeld die Mund-zu-Mund-Kommunikation fünfmal so effektiv wie Zeitungsanzeigen, viermal so effektiv wie ein persönliches Verkaufsgespräch und doppelt so effektiv wie Radiowerbung ein, wenn es um den Markenwechsel eines Konsumenten geht (Katz und Lazarsfeld (1955)). Nach einer Berechnung von Day lassen sich negative bzw. neutrale Einstellungen durch Word-of-Mouth neunmal effektiver zu einer positiven Einstellung wandeln als durch Werbung (vgl. Day (1971)).
404
Vgl. z. B. Brown et al. (2007); Chevalier und Mayzlin (2006); Dellarocas (2003); Dwyer (2007); Mayzlin (2006).
405
Vgl. z. B. Murray (1991)
406
Vgl. z. B. Brown und Reingen (1987).
407
Vgl. Murray (1991); Zeithaml et al. (1993). Daher werden Empfehlungen insbesondere bei Dienstleistungen, bei denen aufgrund deren Intangibilität und Erfahrungs- bzw. Vertrauenseigenschaften Konsumenten ein höheres Risiko bei der Kaufentscheidung wahrnehmen, als besonders wichtige Informationsquelle angesehen (vgl. Gremler und Brown (1999), S. 273).
408
Vgl. Horbel (2008), S. 110 f.
409
Der Begriff Opinion Leader geht auf Katz und Lazarsfeld zurück und beschreibt Personen, die in ihren sozialen Netzwerken einflussreicher sind als andere, besonders gut informiert sind und von anderen um Rat und ihre Meinung gefragt werden (vgl. Katz und Lazarsfeld (1955); Lazarsfeld et al. (1969)).
410
Vgl. Lazarsfeld et al. (1944).
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen
59
Schritt von den Massenmedien zu den Meinungsführern und erst anschließend von diesen zu den Meinungsfolgern fließen.411 Im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Weiterempfehlungen im Internet und damit den Einfluss einer elektronischen Weiterempfehlung (eWom) stellen Brown, Broderick und Lee fest, dass neben der Expertise des Empfehlungsgebers auch die Vertrauenswürdigkeit der Webseite zur Glaubwürdigkeit beiträgt. 412 Kozinets, de Valck, Wojnicki und Wilner sehen zudem eine steigende Glaubwürdigkeit elektronischer Weiterempfehlungen durch die stärkere Bedeutung längerfristiger Beziehungen über das Internet (z. B. durch Social Networking Sites) und die geringer werdende Anonymität der Nutzer.413 Als Gründe für die Abgabe einer Weiterempfehlung414 werden in der Literatur die Kanalisation positiver oder negativer Erfahrungen mit einem Produkt oder eine Dienstleistung415, der Abbau kognitiver Dissonanzen416, die Selbstbestätigung vor anderen bzw. die Unterstützung durch andere, der Erhalt von Aufmerksamkeit, das Beweisen von Expertentum oder der Aufbau bzw. die Vertiefung von Beziehungen angeführt.417 Negative Weiterempfehlungen werden oft zum Abbau negativer Emotionen wie z. B. Frustration oder Wut ausgesprochen bzw. um andere Konsumenten zu warnen bzw. Vergeltung zu üben.418 Diese zentralen Motive zur Abgabe von Weiterempfehlungen konnten in einer internetspezifischen Untersuchung von Hennig-Thurau, Gwinner, Walsh und Gremmler auch grundsätlich für den Online-Bereich bestätigt werden.419 In dieser Studie stellen Weiterempfehlungen eine informale persönliche Kommunikation bezüglich einer Marke, eines Produktes, einer Organisation oder einem Service zwischen einem als nicht kommerziell wahrgenommenen Sender und einem Empfänger dar. 420 Im
411
In diesem einfachen Modell sind Interaktionen unter den Meinungsführern oder der Informationsfluss über mehrere Stufen noch nicht integriert. Diese wurden allerdings in nachfolgenden mehrstufigen Kommunikationsmodellen berücksichtigt (vgl. Brüne (1989), S. 31 f.; Hummrich (1976), S. 46 ff.). In Untersuchungen des Mediennutzungsverhaltens von Meinungsführern wurde zwar keine generell stärker ausgeprägte Mediennutzung beobachtet (vgl. Summers (1970), S. 181 f.), jedoch wurde eine intensivere Nutzung von Medien über das Themengebiet der Meinungsführerschaft festgestellt (vgl. Baumgarten (1975), S. 15 f.).
412
Vgl. Brown et al. (2007), S. 11 ff.
413
Vgl. Kozinets et al. (2010), S. 83.
414
Zu den Determinanten der Abgabe von Weiterempfehlungen vgl. allgemein Horbel (2008), S. 35 ff.
415
Vgl. Engel et al. (1993), S. 157; Maxham III und Netemeyer (2002a).
416
Vgl. Arndt (1967), S. 53 ff.; Blackwell et al. (2001), S. 404.
417
Vgl. z. B. Wirtz und Chew (2002).
418
Vgl. Anderson (1998); Oliver (1997).
419
Vgl. Hennig-Thurau et al. (2004), S. 45 ff. Im Einzelnen unterscheiden Hennig-Thurau, Gwinner, Walsh und Gremmler in dieser Studie insgesamt acht Motivfaktoren für die Abgabe elektronischer Weiterempfehlungen (eWom): (1) Abbau negativer Gefühle, (2) Unterstützung anderer Konsumenten, (3) sozialer Nutzen, (4) ökonomische Anreize, (5) Unterstützung des Unternehmens, (6) Selbsthilfe, (7) Unterstützung der Plattform und (8) Sebstbestätigung.
420
Vgl. Anderson (1998), S. 5 ff.
60
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
Hinblick auf die Forschungsfragen dieser Untersuchung sollen im Rahmen dieser Arbeit ausschließlich positive Weiterempfehlungen betrachtet werden.421 Daher wird im Folgenden nicht zwischen den in der Literatur zum Teil unterschiedlich abgegrenzten Begriffen „(Weiter-)Empfehlung“, „Mundpropaganda“, „Mund-zu-Mund-Werbung“ bzw. den englischen Begriffsbezeichnungen „Word-of-Mouth“, „Recommendation“ und „Referral“ differenziert. Vielmehr werden diese Bezeichnungen synonym für die intendierte Weiterempfehlungsabsicht eines Individuums verwendet. 422 Diese setzt die Bereitschaft eines Individuums zur Weitergabe von positiven Informationen bezüglich einer Marke oder einer Community voraus.423 Konzeptionell lassen sich in der Marketingforschung zwei unterschiedliche Perspektiven unterscheiden: Einerseits sieht eine Reihe von Autoren die Weiterempfehlungsabsicht als integralen Bestandteil der Kundenloyalität und/oder verwendet diese bei der Messung der Kundenloyalität.424 Andererseits werden deutliche theoretische und empirische Unterschiede zwischen der Kundenloyalität und der Weiterempfehlung angeführt und es wird für eine getrennte Konzeptualisierung beider Konstrukte plädiert. 425 So weisen Dick und Basu in Anlehnung an Westbrook (1987) darauf hin, dass die Weiterempfehlungsabsicht eines Konsumenten deutlich stärker von emotionalen Erfahrungen mit einer Marke beeinflusst wird als die Loyalitätsabsicht. 426 Weiterhin stellen Gruen, Osmonbekov und Czaplewski in einer empirischen Untersuchung zur Bedeutung des Wissensaustauschs unter Kunden im Internet fest, dass die Kundenloyalität entgegen ihrer Annahme nicht als Second-Order-Konstrukt mit den beiden Faktoren Wiederkaufabsicht und Weiterempfehlungsabsicht modelliert werden kann, sondern dass eine getrennte Operationalisierung beider Konstrukte notwendig ist.427 Inhaltlich bedeutet dies, dass Wiederkaufabsicht und Weiterempfehlungsabsicht nicht dasselbe messen können und damit nur eines der beiden ein Indikator für Loyalität sein kann bzw.
421
Diese Eingrenzung steht der vorgestellten Definition von Weiterempfehlungen dennoch nicht entgegen, sondern bildet lediglich eine Ausprägungsform von Weiterempfehlungsverhalten ab.
422
Eine ähnlich Eingrenzung im Brand-Community-Kontext wählen auch Algesheimer (2004), S. 127 und von Loewenfeld (2006), S. 218.
423
Vgl. Frenzen und Nakamoto (1993), S. 373.
424
Vgl. Blodgett et al. (1993); Bolding et al. (1993); Chaudhuri (1999); Giering (2000); Jones und Taylor (2007); Lam et al. (2004); Sirdeshmukh et al. (2002); Zeithaml et al. (1996). Die Berücksichtigung der Weiterempfehlung bei der Messung der Kundenloyalität soll bei der Abgrenzung zufälliger bzw. unbewusster Wiederkäufe helfen (vgl. Giering (2000), S. 16 f.).
425
Vgl. Dick und Basu (1994); Gruen et al. (2006); Jones und Reynolds (2006); Maxham III und Netemeyer (2002b); Maxham III und Netemeyer (2002a); Söderlund (2006), S. 76 ff.; Westbrook (1987), S. 258 ff.
426
Nach Meinung der Autoren erscheint daher eher eine Mediation der Wirkung von Einflussgrößen der Weiterempfehlung (z. B. Zufriedenheit, Emotionen) durch die Loyalität angebracht (vgl. Dick und Basu (1994), S. 107).
427
Dies geht zum einen aus der Prüfung des Messinstruments hervor, zeigt sich zum anderen aber auch daran, dass der Wissensaustausch unter Kunden die Weiterempfehlung signifikant positiv beeinflusst, die Wiederkaufabsicht der Konsumenten jedoch nicht (vgl. Gruen et al. (2006), S. 453 f.).
Konzeptualisierung der unternehmerischen Zielgrößen
61
die Weiterempfehlungsabsicht nicht zwangsläufig mit der Loyalität einhergeht. Auch Söderlund weist unterschiedliche Wirkungszusammenhänge zwischen der Kundenzufriedenheit und der Wiederkauf- bzw. Weiterempfehlungsabsicht nach und bekräftigt somit die Notwendigkeit der Differenzierung beider Konstrukte. 428 Zum gleichen Fazit kommen Maxham und Netemeyer, die beide Konstrukte im Kontext des Beschwerdemanagements untersuchen.429 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung werden daher aus mehreren Gründen beide Konstrukte klar voneinander getrennt als separate Konstrukte erhoben.430 Erstens geht die Bereitschaft zur Weiterempfehlung nicht zwangsläufig mit der persönlichen Absicht diesem Unternehmen treu zu bleiben, einher. Zweitens existiert aus konzeptioneller Sicht durch die Trennung beider Konstrukte ein Mehrwert für das Marketing-Management, da sich aus dem Weiterempfehlungsverhalten konkrete Informationen bezüglich der Neukundengewinnung ableiten lassen.431 Drittens legen empirische Studien die Messung der Weiterempfehlung als eigenständiges Konstrukt nahe.432 3.2.2.2
Weiterempfehlung der Brand Community
Die Bedeutung der positiven Mund-zu-Mund-Kommunikation ist auch für den Erfolg einer Brand Community als sehr hoch einzuschätzen, da sie einen elementaren Bestandteil der Anwerbung neuer Mitglieder darstellt. 433 Letztere ist im Hinblick auf das Überleben der Brand Community äußerst wichtig. Weiterhin bietet die interaktive Struktur von Communities und die hohe Zahl von Kontakten eine sehr gute Plattform für die Aussprache von Weiterempfehlungen. Da viele Markengemeinschaften auch oder ausschließlich online interagieren und eine räumliche Distanz irrelevant ist, kann das Weiterempfehlungsverhalten besonders schnell und kostengünstig erfolgen. 434 Grundsätzlich gilt auch hier, dass in nichtkommerziellen Communities die Kommunikation als glaubwürdiger wahrgenommen wird und ein größerer Einfluss auf den Rezipienten der Weiterempfehlung existiert, als in von Unternehmen betriebenen Communities.435
428
Vgl. Söderlund (1998), S. 169 ff.
429
Vgl. Maxham III und Netemeyer (2002b), S. 68.
430
Zugleich wird im Rahmen der Hypothesenbildung auf die Modellierung einer unidirektionalen Kausalität von Loyalität auf Weiterempfehlung (vgl. z. B. Carpenter und Fairhurst (2005); Gounaris und Stathakopoulos (2004); Sichtmann (2007)) verzichtet, da die Mehrzahl der empirischen Studien zu den Konstrukten, insbesondere wenn diese als verhaltensorientierte Zielgrößen modelliert werden, eine bidirektionale Wirkungsrichtung sieht (vgl. z. B. Gremler und Gwinner (2000); Price und Arnould (1999); Reynolds und Beatty (1999)).
431
Vgl. von Wangenheim und Bayón (2007), S. 233 ff.
432
Vgl. Söderlund (2006), S. 76 ff.
433
Vgl. Schau und Muñiz (2006), S. 19 ff.
434
Vgl. Clement et al. (2005), S. 23 f.; Godes und Mayzlin (2004), S. 545 ff.
435
Vgl. Bickart und Schindler (2001), S. 31 ff.
62
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
Die Konzeptualisierung der Weiterempfehlung der Brand Community orientiert sich an den obigen Ausführungen zur Weiterempfehlung der Marke, mit dem Unterschied, dass als Bezugsobjekt nicht die Marke im Mittelpunkt steht und weiterempfohlen wird, sondern die Brand Community. 3.3
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
Als Determinanten der vorgestellten unternehmerischen Zielgrößen Loyalität und Weiterempfehlung wurden die Konstrukte Zufriedenheit und Identifikation identifiziert. Zudem hängt die Identifikation von der Motivation zur Teilnahme an der Brand Community ab. Nachfolgend werden diese drei Konstrukte vorgestellt und konzeptualisiert, wobei aufgrund der Neuartigkeit und der Bedeutung in dieser Untersuchung das Identifikationskonzept und die Beweggründe der Brand-Community-Mitglieder zur Teilnahme ausführlicher erläutert werden. 3.3.1
Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community
Die erfolgreiche Einbeziehung von Brand Communities in das Markenmanagement eines Unternehmens erfordert das Verständnis der zentralen Hauptantriebe der Konsumenten für die Partizipation an der Brand Community. 436 Insbesondere beim Aufbau und der Etablierung einer Brand Community stellt sich für Unternehmen die Frage nach den zentralen Motivationen der Konsumenten.437 Daher werden im Folgenden Motive bzw. Motivationen der Teilnehmer von Brand Communities diskutiert. Zunächst werden daher die begrifflichen und theoretischen Grundlagen von Motivationen aufgezeigt. Im Anschluss daran erfolgt die Konkretisierung der Motivationen auf den Untersuchungsgegenstand Brand Community. 3.3.1.1 3.3.1.1.1
Theoretische Grundlagen Motivationsbegriff
In der Psychologie werden die Begriffe „Motiv“ und „Motivation“ meist deutlich voneinander abgegrenzt.438 In der Konsumentenverhaltensforschung kommt es hingegen häufig zu einer synonymen Verwendung beider Bezeichnungen.439
436
Vgl. Keller und Lehmann (2006), S. 744; Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 573; Szmigin et al. (2005), S. 493; Williams und Cothrel (2000), S. 83.
437
Vgl. Keller und Lehmann (2006), S. 744.
438
Vgl. Herber (1976), S. 12 ff. In der klassischen Motivationspsychologie erfolgt eine Trennung von Motiv, als überdauerndes Personenmerkmal, und der aktuellen Motivation, die aus der Wechselbeziehung zwischen jeweiliger Situation und Motiv resultiert (vgl. Rheinberg (2006), S. 69).
439
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 57 f. Auch in der psychologischen Forschung existieren Ansätze, die die Ähnlichkeiten beider Begriffe herausstellen und auf eine strikte Abgrenzung beider Bezeichnungen verzichten (vgl. Thomae (1965b), S. 19). Teilweise wird zudem ein Mangel an theoretischer Auseinandersetzung mit motivationstheoretischen Fragestellungen im Marketingkontext kritisiert (vgl. Kessler-Thönes (2008), S. 62 ff.).
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
63
Unter Motivation versteht man ein hypothetisches Konstrukt, mit dem die Ursachen des Verhaltens, also die zentralen Antriebe, erklärt werden sollen.440 Motivationen stellen demnach aktivierende Beweggründe menschlichen Handelns zur Erreichung erwünschter Zustände dar.441 Eine Differenzierung zu einem Motiv wird manchmal darin gesehen, dass der Begriff Motivation den manifesten Vorgang (Prozess) beschreibt, wohingegen ein Motiv die Bereitschaft eines Individuums zu einem bestimmten Verhalten bezeichnet und somit für eine latente Disposition bzw. latentes Verhalten eines Menschen steht.442 Nach dieser Ansicht entstehen aus (latenten) Motiven durch die Anregung durch situative Einflüsse (aktuelle) Motivationen (vgl. Abbildung 6). 443 Motivationen stellen somit aktualisierte Beweggründe menschlichen Verhaltens dar.444 Person (Motive)
Motivierung (Motivation)
Verhalten
Situation (potenzielle Anreize) Abbildung 6:
Grundmodell der „klassischen“ Motivationspsychologie445
Als Auslöser der Motivation kommen insbesondere unterschiedliche Bedürfnisse446 in Frage.447 Ein zentrales Merkmal der Motivation stellt das zielorientierte Streben nach einer Handlung dar.448 Hier ist ein entscheidender Unterschied zu den eng mit dem Motivationskonstrukt verwandten Begriffen „Emotion“ und „Einstellung“ zu sehen. Einer Emotion fehlt in der
440
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 167.
441
Vgl. Bänsch (2002), S. 21 f.
442
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 60; Rheinberg (2006), S. 69 f. Motivation ist damit beobachtbares Verhalten, während Motive nicht beobachtbar sind. Grundlegende Motive werden zudem als stabil wahrgenommen und lassen sich nur bedingt durch das Marketing beeinflussen.
443
Vgl. Bänsch (2002), S. 22.
444
Vgl. Herber (1976), S. 16.
445
In Anlehnung an Rheinberg (2006), S. 70.
446
Als Bedürfnis wird das Gefühl bezeichnet, das mit dem Streben nach Beseitigung eines Mangels verbunden ist (vgl. Balderjahn (1995), S. 180). Der Bedürfnis-Begriff ist eng verwandt mit dem Motiv-Begriff. Dennoch heben einige Autoren (vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 168 ff.; Schiffman und Kanuk (2010), S. 88 ff.) als deutlichen Unterschied die kognitive Zielorientierung der Motivation hervor.
447
Vgl. Kuß und Tomczak (2007), S. 45; Kroeber-Riel et al. (2008), S. 168-171.
448
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 52.
64
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
Regel diese (kognitive) Handlungsorientierung.449 Erst die Interaktion innerer Erregungszustände und kognitiver Antriebskräfte führt zur Motivation eines Individuums (vgl. Abbildung 7).450 grundlegende Antriebskräfte
kognitive Antriebskräfte
Emotionen
Zielorientierung
Triebe
Handlungsprogramme
Motivation
Abbildung 7:
Variableninteraktion zur Klärung des Motivationsbegriffs451
Ziel dieser Untersuchung ist die Offenlegung der zentralen Motivationsdimensionen, die für die Entscheidung an der Brand Community zu partizipieren, relevant sind. Daher werden im Rahmen dieser Arbeit die Motivationen der Brand-Community-Mitglieder untersucht.452 Auf eine Unterscheidung der Begriffe Motivation und Motiv wird dabei in Übereinstimmung mit der existierenden Literatur zu den Gründen der Partizipation in Brand Communities verzichtet.453 3.3.1.1.2
Motivtheorien
Zur Klärung der Frage nach den treibenden Kräften menschlichen Handelns werden oft Inhaltstheorien herangezogen. Inhaltstheorien lassen sich in drei Gruppen einteilen: monothematische Theorien, polythematische Theorien und athematische Theorien.454 Diese werden im Folgenden kurz vorgestellt.455 Monothematische Ansätze versuchen das Verhalten durch lediglich ein Motiv zu erklären.456 Diese Fokussierung auf einen Grundtrieb bzw. eine Sammelgröße dient allerdings nur eingeschränkt zur Erklärung des Käuferverhaltens und der Ableitung von Marketingmaßnahmen.457
449
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 52; Kroeber-Riel et al. (2008), S. 168 ff.
450
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 169.
451
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 169.
452
Vgl. Woratschek et al. (2007), S. 2 f.
453
Vgl. Hoppe (2009), S. 71.
454
Vgl. Bänsch (2002), S. 21 ff.
455
Auf eine Vorstellung der ebenfalls von einigen Autoren zur Erklärung und Untersuchung von Motiven herangezogenen Verhaltenstheorien wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet und stattdessen auf die einschlägige Literatur verwiesen (vgl. z. B. Wiswede (1973), S. 78 ff.; Forgas und Schust (1987), S. 13 ff.).
456
Beispiele hierfür sind z. B. das Streben nach Geltung (vgl. Adler (1912); Adler (1974)) bzw. das Streben nach Lust bzw. die Vermeidung von Unlust (vgl. Freud (1968)).
457
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 54.
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
65
Um die Motive der Konsumenten gezielt durch das Unternehmen erfüllen zu können, wäre eine detailliertere Kenntnis der Einzelfaktoren der Motivstruktur nötig. Diese Untergliederung der Motivstruktur widerspräche allerdings dem monothematischen Ansatz.458 Polythematische Ansätze greifen diese Problematik auf und schränken anders als monothematische Motivtheorien die Erklärung für das Verhalten nicht auf ein einziges Motiv ein, sondern berücksichtigen mehrere unterschiedliche Motive. 459 Aus Sicht der Konsumentenverhaltensforschung ist allerdings die Vielzahl an möglichen unterschiedlichen Trieben problematisch. So führte der Versuch, allumfassende und abschließende Kataloge zusammenzustellen, zu Aufstellungen von mehr als 5000 unterschiedlichen Trieben.460 Dies ist für das Marketing wenig zweckmäßig. Ein oft zitierter461 polythematischer Ansatz geht auf Maslow462 zurück. In diesem komprimiert Maslow die zahlreichen Motive zu verschiedenen Motivkategorien und differenziert niedere und höhere Motivationen in einer fünfstufigen Bedürfnispyramide.463 Diese staffelt die menschliche Motivation nach ihrer unterschiedlichen Vordringlichkeit für das Verhalten. Menschliches Verhalten wird demnach grundsätzlich durch das stärkste unbefriedigte Bedürfnis bestimmt, höherrangige Motive werden erst dann verhaltenswirksam, wenn niederrangige Motive mindestens bis zu einem bestimmten Anspruchsniveau befriedigt sind.464 Zwar ist der Ansatz von Maslow empirisch kaum belegt465 und hat daher in der Konsumentenforschung nur bedingt Bedeutung erlangt;466 dennoch kann die Bedürfnispyramide nach Maslow sinnvoll im Rahmen der Konsumentenverhaltensforschung eingesetzt werden. 467 Maslows Er-
458
Vgl. Bänsch (2006), S. 18; Foscht und Swoboda (2007), S. 54.
459
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 19; Thomae (1965a), S. 418.
460
Vgl. Wiswede (1973), S. 70. Dort wird auf eine Zählung von Bernard verwiesen, der unter Berücksichtigung von etwa 400 Autoren zusammen 5684 angebliche Grundtriebe gezählt hat (vgl. Bernard (1924)).
461
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 54; Kroeber-Riel et al. (2008), S. 170; Weinert (2004), S. 193.
462
Vgl. Maslow (1970); Maslow (1975).
463
Sowohl Maslow, als auch zahlreiche andere Autoren, die sich mit der Maslowschen Theorie befasst haben, definieren die Begriffe „Bedürfnis“, „Motiv“ und „Motivation“ nicht eindeutig und verwenden sie häufig synonym.
464
Vgl. Heckhausen und Heckhausen (2006), S. 70; Foscht und Swoboda (2007), S. 55; Maslow (1943), S. 375.
465
Vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 170.
466
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 55. Zudem wird die Maslowsche Bedürfnispyramide trotz ihrer Popularität auch häufig kritisiert (vgl. Kroeber-Riel et al. (2008), S. 170). Beispielsweise bleibt weitgehend ungeklärt, wieso Maslow gerade diese Motivklassen wählt (vgl. Franke und Kühlmann (1990), S. 257). Weiterhin zeigen empirische Untersuchungen, dass die geforderte Stärke der Bedürfniserfüllung variiert und die Unabhängigkeit der Stufen nicht zwangsläufig gegeben ist (Weinert (2004), S. 191 f.).
467
Vgl. Palupski (1999), S. 34; von Loewenfeld (2006), S. 10 ff.
66
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
kenntnisse erscheinen insbesondere im Zusammenhang mit dem Markenmanagement468 und Communities469 und damit auch für diese Arbeit sehr interessant. Die Bedürfnisse der unteren Ebenen (physiologische Bedürfnisse und Sicherheitsbedürfnisse) sind in der heutigen Gesellschaft in aller Regel befriedigt. Somit bleiben insbesondere die sozialen Bedürfnisse, das Bedürfnis nach Wertschätzung und das Bedürfnis der Selbstverwirklichung. Gerade hier setzen Marken470 und Communities an, so dass die Verbindung der Bedürfnispyramide zu diesen Konzepten sinnvoll erscheint. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass Maslows Ansatz, wie die polythematischen und monothematischen Motivtheorien allgemein, nicht in der Lage ist, die (individuelle) Komplexität und die Instabilität bzw. Dynamik des Verhaltens zu erfassen. Die athematischen Motivtheorien setzen an dieser Kritik an und fordern, dass eine allgemeine Verhaltenstheorie keine generellen Motivinhalte angeben sollte. Vielmehr sollte eine Motivtheorie athematisch formuliert sein und nur im konkreten Fall mit den dafür relevanten Motivtheorien gefüllt werden. 471 Somit existieren keine allgemeingültigen, vollständigen Motivlisten. Welche Motive relevant sind, hängt stattdessen vom jeweiligen Konsumenten ab. 472 Denkbar sind allerdings Kristallisationsformen von Motiven, die entweder für alle Individuen bzw. eine bestimmte Gruppe (in dieser Untersuchung z. B. Brand-CommunityMitglieder) gemein sind.473 Die relevanten Motive werden demnach spezifisch aus dem Konsumentenverhalten erschlossen. Zudem bleibt festzuhalten, dass menschliches Verhalten immer durch mehrere Motive, die teils konträr, teils harmonisch zusammenwirken, gesteuert wird.474 Dabei sind die Motive mitunter schwer exakt voneinander abgrenzbar.475 Nachdem die unterschiedlichen Motivtheorien allgemein dargestellt wurden, soll nun eine Diskussion der Motive zur Teilnahme an einer Brand Community erfolgen. Weiterhin wird zur Identifizierung der Motive zur Partizipation an einer Virtual Brand Community dem Konzept der athematischen Motivtheorie gefolgt, d. h. in die Untersuchung werden ausschließlich kontextbezogene und dauerhafte Motive der Teilnahme an der virtuellen Markengemeinschaft integriert.
468
Vgl. z. B. Keller (1993), S. 6; von Loewenfeld (2006), S. 10 f.
469
Vgl. z. B. Banks und Daus (2002), S. 178.
470
Der Zusatznutzen einer Marke, der über den funktionalen Nutzen des Produktes hinausgeht, lässt sich anschaulich an Maslows Bedürfnispyramide verdeutlichen (vgl. Bedbury und Fenichell (2002), S. 13 ff. und 93 ff.).
471
Vgl. Foscht und Swoboda (2007), S. 54; Hoepfner (1975), S. 73.
472
Vgl. Bänsch (2006), S. 20; Foscht und Swoboda (2007), S. 54.
473
Vgl. Bänsch (2002), S. 24 ff.; Foscht und Swoboda (2007), S. 54.
474
Vgl. Hegner und Kleibs (1997), S. 512.
475
Vgl. Palupski (1999), S. 32.
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen 3.3.1.2
67
Empirische Erkenntnisse
Die Motivation zur Teilnahme an einer Brand Community umfasst mehrere Motive,476 die auf die Erzielung von Bedürfnissen abzielen. 477 Die Motive können dabei durchaus vielfältig sein.478 Ein Blick in die vorhandene Literatur zu Brand Communities zeigt allerdings, dass eine abschließende Beantwortung der Frage nach den Motiven von Brand-CommunityMitgliedern noch aussteht. 3.3.1.2.1
Literatur zu Virtual Communities
Umfassende Motiv-Studien mit Relevanz für die Brand-Community-Forschung existieren bislang vor allem zu den allgemeinen Beweggründen an Virtual Communities teilzunehmen.479 Bagozzi und Dholakia sehen hier insbesondere zwei Hauptgründe, nämlich positive, antizipierte Emotionen und die soziale Identität, wobei erstere Motive auf individueller Ebene und letztere Motive auf Gruppenebene darstellen.480 In einer weiteren Untersuchung virtueller Communities stellen die Autoren einen maßgeblichen Einfluss des Unterhaltungswertes und von zweckgerichteten Zielen, wie beispielsweise den Austausch von Informationen, auf die soziale Identität fest.481 Hennig-Thurau, Gwinner, Walsh und Gremler fokussieren ihre Untersuchung der Motive von Konsumenten an einer Community auf webbasierte Verbraucherportale und verbinden damit die Forschung zu virtuellen Gemeinschaften mit der Literatur zum Weiterempfehlungsverhalten von Konsumenten.482 Auch in dieser Untersuchung finden sich Parallelen zu den Motiven von Brand-Community-Mitgliedern. Als wesentliche Motive identifizieren die Autoren die soziale Interaktion, ökonomische Anreize, die Besorgnis um andere Konsumenten und soziale Anerkennung.483
476
Vgl. Mühlenbeck und Skibicki (2007), S. 43.
477
Vgl. Maslow (1970), S. 35.
478
Vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 572 f.
479
Vgl. z. B. Bagozzi und Dholakia (2002); de Valck (2005); Dholakia et al. (2004); Hennig-Thurau et al. (2004). Zudem existiert eine Vielzahl von Untersuchungen zu speziellen Online Communities wie beispielsweise Open-Source-Entwicklergemeinschaften (vgl. z. B. Bagozzi und Dholakia (2006a); Hemetsberger (2006)) oder den Motiven für die Erstellung von sog. User-generated Content (vgl. z. B. Stöckl et al. (2008); Nov (2007)).
480
Vgl. Bagozzi und Dholakia (2002), S. 2 ff.
481
Vgl. Dholakia et al. (2004), S. 254 ff. Hingegen konnte kein signifikanter Einfluss von Motiven der Anerkennung durch Gleichgesinnte („social enhancement“) und dem Erhalt zwischenmenschlicher Beziehungen festgestellt werden.
482
Vgl. Hennig-Thurau et al. (2004).
483
Vgl. Hennig-Thurau et al. (2004), S. 45 ff.
68
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
3.3.1.2.2
Literatur zu Brand Communities
Diese Studien aus dem Bereich virtueller Communities stellen zwar einen geeigneten Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit den Motiven zur Partizipation an einer Brand Community dar, allerdings vernachlässigen sie die fundamentale Rolle der Marke in dieser Spezialform einer Community. Daher ist eine detailliertere Analyse der Motive von BrandCommunity-Mitgliedern notwendig, die einerseits dieser bedeutenden Rolle der Marke als verbindendes Element Rechnung trägt und gleichzeitig die Varietät der Motive erfasst. Dennoch finden sich in der inzwischen umfangreichen Literatur zu Brand Communities nur wenige Studien, die die Motivationen der Teilnehmer untersuchen.484 Als antezedente Größen der Bindung an eine Brand Community werden vielmehr häufig „Treiber” oder „Erfolgsfaktoren“ einer Brand Community betrachtet.485 So betrachtet von Loewenfeld „Erfolgsfaktoren“ von Brand Communities und integriert dabei auch Beweggründe der Teilnehmer. Diese sieht er insbesondere in den Faktoren Involvement, Identifikation, Interaktion mit der Marke bzw. anderen Kunden, Gemeinschaftsgefühl, Freundschaft und Unterstützung, soziale Identität, Bedürfniserfüllung und Einflussstärke.486 Eine explizite Messung der Motivation von Brand-Community-Mitgliedern versuchen Ouwersloot und Odekerken-Schröder.487 Die Autoren schlagen als unterschiedliche Motivationen (1) die Informationsbeschaffung bei Vertrauensgütern, (2) ein hohes Involvement in die Produktkategorie, (3) den gemeinsamen Konsum sowie (4) die symbolische Funktion der Marke vor. Weiterhin sehen sie eine Übereinstimmung dieser Motivationen mit den Beziehungsdimensionen des kundenzentrierten Brand-Community-Modells von McAlexander, Schouten und Koenig.488 Daher werden zur Operationalisierung der Motive überwiegend Indikatoren eingesetzt, die ursprünglich für die Messung der vier von McAlexander, Schouten und Koenig vorgeschlagenen Beziehungsdimensionen Kunde-Unternehmen, Kunde-Produkt, KundeKunde und Kunde-Marke entwickelt wurden.489 Eine empirische Erhebung und Überprüfung der Motivation von Brand-Community-Mitgliedern ist somit nicht gegeben. Auch die Autoren selbst stellen fest, dass die Operationalisierung nicht ausreichend entwickelt zu sein scheint, da beispielsweise die Beziehung Kunde-Produkt keine zufriedenstellenden Reliabilitäten
484
Vgl. hierzu den Überblick zur Brand-Community-Forschung in Kapitel 2.3.1.
485
Vgl. z. B. Upshaw und Taylor (2000), McAlexander et al. (2002), von Loewenfeld (2006).
486
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 165-173. Kritisch anzumerken ist dabei jedoch, dass die von von Loewenfeld hypothetisch hergeleiteten „Erfolgsfaktoren“ nicht zwischen Motiven und Merkmalen einzelner Dimensionen trennen.
487
Vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008).
488
Vgl. McAlexander et al. (2002) sowie die Ausführungen zum kundenzentrierten Brand-Community-Modell in Kapitel 2.1.2.
489
Vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 576.
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
69
aufweist.490 Es erscheint daher wenig zielführend, für eine umfassende Betrachtung der Motivation von Brand-Community-Mitgliedern auf das Messinstrument von Ouwersloot und Odekerken-Schröder zurückzugreifen. Eine umfangreiche Erhebung der Motive zur Teilnahme an einer Brand Community wurde von Bagozzi, Bergami, Marzocchi und Morandin durchgeführt.491 Als Untersuchungsgegenstand dienten Motorradfans auf der World Ducati Week in Italien. Die Beweggründe für die Partizipation an der Brand Community wurden durch Interviews mit Ducati-Fans, Anwendung der Laddering-Methode492 und der Inhaltsanalyse ermittelt. Dabei identifizieren Bagozzi et al. drei Gruppen von Motiven: Personal Involvement, Social Relatedness und Symbolic Meaning of Product/Brand. Demnach sind als zentrale Motivations-Dimensionen das Involvement der Konsumenten, die soziale Interaktion unter den Konsumenten und die Marke an sich relevant. Dabei umfasst das Involvement des Konsumenten beispielsweise Vorteile wie Leidenschaft, Unterhaltung und Emotionen für ein besseres und erfüllteres Leben. Insgesamt stellt die Studie von Bagozzi et al. einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Motivationen von Brand-Community-Mitgliedern dar. In einer weiteren empirischen Studie beobachten Dholokia, Bagozzi und Pearo, dass die soziale Anerkennung, zweckgerichtete Ziele, wie beispielsweise der Austausch von Informationen, und unterhaltende Elemente, wie beispielsweise Entertainment und Spaß, für die Partizipation der Brand-Community-Mitglieder verantwortlich sind.493 Auf Basis dieser Untersuchung greift Hoppe drei spezifische Motive (Information Value, Social Enhancement Value und Entertainment Value) heraus, um deren Einfluss auf die informelle Mitgliedschaft in Brand Communities zu untersuchen.494 Dabei stellt sie für alle drei Konstrukte „mittelstarke” Effekte auf die informelle Mitgliedschaft fest. 3.3.1.3
Konzeptualisierung der Motivation zur Teilnahme an einer Brand Community
Die oben angeführten Studien geben wertvolle Hinweise für eine Konzeptualisierung der Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community, weisen aber zumeist einen exploratorischen Charakter auf bzw. sind nicht auf den Untersuchungsgegenstand Brand Community
490
Vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 576. Ouwersloot und Odekerken-Schröder fordern daher eine umfangreichere Validierung des Modells (vgl. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008), S. 581).
491
Diese Untersuchung wurde als Konferenzbeitrag präsentiert (vgl. Morandin (2004); Morandin et al. (2005)) und ist bislang lediglich als Arbeitspapier verfügbar (vgl. Bagozzi et al. (2008)).
492
Vgl. Reynolds und Gutman (1988). Die Laddering-Methode basiert auf der Means-End Chain-Theorie, die versucht zu erklären, wie durch die Auswahl von Marken mit einem Bündel von Eigenschaften (Means) Wünsche und Ziele (End) erreicht werden können (vgl. Gutman (1982)).
493
Vgl. Dholakia et al. (2004), S. 241.
494
Vgl. Hoppe (2009), S. 87 ff.
70
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
spezifiziert. Die existierende Literatur wird daher im Rahmen dieser Arbeit als Basis für eine umfassende Betrachtung der Motivation der Mitglieder einer Brand Community im Allgemeinen herangezogen. Zugleich werden die Ansätze von Maslow, d. h. polythematische Motivtheorien, sowie die athematischen Motivtheorien zur Konzeptualisierung der Motivation der Brand-Community-Mitglieder herangezogen. Die Studien zu Virtual Communities und Brand Communities zeigen, dass die soziale Interaktion einen zentralen Einflussfaktor auf die Partizipation an der Community darstellt. Die damit verbundenen spezifischen Motive sind dabei vielfältig und reichen von gemeinsamen Wertvorstellungen und gemeinsamen Interessen bis hin zu sozialer Anerkennung495, um nur einige zu nennen.496 Im Sinne der Maslowschen Bedürfnispyramide können also insbesondere die drei oberen Stufen, d. h. die sozialen Bedürfnisse, das Bedürfnis nach Wertschätzung sowie die Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, befriedigt werden. In den athematischen Motivtheorien behandelt insbesondere das Geltungsmotiv die Fragen der Wertschätzung und Anerkennung.497 Bei der Konzeptualisierung ist zudem die große Breite der Motivationen zu berücksichtigen. So kann die Interaktion der Mitglieder auf den Austausch von Informationen gerichtet sein.498 Ein Informationsfluss kann aber ebenso auch zwischen dem Markeninhaber und den Markenfans erfolgen. Insgesamt weist die Brand Community dadurch ein hohes Wissen auf und befindet sich in ständigem Wissenszuwachs.499 Dies trägt auch zum Ziel der Community bei sich gegenseitig und auch die Marke zu unterstützen. Weitere Motive sind mit dem Unterhaltungswert der Virtual Brand Community verbunden.500 Dieser kann beispielsweise in der markenbezogenen Interaktion der Teilnehmer (z. B. Unterhaltung über die Marke, gemeinsame Konsumerfahrungen der Marke) begründet sein.501 Aber auch (Online-)Spiele, die nicht zwangsläufig mit der Marke verbunden sind, stellen eine Möglichkeit dar, den Unterhaltungswert und die Verweildauer in der Community zu stei-
495
Der Wunsch nach Akzeptanz und sozialer Anerkennung wird durch den Begriff des „Social Enhancement“ beschrieben (vgl. Baumeister (1998), S. 689 ff.; Dholakia et al. (2004), S. 244).
496
Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur sozialen Identitätstheorie (Kapitel 3.3.2.1.1) sowie zu den Merkmalen von Brand Communities (Kapitel 2.1.2).
497
Vgl. Bänsch (2002), S. 30.
498
Hierzu zählen sowohl das Suchen und das Verbreiten von Informationen (vgl. Dholakia und Bagozzi (2003), S. 255; Dholakia et al. (2004), S. 244).
499
Vgl. de Chernatony (2001), S. 193; Casalo et al. (2007), S. 780.
500
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 284 f.; Hoppe (2009), S. 198 f.; Flanagin und Metzger (2006), S. 162.
501
Vgl. z. B. Bagozzi et al. (2008), S. 5; Dholakia et al. (2004), S. 244.
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
71
gern.502 Derartige unterhaltende Aspekte in einer Brand Community lassen sich in den athematischen Motivationstheorien unter das Emotionsmotiv subsumieren.503 In der Regel ist eine Kombination mehrerer Motive für die Teilnahme an der Community verantwortlich.504 Zudem kann es im Zeitablauf zu Verschiebungen der Bedeutung einzelner Motivationen kommen. Beispielsweise kann die Suche nach Informationen der Beweggrund für den Beitritt in eine Brand Community sein, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt die gegenseitige Wertschätzung und Freundschaften untereinander für die Teilnahme an der Brand Community dominieren.505 3.3.2
Identifikation
3.3.2.1
Theoretische Grundlagen
Zur theoretischen Fundierung des Identifikationskonzeptes werden im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit und die in der existierenden Literatur angeführten theoretischen Grundlagen die Selbstkongruenztheorie, die Theorie des symbolischen Interaktionismus, die soziale Identitätstheorie und die Theorie des „Sense of Community“ betrachtet. 3.3.2.1.1
Theorie des symbolischen Interaktionismus
Ein wichtiger Forschungsbeitrag zur Entwicklung des heutigen Verständnisses des Selbstkonzeptes einer Person506 ist in der Arbeit Meads507 zu sehen, auf der die Theorie des symbolischen Interaktionismus508 aufbaut. Im Mittelpunkt der Theorie steht die soziale Interaktion über Symbole. Als zentrale Prämisse gilt, dass Dinge stets eine bestimmte Bedeutung für Menschen, mit denen sie interagieren, besitzen.509 Um diese Objekte entsteht eine symbolische Welt, in der das Individuum mit der Gesellschaft als ganzer bzw. mit einzelnen Referenzgruppen 510 interagiert und ein Produkt der sozialen Interaktion ist. 511 In dieser Welt
502
Vgl. Sicilia und Palazon (2008), S. 264 f.; von Loewenfeld (2006), S. 284 f.
503
Vgl. Bänsch (2002), S. 32 f.
504
Vgl. Mühlenbeck und Skibicki (2007), S. 43 bzw. zum Zusammenspiel von Motiven im Rahmen von Konsumentscheidungen Haunss (1973), S. 73.
505
Vgl. auch Hellmann und Kenning (2007), S. 41.
506
Das Selbstkonzept stellt nach Rosenberg „...the totality of the individual’s thoughts and feelings having reference to himself as an object“ dar (Rosenberg (1979), S. 7).
507
Vgl. Mead (1934).
508
Vgl. Blumer (1937); Sandstrom et al. (2001).
509
Vgl. Blumer (1981), S. 81 ff.; Stryker und Serpe (1982), S. 201.
510
Eine Referenzgruppe besteht aus Individuen, an denen man sich hinsichtlich seiner Werte, seiner Einstellungen und seiner Verhaltensweisen orientiert (vgl. Bearden und Etzel (1982), S. 183 ff.).
511
Vgl. Hogg et al. (1995), S. 256; Lee (1990), S. 388.
72
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
werden Objekten symbolische Bedeutungen zugeschrieben, die auf eine Person, die das Objekt besitzt, übertragen werden. Dadurch entsteht ein Bild des Individuums in der Gesellschaft.512 Gleichzeitig nimmt auch das Individuum ein Bild von sich selbst wahr, das als Sicht des Ichs im Spiegel beschrieben wird („the looking glass self“).513 Dieses Bild tritt in Interaktion mit dem Selbstkonzept des Individuums, 514 und im Fall einer Übereinstimmung und Zustimmung kommt es zur Identifikation mit dem Identifikationsobjekt.515 Im Rahmen des Identifikationsprozesses stellt das Symbol für das Individuum also ein Identifikationsobjekt dar, durch das er sein eigenes Selbstbild zu konkretisieren und zu kommunizieren versucht.516 3.3.2.1.2
Selbstkongruenztheorie
Als Anstoß der Übertragung des Selbstkonzeptes auf das Marketing wird die Kongruenzhypothese von Levy gesehen.517 Zentrales Element ist auch hier das Selbstkonzept eines Individuums. Sirgy erweitert die Forschung hierzu und postuliert in seiner Selbstkongruenztheorie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und Produkt- bzw. Markenwahl.518 Demnach haben Konsumenten ein Bedürfnis nach Kongruenz zwischen dem Selbstkonzept und Personen, Gegenständen und Ereignissen. 519 Zur Begründung werden drei verschiedene Kongruenzmotive angeführt: 520 Erstens das Streben nach einem positiven Selbstwertgefühl, das sich am idealen (persönlichen und sozialen) Selbst orientiert. Zweitens das Selbstkonsistenz-Motiv, das auf ein widerspruchsfreies Bild der eigenen Persönlichkeit abzielt. Und drittens das Selbsterkenntnis-Motiv, nach dem die Unsicherheit über Eigenschaften des Selbst zum Konsum selbstkongruenter Produkte oder Marken führt, da diese die Definition und Expression des Selbstkonzeptes stärken.
512
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 53.
513
Vgl. Cooley (1902), S. 152. Diese Bezeichnung resultiert aus der Annahme, dass das Individuum symbolische Bedeutungen aus Sicht der Referenzgruppe durch interpretative Prozesse verarbeitet und sich selbst durch die Augen der anderen sieht (vgl. Abels (2007), S. 24).
514
Vgl. Lee (1990), S. 386. Das Betrachten von außen wird von Mead als Voraussetzung für den Aufbau einer persönlichen Identität gesehen. Er unterscheidet zwischen dem „Me“ als Sicht des Individuums mit den Augen der anderen und dem „I“ als eigene Sichtweise (vgl. Abels (2007), S. 33).
515
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 53.
516
Vgl. Grubb und Grathwohl (1967), S. 25 ff.
517
Vgl. Levy (1959), S. 117 ff. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Selbstkongruenztheorie im Marketing insbesondere durch die Beschreibung der Brand Personality durch Aaker (vgl. Aaker (1997)) zuteil. Eine metaanalytische Betrachtung der Selbstkongruenzforschung im Markenmanagement liefern z. B. Bauer et al. (2006).
518
Vgl. Sirgy (1982); Sirgy (1985); Sirgy (1986); Sirgy et al. (1997).
519
Vgl. Sirgy (1986), S. 7.
520
Vgl. Sirgy (1986), S. 9 ff.
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen 3.3.2.1.3
73
Soziale Identitätstheorie
Weniger auf Objekte als auf das gesellschaftliche Umfeld bezieht sich die Theorie der sozialen Identität. Dieser sozialpsychologische Ansatz521 dient zur Erklärung von Gruppenprozessen und des Einflusses der Mitgliedschaft auf das individuelle Verhalten und auf Prozesse zwischen Gruppen und dem sozialen Selbst.522 Die soziale Identitätstheorie betont, dass das Selbstkonzept eines Individuums nicht nur aus der Identifikation mit Identifikationsobjekten und der individuellen Selbstwahrnehmung resultiert. 523 Vielmehr wird das Selbstkonzept entscheidend durch die Zugehörigkeit und die Identifikation mit Gruppen beeinflusst. 524 Tajfel unterteilt daher das Selbstkonzept in eine „persönliche Identität” (personal identity) und eine „soziale Identität” (social identity), die situationsabhängig zur Selbstdefinition herangezogen werden.525 Die „soziale Identität“ ist dabei allgemein definiert als „…the part of the individuals self concept which derives from their knowledge of their membership in a social group together with the value and emotional significance attached to that membership“.526 Demgegenüber umfasst die „persönliche Identität” die Verhaltensweisen, mit denen ein Individuum sich selbst beschreibt. Zur Analyse der Identität eines Individuums sollten daher sowohl die persönliche als auch die soziale Identität betrachtet werden.527 Die soziale Identitätstheorie setzt zunächst eine Erklärung für die Bildung von Gruppen und damit die Herausbildung einer sozialen Identität voraus. Als Grundlage hierfür kann die soziale Kategorisierung betrachtet werden, die Gegenstand der Selbstkategorisierungs-Theorie (self-categorization theory) von Turner ist.528 Demnach ordnen Individuen sich und andere in verschiedene soziale Kategorien ein.529 Die soziale Umwelt wird segmentiert und geordnet, so dass ein Individuum die Möglichkeit hat, seine eigene Position in dieser zu finden und zu definieren. 530 Im Rahmen der sozialen Identitätstheorie steht die Identifikation mit einer
521
Vgl. Stets und Burke (2000), S. 4.
522
Vgl. Hogg et al. (1995), S. 259; Tajfel und Turner (1986), S. 7 ff.
523
Vgl. Tajfel (1974), S. 65 ff.
524
Vgl. Tajfel (1974), S. 69; Turner (1975) S. 7: „An individual defines himself as well as others in terms of his location within a system of social categories - specifically social group memberships - and social identity may be understood as his definition of his own position within such a system.”
525
Vgl. Tajfel (1978a), S. 39; Markus und Wurf (1987), S. 306.
526
Vgl. Tajfel (1978b), S. 63.
527
Vgl. Michalski und Helmig (2008), S. 52.
528
Vgl. Turner (1987). Die Selbstkategorisierungs-Theorie dient in erster Linie der Erklärung der Gruppenbildung und kann daher als Erweiterung der sozialen Identitätstheorie gesehen werden (vgl. Turner (1987), S. 42).
529
Vgl. Ashforth und Mael (1989), S. 20; Tajfel und Turner (1986).
530
Vgl. Ashforth und Mael (1989), S. 20 ff. Van Knippenberg definiert demzufolge die soziale Kategorisierung wie folgt: „Social categorization can be defined as the ordering of the social environment in terms of social categories, that is, in terms of groupings of persons in a manner which is meaningful to the individual concerned.” (van Knippenberg (1984), S. 561).
74
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
Gruppe im Mittelpunkt. Diese basiert vor allem auf der Ähnlichkeit der Individuen.531 Die Gruppenidentifikation beschreibt demnach die soziale Identifikation eines Individuums, welche sowohl das Wissen über die Zugehörigkeit als auch die damit verbundene emotionale Bedeutung umfasst.532 Das Selbstkonzept eines Individuums und damit auch dessen Verhalten werden somit durch die soziale Identität beeinflusst. 533 Letztere entspricht der durch das Individuum wahrgenommenen Position innerhalb einer sozialen Gruppe.534 Voraussetzung hierfür ist die durch die soziale Kategorisierung ermöglichte Unterscheidung der eigenen Gruppe, zu der sich das Individuum zugehörig fühlt und anderen Mitgliedern dieser Gruppe ähnelt, und einer Fremdgruppe, die sich von dieser angesichts bestehender Unterschiede abgrenzt.535 Nach der Theorie des sozialen Vergleichs536 wird die eigene Gruppe anderen relevanten Gruppen gegenübergestellt und eine Selbsteinschätzung vorgenommen. 537 Weiterhin versuchen Individuen nach der sozialen Identitätstheorie ihre eigene Gruppe (in-group) positiv von anderen Gruppen (out-groups) abzuheben, um eine positive soziale Identität und dadurch eine höhere eigene Wertschätzung (self-esteem) zu erreichen.538 Im Rahmen der sozialen Identitätsbildung versuchen Individuen daher unterbewusst, sich den Mitgliedern einer präferierten sozialen Gruppe anzugleichen und sich gleichzeitig von anderen Gruppen zu differenzieren (out-group discrimination).539 Dieser Prozess der Entpersonalisierung (depersonalization) stärkt somit die soziale Identität und sorgt dafür, dass die soziale Kategorie nach außen hin salient, d. h. erkennbar wird. Die Überlegenheit der eigenen Gruppe (positive Distinktheit) wirkt sich letztlich positiv auf das Selbstwertgefühl des Individuums aus. Der sozialen Identifikation kommt demnach eine fundamentale Rolle im täglichen Leben zu.540 Die Abbildung 8 veranschaulicht die zentralen Elemente der Theorie der sozialen Identität und deren Annahmen.
531
Vgl. Stotland et al. (1961), S. 250 ff.
532
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 155.
533
Vgl. Ellemers et al. (1999), S. 372.
534
Voraussetzung für die Entstehung einer sozialen Identität ist somit die Zugehörigkeit zu einer oder mehreren sozialen Gruppen.
535
Vgl. Bagozzi et al. (2007), S. 87.
536
Vgl. Festinger (1954), S. 117 ff.
537
Vgl. Tajfel und Turner (1986), S. 16 ff.
538
Vgl. Turner (1987), S. 42.
539
Vgl. Tajfel und Turner (2004), S. 56 ff.
540
Vgl. Deaux (1996), S. 777.
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
Modellinhärente Annahmen über die Natur des Menschen
Bedürfnis nach Prüfung von Meinungen und Fähigkeiten
Streben nach positivem Selbstwert
Bedürfnis nach Platz im sozialen System
Kernelemente der Theorie der sozialen Identität
Soziale Kategorisierung
Soziale Identität
Sozialer Vergleich
Relevante situative Randbedingungen der Elemente der Theorie der sozialen Identität
Sicherheit, Legitimität, Macht
Ähnlichkeit bzw. Fremdheit
Abbildung 8:
3.3.2.1.4
75
Wahrnehmungsökonomie
Positive Distinktheit
Salienz der Gruppenkategorien
Emotionale Spannung, Angst, Wut
Kernelemente der sozialen Identitätstheorie541
Theorie des „Psychological Sense of Community“
Insbesondere im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand der Brand Community ist bei den theoretischen Grundlagen der Identifikation auch das von Sarason vorgestellte Konzept des Psychological Sense of Community542 anzuführen. Dieses Konzept kann als communityspezifische Erweiterung der sozialen Identitätstheorie gesehen werden, die neben der sozialen Identität weitere Faktoren zur Herausbildung eines Gemeinschaftsgefühls543 berücksichtigt.544 Bei der Untersuchung der Identifikation mit einer Brand Community werden zur theoretischen Fundierung daher von verschiedenen Autoren beide Konzepte dargelegt.545 Eine Ergänzung der sozialen Identitätstheorie um die Grundzüge des Konzepts des Psychological Sense of Community erscheint auch für diese Arbeit sinnvoll. Der Sense of Community als zentrales Merkmal wird von Sarason als „...the perception of similarity with others, an acknowledged interdependence with others, a willingness to maintain this interdependence by giving to or doing for others what one expects from them, the feeling that one is part of a larger dependable and stable structure” beschrieben. 546 Eine
541
Quelle: Fischer und Wiswede (2002), S. 662.
