Gregor J. Führich Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung
GABLER EDITION WISSEN...
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Gregor J. Führich Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Gregor J. Führich
Der Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf die deutsche Unternehmensbesteuerung Eine steuerplanerische und steuersystematische Analyse
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Mannheim, 2008
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske / Nicole Schweitzer Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1734-8
Meinen Eltern
VII
Vorwort Die Relevanz des Gemeinschaftsrechts für die Unternehmensbesteuerung ist inzwischen unumstritten. Die damit verbundenen Folgen für die unternehmerische Steuerplanung stehen im Fokus dieser Arbeit, die im Dezember 2008 von der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim als Dissertation angenommen wurde. Die Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität Mannheim. Meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Ulrich Schreiber, der diese Arbeit angeregt und betreut hat, danke ich ganz herzlich für die Möglichkeit, an seinem Lehrstuhl promovieren zu dürfen. Darüber hinaus war insbesondere die von ihm initiierte, gemeinsam betreute englischsprachige Vorlesung „European Business Taxation“ eine Bereicherung der Arbeit am Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Christoph Spengel danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine stets unkomplizierte Art. Besonders erwähnen unter meinen Kollegen möchte ich Herrn Dr. StB/„WP in spe“ Stephan Scholz für eine unvergesslich humorvolle Zusammenarbeit à la Hakelmacher im Fach „Handelsund Steuerbilanzen“. Mit Frau Martina Corsten musste ich diese Diplomveranstaltung dann abwickeln; Spaß hatten wir dennoch gemeinsam, sei es bei der großen Abschlusskorrektur oder bei der Weihnachtsfeier 2006. Meinen Kollegen vom Lehrstuhl danke ich insgesamt für eine angenehme Arbeitsatmosphäre und gute Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang danke ich meinen beiden Kollegen Beate und Martin dafür, dass sie einen Teil der Dissertation zur Korrektur lasen. Dieser Dank gilt auch meinen Freunden Angelika, Ariana und Tilmann sowie meiner geliebten Freundin Michaela. Michaela und meinem besten Freund Claus verdanke ich letztlich die seelische Unterstützung während meiner Promotionszeit, die eine willkommene Ablenkung von der idiosynkratischen Welt der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre bot. Meinen Eltern ist diese Arbeit gewidmet. Sie förderten und ermöglichten mir eine Ausbildung, die meiner Mutter als Heimatflüchtling aus der Batschka und meinem Vater als sudetendeutschem Heimatvertriebenen und „Republikflüchtling“ so nicht vergönnt war. Vergelts Euch Gott!
Gregor J. Führich
IX
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis ......................................................................................................................... IX Abbildungs- und Tabellenverzeichnis .........................................................................................XV Symbolverzeichnis.................................................................................................................... XVII Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................................................XIX 1.
2.
Einleitung ................................................................................................................................1 1.1.
Problemstellung ...............................................................................................................1
1.2.
Gang der Untersuchung ...................................................................................................4
Vorgaben für eine grenzüberschreitende Unternehmensbesteuerung .....................................5 2.1.
Standortneutralität im grenzüberschreitenden Kontext ...................................................5
2.1.1.
Kapitalimportneutralität...........................................................................................5
2.1.2.
Kapitalexportneutralität ...........................................................................................6
2.2.
Die Grundfreiheiten des Vertrages zur Gründung der europäischen Gemeinschaft .....10
2.2.1.
Zielsetzung des Binnenmarktes .............................................................................11
2.2.2.
Reichweite der Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern.........................12
2.2.3.
Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten .......................................15
2.2.3.1.
Schutzbereiche der Grundfreiheiten ..............................................................17
2.2.3.1.1. Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) .................................................18 2.2.3.1.2. Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) ................................................20 2.2.3.1.3. 2.2.3.2.
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit ..23
2.2.3.3.
Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit.....................................................................29
2.2.4. 2.3.
3.
Abgrenzung der Niederlassungsfreiheit von der Kapitalverkehrsfreiheit ..21
Zwischenergebnis ..................................................................................................41
Weitere Vorgaben..........................................................................................................44
2.3.1.
Zwischenstaatliche Gerechtigkeit ..........................................................................44
2.3.2.
Verfassungsrecht....................................................................................................45
2.3.3.
Praktikabilität und Transparenz der Besteuerung ..................................................48
Internationale Steuerplanung grenzüberschreitender Konzerne............................................50 3.1.
Der Konzern als Rechtsform im Steuerrecht.................................................................50
3.1.1.
Begriff des grenzüberschreitenden Konzerns ........................................................50
3.1.2.
Rechtsformen grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit.......................................51
3.1.2.1.
Direktgeschäft................................................................................................51
3.1.2.2.
Betriebsstätte .................................................................................................51
X
3.1.2.3. 3.2.
Tochterkapitalgesellschaft .............................................................................53
Grundlagen der internationalen Steuerplanung .............................................................55
3.2.1.
Annahmen ..............................................................................................................55
3.2.2.
Zielgröße der Steuerplanung: Maximierung des Endwerts ...................................57
3.2.3.
Begriff und Zielsetzung der internationalen Steuerplanung ..................................60
3.2.4.
Ursachen der internationalen Steuerplanung .........................................................61
3.3.
Aufgaben der internationalen Steuerplanung ................................................................62
3.3.1.
Vermeidung der Doppelbesteuerung .....................................................................63
3.3.2.
Vermeidung der konzerninternen Gewinnrealisierung..........................................64
3.3.3.
Nutzung des Steuersatzgefälles..............................................................................64
3.3.4.
Erzielung der doppelten Nichtbesteuerung............................................................66
3.4.
Zulässigkeit und Grenzen der Steuerplanung................................................................67
3.4.1.
Legitimität der internationalen Steuerplanung.......................................................67
3.4.2.
Ökonomische Grenzen der Steuerplanung.............................................................68
3.4.2.1.
Restriktive Annahmen ...................................................................................68
3.4.2.2.
Direkte Kosten...............................................................................................69
3.4.2.3.
Indirekte Kosten ............................................................................................70
3.4.3. 3.5.
Rechtliche Grenzen der Steuerplanung..................................................................70
Ausgewählte Möglichkeiten der internationalen Steuerplanung eines deutschen Konzerns........................................................................................................................72
3.5.1.
Finanzierung ..........................................................................................................73
3.5.1.1.
Eigenkapitalfinanzierung: Steueraufschub ....................................................74
3.5.1.1.1.
Gestaltungsansatz .......................................................................................74
3.5.1.1.2.
Die Hinzurechnungsbesteuerung................................................................78
3.5.1.1.3. Steuerplanung im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung.....................81 3.5.1.2.
Fremdkapitalfinanzierung: Zinsabzug...........................................................83
3.5.1.2.1.
Gestaltungsansatz .......................................................................................83
3.5.1.2.2.
Die Zinsschranke ........................................................................................86
3.5.1.2.3.
Steuerplanung im Rahmen der Zinsschranke .............................................90
3.5.2.
Verlustverrechnung................................................................................................93
3.5.2.1.
Gestaltungsansatz ..........................................................................................93
3.5.2.2.
Beschränkungen der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung ................98
3.5.2.3.
Steuerplanung im Rahmen von Verrechnungsbeschränkungen ausländischer Verluste........................................................................................................102
3.5.3.
Transfer von Wirtschaftsgütern und Funktionen .................................................104
3.5.3.1.
Gestaltungsansatz ........................................................................................104
XI
3.5.3.2. 3.5.3.2.1.
4.
Besteuerung des Transfers von Wirtschaftsgütern ...................................106
3.5.3.2.2.
Besteuerung von Funktionsverlagerungen ...............................................108
3.5.3.2.3.
Besteuerung der Sitzverlegung.................................................................111
3.5.3.3. 3.6.
Wegzugsbesteuerung ...................................................................................106
Steuerplanung im Rahmen der Wegzugsbesteuerung .................................112
Fazit .............................................................................................................................118
Der Einfluss der Rechtsprechung des EuGH auf die Möglichkeiten internationaler Steuerplanung ......................................................................................................................120 4.1.
Finanzierung ................................................................................................................120
4.1.1.
Hinzurechnungsbesteuerung ................................................................................120
4.1.1.1.
Die EuGH-Rechtsprechung zur Hinzurechnungsbesteuerung ....................120
4.1.1.2.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten ...........................................127
4.1.1.2.1.
Ausdehnung der Hinzurechnungsbesteuerung auf das Inland..................127
4.1.1.2.2. Einschränkung der Hinzurechnungsbesteuerung auf Missbrauchstatbestände ............................................................................128 4.1.2.
Zinsabzugsbeschränkungen .................................................................................136
4.1.2.1.
Die EuGH-Rechtsprechung zu Beschränkungen des Zinsabzugs ...............136
4.1.2.2.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten ...........................................145
4.1.2.2.1.
4.1.2.2.1.1.
Missbrauchsregel ...............................................................................146
4.1.2.2.1.2.
Allgemeines Zinsabzugsverbot .........................................................151
4.1.2.2.2. 4.2.
Einschränkung des Zinsabzugs.................................................................145
Abschaffung von Zinsabzugsbeschränkungen .........................................153
Beschränkungen der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung ..............................154
4.2.1.
Die EuGH-Rechtsprechung zu Beschränkungen der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung..............................................................................................154
4.2.2.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten ...................................................163
4.3.
4.2.2.1.
Einschränkung des Verlustausgleichs .........................................................163
4.2.2.2.
Grenzüberschreitende Verlustverrechnung .................................................167
4.2.2.2.1.
Ausweitung auf ausländische Verluste.....................................................167
4.2.2.2.2.
Ausweitung auf ausländische Gewinne und Verluste ..............................175
Wegzugsbesteuerung ...................................................................................................176
4.3.1.
Die EuGH-Rechtsprechung zur Wegzugsbesteuerung ........................................176
4.3.2.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten ...................................................185
4.3.2.1.
Ausdehnung der Wegzugsbesteuerung auf das Inland ................................185
4.3.2.2.
Einschränkung der Sofortbesteuerung.........................................................185
4.3.2.2.1.
Abschaffung der Wegzugsbesteuerung ....................................................185
XII
4.3.2.2.2. 4.4.
5.
Aufgeschobene Wegzugsbesteuerung ......................................................187
Zwischenergebnis: Problembereiche der nationalen Handlungsoptionen...................192
4.4.1.
Ausweitung des Anwendungsbereichs einer (nachteiligen) Steuernorm auf das Inland ...................................................................................................................192
4.4.2.
Ausweitung des Anwendungsbereichs einer (vorteilhaften) Steuernorm auf das Ausland ................................................................................................................196
4.4.3.
Fazit......................................................................................................................199
Die Wohnsitzbesteuerung als umfassender Lösungsvorschlag ...........................................203 5.1.
Darstellung der Wohnsitzbesteuerung.........................................................................203
5.1.1.
Systematik der Wohnsitzbesteuerung innerhalb des Besteuerungssystems in Deutschland..........................................................................................................203
5.1.2.
Tatbestandsvoraussetzungen................................................................................205
5.1.2.1.
Räumliche Reichweite.................................................................................205
5.1.2.2.
Persönliche Reichweite: Der Konzernkreis.................................................206
5.1.2.3.
Sachliche Reichweite: Mehrheitsbeteiligung ..............................................207
5.1.3.
Rechtsfolgen ........................................................................................................209
5.1.3.1.
Ausübungswahlrecht ...................................................................................209
5.1.3.2.
Laufende Besteuerung .................................................................................209
5.1.3.2.1.
Einkommensermittlung der Konzerngesellschaften.................................209
5.1.3.2.2. Hinzurechnung und Konsolidierung bei der Muttergesellschaft..............210 5.1.3.2.3.
Besteuerung und Anrechnung ausländischer Steuern ..............................215
5.1.3.2.4. Verlustabzug.............................................................................................218 5.1.3.3. 5.1.3.3.1.
5.2.
Eintritt in den Konzernkreis .....................................................................221
5.1.3.3.1.1.
Erstkonsolidierung.............................................................................221
5.1.3.3.1.2.
Verlustvorträge ..................................................................................225
5.1.3.3.2.
5.1.4.
Aperiodische Besteuerung...........................................................................221
Austritt aus dem Konzernkreis .................................................................226
5.1.3.3.2.1.
Entkonsolidierung..............................................................................226
5.1.3.3.2.2.
Verlustvorträge ..................................................................................228
5.1.3.3.2.3.
Anrechnungsvorträge ........................................................................229
Missbrauchsregelungen........................................................................................229
5.1.4.1.
Regelungen innerhalb der EU......................................................................229
5.1.4.2.
Regelungen gegenüber Drittstaaten.............................................................230
Analyse der Wohnsitzbesteuerung ..............................................................................230
5.2.1.
Konzeptionelle Analyse .......................................................................................230
5.2.2.
Europarechtliche Anforderungen.........................................................................232
XIII
5.2.2.1.
Vereinbarkeit der Binnenmarktkonzeption mit internationaler Neutralität.232
5.2.2.2.
Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung für die Unternehmensbesteuerung..236
5.2.3.
Auswirkungen auf die Steuerplanung..................................................................239
5.2.4.
Weitere Vorgaben ................................................................................................246
5.2.4.1.
Verfassungsrecht .........................................................................................246
5.2.4.2.
Praktikabilität der Besteuerung ...................................................................247
5.2.5.
Gemeinsame Bemessungsgrundlage ...........................................................250
5.2.5.2.
Weitere Bereiche der Harmonisierung ........................................................251
5.2.5.3.
DBA-rechtliche Probleme ...........................................................................252
5.2.6. 6.
Koordinierungs- und Harmonisierungsbedarf .....................................................250
5.2.5.1.
Fazit......................................................................................................................254
Thesenförmige Zusammenfassung ......................................................................................257
Literaturverzeichnis .....................................................................................................................263
XV
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1:
Prüfschema des EuGH
17
Abbildung 2:
Ertragsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften in den 27 Mitgliedstaaten im Jahr 2008.
66
Abbildung 3:
Beteiligungsquoten für den Einbezug in den Konzernkreis
Tabelle 1:
Finanzinvestition in zypriotischer Tochtergesellschaft mit sofortiger Repatriierung
75
Tabelle 2:
Finanzinvestition in zypriotischer Tochtergesellschaft mit Thesaurierung über fünf Jahre
77
Tabelle 3:
Hinzurechnungsbesteuerung bei Finanzinvestition in zypriotischer Tochtergesellschaft
82
Tabelle 4:
Investition in irischer Tochtergesellschaft mit Fremd-Refinanzierung im Inland
85
Tabelle 5:
Zinsschranke greift bei Fremd-Refinanzierung im Inland
91
Tabelle 6:
Verluste in lettischer Tochtergesellschaft
96
Tabelle 7:
Verluste in lettischer Tochtergesellschaft mit Wertpapierdarlehen
97
Tabelle 8:
Investition in deutscher Tochtergesellschaft vor Wegzug
113
Tabelle 9:
Investition in polnischer Tochtergesellschaft nach Wegzug
114
Tabelle 10:
Aktivierte Investition in deutscher Tochtergesellschaft vor Wegzug
115
Tabelle 11:
Zwischenergebniseliminierung bei abnutzbarem Anlagevermögen
213
Tabelle 12:
Anrechnungsvorträge in Abhängigkeit vom Anrechnungsmechanismus
217
Tabelle 13:
Automatische Nachversteuerung bei der Anrechnungsmethode
220
Tabelle 14:
Kapitalkonsolidierung im nationalen Fall
222
Tabelle 15:
Kapitalkonsolidierung im grenzüberschreitenden Fall
224
Tabelle 16:
Gewinnthesaurierung und indirekte Anrechnung
242
208
XVII
Symbolverzeichnis A0
Anschaffungsauszahlung
At
Auszahlung im Zeitpunkt t
Vn
Endwert vor Steuern
VnS
Endwert nach Steuern
Et
Einzahlung im Zeitpunkt t
i
Marktzins vor Steuern
iS
i
a S
Marktzins nach Steuern Marktzins nach Steuern im Ausland
i Sd
Marktzins nach Steuern in Deutschland
sa
ausländischer (Körperschaft-)Steuersatz
sd
deutscher Ertragsteuersatz
s dFF
Ertragsteuersatz bei Zinsabzug in Deutschland
St
Steuerzahlung im Zeitpunkt t
tn
Zeitpunkt n
XIX
Abkürzungsverzeichnis a. A.
anderer Ansicht
a. F.
alter Fassung
Abb.
Abbildung
Abl. EG
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abl. EU
Amtsblatt der Europäischen Union
Abs.
Absatz
AfA
Absetzung für Abnutzung
AG
Aktiengesellschaft
Anm.
Anmerkung
AO
Abgabenordnung
Art.
Artikel
AStG
Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz)
AuslInvG
Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft
Az.
Aktenzeichen
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
Bd.
Band
BewG
Bewertungsgesetz
BFH
Bundesfinanzhof
BFHE
Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BFH/NV
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BFuP
Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift)
BGH
Bundesgerichtshof
BGHReport
BGH-Report (Zeitschrift)
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BR-Drucksache
Bundesratsdrucksachen
BStBl.
Bundessteuerblatt
BT-Drucksache
Bundestagsdrucksachen
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
XX
BVerfGE
Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CCCTB
Common Consolidated Corporate Tax Base (zu deutsch: Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage)
d. h.
das heißt
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
DBA
Doppelbesteuerungsabkommen
DBW
Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
DIHK
Deutsche Industrie- und Handelskammer
DK
Der Konzern (Zeitschrift)
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DStZ
Deutsche Steuer-Zeitung (Zeitschrift)
DSWR
Datenverarbeitung - Steuer - Wirtschaft – Recht (Zeitschrift)
EBIT
Earnings Before Interest and Taxes (zu deutsch: Ergebnis vor Zinsen und Steuern)
EBITDA
Earnings Before Interest, Taxes, Depreciation and Amortisation (zu deutsch: Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen)
EC
European Communities
EFG
Sammlung der Entscheidungen der Finanzgerichte
EFTA
European Free Trade Association (zu deutsch: Europäische Freihandelszone)
EG
Europäische Gemeinschaften
EGV
Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaft
EStG
Einkommensteuergesetz
ET
European Taxation (Zeitschrift)
et al.
et alii (zu deutsch: und andere)
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift (Zeitschrift)
EuR
Europarecht (Zeitschrift)
XXI
EuLR
European Law Reports (Zeitschrift)
EUV
Vertrag über die europäische Union
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
EWR
Europäischer Wirtschaftsraum
EWS
Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
f.
folgende (Seite)
FA
FinanzArchiv
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
ff.
fortfolgende
FA
FinanzArchiv (Zeitschrift)
FB
Finanz-Betrieb (Zeitschrift)
FG
Finanzgericht
FR
Finanz-Rundschau (Zeitschrift)
GeS
Gesellschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
GewStG
Gewerbesteuergesetz
GewStR
Gewerbesteuer-Richtlinien
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
gl. A.
gleicher Auffassung
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHR
GmbH-Rundschau
h. M.
herrschende Meinung
HGB
Handelsgesetzbuch
HMRC
Her Majesty's Revenue and Customs (britisches Finanzministerium)
Hrsg.
Herausgeber
HS
Halbsatz
i. S. d.
im Sinne des
i. V. m.
in Verbindung mit
IFRS
International Financial Reporting Standards
insb.
insbesondere
Intertax
International Tax Review
IStR
Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
IWB
Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
XXII
jurisPR-SteuerR
juris PraxisReport Steuerrecht (Zeitschrift)
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KStG
Körperschaftsteuergesetz
LiFo
Last-In-First-Out
lit.
Littera (zu deutsch: Buchstabe)
m. a. W.
mit anderen Worten
m. E.
meines Erachtens
Mio.
Million(en)
Nr.
Nummer
NWB
Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
o. V.
ohne Verfasser
OECD
Organisation for Economic Co-Operation and Development (zu deutsch: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
OECD-MA
OECD-Musterabkommen
OVG
Oberverwaltungsgericht
OVGSt
Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Staatssteuersachen
RFH
Reichsfinanzhof
RFHE
Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft
Rn.
Randnummer
Rs.
Rechtssache
RStBl.
Reichssteuerblatt
S.
Satz; Seite(n)
S.E.
Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft)
Slg.
Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
sog.
sogenannte(r)(s)
ST
Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift)
StAnpG
Steueranpassungsgesetz
Stbg
Die Steuerberatung (Zeitschrift)
StbJb
Steuerberater-Jahrbuch
SteuStud
Steuer und Studium (Zeitschrift)
StuB
Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)
XXIII
StuW
Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
SWI
Steuer und Wirtschaft International (Zeitschrift)
TNI
Tax Notes International (Zeitschrift)
u. a.
unter anderem/anderen
u. U.
unter Umständen
Ubg
Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift)
UmwG
Umwandlungsgesetz
UmwStG
Umwandlungssteuergesetz
vGA
verdeckte Gewinnausschüttung
vgl.
vergleiche
vKE
verdeckte Kapitaleinlage
VwGH
Verwaltungsgerichtshof
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
z. B.
zum Beispiel
ZfbF
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift)
1
1.
Einleitung
1.1.
Problemstellung
Der Handel innerhalb grenzüberschreitender Konzerne macht nach Schätzungen der OECD einen bedeutenden Teil – bis zur Hälfte und mehr – des gesamten Handels zwischen den Staaten der OECD aus.1 Angesichts der steuerlichen Souveränität der Staaten muss trotz der wirtschaftlichen Integration der einzelnen Konzernglieder für den innerkonzernlichen Handel eine Abgrenzung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen zwischen den betroffenen Staaten vorgenommen werden. Regelmäßig wird hierfür die wirtschaftliche Einheit des Konzerns steuerlich nicht beachtet. Es kommt vielmehr zu einer Besteuerung der Konzernglieder auf Basis des Arm’s-
Length-Prinzips, das unterstellt, dass der innerkonzernliche Handel wie zwischen fremden Dritten abgewickelt wird.2 Aus der getrennten Besteuerung und der fehlenden Abstimmung der verschiedenen Steuerrechtsordnungen kann insbesondere internationale Doppelbesteuerung resultieren. Der Maßstab des Fremdvergleichs birgt darüber hinaus administrative Kosten in sich: es entsteht ein hoher Befolgungs- und Dokumentationsaufwand sowie Planungsunsicherheit bei der Festsetzung von Verrechnungspreisen für den innerkonzernlichen Handel. Gleichzeitig eröffnet die fehlende Abstimmung der einzelstaatlichen Steuersysteme den grenzüberschreitend tätigen Konzernen Raum für internationale Steuerplanung, die vor allem auf die Ausnutzung des internationalen Steuersatzdifferentials (Minderbesteuerung) ausgerichtet ist.3 Aufgrund der bilateral und europarechtlich gegenläufigen Zuweisung des Besteuerungsrechts an Unternehmensgewinnen, Zinsen und Lizenzgebühren haben Konzerne ein faktisches Wahlrecht, wo sie ihre Gewinne versteuern lassen wollen.4 In Verbindung mit der in Deutschland üblichen Freistellungsmethode betreiben Unternehmen Steuerarbitrage zu Lasten von Hochsteuerländern wie Deutschland.5 Durch die abschließende Freistellung ausländischer Einkünfte setzt sich Deutschland ungemildert dem Steuerwettbewerb zwischen Staaten aus.6 Der Steuerwettbewerb kann abgemildert sein, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Angebot der öffentlichen Güter und der Höhe der Steuerbelastung besteht (Äquivalenzprinzip).7 Bei ortsgebundenen Renten, z. B. Rohstoffvorkommen, sind unterschiedlich hohe Gewinnsteuersätze 1 2 3 4 5
6 7
Vgl. OECD, Globalisation, 1996, S. 29 f.; Schneider, DB 2003, S. 53. Vgl. Schneider, DB 2003, S. 53 f. Vgl. Burmester, Minderbesteuerung, 1997, S. 55 f.; Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 19. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 13 f. Vgl. Englisch/Hey, Wirtschaftsdienst 2005, S. 225 f.; Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 31. Beispielhaft für die empirische Bestätigung des Einflusses des Steuersatzes auf die Fremdfinanzierung vgl. Buettner et al., Financing Decisions, 2008, S. 9 f. Im Überblick Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 823-834. Vgl. Spengel, Unternehmensbesteuerung in der EU, 2004, S. 153. Vgl. z. B. Schreiber, Steuerwettbewerb, 1998, S. 123.
2
international durchsetzbar, die dennoch zu gleichen Nettogewinnen führen und somit keine Ausweichreaktionen der Unternehmen auf die Steuersatzunterschiede hervorrufen. Steht jedoch den Kosten in Form höherer Steuern kein Nutzen in Form höherer Gewinne gegenüber, können die Unternehmen mittels der Verlagerung von Buchgewinnen und Investitionen reagieren. Da Unternehmen keine nennenswerten zusätzlichen Kosten bei ihrer Ansiedlung verursachen dürften, kann die Senkung des Körperschaftsteuersatzes aus einzelstaatlicher Sicht vorteilhaft sein.8 Somit existiert im Bereich der Unternehmensbesteuerung hinsichtlich der mobilen Finanzinvestitionen, aber auch des Realkapitals, ein Steuerwettbewerb9, dessen wichtigster Treiber die Steuersätze sind. Dieser Wettbewerb hat sich durch die mittel- und osteuropäischen Staaten, die der EU in den Jahren 2004 und 2007 beigetreten sind, zusätzlich verschärft. Deutschland hat diesen Wettbewerb mit der Unternehmenssteuerreform 2008 partiell angenommen. Ein grundlegendes Ziel, das der deutsche Gesetzgeber mit der Unternehmenssteuerreform verfolgt, besteht nämlich darin, die Standortattraktivität von Deutschland zu erhöhen.10 Deswegen wurde die Ertragsteuerbelastung deutscher Kapitalgesellschaften, die im europäischen Vergleich bisher am höchsten war, von gut 38% auf ca. 31% gesenkt.11 Dennoch ist der Steuersatz im Vergleich zu den meisten EU-Staaten immer noch höher12, weshalb ein Anreiz zur Gewinnverlagerung insbesondere im Verhältnis zu Irland, Zypern und den ostmitteleuropäischen Mitgliedstaaten verbleibt.13 Mit der Unternehmenssteuerreform wurden deshalb ebenfalls Abwehrmaßnahmen gegen die internationale Steuerplanung eingeführt, insbesondere die Besteuerung von Funktionsverlagerungen und die Begrenzung des Zinsabzugs. Deutschland verfügte bereits vor der Unternehmenssteuerreform über eine Reihe von Abwehrmaßnahmen.14 Daraus kann wiederum die Gefahr internationaler Doppelbesteuerung drohen, z. B. wenn aufgrund der Zinsabzugsbeschränkung nirgendwo abzugsfähige Beteiligungsaufwendungen resultieren. Ebenso sind die nicht unerheblichen Befolgungskosten, z. B. bei der Besteuerung der Funktionsverlagerung, zu bedenken.
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11 12
13 14
Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 217. Vgl. Pitlik, Steuerwettbewerb, 2003, S. 159; Schreiber, Steuerwettbewerb, 1998, S. 124. Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841, S. 29. Vgl. z. B. Endres/Freiling, Ertragsbesteuerung, 2007, Rn. 321, S. 21; Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 813 f. Vgl. z. B. Endres/Spengel/Reister, WPg 2007, S. 479 f.; Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 814; Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 3. Vgl. auch Zielke, DB 2007, S. 2784 f., 2787; Endres/Freiling, Ertragsbesteuerung, 2007, Rn. 356, S. 25 f. Vgl. z. B. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 8.
3
Deutschland als einer der 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU)15 hat jedoch im Bereich der Unternehmensbesteuerung zwingend die Vorgaben des Europarechts zu beachten. Die Auslegung des Europarechts obliegt in letzter Instanz dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), dessen Rechtsprechung zweifelsohne einen sehr großen Einfluss auf die Ausgestaltung der nationalen Ertragsteuersysteme ausübt.16 So besteht der Verdacht einer Verletzung des höherrangigen Europarechts regelmäßig dann, wenn nachteilige Steuerfolgen primär bei grenzüberschreitenden Sachverhalten auftreten, was letztlich auf jede der nationalen Abwehrmaßnahmen gegen die internationale Steuerplanung zutrifft. Wenig überraschend wird deshalb die Rechtsprechung des EuGH im Bereich des Ertragsteuerrechts insbesondere durch das Bundesministerium für Finanzen (BMF) in deutlicher Form kritisiert.17 Besonderes Missfallen erregt dabei die Tatsache, dass die meisten Urteile zugunsten der klagenden Steuerpflichtigen, also auch zugunsten multinationaler Konzerne, ausfallen.18 Damit sind fiskalische und steuersystematische Befürchtungen verbunden, dass die Autonomie der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern durch die europäische Rechtsprechung zunehmend ausgehöhlt wird. Dementsprechend wird vermehrt die Notwendigkeit einer europäischen Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung gesehen, die aufgrund der größeren Mobilität der Bemessungsgrundlagen politisch möglich und ökonomisch wünschenswert scheint.19 Allerdings ist eine auch partielle Harmonisierung dieses sensiblen Politikbereichs angesichts der Souveränität der Mitgliedstaaten realistischerweise erst mittel- oder gar langfristig zu realisieren. Insofern muss sich jeder Mitgliedstaat unverändert der Notwendigkeit stellen, sein Steuerrecht den europarechtlichen Anforderungen anzupassen. Dies kann einerseits durch eine einzelfallbezogene Reaktion auf Urteile des EuGH geschehen, wofür als prominentes Beispiel in Deutschland die Ausweitung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung auf inländische Sachverhalte als direkte Reaktion auf das Urteil Lankhorst-Hohorst steht. Solche punktuellen Lösungen erfahren regelmäßig scharfe Kritik: entweder weil die Auswirkungen im Inland als systemzerstörend empfunden werden und die Herstellung des europarechtskonformen Zustands unvermindert bezweifelt wird, oder weil die fiskalischen Effekte als schwerwiegend erachtet werden bzw. die Gleichmäßigkeit der Besteuerung für ausländische Einkünfte bezweifelt wird. Deshalb kann ein Mitgliedstaat andererseits mit einer umfassenden Lösung auf die ständige Rechtsprechung des 15
16
17 18 19
Zur Historie der EU vgl. z. B. Hakenberg, Europarecht, 2007, S. 3-11; Fischer, Europarecht, 2008, S. 3 f.; Arndt/Fischer, Europarecht, 2008, S. 8-14. Für eine umfassende Übersicht über deutsche Steuernormen, die als EG-rechtswidrig beurteilt werden bzw. in diesem Verdacht stehen; vgl. Kessler/Spengel, DB 2008 Beilage 2, S. 1-40. Vgl. z. B. o. V., FAZ vom 04.07.2007, S. 11; vgl. auch Mitschke, FR 2008, S. 165-174. Für diese Tendenz vgl. z. B. Seer et al., EWS 2005, S. 289. Vgl. auch Lang, Harmonisierung, 1997, S. 889.
4
EuGH reagieren. Ausgehend von der Grundsatzentscheidung des Mitgliedstaates, ob und in welchem Umfang ausländische Einkünfte überhaupt besteuert werden sollen, ist die getroffene Entscheidung konsistent und in europarechtlicher Hinsicht nicht-diskriminierend umzusetzen. Somit besteht das Ziel dieser Untersuchung darin, auszuloten, welche Spielräume den Mitgliedstaaten in der Ausgestaltung ihres Steuerrechts bei einzelfallbezogenen Lösungen verbleiben. Vor dem Hintergrund unternehmerischer Steuerplanung werden diese auf ihre Wirksamkeit und Praktikabilität untersucht und zugleich eine umfassende Lösung als denkbare Alternative erörtert.
1.2.
Gang der Untersuchung
Im Anschluss an die Einleitung werden im zweiten Kapitel zentrale Vorgaben für die grenzüberschreitende Unternehmensbesteuerung erarbeitet. In ökonomischer Hinsicht richtet sich der Fokus dieser Arbeit angesichts des steuerplanerischen Ansatzes auf die zwei alternativen Konzepte internationaler Standortneutralität. In rechtlicher Hinsicht konzentrieren sich die Ausführungen auf die Anforderungen des Europarechts und damit der ständigen Rechtsprechung des EuGH im Bereich des direkten Steuerrechts. Weitere Vorgaben betreffen die zwischenstaatliche Gerechtigkeit, das Verfassungsrecht sowie administrative Überlegungen. Im dritten Kapitel werden grundlegende Gestaltungsideen der internationalen Steuerplanung aufgezeigt, mittels derer sich Unternehmen die internationalen Steuersatzunterschiede zu Nutze machen. Die von Deutschland getroffenen Abwehrmaßnahmen gegen diese internationale Steuerplanung ziehen natürlich erneut Steuerplanung nach sich, so dass zu klären ist, bis zu welchem Ausmaß sich diese Maßnahmen als gestaltungsresistent erweisen. Das vierte Kapitel fügt die Erkenntnisse aus dem zweiten und dritten Kapitel zusammen, indem die Rechtsprechung des EuGH ausführlich für alle diejenigen Steuernormen erörtert wird, die sich gegen die im dritten Kapitel erläuterten internationalen Steuergestaltungen richten. Bereits erfolgte und denkbare Reaktionsmöglichkeiten Deutschlands auf die EuGH-Rechtsprechung werden anhand der jeweiligen Einzelnorm aufgezeigt und europarechtlich gewürdigt. Wiederum wird die wechselseitige Abhängigkeit der Steuerplanung und der steuerlichen Normen zur Bekämpfung eben dieser Steuerplanung deutlich, weshalb untersucht wird, inwieweit dabei Möglichkeiten der internationalen Steuerplanung eingeengt oder erweitert werden. Im fünften Kapitel wird dann eine umfassende Lösung, die Wohnsitzbesteuerung, als eine denkbare Alternative zu den einzelfallbezogenen Lösungen vorgestellt und diskutiert. Eine thesenförmige Zusammenfassung beschließt die Arbeit.
5
2.
Vorgaben für eine grenzüberschreitende Unternehmensbesteuerung
2.1. 2.1.1.
Standortneutralität im grenzüberschreitenden Kontext Kapitalimportneutralität
Das Postulat der Kapitalimportneutralität geht von abgegrenzten Wirtschaftsräumen aus, auf denen jeweils gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen sollen, d. h. ein inländischer Steuerpflichtiger ist so eng mit der ausländischen Volkswirtschaft verbunden, dass er steuerlich genauso behandelt werden soll wie dort tätige Ausländer, mit denen er konkurriert.20 Kapitalimportneutralität beschreibt also ein Besteuerungsregime, bei dem Investitionen nur nach den Bedingungen desjenigen Wirtschaftsraumes der Steuer unterliegen, in dem diese Investitionen getätigt werden. Aus Sicht einer deutschen Muttergesellschaft ist die gesamte ausländische Geschäftstätigkeit nur im jeweiligen Sitzstaat der ausländischen Betriebsstätte bzw. Tochtergesellschaft zu besteuern. Im ausländischen Sitzstaat kommt das Quellenprinzip zur Anwendung, während Deutschland als Sitzstaat der Mutter die ausländischen Gewinne von der deutschen Steuer befreit. Die Freistellung muss dabei mindestens sämtliche Verzinsungen auf das für die Investition eingesetzte Kapital umfassen, insbesondere Zinsen für bereitgestelltes Fremdkapital oder Lizenzzahlungen.21 Dementsprechend dürfen solche Faktorverzinsungen nicht von der ausländischen Bemessungsgrundlage abziehbar sein, so dass sie einer abschließenden Besteuerung in Höhe des ausländischen Steuersatzes unterliegen. Nur dann resultiert die Steuerbelastung von
Outbound-Investitionen ausschließlich aus dem ausländischen Steuerrecht.22 Einschränkend ist anzumerken, dass eine Nichtabzugsfähigkeit von Zinsen und anderen Faktorzahlungen international unüblich ist. Das OECD-Musterabkommen (OECD-MA) korrespondiert mit dieser internationalen Praxis insofern, dass im Regelfall der Wohnsitzstaat des Zahlungsempfängers das Besteuerungsrecht innehat, während das Besteuerungsrecht des Quellenstaates entweder beschränkt (Art. 11 OECD-MA) oder vollkommen ausgeschlossen (Art. 12 OECDMA) wird. Eine bloße Freistellung von Unternehmensgewinnen, wie in Deutschland üblich, ermöglicht gerade keine Kapitalimportneutralität, was umso mehr für die Freistellungsmethode mit Progressionsvorbehalt gilt. Ebenso garantiert nur eine konsequente Freistellung, dass administra-
20 21
22
Vgl. Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip, 1995, S. 147. Zu dieser Reinform der Kapitalimportneutralität, vgl. Desai/Hines, National Tax Journal 2003, S. 492 f.; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 228 f.; Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 24; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 580 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 19, 24; Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 64.
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tive Zusatzlasten aus der doppelten Buchführungspflicht im Ausland und Inland hinsichtlich der ausländischen Einkünfte entfallen.23 Wird die Kapitalimportneutralität in Reinform umgesetzt, wird das Steuerniveau durch den Ort der Investition und den dort geltenden Ertragsteuersatz bestimmt, weshalb internationale Unterschiede in den steuerlichen Bemessungsgrundlagen nicht die gleichmäßige Belastung im Quellenland berühren. Internationale Unterschiede in den Bemessungsgrundlagen und insbesondere in der Höhe des Steuersatzes wirken sich jedoch auf die Wahl des Investitionsstandortes aus. Bei gleicher Bruttorendite ist die Nettorendite im Ausland stets höher, sofern der ausländische Steuersatz geringer ist als der inländische. Da sich im Marktgleichgewicht die Nettozinsen angleichen – ein Unternehmer wird gerade in dem Ausmaß im Inland und Ausland investieren, wie die Investitionen die geforderte Mindestnettorendite abwerfen –, unterscheiden sich die Bruttozinsen in Abhängigkeit vom Ort der Investition.24 Im höher besteuerten Inland muss also die erzielbare Bruttorendite höher sein als im niedriger besteuerten Ausland, um die gleiche Nettorendite zu erzielen. Inländische Investoren erfahren einen steuerlichen Anreiz, im niedriger besteuerten Ausland zu investieren. Dementsprechend kann es zu steuerlich induzierten Fehlallokationen von Kapital kommen. Aufgrund der international unterschiedlichen Bruttorenditen resultiert somit aus Kapitalimportneutralität internationale Produktionsineffizienz.25 Da die Nettozinsen weltweit gleich sind, besteht jedoch eine effiziente Allokation von Konsum und Ersparnissen (internationale Konsumeffizienz).
2.1.2.
Kapitalexportneutralität
Das Postulat der Kapitalexportneutralität bezieht sich auf den Wirtschaftsraum des Investors, für den Standortneutralität herrschen soll. Kapitalexportneutralität beschreibt also ein Besteuerungsregime, bei dem die Investitionen unabhängig vom Ort der Investition nach den Bedingungen desjenigen Wirtschaftsraumes besteuert werden, aus dem das investierte Kapital stammt. Aus Sicht einer deutschen Muttergesellschaft ist also die gesamte ausländische Geschäftstätigkeit – wie seine inländische Geschäftstätigkeit – in Deutschland zu besteuern. Dies wird immer dann erreicht, wenn im ausländischen Quellenstaat überhaupt nicht besteuert wird, und Deutschland gemäß dem Welteinkommensprinzip in voller Höhe besteuert. Alternativ kann das Quellenprin23
24 25
Vgl. Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 22. Selbst bei einer vollständigen Freistellung entstehen administrative Lasten aufgrund der notwendigen Aufteilung der Besteuerungsansprüche; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 22 f. Vgl. auch Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 580 f.; Maiterth, StuW 2005, S. 56. Vgl. Homburg, FA 1999, S. 4, 12 f.; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 305 f.
7
zip im ausländischen Staat zum Tragen kommen, während in Deutschland unter Anrechnung der ausländischen Steuern wiederum das Welteinkommensprinzip Anwendung findet.26 Eine Umsetzung der Kapitalexportneutralität in Reinform ist nur unter bestimmten Bedingungen gegeben.27 Insbesondere muss eine Angleichung an das deutsche Steuerniveau auch bei thesaurierten Gewinnen ausländischer Kapitalgesellschaften erfolgen (transparente Besteuerung). Ebenso muss es zu einer Herunterschleusung auf das deutsche Steuerniveau kommen, sofern der ausländische Staat höher besteuert oder aber Verluste im Staat der Muttergesellschaft anfallen (unbegrenzte Anrechnung).28 Schließlich müssen bei ausländischen Gewinnen sämtliche Vorbelastungen mit Gewinnsteuern berücksichtigt werden.29 Nur in diesem Fall ist die Steuerbelastung von Outbound-Investitionen identisch zu derjenigen von Inlandsinvestitionen.30 Erneut ist einschränkend anzumerken, dass eine Besteuerung thesaurierter Gewinne auf der Ebene des Gesellschafters international nicht üblich ist.31 Die unbegrenzte Anrechnung ausländischer Steuern ist aus fiskalischen Gründen ebenfalls international unüblich. Außerdem können sich internationale Unterschiede in den steuerlichen Bemessungsgrundlagen auf die Steuerbelastung auswirken.32 Schließlich entstehen durch die Notwendigkeit der doppelten Buchführungspflicht zusätzliche Befolgungskosten für die Unternehmen.33 Da bei Geltung der Kapitalexportneutralität die Steuerbelastung aus Sicht eines inländischen Investors unabhängig vom Ort der Investition ist, sind die geforderten Bruttozinsen für Inlandsund Auslandsinvestitionen identisch. Eine Verlagerung der Investition ins Ausland aus steuerlichen Gründen ist für den inländischen Investor nicht vorteilhaft. Dies gilt ebenso für einen ausländischen Investor, sofern dessen Sitzstaat nach dem Welteinkommensprinzip besteuert.34 Bei internationalen Unterschieden im Steuersatz ist jedoch eine Verlegung des Wohnsitzes des Investors in ein niedriger besteuerndes Land unter steuerlichen Aspekten vorteilhaft. Ist der Investor eine natürliche Person, steigen durch den Wegzug die Nettorendite der getätigten Investitionen und damit der realisierbare Konsum. Dieser Anreiz zum Wegzug besteht selbst dann, 26 27
28 29 30
31
32 33 34
Vgl. Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 15; Desai/Hines, National Tax Journal 2003, S. 492. Vgl. dazu Maiterth, StuW 2005, S. 57; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 231 f.; vgl. auch Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 65. Vgl. auch Gandenberger, Kapitalexportneutralität, 1983, S. 4; Desai/Hines, National Tax Journal 2004, S. 955. Vgl. Schön, DB 2001, S. 947. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 19, 23 f.; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 228. Vgl. Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 23; Gandenberger, Kapitalexportneutralität, 1983, S. 25 f.; vgl. auch Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. Vgl. auch Gandenberger, Kapitalexportneutralität, 1983, S. 13; Schreiber, DBW 1992, S. 837. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 22. Vgl. Devereux, Oxford Review 2008, S. 702.
8
wenn auch der Zuzugsstaat kapitalexportneutral besteuert. Dies hat zwar zur Folge, dass die (relativen) Anteilspreise konstant bleiben, weil die Besteuerung der Alternativinvestition im Zuzugsstaat, die über den Kalkulationszinssatz Eingang in die Anteilspreisberechnung findet, ebenfalls entsprechend niedriger als im Wegzugsstaat ist.35 Dies ändert aber nichts an der dauerhaft höheren, erzielbaren Nettorendite im Zuzugsstaat, weshalb der Wegzug aus Sicht des Investors vorteilhaft ist. Die kapitalexportneutrale Besteuerung kann auch auf der Ebene der Konzernmutter Halt machen36, da aufgrund administrativer Schwierigkeiten eine Zurechnung bei den natürlichen (Portfolio-)Anteilseignern nicht gelingen kann. Wenn dementsprechend der Investor, der sich einer Entscheidung über den Wegzug in ein niedriger besteuerndes Land gegenübersieht, eine Mutterkapitalgesellschaft ist, gibt es für die Konzernmutter einen entsprechenden Anreiz zur Sitzverlegung. Auch in diesem Fall wird die erzielbare Nettorendite, die letztlich den Anteilseignern zufließt, durch den Wegzug erhöht.37 Jedoch haben sowohl die Verlegung des Wohnsitzes einer natürlichen Person als auch die Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft keine Auswirkung auf die Verteilung des Kapitals bzw. der Investitionen, sofern der niedriger besteuernde Zuzugsstaat ebenso dem Konzept der Kapitalexportneutralität folgt. In diesem Fall werden nämlich, wie im kapitalexportneutral besteuernden Wegzugsstaat, der Standort der Investitionen aus der Sicht des Investors im Zuzugsstaat steuerlich nicht beeinflusst.38 Die Sitzverlegung hat also keinen Einfluss auf die Verteilung des Kapitals, sondern ausschließlich fiskalische Auswirkungen hinsichtlich des Umfangs und der Verteilung des Steueraufkommens.39 Für den Wegzugsstaat wird es zu Steuerausfällen kommen, weil er nach dem Wegzug des Investors nur noch auf sein im Inland erwirtschaftetes Einkommen zugreifen kann. Verlegen sehr viele oder im Extremfall alle bisher im Wegzugsstaat Ansässigen ihren Sitz in Niedrigsteuerländer wird damit das gesamte System der Welteinkommensbesteuerung in Frage gestellt. Auch der Zuzugsstaat wird regelmäßig Steuerausfälle zu verkraften haben, da er aufgrund des niedrigen Steuersatzes Steuererstattungen für das zusätzliche ausländische Einkommen der Zugezogenen gewähren müsste, ohne zusätzliches Steueraufkommen aufgrund des Zuzugs generiert zu haben. Diese Steuerausfälle können im Extrem wiederum dazu führen, dass das kapitalexportneutrale System unter fiskalischen Gesichtspunkten dem Zuzugsstaat nicht tragbar erscheint. 35 36 37
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39
Vgl. dazu auch Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 14. Vgl. dazu Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 11. Bei den derzeit vorherrschenden Shareholder-Relief-Systemen in der EU ist es nämlich egal, aus welcher Quelle die Dividenden gespeist werden; vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 83. Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 303; Ruf, StuW 2008, S. 63; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 578. Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 303.
9
Um diesen Problemen im Rahmen einer kapitalexportneutralen Besteuerung zu begegnen, kann eine Vollharmonisierung der Steuersätze zwischen den Staaten angestrebt werden.40 In diesem Fall besteht weder ein steuerlicher Anreiz zum Wohnsitzwechsel noch zur Verlagerung von Investitionen. Diese umfassende Lösung bedarf jedoch der Kooperation der Staaten und kann bereits für den Raum der EU auch in einer langfristigen Sicht als nicht realistisch gekennzeichnet werden. Deshalb kann ein (Wegzugs-)Staat alternativ auf Abwehrmaßnahmen, insbesondere eine Wegzugsbesteuerung stiller Reserven, zurückgreifen. Die Verteilung des Kapitals bzw. der Investitionen kann dadurch nur beeinträchtigt werden, sofern die Wegzugsbesteuerung Liquiditätsnachteile mit sich bringt oder aber einen Zwangsverkauf von Wirtschaftsgütern auslöst.41 Eine Wegzugsbesteuerung kann – je nach Ausgestaltung – den gesamten Wegzug a priori steuerlich unvorteilhaft werden lassen, wenn die Liquiditäts- und Zinsnachteile aus der (sofortigen) Wegzugsbesteuerung die Steuerersparnisse, die aus dem niedrigeren ausländischen Steuersatz resultieren, überwiegen.42 In der Realität ist ein kapitalexportneutral besteuernder Staat nicht zu beobachten. Vielmehr werden in vielen kontinentaleuropäischen Staaten ausländische, unternehmerische Gewinne von der inländischen Besteuerung freigestellt. In Staaten, in denen die Anrechnungsmethode Anwendung findet, ist die Anrechnung regelmäßig auf das inländische Steuerniveau begrenzt, was bei höheren ausländischen Steuern zu einer faktischen Freistellung der ausländischen Gewinne führt. Geht nunmehr ein hoch besteuernder Staat wie Deutschland dazu über, kapitalexportneutral zu besteuern, wird zwar durch einen Wegzug aus diesem Staat in ein niedrig besteuerndes Land mit (faktischer) Freistellung keine Herabschleusung der Steuerbelastung auf das niedrigere Niveau des Zuzugsstaates erreicht. Ein Anreiz zur Sitzverlegung in das niedriger besteuernde Ausland besteht dennoch, da aufgrund der Freistellung zumindest die bisherige Hochschleusung auf das höhere Steuersatzniveau des Wegzugsstaates unterbleibt. Folglich bestehen auch in dieser Konstellation steuerliche Anreize für eine Wohnsitzverlegung. Während bei natürlichen Personen durchaus nicht-steuerliche Gründe, z. B. familiäre Gründe, gegen einen Wegzug sprechen können, sind bei Kapitalgesellschaften die nicht-steuerlichen Hürden als gering einzuschätzen.43 Findet aufgrund administrativer Probleme die kapitalexportneutrale Besteuerung nur Anwendung auf der Ebene der Konzernspitze, sollte es demgemäß zu Wanderungsbewegungen der Konzernzentralen in Freistellungsländer kommen. Solange die Steuersätze nicht vollharmonisiert
40 41 42 43
Vgl. auch Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 12. Vgl. Ruf, StuW 2008, S. 63. Vgl. dazu ausführlich Schreiber/Führich, Group Taxation, 2007, S. 17-23. Vgl. dazu auch Kapitel 5.2.3.
10
sind, ist somit aus fiskalischer Sicht eine Wegzugsbesteuerung der stillen Reserven geboten. Dabei kann es wiederum je nach Ausgestaltung dieser Wegzugsbesteuerung dazu kommen, dass ein Wegzug aus steuerlichen Gründen unvorteilhaft wird und deshalb unterbleibt (Lock-In-Effekt).44 Aufgrund der weltweiten Angleichung der Bruttozinsen kommt es bei Umsetzung von Kapitalexportneutralität zu einer weltweit effizienten Allokation von Kapital (internationale Produktionseffizienz).45 Allerdings unterscheiden sich in diesem Fall die Nettozinsen weltweit nach Maßgabe der unterschiedlichen Steuersätze, weshalb Kapitalexportneutralität internationale Konsumineffizienz impliziert. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der Produktionseffizienz und damit der Kapitalexportneutralität der Vorzug zu geben, da sie die internationale Wohlfahrt maximiert.46 Eine Besteuerung auf Basis der Kapitalexportneutralität ist sowohl aus nationaler als auch internationaler Sicht effizient.47
2.2.
Die Grundfreiheiten des Vertrages zur Gründung der europäischen Gemeinschaft
Die EU besteht aus den drei Säulen der Europäischen Gemeinschaften (EG), der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen.48 Die wichtigste Säule und damit den Kern der EU bildet die EG als Nachfolgerin der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die insbesondere die wirtschaftliche Integration ihrer Mitgliedstaaten zum Ziel hat.49 Entsprechend finden sich im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) – dem bedeutsamsten Bestandteil des europäischen Primärrechts50 – die finanz- und wirtschaftspolitischen Kompetenzabgrenzungen im Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und den einzelnen Mitgliedstaaten. Zusammen mit dem (ertragsteuerlich relevanten) europäischen Sekundärrecht – dem aus Primärrecht abgeleiteten Rechtsetzungsakten durch die europäischen Organe51 – bildet der EG-Vertrag die wichtigste europäische Rechtsquelle für das Steuerrecht. Im Folgenden wird deshalb stets von EG-Recht bzw. Gemeinschaftsrecht 44 45 46
47
48
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50 51
Ausführlicher zum Lock-In-Effekt vgl. das Beispiel 12 in Kapitel 3.5.3.3. Vgl. Musgrave, Fiscal Systems, 1969, S. 248 f.; Homburg, FA 1999, S. 11 f. Vgl. Musgrave, Fiscal Systems, 1969, S. 254 f.; Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 18 f.; a. A. Gandenberger, Kapitalexportneutralität, 1983, S. 32. Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 307 f.; Maiterth, StuW 2005, S. 56; Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 51; a. A. Desai/Hines, National Tax Journal 2004, S. 938, 955-957; Gandenberger, Körperschaftsteuer, 1985, S. 44; ebenfalls kritisch Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 66. Vgl. Arndt/Fischer, Europarecht, 2008, S. 20 f.; Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 11, S. 5 f.; Müller-Graff, EUWirtschaftsrecht, 2008, Rn. 1. Vgl. Müller-Graff, EU-Wirtschaftsrecht, 2008, Rn. 3; Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 12, S. 6. In dieser Arbeit wird einheitlich der gebräuchliche Begriff EU verwendet, auch wenn im strengen Sinne die EG als Teil der EU gemeint ist. Zum Begriff des Primärrechts vgl. z. B. Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 134 f., S. 54. Vgl. Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 4, S. 3. Zu den einzelnen Formen des Sekundärrechts vgl. Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 136-144, S. 54-57.
11
die Rede sein, weil die im Rahmen dieser Arbeit relevanten, europarechtlichen Bestimmungen dem EG-Vertrag entstammen.
2.2.1.
Zielsetzung des Binnenmarktes
Art. 2 EGV beschreibt die Errichtung eines gemeinsamen Marktes sowie die Einrichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion als Aufgaben der EU. Letztere Aufgabe ist zumindest partiell durch die Schaffung eines einheitlichen Zins- und Währungsraumes – in Gestalt der gemeinsamen Währung EURO und der Europäischen Zentralbank – umgesetzt worden52, dem zum 1. Januar 2009 insgesamt 16 Mitgliedstaaten der EU angehören. Die andere Aufgabe – die Errichtung des gemeinsamen Marktes – ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein wesentliches Ziel des EG-Vertrages.53 Gemäß dieser Rechtsprechung sollen alle Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel beseitigt werden, so dass die nationalen Teilmärkte zu einem einheitlichen Markt verschmelzen, der einem wahren Binnenmarkt so nahe wie möglich kommen soll.54 Der Binnenmarkt gilt deshalb als vollständige Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes55 und ist laut Art. 3 Abs. 1 lit. c) EGV – und inhaltsgleich Art. 14 Abs. 2 EGV – „durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet“. Damit werden die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes zu verbindlichen Zielen der EU erklärt.56 Es handelt sich um die Warenverkehrsfreiheit (Art. 23-31 EGV), die Personenverkehrsfreiheit (Art. 39-48 EGV) – worunter die Niederlassungsfreiheit (Art. 43-48 EGV) fällt –, die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49-55 EGV) sowie die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56-60 EGV). Eine solche Konzeption des Binnenmarktes impliziert nicht nur, dass allen Marktteilnehmern – sowohl auf Angebots- als auch auf Nachfrageseite – EU-weit gleicher Zugang zu separaten nationalen Teilmärkten gewährt wird. Vielmehr soll ein einheitlicher Binnenmarkt mit gleichen Zugangsvoraussetzungen für alle Marktteilnehmer entstehen. Dadurch soll die effiziente Allokation 52
53
54
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56
Vgl. Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 65 f., S. 26. Zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vgl. z. B. Streinz, Europarecht, 2008, S. 420-423. Vgl. EuGH vom 13.07.1966, Rs. 32/65 (Italien/Kommission), Slg. 1966, S. 483; EuGH vom 24.10.1973, Rs. 9/73 (Schlüter/Hauptzollamt Lörrach), Slg. 1973, Rn. 39; EuGH vom 24.10.1973, Rs. 10/73 (Rewe/Hauptzollamt Kehl), Slg. 1973, Rn. 26; EuGH vom 09.12.1981, Rs. 193/80 (Kommission/Italien), Slg. 1981, Rn. 17. Vgl. EuGH vom 05.05.1982, Rs. 15/81 (Gaston Schul), Slg. 1982, Rn. 33; EuGH vom 25.10.1977, Rs. 26/76 (Metro/Kommission), Slg. 1977, Rn. 20. Vgl. Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 10 f. zu Art. 14 EGV; Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 5 zu Art. 14 EGV, S. 215; Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 58, S. 24. Vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 6 zu Art. 3 EGV; Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 415, S. 167.
12
von Ressourcen im gemeinsamen Binnenmarkt sichergestellt werden.57 Dieses Ziel verlangt nach einem Abbau der faktischen wie auch rechtlichen Grenzen innerhalb des Binnenmarktes.58 Beispielhaft können in diesem Zusammenhang die Abschaffung der Binnenzölle sowie der schrittweise erfolgte Abbau der nationalen Grenzkontrollen für den Personen- und Güterverkehr genannt werden. Eine vollständige Harmonisierung der Rechtsvorschriften scheint für die Verwirklichung des Binnenmarktes unausweichlich. Dies gilt umso mehr für den steuerlichen Bereich, da nicht harmonisierte Steuersysteme in der EU ein offensichtliches Hemmnis für den Binnenmarkt darstellen.59 Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist die Gefahr von Doppelbesteuerung und spezifischen Lasten, wie z. B. Dokumentations- und Aufzeichnungspflichten, besonders groß. Die indirekten Steuern wurden bereits in Gestalt eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, gemeinsame Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer und Mindeststeuersätze, EU-weit harmonisiert.60 Im Bereich der direkten Steuern stehen einer direkten Harmonisierung jedoch (noch) der EG-Vertrag selbst (Art. 5 und Art. 95 Abs. 2 EGV) und partiell die Rechtsprechung des EuGH entgegen.
2.2.2.
Reichweite der Grundfreiheiten im Bereich der direkten Steuern
Gemäß dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung haben die Mitgliedstaaten mit dem EGVertrag der EU Kompetenzen für einzelne Bereiche zugewiesen (Art. 5 Abs. 1 EGV). Die umfassende Verbandskompetenz eines Staates, jede beliebige Materie gesetzlich regeln zu können, besitzt sie hingegen nicht.61 Im Bereich der direkten Steuern verfügt die EU über keine durch den EG-Vertrag zugewiesenen Kompetenzen. Im Gegensatz zu den indirekten Steuern (Art. 9093 EGV) besteht kein primärrechtlicher Harmonisierungsauftrag.62 Eine Harmonisierung der direkten Steuern kann allenfalls über Art. 94 EGV erfolgen63, wonach Richtlinien zur Angleichung von Verwaltungs- und Rechtsvorschriften erlassen werden können, sofern sich dies unmit57
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Vgl. Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 780, S. 299; Ruf, StuW 2008, S. 62; Oppermann, Europarecht, 2005, Rn. 6, S. 536; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 258. Vgl. Kahl, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 18-23 zu Art. 14 EGV; Schön, IStR 2004, S. 290; Rödder, DStR 2004, S. 1629. Vgl. Spengel, Unternehmensbesteuerung in der EU, 2004, S. 110; Petritz/Schuch, Grundfreiheiten, 2005, S. 127; Weber-Grellet, Steuerrecht, 2005, S. 162; Kokott, Grundfreiheiten, 2000, S. 4 f.; Wieland, Der Europäische Gerichtshof, 2005, S. 492; Lang, Harmonisierung, 1997, S. 876. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 149-151; Oppermann, Europarecht, 2005, Rn. 25 f., S. 368 f.; Hakenberg, Europarecht, 2007, Rn. 545 f., S. 184. Vgl. Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 174, S. 67 f., Rn. 183, S. 71; Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 498, S. 182; Oppermann, Europarecht, 2005, Rn. 62 f., S. 157 f. Vgl. Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 2 zu Art. 90 EGV; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 96; Debatin, DStZ-A 1969, S. 147. Vgl. Weber-Grellet, Steuerrecht, 2005, S. 140; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 96 f.; Birk, Steuerrecht, 2007, Rn. 195, S. 66.
13
telbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirkt. Allerdings ist zu beachten, dass aufgrund Art. 95 Abs. 2 EGV i. V. m. Art. 94 EGV bei gesetzgeberischen Maßnahmen im Bereich der direkten Besteuerung die Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten erforderlich ist.64 Darin liegt auch der wesentliche Grund, warum es derzeit auf Basis des EG-Vertrages im Bereich der Unternehmensbesteuerung nur wenige sekundärrechtliche Akte ausschließlich in der Form von Richtlinien65 gibt: die Mutter-Tochter-Richtlinie66, die Fusionsrichtlinie67, die Zins- und LizenzRichtlinie 68, die Amtshilferichtlinie69 sowie die Beitreibungsrichtlinie.70 Somit sind die direkten Steuern und deren Ausgestaltung prinzipiell den Mitgliedstaaten vorbehalten.71 Dies ist auch Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV), wonach die EU in denjenigen Bereichen, die nicht ausschließlich in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, nur dann tätig werden darf, wenn die Mitgliedstaaten selbst die Ziele nicht besser erreichen können. Besonders im Bereich der direkten Steuern ist ein Eingriff in die nationale Rechtsordnung und die Finanzhoheit eines jeden Staates zu begründen.72 Denn bei den direkten Steuern handelt es sich um einen zentralen Bestandteil der Finanzierung eines Mitgliedstaates. Der vom EG-Vertrag vorgegebene, mitgliedstaatliche Vorbehalt im Bereich der direkten Steuern ist vom EuGH im Grundsatz anerkannt worden.73 Die Harmonisierung der direkten Steuern ist Sache der Mitgliedstaaten und soll nicht von der Rechtsprechung herbeigeführt werden.74 Die Mitgliedstaaten sind somit grundsätzlich frei in der Ausgestaltung ihrer Systeme der direkten Besteuerung, allerdings müssen sie nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Grundfreiheiten des EG-Vertrages beachten.75 Im Bereich der direkten Unternehmenssteuern sind vor allem 64
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Vgl. Oppermann, Europarecht, 2005, Rn. 32, S. 371; Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 2 f. zu Art. 95 EGV, S. 467 f.; Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 17. Ausführlich zum Instrument der Richtlinie vgl. z. B. Streinz, Europarecht, 2008, S. 148-166. Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG). Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (90/434/EWG). Richtlinie des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (2003/49/EG). Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (77/799/EWG). Richtlinie des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie der Abschöpfungen, Zölle und der Mehrwertsteuer (76/308/EWG). Vgl. Hahn, EG-Recht, 1999, S. 102; Weber-Grellet, Steuerrecht, 2005, S. 2, 139. Vgl. Bauschatz, IStR 2002, S. 293; Kube, IStR 2003, S. 330 f.; Seiler, StuW 2005, S. 28 f. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 51, 53. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 58. Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 24; EuGH vom 14.12.2000, Rs. C-141/99 (Amid), Slg. I-2000, Rn. 19.
14
die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) relevant.76 Die Grundfreiheiten entfalten unmittelbare Wirkung in jedem Mitgliedstaat, sind also direkt anwendbar.77 Nach der EuGH-Rechtsprechung sind diese Ausdruck einer eigenständigen, supranationalen Rechtsordnung. Diese Rechtsordnung ist insoweit der nationalen Rechtsordnung vorrangig.78 Andernfalls wäre ein effektiver Schutz (effet utile) durch die Grundfreiheiten nicht möglich; die nationale Gesetzgebung könnte die Wirkung von EuGH-Urteilen leicht aushebeln.79 Dies findet seinen Ausdruck in Art. 220 EGV, wonach ausschließlich der EuGH über die Wahrung und Einheitlichkeit des EG-Rechts zu wachen hat.80 Deshalb ist die im jeweiligen Fall vom EuGH entwickelte Auslegung des EG-Rechts für die nationalen Gerichte und nationalen Gesetzgeber innerhalb der EU bindend, auch wenn das Urteil selbst grundsätzlich nur für die Verfahrensbeteiligten Rechtskraft entfaltet.81 Das EG-Recht, sowohl das Primärrecht als auch das Sekundärrecht, genießt bei Kollision mit nationalem Recht Anwendungsvorrang gegenüber letzterem.82 Dabei ist zu beachten, dass das Sekundärrecht im Verhältnis zum Primärrecht nachrangig ist. Letztlich sind die Richtlinien im Bereich der direkten Steuern ebenfalls an den Grundfreiheiten zu messen.83 Somit sind EGrechtswidrige Gesetze für alle grenzüberschreitenden EU-Fälle sowohl von der Finanzverwaltung als auch von der Finanzgerichtsbarkeit solange nicht anzuwenden bzw. EG-rechtskonform auszulegen, bis eine gesetzliche Änderung oder Anpassung an die Rechtsprechung erfolgt ist.84 Der Gesetzgeber hat gemäß Art. 10 EGV zu reagieren und den EG-rechtswidrigen Zustand durch Erlass neuer Gesetze bzw. durch Änderung bestehender Gesetze zu beheben. Rein administrative Veröffentlichungen, wie z. B. Nichtanwendungserlasse in BMF-Schreiben, reichen hierzu nicht
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Vgl. Spengel/Braunagel, StuW 2006, S. 35; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 191. Vgl. EuGH vom 09.03.1978, Rs. 106/77 (Simmenthal), Slg. 1978, Rn. 14-16; Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 206 f., S. 81. Vgl. EuGH vom 15.07.1964, Rs. 6/64 (Costa gegen E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1269 f.; EuGH vom 17.12.1970, Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, Rn. 3; Fischer, Europarecht, 2008, Rn. 212, S. 83. Zum effet utile vgl. Borchardt, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 2003, Rn. 19 zu Art. 220 EGV, S. 1917 f. Schon 1960 bekräftigte der EuGH – im Zusammenhang mit der Montanunion – seine Zuständigkeit für die Auslegung europäischen Rechts bei Fällen mit Bezug zum direkten Steuerrecht der Mitgliedstaaten, vgl. EuGH vom 16.12.1960, Rs. 6/60 (Humblet), Slg. 1960, S. 1185, 1190; vgl. auch EuGH vom 06.10.1982, Rs. 283/81 (CILFIT), Slg. 1982, Rn. 7. Vgl. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 141, S. 38; Hahn/Heß, jurisPR-SteuerR 2006, Rn. D. Zur Unanwendbarkeit des nationalen Rechts vgl. z. B. EuGH vom 09.03.1978, Rs. 106/77 (Simmenthal), Slg. 1978, Rn. 17 f.; vgl. auch Cordewener, DStR 2004, S. 12. Im Zusammenhang mit Sekundärrecht (nicht im Bereich der direkten Steuern) vgl. EuGH vom 22.06.1989, Rs. 103/88 (Fratelli Costanzo), Slg. 1989, Rn. 31, 33; vgl. auch Hahn, EG-Recht, 1999, S. 58 f. Zum Vorrang des Primärrechts am Beispiel der Mutter-Tochter-Richtlinie; vgl. EuGH vom 23.02.2006, Rs. C471/04 (Keller Holding), Slg. I-2006, Rn. 45; EuGH vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), Slg. I-2003, Rn. 26; Meussen, ET 2004, S. 59 f.; Kofler/Toifl, ET 2005, S. 236 f.; Lüdicke/Hummel, IStR 2006, S. 695, 697. Vgl. Goebel/Palm, IStR 2007, S. 722. Zur EG-rechtskonformen Auslegung eines Gesetzes, die bis zur Reaktion des nationalen Gesetzgebers notwendig ist; vgl. Gosch, DStR 2007, S. 1555 f.
15
aus.85 Aufgrund des Anwendungsvorrangs des EG-Rechts für alle grenzüberschreitenden EUSachverhalte ist nationales Recht jedoch nicht nichtig. Im Verhältnis zu Drittstaaten wie auch rein national behält es seine Gültigkeit.86
2.2.3.
Die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten
Die wichtigste Verfahrensart im Bereich der Ertragsteuern stellt das Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 EGV) dar, bei dem nationale Gerichte dem EuGH einen konkreten, anhängigen Fall zur Entscheidung vorlegen.87 Gemäß Art. 234 EGV sind ausschließlich nationale Gerichte berechtigt, den EuGH um eine EG-rechtliche Stellungnahme zu ersuchen, sofern der verhandelte Fall entscheidungserhebliche Zweifelsfragen hinsichtlich des Europarechts aufwirft.88 Falls die europarechtliche Zweifelsfrage schon durch (ständige) EuGH-Rechtsprechung geklärt wurde oder aber die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts dermaßen offensichtlich ist, dass kein Raum für vernünftige Zweifel verbleibt (acte clair-Doktrin), muss das nationale Gericht das EG-Recht aufgrund seines Anwendungsvorrangs bei der Lösung des Falles zwingend beachten. In diesem Fall erübrigt sich eine Vorlage an den EuGH.89 Nationale erstinstanzliche Gerichte, deren Urteile angefochten werden können – im Bereich der Ertragsteuern die Finanzgerichte –, haben laut Art. 234 Abs. 2 EGV ein Wahlrecht zur Vorlage, während bei nationalen letztinstanzlichen Gerichten – im Bereich der Ertragsteuern der Bundesfinanzhof (BFH) – gemäß Art. 234 Abs. 3 EGV eine Vorlagepflicht besteht. Die Steuerpflichtigen selbst können nicht direkt beim EuGH klagen, sondern lediglich darauf dringen, dass das nationale Gericht ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV wegen Relevanz des EG-Rechts einleitet.90 Allerdings ist der EuGH nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver85
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Vgl. EuGH vom 08.05.1990, Rs. C-175/88 (Biehl), Slg. I-1990, Rn. 18; EuGH vom 26.10.1995, Rs. C-151/94 (Kommission/Luxemburg), Slg. I-1995, Rn. 18; vgl. auch Rainer, IStR 1995, S. 533. Vgl. z. B. Streinz, Europarecht, 2008, Rn. 222, S. 78. Es ist nur von der Nichtanwendbarkeit EG-rechtswidriger Normen bzw. dem Anwendungsvorrang des EG-Rechts innerhalb der EU die Rede, nicht jedoch von der Nichtigkeit einer nationalen Regelung; vgl. EuGH vom 23.02.1995, Rs. C-358/93 und C-416/93 (Bordessa), Slg. I1995, Rn. 35; BVerfG vom 08.04.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, S. 244; BFH vom 09.08.2006, I R 50/05, BFH/NV 2007, Rn. III.3. Vgl. Hölzle, SteuStud 2007, S. 82. Das zweite Verfahren im steuerlichen Bereich ist das Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EGV), in dem die Kommission den EuGH anrufen kann, sofern ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag nicht nachkommt; vgl. Schonewille, EC Tax Review 2006, S. 147-150. Vgl. z. B. EuGH vom 06.10.1982, Rs. 283/81 (CILFIT), Slg. 1982, Rn. 10 f. Der EuGH ist grds. an die Vorlagefragen der nationalen Gerichte gebunden. Er kann jedoch, falls nötig, die Vorlagefragen umformulieren und damit nützliche Hinweise für die Lösung des Falles geben; vgl. nur EuGH vom 04.03.1999, Rs. C-87/97 (Gorgonzola/Cambozola), Slg. I-1999, Rn. 16. Vgl. EuGH vom 06.10.1982, Rs. 283/81 (CILFIT), Slg. 1982, Rn. 14, 16; BFH vom 13.06.2006, I R 78/04, BFH/NV 2007, Rn. III.5.; BGH vom 19.01.2006, I ZR 151/02, BGHReport 2006, Rn. II.1.b). Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, 2005, Rn. 75; Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 1044, S. 169.
16
fassungsgerichts (BVerfG) gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 GG91, so dass bei einer unterlassenen Vorlage an den EuGH zumindest eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG in Betracht kommt.92 In einem Vorabentscheidungsverfahren untersucht der EuGH gemäß der Kompetenzaufteilung (Art. 220 EGV) den Sachverhalt in EG-rechtlicher Hinsicht. Nationales Recht und das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) legt der EuGH hingegen nicht aus; dazu ist er gar nicht befugt.93 Folglich legt der EuGH EG-Recht so aus, dass das vorlegende nationale Gericht über die Vereinbarkeit der nationalen Norm mit Europarecht befinden kann. Nach ständiger Rechtsprechung dient die Auslegung der Grundfreiheiten der Erläuterung, wie diese seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden sind. Nationale Gerichte müssen also die vom EuGH entwickelten Grundsätze auch auf Rechtverhältnisse anwenden, die zeitlich vor dem Ersuchen um Vorabentscheidung entstanden sind (Wirkung ex tunc).94 Trotz dieser Wirkung ex tunc ist für die rückwirkende Änderung von bereits bestandskräftigen Verwaltungsakten, wie z. B. Steuerbescheiden, ausschließlich das nationale Verfahrensrecht relevant.95 Das Vorgehen des EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren im Bereich der Ertragsteuern lässt sich systematisch in vier Schritten darstellen.96 Zunächst prüft der EuGH, ob und welcher Schutzbereich einer Grundfreiheit eröffnet ist. Sofern eine Grundfreiheit einschlägig ist, wird in einem zweiten Schritt untersucht, ob für die betroffene Grundfreiheit eine Diskriminierung bzw. Beschränkung des Klägers durch die steuerliche Regelung vorliegt. Eine durch den EuGH festgestellte, gemeinschaftsrechtliche Beschränkung kann in einem dritten Schritt unter bestimmten Umständen gerechtfertigt werden. Wird eine Rechtfertigung durch den EuGH anerkannt, muss diese in einem letzten Schritt verhältnismäßig sein. Falls dies nicht der Fall ist, stellt der EuGH fest, dass das Gemeinschaftsrecht der in Rede stehenden, beschränkenden Steuernorm entgegen-
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Vgl. BVerfG vom 08.04.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, S. 233 f; vgl. auch BGH vom 19.01.2006, I ZR 151/02, BGHReport 2006, Rn. II.1.a). Vgl. z. B. BVerfG vom 09.11.1987, 2 BvR 808/82, EuGRZ 1988; BFH vom 11.05.2007, V S 6/07, BFH/NV 2007, Rn. II.2. Zu den rechtlichen Möglichkeiten vgl. Groh, DStR 1996, S. 1211. Vgl. EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), Slg. I-2006, Rn. 36; EuGH vom 06.12.2007, Rs. C298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 46 f.; BFH vom 09.08.2006, I R 31/01, BFH/NV 2007, Rn. III.7. Vgl. EuGH vom 06.03.2007, Rs. C-292/04 (Meilicke), Slg. I-2007, Rn. 34. Eine Begrenzung der zeitlichen Rückwirkung wird nur ausnahmsweise vom EuGH erteilt; zu den Anforderungen vgl. EuGH vom 06.03.2007, Rs. C-292/04 (Meilicke), Slg. I-2007, Rn. 35 f.; ausführlich vgl. Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 140-149. Vgl. z. B. EuGH vom 15.09.1998, Rs. C-231/96 (Edis), Slg. I-1998, Rn. 17; BFH vom 23.11.2006, V R 67/05, BFH/NV 2007, Rn. II.2.b)bb). Allerdings darf das nationale Verfahrensrecht es dem Steuerpflichtigen nicht tatsächlich unmöglich machen, seine Steuerrückforderung geltend zu machen; vgl. dazu ausführlich Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 150-156. Vgl. auch Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 346, S. 137; Hölzle, SteuStud 2007, S. 83; Oortwijn, ET 2006, S. 506.
17
steht. Damit ist aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts diese Regelung für alle grenzüberschreitenden Sachverhalte innerhalb der EU nicht mehr anwendbar.
Nein Keine EGrechtliche Beschränkung
1. Schritt: Schutzbereich einer Grundfreiheit eröffnet?
Persönlicher, räumlicher und sachlicher Schutzbereich
Ja
Nein
2. Schritt: Beschränkung der Grundfreiheit?
Inbound-Diskriminierung Outbound-Diskriminierung; Beschränkung
Ja Nein Verletzung von EG-Recht Nein Keine Verletzung von EG-Recht Ja
3. Schritt: Rechtfertigung möglich?
Beispiele: Abgelehnt: Vorteilsausgleich Akzeptiert: Kohärenz
Ja 4. Schritt: Verhältnismäßigkeit gegeben?
Geeignet Erforderlich Angemessen
Abbildung 1: Prüfschema des EuGH. Darstellung in Anlehnung an Jorewitz, EG-Konformität, 2004, S. 102, 145.
2.2.3.1.
Schutzbereiche der Grundfreiheiten
Grundlegende Voraussetzung bei allen Grundfreiheiten ist, dass es sich um einen Sachverhalt mit grenzüberschreitendem Bezug handeln muss; ein rein inländischer Fall wird vom EGVertrag nicht erfasst.97 Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages schützen in geographischer Hinsicht grundsätzlich alle grenzüberschreitenden Vorgänge innerhalb der Grenzen der EU, wie sie von Art. 299 EGV definiert werden. Mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wurden die Grundfreiheiten für den gesamten EWR rechtsgültig.98 Somit gelten die
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Vgl. EuGH vom 26.01.1993, Rs. C-112/91 (Werner), Slg. I-1993, Rn. 16; Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 262, S. 106; Gosch, DStR 2007, S. 1557. Vgl. Art. 1 Abs. 2 des Abkommens vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum; vgl. auch EFTAGerichtshof vom 23.11.2004, Rs. E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, Rn. 14-16. Entsprechend richtet der EFTAGerichtshof seine Rechtsprechung an der Judikatur des EuGH aus; vgl. EFTA-Gerichtshof vom 23.11.2004, Rs. E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, Rn. 23; ausführlich dazu vgl. z. B. Cordewener, FR 2005a, S. 238, 240.
18
Grundfreiheiten auch im Verhältnis zu drei der vier EFTA-Staaten: Island, Norwegen und Liechtenstein.99 Da es sich bei den Grundfreiheiten um einklagbare Rechte handelt, können sich grundsätzlich alle natürlichen Personen mit einer EU-Staatsbürgerschaft und alle juristischen Personen, die in der EU gegründet wurden und dort ansässig sind, darauf berufen.100 Unabhängig von der konkret angesprochenen Grundfreiheit muss es sich bei der geschützten Aktivität stets um einen Teil des Wirtschaftslebens i. S. d. Art. 2 EGV handeln101, was für Fälle der Unternehmensbesteuerung immer anzunehmen ist.102 In einem zweiten Schritt hängt es von dem jeweiligen Sachverhalt ab, welcher Schutzbereich einer Grundfreiheit eröffnet ist.
2.2.3.1.1. Die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) Die Niederlassungsfreiheit ist seit dem 1. Januar 1970 unmittelbar anwendbares Recht103 und vorrangig gegenüber geltendem nationalen Recht.104 Geographisch betrachtet, schützt sie alle grenzüberschreitenden Vorgänge innerhalb der EU (Art. 299 EGV) bzw. des EWR. Gegenüber Drittstaaten entfaltet sie keinerlei Schutzwirkung.105 Gemäß Art. 43 EGV schützt die Niederlassungsfreiheit sämtliche Staatsangehörige der EUMitgliedstaaten.106 Art. 48 EGV stellt juristische Personen den natürlichen gleich, sofern sie nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet wurden und entweder ihren Satzungssitz oder den Sitz der Hauptverwaltung in einem Mitgliedstaat haben.107 Damit sind Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, die in der EU gegründet wurden und dort ansässig sind, ebenfalls von 99
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EFTA-Staaten, die dem EWR angehören, gelten nicht als Drittstaaten im Sinne des EG-Vertrags; vgl. dazu EuGH vom 23.09.2003, Rs. C-452/01 (Ospelt), Slg. I-2003, Rn. 28, 32. Für Liechtenstein vgl. BGH vom 19.09.2005, II ZR 372/03, BGHReport 2005, Rn. II.1.b). Die Schweiz als vierter EFTA-Staat hat das EWRAbkommen nicht unterzeichnet; vgl. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 244, S. 53. Vgl. Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 220, S. 91, Rn. 224 f., S. 93. Andernfalls wäre die Verbandskompetenz, also die Zuständigkeit der EU, überhaupt nicht gegeben, vgl. Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 11 zu Art. 2 EGV, S. 164 f. So führt die Anforderung des Art. 2 EGV insbesondere in Bereichen der Kultur und des Sports zu Bereichsausnahmen; vgl. Arndt/Fischer, Europarecht, 2008, S. 121 f. Vgl. EuGH vom 21.06.1974, Rs. 2/74 (Reyners), Slg. 1974, S. 631-670; vgl. auch Gammie, Bulletin for international fiscal documentation 2003, S. 88; Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 3 zu Art. 43 EGV, S. 312. Zum Vorrang der Niederlassungsfreiheit (hier: ihrer Vorgängerregelung) vgl. EuGH vom 15.07.1964, Rs. 6/64 (Costa gegen E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1269 f.; van Thiel, EC Tax Review 2003, S. 5. Vgl. EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-102/05 (A und B), Slg. I-2007, Rn. 29; EuGH vom 24.05.2007, Rs. C157/05 (Holböck), Slg. I-2007, Rn. 28. Für natürliche Personen ist sie im Verhältnis zur Schweiz relevant; vgl. Art. 1 und 2 des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der EU und der Schweiz über die Freizügigkeit. Dies gilt nicht für juristische Personen i. S. d. Art. 48 EGV; vgl. Jung, ET 2007, S. 517; Hahn, DStZ 2007, S. 213. Vgl. Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 7 zu Art. 43 EGV, S. 313. Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 18; EuGH vom 21.09.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), Slg. I-1999, Rn. 34; vgl. auch Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 4-9 zu Art. 48 EGV, S. 330 f.; van Thiel, EC Tax Review 2003, S. 8.
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der Niederlassungsfreiheit geschützt – unabhängig von der Zusammensetzung des Gesellschafterkreises.108 In sachlicher Hinsicht wird die freie Wahl des Sitzes und der Rechtsform geschützt. So kann eine von Art. 43 bzw. 48 EGV geschützte Person eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch Begründung oder Verlegung einer Hauptniederlassung (primäre Niederlassungsfreiheit109) oder in Form von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften (sekundäre Niederlassungsfreiheit110) ausüben. Die Niederlassungsfreiheit beinhaltet somit das Recht dieser Person, in kontinuierlicher und stabiler Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates teilzunehmen, indem sie eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in diesem Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit ausübt.111 Direktinvestitionen in Form einer Tochtergesellschaft fallen deshalb ebenfalls unter den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit, sofern der Gesellschafter einen bestimmenden Einfluss ausüben kann.112 Bei einer Stimmenmehrheit von mehr als 50% ist ein bestimmender Einfluss regelmäßig zu bejahen.113 Allerdings genügt dem EuGH auch die Möglichkeit der Kontrolle und Einflussnahme auf das Unternehmen unabhängig von einer fixierten Beteiligungsschwelle114, so dass im Einzelfall niedrigere Beteiligungshöhen den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnen können. Beispielsweise ist im Rahmen eines Konsortiums eine Beteiligung von 49% ausreichend.115 Jedoch ist bei einer Beteiligung von einem Drittel der bestimmende Einfluss nicht notwendigerweise gegeben.116 Die absolute Untergrenze für einen solchen Einfluss werden 25% sein, da diese Schwelle im Regelfall bei steuerlich wesentlichen Beteiligungen Anwendung findet und diese Beteiligungshöhe auch gesellschaftsrechtlich Einfluss verleiht (z. B. Sperrminorität für Satzungsänderungen).117
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Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 6 zu Art. 43 EGV; Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 204, S. 47. Vgl. auch EuGH vom 05.11.2002, Rs. C-280/00 (Überseering), Slg. I-2002, Rn. 56, 59, 80. Vgl. EuGH vom 30.09.2003, Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. I-2003, Rn. 137 f.; EuGH vom 09.03.1999, Rs. C212/97 (Centros), Slg. I-1999, Rn. 27. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 53 f.; EuGH vom 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Slg. I-2006, Rn. 18 f. Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 9 zu Art. 43 EGV. Zum Kriterium des bestimmenden Einflusses vgl. EuGH vom 13.04.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. I-2000, Rn. 21. Vgl. auch EuGH vom 26.06.2008, Rs. C-284/06 (Burda), Slg. I-2008, Rn. 70; EuGH vom 24.05.2007, Rs. C157/05 (Holböck), Slg. I-2007, Rn. 37 f.; EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 (Lasertec), Slg. I-2007, Rn. 23; EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 31 f. Vgl. EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 (Lasertec), Slg. I-2007, Rn. 22; Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 197. Vgl. EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 5, 22. Vgl. EuGH vom 13.04.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. I-2000, Rn. 20. Vgl. EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 (Lasertec), Slg. I-2007, Rn. 21 f.; Goebel/Palm, IStR 2007, S. 725; Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007b, S. 374; vgl. auch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S.
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Laut EuGH darf eine von der Niederlassungsfreiheit geschützte Person nicht gezwungen werden, eine bestimmte Rechtsform anzunehmen, um steuerliche Vorteile zu erlangen, da die Niederlassungsfreiheit gerade die Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit in jeder der obigen Formen garantiert.118 Im Bereich der Ertragsteuern bedeutet das, dass ein Steuerpflichtiger mittels einer Betriebsstätte, eines Stammhauses, einer Tochterpersonengesellschaft oder einer Tochterkapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat wirtschaftlich aktiv werden darf. Davon abzugrenzen sind rein künstliche, missbräuchliche Sachverhalte, die nicht zur Berufung auf die Niederlassungsfreiheit berechtigen.119 Dieser Missbrauchsbegriff ist jedoch seitens des EuGH sehr eng zu verstehen.120 So sind beispielsweise auch vermögensverwaltende Tätigkeiten einer Holding, die nur konzerninterne Beteiligungen hält, von der Niederlassungsfreiheit geschützt.121 Das Ausnutzen vorteilhafter Rechtsvorschriften ist nicht per se missbräuchlich und führt nicht zum Ausschluss vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit.122
2.2.3.1.2. Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EGV) Die Kapitalverkehrsfreiheit bzw. ihre Vorgängerregelung, die Richtlinie über den freien Kapitalverkehr123, ist seit dem 1. Juli 1990 unmittelbar anwendbares Recht124 und vorrangig gegenüber geltendem nationalen Recht.125 Geographisch betrachtet, umfasst sie nicht nur alle grenzüberschreitenden Vorgänge innerhalb der EU bzw. des EWR. Sie entfaltet gemäß dem Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 EGV auch gegenüber allen Drittstaaten (erga omnes) Schutzwirkung.126 Die Ka-
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208 f., der sich für 10% ausspricht. Dieser Wert wurde jedoch explizit verworfen durch das Urteil des EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 58 f. Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 22; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), Slg. I-2006, Rn. 14; EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 40. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 35, 38; Hahn, DStZ 2007, S. 205, 207. Vgl. auch EuGH vom 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Slg. I-2006, Rn. 18. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1066. EG-rechtlich ist nur die private Vermögensverwaltung von der Niederlassungsfreiheit ausgeschlossen; vgl. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 229. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 36 f.; Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 418, S. 159; Hahn, DStZ 2007, S. 206; Meussen, ET 2007, S. 15. Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (88/361/EWG). Vgl. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie über den freien Kapitalverkehr; EuGH vom 23.02.1995, Rs. C-358/93 und C416/93 (Bordessa), Slg. I-1995, Rn. 33, 35; EuGH vom 14.12.1995, Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera), Slg. I-1995, Rn. 41, 43; vgl. auch Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 1 zu Art. 56 EGV, S. 351. Vgl. EuGH vom 23.02.1995, Rs. C-358/93 und C-416/93 (Bordessa), Slg. I-1995, Rn. 35; EuGH vom 14.12.1995, Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera), Slg. I-1995, Rn. 48. Vgl. Weber, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 2003, Rn. 25 zu Art. 56 EGV, S. 726. Die Schutzwirkung gegenüber Drittstaaten war indes erst seit dem 1. Januar 1994 mit Inkrafttreten der Vorgängerregelungen (Art. 73b73g EGV) gegeben, da die Richtlinie über den freien Kapitalverkehr (Art. 1 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1) keine Pflicht zum Abbau von Hemmnissen gegenüber Drittstaaten vorsah; vgl. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 221 und 338, S. 50 und 65.
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pitalverkehrsfreiheit hat zum Ziel, dass das Kapital stets dort eingesetzt werden kann, wo es die höchste Rendite generiert.127 Die Schutzwirkung ist hinsichtlich des Personenkreises ebenfalls weit gefasst, da die Kapitalverkehrsfreiheit nicht auf in der EU ansässige Personen beschränkt ist. So muss entweder die investierende Person oder diejenige, die das investierte Kapital erhält, in der EU ansässig sein.128 Demgemäß sind auch Investitionen in Drittstaaten, die von EU-Angehörigen getätigt werden, und Investitionen in der EU durch Drittstaatsangehörige von der Kapitalverkehrsfreiheit erfasst. In sachlicher Hinsicht sind sämtliche grenzüberschreitenden Kapitalverkehrsvorgänge – Geldkapital und Sachkapital – geschützt.129 Hierbei kommt es laut EuGH nicht auf einen bestimmenden Einfluss an; eine Portfoliobeteiligung an einem Unternehmen ist ausreichend. So wird beispielsweise der Empfang von Portfoliodividenden von der Kapitalverkehrsfreiheit abgedeckt.130 Für die genaue Bestimmung, was unter den Begriff des Kapitalverkehrs im Sinne des EG-Vertrags fällt, greift der EuGH im Regelfall auf die Richtlinie über den freien Kapitalverkehr zurück131, die eine nicht erschöpfende Liste geschützter Aktivitäten enthält, darunter Direktinvestitionen mittels einer Betriebsstätte oder einer Tochterkapitalgesellschaft, Portfolioinvestitionen und Darlehen.132
2.2.3.1.3. Abgrenzung der Niederlassungsfreiheit von der Kapitalverkehrsfreiheit Die Kapitalverkehrsfreiheit ist weiter gefasst als die Niederlassungsfreiheit, weil sie einerseits Portfolioinvestitionen, andererseits wie die Niederlassungsfreiheit auch Investitionen umfasst, die einen bestimmenden Einfluss gewährleisten. Dann stellt sich aber für den letzteren Fall die Frage, ob die Niederlassungsfreiheit, die Kapitalverkehrsfreiheit oder beide Freiheiten zugleich einschlägig sind. Zwar ist die Prüfung einer Beschränkung und möglicher Rechtfertigungen bei
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Vgl. Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 2278, S. 1027 f.; Weber, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 2003, Rn. 2 zu Art. 56 EGV, S. 715. Vgl. auch Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 2743 f., S. 1034; Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 2003, Rn. 24 zu Art. 56 EGV; Weber, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 2003, Rn. 24 zu Art. 56 EGV, S. 725 f. Vgl. z. B. Kiemel, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, 2003, Rn. 1 zu Art. 56 EGV. Vgl. EuGH vom 06.06.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. I-2000, Rn. 30 Vgl. EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-256/06 (Jäger), Slg. I-2008, Rn. 24; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-513/03 (Hilten van der Heijden), Slg. I-2006, Rn. 39; Weber, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 2003, Rn. 5 zu Art. 56 EGV, S. 716; Dölker/Ribbrock, BB 2007, S. 1928. Vgl. Anhang I der Richtlinie über den freien Kapitalverkehr; vgl. auch EuGH vom 06.06.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. I-2000, Rn. 27.
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beiden Freiheiten identisch, jedoch ist die Frage, welche Freiheit zur Anwendung kommt, wegen der Drittstaatenfrage gerade im steuerlichen Bereich von großer Relevanz.133 In der älteren Rechtsprechung betrachtete der EuGH beide Grundfreiheiten parallel (Komplementaritätsverhältnis).134 Sofern die Prüfung anhand der ersten Grundfreiheit bereits ergab, dass die nationale Norm EG-rechtswidrig war, erübrigte sich eine ausführliche Prüfung der anderen Grundfreiheit.135 Seit dem Urteil in der Rechtssache Cadbury Schweppes entspricht es dagegen gefestigter Rechtsprechung, dass der EuGH a priori nur diejenigen Grundfreiheiten prüft, die vorwiegend von der steuerlichen Norm betroffen sind.136 Daraus kann gefolgert werden, dass zwischen der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit grundsätzlich ein Exklusivitätsverhältnis besteht.137 Betrifft die Norm nämlich nur Beteiligungen mit sicherem Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, also insbesondere Direktinvestitionen, die unter der Leitung und Kontrolle des Steuerpflichtigen stehen, zieht der EuGH im Rahmen seiner Prüfung ausschließlich die Niederlassungsfreiheit heran.138 Dabei kommt der in der steuerlichen Norm geforderten Beteiligungshöhe entscheidende Bedeutung zu. Allerdings sind auch die Zielsetzung der Norm und die damit verbundene Intention des Gesetzgebers wichtig, ob mit der betreffenden Norm nur Beteiligungen erfasst werden sollen, die einen sicheren Einfluss auf die Gesellschaft gewähren.139 Sofern solche Rechtsvorschriften „beschränkende Auswirkungen […] auf die Kapitalverkehrsfreiheit haben, sind derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigen jedenfalls keine eigenständige Prüfung der genannten Rechtsvorschriften im Hinblick auf […] Artikel 56 EG“.140 In diesem Fall sind also Beschränkungen von Drittstaatensachverhalten EG-rechtlich uneingeschränkt zulässig.141
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Für die mittelbare Schutzwirkung der Grundfreiheiten auf Drittstaatensachverhalte, insbesondere durch DBARecht, vgl. z. B. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 262-314, S. 54-61. Vgl. EuGH vom 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. I-2002, Rn. 66, 75; vgl. auch Dölker/Ribbrock, BB 2007, S. 1929; Saß, FR 2000, S. 1271; Hahn, EG-Recht, 1999, S. 92. Vgl. EuGH vom 13.04.2000, Rs. C-251/98 (Baars), Slg. I-2000, Rn. 42; EuGH vom 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. I-2002, Rn. 72; EuGH vom 11.12.2003, Rs. C-364/01 (Barbier), Slg. I-2003, Rn. 75. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 32; EuGH vom 24.05.2007, Rs. C-157/05 (Holböck), Slg. I-2007, Rn. 22; EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 (Lasertec), Slg. I-2007, Rn. 19 f.; EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 23 f. Zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Dölker/Ribbrock, BB 2007, S. 1929 f. Vgl. auch Schwenke, IStR 2006, S. 753; Hahn, DStZ 2007, S. 212. Vgl. EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 (Lasertec), Slg. I-2007, Rn. 22-24; EuGH vom 13.03.2007, Rs. C524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 33. Vgl. EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-492/04 (Lasertec), Slg. I-2007, Rn. 22; besonders augenfällig in EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-102/05 (A und B), Slg. I-2007, Rn. 4, 25 f.; vgl. auch Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, S. 647; Smit, EC Tax Review 2007, S. 266. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 33; EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 34; EuGH vom 18.07.2007, Rs.