542
Vgl. Sarason (1974).
543
Carlson, Suter und Brown halten fest, dass das Gemeinschaftsgefühl und damit verbundene positive Auswirkungen auf eine Marke keine „soziale“, d.h. physisch existierende, Brand Community voraussetzen und sprechen daher auch vom Phänomen einer Psychological Brand Community (vgl. Carlson et al. (2008), S. 284 ff.).
544
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 71.
545
Vgl. z. B. von Loewenfeld (2006), S. 48 ff.; Hoppe (2009), S. 92 ff.; Huber et al. (2006).
546
Vgl. Sarason (1974), S. 174.
76
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
frühe, einflussreiche Konzeptualisierung dieses Konzepts liefern McMillan und Chavis und definieren das Konzept des Sense of Community als „a feeling that members have of belonging, a feeling that members matter to one another and to the group, and a shared faith that members’ needs will be met through their commitment to be together“ definieren. 547 Als konstituierende Elemente sehen sie demnach vier Elemente: (1) Mitgliedschaft (membership), (2) Einfluss (influence), (3) Integration und Erfüllung von Bedürfnissen (integration and fulfilment of needs) sowie eine (4) gemeinsame emotionale Verbindung (shared emotional connection). Die Verbindung zur Identifikationsforschung zeigt sich insbesondere im Aspekt der Mitgliedschaft, die als ein Gefühl der Zugehörigkeit beschrieben wird.548 Zudem betonen zahlreiche Forscher die Bedeutung der Identifikation mit der Community im Hinblick auf die Stärke der Ausprägung des Psychological Sense of Community. 549 Obst, Zinkiewicz und Smith integrieren daher die soziale Identitätstheorie als theoretische Fundierung für den Einbezug der Identifikation in das Konzept des Psychological Sense of Community.550 In ihrer faktoranalytischen Untersuchung identifizieren sie schließlich auch als fünfte Dimension die „bewusste Identifikation“ (conscious identification), die die Wichtigkeit des Bewusstseins, ein Mitglied der Community zu sein, umfasst.551 Die vier anderen Dimensionen entsprechen inhaltlich weitgehend den von McMillan und Chavis vorgeschlagenen Dimensionen, sind allerdings anders benannt: (1) „Zugehörigkeit“ (belonging), (2) kooperatives Verhalten (cooperative behavior), (3) „Freundschaft und Unterstützung“ (friendship and support), (4) „Führerschaft und Einfluss“ (leadership and influence).
547
Vgl. McMillan und Chavis (1986), S. 6.
548
Vgl. McMillan und Chavis (1986), S. 9.
549
Vgl. Chavis und Pretty (1999); Fisher und Sonn (1999); Puddifoot (1995).
550
Vgl. Obst et al. (2002), S. 91 f. Die Identifikation steht in klarem Zusammenhang mit der Gruppenkohäsion (vgl. Hogg und Hains (1996)) sowie einem stärkeren Einfluss der Gruppe auf die Mitglieder (vgl. Hogg und Hains (1996)), wodurch die Verbindung der Identifikation mit den von McMillan und Chavis vorgeschlagenen konstituierenden Merkmalen des Psychological Sense of Community zum Ausdruck kommt (vgl. Obst et al. (2002), S. 92).
551
Vgl. Obst et al. (2002), S. 95 ff. Ein Gemeinschaftsgefühl und damit verbundene positive Auswirkungen auf die Marke sind auch ohne eine „soziale“, d.h. physisch existierende Brand Community möglich. Carlson, Suter und Brown sprechen in diesem Fall von einer Psychological Brand Community (vgl. Carlson et al. (2008)).
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
Mitgliedschaft
Einfluss
Grenzen
Gleichzeitige, gegenseitige Beeinflussung Mitglied ļ Gruppe
Emotionale Sicherheit Gefühl der Zugehörigkeit und Identifikation Persönliche Investition
Mitglied ĺ Gruppe: Stärkere Attraktivität der Gruppe aus Sicht des Individuums
Gemeinsame Symbole
Abbildung 9:
3.3.2.2
Gruppe ĺ Mitglied: Gruppenkohäsion
77
Integration und Erfüllung von Bedürfnissen
Gemeinsame emotionale Verbindung
Vorteile durch die Mitgliedschaft
Identifikation mit der Geschichte der Community
Beispiele: Status durch Mitgliedschaft, Erfolg der Community, Kompetenz anderer Mitglieder Zusammengehörigkeitsgefühl wird gestärkt
(Positive) Interaktionen der Mitglieder Gemeinsame Erfahrungen Spirituelle Verbindung
Kernelemente des Sense of Community552
Empirische Erkenntnisse
Die Bedeutung der Identifikation steht zunehmend im Interesse der betriebswirtschaftlichen Forschung.553 Die wegweisende Veröffentlichung von Ashforth und Mael zur Identifikation mit Organisationen 554 wurde in zahlreichen weiteren Untersuchungen aufgegriffen. 555 Die betriebswirtschaftliche Identitätsforschung setzt sich dabei aus einer Forschungslinie aus dem Marketing und Literatur aus der Organisationsforschung zusammen.556 Auch wenn teilweise kritisiert wird, dass sich beide Zweige zum Teil gegenseitig widerlegen, ist dennoch gegenwärtig eine Entwicklung zu einem Konsens erkennbar, der beide Forschungsrichtungen komplementär und damit gegenseitig bereichernd integriert. 557 Die Verbindung beider Forschungsrichtungen wird auch in der Forderung von Cardador und Pratt deutlich, auf die Unterscheidung zwischen Mitarbeitern und Kunden zu verzichten, da sie nicht trennscharf möglich sei und zu einer unnötigen Spaltung von Organisationsforschung und dem Marketing
552
Quelle: Hoppe (2009), S. 100. Vgl. auch McMillan und Chavis (1986), S. 9 ff.
553
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 38.
554
Vgl. Ashforth und Mael (1989).
555
Vgl. z. B. Ahearne et al. (2005); Bhattacharya und Sen (2003); Currás-Pérez et al. (2009); Dacin und Brown (2006); Homburg et al. (2009); Stokburger-Sauer et al. (2008); van Dick (2004a); Wieseke et al. (2007).
556
Vgl. Cardador und Pratt (2006), S. 174; Balmer (2008), S. 880 f.
557
Vgl. Balmer (2008), S. 881.
78
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
führe. 558 Zudem basieren beide Forschungslinien auf ähnlichen theoretischen Grundlagen, wobei insbesondere der bereits vorgestellten Social Identity Theory 559 eine tragende Rolle zukommt. Die Bedeutung des Identifikationskonzeptes für Unternehmen wurde zunächst im Hinblick auf die Identifikation von Mitarbeitern mit einem Unternehmen erkannt.560 Dabei konnten positive Auswirkungen der Verbundenheit mit Organisationen auf eine Vielzahl von arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensabsichten gezeigt werden, wie z. B. Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitsmotivation, Arbeitsleistung, Wechselabsichten und Fehlzeiten.561 In den letzten Jahren steht das Identifikationskonzept zunehmend auch in der Konsumentenforschung im Mittelpunkt zahlreicher Untersuchungen.562 Die große Bedeutung der Identifikation von Konsumenten zeigt sich dabei insbesondere in den positiven Auswirkungen des Konstrukts auf die Kundenloyalität, das Weiterempfehlungsverhalten 563 , die Produktnutzung564 oder die Unterstützung des Unternehmens. 3.3.2.3
Konzeptualisierung der Konsumentenidentifikation
Wie bereits in den beiden vorangehenden Kapiteln aufgezeigt wurde das Identifikationskonzept ursprünglich in der Sozialpsychologie und der Organisationsforschung entwickelt und ist insbesondere in der sozialen Identitätstheorie verankert.565 Die organisationale Identifikation wird dabei als das von einer Person wahrgenommene Ausmaß der Einheit mit einer Organisa-
558
Vgl. Cardador und Pratt (2006), S. 174 f. Hinsichtlich der Identifikation mit einem Unternehmen schlagen sie zur Systematisierung der Individuen vielmehr Merkmale wie den räumlichen, administrativen oder zeitlichen Anschluss an ein Unternehmen vor, die unabhängig davon sind, ob eine Person Mitarbeiter oder Kunde eines Unternehmens ist. Cardador und Pratt nennen diese Merkmale affililation dimensions und greifen dabei die Arbeiten von Pfeffer und Baron auf (vgl. Pfeffer und Baron (1988)).
559
Vgl. Tajfel und Turner (1979); Cornelissen et al. (2007); He und Balmer (2007) sowie die Ausführungen zur Sozialen Identitätstheorie in Abschnitt 3.3.2.1.3.
560
Vgl. Cheney (1983); Mael und Tetrick (1992); Bell und Menguc (2002); Riketta und van Dick (2005); van Dick et al. (2004b). Mael und Ashforth (1995) äußern sich ausführlicher zum Identifikationsprozess in Organisationen, wohingegen das Konzept von Dutton et al. (1994) die Identifikation im Zusammenspiel mit dem Firmenimage andenkt.
561
Vgl. z. B. Mathieu und Zajac (1990); van Dick (2004a); Riketta und van Dick (2005); van Knippenberg (2000); Riketta (2002) und Ausführungen zum organisationalen Selbstwertgefühl (z.B. Bergami und Bagozzi (2000)).
562
Vgl. z. B. Ahearne et al. (2005); Bhattacharya und Sen (2003); Cardador und Pratt (2006); Currás-Pérez et al. (2009); Einwiller et al. (2006); Underwood et al. (2001).
563
Vgl. z. B. Ahearne et al. (2005), S. 580; Arnett et al. (2003), S. 99.
564
Vgl. Ahearne et al. (2005), S. 580.
565
Vgl. Tajfel und Turner (1979).
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
79
tion beschrieben. 566 Sie ist ein aktiver, selektiver und willentlicher Vorgang eines Individuums zu Erfüllung eines oder mehrerer selbstdefinitorischer Bedürfnisse.567 Voraussetzung für diesen Persönlichkeitstransferprozess ist, dass Objekten menschliche Eigenschaften zugesprochen werden. Als verhaltenswissenschaftliche Grundlage für diese Erkenntnisse dient die „Theory of Animism“, die davon ausgeht, dass der Mensch Dingen eine Art Seele zuschreibt.568 Bhattacharya und Sen übertrugen das Konzept der sozialen Identitätstheorie auf das Gebiet der Konsumentenforschung und entwickelten einen konzeptionellen Bezugsrahmen der customer-company identification. 569 Demnach können sich äquivalent zu den Mitarbeitern eines Unternehmens auch dessen Kunden mit diesem identifizieren und somit ihr Selbstbild zum Teil durch das Unternehmen definieren, das sie unterstützen. So identifizieren sich beispielsweise Harley-Davidson-Fahrer mit Harley Davidson Inc. oder Benutzer von AppleComputern mit dem Unternehmen Apple Inc. und leiten daraus auch einen Teil ihres Selbstbildes ab. Damit trägt die Identifikation von Konsumenten mit einem Unternehmen zu deren positivem Selbstkonzept bei, indem ein positives Unternehmensbild auf das Selbstbild übertragen wird.570 „In today's era of unprecedented corporate influence and consumerism, certain companies represent and offer attractive, meaningful social identities to consumers that help them satisfy important self-definitional needs.”571 Diese Überlegung wurde in die Konzepte der Markenidentität 572 bzw. der Identität eines Unternehmens 573 integriert. Konsumenten schreiben demnach Marken und Unternehmen menschliche Eigenschaften zu, um den Umgang mit ihnen zu erleichtern.574 Besonders relevant sind dabei die aus der Wahrnehmung einer Person zentralen, unterscheidenden und dauerhaften Merkmale eines Identifikationsobjektes.575 Die Identifikation mit diesem Objekt
566
Vgl. Ashforth und Mael (1989). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird jede Institution, in der Menschen gemeinsam ein bestimmtes Ziel verfolgen, als Organisation verstanden werden (vgl. Laux und Liermann (1990), S. 1 f.; Schmidt (2002), S. 1). Somit lässt sich auch eine Brand Community bzw. eine beliebige Gruppe von Konsumenten als Organisation verstehen. Insbesondere im Hinblick auf die Messung der Identifikation sollen zudem Marken äquivalent berücksichtigt werden.
567
Vgl. Dutton et al. (1994), S. 239 ff.; Pratt (1998), S. 175.
568
Vgl. Gilmore (1919), S. 5 ff. sowie die Ausführungen zur Selbstkongruenztheorie in Abschnitt 3.3.2.1.2.
569
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 76 ff.
570
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 77.
571
Bhattacharya und Sen (2003), S. 77.
572
Vgl. z. B. Aaker (1997), S. 347 ff.; Keller et al. (2008), S. 64 ff.
573
Zum Corporate Identity-Konzept vgl. z. B. Olins (1978); van Riel und Balmer (1997).
574
Gilmore beschreibt zunächst die Tatsache, dass der Mensch Dingen eine Art Seele zuschreibt und diese dadurch menschliche Züge aufweisen (vgl. Gilmore (1919), S. 5 ff.).
575
Vgl. Bhattacharya et al. (1995), S. 46 ff.
80
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
führt zur Übertragung bestimmter Merkmale auf die eigene Person, so dass die eigene Identität verändert wird.576 Der Grad der Identifikation hängt von den gemeinsamen Merkmalen des Individuums und der Organisation ab. 577 Wieseke, Ahearne, Lam und van Dick definieren die organisationale Identifikation daher als „the perception, the value and the emotional significance of oneness with or belongingness to the organization”.578 Diese Definition zeigt die konzeptionelle Unterteilung der Identifikation in kognitive, affektive und evaluative Aspekte auf.579 Diese drei Dimensionen beinhalten demnach das Bewusstsein einer Person um die Mitgliedschaft in der Gruppe (kognitive Dimension), deren positive oder negative Bewertung der Mitgliedschaft (evaluative Dimension) und die emotionale Bindung des Individuums (affektive Dimension).580 Je nach Situation und Salienz581 einer Gruppe variieren diese Komponenten, allerdings sind sie nicht unabhängig voneinander.582 So führt beispielsweise eine positivere Wahrnehmung einer Gruppe durch Externe zu positiveren Gefühlen bei einem Mitglied dieser Gruppe. Das Konstrukt der Identifikation ist eng mit dem Commitment-Konstrukt583 verbunden. Insbesondere zwischen der affektiven Identifikation und dem affektiven Commitment sind die Gemeinsamkeiten relativ groß.584 Dennoch lassen sich beide Konstrukte sowohl theoretisch als auch empirisch voneinander trennen. Eine theoretische Differenzierung sieht van Knippenberg im kognitiven Aspekt der Identifikation, also der Tatsache, dass eine Person sich in der Persönlichkeit einer Organisation widerspiegelt.585 Dieser selbstdefinitorische Aspekt ist im Konzept des Commitment nicht enthalten. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal stellt die zeitliche Beeinflussbarkeit der Konstrukte dar. Während Commitment als relativ stabil und
576
Vgl. Stets und Burke (2000), S. 224 ff.
577
Vgl. Dutton et al. (1994).
578
Vgl. Wieseke et al. (2009), S. 124. Diese Definition stellt somit eine Verallgemeinerung der ursprünglichen Definition der sozialen Identität durch Tajfel und Turner dar. Diese ist definiert als „…the part of the individuals self concept which derives from their knowledge of their membership in a social group together with the value and emotional significance attached to that membership“ (vgl. Tajfel (1978b), S. 63).
579
Vgl. Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 45 ff.; Tajfel (1981), S. 225.
580
Vgl. Ellemers et al. (1999), S. 371 ff.
581
Die Salienz einer Identität (engl. identity salience) beschreibt die relative Bedeutung einer spezifischen Rolle oder Identität für ein Individuum (vgl. Michalski und Helmig (2008), S. 52; Hoelter (1983), S. 141).
582
Vgl. van Dick (2004b), S. 16.
583
Vgl. z. B. Bansal et al. (2004); Bettencourt (1997); Garbarino und Johnson (1999); Hennig-Thurau et al. (2002); Morgan und Hunt (1994).
584
Vgl. z. B. Stengel (1987).
585
Vgl. van Knippenberg (2000) und van Knippenberg und Sleebos (2006). Die Unterscheidung von Commitment und Identifikation hinsichtlich des kognitiven Aspektes findet sich auch bei anderen Autoren. So sehen Brown et al. Commitment als „..enduring desire to maintain a valued relationship“, wohingegen Identifikation als „….a cognitive assessment of the degree of overlap between the self and some organization or group” beschrieben wird (vgl. Brown et al. (2005), S. 128).
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
81
überdauernd gilt, ist die Identifikation stark kontextabhängig und flexibel.586 Diese theoretische Differenzierbarkeit beider Konstrukte wurde auch empirisch belegt.587 Zudem konnten Unterschiede in den Auswirkungen auf nachgelagerte Konstrukte beobachtet werden.588 Bei der Untersuchung der Identifikation eines Individuums mit einer Organisation oder Gruppe muss die Komplexität von Identifikationsprozessen berücksichtigt werden. So konstatieren Bhattacharya, Rao und Glynn, dass „identification is not simple a bilateral relationship between a person and an organization, isolated from other organizations, but a process that unfolds in a competitive area“.589 Den Annahmen der Selbstkategorisierungstheorie ist die Idee inhärent, dass eine Person gleichzeitig verschiedenen Gruppen angehören kann. Die Identifikation kann sich demnach auf verschiedene Objekte richten, so dass verschiedene Fokusse 590 der Identifikation von Konsumenten unterschieden werden können. 591 Für alle betrachteten Fokusse gilt, dass die Identifikation mit dieser Gruppe nicht zwangsläufig eine formale Mitgliedschaft voraussetzt. 592 Die unterschiedlichen Beziehungen einer Person zu anderen Bezugsobjekten definieren deren Identität, beeinflussen sich dabei gegenseitig und können in komplementärer oder konkurrierender Beziehung zueinander stehen.593 Die Elemente der Identität werden dabei dynamisch im wechselnden sozialen Umfeld konstruiert,594 so dass kontextabhängig die Salienz einer Identität betrachtet werden muss. Die Frage, welche Identifikationsobjekte berücksichtigt werden müssen, hängt demnach davon ab, ob diese vom Konsumenten als Träger einer eigenen Identität wahrgenommen werden.595 Die Auswahl der
586
Vgl. van Dick (2004b), S. 5 f. Als Beispiel führt van Dick an, dass die Identifikation eines Teamleiters mit seinem Team steigt, falls er für den Fall, dass die Leistung seines Teams über der Leistung eines anderen Teams liegt, eine Zulage erhält. Theoretisch steigt also die Identifikation in Wettbewerbssituationen, wobei derartige Prozesse schnell und automatisch ablaufen.
587
Vgl. z. B. Bergami und Bagozzi (2000), S. 555 ff.; Brown et al. (2005), S. 123 ff.; van Knippenberg und Sleebos (2006), S. 571 ff.
588
Vgl. hierzu die metaanalytische Studie von Riketta (2005), S. 358 ff.
589
Bhattacharya et al. (1995), S. 54.
590
Im Rahmen dieser Arbeit entsprechen die unterschiedlichen „Fokusse“ bzw. „Ziele“ der Identifikation den unterschiedlichen „Identifikationsobjekten“ bzw. „Bezugsobjekten“ eines Konsumenten, so dass diese Begriffe teilweise synonym verwendet werden.
591
Vgl. van Dick (2004b), S. 19, sowie Ashforth und Johnson (2001); van Knippenberg und van Schie (2000); Riketta und van Dick (2005); Allen et al. (1983); Thoits (1983).
592
Vgl. Pratt (1998); Reed II (2002).
593
Vgl. Jones und McEwen (2000).
594
Jones und McEwen diskutieren die Mannigfaltigkeit des Selbstkonzepts bildhaft, indem sie in ihrem „Model of multiple dimensions of identity“ das Selbstkonzept als Kern, um den sich kreuzende Kreise befinden, darstellen (vgl. Jones und McEwen (2000), S. 405 ff.). Hierbei ist anzumerken, dass der Begriff Dimensions in diesem Beitrag nicht zur Unterscheidung der kognitiven, affektiven und evaluativen Komponenten der Identifikation dient, sondern zur Differenzierung von Identifikations-Dimensionen, die mit unterschiedlichen Fokussen verknüpft sind.
595
Stokburger-Sauer, Bauer und Mäder sehen insbesondere bei Unternehmen, die nur eine gleichnamige Marke betreiben, eventuell die Möglichkeit auf einen Verzicht der Unterscheidung zwischen den beiden Identifikationszielen Marke und Unternehmen (vgl. Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 923ff.).
82
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
unterschiedlichen Identifikationsobjekte ist somit situationsabhängig, wobei sich bisherige Studien zur Konsumentenidentifikation meist auf ein Identifikationsobjekt beschränken. Als Fokus der Identifikation werden insbesondere eine Marke596, ein Unternehmen597 oder eine Community598 herangezogen.599 Nur wenige Untersuchungen wählen eine feinere Differenzierung und berücksichtigen gleichzeitig die Identifikation mit einer Marke und einer dazugehörigen Brand Community. 600 Beispielsweise stellen Carlson, Suter und Brown für die Identifikation mit einer Gruppe einen signifikanten Effekt auf die Ausprägung des Psychological Sense of Community601 fest, wohingegen die Identifikation mit der Marke keinen Einfluss auf dieses Konstrukt aufweist. 602 Weitergehende Differenzierungen hinsichtlich der Bezugsobjekte Marke und Community finden sich in Studien von Algesheimer, der sowohl das Konstrukt der Identifikation als auch die Konstrukte Loyalität und Weiterempfehlung hinsichtlich der Marke und der Community unterscheidet und deren Wirkungszusammenhänge analysiert.603 Im Hinblick auf eine Beurteilung der Bedeutung der Identifikation aus ökonomischer Sicht ist jedoch bei diesen beiden Studien die fehlende Integration des im Dienstleistungsmanagement – insbesondere der Service-Profit Chain – zentralen Erfolgsindikators „Zufriedenheit“ zu bemängeln. Es wurden weder die Zusammenhänge der Zufriedenheit mit den verschiedenen Bezugsobjekten noch der relative Einfluss von Zufriedenheit und Identifikation auf die Loyalität bzw. Weiterempfehlung untersucht.604 Eine derart differenzierte Betrachtung ist allerdings aufgrund der oben aufgezeigten notwendigen theoretischen Unterscheidung verschiedener Ziele der Identifikation und der Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bezugsobjekten angebracht. 605 Daher wird auch für das Identifikationskonstrukt der in Kapitel 3.1 geforderten Unterscheidung verschiedener Bezugsobjekte von Brand-
596
Vgl. z. B. Fournier (1998); He und Balmer (2007); Kim et al. (2001); Underwood et al. (2001).
597
Vgl. Berger et al. (2006); Bhattacharya und Sen (2003); Cardador und Pratt (2006); Keh und Xie (2009).
598
Vgl. z. B. Ouwersloot und Odekerken-Schröder (2008).
599
Das Identifikationskonzept wird zudem zur Erklärung des Fanverhaltens im Sport eingesetzt. Fokus der Identifikation ist dabei eine Mannschaft oder ein Verein. Wann definiert die Fanidentifikation als „...the extent that a fan feels psychologically connected to a team” (Wann (1997), S. 331). Demnach beschreibt die Identifikation die Einheit aus Fans und Mannschaft bzw. deren Beziehung zueinander (vgl. Madrigal (1995), S. 208). Underwood, Bond und Baer sehen dabei die Fanidentifikation als Ausdruck der sozialen Identitätstheorie (vgl. Underwood et al. (2001), S. 3). Die Berücksichtigung dieses Konzepts im Sport dient insbesondere der Erklärung der Fanloyalität bei sportlichen Misserfolgen (vgl. z. B. Branscombe und Wann (1993), S. 1 ff.; Huber et al. (2006), S. 44 ff.).
600
Vgl. Algesheimer et al. (2005); Carlson et al. (2008).
601
Vgl. Abschnitt 3.3.2.1.4.
602
Vgl. Carlson et al. (2008), S. 284 ff.
603
Vgl. Algesheimer et al. (2005), S. 19 ff.; Algesheimer et al. (2006), S. 933 ff.
604
Vgl. hierzu die Abschnitte 1.1 und 3.3.3.
605
Vgl. van Knippenberg und van Schie (2000), S. 137 ff. Die Notwendigkeit der Unterscheidung der Identifikation mit der Marke bzw. deren Brand Community wird z. B. von Bagozzi und Dholakia aufgezeigt (Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 46 ff.).
Konzeptualisierung der Determinanten der unternehmerischen Zielgrößen
83
Community-Mitgliedern gefolgt und zwischen den Identifikationsobjekten Brand Community, Marke und Unternehmen differenziert.606 Die gemeinsame Identifikation mit der Brand Community stellt für die Mitglieder der Markengemeinschaft eine fundamentale Gemeinsamkeit dar und ermöglicht die Abgrenzung zu anderen Communities.607 Folglich beziehen Mitglieder einer Brand Community einen wichtigen Teil ihrer Identität aus der Mitgliedschaft in einer Brand Community.608 Gleichzeitig zählt auch die Identifikation mit einer Marke 609 zu den elementaren Bestandteilen einer Brand Community,610 so dass auch die Marke als Fokus der Identifikation zu untersuchen ist. In den letzten Jahren lässt sich zudem ein tieferes Verständnis der Unternehmensidentität feststellen, was sich in einer Hervorhebung der Charakterzüge eines Unternehmens zeigt. 611 Da diese nicht zwangsläufig mit der Marke gleichzusetzen sind, muss neben der Identifikation von Brand-Community-Mitgliedern mit der Marke auch deren Identifikation mit dem Unternehmen612 betrachtet werden.613 Die notwendige konzeptionelle Unterscheidung der Identifikation eines Konsumenten mit einer Marke bzw. der Identifikation mit dem Unternehmen selbst zeigt sich insbesondere am Beispiel von Unternehmen, die entweder eine Mehrmarkenstrategie verfolgen (z. B. Procter & Gamble) oder stark diversifizierte Geschäftsfelder betreiben (z. B. General Electrics).614 Im Rahmen dieser Arbeit wird die Konsumentenidentifikation daher wie folgt definiert:
606
Vgl. Ambler et al. (2002), S. 18 ff.; Stokburger-Sauer (2010), S. 347 ff.
607
Vgl. Schögel et al. (2005), S. 2.
608
Huber et al. (2006); O'Guinn und Muniz (2005).
609
Die Identifikation mit einer Marke wird von einigen Autoren als Antezedenz und Konsequenz des „customer based brand equity“ (vgl. Keller (1993) gesehen, da sie einerseits die Markenwahrnehmung verbessert und zu einer höheren Markentreue führt, andererseits ein hoher Markenwert die Attraktivität der Marke sowie deren Beitrag zum Selbstkonzept eines Kunden und damit die Identifikation erhöht (vgl. Gladden et al. (1998); Huber et al. (2003); Underwood et al. (2001)).
610
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 412.
611
Dies stellt beispielsweise Balmer bei der Auseinandersetzung mit dem Stand der Forschung zur identitätsbasierten Sichtweise eines Unternehmens fest (vgl. Balmer (2008), S. 880). Gleichzeitig sieht Balmer eine Gefährdung der Identifikation mit einem Unternehmen durch die gegenwärtigen Outsourcing-Bestrebungen von Unternehmen, die aus Sicht der Konsumenten zunehmend den Kern bzw. die Identität des Unternehmens verwässern (vgl. Balmer (2008), S. 879).
612
Die Identifikation von Konsumenten mit Unternehmen beinhaltet ebenso wie alle Formen der Gruppenidentifikation auch eine emotionale Komponente. Eine hohe Identifikation tritt insbesondere dann auf, wenn ein Unternehmen für den Konsumenten persönliche Relevanz hat und diese wiederum das Potenzial für emotionale Reaktionen schafft (vgl. Einwiller et al. (2006), S. 192).
613
Dabei ist anzumerken, dass die Identifikation mit einem Unternehmen aufgrund meist deutlich stärker beworbener Marken für Konsumenten eine eher untergeordnete Rolle spielt. Eine große Bedeutung der Identifikation mit einem Unternehmen konnte hingegen für Mitarbeiter im Rahmen zahlreicher Untersuchungen in der Organisationsforschung festgestellt werden (vgl. z. B. Bell und Menguc (2002); Benkhoff (1997); Berger et al. (2006); Wieseke et al. (2007)).
614
Vgl. Keh und Xie (2009), S. 733 f.
84
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities Die Identifikation eines Konsumenten mit einer Brand Community / einer Marke / einem Unternehmen bezeichnet die wahrgenommene Einheit mit oder die Zugehörigkeit zu dieser Brand Community / dieser Marke / diesem Unternehmen sowie die Beurteilung und die emotionale Bedeutung dieser Einheit oder Zugehörigkeit.615
Die Konzeptualisierung der drei Konstrukte Identifikation mit der Brand Community, Identifikation mit der Marke und Identifikation mit dem Unternehmen im Rahmen dieser Arbeit folgt dabei jeweils den vorausgegangenen allgemeinen Ausführungen zur Konzeptualisierung in Abschnitt 3.3.2.3. 3.3.3
Zufriedenheit
Bei der Untersuchung von Brand Communities und deren Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg kommt neben der Identifikation auch der Zufriedenheit eine tragende Rolle zu. Sie steht im Mittelpunkt der Service-Profit Chain und wird als notwendige Bedingung für positives Nachkaufverhalten, Mund-zu-Mund-Propaganda, erhöhtes Cross-Selling-Potenzial und eine geringere Preissensibilität angesehen.616 Die Bedeutung der Zufriedenheit für den langfristigen Unternehmenserfolg konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden.617 Auch bei Brand Communities weisen empirische Untersuchungen positive Effekte der Zufriedenheit auf die Loyalität der Mitglieder gegenüber der Community nach und bestätigen damit die große Relevanz des Zufriedenheitskonstrukts im Community-Kontext.618 Allgemein kann Zufriedenheit als Folge eines psychischen Vergleichsprozesses interpretiert werden.619 Nach Oliver beruht das Zufriedenheitsurteil eines Konsumenten auf dem Vergleich zwischen erwarteter und tatsächlicher Leistung: Werden die Erwartungen eines Konsumenten erfüllt bzw. übertroffen, führt dies zu Kundenzufriedenheit, ist dies nicht der Fall zu Kundenunzufriedenheit.620 Dieser Erklärungsansatz wird in der wissenschaftlichen Literatur als sog. Confirmation/Disconfirmation-Paradigma (C/D-Paradigma) bezeichnet. 621 Das C/D-
615
Eigene Definition. Vgl. hierzu Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 927; Wieseke et al. (2009), S. 124.
616
Vgl. z. B. Anderson und Sullivan (1993), S. 125 ff.; Anderson (1998), S. 5 ff.; Chandrashekaran et al. (2007), S. 153 ff; Mittal et al. (1999), S. 88 ff.
617
Vgl. z. B. Anderson et al. (1994); Fornell (1992); Fornell et al. (1996); Maxham III und Netemeyer (2002a); Olsen (2002); Zeithaml et al. (1996).
618
Vgl. Czaplewski und Gruen (2004), S. 165; McAlexander et al. (2003), S. 6; Stokburger-Sauer (2010), S. 362.
619
Vgl. z. B. Trommsdorff (2004), S. 139.
620
Vgl. Oliver (1980), S. 460 f.
621
Vgl. Bearden und Teal (1983), S. 21; Cadotte et al. (1987), S. 305; Churchill und Surprenant (1982), S. 491; Oliver (1997), S. 99.
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
85
Paradigma stellt das vorherrschende Modell622 zur Konzeptualisierung der Kundenzufriedenheit dar, so dass diesem auch im Rahmen dieser Arbeit gefolgt wird.623 Die Kundenzufriedenheit kann sich einerseits auf die Geschäftsbeziehung, die über die Beziehungsdauer bewertet wird, oder andererseits auf eine spezifische Transaktion beziehen. 624 Dabei kann die Kundenzufriedenheit entweder als einstellungsbezogenes Konstrukt625 oder ausschließlich als das Ergebnis eines kognitiven Soll-Ist-Vergleichs gesehen werden.626 Die Nähe zu Einstellungen gilt insbesondere für die Betrachtung der gesamten Beziehung zu einem Anbieter, da diese letztlich das Resultat von wiederholten Zufriedenheitsurteilen ist und eher allgemeinen Bezug aufweist. 627 Die transaktionsspezifische Herangehensweise liefert keine Aufschlüsse für eine langfristige Kundenloyalität, da diese eher auf globalen und durch mehrfache Konsumerlebnisse fundierten Zufriedenheitsurteilen basiert. Daher entwickelte sich die Sichtweise der „kumulierten Zufriedenheit“, die die „Evaluierung der gesamten Erfahrungen mit einem Anbieter und dessen Produkten“ beschreibt.628 Damit wird im Hinblick auf das Untersuchungsziel, das längerfristige Verhalten von Brand-CommunityMitgliedern zu analysieren, die Zufriedenheit als einstellungsnahes Konstrukt aufgefasst.629 Entsprechend der in Kapitel 3.1 angeführten Besonderheiten bei der Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern müssen auch hinsichtlich der Zufriedenheitskonstrukte die drei unterschiedlichen Bezugsobjekte Brand Community, Marke und Unternehmen differenziert werden, da sie unterschiedliche Leistungen bzw. Beiträge zur Brand Community leisten und unterschiedliche Erwartungen an diese existieren. 3.4
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
Basierend auf der vorangegangenen Darstellung theoretischer Konstrukte ist die Entwicklung einer auf diesen Erkenntnissen aufbauenden Modellstruktur zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in virtuellen Markengemeinschaften Gegenstand des folgenden Kapitels.
622
Eine Übersicht über weitere Theorien zur Zufriedenheit findet sich z. B. bei Homburg und Stock-Homburg (2006), S. 17-51.
623
Oliver definiert Kundenzufriedenheit als „(…) the consumer’s fulfillment response. It is a judgement that a product or service feature, or the product or service itself, provided (or is providing) a pleasurable level of consumption related fulfillment, including levels of under- or over-fulfilment“ (Oliver (1997), S. 13).
624
Vgl. Anderson et al. (1994), S. 55; Dwyer et al. (1987), S. 12; Dwyer et al. (1987); Homburg und Rudolph (2001), S. 16.
625
Vgl. Churchill und Surprenant (1982), S. 493; Westbrook und Reilly (1983), S. 256.
626
Vgl. Oliver (1997), S. 13.
627
Vgl. Bitner (1990), S. 70.
628
Vgl. Homburg et al. (1999), S. 174.
629
Vgl. Homburg und Rudolph (2001), S. 16; Rust et al. (1995), S. 64.
86
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
3.4.1
Motivation – Identifikation
Wie in Abschnitt 3.3.1.2 dargestellt, können die Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community vielfältig und komplementär sein. Eine Markengemeinschaft ermöglicht die Befriedigung unterschiedlichster Bedürfnisse wie beispielsweise die Interaktion mit anderen Teilnehmern, den Aufbau von Beziehungen mit Gleichgesinnten oder das (gemeinsame) Erleben einer bestimmten Marke. Für Konsumenten, die derartige Motive verfolgen, stellen diese Angebote der Brand Community einen situativen Anreiz dar, der sie dazu motiviert, an der Markengemeinschaft teilzunehmen.630 Die Motivation der Mitglieder ist dabei ein entscheidender Einflussfaktor der Entwicklung einer emotionalen Bindung an die Brand Community. 631 Der Grund hierfür ist die Komplementarität der Motive der Teilnehmer einer Community. Dholakia und Bagozzi bezeichnen eine Virtual Community daher auch als „motive-matching market“. 632 Beispielsweise suchen einige Konsumenten Hilfe bei Problemen mit einem Produkt, wohingegen andere insbesondere die Unterstützung anderer Markenenthusiasten als wesentliches Motiv haben. Ebenso können Motive der Teilnehmer einer Brand Community auch durch die Marke selbst oder durch ein Unternehmen, das die Marke besitzt, erfüllt werden. Diese haben z. B. das Ziel, die Marke über die Brand Community zu bewerben, wodurch gleichzeitig das Bedürfnis einer Gruppe von Konsumenten nach Informationen über diese Marke befriedigt wird. Komplementäre Motive können auch der Wunsch einiger Konsumenten zur Abgabe von Verbesserungsvorschlägen und das unternehmerische Ziel der Integration von Konsumenten in die Produktinnovation sein. Diese ausgewählten Beispiele illustrieren, dass eine Brand Community ein effizienter Weg ist, um komplementäre Motive abzugleichen. Diese Komplementarität der Motive führt zu einer Einheit zwischen Konsumenten und der Brand Community. Die Bindung kann dabei an mehrere mit der Brand Community in Verbindung stehende Bezugsobjekte erfolgen, wobei im Folgenden, wie in Abschnitt 3.1 erläutert, die Community, die Marke und das Unternehmen unterschieden werden.633 Dementsprechend ist zu erwarten, dass sich ein Konsument umso stärker mit einem dieser Bezugsobjekte identifiziert, je größer die Überlappung der Motive des Konsumenten mit dem Bezugsobjekt ist.634 Somit sind die Motive ein zentraler Einflussfaktor der Beziehung der Konsumenten zur Brand Community, die sich insbesondere in der gemeinsamen
630
Vgl. Casalo et al. (2007), S. 787. Vgl. hierzu auch das Grundmodell der „klassischen“ Motivationspsychologie in Kapitel 3.3.1.1.1.
631
Vgl. Dholakia und Bagozzi (2003), S. 255; Casalo et al. (2007), S. 787.
632
Vgl. Dholakia und Bagozzi (2003), S. 259.
633
Vgl. die Ausführungen in Kapitel 3.1 sowie Stokburger-Sauer (2010), S. 347 ff.
634
Vgl. Dholakia und Bagozzi (2003), S. 259; Dholakia et al. (2004), S. 245.
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
87
sozialen Identität widerspiegelt.635 Letztere kann daher als „an active, selective, and volitional act, resulting from the fulfilment of one or more motives“636 gesehen werden. Der Zusammenhang zwischen der Motivation zur Teilnahme an einer Brand Community und der Identifikation mit dieser lässt sich auch durch die Bedeutung der Motivation für die Integration in eine Brand Community erklären. Verfolgt ein Konsument ein oder mehrere Motive durch die Teilnahme an der Community, integriert er sich stärker in die Community. Die Integration in eine Brand Community und die damit verbundene soziale Interaktion wirkt auf die Entwicklung von Identitäten ein. Die Identifikation des Konsumenten mit der Brand Community ist letztlich die Konsequenz dieses Prozesses.637 Der positive Einfluss der Motivation zur Partizipation an einer Brand Community auf die Identifikation mit der Brand Community konnte bereits empirisch belegt werden,638 so dass auch im Rahmen dieser Untersuchung folgende Hypothesen gelten: H1c:
Je höher die Motivation zur Teilnahme an der Brand Community, desto höher die Identifikation mit der Community.
H1m:
Je höher die Motivation zur Teilnahme an der Brand Community, desto höher die Identifikation mit der Marke.
H1u:
Je höher die Motivation zur Teilnahme an der Brand Community, desto höher die Identifikation mit dem Unternehmen.
3.4.2
Zufriedenheit – Loyalität
Der positive Zusammenhang zwischen der Kundenzufriedenheit und der Kundenloyalität stellt einen der zentralen Wirkungszusammenhänge der Service-Profit Chain dar und ist in der wissenschaftlichen Literatur weithin akzeptiert. Aus theoretischer Sicht kann sowohl ein lernals auch ein risikotheoretischer Ansatz zur Erklärung herangezogen werden. Die lerntheoretischen Ansätze postulieren die „Änderung einer Verhaltensmöglichkeit aufgrund von Erfahrungen oder Beobachtungen.“639 Positive Erfahrungen werden von Konsumenten demnach als lohnenswert betrachtet, führen zur Zufriedenheit der Konsumenten und die Bereitschaft zum Wiederkauf wird erhöht.640 Auch die Risikotheorie legt einen positiven Zusammenhang zwi-
635
Vgl. Hoppe (2009), S. 255.
636
Vgl. Dholakia und Bagozzi (2003), S. 259; Bhattacharya und Sen (2003), S. 79.
637
Vgl. Rao et al. (2000), S. 268 ff.; Stokburger-Sauer (2010), S. 352.
638
Signifikante positive Auswirkungen auf die Identifikation mit einer Brand Community wurden z. B. für die Motive „Information Value“, „Social Enhancement Value“ und „Entertainment Value“ nachgewiesen (vgl. Hoppe (2009), S. 198 ff.).
639
Rothschild und Gaidis (1981), S. 70. Vgl. auch Nord und Peter (1980); Peter und Nord (1982).
640
In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Ansatz zum Lernen nach dem Verstärkungsprinzip (auch „Operant Conditioning“ oder „Instrumental Learning“) relevant (vgl. Engel et al. (1993), S. 396; KroeberRiel et al. (2008), S. 334 f.).
88
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
schen Zufriedenheit und Loyalität nahe.641 Konsumenten bevorzugen demnach einen Anbieter, mit dem sie bereits zufriedenstellende Erfahrungen gemacht haben, um ihre Unsicherheit bezüglich eines Anbieters zu reduzieren. Aufgrund der hohen Bedeutung der Konstrukte Zufriedenheit und Loyalität in der Marketingund Dienstleistungsforschung wurde der Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten dementsprechend häufig in empirischen Studien untersucht. Zu den bekanntesten Untersuchungen zählen branchenübergreifende Studien des schwedischen Kundenzufriedenheitsbarometers von Zeithaml, Berry und Parasuraman bzw. des amerikanischen Kundenzufriedenheitsindex von Fornell, die beide einen positiven Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalität feststellen.642 Dieser signifikante Einfluss der Zufriedenheit auf die Wiederkaufabsicht wurde grundsätzlich auch von zahlreichen anderen Autoren bestätigt.643 Entsprechend der theoretischen Überlegungen und empirischen Befunde zum Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Loyalität wird folgende Hypothese in das Forschungsmodell aufgenommen: H2:
Je höher die Zufriedenheit eines Konsumenten, desto höher seine Loyalität.
3.4.3
Zufriedenheit – Weiterempfehlungsverhalten
Der Grad der Zufriedenheit eines Konsumenten gilt auch allgemein als elementare Determinante des Weiterempfehlungsverhaltens.644 Dabei wird angenommen, dass zufriedene Kunden positive Weiterempfehlungen abgeben, wohingegen unzufriedene Kunden negative Weiterempfehlungen aussprechen.645 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zufriedene Kunden durch die Abgabe von Weiterempfehlungen ihr Bedürfnis, sich selbst in einem positiven Licht darzustellen, befriedigt.646 Durch das Weiterempfehlen eines Angebots können zudem kogni-
641
Vgl. Cox (1967).
642
Vgl. Zeithaml et al. (1996); Fornell (1992); Fornell et al. (1996).
643
Vgl. z. B. Bearden und Teal (1983); Hallowell (1996); Maxham III und Netemeyer (2002a); Oliver (1980); Richins (1983); Homburg et al. (2009); Stokburger-Sauer et al. (2008). Eine genauere Untersuchung des funktionalen Zusammenhangs zwischen den Konstrukten Zufriedenheit und Loyalität findet sich z. B. bei Söderlund (1998); Jones und Sasser Jr. (1995); Chandrashekaran et al. (2007).
644
Vgl. Anderson (1998), S. 6; Helm (2000), S. 285; Horbel und Woratschek (2009), S. 423 ff.; Reichheld und Sasser (1990), S. 107; von Wangenheim (2003), S. 259; von Wangenheim et al. (2006), S. 311. Eine ausführliche Diskussion der Zufriedenheit als Determinante der Weiterempfehlung findet sich z. B. bei Horbel (2008), S. 37 ff.
645
Vgl. Anderson (1998), S. 13; Bowman und Narayandas (2001), S. 293 f.; de Matos und Rossi (2008), S. 580. Im Rahmen dieser Arbeit werden unter dem Weiterempfehlungsverhalten bzw. dem WOM ausschließlich positive Weiterempfehlungen verstanden.
646
Vgl. Anderson (1998), S. 6.
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
89
tive Dissonanzen abgebaut und eine Rechtfertigung der eigenen Entscheidung erreicht werden.647 Das insbesondere für die Neukundengewinnung bedeutende Weiterempfehlungsverhalten von Konsumenten wurde in der Vergangenheit in zahlreichen empirischen Studien untersucht. Dabei konnte der positive Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Weiterempfehlung grundsätzlich bestätigt werden.648 Diese Ergebnisse wurden in jüngeren Untersuchungen zudem für das Weiterempfehlungsverhalten im Internet überprüft.649 Dementsprechend lautet die dritte Hypothese: H3:
Je höher die Kundenzufriedenheit, umso größer die Weiterempfehlungsabsicht.
3.4.4
Identifikation – Loyalität
Obwohl das Identifikationskonstrukt in Arbeiten aus der Psychologie und Organisationsforschung eine lange Forschungstradition hat,650 steht die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Identifikation und Loyalität erst seit kurzem im Fokus der Konsumentenverhaltensforschung. In einem konzeptionellen Beitrag schlagen Bhattacharya und Sen vor, dass Konsumenten, die sich stärker mit einem Unternehmen identifizieren, auch eine höhere Loyalität zu diesem Unternehmen aufweisen. 651 Mehrere Autoren haben diesen Zusammenhang in empirischen Studien bestätigen können.652 Demnach ermöglicht die Identifikation den Konsumenten eine tief gehende Verbundenheit mit einer Marke, einem Unternehmen, einer Community oder einem beliebigen Identifikationsobjekt, die sich auch in einer höheren Einstellungsloyalität niederschlägt. Aus theoretischer Sicht können für diesen Wirkungszusammenhang mehrere Gründe, die hauptsächlich auf der soziale Identitätstheorie basieren, angeführt werden. 653 Erstens können durch die Loyalität Bedürfnisse der Selbstdefinition erfüllt und das Zugehörigkeitsgefühl gesteigert werden. Zweitens ziehen stark identifizierte Individuen einen emotionalen Nutzen aus ihrer Identifikation, der wegfallen würde, falls sie die Marke wechseln würden.654 Drittens unter-
647
Vgl. Arndt (1967), S. 53 ff.; Blackwell et al. (2001), S. 404.
648
Vgl. Brown et al. (2005); Heckman und Guskey (1998); Hennig-Thurau et al. (2002); Mittal et al. (1999); Price und Arnould (1999); Swan und Oliver (1989); von Wangenheim und Bayón (2007). Keinen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und der Weiterempfehlung finden hingegen z. B. Bettencourt (1997), Reynolds und Beatty (1999) oder Arnett et al. (2003).
649
Vgl. z. B. Hennig-Thurau et al. (2004), S. 38 ff.; Mayzlin (2006), S. 155 ff.
650
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3.3.1.
651
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003).
652
Vgl. z. B. Ahearne et al. (2005); Homburg et al. (2009); Kuenzel und Halliday (2008). Ahearne, Bhattacharya und Grün stellen fest, dass mit stärkerer Identifikation eine Erhöhung der Produktnutzung einhergeht (vgl. Ahearne et al. (2005), S. 574 ff.).
653
Vgl. hierzu auch Homburg et al. (2009), S. 43.
654
Vgl. Ahearne et al. (2005), S. 574 ff.; Bhattacharya und Sen (2003), S. 76 ff.
90
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
stützen nach den Überlegungen der sozialen Identitätstheorie Mitglieder einer Gruppe die Gruppe, zu der sie gehören, um deren Status zu verbessern.655 Loyales Verhalten kann in diesem Sinn als Unterstützung der Organisation gesehen werden. Daher wird folgende Hypothese aufgestellt: H4:
Je höher die Identifikation mit einem Bezugsobjekt, desto loyaler das Verhalten gegenüber diesem.
3.4.5
Identifikation – Weiterempfehlungsverhalten
In der Vergangenheit wurde theoretisch und empirisch gezeigt, dass die organisationale Identifikation das sog. Extra Role Behavior fördert. Extra Role Behavior beschreibt dabei beliebige Verhaltensweisen zum Nutzen der Organisation, die nicht unter das eigentliche Rollenverständnis eines Individuums fallen.656 Bei Mitarbeitern eines Unternehmens zählen hierzu beispielsweise das Organizational Citizenship Behavior657 sowie prosoziales,658 kontextabhängiges659 und spontanes660 Verhalten. Das Konzept des Extra Role Behavior wurde unter dem Begriff Customer Extra Role Behavior auch auf Konsumenten übertragen661 und beschreibt dort Verhaltensweisen, die über formale Rollendefinitionen und Verantwortlichkeiten eines Kunden hinausgehen und darauf abzielen, dem Unternehmen zu helfen.662 Während rollenkonformes Verhalten663 aus der Verwendung des Produktes und den Wiederkaufabsichten des Konsumenten besteht, umfasst das Customer Extra Role Behavior das Engagement des Konsumenten zugunsten des Unternehmens wie z. B. das Weiterempfehlungsverhalten, Produktverbesserungsvorschläge, Neukundengewinnung, die proaktive Kommunikation antizipierter Probleme und die Verteidigung des Unternehmens in der Öffentlichkeit.664 In der Organisations- und Marketingforschung wurde bereits detailliert aufgezeigt, dass diese das Unternehmen unterstützenden Verhaltensweisen maßgeblich durch die Identifikation
655
Vgl. hierzu die Ausführungen zum Zusammenhang zwischen der Identifikation und dem Customer Extra Role Behavior in Abschnitt 3.4.5.
656
Vgl. MacKenzie et al. (1998), S. 87 ff.; Maxham III et al. (2008), S. 147 ff.
657
Vgl. Organ (1990), S. 43 ff.; Podsakoff et al. (2000), S. 513 ff.; Smith et al. (1983), S. 653 ff.
658
Vgl. George und Bettenhausen (1990), S. 698 ff.; Puffer (1987),S. 615 ff.
659
Vgl. z. B. Borman und Motowidlo (1993), S. 98.
660
Vgl. z. B. Bettencourt (1997), S. 383 ff.; George und Brief (1992), S. 310 ff.
661
Vgl. Ahearne et al. (2005), S. 574 ff.; Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 45 ff.; Gruen et al. (2000), S. 34 ff.
662
Vgl. Wuyts (2007), S. 301.
663
Rollenkonformes Verhalten wird in der Literatur unter dem Begriff in-role behavior subsumiert (vgl. Ahearne et al. (2005), S. 574).
664
Vgl. Ahearne et al. (2005), S. 574 ff.; Arnett et al. (2003), S. 89 ff.; Bettencourt (1997), S. 383 ff.; Gruen et al. (2000), S. 34 ff.
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
91
eines Mitarbeiters bzw. Kunden determiniert werden.665 Demnach sind positive Äußerungen über eine Organisation ein Mittel, um seine eigene Identität auszudrücken.666 Somit ist zu erwarten, dass die Wahrscheinlichkeit einer Weiterempfehlung durch einen Konsumenten steigt, je größer die Überlappung beider Selbstbilder ist.667 Zugleich wird durch die Weiterempfehlung die Marke gestärkt, mit der sich das Individuum identifiziert, so dass auch die eigene Position verbessert wird. Äquivalent können im Fall der Identifikation mit einer Brand Community durch die Weiterempfehlung der Community neue Mitglieder geworben werden, was wiederum die Community und damit auch die eigene Position stärkt. Individuen mit starker Identifikation verbessern somit durch die Weiterempfehlung des Identifikationsobjekts ihre eigene Stellung. Folgerichtig konstatieren Bhattacharya und Sen, dass „consumers become the champions of the companies with whom they identify.”668 Der positive Effekt der Identifikation auf das Weiterempfehlungsverhalten konnte auch in empirischen Studien bestätigt werden,669 so dass auch im Rahmen dieser Arbeit die folgende Hypothese angenommen wird: H 5:
Je stärker die Identifikation eines Konsumenten, desto größer die Weiterempfehlung durch den Konsumenten.
3.4.6
Identifikation – Zufriedenheit
Gemäß der vorangehend aufgestellten Hypothesen 2 und 4 stellen sowohl das Identifikationskonstrukt als auch die Zufriedenheit zentrale Einflussgrößen der Loyalität dar. Gleichzeitig stellt sich jedoch die Frage, ob auch ein direkter Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten besteht. Homburg, Wieseke und Hoyer gehen in ihrer Erweiterung der Service-Profit Chain davon aus, dass Identifikation und Loyalität voneinander unabhängig sind.670 Vielmehr modellieren sie einen zufriedenheits- und einen identifikationsgetriebenen Pfad, die getrennt voneinander für eine Erhöhung der Kundenloyalität verantwortlich sein können.
665
Vgl. z. B. Bhattacharya und Sen (2003), S. 76 ff.; Dukerich et al. (2002), S. 47 ff.; Dutton et al. (1994), S. 239 ff.; Mael und Ashforth (1992), S. 103 ff.; Scott und Lane (2000), S. 43 ff.
666
Vgl. Arnett et al. (2003).
667
Vgl. Bettencourt (1997). Dieser Zusammenhang wurde auch im Rahmen der Dyade MitarbeiterUnternehmen bestätigt (vgl. z. B. Bergami und Bagozzi (2000), S. 555; Konovsky und Pugh (1994), S. 656 ff.).
668
Bhattacharya und Sen (2003), S. 76 f.
669
Vgl. z. B. Algesheimer (2004), S. 418 ff.; Ahearne et al. (2005), S. 574 ff.; Bergami und Bagozzi (2000), S. 555 ff.; Homburg et al. (2009), S. 38 ff.; Kuenzel und Halliday (2008), S. 293 ff.; Brown et al. (2005), S. 123 ff.; Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 943 ff.
670
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 39 f.
92
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
Dies steht im Widerspruch zu theoretischen Überlegungen und empirischen Ergebnissen, die einen Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten sehen. 671 Im Rahmen dieser Untersuchung soll daher die existierende Literatur zur Service-Profit Chain erweitert werden, indem die Beziehung zwischen Identifikation und Zufriedenheit berücksichtigt wird.672 Da die bisherigen Veröffentlichungen, in denen der Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten behandelt wird, über die Richtung des Einflusses uneins ist, werden zunächst die unterschiedlichen Sichtweisen vorgestellt und daran anschließend die entsprechende Hypothese abgeleitet. So wird einerseits angenommen, dass eine höhere Zufriedenheit mit einer Organisation auch eine stärkere Identifikation mit dieser nach sich zieht.673 Dem liegt die Hypothese zu Grunde, dass zufriedene Konsumenten auch ihr Bedürfnis nach Selbstdefinition erfüllt haben und daher dem Identifikationsobjekt mehr positive Eigenschaften (mit denen man sich identifizieren will) zuschreiben. Andererseits sehen zahlreiche Autoren die Identifikation als antezedente Variable der Zufriedenheit. 674 Dies lässt sich dadurch begründen, dass Konsumenten aus ihrer Identifikation einen zusätzlichen Nutzen ziehen.675 Dieser emotionale Nutzen wird durch die Erfüllung von Selbstkongruenzmotiven hervorgerufen und kann neben dem funktionalen Nutzen eines Produktes bzw. einer Leistung die Zufriedenheit positiv beeinflussen.676 Darüber hinaus wird die Identifikation in der Literatur von einigen Autoren als Teil der Beziehungsqualität betrachtet.677 Der positive Zusammenhang zwischen Qualität und Zufriedenheit ist in der Literatur hinreichend belegt,678 so dass auch ein positiver Einfluss der Identifikation auf die Zufriedenheit naheliegt.
671
Vgl. Arnett et al. (2003), S. 89 ff.; Bhattacharya et al. (1995), S. 46 ff.; Bhattacharya und Sen (2003), S. 76 ff.; Kuenzel und Halliday (2008), S. 293 ff.
672
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sollen insbesondere aus Kundensicht relevante Konstrukte berücksichtigt werden. Daher wird sowohl der Anfangsteil der Service-Profit Chain, der sich insbesondere mit Fragestellungen zum Human-Ressource-Management befasst, als auch der Schlussteil, der die finanziellen Auswirkungen abbildet, nicht berücksichtigt. Für die empirische Bestätigung dieser Wirkungszusammenhänge wird z. B. auf Loveman (1998); Maxham III et al. (2008) verwiesen.
673
Diese Argumentation findet sich z. B. bei Arnett et al. (2003), S. 89 ff.; Bhattacharya et al. (1995), S. 46 ff.
674
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2003), S. 1 ff.; Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 923 ff.; van Dick et al. (2004a), S. 351 ff.
675
Vgl. McAlexander et al. (2003), S. 3.
676
Vgl. Bauer et al. (2002), S. 695; Fournier (1998), S. 346; Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 940. Zur allgemeinen Diskussion des Einflusses funktionalen und emotionalen Nutzens vgl. Oliver und Westbrook (1993), S. 12 ff.
677
Eine alternative Argumentation lässt sich durch eine Untersuchung von von Loewenfeld herleiten, der die Identifikation von Konsumenten mit einer Brand Community als Teil der „Beziehungsqualität zur Community“ sieht (vgl. von Loewenfeld (2006), S. 134 ff.).
678
Vgl. z. B. Anderson und Sullivan (1993), S. 125 ff.; Bhote (1996); Oliver (1999), S. 33 ff.
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
93
Die Hypothese, dass sich die Identifikation positiv auf die Zufriedenheit auswirkt, wird zudem durch die Organisationsforschung, in der dieser Zusammenhang bereits seit längerem empirisch untersucht wurde, gestützt. Insbesondere in Studien von van Dick et al. konnte gezeigt werden, dass Mitarbeiter umso zufriedener sind, je stärker sie sich mit einer Organisation identifizieren.679 In dieser Untersuchung wird daher die Hypothese aufgegriffen, dass die Identifikation eine antezedente Variable der Zufriedenheit ist und folgende Hypothese formuliert: H 6:
Je stärker die Konsumentenidentifikation, desto höher die Zufriedenheit.
Im Untersuchungsmodell übt die Zufriedenheit der Konsumenten somit nicht nur einen direkten Effekt auf die ökonomischen Zielgrößen Loyalität und Weiterempfehlung aus, sondern mediiert zugleich den Zusammenhang zwischen der Konsumentenidentifikation und diesen Größen. Diese Mediation fehlt in bisherigen Studien, die sowohl die zufriedenheits- als auch die identifikationsbasierte Kundenbindung untersucht haben und dabei keine Zusammenhänge zwischen beiden Konstrukten berücksichtigen. 3.4.7
Brand-Community-spezifische Erweiterung der Hypothesen
Nachdem die grundlegenden Zusammenhänge der im Forschungsmodell berücksichtigten Konstrukte vorgestellt wurden, werden im Folgenden Erweiterungen für den BrandCommunity-Kontext vorgenommen. Diese sind vor allem darin begründet, dass verschiedene Bezugsobjekte (Brand Community, Marke, Unternehmen) berücksichtigt werden müssen.680 Die oben beschriebenen Hypothesen (H2 bis H6) gelten grundsätzlich für jedes dieser Bezugsobjekte, d. h. bei der Betrachtung der Hypothese beziehen sich beide Konstrukte stets auf das gleiche Bezugsobjekt. Beispielsweise kann Hypothese 5 bezogen auf die Brand Community als „Je stärker die Identifikation eines Konsumenten mit der Brand Community, desto größer die Weiterempfehlung der Brand Community durch den Konsumenten“ formuliert werden. Ist die Marke das Bezugsobjekt, so lautet die Hypothese dementsprechend „Je stärker die Identifikation eines Konsumenten mit einer Marke, desto größer die Weiterempfehlung der Marke durch den Konsumenten.“ Allerdings sind die Bezugsobjekte in der Wahrnehmung der Konsumenten bzw. der Brand-Community-Mitglieder nicht isoliert zu sehen, sondern stehen in Verbindung zueinander.681 So wird angenommen, dass ein Konstrukt nicht nur auf ein nachgelagertes Konstrukt mit dem gleichen Bezugsobjekt wirkt, sondern dass der Wirkungszu-
679
Vgl. van Dick et al. (2004a).
680
Aufgrund der vorherrschenden Bedeutung der Community- bzw. Marken-Beziehung wurde jedoch darauf verzichtet, die Kundenbindung an das Unternehmen bzw. die Weiterempfehlung des Unternehmens mit in die Untersuchung aufzunehmen.
681
Vgl. McAlexander et al. (2003), S. 3 ff. Die Wirkungszusammenhänge zwischen unterschiedlichen Bezugsobjekten werden in der vorliegenden Arbeit auch als „Interaktionseffekte“ bezeichnet.
94
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
sammenhang zwischen beiden Konstrukten – in abgeschwächter Form – auch dann anzunehmen ist, wenn das nachfolgende Konstrukt ein anderes Bezugsobjekt hat. Beispielsweise wird angenommen, dass Brand-Community-Mitglieder, die sich stark mit der Community identifizieren, sowohl loyaler gegenüber dieser Community als auch gegenüber der Marke, auf die sich die Community bezieht, sind. Demnach übt die Mitgliedschaft in einer Brand Community einen positiven Effekt auf die Loyalität des Mitglieds zur Marke aus. Die Markenloyalität wird durch die Qualität des sozialen Erlebnisses der Gleichgesinnten im Umfeld der Marke beeinflusst.682 Einige der Wirkungszusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Bezugsobjekten wurden auch bereits durch empirische Studien belegt. Dies ist z. B. für den positiven Zusammenhang zwischen der Identifikation mit der Community und der Loyalität gegenüber der Marke der Fall.683 Eine Ausnahme bei der Annahme von Interaktionseffekten zwischen den Bezugsobjekten stellt der Zusammenhang zwischen Identifikation und Zufriedenheit dar. Da die Zufriedenheit als Vergleich des Ergebnisses der Erwartungen eines Konsumenten mit der konkret wahrgenommenen Qualität einer Leistung gesehen wird (vgl. Abschnitt 3.3.3), werden für dieses Konstrukt keine Interaktionseffekte zwischen den Bezugsobjekten angenommen. 3.4.8
Brand-Community-Loyalität – Markenloyalität
Von besonderem Interesse ist zudem die Wechselwirkung zwischen Brand Community und Marke. Hier ist zu vermuten, dass Mitglieder einer Brand Community, die beabsichtigen, dieser treu zu bleiben, sich als Konsequenz auch loyal gegenüber der Marke verhalten.684 Ein Wechsel der Marke bei hoher Loyalität zur Brand Community würde kognitive Dissonanzen auslösen, die das Community-Mitglied vermeiden will und daher weiterhin Käufer und Nutzer der Marke bleibt.685 Ein Markenwechsel würde zudem zum Ausschluss aus der Brand Community und damit zum Wegfall sozialer Beziehungen führen.686 Der zusätzliche Nutzen aus den Beziehungen zur und innerhalb der Community führt somit zu einer höheren Loyalität gegenüber der Marke, die somit auch Ergebnis der Qualität der sozialen Erlebnisse im Rah-
682
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 951. Muniz und O’Guinn sehen hier sogar die Möglichkeit einer extrem starken Loyalität zur Marke und bezeichnen dies als „hyper-loyality“ (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427).
683
Vgl. z. B. McAlexander et al. (2003), S. 6. Auch Algesheimer, Herrmann und Dimpfel stellen in einer empirischen Untersuchung fest, dass die Loyalität zur Marke ist insbesondere das Ergebnis der Qualität der sozialen Erlebnisse im Rahmen der Brand Community und nicht einer positiv erlebten Beziehung zur Marke ist (vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 951). Die Qualität der sozialen Erlebnisse weist dabei große Überschneidungen zum Identifikationskonstrukt der vorliegenden Studie auf.
684
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 939; McAlexander et al. (2002), S. 51 ff.; von Loewenfeld (2006), S. 276.
685
Vgl. die Ausführungen zur Theorie der kognitiven Dissonanzen in Abschnitt 3.2.2.1.
686
Vgl. McAlexander et al. (2002), S. 50. Die Wechselkosten der Teilnehmer steigen dabei mit Dauer der Integration in die Brand Community, da der Aufbau von Freundschaften und Reputation innerhalb der Community eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt (vgl. Herstatt und Tietz (2005), S. 48 f.).
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
95
men der Brand Community ist.687 Auch empirische Studien belegen den positiven Zusammenhang zwischen Brand-Community-Loyalität und Markenloyalität. 688 Dementsprechend gilt auch für diese Untersuchung die folgende Hypothese: H7 :
Eine stärkere Absicht zur Loyalität gegenüber der Brand Community erhöht die intendierte Loyalität gegenüber der Marke.
3.4.9
Brand-Community-Weiterempfehlung – Weiterempfehlung Marke
Die gleiche Argumentation gilt auch für die Erklärung des Zusammenhangs zwischen der intendierten Weiterempfehlung der Brand Community und der intendierten Weiterempfehlung der Marke. Die Empfehlung einer Marke, die nicht der Marke entspricht, die im Mittelpunkt der Brand Community steht, sondern mit dieser sogar konkurriert, würde zu kognitiven Dissonanzen führen. Demnach wird die folgende Hypothese aufgestellt: H8:
Je höher die Weiterempfehlung der Community, desto höher die Weiterempfehlung der Marke.
Die vorgestellten Hypothesen werden in Tabelle 3 zusammengefasst und konkretisiert. Durch die Angabe zusätzlicher Indizes werden die Wirkungen von einem spezifischen Bezugsobjekt bzw. auf ein spezifisches Bezugsobjekt präzisiert.689 Alle Pfade des Untersuchungsmodells werden in Abbildung 10 grafisch veranschaulicht.
687
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 951; Rosenbaum et al. (2005).
688
Vgl. z. B. Algesheimer et al. (2005); Algesheimer et al. (2006).
689
Zur Differenzierung der Hypothesen im Hinblick auf die verschiedenen Bezugsobjekte werden hinter den Hypothesennummern im Folgenden Buchstaben zur Kennzeichnung der Bezugsobjekte hinzugefügt. Dabei werden folgende Kürzel verwendet: c = Community, m = Marke, u = Unternehmen und w = Mehrwert. Der Hypothesenindex setzt sich demnach stets aus Hypothesennummer, Kürzel für das Bezugsobjekt der unabhängigen latenten Variable und Kürzel für das Bezugsobjekt der abhängigen Variable zusammen. Die Hypothese H4cm konkretisiert z. B. den durch Hypothese 4 beschriebenen positiven Einfluss der Identifikation auf die Loyalität für die Verbindung der Bezugsobjekte Community (c) und Marke (m).
96
Modellierung des Konsumentenverhaltens in Brand Communities
H1: Motivation ĺ Identifikation Einfluss auf die Identifikation mit der Community H1c Motivation ĺ Identifikation Community Einfluss auf die Identifikation mit der Marke H1m Motivation ĺ Identifikation Marke Einfluss auf die Identifikation mit dem Unternehmen H1u Motivation ĺ Identifikation Unternehmen H2: Zufriedenheit ĺ Loyalität Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Community H2cc Zufriedenheit Community ĺ Loyalität Community H2mc Zufriedenheit Marke ĺ Loyalität Community H2uc Zufriedenheit Unternehmen ĺ Loyalität Community Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Marke H2cm Zufriedenheit Community ĺ Loyalität Marke H2mm Zufriedenheit Marke ĺ Loyalität Marke H2um Zufriedenheit Unternehmen ĺ Loyalität Marke H3: Zufriedenheit ĺ Weiterempfehlung Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Community H3cc Zufriedenheit Community ĺ Weiterempfehlung Community H3mc Zufriedenheit Marke ĺ Weiterempfehlung Community H3uc Zufriedenheit Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Community Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Marke H3cm Zufriedenheit Community ĺ Weiterempfehlung Marke H3mm Zufriedenheit Marke ĺ Weiterempfehlung Marke H3um Zufriedenheit Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Marke H4: Identifikation ĺ Loyalität Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Community H4cc Identifikation Community ĺ Loyalität Community H4mc Identifikation Marke ĺ Loyalität Community H4uc Identifikation Unternehmen ĺ Loyalität Community Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Marke H4cm Identifikation Community ĺ Loyalität Marke H4mm Identifikation Marke ĺ Loyalität Marke H4um Identifikation Unternehmen ĺ Loyalität Marke H5: Identifikation ĺ Weiterempfehlung Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Community H5cc Identifikation Community ĺ Weiterempfehlung Community H5mc Identifikation Marke ĺ Weiterempfehlung Community H5uc Identifikation Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Community Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Marke H5cm Identifikation Community ĺ Weiterempfehlung Marke H5mm Identifikation Marke ĺ Weiterempfehlung Marke H5um Identifikation Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Marke H6: Identifikation ĺ Zufriedenheit Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Community H6cc Identifikation Community ĺ Zufriedenheit Community Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Marke H6mm Identifikation Marke ĺ Zufriedenheit Marke Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Unternehmen H6uu Identifikation Unternehmen ĺ Zufriedenheit Unternehmen
Hypothesenbildung und Ableitung des Untersuchungsmodells
97
H7: Loyalität Community ĺ Loyalität Marke H7cm Loyalität Community ĺ Loyalität Marke H8: Weiterempfehlung Community ĺ Weiterempfehlung Marke H8cm Weiterempfehlung Community ĺ Weiterempfehlung Marke
Übersicht der formulierten Hypothesen für die Hauptstudie
Zufriedenheit Community
Bezugsobjekt Community
Tabelle 3:
H2cc H3cc
Loyalität Community
H3cm H2cm
H6cc
H7cm H4cc
Weiterempfehlung Community
H5cc
Identifikation Community
H5cm
H3mc
H2mc Zufriedenheit Marke
H2mm
H8cm
H3mm Loyalität Marke
Bezugsobjekt Marke
H4cm
H6mm
Weiterempfehlung Marke
H5mc H1c H1m
H4mm
Identifikation Marke
H1u
H5mm
H2um
Zufriedenheit Unternehmen
H3um H4uc
H6uu
H4um
H5uc
H5um Identifikation Unternehmen
Abbildung 10:
H3uc
H2uc
Untersuchungsmodell
Bezugsobjekt Unternehmen
Motivation zur Teilnahme
H4mc
4 Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern 4.1
Konzeption der empirischen Studie im Überblick
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln der Bezugsrahmen der Untersuchung spezifiziert, die zu untersuchenden Konstrukte konzeptualisiert und das Hypothesensystem aufgestellt wurden, soll im Folgenden die empirische Überprüfung des Strukturgleichungsmodells erfolgen. Dieses besteht aus der Motivation von Brand-Community-Mitgliedern für deren Teilnahme an der Community, deren Bedeutung für die Identifikation von Konsumenten mit der Community, der Marke oder dem Unternehmen sowie den unternehmerischen Zielgrößen Kundenbindung und Weiterempfehlung. Das Modell besteht somit ausschließlich aus Hypothesen zwischen hypothetischen Konstrukten.690 Diese sind als solche nicht direkt beobachtbar, daher gilt es zunächst im Rahmen der Operationalisierung messbare Größen (Indikatoren691) zu identifizieren.692 Die Operationalisierung der Konstrukte erfolgt auf Basis der in der Literatur vorhandenen Erkenntnisse und es werden Skalen ausgewählt, die sich in empirischen Untersuchungen als reliabel und valide erwiesen haben.693 Für Konstrukte, die bislang nicht ausreichend beschrieben wurden, wie es in der vorliegenden Arbeit auf die Motivation zur Teilnahme an der Brand Community zutrifft, wird anhand der Literatur sowie durch Experteninterviews ein Fragenkatalog erarbeitet, welcher im Rahmen einer quantitativen Vorstudie validiert wird. Die empirische Überprüfung des vollständigen Untersuchungsmodells erfolgt daher in zwei Schritten: Eine Vorstudie dient der Operationalisierung der Motivation von BrandCommunity-Mitgliedern und der Identifikation zentraler Motivations-Dimensionen, die zur Verfeinerung des Strukturgleichungsmodells eingesetzt werden. Dessen empirische Überprüfung findet dann durch eine weitere quantitative Erhebung im Rahmen der Hauptstudie statt.
690
Im Folgenden werden die Begriffe theoretische, hypothetische und latente Größe für nicht direkt messbare Variablen verwendet. Diese werden allgemein auch als Konstrukte oder Faktoren bezeichnet und stehen im Gegensatz zu den so genannten beobachtbaren, manifesten Größen, für Variable, die direkt messbar sind (vgl. Bagozzi und Fornell (1982), S. 24 f. und Meffert (1992), S. 183).
691
„Indikatoren sind unmittelbar meßbare Sachverhalte, welche das Vorliegen der gemeinten, aber nicht direkt erfassbaren Phänomene … anzeigen.“ (Kroeber-Riel et al. (2008), S. 31). Die Begriffe Indikator und Item werden im Folgenden synonym verwendet. Vgl. weiterhin Kroeber-Riel et al. (2008), S. 31 ff., Backhaus et al. (2008), S. 340 ff. und S. 415 ff.
692
„Die Operationalisierung eines Begriffs besteht in der Angabe einer Anweisung, wie Sachverhalte, die der Begriff bezeichnet, gemessen werden können.“ (Schnell et al. (1999), S. 121). „Zu den Begriffen müssen Beobachtungsoperationen angebbar sein, so dass entschieden werden kann, ob der mit dem Begriff gemeinte Tatbestand in der Realität vorliegt, bzw. in welchem Maße er vorliegt.“ (Kromrey (1991), S. 113). Vgl. auch Homburg und Giering (1996), S. 5 ff.
693
Zur Skalenentwicklung im Konsumentenverhalten vgl. Churchill (1979), S. 64 ff. und DeVillis (1991), S. 128 ff.
B. Popp, Markenerfolg durch Brand Communities, DOI 10.1007/978-3-8349-6712-1_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
1. Schritt
Ziel
Vorgehen
Entwicklung einer Ausgangsmenge an Indikatoren
Literaturrecherche / Experteninterviews
Erhebung der Motivationen von Brand-Community-Mitgliedern
Quantitative Onlinebefragung
Identifikation der zentralen Motivations-Dimensionen zur Konkretisierung des Strukturgleichungsmodells
Exploratorische Faktorenanalyse
Entwicklung einer Ausgangsmenge an Indikatoren
Vorstudie / Literaturrecherche
Erhebung der Konstrukte bei Brand-Community-Mitgliedern
Quantitative Onlinebefragung
Ermittlung der Wirkungszusammenhänge zwischen den Konstrukten
Schätzung Strukturgleichungsmodell
99
Vorstudie
2. Schritt
Hauptstudie
Abbildung 11:
Vorgehensweise der empirischen Untersuchung
Als Untersuchungsgegenstand dient sowohl für die Vor- als auch für die Hauptstudie eine offizielle Brand Community, in deren Mittelpunkt eine Produktmarke eines Herstellers alkoholhaltiger Getränke steht. Die Community wird vom Hersteller betrieben und ermöglicht es Fans der Marke, sich über zahlreiche interaktive Elemente (Chats, Foren, Clubs) auszutauschen, Informationen vom Unternehmen zu erhalten und Spiele und weitere Unterhaltungselemente zu nutzen. Insgesamt legt das Unternehmen großen Wert auf die Interaktion mit den Konsumenten und die Schaffung von mit der Marke verbundenen Erlebnissen und setzt dafür neben der Brand Community eine Vielzahl weiterer Services (z. B. Markenevents) für die Kunden ein. 4.2
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
Strukturgleichungsmodelle dienen im Marketing insbesondere zur Überprüfung theoretisch fundierter Erklärungsmodelle694 und sind in den letzten Jahrzehnten in der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung von unbestrittener Bedeutung.695 Auch in der Hauptstudie 694
Vgl. Steenkamp und Baumgartner (2000), S. 197.
695
Vgl. Homburg und Klarmann (2006), S. 727. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der Anwendungen der Kausalanalyse in nationalen und internationalen betriebswirtschaftlichen Zeitschriften wieder (vgl. die Übersichtsartikel von Hulland et al. (1996); Baumgartner und Homburg (1996); Steenkamp und Baumgartner (2000); Krafft et al. (2003); Hildebrandt und Temme (2005)).
100
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
der vorliegenden Arbeit kommt zur Schätzung der Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen ein Strukturgleichungsmodell zum Einsatz. Im Folgenden werden daher die Grundlagen der Strukturgleichungsmodellierung vorgestellt. Hierfür lassen sich insbesondere drei Gründe anführen: Erstens soll dadurch die Wahl der Messmodelle der theoretischen Konstrukte erläutert werden; zweitens lässt sich anhand der Gemeinsamkeiten und Unterschiede varianz- und kovarianzbasierter Schätzverfahren die Verfahrenswahl der vorliegenden Arbeit begründen; und drittens können die im Hinblick auf die Auswertung der empirischen Studie relevanten Kriterien zur Überprüfung der Spezifikation und Güte von kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen vorgestellt werden. In einem Strukturgleichungsmodell werden auf der Grundlage von Modellindikatoren die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen latenten Variablen eines Erklärungsmodells geschätzt. Ein Strukturgleichungsmodell besteht somit aus zwei Teilmodellen: Das sog. Messmodell assoziiert in einem konfirmatorischen Faktormodell die beobachteten Indikatoren mit den latenten Variablen,696 während das Strukturmodell die exogenen und die endogenen latenten Variablen in Beziehung setzt (vgl. Abbildung 12).697 Infolgedessen bietet die Kausalanalyse den Vorteil, die Faktorenanalyse und die Regressionsanalyse zu kombinieren und gleichzeitig die Messung von Konstrukten und die Schätzung von Dependenzen zu erlauben. Strukturmodell
Reflektives Messmodell
Ȣ1 į1
x1
Ȝ11 ȟ1
į2
x2
Ȝ21
x3
Ȝ32
x4
Ȝ42
Ȗ11
Formatives Messmodell
y1
İ1
Ȝ21
y2
İ2
Ȝ32
y3
İ3
Ȝ42
y4
İ4
Ș1
Ȗ12 ȕ21
Ɏ12 Ȗ21 ȟ2 į3 Messmodell der latenten exogenen Variablen Abbildung 12:
Ȝ11
Ȗ22
Ș2 Ȣ2 Messmodell der latenten endogenen Variablen
Schematische Darstellung eines Strukturgleichungsmodells
696
Vgl. z. B. Jöreskog und Sörbom (1989), S. 3.
697
Dabei ähnelt das Strukturmodell im Aufbau einem Regressionsmodell (vgl. z. B. Leeflang (2000), S. 443 f.; Bagozzi und Baumgartner (1994), S. 386 ff.).
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen 4.2.1
101
Strukturmodell
Das Strukturmodell bildet die durch die Hypothesen spezifizierten Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Variablen ab. Das vereinfachte Kausalmodell698 in Abbildung 12 besteht aus zwei exogenen Variablen ȟ (lies: Ksi) und zwei endogenen Variablen Ș (lies: Eta). Endogene Variablen werden durch das Strukturmodell erklärt, während exogene Variablen durch das Modell nicht erklärt werden. Die zur Messung der exogenen latenten Variablen verwendeten Indikatorvariablen werden mit x und die Messfehler der reflektiv operationalisierten latenten Variablen mit į (lies: Delta) bezeichnet. Die Indikatoren zur Messung der endogenen latenten Variablen werden durch y und eventuell spezifizierte Messfehler mit İ (lies: Epsilon) abgekürzt. Für die Faktorladungen wird für beide Messmodelle die Notation Ȝ (lies: Lambda) verwendet. Die Beziehung zwischen exogenen und endogenen Variablen wird durch den Buchstaben Ȗ (lies: Gamma) beschrieben. Schließlich sind Zusammenhänge zwischen exogenen Variablen durch Ɏ (lies: Phi) und Zusammenhänge zwischen endogenen Variablen durch ȕ (lies: Beta) aufgeführt. 4.2.2
Messmodell
Beim Messmodell einer latenten Variable muss zwischen formativen und reflektiven Messgrößen unterschieden werden. 699 Formative Indikatoren beeinflussen die latente Variable, wohingegen reflektive Indikatoren von der latenten Variable verursacht werden.700 Welche Indikatoren zur Messung eines Konstrukts in Frage kommen, wird von Sachlogik und Untersuchungskontext vorgegeben.701 4.2.2.1
Reflektive Messmodelle
In einem reflektiven Messmodell wird eine Kausalität von der theoretischen Ebene zur Beobachtungsebene angenommen. Damit wird implizit unterstellt, dass das latente Konstrukt die
698
Der Begriff Kausalanalyse soll im Rahmen dieser Arbeit synonym für Strukturgleichungsmodelle mit latenten Variablen verwendet werden, es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dies nicht ganz unproblematisch ist, da die Anwendung des Verfahrens nur unter sehr speziellen Bedingungen auch Rückschlüsse auf die Kausalität zulässt (vgl. Pearl (2000); Scholderer et al. (2006)).
699
Der Einsatz formativer und reflektiver Messmodelle im Marketing und Konsumentenverhalten wird z. B. bei Jarvis et al. (2003) bzw. Albers und Hildebrandt (2006) diskutiert. Zur ausführlichen Betrachtung formativer Messmodelle vgl. bspw. Diamantopoulos und Winklhofer (2001); Wilcox et al. (2008); Diamantopoulos et al. (2008); Gudergan et al. (2008). Im Marketing dominieren weiterhin reflektive Messmodelle (vgl. z. B. die Zusammenstellungen in Bearden und Netmeyer (1999) bzw. Bruner II et al. (2005)), die bspw. bei Jarvis et al. (2003), S. 200, vorgestellt werden.
700
Vgl. Bagozzi (1979), S. 16 ff., Bagozzi und Fornell (1982), S. 34 ff., Bollen (1989), S. 64 ff., Homburg und Giering (1996), S. 5 ff.
701
Wenngleich in der Konsumentenverhaltensforschung reflektive Messungen der Konstrukte vorherrschend sind, so lassen sich viele Konstrukte sowohl reflektiv als auch formativ operationalisieren (vgl. z. B. Fassott und Eggert (2005), S. 32; Völckner (2003), S. 84).
102
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
ihm zugeordneten Indikatoren verursacht.702 Messfehlerbedingte Verzerrungen bei einzelnen Indikatoren können durch die Zuweisung von mehreren Indikatoren zu einem Konstrukt in gewissem Umfang aufgefangen werden.703 Die tatsächliche von Messfehlern bereinigte Varianz eines latenten Konstrukts ergibt sich demnach aus der gemeinsamen Varianz aller Indikatoren. Die Indikatoren eines latenten Konstrukts sollten stark korrelieren, da sie austauschbare Messungen darstellen.704 Falls alle Indikatoren das latente Konstrukt exakt beschreiben würden und frei von Messfehlern wären, besäßen alle Indikatoren untereinander einen Korrelationskoeffizienten von 1. Eine hohe Korrelation der Indikatoren eines Konstrukts wird daher als Hinweis auf ein reliables und valides Messmodell gesehen.705 4.2.2.2
Formative Messmodelle
Im Gegensatz zu reflektiven Messmodellen stehen formative Messmodelle für eine Wirkungsrichtung von der Beobachtungsebene zur theoretischen Ebene. Das latente Konstrukt konstituiert sich aus den beeinflussenden Indikatoren. Ändert sich die Ausprägung eines Indikators, führt dies notwendigerweise zu einer Änderung des Wertes des latenten Konstrukts; die Ausprägungen der anderen Indikatoren können hiervon jedoch unberührt sein. Eine hohe Korrelation der Indikatoren eines latenten Konstrukts ist demnach nicht nötig.706 Da im formativen Messmodell die Indikatoren die kausalen Bestandteile des latenten Konstrukts sind und dieses die Messfehler auffängt, besitzen diese keinen eigenen Fehlerterm.707 4.2.2.3
Wahl eines geeigneten Messmodells
Die Frage nach der Operationalisierung eines latenten Konstrukts durch reflektive oder formative Indikatoren ist für eine Untersuchung von zentraler Bedeutung.708 Die Spezifikation der Messmodelle sollte vor dem Hintergrund der Untersuchung auf Basis inhaltlicher Überlegungen erfolgen.709 Zielt die Untersuchung auf Handlungsempfehlungen im Sinne der Analyse von Erfolgsfaktoren bzw. Einflussgrößen eines Konstrukts ab, so sollte eine formative Operationalisierung erfolgen.710 Dadurch lassen sich Aussagen über die Ursachen und die Beein-
702
Vgl. Edwards und Bagozzi (2000), S. 161.
703
Vgl. Homburg und Dobratz (1998), S. 450.
704
Vgl. Bollen und Lennox (1991), S. 305 ff.
705
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 8 ff.
706
Vgl. Nunnally und Bernstein (1994), S. 489.
707
Zur Interpretation des Fehlerterms bei formativen Messmodellen vgl. Diamantopoulos (2006), S. 7.
708
Vgl. Herrmann et al. (2006), S. 46. Die Probleme und Konsequenzen der Fehlspezifikation eines Messmodells wurden in der jüngeren Literatur zur Strukturgleichungsmodellierung von zahlreichen Autoren aufgezeigt. Vgl. z. B. Jarvis et al. (2003), S. 207 ff.; MacKenzie et al. (2005), S. 716 ff.; Albers und Hildebrandt (2006), S. 16 ff.; Diamantopoulos (2006), S. 266 ff.; Diamantopoulos et al. (2008), S. 1203 ff.; Wilcox et al. (2008), S. 1219 ff.
709
Vgl. Albers und Hildebrandt (2006), S. 10 ff.; Herrmann et al. (2006), S. 46.
710
Vgl. Albers und Hildebrandt (2006), S. 4.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
103
flussbarkeit des latenten Konstrukts ableiten. Die reflektive Operationalisierung hingegen erlaubt die Erfassung eines latenten Konstruktes mittels ihm zugehöriger, mit Messfehlern behafteten Indikatoren.711 In Tabelle 4 werden abschließend die wichtigsten Entscheidungskriterien für die Spezifikation des Messmodells zusammengefasst. In der vorliegenden Untersuchung wurden alle latenten Konstrukte reflektiv operationalisiert. Reflektives Messmodell Kausalität von Konstrukt zu Messwerten Indikatoren lassen sich als gleich valide Messungen ein und desselben Konstrukts austauschen Messwerte sollten korreliert sein (sie besitzen interne Konsistenz) Entfernung eines Indikators aus dem Messmodell ändert nicht die Bedeutung des Konstrukts Messfehler auf Item-Ebene
Tabelle 4:
4.2.3
Formatives Messmodell Kausalität von Messwerten zu Konstrukt Indikatoren eines Konstrukts lassen sind nicht beliebig austauschen Messwerte müssen nicht korreliert sein Entfernung eines Indikators aus dem Messmodell ändert die Bedeutung des Konstrukts Messfehler auf Konstrukt-Ebene
Reflektive vs. formative Messmodelle712
Schätzverfahren
Strukturgleichungsmodelle können in zwei grundlegende Ansätze unterteilt werden: Die kovarianzerklärenden Strukturgleichungsmodelle (auch als Kovarianzstrukturanalyse oder LISREL-Ansatz bekannt) und die varianzerklärenden Strukturgleichungsmodelle (typischerweise als PLS-Ansatz bekannt).713 4.2.3.1
Kovarianzbasierte Schätzung von Strukturgleichungsmodellen
Der LISREL-Ansatz von Jöreskog714 war in den vergangenen Jahrzehnten der dominierende Ansatz der Strukturgleichungsmodellierung. Dementsprechend existieren zahlreiche kontinuierlich weiterentwickelte Softwarepakete (z. B. LISREL, Mplus, EQS und Amos), in denen eine kovarianzbasierte Schätzung von Strukturgleichungsmodellen implementiert ist. Der Kovarianzstrukturanalyse liegt die Idee zu Grunde, die Parameter eines Gleichungssystems so zu wählen, dass die aus dem Modell theoretisch ableitbare Kovarianzmatrix der manifesten Variablen eine möglichst gute Annäherung an die empirisch beobachtete Kovarianzmatrix darstellt. Dementsprechend ist es möglich die Hypothese zu prüfen, dass beide Kovarianzmatrizen übereinstimmen. Dies bedeutet wiederum, dass das Strukturgleichungsmodell und die darin beschriebenen Theorien unterstützt bzw. falsifiziert werden kön-
711
Vgl. Albers und Hildebrandt (2006), S. 11; Herrmann et al. (2006), S. 49.
712
In Anlehnung an Jarvis et al. (2003), S. 201.
713
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 550.
714
Vgl. Jöreskog (1970).
104
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
nen. Eine explizite Kenntnis bzw. Schätzung der Werte der latenten Variablen ist dabei nicht nötig, allerdings müssen die Verteilungseigenschaften der Variablen bekannt sein. Zur Modellschätzung können verschiedene Schätzmethoden herangezogen werden.715 Meist kommt die Maximum-Likelihood-Methode (ML) zum Einsatz, die eine multivariate Normalverteilung der Daten voraussetzt, allerdings auch bei einer Abweichung von dieser Voraussetzung robuste Ergebnisse liefert. 716 Da die Methode der ungewichteten kleinsten Quadrate (unweighted least squares, ULS) nicht auf die Normalverteilung angewiesen ist, kommt auch dieser eine besondere Bedeutung unter den Schätzverfahren zu.717 Obwohl der ML-Schätzer der effizientere der beiden ist,718 sind beide grundsätzlich gut zur Parameterschätzung geeignet.719 Simulationsstudien zeigen, dass die Parameterschätzungen selbst nur gering vom verwendeten Schätzalgorithmus beeinflusst werden, wohl aber die globalen 720 Anpassungsmaße.721 Ein weiteres Merkmal kovarianzbasierter Strukturgleichungsmodelle ist, dass die Identifikation, d. h. die eindeutige Lösbarkeit des Gleichungssystems, eine ausreichend große Stichprobengröße 722 voraussetzt. Eine weitere Einschränkung hinsichtlich der Schätzbarkeit eines Forschungsmodells stellt die Berücksichtigung latenter Konstrukte mit formativen Indikatoren dar. Diese können bei kovarianzbasierten Schätzverfahren nur verwendet werden, wenn das formativ gemessene Konstrukt als ausgehende Pfade mindestens zwei unkorrelierte reflektive Indikatoren, zwei unkorrelierte latente Konstrukte oder Kombinationen von beidem aufweist.723 Weiterhin zielt die kovarianzbasierte Modellschätzung nicht nur auf die Bereinigung des Anteils zufälliger Messfehler, sondern zugleich auf die Modellierung möglicher systematischer Messfehler der Indikatoren.724 Dies entspricht dem Grundgedanken der Hauptachsen-
715
Die Auswahl des geeigneten Schätzalgorithmus orientiert sich in der Praxis an der Multinormalverteilung der Indikatoren, der Skaleninvarianz der Fitfunktion, der erforderlichen Stichprobengröße und der Verfügbarkeit von Inferenzstatistiken. Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 368 ff.
716
Vgl. Scholderer und Balderjahn (2006), S. 62; West et al. (1995); Chou und Bentler (1995); Arbuckle (1996). Die Robustheit der Ergebnisse nimmt zudem mit steigender Fallzahl zu (vgl. Byrne (2001)).
717
Zahlreiche Autoren empfehlen bei fehlender Normalverteilung der Daten die Verwendung des UnweigtedLeast-Squares-Verfahrens (vgl. Backhaus et al. (2006), S. 370 f.; Herrmann et al. (1999), S. 685; Homburg und Hildebrandt (1998), S. 22; Siems (2003), S. 138).
718
Vgl. Bollen (1989), S. 112.
719
Vgl. Bollen (1989), S. 120; Jöreskog und Wold (1982), S. 264.
720
Zu den globalen Anpassungsmaßen vgl. Abschnitt 4.2.4.1.
721
Vgl. Bentler und Chou (1987), S. 89; Sharma et al. (1989). Weitere Empfehlungen zum Einsatz des MLSchätzers zeigen Simulationsstudien in Ximénez und García (2005); Ximénez (2006).
722
Bei Anwendung der ML-Schätzung werden meist abhängig von der Komplexität des Modells mindestens 200 Datensätze gefordert (vgl. z. B. Herrmann et al. (2006), S. 44).
723
Vgl. z. B. Diamantopoulos et al. (2008); Temme (2006); MacKenzie et al. (2005).
724
Vgl. Reinecke (2005), S. 13 f.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
105
analyse (engl. principal axes factor analysis, PFA), bei der die einzelnen Variablen zusätzlich zu ihrer wahren Varianz eine Messfehlervarianz aufweisen. 725 Die ermittelten Konstrukte bzw. Faktoren erklären das Beziehungsmuster zwischen den Variablen, das sich auf Basis der wahren Varianz ergibt.726 Diese sog. Minderungskorrektur von Korrelationen ermöglicht die Schätzung von Beziehungen zwischen reliablen Varianzanteilen unter Kontrolle der Messfehler und macht den Einsatz des LISREL-Ansatzes für Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler besonders attraktiv.727 4.2.3.2
Varianzbasierte Schätzung von Strukturgleichungsmodellen
In der aktuellen Marketing-Literatur ist inzwischen ein deutlicher Anstieg in der Verbreitung des von Wold728 begründeten PLS-Ansatzes zu verzeichnen. Einerseits trägt zu dieser Entwicklung die Verfügbarkeit anwenderfreundlicher Software bei, da Lohmöllers729 erste leistungsfähige PLS-Software-Implementierung LVPLS 1.8 erst in den letzten Jahren wesentlich verbessert und PLS-Programme (z. B. PLS-Graph, Spad-PLS und SmartPLS) angeboten wurden. 730 Andererseits ist die zunehmende Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mittels des PLS-Ansatzes auf grundlegende Unterschiede zwischen diesem und dem LISRELAnsatz zurückzuführen.731 Der PLS-Ansatz zielt auf eine bestmögliche Reproduktion der beobachteten Datenmatrix, d. h. der Indikatorwerte, ab.732 Mittels eines zweistufigen Vorgehens werden hierfür zunächst konkrete Schätzwerte der latenten Variablen ermittelt, die im zweiten Schritt zur Schätzung der übrigen Parameter dienen. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass nur wenige Voraussetzungen an die Verteilung der Daten bzw. den Umfang der Datenbasis gestellt werden und formative Konstrukte problemlos berücksichtigt werden können. Nachteilig am Schätzmechanismus des PLS-Ansatzes ist hingegen vor allem die Tatsache, dass es keine – in der Literatur
725
Die zufälligen Messfehler der Indikatoren eines latenten Konstrukts lassen sich leicht durch eine konfirmatorische Faktorenanalyse ermitteln (vgl. Steenkamp und Baumgartner (2000), S. 198).
726
Vgl. Fabrigar et al. (1999); Moosbrugger und Kelava (2007), S. 310.
727
Vgl. Scholderer und Balderjahn (2005), S. 88 f.; Scholderer und Balderjahn (2006), S. 58.
728
Vgl. Wold (1966).
729
Vgl. Lohmöller (1988); Lohmöller (1989).
730
Vgl. Fassott und Eggert (2005), S. 20 ff. Weitere Informationen über gängige Softwarepakete zur Schätzung varianzerklärender Strukturgleichungsmodelle und deren Vergleich findet sich bspw. bei Kline (2005), S. 77 ff. und Byrne (2001). Eine Übersicht aktueller Programme zum PLS-Ansatz liefert bspw. Temme et al. (2010). In der neueren Literatur zur Schätzung empirischer Modelle mit latenten Konstrukten wurde von Buckler zudem eine Kombination des PLS-Ansatzes mit den noch flexibleren, selbstlernenden künstlichen neuronalen Netzen vorgestellt (vgl. Buckler und Hennig-Thurau (2008), S. 47 ff.; Buckler (2008), S. 6 ff.).
731
Ein ausführlicher Vergleich der beiden Ansätze und Literaturhinweise auf weitere vergleichende Arbeiten findet sich bei Scholderer und Balderjahn (2005) und Herrmann et al. (2006).
732
Vgl. Herrmann et al. (2006), S. 44.
106
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
akzeptierten – Kriterien für eine globale Modellbewertung gibt.733 Auch die Signifikanz einzelner Parameter kann nur mit Hilfe des Bootstrapping-Verfahrens bestimmt werden. Im Rahmen des PLS-Ansatzes werden die Konstrukte als lineare Kombination der mit Messfehlern behafteten Indikatoren dargestellt. Folglich sind die Konstruktwerte und die darauf basierenden Parameterschätzungen des Strukturgleichungsmodells inkonsistent.734 Die Konstruktwerte liegen dadurch näher an ihren Indikatoren, da sie deren Messfehler teilweise beinhalten. Dies führt letztlich dazu, dass die Verbindungen zwischen Konstrukt und Indikator überschätzt werden, wohingegen die Beziehungen zwischen latenten Variablen unterschätzt werden.735 Wie Areskoug bewiesen hat, gleichen sich die Über- bzw. Unterschätzung im Mess- bzw. Strukturmodell aus, so dass die Korrelationen zwischen Indikatoren verschiedener latenter Variablen konsistent sind.736 Insgesamt werden die Unterschiede in den Schätzern kovarianz- und varianzbasierter Verfahren als gering eingestuft.737 Zwar ist die systematische Überschätzung der Faktorladungen und die Unterschätzung der Parameter festzuhalten, allerdings ist die Rangfolge der Effektstärken identisch und deren Relation weitgehend proportional.738 Dennoch ist festzuhalten, dass latente Konstrukte im PLS-Ansatz ausschließlich aus ihren Indikatoren bestehen, wohingegen kovarianzbasierte Verfahren anhand der Daten „unbestimmte“ latente Größen ermitteln.739 4.2.3.3
Wahl des Schätzverfahrens
Wie sich aus den vorangehenden Ausführungen zur kovarianz- und zur varianzbasierten Schätzung von Strukturgleichungsmodellen erkennen lässt, kann die Kovarianzanalyse grundsätzlich für die Prüfung theoretischer Modelle empfohlen werden, wohingegen die Stärke des PLS-Algorithmus in der Prognose zu sehen ist. Bei der Verfahrenswahl schlägt Fornell vor, dass „each researcher must make a decision about the relative weight that should be given to data vs. theory”.740 In der Literatur wurden zudem zahlreiche weitere Unterscheidungsmerkmale der beiden Verfahren diskutiert. Diese sind in der nachfolgenden Tabelle 5 skizziert, für eine vertiefte Diskussion aller Spezifika der beiden Verfahren wird jedoch auf die weiterführende Literatur
733
Vgl. z. B. Betzin und Henseler (2005), S. 50.
734
Vgl. Fornell und Cha (1994), S. 66; Chin und Newsted (1999), S. 328.
735
Vgl. Lohmöller (1989).
736
Vgl. Areskoug (1982), S. 95 ff; Dijkstra (1983), S. 67 ff.; Fornell und Cha (1994), S. 67; Chin und Newsted (1999), S. 329.
737
Vgl. z. B. Wold (1980), S. 52; Jöreskog (1978), S. 443 ff.
738
Vgl. Herrmann et al. (2006), S. 41 ff.
739
Vgl. Chin und Newsted (1999), S. 307 ff.; Tenenhaus et al. (2005), S. 159 ff.
740
Fornell (1989), S. 165.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
107
verwiesen.741 Vielmehr sollen die Ausführungen auf die für die Verfahrenswahl im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausschlaggebenden Aspekte fokussiert werden. Merkmal Ziel des Algorithmus Stichprobengröße
Varianzbasiert - PLS Bestmögliche Vorhersage der Datenmatrix (hinsichtlich Zielvariablen) Kleine Stichproben oft ausreichend; abhängig von größter Prädiktorenzahl (formative Indikatoren oder antezedente Konstrukte)
Verteilungsannahmen
Nur weiche Annahmen einer Kleinstquadratschätzung
Inferenzstatistik
Nur auf Basis von Hilfsprozeduren
Konsistenz der Schätzer
Konsistent bei hoher Indikatorenkennzahl; erhöhte Konsistenz bei höherer Stichprobe aufgrund asymptotischer Eigenschaften der Schätzer Konservativ, da Algorithmus immanent unterschätzt
Schätzer der Strukturmodellebene Identifikation Unsinnige Werte Konstruktwerte Anwendbare Gütekriterien Formative Konstrukte Komplexität der Modelle Implikationen Messmodelle
Berücksichtigung von Messfehlern
Optimierung Modellcharakter
Tabelle 5:
741
Immer identifiziert Können nicht auftreten Determiniert (explizit geschätzt) Linearkombinationen (composite variables) Entsprechend Algorithmus nur partielle Gütekriterien hinsichtlich Vorhersage der Datenmatrix adäquat Problemlos möglich Hohe Komplexität möglich (z. B. 100 Konstrukte und 1000 Indikatoren) Optimal für Vorhersagegenauigkeit Weitgehend entsprechend der Hauptkomponentenanalyse (kombiniert mit kanonischer Korrelationsanalyse) Konfundierte Varianzanteile Æ Überschätzung von Faktorladungskoeffizienten und Unterschätzung von Pfadkoeffizienten im Strukturmodell Partielle Optimierung ohne globales Gütekriterium Nicht gezogene Pfade werden nicht in der Schätzung berücksichtigt Æ Einschränkungen beim Test komplexer Modellstrukturen, da keine Möglichkeit, das Modell so zu restringieren, dass es durch die Daten falsifiziert werden könnte Æ „Wahre“ Struktur des Modells muss bereits vorab bekannt sein
Kovarianzbasiert - LISREL Bestmögliche Replikation der Kovarianzstruktur der Ausgangsdatenmatrix ML: größer als 200, modellabhängig ULS: kleine möglich, dann aber Robustheitsproblem ML: NV; Schätzer relativ robust gegen Verletzung der NV, Anpassungen möglich (z. B. SatorraBentler-Korrektur) ULS: keine NV gefordert; ohne NV Inferenzstatistik nicht interpretierbar ML: vorhanden ULS: vorhanden, aber nur bei NV interpretierbar; ansonsten auf Basis von Hilfsprozeduren Konsistent; erhöhte Konsistenz bei hoher Stichprobe aufgrund asymptotischer Eigenschaften der Schätzer Bei geringen Indikatorladungen inflationär
Potenzielles Identifikationsproblem Möglich Indeterminiert (latente Variablen) Entsprechend Algorithmus globale Gütekriterien sinnvoll, partielle ebenfalls sinnvoll einsetzbar Nur unter bestimmten Bedingungen möglich; zunehmender Einsatz Geringe bis mittlere Komplexität (z. B. weniger als 100 Indikatoren) Optimal für Parametergenauigkeit Hauptachsenanalyse (Faktorenanalyse)
Trennung von Faktorvarianz und Messfehlervarianz
Globale Optimierung Nicht gezogene Pfade werden bei der Schätzung als 0 angenommen
Vergleich kritischer Merkmale varianz- und kovarianzbasierter Schätzverfahren742
Zur Kovarianzstrukturanalyse vgl. z. B. Jöreskog (1973); Bagozzi (1980); Anderson und Gerbing (1988); Bollen (1989). Der Ansatz der Varianzstrukturanalyse ist beispielsweise bei Wold (1966); Wold (1982); Lohmöller (1989); Chin (1998); Betzin und Henseler (2005) beschrieben.
108
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Von besonderer Bedeutung bei der Wahl des Schätzverfahrens erscheint zunächst die unterschiedliche Berücksichtigung von Messfehlern. Da die Messung latenter Variablen mit Fehlern behaftet ist und deren Nichtberücksichtigung zu Falschaussagen führen kann, sollte die gewählte Methodik eine Berücksichtigung von Messfehlern zulassen.743 Bei Strukturgleichungsmodellen wird ebenso wie in der klassischen Testtheorie744 nicht von einer fehlerfreien Messung ausgegangen. Daher trifft die dem PLS-Ansatz zu Grunde liegende Annahme, dass ein latentes Konstrukt eine perfekte Linearkombination seiner Indikatoren ist, bei der Prüfung theoretischer Modelle im Rahmen der Marketingforschung nicht grundsätzlich zu.745 Eine derartige Modellierung bei psychologischen, sozialen oder ökonomischen Fragestellungen erscheint somit aufgrund der Anwesenheit von Messfehlern ungeeignet.746 Die Nichtberücksichtigung vorhandener Messfehler führt zu ungenauen Schätzungen der Parameter und deren Signifikanzen, so dass die Ableitung von Management-Implikationen problematisch ist.747 Letztere stellt allerdings einen bedeutenden Aspekt der Marketingforschung dar748 und ist auch ein Ziel der vorliegenden Untersuchung. Die oben angeführten Merkmale der Varianz- und Kovarianzstrukturanalyse sprechen für den Einsatz der Kovarianzstrukturanalyse zur Untersuchung des vorliegenden Strukturgleichungsmodells. In der Praxis muss trotz theoretischer Vorzüge kovarianzbasierter Verfahren dennoch häufig der PLS-Ansatz eingesetzt werden, da die vorliegende Stichprobengröße nicht für eine kovarianzbasierte Schätzung ausreicht. Im Rahmen dieser Untersuchung kann jedoch von einer ausreichend großen Stichprobe zur Anwendung kovarianzbasierter Verfahren ausgegangen werden, so dass keine Probleme hinsichtlich der Identifikation des Modells749 zu erwarten sind. Weiterhin kann die Wahl des Schätzverfahrens unabhängig von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Berücksichtigung formativer Konstrukte im Untersuchungsmodell erfolgen, da keine formativen Konstrukte im Modell enthalten sind.
742
In Anlehnung an Chin und Newsted (1999), S. 314; Herrmann et al. (2006), S. 44; Scholderer und Balderjahn (2006), S. 58 ff.
743
Vgl. Homburg (1992), S. 499; Bentler (1983), S. 13; Steenkamp und Baumgartner (2000), S. 197 f. Ein illustratives Beispiel für die Ableitung ungültiger Ergebnisse bei Nichtberücksichtigung von Messfehlern findet sich bei Bollen und Schwing (1987), S. 37 ff.
744
Vgl. z. B. Lord und Novick (1968). Als Grundlage der klassischen Testtheorie zählen die Überlegungen von Spearman, dass beobachtete Intelligenzwerte sich additiv aus einem unbeobachteten „wahren Wert“ sowie einem ebenso unbeobachteten Messfehler zusammensetzen (vgl. Spearman (1904)).
745
Vgl. hierzu Bagozzi (1981b), S. 378; Bagozzi (1980). Die unberechtigte Annahme fehlerfreier Indikatoren und einer latenten Variablen als deren perfekte Linearkombination führen zu Problemen bei der Schätzung bzw. Vorhersage von Parametern und Hypothesentests.
746
Vgl. Bagozzi (1981b), S. 378 f.; Bagozzi (1983), S. 130 f.
747
Vgl. Steenkamp und Baumgartner (2000), S. 198. Die Vorhersagegenauigkeit leidet hingegen nicht signifikant unter einer Nicht-Berücksichtigung von Messfehlern.
748
Vgl. Leeflang und Wittink (2000).