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Falls eine steuerliche Regelung unterschiedslos alle Beteiligungen unabhängig von ihrer Höhe und damit auch Portfolioinvestitionen erfasst, sind die Niederlassungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit im Grundsatz parallel anwendbar.142 Zusätzlich scheint dann die tatsächliche Beteiligungshöhe des konkreten Rechtsstreits über die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten zu entscheiden.143 Ermöglicht die Beteiligungshöhe einen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft, ist erneut ausschließlich die Niederlassungsfreiheit zu prüfen, während eine denkbare Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt.144 Sollte die Beteiligungshöhe hingegen keinen bestimmenden Einfluss gewährleisten, sind steuerliche Beschränkungen von Drittstaatensachverhalten EG-rechtlich zu rechtfertigen.
2.2.3.2.
Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit
Nach dem Wortlaut der Vorschrift (Art. 43 Abs. 2 EGV) sind Diskriminierungen im InboundFall, d. h. ein ausländischer Steuerpflichtiger will im Inland investieren, verboten. Ein im Inland investierender Ausländer muss steuerlich genauso behandelt werden wie ein im Inland investierender Inländer (Inländergleichbehandlung). Es ist dem Aufnahmestaat nicht erlaubt, steuerlich offen zu diskriminieren anhand der Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person oder des Sitzes einer juristischen Person.145 Ebenso verboten ist die verdeckte Diskriminierung, die nicht direkt an die Staatsbürgerschaft oder den Sitz, sondern an andere Merkmale anknüpft, aber im Ergebnis hauptsächlich zu einer Schlechterstellung von Nicht-Gebietsansässigen führt.146
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C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 24. Gleicher Tenor bzgl. des Verhältnisses zwischen Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit; vgl. EuGH vom 03.10.2006, Rs. C-452/04 (Fidium Finanz), Slg. I-2006, Rn. 48 f. Zur rechtsdogmatischen Kritik an dieser EuGH-Rechtsprechung vgl. z. B. Bezborodov, Intertax 2007, S. 673, 677-681; Fontana, ET 2007, S. 435 f.; Smit, EC Tax Review 2007, S. 267; a. A. Haslehner, IStR 2008, S. 574 f. Vgl. EuGH vom 24.05.2007, Rs. C-157/05 (Holböck), Slg. I-2007, Rn. 23 f.; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 38, 165; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 37 f.; Köhler/Tippelhofer, IStR 2007, S. 648. So EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 39 f.; EuGH vom 26.06.2008, Rs. C-284/06 (Burda), Slg. I-2008, Rn. 71 f. Inwieweit es ausschließlich auf die tatsächliche Beteiligungshöhe – ungeachtet der Zielsetzung der Norm – ankommt, ist derzeit unklar; vgl. Haslehner, IStR 2008, S. 572 f.; vgl. auch Dölker/Ribbrock, BB 2007, S. 1931; Rehm/Nagler, GmbHR 2008, S. 11 f. Vgl. EuGH vom 26.06.2008, Rs. C-284/06 (Burda), Slg. I-2008, Rn. 72-75. Für den Fall einer juristischen Person vgl. EuGH vom 08.03.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft), Slg. I-2001, Rn. 42, 76; EuGH vom 29.04.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. I-1999, Rn. 30, wobei auch eine indirekte Diskriminierung festzustellen war. Vgl. bereits EuGH vom 12.02.1974, Rs. 152/73 (Sotgiu), Slg. 1974, Rn. 11; EuGH vom 29.04.1999, Rs. C311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. I-1999, Rn. 24 f.; EuGH vom 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. I-1999, Rn. 35 f.; EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 29, 32; vgl. auch Scheuer, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 2003, Rn. 5 zu Art. 43 EGV, S. 618 f.
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Diese ursprüngliche Bedeutung wurde durch den EuGH auf den Outbound-Fall, d. h. ein inländischer Steuerpflichtiger will im Ausland investieren bzw. ins Ausland wegziehen, erweitert.147 Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich eine Regelung, die diskriminierungsfrei auf alle Steuerpflichtigen Anwendung findet, eine EG-rechtliche Outbound-Diskriminierung, sofern die Steuernorm den grenzüberschreitenden Sachverhalt benachteiligt. Ein im Ausland investierender Inländer muss steuerlich genauso behandelt werden wie ein im Inland investierender Inländer.148 Bei einem solchen gleichheitsrechtlichen Diskriminierungsverbot ist ein Vergleichspaar zwingend notwendig.149 In beiden Fällen kann nämlich nur dann eine ungerechtfertigte Diskriminierung erkannt werden, sofern sich der Inländer und Ausländer in einer vergleichbaren Position befinden bzw. die Auslands- und Inlandsinvestitionen vergleichbar sind. Die grenzüberschreitende Transaktion (Inbound- oder Outbound-Fall) muss also vergleichbar sein mit einer rein inländischen Transaktion.150 Allerdings verlangt der EuGH keine Vergleichbarkeit im Allgemeinen. Vielmehr zielt er darauf ab, ob im Lichte der im jeweiligen Fall relevanten Steuernorm Vergleichbarkeit gegeben ist.151 Beispiel 1: Allgemein betrachtet sind Betriebsstätten und Kapitalgesellschaften nicht miteinander vergleichbar, z. B. wegen des unterschiedlichen Umfangs der Haftung oder der Frage der rechtlichen Selbständigkeit. Im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung sind jedoch inländische Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften und inländische Kapitalgesellschaften miteinander vergleichbar, da die Bemessungsgrundlage nach den gleichen, nationalen Regeln ermittelt wird.152
Ein rein ausländisches Vergleichspaar – zwei verschiedene Niederlassungsformen im gleichen ausländischen Mitgliedstaat oder die gleiche Niederlassungsform in zwei verschiedenen ausländischen Mitgliedstaaten werden miteinander verglichen – ist hingegen für die Feststellung einer Diskriminierung nicht relevant.153 Denn bei einem solchen Vergleich fehlt es an der spezifisch grenzüberschreitenden Komponente, welche die Diskriminierung auslöst.154 Auch über den
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Vgl. z. B. EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-471/04 (Keller Holding), Slg. I-2006, Rn. 30; Weber-Grellet, Steuerrecht, 2005, S. 47 f.; Rödder, DStR 2004, S. 1630; Vanistendael, EC Tax Review 2003, S. 141. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 31; vgl. auch Vanistendael, EC Tax Review 2003, S. 138 f. Vgl. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 420, S. 76; Petritz/Schuch, Grundfreiheiten, 2005, S. 133 f. Vgl. O’Shea, EC Tax Review 2006, S. 74, 76 Vgl. EuGH vom 21.09.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), Slg. I-1999, Rn. 46-48. Vgl. dazu EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 19; EuGH vom 29.04.1999, Rs. C311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. I-1999, Rn. 29. Vgl. auch O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 21; a. A. Douma, ET 2006, S. 531. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I2005, Rn. 49; Cordewener et al., ET 2004b, S. 231; Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 304; Franck, IStR 2007, S. 494.
25
„Umweg“ einer DBA-rechtlichen Meistbegünstigung lassen sich solche Vergleichspaare EGrechtlich nicht erzwingen.155 Beispiel 2: Für die Prüfung einer EG-rechtlichen Beschränkung durch die Hinzurechnungsbesteuerung ist das Vergleichspaar ausländische Tochtergesellschaft versus inländische Tochtergesellschaft relevant. Der Vergleich einer ausländischen Tochtergesellschaft in Mitgliedstaat A, dessen Steuersatz eine Hinzurechnungsbesteuerung auslöst, mit einer ausländischen Tochtergesellschaft, die in Mitgliedstaat B residiert, dessen Steuersatzniveau indes hoch genug ist, dass keine Hinzurechnungsbesteuerung greifen kann, ist hingegen nicht einschlägig.156 Es handelt sich insoweit um ein rein ausländisches Vergleichspaar. Dies trifft ebenfalls auf den Vergleich einer ausländischen Betriebsstätte, bei der die Hinzurechnungsbesteuerung greift, mit einer ausländischen Tochtergesellschaft zu, die im gleichen Mitgliedstaat ansässig ist, aber von der Hinzurechnungsbesteuerung verschont wird. Deshalb ist dieses Vergleichspaar ebenso wenig EG-rechtlich beachtlich.157
Auf diese Weise miteinander vergleichbare Sachverhalte sind laut EuGH gleich zu behandeln.158 Bei einer Ungleichbehandlung des grenzüberschreitenden Sachverhalts liegt eine EG-rechtlich grundsätzlich verbotene Diskriminierung im Inbound- bzw. Outbound-Fall vor.159 Laut Rechtsprechung des EuGH stellen unter anderen unterschiedliche Steuersätze160, fehlende Anrechnungsmöglichkeiten161, die Versagung eines Steueraufschubs162, das Verbot des Verlustausgleichs163, das Verbot des Betriebsausgabenabzugs164, die Durchbrechung des Trennungsprinzips165 und die Stellung von Sicherheiten166 EG-rechtlich verbotene Ungleichbehandlungen dar. Allgemeiner formuliert stellen insbesondere Liquiditätsnachteile aus einer zeitlich früheren oder
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Vgl. EuGH vom 05.07.2005, Rs. C-376/03 (D), Slg. I-2005, Rn. 62 f.; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 90 f.; Franck, IStR 2007, S. 493. Das rein ausländische Vergleichspaar wurde im Fall Cadbury Schweppes nicht explizit verworfen, aber es lag bereits eine Diskriminierung im Vergleich zum inländischen Fall vor; vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 44 f. Insofern war der Vergleich ausländischer Tochtergesellschaften in verschiedenen Mitgliedstaaten für diesen Fall nicht ausschlaggebend; vgl. Franck, IStR 2007, S. 493; vgl. auch O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 29. Diese Ansicht wurde explizit im Fall Columbus Container bestätigt; vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 50 f. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 52 f.; vgl. auch EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 32 f. Vgl. EuGH vom 29.04.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. I-1999, Rn. 26. Vgl. Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 8-21 zu Art. 43 EGV, S. 313-317. Eine Diskriminierung kann ebenfalls vorliegen, wenn nicht miteinander vergleichbare Sachverhalte zu Lasten des grenzüberschreitenden Sachverhalts gleich behandelt werden; vgl. EuGH vom 14.02.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. I-1995, Rn. 30. Vgl. EuGH vom 29.04.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland), Slg. I-1999, Rn. 30; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), Slg. I-2006, Rn. 17. Vgl. EuGH vom 07.09.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg. I-2004, Rn. 21 f. Vgl. EuGH vom 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. I-2002, Rn. 36-39. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 33 f.; EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 25 f. Vgl. EuGH vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), Slg. I-2003, Rn. 27, 33; EuGH vom 28.10.1999, Rs. C55/98 (Vestergaard), Slg. I-1999, Rn. 22. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 44 f. Vgl. EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 36; EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 47 f.
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höheren Steuerzahlung eine EG-rechtlich beachtliche Diskriminierung dar.167 Das Diskriminierungsverbot gilt in entsprechender Weise im Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit.168 Die Outbound-Diskriminierung ist der wichtigste Fall des vom EuGH entwickelten Beschränkungsbegriffs. Denn der EuGH hat das gleichheitsrechtliche Diskriminierungsverbot zu einem umfassenden freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbot ausgeweitet, was im Bereich der direkten Steuern schon 1988 ausdrücklich formuliert wurde.169 In Weiterführung der in einem anderen Zusammenhang entwickelten Dassonville-Formel170 ist es nicht erlaubt, die Ausübung einer Grundfreiheit, unmittelbar oder mittelbar, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.171 Hinsichtlich der Kapitalverkehrsfreiheit kann dieser Beschränkungsbegriff schon dem Wortlaut der Vorschrift entnommen werden, da Art. 56 Abs. 1 EGV allgemein von verbotenen Beschränkungen spricht. Diese Formulierung setzt im Gegensatz zum Diskriminierungsverbot einen absoluten Maßstab. Ein Vergleichspaar ist nicht mehr notwendig, womit jede Erschwernis und damit auch jede Steuererhebung für einen grenzüberschreitenden Sachverhalt im Prinzip als Beschränkung gewertet werden könnte.172 Bei einem derart weiten Verständnis einer Beschränkung müssten effektiv sämtliche europäischen Steuernormen harmonisiert werden, um eine Zusatzbelastung grenzüberschreitender Transaktionen weitestgehend zu vermeiden.173 Beispiel 3: Unter Geltung des Welteinkommensprinzips müssen Verluste ausländischer Betriebsstätten als Teil des Welteinkommens beim inländischen Stammhaus prinzipiell abzugsfähig sein. Gleichzeitig muss dies bei Geltung eines freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbots auch für Verluste ausländischer Tochtergesellschaften möglich sein – unabhängig von der Berücksichtigung des Trennungsprinzips. Andernfalls entstünde bei der Investition über eine ausländische Tochtergesellschaft eine beschränkende Zusatzlast aus dem eingeschränkten Verlustausgleich.
Der ständigen Rechtsprechung ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der Beschränkungsbegriff so weit zu verstehen ist. Trotz des wiederholten Bezugs auf das allgemeine Beschränkungsverbot hat der EuGH in ertragsteuerlichen Rechtssachen mit Ausnahme des Futura-Urteils auf der
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Vgl. EuGH vom 08.03.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft), Slg. I-2001, Rn. 44; EuGH vom 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. I-2002, Rn. 36. Vgl. z. B. EuGH vom 15.07.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), Slg. I-2004, Rn. 20-22. Vgl. EuGH vom 27.09.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, Rn. 16. Zum freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbot vgl. z. B. Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 234-236; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 176 f., 180 f. Vgl. EuGH vom 11.07.1974, Rs. 8/74 (Dassonville), Slg. 1974, Rn. 5. Vgl. EuGH vom 31.03.1993, Rs. C-19/92 (Kraus), Slg. I-1993, Rn. 32; EuGH vom 30.11.1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. I-1995, Rn. 37. Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 2007, Rn. 33 zu Art. 43 EGV; Reimer, Grundfreiheiten, 2000, S. 57; Englisch, Intertax 2005, S. 316; einschränkend Kokott, Grundfreiheiten, 2000, S. 18. Kritisch bzgl. eines weiten Verständnisses Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 288-290; Baßler, IStR 2005, S. 823; Arndt/Fischer, Europarecht, 2008, S. 124 f.; vgl. auch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 66; Petritz/Schuch, Grundfreiheiten, 2005, S. 131; Mason, Tax Discrimination, 2007, S. 15.
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Grundlage des gleichheitsrechtlichen Diskriminierungsverbots entschieden.174 Lediglich in In-
bound-Fällen wird durch den EuGH eine freie Rechtsformwahl in dem Sinne gefordert175, dass inländische Betriebsstätten ausländischer Muttergesellschaften steuerlich genauso behandelt werden wie inländische Kapitalgesellschaften (horizontales Vergleichspaar176). Beispiel 4 (in Fortführung zu Beispiel 1 auf S. 22): Im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung sind inländische Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften und inländische Kapitalgesellschaften miteinander vergleichbar, da die Bemessungsgrundlage nach den gleichen, nationalen Regeln ermittelt wird. Dementsprechend sind beide Niederlassungsformen im Inbound-Fall gleich zu behandeln, z. B. im Hinblick auf den anzuwendenden Steuersatz177 oder die steuerliche Freistellung empfangener Dividenden.178
In Outbound-Fällen hingegen betrachtet der EuGH immer nur Vergleichspaare derselben Niederlassungsform (vertikales Vergleichspaar).179 Demgemäß ist eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften bzw. Betriebsstätten in Out-
bound-Fällen EG-rechtlich solange nicht zu beanstanden, wie keine Diskriminierung grenzüberschreitender Aktivitäten erfolgt.180 Wenn sich der Gesetzgeber für die steuerliche Respektierung des Trennungsprinzips entscheidet, gilt das für ausländische und inländische Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Ebenso wenig ist eine transparente Besteuerung von Personengesellschaften zu beanstanden, solange bei inländischen und ausländischen Personengesellschaften keine Ungleichbehandlung, also keine Belastungsungleichheit vorliegt.181 Offensichtlich impliziert das EG-Recht beim derzeitigen Stand keine grenzüberschreitende Rechtsformneutralität.182 Demzufolge kann auch das Postulat einer grenzüberschreitenden Finanzierungsneutralität nicht aus dem EG-Recht abgeleitet werden.183 Denn es geht stets um den Vergleich des Auslandsfalls 174
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Vgl. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 427, S. 77; Schwenke, IStR 2006, S. 750; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 402, 844; Reimer, FR 2007, S. 225; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 85. Allenfalls eine prohibitiv wirkende Steuer könnte unter das weit verstandene Beschränkungsverbot fallen; vgl. Reimer, Grundfreiheiten, 2000, S. 59; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 855 f.; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 250 f. Vgl. Schnitger, EC Tax Review 2006, S. 158. Zur Begrifflichkeit des horizontalen und vertikalen Vergleichspaares vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 402, 832 f. Vgl. EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), Slg. I-2006, Rn. 31. Vgl. EuGH vom 21.09.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), Slg. I-1999, Rn. 63. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 27; EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 39 f. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 53. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 39 f., 49. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 27; Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 48 f.; O’Shea, EC Tax Review 2006, S. 82; Hey, GmbHR 2006, S. 118; Schnitger, IStR 2004, S. 826; Cordewener et al., ET 2004b, S. 232; Meussen, EC Tax Review 2003, S. 147; Wattel, EC Tax Review 2003, S. 197; Schön, EWS 2000, S. 289 f.; a. A. Lang, SWI 2005, S. 258; Petritz/Schilcher, SWI 2005, S. 238; Gutmann, EC Tax Review 2003, S. 155 f.; Herzig, Körperschaftsteuersystem, 1997, S. 634; a. A. wohl auch Dautzenberg, EWS 2001, S. 272. Vgl. auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 259 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 213 f.
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mit dem Inlandsfall, beispielsweise um den Vergleich der Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer inländischen Tochtergesellschaft durch eine ausländische Muttergesellschaft mit derjenigen durch eine inländische Muttergesellschaft.184 Ob Eigenfinanzierung gegenüber der Fremdfinanzierung steuerlich bevorzugt oder benachteiligt wird, ist demgegenüber EG-rechtlich irrelevant, sofern keine Diskriminierung ausländischer Sachverhalte für den jeweiligen Finanzierungsweg vorliegt. Ebenso wenig kann ein Steuerpflichtiger auf Basis des EG-Rechts verlangen, dass bei der Inanspruchnahme der Grundfreiheiten Steuerbelastungsunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten eingeebnet werden185, dass also grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten neutral hinsichtlich der Höhe der Steuersätze besteuert werden. Aus den Unterschieden der nicht harmonisierten, mitgliedstaatlichen Steuersysteme insbesondere mit Blick auf die Steuersätze resultieren zwar Verzerrungen von Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen innerhalb des Binnenmarkts186, die der EuGH jedoch aufgrund des mitgliedstaatlichen Vorbehalts bei den direkten Steuern in ständiger Rechtsprechung hinnimmt.187 Dass das zentrale Anliegen des EuGH gerade nicht eine neutrale, verzerrungsfreie Besteuerung ist, wird auch daran deutlich, dass der EuGH in ständiger Rechtsprechung aus dem EG-Vertrag keinen Anspruch auf Beseitigung der rechtlichen Doppelbesteuerung herleitet.188 Dermaßen weitgehende Forderungen nach (grenzüberschreitender) Neutralität widersprächen sicherlich auch dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV, da wesentliche Entscheidungen bzgl. der Unternehmensbesteuerung, wie z. B. die Besteuerung einzelner Rechtsformen, vorgegeben wären. Dies kann aber nicht Sinn und Zweck des EG-Vertrags sein.189 Die Autonomie der Mitgliedstaaten bei der grundsätzlichen Entscheidung über die Höhe der Bemessungsgrundlage und der Steuersätze190 und über die Besteuerung von Rechtsformen und Finanzierungswegen191
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Vgl. EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 29, 31; EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 22. Vgl. EuGH vom 12.07.2005, Rs. C-403/03 (Schempp), Slg. I-2005, Rn. 45; EuGH vom 28.02.2008, Rs. C293/06 (Deutsche Shell), Slg. I-2008, Rn. 43; Englisch, StuW 2003, S. 94. Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed, 23.02.2006, Rs. C-374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 46. Vgl. EuGH vom 12.05.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. I-1998, Rn. 48; Douma, ET 2006, S. 525; Schnitger, IStR 2005, S. 500; vgl. auch Kube, IStR 2008, S. 310 f. Vgl. EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I2006, Rn. 51 f.; EuGH vom 14.11.2006, Rs. C-513/04 (Kerckhaert Morres), Slg. I-2006, Rn. 22 f.; EuGH vom 12.05.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. I-1998, Rn. 23; Weber, Intertax 2006, S. 594. Vgl. auch Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 5; Englisch/Hey, Wirtschaftsdienst 2005, S. 226; Lehner, Grundfreiheiten, 2000, S. 281; in diesem Sinne auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 833; Mason, Tax Discrimination, 2007, S. 15. Vgl. EuGH vom 20.05.2008, Rs. C-194/06 (Orange European Smallcap), Slg. I-2008, Rn. 48; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 50; EuGH
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wird deshalb folgerichtig vom EuGH anerkannt. Der EuGH hat in dieser Hinsicht wiederholt festgestellt, dass eine weitergehende Harmonisierung der direkten Steuern ausschließlich in das Aufgabengebiet der Mitgliedstaaten fällt.192 Beim jetzigen Stand des Europarechts wird von den Mitgliedstaaten – bei gegebener Vergleichbarkeit der Sachverhalte – nur eine diskriminierungsfreie Gleichbehandlung inländischer und grenzüberschreitender Sachverhalte gefordert.193 Eine umfassende Neutralität der Besteuerung im Binnenmarkt muss aufgrund EG-rechtlicher Vorgaben jedoch nicht hergestellt werden.194
2.2.3.3.
Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit
Der EG-Vertrag selbst enthält geschriebene Rechtfertigungsgründe, die eine EG-rechtlich verbotene Beschränkung dennoch erlauben können. Die meisten dieser Gründe – öffentliche Sicherheit und Ordnung (Art. 46 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 1 lit. b) EGV) sowie Gesundheit (Art. 46 Abs. 1 EGV) – sind im Bereich der Ertragsteuern nicht einschlägig.195 Lediglich im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit existiert eine Schutzklausel (Art. 57 Abs. 1 EGV), die Beschränkungen, die zum 31. Dezember 1993 bestanden haben, von der Schutzwirkung ausnimmt.196 Diese Klausel ist jedoch nicht nur zeitlich beschränkt, sondern umfasst auch in sachlicher Hinsicht nur Direktinvestitionen197, weshalb sie angesichts der seitdem vielfältigen Änderungen im Ertragsteuerrecht nicht weiter betrachtet werden soll. Darüber hinaus erlaubt Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit eine differenzierende steuerliche Behandlung in Abhängigkeit vom Wohnsitz des Steuerpflichtigen oder vom Ort der Kapitalanlage. Allerdings wird diese Vorschrift durch Art. 58 Abs. 3 EGV eingeschränkt, wonach eine solche Differenzierung nicht zu einer nach dem EG-Vertrag verbotenen Beschränkung führen darf. Somit führt dieser geschriebene Rechtfertigungsgrund zu keiner allgemeinen Bereichsausnahme des Steuerrechts von
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vom 12.07.2005, Rs. C-403/03 (Schempp), Slg. I-2005, Rn. 45; EuGH vom 12.05.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. I-1998, Rn. 34, 47. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 53; EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 34. Vgl. z. B. EuGH vom 23.02.2002, Rs. C-234/99 (Nygard), Slg. I-2002, Rn. 38. Ebenso Douma, ET 2006, S. 531 f.; Schnitger, IStR 2004, S. 827; Hey, StuW 2005, S. 318; Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 185, S. 71. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird einheitlich der Begriff Beschränkung für Inbound- und Outbound-Diskriminierungen benutzt. Vgl. dazu auch später Kapitel 5.2.2.1. Vgl. Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 301; Gammie, Bulletin for international fiscal documentation 2003, S. 92; Fontana, ET 2006, S. 324; Hahn, DStZ 2005, S. 507. Vgl. z. B. Schönfeld, IStR 2005, S. 410-414; Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007b, S. 375 f. Vgl. z. B. EuGH vom 20.05.2008, Rs. C-194/06 (Orange European Smallcap), Slg. I-2008, Rn. 99-101; vgl. auch Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 1 f. zu Art. 57 EGV, S. 355.
30
der Kapitalverkehrsfreiheit.198 Vielmehr ist es anerkannte Rechtsprechung, dass der geschriebene Rechtfertigungsgrund des Art. 58 Abs. 1 lit. a) EGV genauso wie die vom EuGH entwickelten, ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe beurteilt werden muss.199 Somit kann eine beschränkende steuerliche Norm nur mit Hilfe zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Anhand der so genannten Cassis de Dijon-Formel hat der EuGH Rechtfertigungsgründe entworfen, mit denen das grundlegende Verbot einer Beschränkung begrenzt wird.200 Gemäß der rule of reason muss eine akzeptierte Rechtfertigung in einer nicht diskriminierenden Weise angewendet werden201, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig, d. h. sowohl geeignet als auch erforderlich202, sein.203 Als geeignet gilt eine Regelung, wenn sie der Zielerreichung dienlich ist und insoweit konsistent angewendet wird. Dieses Kriterium dient als eine Art Grobfilter und ist regelmäßig bereits erfüllt, wenn die nationale Norm der Zielerreichung zumindest förderlich ist.204 Die Geeignetheit wird jedoch beispielsweise dann verfehlt, wenn trotz einer Missbrauchsnorm Missbrauch stattfinden kann.205 Erforderlichkeit bedeutet, dass für die Zielerreichung das mildeste Mittel gewählt wurde, das zur Verfügung steht und ebenso wirksam ist.206 Eine Missbrauchsnorm darf z. B. nicht so weit gefasst werden, dass auch offensichtlich nicht missbräuchliche Sachverhalte erfasst werden.207 Die Erforderlichkeit gilt nicht nur für die Tatbestandsmerkmale, sondern auch für die Rechtsfolge der betreffenden Norm.208 Gemessen am Ziel der Regelung darf es zu keiner überschießenden Wirkung beispielsweise durch Doppelbesteuerung kommen.
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Vgl. Schön, Drittstaaten 2005, S. 514; Schwenke, IStR 2006, S. 754; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 51 f. Vgl. EuGH vom 06.06.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. I-2000, Rn. 43; EuGH vom 15.07.2004, Rs. C315/02 (Lenz), Slg. I-2004, Rn. 26 f.; EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-256/06 (Jäger), Slg. I-2008, Rn. 40 f. Vgl. EuGH vom 20.02.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, Rn. 8. Verboten ist die offene/direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. Allerdings ist selbst dann eine Rechtfertigung aus Gründen des Allgemeininteresses denkbar; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 157-162; Lang, Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 48. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 49; EuGH vom 30.09.2003, Rs. C-167/01 (Inspire Art), Slg. I-2003, Rn. 133; EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-411/03 (Sevic Systems AG), Slg. I-2005, Rn. 29; Reimer, Grundfreiheiten, 2000, S. 64. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 49; EuGH vom 09.03.1999, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. I-1999, Rn. 34; Vinther/Werlauff, EC Tax Review 2003, S. 100. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 86 f.; Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 528, S. 200; Hahn, DStZ 2005, S. 514; Schwenke, DStZ 2007, S. 243. Vgl. EuGH vom 21.11.2002, Rs. C-436/00 (X und Y), Slg. I-2002, Rn. 63; EuGH vom 09.03.1999, Rs. C212/97 (Centros), Slg. I-1999, Rn. 35; vgl. auch Körner, IStR 2004b, S. 425. Die Angemessenheit, die als drittes Kriterium die Verhältnismäßigkeit konkretisiert, soll nicht weiter vertieft werden, weil sie im Regelfall hinter die zwei anderen Kriterien zurücktritt; vgl. Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 534, S. 202; Zalasinski, Intertax 2007, S. 312. Zur Angemessenheit vgl. z. B. Geiger, EUV/EGV, 2004, Rn. 15 f. zu Art. 30 EGV, S. 256 f. Vgl. EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 38; EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 26; Spengel/Golücke, RIW 2003, S. 337. Vgl. Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 280 f.
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In einer langen Reihe von Urteilen hat der EuGH inzwischen deutlich gemacht, welche vorgebrachten Gründe akzeptiert werden können und welche verworfen werden müssen. Zu den wichtigsten abgelehnten Gründen gehören die fehlende Harmonisierung im Bereich der direkten Steuern209, die Vermeidung von Steuermindereinnahmen210 und der Vorteilsausgleich.211 Allen drei Argumenten ist gemeinsam, dass bei Akzeptanz dieser Gründe stets eine Rechtfertigung steuerlich diskriminierender Normen möglich wäre. So folgt die fehlende Harmonisierung der direkten Steuern gerade aus dem mitgliedstaatlichen Vorbehalt, was eine Prüfung anhand der Grundfreiheiten auf Dauer unmöglich machen würde. Der EuGH hat indes wiederholt betont, dass die direkten Steuern sehr wohl an den Grundfreiheiten zu messen sind.212 Ebenso könnte stets begründet werden, dass nur dank einer diskriminierenden Steuernorm Steuerausfälle des Mitgliedstaates vermieden werden können, oder dass eine diskriminierende Norm aufgrund einer vorteilhaften Norm gerechtfertigt ist, die in keinerlei direktem Zusammenhang mit der betrachteten Regelung stehen müsste. Die Akzeptanz einer der obigen Gründe hätte faktisch zu einer Bereichsausnahme der direkten Steuern von den Grundfreiheiten geführt, was dem EG-Vertrag bzw. der EuGH-Rechtsprechung nicht zu entnehmen ist.213 Rein wirtschaftliche Ziele sind nach ständiger Rechtsprechung niemals relevante Gründe des Allgemeininteresses.214 Da der EuGH für die Auslegung europäischen Rechts zuständig ist, hat er aufgrund dieser Ausrichtung grundsätzlich keine Rücksicht auf nationale Staatshaushalte zu nehmen. Dementsprechend ist es nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unproblematisch, dass Unternehmen durch die Tätigkeit im Binnenmarkt einen Steuersatzvorteil erzielen. Dem EuGH reicht es vollkommen aus, dass eine einmalige Besteuerung im Binnenmarkt stattfindet.215 Ebenso hat der EuGH wiederholt entschieden, dass ein steuerlicher Nachteil in einem Mitgliedstaat nicht alleine schon dadurch gerechtfertigt ist, dass dem Steuerpflichtigen ein Steuervorteil im anderen Mitgliedstaat erwächst.216 Ein solches Steuersatzgefälle ist letztlich den nicht harmonisierten Steuersystemen der Mitgliedstaaten geschuldet. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es aber 209 210
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Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 24. Vgl. EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 28; EuGH vom 21.09.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), Slg. I-1999, Rn. 50; EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 44. Vgl. EuGH vom 27.06.1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg. I-1996, Rn. 53 f., 59; EuGH vom 26.10.1999, Rs. C294/97 (Eurowings), Slg. I-1999, Rn. 44. Vgl. z. B. EuGH vom 14.12.2000, Rs. C-141/99 (Amid), Slg. I-2000, Rn. 19. Vgl. z. B. Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 312-314. Vgl. EuGH vom 14.11.1995, Rs. C-484/93 (Svensson/Gustavsson), Slg. I-1995, Rn. 15; vgl. auch Frenz, Europarecht, 2004, Rn. 2283, S. 860 f.; van Thiel, ET 2008a, S. 268. Vgl. EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 26; EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 37. Vgl. EuGH vom 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. I-1999, Rn. 44; EuGH vom 15.07.2004, Rs. C315/02 (Lenz), Slg. I-2004, Rn. 42 f.
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Aufgabe der Mitgliedstaaten, eine solche Harmonisierung explizit herbeizuführen.217 Unterschiedliche Steuersätze sind somit Ausdruck des Binnenmarktes und werden als nicht schädlich für den Wettbewerb in diesem Markt betrachtet.218 Schließlich hat der EuGH klargestellt, dass ein DBA niemals die Grundfreiheiten des EGVertrags außer Kraft setzen kann.219 In seiner Eigenschaft als supranationales Recht steht Europarecht über dem Völkerrecht. Somit vermag auch ein DBA keine beschränkende Steuernorm zu rechtfertigen. Es kann im Gegenzug aus dem EG-Recht aber auch keine Verpflichtung des Mitgliedstaates abgeleitet werden, nach der dem Steuerpflichtigen eine DBA-rechtliche Meistbegünstigung zugestanden werden muss.220 Genauso wenig sind die Verteilungsnormen eines DBA, die den gängigen Konventionen des OECD-Musterabkommens folgen, per se grundfreiheitswidrig.221 Allerdings kann die Ausübung des so zugeteilten Besteuerungsrechts zu einer EG-rechtswidrigen Beschränkung führen.222 Anerkannt hat der EuGH bis heute nur wenige ungeschriebene Rechtfertigungsgründe.223 Der erste dieser Gründe ist die Sicherstellung einer effektiven Steueraufsicht.224 Damit soll im Bereich des steuerlichen Verfahrensrechts gewährleistet werden, dass den Mitgliedstaaten eine ordnungsgemäße Festsetzung und Eintreibung von Steuern im grenzüberschreitenden Fall möglich ist. Dieser Rechtfertigungsgrund ist somit für materiellrechtliche Vorschriften, was auf alle in Kapitel 4 untersuchten Normen zutrifft, nicht einschlägig.225 Zudem hat der EuGH administrative Probleme bei der Ermittlung der Steuerschuld in grenzüberschreitenden Fällen im Regelfall nicht akzeptiert. Stets hat er für den Raum der EU auf das vorhandene Mittel zur Informations-
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Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 58. Vgl. z. B. EuGH vom 11.12.2003, Rs. C-364/01 (Barbier), Slg. I-2003, Rn. 71; Vanistendael, EC Tax Review 2003, S. 142; Englisch/Hey, Wirtschaftsdienst 2005, S. 227; Meussen, ET 2007, S. 17; O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 32; Hahn, DStZ 2007, S. 210; Fontana, ET 2006, S. 327. Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 26; EuGH vom 14.12.2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. I-2006, Rn. 53. Vgl. EuGH vom 05.07.2005, Rs. C-376/03 (D), Slg. I-2005, Rn. 62 f.; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 90 f.; EuGH vom 20.05.2008, Rs. C194/06 (Orange European Smallcap), Slg. I-2008, Rn. 50 f.; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 304 f. Vgl. dazu EuGH vom 12.05.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. I-1998, Rn. 30 f.; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C513/03 (Hilten van der Heijden), Slg. I-2006, Rn. 48. Vgl. EuGH vom 21.09.1999, Rs. C-307/97 (Saint-Gobain), Slg. I-1999, Rn. 57; EuGH vom 08.11.2007, Rs. C379/05 (Amurta), Slg. I-2007, Rn. 17, 39; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 597, 936; Körner, IStR 2004a, S. 261; Borgsmidt, IStR 2007, S. 808. Für einen Überblick vgl. z. B. Helminen, ET 2007, S. 493; Borgsmidt, IStR 2007, S. 806 f.; Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 25, S. 11. Vgl. EuGH vom 20.02.1979, Rs. 120/78 (Cassis de Dijon), Slg. 1979, Rn. 8; vgl. auch Hahn, EG-Recht, 1999, S. 121, 123 f. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 212; Körner, IStR 2004c, S. 702; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 380 f.
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beschaffung (die Richtlinie über die gegenseitige Amtshilfe) als milderes Mittel verwiesen.226 Selbst wenn Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie einer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten entgegenstehen kann, ist eine pauschal beschränkende Regelung EG-rechtlich fragwürdig.227 Laut EuGH stehen den Mitgliedstaaten weniger einschneidende Mittel zur Verfügung. So kann der Mitgliedstaat die Inanspruchnahme steuerlicher Vergünstigungen von Nachweisen abhängig machen, die der Steuerpflichtige selbst zu erbringen hat.228 Demgegenüber fand eine Rechtfertigung beschränkender Maßnahmen aufgrund administrativer Schwierigkeiten bei der Steuereintreibung zwar Gehör beim EuGH.229 Allerdings ist zu beachten, dass für die Steuereintreibung der direkten Steuern bis zum 30. Juni 2002 kein gemeinschaftsrechtliches Instrumentarium existierte.230 Da die Beitreibungsrichtlinie seitdem auf die direkten Steuern ausgeweitet ist231, werden Schwierigkeiten beim Steuereinzug vom EuGH spätestens im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wohl nicht mehr akzeptiert.232 Weiterhin hat der EuGH den Rechtfertigungsgrund der Bekämpfung der Steuerflucht bzw. der Steuerumgehung anerkannt (Missbrauchsbekämpfung).233 Nach ständiger Rechtsprechung soll eine Missbrauchsregelung „speziell bezwecken, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des Steuerrechts […] gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen“.234 Damit sind insbesondere Briefkasten- oder Scheingesellschaften als Missbrauch zu werten.235 Pauschalisierende Missbrauchsvermutungen hingegen, die keinerlei Widerlegung durch den Steuerpflichtigen zugänglich sind, stoßen beim EuGH regelmäßig auf Ablehnung.236 Wichtig für den Missbrauchsbegriff des EuGH ist die Überlegung, ob die Transaktion einen ökonomischen 226
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Vgl. EuGH vom 14.02.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. I-1995, Rn. 45; EuGH vom 28.10.1999, Rs. C55/98 (Vestergaard), Slg. I-1999, Rn. 26; EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 53; EuGH vom 09.11.2006, Rs. C-520/04 (Turpeinen), Slg. I-2006, Rn. 36; wegen deren Effektivität skeptisch Hey, StuW 2004, S. 196; Mitschke, FR 2008, S. 170. Frotscher sieht jedoch die Mitgliedstaaten in der Pflicht; vgl. Frotscher, IStR 2007, S. 573. Vgl. EuGH vom 28.01.1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. I-1992, Rn. 13. Vgl. EuGH vom 28.01.1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. I-1992, Rn. 13; EuGH vom 28.10.1999, Rs. C-55/98 (Vestergaard), Slg. I-1999, Rn. 26, 28. Vgl. EuGH vom 03.10.2006, Rs. C-290/04 (Scorpio), Slg. I-2006, Rn. 36 f. Deshalb war die Eintreibung von Steuerforderungen im Bereich der direkten Steuern alleinige Aufgabe der Mitgliedstaaten; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 944 f. Vgl. Art. 1 Nr. 2 lit. g) und Art. 2 Abs. 1 der Beitreibungsrichtlinie (2001/44/EG). Vgl. EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 53; EuGH vom 09.11.2006, Rs. C-520/04 (Turpeinen), Slg. I-2006, Rn. 37; vgl. auch Intemann/Nacke, DB 2007, S. 1433; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 950. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 50; vgl. auch Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 256 f. EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 26. Vgl. EuGH vom 02.05.2006, Rs. C-341/04 (Eurofood), Slg. I-2006, Rn. 35 ; EuGH vom 12.09.2006, Rs. C196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 68. Vgl. EuGH vom 17.07.1997, Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. I-1997, Rn. 41; EuGH vom 11.03.2004, Rs. C9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 52, 54; vgl. auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 956 f.; de Broe, EC Tax Review 2008, S. 145.
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Grund hat.237 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist per se kein Missbrauch zu vermuten, sofern ein Sachverhalt in einem anderen Mitgliedstaat besteuert wird.238 Ebenso hat der EuGH entschieden, dass grenzüberschreitende Transaktionen, selbst wenn damit ein Steuersatzvorteil verbunden ist, nicht per se einen Missbrauch darstellen.239 Dem Steuerzahler muss es stets möglich sein, eine Missbrauchsvermutung widerlegen zu können, indem er beachtliche außersteuerliche Gründe vorbringt oder die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit seiner Auslandsinvestition nachweist. Es ist nach ständiger Rechtsprechung eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, welche gerichtlich überprüfbar sein muss.240 Durch das Cadbury Schweppes-Urteil wurde die strikte Rechtsprechung zur Missbrauchsbekämpfung etwas gelockert. Pauschale Anknüpfungen in Missbrauchsnormen sind nunmehr in gewissen Grenzen zulässig. Allerdings muss dem Steuerpflichtigen unverändert die Möglichkeit eines Gegenbeweises zu der typisierten Missbrauchsvermutung eingeräumt werden, ohne ihn dabei übermäßigen Verwaltungszwängen auszusetzen.241 Die Anforderung einer gerichtlich überprüfbaren Einzelfallbetrachtung ist damit erhalten geblieben242, wenn auch die Beweislast grundsätzlich beim Steuerpflichtigen liegt, wohingegen das Instrument der Amtshilfe subsidiär heranzuziehen ist. Anerkannt wurde der Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsbekämpfung auch im Fall Marks &
Spencer (M&S) in Verbindung mit der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis und der Verhinderung einer doppelten Verlustnutzung.243 Damit wollte der EuGH sowohl eine doppelte Verlustnutzung als auch einen ungehinderten Verlustverkehr innerhalb der EU unterbinden, so dass Konzerne kein faktisches Wahlrecht haben, in welchem Mitgliedstaat sie ihre Verluste geltend machen.244 Der EuGH hatte im Fall einer Ausweitung der Gruppenbesteuerung – hier: der britischen Gruppenbesteuerung (group relief) – auf grenzüberschreitende Fälle die Gefahr eines Verlustverkehrs erkannt und die Besorgnisse der Mitgliedstaaten berücksichtigt, wenn auch unter Bruch seiner bisherigen Rechtsprechung.245 Wie der Schlussantrag im Fall M&S zeigt, hätte eine Rechtfertigung sehr wohl unter Zuhilfenahme der bisherigen, ständigen Rechtsprechung 237 238 239
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Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 75. Vgl. EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 26. Vgl. EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 37; EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 36 f. Vgl. EuGH vom 17.07.1997, Rs. C-28/95 (Leur-Bloem), Slg. I-1997, Rn. 41; EuGH vom 31.03.1993, Rs. C19/92 (Kraus), Slg. I-1993, Rn. 40; vgl. auch Zalasinski, ET 2007, S. 574. Vgl. EuGH vom 23.04.2008, Rs. C-201/05 (Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation), Slg. I2008, Rn. 84 f. Vgl. auch van Thiel, ET 2008b, S. 287; de Broe, EC Tax Review 2008, S. 145. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 51. Vgl. auch EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 34; O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 22; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 376. Zur rechtsdogmatischen Kritik am M&S-Urteil vgl. z. B. Dürrschmidt/Schiller, EuR 2006, S. 277-279; Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 7 f.; Balmes/Brück/Ribbrock, BB 2006, S. 187 f.
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erreicht werden können.246 So fällt insbesondere auf, dass eine Umkehr der bisherigen Regel – grundsätzlicher Einbezug der ausländischen Verluste geboten – und Ausnahme – jegliche Beschränkung des Einbezugs der Verluste muss gerechtfertigt werden – durch den EuGH vorgenommen wurde. Dennoch scheiterte ein genereller Ausschluss ausländischer Verluste am Maßstab der Verhältnismäßigkeit. Ebenso wurden die letzten beiden Rechtfertigungsgründe ohne nähere Erläuterung durch den EuGH neu eingeführt, während der erste Grund der Missbrauchsbekämpfung üblicherweise auf eine fallbezogene Prüfung begrenzt wurde. Neuartig ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass die Rechtfertigung der Beschränkung im Fall M&S nur gelang, indem die drei Gründe kumulativ vorlagen.247 Dies ist jedoch insoweit zu relativieren, als der EuGH in einem weiteren Fall zur Berücksichtigung ausländischer Verluste (Lidl Belgium) auch nur zwei der genannten Gründe – die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis und die Verhinderung einer doppelten Verlustnutzung – gelten ließ, um eine Beschränkung zu rechtfertigen.248 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei näherer Betrachtung der Grund der Vermeidung einer doppelten Verlustberücksichtigung letztlich im engen Zusammenhang mit der Wahrung der Kohärenz der Besteuerung249 bzw. der Bekämpfung von Missbrauch steht. Der Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsbekämpfung schließlich ist in einem wichtigen Fall nach
M&S, dem Fall Cadbury Schweppes, wieder gemäß ständiger Rechtsprechung entschieden worden, also insbesondere unter Anwendung einer strikteren Verhältnismäßigkeitsprüfung.250 Somit bleibt festzuhalten, dass im Kern die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis einen zusätzlichen, vom EuGH akzeptierten Rechtfertigungsgrund darstellt. Eine weitere Klärung dieses Rechtfertigungsgrundes erfolgte im Urteil Oy AA. Dort wurde die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in Verbindung mit dem Rechtfertigungsgrund der Missbrauchsbekämpfung anerkannt.251 Damit will der EuGH sicherstellen, dass das Recht eines Mitgliedstaates auf Ausübung seiner Besteuerungshoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten wirtschaftlichen Aktivitäten nicht gefährdet wird.252 Laut EuGH haben nämlich Konzerne EG-rechtlich keinen Anspruch darauf, frei darüber zu bestimmen, in welcher
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Vgl. dazu ausführlich Kapitel 4.2.1. Vgl. EuGH vom 29.03.2007, Rs. C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. I-2007, Rn. 41; EuGH vom 08.11.2007, Rs. C-379/05 (Amurta), Slg. I-2007, Rn. 56; Reichl/Wittkowski, IStR 2007, S. 386. Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 37, 40-42. So auch Dürrschmidt/Schiller, EuR 2006, S. 278; Klarmann, Organschaft, 2006, S. 85; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 378. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 51, 55, 61. Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 60. Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 54; EuGH vom 08.11.2007, Rs. C-379/05 (Amurta), Slg. I-2007, Rn. 58; EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 31.
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Steuerjurisdiktion ihre Gewinne zu versteuern sind.253 Dies ist nach Auffassung des EuGH aber der Fall, wenn aufgrund originär steuerlicher Regelungen – hier: der finnischen Gruppenbesteuerung (group contribution)254 – Gewinne ungehindert in andere Steuerjurisdiktionen transferiert werden können.255 Zwar sind Konzerne auch auf andere Weise in der Lage, mittels verschiedener Techniken der Gewinnverlagerung wie beispielsweise Fremdfinanzierung (partiell) zu bestimmen, wo ihre Gewinne versteuert werden. Jedoch unterliegen solche Gewinnverlagerungen regelmäßig steuerlichen (und außersteuerlichen) Beschränkungen wie dem Fremdvergleich. Der entscheidende Unterschied im Fall Oy AA und somit im Mechanismus der group contribution liegt darin, dass der gesamte, im Inland erwirtschaftete Gewinn – also die gesamte ökonomische Rente – verlagert werden kann. Bei einer grenzüberschreitenden group contribution wäre es sogar möglich, weiße Einkünfte zu generieren, wenn der transferierte Gewinn im Ausland als nicht steuerbare Einlage erfasst wird.256 Unabhängig von der steuerlichen Behandlung im Ausland würde auf jeden Fall das Quellensteuerrecht desjenigen Mitgliedstaates ausgehöhlt, das einen grenzüberschreitenden Gewinntransfer zulässt.257 Der EuGH hat die Beschränkung der group
contribution auf inländische Gesellschaften auch als verhältnismäßig angesehen; eine mildere Maßnahme zur Zielerreichung, nämlich der Verhinderung eines grenzüberschreitenden Gewinntransfers, ist gerade nicht denkbar.258 Wird jedoch die Zielsetzung der Verhinderung eines grenzüberschreitenden Gewinntransfers anerkannt, kann die Einschätzung der Verhältnismäßigkeit bei ausländischen Verlusten nicht anders ausfallen. Denn nur bei einem ausnahmslosen Ausschluss ausländischer Verluste ist die ausgewogene Aufteilung nicht beeinträchtigt (Geeignetheit), auch hier ist ein milderes Mittel nicht ersichtlich.259 Die unterschiedliche Vorgehensweise im Vergleich zu M&S kann jedoch insoweit überzeugen, als dass Verluste regelmäßig nicht freiwillig von Konzernen generiert werden, während der unbeschränkte Transfer von Gewinnen innerhalb einer Gruppe unmittelbar die Steuerhoheit der Staaten betrifft.260 Folglich ist die partiell unterschiedliche Rechtsprechung bzgl. Verlusten und Gewinnen als Interessensausgleich zwischen Unternehmen und Mitglied253 254 255 256 257
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Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 65. Für einen Überblick über die group contribution vgl. z. B. Wagner, IStR 2007, S. 650 f. In diese Richtung auch Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 105. Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 58; Herzig/Wagner, DB 2005b, S. 2375. Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 56; Thömmes, IWB 2007, S. 1154; Kußmaul/Niehren, IStR 2008, S. 83, 85; Schnitger, IWB 2008, S. 839. Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 64 f. Mehrheitlich wurde bei der Verhältnismäßigkeit ein anderes Ergebnis – abhängig von der steuerlichen Behandlung der Zahlung im Ausland – erwartet; vgl. z. B. Helminen, Intertax 2005b, S. 601; Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 62. Vgl. Kube, IStR 2008, S. 307-309; vgl. auch Beiser/Kühbacher, Grundfreiheiten, 2008, S. 139. Vgl. Kußmaul/Niehren, IStR 2008, S. 82, 86; Englert/Pache, IStR 2007b, S. 846 f. Eher kritisch bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise Wagner, IStR 2007, S. 653.
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staaten zu verstehen. Zwar steht auch bei Verlusten die Verantwortung des Quellenstaats im Vordergrund. Kann der Verlust aber nicht im Quellenstaat genutzt werden, soll ausnahmsweise der Sitzstaat des Gesellschafters den Verlust tragen. Darin zeigt sich die binnenmarktorientierte Sichtweise des EuGH insofern, dass ein einmaliger Verlustabzug innerhalb der EU gewährleistet sein soll.261 Bei Gewinnen hingegen kann die Verantwortlichkeit des Quellenstaats zur steuerlichen Berücksichtigung gerade nur dann erfolgen, wenn er ohne Einschränkung das Besteuerungsrecht ausüben darf. Unverkennbar ist aber auch, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis eine große inhaltliche Nähe zur Kohärenz in der Hinsicht aufweist, dass letztlich eine systematische und konsistente (Einmal-)Besteuerung aus der Sicht desjenigen Staates sichergestellt werden soll, in dem das steuerliche Einkommen – negativ oder positiv – erwirtschaftet wird. Die Kohärenz, die auf einer Weiterentwicklung des abgelehnten Grundes des Vorteilsausgleichs beruht, wurde bisher nur einmal als Rechtfertigungsgrund akzeptiert.262 Im Allgemeinen ist mit diesem Begriff der systematische Kontext eines Steuersystems gemeint. Kohärent ist demnach ein Steuersystem nur dann, wenn bei Fehlen einer bestimmten Einzelregelung das gesamte System nicht inkonsistent zu werden droht. Mit diesem weiten Begriff könnte jegliche Steuernorm gerechtfertigt werden, da letztlich alle Normen in ihrer Gesamtheit aufeinander beruhen. Solch einen Vorteilsausgleich hat der EuGH jedoch abgelehnt und deshalb den Begriff der Kohärenz weiter konkretisiert. Eine steuerlich kohärente Regelung muss konsequent angewendet werden. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn ein Mitgliedstaat mit dem Abschluss eines DBA freiwillig einen Besteuerungsverzicht leistet.263 Weiterhin muss nach ständiger Rechtsprechung des EuGH dem steuerlichen Vorteil ein entsprechender Nachteil unmittelbar gegenüberstehen. An einem unmittelbaren Zusammenhang fehlt es aber bereits dann, wenn dem Vorteil lediglich ein Nachteil gegenübersteht, der nicht mit Gewissheit oder nicht in denselbem Umfang eintritt.264 Ebenso forderte der EuGH bis zum Urteil in der Rechtssache Manninen für das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs, dass es sich um dieselbe Steuer und denselben Steuerzahler handelt.265 Diese eingeschränkte Sichtweise der Kohärenz schließt viele Fälle aus, insbesondere Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern werden davon nicht 261 262
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Vgl. dazu auch Meussen, ET 2008b, S. 235 f.; Kube, IStR 2008, S. 312. Vgl. EuGH vom 28.01.1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg. I-1992, Rn. 21 bzw. EuGH vom 28.01.1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg. I-1992, Rn. 21. Zum Urteil in der Rechtssache Bachmann und der Kritik am Rechtfertigungsgrund der Kohärenz; vgl. Scholz, Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung, 2006, S. 154-157. Für eine Erläuterung der Kohärenz in extenso; vgl. Vanistendael, EC Tax Review 2005, S. 212, 216 f. Vgl. EuGH vom 11.08.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg. I-1995, Rn. 23-25; Stahlschmidt, FR 2006, S. 259. Vgl. EuGH vom 15.07.2004, Rs. C-242/03 (Weidert und Paulus), Slg. I-2004, Rn. 22 f. Vgl. EuGH vom 06.06.2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. I-2000, Rn. 57 f.; Englisch, ET 2004, S. 356; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 333.
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erfasst. Angesichts einer solch engen Interpretation der Kohärenz wird dieser Rechtfertigungsgrund bei den hier interessierenden Konzernsachverhalten wertlos, was zu entsprechend harscher Kritik geführt hat.266 Deswegen wurde nicht nur in der Literatur eine weiter gefasste Interpretation der Kohärenz vorgeschlagen.267 Namentlich im Fall Manninen wurde durch den Generalanwalt folgende Interpretation vorgeschlagen, welche erneut im Fall M&S aufgegriffen wurde. So soll ein unmittelbarer Zusammenhang nicht nur dann gegeben sein, wenn es sich um denselben Steuerzahler handelt, sondern auch wenn – „die Besteuerung sich […] auf dieselben Einnahmen oder denselben wirtschaftlichen Vorgang bezieht und – durch die rechtliche Ausgestaltung des Systems gewährleistet ist, dass der Vorteil dem einen Steuerpflichtigen nur dann zugute kommt, wenn der Nachteil bei dem anderen Steuerpflichtigen auch tatsächlich und in demselben Umfang eintritt.“268
Zwar wurde dieser Vorschlag weder im Fall Manninen noch im Fall M&S vom EuGH explizit aufgegriffen, weshalb es unklar erscheint, ob obige Definition der ständigen Rechtsprechung entspricht. Allerdings stellt der EuGH zunehmend auf die Zielsetzung einer steuerlichen Regelung ab und misst daran die Konsequenzen dieser Regelung269, womit letztlich eine weite, personenübergreifende Interpretation der Kohärenz eingeschlossen ist.270 Ein personenübergreifendes Verständnis der Kohärenz beinhaltet gleichzeitig eine länderübergreifende Gesamtschau, da dem EuGH nur grenzüberschreitende Sachverhalte zur EG-rechtlichen Überprüfung vorgelegt werden können. In den Urteilen nach Manninen betrachtete der EuGH die Wirkungen einer Steuernorm aus einem EU-weiten und nicht mehr rein nationalen Blickwinkel.271 Hierbei bezieht der EuGH auch die Wirkungen eines zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA ein.272 Zwar
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Vgl. z. B. Seer, ET 2006, S. 476 f.; Vanistendael, EC Tax Review 2005, S. 210 f.; Cencerrado, EC Tax Review 2004, S. 109; Hey, StuW 2004, S. 197. Vgl. z. B. Reimer, Grundfreiheiten, 2000, S. 62; Englisch, StuW 2003, S. 95. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott, 18.03.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg. I-2004, Rn. 61; vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 71 f.; ebenso für eine Betrachtung der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott, 04.09.2008, Rs. C-418/07 (Papillon), Slg. I-2008, Rn. 52. Vgl. EuGH vom 15.07.2004, Rs. C-315/02 (Lenz), Slg. I-2004, Rn. 37 f.; EuGH vom 07.09.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg. I-2004, Rn. 36, 43, 46; EuGH vom 08.11.2007, Rs. C-379/05 (Amurta), Slg. I-2007, Rn. 47; Vanistendael, EC Tax Review 2005, S. 219, 221; Lang, Rechtsprechung des EuGH, 2007, S. 58. Gl. A. O’Shea, EC Tax Review 2006, S. 78 f.; Seer, EuGH, 2006, S. 27; Rust, EWS 2004, S. 452 f.; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 339; wohl auch Stahlschmidt, FR 2006, S. 260 f. Vgl. z. B. EuGH vom 14.12.2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. I-2006, Rn. 45; EuGH vom 12.12.2002, Rs. C385/00 (de Groot), Slg. I-2002, Rn. 100; Dürrschmidt/Schiller, EuR 2006, S. 279; Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 8; Gammie, Intertax 2005, S. 488; Vanistendael, EC Tax Review 2005, S. 212, 220-222; Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 162, S. 64 f. Zur Kritik an einer länderübergreifenden Gesamtschau vgl. z. B. Cordewener, FR 2005b, S. 352; Weber, Intertax 2006, S. 601-607; Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 130 f.; differenzierend Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 345. Vgl. EuGH vom 14.12.2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. I-2006, Rn. 45.
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kann dieses nach ständiger Rechtsprechung keine Beschränkung rechtfertigen, allerdings kann es dazu beitragen, im konkreten Rechtsstreit eine Beschränkung zu heilen.273 Beispiel 5: Wenn ein Mitgliedstaat nur bei Ausschüttungen an eine ausländische Muttergesellschaft, nicht jedoch bei Ausschüttungen an eine inländische Muttergesellschaft eine Quellensteuer erhebt, liegt eine gemeinschaftsrechtliche Inbound-Diskriminierung gegen die ausländische Muttergesellschaft vor. Dennoch ist eine Neutralisierung dieser Beschränkung denkbar, sofern im Sitzstaat der ausländischen Mutter eine volle Anrechnung der Quellensteuer gelingt, da in einer Gesamtschau keine Doppelbesteuerung auftritt. Allerdings geht eine prinzipiell mögliche Anrechnung der Quellensteuer dann ins Leere, wenn die Dividenden im Sitzstaat der Mutter freigestellt sind. In einem solchen Fall kann die Beschränkung durch den Mitgliedstaat, der die diskriminierende Quellensteuer erhebt, nicht neutralisiert werden und muss gerechtfertigt werden.274
Als letzter möglicher Rechtfertigungsgrund kann das Territorialitätsprinzip als eine besondere Form der Kohärenz gesehen werden, da eine in sich stimmige steuerliche Behandlung die Konsistenz des gesamten Steuersystems wahren soll.275 Laut EuGH besagt das Territorialitätsprinzip, dass Gewinne und Verluste nur dann berücksichtigt werden können, wenn sie überhaupt der Besteuerungshoheit des jeweiligen Staates unterliegen.276 Im Einklang mit internationalem Steuerrecht wird damit die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger nach dem Quellenprinzip beschrieben.277 Für Muttergesellschaften, die in ihrem Sitzstaat der Welteinkommensbesteuerung unterliegen, ist dieses Prinzip irrelevant. Der EuGH hat nämlich in Outbound-Fällen betont, dass mit Hilfe des Territorialitätsprinzips eine ungünstige Behandlung ausländischer Investitionen einer inländischen Muttergesellschaft im Vergleich zu deren inländischen Investitionen nicht gerechtfertigt werden kann.278 Aus EG-rechtlicher Sicht ist das Territorialitätsprinzip letztlich kein Rechtfertigungsgrund, sondern bereits im Vorfeld für die Frage der Vergleichbarkeit relevant, also inwieweit überhaupt eine Beschränkung vorliegt.279 Geht man vom Wortlaut der Vorschrift des Art. 56 EGV aus, kann es keine Zweifel geben, dass in Fällen mit Drittstaatsberührung – mit Ausnahme von Art. 57 Abs. 1 EGV – die gleichen, oben genannten Prinzipien zur Anwendung kommen wie in reinen EU-Fällen. Diese Interpretation 273
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275 276 277
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279
Vgl. EuGH vom 08.11.2007, Rs. C-379/05 (Amurta), Slg. I-2007, Rn. 79; EuGH vom 14.12.2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. I-2006, Rn. 47; Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 161, S. 64. Vgl. EuGH vom 14.12.2006, Rs. C-170/05 (Denkavit), Slg. I-2006, Rn. 46-48, 54. Der EFTA-Gerichtshof hatte 2004 in einem ähnlichen Fall noch entschieden, dass eine länderübergreifende Betrachtung (im Sinne eines Vorteilsausgleichs) keine Rechtfertigung liefern kann; vgl. EFTA-Gerichtshof vom 23.11.2004, Rs. E-1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, Rn. 36 f.; vgl. auch Cordewener, FR 2005b, S. 350. Vgl. Cordewener et al., ET 2004b, S. 220 f.; Helminen, ET 2007, S. 495. Vgl. EuGH vom 15.05.1997, Rs. C-250/95 (Futura), Slg. I-1997, Rn. 22. Vgl. EuGH vom 15.02.2007, Rs. C-345/04 (Centro Equestre), Slg. I-2007, Rn. 22; Sedemund/Sterner, DStZ 2006, S. 31. Deshalb sollte das Territorialitätsprinzip als Rechtfertigung nicht überschätzt werden; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 631 f. Vgl. EuGH vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), Slg. I-2003, Rn. 39 f.; EuGH vom 13.12.2005, Rs. C446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 40; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-471/04 (Keller Holding), Slg. I2006, Rn. 44; Schnitger, Grundfreiheiten, 2006, S. 362, 368. So auch Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 431, S. 78.
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findet Unterstützung in der Rechtsprechung des EuGH, in der Drittstaatensachverhalte grundsätzlich nach denselben Kriterien entschieden werden wie EU-Sachverhalte.280 Allerdings befinden sich Drittstaaten nicht innerhalb des Binnenmarktes und sind damit nicht den Vorgaben des EG-Vertrags verpflichtet.281 Aufgrund der fehlenden Reziprozität plädieren deshalb viele Stimmen in der Literatur für eine fehlende Vergleichbarkeit oder für eine großzügigere Auslegung möglicher Rechtfertigungsgründe282 im Verhältnis zu Drittstaaten. So sei der Schutz des Steueraufkommens gegenüber Drittstaaten berechtigt283, weil Drittstaaten keine Steuereinbußen gegenüber Mitgliedstaaten hinnehmen müssen. Es handelt sich um einen einseitigen Verzicht der Mitgliedstaaten auf elementare Hoheitsrechte. Ebenso könnten Bedenken bzgl. der Verhältnismäßigkeit einer beschränkenden Norm, die der Missbrauchsbekämpfung bzw. der Steueraufsicht dient, nicht mit den üblichen Hinweisen auf die sekundärrechtlichen Hilfsmitteln wie der Amtshilferichtlinie zerstreut werden, da sie nur in der EU Anwendung finden.284 Zwar sehen viele DBA, soweit vorhanden, Möglichkeiten der Amtshilfe vor, doch sind diese oftmals nicht so weitgehend wie diejenigen in der Amtshilferichtlinie.285 Im Fall des EWR-Mitglieds Liechtenstein wird entsprechend argumentiert, dass aufgrund der fehlenden Amts- und Rechtshilfe die Grundfreiheiten nicht in demselben Ausmaß gelten können wie in EU-Sachverhalten.286 Der EuGH erkennt den Unterschied zwischen dem Verhältnis der wirtschaftlich integrierten Mitgliedstaaten untereinander und dem Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Drittstaaten grundsätzlich an.287 Bei administrativen Schwierigkeiten im Verhältnis zu Drittstaaten verweist der EuGH nicht auf die einschlägigen, nur in der EU gültigen Richtlinien. Vielmehr sieht er es im Rahmen der steuerlichen Kontrolle als gerechtfertigt an, wenn ein Mitgliedstaat die Inanspruchnahme 280
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Vgl. EuGH vom 14.12.1995, Rs. C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera), Slg. I-1995, Rn. 19, 26, 38 f.; EuGH vom 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Slg. I-2007, Rn. 26 f.; EuGH vom 20.05.2008, Rs. C-194/06 (Orange European Smallcap), Slg. I-2008, Rn. 87, 106 f.; Stahl, EC Tax Review 2004, S. 51; Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007a, S. 111. Vgl. Schön, Drittstaaten 2005, S. 512 f.; Schnitger, IStR 2005, S. 494; Rust, EWS 2004, S. 451. So angedeutet durch EuGH vom 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Slg. I-2007, Rn. 37; EuGH vom 20.05.2008, Rs. C-194/06 (Orange European Smallcap), Slg. I-2008, Rn. 90. Vgl. BFH vom 22.08.2006, I R 116/04, BStBl. II 2006, Rn. III.2.c); Rust, EWS 2004, S. 452; Schön, Drittstaaten 2005, S. 515 f.; Stahl, EC Tax Review 2004, S. 54; differenzierend Schnitger, IStR 2005, S. 495; nur für wesentliche Aufkommensverluste Bezborodov, Intertax 2007, S. 681. Vgl. Schön, Drittstaaten 2005, S. 518; Helminen, Intertax 2005a, S. 122; Stahl, EC Tax Review 2004, S. 54 f.; Rust, EWS 2004, S. 452; Cordewener/Kofler/Schindler, ET 2007a, S. 116. Vgl. Stahl, EC Tax Review 2004, S. 55. Dann ist wohl im Einzelfall zu prüfen, ob auf Basis des DBA nicht mildere Mittel zur Verfügung stehen; vgl. Schön, Drittstaaten 2005, S. 518; Bezborodov, Intertax 2007, S. 682. Vgl. Hahn/Heß, jurisPR-SteuerR 2006, Rn. E. Mit Island und Norwegen hingegen besteht im Rahmen des DBA ein großer Auskunftsaustausch (BMF-Schreiben vom 25.01.2006, IV B 1 – S 1320 – 11/06, BStBl. I 2006, S. 39). Zusätzlich wurde mit Norwegen ein Abkommen auf dem Gebiet der Amts- und Rechtshilfe abgeschlossen (BMF-Schreiben vom 11.01.2006, IV B 5 – S 1301 – 1/06, BStBl. I 2006, S. 89). Vgl. EuGH vom 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Slg. I-2007, Rn. 37; EuGH vom 23.04.2008, Rs. C-201/05 (Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation), Slg. I-2008, Rn. 92 f.; EuGH vom 20.05.2008, Rs. C194/06 (Orange European Smallcap), Slg. I-2008, Rn. 89 f.
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steuerlich vorteilhafter Regelungen für Steuerpflichtige aus Drittstaaten von zusätzlichen, beschränkenden Verpflichtungen abhängig macht.288 Abgesehen davon ist die (steuerliche) Problematik der Drittstaatenwirkung zumindest bei Mehrheitsbeteiligungen aufgrund des in 2.2.3.1.3 festgestellten Exklusivitätsverhältnisses entschärft.
2.2.4.
Zwischenergebnis
Das Gemeinschaftsrecht garantiert die freie Wahl der Rechtsform289 und die freie Wahl der Finanzierung290, fordert aber weder (grenzüberschreitende) Rechtsformneutralität noch Finanzierungsneutralität. In ständiger Rechtsprechung verlangt der EuGH eine diskriminierungsfreie Behandlung der grenzüberschreitenden Transaktion im Vergleich zur entsprechenden nationalen Transaktion (vertikales Vergleichspaar). Ein umfassendes Beschränkungsverbot, das ein horizontales Vergleichspaar oder gar einen absoluten Maßstab impliziert, ist für eine EG-rechtliche Überprüfung hingegen nicht einschlägig. Diese von Teilen der Literatur kritisierte Zurückhaltung des EuGH ist m. E. zu begrüßen und folgerichtig, da ein weites Verständnis des Beschränkungsverbots mit seinen weitreichenden Konsequenzen für die nationalen Steuersysteme den mitgliedstaatlichen Vorbehalt auf dem Gebiet der direkten Steuern weitestgehend ins Leere laufen ließe. Weiterhin garantiert das Gemeinschaftsrecht die freie Wahl des Standortes und damit des Steuersatzes291, fordert jedoch keine (grenzüberschreitende) Neutralität hinsichtlich des Belastungsniveaus. Nicht harmonisierte Steuersätze sind gerade Ausdruck des mitgliedstaatlichen Vorbehalts im Bereich der direkten Steuern. Laut EuGH ist es unabhängig von der konkreten Höhe der Steuerbelastung ausreichend, dass eine Einmalbesteuerung innerhalb der EU stattfindet. Der EuGH nimmt insoweit eine strikt europäische Sichtweise ein und legitimiert folgerichtig die unternehmerische Steuerplanung innerhalb des Binnenmarktes. Laut EuGH steht es nämlich den Unternehmen grundsätzlich offen, von steuerlich günstigen Regelungen in anderen Mitgliedstaaten durch die Inanspruchnahme der Grundfreiheiten zu profitieren.292
288 289
290
291
292
Vgl. EuGH vom 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Slg. I-2007, Rn. 60, 61, 63. Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 22; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-253/03 (CLT-UFA), Slg. I-2006, Rn. 14. Vgl. EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 73 f.; EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 27; vgl. auch Panayi, Intertax 2007, S. 305. Vgl. auch Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 163; Kokott/Henze, BB 2007, S. 916; Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 291. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Leger, 02.05.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I2006, Rn. 51; Hahn, DStZ 2007, S. 210 f.; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 55-57; O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 21; Vinther/Werlauff, ET 2006, S. 384.
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Allerdings sind rein missbräuchliche Gestaltungen vom Schutz der Grundfreiheiten nicht gedeckt. Selbst wenn der Schutzbereich der Grundfreiheiten eröffnet ist, sind Regeln zur Bekämpfung steuerlichen Missbrauchs EG-rechtlich zulässig. Allerdings ist dabei stets die Anforderung der Verhältnismäßigkeit zu bedenken. Eine pauschale Missbrauchsvermutung auf den bloßen Auslandsbezug einer Transaktion oder geringere Steuersätze zu stützen, ohne einen Gegenbeweis durch den Steuerpflichtigen zuzulassen, ist niemals zulässig.293 Hinsichtlich der Missbrauchsbekämpfung bleibt der EuGH also bei seiner eher strikten, einzelfallorientierten Linie und erkennt die Legitimität der unternehmerischen Steuerplanung insbesondere über den Steueraufschub und die Gewinnverlagerung mittels Fremdfinanzierung an. Was aus Sicht eines einzelnen Mitgliedstaates als schädliche Steuerumgehung erscheint, ist für den EuGH die legitime Inanspruchnahme der Grundfreiheiten im Binnenmarkt.294 Von der Missbrauchsbekämpfung sind diejenigen Normen zu trennen, die eine vorteilhafte Rechtsfolge wie die interpersonale Verlustverrechnung und die steuerneutrale Verlagerung stiller Reserven – insbesondere aus fiskalischen Gründen – nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte ausdehnen.295 In diesem Fall erkennt der EuGH bei Konzernen die Gefahr des Verlust- und Gewinntransfers zu Lasten insbesondere derjenigen Mitgliedstaaten, in denen die betreffenden Verluste bzw. Gewinne generiert wurden und die im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten einen hohen Steuersatz aufweisen. Im Fall Oy AA hat der EuGH betont, dass es Mitgliedstaaten gestattet ist, Steuerplanung zu bekämpfen, die darauf abzielt, Steuersatzunterschiede auszunutzen.296 Allerdings ist ein grundlegender Wandel der EuGH-Rechtsprechung bei der Anerkennung des Steuersatzgefälles in der EU nicht zu verzeichnen. Vielmehr geht es ihm darum, dass Konzerne nicht beliebig Gewinne in Form ökonomischer Renten zwischen den einzelnen Steuerjurisdiktionen verlagern können. Dementsprechend haben Konzerne keinen EG-rechtlichen Anspruch darauf, mit Hilfe originär steuerlicher Regelungen selbst zu entscheiden, wo ihre Gewinne bzw. ihre Verluste, die in einer Jurisdiktion erwirtschaftet wurden, versteuert werden bzw. geltend gemacht werden. Auf Basis der Kohärenz oder der ausgewogenen Verteilung der Besteuerungsbefugnis in Verbindung mit der Missbrauchsbekämpfung können deshalb Beschränkungen bei der Verlustverrechnung und bei der Verlagerung stiller Reserven gerechtfertigt werden. Dies deckt sich auch mit der jüngeren EuGH-Rechtsprechung, in der die Anerkennung von Rechtfertigungsgründen großzügiger gehandhabt wird als bisher. Hierbei scheint die Wahrung 293 294 295 296
Vgl. auch Borgsmidt, IStR 2007, S. 807 f. Vgl. auch O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 13. Vgl. Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 146, S. 61; Hey, StuW 2008, S. 183. Vgl. EuGH vom 18.07.2007, Rs. C-231/05 (Oy AA), Slg. I-2007, Rn. 58.
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der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis derzeit die größte Relevanz als Rechtfertigung zu besitzen.297 Wenn aber die Akzeptanz der Rechtfertigungsgründe zugenommen hat, erlangt die Anforderung der Verhältnismäßigkeit ein größeres Gewicht in den Urteilen des EuGH.298 Demgemäß macht der EuGH einen Unterschied zwischen der Verlagerung von Gewinnen und Verlusten. Während er im ersten Fall bei einer Beschränkung kein milderes Mittel erkennen kann, um die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu wahren, will er im zweiten Fall die grenzüberschreitende Verlustverrechnung dennoch als ultima ratio gewahrt sehen, so dass innerhalb des Binnenmarktes ein einmaliger Verlustabzug gewährleistet ist. Im Verhältnis zu Drittstaaten ist eine darüber hinausgehende, großzügigere Handhabung der Rechtfertigungsmöglichkeiten zu verzeichnen. Dies bezieht sich einmal auf die grundsätzlich denkbare Anerkennung von Rechtfertigungsgründen, die in reinen EU-Fällen stets abgelehnt werden. Gleichzeitig wird die Verhältnismäßigkeit, gerade im Bereich der administrativen Schwierigkeiten, durch den EuGH nicht so streng angewendet wie bei EU-Sachverhalten. Die mit Abstand wichtigste Einschränkung der erga omnes-Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit ist die faktische Bereichsausnahme für Drittstaatensachverhalte, die die jüngere Rechtsprechung des EuGH unter bestimmten Umständen zulässt. EG-rechtlich ist es nicht zu beanstanden, wenn Steuernormen, die auf Mehrheitsbeteiligungen ausgerichtet sind, diskriminierende Beschränkungen gegenüber Drittstaaten enthalten. Ob eine solche Unterscheidung unter steuersystematischen Gesichtspunkten wünschenswert ist, bleibt der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen. Letztlich kann aus den Grundfreiheiten und deren Interpretation durch den EuGH ohnehin kein konkretes Steuersystem eindeutig abgeleitet werden.299 Vielmehr verbleiben dem Gesetzgeber unter Beachtung des Diskriminierungsverbots verschiedene Optionen, um sein Steuersystem gemeinschaftsrechtskonform auszugestalten. Diese Optionen werden in Kapitel 4 anhand der wichtigsten Normen, die gegen eine grenzüberschreitende Gewinnverlagerung gerichtet sind, näher erläutert.
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298
299
In diese Richtung auch EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 52; vgl. auch Englert/Pache, IStR 2007b, S. 846; Kokott/Henze, BB 2007, S. 913 f. Vgl. Sedemund/Sterner, DStZ 2006, S. 32; Wagner, IStR 2007, S. 652; Kußmaul/Niehren, IStR 2008, S. 86; vgl. auch Zalasinski, Intertax 2007, S. 320. Vgl. Fischer, DStR 2006, S. 2285; Frotscher, IStR 2007, S. 571; Kokott/Henze, BB 2007, S. 918; Hahn, GmbHR 2003, S. 1249; Hey, StuW 2004, S. 197; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 74.
44
2.3. 2.3.1.
Weitere Vorgaben Zwischenstaatliche Gerechtigkeit
Ein grundlegendes Problem internationaler Besteuerung ist die Aufteilung der steuerlichen Bemessungsgrundlage grenzüberschreitend tätiger Unternehmen. Im Sinne der zwischenstaatlichen Gerechtigkeit muss das Steueraufkommen zwischen den Mitgliedstaaten nach sachgerechten Maßstäben verteilt werden, die von allen betroffenen Ländern als fair anerkannt werden.300 Es herrscht internationaler Konsens darüber, dass demjenigen (Quellen-)Staat, in dem das Unternehmen mittels einer festen Einrichtung (Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft) Einkommen generiert, dieses Einkommen der Besteuerung zur Verfügung steht.301 Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, bei wirtschaftlich integrierten Konzernen eine objektive, geographische Abgrenzung des Einkommens zwischen den einzelnen Konzernteilen zu finden. Nach international vorherrschender Meinung erfolgt die Gewinnabgrenzung nach dem Fremdvergleichsgrundsatz (Arm’s-Length-Prinzip).302 Im Fall eines internationalen Einheitsunternehmens erfolgt die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte dementsprechend so, als ob die Betriebsstätte „eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre“ (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Somit ist die direkte Methode als Regelmethode anzusehen, mittels derer die Betriebsstätte als wirtschaftlich selbständig fingiert wird.303 Auch im Fall eines internationalen Konzerns findet regelmäßig die direkte Methode Anwendung. Trotz der wirtschaftlichen Integration der einzelnen Konzerngesellschaften wird ebenfalls deren wirtschaftliche Selbständigkeit fingiert, und die Verrechnungspreise für konzerninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen werden einem Fremdvergleich unterzogen (Art. 9 OECD-MA).304 Sofern die vereinbarten Preise einem Drittvergleich nicht standhalten können, findet eine entsprechende Korrektur statt. Alternativ ist die indirekte Gewinnaufteilung denkbar, bei der der Konzern als wirtschaftliche Einheit angesehen wird (Einheitstheorie).305 Folglich sind nicht mehr die einzelnen Gesellschaf300 301 302
303
304
305
Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 356. Vgl. Musgrave/Musgrave, Public Finance, 1984, S. 760, 765; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 356. Vgl. z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 582, 584; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 437 f., 440, 449. Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 100 f. zu Art. 7, S. 740 f.; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2008a, Rn. 185 zu Art. 7, S. 103 f.; ausführlicher Kapitel 3.1.2.2. Vgl. Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 59 f. zu Art. 9, S. 845 f.; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2008b, Rn. 127 zu Art. 9, S. 68 f.; ausführlicher Kapitel 3.1.2.3. Zur Einheitstheorie vgl. z. B. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 36-40; Schröer, Erfolgsabgrenzungsparadigmen, 2004, S. 42-44, 168 f.
45
ten steuerpflichtig, sondern diese werden als unselbständige Abteilungen des gesamten Konzerns angesehen. Konzerninterne Transaktionen wie Lieferungen und Leistungen finden keine Berücksichtigung mehr. Der Konzern ist als Ganzes das Steuersubjekt, für das ein konsolidiertes Ergebnis ermittelt wird. Die notwendige Aufteilung des Konzernergebnisses auf die einzelnen Steuerjurisdiktionen erfolgt mittels einer Formel, in der Faktoren (z. B. Lohn und Kapital) enthalten sind, die so gut wie möglich die Verbindung des Unternehmens zum jeweiligen Staat widerspiegeln sollen (formelhafte Gewinnaufteilung).306 Letztlich geht es auch hier um eine Zuteilung von Steueraufkommen – gemäß dem Quellenprinzip –, die von den beteiligten Staaten als sachgerecht und fair anerkannt wird. Diese Art der Gewinnaufteilung entspricht derzeit nicht den vorherrschenden internationalen Gepflogenheiten307, wird allerdings – national begrenzt – in Kanada, in den USA sowie in Deutschland (für Zwecke der Aufteilung des Körperschaft- und Gewerbesteueraufkommens) angewendet.308
2.3.2.
Verfassungsrecht
Verfassungsrechtlich ist die partielle Abgabe von Souveränität an den supranationalen Staatenbund EU durch Art. 23 Abs. 1 GG abgedeckt.309 Dementsprechend hat das BVerfG im Grundsatz den Vorrang des EG-Rechts anerkannt.310 Aus den Gründungsverträgen der EG folge nämlich gerade die Verpflichtung, den innerstaatlichen Anwendungsvorrang des EG-Rechts sicherzustellen.311 Zwar behält sich das Gericht eine verfassungsrechtliche Prüfung solange vor, wie das EGRecht einen nicht ausreichenden Grundrechtsschutz gewährt, wie ihn die deutsche Verfassung vorsieht.312 Allerdings geht es derzeit davon aus, dass dieser Schutz gegeben ist.313 Dennoch müssen sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG Rechtsakte der europäischen Institutionen innerhalb der Zustimmungsgesetze zu den Verträgen bewegen.314 Eine Rechtsfortbildung
306
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310
311 312 313 314
Vgl. Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 2000, S. 125; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 583 f. Vgl. Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 62 zu Art. 9, S. 846; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 55. Vgl. Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 114-116; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung, 2000, S. 126; Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 89 f. Früher war diese Ermächtigung durch Art. 24 GG erteilt worden vgl. BVerfG vom 08.04.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, S. 234, 244. Zum Vorrang des EG-Rechts (hier Sekundärrecht im Bereich der indirekten Steuern) vgl. BVerfG vom 08.04.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, S. 234, 244. Zum Verhältnis des BVerfG zum EuGH; vgl. WeberGrellet, Steuerrecht, 2005, S. 180-182; Streinz, Europarecht, 2008, S. 79-88. Vgl. BVerfG vom 22.10.1986, 2 BvR 197/83 (Solange II), BVerfGE 73, S. 374 f. Vgl. BVerfG vom 29.05.1974, 2 BvL 52/71 (Solange I), BVerfGE 37, S. 271. Vgl. BVerfG vom 22.10.1986, 2 BvR 197/83 (Solange II), BVerfGE 73, S. 378. Vgl. BVerfG vom 12.10.1993, 2 BvR 2134, 2159/92 (Maastricht), BVerfGE 89, S. 188.
46
durch den EuGH ist ausdrücklich nur im Rahmen des EG-Vertrags möglich und zulässig.315 Demgemäß sind verfassungsrechtlich gebotene Prinzipien, auf dem Gebiet der direkten Steuern insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG, nach wie vor durch den nationalen Gesetzgeber zu beachten.316 Hinzu kommt, dass Deutschland als Steuerstaat konzipiert ist (Art. 104a-115 GG), also seine Staatsaufgaben vor allem über Steuern finanziert. Die Besteuerungshoheit ist somit ein Kernbereich der staatlichen Souveränität.317 Es bleibt dennoch zu betonen, dass der EG-Vertrag und seine Interpretation durch den EuGH keine allgemeine Bereichsausnahme für die direkten Steuern zulassen.318 Die zentrale Anforderung an eine verfassungskonforme Besteuerung leitet sich aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG ab. Dies konkretisiert sich zum einen in der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, nach der das materielle Steuerrecht auf alle Steuerpflichtigen gleichmäßig angewendet werden soll. Eine steuerliche Regelung, die eine gleichmäßige Besteuerung rechtlich und tatsächlich nicht garantieren kann, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht verfassungskonform.319 Insbesondere sind steuerliche Normen nicht mit dem Gleichheitssatz zu vereinbaren, bei denen sich einige Steuerpflichtige der Zahlungspflicht entziehen können, während andere dazu nicht in der Lage sind.320 Im internationalen Kontext darf es unter Geltung des Welteinkommensprinzips nicht davon abhängen, ob das Einkommen aus inländischen oder ausländischen Quellen stammt. Vielmehr muss eine gleichmäßige Besteuerung ausländischen und inländischen Einkommens erreicht werden; ein grenzüberschreitend tätiger Steuerpflichtiger darf insoweit keine Vorteile haben.321 315
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317
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321
Vgl. Kokott, Grundfreiheiten, 2000, S. 5 f. Einige Kritiker bemängeln, dass bereits jetzt die Ermächtigungen des EG-Vertrags überschritten wurden, vgl. z. B. Fischer, FR 2005, S. 457-468; Ahmann, DStZ 2005, S. 75-80; Birk, FR 2005, S. 123-126; Mitschke, FR 2008, S. 166 f. Vgl. auch BFH vom 09.08.2006, I R 31/01, BFH/NV 2007, Rn. III.6.; Hirsch, Verfassungsrecht, 2000, S. 179 f.; Fischer, FR 2004, S. 634; Mitschke, FR 2008, S. 173. Das BVerfG hat – wenn auch in einem anderen Bereich (europäischer Haftbefehl) – entschieden, dass bestimmte Verfassungsgrundsätze (hier: das Rechtsstaatsgebot des Art. 16 GG) vor dem Vorrang europäischen Rechts geschützt sind; vgl. BVerfG vom 18.07.2005, 2 BvR 2236/04, BVerfGE 113, S. 273. Grundlegend dazu Isensee, Steuerstaat, 1977, S. 409-436; vgl. auch Tipke, Steuerrechtsordnung, 2000, S. 105; Fischer, FR 2005, S. 458; Birk, FR 2005, S. 121; Drüen, StuW 2008b, S. 154. Vgl. z. B. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 31; Frotscher, IStR 2007, S. 569 f.; Gosch, DStR 2007, S. 1558; a. A. Mitschke, FR 2008, S. 168, 172; Ahmann, DStZ 2005, S. 79 f.; Wieland, Der Europäische Gerichtshof, 2005, S. 500. Sedemund hält eine Gefährdung verfassungsrechtlicher Prinzipien durch EG-Recht im Bereich der Ertragsteuern für unwahrscheinlich; vgl. Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 127, S. 36. Vgl. BVerfG vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, Rn. 63; BVerfG vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, Rn. 104; Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 71 zu § 4, S. 83 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2000, S. 359. Vgl. BVerfG vom 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, Rn. 84; BVerfG vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, Rn. 110. Vgl. auch Burmester, Minderbesteuerung, 1997, S. 57; Wieland, Der Europäische Gerichtshof, 2005, S. 501; Seiler, StuW 2005, S. 29.
47
Ist die Durchsetzung einer Steuernorm aufgrund des Missbrauchs und der Steuerumgehung gerade von grenzüberschreitend tätigen Steuerpflichtigen nicht gegeben, wäre eine entsprechende Steuernorm nicht mit Verfassungsrecht zu vereinbaren. In diesem Zusammenhang betrachtet der BFH die Möglichkeit des Nachweises durch einen Steuerpflichtigen ohne Möglichkeit der Überprüfung seitens der Finanzbehörden kritisch, z. B. im Verhältnis zu Liechtenstein, weil dies einer gleichmäßigen Besteuerung nicht gerecht werde.322 Zum anderen konkretisiert sich der Gleichheitsgrundsatz nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG in einer der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen entsprechenden Besteuerung.323 In persönlicher Hinsicht bezieht sich eine der Leistungsfähigkeit entsprechende Besteuerung nicht nur auf natürliche Personen, sondern gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen.324 Sachlich impliziert das Leistungsfähigkeitsprinzip horizontale Gerechtigkeit, d. h. Steuerpflichtige in der gleichen steuerlichen Lage müssen steuerlich gleich belastet werden, und vertikale Gerechtigkeit, d. h. Steuerpflichtige in ungleicher steuerlicher Lage müssen steuerlich ungleich belastet werden.325 Um diese Gerechtigkeit umzusetzen, bedarf es einer Messung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Von Ökonomen wird das Leistungsfähigkeitsprinzip harsch kritisiert, da es keine inhaltliche Konkretisierung der zu messenden steuerlichen Leistungsfähigkeit bieten kann.326 Nach den vorherrschenden Werturteilen der Steuerrechtswissenschaft jedoch kann die Leistungsfähigkeit durch die Indikatoren Einkommen, Konsum oder Vermögen konkretisiert werden.327 Somit ist eine Ertragsteuer auf das Einkommen von Unternehmen durch dieses Prinzip gerechtfertigt. Üblicherweise wird das Einkommen von Kapitalgesellschaften über einen Reinvermögensvergleich ermittelt.328 Weiterhin wird aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip gefolgert, dass nur das Nettoeinkommen besteuert werden soll (Nettoprinzip).329 Da Kapitalgesellschaften über keine Privatsphäre verfügen und nur gewerbliche Einkünfte erzielen, ist für sie ausschließlich das objektive Nettoprinzip 322 323 324 325
326
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329
Vgl. BFH vom 21.09.2005, II R 56/03, BStBl. II 2005, Rn. II.2.b); vgl. auch Gosch, DStR 2007, S. 1557. Vgl. z. B. BVerfG vom 22.02.1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, Rn. 24. Vgl. Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 90 zu § 4, S. 91; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2000, S. 496. Vgl. Birk, Steuerrecht, 2007, Rn. 155, S. 52; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2000, S. 481. Dabei kann hier offen bleiben, ob vertikale Gerechtigkeit Umverteilung mittels Steuersatzprogression impliziert oder nicht, denn Kapitalgesellschaften unterliegen einer proportionalen Steuer. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 235; Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 8, 77; Lammersen, Steuerbelastungsvergleiche, 2005, S. 31. Vgl. Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 95 zu § 4, S. 93. Allerdings ist die Konkretisierung des Reinvermögens in einem ökonomischen Sinne oftmals anders zu verstehen als nach geltendem Steuerrecht; vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 41. Für Kapitalgesellschaften ist dieses Problem zu vernachlässigen, weil über die Maßgeblichkeit zumindest im Grundsatz die Einkommensermittlung über den Reinvermögensvergleich der ökonomischen Konkretisierung entspricht. Vgl. BVerfG vom 11.11.1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, Rn. 50; Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 42 zu § 9, S. 240; Lang, StuW 2007, S. 4; Birk, Steuerrecht, 2007, Rn. 154, S. 51.
48
relevant.330 Gemäß dem objektiven Nettoprinzip wird das Einkommen von Kapitalgesellschaften als Differenz zwischen Betriebseinnahmen und damit zusammenhängenden Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) im Jahr der Veranlagung berechnet.331 Da sich das objektive Nettoprinzip auf das gesamte, über die Totalperiode der wirtschaftlichen Aktivität erwirtschaftete Einkommen erstreckt, müssen periodische Verluste über die Möglichkeit eines Verlustrücktrags und/oder Verlustvortrags intertemporal berücksichtigt werden.332 Ob das BVerfG das Nettoprinzip verfassungsrechtlich für geboten hält, ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt; in jedem Fall lässt das BVerfG bei gewichtigen Gründen eine Abweichung vom Nettoprinzip zu.333 Bei einer Abweichung ist jedoch das Gebot der Folgerichtigkeit zu beachten.334 Der Gesetzgeber muss nämlich die gesetzliche Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen. Ungleiche Belastungen hingegen müssen durch besondere sachliche Gründe, z. B. Missbrauchsbekämpfung, gerechtfertigt werden und können nicht allein mit dem Finanzbedarf des Staates begründet werden.335 Eine weitere Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist für Unternehmen in Form einer Kapitalgesellschaft nicht möglich, denn das Prinzip stellt gerade auf die (persönliche) Leistungsfähigkeit natürlicher Personen ab, also deren Potential zur Bedürfnisbefriedigung.336
2.3.3.
Praktikabilität und Transparenz der Besteuerung
Praktikabilität und Transparenz der Besteuerung beinhalten, dass die Besteuerung und deren Folgen für den Steuerpflichtigen nachvollziehbar und transparent sein sollen.337 Steuergesetze sollen möglichst in klarer und verständlicher Sprache verfasst sein, um dem Steuerpflichtigen die Vorhersehbarkeit und die Planung der Steuerfolgen zu ermöglichen. Steuergesetze, die in schnel-
330 331
332
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335
336 337
Vgl. z. B. Drüen, GmbHR 2008, S. 397. Vgl. Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 42, 54 zu § 9, S. 240, 245; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 114; vgl. auch Birk, Steuerrecht, 2007, Rn. 543 f., S. 191. Vgl. Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 60-64 zu § 9, S. 248-250; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 54 f.; Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 971; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2000, S. 503. Vgl. BVerfG vom 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, Rn. 53; zum Stand der Diskussion über den Verfassungsrang des Nettoprinzips vgl. Drüen, StuW 2008a, S. 4-6. Vgl. BVerfG vom 04.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, Rn. 53; BVerfG vom 21.06.2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, Rn. 70; vgl. auch Hey, StuW 2005, S. 317; Drüen, StuW 2008a, S. 9; Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 75 zu § 4, S. 85; Rn. 55 zu § 9, S. 246. Zur Rechtsprechung des BVerfG und des BFH vgl. Lang, StuW 2007, S. 4-6; zu denkbaren Rechtfertigungsgründen vgl. Drüen, StuW 2008a, S. 12 f. Vgl. dazu auch Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 55 f., 235. Vgl. Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 12-14 zu § 8, S. 198 f.; vgl. auch Tipke, Steuerrechtsordnung, 2000, S. 349; Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 107.
49
ler Abfolge und permanent geändert werden, erschweren hingegen die Vorhersehbarkeit der Steuerfolgen.338 Praktikabilität der Besteuerung impliziert auch, dass die Kosten der Erhebung so gering wie möglich sein sollen (Wohlfeilheit).339 Die Kosten der Erhebung unterteilen sich einerseits in Befolgungskosten seitens der Steuerzahler in Form von Buchführungs-, Nachweis- und Erklärungspflichten. Andererseits entstehen auf Seiten der Finanzverwaltung Erhebungskosten in Form von Kontrolle und Bearbeitung der Steuererklärungen.
338 339
Vgl. auch Evans, Compliance Costs, 2008, S. 459 f. Vgl. Lang/Tipke, Steuerrecht, 2008, Rn. 15 zu § 8, S. 199. Zur inhaltlichen Reichweite des Begriffs der Vollzugs- und Befolgungskosten vgl. Evans, Compliance Costs, 2008, S. 450-452.
50
3.
Internationale Steuerplanung grenzüberschreitender Konzerne
3.1. 3.1.1.
Der Konzern als Rechtsform im Steuerrecht Begriff des grenzüberschreitenden Konzerns
Der Begriff des Konzerns bezeichnet eine Verbindung mehrerer Unternehmen, die zwar rechtlich selbständig sind, aber unter der einheitlichen Leitung des Konzerns eine wirtschaftliche Einheit bilden.340 Eine Unternehmung steht unabhängig von der Beteiligungsquote dann unter der einheitlichen Leitung eines Konzerns bzw. wird dann wirtschaftlich beherrscht, wenn die allgemeine Geschäftspolitik und wichtige ökonomische Funktionen, wie z. B. die Investitions- und Finanzplanung im konzernweiten Interesse abgestimmt werden können. Kommt es zu Zielkonflikten zwischen den Zielen der einzelnen Konzerngesellschaften und den Zielen des Gesamtkonzerns, so entscheidet das Interesse des Konzerns.341 Das wichtigste Mittel zur wirtschaftlichen Beherrschung einer Gesellschaft besteht in der mehrheitlichen Beteiligung am Kapital bzw. an den Stimmrechten der Gesellschaft.342 Ein grenzüberschreitender Konzern besteht dementsprechend aus mehreren rechtlich selbständigen, aber wirtschaftlich beherrschten Unternehmen, die in verschiedenen Ländern residieren. Im Rahmen dieser Arbeit wird stets ein Unterordnungskonzern betrachtet, dessen oberste Spitze (Konzernmutter) zumindest mit dem Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) in Deutschland residiert. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung im Sinne des § 10 AO befindet sich nach ständiger BFH-Rechtsprechung dort, wo dauernd die für die laufende Geschäftsführung erforderlichen Entscheidungen von einigem Gewicht getroffen werden.343 Als Konzernmutter fungiert stets eine große Publikumskapitalgesellschaft, weshalb die steuerliche Behandlung der ultimativen Anteilseigner der Konzernmutter in dieser Arbeit ausgeblendet wird. Die zugehörigen Konzernunternehmen (Tochtergesellschaften) werden direkt oder indirekt von der deutschen Konzernmutter mit mehr als 50% wirtschaftlich beherrscht und haben ihren satzungsmäßigen Sitz (§ 11 AO) bzw. ihren Ort der Geschäftsleitung entweder in Deutschland oder im Ausland inne.