749
Vgl. hierzu die Ausführungen zur Identifikation eines Strukturgleichungsmodells in Abschnitt 4.2.4.2.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
109
Unter Abwägung der relevanten Entscheidungskriterien kommt daher für die Modellschätzung das kovarianzbasierte Schätzverfahren zum Einsatz. 4.2.4
Überprüfung der Spezifikation und Güte von kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen
Eine Voraussetzung für die sinnvolle Interpretation der Ergebnisse von Strukturgleichungsmodellen und die Ableitung von managementrelevanten Handlungsempfehlungen stellt die sach- und fachgerechte Spezifikation des Modells und die Evaluation der Güte des Modells dar. Im Folgenden werden daher die hierfür notwendigen Maßnahmen vorgestellt.750 Zunächst werden die wichtigsten Kriterien hinsichtlich der Datenvorbereitung und der Modellspezifikation geprüft. Bei der Beurteilung des Kausalmodells wird zwischen der Prüfung des Messmodells und der Prüfung des Strukturmodells unterschieden. Dieses Vorgehen geht auf Anderson und Gerbing zurück, die diese Differenzierung wie folgt begründen: „The reason for drawing a distinction between the measurement model and the structural model is that proper specification of the measurement model is necessary before meaning can be assigned to the analysis of the structural model.“751 Die Prüfung des Messmodells und des Strukturmodells erfolgt sowohl auf lokaler (konstruktbezogener) Ebene als auch auf globaler (modellbezogener) Ebene. Die in der Literatur vorgeschlagenen Fitindizes lassen sich dementsprechend in lokale und globale Anpassungsmaße unterteilen. Die lokalen Anpassungsmaße beziehen sich auf einzelne Modellteile, wohingegen globale Anpassungsmaße die Güte des gesamten Modells beurteilen. Eine Kategorisierung ausgewählter Anpassungsmaße wird in Abbildung 13 vorgestellt.752
750
Die Ausführungen betrachten insbesondere kovarianzbasierte Strukturgleichungsmodelle. Die Evaluation von PLS-Strukturgleichungsmodellen findet sich beispielweise bei Herrmann et al. (2006), S. 61; Zinnbauer und Eberl (2004), S. 569.
751
Vgl. Anderson und Gerbing (1982), S. 453.
752
Vgl. Homburg und Baumgartner (1995), S. 165.
110
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Anpassungsmaße
Globale Anpassungsmaße
(Relative globale Anpassungsmaße)
Lokale Anpassungsmaße
Anpassungsmaße mit Vergleichsstandards
Anpassungsmaße für das Strukturmodell • Quadrierte multiple Korrelation
Stand-AloneAnpassungsmaße
Inkrementelle Anpassungsmaße
Anpassungsmaße für das Messmodell • • • •
Indikatorreliabilität t-Wert der Faktorladung Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz
• CFI • TLI/NNFI
Inferenzstatistische Anpassungsmaße • Ȥ2-Teststatisik • RMSEA • SRMR
Abbildung 13:
Deskriptive Anpassungsmaße • GFI • Ȥ2-/df • AGFI
Kategorisierung der Anpassungsmaße753
In der Literatur zur Strukturgleichungsmodellierung wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl an Fitindizes vorgeschlagen und verschiedene Empfehlungen zu deren Mindest- bzw. Maximalwerten abgegeben. Tabelle 6 gibt einen Überblick über die gängigsten Anpassungsmaße und Richtwerte.754
753
In Anlehnung an Homburg und Baumgartner (1998), S. 358.
754
Teilweise finden sich in der gleichen Publikation für ein Gütekriterium unterschiedliche Anspruchsniveaus, da die geforderten Mindest- bzw. Maximalwerte eines Fitmaßes von der Kombination mit anderen Fitmaßen abhängt. Interessierte Leser finden die detaillierten Vorschläge in den entsprechenden Originalpublikationen.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen Anspruchsniveau Eigenwert > 1 0,5 0,4
Cronbachs Alpha
0,7
bei 2-3 Indikatoren Item to Total-Korrelation bei großen Stichproben Indikatorreliabilität
> 0,4 0,5 0,1 bis 0,2 0,1 0,4
0,5 Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) Konvergenzvalidität Diskriminanzvalidität Ȥ2-Differenztest (5%-Niveau) Fornell-Larcker-Kriterium
Beurteilung der Gesamtanpassung des Modells (globale Kriterien)
Ȥ2
t-Wert der Faktorladungen 1,645 3,841 DEV (ȟi) > quadrierte Korrelation (ȟi, ȟj), für alle i j Min!
Ȥ2/df
2,0 3,0 5,0
Goodness-of-Fit Index (GFI) Adjusted GFI (AGFI) Comparative Fit Index (CFI)
0,9 0,9 0,9 0,95 0,9 0,95 0,9 0,95
Normed-Fit Index (NFI) Relative-Fit Index (RFI) Non-Normed-Fit Index (NNFI) / Tucker-Lewis-Index (TLI) Root-Mean Residual (RMR) Standardized-Root-MeanResidual (SRMR)
Root-Mean-Square-ResidualIndex (RMSEA)
Tabelle 6:
755
0,6 0,5
0,1 0,05 0,08 0,11 0,06 0,08 0,10
Quelle Kaiser (1970) Peter (1997), S. 180 Bagozzi, Yi und Phillips (1991), S. 426; Homburg und Giering (1996), S. 8; Peter (1997), S. 197 f. Cronbach (1951); Nunnally und Bernstein (1994), S. 232 ff. Peter (1997), S. 180 Bearden et al. (1989), S. 475 Balderjahn (1986), S. 117 Balderjahn (1986), S. 117 Bagozzi und Baumgartner (1994), S. 402; Homburg und Baumgartner (1995), S. 170; Götz und Liehr-Gobbers (2004), S. 727 Bagozzi und Yi (1988), S. 82; Götz und Liehr-Gobbers (2004), S. 727 Bagozzi und Yi (1988), S. 82 Bagozzi und Yi (1988), S. 82; Fornell und Larcker (1981) Bagozzi et al. (1991), S. 434
Art
Erste Generation
Gütekriterien Explorative Faktorenanalyse Erklärte Varianz Faktorladungen
Homburg et al. (2009), S. 94 Fornell und Larcker (1981), S. 46
Schermelleh-Engel, Moosbrugger und Müller (2003), S. 32 f. Byrne (1989) Homburg und Giering (1996), S. 13 Wheaton, Muthen, Alwin und Summers (1977), S. 84 ff. Homburg und Baumgartner (1995), S. 363 Bagozzi und Yi (1988), S. 82 Homburg und Baumgartner (1995), S. 363 Hu und Bentler (1999), S. 27 Marsh und Grayson (1995) Bentler und Bonett (1980), S. 600 Hu und Bentler (1995), S. 4 Kaplan (2008), S. 110
Zweite Generation
Beurteilung der einzelnen Teilstrukturen des Modells (lokale Kriterien)
Beurteilung der Operationalisierung der reflektiven Konstrukte
Ziel
111
Hu und Bentler (1995), S. 27 Hu und Bentler (1995), S. 27 Hu und Bentler (1999), S. 27 Hu und Bentler (1999); S. 27; Bühner (2006), S. 256 Hu und Bentler (1999), S. 27 Browne und Cudeck (1993), S. 144 Browne und Cudeck (1993), S. 144
Überblick über die Gütemaße zur Beurteilung von Strukturgleichungsmodellen755
Eigene Darstellung.
112
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden die nach derzeitigem Erkenntnisstand der Forschung zur Strukturgleichungsmodellierung am besten geeigneten Kriterien zur Gütebeurteilung des Kausalmodells herangezogen.756 Die Auswahl dieser Kriterien soll eine umfassende und ausgewogene Modellbeurteilung ermöglichen und findet sich in Tabelle 7. Die Erläuterung der Anpassungsmaße erfolgt anschließend im Rahmen der Ausführungen zur Überprüfung des Mess- bzw. des Strukturmodells.
Kriterien der ersten Generation Beurteilung der einzelnen Teilstrukturen des Modells (lokale Kriterien)
Beurteilung der Gesamtanpassung des Modells (globale Kriterien)
Diskriminanzanalyse
Strukturmodell
Kriterium Erklärte Varianz Faktorladungen Item to Total-Korrelation Cronbachs Alpha Indikatorreliabilität Faktorreliabilität Durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) Konvergenzvalidität
t-Wert der Faktorladungen 1,645
Ȥ2 Ȥ2/df Comparative Fit Index (CFI) Non-Normed-Fit Index (NNFI) / Tucker-Lewis-Index (TLI) Standardized-Root-Mean-Residual (SRMR) Root-Mean-Square-Residual-Index (RMSEA)
Min! 3,0 0,95
Fornell-Larcker-Kriterium Ȥ2-Differenztest (5%-Niveau) Bestimmtheitsmaß R2 Pfadkoeffizienten Signifikanz der Schätzergebnisse
Tabelle 7:
4.2.4.1
Anspruchsniveau 50 % 0,4 0,5 0,7 0,4 0,6 0,5
0,95 0,10 0,08 DEV (ȟi) > quadrierte Korrelation (ȟi, ȟj), für alle i j Ȥ2diff 3,841 Max! 0,1 zweiseitiger Test auf dem 1%- bzw. 5%Niveau
Gütekriterien zur Beurteilung des Kausalmodells in dieser Arbeit757
Überprüfung des reflektiven Messmodells
Die Indikatoren eines Messmodells stehen zunächst nur in einem hypothetischen Zusammenhang mit den dahinterstehenden Konstrukten, so dass es empirisch zu überprüfen gilt, ob die Indikatoren diese Konstrukte geeignet messen. Eine hohe Güte des Messmodells ist notwendig, um hypothetische Konstrukte und deren Wirkbeziehungen möglichst exakt zu erfassen.758 Die Qualität, mit der ein Konstrukt gemessen wird, lässt sich an der Reliabilität und der Validität der Messung beurteilen. Unter der Reliabilität versteht man die Zuverlässigkeit bzw. die
756
Vgl. Homburg und Pflesser (2008), S. 565; Hair et al. (2010), S. 678.
757
Eigene Darstellung in Anlehnung an Homburg und Pflesser (2008), S. 565; Hair et al. (2010), S. 664 ff. Vgl. Bagozzi und Yi (1988), S. 82; Homburg und Giering (1996); Hu und Bentler (1999), S. 27; Schermelleh-Engel et al. (2003), S. 32 f.
758
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 415 ff.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
113
formale Genauigkeit der Messung.759 Peter und Churchill definieren diese als “…the degree to which measures are free from random error and thus reliability coefficients estimate the amount of systematic variance in a measure.”760 Hingegen ist die Validität einer Messung gegeben, „when the differences in observed scores reflect true differences on the characteristic one is attempting to measure and nothing else.“761 Somit prüft die Validität die Gültigkeit bzw. die konzeptionelle Richtigkeit einer Messung und zeigt an, ob auch das gemessen wird, was gemessen werden soll.762 Die Reliabilität eines Messinstruments stellt eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für dessen Validität dar.763 Kriterium Inhaltsvalidität Kriteriumsvalidität Prognosevalidität
Definition Grad, zu dem ein Messmodell den inhaltlichen Bereich eines Konstrukts abbildet Grad, zu dem eine Messung eine zeitlich nachgelagerte Konstruktmessung prognostizieren kann Grad, zu dem ein Konstrukt mit der Messung eines theoretisch abhängigen, gleichzeitig erhobenen Konstrukts zusammenhängt
Konkurrenzvalidität Konstruktvalidität Konvergenzvalidität Diskriminanzvalidität Nomologische Validität Reliabilität Test-Retest-Reliabilität Parallel-Test-Reliabilität Interne-Konsistenz-Reliabilität
Tabelle 8:
Grad, zu dem zwei maximal unterschiedliche Messungen des gleichen Konstrukts übereinstimmen Grad, zu dem gleiche Messmodelle bei unterschiedlichen Konstrukten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen Grad, zu dem sich die Kausalbeziehung zweier theoretischer Konstrukte in einem nomologischen Netzwerk bestätigt Korrelation mit einer Vergleichsmessung desselben Messinstruments zu einem späteren Zeitpunkt Korrelation einer Vergleichsmessung auf einem äquivalenten Messinstrument Korrelation der Indikatoren eines Konstrukts untereinander
Validitäts- und Reliabilitätsbegriffe764
Tabelle 8 gibt einen Überblick über die Formen der Validität und Reliabilität, die in der empirischen Forschung unterschieden werden. In der Praxis kommt im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung der Internen-Konsistenz-Reliabilität eine hohe Bedeutung zu, da die alternativen Möglichkeiten zur Sicherstellung der Reliabilität, nämlich der Einsatz alternativer Messinstrumente bzw. die Durchführung von Wiederholungsmessungen, sich in der Praxis meist zu aufwändig gestalten.765 Auf eine ausführliche Diskussion der Validitäts- und Reliabi-
759
Zu drei Formen der Reliabilität siehe beispielsweise Nunnally und Bernstein (1978), S. 225 ff. oder Hildebrandt (1998), S. 88.
760
Peter und Churchill (1986), S. 4. Die einzelnen Indikatoren stellen somit reliable Messungen des zugehörigen Faktors dar, wenn ein wesentlicher Anteil ihrer Varianz durch die Assoziationen mit dem Faktor erklärt wird, d.h. der Einfluss von Messfehlern gering ist (vgl. Peter (1979), S. 7).
761
Churchill (1979), S. 65.
762
Vgl. Heeler und Ray (1972), S. 361.
763
Vgl. Carmines und Zeller (1979), S. 13; Homburg et al. (2008), S. 278; Peter (1979), S. 6.
764
Eigene Darstellung in Anlehnung an Hildebrandt (1984), S. 41 f.; Hildebrandt (1998), S. 88; Homburg et al. (2008), S. 278.
765
Vgl. Hildebrandt (1998), S. 88.
114
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
litätsbegriffe wird an dieser Stelle verzichtet, sondern auf weiterführende Literatur verwiesen.766 Die Ursprünge der Methoden zur Beurteilung der Reliabilität und der Validität hypothetischer Konstrukte liegen in der Psychologie und Psychometrie.767 Als bekannte Reliabilitäts- und Validitätskriterien aus diesem Bereich kommen in der Marketingforschung Cronbachs Alpha, die explorative Faktorenanalyse und die Item-to-Total-Korrelation zum Einsatz. Mit der Entwicklung der konfirmatorischen Faktorenanalyse768 eröffneten sich jedoch neue Validierungsmöglichkeiten. Diese neuen Gütekriterien gelten als leistungsstärker769 als die herkömmlichen Verfahren und werden in Abgrenzung zu diesen Kriterien der ersten Generation als Kriterien der zweiten Generation bezeichnet. 770 Zahlreiche Autoren schlagen daher eine Kombination der Verfahren beider Generationen vor.771 Demnach wird empfohlen, zunächst die Skala mit Verfahren der ersten Generation um Indikatoren zu bereinigen, um anschließend die verbleibende Skala mit Verfahren der zweiten Generation erneut zu überprüfen. Reliabilitäts- und Validitätskriterien der ersten Generation Bei reflektiven Messmodellen verursachen die latenten Konstrukte die ihnen zugeordneten Indikatoren. Da letztere grundsätzlich austauschbare Messungen der latenten Konstrukte darstellen, sollten sie hochgradig korreliert sein, d. h. eine hohe „interne Konsistenz“772 aufweisen.773 Die explorative Faktorenanalyse (EFA) untersucht Indikatoren auf ihre zugrunde liegende Faktorenstruktur, ohne im Vorfeld Hypothesen über ihre Ergebnisstruktur zu haben.774 Somit kann ermittelt werden, ob alle theoretisch einem Konstrukt zugeordneten Indi-
766
Vgl. Hildebrandt (1984), S. 41 ff.; Hildebrandt (1998), S. 88 ff.; Homburg et al. (2008), S. 278 ff. Zum besseren Verständnis des Zusammenhangs zwischen Reliabilität und Validität sei weiterhin auf die mathematische Darstellung in Gleichungsform von Churchill verwiesen (vgl. Churchill (1979), S. 65).
767
Zu den grundlegenden Arbeiten in diesem Bereich zählen z. B. Cronbach (1947); Cronbach (1951); Cronbach und Meehl (1955); Campbell und Fiske (1959); Campbell (1960).
768
Vgl. Jöreskog (1966); Jöreskog (1967); Jöreskog (1969). Für eine Einführung in die konfirmatorische Faktorenanalyse siehe z. B. Homburg et al. (2008); S. 271 ff.; Moosbrugger und Schermelleh-Engel (2008), 307 ff.
769
Für Details zu den Nachteilen von Verfahren der ersten Generation wird auf folgende Literatur verwiesen: Anderson und Gerbing (1993); Bagozzi et al. (1991); Fornell (1986); Gerbing und Anderson (1988); Homburg und Giering (1996), S. 9; Fornell (1982).
770
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 8.
771
Vgl. Anderson und Gerbing (1993); Anderson und Gerbing (1988); Gerbing und Anderson (1988); Churchill (1979).
772
In der Literatur wird die interne Konsistenz anhand verschiedener Kriterien (wie z. B. Cronbachs Alpha, Konvergenzvalidität, Faktorreliabilität, Composite Reliability, Jöreskogs rho) beurteilt (vgl. Krafft et al. (2005), S. 74).
773
Vgl. Bollen und Lennox (1991), S. 308.
774
Zur explorativen Faktorenanalyse vgl. z. B. Backhaus et al. (2008), S. 323 ff.; Moosbrugger und Schermelleh-Engel (2008), S. 307 ff. Im Rahmen der Prüfung der Operationalisierung des reflektiven Messmodells wird die Anzahl der Faktoren über das Kaiser-Kriterium festgelegt (Eigenwert > 1) und bei mehr als einem extrahierten Faktor eine Varimax-Rotation durchgeführt, um die inhaltliche Interpretation zu erleichtern.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
115
katoren auf einen Faktor laden oder ob mehrere Konstrukte hinter ihnen liegen. Anhand der Faktorladungen lassen sich erste Rückschlüsse auf die Konvergenz- und die Diskriminanzvalidität ziehen.775 Im Rahmen der Bereinigung der Messinstrumente werden Indikatoren, die auf keinen Faktor laden oder Kreuzladungen auf andere Faktoren aufweisen, eliminiert.776 Lassen sich alle Indikatoren eindeutig einem Faktor zuordnen, bezeichnet man das Messmodell als „valide“. Zu den am häufigsten angewandten Reliabilitätskoeffizienten der ersten Generation zählt das Cronbachsche Alpha. 777 Es misst die Reliabilität einer Gruppe von Indikatoren, die einen Faktor messen. Der Wertebereich von Cronbachs Alpha liegt zwischen 0 und 1 und nähert sich, je höher die Korrelationen zwischen den Indikatorvariablen sind, dem Wert von 1 an.778 Als Grenzwert für eine akzeptable Reliabilität wird zumeist der Forderung von Nunnally gefolgt, der einen Mindestwert von 0,7 postuliert.779 Ein weiteres Gütekriterium stellt die sog. Item-to-Total-Korrelation (ITTC) dar, die als Korrelation einer Indikatorvariablen mit der Summe aller Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind, definiert ist.780 Die Item-to-Total-Korrelation kann als Eliminationskriterium für Indikatoren herangezogen werden, da sich der Reliabilitätswert eines Faktors erhöhen lässt indem sukzessive die ihm zugeordnete Indikatorvariable mit der niedrigsten Item-to-Total-
775
Vgl. z. B. Homburg und Giering (1996), S. 8. Hinsichtlich der notwendigen Mindesthöhe der Faktorladung hat sich in der Literatur kein einheitlicher Standard durchgesetzt: ab 0,3 bei Churchill (1991) oder Tschopp (1991), S. 53; 0,4 bei Homburg und Giering (1996), S. 12; 0,5 bei Einwiller (2003); 0,6 bei Stewart (1981). In der vorliegenden Arbeit wurde die Mindesthöhe der Faktorladung mit 0,5 festgelegt (vgl. bspw. Einwiller (2003)).
776
Vgl. Gerbing und Anderson (1988), S. 411 ff.
777
Vgl. Cronbach (1951) und z. B. Nunnally und Bernstein (1978); Carmines und Zeller (1979), S. 44 ff.; Churchill (1979), S. 68; Peter (1979), S. 8; Gerbing und Anderson (1988), S. 190. Die Bedeutung dieses Reliabilitätsmaßes zeigt z. B. bei Peterson (1994), S. 381 ff.
778
Cronbachs Alpha berechnet den Mittelwert der Korrelationen, „...die sich ergeben, wenn die dem Faktor zugeordneten Indikatoren auf alle möglichen Arten in zwei Hälften geteilt und die Summen der jeweils resultierenden Variablenhälften anschließend miteinander korreliert werden.“ (Homburg und Giering (1996), S. 8). Die Berechnung von Cronbachs Alpha findet sich ebenda oder z. B. erstmals bei Cronbach (1951), S. 299.
779
Vgl. Nunnally und Bernstein (1978), S. 245. Speziell bei zwei bzw. drei Indikatoren wird von einigen Autoren jedoch auch bereits ein Wert von mindestens 0,4 als akzeptabel erachtet (vgl. z. B. Peter (1997), S. 245).
780
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 8; Hildebrandt und Temme (2006), S. 619 f. In der Literatur findet sich teilweise auch die Bezeichnung „korrigierte Item-to-Total-Korrelation“ (engl. „corrected item to total correlation“). Diese bezeichnet die Korrelation eines Indikators mit der Summe aller übrigen Indikatoren, die demselben Faktor zugeordnet sind, d.h. der relevante Indikator selbst geht nicht in die Summenbildung ein (vgl. Homburg und Giering (1996), S. 22). Das Statistikpaket SPSS gibt ebenfalls die korrigierte Item-toTotal-Korrelation aus (vgl. Brosius (2008), S. 809 ff.). Im weiteren Fortgang dieser Arbeit wird daher stets die korrigierte und nicht die ursprüngliche Item-to-Total-Korrelation angegeben und auf den Zusatz „korrigierte“ verzichtet.
116
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Korrelation eliminiert wird.781 Prinzipiell wird für die Berücksichtigung eines Indikators ein Mindestwert von 0,5 gefordert.782 Grundsätzlich sind Verfahren der ersten Generation jedoch mit einigen Schwachstellen behaftet.783 Zu diesen zählen insbesondere die teilweise sehr restriktiven Annahmen und die Tatsache, dass im Wesentlichen nur Faustregeln, aber keine inferenzstatistischen Prüfungen bereitgestellt werden.784 Die Kriterien der zweiten Generation weisen diese Nachteile nicht auf, weshalb sie in der Literatur als überlegen angesehen werden.785 Reliabilitäts- und Validitätskriterien der zweiten Generation Grundlage der Kriterien der zweiten Generation ist die konfirmatorische Faktorenanalyse, die einen Spezialfall der Kausalanalyse (Kovarianzstrukturanalyse) darstellt.786 Sie gilt als Standard der Konstruktvalidierung und ermöglicht die ganzheitliche Beurteilung des Messmodells. 787 Anders als bei der explorativen Faktorenanalyse wird bereits eine konkrete Zuordnung der Indikatoren zu ihren jeweiligen Faktoren unterstellt und auf Basis der empirischen Daten überprüft.788 Neben der genauen Zuordnung zwischen latenten und beobachteten Variablen werden im Messmodell auch Messfehler explizit berücksichtigt. Diese können auch untereinander korreliert und weitere Modellrestriktionen modelliert werden.789 Im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse können eine Reihe von globalen und lokalen Anpas-
781
Dieses Vorgehen orientiert sich an der Empfehlung von Churchill (1979), S. 68. Eine derartige Eliminierung von Indikatoren wird als unproblematisch angesehen, da die Indikatoren prinzipiell austauschbare Messungen der latenten Variablen darstellen (vgl. Bollen und Lennox (1991), S. 308; Jarvis et al. (2003), S. 200).
782
Vgl. Bearden et al. (1989), S. 475. Dieser Schwellenwert wird insbesondere bei großen Stichproben auch niedriger angesetzt (vgl. Balderjahn (1986), S. 117).
783
Vgl. Bagozzi und Philips (1982); Hildebrandt (1984), S. 44; Fornell (1986); Gerbing und Anderson (1988); Bagozzi et al. (1991); Anderson und Gerbing (1993).
784
Beispielsweise unterstellt Cronbachs Alpha, dass alle Indikatoren eines Faktors die gleiche Reliabilität aufweisen (vgl. Gerbing und Anderson (1988), S. 190). Eine differenziertere Betrachtung der Indikatoren hinsichtlich ihrer Messfehlereinflüsse ist mit den Verfahren der ersten Generation nicht möglich.
785
Vgl. Bagozzi und Philips (1982); Hildebrandt (1984); Steenkamp und Baumgartner (2000); Homburg et al. (2009), S. 273.
786
Die konfirmatorische Faktorenanalyse stellt das Messmodell der Kausalanalyse dar (vgl. Homburg und Giering (1996), S. 9).
787
Vgl. Herrmann et al. (2006), S. 49 f.
788
Die konfirmatorische Faktorenanalyse ist dementsprechend ein strukturüberprüfendes Verfahren, wohingegen die explorative Faktorenanalyse ein strukturerkennendes Verfahren darstellt (vgl. Homburg et al. (2009), S. 273-274).
789
Zur Korrelation von Messfehlern vgl. Gerbing und Anderson (1984), S. 572 ff.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
117
sungsmaßen790 ermittelt werden, durch die sich die Güte des Strukturgleichungsmodells beurteilen lässt.791 Globale Anpassungsmaße Unter der Vielzahl an globalen Anpassungsmaßen792 lässt sich prinzipiell zwischen StandAlone-Anpassungsmaßen und inkrementellen Anpassungsmaßen unterscheiden. Letztere vergleichen das relevante Modell mit einem Basismodell (Nullmodell), das keine Information enthält.793 Da es nicht den besten Index für die Gesamtbeurteilung eines Modells gibt, sollten immer mehrere Fitindizes zur Gütebeurteilung herangezogen werden.794 Im Rahmen dieser Arbeit wird sich auf eine Auswahl der nach aktuellstem Stand der Forschung leistungsfähigsten globalen Anpassungsmaße beschränkt:795 x Chi-Quadrat-Test bzw. Ȥ2/df (Chi-Quadrat/Anzahl der Freiheitsgrade) x Root Mean Squared Error of Approximation (RMSEA)796 x Standardized Root Mean Square Residual (SRMR)797 x Comparative Fit Index (CFI)798 x Tucker-Lewis Index (TLI) bzw. Non-Normed Fit Index (NNFI)799 Der Chi-Quadrat-Test vergleicht die Nullhypothese (empirische Kovarianzmatrix entspricht der modelltheoretischen Kovarianzmatrix) gegen eine Alternativhypothese (empirische Kovarianzmatrix entspricht einer beliebig positiv definierten Matrix). Bei guter Modellanpassung ist der Chi-Quadrat-Wert nicht signifikant,800 allerdings steigt die Signifikanz mit zunehmen-
790
Die Verfügbarkeit bestimmter Anpassungsmaße hängt vom eingesetzten Schätzverfahren ab.
791
Gründe für eine relativ schlechte Modellanpassung bei einer konfirmatorischen Faktorenanalyse mit mehreren Konstrukten können insbesondere eine - inhaltlich bedingte - geringe Trennschärfe zwischen Faktoren oder auch schiefe bzw. gewölbte Verteilungen von Variablen sein (vgl. Reinecke (2005), S. 146 f.).
792
Zusammenstellungen und detaillierte Beschreibungen der Berechnungsgrundlagen von Anpassungsmaßen finden sich z. B. bei Schermelleh-Engel et al. (2003), S. 23-53 bzw. Homburg et al. (2009), S. 283-289.
793
Dabei geht das Verhältnis der Ȥ2-Werte des relevanten Modells und des Basismodells in die Berechnung des Kriteriums ein (vgl. auch das später in diesem Abschnitt aufgezeigte Vorgehen zum Ȥ2-Wert als lokales Anpassungsmaß).
794
Vgl. Bollen und Long (1993), S. 8; Marsh et al. (1996), S. 315.
795
Empfehlungen zur Auswahl der Anpassungsmaße finden sich beispielsweise bei Hu und Bentler (1998), S. 446 ff.; Marsh et al. (1996), S. 446 ff; Fan und Sivo (2005), S. 343 ff.
796
Vgl. Steiger und Lind (1980); Browne und Cudeck (1993).
797
Vgl. Bentler (1995); Marsh und Grayson (1995).
798
Vgl. Bentler (1990).
799
Zum Tucker-Lewis-Index (TLI) vgl. Tucker und Lewis (1973) bzw.Bentler und Bonett (1980), die dieses Kriterium auch als Non-Normed-Fit-Index (NNFI) bezeichnen.
800
In der Praxis wird ein Modell meist verworfen, wenn der p-Wert des Chi-Quadrat-Tests kleiner als 0,1 ist (vgl. Bagozzi (1980), S. 105).
118
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
der Stichprobengröße.801 Daher wird der Quotient aus Chi-Quadrat-Wert und Freiheitsgraden als eine Verbesserung des inferenzstatistischen Chi-Quadrat-Tests gesehen. 802 Für dieses deskriptive Anpassungsmaß werden Maximalwerte von kleiner als 3803 bzw. 5804 gefordert. Problematisch ist allerdings, dass diese Kennzahl dadurch, dass die Stichprobengröße n multiplikativ in die Berechnung eingeht, bei sehr großen Stichproben ansteigt, so dass die empfohlenen Grenzwerte keine allgemeingültige Faustregel darstellen. Der RMSEA prüft wie gut das Modell die Realität approximiert, indem er die Fehlervarianzen, die nicht durch das Modell erklärt werden, bewertet. Kleinere RMSEA-Werte stehen für eine bessere Modellanpassung. Nach Browne und Cudeck sprechen Werte 0,05 für einen guten Modellfit, Werte 0,08 immerhin noch für einen akzeptablen Modellfit.805 Ergänzend kann die Irrtumswahrscheinlichkeit für die Nullhypothese, dass der RMSEA 0,05 ist, berechnet werden. Ist dieser p-Wert kleiner als eine vorgegebene Irrtumswahrscheinlichkeit, wird auf einen guten Modellfit geschlossen.806 Die in einem Modell durchschnittlich nicht erklärten Kovarianzen werden im sog. RMRIndex (Root Mean Squared Residual) bzw. dessen standardisierter Variante dem SRMR erfasst.807 Ein Modell ist umso besser, je kleiner RMR bzw. SRMR sind. Deren Werte gelten als sehr gut, wenn sie unter 0,05 liegen, sind aber bis 0,11 akzeptabel.808 Unter den inkrementellen Anpassungsmaßen haben sich in der Vergangenheit insbesondere der Comparative-Fit-Index (CFI) und der Nonnormed-Fit-Index (NNFI), auch als TuckerLewis-Index (TLI) bekannt, als sinnvolle Kriterien erwiesen.809 Beide Tests vergleichen das postulierte Modell mit dem Nullmodell, das stärker restringiert ist, da hier keine Korrelationen unter den Variablen existieren dürfen. Als Zielwerte werden meist Werte 0,9 gefordert.810
801
Der Chi-Quadrat-Test führt mit steigendem Stichprobenumfang immer zu einer Ablehnung der Nullhypothese (vgl. Backhaus et al. (2006), S. 410). Die Stichprobe im Rahmen der empirischen Studie ist als sehr groß einzustufen (N=2006), so dass unabhängig von der Richtigkeit des Modells hochsignifikante ChiQuadrat-Werte zu erwarten sind.
802
Vgl. Jöreskog und Sörbom (1989).
803
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 13.
804
Vgl. Wheaton et al. (1977), S. 84 ff.
805
Vgl. Browne und Cudeck (1993), S. 136 ff. Ein RMSEA 0,1 wird als inakzeptabler Modellfit erachtet.
806
Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 382. Im Rahmen dieser Arbeit wird für die Prüfung des RMSEA-Wertes als Signifikanzniveau Į = 0,10 herangezogen.
807
Der RMR entspricht dem Standardfehler im Rahmen der Regressionsanalyse (vgl. z. B. Fan und Sivo (2005), S. 360).
808
Vgl. Hu und Bentler (1999); Bühner (2006), S. 256.
809
Vgl. z. B. Marsh et al. (1996), S. 346 ff.
810
Vgl. Hu und Bentler (1999), S. 27; Homburg und Baumgartner (1995), S. 363.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
119
Lokale Anpassungsmaße Zur Beurteilung der einzelnen Teilstrukturen werden lokale Anpassungsmaße wie z. B. die Indikatorreliabilität, die Faktorreliabilität und die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) eines Konstrukts herangezogen. Die Indikatorreliabilität weist den Anteil der Gesamtvarianz einer Variablen aus, der sich durch das ihr zugeordnete Konstrukt erklären lässt.811 Liegt im positiven Extremfall überhaupt keine Streuung des Messfehlers vor, ergibt sich eine Indikatorreliabilität von 1. Grundsätzlich erstreckt sich der Wertebereich der Indikatorreliabilität von 0 bis 1, wobei meist ein Mindestwert von 0,4 bzw. 0,5 gefordert wird.812 Wie gut ein Konstrukt durch die ihm zugeordneten Indikatoren gemessen wird, kann anhand der Faktorreliabilität und der durchschnittlich erfassten Varianz eines Konstrukts beurteilt werden. Die Wertebereiche beider Größen liegen ebenfalls zwischen 0 und 1, wobei höhere Werte auch hier eine höhere Reliabilität ausdrücken. Daher sollten auch hier mindestens Werte von 0,5 (DEV) bzw. 0,6 (Faktorreliabilität) vorliegen.813 Sowohl die Faktorladung als auch die durchschnittlich erfasste Varianz können auch zur Beurteilung der Konvergenzvalidität herangezogen werden. Hierzu ist es notwendig, dass die Faktorladungen hinreichend groß und signifikant.814 Wenn die Faktorladungen aller Indikatoren eines Konstruktes signifikant von 0 verschieden sind, kann vom Vorhandensein von Konvergenzvalidität ausgegangen werden. Eine vollständige Prüfung des Messmodells erfordert zudem die Analyse der Diskriminanzvalidität der einzelnen Konstrukte. Diese gibt den Grad an, zu dem sich die Messansätze verschiedener Konstrukte unterscheiden. 815 Hierfür werden Ȥ2-Differenztests 816 sowie das Fornell-Larcker-Kriterium herangezogen.817 Der Ȥ2-Differenztest vergleicht den Ȥ2-Wert des betrachteten Modells mit dem Ȥ2-Wert eines Alternativmodells, bei dem die Korrelation zwischen zwei Konstrukten des Modells auf 1 fixiert wurde. Falls die Verschlechterung des Ȥ2-Wertes signifikant ist, d. h. die Nullhypothese, dass beide Konstrukte das gleiche messen, verworfen wird, ist von der Diskriminanzvalidität der beiden Konstrukte auszugehen.
811
Vgl. z. B. Bagozzi (1982b), S. 156.
812
Vgl. Bagozzi und Baumgartner (1994), S. 402; Bagozzi und Yi (1988), S. 82.
813
Vgl. Bagozzi und Yi (1988), S. 82; Fornell und Larcker (1981).
814
Vgl. Bagozzi et al. (1991), S. 434; Hildebrandt (1984), S. 46.
815
Vgl. Churchill (1979), S. 70; Fornell und Larcker (1981), S. 41; Bagozzi und Philips (1982), S. 469.
816
Vgl. z. B. Anderson und Gerbing (1988), S. 418 ff.; Homburg und Dobratz (1991), S. 123 ff., Jöreskog und Sörbom (1982), S. 408.
817
Darüber hinaus könnten auch die Korrelationen zwischen den Indikatoren eines Messmodells zur Prüfung der Konstruktvalidität herangezogen werden. Eine ausreichende Konstruktvalidität liegt vor, falls die Korrelationen zwischen Indikatoren verschiedener Konstrukte geringer sind als die Korrelationen innerhalb der jeweiligen Konstrukte (vgl. Reinecke (2005), S. 141).
120
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Das Fornell-Larcker-Kriterium 818 fordert, dass die durchschnittlich erfasste Varianz eines Konstrukts größer ist als jede quadrierte Korrelation dieses Konstrukts mit einem anderen Konstrukt. Diese Forderung ist zwar aus Sicht der Konstruktmessung sinnvoll, da die Verletzung des Fornell-Larcker-Kriteriums bedeuten würde, dass ein Konstrukt besser durch die Indikatoren eines anderen Konstruktes gemessen wird als durch die eigenen Indikatoren. Dennoch ist kritisch anzumerken, dass eine strikte Orientierung am Fornell-Larcker-Kriterium je nach Datenlage zu einer ungerechtfertigten Kritik an zwei theoretisch klar unterscheidbaren Konstrukten führen kann. Bagozzi zeigt beispielsweise auf, dass bei Einsatz gleicher Messmethoden die Kreuzladungen der Konstrukte systematisch höher sind als bei der Verwendung unterschiedlicher Messmethoden. 819 Eine Verletzung des Fornell-Larcker-Kriteriums muss somit nicht ausschließlich auf eine zu große konzeptionelle Nähe der Konstrukte zurückzuführen sein. Aufgrund der höheren Anforderungen des Fornell-Larcker-Kriteriums wird daher in der vorliegenden Untersuchung grundsätzlich dieses Verfahren zur Überprüfung der Diskriminanzvalidität eingesetzt. Für den Fall, dass mittels des Fornell-Larcker-Kriteriums keine Diskriminanz festgestellt werden kann, d. h. hohe Korrelationen der latenten Variablen vorliegen, wird die Beurteilung der Diskriminanzvalidität anhand des Ȥ2-Differenztests durchgeführt.820 Auf Basis der obigen Ausführungen zur Prüfung der reflektiven Messmodelle und den Empfehlungen zur Operationalisierung komplexer Konstrukte821 wird für die empirische Untersuchung die in Abbildung 14 grafisch veranschaulichte, mehrstufige Vorgehensweise gewählt. In Untersuchungsstufe A wird zunächst für Konstrukte, für die noch keine hypothetische Struktur vorliegt, eine exploratorische Faktorenanalyse durchgeführt. In der vorliegenden Arbeit betrifft dies das Konstrukt Motivation zur Teilnahme an der Brand Community, für das im Rahmen einer separaten Vorstudie die Faktorstruktur ermittelt wird. In der Hauptstudie werden dann in Untersuchungsstufe B zunächst alle einzelnen Konstrukte betrachtet, bevor abschließend in Untersuchungsstufe C das gesamte Messmodell geprüft wird.
818
Vgl. Fornell und Larcker (1981), S. 46.
819
Vgl. Bagozzi (1981b), S. 378.
820
Vgl. van der Sluis et al. (2005).
821
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 6 ff.
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
Untersuchungsstufe A Betrachtung der Konstrukte, für die noch keine hypothetische Faktorenstruktur vorliegt Explorative Faktorenanalyse KMO-Wert Signifikanzniveau nach dem Bartlett-Test MSA-Kriterium Erklärte Gesamtvarianz aller Faktoren Keine substanziellen Querladungen
> 0,5 < 0,05 > 0,5 > 50 % < 0,4
Untersuchungsstufe B Betrachtung der einzelnen Konstrukte Cronbachs Alpha und Item-to-Total-Korrelation Cronbachs Alpha bei mehr als 3 Indikatoren > 0,7 Cronbachs Alpha bei 2 und 3 Indikatoren > 0,4 Ggf. Elimination von Indikatoren auf Basis der Item-to-Total-Korrelationen Exploratorische Faktorenanalyse KMO-Wert Signifikanzniveau nach dem Bartlett-Test Extraktion nur eines Faktors nach Kaiser-Kriterium Erklärte Gesamtvarianz des Faktors Alle Faktorladungen
> 0,5 < 0,05 > 50 % > 0,7
Konfirmatorische Faktorenanalyse Erfüllung der globalen Kriterien (bei 4 oder mehr Indikatoren) Erfüllung der lokalen Kriterien (Berechnung ab 3 Indikatoren möglich) Ggf. Elimination von Indikatoren oder Ablehnung des gesamten Messmodells
Untersuchungsstufe C Betrachtung des gesamten Messmodells Konfirmatorische Faktorenanalyse Erfüllung der globalen Kriterien Erfüllung der lokalen Kriterien (Berechnung ab 3 Indikatoren möglich) Ggf. Elimination von Indikatoren oder Ablehnung des gesamten Messmodells Beurteilung der Diskrimanzvalidität Erfüllung des Fornell-Larcker-Kriteriums Ȥ2-Differenztest
Abbildung 14:
Vorgehensweise bei der Gütebeurteilung der Messmodelle
121
122
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
4.2.4.2
Beurteilung des Strukturmodells
Vor der Beurteilung des Strukturmodells stellt sich zunächst die Frage, ob das Modell identifiziert ist, d. h. ob die gefundene Lösung eindeutig ist. 822 Allgemein gilt für Strukturgleichungsmodelle, dass die Identifikation theoretisch gegeben ist, sofern die Anzahl der zu schätzenden Parameter kleiner oder gleich der Anzahl der empirischen Parameter in der Kovarianzmatrix ist und jede latente Variable eine Skala erhält.823 Sofern das Modell konvergiert, muss zudem die statistische Plausibilität des Modells geprüft werden.824 Letztere betrifft insbesondere unzulässige Lösungen (engl. improper solutions) wie z. B. negative Varianzen825 und standardisierte Pfadkoeffizienten (deutlich) größer eins.826 Zur Überprüfung der Modellschätzung werden grundsätzlich die gleichen, im vorangehenden Abschnitt vorgestellten globalen Kriterien herangezogen wie sie im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse zur Überprüfung reflektiver Messmodelle zum Einsatz kommen. Auch die Prüfung der Diskriminanzvalidität erfolgt äquivalent mittels Fornell-LarckerKriterium bzw. Chi-Quadrat-Differenztest. Darüber hinaus stellt der quadrierte multiple Korrelationskoeffizient für jede latente endogene Variable (Bestimmtheitsmaß R2 der Strukturgleichungen) das zentrale Beurteilungskriterium zur Überprüfung der nomologischen Validität des Strukturmodells dar. Er entspricht dem Anteil der Varianz einer latenten Variable, der durch alle anderen mit dieser in Beziehung stehenden Konstrukte erklärt wird.827
822
„Identifikation bedeutet, dass es für jeden Parameter theoretisch möglich sein muss, eine eindeutige Lösung zu bestimmen.“ (Reinecke (2005), S. 52).
823
Vgl. Reinecke (2005), S. 231 f. Ist ein Messmodell gerade identifiziert (df = 0), so muss dies stets einen perfekten Modellfit haben (Ȥ2 = 0). Reflektive Messmodelle mit drei oder mehr Indikatoren sind im Rahmen der kovarianzbasierten Analyse von Strukturgleichungsmodellen statistisch identifiziert und können eindeutig bestimmt werden. Messmodelle mit nur zwei Indikatoren hingegen sind nicht statistisch identifiziert und lassen sich demnach nicht durch kovarianzbasierte Schätzverfahren berechnen. (vgl. Reinecke (2005), S. 231 f.).
824
Die Nichtkonvergenz eines Strukturgleichungsmodells und unzulässige Lösungen sind oft auf kleine Stichprobengrößen zurückzuführen (vgl. z. B. Anderson und Gerbing (1988), S. 415 f.)
825
Negative Varianzen werden in der Literatur meist als sog. Heywood-Cases bezeichnet (Dillon et al. (1987), S. 126 ff). Für eine Diskussion der Ursachen und Abhilfen von negativen Varianzen im Rahmen der Strukturgleichungsmodellierung siehe z. B. Dillon et al. (1987), S. 126 ff.; Chen et al. (2001), S. 468 ff.; Hair et al. (2010), S. 793 f.
826
Parzielle standardisierte Regressionskoeffizienten mit einem Wert knapp über Eins werden in der Literatur als in der Regel unproblematisch eingestuft (vgl. Bühner (2006), S. 289). Für die statistische Begründung siehe Jöreskog (1999).
827
Vgl. Hair et al. (2010), S. 796; Homburg und Baumgartner (1995), S. 170. Auf die Forderung nach einem Mindestmaß des quadrierten multiplen Regressionskoeffizienten wird verzichtet, da diese nur angebracht erscheint, falls das Erkenntnisziel einer Untersuchung aus der möglichst vollständigen Erklärung einer Variablen besteht (vgl. Peter (1997), S. 147 ff.; Homburg und Pflesser (2008), S. 565).
Grundlagen varianz- und kovarianzbasierter Strukturgleichungsanalysen
123
Die Untersuchung der durch Hypothesen hinterlegten Wirkungszusammenhänge erfolgt anhand der standardisierten Regressionskoeffizienten des Strukturmodells und der zugehörigen t-Werte.828 Aus letzteren lässt sich anhand der t-Tabelle die Signifikanz der Schätzergebnisse beurteilen, wobei im Folgenden von signifikanten Ergebnissen gesprochen wird, sofern bei einem zweiseitigen Test die Irrtumswahrscheinlichkeit kleiner oder gleich 5% ist. Hochsignifikante Pfadkoeffizienten liegen vor, sofern diese das 1% Niveau nicht überschreiten.829 Im Rahmen dieser Arbeit wird neben der statistischen Signifikanz eines Pfadkoeffizienten ein Betrag des Koeffizienten von mindestens 0,1 gefordert, um diesen in die Analyse einzubeziehen.830 Weiterhin bietet LISREL die Möglichkeit neben den direkten Effekten auch die indirekten Effekte und den Gesamteffekt auf eine latente endogene Variable und deren Signifikanzen zu berechnen. Im Rahmen dieser Arbeit werden die entsprechenden Werte für die zentralen ökonomischen Zielgrößen Kundenloyalität und Weiterempfehlung analysiert. Das Prüfschema zur Beurteilung des Strukturmodells wird abschließend in Abbildung 15 grafisch veranschaulicht. Beurteilung des Strukturmodells Betrachtung des gesamten Strukturmodells Güte des Strukturmodells Erfüllung der globalen Kriterien Erfüllung der lokalen Kriterien Varianzen der endogenen latenten Variablen Bestimmtheitsmaß R2 Überprüfung der Hypothesen Höhe der Pfadkoeffizienten Signifikanz der Schätzergebnisse
Max!
0,1 zweiseitiger Test auf dem 1%- bzw. 5%-Niveau
Analyse der Determinanten der Kundenloyalität und der Weiterempfehlung Direkter, indirekter und totaler Effekt jedes Konstrukts
Abbildung 15:
Kriterien zur Beurteilung des Strukturmodells
828
Vgl. Homburg und Pflesser (2000), S. 651; Giering (2000), S. 93.
829
Bei Studien, die einen sehr explorativen Charakter aufweisen, wird zur Hypothesentestung teilweise sogar ein 10%-Signifikanzniveau zugrunde gelegt (vgl. z. B. Loevenich (2002), S. 202 f.; Wieseke (2004), S. 192).
830
Damit folgt die Arbeit dem Vorschlag von Lohmöller, nur Pfadkoeffizienten ab einer Höhe von 0,1 bei der Analyse zu interpretieren (vgl. Lohmöller (1989), S. 60 f.), während Chin Pfadkoeffizienten ab 0,2 als bedeutsam erachtet (vgl. Chin (1998), S. 324 f.).
124 4.3
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Vorstudie zur Operationalisierung der Motivation der Teilnahme an einer Brand Community
Eine Zielsetzung dieser Arbeit ist die Identifikation und Analyse der zentralen Beweggründe zur Teilnahme an einer Brand Community. Wie im Rahmen der Konzeptualisierung der Motivationen von Teilnehmern einer Brand Community in Kapitel 3.3.1.2 aufgezeigt, finden sich in der Literatur insbesondere Publikationen, die sich allgemein auf die Motivationen von Teilnehmern von virtuellen Communities fokussieren.831 Ein weiterer Literaturstrang befasst sich mit den Beweggründen der Konsumenten im Hinblick auf sog. User-generated Content. 832 Ein etabliertes Instrument zur umfassenden Abfrage der Motivationen von BrandCommunity-Mitgliedern existiert jedoch nicht.833 Vielmehr wurden bislang zumeist qualitative Studien zu den Beweggründen für die Teilnahme an Brand Communities bzw. Studien, die sich auf ausgewählte Motivationen fokussieren, durchgeführt.834 Im Rahmen der Vorstudie wird daher zunächst auf Basis der existierenden Literatur sowie Interviews mit Brand-Community-Mitgliedern und Experten ein Fragenkatalog zur Operationalisierung der Motivation von Brand-Community-Teilnehmern generiert. Hierdurch ergaben sich insgesamt 23 Motivations-Statements, welche aus Tabelle 9 zu entnehmen sind. Diese Motivations-Statements werden in der Vorstudie zur quantitativen Erhebung der Beweggründe zur Teilnahme an der Brand Community eingesetzt. Die Auswertung der erhobenen Motivationslage erfolgt entsprechend des in Abbildung 14 vorgestellten Vorgehens für Konstrukte, für die noch keine Faktorenstruktur vorliegt, durch eine exploratorische Faktorenanalyse (Untersuchungsstufe A). Durch diese sollen die zentralen MotivationsDimensionen ermittelt werden, wobei die quantitative Analyse die größtmögliche Absicherung der Ergebnisse durch ein methodisches Vorgehen garantieren soll.835
831
Vgl. z. B. Bagozzi und Dholakia (2002); de Valck (2005); Dholakia et al. (2004); Hennig-Thurau et al. (2004); Algesheimer et al. (2005).
832
Ein umfassender Überblick über die Gründe der Konsumenten für die Erstellung eigener Inhalte findet sich beispielsweise bei Stöckl et al. (2008).
833
Die Messung von Motivationen kann beispielsweise durch einen Fragebogen mit Motivations-Items erfolgen, wobei eine bewusste Selbsteinsicht und bereitwillige Selbstoffenbarung vorausgesetzt wird (vgl. Schneider und Schmalt (2000), S. 52). Als Alternativen der Motivmessung werden in der Literatur insbesondere thematische Auffassungs-Texte (vgl. Murray (1943)) oder sog. Multi-Motiv-Gitter (vgl. Schmalt et al. (2000)) vorgeschlagen.
834
Vgl. Abschnitt 3.3.1.2 und die dort angeführte Literatur.
835
Vgl. Bauer et al. (2006), S. 839; Glass (1976), S. 3.
Vorstudie zur Operationalisierung der Motivation
125
Konstrukt
Indikator
Motivation zur Teilnahme an der Brand Community (Pretest)
Ich besuche die Community, um andere Mitglieder zu unterstützen.
m_01
Ich besuche die Community, da ich mich gerne mit anderen Leuten aus der Community unterhalte.
m_02
Tabelle 9:
Kürzel
Ich besuche die Community, um neue Leute kennen zu lernen.
m_03
Ich besuche die Community, um mich persönlich einbringen zu können.
m_04
Ich besuche die Community, da die anderen Mitglieder die gleichen Ziele verfolgen wie ich.
m_05
Ich besuche die Community, um Anschluss zu finden.
m_06
Ich besuche die Community, da es für mich wichtig ist, ein Teil der Community zu sein.
m_07
Ich besuche die Community, um von den anderen Mitgliedern Anerkennung zu erhalten.
m_08
Ich besuche die Community, um von anderen Mitgliedern Informationen zu erhalten.
m_09
Ich besuche die Community, um neue Erfahrungen zu sammeln.
m_10
Ich besuche die Community, weil ich stolz auf die Marke bin.
m_11
Ich besuche die Community aus Leidenschaft zur Marke.
m_12
Ich besuche die Community, um die Marke zu unterstützen.
m_13
Ich besuche die Community, weil die Marke einen guten Ruf hat.
m_14
Ich besuche die Community, um ein Feedback zu geben.
m_15
Ich besuche die Community, weil ich andere Marken nicht mag.
m_16
Ich besuche die Community, um unterhalten zu werden.
m_17
Ich besuche die Community, um zu entspannen.
m_18
Ich besuche die Community, um auf neue Ideen zu kommen.
m_19
Ich besuche die Community, um zu spielen.
m_20
Ich besuche die Community, um Informationen vom Unternehmen zu erhalten.
m_21
Ich besuche die Community, um dem Alltag zu entfliehen.
m_22
Ich besuche die Community, um an den Gewinnspielen teilzunehmen.
m_23
Indikatorvariablen zur Messung der Motivation der Mitglieder zur Teilnahme an der Brand Community
4.3.1
Datenerhebung
Zur Verdichtung der in Tabelle 9 vorgestellten Motivations-Indikatoren auf wenige übergeordnete Dimensionen wurde eine quantitative, webbasierte Befragung der Mitglieder einer offiziellen Brand Community, in deren Mittelpunkt ein alkoholisches Getränk836 steht, durchgeführt.837
836
Vgl. auch Abschnitt 4.1.
837
Da es sich um die Bewertung eines Angebotes im Internet handelt, ist davon auszugehen, dass der Einsatz eines Onlinefragebogens keine Verzerrung der Grundgesamtheit darstellt und somit für die Durchführung der Erhebung geeignet ist. (vgl. z. B. Bortz und Döring (2006), S. 261).
126
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Die Probanden wurden mittels einer 7-stufigen Likert-Skala befragt, inwiefern ein Motivations-Item für sie einen Beweggrund zur Teilnahme an der Brand Community darstellt. 838 Insgesamt haben 4534 Brand-Community-Mitglieder an der Befragung teilgenommen. 4.3.2
Datenauswertung und Ergebnisse
Im Rahmen einer exploratorischen Faktorenanalyse werden die 23 Motivations-Indikatoren zu übergeordneten Faktoren verdichtet. Die Eignung der Variablen für eine Faktorenanalyse wurde anhand des KMO-Kriteriums839 überprüft. Mit einem KMO-Wert von 0,954 sind die Daten sehr gut für eine Faktorenanalyse geeignet. Nach dem Eigenwert-Kriterium840 wurden mittels einer Hauptkomponentenanalyse841 drei Faktoren extrahiert. Diese erklären 62,1 % der Gesamtvarianz. Zur besseren Interpretation werden die Faktoren mit der Varimax-Methode orthogonal rotiert. Tabelle 10 stellt die rotierte Faktorladungsmatrix der explorativen Faktorenanalyse und die Interpretation der Faktoren dar. Die Hauptkomponentenanalyse zeigt eine weitgehend eindeutige Zuordnung der Motivationen zu drei übergeordneten Motivations-Dimensionen. Der erste Faktor fasst Motivationen zusammen, die insbesondere durch die Community bzw. Gemeinschaft der Teilnehmer befriedigt werden und wird daher im Folgenden als „Motivation Community“ bzw. „communitybezogene Motivation“ bezeichnet. Hierunter fallen beispielsweise die Interaktion mit anderen Mitgliedern, gegenseitige Unterstützung und das Streben nach sozialer Anerkennung. Der zweite Motivations-Faktor umfasst Motivationen, die im Zusammenhang mit der Marke stehen, die im Mittelpunkt der Brand Community ist, so dass fortan die Bezeichnungen „Motivation Marke“ bzw. „markenbezogene Motivation“ für diese Dimension eingesetzt werden. In den zugehörigen Items kommt insbesondere das Interesse an der Marke und die Leidenschaft für die Marke zum Ausdruck. Die dritte Dimension wiederum beinhaltet verschiedenste Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community, die grundsätzlich nicht in direktem Bezug zu einer bestimmten Marke oder der Gemeinschaft der Teilnehmer stehen. Vielmehr handelt es sich um Beweggründe der
838
Die Skalierung erstreckt sich von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 7 = „trifft voll und ganz zu“.