340
341 342 343
Vgl. Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 22, 25; Scheffler, Konzernmanagement, 1992, S. 1; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 15-17. Vgl. dazu Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 19-22. Vgl. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 19; Scheffler, Konzernmanagement, 1992, S. 2. Vgl. z. B. BFH vom 03.07.1997, IV R 58/95, BFH/NV 1998, Rn. B.II.1. Wichtige Entscheidungen werden regelmäßig vom Geschäftsführer getroffen, weshalb seine Büroräume oftmals den Ort der Geschäftsleitung bilden; vgl. BFH vom 23.01.1991, I R 22/90, BStBl. II 1991, Rn. II.2.c).
51
Im deutschen Steuerrecht wird die wirtschaftliche Einheit des Konzerns regelmäßig kaum beachtet.344 Während diese im nationalen Kontext zumindest teilweise Berücksichtigung über die Organschaft findet, ist dies im grenzüberschreitenden Zusammenhang überhaupt nicht mehr gegeben. Deshalb ist für die steuerliche Behandlung der Outbound-Investitionen die jeweils gewählte Rechtsform der Investition von großer Bedeutung.
3.1.2. 3.1.2.1.
Rechtsformen grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit Direktgeschäft
Direktgeschäfte (Importe und Exporte) sind dadurch charakterisiert, dass grenzüberschreitende Leistungsbeziehungen ohne feste Einrichtung im Ausland erfolgen. Bei solchen Geschäften kommt es im Ausland oftmals entweder zu keiner Besteuerung oder einer allenfalls begrenzten Quellenbesteuerung (z. B. Zinsen). Aufgrund der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht unterliegen die Erträge aus diesen Geschäften der inländischen Besteuerung, sind also der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zu unterwerfen.345 Dementsprechend können im Rahmen der Direktgeschäfte internationale Unterschiede der Steuersysteme regelmäßig nicht genutzt werden. Aufgrund des Fokus dieser Arbeit auf die internationale Steuerplanung wird diese Form der Investition nicht weiter vertieft.
3.1.2.2.
Betriebsstätte
§ 12 S. 1 AO definiert eine Betriebsstätte als jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.346 Im Wortlaut ähnlich gilt nach internationaler Konvention (Art. 5 OECD-MA) als Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Die feste Geschäftseinrichtung muss eine Beziehung zu einem Punkt auf der Erdoberfläche aufweisen und auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Es müssen dort betriebliche Handlungen vorgenommen werden, so dass eine bloße Vermietung oder Verpachtung der Einrichtungen nicht genügt, um eine Betriebsstätte zu konsti-
344
345 346
Vgl. Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 133 f.; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 561, 586 f.; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 124, 185. Vgl. ausführlich Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 420-423, 430 f. Direktinvestitionen mittels einer ausländischen Tochterpersonengesellschaft lösen im Regelfall die gleichen Besteuerungsfolgen aus wie im Fall einer Betriebsstätte; vgl. z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 865-868, 892 f.
52
tuieren.347 Beispiele für eine Betriebsstätte sind u. a. die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen oder Fabrikationsstätten. Da eine Betriebsstätte rechtlich unselbständig ist, ist das deutsche Stammhaus sowohl im Ausland wie auch im Inland buchführungspflichtig.348 Gemäß dem Welteinkommensprinzip ist das deutsche Stammhaus mit seinem weltweit erzielten Einkommen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und zugleich mit den Einkünften seiner ausländischen Betriebsstätte im Ausland beschränkt steuerpflichtig. Dies macht eine Abgrenzung der Bemessungsgrundlagen innerhalb des internationalen Einheitsunternehmens notwendig, um festzustellen, welcher Anteil dem ausländischen Staat und welcher Anteil dem deutschen Staat zusteht (Art. 7 OECD-MA). Diese Abgrenzung erfolgt bevorzugt nach der direkten Methode, die Betriebsstätte und Stammhaus als wirtschaftlich voneinander unabhängig fingiert. Der Betriebsstätte sind diejenigen Wirtschaftsgüter zuzuordnen, die sie zur Erfüllung ihrer Funktion benötigt.349 Lieferungen und Leistungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind nach Fremdvergleichsgrundsätzen (Arm’s-
Length-Prinzip) abzurechnen. Dies gilt insbesondere für Warenbewegungen und für Dienstleistungen, die den Hauptgegenstand der Unternehmenstätigkeit ausmachen und zu Außenumsätzen führen.350 Bei anderen Dienstleistungen und der befristeten Überlassung materieller und immaterieller Wirtschaftsgüter sowie von Kapital ist hingegen nur eine Aufwandsverrechnung zulässig.351 Inwieweit Zinsaufwand der Betriebsstätte zugeordnet und dort verrechnet werden kann, hängt neben der Zuordnung von Darlehen zur Betriebsstätte von der Ausstattung der Betriebsstätte mit Dotationskapital ab, welches ebenfalls nach dem Fremdvergleichsgrundsatz auf seine Angemessenheit überprüft wird.352 Durch den Zugriff zweier Staaten auf die Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte entsteht eine rechtliche Doppelbesteuerung, denn dieselben Einkünfte derselben Person werden durch mehr als einen Staat besteuert.353 Das grenzüberschreitend tätige Stammhaus sieht sich zwei Steuerhoheiten gegenüber und ist in seinem Sitzstaat unbeschränkt steuerpflichtig und in seinem 347 348 349
350 351
352
353
Zum Begriff der Betriebsstätte vgl. Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 36-87. Vgl. auch Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 95, 138. Vgl. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2008a, Rn. 240 zu Art. 7, S. 124; ausführlich Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 243-257. Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 91 zu Art. 7, S. 734. Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 16-18 zu Art. 7, S. 674-677; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2008a, Rn. 278, 281 zu Art. 7, S. 144-146. Ausführlich dazu Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 288-314. Vgl. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2008a, Rn. 290-293 zu Art. 7, S. 149-152; ; vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 631-634; Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 285 f.. Die Ursache für die rechtliche Doppelbesteuerung liegt darin, dass fast alle EU-Staaten sowohl nach dem Welteinkommens- als auch dem Quellenprinzip besteuern; vgl. Kessler, Euro-Holding, 1996, S. 23.
53
Tätigkeitsstaat über die ausländische Betriebsstätte beschränkt steuerpflichtig. Nach internationaler Konvention obliegt es in diesem Fall Deutschland als Wohnsitzstaat des Stammhauses, eine Methode zur Vermeidung der rechtlichen Doppelbesteuerung zu wählen. Unilateral vermeidet Deutschland eine Doppelbesteuerung mit Körperschaftsteuer insbesondere durch die Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 1 EStG i. V. m. § 26 Abs. 1 KStG). Bilateral wurde mit den meisten Vertragsstaaten, darunter mit allen anderen 26 EU-Mitgliedstaaten, die Freistellung von Betriebsstätteneinkünften im jeweiligen DBA vereinbart.354 Ein denkbarer Progressionsvorbehalt kann aufgrund des proportionalen Körperschaftsteuer-Tarifs nicht greifen.355 Im Bereich der Gewerbesteuer sind ausländische Betriebsstätteneinkünfte bereits konzeptionell ausgeschlossen. Die Gewerbesteuer ist als eine auf das Inland beschränkte Objektsteuer konzipiert (§ 2 Abs. 1 GewStG), weshalb ausländische Einkünfte nicht im Gewerbeertrag enthalten sind (§ 9 Nr. 3 GewStG).356
3.1.2.3.
Tochterkapitalgesellschaft
Eine ausländische Tochterkapitalgesellschaft wird nach dem dortigen nationalen Steuerrecht als juristische Personen anerkannt und ist uneingeschränkt rechtsfähig. Demgemäß ist sie in ihrem Sitzstaat buchführungspflichtig und unbeschränkt steuerpflichtig.357 Da die Tochter rechtlich selbständig ist, ermittelt die deutsche Muttergesellschaft von dieser getrennt ihr Welteinkommen, mit dem sie nach nationalem Recht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Aufgrund des Trennungsprinzips ist ein interpersonaler Verlustausgleich zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft im Grundsatz nicht möglich.358 Ebenso werden deswegen konzerninterne Liefer- und Leistungsbeziehungen sowie Finanzierungsbeziehungen dem Grunde nach anerkannt. Allerdings ist bei der Anerkennung der Höhe nach das Arm’s-Length-Prinzip zu beachten, wonach nur solche Bedingungen im Leistungs- und Finanzierungsverkehr steuerlich anerkannt werden, wenn sie auch im Verkehr mit (konzernexternen) Dritten vereinbart worden wären (Art. 9 OECD-MA).
354
355
356
357 358
Vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 16 zu Art. 23, S. 1664-1693. Dies gilt auch für die EWRStaaten Island und Norwegen, während mit Liechtenstein kein DBA besteht, weshalb die unilaterale Anrechnungsmethode zur Anwendung gelangt. Vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 224 zu Art. 23, S. 1784; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 451. Vgl. Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 151; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 449 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 485. Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 424; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 495.
54
Vorrangig sieht die OECD für eine Überprüfung drei Standardmethoden vor.359 Die Preisvergleichsmethode kennt einerseits den äußeren Preisvergleich, bei dem Marktpreise vergleichbarer Geschäfte zwischen konzernexternen, voneinander unabhängigen Unternehmen verwendet werden. Andererseits gibt es den inneren Preisvergleich, bei dem Marktpreise vergleichbarer Geschäfte herangezogen werden, die das Unternehmen selbst mit unabhängigen Dritten vereinbart hat. Die Wiederverkaufspreismethode geht von einem am Markt erzielbaren Verkaufspreis eines Produkts aus. Davon wird eine Rohgewinnspanne abgezogen, die die Funktion und das Risiko des Wiederverkäufers abdecken soll, so dass ihm ein angemesser Gewinn entsteht. Die Kostenaufschlagsmethode schließlich erhöht die entstandenen Selbstkosten des Leistenden um einen Gewinn, der den übernommenen Funktionen und Marktbedingungen angemessen sein soll.360 Letztere Methode findet insbesondere dann Anwendung, wenn keine Marktpreise als Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn es sich um konzernspezifische, nicht marktgängige – insbesondere immaterielle – Wirtschaftsgüter oder Dienstleistungen handelt.361 Die (indirekte) globale Gewinnvergleichsmethode als Alternative zu den Methoden der direkten Gewinnaufteilung gilt der OECD hingegen als im Grundsatz unvereinbar mit dem Fremdvergleichsgrundsatz.362 Bei Ausschüttungen, Zinszahlungen sowie Lizenzzahlungen der Tochtergesellschaft wird die deutsche Muttergesellschaft im ausländischen Sitzstaat der Tochter beschränkt steuerpflichtig. Zugleich wird die deutsche Mutter im Inland mit diesen erhaltenen Zahlungen unbeschränkt steuerpflichtig, woraus erneut die Problematik der rechtlichen Doppelbesteuerung erwächst.363 Unilateral vermeidet Deutschland die Doppelbesteuerung von Dividenden bei Kapitalgesellschaften durch eine 95%-ige Freistellung (§ 8b Abs. 1 i. V. m. § 8b Abs. 5 KStG).364 Dementsprechend werden Dividenden, denen aktive Einkünfte im Sinne des AStG zugrunde liegen, ab einer Beteiligungsquote von 15% – 10% bei sämtlichen Dividenden von Gesellschaften im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie365 – auch gewerbesteuerlich zu 95% freigestellt (§ 9 Nr. 7 GewStG). Zudem begrenzen DBA die Quellensteuersätze regelmäßig auf 5% der Bruttodividen359
360
361
362 363 364 365
Für einen Überblick vgl. z. B. Baranowski, Auslandsbeziehungen, 1996, Rn. 697-700, S. 280 f.; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 452 f.; für ergänzende transaktionsbezogene Methoden vgl. Oestreicher, KonzernGewinnabgrenzung, 2000, S. 67-74. In manchen Fällen sieht die OECD die geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode und Nettomargenmethode vor; vgl. dazu Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 72-74. Vgl. Eigelshoven, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 77 zu Art. 9, S. 849 f.; Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 71. Vgl. auch Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 38. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 485 f., 494, 505. Vgl. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 217, 220 zu § 8b KStG. Vgl. Gosch, in: Blümich, GewStG, 2008, Rn. 303, 306 zu § 9 GewStG; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 2006, Rn. 4 zu § 9 Nr. 7 GewStG.
55
den bei einer Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft in Höhe von 25% (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA). Innerhalb der EU sind darüber hinaus Dividenden innerhalb eines Konzerns von der Quellensteuer befreit, wenn eine Beteiligung von mindestens 15% – 10% ab 2009 – vorliegt (Art. 3 und 5 der Mutter-Tochter-Richtlinie). Zins- und Lizenzzahlungen werden im Inland der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unter Anrechnung der ausländischen Steuer unterworfen (§ 34c Abs. 1 EStG).366 Die DBA begrenzen die Quellensteuersätze auf konzerninterne Fremdfinanzierungen unabhängig von der Beteiligungshöhe auf 10% der Bruttozinsen (Art. 11 Abs. 2 OECD-MA).367 Weiterhin wird innerhalb der EU keine Quellensteuer auf konzerninterne Zins- und Lizenzzahlungen erhoben, sofern eine Mindestbeteiligung von 25% gegeben ist (Art. 1 und 3 der Zins- und LizenzRichtlinie). Da im Rahmen dieser Arbeit nur Konzerne betrachtet werden, die über eine Mehrheitsbeteiligung an den Tochtergesellschaften verfügen, fallen demgemäß für reine EUSachverhalte keinerlei Quellensteuern an. Ebenso findet die gewerbesteuerliche Freistellung von Dividenden immer Anwendung.
3.2. 3.2.1.
Grundlagen der internationalen Steuerplanung Annahmen
Individuen wollen im Hinblick auf finanzielle Ziele ihren für den Konsum vorgesehenen Einkommensstrom maximieren. Deshalb wird im Folgenden immer ein Unternehmer vorausgesetzt, der zur Befriedigung seiner Konsumbedürfnisse an der Maximierung monetärer Größen, dem verfügbaren Cashflow, interessiert ist.368 Dies gilt ebenfalls für die hier betrachteten Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, da das Unternehmen für seine Gesellschafter Einkommen zum Zweck ihrer Konsumbefriedigung erwirtschaften soll.369 Unter der Annahme perfekter, also vollkommener und vollständiger Kapitalmärkte, können Liquiditätswirkungen außer Acht gelassen werden.370 In diesem Fall steht der Diskontierungszinssatz für den einheitlichen Soll- und Habenzins am Kapitalmarkt, den Zinssatz der Alternativanlage, den zwischenzeitlichen Anlagezins für freiwerdende Finanzmittel sowie für die intertemporale Konsumpräfe-
366 367
368
369 370
Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 494. Die Quellensteuer auf Lizenzzahlungen wird ebenso regelmäßig begrenzt. Für einen Überblick über alle Quellensteuern vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 490-492. Vgl. Wagner, FA 1986, S. 35. Für weitere hier nicht betrachtete Größen vgl. z. B. Siegel, Steuerwirkungen, 1982, S. 21; Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 10 f. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 56; Siegel, Steuerwirkungen, 1982, S. 22 f. Vgl. Elschen, StuW 1991, S. 103.
56
renz.371 Dann ist auch die Konsum- bzw. Finanzierungsentscheidung von der Investitionsentscheidung separierbar.372 Weiterhin herrscht Planungssicherheit in Bezug auf die Umweltzustände insbesondere im Hinblick auf die Zahlungsströme. Weiterhin wird angenommen, dass die Steuern nur die Nettozahlungen, nicht jedoch die Bruttozahlungen der Investition beeinflussen. Ebenso bleiben das weitere Entscheidungs- und Datenfeld, insbesondere die vorhandenen Investitionsalternativen, unverändert.373 Zahlungen und damit auch Steuerzahlungen fallen stets am Ende einer Periode an. Zahlungen – nicht jedoch die Steuern selbst – sind zudem im Regelfall bei der Bemessungsgrundlage als Erträge und Aufwendungen steuerlich wirksam. Wichtige Ausnahme hiervon bilden die Aktivierung und die nachfolgende planmäßige Abschreibung von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Bei einer negativen Bemessungsgrundlage, also einem Periodenverlust, wird ein sofortiger Verlustausgleich unterstellt. Dies ist bei Kapitalgesellschaften insofern plausibel, als auch andere gewinnbringende Investitionen durchgeführt werden und somit Einkommen generiert wird, das den Verlust sofort aufbraucht (horizontaler Verlustausgleich). Die im Inland und Ausland relevanten Steuersätze bleiben über die Zeit konstant. In den folgenden Beispielrechnungen wird das Endvermögen bzw. der Endwert auf der Ebene der Mutterkapitalgesellschaft berechnet. Relevant ist somit die Maximierung des Endvermögens auf Ebene der Muttergesellschaft. In diesen Rechnungen werden eine oder mehrere EUausländische Tochtergesellschaften betrachtet, die zu 100% der deutschen Mutterkapitalgesellschaft gehören. Einzige Ausnahme ist im Kapitel 3.5.3.3. eine deutsche Tochtergesellschaft, die ihren Sitz in das EU-Ausland verlegt. Die Investitionen der Tochtergesellschaften werden stets von der Muttergesellschaft durch die Einlage von Eigenkapital finanziert. Die Refinanzierung der Muttergesellschaft erfolgt ebenfalls über Eigenkapital; lediglich in Kapitel 3.5.1.2. erfolgt die Refinanzierung über Fremdkapitalaufnahme bei Konzernfremden. Die Real- oder Finanzinvestitionen der Tochtergesellschaften werden genauso wie die alternative Finanzinvestition über einen Betrachtungszeitraum von fünf Jahren durchgeführt. Am Ende dieses Zeitraums erfolgt die Rückzahlung der Kapitaleinlage an die Mutter. Gleiches gilt für die Rückzahlung des Kredits bei Drittfremd-Refinanzierung der Mutter. Grenzüberschreitende Unterschiede in der Gewinnermittlung werden aus Vereinfachungsgründen ausgeblendet. 371 372
373
Vgl. ausführlich Dirrigl/Wagner, Steuerplanung, 1980, S. 31; Selg, Steuerplanung, 1998, S. 163. Vgl. dazu König/Wosnitza, Steuerplanungslehre, 2004, S. 29, 92, 145; Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 92; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 532 f.; Lammersen, Steuerbelastungsvergleiche, 2005, S. 25. Vgl. dazu und zu weiteren Annahmen Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 98; Wehrheim/Krause, Kapitalwertkriterium, 2007, S. 514 f.; vgl. auch Mellwig, Besteuerung, 1985, S. 49 f.; Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 129 f.
57
3.2.2.
Zielgröße der Steuerplanung: Maximierung des Endwerts
Die mit einer Investition verbundene Zahlungsreihe ist im Regelfall durch eine Anschaffungsauszahlung in t 0 und Einzahlungsüberschüsse in späteren Zeitpunkten charakterisiert. Zur Berechnung der Vorteilhaftigkeit einer Investition werden in der Investitionsrechnung üblicherweise dynamische Maße verwendet, die den zeitlichen Anfall der Zahlungen berücksichtigen. Der Endwert stellt eines der möglichen Entscheidungskriterien in der Investitionsrechnung dar.374 Bei der Endwertmethode wird der (Real-)Investition die Unterlassungsalternative gegenübergestellt. Ohne Berücksichtigung von Steuern werden für die Berechnung des Endvermögens der Investition sämtliche zukünftigen Einzahlungsüberschüsse auf den Zeitpunkt t
n aufgezinst.
Die Unterlassungsalternative (Alternativinvestition) besteht in einer Finanzanlage. Die Alternativinvestition verzinst sich mit der Bruttorendite i . Demgemäß errechnet sich das Endvermögen der Alternativinvestition durch Aufzinsung des investierten Kapitals, der Anfangsauszahlung A0 , auf den Zeitpunkt n . Der Endwert Vn stellt die Differenz dieser beiden Endvermögen dar375: n
(I.)
Vn
¦ (E
t
At ) u (1 i ) n t A0 u (1 i ) n
t 1
Der Endwert Vn gibt an, welchen Betrag der Investor in t
n zusätzlich für Konsumzwecke
entnehmen kann bzw. in welcher Höhe sein Endvermögen gemessen an der ihm zur Verfügung stehenden Alternativinvestition wächst, wenn er die (Real-)Investition durchführt.376 Gemäß dem Kriterium des Endwertes wird eine (Real-)Investition durchgeführt, wenn deren Endwert positiv ist, während bei einem negativen Endwert die alternative Finanzinvestition vorzuziehen ist. Bei einem Endwert von Null ist der Unternehmer indifferent zwischen der Realund der Finanzinvestition.377 Stehen mehrere sich ausschließende (Real-)Investitionen zur Verfügung, kann eine Rangordnung zwischen den Alternativen, absteigend mit der Höhe des Endwertes, erstellt werden. Bei begrenzten Investitionsmitteln ist die Investition mit dem höchsten Endwert durchzuführen.
374 375
376 377
Vgl. Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 59-65; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 538 f. Es sei darauf hingewiesen, dass die Begriffe „Endvermögen“ und „Endwert“ in der Literatur uneinheitlich verwendet werden. Entscheidend ist der Vergleich der Endvermögen der verfügbaren Investitionsalternativen und damit die Maximierung des Endvermögens; vgl. Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 60. In dieser Arbeit wird aus sprachlichen und inhaltlichen Gründen – parallel zum Kapitalwert ist der Nullpunkt die Grenze für die Vorteilhaftigkeit – einheitlich der Begriff „Endwert“ für die Differenz zwischen dem Endvermögen einer (Real-)Investition und dem Endvermögen der Unterlassungsalternative verwendet. Vgl. auch Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 59 f. Vgl. auch Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 60; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 538.
58
Steuern mindern als Auszahlung den vom Unternehmen erzielbaren Zahlungsüberschuss. Sie stellen genauso wie andere Kosten Aufwand für das Unternehmen dar.378 Für deutsche Kapitalgesellschaften sind dies die Körperschaftsteuer (KSt) in Höhe von 15%, die kommunale, nicht abzugsfähige Gewerbesteuer (GewSt) in Höhe von 15,1%379 sowie der Solidaritätszuschlag (SolZ) auf die Körperschaftsteuer in Höhe von 5,5%. Daraus ergibt sich ein kombinierter deutscher Ertragsteuersatz s d von ca. 31%: (II.)
sd
15% ( KSt ) 5,5% u 15% ( SolZ ) 4,32 u 3,5% (GewSt )
30,95%
Bei der Berechnung des für die Unternehmen entscheidungsrelevanten Endwertes kommt es also auf den Zahlungsüberschuss nach Steuern an.380 Gleichzeitig unterliegt die alternative Finanzanlage der Muttergesellschaft der Besteuerung. Deshalb wird der Kalkulationszinssatz um den Steuersatz gekürzt381; die Zahlungsüberschüsse nach Steuern werden mit der Nettorendite iS der Finanzanlage aufgezinst: (III.)
iS
i u (1 s d )
Dahinter steht die implizite Annahme, dass die alternative Finanzinvestition entscheidungsneutral besteuert wird in dem Sinne, dass die periodisch gleichbleibenden Einzahlungen aus dieser Anlage in voller Höhe der Ertragsteuer unterliegen. Somit bestimmt sich der Endwert nach Steuern VnS als Differenz zwischen den mit der Nettorendite iS aufgezinsten, zukünftigen Zahlungsüberschüssen – Ein- und Auszahlungen der Periode abzüglich der Steuerzahlung, die als Produkt der steuerlichen Bemessungsgrundlage und des Steuersatzes zu berechnen ist – und der mit iS aufgezinsten Anschaffungsauszahlung: n
(IV.)
V nS
¦ (E
t
At S t ) u (1 i S ) n t A0 u (1 i S ) n
t 1
Liegt ein positiver Endwert nach Steuern vor, wird die (Real-)Investition durchgeführt, während bei einem negativen Endwert die Finanzinvestition vorzuziehen ist. Bei einem Endwert in Höhe von Null ist der Unternehmer indifferent zwischen der Real- und der Finanzinvestition. Stehen 378 379
380
381
Vgl. Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 5; Taetzner, Steuerplanung, 2007, S. 477. Die Messzahl beträgt einheitlich 3,5% (§ 11 Abs. 2 GewStG). Für den Hebesatz wird der durchschnittliche Wert aller deutschen Kommunen mit einer Einwohnerzahl von über 50.000 angenommen: 432% (Stand 2007, Quelle: DIHK, Hebesätze, 2008). Von gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen und Kürzungen wird abgesehen. Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 538; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 20; im Kontext des Kapitalwerts vgl. Wagner, FA 1986, S. 33; Elschen, StuW 1991, S. 102. Vgl. dazu Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 538; vgl. auch Dirrigl/Wagner, Steuerplanung, 1980, S. 33; König/Wosnitza, Steuerplanungslehre, 2004, S. 36, 92.
59
mehrere sich ausschließende (Real-)Investitionen zur Verfügung, kann wiederum eine Rangordnung zwischen den Alternativen erstellt werden. Eine vollständige Betrachtung der Vorteilhaftigkeit einer Investition muss die Anteilseignerebene der Muttergesellschaft (natürliche Personen) umfassen.382 Da in den meisten EU-Mitgliedstaaten Dividenden nach dem Shareholder-Relief-Verfahren besteuert werden383, erfolgt die Besteuerung der Dividenden unabhängig von der Herkunft der Gewinne, aus denen die Dividenden finanziert werden.384 Somit hängt die verfügbare Nettodividende der Anteilseigner von dem auf Ebene der Gesellschaft generierten Nettozahlungsstrom ab, weshalb seine Maximierung auch aus Sicht der Anteilseigner grundsätzlich geboten ist. Allerdings ist die Entscheidung zwischen Thesaurierung bei der Muttergesellschaft und Ausschüttung an deren Anteilseigner in jedem Jahr an den Renditeanforderungen der Anteilseigner – also der Nettorendite, die die Anteilseigner mit einer alternativen Finanzinvestition erzielen können – zu messen. Liegt die Nettorendite der Anteilseigner unter derjenigen der Gesellschaft, ist ein Gewinneinbehalt bei der Muttergesellschaft nicht vorteilhaft. Liegt die Nettorendite der Anteilseigner jedoch über derjenigen der Gesellschaft, ist die Gewinnthesaurierung aus Sicht der Anteilseigner vorteilhaft. In den Berechnungen in dieser Arbeit wird die Besteuerung der Anteilseigner der Mutterkapitalgesellschaft nicht berücksichtigt, sondern nur das Endvermögen der Gesellschaft maximiert. Dies kann in Abhängigkeit von der Nettorendite der Anteilseigner aus ihrer Sicht vorteilhaft oder nachteilig sein. Bei firmenbezogenen Kapitalgesellschaften kann die Vernachlässigung der Anteilseignerebene dennoch damit gerechtfertigt werden, dass bei einem großen Gesellschafterkreis die Kenntnis über die individuellen Einkommensteuersätze der Anteilseigner fehlt.385 Dies deckt sich insoweit mit dem Fokus dieser Arbeit auf international tätige, deutsche Kapitalgesellschaftskonzerne, die als große Publikumsgesellschaften regelmäßig über einen großen Gesellschafterkreis im Inland und Ausland verfügen.
382 383 384 385
Vgl. auch König/Wosnitza, Steuerplanungslehre, 2004, S. 3, 78. Vgl. z. B. Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 14. Vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 83 f. So auch die Vorgehensweise von Mellwig bei firmenbezogenen Kapitalgesellschaften im Gegensatz zu personenbezogenen Kapitalgesellschaften; vgl. Mellwig, Besteuerung, 1985, S. 33, 35, 43; vgl. auch Dirrigl/Wagner, Steuerplanung, 1980, S. 296.
60
3.2.3.
Begriff und Zielsetzung der internationalen Steuerplanung
Unter Maßgabe der obigen Zielgröße beschäftigt sich die Steuerplanung eines Unternehmens damit, die Steuerzahlung als auszahlungswirksamen Aufwand zu planen und dergestalt zu beeinflussen, dass der Nettozahlungsstrom und damit der Endwert maximiert wird.386 Dies ist zunächst einmal bei Investitionsentscheidungen im Hinblick auf den Standort, die Rechtsform sowie die Art der Finanzierung wichtig. Bei mehreren Entscheidungsalternativen ist diejenige zu wählen, die den höchsten Endwert aufweist. Zwar spielen bei solchen Entscheidungen Steuern niemals die alleinige Hauptrolle, denn außersteuerliche Faktoren, wie z. B. Haftungsbegrenzungen, Mitbestimmungsrechte und Publizitätspflichten, sind in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.387 Oftmals werden unternehmerische Entscheidungen aber partiell oder vornehmlich aufgrund ihrer steuerlichen Konsequenzen getroffen.388 Diese Art der Steuerplanung ist dem Bereich der strategischen Steuerplanung zuzuordnen, der langfristige unternehmerische Entscheidungen umfasst.389 Gleichzeitig setzt die Steuerplanung bei schon getroffenen unternehmerischen Entscheidungen an.390 Wurde zum Beispiel bereits eine Wahl zwischen Betriebsstätte und Kapitalgesellschaft an einem Standort getroffen, geht es darum, wie nach dieser Investitionsentscheidung die Steuerbelastung mittels der Steuerung der Bemessungsgrundlagen minimiert werden kann.391 Wesentliche Instrumente dafür sind insbesondere Entscheidungen über die Finanzierungs- und die Verrechnungspreispolitik. Diese Art der Steuerplanung kann einerseits ebenfalls dem Bereich der strategischen Steuerplanung zuzuordnen sein, z. B. Entscheidungen über die mehrjährige Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer Tochtergesellschaft. Andererseits sind Entscheidungen über die Verrechnungspreise oder die Verlustnutzung, die jährlich getroffen werden, dem Bereich der operativen, also der eher kurzfristig ausgerichteten, Steuerplanung zuzuordnen. Steuerplanung kann zur völligen Steuervermeidung, einer partiellen Steuerverminderung oder einer bloßen Steuerstundung führen. Das konstitutive Merkmal der Steuerplanung besteht darin, dass mehrere Optionen zur Verfügung stehen, die nach dem einschlägigen Steuerrecht zulässig
386 387 388
389 390 391
Im Kontext des Kapitalwerts vgl. Schänzle, Steuergestaltung, 2000, S. 44. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 862. Vgl. Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 5. Zur Bedeutung der Steuerplanung vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 856. Für einen Überblick über empirische Studien, die den Einfluss von Steuern auf die Standortentscheidung untersuchen; vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 824-827. Zur Unterscheidung von langfristiger und kurzfristiger Steuerplanung vgl. Rose, Steuerplanung, 1988, S. 103. Zu den zwei wesentlichen Gebieten der Steuerplanung vgl. Wagner, FA 1986, S. 33 f., 36 f. Vgl. Wagner, FA 1986, S. 34.
61
sind (Steuervermeidung).392 Zu beachten sind diejenigen Fälle, in denen die Steuerverwaltung die Grenze der zulässigen Steuergestaltung als überschritten wertet und als Steuerumgehung steuerrechtlich sanktioniert.393 In der Legalität der Gestaltungsoptionen liegt schließlich die eindeutige Abgrenzung zum strafrechtlich relevanten Tatbestand der Steuerhinterziehung.394 Die obige Zielsetzung gilt in gleicher Weise für einen grenzüberschreitenden Konzern, allerdings nicht auf der Ebene des Einzelunternehmens, sondern auf der Ebene des Gesamtkonzerns.395 Die internationale Steuerplanung ist insbesondere mit dem Grundproblem der grenzüberschreitenden Besteuerung konfrontiert, der rechtlichen Doppelbesteuerung. Oberste Priorität der internationalen Steuerplanung muss es also zunächst sein, eine drohende Doppelbesteuerung desselben Einkommens zu vermeiden oder zumindest zu mildern. Im Gegenzug ergeben sich für ein international tätiges Unternehmen auch Möglichkeiten, das internationale Steuersatzgefälle unter Einsatz der Steuerplanung zu seinen Gunsten auszunutzen.396 Im Rahmen dieser Arbeit soll ausschließlich die internationale Steuerplanung im Bereich der Ertragsteuern betrachtet werden. Interdependenzen mit anderen Bereichen der gesamten Unternehmensplanung werden somit in dieser Arbeit bewusst ignoriert.
3.2.4.
Ursachen der internationalen Steuerplanung
Der fundamentale Grund jeglicher Steuerplanung ist ein nicht entscheidungsneutrales Steuersystem. Entscheidungsneutral heißt ein Steuersystem nur dann, wenn das Steuerrecht keine Ausweichhandlungen seitens der Steuerpflichtigen hervorruft.397 Entscheidungsneutralität bei mehreren Investitionsalternativen bedeutet Rangfolgeninvarianz, d. h., dass die Rangfolge der Vorteilhaftigkeit der Investitionen durch Steuern nicht beeinflusst wird. Weiterhin ist ein Steuersystem nur dann entscheidungsneutral hinsichtlich der Investitionstätigkeit, wenn diese Invarianz auch 392
393 394
395
396
397
Vgl. Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 7 f.; Bogenschütz, Internationale Steuerplanung, 1998, S. 5. Vgl. dazu Kapitel 3.4.3. Vgl. Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 9; Frotscher, IStR 2007, S. 573; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 49, 58-60. Vgl. auch Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 548; Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 11; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 575 f., 595. Für manche Autoren steht die Minimierung der Konzernsteuerquote im Vordergrund; vgl. Lühn, DK 2008, S. 94 f.; Zielke, DB 2007, S. 2785. Dem wird im Rahmen dieser Arbeit nicht gefolgt, da die Konzernsteuerquote aufgrund des Diskontierungsverbots latenter Steuern (IAS 12) nur endgültige Steuervorteile abbilden kann. Insofern sendet die Konzernsteuerquote Fehlanreize aus; vgl. Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 548; Zielke, DB 2006, S. 2586 f.; Herzig/Dempfle, DB 2002, S. 4 f.; Müller, DStR 2002, S. 1687; Haarmann, StbJb 2001/2002, S. 372. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 853; Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 6. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 97; König/Wosnitza, Steuerplanungslehre, 2004, S. 32, 140; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 555.
62
hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit einer einzelnen Investition herrscht. Eine vor Steuern vorteilhafte bzw. nachteilige Investition muss auch nach Steuern vorteilhaft bzw. nachteilig bleiben. Demgegenüber verlangt eine lediglich international standortneutrale Besteuerung, dass entweder aus der Sicht des Wohnsitzstaates oder des Quellenstaates die Standortwahl für Investitionen nicht verzerrt wird.398 Deutschland weist in seiner internationalen Besteuerung sowohl Bestandteile eines kapitalimportneutralen Systems – ausländische Dividenden beispielsweise werden freigestellt – als auch Bestandteile eines kapitalexportneutralen Systems – Zinsen, die eine ausländische Tochtergesellschaft an ihre deutsche Muttergesellschaft zahlt, unterliegen dem Welteinkommensprinzip – auf. Keine der beiden internationalen Standortneutralitäten wurde konsequent umgesetzt.399 Schon aufgrund dieser Inkonsistenz bestehen aus Sicht einer deutschen Konzernmutter entsprechende Anreize zur internationalen Steuerplanung. Selbst bei einer international standortneutralen Besteuerung verbleiben Anreize zur Steuerplanung, die insbesondere aus den nicht harmonisierten Steuersätzen resultieren. Dies gilt in erheblichem Maße für eine kapitalimportneutrale Besteuerung, wie sie Deutschland insbesondere über die Freistellung für unternehmerische Gewinne implementiert hat. Solche Anreize verbleiben in abgeschwächter Form auch bei einer kapitalexportneutralen Besteuerung, da zumindest über den Wegzug ein günstigerer Steuersatz erlangt werden kann. Darüber hinaus sind weitere wichtige Merkmale der Besteuerung nicht harmonisiert, woraus spezifisch internationale Steuerplanungsmöglichkeiten resultieren. Abgesehen von DBA-rechtlichen Qualifikationskonflikten verbleiben insbesondere Steuerplanungsmöglichkeiten, die aus den unterschiedlichen Gewinnermittlungsvorschriften und Verlustverrechnungsbestimmungen innerhalb der EU folgen. Erneut liegt der entscheidende Treiber der internationalen Steuerplanung in den Steuersatzunterschieden begründet.
3.3.
Aufgaben der internationalen Steuerplanung
Aus der grundlegenden Zielsetzung der internationalen Steuerplanung – Minimierung der Steuerbelastung bei gegebenem Investitionsumfang – lassen sich konkrete Unterziele bzw. Aufgaben formulieren, die eng miteinander zusammenhängen.400 Allen Unterzielen ist die Erzielung von Liquiditäts- und Zinsvorteilen gemeinsam. Über Gewinnverlagerungen lassen sich zusätzliche 398
399 400
Vgl. dazu Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 577 f.; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 231. Zu den Konzepten internationaler Standortneutralität vgl. Kapitel 2.1. Zu den Anforderungen der Investitionsneutralität im internationalen Kontext vgl. Ruf, Steuerwettbewerb, 2007, S. 32-35. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 228; Schreiber, Steuerwettbewerb, 1998, S. 108. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 856 f.; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 595 f.
63
Vorteile aus dem Steuersatzgefälle gewinnen. Eine Gewinnverlagerung zielt im Ergebnis darauf ab, Aufwand in Hochsteuerländer anfallen zu lassen, während die Erträge in Niedrigsteuerländer generiert werden sollen. Aufgrund nicht harmonisierter Steuersysteme besteht schließlich die Möglichkeit, über die Ausnutzung von Qualifikationskonflikten, Aufwand doppelt zu verrechnen bzw. Erträge steuerfrei zu vereinnahmen.401
3.3.1.
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Durch die rechtliche Doppelbesteuerung, also die Besteuerung der gleichen Einkünfte derselben Person durch mehr als einen Staat, entstehen dem Konzern Liquiditäts- und Zinsnachteile. Hier kommt es darauf an, eine Einmalbesteuerung sicherzustellen. Der Konzern muss also insbesondere darauf achten, ob im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr DBA zur Verfügung stehen und diese auch zur Anwendung auf die jeweiligen Sachverhalte kommen können, beispielsweise für die Reduktion oder Eliminierung von Quellensteuern.402 Die Vermeidung der rechtlichen Doppelbesteuerung ist eine vorrangige Aufgabe für die Steuerplanung eines internationalen Konzerns. Bei der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung wird nicht mehr die juristische Steuersubjektidentität gefordert, sondern lediglich die wirtschaftliche Identität, die z. B. bei zwei verbundenen Unternehmen innerhalb eines Konzerns gegeben ist.403 Aufgrund wirtschaftlicher Doppelbesteuerung entstehen dem Konzern ebenfalls Zins- und Liquiditätsnachteile. So führt beispielsweise der Verfall bzw. der Untergang von Verlustvorträgen oder Zinsvorträgen zu einer endgültigen steuerlichen Mehrbelastung im Konzern.404 Ziel des Konzerns muss es hier sein, die Voraussetzungen für einen Verfall oder Untergang von Vorträgen zu vermeiden bzw. die Verwertung der Verlust- oder Zinsvorträge vor ihrem Verfall oder Untergang zu erreichen. Internationale (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung kann auch aufgrund fehlender internationaler Abstimmung entstehen. Aktuelles Beispiel hierfür ist die Besteuerung der Funktionsverlagerung, da der innerstaatlichen Einkünftekorrektur nicht zwangsläufig eine Gegenberichtigung im Ausland gegen-
401
402
403 404
Für eine Übersicht vgl. Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 11 f.; Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 23 f. Vgl. auch Fischer/Kleineidam/Warneke, Steuerlehre, 2005, S. 576 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 889; Lühn, DK 2008, S. 97. Vgl. Kessler, Euro-Holding, 1996, S. 23. Vgl. auch Rödder/Stangl, DB 2007, S. 483; Lühn, DK 2008, S. 100, 102.
64
über stehen muss.405 Wiederum besteht das Ziel des Konzerns darin, die Voraussetzungen für eine Besteuerung der Funktionsverlagerung a priori zu vermeiden.
3.3.2.
Vermeidung der konzerninternen Gewinnrealisierung
Liquiditäts- und Zinsnachteile entstehen auch dann, wenn wirtschaftliche Vorgänge, denen keine Markttransaktion zugrunde liegt, der Besteuerung unterliegen. Hier kommt es darauf an, die Besteuerung bis zum Zeitpunkt der Realisierung zu verschieben, also solange bis Zahlungsmittel oder leicht liquidierbare Vermögenswerte wie Forderungen dem Unternehmen zur Begleichung der Steuerschuld zugehen. Wichtigstes Beispiel hierfür ist die Vermeidung von Ertragsteuern auf stille Reserven, die noch nicht realisiert wurden. Insbesondere beim grenzüberschreitenden Verkehr stiller Reserven, z. B. im Rahmen internationaler Umwandlungsvorgänge, zielt die Steuerplanung darauf ab, dass die stillen Reserven nicht aufgedeckt werden und die Besteuerung erst im Zeitpunkt der Realisation der Reserven erfolgt.406 Der Konzern muss also darauf achten, dass entweder Regeln für den Steueraufschub zur Verfügung stehen oder aber die Erfüllung von Realisierungstatbeständen nach Möglichkeit vermieden wird.
3.3.3.
Nutzung des Steuersatzgefälles
Ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen kann darüber hinaus von niedrigeren Steuersätzen im Ausland profitieren.407 Ausgangspunkt hierfür ist die von ausländischen Gesellschaften ausgehende Abschirmwirkung vor der inländischen Besteuerung. Das Ziel der Steuerplanung besteht in diesem Fall darin, die konzernweite Steuerbelastung zu minimieren, indem Steueraufkommen in Länder mit niedrigen Steuersätzen verlagert wird. Aufwand wird in Hochsteuerländern geltend gemacht, während (korrespondierender) Ertrag in Niedrigsteuerländern anfällt.408 Bei der Verlagerung von Buchgewinnen bedienen sich Konzerne insbesondere der Transferpreise für den innerkonzernlichen Lieferungs- und Leistungsverkehr sowie der konzerninternen Finanzierung. So kann beispielsweise im Rahmen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung Steuer-
405 406
407
408
Vgl. z. B. Kahle, DK 2007, S. 654. Vgl. Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 11; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1150. Vgl. auch Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 19, 24; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 854. Vgl. Bogenschütz, Internationale Steuerplanung, 1998, S. 10; Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 12.
65
aufkommen vom Inland in das Ausland transferiert werden.409 Gleiches gilt für den doppelten Abzug des gleichen Zinsaufwands, während die verlagerten Erträge einer nur geringen Besteuerung unterliegen.410 Damit spart das Unternehmen Steuern in Höhe des Steuersatzdifferentials. Diese Ersparnis ist endgültig, sofern die ausländischen Gewinne auch bei Repatriierung ins Inland keiner steuerlichen Nachbelastung unterliegen. Andernfalls ist mit Hilfe des Steueraufschubs zumindest ein Zinsvorteil aus dem niedrigeren ausländischen Steuersatz zu erzielen. Der Konzern muss für den Erfolg dieser Gestaltung also insbesondere darauf achten, dass die Abschirmwirkung der Gesellschaften anerkannt wird und die ausländischen Gewinne im Inland freigestellt werden. In Deutschland sind diese Bedingungen im Grundsatz erfüllt, denn das international anerkannte Trennungsprinzip wird vorbehaltlich bestimmter Missbrauchsregelungen akzeptiert. Gleichzeitig werden unternehmerische Gewinne aus ausländischen Betriebsstätten und Kapitalgesellschaften freigestellt. In dieser Hinsicht setzt sich Deutschland ungemildert dem Steuerwettbewerb aus, dessen wichtigster Auslöser das Steuersatzgefälle darstellt. Innerhalb des Binnenmarktes ist ein großes Steuersatzgefälle bei der Ertragsbesteuerung von Kapitalgesellschaften zu verzeichnen. Trotz der jüngsten Steuersatzsenkung liegt Deutschland unverändert im Spitzenfeld aller Mitgliedstaaten, wie Abbildung 2 zu entnehmen ist. Somit ist davon auszugehen, dass innerhalb des Binnenmarktes ein starker Anreiz zur Steuerplanung besteht, der aufgrund des relativ hohen deutschen Satzes (auch) zu Lasten Deutschlands geht. Der Nutzung des Steuersatzgefälles kommt bei der Maximierung des Endvermögens die wichtigste Rolle zu411, weshalb sie im Fokus dieser Arbeit stehen soll.
409 410 411
Vgl. auch Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 11 f. Vgl. näher dazu Kapitel 3.5.1. Vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 854.
66
35%
30%
25%
20%
15%
10%
5%
Zypern
Ungarn
Spanien
Tschechien
Slowakei
Slowenien
Rumänien
Schweden
Polen
Portugal
Österreich
Malta
Niederlande
Litauen
Luxemburg
Lettland
Irland
Italien
Großbritannien
Frankreich
Griechenland
Estland
Finnland
Dänemark
Deutschland
Belgien
Bulgarien
0%
Abbildung 2: Ertragsteuerbelastung von Kapitalgesellschaften in den 27 Mitgliedstaaten im Jahr 2008. Quelle: Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008.
3.3.4.
Erzielung der doppelten Nichtbesteuerung
Die doppelte Nichtbesteuerung bzw. die Generierung weißer Einkünfte ist insbesondere dadurch möglich, dass Unternehmen DBA-rechtliche Qualifikationskonflikte bzw. die fehlende Abstimmung des internationalen Steuerrechts ausnutzen.412 Dabei wird derselbe Aufwand in zwei Steuerjurisdiktionen zum Abzug gebracht. Solche Double-Dip-Gestaltungen können z. B. darauf abzielen, ausländische Verluste sowohl im Ausland als auch im Inland geltend zu machen.413 Ebenso kann eine Einmalbesteuerung vermieden werden, indem eine doppelte Freistellung von Gewinnen erzielt wird. Diese Gestaltungen sind insbesondere bei speziellen ausländischen Steuerregimes denkbar. So kann beispielsweise ein im Ausland erlaubter Abzug einer fiktiven Eigenkapitalverzinsung dazu führen, dass dorthin verlagerte Erträge keiner Besteuerung unterliegen.414
412
413 414
Vgl. z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1314; Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 12; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 136 f. Vgl. z. B. Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 148-151. Vgl. Haeltermann/Verstraete, Bulletin for international taxation 2008, S. 362 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1325; vgl. auch Kapitel 3.5.1.1.
67
3.4. 3.4.1.
Zulässigkeit und Grenzen der Steuerplanung Legitimität der internationalen Steuerplanung
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH und des BVerfG ist Steuerplanung im Grundsatz legitim. Laut dieser Rechtsprechung kann kein Steuerpflichtiger dazu verpflichtet werden, einen Sachverhalt so zu gestalten, dass daraus ein Steueranspruch entsteht. Vielmehr kann er durch Steuerplanung darauf hinwirken, dass die mit dem wirtschaftlichen Sachverhalt verbundene Steuerbelastung minimiert wird.415 Eine solche Steuervermeidung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Schließlich eröffnet der Gesetzgeber selbst durch bestimmte steuerliche (Lenkungs-) Normen dem Steuerpflichtigen Möglichkeiten zur Steuerplanung. So ermöglicht es die regelmäßig in deutschen DBAs vereinbarte Freistellungsmethode, dass Investitionen im Ausland abschließend nur der dortigen Steuerbelastung unterliegen. Auch ökonomisch ist Steuerplanung wünschenswert, da die Unternehmen dem Gesetzgeber auf diese Weise aufzeigen können, inwieweit die geltende Besteuerung Lücken aufweist bzw. nicht entscheidungsneutral ist. Sofern es die Steuerplanung zudem erreichen kann, dass die Rangfolge von Investitionen nach Steuern erhalten bleibt bzw. dass vorteilhafte Investitionen auch nach Steuern vorteilhaft bleiben und deshalb durchgeführt werden, kann dies sowohl einzel- als auch gesamtwirtschaftlich nützlich sein. Einzelwirtschaftlich ist sie dann nützlich, wenn das Unternehmen Investitionen realisieren kann, die das Vermögen der Gesellschafter gemessen am Kapitalwert bzw. am Endwert abzüglich des zusätzlichen Planungsaufwands mehren können.416 Gesamtwirtschaftlich kann sie ebenso nützlich sein, weil optimale Investitionen auch nach Steuern durchgeführt werden und somit keine Wohlfahrtseinbuße aus einem verzerrten Produktionsfaktoreinsatz resultiert bzw. der Ressourceneinsatz verbessert wird.417 Steuerplanung bei gegebenem Investitionsprogramm kann aus einzelwirtschaftlicher Sicht ebenfalls nützlich sein, sofern durch die Minimierung der Steuerlast die finanzielle Zielgröße zu Gunsten der Gesellschafter trotz des Planungsaufwands steigt. Gesamtwirtschaftlich handelt es sich jedoch um unproduktive Tätigkeiten und somit um Ressourcenverschwendung418, weil das Investitionsprogramm bereits feststeht. Allerdings gilt es zu bedenken, dass Steuerplanung dazu beitragen kann, dass Unternehmen mit der höchsten Rendite vor Steuern auch nach Steuern die 415
416 417 418
Vgl. BFH vom 20.05.1997, VIII B 108/96, BFHE 183, Rn. II.2.c); BFH vom 18.07.2001, I R 48/97, BFH/NV 2001, Rn. II.3.d); BVerfG vom 14.04.1959, 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57, BVerfGE 9, Rn. 46; Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 27 f.; Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 41; Drüen, StuW 2008b, S. 156. Dies gilt im Grundsatz auch in anderen Staaten; vgl. Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 51-53. Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 529; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 859. Vgl. Elschen, StuW 1991, S. 104. Vgl. Elschen, StuW 1991, S. 103 f.
68
höchste Rendite aufweisen, somit ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern und nicht von weniger effizienten Anbietern aufgrund rein steuerlicher Effekte verdrängt werden.419 Internationale Steuerplanung wird ebenfalls durch eine international nicht entscheidungsneutrale Besteuerung hervorgerufen bzw. begünstigt. Auch hier gilt, dass Steuerplanung ökonomisch wünschenswert ist, sofern die Steuerplanung dazu beiträgt, dass unter Berücksichtigung der Steuern diejenigen Investitionen durchgeführt werden, die auch vor Steuern vorteilhaft waren. Wiederum kann solche Steuerplanung dazu beitragen, dass sich der Konzern im Wettbewerb Kostenvorteile und damit Wettbewerbsvorteile sichert, um nicht von einem weniger effizienten Anbieter aus steuerlichen Gründen verdrängt zu werden.420 Zugleich gilt es bei grenzüberschreitenden Konzernen zu bedenken, dass vermehrt vom Kapitalmarkt der Druck zur internationalen Steuerplanung ausgeht.421 Die Konzernsteuerquoten werden zunehmend wichtig für die Analysten und die Investoren am Kapitalmarkt.422 Eine Senkung dieser Quote lässt sich besonders gut durch die Ausnutzung des internationalen Steuersatzdifferentials und die Generierung weißer Einkünfte erreichen.423 Auch insoweit ist internationale Steuerplanung für einen Konzern unerlässlich und unvermeidlich, weil dem Kapitalmarkt mit der Senkung der Konzernsteuerquote positive Signale gesendet werden.
3.4.2. 3.4.2.1.
Ökonomische Grenzen der Steuerplanung Restriktive Annahmen
Die hier gewählten Annahmen entsprechen im Regelfall nicht der unternehmerischen Realität. So ist jede Steuerplanung naturgemäß mit Unsicherheit behaftet, insbesondere was die Umweltbedingungen betrifft.424 Sind z. B. die Einzahlungen a posteriori nicht so hoch wie erwartet, kann sich eine durchgeführte Investition nachträglich als unvorteilhaft erweisen. Ebenso wenig steht ein unbeschränkter steuerlicher Verlustausgleich zur Verfügung, und die Steuersätze sind keineswegs konstant, wie erst 2008 wieder ersichtlich wurde. Die materiellen Regeln des Steuer419 420 421
422 423 424
Vgl. Wagner, FA 1986, S. 38; vgl. auch Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 529. Vgl. auch Grotherr, Internationale Steuerplanung, 2003, S. 26. Vgl. Herzig/Dempfle, DB 2002, S. 8; Zielke, DB 2006, S. 2585; Müller, DStR 2002, S. 1684 f.; Haarmann, StbJb 2001/2002, S. 368; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 854. Ausführlich zur Konzernsteuerquote vgl. Ortgies, Konzernsteuerquote, 2006, S. 6, 16-56, 64-68. Vgl. Herzig/Dempfle, DB 2002, S. 5; Müller, DStR 2002, S. 1687; Haarmann, StbJb 2001/2002, S. 377. Vgl. auch Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 25, 140; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 532. Im Fall der Unsicherheit kann entweder Risikoneutralität unterstellt werden, so dass der Risikonutzen der Gesellschafter proportional zu den monetären Größen verläuft; vgl. Elschen, Besteuerung von Unternehmensgewinnen, 1994, S. 274. Alternativ müssen Risikonutzenfunktionen der Investoren herangezogen werden; vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 141-143; Kruschwitz, Investitionsrechnung, 2007, S. 329-335.
69
rechts sind aufgrund der häufigen Änderungsintervalle mit großer Unsicherheit behaftet.425 Oftmals ist es schon dem Grunde unklar, ob eine Steuerrechtsänderung wie anvisiert beschlossen wird bzw. ab welchem Veranlagungszeitraum sie gelten wird. Solche Modifikationen des Steuerrechts können jedoch unternehmerische Handlungsmöglichkeiten erweitern oder einengen und damit die Rangordnung der geplanten Investitionen nach Steuern ändern. Selbst bei einer bereits beschlossenen Änderung kann es aufgrund von Auslegungsproblemen unklar bleiben, welche konkreten Auswirkungen die steuerliche Norm auf die Vorteilhaftigkeit von Investitionen haben wird. Schließlich ist die Annahme eines perfekten Kapitalmarkts fragwürdig. Ein identischer Soll- und Habenzins wird Unternehmen gerade nicht zur Verfügung stehen. Damit sind aber auch die Aussagen zur Vorteilhaftigkeit einer Investition mit Vorsicht zu interpretieren.426 Abschließend ist zu bedenken, dass die Steuerplanung nur einen Teil der gesamten Unternehmensplanung ausmacht. In der Praxis können somit übergeordnete Unternehmensziele das Partialziel der internationalen Steuerplanung verdrängen.427
3.4.2.2.
Direkte Kosten
Ein rationaler Steuerpflichtiger wird stets nur dann Steuerplanung betreiben, wenn die Steuerersparnisse aus der Gestaltung die Kosten der Planung übersteigen.428 Direkte Kosten der Planung umfassen insbesondere Kosten für das Suchen, Finden und Implementieren der Steuergestaltungsmaßnahmen.429 Hierbei handelt es sich vor allem um nicht-monetäre (Zeitaufwand und Opportunitätskosten) und monetäre Kosten der Inanspruchnahme von Rechts- und Steuerberatung.430 Dies beinhaltet nicht nur die Rechtsberatung a priori, d. h. welche Steuergestaltung zu wählen und wie diese vertraglich umzusetzen ist. Ebenso entstehen direkte Kosten a posteriori, wenn in strittigen Fällen Rechtsbeistand benötigt wird. Auch auf Seiten der Finanzverwaltung entstehen Kosten der Steuerplanung. Da die Finanzbehörden zumindest partiell das Verhalten der Steuerpflichtigen antizipieren bzw. im Alltag des Steuervollzugs erleben, reagiert der Steuergesetzgeber mit Änderungen in den Steuergesetzen, um die als missbräuchlich empfundene Steuergestaltung einzudämmen bzw. zu verhindern. Da-
425 426 427 428 429 430
Vgl. auch Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 26 f.; Wagner, FA 1986, S. 42 f. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 100. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 858. Vgl. Wiegard et al., Jahresgutachten, 2005, S. 266. Vgl. Elschen, StuW 1991, S. 103. Vgl. Scholes et al., Taxes and Business Strategy, 2005, S. 176; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 2.
70
durch entstehen Kosten in Form von zeitlichem und monetärem Aufwand.431 Tendenziell werden diese Kosten mit der Komplexität des Steuerrechts steigen, welche wiederum auch durch die Steuerplanung der Steuerpflichtigen bedingt ist.432
3.4.2.3.
Indirekte Kosten
Wegen unternehmerischer Steuerplanung entstehen auch indirekte Kosten, die aus gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten resultieren. Diese Verluste sind dadurch gekennzeichnet, dass ein vor Steuern optimaler Faktoreneinsatz unter dem Einfluss von Steuern geändert wurde. Aufgrund des nunmehr suboptimalen Ressourceneinsatzes kommt es zu gesamtwirtschaftlichen Produktionseinbußen.433 Es wird folglich aufgrund steuerlicher Erwägungen eine Investition gewählt, deren Vorsteuerrendite geringer ist als diejenige der vor Steuern optimalen Investitionsalternative, die jedoch dem Unternehmer eine höhere Nachsteuerrendite erbringt. Zugleich ist es denkbar, dass Unternehmen, die Steuerplanung betreiben, einen Vorteil haben gegenüber denjenigen Unternehmen, die das unterlassen. Unternehmen, die einen Vorteil durch Steuerplanung erzielen, können deshalb den Mindestpreis für die abzusetzenden Produkte niedriger ansetzen als ihre Konkurrenzunternehmen. In diesem Fall kann es dazu kommen, dass Investitionen von Unternehmen ausgeführt werden, die ihre Ressourcen nicht optimal einsetzen, aber aufgrund des Steuervorteils Wettbewerbsvorteile gegenüber (vor Steuern) produktiveren Unternehmen haben. Insoweit entstehen ebenfalls Wohlfahrtsverluste, da effizientere Unternehmen durch weniger effiziente Unternehmen aus rein steuerlichen Gründen vom Markt verdrängt werden können.434
3.4.3.
Rechtliche Grenzen der Steuerplanung
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist Steuerplanung bzw. Steuervermeidung nicht zu beanstanden. Steuerumgehung jedoch ist eine durch Missbrauch qualifizierte Steuervermeidung. Gemäß § 42 Abs. 2 AO liegt Missbrauch durch den Steuerpflichtigen vor, wenn eine unange-
431 432 433
434
Vgl. Wiegard et al., Jahresgutachten, 2005, S. 266 f.; Evans, Compliance Costs, 2008, S. 450 f. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 223 f.; vgl. auch Drüen, StuW 2008b, S. 160. Vgl. Wiegard et al., Jahresgutachten, 2005, S. 267; Elschen, StuW 1991, S. 112; Lammersen, Steuerbelastungsvergleiche, 2005, S. 30; Wagner, StuW 2005, S. 95; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 31; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 555, 635; Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 46. Vgl. z. B. Lammersen, Steuerbelastungsvergleiche, 2005, S. 28 f. Zu den impliziten Preiswirkungen der Besteuerung vgl. ausführlich Lammersen, Steuerbelastungsvergleiche, 2005, S. 30-40.
71
messene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt, es sei denn der Steuerpflichtige weist beachtliche außersteuerliche Gründe nach. Diese Neufassung des § 42 AO im Jahr 2008 entspricht im Wesentlichen der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BFH zum Missbrauchsbegriff des § 42 AO 1977.435 Laut dieser Rechtsprechung liegt Missbrauch nicht bereits dann vor, wenn der (entscheidende) Zweck der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in einer Steuerersparnis besteht.436 Vielmehr ist eine Vertragsgestaltung dann missbräuchlich, wenn sie angesichts des erwünschten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, lediglich der Steuerminderung dienen soll und nicht durch wirtschaftliche oder sonstige außersteuerliche Gründe zu rechtfertigen ist.437 Eine unangemessene Gestaltung ist dadurch charakterisiert, dass ein ungewöhnlicher Weg beschritten wird, mit dessen Hilfe das Ziel der Steuerersparnis nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht erreichbar sein soll.438 Laut § 42 Abs. 1 S. 2 AO gehen dieser allgemeinen Missbrauchsnorm spezielle Missbrauchsnormen vor. Im Bereich der internationalen Steuerplanung ist hier insbesondere die Hinzurechnungsbesteuerung zu nennen. Sofern die Voraussetzungen einer speziellen Missbrauchsnorm wie der Hinzurechnungsbesteuerung erfüllt sind, entfaltet sie eine Abschirmwirkung gegenüber der allgemeinen Norm des § 42 AO, selbst wenn im konkreten Fall auf Basis der speziellen Norm kein Missbrauch festgestellt werden kann.439 Nur in denjenigen Fällen, in denen die spezielle Norm mangels Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale nicht zur Anwendung kommt, kann § 42 AO greifen, sofern weitere Umstände hinzutreten, die eine Gestaltung als rechtsmissbräuchlich kennzeichnen.440 Konzerne haben bei ihrer Steuerplanung solche Missbrauchsnormen zwingend in ihr Kalkül einzubeziehen. In diesem Zusammenhang sind weitere wichtige Steuernormen zu berücksichtigen, die sich vor allem gegen grenzüberschreitende Sachverhalte bzw. Gestaltungen richten, wie die 435 436
437
438
439
440
Vgl. Dörr/Fehling, NWB 2008, S. 9677-9679. Vgl. BFH vom 14.10.1964, II 175/61 U, BStBl. III 1964, Rn. II.3.; BFH vom 29.11.1982, GrS 1/81, BStBl. II 1983, Rn. C.III.; BFH vom 18.07.2001, I R 48/97, BFH/NV 2001, Rn. II.3.d); vgl. auch BFH vom 25.02.2004, I R 42/02, BStBl. II 2005, Rn. I.3.c). Vgl. BFH vom 31.05.2005, I R 74, 88/04, BFH/NV 2005, Rn. II.2.a); BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.1.a); BFH vom 20.03.2002, I R 38/00, BStBl. II 2002, Rn. II.2.a). Vgl. BFH vom 18.07.2001, I R 48/97, BFH/NV 2001, Rn. II.1. Darüber hinaus fordert der BFH in einigen Urteilen, dass eine zweckgerichtete Handlung zur Umgehung des Steuergesetzes vorliegt; vgl. BFH vom 20.05.1997, VIII B 108/96, BFHE 183, Rn. II.2.c); BFH vom 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, Rn. II.D.5.a); Wagner, FA 1986, S. 46. Vgl. auch BFH vom 29.01.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, Rn. II.1.a); BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.b)dd); BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.b); BFH vom 15.12.1999, I R 29/97, BStBl. II 2000, Rn. II.3.b)aa), bb); Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 66 f. Der neugefasste § 42 AO ändert im Ergebnis nichts an dieser Abschirmwirkung; vgl. Dörr/Fehling, NWB 2008, S. 9674 f. Vgl. BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.b); Niedrig, IStR 2003, S. 475.
72
Begrenzung des Zinsabzugs und des Verlustausgleichs, die Wegzugsbesteuerung sowie Regelungen zur internationalen Gewinnabgrenzung. Andererseits nehmen die Konzerne verstärkt ihr Recht in Anspruch, steuerliche Beschränkungen, die sich überwiegend gegen grenzüberschreitende Sachverhalte richten, EG-rechtlich überprüfen zu lassen.
3.5.
Ausgewählte Möglichkeiten der internationalen Steuerplanung eines deutschen Konzerns
Die Möglichkeiten internationaler Steuerplanung hängen entscheidend von der gewählten Rechtsform der ausländischen Investition ab. Rechtlich unselbständige Betriebsstätten des Konzerns sind Bestandteil des Einheitsunternehmens und somit steuerlich im Grundsatz als eine Einheit zu behandeln. Rechtlich selbständige, jedoch wirtschaftlich abhängige Glieder des Konzerns (Tochterkapitalgesellschaften) werden gemäß der zivilrechtlichen Wertung behandelt (Trennungsprinzip). Für Outbound-Investitionen wird oftmals die Rechtsform einer Tochterkapitalgesellschaft gewählt.441 Neben außersteuerlichen Gründen, wie z. B. einer begrenzten Haftung442, einer leichteren Handelbarkeit der Anteile oder einem eigenständigen Auftritt vor Ort, sind dafür auch steuerliche Gründe ausschlaggebend. Aufgrund des Trennungsprinzips und der daraus folgenden Anerkennung zivilrechtlicher Verträge zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sind die Möglichkeiten der Steuerplanung mit Hilfe einer ausländischen Tochtergesellschaft vielfältiger als bei einer ausländischen Betriebsstätte.443 Ebenso erleichtert das Trennungsprinzip die Zuordnung von Wirtschaftsgütern, z. B. Beteiligungen und Darlehen, zur ausländischen Tochtergesellschaft, wohingegen diese Zuordnungsfragen im Fall ausländischer Betriebsstätten aufgrund ihrer fehlenden rechtlichen Selbständigkeit nicht so einfach über das zivilrechtliche Eigentum gelöst werden können.444 Deshalb soll die Steuerplanung mittels ausländischer Tochtergesellschaften im Fokus der Arbeit stehen. Weiterhin wird in dieser Arbeit vorrangig die Steuerplanung innerhalb der EU betrachtet. Bedeutende außersteuerliche Vorteile der EU betreffen beispielsweise die politische und wirtschaftliche Stabilität, die relativ hohe Rechtssicherheit, die gute Infrastruktur sowie in der Mehrheit der 441
442
443 444
Vgl. auch Taetzner, Steuerplanung, 2007, S. 478; Scheffler/Kusch, Steuerplanung, 1999, S. 860; Brinkmann, Grenzüberschreitende Tätigkeiten, 2008, S. 165. Die Haftungsbegrenzung ist ein wichtiger Grund, warum Direktinvestitionen im Ausland meist in Form einer Tochterkapitalgesellschaft getätigt werden; vgl. Scheffler, Besteuerung, 2002, S. 201. Vgl. auch Kessler, Euro-Holding, 1996, S. 21. Vgl. auch Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 247; Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 730 f.
73
Mitgliedstaaten eine einheitliche Währung (EURO) und ein näherungsweise gleiches Zinsniveau.445 In steuerlicher Hinsicht sprechen die schon erwähnten Richtlinien für die EU, da sie die Quellensteuern innerhalb des Konzernverbundes eliminieren.446 Zudem weisen EU-Staaten regelmäßig ein gutes DBA-Netzwerk auf. Es werden im Rahmen dieser Arbeit die Grundsätze der internationalen Steuerplanung aufgezeigt. Anhand wichtiger Beispiele werden grundlegende Möglichkeiten aufgezeigt, wie das internationale Steuersatzgefälle genutzt werden kann. Gerade diese Möglichkeiten sind auch diejenigen, welche den Mitgliedstaaten besondere (fiskalische) Probleme bereiten, insbesondere da die Mitgliedstaaten den EG-rechtlichen Grundfreiheiten und deren Auslegung durch den EuGH Beachtung schenken müssen.447
3.5.1.
Finanzierung
Laut gefestigter Rechtsprechung des BFH herrscht für deutsche Unternehmen im Grundsatz Finanzierungsfreiheit.448 Eine Betriebsstätte kann mit Fremd- oder Eigenmitteln ausgestattet werden. Ebenso besteht freie Wahl bei der Finanzierung einer Tochtergesellschaft: entweder Eigenkapitalfinanzierung in Form von Beteiligungsfinanzierung bzw. Selbstfinanzierung oder Fremdkapitalfinanzierung in Form von Gesellschafter-Fremdfinanzierung.449 Die Finanzierung ist ein relativ flexibles und zudem steuersensitives unternehmerisches Instrument. Angesichts internationaler Kapitalmärkte ist die Kapitalaufnahme und Kapitalvergabe eine Aufgabe des Gesamtkonzerns und weist regelmäßig eine grenzüberschreitende Dimension auf.450 Mit Hilfe der Finanzierung kann ein Konzern die fehlende Finanzierungsneutralität ausnutzen, die aus der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung von Eigenkapital und Fremdkapital resultiert, und damit in grenzüberschreitenden Fällen zu einem gewissen Ausmaß bestimmen, in welcher Steuerjurisdiktion steuerliches Einkommen entsteht.451 Bei der Wahl der Finanzierung sind auch außersteuerliche Faktoren zu beachten, wie z. B. Mindesteigenkapitalanforderungen, Wäh-
445 446 447 448
449
450 451
Zu außersteuerlichen Kriterien vgl. auch Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 88 f. Vgl. auch Zielke, DB 2007, S. 2787; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 87. Zur getroffenen Auswahl vgl. auch Hey, StuW 2004, S. 198; Birk, Steuerrecht, 2007, S. 78-85. Vgl. BFH vom 15.05.2002, I R 53/00, BStBl. II 2003, S. 329; BFH vom 19.03.1998, IV R 110/94, BStBl. II 1998, Rn. 3.b)bb); BFH vom 24.04.1997, VIII R 23/93, BStBl. II 1999, Rn. II.1.; BFH vom 08.12.1997, GrS 12/95, BStBl. II 1998, Rn. B.I.1.; BFH vom 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, Rn. II.D.5.c). Die Finanzierung kann auch mit hybriden Instrumenten erfolgen; vgl. dazu z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1325-1329. Vgl. Menck, IStR 1994, S. 570. Vgl. auch Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 108.
74
rungsrisiken und betriebswirtschaftliche Steuerungsmechanismen über Profit-Center.452 Dennoch werden mobile Dienstleistungsfunktionen wie die Finanzierung des Konzerns durch außersteuerliche, betriebswirtschaftliche Überlegungen nur wenig eingeschränkt.453 In steuerlicher Hinsicht sind es insbesondere die Steuersätze, die die Finanzierungsentscheidungen treiben.454 Außerdem werden Finanzierungsentscheidungen steuerlich davon beeinflusst, ob sich die Mutter- und Tochtergesellschaft in einer Gewinn- oder Verlustsituation befinden.455 Schließlich spielt die Art der Refinanzierung, insbesondere im Fall der Fremdfinanzierung, eine wichtige Rolle. Innerhalb der EU betragen aufgrund der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Zins- und LizenzRichtlinie die Quellensteuern auf innerkonzernliche Dividenden und Zinsen stets 0%. Die Doppelbesteuerung von Dividenden innerhalb des Konzerns ist ebenfalls aufgrund der MutterTochter-Richtlinie ausgeschlossen und findet im deutschen Recht in § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 9 Nr. 7 GewStG seine Entsprechung. Internationale Unterschiede in der Bemessungsgrundlage sind aufgrund der Zahlungsorientierung (Dividenden bzw. Zinsen) im Regelfall nicht gegeben.
3.5.1.1.
Eigenkapitalfinanzierung: Steueraufschub
3.5.1.1.1. Gestaltungsansatz Ausländische Betriebsstätten sind ein unselbständiger Teil des Konzerns. Somit entscheidet ihre Ausstattung mit Dotationskapital und Darlehensmitteln, inwieweit Zinsaufwendungen auf Ebene der Betriebsstätte abgezogen werden können. Angesichts der relativ hohen deutschen Ertragsteuerbelastung ist es regelmäßig besser, ausländische Betriebsstätten mit möglichst viel Dotationskapital auszustatten, so dass möglichst wenig Zinsaufwand den freigestellten ausländischen Gewinnanteil der Betriebsstätte mindert.456 Bei Eigenkapitalfinanzierung der ausländischen Tochtergesellschaft durch die deutsche Muttergesellschaft fallen keine steuerlich abzugsfähigen Finanzierungskosten an. Somit ist nur die Ertragsteuerbelastung des Auslands relevant, weil die Erträge der Tochtergesellschaft gemäß Trennungsprinzip von der deutschen Besteuerung abgeschirmt werden. Sofern der ausländische Ertragsteuersatz niedriger ist als der inländische, ist regelmäßig Eigenkapitalfinanzierung günsti452 453
454
455
456
Vgl. nur Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 946. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1103; Sedemund, IStR 2007, S. 451; Laudan, Konzerngesellschaften, 2003, S. 134 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 948, 953; Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 557. Zu empirischen Erkenntnissen im Überblick vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 828 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 951 f.; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 111. Für eine Steuergestaltung bei Verlusten vgl. Kapitel 3.5.2.1. Vgl. dazu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 944 f.
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ger.457 Dies ist angesichts der deutschen Ertragsteuerbelastung von ca. 31% der Regelfall innerhalb der EU.458 Lediglich Belgien, Frankreich, Italien und Malta haben nominal höhere Steuersätze, wobei Belgien und Malta über attraktive Holdingregimes verfügen. Diese Vorteilhaftigkeitsaussage gilt für Selbstfinanzierung und für Beteiligungsfinanzierung. Selbst bei unmittelbarer Repatriierung der Gewinne fällt nämlich nur auf 5% der repatriierten Gewinne (§ 8b Abs. 5 KStG, § 9 Nr. 7 GewStG) deutsche Steuer an. Der Steuersatzvorteil ist wie im Fall einer Betriebsstätte aufgrund des geltenden Freistellungssystems von dauerhafter Natur. Beispiel 6: Innerhalb des Konzerns stehen Finanzmittel über 1.000 EUR für die nächsten fünf Jahre zur freien Verfügung. Werden diese 1.000 in eine Finanzinvestition am Markt investiert, beträgt der Endwert vor Steuern gerade Null (siehe auch S. 55). Der Endwert nach Steuern beträgt ebenfalls Null, wenn diese Investition durch die deutsche Muttergesellschaft ausgeführt wird. Führt jedoch eine zypriotische Tochtergesellschaft diese Finanzinvestition durch und schüttet die Erträge sofort an die Mutter aus, steigt der Endwert nach Steuern auf 112,5 (Tabelle 1). Diese steuerliche Begünstigung wird durch das Steuersatzdifferential in Höhe von 21%-Punkten verursacht. Trotz sofortiger Repatriierung bleibt dieser Steuersatzvorteil im Wesentlichen erhalten, da nur 5% der Dividenden der deutschen Steuer unterliegen; der Endwert ohne 5%-Schachtelstrafe für Dividenden beträgt 120,52.
Marktzins
10%
Zypriotische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 10% Nettozins: 9% 0 1 2 1.000,0 1.000,0 1.000,0 100,0 100,0 90,0 90,0 90,0 90,0
Deutsche Muttergesellschaft Jahr Erhaltene Dividende Dividendensteuer Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
Dividendensteuersatz: 31% Nettozins: 6,9% 0 1 90,0 1,4 88,6 0,0
3 1.000,0 100,0 90,0 90,0
4 1.000,0 100,0 90,0 90,0
5 1.000,0 100,0 90,0 90,0 -1.000,0
u 5% = 1,55%; Ertragsteuersatz: 31% 2
3 90,0 1,4 88,6 6,1
4
5
90,0 1,4 88,6 12,6
90,0 1,4 88,6 19,6
90,0 1,4 88,6 27,1
Wiederanlagebetrag 88,6 183,3 284,6 Einlage -1.000,0 Rückzahlung Endvermögen der Finanzinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
392,8
508,5
Tabelle 1: Finanzinvestition in zypriotischer Tochtergesellschaft mit sofortiger Repatriierung
457 458
Vgl. Grotherr, IWB 2005a, S. 1219 f.; Grotherr, IWB 2005b, S. 1237 f., 1241 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 949; Zielke, DB 2007, S. 2787.
1.000,0 1.508,5 1.396,0 112,5
76
Dieser Steuersatzvorteil wird durch einen zusätzlichen Zinseffekt verstärkt, wenn die Gewinne einschließlich der anfallenden Zinserträge in den Folgeperioden bei der Tochtergesellschaft thesauriert werden.459 Die thesaurierten Gewinne verzinsen sich bei identischen Renditen vor Steuern entsprechend dem niedrigeren ausländischen Steuersatz zu einem höheren Nettozins als bei sofortiger Repatriierung und Wiederanlage im Inland: (VII.) i Sa
i u (1 s a ) ! i Sd
i u (1 s d )
Die Belastung mit Dividendensteuer hat hingegen keinen Einfluss auf die Vorteilhaftigkeit der Thesaurierung, da diese Steuer sowohl im Fall der Ausschüttung als auch im Fall der Thesaurierung – bei endgültiger Ausschüttung am Ende des Thesaurierungszeitraums – fällig wird. Entscheidend ist alleine die höhere Nettorendite im Ausland.460 Wiederum ist der Vorteil aufgrund der Freistellung bei späterer Repatriierung dauerhaft und steigt mit zunehmender Thesaurierungsdauer immer stärker an. Sofern für Ausschüttungen oder Investitionen keine Finanzmittel benötigt werden, sollten also insbesondere Finanzinvestitionen über zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften in Niedrigsteuerländern – Basisgesellschaften bzw. (Finanz-) Holdings461 – getätigt werden. Um den steuerlichen Vorteil optimal auszuschöpfen, sollte die Holding bevorzugt in Mitgliedstaaten mit einem nominal niedrigen Steuersatz wie in Zypern oder in Irland errichtet werden.462 Beispiel 7 (in Fortführung zu Beispiel 6): Wie im obigen Beispiel wird die Finanzinvestition in Höhe von 1.000 EUR in der zypriotischen Tochtergesellschaft durchgeführt. Diesmal werden die Gewinne dort thesauriert und zum Marktzins von 10% reinvestiert. Am Ende des fünften Jahres werden sämtliche Rücklagen ausgeschüttet und das Kapital wird zurückgezahlt. Verglichen mit dem Szenario der sofortigen Repatriierung steigt der Endwert von 112,5 auf 134,3. Die Differenz in Höhe von 21,8 zeigt den zum reinen Steuersatzvorteil zusätzlich auftretenden Zinsvorteil aus der Thesaurierung an.
459
460 461
462
Vgl. z. B. Schreiber, DBW 1992, S. 840 f.; Morgenthaler, IStR 2000, S. 291. Aufgrund des Freistellungssystems ist das Vorgehen grundsätzlich auch bei Betriebsstätten denkbar; vgl. Maywald/Scheipers, IStR 2006, S. 473; Burmester, Minderbesteuerung, 1997, S. 72 f. Jedoch ist die Zuordnung von Erträgen zu einer Betriebsstätte vom Dotationskapital abhängig und somit unsicherer als bei einer rechtlich unabhängigen Tochtergesellschaft; vgl. auch Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 210; Scheffler/Kusch, Steuerplanung, 1999, S. 861. In der Praxis ist ohnehin die Gestaltung über eine Tochtergesellschaft üblich; vgl. dazu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1106; Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 727. Vgl. auch Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 794. Zum Begriff der Basisgesellschaft vgl. z. B. Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 217; zum Begriff der Holding vgl. z. B. Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 722 f. Für Zwecke dieser Arbeit werden die beiden Begriffe Basisgesellschaft und Holding als Synonyme verwendet. Vgl. Zielke, DB 2007, S. 2787, 2790; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 90 f. Zu weiteren wichtigen steuerlichen Vorteilen bzw. Kriterien sowie zu außersteuerlichen Kriterien für die Einrichtung einer Finanzierungsholding; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1115-1118; Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 41-44; Fischer/Kleineidam/Warneke, Steuerlehre, 2005, S. 598 f.; Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 733; Schänzle, Steuergestaltung, 2000, S. 76 f.
77
Marktzins
10%
Zypriotische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 10% Nettozins: 9% 0 1 2 1.000,0 1.090,0 1.188,1 100,0 109,0 90,0 98,1 0,0 0,0
3 1.295,0 118,8 106,9 0,0
4 1.411,6 129,5 116,6 0,0
Deutsche Dividendensteuersatz: 1,55%; Ertragsteuersatz: 31% Muttergesellschaft Nettozins: 6,9% Jahr 0 1 2 3 4 Erhaltene Dividende 0,0 0,0 0,0 0,0 Dividendensteuer 0,0 0,0 0,0 0,0 Nettozufluss 0,0 0,0 0,0 0,0 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Finanzinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
5 1.538,6 141,2 127,0 538,6 -1.000,0
5 538,6 8,3 530,3 1.000,0 1.530,3 1.396,0 134,3
Tabelle 2: Finanzinvestition in zypriotischer Tochtergesellschaft mit Thesaurierung über fünf Jahre
Ein weiterer interessanter Holdingstandort ist Malta, das über ein Anrechnungssystem verfügt, das bei Ausschüttung eine Erstattung von Anrechnungsguthaben vorsieht. Werden Gewinne, die mit maltesischer Steuer in Höhe von 35% belastet sind, an einen ausländischen Anteilseigner ausgeschüttet, so werden diesem Anteilseigner 6 7 der gezahlten maltesischen Steuer erstattet.463 Folglich beträgt die effektive maltesische Steuerlast bei Ausschüttung lediglich 5%. Zusammen mit der deutschen Ertragsteuer auf 5% der erhaltenen Dividende ergibt sich eine gesamte Steuerlast von 6,47%.464 Die erhaltene Ausschüttung kann dann erneut als Eigenkapital in die maltesische Tochtergesellschaft eingebracht werden.465 Auch Investitionen in Mitgliedstaaten, die einen annähernd gleich hohen Steuersatz wie Deutschland aufweisen, können steuerlich vorteilhaft mit Eigenkapital der Muttergesellschaft finanziert werden. Zur Ausnutzung des Steuersatzgefälles wird hierfür eine Finanzholding zwi-
463 464
465
Vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 522. Vgl. Zielke, DB 2007, S. 2789. Nach der Rechtsprechung des BFH werden als Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 EStG (Dividenden) auch Vorteilsgewährungen durch Dritte erfasst, die im Gesellschaftsverhältnis begründet sind; vgl. BFH vom 07.12.2004, VIII R 70/02, BFH/NV 2005, Rn. II.1.a),b). Damit sollte die Steuererstattung durch den maltesischen Staat als Dividende zählen, die zu 95% in Deutschland steuerbefreit ist. Falls die Steuererstattung in Deutschland steuerpflichtig sein sollte, empfiehlt sich die Zwischenschaltung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat, in dem die Steuererstattung als (Teil der) Dividende steuerbefreit ist. Strukturell entspricht das dem Schütt-Aus-Hol-Zurück-Verfahren im früheren deutschen Anrechnungsverfahren; vgl. dazu z. B. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2000, Rn. 157-174 zu § 27 KStG.
78
schengeschaltet.466 Die Finanzholding finanziert die eigentliche Investition (Tochtergesellschaft) in einem dritten Mitgliedstaat fremd. Entsprechend fällt grundsätzlich467 eine ertragsteuerliche Belastung nur im Sitzstaat der Finanzholding an. Falls die Holding zusätzliche Fremdmittel zur Finanzierung der Investition aufnehmen muss, ist zumindest die Zinsmarge im Sitzstaat der Holding zu versteuern.468 Wiederum vergrößert die Thesaurierung der Gewinne in der Holding den steuerlichen Vorteil. Die Finanzholding sollte erneut bevorzugt in Mitgliedstaaten mit einem nominal niedrigen Steuersatz errichtet werden. Alternativ können auch Mitgliedstaaten gewählt werden, die steuerlich günstige Regeln zur Holdingbesteuerung aufweisen.469 Belgien z. B. sieht einen fiktiven Zinsabzug auf das Eigenkapital belgischer Gesellschaften vor (Zinssatz 4,307% im Jahr 2008). Dadurch kann der nominal hohe belgische Körperschaftsteuersatz von insgesamt 34% in Abhängigkeit vom vereinbarten Zinssatz mit der fremdfinanzierten Tochtergesellschaft um mehr als die Hälfte gemindert werden.470 Innerhalb des Konzerns kann noch zusätzliche Steuerplanung betrieben werden, indem Konzernbeteiligungen von der deutschen Konzernmutter oder anderen Konzerngesellschaften in die belgische Tochtergesellschaft erfolgsneutral eingebracht werden (§ 21 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UmwStG i. V. m. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG).471 Diese Beteiligungen werden anschließend von der belgischen Holding gewinnrealisierend – aber zu 95% steuerfrei472 – verkauft, um das für den Abzug relevante Eigenkapital zu erhöhen.
3.5.1.1.2. Die Hinzurechnungsbesteuerung
Die Hinzurechnungsbesteuerung greift gemäß § 7 Abs. 1 AStG immer dann, wenn eine von unbeschränkt Steuerpflichtigen beherrschte ausländische Zwischengesellschaft, deren Sitz und Ort 466
467
468 469
470
471
472
Vgl. Menck, IStR 1994, S. 575; Schreiber, Internationale Mobilität, 1996, S. 46 f.; Schänzle, Steuergestaltung, 2000, S. 62; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 117. Natürlich müssen eventuell vorhandene thin capitalisation rules im Sitzstaat der fremdfinanzierten Tochter berücksichtigt werden. Für einen Überblick ausländischer Regelungen vgl. z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 954 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1116. In diesem Zusammenhang interessante Länder sind z. B. zu finden bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1118, 1122 f.; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 120. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1122; vgl. auch Haeltermann/Verstraete, Bulletin for international taxation 2008, S. 362 f., 369. Vgl. auch Deschrijver/Heyvaert, Intertax 2005, S. 463. In Deutschland greift die Missbrauchsvorschrift des § 22 Abs. 2 UmwStG nicht, da die Einbringung durch eine Kapitalgesellschaft erfolgt; vgl. dazu Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Rn. 140 zu § 22 UmwStG. Die belgische Befreiung zu 95% greift allerdings nur, wenn genügend Gewinne (abzgl. Dividenden) vorhanden sind; vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 98. Dieser Mechanismus, der im Gegensatz zur deutschen Vorschrift keine 95%-ige Freistellung sicherstellt, verstößt gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie; vgl. EuGH vom 12.02.2009, Rs. C-138/07 (Cobelfret), Slg. I-2009, Rz. 41, 46, 57.
79
der Geschäftsleitung nicht im Inland liegen, Einkünfte aus passiver Tätigkeit erzielt und einer niedrigen Besteuerung unterliegt. Die Zwischengesellschaft gilt als von unbeschränkt Steuerpflichtigen beherrscht („Deutschbeherrschung“), sofern diese zusammen mehr als 50% der Kapitalanteile bzw. der Stimmrechte halten (§ 7 Abs. 2 AStG). Es ist nicht erforderlich, dass die Personen voneinander Kenntnis besitzen.473 Passive Tätigkeiten werden im Umkehrschluss zum Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG definiert. Grob formuliert, sieht der Gesetzgeber insbesondere Tätigkeiten aus den Bereichen Landwirtschaft, Produktion und Handel als aktive Tätigkeiten an, während mobile Funktionen und Einkunftsquellen, z. B. Zinsen aus der Kapitalanlage und Kapitalvergabe oder Lizenzgebühren aus der Verwaltung von Lizenzen und Patenten, regelmäßig als passiv anzusehen sind.474 Dies korrespondiert mit der Erkenntnis, dass Unternehmen aus rein steuerlicher Sicht bestrebt sein werden, im Konzern leicht verlagerbare Funktionen in Niedrigsteuerländern vor der deutschen Besteuerung abzuschirmen. Eine niedrige Besteuerung liegt gemäß § 8 Abs. 3 AStG vor, sofern die ertragsteuerliche Belastung im Ausland unter 25% liegt. Dabei besitzt der ausländische Ertragsteuersatz Indizfunktion.475 Allerdings ist die tatsächliche Belastung des nach deutschem Recht ermittelten ausländischen Gewinns mit der tatsächlich entrichteten, ausländischen Steuer entscheidend.476 Eine Niedrigbesteuerung liegt nicht schon alleine deshalb vor, wenn die Abweichungen auf bloßen zeitlichen Verlagerungen, wie z. B. unterschiedlichen Abschreibungssätzen, oder einem Verlustabzug beruhen.477 Bei kumulativem Vorliegen aller Voraussetzungen kommt es zur Hinzurechnung der passiven Einkünfte zum Einkommen der unbeschränkt Steuerpflichtigen. Bei negativen Einkünften entfällt die Hinzurechnung (§ 10 Abs. 1 S. 3 AStG), und es kommt zu einem Verlustvortrag im Sinne des § 10d EStG auf Ebene der Zwischengesellschaft (§ 10 Abs. 3 S. 5 AStG). Entstehen positive passive Einkünfte, wird im Jahr der Entstehung ihre Ausschüttung unterstellt.478 Laut § 10 Abs. 2 bzw. § 20 Abs. 1 AStG findet jedoch § 8b Abs. 1 KStG bzw. ein DBA keine Anwendung, die zugerechnete fiktive Dividende wird also nicht freigestellt. Die passiven Einkünfte sind sowohl dem körperschaftsteuerlichen Einkommen als auch dem Gewerbeertrag der deutschen Mut473
474
475
476
477 478
Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 68 zu § 7 AStG; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 437. Vgl. Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 200; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 451 f.; im Detail vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 8.1. Vgl. dazu die nicht abschließende schwarze Liste (Anlage 1) bzw. weiße Liste (Anlage 2) von Staaten im BMFSchreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004. Vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 8.3.2.1.; Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 395, 398 f. zu § 8 AStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 8.3.1.1., 8.3.2.5. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 22 zu § 10 AStG; Brähler, Controlled Foreign Company-Rules, 2007, S. 26. Zu den Freigrenzen für die Hinzurechnung vgl. BMFSchreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 9.
80
tergesellschaft hinzuzurechnen und folglich mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer zu belasten.479 Die DBA-rechtliche Freistellung wird im Bereich der Körperschaftsteuer auch im Fall einer ausländischen Betriebsstätte versagt (§ 20 Abs. 2 AStG), sofern diese – unter der Annahme, die Betriebsstätte sei eine ausländische Gesellschaft – ebenfalls die oben genannten Tatbestandsmerkmale erfüllt.480 Gemäß § 12 Abs. 1 AStG hat der Steuerpflichtige das Wahlrecht, die auf den hinzugerechneten Anteil entfallenden ausländischen Steuern auf seine deutsche Steuerschuld anrechnen zu lassen oder vom Hinzurechnungsbetrag abziehen zu lassen. Die Anrechnung der ausländischen Steuern ist allerdings nur auf die Körperschaftsteuer möglich (§ 12 Abs. 2 AStG). Nachfolgende Gewinnausschüttungen der ausländischen Zwischengesellschaft werden aufgrund § 8b Abs. 5 KStG zu 95% von der Körperschaftsteuer freigestellt, aufgrund § 9 Nr. 7 GewStG aber ein zweites Mal mit Gewerbesteuer belastet. Dividenden von Tochtergesellschaften, die unter die Mutter-Tochter-Richtlinie fallen, werden stets gewerbesteuerlich freigestellt. Im Ausland erhobene Quellensteuern bei einer tatsächlichen Ausschüttung durch die Zwischengesellschaft können gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 AStG bei der deutschen Mutter angerechnet oder abgezogen werden. Als Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung im Fall Cadbury Schweppes ist seit dem Jahr 2008 ein Gegenbeweis durch den Steuerpflichtigen für die Hinzurechnungsbesteuerung des § 7 Abs. 1 AStG möglich (§ 8 Abs. 2 AStG).481 Der Gegenbeweis ist nicht für ausländische Betriebsstätten im Sinne des § 20 Abs. 2 AStG oder für die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung des § 7 Abs. 6 AStG (Einkünfte mit Kapitalanlagecharakter) verfügbar. Voraussetzung für den Gegenbeweis ist, dass der Sitz der ausländischen Zwischengesellschaft in der EU/EWR liegt und dass der Sitzstaat Auskünfte an die deutschen Steuerbehörden erteilt. Mangels eines DBA mit Liechtenstein sind damit Zwischengesellschaften dieses Staates von der Regelung des § 8 Abs. 2 AStG ausgeschlossen.482 Hingegen ist die Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG für alle EU-Staaten aufgrund der Amtshilferichtlinie möglich, ebenso für Norwegen und Island aufgrund von Amtshilfeabkommen. Der inländische Steuerpflichtige muss in diesem Fall nachweisen, dass die ausländische Gesellschaft in ihrem Sitzstaat einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (§ 8 Abs. 2 S. 1 AStG). Gelingt dieser Nachweis, kommt es nicht zu einer Hinzurechnung der passiven ausländischen Einkünfte zum Einkommen der Muttergesellschaft. Eine Zuordnung ausländi-
479 480
481 482
Vgl. BFH vom 21.12.2005, I R 4/05, BFH/NV 2006, Rn. II.1.,2.; Förster/Schmidtmann, Intertax 2004, S. 481. Vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 20.2.; Wassermeyer/ Schönfeld, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 119, 153 zu § 20 AStG Zu den Voraussetzungen vgl. auch Grotherr, IWB 2008, S. 2261-2264. Auch Großbritannien schließt Liechtenstein von einer begünstigenden Regelung bei seiner Hinzurechnungsbesteuerung aus; vgl. Schönfeld, IStR 2007, S. 199.
81
scher Einkünfte zur tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit kann nur in dem Umfang gelingen, in dem sie durch die Tätigkeit der Gesellschaft erzielt wurden und der Fremdvergleichsgrundsatz des § 1 AStG eingehalten wurde (§ 8 Abs. 2 S. 5 AStG). Damit sollen wohl vor allem Holdings in Niedrigsteuerländern verhindert werden, die mit einem Minimum an Ausstattung mobile Funktionen wie die konzerninterne Finanzierung in einem großen Maße wahrnehmen.483
3.5.1.1.3. Steuerplanung im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung
Der Erfolg des Steueraufschubs hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften akzeptiert wird. So kann sich der Ort der Geschäftsleitung einer Basisgesellschaft immer noch im Inland befinden, was die unbeschränkte deutsche Steuerpflicht zur Folge hat.484 Ist hingegen durch ein Mindestmaß an sachlicher und personeller Ausstattung der Gesellschaft gesichert, dass die Geschäftsleitung am Sitz der Basisgesellschaft wahrgenommen wird, kann sich die eben erläuterte Hinzurechnungsbesteuerung gegen die Nutzung steuerlicher Vorteile aus der Nutzung von Basisgesellschaften bzw. Finanzholdings richten.485 Effektiv beseitigt die Hinzurechnungsbesteuerung das Trennungsprinzip und eliminiert auf diese Weise den aus der Thesaurierung resultierenden Zinsvorteil.486 Gleichzeitig beseitigt die Hinzurechnungsbesteuerung den Steuersatzvorteil, da die Freistellungsmethode nicht zur Anwendung kommt. Beispiel 8 (in Fortführung zu Beispiel 7): Die Einkünfte aus der Finanzinvestition in Zypern werden im Umkehrschluss zu § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG als passiv eingestuft, weshalb in jedem Jahr eine Hinzurechnung zur deutschen Muttergesellschaft erfolgt. In der Berechnung der Tabelle 3 wurde angenommen, dass die Mutter den Mittelbedarf für die deutsche Steuerzahlung über Ausschüttungen der zypriotischen Tochtergesellschaft finanziert. Aufgrund dieses Mittelabflusses kann in der zypriotischen Tochtergesellschaft nur eine Nettorendite von knapp 6,9% erreicht werden. Die Hinzurechnungsbesteuerung macht somit den Zins- und Steuersatzvorteil zunichte. Der Endwert nach Steuern wird sogar leicht negativ (-8,2), was der 5%-Schachtelstrafe auf Dividenden geschuldet ist. Deshalb besteht jetzt ein Anreiz, die Erträge sofort zu repatriieren und in Deutschland zu reinvestieren.487 Ohne diese partielle Doppelbesteuerung entspräche die Nettorendite der zypriotischen Tochter exakt 6,9%, der Endwert nach Steuern wie vor Steuern wäre also genau Null, und die Konzernmutter wäre indifferent zwischen der Anlage in Deutschland oder Zypern. Dass darüber hinaus keine weitere Doppelbesteuerung aus der Hinzurechnungsbesteuerung resultiert, liegt vor allem daran, dass die gewerbesteuerliche Freistellung für die Ausschüttung greift und dass eine Anrechnung der zypriotischen Steuer vollständig gelingt, da der zypriotische Steuersatz unter dem deutschen Körperschaftsteuersatz liegt. Eine Doppelbesteuerung aufgrund abweichender Gewinnermittlungsvorschriften wurde annahmegemäß ausgeschlossen.
483 484
485 486 487
Vgl. dazu Grotherr, IWB 2008, S. 2263; Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 758. Vgl. Burmester, Minderbesteuerung, 1997, S. 70; Laudan, Konzerngesellschaften, 2003, S. 133; von Busekist, GmbHR 2006, S. 134 f.; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 600. Ebenso sei darauf hingewiesen, dass es sich um eine missbräuchliche Zwischenschaltung im Sinne des § 42 AO handeln kann; vgl. Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 317 f. Vgl. Menck, IStR 1994, S. 573, 577; Schreiber, Internationale Mobilität, 1996, S. 48 f. Vgl. auch Schön, DB 2001, S. 941; Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7. Vgl. auch Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 796.
82
Marktzins
10%
Zypriotische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 10% Nettozins: 9% 0 1 2 1.000,0 1.068,7 1.142,1 100,0 106,9 90,0 96,2 21,3 22,8
3 1.220,5 114,2 102,8 24,4
4 1.304,3 122,0 109,8 26,0
Deutsche Dividendensteuersatz: 1,55%; Ertragsteuersatz: 31% Muttergesellschaft Nettozins: 6,9% Jahr 0 1 2 3 4 Hinzugerechnete 100,0 106,9 114,2 122,0 Gewinne vor Steuern Ertragsteuern 31,0 33,1 35,4 37,8 Anrechnung der zyprioti10,0 10,7 11,4 12,2 schen Steuer Zu zahlende Steuern auf21,0 22,4 24,0 25,6 grund Hinzurechnung Erhaltene Dividende 21,3 22,8 24,4 26,0 Dividendensteuer 0,3 0,4 0,4 0,4 Nettodividende 21,0 22,4 24,0 25,6 Nettozufluss 0,0 0,0 0,0 0,0 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Finanzinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
5 1.421,7 130,4 117,4 421,7 -1.000,0
5 130,4 40,4 13,0 27,4 421,7 6,5 415,1 387,8 1.000,0 1.387,8 1.396,0 -8,2
Tabelle 3: Hinzurechnungsbesteuerung bei Finanzinvestition in zypriotischer Tochtergesellschaft
In der Praxis wird es wohl selten zu einer tatsächlichen Veranlagung nach den §§ 7-14 AStG kommen. Vielmehr werden bestimmte Steuergestaltungen aus Sorge um die nachteiligen Folgen bei einer Kollision mit dem AStG erst gar nicht verwirklicht. Die Hinzurechnungsbesteuerung entfaltet insofern eine abschreckende, „prophylaktische Wirkung“.488 Um die nachteiligen Folgen einer Hinzurechnungsbesteuerung zu umgehen, kann beispielsweise an das Kriterium der Niedrigbesteuerung angeknüpft werden. In diesem Zusammenhang sollte die Zwischenschaltung einer maltesischen Holding eigentlich keine Hinzurechnungsbesteuerung auslösen. Aufgrund der nominal hohen maltesischen Steuerbelastung in Höhe von 35% liegt keine Niedrigbesteuerung im Sinne des § 8 Abs. 3 AStG vor. Daran ändert die Erstattung an den Anteilseigner nichts, auch wenn dadurch die tatsächliche maltesische Steuerbelastung auf 5%
488
Wassermeyer, Außensteuergesetz, 1997, S. 1058.
83
sinkt. Denn für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung kommt es auf die Steuerbelastung auf Ebene der Gesellschaft an489, während die Steuererstattung dem Anteilseigner direkt zugute kommt. Selbst wenn die Finanzverwaltung diese Sicht nicht teilt490 bzw. der Steuerpflichtige aus anderen Gründen die Holding in einem anderen Mitgliedstaat errichten will, dürfte sich die Steuerplanung vermutlich nicht so schwierig gestalten. Hinsichtlich des neu eingeführten Gegenbeweises muss eine echte wirtschaftliche Tätigkeit im Ausland nachgewiesen werden, was aufgrund der EuGH-Rechtsprechung wohl nur rein künstliche, funktionslose Gesellschaften ausschließen dürfte. Was das im Detail für die Steuerplanung bedeutet, soll im Rahmen der EG-rechtlichen Würdigung der Hinzurechnungsbesteuerung ausführlich erörtert werden (Kapitel 4.1.1.2.2.).
3.5.1.2.
Fremdkapitalfinanzierung: Zinsabzug
3.5.1.2.1. Gestaltungsansatz
Für ausländische Betriebsstätten ist es, wie bereits erwähnt, regelmäßig besser, sie mit möglichst viel Eigenkapital auszustatten. Allerdings können es inländische Beschränkungen des Zinsabzugs wie die Zinsschranke u. U. ratsam erscheinen lassen, den Zinsaufwand wenigstens einmal und somit im Ausland abziehen zu können. Bei Fremdfinanzierung der ausländischen Tochtergesellschaft durch die deutsche Muttergesellschaft (Outbound-Finanzierung) kommt es im Sitzstaat der Tochter zum Zinsabzug und einem korrespondierenden Zinsertrag in Deutschland. In steuerlicher Sicht kommt es darauf an, den Abzug des Zinsaufwands bei (profitablen) Konzerngesellschaften mit größtmöglicher Wirkung, also zu einem möglichst hohen Steuersatz, wirksam werden zu lassen, während der Zinsertrag in Niedrigsteuerländern anfallen sollte. Dementsprechend wird eine Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer ausländischen Tochter regelmäßig weniger günstig sein als eine direkte Eigenfinanzierung durch die deutsche Mutter. Im Gegenzug ist dann eine Fremdfinanzierung innerhalb des deutschen Konzerns vorteilhaft, wenn eine ausländische Tochtergesellschaft die deutsche Muttergesellschaft oder eine andere deutsche Konzerngesellschaft fremdfinanziert (InboundFinanzierung). Somit wird im Ausland eine Finanzholding eingerichtet, die deutsche Konzerngesellschaften fremdfinanziert.491 Nachfolgende Ausschüttungen der ausländischen Finanzholding
489 490 491
Vgl. auch BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 8.3.1.1. So wird Malta in der schwarzen Liste (Anhang 1) des BMF-Schreibens vom 14.05.2004 geführt. Vgl. Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 102; Zielke, DB 2007, S. 2787; vgl. Kapitel 3.5.1.1.1.
84
an die Mutter sind zu 95% freigestellt.492 Innerhalb der EU ist dies im Regelfall vorteilhaft, wenn auch zu bedenken ist, dass aufgrund der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 1 GewStG der für den Zinsabzug in Deutschland relevante Steuersatz 27,2% beträgt: (VI.)
s dFF
30,95% Hinzurechnung Zinsen
30,95% 25% u 4,32 u 3,5%
27,2%
Bei der Wahl des Standorts der Finanzierungsholding kann auf die vorherigen Ausführungen zur Eigenkapitalfinanzierung verwiesen werden. Darüber hinaus eignen sich insbesondere solche Standorte, die für Zinseinkommen günstige Regelungen vorsehen. So sind z. B. in Zypern – mit einem ohnehin niedrigen, allgemeinen Steuersatz von 10% – Zinseinkünfte nur zur Hälfte steuerpflichtig.493 Bei der Refinanzierung einer Outbound-Investition über Drittfremdkapital kommt es ebenfalls darauf an, den Zinsabzug in dem Staat zu erreichen, in dem er die höchste Wirkung erzielt, während die refinanzierte Investition in einem Niedrigsteuerland durchgeführt wird. Dementsprechend ist eine Refinanzierung mit Fremdkapital bei der deutschen Muttergesellschaft stets zu bevorzugen, wenn der deutsche Ertragsteuersatz höher ist als der ausländische. Dies wird angesichts des relevanten Steuersatzes in Höhe von 27,2% wiederum der Regelfall innerhalb der EU sein. Ziel ist es somit, den Refinanzierungsaufwand in Deutschland entsprechend dem höheren Steuersatz geltend zu machen, wohingegen die Erträge dem niedrigeren ausländischen Steuersatz unterliegen.494 Bei der Kombination der Fremd-Refinanzierung mit der in Kapitel 3.5.1.1.1. beschriebenen Gestaltung mittels einer Finanzholding kommt es schließlich im Ergebnis dazu, dass derselbe Fremdfinanzierungsaufwand zweimal abgezogen werden kann. Die Erträge hingegen unterliegen einer niedrigen oder geringen Steuerbelastung.495
492 493
494
495
Vgl. dazu auch Homburg, FR 2007, S. 721. Vgl. Zielke, DB 2007, S. 2787. Allerdings gilt dies nicht für Zinseinkünfte aus dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb des Unternehmens, was wohl eine reine Finanzierungsholding ausschließt. Insofern müsste man eine maltesische Tochtergesellschaft auswählen, deren Hauptzweck beispielsweise die Verwaltung von Patenten und Lizenzen des Konzerns ist. Weitere Länderbeispiele für Begünstigungen sind die Niederlande und Luxemburg; vgl. Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 97 f. Vgl. auch Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 818. Zu den aus deutscher Sicht fiskalisch problematischen Inbound- und Outbound-Finanzierungen vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, S. 479. Vgl. Menck, IStR 1994, S. 573, 575; Schänzle, Steuergestaltung, 2000, S. 78.
85
Beispiel 9: In einer irischen Tochtergesellschaft wird eine Realinvestition durchgeführt496, die eine Rendite in Höhe des Marktzinses erbringt (Grenzinvestition) und die am Markt refinanziert werden muss. Bei Fremd-Refinanzierung auf Ebene der irischen Tochter weist diese Investition eine Zahlungsreihe von konstant Null (Endwert vor Steuern offensichtlich Null) aus, da der Kapitalbedarf bzw. die Erträge in gleicher Höhe dem Darlehensbetrag bzw. den Zinszahlungen gegenüberstehen. Erfolgt jedoch die Refinanzierung über Fremdkapital auf Ebene der deutschen Konzernmutter, kann bei ausreichend hohem Gewinn der Zinsaufwand effektiv zu 27,2% geltend gemacht werden, während die Erträge in Irland nur einem Satz von 12,5% unterliegen. Konzernweit betrachtet, kommt es also zu einer Steuererstattung. Wie Tabelle 4 zeigt, wird der Endwert nach Steuern dementsprechend positiv (76,6) und resultiert aus der Trennung der Erträge und der Zinsaufwendungen mit entsprechendem Satzvorteil. Dieser Vorteil bleibt bestehen, da die Dividende zu 95% freigestellt ist. Werden die Erträge in Irland thesauriert, kann ein zusätzlicher Zinsvorteil erzielt werden. Auch bei inframarginalen Realinvestitionen (Rendite ist größer als der Marktzins) ist diese Vorgehensweise vorteilhaft, wenn auch der obige Effekt insoweit abgeschwächt wird, als sich die anfängliche Steuererstattung mit steigender Profitabilität der Investition in eine Steuerbelastung wandelt, die sich zunehmend der Höhe des irischen Steuersatzes nähert.
Marktzins
10%
Irische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 12,5% Nettozins: 8,75% 0 1 2 1.000,0 1.000,0 1.000,0 100,0 100,0 87,5 87,5 87,5 87,5
Deutsche Muttergesellschaft Jahr Fremdkapitalaufnahme Rückzahlung Erhaltene Dividende Dividendensteuer Zinsaufwand Ertragsteuern auf Zinsaufwand Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
Dividendensteuersatz: 1,55%; Steuersatz für Zinsabzug: 27,2% Nettozins: 6,9% 0 1 2 3 4 5 1.000,0 -1.000,0 87,5 87,5 87,5 87,5 87,5 1,4 1,4 1,4 1,4 1,4 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 -27,2 -27,2 -27,2 -27,2 -27,2 13,3 0,0
13,3 0,9
3 1.000,0 100,0 87,5 87,5
4 1.000,0 100,0 87,5 87,5
5 1.000,0 100,0 87,5 87,5 -1.000,0
13,3 1,9
13,3 3,0
13,3 4,1
Wiederanlagebetrag 13,3 27,6 42,9 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern (kein Eigenkapital) Endwert
59,2
76,6 1.000,0 76,6 0,0 76,6
Tabelle 4: Investition in irischer Tochtergesellschaft mit Fremd-Refinanzierung im Inland
496
Bei einer Finanzinvestition zum Marktzins muss der Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 AStG) gelingen, da andernfalls die Hinzurechnungsbesteuerung Anwendung findet.
86
3.5.1.2.2. Die Zinsschranke
Bei Betriebsstätten sind Fremdfinanzierungsaufwendungen unter Einhaltung des geforderten Dotationskapitals grundsätzlich abzugsfähig. Ebenso können auf Ebene der deutschen Konzernmutter Fremdfinanzierungsaufwendungen für Tochtergesellschaften gemäß § 8b Abs. 5 S. 2 KStG in voller Höhe abgezogen werden. Allerdings bewirkt das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 5 S. 1 KStG, dass bei der Ausschüttung ausländischer Dividenden effektiv 5% des Refinanzierungsaufwands der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegen. Ebenso ist die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von 25% des Zinsaufwands aufgrund § 8 Nr. 1 lit. a) GewStG zu berücksichtigen. Zusätzlich schränkt § 4h EStG den Zinsabzug der Höhe nach ein (Zinsschranke). Über § 8 KStG i. V. m. § 8a Abs. 1 KStG und § 7 GewStG erlangt diese Regelung Gültigkeit für die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer. Die Zinsschranke ist grundsätzlich von jedem inländischen Betrieb zu beachten, der nach inländischen Gewinnermittlungsvorschriften Aufwendungen aus der Inanspruchnahme von Fremdkapital bilanziert (§ 4h Abs. 3 S. 2 EStG).497 Aufgrund § 8 Abs. 1 S. 1 KStG ist eine Kapitalgesellschaft stets ein Betrieb, wohingegen eine Betriebsstätte keinen eigenständigen Betrieb im Sinne der Zinsschranke begründet.498 Auf der Seite des Zinsgläubigers des Betriebs ist es unbeachtlich, ob ein (wesentlich beteiligter) Gesellschafter oder ein nicht beteiligter Dritter betroffen ist; es wird jegliche Form der Fremdfinanzierung erfasst.499 Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung werden dementsprechend im Grundsatz hinfällig. Zinsaufwendungen im Sinne der Zinsschranke können nur aus der vorübergehenden Überlassung von Geldkapital resultieren, also beispielsweise festverzinsliche oder partiarische Darlehen.500 Auch die Aufzinsung einer unverzinslichen Verbindlichkeit gehört zu den Zinsaufwendungen. Nicht erfasst werden Beträge aus der erstmaligen Abzinsung von Verbindlichkeiten, aus der Aufzinsung von Rückstellungen sowie für Sachkapitalüberlassungen.501 Spiegelbildlich dazu sind Zinserträge im Sinne der Zinsschranke zu verstehen, weshalb z. B. Dividenden nicht erfasst werden. Da nur Zinsaufwendungen aus der inländischen Gewinnermittlung erfasst werden sol-
497
498
499 500
501
Zum Begriff des Betriebs vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 2; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 9 f. zu § 4h EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 7, 9; Grotherr, IWB 2007, S. 1498 f. Vgl. Fischer/Töben, BB 2007, S. 974; Grotherr, IWB 2007, S. 1496. Vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 11; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 24 zu § 4h EStG. Für weitere, nicht erfasste Zinsaufwendungen vgl. Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 4.
87
len, sind beschränkt steuerpflichtige Betriebsstätten nicht betroffen.502 Ebensowenig sind Zinsaufwendungen und Zinserträge von DBA-Betriebsstätten in Freistellungsstaaten relevant.503 Liegen obige Bedingungen vor, sind die Zinsaufwendungen eines Betriebs bis zur Höhe der Zinserträge unbeschränkt abzugsfähig. Wenn die Zinsaufwendungen die Zinserträge übersteigen, ist dieser Zinssaldo nur insoweit abzugsfähig, als er nicht 30% des EBITDA überschreitet (§ 4h Abs. 1 S. 1 EStG). Das EBITDA ist der steuerpflichtige Gewinn erhöht um den Zinssaldo der Zinsschranke und die planmäßigen Abschreibungen gemäß der § 7 EStG sowie § 6 Abs. 2 und 2a EStG.504 Laut § 8a Abs. 1 KStG wird bei Kapitalgesellschaften der Gewinn durch das Einkommen vor Berücksichtigung des Zinsvortrags und des Verlustabzugs ersetzt, weshalb verdeckte Gewinnausschüttungen, nicht jedoch steuerfreie Erträge wie Dividenden für die Referenzgröße hinzugezogen werden.505 Ein gemäß § 4h Abs. 4 EStG festgestellter, nicht abzugsfähiger Zinsaufwand ist laut § 4h Abs. 1 S. 2 EStG zeitlich unbeschränkt vortragsfähig (Zinsvortrag), erhöht aber in den Folgeperioden nicht mehr das EBITDA. Nicht abzugsfähige Zinsen unterliegen nicht der Hinzurechnungsregel des § 8 Nr. 1 lit. a) GewStG, weil sie wegen der Nichtabzugsfähigkeit bereits im Gewerbeertrag enthalten sind.506 Im Ergebnis wird der Zinsabzug nicht endgültig versagt, sondern zeitlich gestreckt, vorausgesetzt die Zinsschranke greift in den zukünftigen Perioden nicht mehr. Sollte sich also insbesondere die Gewinnsituation oder Finanzierungsstruktur des Betriebs nicht ändern, kann es dazu kommen, dass der vorgetragene Zinsaufwand überhaupt nicht mehr zum Abzug kommt.507 Der Zinsvortrag wirkt dann wie ein allgemeines Zinsabzugsverbot. Dies gilt ohnehin für die im Gesetz vorgesehenen Fälle des definitiven Untergangs des Zinsvortrags. Für Kapitalgesellschaften gilt gemäß § 8a Abs. 1 S. 3 KStG die Regelung des § 8c KStG auch für den Zinsvortrag. Eine schädliche Übertragung von mehr als 25% bzw. mehr als 50% der Anteile an dieser Kapitalgesellschaft führt also zu einem beteiligungsquotalen bzw. vollständigen Untergang des Zinsvortrags. Bei Umwandlungs- bzw. Einbringungsvorgängen geht ein Zinsvortrag gemäß § 4 Abs. 2
502 503 504 505
506
507
Vgl. Grotherr, IWB 2007, S. 1496. Vgl. Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 5; Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5204. Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 11 zu § 4h EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 41; Heuermann, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 10 f. zu § 8a KStG. Vgl. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 124 zu § 8a KStG; Winkeljohann/Fuhrmann, Zinsschranke, 2007, Rn. 1053 f., S. 95. Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 12 zu § 4h EStG; Köhler, DStR 2007, S. 603; Musil/Volmering, DB 2008, S. 13; Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5205.
88
i. V. m. § 12 Abs. 3 UmwStG bzw. § 20 Abs. 9 UmwStG vollständig unter, bei Spaltungen verfällt der Zinsvortrag laut § 15 Abs. 3 UmwStG nach Maßgabe des Spaltungsverhältnisses.508 Das Gesetz gewährt mehrere Ausnahmen von der Beschränkung des Zinsabzugs auf 30% des EBITDA. Laut § 4h Abs. 2 lit. a) EStG wird eine Freigrenze von 1 Mio. EUR gewährt, unterhalb derer ein negativer Zinssaldo unbegrenzt abgezogen werden kann. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Freigrenze Härten vermeiden helfen, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen.509 Dazu dient auch die Bereichsausnahme gemäß § 4h Abs. 2 lit. b) EStG für Unternehmen, die keinem Konzernkreis angehören. Ausdrücklich wird in der Gesetzesbegründung auf Einzelunternehmer und Kapitalgesellschaften im Streubesitz verwiesen, die von der Zinsschranke ausgenommen werden sollen.510 Ebenso begründen Gemeinschaftsunternehmen, assoziierte Unternehmen und bloße Beteiligungen keinen Konzern im Sinne der Zinsschranke.511 Allerdings wird eine Person mit mehrheitlicher Beteiligung an zwei Kapitalgesellschaften (Gleichordnungskonzern) bereits als ein Konzern im Sinne der Zinsschranke angesehen.512 Der Konzernbegriff im Sinne des § 4h EStG ist insofern weiter zu verstehen als nach HGB bzw. IFRS.513 Andererseits erfüllen reine Betriebsstättenkonzerne noch nicht den Konzernbegriff der Zinsschranke.514 Laut § 15 S. 1 Nr. 3 KStG gilt der gesamte Organkreis für Zwecke der Zinsschranke als ein Betrieb. Bei Übereinstimmung des Konzerns und des Organkreises greift die Zinsschranke vorbehaltlich des § 8a Abs. 2 KStG somit nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu explizit, dass Finanzierungsgestaltungen innerhalb des Organkreises keine (fiskalischen) Auswirkungen haben.515 Laut § 8a Abs. 2 KStG kann die Konzernklausel von Kapitalgesellschaften nur dann in Anspruch genommen werden, wenn Zinsaufwendungen, die an einen wesentlich, d. h. zu mehr als 25% unmittelbar und mittelbar, beteiligten Gesellschafter, ihm nahestehende Dritte oder Rückgriffs-
508
509
510
511 512 513
514
515
Zu den Fällen des endgültigen Untergangs vgl. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 118120 zu § 8a KStG; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 32 zu § 4h EStG. Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841, S. 48. Andererseits birgt eine Freigrenze stets Härtefälle in sich; vgl. Fischer/Töben, BB 2007, S. 975. Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841, S. 48. Vgl. Heuermann, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 58 zu § 4h EStG. Vgl. dazu BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 59 f. Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 27 zu § 4h EStG; Kirsch, DK 2007, S. 659; Winkeljohann/Fuhrmann, Zinsschranke, 2007, Rn. 1069 f., S. 98; kritisch Fischer/Töben, BB 2007, S. 976. Vgl. auch BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 62; Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 3. Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841, S. 77; vgl. auch Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 3.
89
berechtigte516 fließen, nicht mehr als 10% des negativen Zinssaldos ausmachen, und der Betrieb dies auch nachweist.517 Im Falle des Organkreises als eines Betriebs finden nur solche Zinsaufwendungen Berücksichtigung, die an Außenstehende gezahlt werden. Die Fremdfinanzierung innerhalb des Organkreises ist für Zwecke des § 8a Abs. 2 KStG unschädlich. Der Zinssaldo als Vergleichsgröße entspricht dem nach § 4h EStG berechneten Zinssaldo des inländischen Betriebs, der den Zinsabzug begehrt. Sofern ein Betrieb einem Konzern angehört, kann der betroffene Betrieb über die sogenannte Escapeklausel (§ 4h Abs. 2 lit. c) EStG) einen Gegenbeweis führen, dass er im Vergleich zum Gesamtkonzern nicht übermäßig mit Fremdkapital finanziert ist. Laut der Escapeklausel wird ein negativer Zinssaldo selbst bei Überschreiten der 30%-Schranke zum Abzug zugelassen, sofern die Eigenkapitalquote des Betriebs die entsprechende Quote des gesamten Konzerns nicht um mehr als einen Prozentpunkt unterschreitet. In diesem Fall ist auch ein eventuell bestehender Zinsvortrag vollständig abzugsfähig.518 Um die Quoten vergleichbar zu machen, sind beide Quoten nach einheitlichen Rechnungslegungsregeln zu erstellen – vorrangig nach den IFRS (§ 4h Abs. 1 S. 8 EStG). Innerhalb der EU dürfte dies der Regelfall sein, weil kapitalmarktorientierte EU-Konzerne aufgrund der entsprechenden EU-Verordnung519 verpflichtet sind, Konzernabschlüsse nach IFRS zu erstellen.520 Hierbei sind ausschließlich die von der europäischen Kommission im Rahmen des sogenannten Komitologieverfahrens veröffentlichten IFRS relevant, da nur sie Rechtscharakter besitzen.521 Für den Vergleich ist die Konzernquote im Wesentlichen unverändert aus dem Konzernabschluss zu übernehmen.522 Der Konzernabschluss muss in deutscher Sprache und testiert vorliegen. Die Eigenkapitalquote des Betriebs hingegen ist für steuerliche Zwecke zu korrigieren. So sind insbesondere die Beteiligungen an Tochtergesellschaften zu kürzen (Buchwertkürzung) und die dem Betrieb zuzuordnenden Anteile an den stillen Reserven und dem Firmenwert hinzuzurechnen.523 Da die Eigenkapitalquote des deutschen Betriebs eines
516
517 518 519
520
521
522
523
Ein Rückgriff ist dabei sehr weit zu verstehen; vgl. dazu BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 83. Vgl. Heuermann, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 28 f. zu § 8a KStG. Vgl. Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 5 f. Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (1606/2002/EG). Vgl. auch BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 77; Winkeljohann/Fuhrmann, Zinsschranke, 2007, Rn. 1091, S. 104. Grundlegend zur Systematik der „prinzipienreitenden“ Standards der IFRS; vgl. Hakelmacher, WPg 2005, S. 70-72. Vgl. Heuermann, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 54 f. zu § 4h EStG; Hennrichs, DB 2007, S. 2103; Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, S. 272. Hierfür ist der Konsolidierungskreis relevant, der dem Konzernabschluss zugrunde liegt; vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 72. Vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 76. Für weitere Modifikationen; vgl. Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 9.
90
EU-Konzerns im Einklang mit dem Konzern berechnet werden muss, ist eine Überleitungsrechnung zu den IFRS notwendig. Diese ist nach § 4h Abs. 1 S. 12 und 13 EStG einer prüferischen Durchsicht zu unterziehen bzw. auf Verlangen der Finanzbehörden zu testieren.524 Da der Organkreis als ein Betrieb gilt, ist bei Organschaften mit grenzüberschreitendem Bezug für den steuerlichen Betrieb „Organkreis“ ein Teilkonzernabschluss zu erstellen, um die Escapeklausel nutzen zu können.525 Wiederum darf für die Nutzung der Escapeklausel durch Kapitalgesellschaften gemäß § 8a Abs. 3 KStG keine schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung vorliegen. Die Zinsaufwendungen aller Konzerngesellschaften, die jeweils an einen wesentlich beteiligten Gesellschafter, ihm nahestehende Dritte oder Rückgriffsberechtigte dieser Gesellschaften fließen, dürfen nicht mehr als 10% des negativen Zinssaldos des Betriebs ausmachen, der den Zinsabzug begehrt. Der Betrieb muss dies für den gesamten Konzern und sämtliche, wesentlich beteiligten Gesellschafter nachweisen.526 In diese Berechnung fließen nur solche Zinsaufwendungen ein, die im konsolidierten Konzernabschluss enthalten sind. Damit ist die Fremdfinanzierung innerhalb des Konzerns für Zwecke des § 8a Abs. 3 KStG unschädlich.527
3.5.1.2.3. Steuerplanung im Rahmen der Zinsschranke
Zinsaufwand kann immer nur dort abgezogen werden, wo das Fremdkapital aufgenommen wurde. Die Verletzung des Nettoprinzips durch die Zinsschranke ist offensichtlich. Gleichzeitig vermindert oder eliminiert die Zinsschranke die Vorteilhaftigkeit derjenigen Gestaltungen, die den Zinsabzug zum relativ hohen Steuersatz zu Lasten Deutschlands geltend machen wollen. Im Ergebnis können nirgendwo abzugsfähige Zinsaufwendungen und damit eine Doppelbesteuerung drohen, weshalb die Unternehmen ihre Steuerplanung auf die Ermöglichung des vollen Zinsabzugs richten müssen.528
524 525 526
527 528
Vgl. Heuermann, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 78-82 zu § 4h EStG. Vgl. Heuermann, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 76 zu § 4h EStG; Fischer/Töben, BB 2007, S. 977. Dies gilt selbst für diejenige Gesellschafter-Fremdfinanzierung, deren Tatbestandsmerkmale ausschließlich im Ausland verwirklicht wurden; vgl. BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 80, 82; Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 11; a. A. Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5210; Heuermann, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 37 zu § 8a KStG. Vgl. Heuermann, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 35 zu § 8a KStG; Grotherr, IWB 2007, S. 1502 f. Vgl. auch Rödder/Stangl, DB 2007, S. 483. Zur Relevanz der Zinsschranke vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, S. 594, 601. Für einen Überblick über mögliche Gestaltungen zur Umgehung der Zinsschranke; vgl. Endres/Spengel/Reister, WPg 2007, S. 486.
91
Beispiel 10 (in Fortführung zu Beispiel 9): In der Rechnung in Tabelle 5 wird angenommen, dass die Muttergesellschaft in jeder Periode ein EBITDA im Sinne der Zinsschranke in Höhe von 170 aufweist. Der Freibetrag sei überschritten, die Konzernklausel kann nicht greifen, und ein Escape gelinge nicht. Damit sind nur Zinsen in Höhe von 51 abzugfähig. Unter diesen Annahmen kommt es auf Ebene der Mutter inkl. der Ausschüttungen zu einem Nettozahlungsstrom von Null in jeder Periode. Deshalb können keine zusätzlichen Zinserträge aus der Wiederanlage generiert werden, die einen höheren Abzug in den Folgeperioden erlauben würden. Der Endwert bestimmt sich in diesem Fall allein aus dem steuerlichen Barwert des in der fünften Periode bestehenden Zinsvortrags. Bei den gegebenen Zahlen wäre der Endwert erst dann Null, wenn der Zinsvortrag wertlos untergeht, z. B. wegen einer Umwandlung. Im Beispiel ist es aufgrund des hohen Steuersatzdifferentials unvermindert nachteiliger, dass die niedrig besteuerte, irische Tochter direkt Fremdkapital aufnimmt. Zu bedenken ist jedoch, dass der Konzern die Refinanzierung bei einer Tochter in einem Mitgliedstaat durchführen kann, der möglichst hohe Steuersätze aufweist und die Drittfremdfinanzierung nicht beschränkt, z. B. Frankreich. Ist der Konzern flexibel genug bei der Fremdkapitalfinanzierung, sollte er Fremdkapital zur Refinanzierung zumindest nicht mehr in Deutschland aufnehmen. Diese Schlussfolgerungen hängen natürlich vom EBITDA der deutschen Muttergesellschaft und den Möglichkeiten der Steuerplanung zur Umgehung der Zinsschranke ab.
Marktzins
10%
Irische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 12,5% Nettozins: 8,75% 0 1 2 1.000,0 1.000,0 1.000,0 100,0 100,0 87,5 87,5 87,5 87,5
3 1.000,0 100,0 87,5 87,5
4 1.000,0 100,0 87,5 87,5
5 1.000,0 100,0 87,5 87,5 -1.000,0
Deutsche Dividendensteuersatz: 1,55%; Steuersatz für Zinsabzug: 27,2% Muttergesellschaft Nettozins: 6,9% Jahr 0 1 2 3 4 5 Fremdkapitalaufnahme 1.000,0 -1.000,0 Rückzahlung Erhaltene Dividende 87,5 87,5 87,5 87,5 87,5 Dividendensteuer 1,4 1,4 1,4 1,4 1,4 Zinsaufwand 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 30% u EBITDA (= 170) 51,0 51,0 51,0 51,0 51,0 Abzugsfähiger Zins 51,0 51,0 51,0 51,0 51,0 Zinsvortrag 49,0 98,0 147,0 196,0 245,0 Ertragsteuern auf -13,9 -13,9 -13,9 -13,9 -13,9 Zinsaufwand Nettozufluss 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung 1.000,0 Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Wert des Zinsvortrags in t5 Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern (kein Eigenkapital) 0,0 Endwert Wert des Zinsvortrags in t5529 Tabelle 5: Zinsschranke greift bei Fremd-Refinanzierung im Inland
529
Die maximal mögliche Steuerersparnis aus der Nutzung des Zinsvortrags beträgt 245 u 27,2% = 66,6. Der Wert des Zinsvortrags bestimmt sich aus dem Steuerbarwert dieser Steuerersparnis in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit der Nutzung des Zinsvortrags in der Zukunft.
92
Die Steuerplanung setzt in erster Linie bei den vom Gesetzgeber selbst eingeräumten Ausnahmeregelungen an. Für einen deutschen Konzern steht dementsprechend an erster Stelle der Steuerplanung die Organschaft530, die eine vollständige Vermeidung der Zinsschranke bewirkt, sofern Konzern und Organkreis deckungsgleich sind. Ist dies nicht der Fall, kann es für Zwecke der Zinsschranke u. U. lohnend sein, eine Organschaft aufzulösen oder Unternehmen aufzuspalten, um die jedem Betrieb gewährte Freigrenze mehrmals in Anspruch nehmen zu können.531 Allerdings ist zu beachten, dass ein bereits bestehender Zinsvortrag der Organgesellschaft bei Ausscheiden aus einer Organschaft untergeht.532 Ohnehin legt die Ausgestaltung als Freigrenze nahe, dass ein nur geringfügiges Überschreiten möglichst vermieden wird. Dies kann beim Zinssaldo ansetzen, indem Zinsaufwendungen vermieden werden, z. B. durch Mieten, Pachten oder Leasingzahlungen anstatt einer fremdfinanzierten Anschaffung des Vermögensgegenstandes533, oder zusätzliche Zinserträge generiert werden.534 Ebenso können die Rückzahlungsmodalitäten oder die Zinszahlungen neu aufgenommener Darlehen variabler gestaltet werden, um auf diese Weise den Zinsaufwand in gewissem Umfang steuern zu können.535 Schließlich ist es denkbar, Finanzierungsaufwand a priori auf mehrere Gesellschaften zu verteilen.536 Gerade Unternehmen in der Krise wird es aber oftmals an der nötigen Flexibilität fehlen, um die Unternehmensfinanzierung an die Anforderungen der Zinsschranke anzupassen. In diesen Fällen wird der eingeschränkte Zinsabzug endgültige Wirkung entfalten. Somit sind im nationalen Kontext insbesondere Krisenunternehmen bzw. Sanierungsfälle von der Zinsschranke betroffen, weil die Zinsschranke an eine Gewinngröße anknüpft.537 Die Sanierung dieser Unternehmen wird noch zusätzlich dadurch behindert, dass im Fall einer Umstrukturierung der Untergang des Zinsvortrags und eines eventuellen Verlustvortrags droht.538 Es bleibt die Nutzung der Escapeklausel als letzter Ausweg, deren Erfolg jedoch angesichts des beträchtlichen Aufwands und der weitreichenden schädlichen Merkmale, z. B. Gesellschafter-Fremdfinanzierung, unsicher ist.
530
531 532 533
534 535 536 537 538
Vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, S. 597; Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5215; Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 11 zu § 15 KStG. Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5213, 5215; Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 512. So BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, BStBl. I 2008, Rn. 47. Vgl. Homburg, FR 2007, S. 721; Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 506. Bei Sale-and-Lease-BackGestaltungen ist die Aufdeckung stiller Reserven zu beachten. Diese könnte beispielsweise dann vorteilhaft sein, wenn ein Verlustvortrag besteht. Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5213 f.; Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 507. Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5213; Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 510. Vgl. Lühn, DK 2008, S. 99. Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, S. 484; Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 816; Homburg, FR 2007, S. 723. Vgl. Goebel/Eilinghoff, IStR 2008, S. 240 f.
93
Auch für internationale Konzerne muss die Escapeklausel so gut wie möglich nutzbar gemacht werden.539 Ob dies tatsächlich gelingen kann, ist wiederum mehr als zweifelhaft540, dennoch sollten die schädlichen Merkmale nach Möglichkeit vermieden werden. So bieten die IFRS grundsätzlich genügend Bilanzierungsspielraum, um die Eigenkapitalquoten in gewissem Umfang an die Anforderungen der Zinsschranke anzupassen.541 Die Rückausnahme der schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierung könnte dadurch vermieden werden, indem diese in den Konzernkreis verlagert wird. Sollte ein Escape nicht gelingen, ist abzuwägen, ob der Kredit nicht in Mitgliedstaaten verlagert werden soll, die großzügigere Regeln kennen, also den vollen Zinsabzug gewährleisten, und zugleich möglichst hohe Steuersätze aufweisen.542 Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers insoweit, als die Aufwendungen für Fremdkapital nicht (mehr) zu Lasten des Steueraufkommens von Deutschland anfallen. Sollte der Planungsaufwand aufgrund der Escapeklausel jedoch zu hoch sein bzw. die Flexibilität der Konzerne zu gering, Fremdkapital in andere Mitgliedstaaten zu verlagern, könnten internationale Konzerne Deutschland a priori als Standort für neue Investitionen meiden.543
3.5.2. 3.5.2.1.
Verlustverrechnung Gestaltungsansatz
Der Konzern als wirtschaftliche Einheit ist bestrebt, dass nur sein konzernweites Nettoergebnis besteuert wird. Deshalb müssen aus wirtschaftlicher Sicht Verluste von Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten mit Gewinnen der Muttergesellschaft bzw. des Stammhauses möglichst im Jahr der Entstehung miteinander verrechnet werden, da andernfalls eine temporäre Doppelbesteuerung mit entsprechenden Zins- und Liquididtätsnachteilen droht. Demgemäß muss die unternehmerische Steuerplanung im Bereich der Verluste darauf gerichtet sein, eine Verrechnung entstandener Verluste mit Gewinnen innerhalb des Konzernkreises möglichst schnell zu erreichen.544 Bei Betriebsstätten ist das im Grundsatz kein Problem, da sie rechtlich unselbständiger Teil des Einheitsunternehmens sind. Bei Tochtergesellschaften ist wegen des Trennungsprinzips darauf zu achten, dass eine Gruppenbesteuerung in Anspruch genommen werden kann, die eine interpersonale Verlustverrechnung ermöglicht. 539 540 541 542 543
544
Zur Relevanz vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, S. 595. Vgl. dazu Kapitel 4.1.2.1. Vgl. auch Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 510. Vgl. Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 819; Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, S. 598. Vgl. Homburg, FR 2007, S. 723; Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 820; Schwarz, IStR 2008, S. 14; Kußmaul/Ruiner/Schappe, GmbHR 2008, S. 510 f. Vgl. Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 981; Lühn, DK 2008, S. 101.
94
Lässt sich die Entstehung eines Verlustvortrags dennoch nicht umgehen, ist ein Verfall bzw. Untergang dieses Verlustvortrags aufgrund einer zeitlichen Beschränkung des Verlustvortrags bzw. aufgrund einer Missbrauchsnorm, z. B. Mantelkaufregelung, zu vermeiden. Insoweit muss der Konzern Sorge dafür tragen, dass die Voraussetzungen für den Verfall bzw. Untergang des Verlustvortrags nicht eintreten oder über konzerninterne Gewinnverlagerungen darauf hinwirken, dass der Verlust im Konzernkreis effektiv genutzt wird.545 Kann nämlich ein Teil des Aufwands in Form von Verlusten überhaupt nicht mehr abgezogen werden, entsteht dem Konzern in intertemporaler Sicht eine Doppelbesteuerung. Laut der Rechtsprechung des BFH ist es nicht als Missbrauch im Sinne des § 42 AO zu werten, wenn die unternehmerische Steuerplanung auf die Verwertung von Verlustausgleichspotentialen bzw. auf die Vermeidung des Verfalls eines Verlustvortrags ausgerichtet ist.546 Im internationalen Kontext eröffnet sich darüber hinaus die Chance, Verluste in mehreren Steuerjurisdiktionen doppelt oder mehrfach wirksam werden zu lassen. Ebenso besteht die Möglichkeit, Verluste in Hochsteuerländern abzuziehen, während die zugehörigen bzw. nachfolgenden positiven Ergebnisse in Niedrigsteuerländern anfallen.547 Der wesentliche steuerliche Einflussfaktor ist im Fall von Verlusten der tarifliche Steuersatz.548 Aus der Sicht eines deutschen Konzerns ist ein Verlustverkehr auf jeden Fall dann vorteilhaft, wenn die Verluste aus Ländern stammen, deren Steuersatz niedriger als der deutsche Körperschaftsteuersatz von 15% liegt. Falls es mittels konzerninterner Gewinnverlagerung gelingt, den ausländischen Verlust auch auf den Gewerbeertrag durchschlagen zu lassen, beträgt der relevante Steuersatz inklusive der Gewerbesteuer ca. 31%. Eine interessante Gestaltungsmöglichkeit, ausländische Verluste im Inland sowohl auf Ebene der Gewerbesteuer als auch der Körperschaftsteuer geltend zu machen, besteht bei Beteiligungsbesitz der verlustbringenden, ausländischen Tochtergesellschaft.549 Die Gestaltungsidee besteht hierbei darin, steuerfreie Beteiligungserträge der verlustbringenden Tochtergesellschaften in steuerbare Erträge umzuwandeln, während gleichzeitig steuerlicher Aufwand auf Ebene der
545
546
547 548
549
Vgl. Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 981; Lühn, DK 2008, S. 101 f. Es muss auch darauf geachtet werden, dass die Mindestbesteuerung im Sinne des § 10d EStG und des § 10a GewStG möglichst vermieden wird; vgl. dazu ausführlich Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 1001-1010. Vgl. BFH vom 17.10.2001, I R 97/00, BFH/NV 2002, Rn. II.6.a); BFH vom 19.08.1999, I R 77/96, BFH/NV 2000, Rn. II.1.b)aa)bbb); vgl. auch Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 981. Zu beiden Möglichkeiten vgl. Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 981 f., 991. Vgl. schon Saß, BB 1991, S. 1162. Natürlich gibt es noch andere Einflussfaktoren, wie z. B. Währungskurse; vgl. Pach-Hanssenheimb, Steuerplanungsüberlegungen bei Verlusten, 2000, S. 143-146. Sollte kein Beteiligungsbesitz gegeben sein, ist ein Umhängen von Konzernbeteiligungen mittels Einbringung oder aber Verkauf (fast) steuerneutral möglich.
95
deutschen Mutter- oder Schwestergesellschaft generiert wird.550 Dies wird durch ein Wertpapierdarlehen erreicht, das die ausländische Tochtergesellschaft der inländischen Mutter- oder Schwestergesellschaft gewährt. Die empfangenen Dividenden werden zu 95% steuerfrei in Deutschland vereinnahmt (§ 8b Abs. 1 und 5 KStG)551, wohingegen die Dividendenausgleichszahlung und das Nutzungsentgelt das körperschaftsteuerliche Einkommen der Konzernmutter steuerwirksam schmälern. Sofern die Beteiligungsschwelle von 15% – 10% ab 2009 – überschritten wird, gilt dies entsprechend für die Gewerbesteuer (§ 8 Nr. 5 GewStG i. V. m. § 9 Nr. 2a und 7 GewStG).552 Die steuerpflichtigen Erträge der Tochter durch die Ausgleichszahlung (und das Nutzungsentgelt) unterliegen hingegen aufgrund des Verlustvortrags nicht der Steuer.553 Auf diese Weise wird der Verlust innerhalb des Konzerns auf Ebene der Mutter in Höhe des deutschen Ertragsteuersatzes von ca. 31% verwertet.
550 551
552 553
Zu dieser Gestaltung vgl. Reitsam, Verlustverwertung, 2006, S. 169-171. Der Darlehensnehmer (hier: die Mutter) wird zum wirtschaftlichen Eigentümer der Papiere, weshalb ihm die Erträge zugerechnet werden; vgl. auch Schnitger/Bildstein, IStR 2008, S. 203 f. Vgl. Ruf, FB 2008, S. 292. Vgl. Ruf, FB 2008, S. 298. Die Kompensationszahlung fällt üblicherweise nicht unter das Beteiligungsprivileg; vgl. z. B. BMF-Schreiben vom 28.04.2003, IV A 2 – S 2750a – 07/03, BStBl. I 2003, Rn. 9.
96
Beispiel 11: Eine lettische Tochtergesellschaft führt eine Investition durch, deren Endwert vor Steuern Null beträgt (Tabelle 6). Nach der Anschaffungsauszahlung entsteht in der ersten Periode ein Verlust, der nicht sofort genutzt werden kann. Die Beteiligungserträge, die der lettischen Tochter in Periode 1 in Höhe der Verluste zufließen, ändern daran nichts (sie erhöhen jedoch den Endwert vor Steuern auf 146,41), weil sie nach lettischem Recht vollständig freigestellt sind.554 Somit entsteht ein Verlustvortrag, der erst in Periode 2 genutzt werden kann. Nach Steuern ist diese Investition trotz des Zinsnachteils, der aus der nicht sofortigen Verlustverrechnung resultiert, aus Sicht der deutschen Muttergesellschaft aufgrund des Steuersatzdifferentials vorteilhaft. Der Endwert nach Steuern beträgt inklusive der Dividendenzahlung 221,2; auch ohne Beteiligungserträge der lettischen Tochter ist die Investition als solche eindeutig vorteilhaft, weil der Endwert positiv ist (92,7).
Marktzins
10%
Lettische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Erhaltene Dividende Bemessungsgrundlage Gewinn nach Steuern Verlustvortrag Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 15% Nettozins: 8,5% 0 1 2 1.000,0 1.000,0 1.000,0 -100,0 210,0 100,0 -100,0 110,0 -100,0 193,5 100,0 0,0 193,5
Deutsche Muttergesellschaft Jahr Erhaltene Dividende Dividendensteuer Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
Dividendensteuersatz: 1,55%; Ertragsteuersatz: 31% Nettozins: 6,9% 0 1 2 3 4 0,0 193,5 187,9 85,0 0,0 3,0 2,9 1,3 0,0 190,5 184,9 83,7 0,0 0,0 13,1 26,8
3 1.000,0 221,0
4 1.000,0 100,0
5 1.000,0 100,0
221,0 187,9
100,0 85,0
100,0 85,0
187,9
85,0
85,0 -1.000,0
Wiederanlagebetrag 0,0 190,5 388,6 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert Tabelle 6: Verluste in lettischer Tochtergesellschaft
554
Vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 439 f.
499,1
5 85,0 1,3 83,7 34,4 617,2 1.000,0 1.617,2 1.396,0 221,2
97
Beispiel 11 (Fortsetzung): Nimmt man jetzt an, dass die lettische Tochter der deutschen Mutter in der ersten Periode ein Wertpapierdarlehen gewährt (Tabelle 7), können auf Ebene der lettischen Tochter die Beteiligungserträge in eine steuerpflichtige Kompensationszahlung verwandelt werden555, welche den Verlust in Periode 1 absorbiert. Gleichzeitig entstehen der deutschen Mutter abzugsfähige Betriebsausgaben in gleicher Höhe, die zum Satz von 31% geltend gemacht werden, während die Dividenden zu 95% steuerfrei sind. Damit gelingt es dem Konzern, durch den sofortigen Verlustausgleich den Zinsnachteil auszugleichen (Endwert steigt um 1,2 bei sofortigem Verlustausgleich auf Ebene der lettischen Tochter), und darüber hinaus einen weitaus größeren Steuersatzvorteil zu erzielen, so dass der Endwert um weitere 19,2 auf insgesamt 241,6 steigt.
Marktzins
10%
Lettische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Kompensationszahlung Bemessungsgrundlage Gewinn nach Steuern Ausschüttung Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 15% Nettozins: 8,5% 0 1 2 1.000,0 1.000,0 1.000,0 -100,0 210,0 100,0 0,0 210,0 0,0 178,5 0,0 178,5
3 1.000,0 221,0
4 1.000,0 100,0
5 1.000,0 100,0
221,0 187,9 187,9
100,0 85,0 85,0
100,0 85,0 85,0 -1.000,0
Deutsche Dividendensteuersatz: 1,55%; Ertragsteuersatz: 31% Muttergesellschaft Nettozins: 6,9% Jahr 0 1 2 3 4 Erhaltene Dividende 0,0 178,5 187,9 85,0 Dividende Wertpapierdarlehen 100,0 Dividendensteuer 1,5 2,8 2,9 1,3 Kompensationszahlung -100,0 Ertragsteuern -31,0 Nettozufluss 29,5 175,7 184,9 83,7 Nettozinsertrag aus der 0,0 2,0 14,3 28,0 Wiederanlage in t n 1 Wiederanlagebetrag 29,5 207,2 406,5 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
518,2
5 85,0 1,3
83,7 35,8 637,6 1.000,0 1.637,6 1.396,0 241,6
Tabelle 7: Verluste in lettischer Tochtergesellschaft mit Wertpapierdarlehen
555
In Lettland sind grundsätzlich alle Betriebseinnahmen bis auf erhaltene Dividenden steuerpflichtig; vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 435, 440. Demgemäß ist es plausibel anzunehmen, dass die Kompensationszahlung in Lettland steuerpflichtig ist.
98
3.5.2.2.
Beschränkungen der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung
Gemäß § 1 Abs. 2 KStG gilt für unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften das Welteinkommensprinzip. Somit sind im Grundsatz auch die positiven und negativen Einkünfte ihrer ausländischen Betriebsstätten einzubeziehen, da diese rechtlich nicht selbständig sind.556 Die Einkünfte einer Betriebsstätte sind Teil des gesamten steuerlichen Einkommens des Stammhauses, das in Deutschland der Körperschaftsteuer unterliegt. Wegen des Inlandscharakters der Gewerbesteuer enthält der Gewerbeertrag hingegen keine ausländischen Betriebsstätteneinkünfte. Eine drohende Doppelbesteuerung vermeidet Deutschland unilateral insbesondere durch die Anrechnungsmethode (§ 34c Abs. 1 EStG). Bilateral hat Deutschland mit den meisten Vertragsstaaten, darunter mit allen anderen 26 EU-Mitgliedstaaten, die Freistellung vereinbart. Laut ständiger Rechtsprechung des BFH umfasst die Freistellung sowohl positive als auch negative Einkünfte aus einer ausländischen Betriebsstätte (Symmetriethese).557 In vielen DBA wird zusätzlich ein Progressionsvorbehalt bei Freistellung vereinbart.558 Ein negativer Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 32b Abs. 2 EStG) kann den anzuwendenden Steuersatz bis auf Null senken, also trotz Freistellung zu einer vollen Berücksichtigung ausländischer Verluste im Inland führen.559 Angesichts der fehlenden Tarifprogression geht der Progressionsvorbehalt bei Kapitalgesellschaften ins Leere. Darüber hinaus verbietet § 2a Abs. 1 EStG explizit die Verrechnung ausländischer Verluste bei schädlichen Tätigkeiten. Diese schädlichen Tätigkeiten umfassen laut § 2a Abs. 2 EStG nicht die Einkünfteerzielung aus „aktiven“ gewerblichen Betriebsstätten, womit insbesondere Unternehmen des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungsgewerbes gemeint sind.560 Doch auch diese Unternehmen können im Ergebnis aufgrund der Symmetriethese des BFH keine Verrechnung ausländischer Betriebsstättenverluste erreichen.561
556
557
558
559
560
561
Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 445, 448; vgl. auch Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 8; Kessler/Janson/Schmitt, IStR 2001, S. 730. Vgl. schon RFH vom 26.06.1935, VI A 414/35, RStBl. 1935, S. 1359; BFH vom 11.03.1970, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, S. 571; BFH vom 08.03.1989, X R 181/87, BStBl. II 1989, Rn. 1.a); BFH vom 29.11.2006, I R 45/05, BFH/NV 2007, Rn. II.2.; Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 48 zu Art. 23, S. 1704 f; Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 8. DBA-rechtlich ist sie im Verhältnis zu allen EU-Staaten vereinbart; vgl. Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 227 zu Art. 23, S. 1784-1789. Insofern entscheidet das deutsche Recht über die Anwendung des Progressionsvorbehalts; vgl. BFH vom 19.12.2001, I R 63/00, BStBl. II 2003, Rn. II.5.b). Vgl. BFH vom 25.05.1970, I R 109/68, BStBl. II 1970, S. 662; Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 61, 221, 223 zu Art. 23, S. 1782 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 1998, S. 1044 f. Der Steuersatz kann über den Verlustvortrag des § 10d EStG sogar in Folgejahren auf Null gesenkt werden; vgl. BFH vom 25.05.1970, I R 146/68, BStBl. II 1970, S. 757. Vgl. Probst, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2008, Rn. 166-175 zu § 2a EStG; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 448. Vgl. auch Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 9.
99
Bis einschließlich 1998 existierte eine Norm, die die Symmetriethese bewusst durchbrach und eine temporäre Verlustverrechnung ermöglichte. Gemäß § 2a Abs. 3 EStG 1997 konnten negative gewerbliche Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen aus einer ausländischen Betriebsstätte, die durch ein DBA freigestellt waren, auf Antrag von der inländischen Bemessungsgrundlage abgezogen werden.562 Die Ermittlung der Einkünfte der ausländischen Betriebsstätte erfolgte nach deutschem Steuerrecht. Sobald die Betriebsstätte wieder positive Ergebnisse generierte, wurden die zuvor abgezogenen Verluste dem inländischen Einkommen wieder hinzugerechnet, also nachversteuert. Von dieser Nachversteuerung konnte gemäß § 2a Abs. 3 S. 4 EStG 1997 abgesehen werden, sofern im ausländischen Quellenstaat ein Verlustabzug in anderen Jahren als dem Verlustjahr selbst nicht möglich war.563 Letztlich ist diese Regelung Ausdruck des Welteinkommensprinzips im Hinblick auf bestimmte ausländische Verluste. Aufgrund des begrenzten Anwendungsbereichs war sie inkonsistent und steuerplanungsanfällig, zumal die Verwaltungskosten hoch gewesen sind. Deshalb entschloss sich der Gesetzgeber zur Abschaffung dieser Regelung.564 Im Fall einer ausländischen Direktinvestition mittels einer Kapitalgesellschaft ist – zusätzlich zu den oben skizzierten Regelungen – zu bedenken, dass für rechtlich getrennte Gesellschaften das Trennungsprinzip Anwendung findet. Somit werden die Mutterkapitalgesellschaft wie auch die Tochterkapitalgesellschaft jeweils getrennt besteuert. Eine Zurechnung des Ergebnisses der Tochter zum Einkommen der Mutter findet gerade nicht statt. Somit sind Verluste ausländischer Tochtergesellschaften schon aus steuersystematischen Gründen nicht bei der Muttergesellschaft zu berücksichtigen.565 Eine Verlustverrechnung inländischer Verluste mit ausländischen Gewinnen wäre grundsätzlich möglich, wenn es zu Ausschüttungen an die Mutter kommt. Allerdings unterliegen diese Ausschüttungen aufgrund § 8b Abs. 5 KStG nur zu 5% der Besteuerung. Ebenso scheidet eine indirekte Verrechnung ausländischer Verluste mit Hilfe einer außerplanmäßigen Abschreibung auf die zugehörige Beteiligung aus. Die Zulässigkeit einer solchen Teilwertabschreibung ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG an eine Wertminderung von dauerhafter Natur gebunden. Diese Anforderung schließt periodische Verluste und Anlaufverluste aus, die typischerweise bei Auslandsengagements anzutreffen sind.566 Selbst bei dauerhaften Verlusten oder 562
563
564 565
566
Zu den Tatbestandsvoraussetzungen vgl. Probst, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2008, Rn. 230-252 zu § 2a EStG; Wied, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 115, 123-132 zu § 2a EStG. Vgl. dazu Probst, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2008, Rn. 261-264 zu § 2a EStG; Wied, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 157, 159 zu § 2a EStG. Vgl. dazu auch Kapitel 4.2.2.2.1. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 495; Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 1069; Scheffler, Besteuerung, 2002, S. 200; Saß, BB 1991, S. 1162. Vgl. Saß, BB 1999, S. 450; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 496.
100
bei Realisierung eines Verlusts durch Verkauf der Beteiligung schließt § 8b Abs. 3 KStG aus, dass sämtliche Wertminderungen im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften steuerlich abziehbar sind.567 Angesichts der negativen ökonomischen Auswirkungen des fehlenden Verlustausgleichs innerhalb des Konzerns wird das Trennungsprinzip in vielen Mitgliedstaaten der EU568, in Deutschland mittels der Organschaft, für die Zwecke einer Gruppenbesteuerung durchbrochen. Im deutschen Körperschaftsteuerrecht (§§ 14-19 KStG) können unter bestimmten Bedingungen Konzerngesellschaften zu einer Einheit zusammengefasst werden, und damit Verluste direkt verrechnet werden. Laut § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG muss die Konzernmutter (Organträger) ein unbeschränkt steuerpflichtiges, gewerbliches Unternehmen sein, dessen Sitz der Geschäftsleitung in Deutschland liegt.569 Die Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) muss laut § 14 Abs. 1 S. 1 KStG eine Kapitalgesellschaft sein570, die der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Im Gegensatz zum Organträger muss sich sowohl der statuarische Sitz als auch der Sitz der Geschäftsleitung in Deutschland befinden.571 An der Organgesellschaft muss der Organträger laut § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG direkt und/oder indirekt zu mehr als 50% an den Stimmrechten aus den Anteilen beteiligt sein (finanzielle Eingliederung). Zudem ist gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG über mindestens fünf Jahre ein Gewinnabführungsvertrag zwischen Organträger und jeder Organgesellschaft abzuschließen und tatsächlich durchzuführen, was faktisch ein Einbeziehungswahlrecht darstellt.572 Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen besteht die Rechtsfolge darin, dass das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet wird, welcher die Steuern zu entrichten hat.573 Eine Zurechnung von Einkommen zwischen Organgesellschaften oder vom Organträger auf die Organgesellschaft ist ausgeschlossen. Im Rahmen dieses Zurechnungskonzeptes verbleibt die Gewinnermittlung auf der Ebene jeder einzelnen Gesellschaft.574 Mutter- und Tochtergesellschaft werden nach wie vor als rechtlich getrennte Steuersubjekte behandelt, weshalb schuldrechtliche Verträge zwischen beiden anerkannt werden; es kommt also zu keiner Zwischenergebniseliminierung. Deshalb liegt der Hauptvorteil der Organschaft darin, dass ein interpersonaler Verlustausgleich innerhalb des Konzerns
567
568 569 570 571 572 573 574
Vgl. BMF-Schreiben vom 28.04.2003, IV A 2 – S 2750a – 07/03, BStBl. I 2003, Rn. 25 f.; Rosenbach, Verlustnutzung, 2003, S. 299 f.; Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 1069. Für eine Übersicht vgl. Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 13. Vgl. BMF-Schreiben vom 26.08.2003, IV A 2 – S 2770 – 18/03, BStBl. I 2003, Rn. 1, 6. Es kann sich um eine S.E., eine AG, eine KGaA oder gemäß § 17 KStG um eine GmbH handeln. Vgl. BMF-Schreiben vom 26.08.2003, IV A 2 – S 2770 – 18/03, BStBl. I 2003, Rn. 8. Ausführlich dazu vgl. Danelsing, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 124-168 zu § 14 KStG. Vgl. Danelsing, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 218 zu § 14 KStG; Klarmann, Organschaft, 2006, S. 36 f. Vgl. Danelsing, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 211 zu § 14 KStG; Dötsch, Organschaftskonzerne, 2008, S. 228.
101
ermöglicht wird.575 Ebenso können vororganschaftliche Verluste des Organträgers im Rahmen der Organschaft genutzt werden, während vororganschaftliche Verluste von Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft eingefroren sind (§ 15 S. 1 Nr. 1 KStG). Darüber hinaus kann mittels der Organschaft die Besteuerung von 5% der Dividenden der unmittelbaren Tochtergesellschaften und die Anwendung der Zinsschranke innerhalb des Organkreises (§ 15 S. 1 Nr. 3 KStG) vermieden werden.576 Für die gewerbesteuerliche Organschaft gelten aufgrund § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG die gleichen Anforderungen wie für die körperschaftsteuerliche Organschaft.577 Die Rechtsfolge besteht ebenfalls in der Zurechnung von Einkommen der Organgesellschaften zum Organträger. Trotz der Betriebsstättenfiktion des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG findet die Einheitstheorie keine Anwendung, da eine getrennte Gewinnermittlung der Gesellschaften nach Drittvergleichsgrundsätzen erfolgt; es kommt zu keiner Zwischenergebniseliminierung.578 Allerdings findet die Betriebsstättenfiktion insoweit Berücksichtigung, dass die Hinzurechnungsvorschriften des § 8 GewStG innerhalb des Organkreises vermieden werden, wenn die dazugehörigen Erträge bereits im Gewerbeertrag enthalten sind und eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung zur Doppelbesteuerung führen würde (R 41 Abs. 1 S. 5 GewStR).579 Den größten Vorteil der gewerbesteuerlichen Organschaft stellt wie im Fall der körperschaftsteuerlichen Organschaft der interpersonale Verlustausgleich dar. Für die vororganschaftlichen Verluste gelten die gleichen Bestimmungen wie im Körperschaftsteuerrecht (§ 10a S. 3 GewStG). Vom Vorteil der Verlustverrechnung in der körperschaftsteuerlichen Organschaft – und damit auch von den anderen Vorteilen der Organschaft – sind ausländische Tochterkapitalgesellschaften aus zweierlei Gründen ausgeschlossen. Zunächst einmal können ausländische Gesellschaften nach herrschender Meinung einen Gewinnabführungsvertrag nicht wirksam abschließen.580 Außerdem wird eine doppelte Inlandsbindung in § 14 Abs. 1 KStG explizit verlangt.581 Deswegen können auch doppelt ansässige Gesellschaften keine Organgesellschaften werden, was für Organträger mit lediglich statuarischem Sitz in Deutschland ebenfalls gilt. Bei der gewerbesteuerli-
575
576 577 578
579 580
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Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 292 f.; Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 1070; Danelsing, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 210 zu § 14 KStG; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 57. Für einen Überblick über die Vorteile der Organschaft vgl. Dötsch, Organschaftskonzerne, 2008, S. 188. Vgl. Obermeier, in: Blümich, GewStG, 2008, Rn. 671 zu § 2 GewStG; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 294. Vgl. z. B. BFH vom 25.10.1995, I R 76/93, BFH/NV 1996, Rn. II.3.a); vgl. auch Dötsch, Organschaftskonzerne, 2008, S. 235; Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 81. Vgl. auch Erlass vom 04.07.2008, BStBl. I 2008, Rn. 4; Dötsch, Organschaftskonzerne, 2008, S. 236. Vgl. Englert/Pache, IStR 2007b, S. 848; Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 316; Grotherr, FR 1995, S. 2, 12. Im EU-Ausland kennen nur Österreich und Portugal diesen konzernrechtlichen Vertrag; vgl. Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 5; Scheunemann, IStR 2006, S. 146. Vgl. z. B. Sterner, in: Herrmann/Heuer/Raupach, KStG, 2008, Rn. 50 f. zu § 14 KStG.
102
chen Organschaft ist ohnehin zu beachten, dass der Gewerbesteuer nur inländische Gewinne und Verluste unterliegen, weshalb ein Ausschluss ausländischer Gesellschaften bereits konzeptionell bedingt ist.
3.5.2.3.
Steuerplanung im Rahmen von Verrechnungsbeschränkungen ausländischer Verluste
Im Fall ausländischer Verluste von Betriebsstätten ist es für das deutsche Stammhaus nicht möglich, diese Verluste im Inland direkt geltend zu machen. Die Freistellung von Verlusten ist umfassend, und der Progressionsvorbehalt kann nicht greifen. Da es für Betriebsstätten auch keine Ausnahme mehr von der Freistellung (§ 2a Abs. 3 EStG 1997) gibt, ist Steuerplanung im Gegensatz zur früheren Rechtslage nicht mehr möglich. Daran scheitern auch Steuerplanungsansätze, die die Verrechenbarkeit von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften durch Umstrukturierung erreichen wollen.582 Wenn rechtlich unabhängige Tochtergesellschaften durch Verschmelzung oder Umwandlung in eine Personengesellschaft in Betriebsstätten der deutschen Muttergesellschaft verwandelt werden, wird hierdurch das Trennungsprinzip aufgehoben, und das Welteinkommensprinzip gelangt zur Geltung.583 Allerdings bleibt es bei der grundsätzlichen Freistellung der ausländischen Verluste der neu entstandenen Betriebsstätten. Zudem geht aufgrund § 12 Abs. 3 UmwStG ein Verlustvortrag der übertragenden Kapitalgesellschaft bei Umwandlung unter. Inwieweit die Vorgaben des EuGH in solchen Konstellationen dennoch einen Import ausländischer Verluste erzwingen, soll ausführlich in Kapitel 4.2.2.2.1. erörtert werden. Seit 2007 ist ebenso die Gestaltungsmöglichkeit über das Wertpapierdarlehen eingeschränkt worden (§ 8b Abs. 10 KStG). Liegt ein schädlicher Verleiher im Sinne des § 8b Abs. 10 KStG vor, kann die Ausgleichzahlung und das Nutzungsentgelt das steuerliche Einkommen der leihenden Gesellschaft nicht mehr mindern. Schädliche Verleiher sind im Inland insbesondere Banken und Versicherungen, bei denen die Freistellung des § 8b Abs. 1 KStG aufgehoben ist. Nach wohl h. M. erfasst § 8b Abs. 10 KStG zusätzlich sämtliche Verleiher aus dem (EU-)Ausland, also auch Industrie- und Handelsunternehmen, es sei denn diese unterliegen dem § 8b Abs. 1 und 2 KStG vergleichbaren Vorschriften.584 Folgt man der h. M., wäre die obige Gestaltung nur noch mit 582 583 584
Zu diesem Ansatz vgl. Rosenbach, Verlustnutzung, 2003, S. 296. Vgl. Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 138. Vgl. Häuselmann, DStR 2007, S. 1381; Schlotter, Unternehmensteuerreform, 2007, S. 602; Hahne, FR 2007, S. 826 f.
103
Tochtergesellschaften aus Ländern möglich, die sowohl Dividenden als auch Veräußerungsgewinne steuerfrei stellen, wie z. B. Litauen, Lettland (Beispiel 11) oder Ungarn. Es sei angemerkt, dass § 8b Abs. 10 KStG – folgt man der h. M. – lediglich im Inlandsfall nach Branchen differenziert, weshalb eine EG-rechtliche Diskriminierung gegen EU-Ausländer vorliegen könnte.585 Allerdings ist in diesem Fall eine EG-rechtliche Rechtfertigung über das Oy AA-Urteil denkbar. Vor dem Hintergrund obiger Gestaltung geht es schließlich um die Verla-
gerung von Gewinnen in andere Steuerhoheiten, die die ausgewogene Aufteilung des Steueraufkommens im Sinne des Oy AA-Urteils beeinträchtigen könnte.586 Folgt man der Mindermeinung, nach der § 8b Abs. 10 KStG nur dann ausländische Verleiher erfasst, wenn vergleichbare Vorschriften der Freistellung bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen überhaupt existieren und diese ausnahmsweise nicht greifen, wäre Steuerplanung in weitaus größerem Umfang denkbar. In diesem Fall wären Tochtergesellschaften aus Anrechnungsländern (Großbritannien, Irland und Griechenland) sowie Tochtergesellschaften aus Freistellungsländern (z. B. Estland, Polen und Ungarn), bei denen die Freistellung nicht rückgängig gemacht wird, von § 8b Abs. 10 KStG nicht betroffen.587 Letzteres trifft üblicherweise auf Industrie- und Handelsunternehmen zu, weshalb ein Verlustverkehr mit Tochtergesellschaften innerhalb der EU möglich wäre. Im Großen und Ganzen dürfte es ausgeschlossen sein, ausländische Verluste in das Inland direkt und vollständig zu importieren. Die Gestaltungsmöglichkeit über ein Wertpapierdarlehen ist derzeit nicht rechtssicher und erfordert entsprechenden Beteiligungsbesitz.588 Deshalb sollten sich die Bemühungen des Konzerns einerseits darauf richten, den Verlust im Sitzstaat der Tochter durch Verlagerung von Gewinnpotential zur verlustträchtigen Tochter zu nutzen. Im Rahmen von Sale-and-Lease-Back-Transaktionen beispielsweise wird der aus dem Verkauf der Wirtschaftsgüter resultierende Gewinn bei der Tochter durch den Verlust aufgebraucht589, während die erwerbende (profitable) Konzerngesellschaft aufgrund höherer Anschaffungskosten in der 585 586 587
588
589
Vgl. Wagner, DK 2007, S. 514; Schnitger/Bildstein, IStR 2008, S. 207. Vgl. dazu ausführlich die Rechtfertigung der Wegzugsbesteuerung in Kapitel 4.3.1. Vgl. dazu Ruf, FB 2008, S. 294 f.; Schnitger/Bildstein, IStR 2008, S. 207; vgl. auch Schlotter, Unternehmensteuerreform, 2007, S. 602. Unter Umständen kann auf ein unechtes Wertpapierpensionsgeschäft ausgewichen werden, welches tatbestandlich nicht von § 8b Abs. 10 KStG erfasst wird; vgl. auch Schnitger/Bildstein, IStR 2008, S. 208 f. Zwar könnte ein Gewinn bei Übertragung der Papiere realisiert werden, für Kapitalgesellschaften sollte dies angesichts der üblichen Freistellung unerheblich sein. Wichtiger und zugleich unsicher ist jedoch die Abzugsfähigkeit der Kompensationszahlung; im Zusammenhang mit echten Wertpapierpensionsgeschäften vgl. Reitsam, Verlustverwertung, 2006, S. 182. Vgl. Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 1003. Hierbei sind aber eventuelle Beschränkungen beim Verlustausgleich im Ausland zu beachten, z. B. eine Mindestbesteuerung. Für einen umfassenden Überblick über weitere Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 982-984, 1001-1006.
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Zukunft höhere Abschreibungen vornehmen kann. Der Verlustvortrag wird also in Form zukünftiger Steuerersparnisse in die Zukunft gestreckt. Alternativ kann im Rahmen des Zulässigen, insbesondere unter Beachtung des Arm’s-Length-Prinzips und der Zinsschranke, mit Hilfe von Verrechnungspreisen oder Gesellschafter-Fremdfinanzierung steuerliches Einkommen von der deutschen Muttergesellschaft oder einer anderen profitablen Konzerngesellschaft zur verlustbringenden Tochtergesellschaft verlagert werden.590 Bei einer Verlagerung von Einkommen mit Hilfe einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung, beispielsweise eines zinsloses Darlehens der deutschen Mutter an die ausländische Tochter, ist die Korrekturvorschrift des § 1 Abs. 1 AStG zu beachten.591 Andererseits kann der Konzern versuchen, im Quellenstaat bestehende Möglichkeiten der Verlustverrechnung zu nutzen. So könnten nationale Gruppenbesteuerungssysteme in Anspruch genommen werden.592 Beteiligungen an verlustträchtigen ausländischen Gesellschaften könnten aber auch in solchen Ländern gehalten werden, die großzügige und vor allem grenzüberschreitende Regelungen kennen. Beteiligungen könnten in die Länder Österreich593, Dänemark594 oder Italien595 umgehängt werden. In Dänemark und Italien ist jedoch zu beachten, dass ausländische Gewinne ebenfalls einbezogen werden, was in späteren Jahren die ursprünglichen Vorteile aus der sofortigen Verlustnutzung aufgrund der Heraufschleusung (über-)kompensieren könnte. Es könnte sich im Quellenstaat auch eine Verschmelzung anbieten596, sofern das jeweilige nationale Recht diese zum Buchwert zulässt und der Verlustvortrag nicht aufgrund der Umwandlung untergeht. Allerdings sind hier nichtsteuerliche Kosten der Umstrukturierung gegen den steuerlichen Nutzen abzuwägen.
3.5.3. 3.5.3.1.
Transfer von Wirtschaftsgütern und Funktionen Gestaltungsansatz
Durch den Transfer von Wirtschaftsgütern in niedrig besteuerte Tochtergesellschaften werden die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aufgrund des Trennungsprinzips und 590 591 592 593 594 595 596
Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 951; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 111. Vgl. BFH vom 17.10.2001, I R 97/00, BFH/NV 2002, Rn. II.4.; Rosenbach, Verlustnutzung, 2003, S. 309 f. Vgl. Rosenbach, Verlustverwertung, 1997, S. 199. Vgl. Stefaner/Weninger, IWB 2006, S. 667; Taetzner, Steuerplanung, 2007, S. 482. Vgl. Schreiber, StuW 1994, S. 251; Rosenbach, Verlustverwertung, 1997, S. 200. Vgl. Dörr, DSWR 2004, S. 249. Eine innerstaatliche Verschmelzung ist europaweit möglich wegen der Richtlinie des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (78/855/EWG).
105
der Freistellung einer endgültig geringeren Besteuerung als in Deutschland unterworfen.597 Da der Konzern eine wirtschaftliche Einheit bildet, aber im Verhältnis zu seinen Tochtergesellschaften schuldrechtliche Beziehungen anerkannt werden, sind aufgrund des fehlenden Interessensgegensatzes Manipulationen der Verrechnungspreise aus steuerlichen Gründen denkbar. Ebenso sind Manipulationen der Gewinnabgrenzung bei Transfers in ausländische Betriebsstätten denkbar. Folglich ist es steuerlich vorteilhaft, den grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsgütern zu einem Wert unter dem eigentlichen Verkaufspreis vorzunehmen, so dass möglichst wenig Ertrag in Deutschland vereinnahmt wird. Beim Weiterverkauf an Drittabnehmer zum Marktpreis hingegen wird der überwiegende Teil der stillen Reserven im niedriger besteuernden Ausland realisiert.598 Dieses Vorgehen kann insbesondere bei leicht zu verlagernden immateriellen Vermögenswerten oder Funktionen, die im Konzernkreis genutzt werden, z. B. Vertrieb, Forschung und Entwicklung, vorteilhaft sein. Erfahrungsgemäß bereitet es der Finanzverwaltung große Schwierigkeiten, überhaupt einzelne immaterielle Wirtschaftsgüter und deren Transfer zu identifizieren.599 Innerhalb des Konzerns können inländische Funktionen und damit verbundene immaterielle Werte auf die ausländische Gesellschaft auch ohne Gegenleistung verlagert werden.600 Im Ergebnis werden nach einer erfolgreichen grenzüberschreitenden Verlagerung Lizenz- bzw. Nutzungsgebühren für die Nutzung der immateriellen Werte bzw. Funktionen in Deutschland abgezogen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind solche Gebühren grundsätzlich dann angemessen, sofern die marktübliche Verzinsung des Kapitals als Bemessungsgrundlage in Deutschland verbleibt.601 Folglich wird die mit den immateriellen Wirtschaftsgütern verbundene ökonomische Rente, die über die marktübliche Normalverzinsung hinausgeht, der Besteuerung im Niedrigsteuerland unterworfen, selbst wenn ein Großteil der Geschäftstätigkeit an anderen Standorten stattfindet.602 Als Standorte für solche Verlagerungen bieten sich offensichtlich Mitgliedstaaten mit nominal niedrigen Steuersätzen an. Es können aber auch solche Mitgliedstaaten in Frage kommen, die beispielsweise Lizenzgebühren steuerlich begünstigen. So können belgische Kapitalgesellschaften bzw. dort belegene Betriebsstätten ausländischer Kapitalgesellschaften unter bestimmten
597 598
599
600 601 602
Dies gilt wegen der Freistellung auch für EU-Betriebsstätten; vgl. Borstell/Jamin, Verlagerung, 2008, S. 774. Vgl. dazu auch Dreßler, Gewinnverlagerungen, 2000, S. 260-264; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 466-468; Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 34 f. Vgl. Schreiber, Ubg 2008, S. 434; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 171. Zur Problematik der Allokation immaterieller Wirtschaftsgüter; vgl. Wehnert, IStR 2007, S. 559; Marti/Ledergerber, ST 2005, S. 187; Baumhoff/Bodenmüller, Verrechnungspreispolitik, 2003, S. 366. Vgl. dazu ausführlich auch Scheffler/Kusch, Steuerplanung, 1999, S. 862-870. Vgl. BMF-Schreiben vom 23.02.1983, IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, Rn. 5.2.3. Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 218 f.; Kahle, WPg 2006, S. 1403; Marti/Ledergerber, ST 2005, S. 188, 193.
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Voraussetzungen 80% der Patentlizenzgebühren von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen, so dass insoweit ein effektiver Steuersatz von 6,8% zum Tragen kommt.603 Allen Transaktionen gemeinsam ist neben betriebswirtschaftlichen Überlegungen, wie z. B. günstigeren Kostenstrukturen, die steuerliche Motivation, das internationale Steuersatzdifferential auszunutzen.604 Durch den Transfer von Wirtschaftsgütern bzw. Funktionen oder den Wegzug in niedriger besteuernde Länder werden die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven einer endgültig geringeren Besteuerung als in Deutschland unterworfen. Gerade bei selbsterstellten immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens besteht der zusätzliche Vorteil darin, dass sämtliche Aufwendungen in Deutschland sofort abziehbar (§ 5 Abs. 2 EStG) sind, während nach dem Transfer bzw. Wegzug die aus der Nutzung resultierenden Erträge der niedrigeren Besteuerung im Ausland unterworfen werden.
3.5.3.2.
Wegzugsbesteuerung
3.5.3.2.1. Besteuerung des Transfers von Wirtschaftsgütern
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 EStG wird für Wirtschaftsgüter eine sofortige Schlussbesteuerung angeordnet, sofern Deutschlands Besteuerungsrecht an ihnen ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das Besteuerungsrecht Deutschlands gilt auch dann als ausgeschlossen, wenn ein Wirtschaftsgut vom deutschen Stammhaus in eine Betriebsstätte transferiert wird, mit dessen Sitzstaat ein DBA abgeschlossen wurde, das die Freistellungsmethode für Deutschland vorsieht.605 Darunter fallen u. a. alle Transfers von Wirtschaftsgütern in EU-Betriebsstätten. Folglich sind Wirtschaftsgüter, die in eine EU-Betriebsstätte überführt werden, mit dem gemeinen Wert606 anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG) und der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer zu unterwerfen. Allerdings ist es gemäß § 4g Abs. 1 und 2 EStG i. V. m. § 12 Abs. 1 KStG bei der Überführung von Anlagevermögen in eine EU-Betriebsstätte des gleichen, unbeschränkt Steuerpflichtigen
603
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605 606
Vgl. Zielke, DB 2007, S. 2788. Zu den Voraussetzungen des 80%-igen Abzugs von Patentlizenzzahlungen vgl. Warson/Foriers, ET 2008, S. 71-74. Vgl. Kahle, DK 2007, S. 647. Zu außersteuerlichen Zielen einer Funktionsverlagerung vgl. Eisele, Funktionsverlagerung, 2003, S. 57-59; Borstell/Jamin, Verlagerung, 2008, S. 772 f. Vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 329 zu § 4 EStG; Kahle, IStR 2007, S. 762. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass der gemeine Wert (§ 9 Abs. 2 BewG) regelmäßig dem Fremdvergleichspreis entspricht; vgl. BMF-Schreiben vom 12.04.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, Rn. 5.3.1.
107
möglich, die sofortige Gewinnrealisierung durch Bildung eines passiven Ausgleichspostens im Überführungszeitpunkt zu neutralisieren und den Gewinn über fünf Jahre zu verteilen.607 Bei Über- oder Unterpreislieferungen im Liefer- und Leistungsverkehr zwischen Konzerngesellschaften greifen die allgemeinen Regelungen der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bzw. der verdeckten Einlage (vKE).608 Laut ständiger Rechtsprechung des BFH werden jedoch nicht einlagefähige Vermögenswerte von den Regeln zur verdeckten Einlage nicht erfasst.609 In grenzüberschreitenden Fällen gelangt dann § 1 Abs. 1 AStG zur Anwendung, sofern die inländischen Einkünfte eines beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtigen aufgrund von Bedingungen in einer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung mit einer nahestehenden Person gemindert wurden, die einem Fremdvergleich nicht standhalten. Eine Person gilt gemäß § 1 Abs. 2 AStG als nahe stehend, sofern eine Beteiligung dieser Person am Kapital des Steuerpflichtigen – oder umgekehrt – von mindestens 25% vorliegt. Laut § 1 Abs. 5 AStG gilt jede schuldrechtliche Beziehung als Geschäftsbeziehung, wenn sie nicht ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag vereinbart wird wie z. B. die Überlassung von Eigenkapital.610 Gesellschaftsrechtlich veranlasste Finanzierungsmaßnahmen wie ein zinsloses Darlehen werden hingegen von § 1 AStG erfasst.611 Dem Grunde nach werden somit insbesondere bloße Nutzungsvorteile erfasst, die nicht von den Regeln zur verdeckten Einlage abgedeckt werden.612 Liegen obige Tatbestandsmerkmale vor, kommt es laut § 1 Abs. 1 AStG zur Korrektur der Einkünfte entsprechend den Fremdvergleichsbedingungen. Für die Korrektur unangemessener Bedingungen verfügt § 1 Abs. 3 AStG den Vorrang der Standardmethoden, d. h. der Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlagsmethode.613 So wird beispielsweise bei einem zinslosen Darlehen einer deutschen Muttergesellschaft an ihre ausländische Tochtergesellschaft der Gewinn der Mutter um einen hypothetischen, fremdvergleichskonformen Zins erhöht.614 Eine gleichzeitige Aufstockung des Beteiligungsbuchwerts ist nicht vor607
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610 611
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614
Es werden ausdrücklich nur EU-, nicht jedoch EWR-Betriebsstätten erfasst. Überführungen in eine ausländische Tochterpersonengesellschaft werden ebenfalls nicht erfasst; vgl. dazu Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 2, 4 zu § 4g EStG; Brinkmann, Grenzüberschreitende Tätigkeiten, 2008, S. 180. Ausführlich dazu vgl. z. B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 672-682. Vgl. z. B. BFH vom 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, Rn. C.I.1.a),b); vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 680 f. Vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 684 f. Vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 1.4.2.; Rehm/Nagler, IStR 2008b, S. 422. Vgl. BMF-Schreiben vom 14.05.2004, IV B 4 – S 1340 – 11/04, BStBl. I 2004, Rn. 1.1.2.; Eisele, Funktionsverlagerung, 2003, S. 257. Dieser Vorrang entsprach schon von der Einfügung des § 1 Abs. 3 AStG der gängigen Übung im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG; vgl. Wassermeyer/Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 383 zu § 1 AStG; Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 66 f., 70. Vgl. auch BMF-Schreiben vom 23.02.1983, IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, Rn. 4.2.
108
gesehen, allerdings kann der Berichtigungsbetrag im Sinne des § 1 AStG vom Veräußerungsoder Liquidationsgewinn aus der Beteiligung an der Tochter abgezogen werden.615 Die Norm des § 1 Abs. 1 AStG ist gemäß § 1 Abs. 1 S. 3 AStG ausdrücklich nicht (mehr) subsidiär gegenüber anderen Steuernormen zu verstehen. Bei Anwendungskonkurrenz, z. B. im Verhältnis zur verdeckten Einlage, greift § 1 Abs. 1 AStG zusätzlich, sofern aufgrund dieser Norm der Höhe nach eine weiterreichende Korrektur zu erfolgen hat. Dies kann insofern relevant sein, als dass bei den Regeln zur verdeckten Einlage der Teilwert zur Anwendung kommt, während § 1 Abs. 1 AStG den Fremdvergleichspreis vorschreibt, der regelmäßig höher sein wird.616 Die Regelung des § 1 Abs. 1 AStG findet aufgrund ihres Wortlauts (nahestehende Person) keine Anwendung auf ausländische Betriebsstätten, denn zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kann keine schuldrechtliche Beziehung bestehen.617 Ebenso wenig ist es aufgrund der rechtlichen Einheit denkbar, dass dem Stammhaus eine Einkünfteminderung entsteht.
3.5.3.2.2. Besteuerung von Funktionsverlagerungen
Unter einer Funktion sind grundsätzlich gleichartige betriebliche Aufgaben innerhalb eines Unternehmens einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken zu verstehen.618 Bis 2007 galten für die Verlagerung von Funktionen die allgemeinen Regelungen zur Entstrickung von Wirtschaftsgütern bzw. (Teil-)Betrieben. Sofern also bei einer Funktionsverlagerung Wirtschaftsgüter über die Grenze verlagert wurden, waren diese mit dem gemeinen Wert anzusetzen; ein (anteiliger) Geschäftswert entstand bei der Übertragung von (Teil-)Betrieben.619 Bei Verlagerungen unterhalb der Ebene eines steuerlichen Teilbetriebs konnte ein anteiliger Geschäfts- oder Firmenwert nicht aufgedeckt werden.620
615 616
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Vgl. BMF-Schreiben vom 12.04.2005, IV B 4 – S 1341 – 1/05, BStBl. I 2005, Rn. 5.5.2. Vgl. Eisele, Funktionsverlagerung, 2003, S. 261; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 688. Vgl. Wassermeyer/Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 223.3 zu § 1 AStG; Baranowski, Auslandsbeziehungen, 1996, Rn. 681, S. 273. Ausführlich zum Begriff der Funktion und der Funktionsverlagerung vgl. z. B. Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 7 f.; Eisele, Funktionsverlagerung, 2003, S. 26-28. Vgl. BFH vom 27.03.1996, I R 60/95, BFH/NV 1996, Rn. II.2.b.; BFH vom 20.08.1986, I R 150/82, BStBl. II 1987, Rn. B.I.2.; Wassermeyer/Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. 594 zu § 1 AStG; Baumhoff/Bodenmüller, Verrechnungspreispolitik, 2003, S. 368 f.; Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 42. Vgl. Jahndorf, FR 2008, S. 103; Eisele, Funktionsverlagerung, 2003, S. 213 f., 281; Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 237. In bestimmten Fällen unterlag eine geschäftswertähnliche Geschäftschance der Abschlussbesteuerung, die jedoch ebenfalls im Wesentlichen die Voraussetzungen eines Wirtschaftsguts erfüllen musste; vgl. z. B. Eisele, Funktionsverlagerung, 2003, S. 301-305; Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 245.
109
Ab dem Jahr 2008 ist nunmehr die Besteuerung der grenzüberschreitenden Funktionsverlagerung (auch unterhalb der Teilbetriebsebene) in § 1 Abs. 3 AStG gesetzlich geregelt. Dort ist die Rangfolge der Methoden zur Ermittlung der fremdvergleichskonformen Verrechnungspreise festgelegt. Vorrangig anzuwenden sind uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichspreise, danach eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichspreise621, andernfalls ist ein hypothetischer Fremdvergleich durchzuführen. Lediglich bei Hilfsfunktionen werden Fremdvergleichspreise ermittelt werden können, weshalb für den Regelfall der Funktionsverlagerung ein hypothetischer Fremdvergleich anzuwenden ist.622 In persönlicher Hinsicht wird jede Funktionsverlagerung erfasst, der eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG (Beteiligungsschwelle 25%) zugrunde liegt. Sachlich werden von der Besteuerung die Funktionsausgliederung, also die vollständige Verlagerung einer Funktion mitsamt ihren Chancen und Risiken, sowie die Funktionsabschmelzung, bei der nur ein Teil der Funktion mitsamt Chancen und Risiken übertragen wird, erfasst.623 Nicht betroffen sind hingegen die Funktionsabspaltung, bei der ein Teil der Funktion unter Beibehaltung der Chancen und Risiken übertragen wird, und die Funktionsverdoppelung, also die Vervielfältigung einer inländischen Funktion im Ausland.624 Bei letzterer greift eine Missbrauchsregel, die eine Sofortbesteuerung nach § 1 Abs. 3 AStG dann vorsieht, wenn die Funktion im Inland innerhalb von fünf Jahren nach der Verdoppelung eingeschränkt wird (§ 1 Abs. 6 FVerlV). Eine Funktionsverlagerung liegt schließlich dann nicht vor, wenn die immateriellen Werte lizenziert werden, also keine Übertragung des Eigentums mitsamt Chancen und Risiken stattfindet (§ 1 Abs. 7 FVerlV). In diesem Fall kommt es nicht zur Sofortbesteuerung, sondern zur jährlichen Besteuerung der periodischen Lizenzerträge.625 Liegt eine Funktionsverlagerung im obigen Sinne vor, ist die verlagerte Funktion als Ganzes (Transferpaket) zu bewerten. Mittels einer Gesamtbewertung soll der Wert des mit dem Transferpaket verlagerten Gewinnpotentials ermittelt werden. Deshalb erfolgt die Bewertung des Transferpakets auf Basis der abgezinsten zukünftigen Zahlungsströme (Ertragswert), die der Funktion jeweils aus Sicht des verlagernden und des empfangenden Unternehmens zuzuordnen
621
622 623 624
625
Bei beiden Arten von Vergleichspreisen handelt es sich um die Standardmethoden; vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. V20 zu § 1 AStG. Zur Anpassung bei eingeschränkt vergleichbaren Preisen vgl. ebenda, Rn. V43-V50. Vgl. Jahndorf, FR 2008, S. 107; Günter, WPg 2007, S. 1084; Kahle, DK 2007, S. 649. Vgl. Bernhardt, Verrechnungspreise, 2007, Rn. 1857, 1861, S. 177; Kahle, DK 2007, S. 648. Zur Funktionsabspaltung und Funktionsverdopplung vgl. auch Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. V72 f. zu § 1 AStG. Vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. V91 f. zu § 1 AStG; Greinert, Funktionsverlagerungen, 2007, S. 570.
110
sind.626 Der Diskontierungszins soll aus einer risikolosen Komponente und einem funktionsadäquaten Zuschlag bestehen (§ 5 FVerlV).627 Für den Zeitraum der Abzinsung geht die Finanzverwaltung grundsätzlich von einer ewigen Rente aus. Allerdings darf der Steuerpflichtige einen begrenzten Kapitalisierungszeitraum anwenden, wenn er dies glaubhaft machen kann (§ 6 FVerlV).628 Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AStG geht der Gesetzgeber davon aus, dass beide Konzerngesellschaften alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung kennen. Im Ergebnis ist ein Einigungsbereich anhand des Mindestpreises des Leistenden und des Höchstpreises des Empfängers zu ermitteln (§§ 3, 7 FVerlV).629 Eine solche Bewertungsmethode impliziert letztlich ein Grenzpreiskalkül.630 Denn aus Sicht des verlagernden Unternehmens beinhaltet der Mindestpreis gerade denjenigen Preis, den es mindestens verlangen würde, ohne sich durch die Abgabe der Funktion schlechter zu stellen.631 Deshalb ist die (Abschluss-) Besteuerung der Funktionsverlagerung im Mindestpreis des Leistenden zu berücksichtigen. Aus Sicht des empfangenden Unternehmens beinhaltet der Höchstpreis denjenigen Preis, den es höchstens zahlen würde, ohne sich durch die Aufnahme der Funktion schlechter zu stellen.632 Sind also Synergieeffekte oder sonstige Standortvorteile beim empfangenden Unternehmen vorhanden, sollte es regelmäßig zu einem positiven Einigungsbereich kommen. Der Wert innerhalb des Einigungsbereichs, der dem Fremdvergleich am wahrscheinlichsten entspricht, ist für die Besteuerung anzusetzen. Kann der Steuerpflichtige keinen Wert glaubhaft machen, findet gemäß der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 3 S. 7 AStG der Mittelwert des Einigungsbereichs Anwendung.633 Gemäß der Escapeklausel des § 1 Abs. 3 S. 10 AStG kann eine Besteuerung nach obigen Grundsätzen vermieden werden, sofern entweder nur unwesentliche immaterielle Wirtschaftsgü626
627
628 629
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633
§ 1 Abs. 4 FVerlV spricht zwar von Reingewinnen nach Steuern, allerdings auch vom Barwert. Ein Barwert kann jedoch vernünftigerweise nur mit Zahlungsströmen berechnet werden; vgl. auch Kahle, DK 2007, S. 652; Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, S. 1693. Für die Ermittlung des Zinses ist auf die allgemeinen Grundsätze der Unternehmensbewertung zu verweisen; vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. V86 zu § 1 AStG. Vgl. Bernhardt, Verrechnungspreise, 2007, Rn. 1887, S. 179. Zu diesem Bewertungskonzept vgl. Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. V55, V57 f. zu § 1 AStG; Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 198-212. Vgl. dazu ausführlich Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 456 f., 804-808; vgl. auch Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, S. 1698. Kann die Funktion nicht mehr durch das abgebende Unternehmen selbst wahrgenommen werden, entspricht der Liquidationswert dem Mindestpreis (§ 7 Abs. 2 FVerlV). Damit sind die unterschiedlichen Abschreibungsregeln, z. B. des Goodwills, für den Höchstpreis entsprechend zu beachten; vgl. auch Oestreicher/Hundeshagen, DB 2008, S. 1699. Nach der Rechtsprechung war bisher der für den Steuerpflichtigen günstigere Wert innerhalb einer Bandbreite relevant; vgl. dazu BFH vom 17.10.2001, I R 103/00, BFH/NV 2002, Rn. III.A.2.d)ff). Aus ökonomischer Sicht ist der Mittelwert a priori nicht zu beanstanden, da unklar bleibt, auf welchen Preis sich die beiden Verhandlungspartner einigen; vgl. auch Wassermeyer/Baumhoff/Greinert, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, 2008, Rn. V62 zu § 1 AStG; wohl a. A. Wassermeyer, DB 2007, S. 538. Letztlich hängt der Preis von der jeweiligen Verhandlungsmacht der beiden Verhandlungspartner ab; vgl. Brüninghaus, WPg-Sonderheft 2006, S. S138; Günter, WPg 2007, S. 1085; Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 207 f.