839
Das KMO-Kriterium (Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium) bzw. MSA-Kriterium (measure of sampling adequacy) dient als Gütekriterium für die Eignung der Variablenauswahl für die Durchführung einer Faktorenanalyse (Hauptkomponentenanalyse). Werte über 0,8 werden als gut eingestuft, darunter liegende Werte bis 0,5 werden noch als akzeptabel angesehen. Datensätze mit geringeren KMO-Werten als 0,5 sind für eine explorative Faktorenanalyse untragbar. Eine genauere Abstufung der MSA-Werte findet sich bei Kaiser und Rice (1974), S. 112.
840
Nach dem Eigenwert-Kriterium (auch Kaiser-Kriterium) entspricht die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren der Anzahl der Faktoren mit einem Eigenwert größer eins. Der Eigenwert berechnet sich dabei als Summe der quadrierten Faktorladungen eines Faktors über alle Variablen. Vgl. Backhaus et al. (2008), S. 353.
841
Die Hauptkomponentenanalyse geht davon aus, dass die Varianz einer Ausgangsvariablen vollständig durch die extrahierten Faktoren erklärt werden kann und unterstellt damit, dass keine Einzelrestvarianz in den Variablen existiert (vgl. Backhaus et al. (2008), S. 347 ff.).
Vorstudie zur Operationalisierung der Motivation
127
Teilnehmer, die durch „zusätzliche“ Angebote, wie beispielsweise Gewinnspiele, Spiele oder sonstige Unterhaltungsangebote, befriedigt werden. Sie stellen sozusagen einen „Mehrwert“ oder eine „community- und markenunabhängige Motivation“ dar.
Tabelle 10:
2
3
0,816 0,802 0,791 0,780 0,766 0,752 0,725 0,718 0,715 0,577 0,218 0,076 0,208 0,174 0,254 0,274 0,185 0,325 0,237 0,231 0,031 0,431 0,181
0,221 0,185 0,143 0,198 0,080 0,155 0,335 0,266 0,189 0,205 0,829 0,782 0,722 0,709 0,641 0,639 0,156 0,170 0,337 0,171 0,452 0,092 0,153
0,196 0,205 0,236 0,283 0,236 0,085 0,209 0,245 0,363 0,546 0,158 0,302 0,320 0,222 0,018 0,269 0,754 0,716 0,695 0,620 0,604 0,562 0,432
Faktorinterpretation
Community
...um andere Mitglieder zu unterstützen. ...da ich mich gerne mit anderen Leuten aus der Community unterhalte. ...um neue Leute kennen zu lernen. ...um mich persönlich einbringen zu können. ...da die anderen Mitglieder die gleichen Ziele verfolgen wie ich. ...um Anschluss zu finden. ...da es für mich wichtig ist ein Teil der Community zu sein. ...um von den anderen Mitgliedern Anerkennung zu erhalten. ...um von anderen Mitgliedern Informationen zu erhalten. ...um neue Erfahrungen zu sammeln. ...weil ich stolz auf die Marke bin. …aus Leidenschaft zu der Marke. ...um die Marke zu unterstützen. ...weil die Marke einen guten Ruf hat. ...um der Marke ein Feedback zu geben. ...weil ich andere Marken nicht mag. ...um unterhalten zu werden. ...um zu entspannen. ...um auf neue Ideen zu kommen. ...um zu spielen. ...um Informationen über die Marke zu erhalten. ...um dem Alltag zu entfliehen. ...um an den Gewinnspielen teilzunehmen.
1
Marke
Faktor
Ich besuche die Community,
Mehrwert
Indikator
Faktorladungsmatrix der Motivations-Statements und Faktorinterpretation
Vollständigkeitshalber dokumentiert Tabelle 11 die Mittelwerte der manifesten MotivationsVariablen sowie die ungewichteten Summenscores der extrahierten Faktoren.842 Eine weitergehende Interpretation dieser Kennzahlen soll jedoch nicht erfolgen, da die Bedeutung der Motivations-Dimensionen für ausgewählte Zielkonstrukte Gegenstand der Hauptstudie ist.
842
Der ungewichtete Summenscore ergibt sich aus der gleichgewichteten Summe der Mittelwerte (vgl. Dillon und McDonald (2001), S. 62).
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Mittelwert
m_01
3,46
m_02
3,86
m_03 m_04 m_05 m_06 m_07 m_08 m_09 m_10 m_11 m_12 m_13 m_14 m_15 m_16 m_17 m_18 m_19 m_20 m_21 m_22 m_23
4,08 3,38 2,98 2,62 3,75 3,83 3,81 4,21 5,11 5,60 5,03 5,37 4,19 4,99 5,06 4,58 5,19 4,50 5,66 3,81 5,01
...um andere Mitglieder zu unterstützen. ...da ich mich gerne mit anderen Leuten aus der Community unterhalte. ...um neue Leute kennen zu lernen. ...um mich persönlich einbringen zu können. ...da die anderen Mitglieder die gleichen Ziele verfolgen wie ich. ...um Anschluss zu finden. ...da es für mich wichtig ist, ein Teil der Community zu sein. ...um von den anderen Mitgliedern Anerkennung zu erhalten. ...um von anderen Mitgliedern Informationen zu erhalten. ...um neue Erfahrungen zu sammeln. ...weil ich stolz auf die Marke bin. …aus Leidenschaft zu der Marke. ...um die Marke zu unterstützen. ...weil die Marke einen guten Ruf hat. ...um der Marke ein Feedback zu geben. ...weil ich andere Marken nicht mag. ...um unterhalten zu werden. ...um zu entspannen. ...um auf neue Ideen zu kommen. ...um zu spielen. ...um Informationen über die Marke zu erhalten. ...um dem Alltag zu entfliehen. ...um an den Gewinnspielen teilzunehmen.
Tabelle 11:
4.3.3
Faktor
Ungewichteter Summenscore
Community
Bezeichnung Hauptstudie
3,60
Marke
Motivations-Statement Ich besuche die Community,
5,05
Mehrwert
128
4,83
Deskriptive Statistik Motivations-Statements und Motivations-Faktoren
Konkretisierung des Untersuchungsmodells
Im Rahmen der Vorstudie konnten drei zentrale Motivations-Dimensionen identifiziert werden: communityspezifische Motivationen, markenspezifische Motivationen und communityund markenunabhängige Motivationen, wobei letztere sich auf spezifische Zusatzleistungen der Brand Community beziehen. Dieses Ergebnis deckt sich mit den theoretischen Überlegungen zu Brand Communities, in denen die zentralen Rollen einer Marke als verbindendes Element der Gemeinschaft und der Interaktion der Nutzer aufgezeigt werden. Auch die dritte Komponente, die als Sammelbecken unterschiedlichster Beweggründe zur Teilnahme an der Brand Community gesehen werden kann, ist konform zu den Ausführungen bezüglich der in den Kapitel 3.3.1 diskutierten Motivtheorien 843 und aufgrund der Heterogenität der Mitglieder einer Virtual Brand Community zu erwarten.844In der Hauptstudie werden die Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community entsprechend den Resultaten der Vorstudie durch die drei latenten Konstrukte „Motivation Community“, „Motivation Marke“ und „Motivation Mehrwert“ 843
Vgl. insbesondere die Ausführungen zu den athematischen Motivtheorien in Kapitel 3.3.1.1.2.
844
Vgl. hierzu die Beschreibung der Charakteristika einer Brand Community in Abschnitt 2.1.2.
Vorstudie zur Operationalisierung der Motivation
129
repräsentiert und die Hypothesen zum Motivations-Konstrukt entsprechend verfeinert. Abbildung 16 veranschaulicht das sich dadurch ergebende Modell für die empirische Unter-
Zufriedenheit Community
Bezugsobjekt Community
suchung in der Hauptstudie.
H2cc H3cc
Loyalität Community
H3cm H2cm
H6cc
H7cm H4cc
H1cm
H5cc
Identifikation Community
H5cm H4cm
H1cu
H3mc
H2mc Zufriedenheit Marke
H2mm
H8cm
H3mm Loyalität Marke
Bezugsobjekt Marke
H1cc
Motivation Community
Weiterempfehlung Community
H6mm
Weiterempfehlung Marke
H5mc H1mc
H4mc H1mm
Identifikation Marke
H1mu
H4mm H5mm
Zufriedenheit Unternehmen
H6uu
H1wc
Abbildung 16:
H3uc
H3um H4uc
Motivation Mehrwert
H2um
H2uc
H1wm H1wu
H4um
H5uc
H5um Identifikation Unternehmen
Untersuchungsmodell mit Differenzierung von Motivations-Dimensionen
Bezugsobjekt Unternehmen
Motivation Marke
130 4.4
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Hauptstudie
Im Rahmen der Hauptstudie soll das in Kapitel 3.4 entwickelte und auf Basis der Ergebnisse der Vorstudie konkretisierte Untersuchungsmodell (vgl. Kapitel 4.3.3) mittels eines Strukturgleichungsmodells empirisch geschätzt werden. Hierzu wird im nächsten Kapitel die Operationalisierung der hypothetischen Konstrukte vorgestellt. Die empirische Erhebung der Daten erfolgt dann in einer virtuellen Markengemeinschaft eines Getränkeherstellers. Abschließend werden die Auswertung der Daten und die Ergebnisse der Schätzung erläutert. 4.4.1
Operationalisierung der relevanten Konstrukte
Die Entwicklung eines Modells zur Messung eines hypothetischen Konstruktes wird als Operationalisierung bezeichnet.845 Messmodelle sollen Konstrukten bzw. latenten Variablen einer Theorie eine empirische Bedeutung geben und diese messbar machen.846 Die Operationalisierung spezifiziert somit das allgemeine Forschungsmodell. 4.4.1.1
Motivation zur Teilnahme an der Brand Community
Die Motivation zur Teilnahme an der Brand Community wurde entsprechend der Ergebnisse der Vorstudie für die Hauptuntersuchung in die drei Dimensionen „Motivation Community“, „Motivation Marke“ und „Motivation Mehrwert“ unterteilt. Konstrukt
Indikator
Motivation Community (Vorstudie)
Ich besuche die Community, um andere Mitglieder zu unterstützen.
m_01
Ich besuche die Community, da ich mich gerne mit anderen Leuten aus der Community unterhalte.
m_02
Motivation Marke (Vorstudie)
Kürzel
Ich besuche die Community, um neue Leute kennen zu lernen.
m_03
Ich besuche die Community, um mich persönlich einbringen zu können.
m_04
Ich besuche die Community, da die anderen Mitglieder die gleichen Ziele verfolgen wie ich.
m_05
Ich besuche die Community, um Anschluss zu finden.
m_06
Ich besuche die Community, da es für mich wichtig ist ein Teil der Community zu sein.
m_07
Ich besuche die Community, um von den anderen Mitgliedern Anerkennung zu erhalten.
m_08
Ich besuche die Community, um von anderen Mitgliedern Informationen zu erhalten.
m_09
Ich besuche die Community, um neue Erfahrungen zu sammeln.
m_10
Ich besuche die Community, weil ich stolz auf die Marke bin.
m_11
Ich besuche die Community aus Leidenschaft zur Marke.
m_12
Ich besuche die Community, um die Marke zu unterstützen.
m_13
Ich besuche die Community, weil die Marke einen guten Ruf hat.
m_14
Ich besuche die Community, um ein Feedback zu geben.
m_15
Ich besuche die Community, weil ich andere Marken nicht mag.
m_16
845
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 416,
846
Vgl. Bagozzi (1998), S. 59.
Hauptstudie
131
Konstrukt
Indikator
Kürzel
Motivation Mehrwert (Vorstudie)
Ich besuche die Community, um unterhalten zu werden.
m_17
Ich besuche die Community, um zu entspannen.
m_18
Tabelle 12:
Ich besuche die Community, um auf neue Ideen zu kommen.
m_19
Ich besuche die Community, um zu spielen.
m_20
Ich besuche die Community, um Informationen vom Unternehmen zu erhalten.
m_21
Ich besuche die Community, um dem Alltag zu entfliehen.
m_22
Ich besuche die Community, um an den Gewinnspielen teilzunehmen.
m_23
Indikatorvariablen zur Messung der Konstrukte „Motivation Community“, „Motivation Marke“ und „Motivation Mehrwert“
4.4.1.2
Zufriedenheit
Für die Operationalisierung des Zufriedenheitskonstrukts wurde auf bewährte, existierende Indikatoren zurückgegriffen. 847 Diese wurden an die drei unterschiedlichen Bezugsobjekte Brand Community, Marke und Unternehmen angepasst, so dass die in Tabelle 13 aufgeführten Indikatorvariablen zum Einsatz kommen. Konstrukt Zufriedenheit mit der Community Zufriedenheit mit der Marke Zufriedenheit mit dem Unternehmen
Tabelle 13:
Indikator Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Community. Meine Erfahrungen mit der Community treffen meine Idealvorstellungen. Die Leistungen der Community haben meine Erwartungen erfüllt. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der Marke. Meine Erfahrungen mit der Marke treffen meine Idealvorstellungen. Die Leistungen der Marke haben meine Erwartungen erfüllt.
Kürzel sc_1 sc_2 sc_3 sb_1 sb_2 sb_3
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem Unternehmen. Meine Erfahrungen mit dem Unternehmen treffen meine Idealvorstellungen. Die Leistungen des Unternehmens haben meine Erwartungen erfüllt.
so_1 so_2 so_3
Indikatorvariablen zur Messung der Zufriedenheit mit der Community, mit der Marke bzw. mit dem Unternehmen
4.4.1.3
Identifikation
Obwohl die Identifikation mit Organisationen Gegenstand zahlreicher empirischer Untersuchungen und einer Vielzahl an Überblicksartikeln848 ist, existiert weiterhin Forschungsbedarf bezüglich der Operationalisierung des Konstrukts. 849 Im Folgenden sollen daher kurz die
847
Vgl. Bitner und Hubbert (1994), S. 72 ff.; Homburg et al. (2009), S. 50; Bettencourt (1997), S. 383 ff.
848
Vgl. z. B. Ashforth und Mael (1989); Dutton et al. (1994); Pratt (1998); van Dick (2001); van Dick (2004a); Riketta (2005); Riketta und van Dick (2005); Edwards (2005).
849
Zu diesem Schluss, dem sich auch der Autor anschließt, kommt Edwards bei der Betrachtung der bisherigen Operationalisierungsansätze (vgl. Edwards (2005), S. 277).
132
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
wichtigsten in der Literatur diskutierten Operationalisisrungsansätze der Identifikationskonstrukts skizziert werden.850 Zu den ersten Versuchen, das Konstrukt der organisationalen Identifikation messbar zu machen, zählen die Ansätze von Brown und Hall et al.851 Diese konnten sich allerdings nicht durchsetzen, da sie hinsichtlich Augenscheinvalidität, Inhaltsvalidität und Konstruktvalidität zu bemängeln sind.852 Weiterhin zählt Cheneys Organizational Identification Questionnaire (OIQ)853 zu den bekanntesten Ansätzen zur Messung der organisationalen Identifikation und umfasst 25 Items zur Messung, so dass eine Beschränkung auf das zu messende Konstrukt fehlt und die Inhaltsvalidität und Diskriminanzvalidität zu kritisieren sind.854 In der neueren Literatur findet sich zuletzt insbesondere die Operationalisierung von Mael und Ashforth, um die wahrgenommene Einheit einer Person mit einer Organisation zu messen.855 Diese besteht aus sechs Items, die aus einer Skala von Mael und Tetrick zur Messung der Identifikation mit einer psychologischen Gruppe entnommen wurden. 856 Daher wird zuweilen die Kritik hinsichtlich der Inhaltsvalidität geäußert, wohingegen die Reliabilität der Skala weitgehend unbestritten ist.857 Außerdem kritisieren verschiedene Autoren an den Ausführungen von Ashforth und Mael, dass Identifikation ihrer Ansicht nach zunächst nur aus einer kognitiven Komponente besteht, jedoch auch affektive und evaluative Komponenten zu berücksichtigen seien.858 Diese Kritik veranlasst van Dick zu einem der jüngsten Ansätze zur Operationalisierung der Identifikation mit einer Organisation, der sich jedoch in der internati-
850
Auf die Vorstellung und Diskussion von Skalen zur Messung der Fan- bzw. Team-Identifikation wird an dieser Stelle verzichtet, da diese entweder ebenfalls auf Mael und Ashforth aufbauen (z. B. Gwinner und Swanson (2003)) bzw. zu spezifisch auf die Messung der Identifikation im Sport ausgerichtet sind, d.h. z. B. die sportliche Entwicklung integrieren. Sportspezifische Skalen finden sich z. B. bei Branscombe und Wann (1993); Fisher (1998); Fisher und Wakefield (1998); Boyle und Magnusson (2007); Robinson und Trail (2005); Füller et al. (2006b).
851
Vgl. Brown (1969) und Hall (1971).
852
Vgl. Edwards (2005), S. 221 ff.
853
Cheney (1983).
854
Cheney beabsichtigt die organisationale Identifikation durch drei Komponenten (membership, loyalty und similarity) zu messen, jedoch decken die verwendeten Items zahlreiche weitere Bereiche ab. Insbesondere scheinen Überlagerungen mit Vorläufern und Folgen der Identifikation aufzutreten. Vgl. hierzu Edwards (2005), S. 222).
855
Vgl. Mael und Ashforth (1992). Anwendungsbeispiele finden sich z. B. bei Bamber und Iyer (2002); Moye und Bartol (2001); van Knippenberg und van Schie (2000); van Knippenberg et al. (2002); Keh und Xie (2009); Wiesenfeld et al. (1998); Gwinner und Swanson (2003); Kim et al. (2001).
856
Vgl. Mael und Tetrick (1992).
857
Zur Kritik an der Operationalisierung von Mael und Ashforth vgl. Abrams und Randsley de Moura (2001), S. 137; Edwards (2005), S. 223. Die Reliabilität der Skala betrug gemessen durch Cronbachs Alpha bei sechs veröffentlichten Untersuchungen von Mael und Ashforth durchschnittlich 0,85 (vgl. Mael und Ashforth (1992)).
858
Vgl. z. B. Ellemers et al. (1999), S. 372; Ouwerkerk et al. (1999), S. 188 f.; van Dick (2004b); S. 14 ff.
Hauptstudie
133
onalen Marketing-Literatur nicht gegen das etablierte Messinstrument von Ashforth und Mael durchgesetzt hat.859 Des Weiteren muss der interessante Vorschlag von Bergami und Bagozzi zur Messung der Identifikation durch eine einzige grafische Skala angeführt werden.860 Die Probanden müssen dabei anhand der Überlappung zweier Kreise, die das Individuum und die Organisation repräsentieren, beurteilen, wie groß die Übereinstimmung des Selbstbildes mit dem Image des Unternehmens ist (vgl. Abbildung 17). Die Skala wurde inzwischen auch von weiteren Autoren eingesetzt und als geeignet beurteilt.861 Jedoch setzt sie voraus, dass ein gemeinsames Verständnis unter Befragtem und Forscher hinsichtlich der Identifikation mit einer Organisation existiert, da es sonst zu Fehlinterpretationen kommen kann. Ohne zusätzliche Items zur Konstruktion eines reliablen Maßes kann es zu Validitätsproblemen kommen. 1
große Distanz
2
geringe Distanz
3
leichte Überschneidung
4
mittlere Überschneidung
5
starke Überschneidung
6
sehr starke Überschneidung
7
vollständige Überschneidung
Abbildung 17:
Grafische Skala zur Erhebung der Identifikation862
859
Vgl. van Dick (2001) sowie van Dick et al. (2004b) und van Dick (2004b).
860
Vgl. Bergami und Bagozzi (2000). Zur Beurteilung der Skala fragen die Autoren in ihrer Untersuchung auch verbal nach dieser Übereinstimmung: „Please indicate to what degree your self-image overlaps with XY’s image. (7-point, not at all - very much)“.
861
Die Operationalisierung von Bergami und Bagozzi (2000) bzw. Varianten dieser Skala finden sich z. B. auch bei Shamir und Kark (2004); Shamir et al. (2000); Dukerich et al. (2002); Brown et al. (2005) und Bagozzi und Dholakia (2006b).
862
In Anlehnung an Bergami und Bagozzi (2000), S. 555 ff.; Brown et al. (2005), S. 135.
134
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Abschließend ist anzumerken, dass alle vorgestellten Skalen primär zur Messung der Identifikation von Mitarbeitern, nicht aber von Konsumenten, mit einem Unternehmen entwickelt und eingesetzt wurden. Außerdem steht als Fokus der Identifikation in den meisten Studien ein Unternehmen im Mittelpunkt, wohingegen in der vorliegenden Untersuchung unterschiedliche Identifikationsobjekte (Unternehmen, Marke, Brand Community) betrachtet werden. Beides führt dazu, dass die Formulierung der Items teilweise angepasst wird und je nach untersuchtem Identifikationsobjekt ein in diesem Bereich bereits etablierter Messansatz zum Einsatz kommt. Somit werden mehrere Messinstrumente parallel verwendet, die jedoch alle die kognitiven, affektiven und evaluativen Komponenten berücksichtigen.863 Zusätzlich wurde über alle Identifikationsobjekte hinweg die grafische Skala von Bergami und Bagozzi eingesetzt,864 um eine einheitliche Messvariante der Identifikation zu integrieren. Die jeweils ausgewählten Indikatoren zur Operationalisierung der Identifikation mit den drei Identifikationsfokussen werden im Folgenden genauer vorgestellt. Die Identifikation mit der Community ist inhaltlich eng an das Konstrukt Psychological Sense of Community angelehnt und stellt in zahlreichen Operationalisierungen einen Teil der Beziehungsqualität zur Brand Community dar.865 Die Konzeptualisierung beinhaltet, dass sich die Konsumenten ihrer Mitgliedschaft in der Community bewusst sind, diese emotional wichtig ist und sie ihnen wertvoll erscheint.866 Die entsprechende Operationalisierung der Identifikation mit der Community erfolgte durch eine von Algesheimer erarbeitete Skala 867 und die vorgestellte grafische Identifikationsskala.868
863
Vgl. Abschnitt 3.3.2.2 und die vorangegangen Ausführungen zu existierenden Operationalisierungen der Identifikation.
864
Vgl. Bergami und Bagozzi (2000), S. 555 ff.
865
Vgl. Algesheimer (2004), S. 125 ff. und die dort angegebene Literatur.
866
Vgl. Obst et al. (2002), S. 91 f. und grundsätzlich Hogg (1992).
867
Vgl. Algesheimer et al. (2005), S. 32; Algesheimer et al. (2006), S. 944. Die Skala hat sich in den empirischen Untersuchungen von Algesheimer als geeignet erwiesen und wurde inzwischen auch von anderen Autoren eingesetzt (z. B. Hoppe (2008)).
868
Auch Carlson, Suter und Brown setzen diese Skala zur Messung der Community Identification ein (vgl. Carlson et al. (2008), S. 288).
Hauptstudie
135
Hinsichtlich der Operationalisierung der Identifikation mit einer Marke wurde ebenfalls auf ein von Algesheimer eingeführtes Messinstrument zurückgegriffen, das auch Items aus den Studien von Fournier und Aaker zur Markenbeziehungsqualität869 beinhaltet.870 Parallel dazu wurde auch die grafische Übereinstimmung des Selbstbilds mit der Marke abgefragt. Bei der Operationalisierung der organisationalen Identifikation wurde zusätzlich zur grafischen Abfrage der Übereinstimmung der eigenen Identität mit der des Unternehmens auf eine von Homburg, Wieseke und Hoyer angepasste Variante der Skala von Mael und Ashforth zurückgegriffen.871 Die Items der Operationalisierung der Identifikation können gegliedert nach den unterschiedlichen Identifikationsobjekten aus Tabelle 14 entnommen werden. Konstrukt Identifikation mit der Community
Identifikation mit der Marke
Identifikation mit dem Unternehmen
Tabelle 14:
Indikator Ich fühle mich sehr verbunden mit der Community. Andere Mitglieder der Community verfolgen die gleichen Werte wie ich. Meine Freundschaften zu anderen Mitgliedern der Community bedeuten mir sehr viel. Wenn Mitglieder der Community etwas planen, habe ich das Gefühl, dass wir es tun, nicht dass sie es tun. Ich bin ein Teil der Community. Bitte gib an, wie stark sich dein Selbstbild mit dem Bild, das du von der Community hast, überschneidet? (grafische Skala) Die Marke sagt viel darüber aus, wer ich bin und sein möchte. Das Image der Marke und mein Selbstbild sind in vielen Dingen ähnlich. Die Marke spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben. Ich fühle mich sehr verbunden mit der Marke. Die Marke ruft in mir starke Zugehörigkeitsgefühle hervor. Bitte gib an, wie stark sich dein Selbstbild mit dem Bild, das du von der Marke hast, überschneidet? (grafische Skala) Ich kann mich gut mit diesem Unternehmen identifizieren. Ich fühlte mich gut, Kunde dieses Unternehmens zu sein. Ich sage gerne, dass ich Kunde dieses Unternehmens bin. Dieses Unternehmen passt gut zu mir. Ich fühle mich sehr verbunden mit diesem Unternehmen. Bitte gib an, wie stark sich dein Selbstbild mit dem Bild, das du von diesem Unternehmen hast, überschneidet? (grafische Skala)
Kürzel cid_1 cid_2 cid_3 cid_4 cid_5 cid_6 bid_1 bid_2 bid_3 bid_4 bid_5 bid_6 oid_1 oid_2 oid_3 oid_4 oid_5 oid_6
Indikatorvariablen zur Messung der Identifikation mit der Community, der Marke bzw. dem Unternehmen
869
Vgl. Fournier (1994); Aaker (1997).
870
Vgl. Algesheimer et al. (2005), S. 33. Zugleich beinhaltet die Operationalisierung auch den Messansatz von Bhattacharya und Sen, die die Beurteilung der Ähnlichkeit des Selbstbildes mit dem Markenimage vorschlagen (vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 80 und Du et al. (2007), S. 239).
871
Vgl. Homburg et al. (2009). Die Skala erhielt gegenüber der Skala von van Dick insbesondere aufgrund der Vergleichbarkeit mit anderen Studien den Vorzug.
136 4.4.1.4
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Kundenloyalität
In der Literatur existiert eine Vielzahl von Instrumenten zur Messung der Kundenloyalität.872 In der vorliegenden Untersuchung repräsentiert das Loyalitätskonstrukt, wie in der Konzeptualisierung des Konstrukts in Abschnitt 3.2.1 aufgezeigt, das intendierte Wiederkaufverhalten eines Konsumenten. Eine dementsprechende Operationalisierung der Loyalität gegenüber der Brand Community873 findet sich bei Algesheimer874 und hat sich in mehreren empirischen Studien im Brand-Community-Kontext als zuverlässig erwiesen.875 Auch die Messung der Loyalität gegenüber der Marke erfolgt durch eine bereits empirisch validierte Drei-Item-Skala von Algesheimer.876 Die Indikatoren zur Messung der Loyalität gegenüber der Brand Community und gegenüber der Marke werden in Tabelle 15 dargestellt. Konstrukt Intendierte Loyalität gegenüber der Brand Community Intendierte Loyalität gegenüber der Marke
Tabelle 15:
Indikator Mir würde es generell schwer fallen, die Community zu verlassen. Ich wäre bereit, für die Mitgliedschaft in dieser Community mehr zu zahlen als bei einer vergleichbaren Community. Ich habe die Absicht, Mitglied der Community zu bleiben. Ich beabsichtige die Marke auch in der Zukunft zu kaufen. Ich würde aktiv nach dieser Marke bei einem Händler oder im Internet suchen, um sie kaufen zu können. Ich habe die Absicht, auch andere Produkte der Marke zu kaufen.
Kürzel cli_1 cli_2 cli_3 bli_1 bli_2 bli_3
Indikatorvariablen zur Messung der intendierten Loyalität gegenüber der Brand Community und gegenüber der Marke
4.4.1.5
Weiterempfehlung
Die gestiegene Relevanz von Weiterempfehlungen in der Unternehmenspraxis877 spiegelt sich in zahlreichen in der Literatur vorgeschlagenen Operationalisierungsansätzen wider.878 Für
872
Vgl. Braunstein (2001), S. 198 ff. Die Operationalisierung der Loyalität in aktuellen Veröffentlichungen findet sich z. B. bei Oliver (1999); Ganesh et al. (2000); Agustin und Singh (2005); Palmatier et al. (2007); Homburg und Fürst (2005); Zeithaml et al. (1996); Chaudhuri und Holbrook (2001); De Wulf et al. (2001).
873
Zur Operationalisierung der Loyalität gegenüber der Brand Community sind in der Literatur bislang nur wenige Messansätze bekannt. Als Ausnahmen lassen sich jedoch die Studien von Stokburger-Sauer (2010) und Algesheimer (2004) anführen. Andere Autoren untersuchen die Bindung an die Community beispielsweise durch das Konstrukt des Commitments (vgl. z. B. Jang et al. (2007)).
874
Vgl. Algesheimer (2004), S. 333.
875
Vgl. Algesheimer (2004), S. 333; Algesheimer et al. (2005), S. 32; Algesheimer et al. (2006), S. 944.
876
Algesheimer entwickelte die Skala im Rahmen seiner Dissertation über Brand Communities auf Basis der Indikatoren vorangehender Operationalisierungen (vgl. Algesheimer (2004), S. 257 ff.). Das abschließende Messinstrument ist veröffentlicht in Algesheimer (2004), S. 331; Algesheimer et al. (2006), S. 944; Algesheimer et al. (2005), S. 33.
877
Vgl. z. B. Reichheld (2003), S. 51.
Hauptstudie
137
die vorliegende Untersuchung wird ein Messinstrument gewählt, das der in Abschnitt 3.2.2 vorgestellten Konzeptualisierung des Konstrukts folgt.879 Bei der Messung der Weiterempfehlung der Brand Community wurde auf das Messinstrument von Algesheimer zurückgegriffen, da in ihm vorangehende Operationalisierungen aufgegriffen und verfeinert wurden.880 Die Weiterempfehlung wird dabei als Verhaltensabsicht gemessen, d. h. die Konsumenten werden nach ihrem intendierten Weiterempfehlungsverhalten gefragt. Die Eignung des Messinstruments zur Erhebung der Weiterempfehlungsabsicht wurde von Algesheimer in mehreren empirischen Untersuchungen bestätigt.881 Das Messinstrument zur Erhebung der intendierten Weiterempfehlung der Marke stammt von Algesheimer und ist weitgehend identisch zur Operationalisierung der Weiterempfehlung der Community.882 Die Indikatoren der beiden Konstrukte zur Messung der Weiterempfehlung der Brand Community bzw. der Marke durch die Brand-Community-Mitglieder werden in Tabelle 16 dargelegt. Konstrukt Intendierte Weiterempfehlung der Community
Intendierte Weiterempfehlung der Marke
Tabelle 16:
Indikator Ich werde selten eine Gelegenheit auslassen, anderen etwas Positives über die Community zu erzählen. Falls meine Freunde oder Verwandten eine Community suchen, würde ich ihnen diese Community empfehlen. Ich werde mich anderen gegenüber positiv über die Community äußern. Ich werde selten eine Gelegenheit auslassen, anderen etwas Positives über die Marke zu erzählen. Ich werde Freunde, Verwandte und Bekannte aktiv ermutigen, die Marke zu kaufen. Falls meine Freunde oder Verwandten und Bekannten ein Angebot suchen, würde ich ihnen empfehlen, diese Marke zu kaufen.
Kürzel cwi_1 cwi_2 cwi_3 bwi_1 bwi_2 bwi_3
Indikatorvariablen zur Messung der intendierten Weiterempfehlung der Brand Community und der Marke
878
Die unterschiedlichen Messinstrumente beruhen zum Teil auf differenzierten Zielsetzungen. So messen z. B. Swan und Oliver die Gefälligkeit der Mund-zu-Mund-Kommunikation (vgl. Swan und Oliver (1989)). Richins und Singh fokussieren auf die negative Mund-zu-Mund-Kommunikation als Folge schlechter Erfahrungen oder Unzufriedenheit mit dem Produkt (vgl. Richins (1983); Singh (1990)). Die zukünftigen Absichten, Weiterempfehlungen zu geben, werden von File et al. oder Danaher und Rust untersucht (vgl. File et al. (1992); Danaher und Rust (1996)). Für Anderson ist hingegen die Anzahl der Personen, die eine Weiterempfehlung erhalten haben von Bedeutung (vgl. Anderson (1998)). Von Wangenheim stellt die Verbindung zwischen Weiterempfehlungen und dem Kundenwert her und verwendet eine diskrete Abfrage der Anzahl abgegebener positiver bzw. negativer Weiterempfehlungen (vgl. von Wangenheim (2003)). Zudem finden sich beispielsweise bei Bone (1992); Harrison-Walker (2001); Brown et al. (2005) mehrdimensionale Messungen des Weiterempfehlungskonstrukts.
879
Vgl. Kapitel 3.2.2.2.
880
Vgl. Algesheimer (2004), S. 333; Algesheimer et al. (2006), S. 944.
881
Vgl. Algesheimer (2004), S. 333; Algesheimer et al. (2005), S. 33; Algesheimer et al. (2006), S. 944.
882
Vgl. Algesheimer (2004), S. 333; Algesheimer et al. (2006), S. 944.
138 4.4.2
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Datenerhebung
Für die empirische Untersuchung einer offiziellen Brand Community, d. h. einer von einem Unternehmen gemanagten Brand Community, konnte ein Hersteller alkoholhaltiger Getränke als Kooperationspartner gewonnen werden.883 Die Community-Mitglieder wurden im Januar 2009 per Newsletter dazu eingeladen, innerhalb der nächsten zwei Wochen an einer Onlineumfrage884 teilzunehmen. Als Incentives wurden unter allen Teilnehmern 10 Preise aus dem Fanartikel-Sortiment der Brand Community verlost.885 Der Einsatz eines Onlinefragebogens ist für die Durchführung der Erhebung geeignet, da es um die Evaluation eines Internetangebotes geht und somit keine Verzerrung der Grundgesamtheit erfolgt.886 Für alle Fragen der empirischen Untersuchung - mit Ausnahme der statistischen Fragen bezüglich Demographika - wurde eine 7-stufige Likert-Skala verwendet. Diese reichte von 1 = „trifft überhaupt nicht zu“ bis 7 = „trifft voll und ganz zu“.887 Durch die Intervallskalierung wird eine Grundvoraussetzung zur Schätzung von Strukturgleichungsmodellen erfüllt.888 Die Daten dieser Untersuchung basieren somit ausschließlich auf Antworten der Mitglieder der Brand Community, so dass durch die Eigenbeurteilung889 die Gefahr eines sog. Common
883
Vgl. auch Abschnitt 4.1.
884
Zur Fragebogenerhebung im Internet allgemein vgl. z. B. Batinic (2001); Schonlau et al. (2002); Welker et al. (2005). Eine Auseinandersetzung mit Methodeneffekten von WWW-Befragungen findet sich z. B. bei Taddicken (2007).
885
Durch die Schaffung von Anreizen durch sog. Incentives kann die Teilnahmebereitschaft der Adressaten einer Befragung erhöht werden (vgl. Wilk (1975); Singer et al. (1998)). Die im Rahmen der empirischen Untersuchung eingesetzten nichtmonetären Incentives sind zielgruppengerecht, so dass keine Verzerrung der Stichprobe zu erwarten ist. Diese und weitere Empfehlungen zur Incentivierung finden sich bspw. bei Stadtmüller und Porst (2005).
886
Vgl. z. B. Bortz und Döring (2006), S. 261.
887
Vgl. Algesheimer (2004), S. 289 ff. Zu Vor- und Nachteilen der Verwendung einheitlicher Skalen vgl. z. B. Podsakoff et al. (2003a), S. 888; Tourangeau et al. (2000), S. 239 ff.
888
Vgl. Bagozzi (1981a), S. 200. In der betriebs- und sozialwissenschaftlichen Empirie werden Ratingskalen meist als äquidistant und quasi metrisch erachtet (vgl. Davison und Sharma (1988); Bortz und Döring (2006), S. 70). Eine Verletzung der kausalanalytischen Annahmen stetiger Variablen trotz diskreter Messung soll durch die Verwendung von mindestens vier (vgl. Bentler und Chou (1987), S. 88), fünf (vgl. Bagozzi (1981b), S. 330) bzw. sieben Skalenelementen (vgl. Bagozzi (1981a), S. 200) verhindert werden.
889
Besonders kontrovers im Hinblick auf den Common Method Bias werden Eigenbeurteilungen von Respondenten diskutiert. Zahlreiche Autoren weisen auf eine Art Basis-Korrelation zwischen allen mit dieser Methode erhobenen Variablen hin (z. B. Jarvis et al. (2003), S. 881 ff.; Sackett und Larson (1990), S. 419 ff.). Kritiker entgegnen wiederum, dass eine grundsätzliche signifikante Verzerrung der Ergebnisse selbst bei großen Stichprobengrößen nicht garantiert ist (vgl. Boswell et al. (2004) und insbesondere Spector (2006), S. 224).
Hauptstudie
139
Method Bias890 besteht. Unter diesem Begriff wird in der Literatur die Varianz einer Messung verstanden, die auf die Messmethode und nicht auf das Konstrukt selbst zurückzuführen ist.891 Der in der Literatur vorrangig vorgeschlagene Ansatz zur Vermeidung dieser Problematik ist eine Variation der Messmethode durch die Trennung der Quelle der unabhängigen Variablen (z. B. Erhebung durch Konsumentenbefragung) und der Herkunft der abhängigen Variablen (z. B. Generierung aus Unternehmensdaten).892 Dies ist aufgrund der Tatsache, dass die abhängigen Konstrukte aus der Psychologie des Konsumenten entstammen und daher nicht objektiv bzw. durch die Einschätzung Dritter beurteilt werden können, nicht möglich. Die Erhebung der Daten erfolgt daher ausschließlich durch die Befragung von Konsumenten; dabei trägt die Gewährleistung der Anonymität zusätzlich zur Vermeidung eines Common Method Bias bei.893 Nach erfolgter Datenerhebung wird zudem durch statistische Verfahren geprüft, ob eine Verzerrung der Schätzung aufgrund der Erhebungsmethode vorliegt. Hierfür wird im Rahmen der Datenaufbereitung in Abschnitt 4.4.3.1.3 der sog. Harman’s singlefactor test894 eingesetzt.895 Insgesamt nahmen im Erhebungszeitraum 2228 Mitglieder der Brand Community teil. Tabelle 17 fasst die statistischen Daten der Erhebung zusammen. Anzahl der Teilnehmer (Rohdaten) Anteil männlich Anteil weiblich Durchschnittsalter Anzahl der erhobenen Variablen
Tabelle 17:
2228 74,2 % 25,8 % 32,4 Jahre 70
Statistische Daten der empirischen Erhebung
890
Ein umfassender Überblick über das Ausmaß, die Ursachen und Empfehlungen zur Vermeidung des Common Method Bias bzw. der Common Method Variance in den Verhaltenswissenschaften findet sich bei Podsakoff et al. (2003a). Zur Kontrolle des Common Method Bias werden grundsätzlich zwei Wege vorgeschlagen: erstens das Design der Studie und/oder zweitens statistische Verfahren (vgl. Podsakoff et al. (2003a), S. 887 ff.).
891
Vgl. Bagozzi und Yi (1991), S. 426.
892
Vgl. Podsakoff et al. (2003a), S. 887.
893
Vgl.Podsakoff et al. (2003a), S. 888.
894
Der Harman’s single-factor test (auch Harman’s one-factor test) wird z. B. bei Podsakoff et al. (2003a), S. 889, erläutert und wird von zahlreichen Autoren zur Prüfung der Daten auf das Vorliegen eines Common Method Bias eingesetzt (vgl. z. B. Andersson und Bateman (1997); Carlson et al. (2008); Keh und Xie (2009); Stokburger-Sauer et al. (2008)). Vgl. auch Harman (1976), S. 283 ff.
895
Auf eine Prüfung der Daten auf das Vorliegen einer Common Method Variance mit weiteren in der Literatur vorgestellten statistischen Verfahren (vgl. z. B. Podsakoff et al. (2003a), S. 888 ff., und Richardson et al. (2009), S. 766 ff.) wurde aufgrund der Anwendungsprobleme dieser Verfahren verzichtet. In einer aktuellen Simulationsstudie zum Post-Hoc-Verfahren zur Erkennung bzw. Identifikation des Common Method Bias sehen Richardson, Simmering und Sturman vor allem die Gefahr des fälschlichen Schlusses auf das Vorliegen eines Common Method Bias und fehlerbehaftete Schätzungen der Pfadkoeffizienten (vgl. Richardson et al. (2009), S. 794 ff.). Als notwendige Voraussetzung für eine korrekte Einschätzung des Common-MethodProblems sehen sie das Vorliegen eines „idealen Markers“, d.h. einer Variablen, die unabhängig von den anderen Variablen ist, was in der Realität in der Regel nicht gegeben ist (vgl. Richardson et al. (2009), S. 795).
140
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Zur Vollständigkeit dokumentiert Tabelle 18 die Mittelwerte und die Standardabweichungen der manifesten Indikatorvariablen. Auf eine Analyse dieser Kennzahlen wird jedoch aufgrund der umfangreicheren und aussagekräftigeren Auswertung der Daten über das Strukturgleichungsmodell in Abschnitt 4.4.3 verzichtet. Variable m_01 m_02 m_03 m_04 m_05 m_06 m_07 m_08 m_09 m_10 m_11 m_12 m_13 m_14 m_15 m_16 m_17 m_18 m_19 m_20 m_21 m_22 m_23 sc_1 sc_2 sc_3 cid_1 cid_2 cid_3 cid_4 cid_5
Tabelle 18:
Mittelwert 3,34 4,22 4,57 3,96 4,00 3,46 4,00 2,74 4,40 4,74 5,67 5,93 5,68 5,79 5,59 3,97 5,06 4,64 5,17 4,55 5,82 4,24 4,91 5,19 4,49 4,83 4,09 4,24 3,74 3,76 4,30
Standardabweichung 1,70 1,85 1,92 1,72 1,76 1,88 1,92 1,76 1,77 1,70 1,77 1,56 1,69 1,61 1,62 2,09 1,64 1,79 1,64 1,83 1,52 1,99 1,91 1,46 1,47 1,49 1,70 1,62 1,86 1,87 1,89
Variable cid_6 cli_1 cli_2 cli_3 cwi_1 cwi_2 cwi_3 sb_1 sb_2 sb_3 bid_1 bid_2 bid_3 bid_4 bid_5 bid_6 bli_1 bli_2 bli_3 bwi_1 bwi_2 bwi_3 so_1 so_2 so_3 oid_1 oid_2 oid_3 oid_4 oid_5 oid_6
Deskriptive Analyse der manifesten Indikatorvariablen
Mittelwert 3,88 3,99 2,53 5,14 4,63 5,04 5,41 6,37 5,91 6,05 4,75 4,83 4,61 5,18 4,74 4,66 6,44 6,02 5,97 5,79 5,58 6,35 5,53 4,97 5,28 4,67 5,35 5,36 5,00 4,70 3,93
Standardabweichung 1,36 1,93 1,80 1,75 1,75 1,73 1,60 1,16 1,28 1,25 1,83 1,74 1,91 1,76 1,91 1,49 1,18 1,52 1,37 1,51 1,66 1,24 1,42 1,52 1,48 1,69 1,60 1,69 1,67 1,79 1,55
Hauptstudie 4.4.3
141
Datenauswertung und Ergebnisse
4.4.3.1 4.4.3.1.1
Datenaufbereitung Vorbereitung der Rohdaten
Das Ziel der Marktforschung, möglichst vollständige Informationen in Bezug auf den interessierenden Sachverhalt bereitzustellen, scheitert in der sozialwissenschaftlichen Praxis aufgrund zahlreicher Faktoren, wobei die Unvollständigkeit von Datensätzen eine wesentliche Ursache darstellt.896 Im Vorfeld der kausalanalytischen Auswertung einer Fragebogenuntersuchung ist daher die Aufbereitung der Daten sinnvoll, wobei insbesondere Aspekte wie die Skalierung der Variablen, fehlende Werte, Ausreißer und die vorliegende Verteilung der Daten relevant sind.897 Im Folgenden wird die Aufbereitung der Rohdaten aufgezeigt und in Tabelle 19 zusammengefasst. Im Hinblick auf einen möglichst konsistenten und damit aussagekräftigen Datensatz wurden im ersten Schritt der Datenbereinigung alle Probanden von der Befragung ausgeschlossen, die sämtliche Fragen mit derselben Ausprägung, z. B. 7 = „trifft voll und ganz zu“, beantwortet haben, da diese vermutlich nur auf ein schnelles Ausfüllen des Fragebogens im Hinblick auf die Teilnahme am Gewinnspiel abzielten. Durch diese Bereinigung des Datensatzes wurden acht Fragebögen aus dem Datensatz entfernt. Ein weiteres Problem bei der Analyse von Befragungsdaten stellen fehlende Werte, sog. missing values, dar.898 Als solche werden Variablenwerte bezeichnet, die von den Befragten entweder nicht angegeben wurden oder bei denen die Antworten außerhalb des Antwortintervalls liegen. Fehlende Werte können im Rahmen der statistischen Auswertung zu Problemen führen, da es beispielsweise zu einer Verzerrung (bias) der Ergebnisse oder einer Verringerung der Effizienz von statistischen Verfahren kommt. Um derartigen Problemen vorzubeugen, muss ein geeignetes Verfahren zur deren Handhabung der Missing Values gewählt werden.899 Grundsätzlich lassen sich, je nachdem ob der fehlende Wert durch einen geschätzten Wert ersetzt wird oder nicht, zwei alternative Strategien unterscheiden. Bei den sog. Eliminierungsverfahren bleibt der fehlende Wert als solcher erhalten und die Datenauswertung wird auf Basis einer vollständigen, aber reduzierten Datenmatrix, aus der unvollständige Merkmale bzw. Objekte entfernt wurden, durchgeführt.900 Der Vorteil dieser Vorgehensweise
896
Vgl. Decker und Wagner (2008), S. 55.
897
Vgl. z. B. Baumgartner und Homburg (1996), S. 148.
898
Zur Behandlung fehlender Werte in der Marktforschung vgl. z. B. Beale und Little (1975); Bankhofer und Praxmarer (1998); Decker und Wagner (2008).
899
Ein Überblick über die Methoden zur Behandlung von fehlenden Werten findet sich bspw. bei Bankhofer und Praxmarer (1998); Decker und Wagner (2008) bzw. ausführlich bei Schnell (1986); Schwab (1991).
900
Vgl. z. B. Reinecke (2005), S. 287.
142
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
liegt in der einfachen Handhabung und der Integration in die meisten gängigen Statistikpakete, allerdings bedeutet die Verringerung des Stichprobenumfangs einen Informationsverlust, der die Modellschätzung negativ beeinträchtigen kann.901 Dieses Problem versuchen die sog. Imputationsverfahren zu vermeiden, indem sie die Datenmatrix durch das Schätzen der fehlenden Werte vervollständigen.902 Als gängige Schätzer kommen hierbei je nach Skalenniveau z. B. der Mittelwert, der Median oder der Modus in Betracht, zudem zählen Verhältnisschätzer, Zufallsauswahl und Expertenrating zu den einfachen Imputationstechniken.903 Imputationsverfahren können allerdings zu einer Reduktion der Varianz oder zur Verzerrung der Schätzer führen.904 In der vorliegenden Untersuchung konnte durch die Datenerhebung mittels Onlinefragebogen eine hohe Vollständigkeit der Daten erreicht werden: Einerseits wurde bereits bei der Eingabe der Antworten die Vollständigkeit geprüft, so dass fehlende Einträge lediglich durch die Auswahl der Antwortkategorie „kann ich nicht beurteilen“ möglich waren. Andererseits führte die automatische Kodierung der Antworten durch die Umfragesoftware entsprechend des hinterlegten Codeplans dazu, dass Fehler im Rahmen der manuellen Eingabe von Fragebögen durch den Forscher vermieden werden konnten.905 Bei der Handhabung der fehlenden Werte wurde den in der statistischen Literatur angegebenen Empfehlungen, die meist aus Daumenregeln bestehen, gefolgt.906 Demnach ist ein Anteil fehlender Daten in Höhe von fünf Prozent oder weniger bei einer einzelnen Variablen meist unproblematisch, wohingegen Variablen mit über 15 % fehlenden Daten als Kandidaten für die Entfernung aus der Erhebung gelten.907 Für jeden individuellen Fall können bis zu zehn Prozent Missing Values ignoriert werden, sofern diese nicht in einer spezifischen nichtzufälligen Art und Weise auftreten.908 Das Verständnis der Ursachen von Missing Values liefert wichtige Informationen für den Forscher.909 Der Datensatz wurde daher auf systematisch auftretende fehlende Werte über-
901
Vgl. Schnell (1986), S. 86.
902
Zu den Imputationsverfahren vgl. z. B. Bankhofer und Praxmarer (1998), S. 114; Schnell (1986), S. 92 ff. und Völckner (2003), S. 102 ff.
903
Der Einsatz multipler Imputationsverfahren sowie von Maximum-Likelihood-Methoden wird beispielsweise bei Allison (2003) vorgestellt.
904
Vgl. Reinecke (2005), S. 287.
905
Vgl. Scholl (2009), S. 57.
906
Vgl. z. B. Hair et al. (2010), S. 51 ff.; Tabachnick und Fidell (2001), S. 56 ff.
907
Fehlende Werte können durchaus wertvolle Informationen enthalten, die bei einer Elimination ganzer Fälle oder Variablen verloren gehen. Als wegbereitende Veröffentlichungen zu dieser Problematik wird an dieser Stelle auf Dempster et al. (1977); Little und Rubin (2003); Rubin (2004) verwiesen.
908
Vgl. Hair et al. (2010), S. 56.
909
Vgl. Hair et al. (2010), S. 50 f.
Hauptstudie
143
prüft. Hierbei ist festzustellen, dass fast zehn Prozent der Probanden nicht in der Lage waren, die unternehmensbezogenen Fragen (Identifikation mit dem Unternehmen, Zufriedenheit mit dem Unternehmen) zu beantworten. Dies bestätigt die theoretischen Überlegungen in Kapitel 3.1, nach denen Konsumenten eventuell nicht alle drei Bezugsobjekte (Community, Marke, Unternehmen) wahrnehmen bzw. nicht hinreichend zwischen diesen unterscheiden können. Eine Schätzung des Gesamtmodells setzt jedoch voraus, dass für alle Konstrukte eine unbedenkliche Anzahl an fehlenden Werten vorliegt und keine systematischen Verzerrungen der Fall sind. Daher wurden Probanden, die nicht in der Lage waren Fragen zum Bezugsobjekt Unternehmen zu beantworten, im Folgenden ausgeschlossen. Nach Schritt zwei der Datenbereinigung verblieben somit 2006 Datensätze. Im dritten Schritt der Datenaufbereitung wurden Fälle auf zufällig fehlende Werte überprüft. Entsprechend den Vorschlägen aus der Literatur wurden Fälle mit mehr als 10 Prozent Missing Values ausgeschlossen. Dies führt zur Elimination von weiteren 209 Fällen. Die Prüfung der Variablen auf fehlende Werte zeigt, dass alle Variablen unter der vorgeschlagenen Höchstgrenze von 15 % liegen. Daher kann die Imputation der fehlenden Werte durch den Variablenmittelwert eingesetzt und der Informationsverlust im Vergleich zum fallweisen Ausschluss der Datensätze mit fehlenden Werten gering gehalten werden.910 Für die Schätzung des Strukturgleichungsmodells verbleiben somit nach Datenaufbereitung 1797 Fälle. Stufe / Kriterium
Vorgehen
0. 1.
Rohdaten Stichprobe Prüfung auf Plausibilität
2.
Prüfung auf systematisch fehlende Werte
3.
Prüfung von Fällen auf zufällig fehlende Werte Prüfung der Variablen auf fehlende Werte
4.
Tabelle 19:
Elimination von Fällen mit nur einheitlicher Ausprägung Elimination von Probanden ohne Urteil zu Fragen bezüglich der Dimension Unternehmen Elimination von Fällen mit fehlenden Werten bei mehr als 10 % der Variablen Imputation fehlender Werte durch Variablenmittelwert falls maximal 15 % fehlende Werte bei einer Variablen
Anzahl eliminierter Fälle / Variablen
Anzahl verbleibender Datensätze
12
2228 2216
210
2006
209
1797
0
1797
Datenaufbereitung (Hauptstudie)911
910
Für die Wahl des Imputationsverfahrens spricht beispielsweise die Tatsache, dass dieses Verfahren in den meisten statistischen Softwarepaketen implementiert ist und es bei einer relativ geringen Anzahl fehlender Werte allgemein als geeignetes Verfahren zur Behandlung fehlender Werte akzeptiert ist (vgl. z. B. Bankhofer und Praxmarer (1998), S 109 ff.; Hair et al. (2010), S. 50 ff.)
911
Die im Rahmen der Datenaufbereitung angegebenen Schwellenwerte für die maximale zulässigen Anteile an Missing Values pro Fall (10%) bzw. pro Variable (15%) werden z. B. bei Hair et al. (2010), S. 50-56 empfohlen. Dort finden sich auch Handlungsempfehlungen für den Umgang mit fehlenden Werten und eine ausführliche Systematisierung der Typen von Missing Values.