111
ter verlagert wurden – gemäß § 1 Abs. 5 FVerlV nicht mehr als 25% des gesamten Transferpakets –, oder das Ergebnis einer Einzelbewertung dem Fremdvergleich – gemessen am Ergebnis einer Bewertung des gesamten Transferpakets – entspricht. Die erste Alternative wird regelmäßig nur bei Hilfsfunktionen erfüllt sein, denn es sollen gerade immaterielle Wirtschaftsgüter im Rahmen von Funktionsverlagerungen (in größerem Umfang als bisher) erfasst werden. Bei der zweiten Alternative ist der zusätzliche Berechnungsaufwand wohl nicht gerechtfertigt, zumal unklar bleibt, inwiefern der Steuerpflichtige den Beweis führen kann. Die Escapeklausel ist somit effektiv nutzlos.634 Sofern wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter oder Vorteile übertragen wurden, wird laut § 1 Abs. 3 S. 11 AStG bei einer erheblichen Abweichung der tatsächlichen von der angenommenen Gewinnentwicklung die Vereinbarung einer Preisanpassungsklausel vermutet.635 Erheblich ist eine Abweichung dann, wenn der neu ermittelte Einigungswert aufgrund der Gewinnabweichung außerhalb des ursprünglichen Einigungsbereichs liegt (§ 10 FVerlV). In diesem Fall wird der Einigungsbereich nachträglich angepasst und wird durch den ursprünglichen Mindestpreis und den neu ermittelten Höchstpreis bestimmt. Ist eine solche Klausel tatsächlich nicht vertraglich vereinbart worden, greift gemäß § 1 Abs. 3 S. 12 AStG eine gesetzliche Anpassungsklausel über einen Zeitraum von 10 Jahren.636 Da die Besteuerung der Funktionsverlagerung hinsichtlich ihrer Anwendungsvoraussetzungen auf § 1 Abs. 1 AStG rekurriert, sind Funktionsverlagerungen auf ausländische Betriebsstätten der verlagernden Gesellschaft von der Regelung des § 1 Abs. 3 AStG nicht betroffen.637
3.5.3.2.3. Besteuerung der Sitzverlegung
Sofern das Unternehmen (Stammhaus) seinen Sitz verlegt, greifen die allgemeinen Regelungen der Entstrickungsbesteuerung (§ 4 Abs. 1 S. 3 EStG i. V. m. § 12 Abs. 1 KStG). Somit werden alle Wirtschaftsgüter, bei denen aufgrund der Sitzverlegung das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, zum gemeinen Wert besteuert. Die entstrickten Wirtschaftsgüter unterliegen sowohl der Körperschaftsteuer als auch der Gewerbesteuer.638 Die Möglichkeit, den Besteuerungszeitpunkt für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mittels § 4g 634
635 636 637 638
Vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, S. 1653; Günter, WPg 2007, S. 1088 f.; Kahle, DK 2007, S. 655; Greinert, Funktionsverlagerungen, 2007, S. 569; Bernhardt, Verrechnungspreise, 2007, Rn. 1948, S. 188 f. Zur Kritik vgl. Jahndorf, FR 2008, S. 109; Greinert, Funktionsverlagerungen, 2007, S. 573-575. Zur Preisanpassungsklausel vgl. Greinert, Funktionsverlagerungen, 2007, S. 572-575. Vgl. auch Jahndorf, FR 2008, S. 102; Brinkmann, Grenzüberschreitende Tätigkeiten, 2008, S. 179. Vgl. auch Hofmeister, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 26 zu § 12 KStG.
112
Abs. 1 und 2 EStG aufzuschieben, kann in diesem Fall nicht mehr in Anspruch genommen werden.639 Ein Steueraufschub ist nur für diejenigen Wirtschaftsgüter verfügbar, die innerhalb einer deutschen Betriebsstätte steuerverstrickt bleiben. Da die deutsche Finanzverwaltung im Regelfall immaterielle Wirtschaftsgüter und Beteiligungen dem Stammhaus zuordnet, wird es für diese Wirtschaftsgüter zu einer Abschlussbesteuerung kommen.640 Immaterielle Wirtschaftsgüter, insbesondere der Geschäfts- oder Firmenwert, unterliegen somit der vollen Abschlussbesteuerung in Höhe von ca. 31%, während Beteiligungen aufgrund § 8b Abs. 5 KStG zu 95% freigestellt werden.641 Um die Wegzugsbesteuerung konsistent auszugestalten, werden gemäß § 4 Abs. 1 S. 7 EStG Wirtschaftsgüter, die erstmals unter die deutsche Steuerhoheit gelangen, mit dem gemeinen Wert angesetzt. Die Liquidationsbesteuerung gemäß § 11 KStG kann im Gegensatz zur bis einschließlich 2005 geltenden Rechtslage642 bei Sitzverlegungen in einen Mitgliedstaat zweifelsfrei nicht mehr zur Anwendung kommen, denn in diesem Fall ist ausschließlich § 12 KStG relevant. Folglich kann die Liquidationsbesteuerung nur noch bei tatsächlicher Auflösung und nachfolgender Abwicklung einer Kapitalgesellschaft oder bei Sitzverlegung in einen Drittstaat (§ 12 Abs. 3 S. 3 KStG) greifen.643
3.5.3.3.
Steuerplanung im Rahmen der Wegzugsbesteuerung
Im Rahmen der Abschlussbesteuerung wird es regelmäßig zu Zins- und Liquiditätsnachteilen kommen. Denn der sofortigen (Abschluss-)Besteuerung stehen lediglich zukünftige Steuerersparnisse in Form höherer Abschreibungen gegenüber. Deshalb sind rein steuerinduzierte Verlagerungen und Wegzüge oftmals nicht mehr vorteilhaft. Gleichzeitig können Verlagerungen und Wegzüge, die vor Steuern vorteilhaft waren (z. B. wegen Synergieeffekten), nach Steuern nachteilig sein und damit verhindert werden (Lock-In-Effekt). In Abhängigkeit vom Buchwert der verlagerten Wirtschaftsgüter ist es jedoch auch möglich, dass die Verlagerung von Investiti-
639 640
641 642 643
Vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 4 zu § 4g EStG. Vgl. BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, Rn. 2.4; Eickmann/Stein, DStZ 2007, S. 726; die h. M. in der Literatur ist a. A. hinsichtlich der Zentralfunktion des Stammhauses; vgl. z. B. Kinzl, IStR 2005, S. 694; Löwenstein/Looks (Hrsg.), Betriebsstättenbesteuerung, 2003, S. 256 f. Vgl. Blumenberg/Lechner, BB 2006, S. 30. Zur bis 2005 geltenden Rechtslage; vgl. z. B. Schaumburg, Wegzug, 2005, S. 417-426. Die Liquidationsbesteuerung erfasst auch die stillen Reserven in inländischen Betriebsstätten; vgl. dazu ausführlich Hofmeister, in: Blümich, KStG, 2008, Rn. 108-120 zu § 12 KStG.
113
onen trotz einer Wegzugsbesteuerung aus rein steuerlichen Gründen vorteilhaft ist (Lock-OutEffekt).644 Beispiel 12: Es wird eine Investition in einer deutschen Tochtergesellschaft betrachtet (Tabelle 8), deren Anfangsauszahlung in voller Höhe steuerwirksam wird (immaterielle Wirtschaftsgüter im Sinne des § 5 Abs. 2 EStG). Sofern ausreichende Gewinne aus anderen Investitionen vorhanden sind, kommt es zur sofortigen Steuererstattung. Folglich unterliegt diese Investition einer Cashflow-Besteuerung. Die Gewinne nach Steuern, auch die sofortige Steuererstattung, werden unmittelbar an die Mutter ausgeschüttet. Die vor Steuern vorteilhafte Investition (Endwert vor Steuern: 921,0) bleibt auch nach Steuern vorteilhaft (Endwert nach Steuern: 675,2).
Marktzins Nettozins
10% 6,9%
Deutsche Tochtergesellschaft Jahr Einlage Eigenkapital Gewinn vor Steuern (Zahlungen Investition) Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung
Körperschaftsteuersatz: 31%
Deutsche Muttergesellschaft Jahr Erhaltene Dividende Dividendensteuer Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
Dividendensteuersatz: 1,55%
0 1.000,0 0,0 -1.000,0
1
2
3
4
0,0 300,0
0,0 300,0
0,0 300,0
0,0 300,0
0,0 1.000,0
93,0 207,0 207,0
93,0 207,0 207,0
93,0 207,0 207,0
93,0 207,0 207,0
310,0 690,0 690,0
3 207,0 3,2 203,8 53,2
4 207,0 3,2 203,8 70,9
5 690,0 10,7 679,3 89,8
Wiederanlagebetrag 305,2 530,0 770,4 1.027,4 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
1.302,1
2.072,2
-310,0 -690,0 310,0
0 310,0 4,8 305,2
1 207,0 3,2 203,8 21,0
2 207,0 3,2 203,8 36,6
5
0,0 2.072,2 1.396,0 675,2
Tabelle 8: Investition in deutscher Tochtergesellschaft vor Wegzug
644
Ausführlich zu Lock-In-Effekten und zu Lock-Out-Effekten vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 808-813.
114
Beispiel 12 (Fortsetzung): Verlegt die deutsche Tochtergesellschaft den Ort der Geschäftsleitung mitsamt der betrachteten Investition nach Polen, greift die Abschlussbesteuerung gemäß § 12 KStG. Angesichts des Buchwerts von Null unterliegt der gesamte Marktwert der Investition – die Finanzverwaltung legt einen Wert von 1.500 zugrunde – der vollen Ertragsbesteuerung von ca. 31%. Zusammen mit der sofortigen Steuererstattung für den sofort abziehbaren Aufwand in Höhe von 1.000 ergibt sich im Saldo eine Steuerzahlung von 155 auf Ebene der deutschen Tochter, was in einer entsprechenden Minderausschüttung für die Muttergesellschaft resultiert. In Polen kann der Marktwert der Investition aktiviert und abgeschrieben werden (korrespondierende Besteuerung). Die Erträge nach Steuern werden sofort an die deutsche Mutter ausgeschüttet; die (handelsrechtlich) nicht ausschüttungsfähigen Beträge in Höhe der Abschreibungen werden über Kapitalrückzahlungen zur Mutter repatriiert. Der Endwert nach Steuern beträgt 671,0 (Tabelle 9) und ist damit geringer als der Endwert bei Ausführung der Investition im Inland. Der Wegzug wird also steuerlich behindert; der Grund für den Lock-In-Effekt besteht darin, dass durch die Wegzugsbesteuerung die vorteilhafte Cashflow-Besteuerung auf Ebene der deutschen Tochter verloren geht.645
Marktzins
10%
Polnische Tochtergesellschaft Jahr Eigenkapital Gewinn vor Steuern (Zahlungen Investition) Aktivierung AfA Bemessungsgrundlage Steuern Gewinn nach AfA und Steuern Ausschüttung Einlage Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 19% Nettozins 8,1% 0 1 2 1.500,0 1.200,0 900,0 -1.000,0 300,0 300,0
Deutsche Muttergesellschaft Jahr Erhaltene Dividende Dividendensteuer Kapitalrückzahlung Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
Dividendensteuersatz: 1,55% Nettozins 6,9% 0 1 2 -155,0 0,0 0,0 -2,4 0,0 0,0 300,0 300,0 -152,6 300,0 300,0 -10,5 9,4
3 600,0 300,0
4 300,0 300,0
5 0,0 1.000,0
1.500,0 300,0 0,0 0,0 0,0
300,0 0,0 0,0 0,0
300,0 0,0 0,0 0,0
300,0 0,0 0,0 0,0
300,0 700,0 133,0 567,0
0,0
0,0
0,0
0,0
567,0
300,0
300,0
300,0
300,0
300,0
3
4
0,0 0,0 300,0 300,0 30,8
0,0 0,0 300,0 300,0 53,6
5 567,0 8,8 300,0 858,2 78,0
Wiederanlagebetrag -152,6 136,9 446,3 777,1 Endvermögen der Realinvestition nach Steuern 5 Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,069 Endwert
1.130,7
1.500,0
Tabelle 9: Investition in polnischer Tochtergesellschaft nach Wegzug
645
Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 811; Schreiber/Führich, Group Taxation, 2007, S. 17.
2.067,0 2.067,0 1.396,0 671,0
115
Beispiel 13 (in Fortführung zu Beispiel 12): Es wird die gleiche Investition in einer deutschen Tochtergesellschaft betrachtet wie in Beispiel 12. Die Anfangsauszahlung von 1.000 wird diesmal jedoch aktiviert und abgeschrieben. Die Anfangsauszahlung wird jetzt also steuerwirksam über die Abschreibungsdauer verteilt. Dementsprechend sinkt der Endwert nach Steuern im Vergleich zu Beispiel 12 auf 617,2 (Tabelle 10). Verlegt die deutsche Tochtergesellschaft den Ort der Geschäftsleitung mitsamt der betrachteten Investition nach Polen, greift wiederum die Abschlussbesteuerung gemäß § 12 KStG. Dem Marktwert von 1.500 steht das aktivierte Kapital von 1.000 gegenüber, so dass es im Ergebnis zu einer Steuerlast in Höhe von 155 kommt. Bei der Investition in der polnischen Tochtergesellschaft hingegen gibt es keine Veränderung des Endwerts nach Steuern, sofern Polen korrespondierend besteuert. Der Endwert nach Steuern beträgt unverändert 671,0 (vgl. Tabelle 9) und ist jetzt höher als der Endwert bei Ausführung der Investition im Inland. Trotz Wegzugsbesteuerung ist eine Verlagerung der Investition aus rein steuerlichen Gründen – der polnische Steuersatz ist niedriger als der deutsche Steuersatz, und es entstehen keine Synergieeffekte bei der Verlagerung – vorteilhaft. In Beispiel 13 kommt es im Gegensatz zu Beispiel 12 zu einem Lock-Out-Effekt, da in diesem Fall keine vorteilhafte Cashflow-Besteuerung eliminiert wird. Der Steuersatzvorteil in der laufenden Besteuerung der Investition wirkt zugunsten der Verlagerung nach Polen.646
Marktzins Nettozins
10% 6,9%
Deutsche Tochtergesellschaft Jahr Eigenkapital Gewinn vor Steuern (Zahlungen Investition) Aktivierung AfA Bemessungsgrundlage Steuern Gewinn nach AfA und Steuern Ausschüttung Einlage Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 31%
Deutsche Muttergesellschaft Jahr Erhaltene Dividende Dividendensteuer Kapitalrückzahlung Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
Dividendensteuersatz: 1,55%
0 1.000,0 -1.000,0
1 800,0 300,0
2 600,0 300,0
3 400,0 300,0
4 200,0 300,0
0,0 1.000,0
200,0 100,0 31,0 69,0
200,0 100,0 31,0 69,0
200,0 100,0 31,0 69,0
200,0 100,0 31,0 69,0
200,0 800,0 248,0 552,0
69,0
69,0
69,0
69,0
552,0
200,0
200,0
200,0
200,0
200,0
5 552,0 8,6 200,0 743,4 82,0
1.000,0
1000,0
1
2
3
4
69,0 1,1 200,0 267,9 0,0
69,0 1,1 200,0 267,9 18,5
69,0 1,1 200,0 267,9 38,3
69,0 1,1 200,0 267,9 59,4
Wiederanlagebetrag 196,9 554,3 860,5 Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
1.187,8
0
Tabelle 10: Aktivierte Investition in deutscher Tochtergesellschaft vor Wegzug
646
5
Vgl. auch Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 810, 812.
2.013,2 2.013,2 1.396,0 617,2
116
Neben außersteuerlichen Gründen wird die Abschlussbesteuerung der wichtigste steuerliche Grund sein, warum Unternehmen ihren Sitzstaat nicht wechseln (können) bzw. Wirtschaftsgüter und Funktionen nicht verlagern können.647 Während die Wegzugsteuer bei Grenzübertritt von inländischen Wirtschaftsgütern regelmäßig nicht zu vermeiden sein wird, sollte aus Unternehmenssicht auf jeden Fall die Besteuerung der Funktionsverlagerung vermieden werden. Denn im Gegensatz zu den allgemeinen Entstrickungsregeln kommt es hier zu einer umfassenden Gesamtbewertung. Zudem ist die vollständige Aktivierung des Transferpakets, insbesondere des Geschäfts- oder Firmenwerts, im ausländischen Staat oftmals fraglich, so dass es zu einer definitiven Doppelbesteuerung kommen kann.648 Die Besteuerung der Funktionsverlagerung kann auf vielerlei Weise vermieden werden. So können Funktionen ausgelagert werden, ohne die damit verbundenen immateriellen Wirtschaftsgüter zu übertragen. Typische Beispiele hierfür sind der Lohnfertiger, der Kommissionär oder der Auftragsentwickler.649 Ebenso kann die sofortige Besteuerung durch Lizenzierung der immateriellen Wirtschaftsgüter bzw. des Transferpakets vermieden werden.650 Eine hierfür gängige Gestaltung zur Minimierung der unvermeidbaren Abschlussbesteuerung besteht darin, bereits bestehende immaterielle Wirtschaftsgüter „einzufrieren“ und an eine Gesellschaft in einem Niedrigsteuerland zu lizenzieren. Die im Zeitablauf abnehmenden Lizenzzahlungen werden immer mehr durch die von der ausländischen Gesellschaft erhobenen Lizenz- bzw. Nutzungsgebühren ersetzt, die diese für die Weiterentwicklung des immateriellen Vermögenswerts verlangt.651 Ebenso kann eine Funktionsverdoppelung unter Berücksichtigung der Fünf-Jahres-Frist genutzt werden, um eine Funktionsverlagerung steuerschonend durchzuführen. Zudem ist es denkbar, dass die eigene Gestaltung und Formulierung der Preisanpassungsklausel Spielraum bietet, den der Gesetzgeber nicht vorausgesehen hatte.652 Gleiches gilt im Übrigen für den Inbound-Fall, da bei einer Akti-
647
648
649
650 651
652
Zu § 12 KStG 2002 vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1213; für die Funktionsverlagerung vgl. Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, S. 311. Thiel hingegen meint – m. E. zu Unrecht –, dass im Wesentlichen nur (steuerfreie) Beteiligungen von der Wegzugsbesteuerung betroffen sind, weshalb diese kein großes Hindernis darstellen würde; vgl. Thiel, DB 2005, S. 2318. Vgl. Jahndorf, FR 2008, S. 111; Günter, WPg 2007, S. 1086; Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, S. 311; Kahle, DK 2007, S. 654; Bernhardt, Verrechnungspreise, 2007, Rn. 1961-1965, S. 190 f. Vgl. § 2 Abs. 2 FVerlV; Jahndorf, FR 2008, S. 106; Crüger/Wintzer, GmbHR 2008, S. 309; Kahle, DK 2007, S. 652; vgl. auch Schreiber, Ubg 2008, S. 436; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 11451149; Baumhoff/Bodenmüller, Verrechnungspreispolitik, 2003, S. 357-360. Vgl. Jahndorf, FR 2008, S. 105; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, S. 1654. Vgl. dazu Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 175, 181; Marti/Ledergerber, ST 2005, S. 192 f. Zu dem diesbezüglich gleichwirkenden fading out bei Auftragsforschung; vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1137; vgl. auch Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 429 f. Vgl. Scholz, IStR 2007, S. 525 f.
117
vierung der Funktion im Inland – sofern zugelassen – zusätzliches Abschreibungspotential entsteht.653 Es gilt ebenfalls zu bedenken, dass die Regelungen zur Funktionsverlagerung bei ausländischen Betriebsstätten nicht greifen. Somit finden bei Verlagerung einer Funktion auf eine EUausländische Betriebsstätte nur die allgemeinen Entstrickungsregelungen des § 4 Abs. 1 S. 3 EStG und des § 12 Abs. 1 KStG Anwendung, womit insbesondere die Besteuerung des anteiligen Geschäfts- oder Firmenwerts einer Funktionsverlagerung vermieden werden kann. Eine Gesamtbewertung im Sinne des § 1 Abs. 3 AStG und denkbare Korrekturen über § 1 Abs. 1 AStG können also vermieden werden, zumal für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die über fünf Jahre gestreckte Besteuerung im Sinne des § 4g EStG solange erhältlich ist, wie die Wirtschaftsgüter in der Betriebsstätte verbleiben. Anschließend kann die Funktion durch die ausländische Zielkapitalgesellschaft erworben werden, ohne dass in Deutschland Steuer anfällt. Es fehlt nämlich insoweit an einer Einkünfteminderung, die eine Korrektur nach § 1 AStG auslösen könnte, weil die Einkünfte aus der EU-ausländischen Betriebsstätte, wohin die Wirtschaftsgüter verbracht wurden, bereits von der deutschen Besteuerung freigestellt sind. Schließlich wird der Konzern darauf achten, dass von Beginn an die entsprechenden Funktionen wie Vertrieb654 oder Forschung und Entwicklung655 in Niedrigsteuerländern lokalisiert und durchgeführt werden. Insoweit unterliegt die ökonomische Rente a priori der niedrigeren Besteuerung, während in Deutschland nur die Normalverzinsung der Besteuerung unterfällt. Allerdings können dann auch die Aufwendungen nur zum niedrigeren Steuersatz geltend gemacht werden. Alternativ kann Forschung und Entwicklung in Deutschland als Auftragsforschung vergeben werden656, so dass aufgrund der regelmäßig anzuwendenden Kostenaufschlagsmethode657 ebenfalls nur die Normalverzinsung als steuerliche Bemessungsgrundlage in Deutschland verbleibt.
653
654 655
656
657
Vgl. Endres/Spengel/Reister, WPg 2007, S. 487; Greinert, Funktionsverlagerungen, 2007, S. 572; Bernhardt, Verrechnungspreise, 2007, Rn. 1985, S. 193. Vgl. z. B. Bogenschütz, Internationale Steuerplanung, 1998, S. 10. Der Konzern ist grundsätzlich frei in der Lokalisation immaterieller Werte; vgl. Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 172 f. Für einen Überblick über beliebte Länder vgl. Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 179. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1137; Finnerty et al., Tax Planning, 2007, S. 172-174; vgl. auch Bodenmüller, Funktionsverlagerungen, 2004, S. 378. Vgl. BMF-Schreiben vom 23.02.1983, IV C 5 – S 1341 – 4/83, BStBl. I 1983, Rn. 5.3.; vgl. auch Baumhoff/Bodenmüller, Verrechnungspreispolitik, 2003, S. 354.
118
3.6.
Fazit
Ein zentraler Ansatzpunkt der internationalen Steuerplanung ist das Ausnutzen des internationalen Steuersatzdifferentials, indem Aufwendungen in Hochsteuerländern und Erträge in Niedrigsteuerländern geltend gemacht werden.658 Grundvoraussetzung für das Gelingen solcher Gestaltungen ist die Anerkennung des Trennungsprinzips und die Freistellung unternehmerischer Gewinne durch Deutschland. Deshalb werden ausländische Investitionen im Regelfall über eine Tochterkapitalgesellschaft getätigt, bei der eine grundsätzliche Abschirmwirkung in Verbindung mit einer allgemeinen, bereits unilateralen Freistellung von Dividenden gegeben ist. Übliche Gestaltungen zur Ausnutzung des Steuersatzgefälles umfassen den Abzug von Fremdfinanzierungsaufwand oder von Verlusten in Hochsteuerländern wie Deutschland. Ökonomisch damit verbundene Erträge – Erträge einer Investition, die mit Fremdkapital finanziert wurde, bzw. Erträge einer Investition, die zwischenzeitlich auch Verluste generiert, aber insgesamt im Endwert vorteilhaft ist – werden hingegen von den Aufwendungen getrennt und in Niedrigsteuerländern der Besteuerung unterworfen. Auch ohne solche Aufwendungen, beispielsweise bei einer (Finanz-)Investition, die konstant positive Zahlungsüberschüsse erwirtschaftet, ist es steuerlich vorteilhaft, Erträge einer Investition in Niedrigsteuerländern zu lokalisieren. Gerade mobile Funktionen eines Konzerns wie die Finanzierung sind dafür prädestiniert. Bei der Geschäftstätigkeit im Inland schließlich unterfallen deren Erträge der inländischen Besteuerung, welche dennoch mittels der Verlagerung von Buchgewinnen gestaltet werden können. Die ökonomische Rente wird z. B. über eine Verlagerung von Funktionen und den damit verbundenen Nutzungsentgelten der deutschen Besteuerung entzogen. Die verbleibende Normalverzinsung kann über die bereits angesprochene Fremdfinanzierung verlagert werden.659 Diese Art der Steuerplanung ist stets so lange reizvoll, wie hinreichend große Steuersatzdifferentiale existieren, die die Planungskosten rechtfertigen. Die offensichtliche Möglichkeit für Mitgliedstaaten, auf diese Steuerplanung zu reagieren, besteht in einer Senkung der Steuersätze, um dementsprechend den Hauptanreiz zur Steuerplanung abzuschwächen. Alternativ oder zusätzlich kann ein Mitgliedstaat eine Abwehrgesetzgebung entwickeln, die zum Ziel hat typische Fälle der Gewinnverlagerung, wie oben angesprochen, zu bekämpfen. Deutschland hat in der Vergangenheit beides getan; es hat sowohl die Steuersätze gesenkt als auch eine Abwehrgesetzgebung implementiert, ausgebaut aber auch wieder eingeschränkt. Dabei ist unabhängig von der konkreten
658 659
Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 219; Kahle, WPg 2006, S. 1403. Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 219; Kahle, WPg 2006, S. 1403.
119
Abwehrgesetzgebung die anfängliche Lokalisation von Eigen- und Fremdkapital oder von Ertragsquellen, z. B. Forschung, im Konzern a priori dem Zugriff der Mitgliedstaaten entzogen. Ist die Allokation von Ertragsquellen hingegen erfolgt, kann ein Mitgliedstaat wie Deutschland darauf achten, dass die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven auch der inländischen Besteuerung unterliegen. Zwar dürfte die umfassende Besteuerung einer Funktionsverlagerung relativ leicht zu umgehen sein, die Besteuerung der in Deutschland entstandenen, stillen Reserven, die in Wirtschaftsgütern und (Teil-)Betrieben enthalten sind, ist indessen zur Zeit gesichert. Auch im Bereich der ausländischen Verluste ist es derzeit nicht direkt möglich, diese von der deutschen Bemessungsgrundlage abzuziehen. Natürlich kann das in gewissem Umfang planerisch gestaltet werden. Aber dabei sind neben den Planungskosten steuerliche Restriktionen, z. B. Arm’s-Length-Prinzip, oder Rechtsunsicherheiten, z. B. beim Wertpapierdarlehen, zu berücksichtigen. Die steuerlichen Folgen aus der Wahl der grenzüberschreitenden Finanzierung werden ebenfalls von Deutschland überprüft und gegebenenfalls beschränkt. Die Bekämpfung übermäßigen Zinsabzugs wurde mit der Zinsschranke zwar gegenüber früheren Regelungen zur Fremdfinanzierung wesentlich erweitert, ob aber damit tatsächlich die anvisierten internationalen Konzerne und nicht national tätige Unternehmen getroffen werden, ist fraglich. Einen anderen Weg hat Deutschland bei der Hinzurechnungsbesteuerung beschritten, die in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt wurde, indem insbesondere die auf pauschalen Kriterien basierende Hinzurechnung über die Möglichkeit eines Gegenbeweises aufgeweicht wurde. Unweigerlich sollte das jedoch zu mehr Steuerplanung seitens der Unternehmen führen. Die letzten beiden Beispiele verdeutlichen einmal mehr den nicht zu unterschätzenden Einfluss des EG-Rechts auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten. Bei seiner Abwehrgesetzgebung gegen grenzüberschreitende Gestaltungen hat jeder Mitgliedstaat zwingend das EGRecht zu beachten. Auch im Hinblick auf Auslandsverluste und stille Reserven könnten EGrechtlich veranlasste Steuerrechtsänderungen angezeigt sein mit der möglichen Folge, dass das Steuerrecht wie im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung planungsanfälliger werden könnte. Oder aber es könnte wie im Fall der Zinsschranke eine wesentlich komplexere Regelung resultieren, bei der der Regelungszweck keineswegs gesichert scheint. Inwieweit das EG-Recht konkret dazu beitragen kann, die Planungsspielräume der Unternehmen zu erweitern oder einzuengen, soll im nächsten Kapitel ausführlich beleuchtet werden.
120
4.
Der Einfluss der Rechtsprechung des EuGH auf die Möglichkeiten internationaler Steuerplanung
4.1.
Finanzierung
4.1.1. 4.1.1.1.
Hinzurechnungsbesteuerung Die EuGH-Rechtsprechung zur Hinzurechnungsbesteuerung
Bei der Hinzurechnungsbesteuerung ist im Prinzip ausschließlich der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit anwendbar, denn für Zwecke der Hinzurechnung muss die ausländische Zwischengesellschaft bzw. Betriebsstätte beherrscht werden.660 Das Erfordernis der „Deutschbeherrschung“ einer Zwischengesellschaft durch mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige scheint dieser Einschätzung nicht entgegenzustehen, weil der Gesetzgeber eine gemeinsame Beherrschung durch die Anteilseigner annimmt.661 Allerdings ist es im konkreten Einzelfall denkbar, dass bei nicht wesentlichen Beteiligungen mehrerer Anteilseigner, die nicht miteinander verbunden sind oder keine Kenntnis voneinander besitzen, auch die Kapitalverkehrsfreiheit zur Anwendung kommt. Im Licht der speziellen Regelung der Hinzurechnungsbesteuerung ist ein vertikaler Vergleich problemlos möglich662, während ein horizontaler Vergleich a priori auszuschließen ist. Aufgrund des Trennungsprinzips können Tochtergesellschaften, ob inländisch oder ausländisch, ihre Gewinne einbehalten, die bis zur Ausschüttung bei der Muttergesellschaft nicht steuerbar sind. Nur bei niedrig besteuerten, passiven ausländischen Einkünften hebt die Hinzurechnungsbesteuerung das Trennungsprinzip auf, so dass die Mutter mit den hinzugerechneten Einkünften der Besteuerung unterliegt. Die Möglichkeit eines Steueraufschubs steht somit niedrig besteuerten, ausländischen Tochtergesellschaften nur unter bestimmten Bedingungen zu. Allerdings ist zu bedenken, dass es im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung grundsätzlich zu keiner höheren Gesamtsteuerbelastung als bei einer inländischen Tochtergesellschaft kommt, so dass insoweit keine Ungleichbehandlung vorliegt.663 Deshalb wird verschiedentlich die Auffassung vertreten, dass das Hochschleusen auf das höhere inländische Steuerniveau im Sinne einer kapitalexportneutra660
661
662
663
Vgl. auch EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 32; EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 31 f. Vgl. EuGH vom 10.05.2007, Rs. C-102/05 (A und B), Slg. I-2007, Rn. 4, 25 f.; EuGH vom 06.12.2007, Rs. C298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 31 f.; vgl. auch Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 12; Bron/Kraft, RIW 2006, S. 211; Schmidt/Schwind, IWB 2008, S. 9719; a. A. Schönfeld, DB 2007, S. 82; Rehm/Nagler, IStR 2007, S. 702. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 44; Hahn, DStZ 2007, S. 203. Vgl. Hahn, DStZ 2007, S. 204.
121
len Besteuerung die relevante Ungleichbehandlung darstelle.664 Der EuGH beschränkte sich im Fall Cadbury Schweppes auf die Feststellung, in der unterschiedlichen Anerkennung des Trennungsprinzips ungeachtet der absoluten Höhe der Belastung die relevante Ungleichbehandlung zu erkennen.665 Entscheidend sind die Zins- und Liquiditätsnachteile aus der zeitlich vorgezogenen Besteuerung, die aus der diskriminierenden Nichtbeachtung des Trennungsprinzips resultieren.666 Zudem sehen sich inländische Muttergesellschaften erhöhten Befolgungskosten gegenüber, da die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft nach nationalem Recht berechnet werden müssen.667 Dieses Resultat ist im Fall der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung noch eindeutiger. In einem Freistellungsstaat wie Deutschland kommt es nämlich nicht nur zur Aufhebung des Trennungsprinzips, also zu einer zeitlich vorgezogenen Belastung. Die Hinzurechnungsbesteuerung löst überhaupt erst eine zusätzliche inländische Besteuerung ausländischer Einkünfte aus.668 Außerdem kann eine absolut höhere Belastung im Vergleich mit dem Inlandsfall resultieren. Aufgrund der Steuersatzschwelle von 25% und einem Körperschaftsteuersatz von 15% kann es im Bereich der Körperschaftsteuer zu Anrechnungsüberhängen kommen669, während gleichzeitig eine ungemilderte gewerbesteuerliche Belastung von ca. 15% anfällt, so dass die Gesamtbelastung über der Referenzbelastung im Inlandsfall liegen kann. Zusätzlich unterliegt die Ausschüttung zuvor besteuerter passiver Einkünfte an die deutsche Muttergesellschaft regelmäßig gewerbesteuerlichen Doppelbelastungen wegen der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG670, was zumindest für Tochtergesellschaften im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie laut § 9 Nr. 7 S. 1, 2. HS GewStG ausgeschlossen ist. Somit impliziert die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung oftmals steuerliche Mehrbelastungen, weshalb es für eine Konzernmutter weniger attraktiv wird, in ausländische Gesellschaften zu investieren als in inländische Gesellschaften. Es liegt folglich eine Outbound-Diskriminierung gegen ausländische Tochtergesellschaften vor, weil die Hinzu-
664
665 666
667 668
669 670
Vgl. Schönfeld, IWB 2006, S. 2121. Körner sieht zudem die freiheitsrechtliche Dimension berührt und bejaht eine Beschränkung im weiteren Sinne; vgl. Körner, IStR 2004c, S. 701. Beiden Auffassungen wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht gefolgt; vgl. Kapitel 2.2.3. bzw. 5.2.2. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 45 f. Vgl. Schön, DB 2001, S. 943; Schönfeld, IWB 2006, S. 2122; Fischer, DStR 2006, S. 2284; Meussen, ET 2007, S. 15. Außerdem ist nicht sicher, dass die Mutter tatsächlich auf eine Ausschüttung der Tochtergesellschaft zurückgreifen kann; vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 211; Fontana, ET 2006, S. 323. Vgl. Fontana, ET 2006, S. 323; Wassermeyer, GmbHR 2004, S. 618. Vgl. Sedemund, IStR 2007, S. 454; Körner, IStR 2004c, S. 698, 703; Brähler, Controlled Foreign CompanyRules, 2007, S. 31, 218. Vgl. auch Goebel/Haun, IStR 2007, S. 774; Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, S. 498. Vgl. Frischmuth, IStR 2005, S. 364; Wassermeyer, Hinzurechnungsbesteuerung, 2006, S. 184.
122
rechnung nicht aus systematischen Gründen – das Trennungsprinzip wird gerade aufgehoben –, sondern aus dem Sitz der Gesellschaft resultiert.671 Im Fall niedrig besteuerter, passiver Einkünfte von Betriebsstätten (§ 20 Abs. 2 AStG) ist die Beurteilung insoweit anders. Wegen der rechtlichen Einheit der Betriebsstätte mit dem Stammhaus kann es zu keiner Durchbrechung des Trennungsprinzips kommen. Eine gewerbesteuerliche (Zusatz-)Belastung kann aufgrund § 9 Nr. 3 GewStG und mangels Ausschüttungen ebenfalls nicht vorliegen. Schließlich entstehen keine erhöhten Befolgungskosten aufgrund der Hinzurechnungsbesteuerung, weil im Rahmen der weltweiten Buchführungspflicht das Ergebnis der Betriebsstätte ohnehin ermittelt werden muss. Somit kann bei der Hinzurechnung passiver Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte im Vergleich zu einer inländischen Betriebsstätte keine Ungleichbehandlung festgestellt werden. Vielmehr zielt der Übergang zur Anrechnungsmethode für ausländische Betriebsstätten auf die steuerliche Gleichbelastung mit deren inländischen Pendants.672 Mangels Beschränkung erübrigt sich in diesem Fall eine Rechtfertigungsprüfung. Die unstreitige Beschränkung durch die Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Zwischengesellschaften muss jedoch gerechtfertigt werden. Hierbei ist es sicherlich nicht ausreichend, sich auf Steuermindereinnahmen wegen der Möglichkeit des Steueraufschubs im Ausland zu berufen.673 Dieser Rechtfertigungsversuch wurde vom EuGH im Fall Cadbury Schweppes zurückgewiesen. Ebenso ist es nicht zulässig, die steuerlichen Vorteile aufgrund niedrigerer ausländischer Steuersätze durch eine inländische Besteuerung auszugleichen bzw. zu kompensieren.674 Hier liegt insoweit ein verbotener Vorteilsausgleich vor, was im Fall Cadbury Schweppes bestätigt wurde.675 Grundsätzlich denkbar wäre eine Rechtfertigung der Hinzurechnungsbesteuerung über die Kohärenz.676 Aus nationaler Sicht ist nämlich das Freistellungs- bzw. das Halbeinkünfteverfahren nur dann gerechtfertigt, wenn eine ausreichende Belastung der Gewinne auf Ebene der Kapitalgesellschaft sichergestellt ist.677 Demgemäß besteht der Vorteil bei einer deutschen Muttergesellschaft in der Freistellung der Dividende, während die Tochtergesellschaft einer ausreichenden Vorbelastung von knapp 31% (Nachteil) unterliegt. Wenn diese Vorbelastung im grenzüber671 672
673 674 675
676 677
Für die h. M. vgl. z. B. Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 197. So das einschlägige Urteil des EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 54; vgl. auch Schnitger, FR 2005, S. 1081; Franck, IStR 2007, S. 492; Maywald/Scheipers, IStR 2006, S. 474 f.; Meussen, ET 2008a, S. 170, 172. Vgl. Hahn, DStZ 2007, S. 207; Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 198. Vgl. Schön, DB 2001, S. 944; Bron/Kraft, RIW 2006, S. 212; vgl. auch Saß, FR 2000, S. 1274. Zu beiden abgewiesenen Gründen vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I2006, Rn. 49. In diese Richtung Schön, DB 2001, S. 944; Rust, EWS 2004, S. 454; a. A. Hahn, EG-Recht, 1999, S. 166 f. Vgl. Schön, DB 2001, S. 941; Frischmuth, IStR 2005, S. 362; Schönfeld, StuW 2005, S. 165.
123
schreitenden Fall nicht gegeben ist, ist eine Freistellung ebenfalls nicht gerechtfertigt. Allerdings wird die Kohärenz auf der Ebene zweier Steuerzahler hergestellt, woran eine enge Interpretation der Kohärenz scheitert.678 Selbst eine weit verstandene Kohärenz taugt nicht als Rechtfertigungsgrund, denn die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur für bestimmte Beteiligungsschwellen und bestimmte Einkünfte.679 Zudem gibt es eine Erfassungslücke für ausländische Einkünfte, die oberhalb der Schwelle von 25% liegen, aber immer noch unterhalb der deutschen Regelbelastung von ca. 31%.680 Schließlich erfolgt die Hochschleusung auf das inländische Steuerniveau nicht in konsistenter Weise und führt regelmäßig zu absolut höheren Steuerbelastungen.681 Die Hinzurechnungsbesteuerung ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung sicherlich nicht EG-rechtlich geeignet, um eine als erforderlich erachtete, steuerliche Vorbelastung ausländischer Gewinne herzustellen. Daran muss auch der Versuch einer Rechtfertigung über die Kapitalexportneutralität scheitern. Diese Rechtfertigung zielt im Ergebnis ebenfalls auf eine kohärente Besteuerung von Dividenden, die nur bei einer ausreichenden Vorbelastung auch der ausländischen Gewinne gegeben ist.682 Aufgrund der lückenhaften Erfassung ausländischer Gewinne durch die Hinzurechnungsbesteuerung wird die Kapitalexportneutralität gerade nicht in konsistenter Weise umgesetzt.683 Selbst wenn die Hinzurechnungsbesteuerung greift, weicht die Belastung durch die Hinzurechnungsbesteuerung systematisch von der Regelbelastung im deutschen System der Freistellung bzw. des Halbeinkünfteverfahrens ab.684 Die Hinzurechnungsbesteuerung erreicht also keine steuerliche Gleichbehandlung mit dem Inlandsfall. Deshalb verbleibt die Bekämpfung steuerlichen Missbrauchs als einzige erfolgversprechende Rechtfertigung. Dies ist schließlich nach wie vor eine originäre Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung685, da sie einer aus rein steuerlichen Gründen erfolgenden Verlagerung von Kapital in Niedrigsteuerländern und damit einer Erosion des Welteinkommensprinzips vorbeugen soll. Die OECD hat die Praxis vieler Länder, solche Regelungen einzuführen, gut geheißen, 678
679
680 681 682 683
684 685
Vgl. auch Helminen, Intertax 2005a, S. 121; Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 198; Fontana, ET 2006, S. 324; Körner, IStR 2004c, S. 702. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 213; Frischmuth, IStR 2005, S. 362; Schönfeld, IWB 2006, S. 2124; Lieber/Rasch, GmbHR 2004, S. 1576 f. Vgl. auch Frischmuth, IStR 2005, S. 362, 364; Schnitger, FR 2005, S. 1083. Vgl. Schönfeld, IWB 2006, S. 2124. Diese Rechtfertigung wird vorgeschlagen von Schön, DB 2001, S. 945 f. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 214; Schönfeld, StuW 2005, S. 164; vgl. auch Wassermeyer, Hinzurechnungsbesteuerung, 2006, S. 187. Vgl. Frischmuth, IStR 2005, S. 363 f. Vgl. Frischmuth, IStR 2005, S. 361; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 173; Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, S. 310; Fontana, ET 2006, S. 325; a. A. Axer, IStR 2007, S. 165 f.
124
und fordert diejenigen Staaten, die noch nicht über eine solche Regelung verfügen, ausdrücklich dazu auf, diese einzuführen.686 Möglichen Missbrauch durch die Steuerpflichtigen zu unterbinden, ist auch vom EuGH im Fall Cadbury Schweppes im Grundsatz anerkannt worden.687 Zwar ist im Falle des Missbrauchs bereits fraglich, ob überhaupt der Schutzbereich des EG-Rechts eröffnet ist. Aber die Hinzurechnungsbesteuerung zielt nicht auf rechtsmissbräuchliche Gestaltungen in dem Sinne, dass tatsächliche Inlandssachverhalte in Auslandssachverhalte fingiert werden. Vielmehr zielt die Hinzurechnungsbesteuerung auf internationale Kapitalanlagen, so dass die Missbrauchsbekämpfung erst auf der Ebene der Rechtfertigung relevant werden kann.688 Die Hinzurechnungsbesteuerung ist laut EuGH grundsätzlich geeignet, die Vorteile aus dem Steueraufschub zu neutralisieren und damit (auch) missbräuchliche Gestaltungen zu unterbinden.689 Im Rahmen der Erforderlichkeit darf eine Missbrauchsregel indes nur rein künstliche Gestaltungen treffen. Die Ausnutzung von Steuersatzdifferentialen innerhalb der EU stellt laut EuGH keinen Missbrauch per se dar.690 Lediglich bei künstlichen Gestaltungen, denen kein echter wirtschaftlicher Gehalt zugrunde liegt, besteht nach Ansicht des EuGH Missbrauch durch den Steuerpflichtigen.691 Demgemäß muss also eine Einzelfallprüfung bei der Hinzurechnungsbesteuerung möglich sein. Zwar beinhaltete die britische Version der Hinzurechnungsbesteuerung pauschale Anknüpfungspunkte für die Missbrauchsbekämpfung wie z. B. den Sitz der Gesellschaft oder die Höhe des Steuersatzes. Dennoch hat der EuGH im Fall Cadbury Schweppes die britische Hinzurechnungsbesteuerung nicht explizit für EG-rechtswidrig erklärt.692 Denn nach britischem Recht war es dem Steuerpflichtigen über verschiedene Ausnahmen hinaus möglich, mittels eines Motivtests einen Gegenbeweis zu führen, um der Hinzurechnung zu entgehen. Der Motivtest war dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige nachweisen konnte, dass nicht Steuerersparnisse das Hauptziel oder eines der Hauptziele des Gewinneinbehalts bei einer niedrig besteuerten Tochtergesellschaft
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692
Vgl. OECD, Harmful Tax Competition, 1998, S. 40-42. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 55. Axer plädiert für eine Rechtfertigung auf Basis der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis; vgl. Axer, IStR 2007, S. 163, 167. Er will allerdings einen Gegenbeweis für den Einzelfall zulassen, was letztlich ebenfalls auf eine, wenn auch modifizierte, Missbrauchsregel hindeutet. Vgl. Schön, DB 2001, S. 942; Lang, IStR 2002, S. 218. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 59. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 212. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 55; vgl. auch Helminen, Intertax 2005a, S. 121. Vgl. auch Hahn, DStZ 2007, S. 208.
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waren.693 Der EuGH überließ es dem nationalen Gericht im konkreten Rechtsstreit zu entscheiden, ob der britische Motivtest die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit tatsächlich erfüllt.694 Aus dem Fall Cadbury Schweppes wird damit ersichtlich, dass die Hinzurechnungsbesteuerung durchaus an pauschale Größen wie den ausländischen Steuersatz anknüpfen darf, sofern dennoch eine Einzelfallprüfung möglich ist.695 Dem Steuerpflichtigen muss es gestattet sein, einen Gegenbeweis zu führen, dass er im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.696 Die Beweislast für diesen Nachweis überträgt der EuGH grundsätzlich dem Steuerpflichtigen.697 Ob eine echte wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des EuGH vorliegt, muss dabei anhand subjektiver und objektiver Kriterien geprüft werden. Die subjektive Komponente impliziert, dass es für die Zwischenschaltung einer ausländischen Gesellschaft auch außersteuerliche Gründe gibt.698 Bei der objektiven Komponente nennt der EuGH als zentrale Substanzerfordernisse die Ausstattung der Tochtergesellschaft mit Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen.699 Gemessen an dieser Rechtsprechung war die bis 2007 geltende deutsche Hinzurechnungsbesteuerung zweifelsfrei unverhältnismäßig700, da sie in Abhängigkeit von pauschalen Größen wie dem Steuersatz und der Art der Einkünfte eine Hinzurechnung vorsah, ohne dass der Steuerpflichtige nachweisen konnte, dass es sich nicht um eine missbräuchliche Situation handelte. Deshalb hat der Gesetzgeber mit erstmaliger Wirkung zum Jahr 2008 dem Steuerpflichtigen ermöglicht, für EU-/EWR-Sachverhalte nachzuweisen, dass die ausländische Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Die Begrenzung auf EU-/EWR-Sachverhalte ist EGrechtlich grundsätzlich unproblematisch.701 Lediglich im Falle Liechtensteins könnte der pauschale Ausschluss, einen Gegenbeweis führen zu dürfen, unverhältnismäßig sein.702 Die Forderung nach einer wirtschaftlichen Tätigkeit entspricht dem Wortlaut des EuGH-Urteils und ist
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Zum Motivtest und den weiteren Ausnahmen vgl. Meussen, ET 2007, S. 14; O’Shea, EC Tax Review 2007, S. 14 f.; Hahn/Heß, jurisPR-SteuerR 2006, Rn. B. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 72-74. Vgl. auch Hahn/Heß, jurisPR-SteuerR 2006, Rn. C. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 66, 70; vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1066 f.; Hahn, DStZ 2007, S. 208. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 70; Hahn/Heß, jurisPRSteuerR 2006, Rn. B. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 55, 64. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 67. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1068; Bron/Kraft, RIW 2006, S. 213; Förster/Schmidtmann, Intertax 2004, S. 485; Schön, DB 2001, S. 945; Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 198; Körner, IStR 2004c, S. 703. So auch Hahn, DStZ 2007, S. 213 f.; Axer, IStR 2007, S. 168. Dem Steuerpflichtigen muss insoweit die Chance gegeben werden, Nachweise beizubringen, als der andere Staat zu einem Auskunftsaustausch bereit ist; vgl. EuGH vom 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Slg. I-2007, Rn. 63. Generell kritisch gegenüber einem allgemeinen Ausschluss Schönfeld, IStR 2007, S. 200.
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insoweit ebenfalls EG-rechtskonform.703 Allerdings ist die konkrete Interpretation dieser allgemeinen Formel für diese Schlussfolgerung entscheidend, was in Kapitel 4.1.1.2.2. ausführlicher diskutiert werden soll. Unabhängig von der Möglichkeit eines Gegenbeweises kann die Hinzurechnungsbesteuerung immer noch unverhältnismäßig wirken. So ist die pauschale Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Einkünften grundsätzlich fragwürdig, wenn auch dieser Einwand durch die Möglichkeit eines Gegenbeweises zumindest relativiert wird.704 Ebenso ist es EG-rechtlich fragwürdig, die missbräuchliche Niedrigbesteuerung bei einem Satz von 25% zu belassen, obwohl nach Senkung der Steuersätze der niedrigstmögliche, inländische Steuersatz 22,825% (Hebesatz 200%) betragen kann.705 Schwerer wiegen die EG-rechtlichen Einwände in denjenigen Fällen, in denen der einzelne Gesellschafter aufgrund seiner Beteiligungshöhe keinen Einfluss ausüben kann, aber dennoch unter den Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung fällt. Auf der tatbestandlichen Ebene ist bereits zu hinterfragen, inwiefern Missbrauch seitens des Steuerpflichtigen überhaupt vorliegen kann.706 Auf der Rechtsfolgenseite führt die Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung zu unverhältnismäßigen Konsequenzen, weil der Anteilseigner auf von ihm noch nicht realisierte Gewinnanteile besteuert wird, ohne dass er auf die Ausschüttungspolitik Einfluss nehmen kann.707 Darüber hinaus kann es bei einer Hinzurechnung zu einer Doppelbelastung mit Gewerbesteuer kommen.708 Dann aber liegt eine Höherbelastung des grenzüberschreitenden Falls im Vergleich zum inländischen Fall vor, die als nicht erforderlich gekennzeichnet werden muss. Somit bleibt festzuhalten, dass die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung trotz der Möglichkeit eines Gegenbeweises immer noch EGrechtlichen Anpassungsbedarf aufweist. Die fehlende Möglichkeit des Gegenbeweises im Bereich der Regelung des § 20 Abs. 2 AStG ist EG-rechtlich insoweit unbedenklich, als diese Regelung keine Diskriminierung konstituiert. Allerdings könnte die konkrete Verweisung des § 20 Abs. 2 AStG auf die Regelungen des §§ 7-14 AStG zumindest mittelbar zu einer Relevanz des EG-Rechts und damit zur Unanwendbarkeit des § 20 Abs. 2 AStG für EU- bzw. EWR-Sachverhalte führen.709
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Frankreich hat diesen Weg ebenfalls beschritten, indem es Formulierungen des EuGH, z. B. künstliche Gestaltungen, übernommen hat; vgl. Gouthière, ET 2008, S. 55. Vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1068. Vgl. auch Dörr/Fehling, NWB 2007, S. 9389 f. Vgl. Grotherr, IWB 2008, S. 2261. Vgl. auch Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 159 f., 438 f. Vgl. dazu Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 509 f. Vgl. Schnitger, EC Tax Review 2006, S. 160; Maywald/Scheipers, IStR 2006, S. 476 f.; Körner, IStR 2004c, S. 704.
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4.1.1.2.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten
4.1.1.2.1. Ausdehnung der Hinzurechnungsbesteuerung auf das Inland
Eine naheliegende Lösung zur Herstellung eines EG-rechtskonformen Zustands ist die Ausdehnung der Hinzurechnungsbesteuerung auf das Inland.710 Aufgrund der diskriminierungsfreien Anwendung muss kein Gegenbeweis zugelassen werden, so dass auch weiterhin bestimmte, als schädlich angesehene Gestaltungen des Steueraufschubs im Ausland typisierend bekämpft werden können. Allerdings müssten die Tatbestandmerkmale für eine Hinzurechnung angepasst werden. Passive inländische Einkünfte müssten unabhängig von der Steuerlast im Sinne des § 8 Abs. 3 AStG hinzugerechnet werden, da andernfalls eine offensichtliche Diskriminierung ausländischer Sachverhalte gegeben ist.711 Das Tatbestandsmerkmal der Niedrigbesteuerung müsste also abgeschafft werden. Ebenso müsste das bisherige Merkmal der „Deutschbeherrschung“ angepasst werden, entweder in dem Sinne, dass generell nur Mehrheitsbeteiligungen erfasst werden oder aber Beteiligungen ab 1% im Sinne des § 7 Abs. 6 AStG. Eine solch umfassende typisierende Missbrauchsregelung dürfte kaum praktikabel sein. Die Aushebelung des Trennungsprinzips für passive Einkünfte inländischer Kapitalgesellschaften wäre ein systematischer Bruch in der bisherigen Inlandsbesteuerung von Kapitalgesellschaften und deren Gesellschaftern.712 Insbesondere wenn minimale Beteiligungen (ab 1%) erfasst werden oder aber Beteiligungen, die keinen Einfluss auf die Gesellschaft vermitteln, wären verfassungsrechtliche (Leistungsfähigkeitsprinzip) und ökonomische Probleme offensichtlich, weil eine Besteuerung ohne Zufluss bzw. ohne Realisierung erfolgt. Gerade für große Publikumsgesellschaften wäre ein solches System schlichtweg nicht administrierbar. Schönfeld und Wassermeyer sprechen in diesem Zusammenhang vom „ ‚Aus’ für jede Form des Aktienhandels“.713 Es stellt sich auch die Frage nach dem Sinn einer Hinzurechnungsbesteuerung innerhalb eines deutschen Konzerns, weil zumindest auf Unternehmensebene aus der Hinzurechnung von Gewinnanteilen keine Zusatzbelastung – sieht man von den Hebesatzunterschieden bei der Gewerbesteuer ab – entstehen kann. Letztlich müsste zuerst das Verhältnis einer solch weitreichenden Hinzurechnungsbesteuerung mit anderen Normen der Konzernbesteuerung geklärt werden.714 So 710
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Vgl. Endres/Günkel, WPg-Sonderheft 2006, S. S17; Brähler, Controlled Foreign Company-Rules, 2007, S. 254. Bis zum Jahr 2002 geltendes Recht in Spanien; vgl. Cencerrado, EC Tax Review 2004, S. 110; in Großbritannien ab 2009 geplant; vgl. Goebel/Palm, IStR 2007, S. 721. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 215; Brähler, Controlled Foreign Company-Rules, 2007, S. 254. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 215; Köhler, Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 243. Für weitere Probleme vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1070. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1070. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1070.
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sind insbesondere Konkurrenzprobleme mit der Organschaft oder aber mit § 8b Abs. 1 KStG zu bedenken. Wenn die Organschaft (sinnvollerweise) zu einer Bereichsausnahme von der inländischen Hinzurechnungsbesteuerung führen würde, könnte darin wiederum eine verdeckte Diskriminierung liegen.715 Vor diesem Hintergrund wäre es a priori konsequenter, die Ausdehnung der Hinzurechnungsbesteuerung auf das Inland mit einem grundlegenden Wechsel in der Gruppenbesteuerung zu verbinden, und sämtliche Einkünfte von Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten den (Mehrheits-)Gesellschaftern zuzurechnen.716 Nach der einhelligen Meinung im Schrifttum ist eine Ausdehnung der Hinzurechnungsbesteuerung auf das Inland somit weder systematisch sinnvoll noch administrativ praktikabel.
4.1.1.2.2. Einschränkung der Hinzurechnungsbesteuerung auf Missbrauchstatbestände
Das BMF ist offensichtlich der Ansicht gewesen, dass die Hinzurechnungsbesteuerung in ihrer bisherigen Form als Missbrauchsregelung EG-rechtlich nicht zu halten ist und hat deswegen die Möglichkeit eines Gegenbeweises für EU-Sachverhalte eingeführt. Alternativ denkbar ist auch eine grundsätzliche Bereichsausnahme von der Hinzurechnungsbesteuerung für EUGesellschaften.717 Darüber hinaus müssen weitere Aspekte der geltenden Hinzurechnungsbesteuerung den EGrechtlichen Anforderungen angepasst werden. So wäre es einerseits systematischer, die im Gesetz verankerte Ausschüttungsfiktion stringent zu beachten, also insbesondere die Freistellung bei Hinzurechnung zu Mutterkapitalgesellschaften zur Geltung kommen zu lassen. Andererseits ist eine Besteuerung mit indirekter Anrechnung sicherlich wirkungsvoller und prohibitiver, um tatsächlichen Missbrauch zu bekämpfen. In EG-rechtlicher Hinsicht ist jedenfalls eine solche Hochschleusung nicht zu beanstanden, solange eine Gleichbelastung mit dem inländischen Fall erreicht wird.718 Das schließt dann jedoch eine Doppelbelastung mit Gewerbesteuer bei Ausschüttung aus. Die §§ 8 Nr. 5 und 9 Nr. 7a GewStG sind insoweit zu ändern. Ebenso müssen die Anrechnungsmöglichkeiten verbessert werden. Schließlich müssen konsequenterweise auch Verluste aus Zwischengesellschaften mit anderen Einkünften uneingeschränkt verrechenbar bzw. im Rahmen des § 10d EStG abzugsfähig sein.719
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Vgl. ausführlich dazu Kapitel 4.1.2.1. Vgl. auch Lang, IStR 2002, S. 221; ausführlich dazu Kapitel 5. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 13; vgl. auch Fontana, ET 2006, S. 332. Vgl. auch Schönfeld, StuW 2005, S. 169; Meussen, ET 2007, S. 17. Im Zusammenhang mit § 20 Abs. 2 AStG vgl. Körner, IStR 2004c, S. 705.
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Da die derzeitige Hinzurechnungsbesteuerung nicht nur der Missbrauchsbekämpfung dient720, sondern weit darüber hinausging, sind auch Anpassungen hinsichtlich der Missbrauchsvermutung notwendig. So sollte der Aktivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG zumindest dahingehend angepasst werden, dass Aktivitäten nicht allein wegen der Mitwirkung unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner als passiv und damit missbräuchlich charakterisiert werden.721 Ebenso ist es konsequenter und damit EG-rechtlich geeigneter, Missbrauch anzunehmen, wenn die ausländische Steuerbelastung nur einen bestimmten Prozentsatz der inländischen Steuerlast ausmacht.722 Denn bei einer Steuerbelastung, die nur geringfügig unter der Grenze von 25% liegt, ist Missbrauch wohl nicht anzunehmen.723 Die Hinzurechnungsbesteuerung nur an missbräuchliche Praktiken im Sinne des Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung724 anzuknüpfen erscheint hingegen nicht zielführend.725 Da es sich um eine rechtlich nicht bindende, politische Willenserklärung handelt, kann damit eine Rechtfertigung der Beschränkung des EG-Rechts nicht gelingen.726 Ebenso sollten nur Mehrheitsgesellschafter oder solche, die Einfluss auf die Gesellschaft nehmen können (Beteiligungen von mindestens 25%), erfasst werden.727 Denn bei Gesellschaftern ohne Einfluss auf die ausländische Gesellschaft ist es bereits konzeptionell fraglich, inwieweit bei diesen missbräuchliche Gestaltungen vorliegen können, zumal sie keinen Zugriff auf das Vermögen der Gesellschaft haben und den Nachweispflichten nur schwer nachkommen können.728 Die Anforderung eines Mehrheitsanteilseigners würde zudem Unklarheiten bzgl. der Nichtanwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit bei der Hinzurechnungsbesteuerung beseitigen. Hinsichtlich des Gegenbeweises wird es entscheidend sein, wie der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit ausgelegt wird. Im Rahmen eines solchen Gegenbeweises wird auch die subjektive
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Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.b)cc); BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.b); vgl. auch Goebel/Palm, IStR 2007, S. 722. Diese Missbrauchsvermutung überzeugt weder ökonomisch noch EG-rechtlich; vgl. Endres/Günkel, WPgSonderheft 2006, S. S17; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 454, 456; Axer, IStR 2007, S. 168. Vgl. Cencerrado, EC Tax Review 2004, S. 110; Endres/Günkel, WPg-Sonderheft 2006, S. S17; a. A. Fontana, ET 2006, S. 325. In Frankreich beträgt der Prozentsatz beispielsweise 50%; vgl. Gouthière, ET 2008, S. 52. Lang spricht sich für eine fixe Satzgrenze von 10-15% aus; Lang, IStR 2002, S. 222. Vgl. bereits Wassermeyer, Außensteuergesetz, 1997, S. 1065; vgl. Wassermeyer/Schönfeld, IStR 2008, S. 497. Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Dezember 1997 über einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung, in: Abl. EG C2, 1998, S. 2-5. So der Vorschlag von Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 538-541. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Leger, 02.05.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 57; Hahn, DStZ 2007, S. 206; Helminen, Intertax 2005a, S. 121; Fontana, ET 2006, S. 329 f.; a. A. Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 323-331; Englisch, Intertax 2005, S. 333. Vgl. auch Kommission, Missbrauchsbekämpfung, 2008, Rn. 30; Brähler, Controlled Foreign Company-Rules, 2007, S. 241; für Frankreich vgl. Gouthière, ET 2008, S. 51 f. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 213; Schön, DB 2001, S. 946; Lieber/Rasch, GmbHR 2004, S. 1577; Förster/Schmidtmann, Intertax 2004, S. 485; a. A. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1072, die im Gegenzug für eine niedrigere Beteiligungshöhe die Anforderungen an den Gegenbeweis senken wollen.
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Komponente eine Rolle spielen.729 Das Motiv der Steuerersparnis darf also insoweit nicht allein für die Gestaltung ausschlaggebend gewesen sein. Allerdings erlangt das objektive Element der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit ungeachtet der steuerlichen Motive der Gestaltung die entscheidende Relevanz, ob Missbrauch vorliegt oder nicht.730 Sollte die im Gesetz geforderte wirtschaftliche Tätigkeit grundsätzlich weit auszulegen sein, in dem Sinne, dass nur ein Minimum an Geschäftsräumen und Personal vorhanden sein muss, ist dies mit Sicherheit EG-rechtskonform. Dann wäre selbst das Extrembeispiel einer ausländischen Gesellschaft, die sich anhand klarer Richtlinien der Konzernspitze lediglich um die konzerninterne Kapitalvergabe kümmert und nur über ein gemietetes Büro und einen Geschäftsführer verfügt, nicht als missbräuchlich im Sinne des AStG einzustufen. Damit würde sich die Missbrauchsbekämpfung auf Scheinfirmen und Briefkastengesellschaften konzentrieren.731 Bei einer derart weitreichenden Reduktion des Missbrauchsbegriffs ist es jedoch fraglich, ob eine spezielle Missbrauchsvorschrift überhaupt noch benötigt wird.732 Schließlich steht für solche Missbrauchsfälle § 42 AO zur Verfügung, der als einzelfallorientierte Missbrauchsregelung keinen grundsätzlichen EG-rechtlichen Bedenken begegnet bzw. durch die nationalen Gerichte EGrechtskonform ausgelegt werden kann.733 Dann böte sich zumindest für den Raum der EU die vollständige Abschaffung der Hinzurechnungsbesteuerung an, womit in Missbrauchsfällen, in denen derzeit die Hinzurechnungsbesteuerung greift, nunmehr § 42 AO relevant ist. Dennoch könnte die Hinzurechnungsbesteuerung als eigenständige Missbrauchsnorm dann gerechtfertigt erscheinen, wenn Missbrauch gesetzlich typisiert werden kann und die Darlegungslast mittels des Gegenbeweises auf den Steuerpflichtigen verlagert wird734, während die Darlegungslast im Rahmen des § 42 AO bei den Finanzbehörden liegt.735 Eine solche Regelung könnte – verglichen mit dem auslegungsbedürftigen § 42 AO – auch zu erhöhter Rechtssicherheit beitragen.736 729 730
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Vgl. Goebel/Palm, IStR 2007, S. 722 f.; Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 299 f., 316-318. So EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 64; vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1066, 1071; Hahn, DStZ 2007, S. 210; Vanistendael, EC Tax Review 2006, S. 195; Almendra, Intertax 2005, S. 567; Hey, StuW 2008, S. 179. In diesem Sinne wohl Köplin/Sedemund, BB 2007, S. 245; Vinther/Werlauff, ET 2006, S. 385; vgl. auch Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 200; Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 310 f. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 215; Meussen, ET 2007, S. 18; Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 200. Zudem stehen andere Normen zur Verfügung (Arm’s-Length-Prinzip); vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 14. Vgl. dazu Almendra, Intertax 2005, S. 577 f.; Drüen, StuW 2008b, S. 165. Vgl. auch Hahn, DStZ 2007, S. 208, 216. Schnitger sieht darin einen gewissen Interessensausgleich zwischen den Steuerpflichtigen und den Mitgliedstaaten durch den EuGH; vgl. Schnitger, EC Tax Review 2006, S. 155; gl. A. Hahn, DStZ 2007, S. 215; kritisch zur Umkehrung der Beweislast Meussen, ET 2007, S. 17; Fontana, ET 2006, S. 329; Körner, IStR 2004c, S. 702, 704. Zur Vorgängerregelung des § 42 AO (§ 6 StAnpG); vgl. BFH vom 29.01.1975, I R 135/70, BStBl. II 1975, Rn. 1.b). Auch die Neufassung des § 42 AO im Jahr 2008 hat die Beweislast im Wesentlichen bei den Finanzbehörden belassen; vgl. Dörr/Fehling, NWB 2008, S. 9673, 9680. Vgl. Bron/Kraft, RIW 2006, S. 215.
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Zudem gibt es Stimmen in der Literatur, die einen weiter gefassten Missbrauchsbegriff für zulässig halten.737 So soll insbesondere beachtlich sein, ob die ausländische Gesellschaft die Entscheidungen unabhängig von der Konzernspitze treffen kann.738 Damit würden auch Fälle des Outsourcings durch die ausländische Gesellschaft erfasst, sofern diese ihre eigentliche Funktion nicht mehr selbst erfüllen kann.739 Ausweislich der Gesetzesbegründung soll eine echte wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft nur dann vorliegen, wenn sie ihre Kernfunktion eigenständig wahrnimmt und ausübt.740 Zusätzlich will das BMF auch solche Fälle erfassen, in denen Zwischengesellschaften lediglich die Funktion einer gelegentlichen Kapitalanlage oder der Beteiligungsverwaltung erfüllen. Ebenso soll sich der Missbrauchsbegriff in einem erweiterten Sinne gegen Gesellschaften richten, die nur konzerninterne Dienstleistungen erbringen, wofür auch § 8 Abs. 2 S. 5 AStG spricht.741 In diese Richtung weist auch das nach dem Cadbury Schweppes-Urteil veröffentlichte BMFSchreiben742, das wohl ergänzend für die Interpretation der wirtschaftlichen Tätigkeit herangezogen werden wird.743 Dort wird unter anderen gefordert, dass die Ursache der Einkünfteerzielung in der Zwischengesellschaft selbst liegen muss und dass dieser Tätigkeit eine wertschöpfende Bedeutung für den Leistungsempfänger zukommen muss.744 Diese Anforderungen könnten jedoch so interpretiert werden, dass sie sich gegen Wertschöpfung durch Kapital im Allgemeinen und damit z. B. gegen konzerninterne Finanzierungstätigkeiten richten.745 Bei einem derart engen Verständnis der wirtschaftlichen Tätigkeit ist die EG-Rechtskonformität wiederum fragwürdig.746 Dem Urteil im Fall Cadbury Schweppes lassen sich solche Schlussfolgerungen jedenfalls nicht entnehmen. Konzerninterne Dienstleistungen, insbesondere im Bereich der Vermögensverwaltung und der Kapitalvergabe, pauschal von der Möglichkeit eines Gegenbeweises ausnehmen zu wollen, erscheint schon angesichts des Sachverhalts im Fall Cadbury
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Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1071 f. So auch Schlussanträge des Generalanwalts Leger, 02.05.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I2006, Rn. 111, 113. In diese Richtung EuGH vom 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Slg. I-2006, Rn. 19; vgl. auch Schönfeld, IStR 2007, S. 202. Schmidt/Schwind, IWB 2008, S. 9717 dagegen erkennen im Outsourcing nur dann Missbrauch, wenn die ausländische Gesellschaft wirtschaftlich ausgehöhlt würde, was wohl auf eine Briefkastengesellschaft hinausläuft. Vgl. dazu Grotherr, IWB 2008, S. 2262. Vgl. Grotherr, IWB 2008, S. 2263. BMF-Schreiben vom 08.01.2007, IV B 4 – S 1351 – 1/07, BStBl. I 2007, S. 99-100. Gl. A. Schmidt/Schwind, IWB 2008, S. 9716. Vgl. BMF-Schreiben vom 08.01.2007, IV B 4 – S 1351 – 1/07, BStBl. I 2007, Rn. 2 lit. d) und e). Vgl. Goebel/Palm, IStR 2007, S. 724 f.; Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 758. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Leger, 02.05.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 103, 108; vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1071; Grotherr, IWB 2008, S. 2262 f.; Grotherr, IWB 2008, S. 2264; Goebel/Palm, IStR 2007, S. 726; Köplin/Sedemund, BB 2007, S. 246 f.
132
Schweppes (Holdings für konzerninterne Finanzierungen) nicht gerechtfertigt.747 Vielmehr hat
der EuGH festgestellt, dass eine Tätigkeit im Ausland nicht schon allein deswegen missbräuchlichen Charakter hat, wenn sie auch im Sitzstaat der Muttergesellschaft hätte ausgeführt werden können.748 Weitergehende Anforderungen an Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter befinden sich auch nicht im Einklang mit der Rechtsprechung.749 Entscheidend ist nur, dass das Personal in der Lage ist, die wahrgenommene wirtschaftliche Tätigkeit auch auszuüben. Jedoch können gerade bei vermögensverwaltenden Gesellschaften, wie z. B. Finanzholdings, die Anforderungen nicht besonders hoch sein.750 Im Rahmen der Vermögensverwaltung hat der EuGH lediglich gefordert, dass die Verwaltung mit einer sichtbaren Präsenz im betreffenden Mitgliedstaat aktiv erfolgt.751 Bei Finanzholdings ist aus der Natur der Sache heraus ein Geschäftsbetrieb bereits mit geringer Ausstattung an Personal, Räumen und Bürogegenständen möglich. Oftmals wird ein einziger (geschäftsleitender) Mitarbeiter hierfür ausreichen.752 Letztlich müssen die nationalen Gerichte in jedem Einzelfall entscheiden, inwieweit auf Basis der allgemeinen Formel (wirtschaftliche Tätigkeit) Missbrauch vorliegt oder nicht753, weil der EuGH im Fall Cadbury Schweppes die Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit des britischen Motivtests an das vorlegende britische Gericht delegierte. Damit aber erlangt die bisherige BFHRechtsprechung zu Basisgesellschaften erhöhte Bedeutung. Eine missbräuchliche Einschaltung von Basisgesellschaften im Sinne des § 42 Abs. 1 AO 1977 bzw. des § 50d EStG liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn für die Einschaltung der Gesellschaft im Ausland außersteuerliche Gründe fehlen und diese keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet.754 Dies entspricht im Wesentlichen der vom EuGH geforderten subjektiven und objektiven Komponente für den Gegenbeweis bei einer Missbrauchsvermutung.
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Vgl. auch EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 22; Schmidt/Schwind, IWB 2008, S. 9717; Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 196 f.; Schönfeld, StuW 2005, S. 164. Auch das passive Verwalten von Lizenzen für den Konzern ist nicht per se als schädlich anzusehen; vgl. Köplin/Sedemund, BB 2007, S. 246; Sedemund, IStR 2007, S. 455. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 69. Vgl. Goebel/Palm, IStR 2007, S. 724; Köplin/Sedemund, BB 2007, S. 247. Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1072; Schönfeld, IStR 2007, S. 201; Meussen, ET 2007, S. 17; Sedemund, IStR 2007, S. 453 f. Hahn hingegen sieht einen Unterschied zwischen aktiver Tätigkeit und reiner Vermögensverwaltung; vgl. Hahn, DStZ 2007, S. 214. Vgl. EuGH vom 14.09.2006, Rs. C-386/04 (Stauffer), Slg. I-2006, Rn. 19. Vgl. Köplin/Sedemund, BB 2007, S. 247. Goebel und Palm halten bei reiner Darlehensvergabe nicht einmal ständiges geschäftsleitendes Personal für nötig; vgl. Goebel/Palm, IStR 2007, S. 724. Vgl. auch Gouthière, ET 2006, S. 516; Hahn, DStZ 2007, S. 216; Köhler, Hinzurechnungsbesteuerung, 2007, S. 244; van Thiel, ET 2008b, S. 287. Vgl. BFH vom 29.01.1975, I R 135/70, BStBl. II 1975, Rn. 1.b); BFH vom 29.07.1976, VIII R 142/73, BStBl. II 1977, Rn. 1.b)aa); BFH vom 05.03.1986, I R 201/82, BStBl. II 1986, Rn. 3.; BFH vom 31.05.2005, I R 74, 88/04, BFH/NV 2005, Rn. II.2.a).
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Missbrauch wird somit durch den BFH bereits dann ausgeschlossen, wenn ein außersteuerlicher Grund für die Gestaltung vorliegt. Liegt ein solcher nicht vor, müssen für die echte wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft die sachlichen und personellen Voraussetzungen gegeben sein, die die unternehmerische Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sicherstellen.755 Demgemäß werden insbesondere Briefkastengesellschaften ohne eigenes Personal, eigene Geschäftsräume und Geschäftsausstattung als rechtsmissbräuchlich eingestuft.756 Im Ergebnis zielt die BFH-Rechtsprechung wie die EuGH-Rechtsprechung darauf ab, ob eine Gesellschaft auf Dauer eingerichtet wurde757, und ob diese über ein Mindestmaß an Personal, Räumen und Geschäftsaustattung verfügt, so dass sie ihre Kernfunktion selbst ausüben kann758 und dieser Funktion auch tatsächlich nachkommt.759 Der BFH sieht also im Kern wie der EuGH die objektive Komponente als entscheidend für den Missbrauchsbegriff an.760 Ebenso stellt der BFH keine besonderen Anforderungen an Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter. Entscheidend ist wiederum nur, dass das Personal in der Lage ist, die wahrgenommene wirtschaftliche Tätigkeit auch auszuüben. So ist bei reinen Kapitalanlagegesellschaften im Ausland denkbar, dass die anfallenden Tätigkeiten lediglich Teilzeitkräfte erfordern.761 Ebenso hat der BFH wie der EuGH gefordert, dass eine Gesellschaft mit der Funktion der Vermögensverwaltung bzw. der Kapitalvergabe mit einer sichtbaren Präsenz im betreffenden Mitgliedstaat existiert und auf eigene Rechnung handelt.762 Konzerninterne Dienstleistungen sowie reine Finanzierungs- und Beteiligungsholdings werden durch den BFH grundsätzlich anerkannt.763 Der BFH hat festgestellt, dass eine Tätigkeit im Ausland, die auch im Sitzstaat der Muttergesellschaft hätte ausgeführt werden können, nicht per se rechtsmissbräuchlich ist. Andernfalls würde jegliche ausländische Konzernfinanzierungsgesellschaft von der steuerlichen Anerkennung ausgeschlossen werden.764 Der BFH hat somit in seiner neueren Rechtsprechung Basisgesellschaften dann anerkannt, wenn ein Mindestmaß an Räumlichkeiten und Personal vorhanden war. Es ist nicht unmittelbar ersichtlich, warum der neue Missbrauchsbegriff im Sinne des AStG wesentlich weiter verstanden wer755 756
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Vgl. BFH vom 25.02.2004, I R 42/02, BStBl. II 2005, Rn. I.3.b). Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.b)cc); BFH vom 20.03.2002, I R 38/00, BStBl. II 2002, Rn. II.2.b); BFH vom 31.05.2005, I R 74, 88/04, BFH/NV 2005, Rn. II.3.; vgl. auch Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 550. Vgl. BFH vom 25.02.2004, I R 42/02, BStBl. II 2005, Rn. I.3.d). Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.a) und b)bb). Vgl. BFH vom 05.03.1986, I R 201/82, BStBl. II 1986, Rn. 5; vgl. auch Niedrig, IStR 2003, S. 477 f. Vgl. Böing, Gestaltungsmissbrauch, 2006, S. 94, 318. Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.a). Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.a); BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.c)aa). Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.b)aa); BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.c)aa); BFH vom 25.02.2004, I R 42/02, BStBl. II 2005, Rn. I.3.d). Vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 63/99, BStBl. II 2003, Rn. II.2.b)cc).
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den könnte, als es der BFH bisher im Rahmen des § 42 AO 1977 tat.765 Sicherlich sind die Missbrauchsmöglichkeiten durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft im grenzüberschreitenden Kontext größer.766 Aber der BFH hat sich einer solchen Argumentation nicht angeschlossen und eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Sachverhalte bei der Missbrauchsvermutung auch wegen des EG-Rechts als geboten angesehen.767 Man wird nicht zwingend erwarten können, dass die Rechtsprechung des BFH zum Missbrauch im Sinne des AStG so großzügig erfolgt wie in manchen neueren Urteilen zu Basisgesellschaften. So wurde durch den BFH beispielsweise das Outsourcing wesentlicher Aufgaben der Gesellschaft als nicht schädlich beurteilt.768 Auch das Fehlen von Räumen und Geschäftsausstattung bei einer Holdinggesellschaft wurde vom BFH als nicht schädlich angesehen, sofern deren Funktion der Beteiligungsverwaltung einer konzernweiten Strategie folgt und mehrere Beteiligungen gehalten werden.769 Beteiligungsgesellschaften ohne eigene Räume oder aber Gesellschaften, die wesentliche Aufgaben ausgelagert haben, können EG-rechtlich vermutlich als Missbrauch eingestuft werden. Ein Minimum an Substanzerfordernissen bzgl. Personal, Räumen, Geschäftsausstattung und Eigenverantwortlichkeit kann zweifellos im Einklang mit der EuGHRechtsprechung gefordert werden. Dennoch bleibt zu betonen, dass diese Anforderungen letztlich nicht allzu hoch ausfallen können. Folglich konzentriert sich die Steuerplanung darauf, die ausländische Gesellschaft mit einem gewissen Maß an Personal, Räumlichkeiten und Eigenverantwortung auszustatten770, um den vom EuGH und BFH aufgestellten Anforderungen an eine echte wirtschaftliche Tätigkeit gerecht zu werden. Die Gesellschaft muss also über eine physische Präsenz im ausländischen Staat in Form von Büroraumen und über Kommunikationseinrichtungen wie beispielsweise Telefon oder Fax verfügen. Ebenso muss sie je nach Funktion
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In diese Richtung auch Protzen/Rättig, IStR 2003, S. 199, 201 f.; Lieber/Rasch, GmbHR 2004, S. 1575; Dörr/Fehling, NWB 2008, S. 9677; a. A. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1071. Vgl. z. B. BFH vom 09.12.1980, VIII R 11/77, BStBl. II 1981, Rn. 1.a). Auf Ebene von Körperschaften ist in inländischen Sachverhalten vor allem an die Ausnutzung geringerer Gewerbesteuerhebesätze zu denken; vgl. Schönfeld, StuW 2005, S. 164. In diese Richtung vgl. BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.c)dd); BFH vom 25.02.2004, I R 42/02, BStBl. II 2005, Rn. I.3.c) und d); BFH vom 29.01.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, Rn. II.2.b)bb). In der älteren Rechtsprechung wurde eine Gleichbehandlung noch abgelehnt; vgl. BFH vom 09.12.1980, VIII R 11/77, BStBl. II 1981, Rn. 1.a). Vgl. BFH vom 19.01.2000, I R 94/97, BStBl. II 2001, Rn. II.1.c)bb) und dd); vgl. auch Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 550. Vgl. BFH vom 31.05.2005, I R 74, 88/04, BFH/NV 2005, Rn. II.2.c)aa) und bb); vgl. auch Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 553. Bei einer einzigen Beteiligung vgl. BFH vom 20.03.2002, I R 38/00, BStBl. II 2002, Rn. II.2.b). In der früheren Rechtsprechung wurde eine reine Beteiligungsholding noch als missbräuchlich eingestuft; vgl. z. B. BFH vom 29.07.1976, VIII R 142/73, BStBl. II 1977, Rn. 1.b)aa); BFH vom 09.12.1980, VIII R 11/77, BStBl. II 1981, Rn. 1.a). Vgl. Wassermeyer/Schönfeld, GmbHR 2006, S. 1070; vgl. auch Meussen, ET 2007, S. 16; Zehnder, Steuerplanung, 2007, S. 556.
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mindestens einen geschäftsführenden Mitarbeiter beschäftigen, und der Gesellschaft muss das Letztentscheidungsrecht zustehen. In diesem Falle dürfte es aber für Deutschland schwer werden, diese Art der Steuerplanung wie bisher über typisierende Kriterien zu bekämpfen und auf diese Weise der Aushöhlung des Welteinkommensprinzips entgegenzutreten.771 Gerade die mobilen, leicht zu verlagernden Funktionen eines Konzerns begegnen nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH keinen allzu hohen Substanzerfordernissen.772 Diese Einschätzung gilt ohnehin bei einer grundsätzlichen Bereichsausnahme für Zwischengesellschaften in der EU. Lediglich im Verhältnis zu Drittstaaten kann die Hinzurechnungsbesteuerung wie bisher ohne Gegenbeweis und damit wirksam und prophylaktisch gegen Gestaltungen aufrechterhalten werden. Damit dürften auch die Befolgungskosten der Unternehmen für EU-Sachverhalte tendenziell sinken, weil die Hinzurechnungsbesteuerung in vielen Fällen nicht mehr greifen kann. Zwar werden bei einer modifizierten Hinzurechnungsbesteuerung neue administrative Kosten wegen der veränderten Darlegungslast zu Lasten des Steuerpflichtigen resultieren, allerdings wird sich ein Gegenbeweis ohnehin nur dann lohnen, wenn die Vorteile aus der vermiedenen Hinzurechnungsbesteuerung die Befolgungskosten, und damit auch die Kosten, die die Etablierung tatsächlicher wirtschaftlicher Tätigkeit verursacht, mindestens aufwiegen. Aufgrund der fehlenden einschlägigen Rechtsprechung zum Gegenbeweis ist es zum jetzigen Zeitpunkt aber zumindest unsicher, ob der Gegenbeweis wirklich erfolgreich ist und sich die Kosten auch lohnen. Deshalb könnten eine verbindliche, schwarze Liste von Steueroasen773 und Anfragen an die Finanzverwaltung mit verbindlichen Zusagen helfen, den Steuerpflichtigen Rechts- und Planungssicherheit zu geben.774 Für § 20 Abs. 2 AStG ist, wie gezeigt, die Einführung eines Gegenbeweises obsolet. Zwar könnte die konkrete Verweisungstechnik des § 20 Abs. 2 AStG zu einer indirekten Nichtanwendbarkeit in EU-/EWR-Fällen führen.775 Das wäre jedoch durch eine klare Abkoppelung dieser Norm von den §§ 7-14 AStG relativ einfach zu korrigieren. Inhaltlich ist diese Norm vor dem Hintergrund des EG-Rechts nicht zu monieren und braucht insoweit nicht angepasst zu werden. Deshalb bleibt es bei passiven Tätigkeiten einer Betriebsstätte bei der Hochschleusung auf das inlän771
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So auch Cencerrado, EC Tax Review 2004, S. 107; Sedemund, IStR 2007, S. 452, 457. Axer spricht von einem „ ‚zahnlose[n] Papiertiger’ ”; Axer, IStR 2007, S. 165. Vgl. auch BFH vom 29.01.2008, I R 26/06, BFH/NV 2008, Rn. II.2.b)bb); de Broe, EC Tax Review 2008, S. 144; Hey, StuW 2008, S. 180. Vgl. Frischmuth, IStR 2005, S. 365. Bisher gibt es in Deutschland nur eine unverbindliche schwarze und weiße Liste; vgl. Förster/Schmidtmann, Intertax 2004, S. 480. Vgl. Sullivan/Wallner/Wübbelsmann, IStR 2003, S. 7, 11, 13. Vgl. Schnitger, FR 2005, S. 1083.
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dische Niveau. Aufgrund der generellen Freistellung von der Gewerbesteuer und des niedrigen Körperschaftsteuer-Satzes von 15% könnte sich jedoch in vielen Fällen, vorbehaltlich der umstrittenen Zuordnungsfragen bei Betriebsstätten, auch eine Gestaltung über Betriebsstätten lohnen.776
4.1.2. 4.1.2.1.
Zinsabzugsbeschränkungen Die EuGH-Rechtsprechung zu Beschränkungen des Zinsabzugs
Für das Betriebsausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG ist der Schutzbereich sowohl der Niederlassungsfreiheit als auch der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet, weil diese Regelung Beteiligungen unabhängig von der Beteiligungsquote erfasst.777 Bei der Zinsschranke hingegen ist im Grundsatz nur der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit anwendbar. Aufgrund ihrer Regelungstechnik, insbesondere der Konzernklausel, werden regelmäßig nur konzernverbundene Betriebe erfasst.778 Allerdings ist diese Schlussfolgerung nicht eindeutig, da die Zinsschranke auf der Rechtsfolgenseite auch die Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen gegenüber Konzernfremden beschränkt, was für eine gleichzeitige Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit sprechen könnte. Formal betrachtet wohnt der Zinsschranke keine Ungleichbehandlung inne, denn der Anwendungsbereich erstreckt sich gemäß § 4h EStG auf alle inländischen Betriebe, unabhängig davon, ob sie einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen oder nicht. Laut der Gesetzesbegründung soll jedoch insbesondere die grenzüberschreitende Gewinnverlagerung mittels Fremdfinanzierung bzw. die Verringerung der deutschen Bemessungsgrundlage mittels Fremdkapitalaufnahme in Deutschland verhindert werden.779 Der Gesetzgeber beabsichtigt somit laut eigener Aussage, mit der Zinsschranke vor allem international agierende Konzerne zu erfassen.780 Auch in den gewährten Ausnahmen von der Zinsschranke zeigt sich, dass das Gesetz hauptsächlich zu Lasten grenzüberschreitender Unternehmen wirken könnte. Dann ist es aber fraglich, ob die formal gewährte Gleichbehandlung nicht faktisch eine EG-rechtliche, verdeckte Diskriminierung darstellt. In diese Richtung weisen einerseits die Freigrenze und die Tatbestandsausnahme der fehlenden
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Dabei könnten (intransparente) Personengesellschaften die Zuordnung der Wirtschaftsgüter erleichtern; vgl. dazu auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 797 f. So auch Rehm/Nagler, IStR 2007, S. 702. So auch Musil/Volmering, DB 2008, S. 15; Heuermann, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 24 zu § 4h EStG. Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841, S. 48; vgl. auch Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 2. Vgl. auch Homburg, FR 2007, S. 724; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 3 zu § 4h EStG.
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Konzernzugehörigkeit. Der Gesetzgeber will damit inländische kleine und mittlere Unternehmen vom Anwendungsbereich ausnehmen. Andererseits können auch größere inländische Konzerne der Zinsschranke mit Hilfe der Organschaft ausweichen, sofern der Konzern im Sinne der Zinsschranke und der Organkreis identisch sind.781 Ein rein deutscher Konzern erreicht dies, indem er bereits eine Organschaft etabliert hat oder eine Organschaft bildet, um den Regelungen zur Zinsschranke zu entgehen. Die Organschaft ist aufgrund § 14 Abs. 1 KStG auf inländische Konzerngesellschaften begrenzt.782 Darin liegt aber die wesentliche verdeckte Diskriminierung durch die Zinsschranke.783 Wenn man das Vergleichspaar eines Konzerns mit reinem Inlandsbezug und eines Konzerns mit Inlands- und Auslandsbezug nimmt, kann bei ersterem die Anwendung der Zinsschranke mittels Organschaft umgangen werden. Bei Letzterem hingegen ist dies nur für den deutschen Teilkonzern möglich. Zusammen mit den Auslandsgesellschaften ist aber nicht mehr ein Betrieb im Sinne des § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b) EStG gegeben; die Anwendbarkeit der Zinsschranke ist bei einem inländischen Teilkonzern mit Auslandsbezug möglich. Zwar könnte auch ein Konzern mit Auslandsbezug der Zinsschranke zumindest theoretisch ausweichen, indem ein reiner Betriebsstättenkonzern begründet wird.784 Doch abgesehen von organisatorischen, gesellschaftsrechtlichen und steuerlichen Problemen, wurde eine solche Überlegung vom EuGH verworfen. Die Niederlassungsfreiheit soll den Unternehmen gerade ermöglichen, die für sie geeignete Rechtsform frei auszuwählen, und diese Wahl darf nicht durch diskriminierende Steuerregeln eingeschränkt werden.785 Somit wirkt die Zinsschranke indirekt bzw. verdeckt diskriminierend. Im Fall Lankhorst-Hohorst zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung wurde eine verdeckte Diskriminierung erkannt, obwohl nicht explizit von ausländischen Gesellschaftern die Rede war, die im Gesetz geforderte Anrechnungsberechtigung aber vornehmlich ausländische Gesellschafter traf.786 Ebenso könnte die Zinsschranke, obwohl im Gesetz nicht explizit internationale Konzerne angesprochen werden, faktisch zu dem Resultat führen, dass überwiegend international agierende Konzerne von der 781 782 783
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Vgl. auch Herzig/Liekenbrock, DB 2007, S. 2388; Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5207. Vgl. dazu Kapitel 3.5.2.2. So auch Musil/Volmering, DB 2008, S. 15; Schreiber/Overesch, DB 2007, S. 817; Führich, IStR 2007, S. 343. Daneben erkennt Homburg auf eine Beschränkung durch die Zinsschranke; vgl. Homburg, FR 2007, S. 724 f. Nach gegenteiliger Auffassung können solche Gestaltungsmöglichkeiten nicht die EG-Rechtswidrigkeit der umgangenen Norm, sondern allenfalls der Organschaft selbst begründen; vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2007, Rn. 7 zu § 8a KStG; vgl. auch Seer et al., EWS 2005, S. 298, Fußnote 107. Vgl. auch Prinz, DB 2008, S. 369. Vgl. dazu Kapitel 2.2.3.1.1. Vgl. EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 29, 32; Kube, IStR 2003, S. 327. Im konkret verhandelten Fall war eigentlich keine Ungleichbehandlung zu erkennen; vgl. z. B. Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 601 f.
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Regelung betroffen sind, während deutsche Konzerne mittels Steuerplanung der Zinsschranke ausweichen können. Auch im Fall Eurowings betrachtete der EuGH explizit die mögliche Steuerplanung nationaler Unternehmen und berücksichtigte diese bei seiner Entscheidung, ob eine Diskriminierung vorlag oder nicht.787 In Analogie zu diesem Urteil werden somit grenzüberschreitend tätige Konzerne gegenüber rein nationalen Konzernen unter Beachtung der nationalen Steuerplanungsmöglichkeiten sowohl im Inbound- als auch im Outbound-Fall diskriminiert. Die zeitliche Streckung des Zinsabzugs führt mindestens zu einem Liquiditäts- und Zinsnachteil, welcher nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt werden muss.788 Eine Rechtfertigung über die Argumentation mit niedrigeren Steuersätzen im Ausland kann nicht gelingen, da dies einem EG-rechtlich verbotenen Vorteilsausgleich entsprechen würde. Die Kohärenz im engeren Sinne muss ebenfalls abgelehnt werden, weil es sich rechtlich um mindestens zwei verschiedene Gesellschaften bzw. Steuerzahler handelt. Selbst wenn eine weite Sicht der Kohärenz betrachtet wird, ist es überaus fraglich, worin der Vorteil der EU-Gesellschaft bestehen sollte, der dem Nachteil einer Nichtabzugsfähigkeit von Zinsaufwand in Deutschland gegenübersteht.789 So ist die Ausnutzung eines niedrigeren Steuersatzes durch Gewinnverlagerung mittels Finanzierung sicherlich kein Vorteil, der in engem Zusammenhang mit dem Nachteil des Nichtabzugs des Zinsaufwands steht. Denn die Abziehbarkeit des Zinsaufwands entscheidet sich nicht an der Höhe des ausländischen Steuersatzes, sondern an einer Gewinngröße (EBITDA). Ein Nichtabzug von Zinsen ist auch dann denkbar, wenn die Zinsen in höher besteuerndes Ausland fließen. Die Zinsschranke richtet sich gerade nicht an dem konkreten Steuervorteil des Zinsabzugs im Ausland aus und will auch keine Gleichbelastung der abfließenden Zinsen der Höhe nach erreichen. An der fehlenden Konsistenz der Regelung muss eine Rechtfertigung über eine weit verstandene Kohärenz scheitern. Auch der Rechtfertigungsgrund der Territorialität kann nicht greifen, da es auf die Besteuerung des in Deutschland ansässigen Unternehmens ankommt. Dieses wird aber gemäß § 1 Abs. 2 KStG grundsätzlich nach dem Welteinkommensprinzip besteuert. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann eine nachteilige Regelung für eine inländische Gesellschaft nicht durch die fehlende Steuerhoheit über eine ausländische Gesellschaft gerechtfertigt werden.790 Zumindest denkbar wäre es, sich unter Bezug auf den Fall Oy AA auf die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in Verbindung mit der Missbrauchsbekämpfung zu berufen, weil durch den 787 788 789 790
Vgl. EuGH vom 26.10.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings), Slg. I-1999, Rn. 38 f.; Hahn, GmbHR 2003, S. 1248. Vgl. EuGH vom 08.03.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft), Slg. I-2001, Rn. 44. Vgl. auch Musil/Volmering, DB 2008, S. 16. Vgl. auch Musil/Volmering, DB 2008, S. 16.