144 4.4.3.1.2
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern Prüfung auf Normalverteilung
Eine weitere Voraussetzung zur Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mit dem Maximum Likelihood-Algorithmus stellt die multivariate Normalverteilung der Variablen dar. Zum Test der Normalverteilung kommt zunächst wie in der Literatur üblich der KolmogorovSmirnow-Test zum Einsatz, der in der Nullhypothese eine Normalverteilung der Daten unterstellt.912 Für alle 66 Indikatoren sind die Ergebnisse hochsignifikant (p 0,01), so dass nicht von einer Normalverteilung ausgegangen werden darf. Der Kolmogorov-Smirnow-Test prüft das Vorliegen einer perfekten Normalverteilung und kann daher insbesondere bei großen Stichproben zur Ablehnung der Hypothese führen, auch wenn die Daten nur geringfügig von einer Normalverteilung abweichen. 913 Es empfiehlt sich daher, alternativ eine Analyse der Schiefe (Skewness) und des Exzess (Kurtosis) vorzunehmen. In der Literatur existieren unterschiedliche Richtwerte, um die Daten als normalverteilt einzustufen. Kline fordert eine Schiefe kleiner als 3 und einen Exzess kleiner als 8,914 wohingegen West, Finch und Curran mit Höchstwerten von 2 bzw. 7 strengere Anforderungen stellen.915 Muthén und Kaplan sehen gar nur bis zu einem Betrag von Schiefe bzw. Exzess von 1 eine unverzerrte Schätzung von Strukturgleichungsmodellen mittels Maximum Likelihood-Schätzer.916 Durch LISREL lassen sich zudem die standardisierten Koeffizienten der Schiefe und des Exzess sowie die zugehörigen p-Werte berechnen. Die in Tabelle 20 aufgezeigten Werte für die einzelnen Variablen der Untersuchung zeigen, dass ein großer Teil der Variablen von einer Normalverteilung abweicht.917
912
Vgl. Hair et al. (2010), S. 82 ff.
913
Vgl. Bortz et al. (2008), S. 319 ff.
914
Vgl. Kline (2005), S. 49 f.
915
Vgl. West et al. (1995), S. 56 ff.
916
Vgl. Muthén und Kaplan (1985), S. 187.
917
Im Rahmen dieser Arbeit soll der konservativen Sichtweise von Muthén und Kaplan gefolgt werden und ein maximaler Betrag der Schiefe bzw. des Exzess von 1 toleriert werden (vgl. Muthén und Kaplan (1985), S. 187).
Hauptstudie
Variable m_01 m_02 m_03 m_04 m_05 m_06 m_07 m_08 m_09 m_10 m_11 m_12 m_13 m_14 m_15 m_16 m_17 m_18 m_19 m_20 m_21 m_22 m_23 sc_1 sc_2 sc_3 cid_1 cid_2 cid_3 cid_4 cid_5
Tabelle 20:
145
Skewness z-Score p-Value 5,54 0,00 -1,54 0,12 -5,86 0,00 0,00 0,64 0,00 0,76 4,39 0,00 0,00 0,63 12,82 0,00 -5,13 0,00 -7,96 0,00 -16,98 0,00 -19,94 0,00 -16,86 0,00 -17,99 0,00 -15,85 0,00 0,00 0,48 -10,43 0,00 -7,24 0,00 -12,56 0,00 -6,21 0,00 -19,02 0,00 -3,20 0,00 -8,42 0,00 -10,51 0,00 -4,52 0,00 -7,50 0,00 0,00 0,90 -2,31 0,02 2,81 0,01 2,19 0,03 -2,15 0,03
Kurtosis z-Score p-Value -5,19 0,00 -8,75 0,00 -8,49 0,00 -6,84 0,00 -6,79 0,00 -8,94 0,00 -9,32 0,00 -1,91 0,06 -6,90 0,00 -5,07 0,00 3,76 0,00 15,06 0,00 4,43 0,00 8,21 0,00 4,15 0,00 -10,74 0,00 -2,88 0,00 -6,49 0,00 0,00 0,80 -7,37 0,00 13,36 0,00 -9,91 0,00 -7,76 0,00 0,00 0,75 -3,25 0,00 -2,24 0,03 -7,30 0,00 -4,72 0,00 -7,98 0,00 -8,26 0,00 -9,02 0,00
Variable cid_6 cli_1 cli_2 cli_3 cwi_1 cwi_2 cwi_3 sb_1 sb_2 sb_3 bid_1 bid_2 bid_3 bid_4 bid_5 bid_6 bli_1 bli_2 bli_3 bwi_1 bwi_2 bwi_3 so_1 so_2 so_3 oid_1 oid_2 oid_3 oid_4 oid_5 oid_6
Skewness z-Score p-Value 0,00 0,70 0,00 0,33 14,83 0,00 -9,41 0,00 -4,74 0,00 -9,60 0,00 -13,19 0,00 -26,27 0,00 -18,46 0,00 -20,85 0,00 -8,52 0,00 -8,86 0,00 -6,09 0,00 -11,62 0,00 -7,64 0,00 -4,26 0,00 -27,11 0,00 -21,36 0,00 -19,74 0,00 -18,40 0,00 -16,41 0,00 -25,90 0,00 -14,47 0,00 -8,94 0,00 -11,75 0,00 -6,43 0,00 -12,95 0,00 -13,88 0,00 -9,88 0,00 -7,58 0,00 1,27 0,21
Kurtosis z-Score p-Value 0,00 0,90 -9,44 0,00 0,00 0,99 -5,62 0,00 -7,00 0,00 -4,47 0,00 0,00 0,77 61,09 0,00 16,66 0,00 26,77 0,00 -5,89 0,00 -4,80 0,00 -8,39 0,00 -3,77 0,00 -7,54 0,00 -4,16 0,00 65,60 0,00 20,71 0,00 18,26 0,00 11,89 0,00 4,99 0,00 54,07 0,00 6,82 0,00 0,00 0,91 2,34 0,02 -4,56 0,00 0,00 0,55 0,00 0,37 -2,44 0,02 -5,46 0,00 -5,04 0,00
Prüfung auf univariate Normalverteilung
Auch der sog. Mardia-Test918 (vgl. Tabelle 21), der auf eine multivariate Normalverteilung prüft, ist hochsignifikant und bestätigt damit die fehlende Normalverteilung der Daten.919 Value 357,23
Tabelle 21:
Skewness Z-Score 159,95
P-Value 0,00
Value 4983,71
Kurtosis Z-Score 70,20
P-Value 0,00
Skewness und Kurtosis Chi-Square P-Value 30511,74 0,00
Prüfung auf multivariate Normalverteilung
Für den Fall, dass nicht von einer Normalverteilung der Daten ausgegangen werden kann, wird in der Literatur zur Strukturgleichungsmodellierung der Einsatz der sog. Satorra-Bentler-
918
Vgl. Mardia (1970), S. 519 ff.; Mardia (1971), S. 105 ff.
919
Bereits die Abweichungen der univariaten Verteilungen von der Normalverteilungsannahme lassen auf eine fehlende multivariate Normalverteilung der Indikatoren schließen, da univariate Normalverteilungen notwendige Bedingungen für den multivariaten Fall sind (vgl. z. B. DeCarlo (1997), S. 297).
146
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Korrektur vorgeschlagen, die eine Skalierung der Chi-Quadrat-Statistik darstellt.920 Der Einsatz der Satorra-Bentler-Korrektur hat sich sowohl in Simulationsstudien921 als auch in der empirischen Marketingforschung922 als geeignet erwiesen, so dass dieses Verfahren auch im Rahmen dieser Untersuchung angewandt wird. 4.4.3.1.3
Prüfung auf Common Method Bias
Um auf das Vorliegen eventueller Probleme mit dem Common Method Bias zu prüfen, wurde abschließend im Rahmen der Datenvorbereitung der Harman’s single-factor test eingesetzt.923 Dazu wurde über alle Indikatoren der Untersuchung eine exploratorische Faktorenanalyse durchgeführt. Falls im Rahmen der Untersuchung ein Common Method Bias vorliegt, wird nur ein einziger Faktor extrahiert bzw. es existiert zumindest ein „genereller Faktor“, der die Mehrheit der Varianz aller Indikatoren erklärt.924 Die praktische Umsetzung des Harman’s single-factor tests wurde mittels einer Hauptkomponentenanalyse mit VARIMAX-Rotation durchgeführt. Dabei wurden insgesamt 11 Faktoren extrahiert, unter denen sich auch kein „genereller Faktor“ befand, der die Mehrheit der Varianz beinhaltete. Zudem wurde eine andere Variante des Harman’s single-factor test durchgeführt, die auf einer konfirmatorischen Faktorenanalyse basiert. Hier wird der Modellfit des aufgestellten Faktormodells mit dem 1Faktor-Modell verglichen.925 Auch bei diesem Test deutet die drastische Verschlechterung der Gütekriterien darauf hin, dass der Common Method Bias kein substanzielles Problem für die vorliegende Untersuchung darstellt. 4.4.3.2
Überprüfung des Messmodells
Die Überprüfung des Messmodells erfolgt in Anlehnung an die in Kapitel 4.2.4.1 erarbeitete und ausführlich vorgestellte Vorgehensweise zur Gütebeurteilung reflektiver Messmodelle. Die konkrete Vorgehensweise wird in Abbildung 14 auf Seite 121 veranschaulicht.926
920
Vgl. Satorra und Bentler (1994), S. 399 ff., bzw. Satorra und Bentler (2001), S. 507 ff.
921
Vgl. z. B. Curran et al. (1996); Bentler und Dudgeon (1996); Hu et al. (1992); Hu und Bentler (1999).
922
Vgl. z. B. Beccarini und Ferrand (2006); Currás-Pérez et al. (2009); Marin et al. (2009); Stokburger-Sauer (2010).
923
Vgl. Harman (1976) sowie die Ausführungen zum Common Method Bias in Abschnitt 4.4.2.
924
Vgl. Podsakoff und Organ (1986), S. 536.
925
Vgl. McFarlin und Sweeney (1992), S. 630.
926
Die in Untersuchungsstufe A aufgeführte exploratorische Faktorenanalyse zur Betrachtung von Konstrukten, für die noch keine hypothetische Faktorenstruktur vorliegt, wurde für die Motivation der Teilnehmer der Brand Community durchgeführt und in der Vorstudie vorgestellt. Die anderen latenten Variablen wurden in der bestehenden Literatur bereits detailliert konzeptualisiert und es konnte auf standardisierte und validierte Messskalen zurückgegriffen werden, so dass direkt mit der Prüfung der einzelnen Konstrukte (Untersuchungsstufe B) begonnen wird.
Hauptstudie
147
Entsprechend dem klassischen Vorgehen 927 bei empirischen Analysen erfolgt in Untersuchungsstufe B eine exploratorische Faktorenanalyse für jedes einzelne Konstrukt, um versteckte Faktorstrukturen aufzudecken. 928 Bei allen 13 durchgeführten Hauptkomponentenanalysen bestätigen hohe KMO-Werte der Indikatoren 929 sowie hochsignifikante BartlettTests auf Sphärizität die Eignung der Indikatoren der latenten Variablen für eine Faktorenanalyse. Für jede latente Variable wurde nach Eigenwert-Kriterium nur ein Faktor extrahiert und dabei mindestens 50 % der Gesamtvarianz erklärt. Im Rahmen der Reliabilitätsanalyse der Faktoren wurde zudem geprüft, dass alle Werte von Cronbachs Alpha über dem geforderten Mindestwert von 0,7 liegen. Zur weiteren Prüfung des Messmodells wurden für jedes Konstrukt mittels der konfirmatorischen Faktorenanalyse die in Abschnitt 4.2.4.1 vorgestellten Gütekriterien der zweiten Generation ermittelt. Aufgrund einer Indikatorreliabilität unterhalb des Mindestwertes von 0,4 wurden die Indikatoren m_08 (Indikatorreliabilität 0,355), m_16 (0,162), m_21 (0,396), m_22 (0,335), m_23 (0,184), cid_6 (0,376) und cli_2 (0,356) von der weiteren Analyse ausgeschlossen.930 Die Messmodelle der Konstrukte mit mehr als drei Indikatoren erfüllen zudem die Anforderungen an die globalen Gütemaße. Für Messmodelle mit drei oder weniger Items ist eine Berechnung der globalen Gütemaße möglich.931 Tabelle 22 fasst die Gütekriterien zur Prüfung der einzelnen Konstrukte (Untersuchungsstufe B) zusammen, wobei auf die Darstellung der globalen Kriterien aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wurde.
927
Vgl. Homburg und Giering (1996), S. 12.
928
Vgl. Bühner (2006), S. 180.
929
Der niedrigste KMO-Wert wurde mit 0,60 für die Indikatoren der latenten Variable „Loyalität Community“ festgestellt. Alle anderen KMO-Werte lagen noch deutlich über diesem Wert.
930
Der Indikator m_20 der Dimension „Motivation Mehrwert“ beschreibt die Teilnahme an Spielen als Beweggrund zur Teilnahme an der Brand Community. Dieser Aspekt repräsentiert einen bedeutenden Aspekt des Konstrukts „Motivation Mehrwert“, so dass der Indikator zur Sicherung der Inhaltsvalidität beibehalten wird, obwohl die Indikatorreliabilität mit 0,36 unterhalb des Schwellenwertes von 0,4 liegt. Zu dieser Vorgehensweise vgl. Hildebrandt und Temme (2006), S. 634; Homburg und Klarmann (2006), S. 732.
931
Messmodelle mit drei Indikatoren sind gerade identifiziert und weisen somit stets einen perfekten Modellfit auf. Messmodelle mit weniger als drei Indikatoren sind unteridentifiziert und daher nicht alleine für eine kovarianzbasierte Schätzung der Parameter geeignet.
148
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern EFA
Konstrukt
Motivation Community
Motivation Marke
Motivation Mehrwert
Zufriedenheit Community
Identifikation Community
Loyalität Community932 Weiterempfehlung Community Zufriedenheit Marke
932
Reliabilitätsanalyse KFA (KorriStandar- p-Wert Faktor- Cronbachs gierte) Item Indikator- disierte der FaktorIndikator ladung Alpha reliablität Faktor- Faktor- reliablität to Total Korrelation ladung ladung m_01 0,74 0,67 0,45 0,67 33,12 m_02 0,80 0,74 0,65 0,81 49,82 m_03 0,82 0,76 0,68 0,83 51,76 m_04 0,81 0,76 0,60 0,78 43,11 m_05 0,76 0,70 0,51 0,72 36,03 0,92 0,91 m_06 0,75 0,69 0,43 0,66 33,64 m_07 0,76 0,70 0,48 0,69 37,27 m_08 0,67 0,60 eliminiert m_09 0,74 0,68 0,49 0,70 35,09 m_10 0,74 0,67 0,48 0,70 33,28 m_11 0,88 0,79 0,78 0,88 44,65 m_12 0,89 0,79 0,81 0,90 35,62 m_13 0,89 0,81 0,76 0,87 41,10 0,88 0,92 m_14 0,83 0,73 0,59 0,77 30,13 m_15 0,83 0,73 0,57 0,76 32,30 m_16 0,49 0,39 eliminiert m_17 0,77 0,65 0,42 0,74 32,91 m_18 0,83 0,72 0,52 0,85 45,87 m_19 0,81 0,69 0,48 0,77 32,36 0,84 0,84 m_20 0,73 0,61 0,37 0,63 28,62 m_21 0,64 0,51 eliminiert m_22 0,68 0,56 eliminiert m_23 0,54 0,43 eliminiert sc_1 0,92 0,82 0,67 0,86 43,80 0,92 0,92 sc_2 0,93 0,84 0,71 0,90 51,45 sc_3 0,93 0,85 0,72 0,91 48,59 cid_1 0,88 0,82 0,67 0,82 46,46 cid_2 0,86 0,79 0,63 0,80 40,81 cid_3 0,88 0,82 0,75 0,87 55,39 0,92 0,92 cid_4 0,89 0,83 0,77 0,88 57,60 cid_5 0,87 0,80 0,66 0,81 50,15 cid_6 0,67 0,56 eliminiert cli_1 0,89 0,69 0,61 0,78 42,06 0,73 0,70 cli_2 0,77 0,50 eliminiert cli_3 0,75 0,48 0,46 0,68 32,63 cwi_1 0,89 0,77 0,66 0,81 45,16 0,91 0,91 cwi_2 0,95 0,87 0,90 0,95 57,88 cwi_3 0,92 0,82 0,77 0,88 43,08 sb_1 0,92 0,82 0,74 0,86 22,62 0,92 0,93 sb_2 0,94 0,86 0,83 0,91 37,23 sb_3 0,94 0,86 0,86 0,93 31,53
DEV
0,53
0,70
0,53
0,79
0,70
0,54
0,78
0,81
Die für die konfirmatorische Faktorenanalyse angegebenen Werte entsprechen den Gütemaßen der Faktorenanalyse mit allen drei Indikatoren des Konstrukts „Loyalität Community“, da eine konfirmatorische Faktorenanalyse für die zwei verbleibenden Indikatoren aufgrund der fehlenden Identifikation des Modells nicht möglich ist.
Hauptstudie
149 EFA
Konstrukt
Identifikation Marke
Loyalität Marke Weiterempfehlung Marke Zufriedenheit Unternehmen
Identifikation Unternehmen
Tabelle 22:
Reliabilitätsanalyse KFA (KorriStandar- p-Wert Faktor- Cronbachs gierte) Item Indikator- disierte der FaktorIndikator ladung Alpha reliablität Faktor- Faktor- reliablität to Total Korrelation ladung ladung bid_1 0,85 0,78 0,63 0,80 44,40 bid_2 0,88 0,83 0,70 0,84 46,85 bid_3 0,90 0,84 0,78 0,88 60,66 0,93 0,93 bid_4 0,89 0,83 0,78 0,89 50,27 bid_5 0,91 0,86 0,82 0,90 59,08 bid_6 0,76 0,67 0,49 0,70 31,33 bli_1 0,89 0,75 0,72 0,85 20,22 0,85 0,86 bli_2 0,90 0,75 0,73 0,86 31,04 bli_3 0,86 0,69 0,55 0,74 22,53 bwi_1 0,92 0,80 0,79 0,89 35,29 0,87 0,88 bwi_2 0,91 0,79 0,76 0,87 41,86 bwi_3 0,86 0,71 0,58 0,76 19,94 so_1 0,93 0,84 0,77 0,88 38,01 0,93 0,92 so_2 0,93 0,85 0,79 0,89 45,77 so_3 0,95 0,88 0,85 0,92 45,12 oid_1 0,88 0,82 0,68 0,82 44,92 oid_2 0,89 0,84 0,74 0,86 41,01 oid_3 0,89 0,84 0,77 0,88 43,55 0,94 0,93 oid_4 0,93 0,90 0,86 0,93 53,31 oid_5 0,91 0,86 0,75 0,87 53,37 oid_6 0,74 0,65 0,43 0,66 29,37
DEV
0,70
0,67
0,71
0,80
0,70
Lokale Gütemaße der einzelnen Messmodelle
Im nächsten Schritt wurde in Untersuchungsstufe C das gesamte Messmodell geprüft. Hierfür wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse über alle Konstrukte der Untersuchung durchgeführt. Die Überprüfung der lokalen Gütekriterien bestätigen eine gute Eignung der Indikatoren zur Operationalisierung der Konstrukte. Alle Faktorladungen liegen über 0,5 und sind – wie die Betrachtung der t-Werte der Faktorladungen zeigt – hochsignifikant. Die Indikatorreliabilitäten liegen ebenfalls deutlich über der Mindestanforderung von 0,5. Die Reliabilität der Konstrukte wird durch hohe Cronbachs-Alpha-Werte (über 0,8) bestätigt. Lediglich für den Faktor „Community Loyalität“ liegt mit 0,69 ein vergleichsweise niedriger Wert von Cronbachs Alpha vor. Dies war auch theoretisch zu erwarten, da das Konstrukt nur mit zwei Items gemessen wurde und die Zahl der Indikatoren positiv in die Berechnung von Cronbachs Alpha eingeht. In der Literatur wird daher für latente Konstrukte mit zwei bzw. drei Indikatoren ein Mindestwert von 0,4 und nur bei mehr als drei Indikatoren ein Mindestwert von 0,7 gefordert.933 Die weitere Reliabilitätsanalyse über die Faktorreliabilitäten bestätigt die sehr gute Eignung des Messmodells, da die Faktorreliabilität für alle Konstrukte
933
Vgl. Peter (1979), S. 9; Peterson (1994), S. 389. Letzterer verweist zudem auf einen negativen Zusammenhang zwischen dem Stichprobenumfang und der Höhe von Cronbachs Alpha.
150
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
deutlich über dem geforderten Wert von 0,6 liegt. Weiterhin liegt die durchschnittliche erklärte Varianz für jeden Faktor über den geforderten 50 %. Auch die globalen Kriterien bestätigen die sehr gute Eignung des Messmodells. So überschreiten CFI und NNFI die Mindestforderungen deutlich. Weiterhin liegen SRMR und RMSEA unterhalb der geforderten Maximalwerte. Lediglich der Satorra-Bentler-skalierte Ȥ2Wert fällt in Relation zu den Freiheitsgraden (S-B Ȥ2/df) zu hoch aus. Da die Schätzung jedoch auf sehr vielen Fällen beruht (n = 1797), gibt diese Überschreitung des Grenzwerts keinen Anlass zur Ablehnung des Modells.934 Sowohl die globalen als auch die lokalen Gütemaße des gesamten Messmodells sind in Tabelle 23 zusammengefasst. S-B Ȥ2/df 7,757
Konstrukt
Motivation Community
Motivation Marke
Motivation Mehrwert
Zufriedenheit Community
Identifikation Community
934
Globale Kriterien CFI NNFI 0,973 0,970
p 0,000
Indikator m_01 m_02 m_03 m_04 m_05 m_06 m_07 m_09 m_10 m_11 m_12 m_13 m_14 m_15 m_17 m_18 m_19 m_20 sc_1 sc_2 sc_3 cid_1 cid_2 cid_3 cid_4 cid_5
Lokale Kriterien p-Wert Faktorder ladung Faktorladung 0,68 33,70 0,79 48,72 0,81 50,42 0,77 42,52 0,72 37,00 0,66 34,16 0,72 40,52 0,71 36,21 0,71 35,07 0,88 45,31 0,90 35,88 0,87 40,90 0,77 30,73 0,77 33,37 0,73 33,27 0,82 45,99 0,80 36,17 0,63 29,76 0,86 44,39 0,90 52,80 0,90 49,73 0,85 52,21 0,81 42,39 0,84 53,68 0,85 55,72 0,83 53,22
SRMR 0,047
RMSEA 0,061
Indikator- Cronbachs Faktorreliablität Alpha reliablität 0,46 0,63 0,65 0,59 0,52 0,44 0,51 0,50 0,50 0,78 0,80 0,75 0,59 0,59 0,54 0,67 0,65 0,40 0,74 0,81 0,82 0,73 0,65 0,71 0,72 0,68
DEV
0,92
0,91
0,53
0,92
0,92
0,70
0,83
0,84
0,56
0,92
0,92
0,79
0,93
0,92
0,70
In die Berechnung des Ȥ2-Werts fließt die Stichprobengröße n multiplikativ ein. Dies führt dazu, dass der Ȥ2Wert äußerst empfindlich auf den Umfang der Stichprobe reagiert.
Hauptstudie
151
Konstrukt
Indikator
Loyalität Community Weiterempfehlung Community
Zufriedenheit Marke
Identifikation Marke
Loyalität Marke
Weiterempfehlung Marke
Zufriedenheit Unternehmen
Identifikation Unternehmen
Tabelle 23:
cli_1 cli_3 cwi_1 cwi_2 cwi_3 sb_1 sb_2 sb_3 bid_1 bid_2 bid_3 bid_4 bid_5 bid_6 bli_1 bli_2 bli_3 bwi_1 bwi_2 bwi_3 so_1 so_2 so_3 oid_1 oid_2 oid_3 oid_4 oid_5 oid_6
Lokale Kriterien p-Wert Faktorder ladung Faktorladung 0,78 42,06 0,68 32,63 0,84 49,96 0,93 58,93 0,88 44,14 0,88 22,62 0,91 37,23 0,91 31,53 0,80 45,27 0,84 47,62 0,88 61,17 0,89 50,98 0,90 58,94 0,70 30,82 0,87 21,77 0,83 32,88 0,75 25,52 0,86 37,15 0,84 42,42 0,82 21,67 0,88 38,77 0,89 48,58 0,92 46,08 0,84 47,38 0,87 42,92 0,87 43,08 0,92 52,46 0,87 54,67 0,67 29,49
Indikator- Cronbachs Faktorreliablität Alpha reliablität 0,61 0,46 0,70 0,86 0,77 0,77 0,83 0,83 0,64 0,70 0,78 0,78 0,80 0,48 0,75 0,68 0,57 0,75 0,71 0,68 0,77 0,79 0,84 0,70 0,76 0,75 0,84 0,75 0,44
DEV
0,69
0,70
0,54
0,91
0,91
0,78
0,92
0,93
0,81
0,93
0,93
0,70
0,85
0,86
0,67
0,87
0,88
0,71
0,93
0,92
0,80
0,94
0,94
0,71
Globale und lokale Gütemaße des gesamten Messmodells
Die weitere Prüfung des Gesamtmodells erfordert die Analyse der Diskriminanzvalidität der einzelnen Konstrukte. Hierfür weist Tabelle 24 in der Diagonalen die durchschnittliche erfasste Varianz (DEV) der Konstrukte aus. Eine Diskriminanz der Konstrukte liegt nach dem Fornell-Larcker-Kriterium vor, sofern diese größer ist als die oberhalb der Diagonalen ersichtlichen quadrierten Korrelationen mit einem beliebigen anderen Konstrukt. Zur Vollständigkeit sind zudem unterhalb der Diagonalen die Korrelationen der latenten Variablen aufgeführt.
152
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Motivation Community (MC) Motivation Marke(MM) Motivation Mehrwert (MW) Identifikation Community (IDC) Identifikation Marke (IDM) Identifikation Unternehmen (IDU) Zufriedenheit Community (ZC) Zufriedenheit Marke (ZM) Zufriedenheit Unternehmen (ZU) Loyalität Community (LC) Loyalität Marke (LM) Weiterempfehlung Community (WC) Weiterempfehlung Marke (WM)
Tabelle 24:
MC 0,53 0,48 0,57 0,83 0,45 0,43 0,61 0,33 0,37 0,78 0,31 0,66 0,42
MM 0,23 0,70 0,54 0,46 0,59 0,55 0,50 0,64 0,51 0,59 0,61 0,57 0,69
MW 0,32 0,29 0,56 0,54 0,40 0,41 0,53 0,41 0,41 0,56 0,38 0,53 0,43
IDC 0,69 0,21 0,29 0,79 0,53 0,53 0,77 0,36 0,47 0,90 0,33 0,73 0,45
IDM 0,20 0,35 0,16 0,28 0,81 0,74 0,44 0,62 0,57 0,59 0,61 0,46 0,73
IDU 0,18 0,31 0,17 0,28 0,55 0,80 0,48 0,58 0,82 0,60 0,58 0,53 0,68
ZC 0,37 0,25 0,28 0,59 0,20 0,23 0,70 0,50 0,53 0,78 0,45 0,72 0,48
ZM 0,11 0,41 0,17 0,13 0,38 0,33 0,25 0,70 0,67 0,50 0,86 0,51 0,81
ZU 0,13 0,26 0,17 0,22 0,32 0,67 0,28 0,44 0,71 0,56 0,62 0,53 0,66
LC 0,61 0,35 0,31 0,82 0,34 0,36 0,61 0,25 0,31 0,54 0,49 0,96 0,57
LM 0,10 0,37 0,14 0,11 0,37 0,34 0,20 0,73 0,39 0,24 0,67 0,49 0,91
WC 0,43 0,32 0,28 0,53 0,22 0,28 0,52 0,26 0,28 0,92 0,24 0,78 0,61
WM 0,18 0,47 0,18 0,20 0,53 0,46 0,23 0,66 0,43 0,33 0,82 0,37 0,71
Korrelationen, quadrierte Korrelationen und DEV der latenten Variablen und Diskriminanz nach Fornell-Larcker
Die Prüfung der Diskriminanzvalidität zeigt zunächst, dass die in der explorativen Vorstudie ermittelten Motivations-Faktoren auch in der Hauptstudie diskriminieren. Auch die Identifikation von Konsumenten unterscheidet sich hinsichtlich der unterschiedlichen Bezugsobjekte Community, Marke und Unternehmen. Dies gilt ebenso innerhalb der verschiedenen Zufriedenheitsurteile sowie der Loyalitäts- und Weiterempfehlungsabsicht der Konsumenten. Wie aus Tabelle 24 ersichtlich und durch Kursivschrift hervorgehoben ist, liegt allerdings nach dem strengen Fornell-Larcker-Kriterium zwischen mehreren Konstrukten eine Verletzung der Diskriminanz vor. So sind die quadrierten Korrelationen des Konstrukts „Loyalität Community“ mit den Konstrukten „Motivation Community“, „Identifikation Community“ und „Zufriedenheit Community“ geringer als die durchschnittliche erfasste Korrelation des Konstrukts „Loyalität Community“. Weiterhin diskriminieren die Konstrukte „Loyalität Marke“ und „Zufriedenheit Marke“ nicht ausreichend. Zudem kann nach Fornell-LarckerKriterium keine Diskriminanz zwischen der Weiterempfehlung der Community und der Loyalität gegenüber der Community und äquivalent zwischen der Weiterempfehlung der Marke und der Loyalität gegenüber der Marke festgestellt werden. Zur weiteren Überprüfung der Diskriminanz kommt daher der in Abschnitt 4.2.4 vorgestellte Ȥ2-Differenztest zum Einsatz. In Tabelle 25 werden die Ergebnisse der Ȥ2-Differenztests der nach dem Fornell-Larcker-Kriterium nicht diskriminierenden Konstrukte vorgestellt. Darüber hinaus werden zur Vollständigkeit und Bestätigung der Ergebnisse des Fornell-LarckerKriteriums weitere im Hinblick auf die zentralen Fragestellungen der Untersuchung relevante Ȥ2-Differenztests aufgeführt.
Hauptstudie
153
Modell Basismodell Diskriminanz der Konstrukte nach Bezugsobjekt Motivation Community = Motivation Marke Motivation Community = Motivation Mehrwert Motivation Marke = Motivation Mehrwert Identifikation Community = Identifikation Marke Identifikation Marke = Identifikation Unternehmen Identifikation Community = Identifikation Unternehmen Zufriedenheit Community = Zufriedenheit Unternehmen Zufriedenheit Community = Zufriedenheit Marke Zufriedenheit Marke = Zufriedenheit Unternehmen Loyalität Community = Loyalität Marke Weiterempfehlung Community = Weiterempfehlung Marke Diskriminanz Loyalität - Weiterempfehlung Loyalität Community = Weiterempfehlung Community Loyalität Marke = Weiterempfehlung Marke Diskriminanz Identifikation - Loyalität Identifikation Community = Loyalität Community Identifikation Marke = Loyalität Marke Diskriminanz Identifikation - Weiterempfehlung Identifikation Community = Weiterempfehlung Community Identifikation Marke = Weiterempfehlung Marke Diskriminanz Motivation - Loyalität Motivation Community = Loyalität Community Motivation Marke = Loyalität Marke Diskriminanz Zufriedenheit - Loyalität Zufriedenheit Community = Loyalität Community Zufriedenheit Marke = Loyalität Marke
Tabelle 25:
Ȥ2 10488,102
¨Ȥ2 (df=12)
p-Wert
19860,886 12965,816 12971,436 19856,140 16239,988 19874,887 14451,032 14675,484 14126,843 12100,085 13917,479
9372,78 2477,71 2483,33 9368,04 5751,89 9386,79 3962,93 4187,38 3638,74 1611,98 3429,38
0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000 0,000
10792,310 10824,189
304,21 336,09
0,000 0,000
10949,242 14945,562
461,14 4457,46
0,000 0,000
14045,930 13941,248
3557,83 3453,15
0,000 0,000
11311,198 13365,171
823,10 2877,07
0,000 0,000
11481,378 11018,596
993,28 530,49
0,000 0,000
Ergebnisse der Ȥ2-Differenztests
Alle Ȥ2-Differenztests sind hochsignifikant, so dass sich die jeweils gleichgesetzten Konstrukte statistisch unterscheiden. Die getrennte Konzeptualisierung und Operationalisierung von Loyalität und Weiterempfehlung stellt demnach einen Mehrwert für die Untersuchung dar. Außerdem bestätigt der Ȥ2-Differenztest, dass die Konstrukte „Identifikation Community“ und „Loyalität Community“ nicht identisch zu sehen sind und dies auch für den Vergleich der Konstrukte „Identifikation Marke“ und „Loyalität Marke“ gilt. Weiterhin zeigen die Ȥ2Differenztests, dass die Konstrukte „Identifikation Community“ und „Weiterempfehlung Community“ sowie äquivalent „Identifikation Marke“ und „Weiterempfehlung Marke“ diskriminieren. Die mangelnde Diskriminanzvalidität der Konstrukte „Motivation Community“ und „Loyalität Community“ bzw. „Motivation Marke“ und „Loyalität Marke“ nach dem Fornell-LarckerKriterium, wird durch den Ȥ2-Differenztest nicht bestätigt, sondern die Diskriminanz der Konstrukte festgestellt. Darüber hinaus ist nach den Ȥ2-Differenztests für die Konstrukte „Zufriedenheit Community“ und „Loyalität Community“ bzw. die Paarung „Zufriedenheit Marke“ und „Loyalität Marke“ von der statistischen Distinktheit auszugehen.
154
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
4.4.3.3
Beurteilung des Strukturmodells
Nach der Untersuchung der Messmodelle und der Bestätigung der Konstrukte erfolgt nun die Überprüfung des Strukturmodells, das nach dem in Abbildung 10 beschriebenen Untersuchungsmodell aufgestellt wurde. Das Strukturmodell wird als konfirmatorisches Strukturgleichungsmodell mit der Maximum-Likelihood-Methode unter Anwendung der Satorra-BentlerKorrektur geschätzt.935 Das Schätzmodell ist mit 1389 Freiheitsgraden identifiziert. Die Modellschätzung konvergiert und ist statistisch plausibel, d. h. es liegen keine negativen Varianzen und keine standardisierten Pfadkoeffizienten größer als 1 vor. Die weitere Prüfung des Strukturmodells erfolgt nach der im Rahmen der Grundlagen der Strukturgleichungsmodellierung in Kapitel 4.2.4.2 hergeleiteten und in Abbildung 15 auf Seite 123 skizzierten Vorgehensweise zur Beurteilung des Strukturmodells. 4.4.3.3.1
Güte des Strukturmodells
In Tabelle 26 sind die für diese Untersuchung in Kapitel 4.2.2 festgelegten globalen Gütekriterien ausgewiesen. Die inkrementellen Fit-Indizes CFI bzw. NNFI zeugen von einem sehr guten Modellfit, da beide Anpassungsmaße über der strengen Forderung nach einem Minimalwert von 0,95 liegen; d. h. das spezifizierte Modell erklärt über 96 % mehr Varianz als ein Nullmodell (independence model), das keine Wirkungszusammenhänge zwischen den latenten Konstrukten modelliert. 936 Die Modellprüfung zeigt weiterhin, dass die Fehlermaße SRMR bzw. RMSEA die geforderten Maximalwerte (SRMR 0,10 bzw. RMSEA 0,08) erfüllen.937 Lediglich der Ȥ2-Wert (13205,919) bzw. dessen Division durch die Anzahl der Freiheitsgrade (1389), die zu einem Wert von 9,508 führt, liegen - durch die große Stichprobengröße bedingt – über den empfohlenen Werten. Dennoch kann insgesamt von einer guten Approximation des Modells an die Realität gesprochen werden. S-B Ȥ2/df 9,508
Tabelle 26:
p 0,000
Globale Kriterien CFI NNFI 0,964 0,962
SRMR 0,100
RMSEA 0,069
Globale Gütemaße des Strukturgleichungsmodells
Die lokalen Gütemaße werden an dieser Stelle aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mehr aufgeführt, sondern auf die im Rahmen der Prüfung der Messmodelle erläuterte Tabelle 23 verwiesen. Zudem wird auf eine detaillierte Analyse der Faktorladungen der manifesten Indikatoren der Motivationsfaktoren und deren Interpretation verzichtet, da dies nicht Ziel der Untersuchung ist. Eine Analyse der Motivationen auf Indikatorebene erscheint ohnehin in
935
Vgl. hierzu die Grundlagen der Strukturgleichungsmodellierung in Abschnitt 4.2.
936
Vgl. Bentler (1990), S. 238 ff.
937
Für eine ausführliche Diskussion der Fit-Indizes siehe Abschnitt 4.2.4.1.
Hauptstudie
155
Anbetracht der Verschiedenartigkeit von Brand Communities nicht angebracht.938 Das Ziel dieser Untersuchung ist daher, zentrale Motivations-Dimensionen zu identifizieren 939 und deren Bedeutung zu untersuchen. 4.4.3.3.2
Varianzen der endogenen latenten Variablen
Die Überprüfung der erklärten Varianzen der zehn endogenen latenten Variablen im Modell weist durchgehend hohe Werte auf. Dies lässt auf eine hohe Relevanz der Beziehungen zwischen den Variablen schließen. Wie Tabelle 27 zeigt, werden durch das Modell zwischen 39 % (Identifikation Unternehmen) und 82 % (Loyalität Community) Varianz eines Konstrukts durch das Modell erklärt.940 Bezugsobjekt Brand Community
Marke
Unternehmen
Tabelle 27:
4.4.3.3.3
Konstrukt Identifikation Community Zufriedenheit Community Weiterempfehlung Community Loyalität Community Identifikation Marke Zufriedenheit Marke Loyalität Marke Weiterempfehlung Marke Identifikation Unternehmen Zufriedenheit Unternehmen
R2 0,72 0,60 0,64 0,82 0,44 0,40 0,77 0,78 0,39 0,68
Bestimmtheitsmaße der endogenen latenten Variablen
Überprüfung der Hypothesen
Nachdem sowohl die einzelnen Faktoren als auch das Gesamtmodell eine gute Reliabilität und Validität aufweisen, kann im nächsten Schritt die detaillierte Auswertung der einzelnen Hypothesen des Untersuchungsmodells erfolgen. Die Hypothesen aus Kapitel 3.4 sowie die Ergebnisse der Modellschätzung sind grafisch in Abbildung 18 visualisiert. Zudem können die standardisierten Koeffizienten und deren t-Werte der tabellarischen Darstellung aus Tabelle 28 entnommen werden. Die Signifikanz der Koeffizienten ist – wie durchgehend in dieser Arbeit - jeweils durch deren Kennzeichnung mittels ** (1 %-Niveau) bzw. * (5 %Niveau) angegeben.
938
De Valck hält die Verschiedenartigkeit der Motive wie folgt fest: „In short, people have specific reasons to participate in specific types of communities.” (vgl. de Valck (2005), S. 38 f. bzw. de Valck et al. (2009)).
939
Vgl. hierzu die Vorstudie in Kapitel 4.2.
940
In LISREL wird das Bestimmtheitsmaß unter der Notation squared multiple correlation coefficient for structural equations angegeben.
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Zufriedenheit Community
Bezugsobjekt Community
156
0,01
0,22**
Loyalität Community
-0,06 0,07 0,77** 0,00 0,82** 0,75**
Motivation Community
0,23**
Weiterempfehlung Community
0,51**
Identifikation Community
-0,08* -0,09
0,22**
-0,09** Zufriedenheit Marke
0,80** 0,25**
0,53** Loyalität Marke
Bezugsobjekt Marke
0,22**
0,64**
Weiterempfehlung Marke
-0,11** 0,09**
0,17** 0,52**
Motivation Marke
0,08* Identifikation Marke
0,29** 0,02
0,01
-0,01
Zufriedenheit Unternehmen
-0,02
0,06
0,10*
0,83**
Bezugsobjekt Unternehmen
0,46**
0,13** 0,09**
0,16** 0,00
Motivation Mehrwert
Abbildung 18:
0,05
Identifikation Unternehmen
Untersuchungsmodell mit Pfadkoeffizienten
Wie aus Tabelle 28 hervorgeht, sind 23 der 38 aufgestellten Hypothesen signifikant, d. h. mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von unter 1% (bzw. 5%) bei einem zweiseitigen Test kann von einem Zusammenhang zwischen den angeführten Konstrukten ausgegangen werden. Für 12 Hypothesen liegen keine signifikanten Ergebnisse vor, 3 Hypothesen müssen abgelehnt werden.
Hauptstudie Hypothese
H1: Motivation ĺ Identifikation Einfluss auf die Identifikation mit der Community H1cc Motivation Community ĺ Identifikation Community H1mc Motivation Marke ĺ Identifikation Community H1wc Motivation Mehrwert ĺ Identifikation Community Einfluss auf die Identifikation mit der Marke H1cm Motivation Community ĺ Identifikation Marke H1mm Motivation Marke ĺ Identifikation Marke H1wm Motivation Mehrwert ĺ Identifikation Marke Einfluss auf die Identifikation mit dem Unternehmen H1cu Motivation Community ĺ Identifikation Unternehmen H1mu Motivation Marke ĺ Identifikation Unternehmen H1wu Motivation Mehrwert ĺ Identifikation Unternehmen
157 Standardisierter Koeffizient
t-Wert
Hypothese bestätigt
0,75** 0,09** 0,09**
26,046 4,013 3,558
9 9 9
0,23** 0,52** 0,00
7,806 17,758 0,087
9 9 n.s.
0,22** 0,46** 0,05
7,248 15,528 1,495
9 9 n.s.
0,01 -0,09** -0,01
0,239 -3,641 -0,253
n.s. n.s.
0,07 0,80** 0,02
-1,382 22,093 0,594
n.s. 9 n.s.
0,22** 0,22** 0,01
6,213 9,190 0,302
9 9 n.s.
-0,06 0,53** -0,02
-1,906 18,707 -0,384
n.s. 9 n.s.
0,82** 0,17** 0,06
20,095 6,244 1,504
9 9 n.s.
-0,09 0,08* 0,10*
1,382 2,467 2,425
n.s. 9 9
Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Community H5cc Identifikation Community ĺ Weiterempfehlung Community H5mc Identifikation Marke ĺ Weiterempfehlung Community H5uc Identifikation Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Community
0,51** -0,11** 0,13**
12,436 -4,040 3,259
9 9
Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Marke H5cm Identifikation Community ĺ Weiterempfehlung Marke H5mm Identifikation Marke ĺ Weiterempfehlung Marke H5um Identifikation Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Marke
-0,08* 0,29** 0,16**
-2,222 10,163 4,128
9 9
H2: Zufriedenheit ĺ Loyalität Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Community H2cc Zufriedenheit Community ĺ Loyalität Community H2mc Zufriedenheit Marke ĺ Loyalität Community H2uc Zufriedenheit Unternehmen ĺ Loyalität Community Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Marke H2cm Zufriedenheit Community ĺ Loyalität Marke H2mm Zufriedenheit Marke ĺ Loyalität Marke H2um Zufriedenheit Unternehmen ĺ Loyalität Marke H3: Zufriedenheit ĺ Weiterempfehlung Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Community H3cc Zufriedenheit Community ĺ Weiterempfehlung Community H3mc Zufriedenheit Marke ĺ Weiterempfehlung Community H3uc Zufriedenheit Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Community Einfluss auf die intendierte Weiterempfehlung der Marke H3cm Zufriedenheit Community ĺ Weiterempfehlung Marke H3mm Zufriedenheit Marke ĺ Weiterempfehlung Marke H3um Zufriedenheit Unternehmen ĺ Weiterempfehlung Marke H4: Identifikation ĺ Loyalität Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Community H4cc Identifikation Community ĺ Loyalität Community H4mc Identifikation Marke ĺ Loyalität Community H4uc Identifikation Unternehmen ĺ Loyalität Community Einfluss auf die intendierte Verhaltensloyalität gegenüber der Marke H4cm Identifikation Community ĺ Loyalität Marke H4mm Identifikation Marke ĺ Loyalität Marke H4um Identifikation Unternehmen ĺ Loyalität Marke H5: Identifikation ĺ Weiterempfehlung
158
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
H6: Identifikation ĺ Zufriedenheit Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Community H6cc Identifikation Community ĺ Zufriedenheit Community
0,77**
35,214
9
Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Marke H6mm Identifikation Marke ĺ Zufriedenheit Marke
0,64**
18,454
9
Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Unternehmen H6uu Identifikation Unternehmen ĺ Zufriedenheit Unternehmen
0,83**
31,472
9
0,002
n.s.
H7: Loyalität Community ĺ Loyalität Marke H7cm Loyalität Community ĺ Loyalität Marke
0,00
H8: Weiterempfehlung Community ĺ Weiterempfehlung Marke H8cm Weiterempfehlung Community ĺ Weiterempfehlung Marke 0,25** 7,676 9 ** p 0,01 * p 0,05 9 Hypothese kann in dieser Untersuchung als signifikant, bei max. zugelassenem Alpha von 5%, bestätigt werden. Die Hypothese muss abgelehnt werden. n.s. Der Zusammenhang ist statistisch nicht signifikant, bei max. zugelassener Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%.
Tabelle 28:
Standardisierte Koeffizienten des Strukturmodells
Hypothese 1: Motivation ĺ Identifikation Durch Hypothese 1 wird der positive Einfluss der Motivation zur Teilnahme an der Brand Community auf die Identifikation mit der Community bzw. der Marke bzw. dem Unternehmen erfasst. Wie die Konkretisierung der Hypothese zeigt, wird die Identifikation mit der Community vor allem durch die communityspezifischen Beweggründe zur Teilnahme geprägt (H1cc: ȕ = 0,75**). Zudem existiert ein geringer positiver Einfluss der markenspezifischen Motivationen (H1mc: ȕ = 0,09**) bzw. der Motivationen, die auf einen Mehrwert der Community abzielen, der weder in der Community noch in der Marke begründet ist (H1wc: ȕ = 0,09**). Im Hinblick auf die Identifikation mit der Marke lassen sich positive Auswirkungen der Konstrukte „Motivation Community“ (H1cm: ȕ = 0,23**) bzw. „Motivation Marke“ (H1mm: ȕ = 0,52**) konstatieren, wohingegen die zusätzlichen Beweggründe keinen Einfluss auf die Markenidentifikation aufweisen. Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich der Einflussgrößen der Identifikation mit dem Unternehmen. Der standardisierte Koeffizient für den Wirkungszusammenhang zwischen den Konstrukten „Motivation Community“ und der Identifikation mit dem Unternehmen liegt hier bei 0,22 (H1cu: ȕ = 0,22**), der Einfluss der markenspezifischen Motivation bei 0,46 (H1mu: ȕ = 0,46**). Die latente Variable Motivation Mehrwert übt keinen signifikanten Einfluss auf die Identifikation mit dem Unternehmen aus. Hypothese 2: Zufriedenheit ĺ Loyalität Hypothese 2 postuliert einen positiven Zusammenhang zwischen den Konstrukten Zufriedenheit und Loyalität.
Hauptstudie
159
Hinsichtlich der Loyalität des Bezugsobjekts Community liegen – entgegen der ursprünglichen Hypothesen – keine Auswirkungen der Zufriedenheit mit der Community bzw. der Zufriedenheit mit dem Unternehmen vor. Der Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der Marke und der Loyalität gegenüber der Community ist sogar leicht negativ (H2mc: ȕ = -0,09**). Hingegen wird die Loyalität gegenüber der Marke entsprechend der vorab formulierten Hypothese deutlich von der Zufriedenheit mit der Marke getrieben (H2mm: ȕ = 0,80**). Der entsprechende Pfadkoeffizient dieses Zusammenhangs ist mit 0,80 sehr hoch. 941 Ein signifikanter Einfluss der Zufriedenheit mit der Community (H2cm) bzw. dem Unternehmen (H2um) auf die Loyalität gegenüber der Marke konnte jedoch nicht festgestellt werden, so dass beide Hypothesen verworfen werden. Hypothese 3: Zufriedenheit ĺ Weiterempfehlung Der positive Einfluss der Zufriedenheit auf das intendierte Weiterempfehlungsverhalten wird in Hypothese 3 postuliert. Die Schätzergebnisse bestätigen, dass die Weiterempfehlung der Community gemäß dieser Hypothese positiv durch die Zufriedenheit mit der Community (H3cc: ȕ = 0,22**) bzw. die Zufriedenheit mit der Marke (H3mc: ȕ = 0,22**) beeinflusst wird. Die Zufriedenheit mit dem Unternehmen hingegen übt weder einen signifikanten Einfluss auf die Weiterempfehlung der Community noch auf die Weiterempfehlung der Marke aus. Im Hinblick auf die markenbezogene Weiterempfehlungsabsicht ist ein signifikanter positiver Effekt der Zufriedenheit mit der Marke (H3mm: ȕ = 0,53**) feststellbar. Hypothese 4: Identifikation ĺ Loyalität Das Hypothesengeflecht 4 befasst sich mit den Auswirkungen der Identifikation auf die intendierte Verhaltensloyalität. Die Schätzergebnisse zeigen, dass die Identifikation mit der Community (H4cc: ȕ = 0,82**) und die Identifikation mit der Marke (H4mc: ȕ = 0,17**) signifikant zur Loyalität gegenüber der Community beiträgt und die entsprechenden Hypothesen akzeptiert werden. Die intendierte Loyalität gegenüber der Marke wiederum wird signifikant durch die Identifikation mit der Marke (H4mm: ȕ = 0,08*) sowie die Identifikation mit dem Unternehmen (H4um: ȕ = 0,10*) beeinflusst. Hypothese 5: Identifikation ĺ Weiterempfehlung Hypothese 5 postuliert einen positiven Zusammenhang zwischen der Identifikation und dem Weiterempfehlungsverhalten der Konsumenten.
941
Koeffizienten, die nahe bei 1 liegen bzw. größer als 1 sind, könnten auf ein Multikollinearitätsproblem hindeuten. Jöreskog zeigt allerdings, dass Multikollinearität nicht automatisch bedeutet, dass die Konstrukte nicht diskriminieren (vgl. Jöreskog (1999), S. 1).
160
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Die empirische Schätzung belegt die positiven Auswirkungen der Identifikation mit der Community (H5cc: ȕ = 0,51**) bzw. der Identifikation mit dem Unternehmen (H5uc: ȕ = 0,13**) auf die intendierte Weiterempfehlung der Community. Hingegen zeigt sich entgegen der formulierten Hypothese ein schwacher negativer Zusammenhang zwischen der Markenidentifikation und der Weiterempfehlung der Community (H5mc: ȕ = -0,11**). Die Weiterempfehlung der Marke wird entsprechend der Modellschätzung durch die Identifikation mit der Marke (H5mm: ȕ = 0,29**) und durch die Identifikation mit dem Unternehmen (H5um: ȕ = 0,16**) erhöht und somit beide Hypothesen bestätigt. Im Widerspruch zu Hypothese H5cm wird allerdings kein positiver, sondern ein schwacher negativer Einfluss der Identifikation mit der Community auf die Weiterempfehlung der Marke festgestellt (H5cm: ȕ = -0,08**). Hypothese 6: Identifikation ĺ Zufriedenheit Der Zusammenhang zwischen der Identifikation der Konsumenten mit einem Bezugsobjekt (Community, Marke, Unternehmen) und der Zufriedenheit mit diesem wird durch Hypothese 6 beschrieben. Die empirische Schätzung bestätigt diese Hypothese für alle drei Identifikationsobjekte. Dabei können hohe, signifikante Pfadkoeffizienten beobachtet werden: Die Identifikation mit der Community trägt mit einem standardisierten Koeffizienten von 0,77 zur Zufriedenheit mit dieser bei (H6cc: ȕ = 0,77**). Für das Bezugsobjekt Marke führt die Erhöhung der Identifikation mit dieser um eine Einheit zu einer Erhöhung der Zufriedenheit mit dieser um 0,64 Einheiten (H6mm: ȕ = 0,64**). Die Identifikation mit dem Unternehmen steigert äquivalent die Zufriedenheit mit dem Unternehmen signifikant (H6uu: ȕ = 0,83**). Hypothese 7: Loyalität Community ĺ Loyalität Marke In Hypothese 7 wird ein positiver Einfluss der intendierten Verhaltensloyalität zur Community auf die intendierte Verhaltensloyalität zur Marke beschrieben. Dieser Zusammenhang wurde durch die Modellschätzung jedoch nicht bestätigt, so dass die Hypothese zu verwerfen ist. Hypothese 8: Weiterempfehlung Community ĺ Weiterempfehlung Marke Die Hypothese 8 prognostiziert einen positiven Zusammenhang zwischen der Weiterempfehlung der Community und der Weiterempfehlung der Marke. Der Pfadkoeffizient zwischen beiden Konstrukten ist statistisch auf dem 1 %-Niveau im zweiseitigen Test signifikant (H8cm: ȕ = 0,25**). Die Weiterempfehlungsabsicht hinsichtlich der Community trägt somit entscheidend zum intendierten Weiterempfehlungsverhalten der Marke bei.
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen 4.5
161
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen
Im vorangehenden Abschnitt wurden die aufgestellten Hypothesen überprüft und die signifikanten Pfadkoeffizienten vorgestellt. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der Studie hervorgehoben und ausführlicher diskutiert. Dadurch werden einerseits die in Abschnitt 1.2 und Abschnitt 2.3.2 entwickelten Forschungsfragen beantwortet und andererseits eine Basis für die Ableitung von Handlungsempfehlungen gelegt. Zunächst werden die Notwendigkeit der Unterscheidung verschiedener Bezugsobjekte der Brand-Community-Mitglieder erläutert. Anschließend wird kurz auf die drei MotivationsDimensionen eingegangen. Den Kern dieser Diskussion bilden dann die wesentlichen Wirkungszusammenhänge der Kundenbindung und der Kundenneugewinnung in und durch Brand Communities. 4.5.1
Konsumentenidentifikation mit verschiedenen Identifikationsobjekten
In den grundlegenden Ausführungen zum Identifikationskonzept in Abschnitt 3.3.2 wurde aufgezeigt, dass sich ein großer Teil der Literatur zur Konsumentenidentifikation auf die Identifikation mit einem einzigen Bezugsobjekt beschränkt. Dieses Bezugsobjekt ist meist eine Marke, ein Unternehmen, ein Mitarbeiter oder eine Community. Brand-CommunityMitglieder identifizieren sich jedoch gleichzeitig mit mehreren Identifikationsobjekten. Darüber hinaus differenzieren sie neben der Identifikation auch andere theoretische Konstrukte wie die Zufriedenheit, das Weiterempfehlungs- und das Loyalitätsverhalten nach konkreten Bezugsobjekten. Daher sind einerseits die Wirkungszusammenhänge innerhalb eines Beziehungsobjektes (z. B. die Wirkung von Identifikation und Zufriedenheit auf Loyalität/Weiterempfehlung) zu analysieren und andererseits auch die Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen Bezugsobjekten (z. B. Loyalität zur Community und Loyalität zur Produktmarke oder Zufriedenheit mit der Unternehmensmarke und Loyalität mit einer Produktmarke) zu untersuchen. Im Rahmen der vorliegenden Brand-Community-Studie wurden erstmals zentrale Konstrukte des Konsumentenverhaltens durchgängig im Hinblick auf die verschiedenen Bezugsobjekte Community, Marke und Unternehmen unterschieden. Die empirischen Ergebnisse bestätigen die theoretischen Überlegungen, dass diese Differenzierung von Bezugsobjekten notwendig ist. Die Diskriminanz der auf die drei Bezugsobjekte Community, Marke und Unternehmen bezogenen Konstrukte Identifikation, Zufriedenheit, Loyalität und Weiterempfehlung wurde durch Ȥ2-Differenztests und für die meisten Konstrukte auch durch das strengere FornellLarcker-Kriterium belegt (vgl. Kapitel 4.4.3.1). Demnach zeigt die vorliegende Untersuchung, dass Brand-Community-Mitglieder in der Lage sind, zwischen der Brand Community, der Marke und dem Unternehmen zu differenzieren. Wie in den theoretischen Ausführungen zu Brand Communities in Abschnitt 2.1.2 und im Rahmen der Konzeptualisierung in Abschnitt 3.2 konzeptionell hergeleitet, nehmen Brand-
162
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Community-Mitglieder demnach drei Bezugsobjekte war, denen sie ausgesetzt sind und zu denen sie eine Beziehung aufweisen. Die Ergebnisse veranschaulichen allerdings auch, dass die Beziehung zum Unternehmen für die Brand-Community-Mitglieder von nachrangiger Bedeutung ist942 bzw. eine relativ starke Nähe zur Wahrnehmung der Marke existiert. Letzteres zeigt sich beispielsweise bei den Hypothesen, die den Einfluss der Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community auf die Identifikation abbilden, bei denen ein deutlicher Gleichlauf der auf die Markenidentifikation bzw. die Identifikation mit dem Unternehmen gerichteten Pfadkoeffizienten zu beobachten ist. Die geringere Relevanz des Unternehmens als Bezugsobjekt war auch theoretisch so zu erwarten, da die Mitglieder einer Brand Community insbesondere intensive Beziehungen zur Community und zu einer bestimmten Marke pflegen.943 Weiterhin zeigt sich, dass es bei geringerem Kontakt bzw. oberflächlicherer Beziehung zu einem Identifikationsobjekt zunehmend zu einer „Verwaschung“ der Bewertungen kommt, da die Konsumenten versuchen, möglichst konsistent zu antworten.944 Als Beispiel hierfür kann die starke Übereinstimmung der Aussagen zwischen den Identifikation mit dem Unternehmen und der Zufriedenheit mit diesem angeführt werden (H6uu; ȕ = 0,83**). 4.5.2
Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community
Im Hinblick auf die Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community wurden in dieser Arbeit zwei zentrale Fragestellungen geklärt: Erstens, zu welchen übergeordneten, allumfassenden Motivations-Dimensionen lassen sich die Beweggründe der Partizipation an einer Brand Community verdichten? Und zweitens, welchen Einfluss haben diese MotivationsDimensionen auf die Identifikation mit der Brand Community, der Marke oder dem Unternehmen? Wie die umfangreiche quantitative Vorstudie zu den Beweggründen der Teilnahme an einer Brand Community offenbart, lassen sich drei zentrale Motivations-Dimensionen unterscheiden:945 Erstens Motivationen, die durch die Community erfüllt werden. Zweitens eine Reihe von Motivationen, die sich auf die Marke im Fokus der Brand Community beziehen. Und drittens Motivationen, die weder auf die Community noch die Marke abzielen, sondern einen zusätzlichen Mehrwert für die Brand-Community-Mitglieder mit sich bringen. Zu letzteren zählen beispielsweise unterhaltende Elemente, Spiele und Gewinnspiele.
942
Nur 6 der 12 Hypothesen, die das Bezugsobjekt Unternehmen einbeziehen, sind signifikant. Die Schätzung eines reduzierten Untersuchungsmodells ohne die unternehmensbezogenen Konstrukte führt zu weitgehend identischen Ergebnissen bezüglich der Signifikanz der verbleibenden Pfadkoeffizienten.
943
Vgl. Abschnitt 2.1.2. Aufgrund der vorherrschenden Bedeutung der Community- bzw. Marken-Beziehung wurde darauf verzichtet, die Kundenbindung an das Unternehmen bzw. die Weiterempfehlung des Unternehmens mit in die Untersuchung aufzunehmen.
944
Dieses Antwortverhalten wird in der Literatur als Konsistenzmotiv (consistency motif) diskutiert (vgl. Podsakoff et al. (2003b), S. 881).
945
Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen zur Vorstudie in Kapitel 4.2.
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen
163
Die Bedeutung dieser Motivations-Dimensionen für die Identifikation mit der Brand Community, der Marke oder dem Unternehmen konnte durch das in der Hauptstudie geschätzte Strukturgleichungsmodell aufgezeigt werden. Demnach erhöhen die communityspezifischen Motivationen insbesondere die Identifikation mit der Community. Darüber hinaus kann allerdings auch die Identifikation mit der Marke und dem Unternehmen mittels der durch die Community befriedigten Beweggründe gesteigert werden.946 Weiterhin zeigt sich, dass die Erfüllung von Motivationen, die mit der Marke, die im Mittelpunkt der Brand Community steht, verbunden sind, insbesondere die Identifikation der Konsumenten mit der Marke und dem Unternehmen erhöht. Eine Identifikation mit der Community findet zwar ebenfalls statt, aber nur in geringerem Ausmaß. Die dritte ermittelte Motivations-Dimension bringt zwar einen Mehrwert für die CommunityMitglieder, führt allerdings nur hinsichtlich des Identifikationszieles Community zu einer Erhöhung der Identifikation. Markenfans werden demzufolge in der Regel nicht wegen ökonomischer oder extrinsischer Vorteile947 Mitglied der Markengemeinschaft, sondern aufgrund der geteilten Leidenschaft für eine Marke948 und der gemeinsamen Erlebnisse bzw. Interaktion. 4.5.3
Kundenbindung
Neben den Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community stellt sich aus Sicht eines Brand-Community-Betreibers bzw. eines Markeninhabers insbesondere die Frage, welche latenten Variablen einen besonders großen Einfluss auf die Bindung der Mitglieder bzw. Konsumenten an die Community bzw. die Marke haben. Im Folgenden werden daher die Ergebnisse der Modellschätzung im Hinblick auf die zentralen Wege zur intendierten Verhaltensloyalität gegenüber der Community bzw. der Marke diskutiert. Die geschätzte erklärte Varianz der Zielgröße „Loyalität Community“ durch das UrsacheWirkungsgefüge des Untersuchungsmodells ist R2 = 0,82, d. h. es werden circa 82 % der Varianz der Loyalität gegenüber der Community erklärt. Für das Konstrukt Loyalität Marke liegt der entsprechende Wert bei R2 = 0,77, d. h. circa 77 % der Streuung dieses Konstrukts werden durch das Untersuchungsmodell erklärt. Diese Werte sind als sehr gut zu erachten. Offensichtlich ist es gelungen, die wesentlichen Treiber der beiden Zielgrößen zu identifizieren, so dass für die Praxis relevante Implikationen abgeleitet werden können.
946
Dies ergänzt die Ergebnisse von von Loewenfeld, der feststellt, dass die Brand-Community-Qualität unter der Voraussetzung, dass die Basisanforderungen bezüglich des Produktes erfüllt sind, einen höheren Einfluss auf die Kundenbindung hat als die Produktqualität. Die emotionale Ansprache durch die Community sei demnach wichtiger als konkrete Produkt-/Markeneigenschaften (vgl. von Loewenfeld (2006), S. 276).
947
Vgl. Ryan und Deci (2000).
948
Vgl. Morandin et al. (2008), S. 24 ff.
164
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
In Tabelle 29 werden zunächst die Effekte der einzelnen Konstrukte des Modells auf die Community- und die Markenloyalität aufgezeigt. Der Gesamteffekt eines Konstrukts ergibt sich dabei aus der Summe des direkten Effekts, der mit einer Hypothese begründet ist, und des indirekten Effekts, der aus dem Einfluss auf das Zielkonstrukt über andere Konstrukte resultiert. Konstrukt
Loyalität gegenüber der Brand Community Direkter Indirekter Totaler Effekt Effekt Effekt
Loyalität gegenüber der Marke Direkter Indirekter Totaler Effekt Effekt Effekt
NH
0,65**
0,65**
NH
0,13**
0,13**
Motivation Marke
NH
0,16
**
**
0,16
NH
**
0,35
0,35**
Motivation Mehrwert
NH
0,08**
0,08**
NH
0,00
0,00
-0,09
0,05
-0,04*
Motivation Community
Identifikation Community
0,82**
0,01
0,83**
Identifikation Marke
0,17**
-0,06**
0,11**
0,08*
0,51**
0,59**
Identifikation Unternehmen
0,06
-0,01
0,05*
0,10*
0,02**
0,12**
Zufriedenheit Community
0,01
NH
0,01
0,07
0,00
0,07*
**
**
**
Zufriedenheit Marke
-0,09
NH
-0,09
0,80
0,00
0,80**
Zufriedenheit Unternehmen
-0,01
NH
-0,01
0,02
0,00
0,02 0,00
Loyalität Community
NH
NH
NH
0,00
NH
Loyalität Marke
NH
NH
NH
NH
NH
NH
Weiterempfehlung Community
NH
NH
NH
NH
NH
NH
NH
NH
NH
NH
NH
Weiterempfehlung Marke NH ** p 0,01; * p 0,05; NH = Hypothese nicht aufgestellt
Tabelle 29:
Gesamteffekte der Konstrukte auf die intendierte Verhaltensloyalität zur Brand Community und zur Marke
4.5.3.1
Wirkungszusammenhänge der Bezugsobjekte Brand Community und Marke
Zur Ableitung von Implikationen für ein Management von Brand Communities scheint es angebracht, sich auf die zentralen Wirkungszusammenhänge des Untersuchungsmodells zu fokussieren. Der hierfür relevante Ausschnitt des Untersuchungsmodells ist in Abbildung 19 dargestellt, wobei Pfade mit standardisierten Pfadkoeffizienten mit einem Wert kleiner als 0,1 ausgeblendet sind.
0,77** Identifikation Community
165
Zufriedenheit Community Loyalität Community
0,82**
Bezugsobjekt Community
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen
Loyalität Marke 0,64**
Abbildung 19:
Zufriedenheit Marke
0,80**
Bezugsobjekt Marke
0,17** Identifikation Marke
Zentrale Wirkungszusammenhänge der Kundenbindung949
Die Analyse des Bezugsobjekts Marke zeigt, dass die Identifikation mit der Marke die Zufriedenheit mit der Marke entscheidend erhöht (H6mm: ȕ = 0,64**). Eine hohe Zufriedenheit mit der Marke wiederum führt zu einer höheren Kundenloyalität (H2mm: ȕ = 0,80**). Dadurch ergibt sich ein signifikanter indirekter Effekt der Identifikation mit der Marke auf die Bindung an die Marke von 0,51, ein nennenswerter direkter Effekt zwischen den beiden Konstrukten existiert nicht.950 Insgesamt liegt somit ein hoher totaler Effekt der Markenidentifikation auf die Markenloyalität vor (totaler Effekt = 0,59**), so dass festzuhalten ist, dass die Identifikation mit der Marke ein wichtiger Treiber der Markenloyalität ist. Hingegen führt die Identifikation mit der Brand Community auch direkt zur Bindung an die Brand Community (H4cc: ȕ = 0,82**). Gleichzeitig erhöht die Identifikation mit der Brand Community die Zufriedenheit mit der Brand Community (H6cc: ȕ = 0,77**). Entgegen der theoretischen Überlegungen und des für das Bezugsobjekt Marke beobachteten Zusammenhangs hat die Zufriedenheit mit der Brand Community jedoch keinen Einfluss auf die Bindung der Mitglieder an die Brand Community. Der totale Effekt der Identifikation mit der Community auf die Loyalität zur Brand Community fällt daher mit einem Koeffizienten von 0,82** nur geringfügig höher aus als der direkte Effekt des Konstrukts. Demnach ist die Iden949
Die im Hinblick auf die Diskussion bedeutenden Wirkungszusammenhänge sind durch fettgedruckte Pfeile hervorgehoben. Nichtsignifikante Wirkungszusammenhänge bzw. Wirkungszusammenhänge mit einem standardisierten Pfadkoeffizienten < 0,1 sind nicht in der Darstellung berücksichtigt.
950
Der direkte Effekt der Markenidentifikation auf die Markenloyalität ist mit einem standardisierten Koeffizienten von 0,08 im Vergleich zum totalen Effekt zwischen beiden Konstrukten, der 0,59 beträgt, eher gering einzuschätzen.
166
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
tifikation mit der Community der zentrale Treiber der Loyalität zur Community, wobei die Bedeutung auf einen direkten Wirkungszusammenhang beider Konstrukte zurückzuführen ist. Ein signifikanter, positiver Einfluss auf die Bindung an die Brand Community existiert jedoch auch durch die Identifikation mit der Marke (H4mc: ȕ = 0,17**). Da die Marke ein konstituierendes Element der Brand Community darstellt, bestätigt dieser Wirkungszusammenhang über die zwei Bezugsobjekte Marke und Brand Community hinweg deren theoretische Verbindung. Der Zusammenhang zwischen Identifikation, Zufriedenheit und Loyalität gestaltet sich somit unterschiedlich in Abhängigkeit vom Bezugsobjekt. Während für die Bindung an die Brand Community vor allem die Identifikation mit dieser ausschlaggebend ist, setzt die Loyalität gegenüber der Marke die Zufriedenheit mit dieser voraus. Die Identifikation mit der Marke wirkt hier lediglich indirekt über das Zufriedenheitskonstrukt auf die Loyalität gegenüber der Marke. Darüber hinaus ist entgegen den theoretischen Überlegungen im Rahmen der Hypothesenbildung und den Ergebnissen aus früheren Brand-Community-Studien951 erstaunlicherweise kein Zusammenhang zwischen der Bindung an die Brand Community und der Bindung an die Marke festzustellen. 4.5.3.2
Ausgewählte Aspekte des Bezugsobjektes Unternehmen
Die Beziehung zwischen Brand-Community-Mitglied und Unternehmen erfährt wie in Abschnitt 4.5.1 erläutert aus Sicht der Brand-Community-Mitglieder zwar geringere Beachtung, dennoch lässt sich auch hier ein bei zweiseitigem Signifikanztest auf dem 5 %-Niveau ein Einfluss der Identifikation mit dem Unternehmen auf die Bindung an die Marke feststellen (H4um: ȕ = 0,10*). 4.5.3.3
Einfluss der Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community
Das vorliegende Untersuchungsmodell bildet zwar keinen direkten Wirkungszusammenhang zwischen den unterschiedlichen Dimensionen der Beweggründe zur Teilnahme an der Brand Community und der Loyalität gegenüber der Brand Community bzw. gegenüber der Marke ab, dennoch lassen sich durch LISREL die indirekten Effekte der Konstrukte ermitteln.952 Dabei zeigt sich, dass das Konstrukt „Motivation Community“ nicht nur einen hohen, signifikanten Einfluss auf die Loyalität gegenüber der Brand Community hat (indirekter Effekt = 0,65**), sondern auch die Loyalität zur Marke erhöht (indirekter Effekt = 0,13**). Mit der Community verbundene Konsumenten weisen demnach auch eine höhere Loyalität gegenüber
951
Vgl. z. B. Algesheimer et al. (2005); Algesheimer et al. (2006).
952
Vgl. hierzu auch die Übersicht der Effekte auf die Brand-Community-Loyalität und die Markenloyalität in Tabelle 29 in Abschnitt 4.5.3.
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen
167
der Marke auf. Da die communityspezifischen Bedürfnisse weitgehend durch andere Community-Mitglieder erfüllt werden, tragen letztere gewissermaßen dazu bei, dass sich andere Konsumenten mit der Marke verbunden fühlen. Umgekehrt führt die auf eine Marke gerichtete Motivation zur Teilnahme an der Community einerseits zur Loyalität gegenüber der Marke (indirekter Effekt = 0,35**), andererseits aber auch zur Bindung an die Community (indirekter Effekt = 0,16**). Die Motivations-Dimension, die Zusatzangebote der Brand Community zusammenfasst, die weder community- noch markenspezifisch ist, führt zu einer geringen, aber signifikanten Erhöhung der Loyalität gegenüber der Brand Community (indirekter Effekt = 0,08**). 4.5.4
Kundenneugewinnung
Neben der Bindung existierender Community-Mitglieder an die Brand Community und die Marke kann die Neugewinnung von Brand-Community-Mitgliedern und Käufern der Marke als grundlegendes Ziel einer Brand Community angeführt werden. Basis für die Kundenneugewinnung sind dabei insbesondere die Weiterempfehlung der Brand Community bzw. die Weiterempfehlung der Marke. Die durch das Untersuchungsmodell geschätzte erklärte Varianz des Konstrukts Weiterempfehlung Community ist R2 = 0,64, d. h. es werden circa 64 % der Varianz der Weiterempfehlungsabsicht der Community erklärt. Für die intendierte Weiterempfehlung der Marke beträgt das Bestimmtheitsmaß R2 = 0,78, d. h. circa 78 % der Streuung dieses Konstrukts werden durch das Untersuchungsmodell erklärt. Ähnlich wie bei den entsprechenden Loyalitätsgrößen sind auch diese Werte in Anbetracht der Modellkomplexität als sehr gut zu erachten. Konstrukt
Weiterempfehlung der Brand Community Direkter Indirekter Totaler Effekt Effekt Effekt
Weiterempfehlung der Marke Direkter Indirekter Totaler Effekt Effekt Effekt
NH
0,54**
0,54**
NH
0,21**
0,21**
Motivation Marke
NH
0,14
**
**
NH
0,42
**
0,42**
Motivation Mehrwert
NH
0,07**
0,07**
NH
0,01
0,01
0,51**
0,17**
0,68**
-0,08**
0,12**
0,04* 0,63**
Motivation Community
Identifikation Community
-0,11**
0,14
0,14**
0,03
0,29**
0,35**
Identifikation Unternehmen
0,13**
0,01
0,14**
0,16**
0,02
0,18**
Zufriedenheit Community
0,22**
NH
0,22**
0,01
0,05*
Zufriedenheit Marke
0,22**
NH
0,22**
0,06**
0,59**
Zufriedenheit Unternehmen
0,01
Identifikation Marke
-0,06 0,53**
0,01
NH
-0,02
0,00
-0,01
Loyalität Community
NH
NH
NH
NH
NH
NH
Loyalität Marke
NH
NH
NH
NH
NH
NH
Weiterempfehlung Community
NH
NH
NH
0,25**
NH
0,25**
NH
NH
NH
NH
NH
Weiterempfehlung Marke NH ** p 0,01; * p 0,05; NH = Hypothese nicht aufgestellt
Tabelle 30:
Gesamteffekte der Konstrukte auf die intendierte Weiterempfehlung der Brand Community und der Marke
168
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
In Tabelle 30 sind die Effekte der einzelnen Konstrukte auf die Weiterempfehlung der Brand Community und die Weiterempfehlung der Marke aufgeführt. Dabei wird erneut zwischen dem direkten Effekt, dem indirekten Effekt und dem Gesamteffekt eines Konstrukts unterschieden. 4.5.4.1
Wirkungszusammenhänge der Bezugsobjekte Brand Community und Marke
Identifikation Community
Zufriedenheit Community
0,22** Weiterempfehlung Community
0,51**
0,25** 0,22**
-0,11** 0,29**
Identifikation Marke 0,64**
Abbildung 20:
Zufriedenheit Marke
Weiterempfehlung Marke 0,53**
Bezugsobjekt Marke
0,77**
Bezugsobjekt Community
Im Folgenden werden die zentralen Antezedenten der Weiterempfehlung der Community und der Weiterempfehlung der Marke hervorgehoben. Die relevanten Wirkungszusammenhänge zwischen diesen ökonomischen Erfolgsindikatoren und den vorausgehenden psychologischen Variablen sind in Abbildung 20 veranschaulicht.
Zentrale Einflussgrößen der Kundenneugewinnung953
Im Hinblick auf die Marke als Bezugsobjekt der Weiterempfehlungsabsicht zeigt sich, dass die Weiterempfehlung der Marke stark durch die Zufriedenheit mit der Marke (H3mm: ȕ = 0,53**) geprägt wird. Weiterhin hat die Identifikation mit der Marke einen signifikanten Einfluss auf die Weiterempfehlung der Marke (H5mm: ȕ = 0,29**). Da die Identifikation mit der Marke gleichzeitig die Zufriedenheit mit dieser deutlich erhöht (H6mm: ȕ = 0,64**), existiert zudem ein indirekter Effekt der Markenidentifikation auf die Weiterempfehlung der Marke. Die Berechnung des totalen Effekts der Identifikation mit der Marke auf die Weiterempfehlung der Marke zeigt, dass dieser bei 0,63 liegt und der indirekte Effekt der Marken-
953
Die im Hinblick auf die Diskussion bedeutenden Wirkungszusammenhänge sind durch fettgedruckte Pfeile hervorgehoben. Nichtsignifikante Wirkungszusammenhänge bzw. Wirkungszusammenhänge mit einem standardisierten Pfadkoeffizienten < 0,1 sind nicht in der Darstellung berücksichtigt.
Diskussion der zentralen Ergebnisse der Untersuchungen
169
identifikation auf die Weiterempfehlung der Marke somit einen standardisierten Koeffizienten von 0,35 aufweist. Die Absicht, die Brand Community weiterzuempfehlen, wird hauptsächlich direkt durch die Identifikation mit der Brand Community beeinflusst (H5cc: ȕ = 0,51**). Zudem hat die Zufriedenheit mit der Brand Community positive Auswirkungen auf die Weiterempfehlung der Brand Community (H3cc: ȕ = 0,22**). Da die Identifikation mit der Brand Community zugleich die Zufriedenheit mit der Brand Community (H6cc: ȕ = 0,77**) erhöht, ergibt sich ein totaler Effekt der Community-Identifikation auf die Absicht zur Weiterempfehlung der Brand Community von 0,68, d. h. der indirekte Effekt liegt bei 0,17. Ein signifikanter Einfluss auf die Weiterempfehlung der Brand Community wurde zudem für die latenten Variablen Identifikation Marke (H5mc: ȕ = -0,11**) und Zufriedenheit Marke (H3mc: ȕ = 0,22**) geschätzt, so dass ähnlich wie bei der Betrachtung der Loyalität auch im Hinblick auf die Weiterempfehlung Beziehungen zwischen den Bezugsobjekten Brand Community und Marke existieren. Bemerkenswerterweise liegt zwischen der Identifikation mit der Marke und der Weiterempfehlung der Brand Community entgegen der Hypothese kein positiver, sondern ein negativer Zusammenhang vor. Dieser ist allerdings mit einem standardisierten Pfadkoeffizienten von -0,11 vergleichsweise gering und wird durch indirekte Effekte kompensiert, so dass, wie aus der Übersicht der Koeffizienten des Strukturmodells in Tabelle 28 hervorgeht, kein totaler Effekt der Markenidentifikation auf die Weiterempfehlung der Community vorliegt.954 Die Stärke der Wirkungszusammenhänge zwischen Identifikation, Zufriedenheit und Weiterempfehlung gestaltet sich demnach unterschiedlich in Abhängigkeit vom Bezugsobjekt und weist die gleichen Tendenzen auf wie die Zusammenhänge zwischen Identifikation, Zufriedenheit und Loyalität.955 Sofern sich die psychologischen Variablen Identifikation und Zufriedenheit und die Weiterempfehlung auf das Bezugsobjekt Community beziehen, dominiert der direkte Effekt der Identifikation die Veränderungen des Weiterempfehlungsverhaltens. Hingegen sind im Hinblick auf das Bezugsobjekt Marke die größten Effekte auf die Weiterempfehlung bei der Zufriedenheit mit der Marke zu beobachten. Die Identifikation mit der Marke trägt vor allem über den indirekten Effekt über die Zufriedenheit mit der Marke zur Erhöhung der Weiterempfehlung der Marke bei, trägt aber direkt zur Weiterempfehlung der Marke bei.
954
Der beobachtete negative Koeffizient der Hypothese H5mc kann daher als Besonderheit des Schätzmodells gesehen werden, die mangels vorhandener Erklärungsansätze in weiteren empirischen Untersuchungen zu prüfen ist.
955
Zwar existieren Unterschiede in der Struktur der signifikanten Wirkungszusammenhänge, dennoch kann von einer ähnlichen Struktur bzw. einer gleichen Tendenz der Effekte gesprochen werden.
170
Empirische Untersuchung von Brand-Community-Mitgliedern
Die Weiterempfehlung der Brand Community erhöht gleichzeitig die Weiterempfehlung der Marke (H8cm: ȕ = 0,25**) und bestätigt damit Hypothese 8. Damit wird bestätigt, dass Brand Communities auch für unternehmerische Zielgrößen relevant sind, da die Weiterempfehlung der Marke durch Brand-Community-Mitglieder (auch außerhalb der Brand Community) positiv zur Kundenneugewinnung beiträgt. 4.5.4.2
Ausgewählte Aspekte des Bezugsobjektes Unternehmen
Das intendierte Weiterempfehlungsverhalten der Brand-Community-Mitglieder wird darüber hinaus auch durch die Beziehung der Mitglieder zum Unternehmen beeinflusst. Die entsprechenden Hypothesen, dass die Identifikation mit dem Unternehmen die Weiterempfehlung der Brand Community (H5uc; ȕ = 0,13**) bzw. die Weiterempfehlung der Marke (H5um; ȕ = 0,16**) fördert, wurden durch die Modellschätzung bestätigt. 4.5.4.3
Einfluss der Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community
Direkte Wirkungszusammenhänge zwischen den Motivationen zur Teilnahme an der Brand Community und dem intendierten Weiterempfehlungsverhalten der Brand-CommunityMitglieder gibt es nicht, jedoch lassen sich auch hier die durch die Mediation anderer Konstrukte existierenden indirekten Effekte ermitteln (vgl. Tabelle 30). Die Dimension „Motivation Community“ erhöht einerseits die Absicht, die Brand Community weiterzuempfehlen (indirekter Effekt = 0,54**), andererseits liegt auch ein positiver Effekt auf die Weiterempfehlung der Marke vor (indirekter Effekt = 0,21**). Folglich empfehlen die Konsumenten die Marke, die im Fokus der Community steht, häufiger weiter, auch wenn der Beweggrund zur Partizipation an der Brand Community in erster Linie auf die Mitglieder der Gemeinschaft zurückzuführen ist. Die markenspezifische Motivation zur Teilnahme an der Community erhöht indirekt die Weiterempfehlung der Marke (indirekter Effekt = 0,42**), zugleich aber auch die Absicht zur Weiterempfehlung der Community (indirekter Effekt = 0,14**). Das Konstrukt „Motivation Mehrwert“ erhöht die Weiterempfehlung der Brand Community zwar nur gering, aber auf einem statistisch signifikanten Niveau (indirekter Effekt = 0,07**).
5 Implikationen für Wissenschaft und Praxis 5.1
Implikationen für die Wissenschaft
5.1.1
Forschungsergebnisse und kritische Würdigung
Seit der Einführung des Begriffs „Brand Community“ 2001 durch Muniz und O’Guinn wurden zahlreiche Forschungsprojekte zu diesem Thema durchgeführt und publiziert. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde ein Überblick über die Brand-Community-Forschung gegeben und es konnten 55 diesem Forschungsgebiet zugehörige Publikationen identifiziert werden. Auf Basis dieser kompakten Gegenüberstellung war es möglich, Forschungslücken zu identifizieren und mit der vorliegenden Arbeit neue Erkenntnisse zur Brand-CommunityForschung beizutragen. Motivationen zur Teilnahme an einer Brand Community Bislang existieren nur wenige quantitative Untersuchungen darüber, wie Brand Communities gefördert und erfolgreich betrieben werden können, 956 so dass diese Untersuchung einen wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Einsatz von Brand Communities im Marketing leistet. Die Berücksichtigung der Motivation zur Teilnahme an der Brand Community schließt eine Lücke in der Brand-Community-Forschung, da trotz der Vielfalt an möglichen Motivationen eine umfassende und breit angelegte Motivationsanalyse erfolgt. Hingegen konzentrierte sich die bestehende quantitative Forschung zu Motiven im Rahmen von Brand Communities meist auf ausgewählte Beweggründe zur Partizipation an der Brand Community. Eine möglichst vollständige Erfassung der Motivationen von Brand-Community-Teilnehmern scheint jedoch schon allein deshalb angebracht, da die Beweggründe zur Teilnahme an der Brand Community wichtige antezedente Größen für die Identifikation mit einer Marke und einer Community sind. In dieser Arbeit konnten durch die Vorstudie drei Dimensionen der Motivation zur Teilnahme an der Brand Community aufgedeckt werden: erstens die communitybezogene Dimension, die alle Beweggründe umfasst, die durch die Community und deren Mitglieder befriedigt werden; zweitens die markenbezogene Dimension, die als Sammelbecken für Motivationen dient, die mit der Marke verbunden sind; und drittens eine Dimension, die Motivationen umfasst, die unabhängig von den zentralen Dimensionen Community und Marke einen Mehrwert für die Teilnahme an einer Brand Community darstellen. Durch die Hauptstudie ist es gelungen, signifikante Effekte der community- und markenbezogenen Motivation auf die Identifikation mit der Brand Community, mit der Marke und mit dem Unternehmen nachzuweisen. Dies bestätigt die theoretischen Überlegungen, dass Brand
956
Ausnahmen stellen hier die Untersuchungen von von Loewenfeld (2006); McAlexander et al. (2003); Bagozzi und Dholakia (2006a); Hoppe (2009); Hartleb (2009); Stokburger-Sauer (2010) dar.
B. Popp, Markenerfolg durch Brand Communities, DOI 10.1007/978-3-8349-6712-1_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
172
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
Communities sowohl auf der Existenz einer geeigneten Marke als auch auf der sozialen Interaktion der Konsumenten aufbauen. Die Erfüllung dieser zentralen Bedürfnisse kann weder vom Unternehmen noch von den Individuen alleine erfolgen, so dass Brand Communities auf die Co-Creation des Markeninhabers und der Markennutzer angewiesen sind. Zugleich konnte durch den Nachweis der Relevanz von Bedürfnissen, die unabhängig von der Marke bzw. der Community sind (Motivation Mehrwert), gezeigt werden, dass Aktivitäten in weiteren Bereichen sinnvoll sein können. In der vorliegenden Untersuchung konnte zumindest eine signifikante Erhöhung der Identifikation mit der Brand Community durch Bedürfnisse der Motivations-Dimension Mehrwert beobachtet werden. Diese Ergebnisse stellen demnach nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Marketing-Praxis eine aufschlussreiche Erkenntnis dar, da sie zur Ableitung von Handlungsempfehlungen herangezogen werden können. Identifikation In der bisherigen Forschung zu Brand Communities existieren zahlreiche Ansätze und Untersuchungen, die auf die Beschreibung der Mitgliedschaft von Konsumenten in einer Markengemeinschaft abzielen. Hierfür wurden beispielsweise die Konstrukte Brand-CommunityIntegration 957 , Brand-Community-Qualität 958 , Beziehungsqualität zur Community 959 und informelle Mitgliedschaft960 eingesetzt. In der vorliegenden Arbeit wird die Identifikation von Konsumenten mit der Brand Community zur Messung dieses Aspekts vorgeschlagen. Dabei zeigt sich, dass diese psychologische Variable sehr gut geeignet ist, um die Einheit eines Individuums mit der Brand Community zu beschreiben. Die Identifikation mit der Brand Community gibt die Wahrnehmung des Konsumenten wieder und erscheint daher direkt beobachtbaren Kriterien, wie z. B. der rein formalen Mitgliedschaft in einer Brand Community durch die Registrierung, überlegen. Die detaillierte Konzeptualisierung der Identifikation unter Berücksichtigung der sozialen Identitätstheorie und des Sense of Community stellt daher einen bedeutenden Beitrag zur BrandCommunity-Forschung dar. Darüber hinaus ist von Vorteil, dass das Identifikationskonstrukt auch außerhalb des Brand-Community-Kontexts einsetzbar ist. Die Analyse der Konsumentenidentifikation kann somit einerseits einen Beitrag zur Konsumentenforschung leisten und ermöglicht andererseits eine detailliertere Analyse des Beziehungsnetzwerks von Konsumenten. Hierfür ist die Differenzierung zwischen verschiedenen Bezugsobjekten, auf die sich die Identifikation eines Konsumenten beziehen kann, erforderlich.
957
Vgl. McAlexander et al. (2002).
958
Vgl. von Loewenfeld (2006).
959
Vgl. Algesheimer (2004).
960
Vgl. Hoppe (2009).
Implikationen für die Wissenschaft
173
Mit der Brand Community, der Marke und dem Unternehmen wurden in dieser Arbeit drei Identifikationsobjekte gleichzeitig berücksichtigt und empirisch gezeigt, dass die BrandCommunity-Mitglieder zwischen diesen differenzieren und sich unterschiedlich stark mit diesen identifizieren. Auch wenn das Identifikationskonzept in verschiedenen Forschungsgebieten, wie z. B. der Organisationslehre, dem Marketing und dem Personalwesen, inzwischen weit verbreitet ist, zählt diese Untersuchung zu einer der ersten empirischen Studien, die das Identifikationskonzept nicht auf ein Identifikationsziel beschränkt, so dass diese simultane Berücksichtigung mehrerer Identifikationsobjekte als hoch innovativ gesehen werden kann. In Anbetracht der noch nicht abgeschlossenen Skalenentwicklung für die Konsumentenidentifikation kann zudem in der Berücksichtigung der unterschiedlichen in der Literatur existierenden Vorschläge zur Operationalisierung der Identifikation ein bedeutender Forschungsbeitrag gesehen werden. Dieses Vorgehen setzt an der Forderung von Homburg, Wieseke und Hoyer an, die verschiedenen vorgeschlagenen Identifikationsskalen zu prüfen und deren Entwicklung weiter voranzutreiben.961 Wie in Abschnitt 4.4.1.3 erläutert, werden in der vorliegenden Untersuchung erstmalig gleichzeitig die etablierten verbalen Instrumente und die von Bergami und Bagozzi962 vorgeschlagene grafische Skala zur Messung des Identifikationskonstruktes eingesetzt. Die exploratorischen Faktorenanalysen für die Konstrukte „Identifikation Community“, „Identifikation Marke“ und „Identifikation Unternehmen“ zeigen, dass die verschiedenen Messinstrumente grundsätzlich das gleiche latente Konstrukt messen, da jeweils nur ein Faktor extrahiert wird. Allerdings wird im Rahmen der weiteren Prüfung der Messmodelle durch die konfirmatorische Faktorenanalyse für das Konstrukt „Identifikation Community“ das Item der grafischen Skala (cid_6) aufgrund einer zu geringen Indikatorreliabilität eliminiert. Die Vergleichbarkeit der verbalen und der grafischen Messinstrumente zur Operationalisierung der Konsumentenidentifikation lässt sich daher nicht eindeutig klären. Aufgrund der im Rahmen der Vorstellung der in der Literatur existierenden Operationalisierungsalternativen in Abschnitt 4.4.1.3 genauer erläuterten, theoretisch höheren Validität der verbalen Skalen ist zu erwarten, dass diese auch zukünftig in der wissenschaftlichen Literatur vorherrschen werden. Unterscheidung von Bezugsobjekten Einhergehend mit der Differenzierung von Identifikationsobjekten werden in dieser Arbeit ökonomische Zielgrößen wie Kundenzufriedenheit, Kundenloyalität und Weiterempfehlung hinsichtlich der Bezugsobjekte Marke, Community und Unternehmen, unterschieden. Die vorliegende Untersuchung gehört damit zu einer der ersten Studien in der Konsumentenverhaltensforschung, bei der zentrale Zielgrößen des Marketings durchgängig hinsichtlich mehre-
961
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 49.
962
Vgl. Bergami und Bagozzi (2000), S. 555 ff.
174
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
rer Bezugsobjekte differenziert werden.963 Wie nachfolgend noch genauer erläutert wird, trägt ein derartiger Ansatz zum wissenschaftlichen Fortschritt bei, da dadurch eine detailliertere Analyse psychologischer Variablen bzw. ökonomischer Erfolgsindikatoren und die Aufdeckung der Wirkungszusammenhänge zwischen verschiedenen Bezugsobjekten möglich ist. Modifikation der Service-Profit Chain Einen wesentlichen Beitrag zur Marketingforschung leistet die Entwicklung eines umfassenden Forschungsmodells, das die Analyse der Wirkungsbeziehungen zwischen den Konstrukten Identifikation, Zufriedenheit und Kundenbindung bzw. Weiterempfehlung ermöglicht. Die damit verbundenen Aufschlüsse über den Zusammenhang dieser Konstrukte erweitern die aktuellen Forschungsergebnisse auf dem Gebiet des Konsumentenverhaltens. In einer Erweiterung der Service-Profit Chain schlagen Homburg, Wieseke und Hoyer die Identifikation von Konsumenten als „komplementären Pfad“ zur Kundenloyalität vor, der jedoch unabhängig vom „traditionellen“ zufriedenheitsbasierten Pfad der Service-Profit Chain zur Kundenloyalität ist.964 Durch die Integration von Forschungsergebnissen zum Identifikationskonzept aus anderen Forschungsrichtungen und zusätzlicher theoretischer Überlegungen wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch gezeigt, dass ein Einfluss der Identifikation auf die Zufriedenheit existiert.965 Mittels des auf Basis dieser Überlegungen formulierten Untersuchungsmodells gelingt es im Rahmen dieser Studie erstmalig die Wirkungszusammenhänge dieser für den langfristigen Erfolg einer Brand Community bzw. einer Marke entscheidenden psychologischen Variablen zu klären. Als zentrales Ergebnis der empirischen Untersuchung kann festgehalten werden, dass Kundenidentifikation sowohl für die Brand Community als auch für die Marke einen bedeutenden Weg zur Erhöhung der Loyalität bzw. der Weiterempfehlung darstellt. Allerdings unterscheidet sich das beobachtete Wirkungsmuster zwischen der Brand Community und der Marke. Im Fall der Brand Community wird die Loyalität bzw. die Weiterempfehlung der Mitglieder fast ausschließlich durch den direkten Effekt der Identifikation erhöht. Trotz des Einflusses der Identifikation auf die Zufriedenheit sind indirekte Effekte zu vernachlässigen, da die Zufriedenheit kaum Auswirkungen auf die Brand-Community-Loyalität bzw. -Weiterempfehlung hat. Im Hinblick auf die Marke sind sowohl die direkten Effekte als auch die indirekten Effekte der Identifikation auf die Zielgrößen Loyalität und Weiterempfehlung relevant, da für diese die Zufriedenheit mit der Marke eine entscheidende Determinante darstellt.
963
Eine Ausnahme hierzu bildet die Untersuchung von Stokburger-Sauer (2010).
964
Die Autoren bezeichnen den zweiten Weg zur Kundenloyalität in der englischsprachigen Veröffentlichung als „complementary path“ (vgl. Homburg et al. (2009), S. 39 ff.).
965
Vgl. hierzu die entsprechende Hypothesenbildung in Abschnitt 3.4.6.
Implikationen für die Wissenschaft
175
Abbildung 21 zeigt die auf Basis der verallgemeinerten Ergebnisse modifizierte Service-Profit Chain.966 Die im Rahmen dieser Studie untersuchten Konstrukte sind dabei schwarz hinterlegt. 967 Der interne Teil der Service-Profit Chain, d. h. die Zufriedenheit, Motivation und Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen ist nicht berücksichtigt, da er nicht im Fokus dieser Arbeit steht.
Kundenloyalität
Kundenbindung
Kundenidentifikation
Variety Seeking
Erwartungen Wettbewerb
Dienstleistungsqualität
Kundenzufriedenheit
langfristiger ökonomischer Erfolg
Meinungsführer
Kommunikationsneigung
Weiterempfehlung
Kundenneugewinnung
Marke Community Unternehmen
Abbildung 21: Modifizierte Service-Profit Chain
Wie Abbildung 21 veranschaulicht, nimmt die Kundenidentifikation eine zentrale Rolle in der Service-Profit Chain ein. Der positive Einfluss des Konstrukts auf die Loyalität kommt dabei entweder direkt und/oder indirekt über die Erhöhung der Zufriedenheit zustande. Ähnlich positive Effekte und das gleiche Wirkungsmuster liegen auch für die intendierte Weiterempfehlung der Brand Community durch die Mitglieder bzw. die Weiterempfehlung der Marke vor. Die oben erläuterten, empirisch beobachteten Unterschiede zwischen der Brand Community und der Marke in Bezug auf die dominierenden Wege zur Kundenloyalität und zur Abgabe von Weiterempfehlungen sind für das Management von Brand Communities und Marken höchst relevant, da sie unterschiedliche Implikationen nach sich ziehen. Aus Management-
966
Zur Vollständigkeit sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass für die meisten der anderen Konstrukte bzw. moderierenden Variablen (grau hinterlegt) ebenfalls empirische Erkenntnisse über deren Beeinflussung durch Brand Communities existieren. So wurde gezeigt, dass Brand-Community-Mitglieder geringere Erwartungen an die Marke haben bzw. Fehler eher tolerieren. Zugleich weisen Brand-Community-Mitglieder eine hohe Kommunikationsneigung auf und kommunizieren sowohl untereinander als auch mit Konsumenten außerhalb der Community viel über die Marke im Fokus der Gemeinschaft. Dabei gelten sie oftmals als Meinungsführer im Hinblick auf die Marke. Weiterhin kann durch eine Brand Community die Abgrenzung gegenüber Konkurrenzmarken gestärkt werden, so dass eine Brand Community in gewisser Weise als eine Verringerung des Wettbewerbs gesehen werden kann. Vgl. grundlegend Abschnitt 2.2 und die dort angegebene Literatur.
967
Die Kundenloyalität wurde im Rahmen dieser Untersuchung wie in 3.2.1 als intendierte Verhaltensabsicht operationalisiert. Das entspricht in der abgebildeten Service-Profit Chain dem Konstrukt Kundenbindung. Das Konstrukt Kundenloyalität steht für eine einstellungsorientierte Kundenloyalität.
176
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
Sicht stellt sich daher die Frage, wann welches Muster vorliegt, d. h. wann von einer vorwiegend identifikationsgetriebenen Loyalität bzw. Weiterempfehlung auszugehen ist bzw. unter welchen Umständen die Rolle der Zufriedenheit mehr zum Tragen kommt. Eine mögliche Erklärung liefern Garbarino und Johnson, die herausfanden, dass die Zufriedenheit nur bei transaktionsorientierten Konsumenten als signifikante Determinante des zukünftigen Verhaltens angesehen werden kann, wohingegen die Verhaltensabsichten beziehungsorientierter Konsumenten durch Vertrauen und Commitment geprägt sind. 968 Je nachdem ob eine Geschäftsbeziehung eher transaktionsorientiert oder beziehungsorientiert einzustufen ist, ist die Kundenzufriedenheit eine bedeutende Einflussgröße der Wiederkommensabsicht oder eben das Vertrauen bzw. das Commitment eines Konsumenten ist entscheidend. Die Nähe der Identifikation zum Commitment-Konstrukt969 verdeutlicht, dass auch der Identifikation von Konsumenten äquivalent zu den Konstrukten Vertrauen und Commitment eine zentrale Rolle im Rahmen des Relationship-Marketing und als Erfolgsgröße der Markenführung zukommt. Als weiterer Erklärungsansatz für die Dominanz der identifikations- bzw. der zufriedenheitsbasierten Kundenbindung lässt sich aus der Literatur zur Kundenloyalität die Konsumerfahrung bzw. das Ausmaß der Konsumerlebnisse der Konsumenten identifizieren. Aufbauend auf der Studie von Garbarino und Johnson sowie den theoretischen Überlegungen von Oliver970 unterscheiden McAlexander, Schouten und Koenig bei der Untersuchung der Kundenloyalität zwischen „erfahrenen“ und „unerfahrenen“ Brand-Community-Mitgliedern. 971 Dabei stellen sie fest, dass die Loyalität bei der weniger erfahrenen Gruppe neben dem Ausmaß der Einbindung in die Brand Community durch die Zufriedenheit beeinflusst wird, wohingegen bei erfahrenen Brand-Community-Mitgliedern ihre Integration in die Community der einzige Einflussfaktor der Loyalität ist. Eine dritte Größe, die bei der Klärung der Frage, ob die Identifikation, die Zufriedenheit oder das Zusammenspiel beider Konstrukte die zentrale(n) Determinante(n) der Loyalität sind, behilflich sein könnte, ist das Involvement der Individuen. So zeigen ähnlich gelagerte Untersuchungen von Fußballfans, also einer Konsumentengruppe, bei der ein hohes Involvement vorliegt, ein ähnliches Loyalitätsmuster wie es im Fall der Brand Community vorliegt.972 Weitere empirische Unterstützung erhält die Bedeutung des Involvement-Konstrukts für die Wirkungszusammenhänge zwischen Identifikation, Zufriedenheit und Kundenloyalität durch
968
Vgl. Garbarino und Johnson (1999), S. 82.
969
Vgl. hierzu die Ausführungen zur Unterscheidung der Konstrukte Identifikation und Commitment in Abschnitt 3.3.2.2.
970
Vgl. Oliver (1999), S. 42.
971
Vgl. McAlexander et al. (2003), S. 6 f.
972
Vgl. Woratschek et al. (2010a).
Implikationen für die Wissenschaft
177
eine Studie von Suh und Yi.973 Die Autoren stellen in dieser fest, dass der direkte Effekt der Zufriedenheit auf die Markenloyalität im Fall eines niedrigen Involvements der Konsumenten höher ist, wohingegen ein hohes Involvement zu einer größeren Bedeutung der Einstellungen zu einer Marke führt. Diese Erkenntnis lässt sich analog auf die Identifikation mit der Marke (oder mit einem anderen Identifikationsobjekt) übertragen. Ökonomische Relevanz von Brand Communities und Differenzierung zwischen Kundenbindung und Weiterempfehlung Der Nachweis eines Beitrags der Community zur Markenloyalität, der indirekt durch den Einfluss der communitybezogenen Motivation auf die Markenidentifikation und damit auf die Markenloyalität beobachtet wurde, präzisiert bisherige Forschungsergebnisse, die allgemein eine höhere Markenloyalität bei Brand-Community-Mitgliedern im Vergleich zu Nichtmitgliedern festgestellt haben. Eine weitere Ergänzung der bestehenden Forschung zur ökonomischen Relevanz von Brand Communities konnte durch die getrennte Konzeptualisierung und Operationalisierung von Kundenloyalität und Weiterempfehlung erzielt werden: Einerseits konnten dadurch die Ergebnisse anderer Studien bestätigt werden, indem ein positiver Effekt der Absicht, die Brand Community weiterzuempfehlen, auf die Weiterempfehlung der Marke festgestellt wurde. Andererseits konnte entgegen vorheriger Studien974 durch das vorliegende Untersuchungsmodell kein Zusammenhang zwischen der Loyalität gegenüber der Brand Community und der Loyalität gegenüber der Marke nachgewiesen werden. Da aus theoretischer Sicht aufgrund der Vermeidung kognitiver Dissonanzen975 ein Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten zu erwarten war und keine plausible Erklärung des Ergebnisses existiert, muss in zukünftigen Forschungsarbeiten geklärt werden, ob die Allgemeingültigkeit des Einflusses der Community-Loyalität auf die Markenloyalität in Frage zu stellen ist oder welche anderen Gründe für eine Nichtexistenz des Zusammenhangs verantwortlich sein können. Ein Erklärungsansatz könnte darin liegen, dass die positiven Wirkungen der Brand Community bereits in die Identifikation mit der Marke einfließen und damit bereits auf einer früheren Stufe wirken. Dies ist im Untersuchungsmodell durch die communityspezifische Motivation als Determinante der Markenidentifikation abgebildet und empirisch belegt. 5.1.2
Einschränkungen und Ausblick
Das entwickelte Untersuchungsmodell ist im Vergleich zu vorangegangenen BrandCommunity-Studien wesentlich umfangreicher. Es werden sowohl Antezedenten als auch Konsequenzen der Mitgliedschaft in Brand Communities inkludiert und gleichzeitig die Zu-
973
Vgl. Suh und Yi (2006), S. 145 ff.
974
Vgl. z. B. Algesheimer et al. (2005), S. 947; Algesheimer et al. (2005), S. 27.
975
Vgl. die Ausführungen zur Hypothesenbildung in Abschnitt 3.4.8.
178
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
sammenhänge zwischen den Beziehungen des Konsumenten zur Brand Community, zur Marke und zum Unternehmen analysiert. Viele Kritikpunkte dieser Untersuchung sind daher auf deren Novitätsgrad und die Komplexität des Untersuchungsmodells zurückzuführen. Methodische Aspekte und Generalisierbarkeit Eine methodische Einschränkung der Arbeit liegt in der Erhebung aller Daten auf Basis einer Selbstauskunft der Befragten. Eine Messung der Kundenbindung bzw. der Weiterempfehlung durch Beobachtungsdaten könnte zu valideren Ergebnissen führen.976 Im Hinblick auf die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse muss zudem kritisch angemerkt werden, dass die empirische Untersuchung ausschließlich bei Mitgliedern einer Brand Community durchgeführt wurde. Obwohl diese bezüglich der Angebote und Aktivitäten der Mitglieder repräsentativ für andere Brand Communities ist, wäre es wünschenswert, die Studie in weiteren Produktgruppen und Branchen zu wiederholen, um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse im Brand-Community-Kontext zu überprüfen. Da die untersuchte Brand Community überwiegend durch Onlineaktivitäten geprägt ist, sollten zukünftige Studien darauf abzielen, das Untersuchungsmodell auch in Brand Communities zu validieren, die gleichermaßen oder sogar überwiegend offline977 interagieren. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwiefern die äußerst innovativen und bedeutenden Erkenntnisse zum Wirkungszusammenhang zwischen Konsumentenidentifikation, Zufriedenheit und Kundenloyalität auch außerhalb des Brand-Community-Kontexts zutreffen. Wie in der Studie gezeigt wurde, dominieren je nach Untersuchungsgegenstand unterschiedliche Wirkungsketten. So wird die Loyalität der Brand Community durch die Identifikation mit dieser erhöht, hingegen existiert kein Einfluss der Zufriedenheit auf die Loyalität. In Bezug auf die Marke ist jedoch die Zufriedenheit eine entscheidende Determinante der Loyalität. Zudem erhöht die Markenidentifikation die Loyalität sowohl direkt als auch indirekt über den positiven Einfluss auf die Zufriedenheit. Zukünftige Forschungsarbeiten zum Konsumentenverhalten sollten nun die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf Konsumenten außerhalb von Brand Communities prüfen und dabei auch untersuchen, inwiefern die im Rahmen der Ergebnisdiskussion angeführten Erklärungsansätze für die unterschiedliche Struktur der Wirkungszusammenhänge zutreffen.
976
Grundsätzlich besteht bei der Erhebung aller Daten durch die gleiche Quelle die Gefahr eines Common Method Bias. Dieser kann auch dadurch entstehen, dass Probanden nicht in der Lage sind, valide Einschätzungen zu einer Frage abzugeben. Im Rahmen der Datenprüfung wurde zwar durch den Harman’s SingleFactor-Test gezeigt, dass keine gravierende Common Method Variance vorliegt, dennoch ist in der Regel eine Datenerhebung aus mehreren Quellen wünschenswert. Vgl. hierzu die Erklärungen des Common Method Bias und die Ergebnisse der Datenprüfung in Abschnitt 4.4.3.1.
977
Vgl. Abschnitt 2.1.3.2.2.