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Zinsabzug zu versteuerndes Einkommen verringert wird, das eigentlich in Deutschland entstanden ist. Allerdings ist zu beachten, dass der EuGH im Fall Oy AA die unbeschränkte Gewinnverlagerung innerhalb des Konzerns als hinreichend missbräuchlich eingestuft hat. Auf den Fall der Zinsschranke lässt sich dies aus zwei Gründen nicht übertragen. Zunächst einmal werden unterschiedslos sämtliche Zinsaufwendungen getroffen, also nicht nur diejenigen innerhalb des Konzerns, sondern auch gegenüber Dritten. Bei den Letzteren ist aber aufgrund des natürlichen Interessensgegensatzes Missbrauch alles andere als offensichtlich.791 Ebenso ist die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis bei einer inländischen Bankenfinanzierung beispielsweise nicht angesprochen. Hinzu kommt, dass Zinszahlungen stets einem Drittvergleich unterliegen. Ein unbeschränkter Transfer der gesamten ökonomischen Rente ist mittels Fremdfinanzierung schwerlich möglich. Mit Hilfe von Zinszahlungen kann nur Gewinn in Höhe der am Kapitalmarkt geforderten Verzinsung verlagert werden. Folglich kann eine Rechtfertigung über den Fall Oy AA nicht gelingen. Auch die Rechtfertigungsgründe aus M&S können somit nicht erfolgreich sein, zumal der in M&S zusätzlich herangezogene Grund, nämlich die Verhinderung einer doppelten Nutzung des
Verlusts, überhaupt nicht einschlägig sein kann. So ist es gerade nicht denkbar, dass es zu einem doppelten Abzug des Zinsaufwands kommt. Diesbezüglich respektiert das Steuerrecht die rechtliche Trennung der einzelnen Gesellschaften, so dass der Zinsaufwand immer nur bei der Gesellschaft abgezogen werden kann, die das Fremdkapital aufgenommen hat.792 Außerdem ist es nach ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass eine einmalige Besteuerung im Binnenmarkt vollauf ausreicht. Dies ist im Regelfall gewährleistet, da der gezahlte Zins entweder bei dem Gesellschafter oder aber bei einem Dritten im EU-Ausland als Ertrag in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Selbst wenn mit der grenzüberschreitenden Fremdfinanzierung ein Steuersatzvorteil verbunden ist, stellt dies nicht Missbrauch per se dar.793 Steuersatzunterschiede sind also hinzunehmen; eine fiskalische Gefahr von Steuermindereinnahmen wegen des Zinsabzugs ist kein vom EuGH anerkannter Rechtfertigungsgrund. Damit verbleibt nur der Rechtfertigungsgrund der Bekämpfung des steuerlichen Missbrauchs. Die Bekämpfung von Steuergestaltungen ist schließlich laut Gesetzesbegründung das vorrangige
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Vgl. auch Musil/Volmering, DB 2008, S. 13, 15. Vgl. z. B. Köhler, DStR 2007, S. 601; Hahn, GmbHR 2003, S. 1249. Vgl. EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 37.
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Ziel der Zinsschranke.794 Dann stellt sich jedoch die Frage, ob die Regelung verhältnismäßig ausgestaltet ist. Ob die Zinsschranke geeignet ist, Missbrauch zu verhindern, kann zumindest hinterfragt werden, da sie unterschiedslos auf alle Unternehmen und jede Art der Fremdfinanzierung Anwendung findet. Zwar sollen die Ausnahmen sicherstellen, dass Steuerpflichtige, bei denen die Vermutung der Steuerplanung mittels Fremdfinanzierung nicht so nahe liegt, von der Zinsschranke nicht erfasst werden. Laut EuGH ist ein Abzugsverbot grundsätzlich auch geeignet, Konzerne von der missbräuchlichen Gewinnverlagerung mittels Fremdfinanzierung abzuhalten.795 Allerdings bleibt es fragwürdig, warum die Drittfremdfinanzierung missbräuchlich im Sinne der Zinsschranke sein soll.796 Schließlich sieht der EuGH die Missbrauchsgefahr bei Konzernsachverhalten. Somit ist es bei der allgemein wirkenden Zinsschranke zumindest ungewiss, ob sie überhaupt zur Missbrauchsbekämpfung geeignet ist.797 Scheitern würde die Zinsschrankenregelung auf jeden Fall an der Erforderlichkeit. Eine pauschalisierende Missbrauchsvermutung, wie sie die Zinsschranke zweifelsohne darstellt, dürfte beim EuGH auf Ablehnung stoßen.798 So ist die fixe 30%-Grenze für Missbrauchszwecke zu allgemein gefasst. Im Rahmen der Zinsschranke kann auch kein Gegenbeweis über den Fremdvergleichsgrundsatz geführt werden, wie dies vom EuGH in Finanzierungssachverhalten als sachgerecht geschildert wird.799 Unter Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes kann jedoch Zinsaufwand gegenüber Dritten nicht missbräuchlich sein. Insofern ist eine Missbrauchsbekämpfung bei Drittfremdfinanzierung nicht erforderlich im Sinne des EuGH.800 Auch die Möglichkeit einer Widerlegung der 30%-Schranke durch die Escapeklausel ändert an dieser Einschätzung nichts, da diese Klausel die starre Schranke im Einzelfall nicht aufzuheben vermag. Vielmehr wird die fixe Schranke durch einen anderen Vergleichsmaßstab ersetzt, nämlich die Konzerneigenkapitalquote. Diese Quote steht aber in keinem direkten Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung und entspricht nicht dem international üblichen Arm’s-Length794
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Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841, S. 31. Vgl. auch EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I2007, Rn. 77. Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, S. 483; Hallerbach, StuB 2007, S. 494; vgl. auch Köhler, DStR 2007, S. 600; Schwarz, IStR 2008, S. 13. § 8a Abs. 3 KStG erfasst ebenfalls u. a. nicht missbräuchliche Gestaltungen; vgl. Brunsbach/Syré, IStR 2008, S. 159. Die Geeignetheit dennoch bejahend Musil/Volmering, DB 2008, S. 16. Vgl. EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 32; vgl. auch Musil/Volmering, DB 2008, S. 16. Vgl. EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 92; EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 29 f., 33. Im Kontext des § 8a KStG 2002; vgl. Körner, IStR 2004a, S. 262.
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Prinzip. Ein Vergleich mit der Konzernquote ist auch deshalb nicht einsichtig, weil für Zwecke der Besteuerung ein IFRS-Konzernabschluss herangezogen werden soll, obwohl die IFRSRegelungen in vielerlei Hinsicht stark von den deutschen steuerrechtlichen Regelungen abweichen. So wird das Eigenkapital nach IFRS tendenziell höher ausgewiesen als nach deutschem Bilanzrecht.801 Dieses Problem relativiert sich, da der entsprechende Einzelabschluss ebenfalls nach IFRS aufzustellen ist. Kritisch bleiben die nach IFRS größeren bilanzpolitischen Spielräume im Vergleich zum Steuerrecht.802 Deshalb ist zu erwarten, dass die Bilanzpolitik auch dazu genutzt wird, um die Escapeklausel zu erfüllen.803 Zudem entsteht beim deutschen Betrieb regelmäßig zusätzlicher Bilanzierungsaufwand aufgrund der Überleitungsrechnung auf die IFRS.804 Zwar kann in Konzernen, die nach IFRS bilanzieren, zweckmäßigerweise auf die Handelsbilanz II bzw. III des Betriebs zurückgegriffen werden.805 Doch selbst dann müssen Anpassungen auf Betriebsebene vorgenommen werden.806 Insbesondere die Zuordnung des Geschäfts- oder Firmenwertes auf den einzelnen Betrieb dürfte zusätzlichen Aufwand beinhalten.807 Da der Einzelabschluss des Betriebs einer prüferischen Durchsicht oder auf Verlangen des Finanzamts einer vollständigen Prüfung unterzogen werden muss, könnte bei manchen Unternehmen noch zusätzlicher Prüfungsaufwand anfallen, weil ein Einzelabschluss nach IFRS bzw. eine Überleitungsrechnung im Regelfall nicht der Prüfungspflicht nach HGB unterliegt.808 Darin zeigt sich bei erfolgreicher Nutzung der Escapeklausel eine zusätzliche Belastung und damit Beschränkung der grenzüberschreitenden Konzerne, weil diese im Gegen-
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Man denke beispielsweise an die frühere Ertragsrealisation bei langfristiger Fertigung oder weiter gefasste Ansatzkriterien für Aktiva; vgl. z. B. Heuser/Theile, IFRS Handbuch, 2007, Rn. 1008, S. 121, Rn. 1707, S. 277. Vgl. Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, S. 273. Die IFRS gewähren im Gegensatz zu offenen Wahlrechten vor allem verdeckte Wahlrechte, vgl. Kirsch, BB 2003, S. 1111-1116; Tanski, DStR 2004, S. 1843-1847. Vgl. Kirsch, DK 2007, S. 660-664; Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, S. 1265. Womöglich ist eine partielle steuerliche Deformation der IFRS die Folge; vgl. Köhler, DStR 2007, S. 602; Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, S. 273. Auch auf Ebene des Konzerns entsteht zusätzlicher Bilanzierungsaufwand, sofern nicht nach IFRS bilanziert wird; vgl. Kirsch, DK 2007, S. 659; Kußmaul et al., BB 2008, S. 140. Zur Handelsbilanz II und III; vgl. Heuser/Theile, IFRS Handbuch, 2007, Rn. 3230 f., S. 567 f. Vgl. Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, S. 1264; Hennrichs, DB 2007, S. 2105. Die nach IFRS relevante cash generating unit bei der Zuordnung des Firmenwerts dürfte selten mit dem Betrieb übereinstimmen; vgl. Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, S. 1264. Vgl. Hennrichs, DStR 2007, S. 1926, 1929. Zwar müssen Konzerngesellschaften für Zwecke eines Konzernabschlusses einen IFRS-Einzelabschluss aufstellen, der für den Konzern mitgeprüft wird. Allerdings geschieht das nur indirekt (Handelsbilanz II bzw. III); das Testat wird für den Konzernabschluss vergeben. Lediglich bei einer Inanspruchnahme des § 325 Abs. 2a HGB durch große Kapitalgesellschaften und gleichgestellte Rechtsformen, wie z. B. große KapCo-Gesellschaften, ordnet § 325 Abs. 2b HGB eine Pflichtprüfung des IFRS-Abschlusses an, vgl. Ellrott/Aicher, in: Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, 2006, Rn. 57, 70 zu § 325 HGB.
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satz zu deutschen Konzernen die Zinsschranke nur über die Escapeklausel umgehen können und dafür zusätzlichen Bilanzierungs- und Prüfungsaufwand in Kauf nehmen müssen.809 Im schlimmsten Fall droht sogar zusätzlicher Konsolidierungsaufwand, wenn der steuerlich geforderte vom handelsrechtlich notwendigen Konsolidierungskreis abweicht. Besondere Relevanz wird das für grenzüberschreitende Konzerne mit inländischem Organkreis erlangen. Aufgrund der Ein-Betriebs-Fiktion des Organkreises muss dieser für den Escape einen zusätzlichen Teilkonzernabschluss erstellen.810 In dieser Teilkonsolidierung zeigt sich zudem eine weitere, diskriminierende Komponente der Escapeklausel, denn die Buchwertkürzung kann bei Inlandsbeteiligungen innerhalb des Organkreises wegen der Konsolidierung nicht greifen. Im Gegensatz dazu wäre mit Hilfe von ausländischen Mehrheitsbeteiligungen, die der Buchwertkürzung unterliegen, eine Verbesserung der Eigenkapitalquote für Zwecke der Escapeklausel nicht möglich.811 Schon wegen des zusätzlichen Prüfungs- und Bilanzierungsaufwands wird in der Literatur vermutet, dass viele Konzerne den Gegenbeweis über die Escapeklausel faktisch gar nicht erst erbringen können oder wollen.812 Dieses Problem wird durch die Anforderung des § 8a Abs. 3 KStG zusätzlich verschärft. So ist es wohl nicht realistisch zu erwarten, dass ein internationaler Konzern die Gesellschafter-Fremdfinanzierung weltweit an den Vorgaben des deutschen Steuerrechts ausrichtet. Der Zusammenhang zwischen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung einer ausländischen Konzerngesellschaft und dem Zinsabzug des deutschen Betriebs bleibt ohnehin im Unklaren.813 Durch die Zusammenrechnung aller durch Konzerngesellschaften verursachten, schädlichen Gesellschafter-Fremdfinanzierungen desselben wesentlich beteiligten Gesellschafters, die auf den Zinssaldo des Betriebs bezogen werden, erscheint der Erfolg eines Escape unwahrscheinlich.814 Dies gilt umso mehr, als der Betrieb für den gesamten Konzern und alle wesentlich beteiligten Gesellschafter nachweisen muss, dass keine schädliche GesellschafterFremdfinanzierung vorliegt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, wie dieser Nachweis
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Vgl. Fischer/Töben, BB 2007, S. 977. Allerdings ist einschränkend anzumerken, dass in der Praxis IFRSAbschlüsse der Konzerngesellschaften auf Veranlassung der Konzernmutter durchaus freiwillig geprüft werden und somit kein zusätzlicher Prüfungsaufwand entsteht; vgl. Förschle/Küster, in: Beck’scher Bilanzkommentar, HGB, 2006, Rn. 60 zu § 316 HGB. Vgl. Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 13 zu § 15 KStG; Kußmaul et al., BB 2008, S. 138 f.; Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, S. 1262. Vgl. Herzig/Liekenbrock, DB 2007, S. 2389; Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, S. 1264 f. Vgl. Rödder/Stangl, DB 2007, S. 484; Kußmaul et al., BB 2008, S. 139. Vgl. Grotherr, IWB 2007, S. 1503. Zur Frage, inwiefern Missbrauch bei ausländischer GesellschafterFremdfinanzierung denkbar sein könnte; vgl. Brunsbach/Syré, IStR 2008, S. 159. Vgl. Köhler, DStR 2007, S. 600; Hallerbach, StuB 2007, S. 492. Auch die weite Definition des Rückgriffs lässt einen erfolgreichen Nachweis unrealistisch erscheinen; vgl. Goebel/Eilinghoff, IStR 2008, S. 239.
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einer deutschen Tochtergesellschaft gelingen soll.815 Zusätzlich dürften die Strafzuschläge gemäß § 4h Abs. 1 S. 14 EStG bei unrichtigen Abschlüssen, auf die der deutsche Betrieb oftmals gar keinen Einfluss nehmen kann, die abschreckende Wirkung der Escapeklausel noch verstärken.816 Faktisch könnte es vielen Konzernen verwehrt bleiben, den Escape in Anspruch zu nehmen, weshalb die allgemeine Regel des § 4h EStG greift. Das würde jedoch die Privilegierung der Organschaft und die versteckte Diskriminierung nur noch deutlicher zutage treten lassen. Ungeachtet der faktischen Unanwendbarkeit der Escapeklausel wäre diese nicht erforderlich im Sinne der EuGH-Rechtsprechung. So stellt die Vergleichsmarke der IFRS-Konzernquote letztlich nur einen Durchschnitt der Eigenkapitalquoten der einzelnen Konzerngesellschaften dar. Die Finanzierungsbedürfnisse einzelner Gesellschaften, die in verschiedenen Branchen tätig sind, sind jedoch unterschiedlich und lassen sich nicht nach einer durchschnittlichen Quote bewerten.817 So weisen z. B. Versorger traditionell hohe Eigenkapitalquoten aus, während diese bei Banken oder Unternehmen aus der Immobilienbranche traditionell niedrig sind.818 Insofern ist die Zinsschranke trotz der Escapeklausel zu pauschal und berücksichtigt gerade nicht den konkreten Einzelfall. Den Missbrauch über das Arm’s-Length-Prinzip zu erfassen wäre verhältnismäßiger, was in der neueren Rechtsprechung des EuGH seine Bestätigung findet.819 Darüber hinaus muss es die Möglichkeit eines Gegenbeweises geben, sofern das Arm’s-Length-Prinzip keine Anwendung finden kann. Im Fall Lankhorst-Hohorst scheiterte nämlich ein Gegenbeweis über das Arm’s-Length-Prinzip, weil das Darlehen zur Sanierung – dementsprechend natürlich nicht zu Arm’s-Length-Konditionen – an die Tochtergesellschaft vergeben wurde, was der EuGH angesichts des wirtschaftlichen Grundes der Sanierung als unverhältnismäßig kennzeichnete.820 In Analogie zur EuGH-Rechtsprechung im Fall Lankhorst-Hohorst ist die Zinsschranke somit umso mehr als unverhältnismäßig abzulehnen. Darüber hinaus sehen einige Autoren einen Verstoß der Zinsschranke gegen sekundäres Europarecht in Gestalt der Zins- und Lizenz-Richtlinie, sofern die betroffene Zinszahlung zwischen zwei verbundenen Unternehmen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie erfolgt. Laut Art. 1 815
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Vgl. Grotherr, IWB 2007, S. 1503; Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, S. 596; Brunsbach/Syré, IStR 2008, S. 160; Homburg, FR 2007, S. 725. Ein Vertreter der Finanzverwaltung spricht von einer „Reichweite bisher unbekannten Ausmaßes“; Möhlenbrock, Ubg 2008, S. 12. Schließlich ist die Rechnungslegung nach IFRS von Interpretationsspielräumen bzgl. Prognosen und Werten geprägt; vgl. auch Hennrichs, DStR 2007, S. 1930. Inwieweit die Finanzverwaltung Bandbreiten bzgl. Prognosen anerkennt, ist demgegenüber fraglich. Vgl. Homburg, FR 2007, S. 722; Führich, IStR 2007, S. 345; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, S. 419; Köhler, DStR 2007, S. 601. Für das Beispiel der Versorger vgl. Krehl/Schneider/Fischer, Branchenrating, 2006, S. 803, 809, 815, 821, 829. Vgl. EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 80 f.; vgl. auch Homburg, FR 2007, S. 721. Vgl. EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 38.
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Abs. 1 ist es dem Quellenstaat verboten, jedwede Steuern auf (abfließende) Zinsen zu erheben – weder durch Abzug an der Quelle noch durch Veranlagung. Die Zinsschranke führe aber im Wege der Veranlagung tatsächlich dazu, dass nicht abzugsfähige Zinsen der Besteuerung unterliegen.821 In der fehlenden Anrechnungsmöglichkeit der Steuern im Sitzstaat – es findet keine Umqualifizierung der Zinsen statt – wird eine zusätzliche Verschärfung gesehen, die den Verstoß gegen die Richtlinie noch deutlicher zutage treten lasse.822 Diese Argumentation kann m. E. jedoch nicht überzeugen. So kommt es nicht automatisch bei Abzug bzw. Abfluss der Zinsen zu einer Besteuerung. Dies hängt vielmehr von der Gewinngröße EBITDA und den verschiedenen gewährten Ausnahmen ab. Es handelt sich bei der partiellen Nichtabzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen um eine Gewinnermittlungsvorschrift, die von der Richtlinie nicht erfasst wird.823 Eine direkte Verbindung zwischen Zinszahlung und Steuererhebung durch Verweigerung des Zinsabzugs besteht somit weder dem Grunde noch der Höhe nach.824 Beispielsweise kann ein genutzter Verlustvortrag trotz Eingreifens der Zinsschranke zu einem negativen Einkommen des Betriebs und damit einer Steuerlast von Null führen. Ebenso wird übersehen, dass der Zinsvortrag in späteren Perioden genutzt werden kann. In solchen Fällen tritt keine zusätzliche Steuerlast auf. Dies kann sogar milder sein als eine Umqualifizierung der Zinsen, bei der eine Anrechnung im Sitzstaat des Empfängers beispielsweise aufgrund von Verlusten u. U. nicht möglich ist. Daneben fordert der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass der Steuerpflichtige auch der Besitzer der Wertpapiere ist, auf deren Erträge die Steuer erhoben wird.825 Insoweit liegt ebenfalls keine verbotene Quellensteuer i. S. d. EuGH vor, da die deutsche Gesellschaft selbst (Schuldnerin) und nicht die ausländische Gläubigerin aufgrund der Zinsschranke einer (höheren) Besteuerung unterliegt. Insgesamt lässt sich ein Verstoß der Zinsschranke gegen Sekundärrecht nicht feststellen. Die derzeitige Fassung des § 8b Abs. 5 KStG wird nach herrschender Meinung als europarechtskonform angesehen, weil diese Norm unterschiedslos für inländische und ausländische Dividen-
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Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 3 zu § 4h EStG; Dörr/Fehling, NWB 2007, S. 9377 f.; Köhler, DStR 2007, S. 604. Im Kontext der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen vgl. Hidien, DStZ 2008, S. 133; Kessler/Eicker/Schindler, IStR 2004, S. 680. Vgl. Homburg, FR 2007, S. 725. Gl. A. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2007, Rn. 8 zu § 8a KStG. Im Kontext des § 8 Nr. 1 GewStG vgl. Kempf/Straubinger, IStR 2005, S. 774. So aber gefordert durch EuGH vom 04.10.2001, Rs. C-294/99 (Athinaïki Zythopoiia AE), Slg. I-2001, Rn. 28; EuGH vom 08.06.2000, Rs. C-375/98 (Epson Europe), Slg. I-2000, Rn. 23; vgl. auch Kempf/Straubinger, IStR 2005, S. 774 f. Vgl. EuGH vom 26.06.2008, Rs. C-284/06 (Burda), Slg. I-2008, Rn. 61; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 108.
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den das Betriebsaugabenabzugsverbot auf 5% der erhaltenen Dividenden pauschaliert.826 Allerdings ist zu bedenken, dass wie im Fall der Zinsschranke eine mittelbare Diskriminierung vorliegen könnte. Denn im Inlandsfall kann das pauschale Betriebsausgabenabzugsverbot über die Etablierung einer Organschaft umgangen werden.827 Kritiker halten dem zwar entgegen, dass mit der Bildung einer Organschaft nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile verbunden sind, wie z. B. die erweiterte Haftung der Organgesellschaft oder die Verlustübernahme des Organträgers.828 Solch ein Vorteilsausgleich, zumal mit außersteuerlichen Nachteilen, wird indes durch die Rechtsprechung des EuGH nicht anerkannt. Erkennt man auf eine verdeckte Diskriminierung durch den § 8b Abs. 5 KStG, scheitern wie im Fall der Zinsschranke die dort angeführten Rechtfertigungsversuche. Selbst die Rechtfertigung über Missbrauchsbekämpfung muss bereits dem Grunde nach scheitern, weil sie nicht das Ziel dieser Norm ist.829 Es geht vielmehr um fiskalische Aspekte, die niemals vor dem EuGH Bestand haben können. Eine niedrigere Besteuerung von ausländischen Tochtergesellschaften in deren Sitzstaat kann laut EuGH niemals eine höhere Besteuerung der Muttergesellschaft im Hinblick auf ihre Auslandsbeteiligungen im Vergleich zu ihren Inlandsbeteiligungen rechtfertigen.830
4.1.2.2.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten
4.1.2.2.1. Einschränkung des Zinsabzugs
Dem Gesetzgeber stehen für die Begrenzung des übermäßigen Zinsabzugs zu Lasten Deutschlands diverse Optionen zur Verfügung.831 Allerdings sind einige davon aufgrund EG-rechtlicher Vorgaben auszuschließen. Dazu gehört insbesondere die Erhebung von Quellensteuern auf abfließende Zinsen832, weil die Zins- und Lizenz-Richtlinie genau das für verbundene Unternehmen innerhalb der EU untersagt.833 Auch die Zuordnung von Fremdfinanzierungsaufwand zu
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Vgl. Schön, IStR 2004, S. 299; Thiel, DB 2004, S. 2605; Fischer, DStR 2006, S. 2286; Kerssenbrock, BB 2003, S. 2156; Hahn, GmbHR 2003, S. 1248; Rödder, DStR 2004, S. 1631. Vgl. Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1711; Nagler/Kleinert, DB 2005, S. 856; Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 9; Bullinger, IStR 2004, S. 411; Klarmann, Organschaft, 2006, S. 98. Körner erkennt zudem in § 8b Abs. 5 KStG eine Beschränkung; vgl. Körner, BB 2003, S. 2441. Vgl. Englert/Pache, IStR 2007a, S. 49. Vgl. auch Körner, BB 2003, S. 2440. Vgl. EuGH vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), Slg. I-2003, Rn. 39 f. Vgl. z. B. die Übersicht bei Menck, IStR 1994, S. 572. Vgl. z. B. Romswinkel/Weßling, GmbHR 2003, S. 927. Günkel und Endres sehen aber kein EG-rechtliches Problem in einer Quellensteuer auf übermäßige Gesellschafter-Fremdfinanzierung; vgl. Endres/Günkel, WPg-Sonderheft 2006, S. S17. Homburg ist der Auffassung, dass Deutschland als wirtschaftlich mächtigster Staat eine Änderung dieser Richtlinie langfristig erwirken könnte; vgl. Homburg, FR 2007, S. 727 f.
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freigestellten ausländischen Einkünften834 wurde vom EuGH mit dem Bosal-Urteil verworfen. Dort wurde die Nichtabzugsfähigkeit von Beteiligungsaufwendungen für Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu Aufwendungen für Inlandsbeteiligungen als EG-rechtswidrig eingestuft. Ebenso sind aufgrund des Lankhorst-Hohorst-Urteils pauschale Regelungen zur GesellschafterFremdfinanzierung ohne eine Möglichkeit des Gegenbeweises EG-rechtlich abzulehnen, sofern nur grenzüberschreitende Fälle davon erfasst werden. Die beiden grundlegenden Optionen, die dem Gesetzgeber zur Bekämpfung übermäßigen Zinsabzugs verbleiben, sind entweder eine Missbrauchsregelung oder eine konsequente Anwendung der Norm auch auf das Inland.
4.1.2.2.1.1. Missbrauchsregel
Bei einer Missbrauchsregelung ist dem Gesetzgeber zu empfehlen, auf GesellschafterFremdfinanzierung beschränkte Regelungen zu formulieren.835 Eine Einbeziehung der Drittfremdfinanzierung in eine Missbrauchsregel begegnet, wie bereits erläutert, EG-rechtlichen Bedenken.836 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gilt für Unternehmen unter Beachtung des Arm’s-Length-Prinzips innerhalb des Binnenmarktes Finanzierungsfreiheit. Drittfremdfinanzie-
rung kann unter Maßgabe des Arm’s-Length-Prinzips jedoch niemals missbräuchlich sein. Der Abzug von Drittfremdfinanzierungsaufwand muss demgemäß diskriminierungsfrei möglich sein.837 Auch ein Blick ins Ausland zeigt, dass bisher alle Staaten, bis auf Italien, Zinsabzugsbeschränkungen – falls vorhanden – auf Gesellschafter-Darlehen beschränkt haben.838 Wird eine steuerliche Umqualifizierung von Zinsen aus Gesellschafter-Fremdfinanzierung in Dividenden mit Hilfe einer bestimmten, vorgegebenen Eigenkapital-Fremdkapital-Relation nur in grenzüberschreitenden Fällen eingeführt, sind die Vorgaben des EuGH zu beachten. So akzeptiert der EuGH inzwischen uneingeschränkt für Konzernsachverhalte den Fremdvergleichsgrundsatz als grundsätzlichen Maßstab für Missbrauch.839 Dieser Maßstab ist für die Korrektur 834 835
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Vgl. Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 27. Selbst wenn eine Missbrauchsregelung auf Drittfremdfinanzierung ausgeweitet wird, kennen andere Staaten praktikablere Regelungen, die Missbrauchsfälle zielgenauer erfassen, wie z. B. eine aktivabezogene Zinsabzugsgrenze in Dänemark; vgl. Musil/Volmering, DB 2008, S. 13; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, S. 420 f. Vgl. auch Homburg, FR 2007, S. 724. Vgl. auch EuGH vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), Slg. I-2003, Rn. 39 f.; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C471/04 (Keller Holding), Slg. I-2006, Rn. 44. Vgl. Homburg, FR 2007, S. 720. Italien hat 2008 eine Zinsschranke eingeführt, die auch Drittfremdfinanzierung erfasst; vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 412 f. Vgl. EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 92; EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 29.
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nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach zu berücksichtigen. Zinsen dürfen nur insoweit in Dividenden umqualifiziert werden, als sie den Betrag übersteigen, der unter Bedingungen des freien Wettbewerbs vereinbart worden wäre.840 Weiterhin bleibt zu beachten, dass der EuGH nicht von der Rechtsprechung im Fall Lankhorst-Hohorst abgerückt ist; eine bloße Rückkehr zur Regelung des § 8a KStG 1999 ist somit für EU-Sachverhalte nicht möglich.841 Nach wie vor fordert der EuGH eine Möglichkeit des Gegenbeweises zur grundsätzlich zulässigen Missbrauchsvermutung über das Arm’s-Length-Prinzip.842 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn marktunübliche Bedingungen aus wirtschaftlichen Gründen vereinbart werden. So ging es im Fall Lankhorst-Hohorst um die Sanierung einer deutschen Enkelgesellschaft, weshalb sie für die Refinanzierung höher verzinster Bankdarlehen von der ausländischen Mutter ein Darlehen zu günstigen Bedingungen gewährt bekam.843 Ob über Sanierungsfälle hinaus weitere wesentliche Anwendungsfälle für einen solchen Gegenbeweis denkbar sind, hinge dann wie im Fall der Hinzurechnungsbesteuerung von der nationalen Rechtsprechung zum Gegenbeweis ab.844 Insofern könnte eine solche Regelung Wirksamkeit entfalten845, zumal die Beweislast beim Steuerpflichtigen läge. Zudem ist in der neueren Rechtsprechung des EuGH teilweise auch nur vom Arm’s-Length-Prinzip als Missbrauchsindikator die Rede846, womit eine Missbrauchsregelung ohnehin praktikabel wäre. Sie wäre auf alle Fälle wirksamer als ein bloßer Rückgriff auf die allgemeine Missbrauchsnorm des § 42 AO zur Bekämpfung übermäßigen Zinsaufwands. Denn in der Rechtsprechung des BFH vor Einführung des § 8a KStG 1999 wird deutlich, dass aufgrund § 42 AO keine über das gezeichnete Kapital hinausgehende, steuerliche Mindestausstattung mit Eigenkapital verlangt werden kann.847 Deshalb scheint eine vollständige Abschaffung einer Spezialnorm zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung nicht ratsam, zumal empirische Studien die Wirksamkeit der auf das Ausland beschränkten Gesellschafter-FremdfinanzierungsRegelungen nahelegen.848 Gegenüber Drittstaaten ist eine effektive Missbrauchsregelung ohne Möglichkeit eines Gegenbeweises gemeinschaftsrechtlich problemlos möglich.
840 841 842
843
844 845 846 847
848
Vgl. z. B. EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 29. In diese Richtung aber wohl Wagner, IStR 2007, S. 654. Vgl. EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 82, 86 f.; Panayi, Intertax 2007, S. 306; Zalasinski, Intertax 2007, S. 319; Brosens, EC Tax Review 2004, S. 208 f.; Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 109; Beiser/Kühbacher, Grundfreiheiten, 2008, S. 156. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mischo, 26.09.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 14 f., 92; EuGH vom 12.12.2002, Rs. C-324/00 (Lankhorst-Hohorst), Slg. I-2002, Rn. 38. Im Kontext des § 42 AO; vgl. BFH vom 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, Rn. II.D.5.d). Für eine diskriminierende, aber EG-rechtskonforme Regel bereits Kube, IStR 2003, S. 332 f. Vgl. EuGH vom 17.01.2008, Rs. C-105/07 (Lammers & Van Cleef), Slg. I-2008, Rn. 30. Vgl. BFH vom 05.02.1992, I R 127/90, BStBl. II 1992, Rn. II.D.5.b) und c); vgl. auch Michielse, StuW 1994, S. 336; Spengel/Golücke, RIW 2003, S. 346. Für einen Überblick vgl. z. B. Schwarz, IStR 2008, S. 12 f.; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 829.
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In Abhängigkeit von der Gegenbeweismöglichkeit könnte zumindest der über die Normalverzinsung hinausgehende Gewinn nicht mittels der Gesellschafter-Fremdfinanzierung aus Deutschland verlagert werden, wenn auch zu bedenken ist, dass mittels Steuerplanung, z. B. Sachkapitalüberlassungen, die Regelungen in gewissem Umfang umgangen werden können.849 Die Gewinnverlagerung mittels der Fremdfinanzierung in Höhe der Marktverzinsung müsste Deutschland auf alle Fälle uneingeschränkt hinnehmen.850 Hinzu kommt, dass die Allokation von Zinsaufwand aus Drittfremdfinanzierung zu Lasten Deutschlands problemlos möglich ist. Eine Missbrauchsregelung, die auf konzerninterne Sachverhalte abzielt, kann dieses Problem a priori überhaupt nicht erfassen. Zugleich wäre aber mit einer auf das Ausland beschränkten Missbrauchsregelung gewährleistet, dass nationale Sachverhalte verschont werden851 und insofern kein unnötiger Zwang zur Steuerplanung mit den daraus folgenden Kosten auftritt. Alternativ kann eine Missbrauchsregelung zur Begrenzung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung auf inländische Sachverhalte ausgedehnt werden, wie es in den Jahren 2004 bis 2007 in Deutschland der Fall war (§ 8a KStG 2002). Damit können gleichzeitig allgemeine Kriterien wie beispielsweise eine bestimmte Eigenkapital-Fremdkapital-Quote angelegt werden, ohne einen Gegenbeweis zulassen zu müssen.852 Vordergründig wird auf diese Weise eine Gleichbehandlung erreicht.853 Allerdings stand auch § 8a KStG 2002 wie seine verdeckt diskriminierende Vorgängerregelung (§ 8a KStG 1999) im Verdacht, nicht EG-rechtskonform zu sein. Einige Autoren vermuteten eine Diskriminierung im Fall der Inbound-Finanzierung, da es im Gegensatz zum Inland im Ausland regelmäßig nicht zu einer Umqualifikation der in Deutschland nicht abzugsfähigen Zinsen kam und deshalb vorwiegend in grenzüberschreitenden Fällen eine Doppelbesteuerung drohte.854 Auf Basis der neueren Rechtsprechung des EuGH ist eine solche Argumentation abzulehnen, da die Vermeidung der Doppelbesteuerung aus solchen Qualifikationskonflikten die Angelegenheit des Sitzstaates der ausländischen Muttergesellschaft ist.855 Andere Autoren sahen im Sachverhalt der Outbound-Finanzierung eine Diskriminierung darin, dass durch § 8a KStG 2002 erfasste Zinszahlungen einer ausländischen Tochter die Umqualifizierung in steuerfreie Ausschüttungen auf Ebene der inländischen Mutter versagt wurde, wäh-
849 850 851 852 853 854 855
Zu weiteren Steuerplanungsmöglichkeiten vgl. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2005, S. 159-161. Vgl. dazu auch Homburg, FR 2007, S. 721, 724; vgl. auch Hey, StuW 2008, S. 182. Vgl. auch Hey, StuW 2008, S. 183. Vgl. auch Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2005, S. 177 f. Vgl. z. B. Romswinkel/Weßling, GmbHR 2003, S. 926; Spengel/Golücke, RIW 2003, S. 344 f. Vgl. Obser, IStR 2005, S. 800, 802; Körner, IStR 2004a, S. 260. Vgl. EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-374/04 (Test Claimants in Class IV of the ACT Group Litigation), Slg. I2006, Rn. 59 f.; EuGH vom 13.03.2007, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 88 f.; so auch bereits Hahn, GmbHR 2004, S. 277; Romswinkel/Weßling, GmbHR 2003, S. 926.
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rend dies für eine inländische Tochter nicht galt.856 Ursprünglich wollte das BMF solche Fälle überhaupt nicht erfassen. Sie wurden aufgrund der EG-rechtlichen Bedenken miteinbezogen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass eine Umqualifizierung nur insoweit erfolgt, als kein Zinsabzug im Ausland getätigt wurde, weil andernfalls die Gefahr weißer Einkünfte auf Konzernebene droht.857 Ob ein solcher Vorbehalt EG-rechtlichen Bedenken standhält, wird in der Literatur zwar bezweifelt858, ist aber auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung m. E. zu bejahen. So kommt eine Rechtfertigung über das Urteil Oy AA in Betracht, da der Konzern aufgrund originär steuerlicher Regeln nicht frei wählen kann, in welcher Jurisdiktion seine Gewinne versteuert werden.859 Das Urteil Schempp spricht ebenfalls dafür, dass ein Konzern keinen EG-rechtlichen Anspruch darauf hat, weiße Einkünfte zu generieren. In diesem Urteil billigte der EuGH nämlich ausdrücklich eine mitgliedstaatliche Abzugsbeschränkung, sofern die steuerliche Behandlung der zugrunde liegenden Zahlung im anderen Mitgliedstaat dazu führt, dass effektiv nicht versteuerte Einkünfte resultieren.860 Dies basiert letztlich auf der vom EuGH vorgenommenen, länderübergreifenden Gesamtschau, die zusätzlich für eine EG-rechtlich zulässige Berücksichtigung der steuerlichen Behandlung der Zinsen im Ausland spricht.861 In jedem Fall verbleiben in Analogie zur Argumentation bei der Zinsschranke immer dann berechtigte Zweifel an der EG-Rechtskonformität einer Ausweitung auf das Inland, sofern eine (fiskalisch sinnvolle) Privilegierung der Organschaft eingeführt wird. Damit im Zusammenhang steht die plausible Vermutung, dass bei einer Ausweitung auf das Inland nach wie vor faktisch vorwiegend grenzüberschreitende Sachverhalte betroffen sein werden, da eine Überprüfung nationaler Finanzströme unter fiskalischen Gesichtspunkten oftmals keinen (nennenswerten) Mehrertrag erbringen wird.862 Ungeachtet eventueller EG-rechtlicher Unwägbarkeiten ist von einer Ausweitung auf das Inland angesichts der in Deutschland mit § 8a KStG 2002 gemachten Erfahrungen auf jeden Fall abzuraten. Die Verwaltungsauffassung zur Vermeidung weißer Einkünfte war längere Zeit rechtlich
856
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Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 241, 952; Schenke, IStR 2005, S. 190, 192; Rödder, DStR 2004, S. 1632; Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2005, S. 59 f. Vgl. BMF-Schreiben vom 15.07.2004, IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl. I 2004, Rn. 27; vgl. auch Kollruss, BB 2007, S. 468; Schenke, IStR 2005, S. 189; Prinz, FR 2004, S. 1253. Vgl. Schenke, IStR 2005, S. 190; Prinz, FR 2004, S. 1253; Hahn, GmbHR 2004, S. 279; Kessler, DB 2003, S. 2512 f.; Romswinkel/Weßling, GmbHR 2003, S. 927. Kollruss hingegen hält die Regelung im Outbound-Fall für EG-rechtskonform; vgl. Kollruss, BB 2007, S. 468 f. Vgl. dazu ausführlich Kapitel 4.3.1. Vgl. EuGH vom 12.07.2005, Rs. C-403/03 (Schempp), Slg. I-2005, Rn. 32, 35 f. Vgl. auch Kollruss, BB 2007, S. 475. Vgl. dazu Körner, IStR 2004a, S. 260; Romswinkel/Weßling, GmbHR 2003, S. 926.
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angreifbar und führte zu einer Reihe von Anwendungsproblemen.863 Die zahlreichen Änderungen der Regelung insbesondere wegen des EG-Rechts trugen dazu bei, die Rechts- und Planungssicherheit für § 8a KStG 2002 zu untergraben.864 § 8a KStG 2002 ist ein Paradebeispiel für ein komplexes und schwer verständliches Gesetz. Die Komplexität war bereits am schieren Ausmaß der Regelung und der Vielzahl der Absätze zu erkennen, was sich zusätzlich darin zeigte, dass vier BMF-Schreiben zur näheren Erläuterung dieses Gesetzes veröffentlicht wurden.865 Nachhaltige Zweifelsfragen bei der Auslegung widersprechen indes klar der Forderung nach Transparenz der Besteuerung. Weiterhin ergeben sich bei einer Ausweitung auf das Inland verfassungsrechtliche Bedenken. Die Zielsetzung der Missbrauchsbekämpfung ist für das Inland fragwürdig, da hier Missbrauch weitaus unwahrscheinlicher ist.866 Dann aber stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, denn das Gebot der Folgerichtigkeit erlaubt eine Durchbrechung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Prinzipien (hier: Nettoprinzip) nur bei gewichtigen Gründen. Die Missbrauchsbekämpfung kann in diesem Zusammenhang nur schwer geltend gemacht werden867, und die Behebung eines EG-rechtswidrigen Zustands taugt nicht als Rechtfertigung. Auf Unternehmensebene sind schließlich die negativen ökonomischen Auswirkungen zu bedenken. Im internationalen Kontext würde es aufgrund des Zugriffes zweier oder mehrerer Steuerjurisdiktionen insbesondere zu Problemen der Mehrfachbesteuerung kommen, wie das auch mit § 8a KStG 2002 der Fall war.868 Erneut muss sich der Fokus der internationalen Konzerne auf den vollen Zinsabzug richten, z. B. indem Fremdkapital in Mitgliedstaaten mit großzügigeren Regelungen verlagert wird. Darüber hinaus trifft diese Regel aufgrund des weiten Anwendungsbereichs auch nationale Unternehmen. § 8a KStG 2002 war sehr komplex und erzeugte Verzerrungen von Finanzierungsentscheidungen im Inlandsfall.869 Diese Verzerrungen veranlasste Unternehmen Steuerplanung zu betreiben, um erst gar nicht in den Anwendungsbereich dieser Regelung zu kommen. So wurden in Analogie zur geltenden Zinsschranke beispielsweise Sachdarlehen oder Sale-and-Lease-Back-Gestaltungen erwogen.870 Folglich entstehen durch eine Ausweitung der Regelung auf das Inland – vergleichbar zum § 8a KStG 2002 – Planungs- und De863 864
865 866 867 868 869 870
Vgl. z. B. Prinz, FR 2004, S. 1254. Zur langen Serie der Anpassungen, um die Minderbesteuerung zu verhindern; vgl. Kollruss, BB 2007, S. 467477. Die Bestimmtheit dieser Regelung ist stark zu bezweifeln; vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2007, Rn. 23 zu § 8a KStG. Zu § 8a KStG 2002 vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2007, Rn. 15a zu § 8a KStG. Vgl. Hey, StuW 2005, S. 323; vgl. auch de Broe, EC Tax Review 2008, S. 143. Vgl. auch Pohl/Raupach, Überreglementierung, 2005, S. 202. Für einen Überblick vgl. Zielke, RIW 2006, S. 608. Für die Kritik an § 8a KStG 2002; statt vieler vgl. Kessler/Eicker/Obser, IStR 2004, S. 325-329. Im Kontext des § 8a KStG 2002; vgl. Körner, IStR 2004a, S. 254.
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klarationskosten für nationale Unternehmen, obwohl eigentlich grenzüberschreitender Missbrauch bekämpft werden sollte. Somit hat die Möglichkeit, die missbräuchliche GesellschafterFremdfinanzierung mittels eines allgemeinen, nicht widerlegbaren Kriteriums (steuerlich vorgeschriebener Verschuldungsgrad) zu unterbinden, den Preis von fiskalisch und konzeptionell nicht notwendigen, steuerlichen Verzerrungen nationaler Sachverhalte. Solche nachteiligen Folgen im Inland hinzunehmen ist inzwischen umso unverständlicher, als der EuGH das Arm’s-LengthPrinzip gebilligt hat871, weshalb zumindest die Bekämpfung übermäßigen Zinsaufwands aus Gesellschafter-Darlehen schonender möglich ist. Die Allokation von Zinsaufwand aus der Bankenfinanzierung zu Lasten Deutschlands lässt sich ohnehin nur mit einem allgemeinen Zinsabzugsverbot bekämpfen. Insoweit ist eine Ausweitung im Sinne des § 8a KStG 2002 unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des EuGH weder sinnvoll noch geboten, um grenzüberschreitenden Missbrauch der Gesellschafter-Fremdfinanzierung EG-rechtskonform zu begrenzen.
4.1.2.2.1.2. Allgemeines Zinsabzugsverbot
Alternativ könnte ein allgemeines Zinsabzugsverbot in Abhängigkeit vom Gewinn – nicht nur für Gesellschafter-Darlehen – EG-rechtliche Bedenken zerstreuen. Bei einer allgemeinen Regel wäre die Privilegierung der Organschaft und wohl auch der konzernfreien Betriebe nicht mehr denkbar. Um eine endgültige Doppelbesteuerung zu vermeiden, könnte wie im geltenden Recht ein Zinsvortrag zugelassen werden. Zwar führt die Vortragsmöglichkeit des Zinssaldos nicht grundsätzlich zu seinem Untergang, jedoch entstehen schon durch die zeitliche Streckung Zins- und Liquiditätsnachteile. Zudem werden durch die Anbindung der Zinsschranke an eine Gewinngröße vor allem weniger rentable Unternehmen getroffen, zumal der drohende Untergang des Zinsvortrags bei Restrukturierungen diese steuerlich bestraft bzw. a priori verhindert.872 Somit läuft der Zinsvortrag für ertragsschwache Unternehmen faktisch auf ein Zinsabzugsverbot hinaus, weshalb die nicht abziehbaren Zinsen einer wirtschaftlichen Doppelbelastung unterliegen.873 Dies gilt auf jeden Fall, wenn keine Vortragsmöglichkeit für die nicht abzugsfähigen Zinsen existiert. Die Fremdfinanzierung wird also durch ein Zinsabzugsverbot, was in bestimmten Fällen auch die derzeit geltende Zins-
871 872 873
Vgl. auch Hey, StuW 2008, S. 183. Vgl. Grotherr, IWB 2007, S. 1507. Vgl. Köhler, DStR 2007, S. 603; Hallerbach, StuB 2007, S. 489; Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5200.
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schranke ist, steuerlich verzerrt.874 Der viel kritisierte § 8a KStG 2002 zur GesellschafterFremdfinanzierung wurde bereits durch die geltende Zinsschranke als ein weiteres verzerrendes Instrument ersetzt, wobei der Anwendungsbereich wesentlich weiter gefasst wurde als bisher.875 Deshalb äußert die h. M. verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zinsschranke in ihrer geltenden Fassung, weil sie gegen das objektive Nettoprinzip verstößt.876 Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Durchbrechung des Nettoprinzips unter Beachtung der Folgerichtigkeit ist in diesem Fall schwer vorstellbar, denn rein fiskalische Erwägungen werden vom BVerfG nicht akzeptiert. Ebenso zweifelhaft ist eine Rechtfertigung als Missbrauchsabwehr, da ein Zinsabzugsverbot auch eindeutig nicht missbräuchliche Sachverhalte wie Drittfremdfinanzierung erfasst.877 Die gegen die Zinsschranke geäußerten ökonomischen und verfassungsrechtlichen Bedenken gelten umso mehr, wenn die Privilegierung der Organschaft abgeschafft würde, da dann inländische Unternehmen verstärkt betroffen wären. Denkt man das Zinsabzugsverbot konsequent zu Ende, sollte der Zinsaufwand in voller Höhe nicht mehr zum Abzug zugelassen werden, womit auf Unternehmensebene mindestens das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) besteuert wird.878 Um in einem solchen System die ungemilderte Doppelbesteuerung der Zinsen zu vermeiden, müssten auf der Ebene der Zinsempfänger Anpassungen bzgl. der Steuerbarkeit vorgenommen werden. Auf nationaler Ebene wäre das unproblematisch, da die empfangenen Zinsen in Abhängigkeit von der steuerlichen Behandlung auf Ebene des Zinsschuldners als nicht steuerbar oder steuerfrei qualifiziert werden können. International hingegen dürfte es regelmäßig zu einer Doppelbesteuerung kommen, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass die Sitzstaaten der Zinsgläubiger auf ihren international üblichen Steueranspruch (Art. 11 Abs. 1 OECD-MA) verzichten werden.879 Trotz der nachteiligen, internationalen Doppelbesteuerung ist ein komplettes Zinsabzugsverbot mit Primärrecht vereinbar. Denn die Beseitigung der Doppelbesteuerung stellt nach der EuGHRechtsprechung eine Angelegenheit des Sitzstaates des Zinsgläubigers dar und kann nicht dem Wohnsitzstaat des Zinsschuldners angelastet werden. Auch die sekundärrechtlichen Bedenken 874 875 876
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Zur Zinsschranke vgl. Homburg, FR 2007, S. 723. Vgl. auch Herzig/Lochmann/Liekenbrock, DB 2008, S. 601 f. Vgl. Musil/Volmering, DB 2008, S. 14 f.; Köhler, DStR 2007, S. 602; Kessler/Köhler/Knörzer, IStR 2007, S. 419; Hallerbach, StuB 2007, S. 493; Dörr/Geibel/Fehling, IWB 2007, S. 5205; Homburg, FR 2007, S. 726. Im Kontext des § 8c KStG; vgl. Wiese, IStR 2007, S. 744. Vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 3 zu § 4h EStG; Hey, StuW 2008, S. 172. Ein allgemeines Abzugsverbot überschreitet die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit (Erforderlichkeit), da kein individueller Gegenbeweis möglich ist; vgl. Drüen, StuW 2008b, S. 159; Musil/Volmering, DB 2008, S. 15. Zu dieser Konzeption vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 316 f.; Lammersen, Steuerbelastungsvergleiche, 2005, S. 222; vgl. auch Jarass/Obermair, ET 2007, S. 45. Gl. A. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2005, S. 167.
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aufgrund der Zins- und Lizenz-Richtlinie können in Analogie zur Argumentation für die Zinsschranke verworfen werden.880 Denn ein allgemeines Zinsabzugsverbot ist nach wie vor als eine Gewinnermittlungsvorschrift zu charakterisieren, sofern kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Nichtabzug der Zinsen und der Steuerzahlung gegeben ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Ausgleich von Verlusten mit den nichtabzugsfähigen Zinsen zugelassen wird.881 Weiterhin ist zu bedenken, dass die Besteuerung auf Ebene der Gesellschaft stattfindet und nicht auf Ebene des Zinsgläubigers. Somit ist ein allgemeines Zinsabzugsverbot EGrechtlich unproblematisch. Ob es aus deutscher Sicht wünschenswert ist, die regelmäßig ungemilderte, internationale Doppelbesteuerung in Kauf zu nehmen, hängt wohl insbesondere von der Finanzierungsflexibilität der betroffenen Konzerne ab, also inwieweit ein Zinsabzugsverbot tatsächlich Einfluss auf ihre Investitionstätigkeit in Deutschland nimmt.882 Realistisch erscheint diese Option nicht, da sie nicht nur eine komplette Umstellung der Zinsbesteuerung darstellt, die die international akzeptierten Aufteilungsregeln missachtet, sondern im Ergebnis auch konträr zur Zielsetzung der Zins- und Lizenz-Richtlinie steht.
4.1.2.2.2. Abschaffung von Zinsabzugsbeschränkungen
Eine EG-rechtskonforme und zugleich administrativ einfache Lösung besteht darin, sämtliche Zinsabzugsbeschränkungen abzuschaffen und den Zinsabzug in Deutschland ungehindert zuzulassen. Dies kann entweder für das gesamte Ausland erfolgen oder auf den Raum der EU/EWR begrenzt sein. Ersteres entspricht für Drittfremdfinanzierung im Wesentlichen der deutschen Rechtslage von 2004 bis 2007. Allerdings sollte § 8b Abs. 5 KStG insoweit an EG-rechtliche Vorgaben angepasst werden, dass für inländische und ausländische Dividenden eine vollständige Freistellung gilt. Damit würde zugleich die wirtschaftliche Doppelbesteuerung aufgrund des Kaskadeneffekts883 innerhalb des Konzerns vermieden werden. Eine solche Lösung erzeugt aus unternehmerischer Sicht den bereits erläuterten Anreiz, Zinsaufwand in Hochsteuerländern wirksam werden zu lassen. Konzerne können also einerseits Fremdfinanzierungsaufwand steuerlich zu Lasten Deutschlands anfallen lassen. Andererseits unterliegen die Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaften nicht der deutschen Besteuerungshoheit. Gleiches gilt für die Gesellschafter-Fremdfinanzierung inländischer Konzerngesell880 881 882 883
Vgl. dazu auch Kapitel 4.1.2.1. Vgl. auch EuGH vom 04.10.2001, Rs. C-294/99 (Athinaïki Zythopoiia AE), Slg. I-2001, Rn. 29. Vgl. auch Kapitel 3.5.1.2.3. Vgl. dazu Kerssenbrock, BB 2003, S. 2156 f.; Kessler, Holdinggesellschaften, 2008, S. 741; Dötsch/Pung, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 219 zu § 8b KStG.
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schaften. Während der letztere Fall von Gewinnverlagerung über die Einführung einer Missbrauchsregel zumindest im Grundsatz bekämpft werden könnte, wäre dies für die Drittfremdfinanzierung, wie gezeigt, nicht möglich.884 Der tiefere Grund für den steuerlichen Anreiz liegt in der asymmetrischen Besteuerung von Erträgen aus Eigen- und Fremdkapital.885 Diese Asymmetrie wird entweder durch ein Zinsabzugsverbot oder durch eine inländische Besteuerung der Eigenkapitalerträge behoben. Wenn jedoch ein Zinsabzugsverbot als rechtlich und vor allem ökonomisch bedenklich verworfen werden sollte, könnte man über die Ersetzung der Freistellungsmethode durch die indirekte Anrechnung im Sinne des § 26 Abs. 2 KStG 1999 nachdenken, so dass die Ausschüttungen ausländischer Tochtergesellschaften in Deutschland nicht mehr steuerfrei sind.886 Sofern die Tochter ausschüttet, wäre eine symmetrische Behandlung der erwirtschafteten Gewinne der Tochter und der damit verbundenen Zinsaufwendungen der Mutter gegeben. Da für die Tochter immer noch die Möglichkeit der Gewinnthesaurierung besteht, wäre es von Beginn an konsequenter, Tochtergesellschaften transparent zu besteuern, was als Teil einer umfassenden Lösung in Kapitel 5 vorgeschlagen wird.
4.2. 4.2.1.
Beschränkungen der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung Die EuGH-Rechtsprechung zu Beschränkungen der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung
Für die grenzüberschreitende Verlustverrechnung bei Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ist ausschließlich der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit anwendbar. Betriebsstätten stehen immer unter dem bestimmenden Einfluss des Stammhauses887, und die Regelungen zur Organschaft gelten nur für Mehrheitsbeteiligungen. 888 Für die Prüfung der Organschaft auf ihre EG-Rechtskonformität ist, wie bereits in Kapitel 2.2.3.2. festgestellt, ein horizontaler Vergleich zwischen ausländischen Tochtergesellschaften
884 885 886 887
888
Vgl. dazu Kapitel 4.1.2.2.1.1. Vgl. auch Spengel/Golücke, RIW 2003, S. 334. Vgl. dazu Homburg, FR 2007, S. 724. Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 15, 17; EuGH vom 28.02.2008, Rs. C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. I-2008, Rn. 23; EuGH vom 06.11.2007, Rs. C-415/06 (Stahlwerk Ergste Wertig), Slg. I-2007, Rn. 15, 18. Für die britische Gruppenbesteuerung vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I2005, Rn. 30; vgl. auch Rehm/Nagler, IStR 2008a, S. 138.
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und Betriebsstätten auszuschließen.889 Einzelne Stimmen in der Literatur zweifeln ebenso an der Zulässigkeit eines vertikalen Vergleichspaares zwischen deutschen und ausländischen Tochtergesellschaften wegen der deutschen Besonderheit des Gewinnabführungsvertrags.890 Erst dieser Vertrag garantiere, dass der Verlust der Tochter tatsächlich von der Mutter getragen werde und somit deren Leistungsfähigkeit tatsächlich schmälere.891 Dieser Umstand sei die Bedingung dafür, dass das deutsche Steuerrecht die Aufhebung des Trennungs- und Subjektsprinzips akzeptiere.892 Wenn ausländische Tochtergesellschaften einen solchen Vertrag nicht abschließen können, befinden sie sich nicht in einer mit deutschen Tochtergesellschaften vergleichbaren Situation und können demgemäß keine Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft fordern.893 Da nach herrschender Meinung ausländische Tochtergesellschaften diesen Vertrag jedoch niemals wirksam abschließen können, stellt er nach ebenfalls h. M. eine vorgelagerte versteckte Diskriminierung seitens des Zivilrechts dar.894 Außerdem entstehen aus der Bildung der Organschaft weitere Vorteile, die Konzernen mit Auslandsbezug auch aufgrund des Erfordernisses des Gewinnabführungsvertrages verwehrt bleiben.895 Somit ist im Licht der speziellen Regelung der Gruppenbesteuerung896 ein vertikaler Vergleich problemlos möglich.897 Bei gegebener Vergleichbarkeit resultiert die Ungleichbehandlung ausländischer Tochtergesellschaften daraus, dass ihnen der Mechanismus des Verlustausgleichs nicht zur Verfügung steht. Folglich liegt eine Outbound-Diskriminierung gegen ausländische Tochtergesellschaften vor, weil ihr Ausschluss nicht aus systematischen Gründen – das Trennungsprinzip wird schließlich für Zwecke der Verlustverrechnung aufgehoben –, sondern aus dem Sitz der Gesellschaft resul-
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Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 48 f.; Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 5, 7; Schön, IStR 2004, S. 300. Zur EG-rechtlichen Argumentation über das horizontale Vergleichspaar vgl. z. B. Cordewener et al., ET 2004b, S. 230 f. Vgl. insbesondere Thiel, DB 2004, S. 2603-2609. Allerdings kommt es regelmäßig zu Divergenzen, da der handelsrechtlich zu übernehmende Verlust vom steuerlichen Verlust abweichen wird; vgl. Grotherr, FR 1995, S. 10. Zu weiterer Kritik am Gewinnabführungsvertrag vgl. z. B. Krebs, BB 2001, S. 2030 f; Grotherr, FR 1995, S. 10. Vgl. Herlinghaus, GmbHR 2001, S. 957 f; Grotherr, FR 1995, S. 3 f. Allerdings ist mit der gesetzlichen Festschreibung der Organschaft der Gewinnabführungsvertrag aus rechtsdogmatischer Sicht nicht mehr notwendig; vgl. Jochum, FR 2005, S. 581 f.; Englert/Pache, IStR 2007b, S. 849. Vgl. dazu Seer et al., EWS 2005, S. 301; Thiel, DB 2004, S. 2605; Balmes/Brück/Ribbrock, BB 2005, S. 968 f. Allerdings kann ein schuldrechtliches Äquivalent gefunden werden, das die grenzüberschreitende Verlustübernahme garantiert; vgl. Schnitger, IWB 2008, S. 837 f.; Dörfler/Ribbrock, BB 2008, S. 307; Klarmann, Organschaft, 2006, S. 100. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-411/03 (Sevic Systems AG), Slg. I-2005, Rn. 30; vgl. auch Hey, GmbHR 2006, S. 118; Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 5 f.; Saß, BB 1999, S. 451; Englert/Pache, IStR 2007a, S. 49; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 631. Vgl. dazu ausführlich Kapitel 4.1.2.1. Vgl. Gutmann, EC Tax Review 2003, S. 155. Vgl. Vanistendael, EC Tax Review 2003, S. 141; Cordewener et al., ET 2004b, S. 228.
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tiert.898 Da der Verlustausgleich bei ausländischen Tochtergesellschaften in die Zukunft verschoben wird, resultieren daraus Zins- und Liquiditätsnachteile, weshalb es für Konzernmütter weniger attraktiv wird, in ausländische Gesellschaften als in inländische Gesellschaften zu investieren.899 Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung über das Territorialitätsprinzip900 kann nicht gelingen. Die deutsche Muttergesellschaft unterliegt schließlich dem Welteinkommensprinzip.901 In diesem Fall aber besagt die ständige Rechtsprechung des EuGH, dass die fehlende Steuerhoheit über eine ausländische Tochter nicht die nachteilige steuerliche Behandlung bei der inländischen Mutter im Vergleich zu einer inländischen Mutter mit inländischer Tochter rechtfertigen kann.902 Letztlich geht es bei diesem Argument um die Frage der Vergleichbarkeit, die im Hinblick auf das vertikale Vergleichspaar bereits bejaht werden konnte. Ebenso ist es nicht ausreichend, sich auf Steuermindereinnahmen aufgrund der fehlenden Harmonisierung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten zu berufen.903 Zwar ermöglicht eine Öffnung der Gruppenbesteuerung für ausländische Tochtergesellschaften einen Verlustverkehr innerhalb der EU, der zu Steuerausfällen vor allem bei Hochsteuerländern führen kann.904 Allerdings wurde der Rechtfertigungsversuch drohender Steuermindereinnahmen auch im Fall M&S vom EuGH zurückgewiesen.905 Ebenso ist der daraus folgende Gedanke, möglichen Missbrauch durch die Steuerpflichtigen zu unterbinden, indem ausländische Verluste von der Organschaft ausgeschlossen werden, durch den pauschalen Ausschluss unverhältnismäßig.906 Indes könnte der Rechtfertigungsgrund der Kohärenz einschlägig sein.907 Dem Vorteil bei der deutschen Mutter – der sofortige Verlustausgleich – steht ein direkter Nachteil bei der Tochter – keine Nutzung des Verlustes auf ihrer Ebene möglich – gegenüber, welcher im grenzüberschreitenden Fall nicht gegeben ist – Möglichkeit der Verlustverrechnung im Ausland bleibt im Regel898
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Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 53. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 33 f.; Gutmann, EC Tax Review 2003, S. 157. So argumentierten die im britischen Verfahren zuständigen Special Commissioners; vgl. Special Commissioners vom 26.11.2002, Rs. SpC 352 (Marks & Spencer), EuLR 2003, Rn. 37, S. 57 und Rn. 99, S. 74; Pistone, EC Tax Review 2003, S. 150. Vgl. hierzu auch Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 63; Cordewener et al., ET 2004b, S. 229; Meussen, ET 2005, S. 284. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 40; EuGH vom 18.09.2003, Rs. C-168/01 (Bosal), Slg. I-2003, S. 9409-9447, Rn. 39 f.; Dörr, IStR 2004, S. 268. Vgl. Micker, DB 2003, S. 2737; a. A. wohl Meussen, EC Tax Review 2003, S. 145, 147. Vgl. Pistone, EC Tax Review 2003, S. 149. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 44. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 54 f.; Saß, BB 1999, S. 450. So auch Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 307-309; vgl. auch Special Commissioners vom 26.11.2002, Rs. SpC 352 (Marks & Spencer), EuLR 2003, Rn. 113 f., S. 78 f.
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fall bestehen. Allerdings handelt es sich hierbei um Kohärenz auf Ebene zweier Steuerzahler.908 Deshalb wird im Schlussantrag zum Fall M&S auf Basis einer weit verstandenen Kohärenz argumentiert909, dass ein Einbezug ausländischer Verluste grundsätzlich geboten ist, wobei die Zielsetzung der Regelung eine große Bedeutung erfährt. Laut Schlussantrag bestehe die Zielsetzung der britischen Regelung darin, für Konzerne steuerliche Neutralität zu erreichen, indem Mütter die Verluste ihrer Tochtergesellschaften verrechnen können.910 Dieser Mechanismus muss somit auch ausländischen Tochtergesellschaften zur Verfügung stehen, um eine Benachteiligung auszuschließen. Allerdings können ausländische Verluste dann aus Gründen der Kohärenz ausgeschlossen werden, wenn die Verlustverrechnung im Sitzstaat der Tochtergesellschaft möglich ist, da eine doppelte Verlustberücksichtigung sowohl im Sitzstaat der Mutter- als auch der Tochtergesellschaft gerade keine kohärente Besteuerung – im Sinne einer neutralen Besteuerung – mehr sicherstellt, sondern vielmehr einen zusätzlichen Vorteil darstellt.911 Deshalb ist der Ausschluss ausländischer Verluste gerechtfertigt, wenn eine adäquate Behandlung im Sitzstaat der Tochter gegeben ist, worunter auch ein Verlustvortrag verstanden wird.912 Im Urteil wurde im Gegensatz zum Schlussantrag sogar der generelle Ausschluss ausländischer Verluste als gerechtfertigt angesehen. Als Gründe erkennt der EuGH in diesem Fall die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, die Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung und die Bekämpfung der Steuerflucht an, die in ihrer Gesamtheit den Ausschluss rechtfertigen.913 Ein genereller Ausschluss ausländischer Verluste scheitert jedoch an der Verhältnismäßigkeit. So ist ein allgemeiner Ausschluss zwar geeignet, Missbrauch durch die Steuerpflichtigen und eine doppelte Verlustnutzung effektiv zu unterbinden. Allerdings ist ein pauschaler Ausschluss jeglicher ausländischer Verluste zu restriktiv und somit nicht erforderlich.914 Dies gilt auch, wenn man die Nichtberücksichtigung der ausländischen Verluste wie im Schlussantrag über die Kohärenz rechtfertigt.915 Lediglich im Fall einer Verlustnutzung in demjenigen Staat, in dem der Ver-
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Vgl. Dörr, Intertax 2004, S. 184; Vanistendael, EC Tax Review 2003, S. 140. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 71. Aber selbst dann ist es fraglich, ob ein direkter Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil besteht. So ist es durchaus denkbar, dass eine Tochter keine Gewinne mehr in der Zukunft erzielen kann, weshalb der Verlustvortrag ohnehin wertlos wäre; vgl. Dörr, Intertax 2004, S. 182. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 72. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 74. Vgl. dazu bereits Meussen, EC Tax Review 2003, S. 147. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 45, 47, 49. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 54; Dörr, Intertax 2004, S. 185. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 75; a. A. Special Commissioners vom 26.11.2002, Rs. SpC 352 (Marks & Spencer), EuLR 2003, Rn. 115, S. 79.
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lust entstanden ist, ist der Ausschluss verhältnismäßig.916 Dies schließt laut EuGH – in Übereinstimmung mit dem Schlussantrag – die Möglichkeit eines Verlustübergangs auf Dritte oder eines Verlustvortrags ein.917 Im ökonomischen Sinn ist mit einem Verlustvortrag sicherlich keine adäquate Behandlung sichergestellt.918 Es kommt vielmehr zu einem Zins- und Liquiditätsnachteil bei Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften. Ein Liquiditätsnachteil ist im Zuge der EuGH-Rechtsprechung jedoch zwingend zu rechtfertigen.919 Auch bei der Anforderung der Verhältnismäßigkeit hätte man zu einem anderen Ergebnis kommen können. Ein milderes Mittel steht in Form der Nachversteuerungsmethode durchaus zur Verfügung920, welches genauso gut zur Zielerreichung, nämlich der Verhinderung des Missbrauchs und einer doppelten Verlustberücksichtigung, geeignet ist.921 Bei einer solchen Argumentation hätte der EuGH darauf erkennen müssen, dass ein Ausschluss nur dann gerechtfertigt ist, wenn eine sofortige Verlustnutzung im Sitzstaat der Tochter möglich ist, was insbesondere einen Verlustvortrag ausschließen würde. Der Kläger M&S und die Kommission haben auch auf die Möglichkeit der Nachversteuerung hingewiesen, allerdings hat der EuGH solche weniger belastende Maßnahmen unter den Harmonisierungsvorbehalt des europäischen Gesetzgebers gestellt.922 Das Urteil M&S kann unter diesem Gesichtspunkt als vorsichtige Abkehr von einer schrankenlosen Geltung der Grundfreiheiten im Bereich der direkten Besteuerung gelesen werden.923 Folglich sind im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Organschaft nur ausländische Definitivverluste anzuerkennen und zum Abzug zuzulassen. Eine äquivalente Verlustbehandlung könnte jedoch bei der Organschaft etwas anderes bedeuten als bei der britischen group relief. So ist es Kennzeichen des group relief, dass eine Tochter, die ihren Verlust auf die Mutter überträgt, ihren Verlustvortrag verliert. Solange eine ausländische Tochter diesen Vortrag im ausländischen Staat behält, ist der britische Staat nicht gezwungen, diesen Verlust zu übernehmen. Erst wenn im 916
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Laut Meussen verlangt das EG-Recht, dass Verluste einmal in der EU berücksichtigt werden. Somit ist eine Verlustnutzung bei der Mutter zwingend, wenn die Tochter keine Möglichkeit mehr dazu hat; vgl. Meussen, EC Tax Review 2003, S. 148; Meussen, ET 2005, S. 282; ebenso Lehner, Territorialitätsprinzip, 2005, S. 260. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 07.04.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 79; EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 55. Zur Kritik vgl. z. B. Petritz/Schilcher, SWI 2005, S. 239; Eicker, IWB 2005, S. 323; Müller/Müller, GmbHR 2006, S. 302; Hey, GmbHR 2006, S. 116. Vgl. EuGH vom 08.03.2001, Rs. C-397/98 und C-410/98 (Metallgesellschaft), Slg. I-2001, Rn. 44. Vgl. Saß, DB 2006, S. 126; Cordewener et al., ET 2004b, S. 230; Wattel, EC Tax Review 2003, S. 201; für andere denkbare Methoden vgl. Cordewener et al., ET 2004a, S. 138 f. Vgl. Meussen, ET 2005, S. 284 f.; Lang, EC Tax Review 2005, S. 97 f.; Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 311; Hey, GmbHR 2006, S. 116. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 54, 58. Kritisch hierzu Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 8. In diesem Sinne auch Schnitger, IWB 2008, S. 834.
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Ausland die Möglichkeit eines Verlustvortrags ausgeschöpft ist, muss der Verlust ins Inland importiert werden, um eine gleichwertige Behandlung – die ausländische Tochter verliert jetzt ihren Verlustvortrag – sicherzustellen. Die Organschaft erzwingt indes die Übertragung des Verlusts in dem Jahr, in dem er entstanden ist. Die Möglichkeit eines Verlustvortrags ist für eine Tochtergesellschaft für die Dauer der Organschaft gemäß § 15 Nr. 1 KStG ausgeschlossen. Eine gleichwertige Behandlung der ausländischen Tochtergesellschaft ist vor diesem Hintergrund nur möglich, wenn auch deren Verluste sofort einbezogen werden, es sei denn ein sofortiger Verlustausgleich ist im Sitzstaat möglich.924 Diese Lösung befindet sich auch, wie gezeigt, im Einklang mit der Verhältnismäßigkeit. Allerdings ist zu betonen, dass eine solche weitergehende Lösung nicht direkt aus M&S gefolgert werden kann. EG-rechtliche Mindestbedingung bleibt deshalb auch für Deutschland die Verrechnung ausländischer Verluste, sofern diese im Staat der Tochtergesellschaft endgültig untergegangen sind.925 Daran ändert auch das Urteil im Fall Oy AA nichts926, denn dieses Urteil behandelte den Gewinntransfer innerhalb einer Gruppenbesteuerung. Sicherlich können damit Regelungen der Organschaft gerechtfertigt werden, die den Gewinntransfer betreffen. So ist insbesondere die geforderte Inlandsanbindung des Organträgers EG-rechtlich unproblematisch, weil nur auf diese Weise für Inbound-Fälle gewährleistet ist, dass kein Gewinntransfer ins Ausland erfolgen kann.927 Die Aussagen des EuGH zu ausländischen Verlusten im Fall M&S sind jedoch weiterhin gültig, wie auch die Urteile Deutsche Shell und Lidl Belgium zeigen.928 Die aus M&S folgende EG-rechtliche Mindestbedingung für die Berücksichtigung ausländischer Verluste kann wohl nicht für die gewerbesteuerliche Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG gefordert werden. Aufgrund der Zielsetzung der Gewerbesteuer wird gemäß § 2 Abs. 1 GewStG nur das inländische Einkommen von im Inland belegenen Gewerbebetrieben besteuert929, was sich insbesondere in der Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 8 GewStG bzw. der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG für ausländische Verluste zeigt. Der Gewerbesteuer liegt das Territorialitätsprinzip zugrunde, weshalb auf Basis des Futura-Urteils der Ausschluss 924
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Für diese Argumentation vgl. Nagler/Kleinert, DB 2005, S. 856; Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1714; Balmes/Brück/Ribbrock, BB 2005, S. 968. Zudem hat der deutsche Gesetzgeber früher eine Verrechnung ausländischer Verluste mittels des § 3 AuslInvG zugelassen; vgl. Tumpel, Besteuerungsmaßstäbe, 2000, S. 362. So die überwiegende Meinung in der Literatur; vgl. nur Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 9; a. A. Dötsch/Pung, DK 2006, S. 133 f., die keinen Handlungsbedarf für den Gesetzgeber sehen. Vgl. Dötsch, Organschaftskonzerne, 2008, S. 184. Vgl. Wagner, IStR 2007, S. 653; Kußmaul/Niehren, IStR 2008, S. 88; Rehm/Nagler, GmbHR 2008, S. 14; Hey, GmbHR 2006, S. 119. Vgl. EuGH vom 28.02.2008, Rs. C-293/06 (Deutsche Shell), Slg. I-2008, Rn. 44, 52; EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 51, 54; vgl. auch Kußmaul/Niehren, IStR 2008, S. 88; Englert/Pache, IStR 2007b, S. 847 f. Vgl. z. B. Sarrazin, in: Sarrazin et al., GewStG, 2005, Rn. 1a, 3190 zu § 2 GewStG.
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ausländischer Verluste in Symmetrie zum Ausschluss ausländischer Gewinne gerechtfertigt ist.930 Allerdings wird das der Gewerbesteuer zugrunde liegende Territorialitätsprinzip nach geltendem Recht unter bestimmten Bedingungen durchbrochen.931 So verlangt § 9 Nr. 7 GewStG bzw. § 9 Nr. 8 GewStG eine Mindestbeteiligungsquote von 10% bzw. die nach einem DBA relevante, niedrigere Beteiligungsquote für die gewerbesteuerliche Befreiung EU-ausländischer Dividenden. Diese Befreiung gilt auch nur für Ausschüttungen von Tochter- und Enkelgesellschaften.932 Unabhängig von obiger Quote werden Dividenden, denen passive Einkünfte im Sinne des § 8 Abs. 1 AStG zugrunde liegen und die nicht von Gesellschaften im Sinne der Mutter-TochterRichtlinie stammen, nicht freigestellt. Schließlich unterliegen hinzugerechnete, passive Einkünfte gemäß § 10 Abs. 2 AStG ungemildert der Gewerbesteuer. Folglich ist es nicht mit letzter Klarheit sicher, ob nicht auch die gewerbesteuerliche Organschaft an das M&S-Urteil angepasst werden muss.933 Bis auf weiteres ist aber davon auszugehen, dass der für ausländische Verluste relevante Steuersatz der Körperschaftsteuersatz ist. Für die Verrechnung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten gelten die Argumente des Falls M&S im Grundsatz ebenfalls.934 Eine Beschränkung durch den Ausschluss ausländischer Be-
triebsstättenverluste im Vergleich zu inländischen Betriebsstättenverlusten ist offensichtlich und muss gerechtfertigt werden.935 Doch spricht einiges dafür, dass die Rechtfertigungsgründe des M&S-Urteils nicht unmittelbar auf Betriebsstättenverluste übertragen werden können.936
So handelt es sich aufgrund der fehlenden rechtlichen Selbständigkeit der Betriebsstätte um einen originären Verlust des Stammhauses selbst.937 Dies gilt in gleichem Maße für ausländische Betriebsstätten. Zwar stimmt es, dass im grenzüberschreitenden Fall eine doppelte Verlustbe930
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Vgl. EuGH vom 15.05.1997, Rs. C-250/95 (Futura), Slg. I-1997, Rn. 21 f.; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 1998, S. 356, 1039; Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 47 zu Art. 23, S. 1704; Schön, IStR 2004, S. 294; Haarmann, Verlustnutzung in der EU, 2004, S. 173; Schnitger, IWB 2008, S. 842; a. A. Micker, DB 2003, S. 2738. Zur symmetrischen Behandlung ausländischer Verluste und Gewinne vgl. Cordewener et al., ET 2004b, S. 220. Laut Schön ist eine solche Durchbrechung nicht kohärent; vgl. Schön, DB 2001, S. 947. Vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, 2006, Rn. 8 f. zu § 9 Nr. 7 GewStG. In diese Richtung Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, Fußnote 157 auf S. 315 f.; Schön, IStR 2004, S. 294; Sedemund, Ertragsteuerrecht, 2008, Rn. 933 f., S. 152. Zudem gewährt die gewerbesteuerliche Organschaft Vorteile bei den Hinzurechnungstatbeständen des § 8 GewStG; vgl. Dörr/Fehling, NWB 2007, S. 9385; Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 258 f. Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 12, 14; Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 2499; Schnitger, IWB 2008, S. 844. Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 25 f.; vgl. auch Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, S. 1476; Cordewener, ET 2003, S. 299 f.; Dautzenberg, FR 2001, S. 813. Bereits die Vergleichbarkeit verneinend Meussen, ET 2008b, S. 234. Gl. A. Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 10, wobei in diesem Artikel unklar bleibt, ob es sich nur um Betriebsstättenverluste handelt. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 15; Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1716; Röhrbein, IWB 2007, S. 1146; Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 59.
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rücksichtigung denkbar ist.938 Allerdings ist bei einer Betriebsstätte zu berücksichtigen, dass das Ergebnis einer Betriebsstätte aufgrund der steuerlichen Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Regelungen zum Gesamtergebnis des Stammhauses gehört, also im Rahmen der weltweiten Buchführungspflicht ohnehin ermittelt werden muss.939 Somit ist der in M&S anerkannte Rechtfertigungsgrund der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung bei einer Betriebsstätte weniger relevant. Möglicher Missbrauch ist im Rahmen der einheitlichen Gewinnermittlung dementsprechend ebenfalls nicht so leicht möglich.940 Der Rechtfertigungsgrund der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis vermag m. E. auch nicht vollkommen zu überzeugen. Zwar ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, sich bei der Aufteilung des Steueraufkommens an den gängigen Methoden des internationalen Steuerrechts zu orientieren, und die Freistellungsmethode ist EG-rechtlich nicht per se zu beanstanden. Allerdings kann aus der Freistellung nicht gefolgert werden, dass ein Ausschluss der Verluste DBA-rechtlich geboten ist.941 Ein DBA kann kein eigenständiges Besteuerungsrecht begründen, weshalb es sich beim Ausschluss ausländischer Verluste um eine rein innerstaatliche Norm bzw. nationale Rechtsprechung handelt.942 Diese Ausübung der Besteuerungskompetenz seitens eines Mitgliedstaates ist laut ständiger Rechtsprechung des EuGH – im Gegensatz zu der in DBA vorgenommenen, ausgewogenen Aufteilung von Besteuerungsaufkommen – an den Grundfreiheiten zu messen.943 Angesichts des Welteinkommensprinzips muss der ausländische Verlust beim Stammhaus trotz der Freistellungsmethode Berücksichtigung finden, wenn dies für den inländischen Fall ebenso gilt.944 Diese Einschätzung gilt umso mehr, als der deutsche Gesetzgeber selbst in der Vergangenheit eine steuerliche Norm (§ 2a Abs. 3 EStG 1997) einführte, die die Verrechnung von Ver-
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Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 36; BFH vom 28.06.2006, I R 84/04, BStBl. II 2006, Rn. III.2.; BFH vom 29.11.2006, I R 45/05, BFH/NV 2007, Rn. III.4.; Kube, IStR 2008, S. 308. Vgl. nur Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 611. Vgl. BFH vom 28.06.2006, I R 84/04, BStBl. II 2006, Rn. III.2.; Kommission (824 endgültig), Verluste, 2006, S. 6; a. A. Kube, IStR 2008, S. 308. Diese Rechtfertigung wurde vom EuGH auch nicht angeführt; vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 41 f. Vgl. OECD (Hrsg.), Commentary, 2004, Rn. 44 zu Art. 23A und 23B; Kessler/Janson/Schmitt, IStR 2001, S. 732; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 1998, S. 1040; vgl. auch BFH vom 08.03.1989, X R 181/87, BStBl. II 1989, Rn. 1.a). Die Rechtsprechung in einigen Mitgliedstaaten folgt ebenfalls dieser Auffassung vgl. Cordewener et al., ET 2004a, S. 140. Für Österreich vgl. VwGH vom 25.09.2001, 99/14/0217 E, IStR 2001, S. 754-755; für Luxemburg vgl. Winandy, IStR 2005, S. 596. Vgl. dazu Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 48-50 zu Art. 23, S. 1705 f; Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 10 f. Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 598 f.; Rehm/Nagler, IStR 2008a, S. 134; a. A. Wied, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 17 zu § 2a EStG. Vgl. auch Reichl/Wittkowski, IStR 2007, S. 389 f. In diese Richtung EuGH vom 29.03.2007, Rs. C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. I-2007, Rn. 43 f.; Schön, IStR 2004, S. 294; Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 15; Kessler/Janson/Schmitt, IStR 2001, S. 736.
162
lusten ausländischer Betriebsstätten erlaubte.945 Entsprechend dem Anerkennungsgrundsatz946 hat der deutsche Gesetzgeber damit bestätigt, dass ein Import ausländischer Verluste prinzipiell möglich und durchführbar ist. Andererseits sollte nicht vergessen werden, dass der Gesetzgeber 1999 diese Regelung u. a. deswegen wieder abschaffte, weil die tatsächliche Durchführbarkeit bezweifelt wurde.947 Laut des Schlussantrags und des Urteils des EuGH wird im Fall Lidl Belgium eine Rechtfertigung der Beschränkung auf Basis der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis und der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung bejaht.948 Ein pauschaler Ausschluss ist auch geeignet, die doppelte Verlustnutzung effektiv zu unterbinden und die ausgewogene Aufteilung sicherzustellen, allerdings ist er zu restriktiv und somit nicht erforderlich.949 Dabei stellt die Generalanwältin im Gegensatz zur Rechtsprechung im Fall M&S explizit auf die Liquiditätsnachteile ab, sofern ausländische Verluste nicht sofort verrechnet werden können.950 Demgemäß wird eine temporäre Verlustberücksichtigung mit anschließender Nachversteuerung als milder und damit verhältnismäßiger angesehen.951 Der EuGH folgt dem letzteren Argument jedoch nicht und bestätigt die Rechtsprechungslinie von M&S. Verluste ausländischer Betriebsstätten sind nur dann im Inland zu berücksichtigen, wenn sie endgültig nicht mehr im Quellenstaat geltend gemacht werden können.952 Die Gleichbehandlung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten hinsichtlich der Verlustverrechnung mag angesichts der oben vorgebrachten Argumente überraschen. Zugleich ist das Urteil Lidl Belgium vor dem Hintergrund des M&S-Urteils konsequent, da es keinen EG-rechtlichen Anreiz für eine bestimmte Rechtsform setzt, mit Hilfe derer Verluste grenzüberschreitend schneller und besser genutzt werden können. Die innerstaatliche Norm des § 2a Abs. 1 EStG kann schließlich ebenso wenig greifen und eine Verrechnung ausländischer Verluste ausschließen, denn nach ständiger Rechtsprechung des 945
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Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 23, 31; Rehm/Nagler, IStR 2008a, S. 135; Cordewener et al., ET 2004b, S. 225; Dautzenberg, FR 2001, S. 814. Vgl. EuGH vom 28.01.1986, Rs. 270/83 (Avoir fiscal), Slg. 1986, Rn. 20; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 395; Dörr, Intertax 2004, S. 184; Reimer, FR 2007, S. 218 f. Vgl. auch Kube, IStR 2008, S. 309; ausführlich dazu Kapitel 4.2.2.2.1. Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 37; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 12, 14, 16. Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 43, 47, 51; Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 24 f.; vgl. auch Dautzenberg, FR 2001, S. 814. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 27 f. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, 14.02.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 23-25; BFH vom 28.06.2006, I R 84/04, BStBl. II 2006, Rn. III.3.; vgl. auch schon Kessler/Janson/Schmitt, IStR 2001, S. 736; a. A. Kube, IStR 2008, S. 309. Vgl. EuGH vom 15.05.2008, Rs. C-414/06 (Lidl Belgium), Slg. I-2008, Rn. 51, 54; vgl. auch BFH vom 17.07.2008, I R 84/04, Rn. III.3.
163
EuGH ist sie als nicht EG-rechtskonform anzusehen.953 Diese Norm kann weder über die Kohärenz gerechtfertigt werden, noch ist sie in ihrer pauschalen Ausgestaltung als Missbrauchsbekämpfung verhältnismäßig.954 Ihr vornehmlicher Zweck besteht gerade darin, das Welteinkommensprinzip bei ausländischen Verlusten zu durchbrechen, um auf diese Weise die Steuereinnahmen zu erhöhen.955 Deutschland hat auf die offensichtliche EG-Rechtswidrigkeit mit der Veröffentlichung eines BMF-Schreibens reagiert, in dem § 2a Abs. 1 und 2 EStG bei allen EUund EWR-Sachverhalten für nicht anwendbar erklärt wird.956 Trotzdem stehen das Trennungsprinzip sowie die Freistellungsmethode in der derzeitigen Auslegung des BFH einem grenzüberschreitenden Verlustausgleich im Weg, so dass immer noch EG-rechtlicher Anpassungsbedarf besteht.
4.2.2. 4.2.2.1.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten Einschränkung des Verlustausgleichs
Eine konsequente Lösungsmöglichkeit ist die vollständige Umstellung der Unternehmensbesteuerung auf das Territorialitätsprinzip.957 In diesem Fall würden sämtliche ausländischen Einkunftsbestandteile, und damit auch die Verluste ausländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, ausnahmslos aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden.958 Auf Basis des FuturaUrteils wäre hiermit sowohl EG-Rechtskonformität hergestellt als auch der Ausschluss ausländischer Verluste gewährleistet. Dieses Szenario soll jedoch nicht weiter betrachtet werden959, schon alleine weil der damit verbundene Systemwechsel in der Unternehmensbesteuerung und der Verlust an Steueraufkommen diese Möglichkeit kaum realistisch erscheinen lassen. 953
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Vgl. EuGH vom 21.02.2006, Rs. C-152/03 (Ritter-Coulais), Slg. I-2006, Rn. 41; EuGH vom 29.03.2007, Rs. C347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. I-2007, Rn. 70; vgl. auch BFH vom 29.01.2008, I R 85/06, BFH/NV 2008, Rn. II.5.; Rehm/Nagler, IStR 2008a, S. 130; Wied, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 13 zu § 2a EStG. Vgl. EuGH vom 29.03.2007, Rs. C-347/04 (Rewe Zentralfinanz), Slg. I-2007, Rn. 51 f.; Cordewener, ET 2003, S. 302; Körner, Intertax 2003b, S. 494. § 2a Abs. 1 EStG schießt deutlich über das Ziel der Missbrauchsbekämpfung hinaus; vgl. Krüger, Stbg 1996, S. 545. Vgl. Cordewener et al., ET 2004b, S. 226; Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, S. 1480. So betrachtet ist diese Norm schon im innerstaatlichen Recht ein Systembruch; vgl. Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip, 1995, S. 133, 150 f. Vgl. BMF-Schreiben vom 30.07.2008, IV B 5 – S 2118-a/07/10014, BStBl. I 2008, Rn. 1, 3. Inzwischen wurde durch das Jahressteuergesetz 2009 die Gesetzesnorm selbst geändert. Die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 2a EStG findet nur noch auf Drittstaaten Anwendung. Vgl. Schnitger, IWB 2008, S. 841 f.; Beiser/Kühbacher, Grundfreiheiten, 2008, S. 139, 244; Haarmann, Verlustnutzung in der EU, 2004, S. 173 f.; Gutmann, EC Tax Review 2003, S. 156-158; a. A. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 261. Die Unternehmensbesteuerung in Frankreich basiert auf dem Territorialitätsprinzip; vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 52-55. Vgl. hierzu Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003b, Rn. 47 zu Art. 23, S. 1704. Auch die Kommission nennt dies nicht als eine der möglichen Alternativen, um auf das Urteil M&S zu reagieren; vgl. Kommission (824 endgültig), Verluste, 2006, S. 9 f.
164
Die Verlustverrechnungsmöglichkeiten könnten auch auf andere Weise in nicht-diskriminierender Weise eingeschränkt werden. So könnten die Verluste sowohl von inländischen als auch ausländischen Betriebsstätten partiell oder vollständig nicht mehr zur Verrechnung zugelassen werden. Ein solch weitreichendes Verrechnungsverbot ist angesichts der rechtlichen Identität von Stammhaus und Betriebsstätte verfassungsrechtlich und ökonomisch nicht haltbar und somit als ebenso wenig realistisch zu kennzeichnen.960 Demgegenüber ist die Einschränkung des Verlustausgleichs bei rechtlich selbständigen Gesellschaften, also die Abschaffung der körperschaftsteuerlichen Organschaft, prima facie nur eine Bestätigung des im deutschen Steuerrecht verankerten Trennungsprinzips und somit grundsätzlich denkbar.961 Bei Abschaffung der Organschaft wäre im Rahmen eines vertikalen Vergleichs – ein horizontaler Vergleich ist EG-rechtlich ohnehin nicht einschlägig – keine Diskriminierung mehr zu erkennen. Der Ausschluss ausländischer Verluste wäre in Parallelität zum Ausschluss inländischer Verluste dem systematischen Trennungsprinzip und nicht mehr dem jeweiligen Sitz der Tochtergesellschaft geschuldet. Somit wäre mit der Abschaffung der Organschaft ein EGrechtskonformer Zustand geschaffen962, der zugleich den direkten Import ausländischer Verluste ausschließt. Eine solche Lösung hätte zur Folge, dass das Nettoprinzip verletzt und die Rechtsformneutralität hinsichtlich der Verlustnutzung beeinträchtigt wird. Bei Tochterkapitalgesellschaften wäre eine Verlustverrechnung weder über die Organschaft noch über eine Teilwertabschreibung möglich. Wie gezeigt, hat ein Konzern jedoch den Anreiz, steuerliche Verluste so früh wie möglich innerhalb der Gruppe geltend zu machen. Folglich resultiert aus der Abschaffung der Organschaft für den Konzern die (verstärkte) Notwendigkeit, Steuerplanung zu betreiben, um Verluste steuerlich nutzen zu können. So könnte im Inland ein steuerlicher Anreiz geschaffen werden, Konzernebenen durch Verschmelzungen zu eliminieren, bis hin zur Schaffung eines Einheitsunternehmens, um die Verlustverwertung innerhalb der rechtlichen Einheit zu ermöglichen. Allerdings wird eine solche Strategie in einigen Fällen bereits steuerlich nicht vorteilhaft sein. Die Verschmelzung einer verlustträchtigen Gesellschaft auf eine gewinnbringende Gesellschaft führt aufgrund § 12 Abs. 3 960 961
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Gl. A. Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, S. 309 f. Es sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich möglich wäre, nach finnischem und schwedischem Vorbild das System der group contribution einzuführen, das EG-rechtlich unproblematisch (Rs. Oy AA) auf inländische Tochtergesellschaften beschränkt werden kann. Gl. A. Cordewener et al., ET 2004b, S. 232; Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1713; Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 4; Vanistendael, EC Tax Review 2003, S. 140; Gutmann, EC Tax Review 2003, S. 155; Schön, IStR 2004, S. 300; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 630; teilweise a. A. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 274.
165
UmwStG stets zum Untergang des Verlustvortrags der übertragenden Gesellschaft.963 Im umgekehrten Fall, nämlich der Verschmelzung einer gewinnbringenden Gesellschaft auf eine verlustträchtige Gesellschaft, ist der neu eingeführte § 8c KStG zu beachten.964 Eine downstreamVerschmelzung auf eine Verlustgesellschaft wird stets zum Verfall des Verlustvortrags führen. Allerdings könnte im Fall einer verlustträchtigen Muttergesellschaft eine upstreamVerschmelzung angezeigt sein, oder es werden Verschmelzungen zwischen Schwestergesellschaften (sidestream-Verschmelzungen) durchgeführt. Bei inländischen Verschmelzungen ist somit ein Übergang des Verlustes nicht immer gewährleistet. Die Strategie der Verschmelzung könnte auch für ausländische Tochtergesellschaften geboten sein. Eine grenzüberschreitende Verschmelzung ist aufgrund der EuGH-Rechtsprechung im Fall Sevic965 und der Richtlinie über grenzüberschreitende Verschmelzungen966 zivilrechtlich inzwi-
schen möglich.967 Allerdings ist nach geltendem Recht eine Besteuerung stiller Reserven nicht auszuschließen. Laut Art. 4 Abs. 1 der Fusionsrichtlinie ist nämlich eine Besteuerung nur für in Deutschland gelegene Betriebsstätten vermeidbar. Ob ein weitergehender Aufschub der Besteuerung EG-rechtlich geboten ist, hängt von der zukünftigen EuGH-Rechtsprechung ab.968 Selbst wenn eine Umwandlung steuerneutral gelingen sollte, unterliegen die Verluste der jetzigen EUBetriebsstätten dem Freistellungsregime. Laut der ständigen EuGH-Rechtsprechung gelingt eine Verrechnung dieser Verluste im Inland aber nur dann, wenn sie im Betriebsstättenstaat endgültig untergehen.969 So könnte eine Verlustberücksichtigung aufgrund des Urteils Lidl Belgium erzwungen werden, sofern die ausländischen Verluste im Quellenstaat nicht mehr abzugsfähig sind, z. B. weil der betroffene Mitgliedstaat Regelungen kennt, die einen Untergang bei Verschmelzung vorsehen. Eine solche Strategie ist jedoch mit Unwägbarkeiten behaftet.970 Unabhängig von der Möglichkeit des Verlustübergangs ist die Schaffung eines Einheitsunternehmens auch aus organisatorischen und haftungsrechtlichen Gründen nicht immer wünschenswert. Ins-
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Vgl. Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Rn. 104 zu § 12 UmwStG Vgl. auch BMF-Schreiben vom 04.07.2008, IV C 7 – S 2745-a/08/10001, BStBl. I 2008, Rn. 11; Orth, Verlustverwertungsstrategien, 2008, S. 1050 f. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-411/03 (Sevic Systems AG), Slg. I-2005, Rn. 31. Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (2005/56/EG). Dies gilt aufgrund der Sevic-Rechtsprechung auch für andere grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge; vgl. z. B. Veil, DK 2007, S. 99, 103. Zum Rechtsstand vor der Rechtssache Sevic; vgl. Lutter, in: Lutter/Winter, UmwG, 2004, Rn. 5-10 zu § 1, S. 134-140. Vgl. dazu Kapitel 4.3. Vgl. dazu Kapitel 4.2.1. Vgl. dazu Kapitel 4.2.2.2.1.