Implikationen für die Wissenschaft
179
Neue Forschungsrichtungen Im Hinblick auf das vorliegende Untersuchungsmodell kann konstatiert werden, dass trotz der Berücksichtigung der wichtigsten Konstrukte aus Sicht der aktuellen Forschungserkenntnisse, weitere beeinflussende bzw. beeinflusste Faktoren in das Modell integriert werden können, um den Erklärungsgehalt einzelner Konstrukte zu erhöhen.978 Zudem ist anzumerken, dass in dieser Arbeit auf eine Modellierung einer direkten Beziehung zwischen den Identifikationskonstrukten unterschiedlicher Ziele aufgrund widersprüchlicher Ergebnisse in der existierenden Literatur und der unzureichenden Fundierung einer Wirkungsrichtung aus theoretischer Sicht verzichtet wurde.979 Eventuell gelingt es, diesen Zusammenhang in zukünftigen Studien – z. B. durch ein dynamisches Modell oder experimentelle Studien – genauer zu beleuchten. Ein weiterer Ansatzpunkt für die Wissenschaft liegt in der stärkeren Integration aktueller Forschungsschwerpunkte der Marketingtheorie. So zeigt die empirische Studie, dass Brand Communities eine vorteilhafte Möglichkeit zur Vertiefung der Interaktion zwischen Konsumenten und einer Marke und anderen Konsumenten darstellt und Mitglieder von Brand Communities selbst zum Wert der Community beitragen, so dass in offiziellen Brand Communities eine gemeinsame Leistungserstellung durch das Unternehmen und die Konsumenten stattfindet. Dieses Phänomen wird im Marketing vor allem unter dem Begriffen CoProduction980 bzw. Co-Creation 981 diskutiert. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre daher eine stärkere Verbindung dieser Forschungsfelder zur Brand-Community-Forschung wünschenswert. Darüber hinaus knüpfen Brand Communities an die Idee der Service-Dominant Logic982 an, da Marken als Konsequenz der gemeinsamen, wertschöpfenden Aktivitäten eines Unternehmens und seiner Stakeholder (insbesondere Kunden) gesehen werden können.983 Demzu-
978
Da die ökonomischen Zielgrößen Loyalität und Weiterempfehlung sehr gut durch das Modell erklärt werden, erscheint dies aber nur für vorgelagerte Konstrukte mit vergleichsweise kleinen R2-Werten sinnvoll (z. B. Zufriedenheit mit der Marke).
979
In der Literatur wurden verschiedene Modelle mit einer direkten Beziehung zwischen der Identifikation mit der Marke und der Identifikation mit der Community vorgeschlagen. Bagozzi und Dholakia sehen einen positiven Effekt der Markenidentifikation auf die Identifikation mit der Community (vgl. Bagozzi und Dholakia (2006b), S. 59), wohingegen Algesheimer, Dholakia und Herrmann eine umgekehrte Wirkungsrichtung berichten (vgl. Algesheimer et al. (2005), S. 26 ff.).
980
So sieht Ballantyne und Varey „…co-production of value occurring as a consequence of extending the range and depth of communicative interaction prior to sale as well as post-sale…” (Ballantyne und Varey (2006), S. 344). Zur Idee der Co-Production allgemein vgl. z. B. Bendapudi und Leone (2003); Jaworski und Kohli (2006); Prahalad und Ramaswamy (2000).
981
Vgl. z. B.Prahalad und Ramaswamy (2004a); Prahalad und Ramaswamy (2004b); Rowley et al. (2007)
982
Vgl. Vargo und Lusch (2004); Vargo und Lusch (2008).
983
Die Parallelen in der Entwicklung der Service-Dominant Logic und der Weiterentwicklung von Marken wird von Merz, He und Vargo veranschaulicht: Nach Ansicht der Autoren stellen sowohl Marken als auch alle Stakeholder eines Unternehmens „operant resources“ dar und der Markenwert wird über den Value-in-Use definiert (vgl. Merz et al. (2009)).
180
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
folge wäre auch hier eine Integration der Brand-Community-Literatur mit den marketingtheoretischen Überlegungen der Service-Dominant Logic eine mögliche Forschungsrichtung. Im Hinblick auf die Praxis ist eine Hauptaufgabe zukünftiger Forschungsaktivitäten in der Weiterführung der Integration einer sozialen und einer ökonomischen Perspektive zu sehen. Ein zentrales Ziel hierbei könnte in der Entwicklung geeigneter Kontroll- und Steuerungsmaßnahmen liegen, die der gegenwärtigen Markenlogik entsprechen. 5.2
Implikationen für die Praxis
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse der vorliegenden Untersuchung und der zuvor dargelegten theoretischen Ausführungen sollen im Folgenden Implikationen für das Management von Brand Communities entwickelt werden. Darüber hinaus werden auch Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung des Marketings auch außerhalb von Brand Communities aufgezeigt. Netzwerkorientierte Marketingperspektive Die empirische Untersuchung verdeutlicht, dass Brand Communities einen bedeutenden Beitrag zur Steigerung des Unternehmenserfolgs leisten können. Sie steigern die Identifikation mit der Marke und machen Konsumenten zu Fürsprechern der Marke, was zur Gewinnung neuer Kunden der Marke führen kann. Die Community stellt dabei einen psychosozialen Zusatznutzen für die Konsumenten dar, der über den funktionalen Nutzen des Produkts hinausgeht und zum zentralen Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens werden kann.984 Individuen befriedigen einen Teil ihrer Bedürfnisse mithilfe der Brand Community, identifizieren sich dadurch aber auch stärker mit der Marke und werden loyaler gegenüber dieser. Die Loyalität zur Marke resultiert demnach nicht ausschließlich aus einer positiv wahrgenommenen Beziehung zur Marke, sondern lässt sich durch die sozialen Interaktionen der Brand Community beeinflussen. Diese Erkenntnisse unterstützen Muniz und O’Guinns These, dass „developing a strong brand community could be a critical step in truly actualizing the concept of relationship marketing. A strong brand community can lead to a socially embedded ... loyalty, ... even hyper-loyalty.”985 Brand Communities erweitern demnach die klassische dyadische Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager, indem sie Interaktionen unter den Konsumenten einer Marke in das Konsumentenverhalten integrieren.986 Auch in dieser Arbeit wurde gezeigt, dass im Rahmen von Brand Communities die Konsumenten zwischen einer wahrgenommenen Beziehungsqualität zur Community, einer wahrgenommenen Beziehungsqualität zur Marke und einer Beziehung
984
Vgl. Herrmann et al. (2010), S. 481.
985
Vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427.
986
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.1.2.
Implikationen für die Praxis
181
zum Unternehmen unterscheiden und das individuelle Konsumentenverhalten letztlich von allen Bezugsobjekten beeinflusst wird. Sowohl die „Transaktionsorientierung“ der Verkäufermärkte und des Industriezeitalters als auch die „Beziehungsorientierung“ der Käufermärkte und des Informationszeitalters nehmen jedoch eine dyadische Perspektive der Anbieter-Nachfrager-Beziehung ein.987 Daher wird ein Umdenken im Marketing nötig, das der Relevanz der Nachfragerinteraktionen gerecht wird. Die Ergebnisse dieser Untersuchung motivieren daher eine Abkehr vom traditionellen dyadischen Marketing-Ansatz, bei dem der Fokus auf der Anbieter-Nachfrager-Beziehung liegt, hin zu einer netzwerkorientierten Marketingperspektive, die das Geflecht verschiedener Akteure bzw. Identifikationsobjekte berücksichtigt und nutzt. Algesheimer definiert ein derartiges netzwerkorientiertes Marketing als „die aufeinander abgestimmte Gesamtheit an Grundsätzen, strategischen Leitbildern und operativen Einzelmaßnahmen zur langfristigen, zielgerichteten Selektion, Anbahnung, Steuerung und Kontrolle von Interaktionsbeziehungen zu und zwischen Nachfragern.“988 Als Vorraussetzung hierfür nennt er die sorgfältige Analyse der Beziehungsstrukturen und Interaktionsmuster zwischen den Nachfragern, um die Bedürfnisse der Nachfrager sowie deren Markenwahrnehmung zu erkennen und zu steuern sowie das Unternehmen in den sozialen Netzwerken zu positionieren.989 Die Analyse des Phänomens Brand Community und die Berücksichtung der Beziehungen zwischen Konsumenten untereinander können dabei helfen, die geforderte und notwendige Weiterentwicklung des Relationship-Marketing weiter voranzutreiben.990 Differenzierung verschiedener Bezugsobjekte Die vorliegende Arbeit leistet einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung der Netzwerkorientierung in der Marketing-Praxis, indem sie die durchgehende Unterscheidung verschiedener Bezugs- bzw. Identifikationsobjekte einführt. Diese genauere Differenzierung ermöglicht es Forschern und Marketingverantwortlichen, bestehende signifikante Wirkungszusammenhänge zwischen Konstrukten unterschiedlicher Bezugsobjekte detailliert zu analysieren (vgl. Abschnitt 4.4.3.3.3 sowie die nachfolgenden Ausführungen) und gezielte Handlungsempfehlungen abzuleiten. Von zentraler Bedeutung bei der Unterscheidung verschiedener Bezugsobjekte und bei der Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen den unternehmerischen Zielgrößen ist das Identifikationskonstrukt. Wie die empirische Untersuchung zeigt, unterscheiden die Mitglie-
987
Vgl. hierzu grundlegend Becker (1988), S. 632 ff., sowie Sawhney und Kotler (2001), S. 386 ff.
988
Vgl. Algesheimer (2004), S. 394.
989
Vgl. Algesheimer (2004), S. 394 f.
990
So konstatieren Muniz und O’Guinn „developing a brand community could be a critical step in truly actualising the concept of RM“ (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427).
182
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
der einer Brand Community ihre Wahrnehmungen, Einstellungen und Absichten in Bezug auf die drei Identifikationsobjekte Brand Community, Marke und Unternehmen. Diese Identifikationsobjekte sollten auch durch das Brand-Community-Management bei der Analyse des Konsumentenverhaltens als Bezugsobjekte der Konsumenten unterschieden werden. Die Vorteile einer derartigen Differenzierung ist dann vor allem darin zu sehen, dass Wirkungszusammenhänge zwischen latenten Variablen verschiedener Bezugsobjekte analysiert und bei der Ableitung von Implikationen für das Marketing berücksichtigt werden können. Dies wird im Folgenden im Rahmen der Ableitung von Handlungsempfehlungen für das MarketingManagement auf Basis der vorliegenden Brand-Community-Studie genauer veranschaulicht. Motivationen zur Teilnahme an Brand Communities Wie bereits in der existierenden Literatur zu Brand Communities aufgezeigt, überwiegen bei Brand Communities in der Regel die positiven Effekte auf die Marke.991 Für den Markeninhaber bzw. den Betreiber der Brand Community stellt sich daher die Frage nach der Motivation der Konsumenten zur Teilnahme an einer Brand Community. Mit der vorliegenden empirischen Analyse konnte gezeigt werden, dass hierfür unterschiedlichste Beweggründe verantwortlich sind, die durch die drei übergeordneten Motivationsdimensionen Community, Marke und Mehrwert zusammengefasst werden können. Sofern es Unternehmen gelingt, diese Motive bzw. die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erfüllen, führt dies einerseits zu einer Neugewinnung von Mitgliedern der Brand Community und stärkt andererseits die Identifikation der Mitglieder mit der Brand Community bzw. der Marke. Die genauere Analyse der Motivations-Dimensionen zeigt, dass für viele Mitglieder die Motivation zur Partizipation in der Gemeinschaft mit anderen Konsumenten (Motivation Community) begründet ist. Zentrale Aufgabe des Marketing-Managements ist daher die Bereitstellung einer Plattform, die den Anhängern der Marke einen Informationsaustausch und vielfältige Interaktionen ermöglicht, d. h. für eine geeignete „Infrastruktur“ der Brand Community zu sorgen.992 Wie im vorliegenden Fall einer virtuellen Markengemeinschaft kann dies z. B. über ein Onlineforum, Messaging-Funktionen, den Austausch von Fotos und Videos und andere elektronische Kommunikationswege erfolgen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit durch Marken-Events, sog. Brandfests,993 auch den Offline-Kontakt zu unterstützen. Die hohe Relevanz der communityspezifischen Motivation zeigt weiterhin, dass der Wert einer Brand Community maßgeblich von deren Mitgliedern abhängt. Hieraus ergibt sich die Implikation, dass ein Unternehmen auf die Mitwirkung der Anhänger angewiesen ist und nicht alleine eine erfolgreiche Brand Community initiieren und betreiben kann, so dass die Bedürfnisse der
991
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.
992
Vgl. z. B. Albrecht (2006), S. 32.
993
„Brandfests are corporate-sponsored events provided primarily for the benefit of current customers. Their primary function is the celebration of brand ownership.” (McAlexander und Schouten (1998), S. 378).
Implikationen für die Praxis
183
potenziellen Nutzer zwingend berücksichtigt werden müssen. Durch die Verbesserung der Qualität der Community kann dann die Identifikation mit der Marke und damit auch die Markenloyalität weiter gesteigert werden.994 Die ebenfalls große Bedeutung von Beweggründen, die sich auf die Marke der Brand Community beziehen, zeigt die Notwendigkeit markenspezifischer Inhalte, um die Teilnahme an der Community zu erhöhen und eine hohe Identifikation mit bzw. Bindung an die Brand Community und die Marke zu erreichen. Demnach sollte die Onlineplattform dafür genutzt werden, die Beziehung zwischen Konsument und Marke zu stärken. Dies kann z. B. durch die persönliche Ansprache der Konsumenten, die Bereitstellung von Informationen über die Marke, Neuprodukteinführungen etc. erfolgen. Da die Eignung der Marke für den Erfolg einer Brand Community entscheidend ist, sollte das Markenmanagement zudem prüfen, inwiefern markenspezifische Kriterien für den Erfolg einer Brand Community vorliegen bzw. beeinflusst werden können. Als solche können das dauerhafte Interesse der Konsumenten an der Marke, die Wichtigkeit der Marke im Alltag und öffentlicher Konsum, ein hohes Identifikationspotenzial der Marke, eine emotionale Ansprache der Markenanhänger sowie ein hohes Potenzial für Interaktivität gesehen werden.995 Unternehmen, deren Marke nicht dauerhaft als Basis von Interaktionen von Konsumenten geeignet erscheint, sollten daher andere Wege zur Einbindung von Communities in das Markenmanagement wählen. Einen Ansatzpunkt stellt hier z. B. die Kooperation bzw. das Sponsoring erfolgreicher interessenbasierter Online Communities dar.996 Der Beitrag der Motivations-Dimension Mehrwert, die unterhaltende Angebote bzw. Zusatzleistungen beinhaltet, die weder community- noch markenspezifisch zu sehen sind, hat zwar entsprechend der Modellschätzung einen relativ geringen Einfluss auf die Identifikation mit der Brand Community. Dennoch erscheinen aus Sicht des Marketing-Managements gerade diese Beweggründe zur Teilnahme an der Gemeinschaft sehr interessant. Dies liegt zum einen an der im Vergleich zur Positionierung von Marken kurzfristigen Beeinflussbarkeit durch das Management. Zum anderen sind die Ausgestaltungsmöglichkeiten der Brand Community in diesem Bereich sehr vielfältig.997 Neben Spielen, Abstimmungen und anderen abwechslungs-
994
Vgl. auch von Loewenfeld (2006)), S. 276.
995
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 126.
996
Eine interessenbasierte Online Community, die durch ein Unternehmen zur Verfolgung von Marketingzielen betrieben oder unterstützt wird kann als „Branded Community“ bezeichnet werden (vgl. Popp und Woratschek (2009); Woratschek und Popp (2010)). Zum Sponsoring von Communities vgl. auch Dignum und Eden (2005); Lesser und Storck (2001).
997
Als Beispiel für die hohe Flexibilität und Reichweite zusätzlicher Unterhaltungsangebote lässt sich beispielsweise das Moorhuhn-Spiel anführen, das vom Unternehmen Johnnie Walker als Werbung für die eigene Marke kreiert worden war und von einer viralen Verbreitung profitiert hat. Gleichzeitig zeigt dieses Beispiel auch mögliche Probleme bzw. Einschränkungen markenunabhängiger Zusatzangebote, wie z. B. die geringe Wiedererkennung der Marke und nur geringe positive Rückwirkungen auf diese (vgl. z. B. Förster und Kreuz (2006), S. 38 ff.).
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Implikationen für Wissenschaft und Praxis
reichen und spannenden Elementen kann zudem auch der Einsatz von Musik als Überträger positiver Emotionen eingesetzt werden. 998 Auch wenn diese Inhalte - zumindest teilweise - unabhängig von der Marke ausgewählt werden können, sollte aus Sicht des Markenmanagements auf den Brand Fit999 geachtet werden, um negative Rückwirkungen zu vermeiden. Im Hinblick auf eine längerfristige, intensive Kundenbeziehung sollte das Markenmanagement auf die Befriedigung communityspezifischer und markenspezifischer Beweggründe für die Teilnahme an der Brand Community bauen, da vor allem diese dazu führen, dass sich die Mitglieder stärker mit der Brand Community bzw. der Marke identifizieren. Hieraus ergeben sich, wie im Folgenden gezeigt wird, weitreichende Handlungsempfehlungen für das Marketing. Konsumentenidentifikation als zentrale Determinante unternehmerischer Zielgrößen Die Identifikation mit der Brand Community bzw. der Marke stellt nach den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchung eine entscheidende Determinante der Zufriedenheit und des Loyalitäts- bzw. Weiterempfehlungsverhaltens dar und sollte daher als eine zentrale Zielgröße im Marketing herangezogen werden. Als tiefer verborgenes Konstrukt kann die Konsumentenidentifikation beim Aufbau starker Kundenbeziehungen helfen.1000 Aus Sicht der Unternehmen stellt die Identifikation der Konsumenten mit einer Community oder eine Marke gewissermaßen eine Art „Wechselbarriere“ 1001 dar, da sie die Abwanderungsabsichten der Konsumenten reduziert und deren Loyalität erhöht. Die starke emotionale Bindung an eine Brand Community bzw. eine Marke entsteht dabei durch die Integration der Communitybzw. Markenidentität in das eigene Selbstkonzept. Das Identifikationskonzept ist demnach als Ergänzung und Erweiterung traditioneller kundenorientierter Erfolgsgrößen wie beispielsweise der Kundenzufriedenheit zu sehen. Sie stellt eine Basis für langfristige ökonomische Erfolge dar, indem sie entweder direkt oder indirekt über die Steigerung der Kundenzufriedenheit die Kundenbindung und die Weiterempfehlung erhöht. Im Extremfall führt die emotionale Bindung an die Community bzw. die Marke sogar dazu, dass auch dann zu einem Verbleib in einer Community oder dem Wiederkauf einer Marke kommt, wenn die Mitglieder bzw. Konsumenten unzufrieden sind. Ähnlich positiv wirkt sich die Konsumentenidentifikation auf das in dieser Untersuchung integrierte Weiterempfehlungsverhalten (bzw. das in weiter gefasste in der Literatur diskutierte Customer Extra Role Behavior1002) aus, so dass möglichen Aktivi-
998
Vgl. Albrecht (2006), S. 32.
999
Unter dem Brand Fit wird die Kompatibilität der Einstellungen von Konsumenten bezüglich einer Marke und dem Image einer anderen Marke bzw. Aktivität gesehen (vgl. Lafferty (2007), S. 447 ff.; Simonin und Ruth (1998), S. 30 ff.).
1000
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 76 ff.
1001
Vgl. Bauer et al. (2002), S. 697.
1002
Zum Begriff und den Ausprägungsformen des Customer Extra Role Behavior vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.4.5.
Implikationen für die Praxis
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täten zur Steigerung der Konsumentenidentifikation in der Praxis eine hohe Relevanz zukommt. Eine gezielte Steigerung der Identifikation durch Marketingmaßnahmen setzt jedoch zunächst voraus, dass die Identifikation mit der Brand Community und die Identifikation mit der Marke auch in Kundenbefragungen durch das Unternehmen gemessen wird.1003 Um von den positiven Auswirkungen der Kundenidentifikation zu profitieren, sollten BrandCommunity-Betreiber und Markeninhaber die Identifikation mit der Brand Community bzw. der Marke aktiv fördern. Dazu sollte grundsätzlich die Salienz des Identifikationsobjektes, d. h. der Brand Community bzw. der Marke erhöht werden. Da eine stärkere Identifikation mit der Brand Community vor allem auf der Interaktion der Mitglieder und gemeinsamen Ritualen basiert,1004 empfiehlt sich als konkrete Handlungsempfehlung für Unternehmen primär die Bereitstellung einer Plattform, die den Konsumenten den gegenseitigen Austausch ermöglicht.1005 Im Fall einer virtuellen Markengemeinschaft kann dies z. B. durch eine gut strukturierte Online Brand Community mit den entsprechenden Kommunikationsmitteln (z. B. Foren, Chat, Blogs) erfolgen. Bei der Ausgestaltung der Virtual Brand Community lassen sich wertvolle Anregungen bei den erfolgreichen Business Communities (z. B. XING.com, LinkedIN.com) und den sozialen Netzwerken im Internet (z. B. facebook.com, myspace.com) finden und auf eine Brand Community übertragen. Beispielsweise können die Kategorisierung nach Themen, die Incentivierung von Tipps und Ratschlägen und der Einsatz von Moderatoren aus den Reihen der Community-Mitglieder dabei helfen, die Interaktion der Markenanhänger zu forcieren sowie den Aufwand und die Kosten gering zu halten. 1006 Für den Fall, dass die Markenfans relativ heterogen sind, bietet sich zudem die Aufteilung in Subcommunities an, um die Identifikation mit der Community zu erhöhen. Zur Identifikation mit einer Brand Community trägt zudem ein interaktives Element der Marke oder der Brand Community bei, das es Konsumenten ermöglicht, mit anderen Markennutzern zu interagieren und sich so aktiv in die Community und die mit der Marke verbundenen Prozesse einzubringen. 1007 Die Möglichkeit zur Einflussnahme des Individuums spielt
1003
Vgl. Homburg et al. (2009), S. 49.
1004
Um diese zu stimulieren werden neben Brand Communities in der Literatur grundsätzlich Events, Kundenclubs, Customer Support Groups und soziale Netzwerke diskutiert (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 418; McAlexander et al. (2002), S. 39; Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 943).
1005
Der Schwerpunkt der unternehmerischen Aktivitäten liegt dabei auf der Bereitstellung der Interaktionsplattform und nicht auf der aktiven Aufforderung zur Interaktion bzw. Steuerung der Interaktion zwischen den Konsumenten. Im Englischen wird daher meist von Enabling von Communities gesprochen (vgl. z. B. Cova und Pace (2006), S. 1098; Fournier und Lee (2009), S. 105 ff.; Nambisan und Baron (2007); 42 ff.).
1006
Vgl. Algesheimer et al. (2006), S. 952; von Loewenfeld (2006), S. 283.
1007
Vgl. von Loewenfeld (2006), S. 279.
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Implikationen für Wissenschaft und Praxis
McMillan und Chavis zufolge eine bedeutende Rolle, da diese die Community für attraktiver halten, falls sie die Gestaltung und die Handlungen der Community beeinflussen können.1008 Dies wirkt sich wiederum direkt auf das Engagement der Mitglieder und damit auch auf den Erfolg der Community aus. Die Steigerung der Markenidentifikation setzt vor allem eine starke Markenpersönlichkeit1009 voraus, die so gestaltet sein sollte, dass sie in das tatsächliche oder gewünschte Selbstbild der anvisierten Zielgruppe der Marke passt, so dass sich diese mit der Marke identifizieren kann. Darauf abgestimmt können Aktivitäten im Rahmen der Corporate Social Responsibility1010 und der Aufbau von Markenprestige stimulierend auf die Kundenidentifikation wirken.1011 Darüber hinaus empfiehlt sich die Herausstellung der Einzigartigkeit des Unternehmens sowie die Betonung der Vorteilhaftigkeit im Vergleich zu Konkurrenten und eine deutliche Abgrenzung zu diesen. Bhattacharya, Rao und Glynn sehen zudem eine hohe Kundenorientierung als Treiber der Identifikation.1012 Die Kommunikation der Markenpersönlichkeit sollte insbesondere über vom Unternehmen kontrollier- oder beeinflussbare Kommunikationsmittel erfolgen. 1013 Im Hinblick auf Konsumenten, die das Internet als Informations- bzw. Kommunikationsmedium nutzen, sollten Unternehmen ihre Marketingmaßnahmen auch über ihre Onlinepräsenz kommunizieren und das Auftreten der Marke zusätzlich durch Besonderheiten in der Gestaltung der Webseite unterstützen. Somit kann festgehalten werden, dass aufgrund der grundsätzlich positiven und zentralen Rolle der Kundenidentifikation sowohl für das Brand-Community-Management als auch für das Markenmanagement Maßnahmen hilfreich sind, die fördern, dass sich Kunden mit der Brand Community oder der Marke identifizieren. Eine Konkretisierung der Implikationen hinsichtlich der Bezugsobjekte Brand Community und Marke ermöglicht jedoch noch konkretere Handlungsempfehlungen. So zeigt die Analyse der Wirkungszusammenhänge zwischen Identifikation, Zufriedenheit, Loyalität und Weiterempfehlung für die Brand Community, dass der ökonomische Erfolg gemessen an den Zielgrößen Loyalität und Weiterempfehlung nahezu ausschließlich von der Identifikation abhängt. Demnach ist die Bindung der Brand Community und die Initiierung von Weiterempfehlungen durch das Verfolgen einer identifikationsbasierten Strategie möglich. Maßnahmen, die auf eine Zufriedenheit der Brand-
1008
Vgl. McMillan (1996), S. 315.
1009
Den Begriff „Markenpersönlichkeit“ definiert Aaker als Menge menschlicher Eigenschaften, die mit einer Marke assoziiert werden (vgl. Aaker (1997), S. 347). Meffert und Burmann sehen die „Markenidentität“ als das Resultat der Persönlichkeitsattribute, die durch die Marke verkörpert werden (vgl. Meffert (2002), S. 54 f.).
1010
Vgl. z. B. Bhattacharya et al. (2009).
1011
Vgl. Bhattacharya et al. (1995), S. 55.
1012
Vgl. Bhattacharya et al. (1995), S. 54.
1013
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 78; Reed et al. (2009), S. 142.
Implikationen für die Praxis
187
Community-Mitglieder mit der Community abzielen, sind - sofern die Community ein Mindestmaß an Qualität aufweist – zu vernachlässigen. Im Hinblick auf die Marke legen die Untersuchungsergebnisse andere Implikationen nahe, da hier die Loyalitäts- und die Weiterempfehlungsabsicht der Konsumenten in erster Linie durch deren Zufriedenheit mit der Marke begründet ist. Zudem sind die positiven Effekte der Identifikation auf beide Konstrukte vor allem in den indirekten Effekten der Identifikation über die Zufriedenheit mit der Marke begründet, wohingegen die direkten Effekte der Identifikation mit der Marke auf die Loyalität gegenüber und die Weiterempfehlung der Marke vergleichsweise gering sind. Für Markenunternehmen bedeutet dies, dass sie vor allem dann erfolgreich sind, sofern sie beide Strategien, d. h. sowohl eine identifikations- und als auch zufriedenheitsorientierte Strategie, verfolgen. Zudem sind bei einer derartigen „hybriden“ Strategie im Sinne des netzwerkorientierten Marketings auch die Wirkungszusammenhänge zu anderen Bezugsobjekten zu berücksichtigen. Hier offenbart sich auch das Potenzial, das eine Brand Community für die Marke, die im Mittelpunkt der Community steht, für die Kundenneugewinnung hat. Wirkungszusammenhänge zwischen den unternehmerischen Zielgrößen der Bezugsobjekte Community und Marke Wie die Ergebnisse der Modellschätzung zeigen, besteht ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen der Absicht der Brand-Community-Mitglieder die Brand Community weiterzuempfehlen und der Absicht die Marke weiterzuempfehlen. Gelingt es einer Marke über die Mitgliedschaft eines Konsumenten in der Brand Community ihn zur Weiterempfehlung der Brand Community zu veranlassen, äußert sich dieser grundsätzlich auch positiver und häufiger über die Marke. Der Aufbau und die Führung einer Brand Community stellt für das Markenmanagement demnach eine Möglichkeit zur Neukundengewinnung dar. Um das Potenzial zur Weiterempfehlung der Marke durch Mitglieder der Brand Community auszuschöpfen, können Unternehmen gezielt Maßnahmen ergreifen, diese zu initiieren. Bei einer Online Brand Community kann dies beispielsweise durch die Bereitstellung entsprechender technischer Möglichkeiten erfolgen (E-Mail an Nichtmitglieder, Einbindung in andere soziale Netzwerke, Kommentarfunktion etc.). Für überwiegend offline agierende Brand Communities bietet sich z. B. die Bereitstellung von Informationsmaterialien und Utensilien an, durch die die Mitgliedschaft nach außen kommuniziert werden kann. Problematisch ist jedoch der Einsatz materieller Anreize, um die Abgabe von Weiterempfehlungen zu fördern, da dies leicht einen Verlust der Glaubwürdigkeit des Empfehlungsgebers zur Folge haben kann.1014 Hingegen konnte entgegen der Ergebnisse vorangehender Brand-Community-Studien im Rahmen dieser Untersuchung kein Einfluss der Loyalität gegenüber der Brand Community
1014
Vgl. Hummrich (1976), S. 171.
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Implikationen für Wissenschaft und Praxis
auf die Loyalität zur Marke festgestellt werden. Zur Steigerung der Markenloyalität sollte daher in erster Linie die Markenidentifikation der Konsumenten gestärkt werden. Wie die Brand-Community-Forschung zeigt, bietet eine Brand Community neben dem im Rahmen dieser Untersuchung festgestellten positiven Effekt auf die Absicht zur Weiterempfehlung der Marke zahlreiche weitere positive Auswirkungen auf Unternehmensziele, denen sich die Marketingverantwortlichen bewusst sein sollten.1015 Dabei ist die große Bedeutung von Brand Communities keineswegs nur auf namhafte, umsatzstarke Marken begrenzt. Vielmehr besteht gerade für kleine und mittelständische Unternehmen die Möglichkeit, über innovative Produkte und Dienstleistungen eine aktive Interaktion der Konsumenten zu erreichen. Dies ermöglicht letztlich durch die Hebelwirkung der Weiterempfehlungen durch Konsumenten vergleichsweise geringe Ausgaben für die Kundenneugewinnung und den Markenaufbau. Übertragbarkeit auf Nicht-Brand-Community-Mitglieder Bei der Frage, welche zentralen Ergebnisse der vorliegenden Brand-Community-Studie sich auch außerhalb des Brand-Community-Kontexts einsetzen lassen, erscheinen insbesondere die Unterscheidung zwischen mehreren Bezugsobjekten, die für die Konsumentscheidung eines Individuums relevant sind, und der Einfluss der Identifikation auf das Konsumentenverhalten relevant. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Identifikations- bzw. Bezugsobjekten ist zwar insbesondere in Brand Communities relevant, grundsätzlich ist ein derartiges Beziehungsgeflecht aber auch in anderen Kontexten denkbar. Dies liegt einerseits daran, dass Konsumenten mit anderen Konsumenten interagieren und ihre Einstellungen und ihr Kaufverhalten dadurch beeinflusst werden. Andererseits treten Konsumenten in der Regel auch mit mehreren Erscheinungsformen eines Unternehmens in Kontakt, z. B. mit dem Unternehmen selbst und mit einer oder mehreren Marken dieses Unternehmens. Auch kooperierende Unternehmen oder gar Wettbewerber sind als relevante Identifikations- bzw. Bezugsobjekte denkbar. Welche Bezugsobjekte daher sinnvollerweise bei der Analyse des Konsumentenverhaltens zu unterscheiden sind, hängt vom Einzelfall ab. Aus Unternehmenssicht sollten folglich mögliche Bezugsobjekte identifiziert und auf deren Relevanz geprüft werden. Gelingt es einem Unternehmen, die relevanten Beziehungen bei der Analyse des Konsumentenverhaltens zu berücksichtigen, ist auch eine gezieltere Ableitung konkreter Marketing-Maßnahmen möglich. Auch für die Bedeutung der Identifikation für das Konsumentenverhalten ist anzunehmen, dass sich die zentralen Erkenntnisse der durchgeführten Untersuchung zu den positiven Auswirkungen der Identifikation auf Loyalität, Weiterempfehlung und Zufriedenheit auch auf Untersuchungsgegenstände außerhalb von Brand Communities übertragen lassen, da Marken
1015
Vgl. die Ausführungen zur ökonomischen Relevanz von Brand Communities in Abschnitt 2.2.
Implikationen für die Praxis
189
grundsätzlich als Identifikationsobjekte geeignet sind. 1016 Dementsprechend müssen bestehende Management-Ansätze um die Konsumentenidentifikation erweitert werden. Als Beispiel hierfür lässt sich die im Rahmen der Diskussion der Implikationen für die Wissenschaft in Kapitel 5.1.1 in Abbildung 21 grafisch veranschaulichte modifizierte Service-Profit Chain anführen, bei der der ursprünglichen Service-Profit Chain die Konsumentenidentifikation als zentrales, zusätzliches Konstrukt hinzugefügt wurde. Der Aufbau von Kundenidentifikation ist jedoch eine langfristige, meist mit großem Aufwand verbundene Investition,1017 so dass ein Unternehmen prüfen sollte, inwieweit die Charakteristika des Unternehmens bzw. der Marke für eine derartige Strategie sprechen und ob diese sinnvoll ist.1018 Zwar zeigen die Ergebnisse dieser Untersuchung und anderer vorausgegangener Forschungsarbeiten,1019 dass die Identifikation sehr positive Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg haben kann, dennoch sind auch Situationen denkbar, in denen eine starke Identifikation nicht zwingend vorteilhaft ist.1020 Hierfür lassen sich insbesondere drei Argumente anführen: Erstens sind Maßnahmen zur Steigerung der Kundenidentifikation mit erheblichem Aufwand verbunden und führen erst mittel- oder langfristig zu höheren Gewinnen, so dass entsprechende finanzielle Ressourcen vorhanden sein müssen. Zweitens kann eine Markenstrategie, die auf eine tiefergehende, identifikationsbasierte Kundenbindung ausgerichtet ist, auf bestimmte Zielgruppen abschreckend wirken. Insbesondere bei einer sehr heterogenen Kundschaft können Werbebotschaften oder andere Marketingmaßnahmen eventuell nicht zielgruppengerecht angepasst werden, so dass sich Teile der Kunden nicht angesprochen oder gar ausgegrenzt fühlen.1021 Drittens ist die starke Einbindung von Konsumenten in die Markenpersönlichkeit mit einer gewissen Aufgabe der Handlungsautonomie verbunden.1022 Empirische Beispiele und die Ausführungen in der vorliegenden Arbeit zeigen, dass Konsumenten, die sich stark identifizieren, oft - individuell oder in Brand Communities organisiert - Einfluss
1016
Vgl. z. B. Levy (1959), S. 124.
1017
Vgl. Kim et al. (2001), S. 204.
1018
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 86; Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 943.
1019
Vgl. z. B. Homburg et al. (2009), S. 48; Stokburger-Sauer et al. (2008), S. 347 ff.
1020
Wie Elsbach und Bhattacharya zeigen, definieren sich Individuen auch über die Distanzierung von einer Marke oder einer Organisation. Eine stark ausgeprägte und kommunizierte Unternehmensidentität kann somit auch zu einer Disidentification führen und potenzielle Kunden von der Inanspruchnahme der Leistung eines Unternehmens abhalten (vgl. Elsbach und Bhattacharya (2001), S. 407).
1021
Vgl. Elsbach und Bhattacharya (2001), S. 394.
1022
Vgl. z. B. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427, sowie die grundlegenden Ausführungen zu Brand Communities in Abschnitt 2.2.
190
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
auf das Identifikationsobjekt nehmen wollen.1023 Sind diese grundsätzlichen Fragestellungen geklärt, sollte darüber hinaus die Eignung der Marke für eine identifikationsbasierte Strategie geprüft werden. Hier gelten generell die gleichen Kriterien wie für die Eignung einer Marke zum Aufbau einer Brand Community, d. h. beispielsweise die Wichtigkeit der Marke im Alltag, öffentlicher Konsum und eine interaktive Komponente des Produkts.1024 Zudem kann die Einbindung der Konsumenten in den Leistungserstellungsprozess positiv zu deren Identifikation beitragen, so dass insbesondere Dienstleistungsmarken ein hohes Identifikationspotenzial aufweisen.1025
1023
Als Praxisbeispiele lassen sich z. B. Fans der Automarke Saab anführen, die eine Produktänderung verhindert haben (vgl. Muniz und O'Guinn (2001), S. 427) sowie Fans des Apple Newton (vgl. Schau und Muñiz (2006), S. 19 ff. bzw. Muniz und Schau (2005), S. 37 ff.), die nicht mit der Entscheidung der Einstellung der Produktion des Gerätes durch den Hersteller einverstanden sind. Zahlreiche andere Beispiele finden sich im Fußball, wo stark identifizierte Fans häufig Einfluss auf Einstellungen, Entlassungen und die Geschäftspolitik eines Vereins nehmen wollen. Prominentes Beispiel aus diesem Bereich ist der Manchester United F.C., von dem sich ein Teil der Fans aus Protest gegen die Kommerzialisierung des Vereins abgespaltet und einen eigenen Fußballverein, den F.C. United of Manchester, gegründet hat (vgl. Brown (2007), S. 614 ff.).
1024
Vgl. auch die vorangegangenen Ausführungen in diesem Abschnitt.
1025
Vgl. Bhattacharya und Sen (2003), S. 82 ff.
6 Fazit Die vorliegende Arbeit befasste sich mit dem Konsumentenverhalten in Brand Communities. Das Ziel der Arbeit war die Entwicklung eines umfassenden Forschungsmodells, das inhaltlich zentrale ökonomische Erfolgsindikatoren der Kundenbindung und der Kundenneugewinnung sowie die wichtigsten psychologischen Variablen, welche diese beeinflussen, einschließt. Hierfür wurden zunächst die grundlegenden Merkmale von Brand Communities erläutert, eine Typologisierung von Brand Communities vorgestellt und eine Abgrenzung zu ähnlichen Phänomenen vorgenommen. Anschließend wurde die ökonomische Relevanz von Brand Communities aufgezeigt. Dabei konnte als Basis der Bedeutung von Brand Communities für die Praxis der enorme Einfluss des Markenmanagements auf den Unternehmenserfolg und der gegenwärtige Wandel des Markenverständnisses identifiziert werden. Zudem wurde die Rolle des Internets als Katalysator von Brand Communities diskutiert. Schließlich konnten die konkreten Auswirkungen von Brand Communities auf das Markenmanagement und den Unternehmenserfolg vorgestellt werden. Daran anschließend wurde der Stand der Forschung zu Brand Communities dargelegt. Dabei wurden 55 Studien identifziert, die der BrandCommunity-Forschung zugeordnet werden können. Diese wurden in einer Gegenüberstellung skizziert und die wichtigsten Forschungsstränge aufgezeigt. Auf Basis dieser Aufarbeitung der Literatur erfolgte die Identifikation von Forschungslücken. Hier ist insbesondere das Fehlen einer konsequenten Berücksichtigung der verschiedenen Beziehungsobjekte eines Brand-Community-Mitglieds zu sehen. Zudem ist die Konsumentenidentifikation als zentrales Konstrukt der Beziehungen in einer Brand Community in der existierenden Literatur noch unzureichend untersucht, da noch keine klare Unterscheidung und gleichzeitige Analyse der Identifikation mit verschiedenen Identifikationsobjekten erfolgt ist. Darüber hinaus liegen noch keine fundierten Erkenntnisse zum Vergleich der Kundenloyalität durch die Identifikation mit der zufriedenheitsorientierten Kundenloyalität vor. In Kapitel 3 wurden daher die Besonderheiten der Konzeptualisierung von Konstrukten im Brand-Community-Kontext aufgezeigt und erläutert, dass drei verschiedene Bezugsobjekte zur Erfassung der Beziehungen eines Brand-Community-Mitglieds differenziert werden müssen, nämlich das Bezugsobjekt Brand Community, das Bezugsobjekt Marke und das Bezugsobjekt Unternehmen. Anschließend wurden die relevanten Konstrukte für ein umfassendes Forschungsmodell, das Antezedenten und Konsequenzen von Brand Communities berücksichtigt und zur Klärung der Forschungsfragen beiträgt, identifiziert und konzeptualisiert. Zentrale unternehmerische Zielgrößen stellen demnach das Loyalitäts- und das Weiterempfehlungsverhalten der Brand-Community-Mitglieder dar, da ersteres ein wesentlicher Indikator der Kundenbindung und zweiteres ein wesentlicher Indikator der Neukundengewinnung ist. Als Determinanten dieser Indikatoren des ökonomischen Erfolgs wurden aus theoretischen Überlegungen und empirischen Erkenntnissen heraus die psychologischen Variablen Zufriedenheit und Identifikation gewählt, wobei letztere durch die Motivation zur Teilnahme an
B. Popp, Markenerfolg durch Brand Communities, DOI 10.1007/978-3-8349-6712-1_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Fazit
einer Brand Community getrieben wird. Abschließend wurden Hypothesen für die relevanten Konstrukte hergeleitet und das Forschungsmodell vorgestellt. Dessen empirische Untersuchung stand im Mittelpunkt von Kapitel 4. Nach der Vorstellung der Konzeption der Studie wurde eine grundlegende Einführung in die Strukturgleichungsmodellierung dargelegt, in welcher der LISREL-Ansatz als geeignetes Schätzverfahren identifiziert und ein Schema zur Prüfung des Mess- und Strukturmodells erarbeitet wurde. Die empirische Untersuchung bestand dann aus einer Vorstudie und einer Hauptstudie. Im Rahmen der Vorstudie wurde auf Basis der vorhandenen Literatur und Interviews mit Brand-Community-Mitgliedern und Experten ein Fragebogen mit 23 Motivations-Statements entwickelt. Durch eine empirische Erhebung unter den Mitgliedern einer typischen Brand Community und die anschließende Analyse der Daten durch eine explorative Faktorenanalyse konnten drei Dimensionen von Motivationen ermittelt werden: Erstens Motivationen, die sich auf die Community bzw. Gemeinschaft beziehen und durch diese befriedigt werden (Motivation Community). Zweitens markenbezogene Motivationen, die auf die Marke, die im Fokus der Brand Community steht, gerichtet sind. Und drittens community- und markenunabhängige Motivationen (Motivation Mehrwert), die einen Mehrwert der Brand Community darstellen, aber nicht untrennbar mit dieser verbunden sind. Diese drei Motivations-Dimensionen wurden anschließend zur Konkretisierung des auf Grundlage der theoretischen Ausführungen entwickelten Untersuchungsmodells eingesetzt. Im Rahmen der Hauptstudie wurde das Forschungsmodell durch ein kovarianzbasiertes Strukturgleichungsmodell empirisch geschätzt. Als zentrale Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich festhalten: x Brand-Community-Mitglieder unterscheiden bei ihrer Identifikation zwischen den Identifikationsobjekten Community, Marke und Unternehmen. Darüber hinaus differenzieren sie auch andere zentrale Konstrukte der Konsumentenforschung hinsichtlich dieser Identifikationsobjekte, so dass im Brand-Community-Kontext zwischen verschiedenen Bezugsobjekten eines Konsumenten unterschieden werden muss. In der vorliegenden Arbeit wurde dies bestätigt, indem die Konstrukte Identifikation, Zufriedenheit, Loyalität und Weiterempfehlung von den Konsumenten jeweils im Hinblick auf ein konkretes Bezugsobjekt (Community, Marke bzw. Unternehmen) beurteilt wurden und durch die statistische Auswertung die Diskriminanz der Konstrukte gezeigt werden konnte. x Die Motivationen zur Teilnahme wirken vorwiegend auf nachgelagerte Konstrukte des gleichen Bezugsobjekts, weisen aber auch positive Effekte auf andere Bezugsobjekte auf. Beispielsweise erhöhen die communityspezifischen Motivationen insbesondere die Identifikation mit der Community, aber auch die Identifikation mit der Marke und dem Unternehmen. Äquivalent steigert die Erfüllung von Motivationen, die mit der Marke verbunden sind, die im Mittelpunkt der Brand Community steht, vor allem die Identifikation der Konsumenten mit der Marke und dem Unternehmen sowie in geringerem Ausmaß auch die
Fazit
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Identifikation mit der Community. Darüber hinaus kommen durch diese Wirkungszusammenhänge auch bedeutende positive indirekte Effekte auf die Loyalität und die Weiterempfehlung zustande. Grundsätzlich zeigt die Analyse der Motivation zur Teilnahme an der Brand Community, dass die Marke und die soziale Interaktion der Mitglieder zentrale Größen des Erfolgs von Brand Communities sind, wohingegen die Auswirkungen von zusätzlichen Angeboten vergleichsweise gering sind, da sie lediglich zu einer schwachen Erhöhung der Identifikation mit der Community führen. x Die Identifikation der Mitglieder mit der Community ist der entscheidende Treiber für die Loyalität der Mitglieder gegenüber der Brand Community. Zudem trägt die Identifikation mit der Marke zur Loyalität gegenüber der Community bei. Ein Einfluss der Zufriedenheit mit der Community auf die Loyalität gegenüber dieser liegt jedoch entgegen der postulierten Hypothese nicht vor. Im Hinblick auf die Markenloyalität wurde ein anderes Wirkungsmuster beobachtet: Die Markenloyalität ist stark von der Zufriedenheit mit der Marke abhängig. Die Identifikation mit der Marke hat zwar über die Steigerung der Markenzufriedenheit einen erheblichen indirekten Effekt auf die Markenloyalität, führt aber nur in geringem Maß durch einen direkten Effekt zu einer Steigerung der Loyalität gegenüber der Marke. x Ähnlich verhält es sich bei der Weiterempfehlungsabsicht der Konsumenten: Auch hier ist die Identifikation mit der Community der dominierende Faktor für die Absicht, die Community weiterzuempfehlen. Für das Bezugsobjekt Marke kommt der wesentliche Einfluss auf die Weiterempfehlung durch die Zufriedenheit zustande. Die Identifikation mit der Marke trägt direkt und vor allem indirekt über die Erhöhung der Zufriedenheit zu einer vermehrten Weiterempfehlung der Marke bei. x Darüber hinaus konnte hinsichtlich des intendierten Weiterempfehlungsverhaltens ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen dem Bezugsobjekt Brand Community und dem Bezugsobjekt Marke beobachtet werden. Demnach führt eine höhere Weiterempfehlung der Brand Community gleichzeitig auch zu einer höheren Weiterempfehlung der Marke, so dass hier ein interessanter Ansatzpunkt für die Ableitung von Management-Implikationen gegeben ist. Aus diesen Ergebnissen lassen sich sowohl Implikationen für die Marketingforschung als auch für die -praxis ableiten. Aus wissenschaftlicher Sicht konnten durch das innovative Untersuchungsmodell neue Erkenntnisse zu den Motivationen von Brand-CommunityTeilnehmern gewonnen werden. Die weiteren Beiträge zur bestehenden Forschung sind eng an die umfassende Integration des Identifikationskonzepts gekoppelt. Hier konnten die Erkenntnisse zur Konzeptualisierung und Operationalisierung der Identifikation vertieft und dessen Eignung für die Konsumentenforschung aufgezeigt werden. Auch die geforderte Unterscheidung verschiedener Bezugsobjekte der Brand-Community-Mitglieder konnte durch die Bestätigung der Bezugsobjekte Community, Marke und Unternehmen veranschaulicht
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Fazit
werden. Darüber hinaus sind die zentralen wissenschaftlichen Fortschritte in der Schätzung der Pfadkoeffizienten des umfassenden Strukturmodells zu sehen, durch das es möglich war, die Zusammenhänge der Konstrukte Identifikation, Zufriedenheit und Loyalität bzw. Weiterempfehlung zu klären. Auf dieser Basis konnte eine modifizierte Service-Profit Chain vorgestellt werden, in der die traditionelle Service-Profit Chain um das Identifikationskonstrukt erweitert und verschiedene Bezugsobjekte hinzugefügt wurden. In dieser Modifikation wird gezeigt, dass die Identifikation zum einen direkt zu Loyalität bzw. Weiterempfehlung führen kann, zum anderen aber auch die Zufriedenheit eines Konsumenten positiv beeinflusst und dadurch indirekt auf die ökonomischen Erfolgsindikatoren Loyalität und Weiterempfehlung wirkt. Die empirische Untersuchung legt zudem offen, dass die Wirkungszusammenhänge in dieser modifizierten Service-Profit Chain je nach Bezugsobjekt variieren. So werden die ökonomischen Erfolgsindikatoren der Brand Community direkt durch die Identifikation mit der Brand Community getrieben, während für die Marke die Zufriedenheit die wesentliche Determinante der Erfolgsgrößen darstellt und die große Relevanz der Markenidentifikation für die Loyalität bzw. die Weiterempfehlung vor allem indirekt durch deren Einfluss auf die Zufriedenheit zustande kommt. Trotz dieser umfangreichen Erkenntnisbeiträge zu relevanten Fragestellungen im Marketing lässt die Arbeit noch einigen Forschungsbedarf offen und kann als Ausgangspunkt weiterer Forschungen in diesem Bereich dienen. Da die vorliegende Untersuchung auf der Befragung einer einzelnen Brand Community basiert, sollten die Ergebnisse durch zukünftige Forschungsarbeiten abgesichert werden. Darüber hinaus erscheinen Studien sinnvoll, die die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf Bereiche außerhalb von Brand Communities prüfen. Grundsätzlich wäre zudem die stärkere Integration aktueller Forschungsschwerpunkte der Marketingtheorie, wie z. B. der Forschung zur Co-Creation bzw. zur Service-Dominant Logic wünschenswert. Auch für die Marketingverantwortlichen konnten im Rahmen dieser Arbeit wichtige Implikationen abgeleitet werden. Die Untersuchung verbindet zentrale Grundlagen unternehmerischen Erfolgs, indem sowohl die zufriedenheitsbasierte Kundenbindung und der Einfluss von Marken als auch aktuelle Entwicklungen wie die Beteiligung der Konsumenten an der Wertschöpfung berücksichtigt werden. Wie durch die große Bedeutung der sozialen Interaktion in der Community gezeigt werden konnte, setzt das Markenmanagement im Zeitalter von Brand Communities und des Web 2.0 eine netzwerkorientierte Marketingperspektive und damit die Abkehr von einer dyadischen Beziehung zwischen Anbieter und Nachfrager voraus. Ein besseres Verständnis des Konsumentenverhaltens kann dabei die Unterscheidung verschiedener Bezugsobjekte liefern. Durch die differenzierte Betrachtung können dann auch Interaktionseffekte zwischen verschiedenen Bezugsobjekten bei der Analyse von Tatbeständen und der Ableitung von Handlungsempfehlungen aufgedeckt bzw. berücksichtigt werden. Für das Brand-Community-Management konnte die große Bedeutung community- bzw. markenbezogener Motivationen für den Erfolg der Brand Community aufgezeigt werden. Zugleich demonstrieren die Ergebnisse, dass es möglich ist, einen Mehrwert der Community über Inhalte,
Fazit
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die nicht direkt an die Brand Community gebunden sind, zu generieren. Aufgrund der herausragenden Stellung der Identifikation mit der Brand Community für die Loyalität gegenüber dieser sollten Brand-Community-Betreiber ihr Handeln darauf ausrichten, diese zu erhöhen. Die Steigerung der Identifikation ist ebenso für das Bezugsobjekt Marke als Ziel des Marketings zu sehen, allerdings muss hier auch eine hohe Zufriedenheit der Markennutzer angestrebt werden, um die Bindung an die Marke bzw. deren Weiterempfehlung zu erhöhen. Grundsätzlich scheinen die wesentlichen Erkenntnisse dieser Arbeit auch auf Bereiche außerhalb des Brand-Community-Kontexts übertragbar. So ist die Unterscheidung verschiedener Bezugsobjekte allgemein bei der Analyse der Beziehungen eines Konsumenten zu einer Marke (oder einem anderen Untersuchungsgegenstand) denkbar und sinnvoll. Darüber hinaus stellt die vorgestellte Modifikation der Service-Profit Chain, d. h. die Integration der Konsumentenidentifikation in diese Kausalkette, eine wichtige Erweiterung zur Modellierung der erfolgsrelevanten Wirkungszusammenhänge dar. So ist die modifizierte Service-Profit Chain in der Lage, mit der Zufriedenheit und der Identifikation zwei zentrale psychologische Variablen zur Beeinflussung der ökonomischen Erfolgsindikatoren Loyalität und Weiterempfehlung zu berücksichtigen. Die Praxisrelevanz dieses universellen Management-Instruments konnte daher weiter gesteigert werden. Auch die potenziellen Wirkungsmuster der Konstrukte Identifikation, Zufriedenheit und Loyalität bzw. Weiterempfehlung, wie sie in dieser modifizierten Service-Profit Chain abgebildet sind, können als generalisierbar betrachtet werden. Grundsätzlich sind die Zufriedenheit und die Identifikation demnach als sich ergänzende Vorläufer der Loyalität bzw. Weiterempfehlung zu sehen, wobei die Konsumentenidentifikation zugleich Determinante der Zufriedenheit ist. Allerdings variiert die Stärke der beschriebenen Wirkungszusammenhänge je nach Kontext, wobei in zukünftiger Forschung zu klären ist, unter welchen Umständen identifikations- und/oder zufriedenheitsbasierte Kundenbindungsmaßnahmen dominieren. Bei der Klärung dieser Frage müssen, wie in der vorliegenden Arbeit offengelegt wurde, die sozialen Interaktionen der Konsumenten berücksichtigt werden. Diese sind zum einen aufgrund der Neukundengewinnung durch Weiterempfehlungen von großer Bedeutung für den ökonomischen Erfolg eines Unternehmens. Zum anderen konnte in der durchgeführten empirischen Untersuchung gezeigt werden, dass Konsumenten durch die Befriedigung sozialer Bedürfnisse, d. h. die Beweggründe zur Teilnahme an einer Brand Community die durch andere Markenfans erfüllt werden, auch loyaler gegenüber der Marke werden. Daher kann abschließend auf Basis der vorliegenden Untersuchung bekräftigt werden, dass ein Marketing-Ansatz, der neben der Absatzleistung sowohl die sozialen Beziehungen der Konsumenten zu anderen Konsumenten als auch die Identifikation von Konsumenten berücksichtigt letztlich zur „ultimativen Loyalität“1026 führen kann.
1026
Nach Oliver „ultimate loyalty emerges as a combination of perceived product superiority, personal fortitude, social bonding, and their synergistic effects“ (Oliver (1999), S. 33).
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