166
besondere größere Investitionen im Ausland werden im Regelfall über eine Kapitalgesellschaft getätigt.971 Ist also die Konzernstruktur nicht so leicht zu ändern, sollte zumindest Steuerplanung im Staat der Tochtergesellschaft betrieben werden mit dem Unterschied zur bisherigen Rechtslage, dass diese Überlegungen ebenso im Inland erwogen werden müssen. So könnte beispielsweise das Wertpapierdarlehen im Inland problemlos eingesetzt werden, um operative Verluste deutscher Tochtergesellschaften mit Gewinnen der Muttergesellschaft zu verrechnen, da § 8b Abs. 10 KStG im Inland vor allem Banken und Versicherungen als schädliche Verleiher trifft.972 Ebenso sollten die Gruppenbesteuerungsregime anderer Mitgliedstaaten, insbesondere diejenigen, die eine Verrechnung mit ausländischen Verlusten zulassen, genutzt werden.973 Wegen der negativen ökonomischen Auswirkungen einer Abschaffung der Organschaft gibt es auf Grundlage des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Bedenken. Der Gleichheitsgrundsatz solle gerade gewährleisten, dass vergleichbare Situationen wie eine Betriebsstätte und eine 100%-ige Tochtergesellschaft gleich besteuert werden.974 Auch das BMF stand bisher einer Abschaffung der Organschaft eindeutig ablehnend gegenüber975, zumal das jetzige Körperschaftsteuersystem keine andere Möglichkeit des interpersonalen Verlustausgleichs im Konzern bietet. Das britische Schatzamt lehnte ebenfalls die Abschaffung des group relief im Gefolge des M&SUrteils ab.976 Gerade weil dieses Urteil aus Sicht der Mitgliedstaaten milder ausfiel als erwartet, scheint die Abschaffung der Organschaft keine realistische Alternative zu sein.977 Selbst bei einer tatsächlich erfolgenden Abschaffung ist es zumindest denkbar, dass der BFH erneut eine Gruppenbesteuerung – wie schon die Organschaft – qua Richterrecht einführt978, wobei dieses Mal EG-rechtlich zwingend ausländische Tochtergesellschaften einbezogen werden müssen.
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Für die Gründe im Einzelnen vgl. Scheffler, Besteuerung, 2002, S. 201. Vgl. Häuselmann, DStR 2007, S. 1381; Hahne, FR 2007, S. 826; zur Gestaltung vgl. Ruf, FB 2008, S. 298. Vgl. dazu Kapitel 3.5.2.3. Vgl. Dörr, IStR 2004, S. 271; Balmes/Brück/Ribbrock, BB 2005, S. 970; Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 36 f.; a. A. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 217; a. A. bzgl. der Vergleichbarkeit Masui, Group Taxation, 2004, S. 35 f. Es ist zu betonen, dass Rechtsformneutralität kein allgemeines Verfassungsgebot darstellt; vgl. z. B. Drüen, GmbHR 2008, S. 401. Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Unternehmenssteuerrecht, 2001, S. 49. Vgl. HMRC, Corporation Tax, 2006, Rn. 6.16, 6.17. Vgl. Hey, GmbHR 2006, S. 119 f.; Englert/Pache, IStR 2007a, S. 48; Dörr, IStR 2004, S. 271. In diesem Sinne auch Kommission (824 endgültig), Verluste, 2006, S. 12. Schon 1902 wurde die Organschaft richterlich erwähnt und später fortentwickelt; vgl. Preußisches OVG vom 31.05.1902, VI G 38/01, OVGSt 10, S. 393 f.; RFH vom 11.11.1927, I A 75/27, RFHE 22, S. 187; RFH vom 23.02.1934, V A 480/33, RFHE 36, S. 42 f.; BFH vom 17.07.1952, V 17/52 S, BStBl. III 1952, S. 235.
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4.2.2.2.
Grenzüberschreitende Verlustverrechnung
Die Alternative zur Abschaffung ist die Erweiterung der körperschaftsteuerlichen Organschaft auf grenzüberschreitende Fälle. Diesbezüglich gibt es die Option, die Organschaft in ihrer bisherigen Form bestehen zu lassen, und die Verrechnung ausländischer Verluste über eine separate Norm zu regeln.979 Die zweite Option bei der Organschaft besteht darin, dass die Gruppenbesteuerung von Grund auf neu konzipiert wird, und ausländische Tochtergesellschaften einbezogen werden. Beide Erweiterungsoptionen sind entsprechend als Lösung für ausländische Betriebsstätten denkbar.980
4.2.2.2.1. Ausweitung auf ausländische Verluste
Bei erster Option wiederum hat man die Wahl zwischen einer großzügigen, über das M&S-Urteil hinausgehenden Regelung, d. h. sofortiger Import der Verluste, und einer strikten Anwendung des M&S-Urteils, d. h. Import der Verluste nur bei deren Untergang im Sitzstaat der Tochter bzw. der Betriebsstätte. Auf alle Fälle darf der Import der ausländischen Verluste nicht von einem Gewinnabführungsvertrag abhängig gemacht werden.981 Wenn die großzügigere Regelung umgesetzt würde, muss eine Nachversteuerungsregel etabliert werden.982 Gesetzestechnisch könnte das erreicht werden, indem in das Körperschaftsteuerrecht eine Regelung in Gestalt des § 2a Abs. 3 EStG 1997 integriert werden würde.983 Gemäß einer solchen Nachversteuerungsregel ist für den Fall der Gewinnerzielung bzw. der Verlustnutzung im Ausland der zuvor abgezogene Betrag in Deutschland nachzuversteuern.984 EG-rechtlich ist die Nachversteuerung nicht zu beanstanden, weil auch im Inlandsfall bei Anfall von Gewinnen automatisch eine „Nachversteuerung“ eintritt.985 Der Verlustausgleich in Deutschland wird deshalb nur solange gewährt, bis wieder Gewinne erzielt werden bzw. der Verlust im Sitzstaat der Tochtergesellschaft bzw. der Betriebsstätte verrechnet werden kann. Er dient folglich als tempo-
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So die präferierte Lösung bei Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 317. Vgl. hierzu auch Kommission (824 endgültig), Verluste, 2006, S. 10 f. Vgl. Englert/Pache, IStR 2007b, S. 848. Dies war die in Artikel 7 und 9 vorgesehene Methode in der geplanten, aber inzwischen zurückgezogenen (Abl. EU C5, 2004, S. 20) Verlustrichtlinie vom 06.12.1990 (90/595). Vgl. Dörr, IStR 2004, S. 269; vgl. auch Dötsch/Pung, DK 2006, S. 131. Zur Umsetzung in Österreich vgl. Althuber/Mang, IWB 2004, S. 618 f.; Hirschler/Schindler, IStR 2004, S. 510 f. DBA-rechtlich ist eine solche Nachversteuerung unbedenklich; vgl. OECD (Hrsg.), Commentary, 2004, Rn. 44 zu Art. 23A und 23B; Cordewener et al., ET 2004a, S. 141; Vogel, IStR 2002, S. 93. Vgl. Rehm/Nagler, IStR 2008a, S. 133. Der EuGH erkennt zwar in der Nachversteuerung – m.E. zu Unrecht – auf eine diskriminierende Beschränkung, sah diese jedoch durch die Kohärenz gerechtfertigt; vgl. EuGH vom 23.10.2008, Rs. C-157/07 (Krankenheim Ruhesitz GmbH), Slg. I-2008, Rz. 39, 43-45.
168
räre Liquiditätshilfe für den Konzern.986 Ein endgültiger Verlustabzug in Deutschland wird nicht angestrebt, um einen doppelten Abzug der Verluste sowohl in Deutschland als auch im Ausland auszuschließen. Lediglich in denjenigen Fällen, in denen eine Verlustnutzung im Ausland endgültig nicht mehr möglich ist, wird der Verlustabzug in Deutschland definitiv.987 In der Praxis ist eine für die Finanzbehörden administrativ taugliche Umsetzung der sachlich gebotenen Nachversteuerungsregel nicht so einfach. Das Urteil M&S hat in dieser Hinsicht eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen.988 So blieb im Urteil M&S ungeklärt, nach welchem Recht die ausländischen Verluste ermittelt werden989 und ob die Behandlung der Verluste im Quellenstaat für den Zeitpunkt der Nachversteuerung relevant sind. Es wäre bei ausländischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften sicherlich administrativ leichter, eine direkte Anbindung an das Steuerrecht des Auslands vorzunehmen, um den Verlust hinsichtlich der Höhe als auch des Zeitpunktes der Berücksichtigung zu bestimmen. Aus Unternehmenssicht implizierte dies vor allem keinen zusätzlichen Aufwand in Gestalt einer zusätzlichen Gewinnermittlung für ausländische Tochtergesellschaften.990 Aber nach internationalem und nationalem Steuerrecht ist es üblich, den im Ausland erwirtschafteten Gewinn oder Verlust nach den inländischen Gewinnermittlungsregeln des Wohnsitzstaates zu bestimmen.991 Daraus werden unterschiedliche Verlustansätze im In- und Ausland resultieren, die EG-rechtlich vor allem dann problematisch erscheinen, wenn der nach inländischen Vorschriften ermittelte Verlust im Ausland geringer ist als der nach ausländischen Vorschriften ermittelte Verlust im Ausland. Solche Disparitäten sind jedoch als Ausdruck nicht harmonisierter Gewinnermittlungsregeln EG-rechtlich hinzunehmen.992 Schließlich kommt es auf die Inländergleichbehandlung an, die nur sichergestellt ist, wenn der grenzüberschreitend Tätige seinen Gewinn genauso ermittelt wie der im Inland Tätige.993 Die absolute Höhe des Verlustabzugs ist ebenfalls umstritten. Um Anreize wegen der Steuersatzdifferenzen im Binnenmarkt abzuschwächen, wird vorgeschlagen, dass nur das im Ausland erzielbare Verlustnutzungspotential Berücksichtigung findet, also der ausländische Steuersatz für 986 987 988 989
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Vgl. Saß, BB 1991, S. 1161. A. A. Rehm/Nagler, IStR 2008a, S. 133. Vgl. dazu z. B. Lang, EC Tax Review 2005, S. 98-100. Im Urteil M&S wurde es zumindest implizit akzeptiert, dass die ausländischen Verluste nach inländischem Recht ermittelt wurden, vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 22. Vgl. auch Saiac, ET 2007, S. 553. Vgl. OECD (Hrsg.), Commentary, 2004, Rn. 39 zu Art. 23A und 23B; Gassner, FR 2004, S. 519; Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1714; Dötsch/Pung, DK 2006, S. 134. Für den § 2a Abs. 3 EStG 1997 (vormals § 2 AuslInvG) vgl. BFH vom 02.03.1989, IV R 128/86, BStBl. II 1989, Rn. 1; für Italien vgl. Dörr, DSWR 2004, S. 249; für Österreich vgl. Finkenzeller/Hirschler, RIW 2004, S. 563. Vgl. Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 311 f.; Hey, GmbHR 2006, S. 115; Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 4; Kröner, Verluste, 2006, S. 159; Klarmann, Organschaft, 2006, S. 78. Vgl. Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 4, 7; Scheunemann, IStR 2006, S. 150 f.; Intemann, NWB 2006, S. 5045 f.
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die Bewertung der Verluste auch im Inland relevant bleibt.994 Vor dem Hintergrund des Gebots der Inländergleichbehandlung ist eine solche Forderung jedoch nicht haltbar, relevant muss der inländische Steuersatz sein. Ein Nachversteuerungsbetrag ist schließlich zeitlich fortzuführen und in jedem Jahr gesondert festzustellen.995 Gerade bei längeren Zeiträumen erscheint das nicht unproblematisch.996 Weiterhin ist die Frage ungeklärt, ab wann ein Verlust als endgültig untergegangen zu gelten hat. Auf Basis des M&S-Urteils wird argumentiert, dass bereits eine abstrakte Verlustnutzungsmöglichkeit als gleichwertige Verlustnutzungsmöglichkeit ausreicht, um den Ausschluss ausländischer Verluste zu rechtfertigen.997 Eine solche Sicht schließt aber nahezu alle Fälle der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung aus998, weshalb es auf die konkrete Nutzung des Verlustes ankommen muss.999 Dann bleibt jedoch die Frage, ob ein Verlustvortrag schon als untergegangen zu gelten hat, wenn er voraussichtlich nicht mehr genutzt werden kann.1000 Ebenso bleiben im Urteil M&S Unterschiede bei den Verlustverrechnungsmodalitäten der Mitgliedstaaten unberücksichtigt.1001 Eine Kooperation zumindest der beiden beteiligten Länder erscheint vor diesem Hintergrund unabdingbar.1002 Denn die deutschen Finanzbehörden müssen die Verlustverrechnungsmodalitäten der 26 anderen Mitgliedstaaten kennen, um erkennen zu können, wann eine Nachversteuerung zu erfolgen hat. Ebenso müssen die Behörden die Missbrauchsregeln der 26 anderen Mitgliedstaaten kennen, um feststellen zu können, ob der Verlust in Deutschland definitiv wird, also eine Nachversteuerung zu unterbleiben hat. Das M&S-Urteil lässt in diesem Zusammenhang völlig ungeklärt, wie ein Unternehmen den Nachweis führen könnte, dass die Verluste tatsächlich nicht mehr im Quellenstaat geltend gemacht werden können.1003 Dieses Problem stellt sich umso mehr, sobald ein Nachweis vom Verhalten eines konzernfremden Steuerpflichtigen abhängt.1004 Aus ökonomischer Sicht wäre es ohnehin überzeugender, die Nachversteuerung davon abhängig zu machen, ob der übergegangene Verlustvortrag
994 995 996 997 998
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Vgl. Englert/Pache, IStR 2007a, S. 52; Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 8. Zum Erfordernis eines separaten Feststellungsverfahrens vgl. Englert/Pache, IStR 2007a, S. 52. Vgl. Reuß, IStR 1997, S. 675; vgl. auch Englert/Pache, IStR 2007a, S. 52. Vgl. Dötsch/Pung, DK 2006, S. 132. Lediglich estnische Verluste könnten geltend gemacht werden, da Estland aufgrund seines Körperschaftsteuersystems keinen Verlustvortrag oder -rücktrag kennt; vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 198. Vgl. Hey, GmbHR 2006, S. 115. Befürwortend Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 8; Scheunemann, IStR 2006, S. 148. Kritisch wegen der daraus folgenden Abgrenzungsprobleme Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, S. 1479. Vgl. Gammie, Intertax 2005, S. 488. Vgl. Lang, EC Tax Review 2005, S. 98; Dötsch/Pung, DK 2006, S. 134. Vgl. Hey, GmbHR 2006, S. 116. Für andere mit dem Urteil verbundene Probleme vgl. z. B. Lang, EC Tax Review 2005, S. 98 f.; Gammie, Intertax 2005, S. 488. Vgl. Scheunemann, IStR 2006, S. 149; Saiac, ET 2007, S. 553; Klarmann, Organschaft, 2006, S. 74 f.
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im Kaufpreis vergütet wurde.1005 Sollte das der Fall sein, ist die anschließende Behandlung des Verlustvortrags beim Käufer irrelevant. Schließlich können Missbrauchsregeln, z. B. aufgrund eines mehrjährigen Aktivitätsvorbehalts, oftmals noch mehrere Jahre nach Erwerb oder Umwandlung des Unternehmens zum nachträglichen Untergang eines Verlustvortrags führen. Dies hat wiederum Rückwirkung auf den Steuerbescheid der Mutter, der aufgrund seiner endgültigen Festsetzung u. U. nicht mehr geändert werden kann. Erneut ist unklar, wie der Sitzstaat der Mutter an solche Informationen noch Jahre nach dem Verkauf oder der Umwandlung der Tochter gelangen soll.1006 Die Erfahrung mit § 2a Abs. 3 EStG 1997 hat letztlich gezeigt, dass diese verwaltungstechnischen Probleme, insbesondere im Hinblick auf die Überprüfung des einschlägigen ausländischen Rechts, nicht unterschätzt werden dürfen.1007 Oftmals ist deswegen die nach § 2a Abs. 3 EStG 1997 gebotene Nachversteuerung unterblieben.1008 Damit ist aber die fiskalische Wirkung der Nachversteuerung zweifelhaft, weil es dennoch zu einem dauerhaften Verlust von Steueraufkommen kommen kann.1009 Dass die Nachversteuerung nach § 2a Abs. 3 EStG 1997 unterblieb, war sicherlich auch Resultat erhöhter Planungsaktivitäten der Steuerpflichtigen. Bei einer neu eingeführten Nachversteuerungsregelung wären ebenfalls Anreize für Steuerplanung festzustellen.1010 Der Konzern muss demnach seine Steuerplanung darauf ausrichten, nach dem Abzug der ausländischen Verluste in Deutschland eine Nachversteuerung zu vermeiden. Dieses Ziel kann der Konzern entweder auf Ebene der Muttergesellschaft oder auf Ebene der Tochtergesellschaft bzw. der Betriebsstätte versuchen zu erreichen. Bei Maßnahmen auf Ebene der Muttergesellschaft geht es im Wesentlichen darum, dass diese als Rechtsperson aufhört zu existieren bzw. in einem anderen Unternehmen aufgeht. Dementsprechend sollte der Nachversteuerungsbetrag der Mutter mit ihr untergehen.1011 Der zusätzliche Vorteil dieses Vorgehens besteht darin, dass immer noch die Möglichkeit besteht, den Verlust im Sitzstaat der Tochtergesellschaft bzw. der Betriebsstätte abzuziehen, also eine doppelte Verlustnutzung möglich ist. Um die Verbindung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft 1005 1006 1007
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Vgl. auch Hey, GmbHR 2006, S. 117; ebenfalls in diese Richtung Saiac, ET 2007, S. 552. Vgl. Lang, SWI 2005, S. 257. Vgl. BT-Drucksache 14/2070 vom 11.11.1999, S. 22; BT-Drucksache 14/23 vom 09.11.1998, S. 167; Probst, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2008, Rn. 32, 259 zu § 2a EStG. Für Zweifel an der Nachversteuerungsmethode in Österreich vgl. Kessler/Saavedra-Olarte, DB 2006, S. 2365. Vgl. BT-Drucksache 14/1514 vom 27.08.1999, S. 28 f.; Probst, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, 2008, Rn. 32, 35 zu § 2a EStG. Deshalb die Nachversteuerungsmethode ablehnend Englert/Pache, IStR 2007a, S. 48. Vgl. dazu auch Fuest/Hemmelgarn/Ramb, Wirtschaftsdienst 2005, S. 369. Vgl. auch Maiterth, DStR 2006, S. 915 f. Für diese Strategie im Zusammenhang mit § 2a Abs. 3 EStG 1997 vgl. Pach-Hanssenheimb, Steuerplanungsüberlegungen bei Verlusten, 2000, S. 147-149.
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bzw. Betriebsstätte zu kappen, kommen insbesondere eine Verschmelzung der Konzernmutter mit einer anderen Konzerntochter oder eine Umwandlung der Muttergesellschaft in Frage.1012 Beide Arten der Umwandlung sind für deutsche Fälle grundsätzlich steuerneutral möglich.1013 Zu bedenken ist jedoch, dass bei Verschmelzungen und Umwandlungen das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge gilt, worunter auch Steuerschulden fallen. Somit wäre es zumindest fraglich, ob nicht auch das Hinzurechnungsvolumen auf den neuen Rechtsträger übergeht.1014 Abgesehen davon könnte der Gesetzgeber ausdrücklich vorschreiben, dass festgestellte Beträge zur Nachversteuerung auf die neue Gesellschaft übergehen bzw. dass auch indirekte Beteiligungen der Mutter zugerechnet werden. Steuerplanungsmöglichkeiten auf Ebene der ausländischen Tochtergesellschaft versprechen demgegenüber größeren Erfolg. Hierbei muss der Verlustvortrag im Ausland wertlos verfallen, um Deutschland zur endgültigen Anerkennung des ausländischen Verlustes zu zwingen.1015 Wenn die ausländische Tochter bzw. Betriebsstätte dauerhaft verlustträchtig ist, bietet sich nicht nur aus steuerlichen Gründen eine sofortige Liquidation bzw. Auflösung an.1016 In diesem Fall entsteht kein Liquidationsgewinn, der eine nachträgliche Besteuerung auslösen könnte. Mit dem Untergang der Rechtspersönlichkeit der Tochter bzw. der Auflösung der Betriebsstätte geht entsprechend der Verlustvortrag unter bzw. wird der Verlust definitiv.1017 Wenn indes noch beträchtliche stille Reserven vorhanden sind, sollten Umstrukturierungsmaßnahmen ergriffen werden, die dazu führen, dass der ausländische Verlustvortrag verloren geht.1018 So wäre beispielsweise eine Umwandlung der Tochtergesellschaft in eine Personengesellschaft bzw. der Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft denkbar. Alternativ ist ein für den Verlustvortrag schädlicher Verkauf der Beteiligung innerhalb des Konzernkreises denkbar. Viele EU-Staaten kennen dem 1012
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Alternativ könnte auch die Beteiligung an der Tochtergesellschaft bzw. die Betriebsstätte in eine ausländische Konzerntochter eingebracht werden. Im Kontext von § 2a Abs. 3 EStG 1997 vgl. Pach-Hanssenheimb, Steuerplanungsüberlegungen bei Verlusten, 2000, S. 146, 147 und 149 f.; Krüger, Stbg 1996, S. 546. Gemäß §§ 11 und 12 UmwStG gilt dies für Verschmelzungen, während bei Umwandlungen § 4 Abs. 4, 5 UmwStG u. U. eine Besteuerung der Gesellschafter bzgl. der Gewinnrücklagen auslöst. Bei Körperschaften bleibt dieser Übernahmegewinn zu 95% steuerfrei (§ 4 Abs. 7 UmwStG). Vgl. Pach-Hanssenheimb, Steuerplanungsüberlegungen bei Verlusten, 2000, S. 148 f. Für diese Strategie im Zusammenhang mit § 2a Abs. 3 EStG 1997 vgl. Pach-Hanssenheimb, Steuerplanungsüberlegungen bei Verlusten, 2000, S. 143. Vgl. Scheunemann, IStR 2006, S. 148; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 635; Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, S. 1479. In Österreich kommt es bei Liquidation zu keiner Nachversteuerung vgl. Althuber/Mang, IWB 2004, S. 619; Danelsing, IStR 2005, S. 1346. Allerdings bleibt der Verlustvortrag einer aufgelösten Betriebsstätte im Ausland grundsätzlich nutzbar. Dementsprechend soll eine mögliche spätere Verlustnutzungsmöglichkeit bei wirtschaftlicher Betätigung des Stammhauses im ehemaligen Betriebsstättenstaat den Ausschluss ausländischer Verluste rechtfertigen; vgl. Kessler/Saavedra-Olarte, DB 2006, S. 2366 f. Wie weiter oben gezeigt, ist eine rein abstrakte Nutzungsmöglichkeit jedoch mit Vorbehalten zu sehen. Für diese Strategie im Zusammenhang mit § 2a Abs. 3 EStG 1997 vgl. Pach-Hanssenheimb, Steuerplanungsüberlegungen bei Verlusten, 2000, S. 146 f.; Reuß, IStR 1997, S. 674 f.; Inzelmann/Mutscher, IStR 1999, S. 42.
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deutschen Steuerrecht vergleichbare Regelungen, die in solchen Fällen den Untergang des Verlustvortrags vorsehen.1019 Allerdings ist bei Umwandlungen zu bedenken, dass manche Staaten den Übergang des Verlustvortrags zulassen.1020 Selbst wenn das nicht möglich sein sollte, könnte Deutschland darauf bestehen, dass im Zuge der Umwandlung stille Reserven, sofern es das ausländische Recht zulässt, aufzudecken sind, damit das Unternehmen auf diese Weise den Vorgaben des M&S-Urteils entspricht.1021 Grundsätzlich könnte Deutschland vor Anerkennung der ausländischen Verluste die Ausschöpfung weiterer Möglichkeiten im Ausland verlangen, wie z. B. die Nutzung einer Gruppenbesteuerung im Ausland.1022 Zusätzlich sind allgemeine Missbrauchsregeln seitens Deutschlands denkbar. So könnte in Analogie zu § 2a Abs. 4 EStG bei Umwandlung, Liquidation und Gesellschafterwechsel vom Gesetz eine Nachversteuerung erzwungen werden.1023 Ob eine solche Missbrauchsregel vor dem Hintergrund der EG-rechtlichen Anforderungen überhaupt verhältnismäßig sein kann, ist überaus fraglich.1024 Abgesehen davon verlangt das M&S-Urteil gerade, dass ein EU-Verlust genau einmal in der EU verrechnet werden kann.1025 An dieser Anforderung muss eine allgemeine Nachversteuerungsregel bei typisierten Missbräuchen scheitern.1026 Die Anerkennung ausländischer Verluste ist so gesehen für Deutschland EG-rechtlich nicht zu umgehen. Im Übrigen könnten Missbrauchsregeln von großen Konzernen relativ leicht umgangen werden. Eine inländische Vorschrift beispielsweise, die die Ausnutzung ausländischer Gruppenbesteuerungsregime erzwingen will, kann relativ leicht umgangen werden, indem die ausländischen Tochtergesellschaften eines Landes einer Holding in einem anderen EU-Land oder direkt der Muttergesellschaft unterstehen. Da sämtliche Gruppenbesteuerungssysteme als Voraussetzung die Beherrschung der Tochterge1019
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Für einen Überblick vgl. Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 229 f., 235; Saiac, ET 2007, S. 556561; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 635 f. Zu dieser Steuergestaltung vgl. z. B. Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 638; Hey, GmbHR 2006, S. 117; Thömmes, IWB 2005, S. 940. Vgl. Kessler/Saavedra-Olarte, DB 2006, S. 2365 f. Für die Umwandlung einer Betriebsstätte vgl. Inzelmann/Mutscher, IStR 1999, S. 42. Deutschland erlaubte bis 2006 bei Verschmelzung zweier Kapitalgesellschaften den Übergang des Verlustvortrags (§ 12 Abs. 3 UmwStG 2002). Vgl. Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 635, 637; Kessler/Saavedra-Olarte, DB 2006, S. 2366 f. Dies sah auch § 2a Abs. 3 EStG 1997 vor; vgl. Kamphaus/Niepoth, IStR 1996, S. 12 f. So z. B. Dänemark; vgl. Amby, Denmark, 2004, S. 245 f. So sah die geplante Verlustrichtlinie vom 06.12.1990 in Artikel 8 und 10 vor, dass bei Veräußerung, Umwandlung und Liquidation, aber auch bei bloßem Zeitablauf (fünf Jahre) eine Nachversteuerung erfolgte; vgl. Saß, BB 1991, S. 1162, 1164. Zwar hat der EuGH im Urteil M&S den Mitgliedstaaten zugestanden, möglichen Missbrauch zu bekämpfen; vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 57. Allerdings wird auf die einschlägige Rechtsprechung zur Missbrauchsbekämpfung verwiesen; vgl. nur EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 52; Meussen, ET 2005, S. 286; Hey, GmbHR 2006, S. 117. Ausführlicher dazu Kapitel 2.2.3.3. und 4.1. Vgl. auch Meussen, ET 2006, S. 337; Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, S. 1478. Vgl. dazu auch das sehr spezielle Missbrauchsbeispiel bei Scheunemann, IStR 2006, S. 150.
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sellschaft verlangen, also mindestens 50% der Stimmrechte1027, ist die Errichtung einer Gruppenbesteuerung nicht möglich. Ebenso kann die Gewinnsituation der verlustträchtigen Tochter durch Gewinnverlagerung mittels Transferpreisen und der Finanzierung beeinflusst werden.1028 Alternativ könnten profitable (Teil-)Betriebe von verlustgenerierenden Tochtergesellschaften steuerneutral in profitable Gesellschaften des Konzerns eingebracht werden, so dass keine Nachversteuerung droht.1029 Es ist also realistisch anzunehmen, dass Unternehmen mittels Steuerplanung den Ansatz von Verlusten in gewissem Maße lenken können. Die Gefahr eines Verlustverkehrs relativiert sich für Deutschland, weil es aufgrund der Senkung des Körperschaftsteuersatzes1030 auf 15% nur noch wenige Mitgliedstaaten mit geringeren Steuersätzen gibt und selbst bei diesen Staaten – mit Ausnahme Estlands – die Differenz zu Deutschland maximal 5%-Punkte beträgt. Angesichts der Senkung des Steuersatzdifferentials zugunsten Deutschlands treten beim Import ausländischer Verluste neben dem Steuersatz- und dem Zinseffekt1031 andere Faktoren in den Vordergrund, wie z. B. zusätzliche Bilanzierungskosten bei einer ausländischen Tochtergesellschaft oder Steuerplanungskosten für die Vermeidung der Nachversteuerung. Oftmals wird es für einen deutschen Konzern nicht vorteilhaft sein, die Nachversteuerung zuvor abgezogener ausländischer Verluste zu vermeiden, insbesondere wenn der ausländische Steuersatz höher ist (Steuersatzeffekt). Demgegenüber wird es regelmäßig vorteilhaft sein, den ausländischen Verlust bis zur Nutzung im Ausland sofort in Deutschland geltend zu machen, um zumindest einen Zinsvorteil zu erzielen.1032 Unabhängig vom Steuersatz ist es immer ratsam, ausländische Verluste in Deutschland wirksam werden zu lassen, wenn sich die Möglichkeit einer doppelten Verrechnung von Auslandsverlusten (double dip) ergibt.1033 Ebenso ist es vorteilhaft, ausländische Verluste in Deutschland wirksam werden zu lassen, wenn sie im ausländischen Staat nicht (mehr) verrechnet werden dürfen.1034 Praktisch bedeutsam ist insbesondere die zeitliche Beschränkung von Verlustvorträgen in anderen Mitgliedstaaten, welche einen Import von Verlusten europarechtlich nahe legen bzw. erzwingen. So sind vor allem in Mitgliedstaaten mit ohnehin niedrigen Steuersätzen Beschrän-
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Vgl. z. B. Masui, Group Taxation, 2004, S. 38. In diesem Sinne schon Saß, BB 1991, S. 1162. Vgl. dazu auch Ewald, IStR 2006, S. 157. Eine mögliche Reaktion auf die Gefahr des Verlustverkehrs; vgl. auch Ewald, IStR 2006, S. 158. Zu diesen Effekten vgl. Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 638; Ewald, IStR 2006, S. 156. Vgl. hierzu die Barwertrechnungen bei Ewald, IStR 2006, S. 156; vgl. auch Scheffler, BFuP 2005, S. 170, 174. Abhängig von den zusätzlichen Bilanzierungskosten bei einer Tochtergesellschaft und dem Zeitpunkt der Verlustnutzung im Ausland sollte ein sofortiger Abzug prinzipiell in einem Zinsvorteil resultieren. Bei Betriebsstätten ist stets ein Zinsvorteil gegeben; vgl. auch Scheffler/Zuber, DStR 1992, S. 197. Vgl. Scheunemann, IStR 2006, S. 154. Vgl. auch Scheffler, BFuP 2005, S. 170.
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kungen des Verlustvortrags zu verzeichnen.1035 Länder wie Lettland und Slowenien erlauben lediglich einen Vortrag über fünf Jahre, während dieser in Deutschland und Frankreich zeitlich unbegrenzt möglich ist.1036 Demgemäß sind Konstellationen, in denen Verluste aus Niedrigsteuerländern in Hochsteuerländern definitiv werden, schon ohne unternehmerische Steuerplanung durch den bloßen Ablauf der Zeit möglich.1037 Zusätzlich erfahren die Mitgliedstaaten Anreize, ihre Verlustverrechnungssysteme restriktiver als bisher auszugestalten.1038 Zeitliche und betragsmäßige Beschränkungen könnten eingeführt oder verschärft werden, sofern der jeweilige Mitgliedstaat davon ausgehen kann, dass ein anderer Mitgliedstaat die Verluste übernehmen muss. Eine weitere, denkbare Beschränkung macht die Abzugsfähigkeit des Verlustes von vornherein davon abhängig, ob der Verlust nicht woanders geltend gemacht werden kann. Dies könnte gar dazu führen, dass am Ende der Verlust in keinem Mitgliedstaat abgezogen werden kann.1039 Schließlich könnten Mitgliedstaaten dazu übergehen, die Gruppenbesteuerung komplett abzuschaffen.1040 Um solche Anreize auf Staatenebene zu beseitigen, wäre es zwar denkbar, die Verlustverrechnungsmodalitäten in zeitlicher Hinsicht EU-weit zu harmonisieren.1041 Allerdings ist eine Harmonisierung der Verlustverrechnung mehr als unwahrscheinlich, weil die Staaten auf einen solch wichtigen Bereich ihrer Steuersouveränität nicht verzichten werden.1042 Die obigen Probleme bestehen ebenfalls, wenn auch in abgemilderter Form, bei einer restriktiven Umsetzung des M&S-Urteils, das einen Import ausländischer Verluste nur im Falle ihres endgültigen Untergangs zulässt.1043 In diesem Fall ist eine administrativ aufwendige Nachversteuerungsregel nicht mehr notwendig, und fiskalische Bedenken erscheinen angesichts des späteren Importes der Verluste im Vergleich zum obigen Szenario geringer. Allerdings gibt es neben dem gerade beschriebenen Problem des automatischen, zeitlichen Verfalls von Verlustvorträgen nach wie vor Möglichkeiten der Steuerplanung. So ist beispielsweise eine Liquidation denkbar, um die Anerkennung ausländischer Verluste im Inland herbeizuführen. Ebenso verbleiben adminis1035 1036 1037 1038
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Zu dieser Problematik vgl. auch Saiac, ET 2007, S. 551 f.; Hey, GmbHR 2006, S. 116. Für einen Überblick vgl. z. B. Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 9. Vgl. auch Müller/Müller, GmbHR 2006, S. 303; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 633. Vgl. dazu auch Balmes/Brück/Ribbrock, BB 2005, S. 968; Herzig/Englisch/Wagner, DK 2005, S. 314; Scheunemann, IStR 2006, S. 148; Kahle, WPg 2006, S. 1404; Maiterth, DStR 2006, S. 916. Thömmes spricht vom ‚ „Schwarzer Peter-Spiel“ um Verluste’; Thömmes, IWB 2005, S. 939. So geschehen in Slowenien 2007 – wohl auch wegen befürchteter Mindereinnahmen; vgl. Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 92, S. 42. Daneben verfügen Belgien, Bulgarien, Estland, Griechenland, Litauen, Rumänien, die Slowakei, die Tschechische Republik und Ungarn über kein System der Gruppenbesteuerung (Quelle: Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook 2008). Eine weitere Lösung bestünde in der Schaffung eines grenzüberschreitenden Verrechnungssystems zwischen den Mitgliedstaaten; vgl. Kommission (824 endgültig), Verluste, 2006, S. 10. So wurde eine Harmonisierung bereits in einem Richtlinienvorschlag vom 11. September 1984 (84/404) angedacht, jedoch im Jahr 1997 endgültig zurückgezogen (Abl. EG C2, 1997, S. 6). Vgl. z. B. Maiterth, DStR 2006, S. 916, 918. Diesen Weg hat England nach dem M&S-Urteil beschritten; vgl. HMRC, Finance Act, 2006, Chapter 2 i. V. m. Schedule 1, S. 28, 149-163.
175
trative Schwierigkeiten, insbesondere was die Ermittlung des relevanten Verlustes angeht und die Frage, wann ein Verlust endgültig untergegangen ist.1044 Verfahrensrechtlich heikel ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, in welchem Veranlagungszeitraum der ausländische Verlust bei der Mutter nachträglich berücksichtigt werden soll. Denkbare Zeitpunkte sind das Jahr der Entstehung des Verlustes, das Jahr des Verfalls des Verlustes oder aber das Jahr der Bestandskraft des ausländischen Steuerbescheides, der bestätigt, dass der Verlust tatsächlich untergegangen ist.1045 Wiederum stellt sich bei der Mutter die Problematik, ob ein bereits bestandskräftiger Bescheid noch rückwirkend geändert werden kann.1046 Bei beiden Lösungen der Einbeziehung ausländischer Verluste entstehen also administrative Probleme, die die Anerkennung der Verluste bzw. die Handhabung der Nachversteuerung erschweren dürften. Ebenso kann unternehmerische Steuerplanung und damit ein Verlustverkehr innerhalb der EU nicht ausgeschlossen werden. Die Erfahrungen in Deutschland mit § 2a Abs. 3 EStG 1997 zeigen, dass Unternehmen tatsächlich von solchen Steuerplanungsmöglichkeiten Gebrauch machen.1047 Dieses Ergebnis kann jedoch nicht überraschen, da der Import ausländischer Verluste eine systematische Inkonsistenz im Hinblick auf das in Deutschland übliche Freistellungssystem ist. Letztlich wirkt ein solcher Import wie eine steuerliche Subvention ausländischer Investitionen.1048 Schließlich ist zu bedenken, dass die Organschaft nicht nur in Bezug auf ausländische Verluste diskriminierend wirkt, woran eine isolierte Berücksichtigung ausländischer Verluste nichts ändern könnte. Eine vollständige Neukonzeption der Gruppenbesteuerung ist damit (auch) vor dem Hintergrund des EG-Rechts ernsthaft zu bedenken.
4.2.2.2.2. Ausweitung auf ausländische Gewinne und Verluste
Bei einer grundlegenden Neugestaltung der Organschaft würden alle inländischen und ausländischen Tochtergesellschaften einbezogen, sofern sie von der Muttergesellschaft beherrscht wer1044
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Dürrschmidt und Schiller sehen bei der Nachprüfbarkeit keine größeren Probleme; vgl. Dürrschmidt/Schiller, EuR 2006, S. 281. Zumindest bei Käufen durch Dritte verbleiben die bereits angesprochenen Schwierigkeiten. Vgl. auch Saiac, ET 2007, S. 554. Vgl. Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, S. 1479; Linn/Reichl/Wittkowski, BB 2006, S. 638; Schnitger, IWB 2008, S. 836. Dies gilt umso mehr bei einer Änderung des Steuerbescheids der ausländischen Tochter, die eine Nutzung der Verluste, die bereits bei der Mutter anerkannt wurden, bei der Tochter doch ermöglicht; vgl. Hey, GmbHR 2006, S. 117. Vgl. Reuß, IStR 1997, S. 674 f. Vgl. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 290 f.; Kahle, IStR 2007, S. 759 f.; Maiterth, DStR 2006, S. 915, 918; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Internationale Kapitaleinkommensbesteuerung, 1999, S. 110; ebenfalls kritisch Kube, IStR 2008, S. 310.
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den. Die bisherige Anforderung eines Gewinnabführungsvertrags müsste dann aufgegeben werden.1049 Bei Vorliegen der Voraussetzungen würden positive wie auch negative Ergebnisse der Muttergesellschaft hinzugerechnet und bei dieser besteuert – unabhängig von den tatsächlichen Ausschüttungen.1050 Aufgrund des nunmehr systematischen Einbezugs der ausländischen Gewinne und Verluste ist eine Nachversteuerungsregel grundsätzlich hinfällig. Eine Nachversteuerung zuvor abgezogener Verluste erfolgt im Staat der Muttergesellschaft automatisch bei nachfolgenden Gewinnen der ausländischen Tochtergesellschaft.1051 Diese Erweiterung auf Gewinne und Verluste ist auch für Betriebsstätten möglich und würde letztlich dem geltenden Welteinkommensprinzip entsprechen. Eine diskriminierungsfreie Einbeziehung ausländischen und inländischen Einkommens wäre zweifelsfrei gemeinschaftsrechtskonform. Um die bei Gewinnen drohende Doppelbesteuerung zu verhindern, muss in Deutschland eine Entscheidung getroffen werden, ob die ausländischen Gewinne gemäß der Freistellungs- oder der Anrechnungsmethode besteuert werden. Angesichts der bisherigen Praxis in deutschen DBA wäre eine Entscheidung zugunsten der Freistellungsmethode zu erwarten, wie es derzeit schon für Betriebsstätten der Fall ist. Die daraus resultierende Asymmetrie erzeugt aber die oben beschriebenen Probleme der unternehmerischen Steuerarbitrage. Deshalb ist es unter diesem Gesichtspunkt ratsam, ausländische Steuern auf die inländische Steuerschuld anzurechnen, wie dies bereits Dänemark und Italien praktizieren.1052 Damit könnten die Anreize für den steuerplanerischen Import ausländischer Verluste reduziert werden. Allerdings drohen bei einer solchen Lösung insbesondere administrative und völkerrechtliche Probleme. Eine ausführliche Analyse dieser Problembereiche wird im Rahmen der vom Verfasser als umfassende Lösung vorgeschlagenen Wohnsitzbesteuerung in Kapitel 5 erfolgen.
4.3. 4.3.1.
Wegzugsbesteuerung Die EuGH-Rechtsprechung zur Wegzugsbesteuerung
Da es sich bei den in Kapitel 3.5.3.2. beschriebenen Steuernormen trotz aller Unterschiede im Detail letztlich um eine Abschlussbesteuerung nicht realisierter, stiller Reserven handelt1053, sollen diese gemeinsam EG-rechtlich gewürdigt werden. Auf jeweilige Besonderheiten der einzel1049 1050 1051 1052
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Vgl. Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 8; Englert/Pache, IStR 2007a, S. 50. Dafür plädiert z. B. Maiterth, DStR 2006, S. 918. Vgl. Saß, BB 1999, S. 448. Vgl. auch Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 11. Für Dänemark vgl. Amby, Denmark, 2004, S. 241; für Italien vgl. Giaconia, Italy, 2004, S. 386. A. A. hinsichtlich der Funktionsverlagerung Jahndorf, FR 2008, S. 109; Schreiber, Ubg 2008, S. 434.
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nen Regelungen, die EG-rechtlich relevant sein können, wird an entsprechender Stelle hingewiesen.1054 Unabhängig von der EuGH-Rechtsprechung stellt die Fusionsrichtlinie eine EG-rechtliche Mindestanforderung für die Besteuerung stiller Reserven dar. In dieser Richtlinie ist nämlich festgelegt, dass bei grenzüberschreitenden Umwandlungen und bei der Sitzverlegung einer S.E. für diejenigen stillen Reserven eine aufgeschobene Besteuerung geboten ist, bei denen das Besteuerungsrecht des bisherigen Sitzstaates aufrechterhalten bleibt.1055 Das ist für alle Wirtschaftsgüter der Fall, die einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden können und in der Folgezeit zum Ergebnis dieser Betriebsstätte beitragen.1056 Eine Abschlussbesteuerung dieser Wirtschaftsgüter ist aus fiskalischer Sicht auch nicht erforderlich, da sie aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Betriebsstätte zumindest über die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland erfasst werden. Alle anderen Wirtschaftsgüter hingegen können gemäß der Fusionsrichtlinie einer Sofortbesteuerung unterliegen. Unter der Maßgabe der Fusionsrichtlinie ist das deutsche Recht zur Besteuerung stiller Reserven nicht (mehr) zu beanstanden.1057 Denn die Besteuerung greift nur dann, wenn Wirtschaftsgüter oder Funktionen über die Grenze verlagert werden. Auch bei der Sitzverlegung besteuert der deutsche Gesetzgeber nur solche Wirtschaftsgüter, die nicht mehr einer deutschen Betriebsstätte zugeordnet werden können. Offensichtlich hat Deutschland mit dem SEStEG die Abschlussbesteuerung den Vorgaben der Fusionsrichtlinie angepasst. Damit ist sichergestellt, dass Deutschland in den Fällen besteuern kann, in denen das deutsche Besteuerungsrecht durch Verlagerung von Wirtschaftsgütern verloren geht. Allerdings ist aufgrund des Vorrangs des Primärrechts die EuGH-Rechtsprechung zu beachten. In allen grenzüberschreitenden Fällen der Wegzugsbesteuerung wird ausschließlich die Niederlassungsfreiheit einschlägig sein, da die Gesellschaft im Sinne des Art. 48 EGV beim Wegzug oder beim Transfer von Wirtschaftsgütern bzw. von Funktionen besteuert wird.1058 Die Nichtbesteuerung stiller Reserven resultiert systematisch aus dem Realisationsprinzip. In dieser Hinsicht unterscheiden sich inländische und grenzüberschreitende Sachverhalte nicht, weil 1054
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Die strukturell gleiche Problematik tritt bei grenzüberschreitenden Umwandlungen auf, wie z. B. einer Herausverschmelzung, welche im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter vertieft werden. Vgl. Art. 1 und 10b der Fusionsrichtlinie; vgl. auch Schwenke, DStZ 2007, S. 239. Gemäß Art. 4 der Fusionsrichtlinie müssen für diese Wirtschaftsgüter sowohl der Wertansatz als auch die Abschreibungsmethode beibehalten werden. Vgl. auch Führich, ET 2008, S. 11. Zur alten Rechtslage vgl. z. B. Mössner, StbJb 2004/2005, S. 141 f. Vgl. auch EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 30; EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 45 f.; Schaden, Wegzug, 2006, S. 105; für § 1 AStG vgl. Rehm/Nagler, IStR 2008b, S. 425.
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in beiden Fällen das Unternehmen durch den bloßen Transfer von Wirtschaftsgütern oder Funktionen bzw. durch den Wegzug keinen Gewinn realisiert und damit keine liquiden oder leicht liquidisierbaren Mittel erhält.1059 Im Lichte dieser speziellen Steuerregelung können somit der im Inland erfolgende Transfer von Wirtschaftsgütern oder Funktionen mit seinem grenzüberschreitenden Pendant verglichen werden. Ebenso kann eine innerhalb Deutschlands wegziehende Unternehmung mit einer Unternehmung verglichen werden, die in einen anderen Mitgliedstaat wegzieht.1060 Im grenzüberschreitenden Fall muss die Unternehmung Steuern auf die verlagerten stillen Reserven zahlen, und erleidet deshalb Zins- und Liquiditätsnachteile im Vergleich zum rein nationalen Fall.1061 Es liegt eine Ungleichbehandlung dem Grunde nach vor, weil bei der Verlagerung von Wirtschaftsgütern über die Grenze Steuern anfallen, während dies für innerstaatliche Sachverhalte nicht der Fall ist. Es liegt folglich eine Outbound-Diskriminierung vor, die nicht aus systematischen Gründen – das Realisationsprinzip gilt ausschließlich für grenzüberschreitende Fälle nicht –, sondern aus dem Anknüpfungspunkt an das Ausland resultiert.1062 Es wird also für eine Unternehmung weniger attraktiv, die Niederlassungsfreiheit in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben.1063 Zwar stimmt es, dass den Korrekturnormen des § 1 AStG im Grundsatz vergleichbare Mechanismen (vGA sowie vKE) im Inland gegenüberstehen. Insoweit ist die EuGH-Rechtsprechung a priori nicht einschlägig. Allerdings kommt es bei der Einkünftekorrektur über § 1 Abs. 1 AStG zu einer Ungleichbehandlung dem Grunde nach. Während bei nationalen Sachverhalten eine verdeckte Einlage ein einlagefähiges Wirtschaftsgut voraussetzt, sieht § 1 Abs. 1 AStG in grenzüberschreitenden Fällen auch bei bloßen Nutzungsvorteilen, also bei grenzüberschreitenden Nutzungsüberlassungen oder Dienstleistungen, eine Korrektur vor.1064
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Vgl. Mössner, Deutschland, 1986, S. 134. So auch Schwenke, DStZ 2007, S. 241. Vgl. Eickmann/Stein, DStZ 2007, S. 727; Englisch, Intertax 2005, S. 322; Hahn, EG-Recht, 1999, S. 115 f. Unter der Annahme eines perfekten Kapitalmarktes ist im Barwert eine Abschlussbesteuerung jedoch nicht belastend, weshalb in diesem Fall die Liquiditätseffekte besondere Relevanz erlangen; vgl. Schreiber/Führich, Group Taxation, 2007, S. 19 f.; Ruf, StuW 2008, S. 69 f. Für den Transfer von Wirtschaftsgütern in eine EU-Betriebsstätte vgl. Cussons/Fitzgerald, EU Report, 2006, S. 77 f.; Kramer, IStR 2000, S. 451; Blumenberg/Lechner, BB 2006, S. 28; für § 1 AStG vgl. Kahle, DK 2007, S. 657; für die Sitzverlegung vgl. Kessler et al., DStZ 2004, S. 862; a. A. Wassermeyer, GmbHR 2004, S. 615, der eine Diskriminierung rein formal verneint, ohne zu bedenken, dass auch Outbound-Diskriminierungen zu rechtfertigen sind. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 45, 48; vgl. auch Tumpel, Besteuerungsmaßstäbe, 2000, S. 369; Malmer, Emigration taxes, 2002, S. 87. Vgl. Wassermeyer, Außensteuergesetz, 1997, S. 1059; Eicker/Röhrbein, WPg 2006, S. 1357; Fischer, DStR 2006, S. 2288; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 688; Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, S. 3; ernstlich an der EG-Rechtskonformität zweifelnd BFH vom 29.11.2000, I R 85/99, BFH/NV
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Eine Diskriminierung ist ebenfalls der Höhe nach gegeben. Bei Korrekturen durch § 1 Abs. 1 AStG kommt nämlich ein im Vergleich zum Inland unterschiedlicher Wertmaßstab zur Anwendung. Während bei einer (nationalen) verdeckten Einlage der Wertmaßstab des Teilwerts gilt, ist aufgrund § 1 Abs. 1 S. 3 AStG der Fremdvergleichspreis zu nehmen. Letzterer enthält nach Rechtsprechung des BFH eine Gewinnkomponente und ist somit im Regelfall höher.1065 Auch bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen gemäß § 1 Abs. 3 AStG findet sich eine Ungleichbehandlung dem Grunde nach. So ist es gerade erklärtes Ziel des Gesetzgebers, grenzüberschreitende Funktionsverlagerungen unterhalb des steuerlichen Teilbetriebs umfassender steuerlich zu erfassen.1066 Bei nationalen Sachverhalten greift eine Korrektur über die verdeckte Gewinnauschüttung bzw. die verdeckte Einlage nur für einzelne Wirtschaftsgüter und Teilbetriebe, nicht jedoch für die gesamte Funktion im Rahmen einer nationalen Funktionsverlagerung, die unterhalb des Teilbetriebs angesiedelt ist. Deshalb wird im nationalen Fall insbesondere kein anteiliger Geschäfts- oder Firmenwert bei solchen Verlagerungen erfasst. Die in der Literatur geäußerte Auffassung, dass bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen keine EG-rechtlich relevante Diskriminierung vorliege1067, ist deshalb zurückzuweisen.1068 Die Ungleichbehandlung zeigt sich auch der Höhe nach. Die Anpassungsklausel des § 1 Abs. 3 S. 12 AStG sieht eine rückwirkende Änderung bereits vereinbarter, steuerlich akzeptierter Verrechnungspreise vor, die im nationalen Fall nicht denkbar ist.1069 Auch die Mittelwertvermutung beim Einigungsbereich ist EG-rechtlich fraglich, weil im inländischen Fall wohl regelmäßig die für den Steuerpflichtigen günstigsten Werte gewählt werden können.1070 Die in der Literatur geäußerte Auffassung, dass die Einbeziehung ausländischer Standortvorteile keine Diskriminierung
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2001, Rn. II.6.; BFH vom 21.06.2001, I B 141/00, BFH/NV 2001, Rn. II.3.; FG Düsseldorf vom 19.02.2008, 17 K 894/05 E, EFG 2008, Rn. III.3. Der Rechtsstreit ist anhängig beim BFH (I R 26/08) und beim EuGH. Vgl. BFH vom 17.12.1997, I B 96/97, BFH/NV 1998, Rn. II.5.c); Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 76; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 688; Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, S. 3. Ob die Regelung des § 1 Abs. 1 AStG, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten über die Korrekturnorm der vKE hinaus der Fremdvergleichsgrundsatz greifen soll, sofern der ermittelte Wert höher ist, eine weitere Diskriminierung der Höhe nach beinhaltet, ist strittig. Die vKE schließt regelmäßig eine schuldrechtliche Beziehung im Sinne des § 1 Abs. 5 AStG aus; vgl. Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2007, S. 719. Vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 FVerlV; vgl. auch Frotscher, FR 2008, S. 52; Schreiber, Ubg 2008, S. 434. Vgl. dazu Jahndorf, FR 2008, S. 109 f. Gl. A. Dörr/Fehling, NWB 2007, S. 9389. Vgl. Wassermeyer, DB 2007, S. 539. Die Fragwürdigkeit wird noch dadurch größer, dass der Gesetzgeber praxisunübliche Vermutungen trifft, wie z. B. eine zehnjährige Preisanpassungsklausel; vgl. Scholz, IStR 2007, S. 524; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, S. 1654. Vgl. Wassermeyer, DB 2007, S. 537 f.; Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, S. 5. Sämtliche Ungleichbehandlungen zu Lasten des grenzüberschreitenden Falls im Überblick bei Schreiber, Ubg 2008, S. 442.
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darstelle1071, ist somit zurückzuweisen, da dieses Vorgehen gerade in höheren Korrekturwerten im Vergleich zum Inlandsfall resultiert. Nicht gerechtfertigt werden muss hingegen die Gefahr einer Doppelbesteuerung, die aus einseitigen Transferpreisberichtigungen resultiert, da dies nach ständiger Rechtsprechung Ausdruck der Disparität der mitgliedstaatlichen Steuersysteme ist. Ebensowenig muss die Bewertungssystematik der Funktionsverlagerung als solche EG-rechtlich gerechtfertigt werden.1072 Denn im Rahmen der Geschäftschancenlehre des BFH muss für verdeckte Einlagen und verdeckte Ausschüttungen ebenfalls eine Gesamtbewertung durchgeführt werden, bei der Preisuntergrenzen und Preisobergrenzen zu bestimmen sind.1073 Auch die Sitzverlegung entzieht sich nicht einer EG-rechtlichen Überprüfung. Laut des Daily Mail-Urteils kann zwar eine juristische Person „[j]enseits der jeweiligen nationalen Rechtsord-
nung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, […] keine Realität“ haben.1074 Da eine juristische Person in Deutschland gemäß der Sitztheorie nach dem Wegzug nicht mehr existiert1075, sei sie deshalb auch nicht durch die Grundfreiheiten geschützt.1076 Allerdings kann jede Gesellschaft ab dem Zeitpunkt ihrer Gründung die ihr zustehenden Rechte aus den Grundfreiheiten beanspruchen.1077 Unbeschadet der zivilrechtlichen Einordnung des Wegzugs muss eine steuerliche Diskriminierung auf jeden Fall EG-rechtlich gerechtfertigt werden.1078 Zudem findet die derzeit geltende Sitztheorie keine Anwendung auf die S.E., die innerhalb der EU ihren Sitz verlegen kann, ohne ihren Status als rechtliche Einheit zu verlieren (Art. 8 Abs. 1 S.E.-Verordnung). Auf diese Weise könnte das obige Problem leicht umgangen werden, sofern eine deutsche Unternehmung nicht dem Schutz der Grundfreiheiten unterfallen würde.1079 Ohnehin wird die zivilrechtliche Problematik der Sitzverlegung in naher Zukunft durch Änderungen im nationalen und internatio1071 1072
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Vgl. dazu Jahndorf, FR 2008, S. 110. A. A. Frotscher, FR 2008, S. 57. Fragwürdig ist zwar die Annahme einer ewigen Rente, da bei immateriellen Wirtschaftsgütern die Produktlebenszyklen zeitlich begrenzt sind; vgl. Frotscher, FR 2008, S. 56; Günter, WPg 2007, S. 1087; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, S. 1653; Kahle, DK 2007, S. 652. Dieser Einwand relativiert sich wegen der Möglichkeit der Widerlegung dieser Annahme. Vgl. dazu Brüninghaus, WPg-Sonderheft 2006, S. S134 f., S137; Bernhardt/van der Ham/Kluge, IStR 2008, S. 4 f.; Schreiber, Ubg 2008, S. 435-437; Günter, WPg 2007, S. 1084; Borstell/Jamin, Verlagerung, 2008, S. 786. EuGH vom 27.09.1988, Rs. 81/87 (Daily Mail), Slg. 1988, Rn. 19; bekräftigt durch EuGH vom 16.12.2008, Rs. C-210/06 (Cartesio), Slg. 2008, Rn. 124. Zur derzeitigen Rechtslage vgl. z. B. Franz/Laeger, BB 2008, S. 679. Vgl. Thiel, DB 2004, S. 2608; Körner, Gewinnverlagerung, 2004, S. 211; Kindler, DK 2006, S. 814; Frotscher, IStR 2006, S. 69 f. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Maduro, 22.05.2008, Rs. C-210/06 (Cartesio), Slg. I-2008, Rn. 23, 25, 27, 30 f.; EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-411/03 (Sevic Systems AG), Slg. I-2005, Rn. 16-19; Grohmann/Gruschinske, GmbHR 2008, S. 30. Vgl. Schön, IStR 2004, S. 297; van Thiel, EC Tax Review 2003, S. 9 f.; Hahn, EG-Recht, 1999, S. 113; Laule, EuGH-Rechtsprechung, 2003, S. 35; Kommission, Wegzugsbesteuerung, 2006, S. 6. Vgl. Reichert, DK 2006, S. 825, 832. Unstrittig kann sich eine S.E. bei einer Beschränkung durch eine Abschlussbesteuerung auf die Niederlassungsfreiheit berufen; vgl. Weber, ET 2003, S. 353.
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nalen Gesellschaftsrecht maßgeblich entschärft, weil in Deutschland spätestens ab 2009 die Gründungstheorie die Sitztheorie ersetzen wird.1080 Vom Fall des Wegzugs zu trennen ist schließlich der Fall einer tatsächlichen Auflösung der Gesellschaft mit nachfolgender Abwicklung. Die auf Grundlage von § 11 KStG durchgeführte Schlussbesteuerung ist a priori EGrechtlich nicht relevant. Es fehlt an einer diskriminierenden Behandlung, da auch im Inlandsfall eine Schlussbesteuerung anfällt.1081 Somit ist für jede Art von Abschlussbesteuerung, die in Kapitel 3.5.3.2. beschrieben wurde, zu konstatieren, dass eine Beschränkung vorliegt, die gerechtfertigt werden muss. Diese Argumentation befindet sich im Einklang mit der Betrachtung der Zielsetzung einer Steuernorm durch den EuGH. Gemessen am Ziel des Realisationsprinzips ist es nämlich nicht konsequent, stille Reserven beim Grenzübertritt zu besteuern, während dies in rein inländischen Fällen nicht geschieht. Selbst die steuerliche Behandlung der Überführung von Anlagevermögen in die EU-ausländische Betriebsstätte eines deutschen Stammhauses ist EG-rechtlich fragwürdig. Denn der passive Ausgleichsposten wird durch seine pauschale Auflösung dem Einzelfall nicht gerecht und kann abhängig von der tatsächlichen Nutzungsdauer oder Veräußerung zu einer vorgezogenen Besteuerung führen.1082 Daran muss auch jede Rechtfertigung der Sofortbesteuerung als Missbrauchsregel scheitern. Denn eine generelle und definitive Sofortbesteuerung wäre auf jeden Fall unverhältnismäßig.1083 Auch im Fall der Funktionsverlagerung sind die gesetzlich vorhandenen Möglichkeiten zum Gegenbeweis im Rahmen der Escapeklausel faktisch wertlos. Letztlich ist die Missbrauchsbekämpfung nicht das vorrangige Ziel der deutschen Wegzugsbesteuerung. Sicherlich ergeben sich ohne Wegzugsbesteuerung Missbrauchsmöglichkeiten aus der fehlenden Harmonisierung der mitgliedstaatlichen Steuersysteme, die das Steueraufkommen gerade der Hochsteuerstaaten in Mitleidenschaft ziehen. Doch nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die fehlende Harmonisierung und fiskalische Risiken niemals anerkannte Rechtfertigungsgründe.1084
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Vgl. Franz/Laeger, BB 2008, S. 680 f., 683; Kußmaul/Richter/Ruiner, DB 2008, S. 454, 457. Vgl. Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1720. Vgl. Kahle, IStR 2007, S. 763; Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, S. 268; a. A. Schwenke, DStZ 2007, S. 245. Die pauschale Auflösung des Ausgleichspostens ist letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit; vgl. dazu auch Bergemann/Schönherr/Stäblein, BB 2005, S. 1720. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 52-54; De Broe, General Report, 2002, S. 74, 76 f.; Hofmeister, Rechtsfolgen, 2005, S. 441 f.; Wissenschaftlicher Beirat Ernst & Young AG, BB 2005, S. 2168. Für § 1 AStG vgl. auch BFH vom 21.06.2001, I B 141/00, BFH/NV 2001, Rn. II.3.
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Unter den vom EuGH akzeptierten Rechtfertigungsgründen wird im vorliegenden Fall die Kohärenz einschlägig sein.1085 Bereits eine enge Interpretation dieses Rechtfertigungsgrundes ist im Fall der Abschlussbesteuerung erfüllt. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Steueraufschub für die stillen Reserven (Vorteil) und der späteren Besteuerung bei Realisation bzw. bei Grenzübertritt der stillen Reserven (Nachteil) auf der Ebene desselben Steuerzahlers und derselben Steuer.1086 Alternativ kann mit Hilfe des Urteils Oy AA argumentiert werden. Denn in diesem Urteil wollte der EuGH verhindern, dass Konzerne ein Wahlrecht haben, wo sie ihre Gewinne versteuern lassen. Dies kann ohne Probleme auf die Abschlussbesteuerung übertragen werden. Ohne eine wirksame Abschlussbesteuerung hätten die Unternehmen faktisch ein Wahlrecht, in welchem Mitgliedstaat sie ihre stillen Reserven versteuern lassen. Es geht folglich um die Aufteilung stiller Reserven zwischen den Staaten (Aufteilung der Besteuerungsbefugnis), um das Besteuerungsrecht der beteiligten Staaten festlegen zu können.1087 Damit hängt der Grund der Missbrauchsbekämpfung eng zusammen, denn ohne Abschlussbesteuerung würden sich missbräuchliche Verlagerungen offensichtlich anbieten. Somit sollte für alle Arten der Abschlussbesteuerung stiller Reserven, die die deutsche Besteuerungshoheit verlassen, eine Rechtfertigung gelingen, denn es geht um die Bekämpfung von Missbrauch und die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis in dem Sinne, dass Konzerne nicht beliebig ihre steuerliche Bemessungsgrundlage verlagern können. Wie im Fall Oy AA wäre die Verlagerung der gesamten ökonomischen Rente durch den Transfer der Wirtschaftsgüter, Funktionen oder des gesamten Unternehmens betroffen, weshalb insoweit eine Übertragung der Grundsätze des Urteils Oy AA auf den Fall der Abschlussbesteuerung sinnvoll ist. Allerdings ist es fraglich, ob im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Oy AAGrundsätze ebenfalls übernommen werden können. Denn im Fall Oy AA konnte die ausgewogene Aufteilung nicht durch eine mildere Regelung genauso gut erreicht werden, da unabhängig von der steuerlichen Behandlung der Beitragszahlung im ausländischen Mitgliedstaat die Be1085
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Vgl. Schwenke, DStZ 2007, S. 242; Seer, EuGH, 2006, S. 15; Achatz/Kofler, GeS 2005, S. 121; De Broe, General Report, 2002, S. 75; Wissenschaftlicher Beirat Ernst & Young AG, BB 2005, S. 2168; Führich, ET 2008, S. 12. Im Fall de Lasteyrie du Saillant wurde diese Rechtfertigung nicht weiter vertieft, da der Zweck der französischen Norm in der Missbrauchsbekämpfung lag; vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 65. Für die Funktionsverlagerung jede Rechtfertigung ablehnend Frotscher, FR 2008, S. 57; Rist, Steuergestaltung, 2007, S. 76 f. Skeptisch bzgl. einer Rechtfertigung der Wegzugsbesteuerung über die Kohärenz Rödder, DStR 2004, S. 1633. Vgl. auch Kotanidis, ET 2004, S. 377, 379; Fischer, FR 2004, S. 632 f. Achatz/Kofler, Verschmelzungen, 2005, S. 42; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 344; Hofmeister, Rechtsfolgen, 2005, S. 443 f. ; a. A. Laule, EuGH-Rechtsprechung, 2003, S. 37 f. Vgl. auch EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 41, 47; Schwenke, DStZ 2007, S. 242; Escher/Richter, FR 2007, S. 680; Führich, ET 2008, S. 13; für § 1 AStG vgl. Rehm/Nagler, IStR 2008b, S. 425.
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messungsgrundlage aus finnischer Sicht unversteuert ins Ausland transferiert hätte werden können. Das stellt sich bei der Abschlussbesteuerung anders dar. Ein milderes Mittel zur Aufrechterhaltung der ausgewogenen Aufteilung der Bemessungsgrundlage – also zur inländischen Besteuerung dort entstandener stiller Reserven – ist sehr wohl denkbar. Durch den Transfer als solchen ist nämlich nicht das damit verbundene Steueraufkommen verloren, sofern eine wirksame, aufgeschobene Abschlussbesteuerung als milderes Mittel im Vergleich zur Sofortbesteuerung etabliert werden kann. Somit ist die Abschlussbesteuerung, wie sie § 4 Abs. 1 EStG, § 12 Abs. 1 KStG und § 1 AStG vorsehen, über die Kohärenz bzw. über den Fall Oy AA zu rechtfertigen, aber die Rechtfertigung scheitert an der Verhältnismäßigkeitsprüfung.1088 Die konsequente Besteuerung stiller Reserven bei ihrem Grenzübertritt ist zwar geeignet, das Ziel der Besteuerung in Deutschland entstandener, stiller Reserven zu erreichen.1089 Die Abschlussbesteuerung ist zudem kohärent ausgestaltet, da stille Reserven bei erstmaliger Verstrickung in Deutschland mit dem gemeinen Wert angesetzt werden (§ 4 Abs. 1 S. 7 EStG).1090 Eine Sofortbesteuerung ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn das Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt wird oder aber das Besteuerungsrecht auf mildere Art und Weise durchgesetzt werden kann. Insofern ist der durch Deutschland gewährte Steueraufschub für stille Reserven, die in Deutschland steuerverstrickt bleiben, im Einklang mit primärem Gemeinschaftsrecht. Doch auch bei stillen Reserven, die einer EU-ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, beispielsweise beim Transfer von Wirtschaftsgütern ins Ausland durch das inländische Stammhaus, ist eine sofortige Besteuerung nicht erforderlich. Im Rahmen der weltweiten und einheitlichen Buchführungspflicht können die Wirtschaftsgüter im Ausland weiterhin verfolgt werden, ohne dass eine Nichtbesteuerung stiller Reserven droht.1091 Eine mildere Lösung in Gestalt der ohnehin bestehenden Verpflichtung, über die ins Ausland verbrachten Wirtschaftsgüter Buch zu führen, steht zur Verfügung. Die stillen Reserven, die erst beim Verkauf gegenüber einem Dritten realisiert werden, können gemäß Art. 7 Abs. 2 OECD-MA den einzelnen Unternehmensteilen und damit auch dem deutschen Stammhaus zugeordnet werden.1092
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Vgl. auch Achatz/Kofler, GeS 2005, S. 121. Vgl. auch EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 47; Schaden, Wegzug, 2006, S. 106. Dies mag für die alte Rechtslage, die keinen allgemeinen Entstrickungstatbestand kannte, anders gewesen sein; vgl. Schaumburg, Wegzug, 2005, S. 415; Hey, StuW 2005, S. 319. Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Kokott, 30.03.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 107. Vgl. Hahn, EG-Recht, 1999, S. 127; Elser/Stadler, BB 2006, S. 22; Schwenke, DStZ 2007, S. 245; Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 86. Vgl. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, 2008a, Rn. 244, 246 zu Art. 7, S. 128-130; Ditz, IStR 2005, S. 42; Kroppen, IStR 2005, S. 74; Schwenke, DStZ 2007, S. 245.
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Diese Möglichkeit besteht bei der Verlagerung von Funktionen auf rechtlich selbständige Einheiten oder aber beim Wegzug des Unternehmens nicht mehr.1093 Dennoch könnte eine Sofortbesteuerung auch in diesen Fällen als nicht erforderlich gesehen werden. Nur eine Besteuerung bei Realisation der stillen Reserven entspricht dem inländischen Vergleichsfall. Einwände hinsichtlich der Administrierbarkeit eines solchen Systems und der Einbringlichkeit der zukünftigen Steuerforderungen könnten durch den EuGH auf Basis der Amtshilfe- und Beitreibungsrichtlinie abgelehnt werden.1094 Schließlich ist wie im Fall der ausländischen Verluste der Anerkennungsgrundsatz zu beachten. Bei der Besteuerung natürlicher Personen ist eine aufgeschobene Besteuerung stiller Reserven für wesentliche Beteiligungen verfügbar (§ 6 Abs. 5 AStG).1095 Ebenso ist im betrieblichen Bereich über § 4g EStG eine aufgeschobene Besteuerung verfügbar.1096 Damit könnte Deutschland unbewusst anerkannt haben, dass eine aufgeschobene Besteuerung adminis-trierbar ist. Allerdings besteht offenkundig ein administrativer Unterschied, ob lediglich wesentliche Beteiligungen von natürlichen Personen oder eine Vielzahl von Wirtschaftsgütern verschiedener Konzerngesellschaften, insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter, steuerlich verfolgt werden müssen.1097 Auch der Verweis auf § 4g EStG ändert nichts an dieser Einschätzung. Denn diese Regelung ist nicht nur durch einen restriktiven Anwendungsbereich gekennzeichnet, sondern sieht gerade eine pauschale und deshalb administrierbare Auflösung des Ausgleichspostens vor. Deshalb ist es a priori nicht klar, ob nur die weitreichende Lösung eines umfassenden Besteuerungsaufschubs bis zur Realisation der stillen Reserven den Anforderungen des EG-Rechts genügen kann, was in Kapitel 4.3.2.2.2. ausführlicher erörtert wird. Unabhängig davon ist eine definitive Sofortbesteuerung aus EG-rechtlicher Sicht wohl nicht zu halten1098, weshalb die derzeit geltende deutsche Abschlussbesteuerung Änderungsbedarf aufweist. Dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zu Drittstaaten.1099 Insoweit ist die Abschlussbesteuerung, insbesondere gemäß § 12 Abs. 3 KStG, europarechtlich nicht zu beanstanden.
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Vgl. z. B. Mössner, StbJb 2004/2005, S. 126. Vgl. EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 52 f.; vgl. auch Malmer, Emigration taxes, 2002, S. 90; Eickmann/Stein, DStZ 2007, S. 728; Schaden, Wegzug, 2006, S. 107. Vgl. Benecke/Schnitger, IStR 2006, S. 779; Eickmann/Stein, DStZ 2007, S. 728 f. Vgl. Förster, DB 2007, S. 75. Vgl. Seer, ET 2006, S. 472; Thiel, DB 2005, S. 2318; Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 705. Vgl. z. B. Körner, IStR 2006, S. 469; a. A. bei Sitzverlegung Schwenke, DStZ 2007, S. 246; a. A. hinsichtlich jeglicher Abschlussbesteuerung Wieland, Der Europäische Gerichtshof, 2005, S. 503. Ruf sieht dann keine Verletzung von Gemeinschaftsrecht gegeben, wenn der nachteilige Liquiditätseffekt der Wegzugsbesteuerung bei ihrer Ausgestaltung berücksichtigt wird; vgl. dazu Ruf, StuW 2008, S. 70. Vgl. auch Förster, DB 2007, S. 75.
185
4.3.2. 4.3.2.1.
Europarechtskonforme Lösungsmöglichkeiten Ausdehnung der Wegzugsbesteuerung auf das Inland
Eine theoretisch denkbare Lösung wäre die Ausweitung der Abschlussbesteuerung auf inländische Sachverhalte. Eine solche Extremlösung weist aber gravierende rechtliche und ökonomische Probleme auf.1100 So müsste beispielsweise jeder Transfer von Wirtschaftsgütern innerhalb eines deutschen Einheitsunternehmens einer Abschlussbesteuerung unterzogen werden. Dies bedeutete nicht nur einen erheblichen administrativen Aufwand, sondern auch eine Besteuerung nicht realisierter Gewinne. Im Ergebnis würde eine solche Ausweitung der Wegzugsbesteuerung die ökonomisch vernünftige Zielsetzung des UmwStG – Aufschub der Besteuerung bis zur Realisation1101 – vollständig konterkarieren und auch inländische Umstrukturierungen in hohem Maße steuerlich behindern, obwohl dies selbst aus fiskalischer Sicht nicht angezeigt wäre. Diese Lösung ist somit weder als sinnvoll noch realisierbar einzustufen.
4.3.2.2.
Einschränkung der Sofortbesteuerung
4.3.2.2.1. Abschaffung der Wegzugsbesteuerung Eine offensichtlich EG-rechtskonforme Option ist die Abschaffung jeglicher Wegzugsbesteuerung. Auf diese Weise wäre ein grenzüberschreitender Verkehr stiller Reserven aus deutscher Sicht steuerlich unbegrenzt möglich. Damit würde die Steuerplanung erheblich erleichtert, was offenkundig zu Lasten von Hochsteuerländern wie Deutschland ginge. Gerade im Verhältnis zu Ländern wie Irland, Zypern und den meisten Ländern im östlichen Mitteleuropa bestehen in einem solchen Fall große Anreize zur rein steuerinduzierten Verlagerung stiller Reserven. Um diesen Verkehr stiller Reserven einzudämmen, könnte eine Missbrauchsnorm eingeführt werden, die eine Abschlussbesteuerung dann vorschreibt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb einer kurzen Zeitspanne nach dem Wegzug wieder nach Deutschland zurückkehrt.1102 Allerdings stellen die strikten Anforderungen des EuGH an eine Missbrauchsnorm die Wirksamkeit einer solchen Regelung in Frage.1103 Abgesehen davon werden wegziehende Unternehmen nicht zurückkehren, denn der Grund für den Wegzug waren u. a. die vorteilhaften steuerlichen Rahmen-
1100 1101 1102 1103
Vgl. Ditz, IStR 2005, S. 43; Wassermeyer, GmbHR 2004, S. 616; Kessler et al., DStZ 2004, S. 865. Zur Zielsetzung vgl. Rödder, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2008, Rn. 3, S. 45. So auch EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 54. Vgl. auch Malmer, Emigration taxes, 2002, S. 89-91.
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bedingungen im Ausland. Für juristische Personen ist eine Missbrauchsregelung schlichtweg nicht sinnvoll anwendbar. Um die fiskalisch unerwünschten Effekte zu vermeiden, könnte die Abschaffung der Wegzugsbesteuerung mit einer Änderung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln einhergehen. Die bisher geltende Besteuerung nach dem Reinvermögenszugang würde durch eine Besteuerung nach dem Reinvermögenszuwachs ersetzt. Jeder Zuwachs an Reinvermögen ist zum Ende des Jahres zu besteuern, unabhängig davon ob der Zuwachs realisiert ist oder nicht.1104 Das Realisationsprinzip wäre damit nicht mehr relevant für die Gewinnermittlung. Während die geltende Wegzugsbesteuerung das Realisationsprinzip verletzt, wäre das in einem System der Reinvermögenszuwachsbesteuerung nicht mehr der Fall. Vielmehr wäre eine Abschlussbesteuerung im Rahmen einer allgemeinen Besteuerung zum Marktwert systemimmanent und würde keine Diskriminierung grenzüberschreitender Sachverhalte beinhalten. Somit könnte effektiv eine gemeinschaftsrechtskonforme Abschlussbesteuerung durchgesetzt werden. Eine allgemeine Marktwertbesteuerung ist jedoch sowohl unter rechtlichen als auch ökonomischen Gesichtspunkten sehr problematisch.1105 Verfassungsrechtlich gesehen würde eine Marktwertbesteuerung zur Verletzung der Rechtssicherheit und der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung führen. Insbesondere bei (immateriellen) Wirtschaftsgütern, die nicht auf aktiven Märkten gehandelt werden, müssten jährlich aufwendige Ertragswertberechnungen durchgeführt werden. Die damit zwingend verbundenen Schätzungen der zukünftigen Zahlungen und die Wahl des Zinssatzes würden den Unternehmen einen großen Ermessensspielraum einräumen. Aus Unternehmenssicht wird eine Marktwertbesteuerung dazu führen, dass teilweise Einkommen besteuert wird, das weder aus liquiden noch schnell liquidisierbaren Mitteln besteht. Bei Marktunvollkommenheiten, die die Möglichkeiten der Außenfinanzierung für das Unternehmen beschränken, muss das Unternehmen im äußersten Fall Wirtschaftsgüter verkaufen, um die Steuerschuld bezahlen zu können.1106 Auf jeden Fall führt eine Besteuerung zu Marktwerten zu Liquiditäts- und Zinsnachteilen für das Unternehmen. Angesichts dieser Probleme wird vorgeschlagen, die Auswirkungen einer Marktwertbesteuerung abzumildern, z. B. durch eine sogenannte „konstruktive Realisation”, die die Besteuerung nur dann auslöst, wenn der Steuerzahler verstirbt oder aber Wirtschaftsgüter an Dritte transferiert werden.1107 Eine solche, vermutlich unvermeidliche Abmilderung läuft letztlich wieder auf die 1104 1105 1106 1107
Vgl. Musgrave/Musgrave, Public Finance, 1984, S. 332 f.; vgl. auch Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 705. Vgl. Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 705; Mössner, StbJb 2004/2005, S. 118. Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 13. Vgl. Musgrave/Musgrave, Public Finance, 1984, S. 339.
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Geltung eines (modifizierten) Realisationsprinzips hinaus. Sofern aber die Marktwertbesteuerung nicht konsequent jedes Jahr durchgeführt wird, bestehen bei grenzüberschreitenden Fällen erneut die bereits geäußerten EG-rechtlichen Bedenken. Eine vollständige Abschaffung der Wegzugsbesteuerung erscheint angesichts des derzeitigen Niveaus der deutschen Steuersätze unrealistisch.1108 Fiskalisch wird eine Abschaffung ohne Gegenmaßnahmen sicherlich zu Mindereinnahmen führen. Die Gegenmaßnahmen sind jedoch entweder unwirksam (Missbrauchsregeln) oder begegnen schwerwiegenden rechtlichen und ökonomischen Einwänden (Marktwertbesteuerung).
4.3.2.2.2. Aufgeschobene Wegzugsbesteuerung Das Realisationsprinzip ist ein zentrales Prinzip für die steuerliche Gewinnermittlung und trägt dazu bei, dass diese ein Mindestmaß an Rechtssicherheit aufweist.1109 Deshalb findet der Marktwert nur eingeschränkt bei bestimmten Verlusten Anwendung. Wegen der Geltung des Realisationsprinzips entsteht indes die Problematik stiller Reserven, weshalb eine Wegzugsbesteuerung unverzichtbar bleibt.1110 Im Grundsatz akzeptiert der EuGH das Recht der Mitgliedstaaten stille Reserven, die im jeweiligen Land entstanden sind, zu besteuern.1111 Allerdings muss bei der Abschlussbesteuerung eine Gleichbehandlung zum inländischen Fall hergestellt werden. Diese Gleichbehandlung ist aus EG-rechtlicher Sicht sicherlich dann gegeben, wenn ein umfassender Steueraufschub bis zur Realisation gewährt wird.1112 Die Besteuerung der stillen Reserven erfolgt erst dann, wenn sie realisiert werden bzw. endgültig das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen oder den Raum der EU verlassen. Grundsätzlich kann im Rahmen einer solchen Besteuerung der Wegzugsstaat nicht für Wertverluste nach dem Wegzug verantwortlich gemacht werden, sofern diese im neuen Sitzstaat entstan-
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Vgl. Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 705. EU-weit ist das Realisationsprinzip grundlegend akzeptiert für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung. Für einen Überblick vgl. Endres et al. (Hrsg.), Corporate Income, 2007, S. 171-196. Vgl. auch Schön, TNI 2004, S. 199 f. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 65, 68; EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 41, 47; vgl. Schön, DB 2001, S. 944; Frotscher, FR 2008, S. 49; Selling, Besteuerung, 2004, S. 69; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 412 f.; De Kort, Intertax 2007, S. 716; Mössner, StbJb 2004/2005, S. 131. Vgl. Schaden, Wegzug, 2006, S. 110 f.; Körner, IStR 2006, S. 469; Hruschka/Lüdemann, IStR 2005, S. 83; Schön, TNI 2004, S. 201 f. Aus Sicht von Cerioni (ET 2005, S. 279) stellt das die einzige gemeinschaftsrechtskonforme Alternative dar. Österreich gewährt einen umfassenden Aufschub und setzt die Steuer erst bei Realisation fest; vgl. Achatz/Kofler, Verschmelzungen, 2005, S. 42-46.
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den sind. Nur dann ist die Abschlussbesteuerung in sich konsistent und damit auch EG-rechtlich geeignet, da der Mitgliedstaat ausschließlich die in seinem Staat entstandenen Reserven besteuert.1113 Angesichts der neueren, länderübergreifenden Gesamtschau des EuGH ist jedoch festzuhalten, dass der Wegzugsstaat die steuerliche Behandlung im Zuzugsstaat zu beachten hat. Deshalb muss der Wegzugsstaat nach dem Wegzug auftretende Verluste jedenfalls dann berücksichtigen, wenn dies der Zuzugsstaat nicht macht.1114 Außerdem muss der Steueraufschub zinsfrei gewährt werden, damit nicht erneut eine diskriminierende Liquiditätsbelastung des grenzüberschreitenden Falls droht. Aus dem gleichen Grund darf vom Steuerpflichtigen keine Sicherheitsleistung für die zukünftige Steuerschuld gefordert werden.1115 Zumindest kann vom Steuerpflichtigen verlangt werden, dass er eine jährliche Steuererklärung abgibt.1116 Aus Unternehmenssicht wäre damit ein grundsätzlich steuerneutraler Transfer bzw. Wegzug ermöglicht. Die Steuerzahlungen fallen erst dann an, wenn die stillen Reserven auch in Form liquider Mittel realisiert wurden. Zusätzlich ergeben sich innerhalb der nicht harmonisierten Steuersysteme Steuerplanungsmöglichkeiten.1117 Wenn z. B. der Zuzugsstaat einen höheren Step-Up gewährt als der Wegzugsstaat seiner Schlussbesteuerung zu Grunde gelegt hat, entgehen die stillen Reserven in Höhe der Differenz jeglicher Besteuerung. Umgekehrt kann die Gefahr der Doppelbesteuerung drohen, sofern der Zuzugsstaat keinen Step-Up gewährt und in voller Höhe besteuert, während der Wegzugsstaat die ausländischen Steuern nicht anrechnet. Allerdings gilt es aufgrund der Gesamtschau des EuGH zu bedenken, dass sich eine Pflicht zur Anrechnung aus dem EG-Recht ergibt, so dass es insoweit auf die Kooperation der Mitgliedstaaten ankommt.1118 Für die Steuerbehörden ist es schwer zu kontrollieren, wo sich die Wirtschaftsgüter befinden bzw. wann die stillen Reserven realisiert werden.1119 Bei Wirtschaftsgütern, die nicht weiterverkauft, sondern verbraucht werden, ist es fraglich, wie eine Realisation der stillen Reserven ohne 1113
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Vgl. auch Kotanidis, ET 2004, S. 380; Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 706; Zuijdendorp, EC Tax Review 2007, S. 12; De Kort, Intertax 2007, S. 716; Dörfler/Ribbrock, BB 2008, S. 308; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott, 30.03.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 107. Vgl. EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 54 f. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 47; EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 36, 51. Vgl. EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 49; Schwenke, DStZ 2007, S. 242; Zuijdendorp, EC Tax Review 2007, S. 10; vgl. auch Kommission, Wegzugsbesteuerung, 2006, S. 7; in diese Richtung auch Schaden, Wegzug, 2006, S. 111. Vgl. Kommission, Wegzugsbesteuerung, 2006, S. 8; Rödder, IStR 2005, S. 298 f. Deshalb wäre im Rahmen eines solchen Systems eine verstärkte Koordniation der Mitgliedstaaten angezeigt; vgl. auch Kessler et al., DStZ 2004, S. 863. Vgl. van Lishaut, FR 2004, S. 1304 f.; Fischer, FR 2004, S. 633 f.; Rödder, IStR 2005, S. 298. Lediglich bei einer europaweiten Abstimmung im Rahmen eines Clearingverfahrens könnte diese Lösung praktikabel sein; vgl. Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 706; vgl. auch Mössner, StbJb 2004/2005, S. 152.
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eine Vereinfachungsregel willkürfrei bestimmt werden soll. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern wird es ohnehin schwer, den genauen Nutzungsort zu lokalisieren. Administrative Ermittlungsprobleme werden insbesondere in den Fällen auftreten, in denen die Gesellschaft nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht und somit auch nicht mehr der weltweiten Buchführungspflicht unterliegt. Diese Probleme vervielfältigen sich noch, wenn man bedenkt, dass sich die Wirtschaftsgüter bzw. das Unternehmen selbst innerhalb der gesamten EU bewegen können.1120 Die bei solchen Problemen regelmäßig angeführten Richtlinien für die Amtshilfe und Beitreibung sind wohl keine zufriedenstellende Lösung. Der BFH äußert vielmehr in anderem Zusammenhang schwerwiegende Zweifel an der Praxistauglichkeit dieser beiden Richtlinien.1121 Angesichts der Vielzahl der Wirtschaftsgüter, die im Rahmen eines umfassenden Besteuerungsaufschubs zu kontrollieren und zu verfolgen wären, sind diese Zweifel im Zusammenhang mit der Abschlussbesteuerung umso gewichtiger.1122 Sollte jedoch die Steuereintreibung tatsächlich unwirksam sein, stellen sich automatisch verfassungsrechtliche Fragen.1123 Sofern grenzüberschreitende Konzerne im Gegensatz zu ihren inländischen Pendants ihre stillen Reserven nicht in Deutschland versteuern müssen, ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung offensichtlich verletzt. Deshalb sollte eine administrativ praktikable Alternative sowohl EG-rechtlichen als auch verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung tragen. In diesem Sinne könnte Deutschland eine vereinfachte, aufgeschobene Besteuerung einführen.1124 Hierbei wird die Bemessungsgrundlage nach wie vor bei Wegzug der stillen Reserven festgesetzt.1125 Allerdings muss die gesamte Steuerschuld nicht sofort beglichen werden. Viel-
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Vgl. van Lishaut, FR 2004, S. 1305; Mössner, StbJb 2004/2005, S. 155. Das Beispiel Österreich zeigt, dass aus Gründen der Praktikabilität eine aufgeschobene Besteuerung nur innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren durchgeführt wird; vgl. Achatz/Kofler, Verschmelzungen, 2005, S. 44. Im Umkehrschluss nimmt der Gesetzgeber außerhalb dieser Frist steuerfreie Exits hin; vgl. auch Kessler et al., DStZ 2004, S. 864. Der BFH sieht die Amtshilfe- bzw. Beitreibungsrichtlinie nicht als gleichwertig zu den inländischen Ermittlungs- und Einzugsmöglichkeiten an; vgl. BFH vom 21.09.2005, II R 56/03, BStBl. II 2005, Rn. II.2.b); BFH vom 29.11.2007, I B 181/07, BFH/NV 2008, Rn. II.2.b)bb). Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf des SEStEG 2006, in: BT-Drucksache 16/2710, S. 26; gl. A. Selling, Besteuerung, 2004, S. 70; Schwenke, DStZ 2007, S. 244, 246; Seer, EuGH, 2006, S. 15; Thiel, DB 2005, S. 2318; Hofmeister, Rechtsfolgen, 2005, S. 448; Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 91; a. A. Elser/Stadler, BB 2006, S. 22; Blumenberg/Lechner, BB 2006, S. 28; Körner, IStR 2006, S. 469; Dörfler/Ribbrock, BB 2008, S. 308. Vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf des SEStEG 2006, in: BT-Drucksache 16/2710, S. 26 f.; Fischer, FR 2005, S. 465; Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 705; Schwenke, DStZ 2007, S. 244. Cordewener sieht die EG-rechtliche Kohärenz der Besteuerung im Lichte der Belastungsgleichheit und Systemgerechtigkeit, was vermutlich eine gleichmäßige, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbare Besteuerung implizieren soll; vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 961. In diese Richtung Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 706; Blumenberg/Lechner, BB 2006, S. 28. Hofmeister plädiert für eine pauschale Stundung über mindestens 10 Jahre; vgl. Hofmeister, Rechtsfolgen, 2005, S. 448. Damit können Steuersatzänderungen problemlos berücksichtigt werden. Einige Autoren sehen in der sofortigen Steuerfestsetzung trotz Zahlungsaufschubs eine Beschränkung; vgl. Lausterer, BB 2006, S. 86; a. A. Schaden,
190
mehr hängt der Zeitpunkt der Steuerzahlungen von der Art der Nutzung der Wirtschaftsgüter ab. Diesbezüglich werden pauschale, aber (ökonomisch) plausible Vermutungen getroffen, die die Realisation der stillen Reserven von der Fristigkeit der Wirtschaftsgüter abhängig machen. Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens wird widerlegbar vermutet, dass diese innerhalb des nächsten Jahres veräußert bzw. verbraucht werden.1126 Dementsprechend wird die Steuerzahlung auf stille Reserven im Umlaufvermögen sofort fällig. Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens wird widerlegbar vermutet, dass die enthaltenen stillen Reserven gemäß ihrer gewöhnlichen Nutzungsdauer ratierlich realisiert werden. Dementsprechend wird die Steuerzahlung auf stille Reserven im abnutzbaren Anlagevermögen entsprechend dem unterstellten Realisationsfortschritt fällig. Hierfür bietet es sich an, auf die in den AfA-Tabellen festgelegten Nutzungsdauern zurückzugreifen.1127 Für die stillen Reserven, die beispielsweise im Firmenwert enthalten sind, und die regelmäßig von großer Bedeutung beim Wegzug eines Unternehmens sein werden, bedeutet das, dass diese in Analogie zu § 7 Abs. 1 S. 3 EStG ratierlich über 15 Jahre realisiert und damit versteuert werden. Dementsprechend führt auch eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung zu einer Aufdeckung der dabei transferierten stillen Reserven, die über die jeweilige Nutzungsdauer ratierlich realisiert werden – bei einem (anteiligen) Firmenwert z. B. über 15 Jahre. Mit den AfA-Dauern, die auch für inländische Unternehmen gelten, ist insofern eine Gleichbehandlung mit den inländischen Sachverhalten gegeben, da der Abschreibungsfortschritt zumindest große Indizwirkung bzgl. des Realisationsfortschritts zukünftiger Erträge besitzt. Die Steuer ist wie im inländischen Fall der Nutzung der Wirtschaftsgüter über den Zeitraum der gewöhnlichen Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter zu bezahlen.1128 Bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kann es keine Nutzungsdauer geben, weshalb sinnvollerweise auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation abgestellt werden müsste. Mögliche administrative Probleme in diesem Zusammenhang relativieren sich insofern, als die wesentlichen Fallgruppen der nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter Grund und Boden bzw. Beteiligungen umfassen. Grund und Boden ist per definitionem immobil. Beteiligungen sind regelmäßig gut beobachtbar, zumal diese auf Ebene von Kapitalgesellschaften steuerbefreit sind, weshalb eine
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Wegzug, 2006, S. 112. Zu den Möglichkeiten der Festsetzung bzw. Feststellung der Steuer; vgl. Kessler et al., DStZ 2004, S. 863-867; Mössner, StbJb 2004/2005, S. 152-154. Schwenke (DStZ 2007, S. 245) sieht in der Sofortbesteuerung von Umlaufvermögen keine Beschränkung; in diese Richtung auch Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 84 f. Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, die verbraucht werden, kann aus Vereinfachungsgründen widerlegbar vermutet werden, dass diese gemäß einem Verbrauchsfolgeverfahren, wie z. B. LiFo, als verbraucht gelten; vgl. Kumpf/Roth, DB 2000, S. 788. Dabei kommt es auf die deutschen Abschreibungsregeln an, da bei einem Rückgriff auf die ausländischen Regeln erneut praktische Probleme auftauchen; vgl. Klingberg/van Lishaut, DK 2005, S. 706. Vgl. auch Kommission, Wegzugsbesteuerung, 2006, S. 10; Mössner, Deutschland, 1986, S. 135; in diese Richtung Rödder, IStR 2005, S. 299, der allerdings EG-rechtliche Probleme sieht. Für Schaden ist der Abschreibungsverlauf irrelevant, da nur die tatsächlichen Außenumsätze zählen; vgl. Schaden, Wegzug, 2006, S. 111.
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fehlende steuerliche Nachverfolgung ohnehin keinen Verzicht Deutschlands auf Steueraufkommen bedeuten würde. Ergänzt werden sollte die vereinfachte Abschlussbesteuerung durch eine Option für die verlagernden bzw. wegziehenden Unternehmen, die gesamte Steuerschuld im Barwert sofort zu bezahlen.1129 Entscheidend für die EG-Rechtskonformität dieser aufgeschobenen Besteuerung ist eine Regelung, wonach die Annahmen bzgl. des Verkaufs bzw. Verbrauchs der Wirtschaftsgüter nur widerlegbar vermutet werden. Die ständige Rechtsprechung des EuGH fordert nämlich eine Einzelfallbetrachtung.1130 Im vorliegenden Fall bedeutet das, dass dem Steuerpflichtigen die Gelegenheit zum Gegenbeweis gegeben wird, dass das Umlaufvermögen noch nicht verkauft wurde bzw. dass die Nutzungsdauern des Anlagevermögens länger sind als vermutet. Ebenso muss es dem Steuerpflichtigen ermöglicht werden nachzuweisen, dass die stillen Reserven nicht mehr in der ursprünglich festgestellten Höhe vorhanden sind. Insofern muss Deutschland zukünftige, im neuen Sitz- bzw. Quellenstaat entstandene Verluste tragen, was jedoch durch die EuGHRechtsprechung gefordert wird.1131 Schließlich ist durch die bloße Feststellung der Bemessungsgrundlage gewährleistet, dass der grenzüberschreitende Transfer von Wirtschaftsgütern prinzipiell dem gleichen Steuersatz unterliegt wie der inländische Transfer. Eine solche Abschlussbesteuerung sollte administrativ praktikabel sein, da die Beweislast auf Seiten des Steuerpflichtigen liegt. Diese Umkehrung der Beweislast könnte in Analogie zu den Fällen Cadbury Schweppes und N gerechtfertigt werden.1132 Eine solche Regelung ist allemal milder als eine Sofortbesteuerung aller stillen Reserven. Gegenüber der geltenden Regelung des § 4g EStG besitzt sie den Vorteil, dass sie keine globale Vorgabe für die Nutzungsdauer trifft, sondern die Nutzungsdauern an die inländischen Fälle angleicht, zumal der Anwendungsbereich nicht so restriktiv ausgestaltet ist. Schließlich besitzt der Steuerpflichtige die Möglichkeit zum Gegenbeweis der getroffenen Annahmen über die Nutzungsdauern. Gleichzeitig trägt eine solche Regelung den Interessen der Mitgliedstaaten Rechnung. Vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH, gerade im Fall Oy AA, wäre es möglich, dass eine vereinfachte aufgeschobene Besteuerung durch den EuGH als gerechtfertigt und auch verhältnismäßig angesehen wird. Denn das (noch) mildere Mittel – ein umfassender Besteuerungsaufschub bis zur tatsächlichen Realisation – sollte letztlich eine Aufgabe der expliziten 1129 1130 1131
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In diese Richtung Kotanidis, ET 2004, S. 382. Vgl. EuGH vom 11.03.2004, Rs. C-9/02 (de Lasteyrie du Saillant), Slg. I-2004, Rn. 45, 48. Allerdings kann die Anerkennung des Verlustes auf die ursprünglich festgestellten Reserven beschränkt werden. Für Österreich vgl. Achatz/Kofler, Verschmelzungen, 2005, S. 45. Vgl. EuGH vom 07.09.2006, Rs. C-470/04 (N), Slg. I-2006, Rn. 49; EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 70.
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Harmonisierung der Mitgliedstaaten sein.1133 In diese Richtung weist auch das Urteil M&S. Darin befand der EuGH, dass die Nachversteuerungslösung für zuvor abgezogene Verluste – aus Konzernsicht das mildeste Mittel – zu weitreichend sei und einer expliziten Harmonisierung bedürfe.1134 Dementsprechend stünde ein offensichtlich weitreichendes System des umfassenden Besteuerungsaufschubs bis zur tatsächlichen Realisation unter dem Vorbehalt der expliziten Harmonisierung.
4.4.
Zwischenergebnis: Problembereiche der nationalen Handlungsoptionen
Wenn man die bisherigen Ergebnisse des vierten Kapitels verallgemeinert, hat der Gesetzgeber im Wesentlichen zwei Handlungsoptionen, um sein Steuerrecht gemeinschaftsrechtskonform auszugestalten.1135 Er kann eine für grenzüberschreitende Sachverhalte nachteilige Regelung auf das Inland ausweiten. Alternativ ist es möglich, eine vorteilhafte Regelung für das Inland auf grenzüberschreitende Vorgänge auszuweiten (Verlustausgleich und Besteuerungsaufschub) bzw. die nachteilige Regelung für grenzüberschreitende Vorgänge abzuschaffen (Hinzurechnungsbesteuerung und Zinsabzugsbeschränkungen). Dabei hängt es von der Reichweite der Kapitalverkehrsfreiheit ab, ob der Gesetzgeber Sachverhalte nur EU-weit oder weltweit begünstigen muss. Weiterhin kann der Gesetzgeber bei der zweiten Handlungsoption im Grundsatz Missbrauchsregeln einführen, um Steuerplanung zu bekämpfen.
4.4.1.
Ausweitung des Anwendungsbereichs einer (nachteiligen) Steuernorm auf das Inland
Angesichts der Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Sachverhalte scheint die EGrechtliche Diskriminierung beseitigt zu sein. Allerdings kann es bei einer Ausweitung auf das Inland dazu kommen, dass inländische Sachverhalte über verschiedene Ausnahmetatbestände faktisch begünstigt werden. Insoweit liegt dennoch eine verdeckte Diskriminierung grenzüberschreitender Sachverhalte vor, wie das Beispiel der Zinsschranke zeigt. Regelmäßig wird hinter einer solchen Regelung der Wunsch des Gesetzgebers stehen, die gegen grenzüberschreitende Steuerplanung gerichtete Steuernorm EG-rechtlich zu retten. Gerade bei Missbrauchsnormen wie 1133
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Vgl. auch Führich, ET 2008, S. 13. Teile der Literatur plädieren ebenfalls für eine generell weniger strikte Auslegung der Verhältnismäßigkeit; vgl. Hinnekens, EC Tax Review 2004, S. 67; Seer, ET 2006, S. 470-477. Vgl. EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 58. In diese Richtung auch Reimer, Grundfreiheiten, 2000, S. 67 f. Vgl. dazu Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 8; Gosch, DStR 2007, S. 1558 f.; Hey, StuW 2004, S. 196.
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der Zinsschranke aber auch der Hinzurechnungsbesteuerung ist es aber bereits konzeptionell fraglich, inwieweit eine Ausweitung auf das Inland EG-rechtlich gerechtfertigt werden kann. Die Geeignetheit einer solchen Norm ist fragwürdig, da die eigentliche Zielsetzung in der Herstellung eines gemeinschaftsrechtskonformen Zustands liegt, nicht jedoch in der Bekämpfung von Missbrauch.1136 So ist beispielsweise der weite Anwendungsbereich der Zinsschranke (auch) EG-rechtlich kritikwürdig, da es unklar erscheint, inwieweit an Dritte gezahlte Zinsen überhaupt missbräuchlich im Sinne des EuGH sein können. Auch verfassungsrechtlich kann eine allgemein wirkende Missbrauchsregelung, die nicht konzipiert worden ist, um Missbrauchsfälle zu bekämpfen, sondern einen gemeinschaftsrechtswidrigen Zustand zu beheben, als unverhältnismäßig angesehen werden.1137 Gemessen am Gebot der Folgerichtigkeit darf eine Missbrauchsregelung nicht überschießend sein, was erneut die Frage aufwirft, warum Zinszahlungen an Dritte durch die Zinsschranke erfasst werden.1138 Die Verfassungskonformität solcher Lösungen wird auch deswegen bestritten, weil zentrale Besteuerungsprinzipien, insbesondere das Realisationsprinzip und das objektive Nettoprinzip, missachtet werden. Eine Ausweitung auf das Inland wirkt also destruktiv im Hinblick auf zumindest für nationale Sachverhalte allgemein akzeptierte Besteuerungsprinzipien.1139 So dürfte beispielsweise die Zinsschranke vor allem weniger rentable Unternehmen treffen, so dass der Zinsvortrag faktisch auf ein Zinsabzugsverbot hinausläuft. Auch eine mögliche Abschaffung der Organschaft stellt einen klaren Verstoß gegen das Nettoprinzip dar.1140 Allerdings ist hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Bedenken zu bedenken, dass der BFH und das BVerfG bei Missbrauchsnormen in der Vergangenheit oftmals großzügig geurteilt haben.1141 Auch der verfassungsrechtliche Stellenwert des objektiven Nettoprinzips ist nicht mit abschließender Sicherheit geklärt.1142 So führt beispielsweise die Vortragsmöglichkeit der nicht abzugsfähigen Zinsen im Ergebnis zu einer Mindestbesteuerung, wie sie auch aus dem Verlustvortrag nicht sofort abziehbarer Verluste (§ 10d EStG) resultiert. Auch der Untergang des Zinsvortrags resultiert in Analogie zum Untergang des Verlustvortrags aus bestimmten Ereignissen wie beispielsweise einem Anteilseignerwechsel im Sinne des § 8c KStG. Solche Beschränkungen des
1136 1137 1138 1139 1140
1141
1142
Vgl. Pohl/Raupach, Überreglementierung, 2005, S. 201-203, 205. Vgl. auch Pohl/Raupach, Überreglementierung, 2005, S. 202. Vgl. auch Drüen, StuW 2008a, S. 13; Hey, StuW 2008, S. 175, 178. Vgl. auch Hey, StuW 2005, S. 321. Vgl. Pohl/Raupach, Überreglementierung, 2005, S. 202 f. Weitere Beispiele für Verletzungen des Nettoprinzips aus europarechtlichen Gründen bei Hey, StuW 2005, S. 322. Im Kontext des sehr weitreichenden, aber nicht beanstandeten Abzugsverbots für Auslandsverluste (§ 2a EStG); vgl. zur Rechtsprechung Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, S. 309. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2007, Rn. 9 zu § 8a KStG; Lang, StuW 2007, S. 4 f.
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Verlustausgleichs und damit des Nettoprinzips wurden aber bisher verfassungsrechtlich nicht moniert.1143 Deshalb ist die behauptete Verfassungswidrigkeit der Zinsschranke keineswegs offensichtlich und eindeutig.1144 Es ist vielmehr zweifelhaft, ob das Verfassungsrecht eine große Hürde für den Gesetzgeber darstellt, grob typisierende und das Nettoprinzip verletzende Regelungen auch für das Inland einzuführen.1145 Lediglich in offensichtlich sinnlosen Fällen einer Ausweitung auf das Inland, wie z. B. einer allgemeinen Wegzugsbesteuerung oder eines allgemeinen Verrechnungsverbots für Betriebsstättenverluste, dürfte die Verfassungswidrigkeit feststehen. Eine Ausweitung auf das Inland wird regelmäßig zu (weiteren) Verzerrungen von Investitions-, Rechtsform- und Finanzierungsentscheidungen führen. Eine denkbare Abschaffung der Organschaft beispielsweise erzeugt einen steuerlichen Anreiz zur Verschmelzung. Ebenso führt die Zinsschranke zu einer steuerlichen Verzerrung von Finanzierungsentscheidungen mit der Konsequenz, z. B. Geldkapital durch Sachkapital zu ersetzen. Dementsprechend führt eine stärker verzerrende Besteuerung zu einem größeren Ausmaß an Steuerplanung. So können aufgrund einer Neuregelung durch den Gesetzgeber unbeabsichtigte, neue Möglichkeiten der Steuerplanung auftauchen.1146 Vorherrschend wird aber diejenige Art der Steuerplanung sein, die darauf gerichtet ist, die durch die Ausweitung erst geschaffenen, nachteiligen Besteuerungsfolgen abzuwehren bzw. abzumildern. Solche Planungsnotwendigkeiten zeugen eindeutig davon, welche systematischen Brüche in der Besteuerung hinter solchen Lösungen stehen. Zusätzliche direkte Planungskosten werden daraus immer resultieren. Sollte die Steuerplanung eine Verzerrung nicht vollständig beseitigen können bzw. muss ein suboptimaler Faktoreneinsatz gewählt werden, resultieren darüber hinaus indirekte Planungskosten. Die Befolgungskosten für die Unternehmen werden demgemäß ebenfalls steigen. Dies ist einerseits dem weiter gefassten, persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich geschuldet. So erfasst beispielsweise die Zinsschranke im Gegensatz zur früheren Rechtslage auch Bankfinanzierungen. Zudem sind solche Normen regelmäßig durch eine sehr komplexe und schwer verständ-
1143
1144
1145 1146
Vgl. z. B. BFH vom 24.03.2005, XI B 115/04, BFH/NV 2005, Rn. II.2. Es ist ein Verfahren beim BVerfG (2 BVL 59/06) anhängig zur Frage, inwieweit die Mindestbesteuerung des § 2 Abs. 3 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 gegen die Verfassung verstößt. Hier geht es aber um verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Normenklarheit, nicht um die Verletzung des Nettoprinzips; vgl. dazu Leitsatz im Urteil des BFH vom 06.09.2006, XI R 26/04, BStBl. II 2007. Vgl. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, 2008, Rn. 15 zu § 8a KStG; Frotscher, in: Frotscher/Maas, KStG, 2007, Rn. 10, 12 zu § 8a KStG; Heuermann, in: Blümich, EStG, 2008, Rn. 28 f. zu § 4h EStG. Vgl. auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, 2008, Rn. 3 zu § 4h EStG; Homburg, FR 2007, S. 726. Zu § 8a KStG 2002 vgl. z. B. Obser, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, 2005, S. 161 f.
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liche Normstruktur gekennzeichnet1147, die auch den EG-rechtlichen Anforderungen geschuldet ist. So ist die Escapeklausel der Zinsschranke nur vor dem Hintergrund einer EG-rechtlich anzuerkennenden Missbrauchsregel zu verstehen. Diese Escapeklausel führt jedoch nicht nur zu zusätzlichem Bilanzierungs- und Prüfungsaufwand, sondern auch dazu, dass die IFRS für die Unternehmensbesteuerung relevant werden. Es ist sicherlich mehr als ungewöhnlich, dass der Gesetzgeber die IFRS indirekt in das Steuerrecht einführt und auf diese Weise eine zusätzliche, rein steuerliche Obliegenheit zur Bilanzierung nach IFRS etabliert.1148 Damit importiert der steuerliche Gesetzgeber im Grunde sämtliche, mit den IFRS verbundenen Probleme in das Steuerrecht. Bereits konzeptionell ist es fraglich, ob der Verweis des Steuerrechts auf internationale Rechnungslegungsregeln, die von einem privaten Gremium in London formuliert werden, verfassungsrechtlichen Grundsätzen standhält. Selbst bei den im Rahmen des Komitologieverfahrens von der Kommission veröffentlichten IFRS, die damit zu europäischem Recht werden, verbleiben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verweisung, weil bereits die EU-Institutionen – geschweige denn der deutsche Steuergesetzgeber – kaum Einfluss auf das Zustandekommen der IFRS nehmen können.1149 Die Überwachungskosten des Staates werden ebenfalls regelmäßig steigen. Der weiter gefasste persönliche und sachliche Anwendungsbereich bedingt gerade, dass mehr Sachverhalte durch die Finanzverwaltung geprüft werden müssen. So führt z. B. die Escapeklausel zu zusätzlichem Prüfungsaufwand von IFRS-Abschlüssen seitens der Finanzverwaltung.1150 In diesem Zusammenhang ist jedoch unklar, inwieweit die Finanzverwaltung tatsächlich in der Lage sein wird, Abschlüsse auf Basis der IFRS zu überprüfen oder welche gerichtlichen Instanzen für die Auslegung der internationalen Abschlüsse zuständig sind.1151 Der BFH wäre wohl letztlich gezwungen, zusätzlich zum nationalen Steuerbilanzrecht die mit großen Auslegungsschwierigkeiten behafteten IFRS auszulegen.1152
1147
1148 1149
1150 1151 1152
Vgl. Hey, StuW 2008, S. 168. Deshalb wird die Zinsschranke als ebenso problematisch und komplex kritisiert wie ihre Vorgängerregelung (§ 8a KStG 2002); vgl. Grotherr, IWB 2007, S. 1508. Vgl. auch Heintges/Kamphaus/Loitz, DB 2007, S. 1261; Hennrichs, DB 2007, S. 2101, 2105. Unter vielen vgl. Schulze-Osterloh, DK 2004, S. 174; Herzig, IAS/IFRS, 2004, S. 31 f.; Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, S. 274; vgl. auch Kahle, Internationale Rechnungslegung, 2002, S. 218-220. Vgl. auch Hennrichs, DStR 2007, S. 1928 f. Vgl. Kußmaul et al., BB 2008, S. 140; Köhler, DStR 2007, S. 602. Vgl. Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, S. 274.
196
4.4.2.
Ausweitung des Anwendungsbereichs einer (vorteilhaften) Steuernorm auf das Ausland
Sofern eine Regelung bedingungslos auf das Ausland ausgeweitet wird bzw. eine Missbrauchsvorschrift, die sich gegen grenzüberschreitende Sachverhalte richtet, gänzlich abgeschafft wird, ist im Grundsatz eine Gleichbehandlung inländischer und ausländischer Sachverhalte gegeben. Aufgrund des Exklusivitätsverhältnisses zwichen Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit ist bei Regelungen, die die Gruppenbesteuerung betreffen, eine Begrenzung der Begünstigung auf die EU bzw. den EWR gemeinschaftsrechtlich uneingeschränkt möglich. Lediglich bei Regelungen, die unabhängig von der Beteiligungsgrenze wirken, wie z. B. die verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung oder u. U. die Zinsschranke, kann in Abhängigkeit von der tatsächlichen Beteiligungsquote auch die Kapitalverkehrsfreiheit greifen. In diesem Fall wären Beschränkungen für Sachverhalte mit Drittstaaten nur über erweiterte Rechtfertigungsgründe denkbar.1153 Um der erleichterten Steuerplanung zu Lasten Deutschlands entgegenzuwirken, kann Deutschland eine begünstigende Regelung mit Missbrauchsregelungen flankieren bzw. eine bestehende Missbrauchsregelung europarechtlich zielgenauer formulieren. Allerdings sind die strengen Anforderungen des EuGH an eine solche Regelung zu beachten. Pauschalisierende Missbrauchsregelungen sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn die Entkräftbarkeit im Einzelfall gegeben ist. Genau diesen Weg versucht der Gesetzgeber mit der aktuellen Version der Hinzurechnungsbesteuerung zu beschreiten. Nimmt man jedoch die bisher formulierten Anforderungen des EuGH an Missbrauchsverdikte und damit an den Gegenbeweis ernst, ist es mehr als fraglich, ob eine solche Missbrauchsbekämpfung tatsächlich effektiv wirken kann oder ob die Unternehmen diese mittels Steuerplanung nicht relativ einfach umgehen können. Lediglich im Verhältnis zu Drittstaaten kann eine pauschale, effektive Missbrauchsregelung ohne Einschränkung formuliert werden. Die Verfassungskonformität ist ebenfalls grundsätzlich gegeben, da wesentliche Besteuerungsprinzipien wie das Nettoprinzip und das Realisationsprinzip für das Inland aufrechterhalten bleiben und gleichzeitig auf das Ausland ausgedehnt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich aber vor allem dann, wenn eine gleichmäßige Besteuerung nicht mehr gewährleistet ist.1154 Dies wird insbesondere bei der Wegzugsbesteuerung von großer Relevanz sein. Wird
1153 1154
Vgl. dazu Kapitel 2.2.3.3. Vgl. auch Kube, IStR 2008, S. 310; Seiler, StuW 2005, S. 29; Fischer, FR 2005, S. 465.
197
nämlich ein bedingungsloser Aufschub gewährt, könnte ein Vollzugsdefizit bei im Ausland realisierten Sachverhalten drohen, womit eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen würde. Da das Nettoprinzip und das Realisationsprinzip uneingeschränkt auf ausländische Sachverhalte ausgedehnt werden, werden regelmäßig Verzerrungen von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen im grenzüberschreitenden Kontext abgebaut. Beispielsweise trägt eine zeitnahe Verlustverrechnung im internationalen Konzern zur Beseitigung von Zins- und Liquiditätsnachteilen bei. Auch die Ausweitung des Besteuerungsaufschubs für grenzüberschreitende stille Reserven würde in diese Richtung wirken. Da das Realisationsprinzip auch für internationale Konzerne gelten würde, wäre bei einem Grenzübertritt von stillen Reserven ein eventuell bestehender Liquiditäts- und Zinsnachteil eliminiert. Allerdings kommt neben der Elimination des Zins- und Liquiditätsnachteils stets die Möglichkeit der Nutzung eines Steuersatzvorteils hinzu. Mit der Öffnung des Steuersystems für das EUAusland erlangt der Steuersatz eine noch größere Bedeutung für die Steuerplanung zu Lasten Deutschlands und dessen Steueraufkommen. Denn die internationale Steuerplanung bekommt nunmehr explizit ein weiteres Planungsinstrument an die Hand. Sollte die Verlustverrechnung und der Besteuerungsaufschub bei Wegzug auf grenzüberschreitende Sachverhalte ausgeweitet werden, erfahren Unternehmen einen starken Anreiz, mittels eines Verlustverkehrs und eines Verkehrs der stillen Reserven, die Realisation der Erträge in einem Niedrigsteuerland zu verwirklichen bzw. die Verluste in einem Hochsteuerland wie Deutschland wirksam werden zu lassen. Gleiches gilt für den Besteuerungsaufschub bei Basisgesellschaften bzw. Holdings sowie für den Zinsabzug. Auch hier herrscht ein klarer Anreiz, die Erträge niedrig versteuern zu lassen und den Aufwand zu einem möglichst hohen Satz geltend zu machen. Zu erinnern ist aber auch daran, dass die neuere Rechtsprechung des EuGH Zwischenlösungen erlaubt und keine vollständige Ausweitung der vorteilhaften Norm auf das Ausland vorschreibt. Beispielhaft hierfür steht die Rechtsprechung zu ausländischen Verlusten, die laut EuGH nur dann importiert werden müssen, wenn sie im Quellenstaat endgültig nicht mehr genutzt werden können. Damit kann zwar in gewissem Rahmen die Steuerplanung begrenzt werden, was jedoch wiederum die steuerlichen Verzerrungen und Kosten steigen lässt. Außerdem kann es der Steuerplanung durchaus gelingen, den Zins- und Satzvorteil trotz restriktiver Regelung zu erlangen. Dies wird dann erneut zusätzliche, direkte und eventuell indirekte Steuerplanungskosten provozieren, z. B. bei einer rein steuerlich induzierten Liquidation, um den Verlustabzug im Inland zu erlangen.
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Der Einfluss auf die Befolgungskosten für die Unternehmen ist genauso wenig eindeutig. Einerseits werden diese aufgrund der ausgeweiteten Begünstigung sinken. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Missbrauchsregelungen ersatzlos wegfallen wie die Regeln zur Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen oder zur Anerkennung ausländischer Basisgesellschaften bzw. Holdings. Andererseits dürften die Befolgungskosten von Unternehmen mit der Ausweitung der Begünstigung oftmals auch steigen. Denn die begünstigende Regelung ist für grenzüberschreitende Sachverhalte typischerweise mit zusätzlichen Nachweispflichten und Anforderungen verbunden. So erfordert z. B. die Anerkennung von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften die Umrechnung ihrer Ergebnisse nach deutschem Steuerrecht, welche aufgrund des Trennungsprinzips bisher nicht notwendig war. Auch bei einer denkbaren, nachgelagerten Besteuerung stiller Reserven eines Wirtschaftsguts müssen die Unternehmen über den Verbleib des Wirtschaftsguts zusätzlich Buch führen. Demgemäß ist der Einfluss auf die Überwachungskosten des Staates ebenfalls nicht eindeutig. Diese werden sinken, sofern Missbrauchsregelungen ersatzlos wegfallen bzw. einen wesentlich engeren Anwendungsbereich aufweisen. Gleichzeitig werden die Überwachungskosten des Staates dann regelmäßig steigen, wenn mit der Anerkennung einer für den Steuerpflichtigen positiven Rechtsfolge erhöhte Nachweispflichten verbunden sind. Dies wird bei den Beispielen einer nachgelagerten Besteuerung bzw. eines grenzüberschreitenden Verlustausgleichs offensichtlich. Die Finanzverwaltung muss schließlich die umgerechneten Verluste bzw. den Verbleib der Wirtschaftsgüter kontrollieren. Bei ausländischen Verlusten kommt je nach Ausgestaltung der Regelung noch hinzu, dass die Finanzverwaltung mit den ausländischen Regelungen zum Verlustausgleich und möglichen Missbrauchsregeln vertraut sein muss. Darüber hinaus wird es bei manchen Lösungen große Probleme geben, den Steuertatbestand überhaupt festzustellen. So ist unklar, wie die Finanzverwaltung Kenntnis von der Realisierung stiller Reserven erlangen soll, wenn das Unternehmen im Inland nur noch beschränkt oder gar nicht mehr steuerpflichtig ist. Auch bei ausländischen Verlusten ist es fraglich, wie die Finanzverwaltung in Erfahrung bringt, ob die Anerkennung ausländischer Verluste im Quellenstaat an Missbrauchsregeln scheitert, zumal diese erst nach mehreren Jahren wirksam werden können. In solchen Fällen kann es auch zu einer rückwirkenden Besteuerung kommen, wobei es bisher unklar ist, in welchem Veranlagungsjahr überhaupt die ausländischen Verluste berücksichtigt werden müssen. Hinzu treten dann noch verfahrensrechtliche Probleme. Sollte nämlich der Steuerbescheid inzwischen rechtskräftig geworden sein, müsste eine entsprechende Norm in der Abgabenordnung etabliert werden, die es erlaubt, die Rechtskraft unter bestimmten Umständen rück-
199
wirkend aufzuheben. Bei großen Konzernen wäre die Bestandskraft der Steuerbescheide wohl regelmäßig nur noch vorläufig, worunter die Rechtssicherheit zu leiden hätte.
4.4.3.
Fazit
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die erste Option, eine Regelung auf das Inland auszuweiten, regelmäßig zu Brüchen in der Systematik der Besteuerung führt. Besonders nationale Sachverhalte erfahren daraufhin eine zunehmende steuerliche Verzerrung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen. Dementsprechend steigen die Befolgungs- und Überwachungskosten, auch weil eine solche Regelung regelmäßig sehr komplex ausfällt. Zwar wird mit einer solchen Lösung prinzipiell erreicht, dass eine Regelung zur Eindämmung internationaler Steuerplanung unverändert weiter bestehen kann. Doch ist dieses Resultat äußerst zweischneidig. Denn auch rein national tätige Unternehmen werden zur Steuerplanung gezwungen, um nachteilige Besteuerungsfolgen zu umgehen. Will der Gesetzgeber dieses Problem beseitigen oder mildern, indem er Privilegierungen nationaler Sachverhalte insbesondere über die Organschaft gewährt, setzt er sich automatisch dem Vorwurf aus, dennoch gemeinschaftsrechtlich verdeckt zu diskriminieren. Eine solche Lösung stellt also sowohl aus rechtlichen als auch ökonomischen Gründen keine empfehlenswerte Alternative dar. Im Schlussantrag des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation wird diese Lösung völlig zu Recht als sinnlos gekennzeichnet, die dem Binnenmarkt nur Schaden zufügt.1155 Die zweite Option hingegen, eine Regelung auf das Ausland auszuweiten, ist aus rechtlicher und ökonomischer Sicht im Grundsatz zu begrüßen. Sie führt nicht nur dazu, Gemeinschaftsrechtskonformität herzustellen, sondern auch die steuerliche Verzerrung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen im grenzüberschreitenden Kontext abzumildern oder gar zu beheben. Doch hat diese Lösung ihren Preis darin, dass die internationale Steuerplanung regelmäßig zu einem größeren Ausmaß als bisher zu Lasten Deutschlands möglich ist, zumal Missbrauchsvorschriften aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen wahrscheinlich wirkungslos bleiben werden. Formuliert Deutschland die Missbrauchsvorschriften hingegen in scharfer Form, wie z. B. die Zinsschranke, werden gemeinschaftsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Allerdings muss hier stärker differenziert werden. Bis zum Urteil M&S wurde von einer zunehmend schrankenlosen Rechtsprechung des EuGH ausgegangen, in der Rechtfertigungen von Be1155
Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed, 29.06.2006, Rs. C-524/04 (Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation), Slg. I-2007, Rn. 68; vgl. auch Gosch, DStR 2007, S. 1559.
200
schränkungen regelmäßig nicht akzeptiert wurden. Die Handlungsoptionen des Gesetzgebers schienen insoweit immer mehr verengt zu werden. Eine Bekämpfung von Steuerplanung und Missbrauch schien EG-rechtlich im Grunde überhaupt nicht praktikabel und durchführbar, es sei denn um den Preis einer unsystematischen und verzerrenden Ausweitung auf das Inland.1156 Dieser Druck hat seit M&S teilweise nachgelassen, und insoweit kann dieses Urteil a posteriori als Zäsur in der Rechtsprechung des EuGH aufgefasst werden. In der sich anschließenden Rechtsprechung sind nunmehr verstärkt Rechtfertigungen für Eingriffe akzeptiert worden, weshalb Beschränkungen gemeinschaftsrechtlich eher möglich sind als früher. In diesem Zusammenhang ist zwischen Missbrauchsregeln (Hinzurechnungsbesteuerung und Zinsschranke) und Regeln für die Aufteilung von Verlusten und Gewinnen (Verlustverrechnung und Wegzugsbesteuerung) zu unterscheiden. Denn bei der Missbrauchsbekämpfung hat der EuGH seine strikte Rechtsprechung – wenn auch mit Nuancen – beibehalten. Daran ändert auch die höchstrichterliche Anerkennung des Arm’s-Length-Prinzips nichts, denn ein Mitgliedstaat muss die Gewinnverlagerung in Höhe der Marktverzinsung und mittels Drittfremdzinsen akzeptieren. Ebenso sind die Anerkennung von Basisgesellschaften und die damit einhergehende Abschirmung von Erträgen vor der inländischen Besteuerung unter bestimmten Bedingungen nicht zu vermeiden. Gleichzeitig ist ein Verlustverkehr nicht so einfach und unmittelbar möglich, es bedarf zumindest eines gewissen Maßes an Steuerplanung. Ebenso wenig ist eine Verlagerung der ökonomischen Rente, insbesondere über die Verlagerung stiller Reserven, direkt möglich. Der EuGH hat in diesen Bereichen Beschränkungen (partiell) zugelassen und somit die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht gestärkt. Doch solche gemeinschaftsrechtlich zulässigen Beschränkungen, wie z. B. den Import der Verluste nur bei ihrem endgültigen Untergang im Quellenstaat zu gestatten, lassen wiederum die Steuerplanungskosten steigen. Ebenso werden die Befolgungsund Überwachungskosten steigen, weil erhöhte Nachweispflichten zur Anerkennung der vorteilhaften Konsequenzen zwingend sind. Die erhöhten Befolgungskosten und administrativen Probleme sind aber ultimativ Ausdruck der in Europa nicht harmonisierten Steuersysteme. In der fehlenden Harmonisierung der Bemessungsgrundlage, des Körperschaftsteuersystems, der Verlustausgleichsregelungen und vor allem der Steuersätze liegen die Chancen und Risiken internationaler Steuerplanung begründet. Nach wie vor hat es der Steuerpflichtige in der Hand, mittels des Einsatzes von Fremdkapital oder Eigenkapital die Zuordnung des Steueraufkommens zwischen den Mitgliedstaaten (partiell) zu bestimmen.1157 Zusammen mit dem Trennungsprinzip
1156 1157
Zu dieser Einschätzung vgl. z. B. Körner, Gewinnverlagerung, 2004, S. 308. Vgl. auch Hey, StuW 2008, S. 182.
201
und der vorherrschenden Freistellungsmethode bleibt Deutschland mit seinem jetzigen Steuersatzniveau anfällig für internationale Steuerplanung. Wenn der Mitgliedstaat Deutschland auf die Urteile des EuGH nur fallbezogen reagiert und versucht, sein Steuerrecht punktuell gemeinschaftsrechtskonform auszugestalten, wird stets das grundsätzliche Dilemma des nationalen Gesetzgebers deutlich.1158 Auch wenn die neuere Rechtsprechung das Problem teilweise entschärft hat, bleibt festzuhalten, dass beide grundlegenden Optionen des nationalen Gesetzgebers, auf die Rechtsprechung des EuGH zu reagieren, mit negativen Konsequenzen verbunden sind.1159 Im Fall der ersten Option wird – abgesehen von mannigfachen rechtlichen Bedenken – die Neutralität der Besteuerung in wichtigen Bereichen wie der Rechtsform und der Finanzierung noch mehr als bisher verzerrt und kreiert gerade erst einen Bedarf für Steuerplanung. Die zweite Option hingegen wird insbesondere erleichterte Steuerplanungsmöglichkeiten, die mit dem Grad der Öffnung des nationalen Steuersystems für das Ausland steigen, und administrativen Mehraufwand nach sich ziehen. Allerdings könnte die neuere Rechtsprechung des EuGH, die auch die Belange der Mitgliedstaaten berücksichtigt, zumindest dazu beitragen, dass in Zukunft die zweite Option, wenn auch mit einer restriktiven Umsetzung des betreffenden EuGH-Urteils wie beispielsweise im Fall der ausländischen Verluste, der durchweg abzulehnenden ersten Option vorgezogen wird. Ein Ausweg aus dem grundsätzlichen Dilemma besteht zweifelsohne in der weiteren Senkung der Ertragsteuersätze. Auf diese Weise kann Deutschland die Anreize der Steuerplanung zu seinen Lasten trotz Freistellung senken. Sofern angesichts der erst 2008 erfolgten Senkung auf ca. 31% kein weiterer politischer Spielraum für zusätzliche Steuersatzsenkungen bestehen sollte, könnte der Gesetzgeber alternativ eine umfassende Lösung anstreben.1160 Eine solche Lösung sollte sowohl die internationale Steuerplanung eindämmen helfen als auch den Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung gerecht werden, ohne dabei die Investitions- und Finanzierungsentscheidungen gerade im Inland in Mitleidenschaft zu ziehen. Einige Probleme bleiben dabei selbst bei einer umfassenden Lösung bestehen, und können nur durch eine weitergehende Kooperation oder Harmonisierung innerhalb der EU gelöst werden. Letztlich besteht Handlungsbedarf auch auf europäischer Ebene, denn die EuGH-Rechtsprechung zwingt die Mitgliedstaaten weiterhin, über eine verstärkte Harmonisierung der direkten Steuern nachzudenken.1161 Prominentes Bei-
1158 1159 1160 1161
So auch Spengel/Braunagel, StuW 2006, S. 44 f. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 8 f., 18. Zu den Alternativen vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 29. Vgl. Dörr, Intertax 2004, S. 186; Gammie, Intertax 2005, S. 489; Helminen, Intertax 2005b, S. 602; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 9, 18; Kube, IStR 2003, S. 329; Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 222, S. 81.
202
spiel hierfür sind die Vorschläge der Kommission für eine einheitliche und konsolidierte körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage1162, die beim derzeitigen Diskussionsstand im Wesentlichen auf dem Quellenprinzip basieren und eine formelhafte Gewinnaufteilung vorsehen.1163 In dieser Arbeit wird der ökonomisch vorzugswürdigen Kapitalexportneutralität der Vorrang gegeben, woraus eine Besteuerung nach dem Welteinkommensprinzip abzuleiten ist. Zwar kann ein solches System grundsätzlich auch im Rahmen der Kommissionsvorschläge umgesetzt werden, allerdings bedarf es dabei mindestens der Umstellung auf ein System der indirekten Gewinnaufteilung und einer Harmonisierung der Bemessungsgrundlage. Der im Rahmen dieser Arbeit unterbreitete Lösungsvorschlag soll indes auch unilateral umsetzbar sein. Zwar bedarf die Einführung einer obligatorischen Wohnsitzbesteuerung ebenfalls zumindest der EU-weiten Harmonisierung der Bemessungsgrundlage. Allerdings müssen sich die EU-Staaten nicht auf eine Gewinnaufteilungsformel einigen, womit auch die bisherigen Steueransprüche der Quellenstaaten im Grundsatz unverändert bleiben. Damit ist m.E. die Umsetzbarkeit der vorgeschlagenen Lösung im Vergleich zu den Kommissionsvorschlägen angesichts der geringeren Harmonisierungsanforderungen und des geringeren Eingriffs in bestehende Besteuerungsrechte als realistischer anzusehen und entspricht zudem eher dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 EGV. Deshalb wird im folgenden Kapitel auf den Lösungsvorschlag der Kommission nicht näher eingegangen und stattdessen der Vorschlag einer umfassenden Wohnsitzbesteuerung dargestellt und diskutiert. Diese umfassende Lösung entspricht im Ergebnis der konsequenten Fortführung und Umsetzung mancher Einzellösungen, wie sie in den Kapiteln 4.1., 4.2. und 4.3. diskutiert wurden. Beispielsweise kann eine Ausweitung der Organschaft auf ausländische Verluste a priori mit einer symmetrischen Erfassung auch der ausländischen Gewinne kombiniert werden.
1162
1163
Vgl. Kommission, Unternehmensbesteuerung, 2001, S. 375 f. Für eine gemeinschaftsrechtliche Analyse der Kommissionsvorschläge vgl. Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 192-245. Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 28 f.
203
5.
Die Wohnsitzbesteuerung als umfassender Lösungsvorschlag
5.1. 5.1.1.
Darstellung der Wohnsitzbesteuerung Systematik der Wohnsitzbesteuerung innerhalb des Besteuerungssystems in Deutschland
Ein zentrales Prinzip für die Besteuerung unbeschränkt Steuerpflichtiger ist das Welteinkommensprinzip, das gerade im Bereich der Unternehmensbesteuerung durch innerstaatliche und abkommensrechtliche Regelungen durchbrochen wird.1164 Deshalb wird in dieser Arbeit vorgeschlagen, das Welteinkommensprinzip wieder stärker zur Geltung kommen zu lassen. Die Unternehmensbesteuerung soll im Rahmen der Gruppenbesteuerung konsequent am Welteinkommensprinzip ausgerichtet werden (Wohnsitzbesteuerung).1165 Diese Wohnsitzbesteuerung soll so weit wie möglich den Anforderungen der ökonomisch vorzugswürdigen Kapitalexportneutralität entsprechen, um die internationale Steuerplanung zu begrenzen. Durch ein international neutrales Besteuerungssystem werden die Steuerplanungskosten auf Seiten der Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung reduziert.1166 Gleichzeitig werden die spezifisch internationalen Steuerplanungsmöglichkeiten der Unternehmen reduziert. Insoweit trägt die Wohnsitzbesteuerung auch zu einer gleichmäßigen Besteuerung bei. Auf rechtlicher Ebene werden zudem insbesondere die EG-rechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung der Wohnsitzbesteuerung beachtet und umgesetzt. Die bisherigen Besteuerungsrechte der einzelnen Staaten bleiben von einer Wohnsitzbesteuerung grundsätzlich unberührt.1167 Die Einkünfte der Tochtergesellschaften und der Betriebsstätten des Konzerns werden unverändert nach dem Arm’s-Length-Prinzip bemessen und den jeweiligen Sitz- und Quellenstaaten für die Besteuerung zugewiesen. Ausländische Tochtergesellschaften müssen in ihren Sitzstaaten die jeweilige Körperschaftsteuer bezahlen, und die inländische Muttergesellschaft zahlt auf den Gewinnanteil ihrer ausländischen Betriebsstätten ebenfalls die im Quellenstaat geschuldete Körperschaftsteuer. In einem zweiten Schritt werden die ausländischen Einkünfte dem Einkommen der deutschen Mutter hinzugerechnet und unterliegen dort zusam-
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1167
Vgl. Schreiber, Einführung, 2005, S. 11; Lehner/Reimer, IStR 2005, S. 545 f. Morgenthaler ist der Meinung, dass angesichts der deutschen Abkommenspolitik das Welteinkommensprinzip „nur noch gesetzestechnische Bedeutung hat“; Morgenthaler, IStR 2000, S. 293. So auch De Mooij/Stevens, EC Tax Review 2005, S. 13; vgl. auch Schreiber, StuW 1994, S. 250-253; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 28; Schreiber/Führich, Group Taxation, 2007, S. 9-12. In diese Richtung auch Hernler, DB 2003, S. 61. Zur Minimierung der Steuerplanungskosten vgl. auch Wehrheim/Krause, Kapitalwertkriterium, 2007, S. 511; Wagner, FA 1986, S. 43; Wagner, StuW 2005, S. 98. Vgl. Theisen, Der Konzern, 2000, S. 610.
204
men mit deren inländischen Einkünften der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Aufgrund der steuerlichen Vorbelastung des ausländischen Einkommens muss eine der beiden international anerkannten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gewählt werden. Die bisher von Deutschland präferierte Freistellungsmethode eröffnet gerade viele der in dieser Arbeit beschriebenen Steuerplanungsmöglichkeiten und wird deshalb nicht mehr gewährt. Deswegen werden in einem dritten Schritt die ausländischen Steuern auf die inländische Steuerschuld der Mutter angerechnet, um eine Doppelbesteuerung der ausländischen Gewinne zu vermeiden.1168 In Höhe des deutschen Steuerniveaus zahlt die Mutter demnach Steuern auf den gesamten Gewinn der einzubeziehenden Konzernglieder unabhängig von der jeweiligen Rechtsform der inländischen und ausländischen Investitionen. Hinter einer solchen Zurechnung von Gewinnen der Konzerngesellschaften zum Einkommen der Muttergesellschaft steht ökonomisch die Vorstellung, dass die Tochtergesellschaft ultimativ der Erzielung monetärer Interessen der Muttergesellschaft dient (Teilhabersteuer).1169 Die Wohnsitzbesteuerung ist als Option ausgestaltet und kann grundsätzlich problemlos mit dem restlichen System der Unternehmensbesteuerung verbunden werden. Sofern die Mutter die Option zur Wohnsitzbesteuerung wahrnimmt, wäre in Analogie zur derzeit gültigen Organschaft eine Gruppenbesteuerung für Konzerne mit speziellen Regeln verfügbar. Bei Nichtausübung der Option im Konzern sowie für alle sonstigen unternehmerischen Aktivitäten gelten die allgemeinen Besteuerungsregeln. Um keine systematischen Inkonsistenzen zwischen den allgemeinen Regelungen und der Wohnsitzbesteuerung entstehen zu lassen, sollte für Einkünfte aus ausländischen Betriebsstätten auf die Anrechnung bzw. für Dividenden ausländischer Tochtergesellschaften auf die indirekte Anrechnung übergegangen werden.1170 Dieser Wechsel im System der allgemeinen Besteuerungsregeln kann die Steuerplanung ebenfalls beschneiden, da die Besteuerung im Prinzip nicht mehr von der Art der Finanzierung abhängt. Entscheidender Unterschied zur umfassenden Wohnsitzbesteuerung ist jedoch der fehlende Zugriff auf thesaurierte Gewinne der Tochtergesellschaften. Dementsprechend ist bei Nichtausübung der Option zu einer Wohnsitzbesteuerung ein Verlustausgleich zwischen der Konzernmutter und ihren Tochtergesellschaften nicht verfügbar.
1168
1169
1170
Zu dieser Regelung in Dänemark vgl. Bjornholm/Hansen, Denmark, 2005, S. 186. Bereits in den 1960ern wurde ein Optionsrecht für solch eine harmonisierte Konzernbesteuerung seitens der Kommission vorgeschlagen; vgl. Debatin, DStZ-A 1969, S. 150, 152. Vgl. Elschen, Besteuerung von Unternehmensgewinnen, 1994, S. 104 f.; Schreiber, StuW 1994, S. 250; vgl. auch Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 266. So schlägt Homburg auch für konzernangehörige Gesellschaften die Wiedereinführung der indirekten Anrechnung (§ 26 Abs. 2 KStG 1999) vor; vgl. Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 24.
205
Die Ausgestaltung des Körperschaftsteuersystems schließlich, also die Integration der Körperschaftsteuer (und der Gewerbesteuer) in die Einkommensbesteuerung natürlicher Personen, kann unabhängig von obigem Lösungsvorschlag konzipiert werden. Auch bei Umsetzung der Wohnsitzbesteuerung besteht grundsätzlich Wahlfreiheit zwischen klassischen Systemen und solchen, die die wirtschaftliche Doppelbesteuerung mildern oder vermeiden, wobei die EG-rechtlichen Anforderungen zu beachten sind.1171 Die Entscheidung über das Körperschaftsteuersystem kann auch Einfluss auf die persönliche Reichweite der Wohnsitzbesteuerung ausüben. Über den Fokus dieser Arbeit (Kapitalgesellschaften) hinaus können nämlich auch Personengesellschaften und natürliche
Personen,
sofern
sie
Mehrheitseigner
darstellen,
in
das
System
der
Wohnsitzbesteuerung einbezogen werden. In diesem Fall käme es bei Personengesellschaften aufgrund des Transparenzprinzips bzw. bei natürlichen Personen zu einer vollen Integration der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer in die Einkommensteuer. Dementsprechend wäre die Besteuerung derjenigen Anteilseigner, die dem System der Wohnsitzbesteuerung nicht unterfallen, anzupassen und als Vollanrechnungssystem auszugestalten.
5.1.2. 5.1.2.1.
Tatbestandsvoraussetzungen Räumliche Reichweite
Sicherlich wäre es konsequent, die Einbeziehung des weltweiten Konzerns in die Wohnsitzbesteuerung vorzusehen. Damit wäre den Anforderungen der Kapitalexportneutralität weltweit entsprochen und die Steuerplanung auch außerhalb der EU wirkungsvoll begrenzt. Allerdings ist es realistischer, die Wohnsitzbesteuerung geographisch auf den Raum der EU bzw. des EWR zu beschränken.1172 Denn der weitreichende Zugriff Deutschlands auf thesaurierte Gewinne würde unzweifelhaft DBA-rechtliche Probleme aufwerfen, die weltweit kaum zu beherrschen wären. Somit bildet das EU-Einkommen von Konzerngliedern, die in der EU ansässig sind, das Kernstück der Bemessungsgrundlage.1173 Bei Drittstaats-Einkommen von EU-Konzernmitgliedern muss der Besteuerungsanspruch aus oben genanntem Grund zurückgenommen werden. Betriebsstätteneinkünfte aus Drittstaaten, die EU-Konzernglieder erzielen, sind unter Anrechnung bei der
1171
1172
1173
Vgl. EuGH vom 07.09.2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg. I-2004, Rn. 55; EuGH vom 06.03.2007, Rs. C292/04 (Meilicke), Slg. I-2007, Rn. 31. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 34; De Mooij/Stevens, EC Tax Review 2005, S. 14; im Zusammenhang mit der CCCTB vgl. Spengel/Wendt, StuW 2007, S. 303; Hellerstein/McLure, International Tax and Public Finance 2004, S. 206; Sørensen, International Tax and Public Finance 2004, S. 95. Im Folgenden wird nur von der EU gesprochen, wenn auch damit der EWR inbegriffen ist. Im Kontext der CCCTB vgl. Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 22.
206
deutschen Muttergesellschaft zu versteuern. Erhaltene Dividenden von Tochtergesellschaften aus Drittstaaten sind unter Anwendung der indirekten Anrechnung zu versteuern. Auf die thesaurierten Gewinne der Drittstaats-Tochtergesellschaften findet kein Zugriff statt, da sie nicht in den Konzernkreis einbezogen werden. Allerdings ist das EU-Einkommen von Tochtergesellschaften bzw. Betriebsstätten aus Drittstaaten in die Wohnsitzbesteuerung einzubeziehen, da andernfalls einfache Umgehungsmöglichkeiten gegeben sind.1174 Somit sind EUBetriebsstätten und EU-Enkelgesellschaften auch dann einzubeziehen, wenn diese indirekt über Betriebsstätten bzw. Tochtergesellschaften in Drittstaaten gehalten werden.
5.1.2.2.
Persönliche Reichweite: Der Konzernkreis
Als Konzernmutter fungiert für Zwecke der Wohnsitzbesteuerung eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung oder ausschließlich der Ort der Geschäftsleitung in Deutschland liegt. Diese Kapitalgesellschaft darf ihrerseits nicht mehr von einer juristischen Person beherrscht werden, um sicherzustellen, dass nur eine deutsche Gesellschaft als Konzernspitze agieren kann.1175 Eine Konzernmutter, die nur ihren Sitz in Deutschland hat, ist hingegen nicht zuzulassen. Nach DBA-Recht mit der entsprechenden tie-breaker-Regel (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) ist eine solche Gesellschaft mit ihrem Welteinkommen regelmäßig in demjenigen Staat steuerpflichtig, in dem der Ort der Geschäftsleitung liegt.1176 In den Konzernkreis sind alle Betriebsstätten einzubeziehen, die in der EU oder in Drittstaaten belegen sind und auf die die Konzernmutter einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dies wird für Betriebsstätten der Fall sein, wenn diese zum Einheitsunternehmen der Mutter selbst oder aber zu EU-Tochtergesellschaften gehören, die von der Mutter mehrheitlich besessen werden. Ebenso werden EU-Betriebsstätten erfasst, sofern sie zu einer Drittstaatstochter gehören, auf die die Mutter einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ebenso sind in den Konzernkreis alle Tochtergesellschaften einzubeziehen, die in der EU ansässig sind und auf die die Konzernmutter einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dies betrifft EU-Tochtergesellschaften, an denen eine mehrheitliche Beteiligung seitens der Muttergesellschaft besteht – entweder direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften des Konzerns. Tochtergesellschaften aus Drittstaaten sind hingegen generell nicht einzubeziehen. 1174
1175 1176
Im Kontext der CCCTB vgl. Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 30; Braunagel, KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage, 2008, S. 203. So die entsprechende Regelung in Italien; vgl. Schneider, IStR 2007, S. 462. Vgl. Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 107 zu Art. 4, S. 465; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 179.
207
5.1.2.3.
Sachliche Reichweite: Mehrheitsbeteiligung
Aus ökonomischer Sicht sollten alle Tochtergesellschaften einbezogen werden, die unabhängig von der genauen Beteiligungsquote von der Konzernmutter wirtschaftlich beherrscht werden bzw. in den Konzern wirtschaftlich integriert sind. Wie jedoch u. a. Erfahrungen aus den USA zeigen, ist diese konzeptionell richtige Sicht für Tochtergesellschaften nur schwer zu konkretisieren und dementsprechend für die Gerichte, aber auch für die Finanzverwaltung problematisch in der Handhabung.1177 Deshalb sollte aus Gründen der Rechtssicherheit ein objektives, rechtliches Kriterium für den Einbezug von Tochtergesellschaften in die Wohnsitzbesteuerung gewählt werden. Hierzu bietet sich der Anteil am Kapital bzw. an den Stimmrechten an.1178 Eine Mehrheitsbeteiligung von mehr als 50% erscheint ausreichend und entspricht der Schwelle, bei der im Konzernrecht von einer Einbeziehungspflicht in den Konzernabschluss ausgegangen wird.1179 Auch diejenigen Mitgliedstaaten, die eine grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung anbieten, setzen die relevante Beteiligungsschwelle bei einer Mehrheitsbeteiligung an.1180 Der Einbezug aller Betriebsstätten des Konzerns ist auf jeden Fall geboten, da Betriebsstätten weder rechtlich noch wirtschaftlich vom Stammhaus unabhängig sind. Dies gilt entsprechend für Betriebsstätten, die nicht direkt zum Stammhaus der Konzernmutter gehören, sondern zum Einheitsunternehmen einer von der Mutter mehrheitlich beherrschten Gesellschaft. Eine Mehrheitsbeteiligung kann entweder direkt von der Mutter oder indirekt bzw. mittelbar über Tochter- bzw. Enkelgesellschaften gehalten werden. Hierbei sind die Beteiligungen von Tochtergesellschaften an Enkelgesellschaften und weitere mittelbare Beteiligungen zu addieren – nicht jedoch durchzurechnen –, sofern auf jeder Stufe eine mehrheitliche und damit wirtschaftliche Beherrschung durch die Konzernmutter gegeben ist.1181 Jede vermittelnde Tochter- und Enkelgesellschaft muss also ihrerseits im mehrheitlichen Besitz der Muttergesellschaft stehen.
1177
1178
1179
1180
1181
Vgl. Hellerstein/McLure, International Tax and Public Finance 2004, S. 203-205; Pomp/Gerten, IStR 2008, S. 388; Schreiber, StuW 2004, S. 223; Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 12; Sørensen, International Tax and Public Finance 2004, S. 94; Kommission, CCCTB, 2007, Rn. 25. Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 223; Schön, Konzernbesteuerung, 2008, S. 71; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 48; Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 22 f. Dies entspricht auch der Praxis in den Mitgliedstaaten; vgl. Endres et al. (Hrsg.), Corporate Income, 2007, S. 87. So auch Schön, Konzernbesteuerung, 2008, S. 70; vgl. auch Kahle/Dahlke/Schulz, StuW 2008, S. 271; Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 195. Vgl. Endres et al. (Hrsg.), Corporate Income, 2007, S. 86; Princen/Gerard, ET 2008, S. 177; Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 116. So auch Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 93. Im Kontext der Organschaft vgl. Dötsch, Organschaftskonzerne, 2008, S. 197 f.; Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 64 f.
208
Beispiel 14: Im ersten Sachverhalt gehört die Gesellschaft A zum steuerlichen Konzernkreis. Selbiges gilt auch für die Gesellschaft B, da die beherrschte Gesellschaft A der Konzernmutter eine Beteiligung in Höhe von 50% vermittelt, welche zusammen mit der unmittelbaren Beteiligung in Höhe von 30% zu einer mehrheitlichen Beteiligung führt. Im zweiten Sachverhalt wird die Gesellschaft B durchgerechnet zwar zu 55% von der Konzernspitze beherrscht. Allerdings kann A nicht die Beteiligung von 50% vermitteln, da sie selbst nicht von der Konzernmutter beherrscht wird. Folglich können beide Gesellschaften nicht in den Konzernkreis einbezogen werden. Im dritten Sachverhalt ist die Gesellschaft A Teil des Konzernkreises und vermittelt deshalb die Anteile an der Gesellschaft B in Höhe von 25%. Zwar ergibt sich daraus durchgerechnet (45%) keine mehrheitliche Beherrschung von B. Da die Beteiligungen jedoch addiert werden, ist die Konzernmutter unmittelbar und mittelbar zu 55% beteiligt, und ein Einbezug in den steuerlichen Konzernkreis ist möglich.
Konzernmutter
Konzernmutter
30%
70%
30%
Gesellschaft A
40%
Gesellschaft A
60%
30%
50%
50%
Gesellschaft B
Konzernmutter
Gesellschaft B
Gesellschaft A
25%
Gesellschaft B
Abbildung 3: Beteiligungsquoten für den Einbezug in den Konzernkreis. Darstellung in Anlehnung an Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 64.
Das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags oder vergleichbarer Instrumente ist aus den in Kapitel 4.2.2.2. genannten Gründen abzulehnen. Das Abschließen eines konzernrechtlich nicht relevanten Gruppenvertrags ist ebenfalls überflüssig. Die Rechtsfolgen der Wohnsitzbesteuerung werden ausschließlich durch die Antragstellung der Konzernspitze in Deutschland ausgelöst.
209
5.1.3. 5.1.3.1.
Rechtsfolgen Ausübungswahlrecht
Bei Vorliegen der obigen Voraussetzungen kann die Muttergesellschaft die Option zur Wohnsitzbesteuerung für den gesamten Konzern auf Antrag ausüben. Diese Option kann getrennt nach nationalen und internationalen Konzernmitgliedern ausgeübt werden. Allerdings gilt in beiden Fällen das All-In-All-Out-Prinzip, d. h. entweder werden alle Betriebsstätten und Tochtergesellschaften oder gar keine einbezogen.1182 Wird die Option wahrgenommen, ist diese Entscheidung für mindestens fünf Veranlagungszeiträume bindend.1183 Eine Verlängerung der Option ist möglich, wiederum für mindestens fünf Jahre. Wird die Option nicht ausgeübt bzw. nicht weiter verlängert, gelten die allgemeinen Regeln der Unternehmensbesteuerung. Im nationalen Fall ist also das deutsche Einheitsunternehmen mitsamt seinen Betriebsstätten steuerpflichtig, während im Verhältnis zu den deutschen Tochtergesellschaften das Trennungsprinzip zur Anwendung gelangt. Im grenzüberschreitenden Fall ist das deutsche Einheitsunternehmen mit seinem Welteinkommen steuerpflichtig, während im Verhältnis zu den ausländischen Tochtergesellschaften ebenfalls das Trennungsprinzip akzeptiert wird. Somit ist der wichtigste Nachteil bei Nichtausüben der Option der fehlende Verlustausgleich zwischen den rechtlich selbständigen Konzerngliedern.
5.1.3.2.
Laufende Besteuerung
5.1.3.2.1. Einkommensermittlung der Konzerngesellschaften
Für Zwecke der Gewinnermittlung gelten nach wie vor sowohl das Subjekt- als auch das Objektprinzip. Das Einkommen der Konzerngesellschaften wird anhand der international gebräuchlichen Methoden getrennt ermittelt (Arm’s-Length-Prinzip). Damit finden auch die Korrekturvorschriften der verdeckten Gewinnausschüttung und der verdeckten Einlage unverändert Anwendung. In einem Einheitsunternehmen werden für die Zuweisung der Besteuerungsgrundlagen zu den einzelnen Ländern ebenfalls die international üblichen Methoden zur Gewinnabgrenzung verwendet. Die direkte Methode gemäß Arm’s-Length-Prinzip gilt als Regelmethode für die Gewinnaufteilung bei Betriebsstätten.
1182
1183
Vgl. auch Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 100; Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 116. In Italien gilt diese Verpflichtung nur für ausländische Konzernglieder; vgl. Marino/Ballancin, TNI 2004, S. 470. Vgl. auch Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 117.
210
Ermittelt werden die Einkommen sämtlicher Betriebsstätten und Konzerngesellschaften nach inländischem Recht.1184 Für Betriebsstätten der deutschen Muttergesellschaft ergibt sich damit kein Novum, da ohnehin eine Pflicht zur weltweiten Buchführung gilt. Die Ergebnisse von ausländischen Betriebsstätten, die nicht direkt zum Einheitsunternehmen der Mutter gehören, sowie sämtliche Ergebnisse der EU-ausländischen Tochtergesellschaften müssen jedoch nach deutschem Recht berechnet werden. Hierzu ist mindestens eine zusätzliche Überleitungsrechnung der lokalen Ergebnisse auf deutsches Steuerrecht notwendig. Ebenso muss für EU-Betriebsstätten bzw. EU-Tochtergesellschaften, die nicht im EURO-Raum belegen bzw. ansässig sind, eine Währungsumrechnung zum jeweiligen Devisenkurs am Bilanzstichtag erfolgen. Für die Überprüfung der ausländischen Ergebnisse können neben der Amtshilferichtlinie insbesondere die Regelungen des § 90 Abs. 2 und 3 AO zur Mitwirkung der Steuerpflichtigen bei der Ermittlung und Beurteilung ausländischer Sachverhalte herangezogen werden.1185
5.1.3.2.2. Hinzurechnung und Konsolidierung bei der Muttergesellschaft
Die so ermittelten Einkommen der Betriebsstätten und Tochtergesellschaften werden dem Einkommen der Muttergesellschaft hinzugerechnet. Da der Mutter nur der Gewinn- bzw. Verlustanteil in Höhe der Beteiligungsquote zusteht, erfolgt eine quotale Zurechnung sowohl für inländische als auch ausländische Konzernglieder.1186 Die Zurechnung schließt die thesaurierten Gewinne bzw. Verluste der einzubeziehenden Tochtergesellschaften ein. Folgerichtig sind Dividenden und Veräußerungsgewinne, die aus Beteiligungen an Gesellschaften innerhalb des Konzernkreises resultieren, zu 100% freizustellen.1187 Diese Freistellung gilt spiegelbildlich für jeglichen Aufwand aus der Abschreibung von Beteiligungen oder aus Veräußerungsverlusten.1188 Im Rahmen der Hinzurechnung kommt es zu einer ersten automatischen Konsolidierung1189, weil sich im Konzernkreis korrespondierende Aufwendungen und Erträge kompensieren (Aufwands1184
1185 1186
1187
1188 1189
Für die Regelung in Dänemark vgl. Kessler, IStR 1993, S. 304; für die Regelung in Frankreich vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 462. Vgl. auch Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 484. Vgl. auch Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 15; Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 118; so bereits Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 279; a. A. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 256; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 281. Dies entspricht der Praxis derjenigen Mitgliedstaaten, die eine grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung anbieten; vgl. auch Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 81. Für die Regelung in Dänemark vgl. Kessler, IStR 1993, S. 305; für die Regelung in Italien vgl. Schneider, IStR 2007, S. 463. Die Freistellung gilt entsprechend für verdeckte Gewinnausschüttungen; vgl. z. B. Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 298. Lediglich bei Ausschüttungen aus Malta muss aufgrund der dort gewährten Steuererstattung eine Besteuerung der Dividenden unter indirekter Anrechnung der ausländischen Steuer erfolgen. Vgl. auch Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 252. Zu den vier verschiedenen Konsolidierungsmaßnahmen vgl. z. B. Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 119; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 507-518.
211
und Ertragskonsolidierung).1190 Beispielsweise neutralisieren sich konzerninterne Zahlungen aus der Gesellschafter-Fremdfinanzierung. Der Zinsaufwand ist regelmäßig abzugsfähig, entgeht also der Steuer im Staat der Tochtergesellschaft, während der steuerpflichtige Zinsertrag auf Ebene der Mutter durch den zugerechneten Zinsaufwand der Tochter kompensiert wird, so dass im Staat der Muttergesellschaft keine Steuer entsteht. Im Ergebnis ist auf Ebene der Muttergesellschaft richtigerweise keine Steuer zu zahlen, da der Konzern als Einheit keinen Gewinn durch diese Transaktion erzielt hat.1191 Darüber hinaus sollte für den Konzernkreis eine Zwischenergebniseliminierung verfügbar sein, um die wirtschaftliche Einheit des Konzerns zu berücksichtigen.1192 Allerdings ist eine wirtschaftliche Integration regelmäßig erst bei hohen Beteiligungsquoten zu vermuten. Deshalb sollte trotz der Einbeziehungspflicht ab 50% die Möglichkeit zur weitergehenden Konsolidierung differenzierter geregelt werden. Bei einer Beteiligung zwischen 50% und 75% sollte auf jeden Fall keine weitergehende Konsolidierung verfügbar sein.1193 Eine Beteiligungsquote von mehr als 75% kann hingegen als Untergrenze für eine weitergehende Konsolidierung angesehen werden, weil eine qualifizierte Mehrheit im Regelfall ausreicht, die Satzung der Tochtergesellschaft zu verändern.1194 Es ist aber sicherlich auch gerechtfertigt, eine höhere Beteiligungsquote von 90% und mehr für eine Konsolidierung zu fordern. So verlangen gerade die Niederlande, die als einziges Mitgliedsland der EU eine vollumfängliche steuerliche Konsolidierung anbieten, eine Mindestbeteiligung von 95%.1195 Eine derart hohe Quote erfasst dennoch die große Mehrheit der Konzerne, da in der Praxis Beteiligungsquoten von mehr als 90% vorherrschend sind.1196 Demgemäß wird im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung ab einer Beteiligungsquote von 90% eine außerbilanzielle Zwischenergebniseliminierung und Schuldenkonsolidierung vorgenommen. Dann kann mit hinreichender Sicherheit von einer wirtschaftlichen Integration dieser Tochter in den Konzern ausgegangen werden, was eine weitergehende Konsolidierung im Rahmen der Wohn-
1190
1191
1192
1193 1194
1195
1196
Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 31, 50; Fülbier/Pferdehirt, DB 2006, S. 177; Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 34. Wegen der quotalen Hinzurechnung gelingt diese Konsolidierung bei Quoten unter 100% nur unvollständig. Allerdings kann der Zinsaufwand im Ausland steuerwirksam abgezogen worden. Diese Problematik kann aufgrund der Souveränität der Mitgliedstaaten nicht unilateral gelöst werden. Auf Basis des Realisationsprinzips wird eine Zwischenergebniseliminierung im System der Wohnsitzbesteuerung gefordert; vgl. dazu Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 126; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 31. Vgl. auch Herzig/Wagner, DB 2005a, S. 9; in diese Richtung auch Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 116. Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 48; Kommission, CCCTB, 2006, Rn. 45; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 241. Vgl. auch Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 235 f. Auch die anderen Mitgliedstaaten, die eine (partielle) Konsolidierung anbieten, fordern als Beteiligungsquoten mindestens 75%, teilweise sogar 90%; vgl. Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 191; Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 62, 79. Vgl. Kommission, CCCTB, 2007, Rn. 25; Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 392.
212
sitzbesteuerung rechtfertigt. Für Betriebsstätten muss aufgrund der wirtschaftlichen Beherrschung durch die Konzernmutter ohnehin eine Zwischenergebniseliminierung erfolgen.1197 Bei nicht aktivierungsfähigen Vermögenswerten bzw. Wirtschaftsgütern ist eine Zwischenergebniseliminierung a priori nicht notwendig, weil dem Aufwand entsprechender Ertrag auf Ebene des Konzerns gegenübersteht1198, der durch die Zusammenrechnung aller Ergebnisse automatisch konsolidiert wird. Deshalb wird auf Ebene der Muttergesellschaft nur bei aktivierten Wirtschaftsgütern eine außerbilanzielle Kürzung bzw. Hinzurechnung von Gewinnen bzw. Verlusten vorgenommen, die aus dem konzerninternen Lieferverkehr entstehen.1199 Eine Realisierung des Umsatzes findet bei nicht abschreibungsfähigen Wirtschaftsgütern dann statt, wenn ein Außenumsatz mit einem Dritten vorliegt bzw. das Wirtschaftsgut untergeht oder aus anderen Gründen das Betriebsvermögen des Konzerns verlässt.1200 Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens kann die praktische Durchführung einer Zwischenergebniseliminierung sehr aufwendig sein. Deshalb könnte ein Verzicht auf die Buchwertfortführung bei Wirtschaftsgütern des UV – insbesondere bei denjenigen, die in den Produktionsprozess eingehen – angezeigt sein.1201 Alternativ müssten Vereinfachungsregeln implementiert werden, die eine bestimmte Verbrauchsreihenfolge unterstellen, wie z. B. die LiFo-Methode.1202 Ein Verzicht auf die Zwischenergebniseliminierung bei Wirtschaftsgütern des UV wäre insoweit auch im Einklang mit der in dieser Arbeit vorgeschlagenen, sofortigen Wegzugsbesteuerung bei dieser Art von Wirtschaftsgütern. Bei abschreibungsfähigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kommt es automatisch zu einer Realisierung der Erträge in späteren Perioden, weil die Abschreibungen auf den (niedrigeren) historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten basieren.1203
1197 1198
1199
1200
1201
1202 1203
Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 56. Vgl. auch Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 64; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 45, 247. Die Zwischenergebniseliminierung gilt gleichermaßen für Zwischengewinne und Zwischenverluste; vgl. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 45 f. Unter der Geltung des Imparitätsprinzips sind jedoch Zwischenverluste dann nicht zu korrigieren, wenn sie nach dem Imparitätsprinzip ohnehin zu erfassen gewesen wären; vgl. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 249, 253; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 295. Vgl. auch Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 63 f.; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 248; Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 359. Vgl. Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 203; Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 29 f.; Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 248; Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 97; für Frankreich vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 436; a. A. Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 289. Vgl. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 250. Vgl. dazu ausführlich Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 294-296.
213
Beispiel 15: Eine Maschine wird in eine litauische Tochtergesellschaft (Beteiligung 100%) in Periode Null verbracht. Dieses Wirtschaftsgut erbringt über fünf Jahre einen konstanten Zahlungsstrom von 270. Eine Wegzugsbesteuerung erübrigt sich, da die Verlagerung des Wirtschaftsguts die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland unverändert lässt. Die Summe der Steuerzahlungen in jeder Periode bleibt gleich und entspricht 31% der deutschen steuerlichen Bemessungsgrundlage, die mit Hilfe der AfA auf Basis der historischen Anschaffungskosten von 1.000 berechnet werden. Da eine sofortige Ausschüttung der Nachsteuergewinne angenommen ist, entspricht zudem der Endwert demjenigen Endwert, der sich ergäbe, wenn die Investition in Deutschland durchgeführt würde. Der Ansatz des Wirtschaftsguts in Litauen zu einem über den historischen Anschaffungskosten liegenden Wert, hier in Höhe von 1.025, ändert nichts an der Gesamtsteuerbelastung. Die Höhe des Ansatzes hat lediglich Auswirkungen auf die Verteilung des Steueraufkommens. Im Beispiel muss Deutschland in jedem Jahr auf 9,7 der gesamten Steuerschuld verzichten. Würde Litauen keinen Step-Up für das Wirtschaftsgut gewähren, also die AfA ebenso wie Deutschland auf Basis der historischen Anschaffungskosten berechnen, würde sich das Steueraufkommen noch einmal geringfügig zu Litauens Gunsten verschieben (insg. 10,5 des gesamten Steueraufkommens steht Litauen zu). Entscheidend ist jedoch, dass die steuerliche Gesamtbelastung bei 31% bleibt. Es ergäbe sich nämlich auch dann ein Endwert nach Steuern in Höhe von 29,1, wenn die Investition in Deutschland durchgeführt werden würde.
Litauische Tochtergesellschaft Jahr Gewinn vor Steuern Aktivierung AfA Bemessungsgrundlage Steuern Gewinn nach Steuern Ausschüttung
Körperschaftsteuersatz: 15% 0
1 270,0
2 270,0
3 270,0
4 270,0
5 270,0
205,0 65,0 9,7 260,3 260,3
205,0 65,0 9,7 260,3 260,3
205,0 65,0 9,7 260,3 260,3
205,0 65,0 9,7 260,3 260,3
205,0 65,0 9,7 260,3 260,3
2 270,0
3 270,0
4 270,0
5 270,0
200,0 70,0 21,7 9,7 12,0 260,3 248,3 17,1
200,0 70,0 21,7 9,7 12,0 260,3 248,3 35,5
200,0 70,0 21,7 9,7 12,0 260,3 248,3 55,0
200,0 70,0 21,7 9,7 12,0 260,3 248,3 76,0
Wiederanlagebetrag 248,3 513,7 797,5 Endvermögen der Realinvestition nach Steuern 5 Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,069 Endwert
1.100,8
1.425,1 1.425,1 1.396,0 29,1
1.025,0
Deutsche Ertragsteuersatz: 31% Muttergesellschaft Jahr 0 1 Litauischer Gewinn vor 270,0 Steuern Aktivierung 1.000,0 AfA 200,0 Bemessungsgrundlage 70,0 Steuerschuld 21,7 Anrechnung 9,7 Gezahlte deutsche Steuern 12,0 Erhaltene Dividende 260,3 Nettozufluss 248,3 Nettozinsertrag aus der 0,0 Wiederanlage in t n 1
Tabelle 11: Zwischenergebniseliminierung bei abnutzbarem Anlagevermögen
214
Ebenso sollte eine Schuldenkonsolidierung verfügbar sein, um der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns gerecht zu werden. Deshalb wird auf Ebene der Muttergesellschaft für Beteiligungen ab einer Quote von 90% und für Betriebsstätten eine außerbilanzielle Hinzurechnung bzw. Kürzung von Aufwendungen bzw. von Erträgen vorgenommen, die aus der Abschreibung bzw. Zuschreibung von konzerninternen Forderungen und Verbindlichkeiten oder der Bildung bzw. Auflösung von Rückstellungen für konzerninterne Lasten entstehen. Im Ergebnis sind Aufwendungen und Erträge, die aus der Bewertung des konzerninternen Forderungs- und Verbindlichkeitsbestands oder aus der Bildung und Auflösung von Rückstellungen für konzerninterne Lasten resultieren, für die deutsche Besteuerung unbeachtlich.1204 Bei Rückstellungen kommt es bei Erfüllung der Verpflichtung durch die Zusammenrechnung der Erträge aus der Inanspruchnahme der Verpflichtung und der Aufwendungen aus der Erfüllung der Verpflichtung auf Ebene der Muttergesellschaft zu einer automatischen Konsolidierung. Da die Hinzurechnung der Ergebnisse nur quotal erfolgt, kann auch die Konsolidierung nur in Höhe der Beteiligungsquote durchgeführt werden.1205 Allerdings sollten angesichts der geforderten Beteiligungshöhe von mehr als 90% mögliche Verzerrungen aufgrund einer lediglich quotalen Konsolidierung nicht so sehr ins Gewicht fallen. Eine Vollkonsolidierung schließlich, wie sie das Handelsrecht kennt, ist für steuerliche Zwecke nicht
empfehlenswert.1206
Somit
ist
eine
Kapitalkonsolidierung
im
Rahmen
der
Wohnsitzbesteuerung nicht durchzuführen, was in Kapitel 5.1.3.3.1.1. näher begründet wird. Das entspricht auch der Praxis derjenigen Mitgliedstaaten – insbesondere der Niederlande –, die in ihrer Gruppenbesteuerung weitergehende Konsolidierungsmaßnahmen, wie z. B. eine Zwischenergebniseliminierung, anbieten.1207 Konzeptionell entspricht diese unvollständige Berücksichtigung der wirtschaftlichen Einheit des Konzerns einer einheitstheoretischen Modifikation der Zurechnungstheorie.1208
1204
1205
1206
1207
1208
Vgl. Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 249; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 299; für die Niederlande vgl. Müller, The Netherlands, 2005, S. 253; für Frankreich vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 442. Aus konzeptionellen Gründen ist ohne die Problematik der Minderheitsgesellschafter eine Konsolidierung zu 100% zu präferieren; vgl. z. B. Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 216. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 49; Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 78-80. Vgl. Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 79; Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 199, 328 f.; Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 33. Vgl. z. B. Theisen, Der Konzern, 2000, S. 584 f., 611 f.
215
5.1.3.2.3. Besteuerung und Anrechnung ausländischer Steuern
Das Einkommen der Muttergesellschaft unterliegt grundsätzlich der deutschen Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer. Da die Besteuerungsrechte der Quellenstaaten unberührt bleiben, lastet auf den hinzugerechneten ausländischen Einkünften die jeweilige ausländische Körperschaftsteuer. Deshalb wird die Anrechnung der ausländischen Steuern auf die deutsche Steuerschuld gewährt. Da die Einkünfte quotal hinzugerechnet werden, erfolgt dementsprechend eine quotale Anrechnung der tatsächlich gezahlten, ausländischen Steuern.1209 Nach der jetzigen Systematik ist die Gewerbesteuer als eine lokale, auf das Inland begrenzte Objektsteuer zu charakterisieren. Somit wären eine gewerbesteuerliche Erfassung der ausländischen Einkünfte und eine entsprechende Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer nicht möglich. In diesem Fall verbliebe ausschließlich die Körperschaftsteuer zur Anrechnung, was angesichts des geltenden Steuersatzes von 15% innerhalb der EU überwiegend zu einem dauerhaften Anrechnungsüberhang und damit zu einer faktischen Freistellung der ausländischen Einkünfte führen würde.1210 Auch eine Vortragsmöglichkeit des Anrechnungsüberhangs ändert an diesem Ergebnis nichts. Deshalb muss die Einführung einer Wohnsitzbesteuerung mit einer Änderung der gewerbesteuerlichen Behandlung ausländischer Einkünfte einhergehen. Dem Grunde nach ist auch die Gewerbesteuer in die Besteuerung und Anrechnung einzubeziehen.1211 Mit dem Einbezug der Gewerbesteuer erfolgt eine Heraufschleusung auf das deutsche Steuerniveau in Abhängigkeit vom Hebesatz, dem die Konzernmutter in ihrer Sitzgemeinde unterliegt. Alternativ kann die Besteuerung und Anrechnung für ausländische Einkünfte über einen durchschnittlichen Gewerbesteuersatz erfolgen.1212 Schreibt man den durchschnittlichen Gewerbesteuer-Hebesatz aller deutschen Kommunen mit einer Einwohnerzahl von über 50.000 gesetzlich als Referenz fest, kommt es zu einer Heraufschleusung auf ca. 31%.1213 Damit wird die Häufigkeit von Anrechnungsüberhängen deutlich reduziert und zugleich offensichtliche Steuerplanung der Konzernmutter hinsichtlich ihrer Sitzwahl im Inland überflüssig gemacht. Die Existenz von Anrechnungsüberhängen hängt aber auch davon ab, ob die Anrechnung der Höhe nach unbegrenzt oder begrenzt gewährt wird. Weber-Grellet fordert die unbegrenzte An1209
1210 1211
1212 1213
Für Italien vgl. Schneider, IStR 2007, S. 464; für Frankreich vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 492. Vgl. Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 69, 108 f.; Vogel, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003a, Rn. 63 zu Art. 2, S. 334. Für die Anrechnung (in anderem Kontext); vgl. Herzig, WPg 2007, S. 10; Zielke, DB 2007, S. 2783. Eine alternative Lösung ist die Abschaffung der Gewerbesteuer und des Solidaritätszuschlags, womit die Körperschaftsteuer als alleinige Ertragsteuer verbleibt, z. B. in Höhe von 30%. Lang sieht sogar eine europäische Notwendigkeit, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag abzuschaffen; vgl. Lang, Harmonisierung, 1997, S. 890. Vgl. auch Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 109. Für die Höhe der Steuerbelastung vgl. Kapitel 3.2.2.
216
rechnung ausländischer Steuern, um die steuerlichen Investitionsanreize zu minimieren.1214 Eine der Höhe nach unbegrenzte Anrechnung ist indes international ohne Vorbild und fiskalisch nicht empfehlenswert, sofern keine europaweite Clearingstelle eingerichtet wird.1215 Deshalb ist der Anrechnungsbetrag auf die Höhe der deutschen Steuerschuld für die ausländischen Einkünfte zu begrenzen, wie es die in Deutschland vorhandene Anrechnungsbegrenzung (§ 34c Abs. 1 S. 2 EStG) vorsieht. Zudem existiert in Deutschland eine länderbezogene Begrenzung (per countryBegrenzung).1216 Eine solche Begrenzung ist jedoch regelmäßig nachteilig, wenn im gleichen Mitgliedstaat sowohl Verluste als auch Gewinne bei verschiedenen Tochtergesellschaften anfallen und eine Gruppenbesteuerung zum Verlustausgleich zwischen den beiden Tochtergesellschaften im Ausland nicht existiert.1217 Eine binnenmarktbezogene Begrenzung der Anrechnung über alle EU-Einkünfte hinweg (per community-Begrenzung) ist bei gleichzeitig auftretenden Gewinnen und Verlusten von EU-Tochtergesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten ebenfalls oftmals nachteilig. Deshalb sollte als Grundsatz eine firmenbezogene Anrechnung (per company-Begrenzung) eingeführt werden1218, um Anrechnungsüberhänge im Fall verschiedener
Erfolgssituationen ausländischer Tochtergesellschaften aus dem gleichen Mitgliedstaat oder aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu vermeiden. Beispiel 16: Die deutsche Muttergesellschaft hat zwei rumänische Tochtergesellschaften (Körperschaftsteuer-Satz: 16%) und zwei österreichische Tochtergesellschaften (Körperschaftsteuer-Satz: 25%). In jedem Land ist jeweils eine Tochter gleichbleibend profitabel, während die zweite Tochter in Periode 1 einen Verlust erwirtschaftet, der erst in Periode 3 über einen Verlustvortrag genutzt werden kann. Aufgrund dieser unterschiedlichen Gewinn-/Verlustsituation kommt es sowohl nach der per community-Begrenzung als auch nach der per country-Begrenzung zu einem Anrechnungsüberhang in Periode 1 in voller Höhe der gezahlten ausländischen Steuern. Bei der per companyBegrenzung hingegen sind die Verluste anderer Gesellschaften – im gleichen oder in einem anderen Mitgliedstaat – nicht schädlich, weshalb im Grundsatz eine volle Anrechnung gelingen kann, da der ausländische Steuersatz unter dem inländischen liegt und die Bemessungsgrundlagen nach beiden Vorschriften gleich sind. Im Beispiel kommt es wegen der Begrenzung auf die deutsche Steuerschuld dennoch zu einem Anrechnungsüberhang von 10, der aber kleiner ist als die anderen Anrechnungsüberhänge. Wie man unschwer erkennen kann, ist die per companyBegrenzung in solchen Fällen regelmäßig besser. Man kann an diesem Beispiel auch erkennen, dass eine Vortragsmöglichkeit (siehe weiter unten) notwendig ist, um eine effektive Anrechnung sämtlicher ausländischer Steuern zu gewährleisten. Mit Hilfe dieser Vortragsmöglichkeit gelingt es in allen drei Fällen, die ausländischen Steuern in der Summe komplett anzurechnen. Dies gelingt bei der per company-Begrenzung indes schneller mit den entsprechenden Zinsvorteilen. Variiert man die Gewinne und Verluste der Gesellschaften, kommt es bei zunehmender Profitabilität zu einer vollständigen Anrechnung unter allen drei Anrechnungssystemen. Die per company-Begrenzung ist jedoch im Zweifelsfall besser, sofern der Überhang nicht aus höheren Steuersätzen oder unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen resultiert.
1214 1215
1216 1217 1218
Vgl. Weber-Grellet, Steuerrecht, 2005, S. 169. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 24; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 32; im Kontext der CCCTB vgl. Spengel/Wendt, StuW 2007, S. 304. Vgl. z. B. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 410. Vgl. auch Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 149. Für Italien vgl. Marino/Ballancin, TNI 2004, S. 471, 475.
217
Konzernglied Rumänische Tochtergesellschaft 1
Jahr Einkommen Steuern
Rumänische Tochtergesellschaft 2
Einkommen Steuern Verlustvortrag
Österreichische Tochtergesellschaft 1
Einkommen Steuern
Österreichische Tochtergesellschaft 2
Einkommen Steuern Verlustvortrag
Deutsche Muttergesellschaft
Inländische Einkünfte Rumänische Einkünfte Österreichische Einkünfte Summe ausländische Einkünfte Einkommen Steuerschuld Anrechnungspotential
Firmenbezogen (per company)
1
2
3
100 16
100 16
100 16
-100 0 100
0 0 100
100 0 0
100 25
100 25
100 25
-100 0 100
0 0 100
100 0 0
100 0 0 0 100 31 41
0 100 100 200 200 62 41
100 200 200 400 500 155 41
Tatsächliche Anrechnung gezahlte deutsche Steuern Anrechnungsvortrag
31 0 10
51 11 0
41 114 0
Länderbezogen (per country)
Tatsächliche Anrechnung gezahlte deutsche Steuern Anrechnungsvortrag
0 31 41
62 0 20
61 94 0
EU-weit (per community)
Tatsächliche Anrechnung gezahlte deutsche Steuern Anrechnungsvortrag
0 31 41
62 0 20
61 94 0
Tabelle 12: Anrechnungsvorträge in Abhängigkeit vom Anrechnungsmechanismus
Allerdings kann es immer noch zu Anrechnungsüberhängen kommen, wenn der Konzern insgesamt einen Verlust erleidet, da eine Anrechnung mangels gezahlter inländischer Steuer scheitert. Ebenso kann die Bemessungsgrundlage nach ausländischem Recht höher sein als diejenige nach inländischem Recht, so dass die gezahlten ausländischen Steuern u. U. nicht vollständig auf die anteilige deutsche Steuerschuld angerechnet werden können.1219 Diese Konstellation kann aus unterschiedlichen Gewinnermittlungsvorschriften oder aus den zusätzlichen Konsolidierungsmaßnahmen in Deutschland resultieren, die entweder das zu versteuernde Einkommen in
1219
Vgl. Schreiber, DBW 1992, S. 836; im Überblick Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 268 f.
218
Deutschland oder die zur Anrechnung berechtigenden, ausländischen Einkünfte schmälern. So können beispielsweise Anrechnungsüberhänge entstehen, wenn ein steuerpflichtiger Zinsertrag im Ausland anfällt, der im Inland wegen des Zinsaufwands und der damit verbundenen automatischen Aufwands- und Ertragskonsolidierung nicht anfällt. Somit wird im Inland keine Steuer fällig, und es steht in dieser Periode kein Anrechnungspotential zur Verfügung. In solchen Fällen kann deshalb eine Kombination von Einkünften aus Hoch- und Niedrigsteuerländern vorteilhaft sein, um Anrechnungsüberhänge zu minimieren. Deshalb sollte dem Konzern ein zusätzliches Wahlrecht gegeben werden, auf die per country- oder auf die per communityBegrenzung überzugehen.1220 Diese großzügige Ausgestaltung der Anrechnungsmodalitäten liegt einerseits im Interesse der Unternehmen, da es die andernfalls resultierende Steuerplanung zur Minimierung der Überhänge in weiten Teilen redundant machen könnte. Andererseits steht angesichts der derzeitigen Steuersätze in der EU nicht zu befürchten, dass über eine Kombination aller EU-ausländischen Einkünfte (per community) der Anrechnungsmechanismus faktisch ins Leere läuft. Da bei einem Gesamtverlust des Konzerns auch dieses Wahlrecht nicht weiterhilft, sollte es schließlich eine zeitlich und betragsmäßig unbegrenzte Vortragsmöglichkeit für Anrechnungsüberhänge geben.1221 Unter Umständen kann zusätzlich ein zeitlich und/oder betragsmäßig begrenzter Rücktrag gewährt werden.1222 Permanente Überhänge, die aus einem höheren ausländischen Steuersatzniveau resultieren, bleiben trotz Vortragsmöglichkeit dann unberücksichtigt, wenn eine Kombination im Rahmen der per community-Begrenzung keinen Erfolg hat.
5.1.3.2.4. Verlustabzug
Der grenzüberschreitende Verlustausgleich ist aufgrund der Konsolidierung an der Konzernspitze systemimmanent und der größte Vorteil einer Wohnsitzbesteuerung. Wegen der konsequenten Hinzurechnung von Gewinnen und Verlusten besteht auch kein Grund, die Verlustverrechnung einzuschränken. Eine Nachversteuerungsregel für abgezogene ausländische Verluste ist im Grundsatz obsolet, weil eine Nachversteuerung bei der Anrechnungsmethode ebenfalls systemimmanent ist.1223 Korrekterweise werden stets die originären Ergebnisse der ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften hinzugerechnet – ungeachtet eines eventuellen Verlustausgleichs 1220
1221
1222 1223
Vgl. auch Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 271 f. Zu weiteren denkbaren Anrechnungsbegrenzungen vgl. Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 83-86. Vgl. Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip, 1995, S. 148; vgl. auch Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 109; Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 273; Schreiber, StuW 1994, S. 252; Endres/Günkel, WPgSonderheft 2006, S. S16. In Italien wird ein Rücktrag für acht Jahre gewährt; vgl. Marino/Ballancin, TNI 2004, S. 475. Vgl. Saß, DB 2006, S. 124; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 32.
219
über einen eigenen Verlustvortrag oder über eine andere nationale bzw. grenzüberschreitende Gruppenbesteuerung, in welche die betreffende Tochtergesellschaft einbezogen wird.1224 Beispiel 17: Die bulgarische Enkelgesellschaft (Körperschaftsteuer-Satz: 10%) gehört unmittelbar zu 100% der österreichischen Tochtergesellschaft (Körperschaftsteuer-Satz: 25%). Die bulgarischen Verluste können im Rahmen der internationalen, österreichischen Gruppenbesteuerung abgezogen werden. Die österreichische Gesellschaft wiederum ist zu 100% eine Tochtergesellschaft der deutschen Konzernspitze, die für eine Wohnsitzbesteuerung optiert hat. In Bulgarien fallen überhaupt keine Steuern an, da der Verlust aus Periode 1 erst in Periode 3 in voller Höhe aufgebraucht wird. In Österreich hingegen kann der bulgarische Verlust in Periode 1 sofort mit österreichischen Einkünften verrechnet werden; eine Nachversteuerung erfolgt in Periode 3 bei der Nutzung des Verlusts in Bulgarien.1225 Für die deutsche Wohnsitzbesteuerung ist richtigerweise immer auf die jeweiligen ausländischen Einkünfte abzustellen, die vor einem eventuellen Verlustabzug oder einem Verlustausgleich im Rahmen einer Gruppenbesteuerung erwirtschaftet werden. Demgegenüber würden die bulgarischen Verluste doppelt von der deutschen Bemessungsgrundlage abgezogen, wenn im Rahmen der deutschen Besteuerung einerseits die bulgarischen Einkünfte, andererseits das österreichische Einkommen berücksichtigt würde. Weiterhin erkennt man am Beispiel die automatische Nachversteuerung des zuvor abgezogenen, bulgarischen Verlusts in Periode 3. Da in Bulgarien in Periode 3 ein Verlustausgleich über den Verlustvortrag gelingt, wird keine bulgarische Steuer fällig. Folglich wird der bulgarische Gewinn in Deutschland in voller Höhe versteuert, und es kann keine bulgarische Steuer angerechnet werden. Im Beispiel ist die EU-weite Anrechnungsbegrenzung vorzuziehen, da in Österreich eine Nachversteuerung des bulgarischen Verlusts in Periode 3 stattfindet, die jedoch für die deutsche Besteuerung unbeachtlich ist. Deshalb entsteht bei einer firmenbezogenen Anrechnung ein Überhang bei der österreichischen Gesellschaft.
1224
1225
Vgl. auch Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 276 f. Da Länder wie Österreich und Dänemark eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung anbieten, ohne dass die inländische Konzernspitze die ultimative Mutter sein muss, kann es u. U. zu einer Doppelberücksichtigung eines Verlustes in Deutschland und in einem anderen Staat kommen. Deshalb könnte wie in Dänemark eine Missbrauchsregelung notwendig sein; vgl. dazu Bjornholm/Hansen, Denmark, 2005, S. 186; Princen/Gerard, ET 2008, S. 183. Aufgrund der systemimmanenten Nachversteuerung in Deutschland und einer regelmäßig erfolgenden Nachversteuerung zuvor abgezogener Verluste in Ländern mit grenzüberschreitendem Verlustausgleich, z. B. in Österreich, erscheint eine solche Regel jedoch überflüssig. Gerade in durchgängigen Beteiligungsketten innerhalb der EU ist eine solche Regelung nicht notwendig; in diese Richtung auch Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 279-281. Zu dieser Regelung in Österreich vgl. z. B. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 65.
220
Konzernglied Bulgarische Enkelgesellschaft
Jahr Einkommen Einkommen nach Verlustabzug Verlustvortrag Steuern
1
2
3
-100 -100
0 0
100 0
100 0
100 0
0 0
Österreichische Tochtergesellschaft
Inländische Einkünfte Bulgarische Einkünfte Einkommen Steuern
100 -100 0 0
100 0 100 25
100 100 200 50
Deutsche Muttergesellschaft
Inländische Einkünfte Bulgarische Einkünfte Österreichische Einkünfte Einkommen Steuerschuld Anrechnungspotential
100 -100 100 100 31 0
0 0 100 100 31 25
100 100 100 300 93 50
Firmenbezogen (per company)
Tatsächliche Anrechnung gezahlte deutsche Steuern Anrechnungsvortrag
0 31 0
25 6 0
31 62 19
EU-weit (per community)
Tatsächliche Anrechnung gezahlte deutsche Steuern Anrechnungsvortrag
0 31 0
25 6 0
50 43 0
Tabelle 13: Automatische Nachversteuerung bei der Anrechnungsmethode
Sofern der gesamte Konzern einen steuerlichen Verlust erlitten hat, sollte dieser zeitlich und betragsmäßig unbeschränkt vorgetragen werden können. Zusätzlich könnte ein zeitlich beschränkter Rücktrag, beispielsweise für drei Jahre, verfügbar sein. Grundsätzlich ist eine Aufteilung des Verlustvortrags auf die einzelnen Konzernglieder denkbar.1226 Diese Aufteilung kann allerdings kompliziert werden und erscheint daher obsolet, da die fiskalischen Effekte eines Verlustverkehrs zu Lasten Deutschlands gerade durch die Wohnsitzbesteuerung begrenzt werden. Demgegenüber entspricht es dem Konzept der Wohnsitzbesteuerung, wenn die Verluste auf der Ebene der Konzernspitze verbleiben und zukünftig für den Gesamtkonzern genutzt werden. Ausländische Verluste aus Drittstaaten sind nur im Fall von Betriebsstätten zu berücksichtigen. Im Fall von Tochtergesellschaften gilt das strenge Trennungsprinzip, so dass ein Verlustausgleich nicht zur Verfügung steht. Dies sind auch die steuerlichen Konsequenzen für die EUKonzernglieder, wenn die deutsche Muttergesellschaft die Option nicht ausübt.
1226
Vgl. Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 36; vgl. auch Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 267. Zu dieser Regelung in Dänemark vgl. Bjornholm/Hansen, Denmark, 2005, S. 187 f.
221
5.1.3.3.
Aperiodische Besteuerung
5.1.3.3.1. Eintritt in den Konzernkreis 5.1.3.3.1.1. Erstkonsolidierung Beim Kauf und Tausch einzelner Wirtschaftsgüter, die dadurch erstmals in den Konzernkreis gelangen, sowie beim asset deal ist nach den allgemeinen steuerlichen Grundsätzen der (gezahlte) Marktwert anzusetzen. Bei der erstmaligen Bildung des Konzernkreises bzw. beim Eintritt neuer Tochtergesellschaften in den Konzernkreis ist hingegen die Frage nicht so leicht zu beantworten, zu welchen Werten die jeweiligen Konzernglieder eintreten sollen. Grundsätzlich denkbar sind hierfür die steuerlich fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, also der Buchwert, oder der Marktwert. Konzeptionell sauber ist eine Lösung nur dann, wenn der Zutritt und der Austritt zu den gleichen Wertmaßstäben erfolgt. In der Literatur wird diesbezüglich teilweise die Meinung vertreten, dass der Zutritt (und entsprechend der Austritt) zu Marktwerten erfolgen muss. Denn der Konzern als Käufer hat die stillen Reserven über den Kaufpreis vergütet, und der Verkäufer hat die stillen Reserven dementsprechend bereits versteuert.1227 Folglich sei ein Ansatz zu den gezahlten Marktwerten geboten. Diese Vorgehensweise korrespondiert insofern mit der handelsrechtlichen Konsolidierung, als dort die (Mehrheits-)Beteiligung durch die zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs geltenden Marktwerte der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden ersetzt wird. Allerdings lässt eine solche Argumentation das Körperschaftsteuersystem außer Acht. So ist der share deal bei einer Kapitalgesellschaft steuerfrei1228, da die stillen Reserven nur auf Ebene der Kapitalgesellschaft nach Maßgabe ihrer Realisierung besteuert werden. Dementsprechend ist bei erstmaliger Konsolidierung des gesamten Konzernkreises ein Abstellen auf die Marktwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter unter steuerlichen Gesichtspunkten nicht akzeptabel.1229 Im nationalen Fall würde ein Eintritt zu Marktwerten Möglichkeiten der Steuerarbitrage eröffnen.1230 In Höhe der Zuschreibung entgehen die so aufgedeckten stillen Reserven der Besteuerung, da die zukünftigen steuerwirksamen Abschreibungen in gleicher Höhe steigen.
1227
1228
1229 1230
Vgl. dazu Bauer, Besteuerung deutscher Konzerne, 1987, S. 232 f.; gl. A. auch mit Bezugnahme auf die Einheitstheorie des Konzerns Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 326, 328. Für Bauer sind steuerliche Vergünstigungen beim Anteilsverkauf irrelevant; vgl. Bauer, Besteuerung deutscher Konzerne, 1987, S. 233; ähnlich Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 328. Vgl. auch Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 60. Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 224.
222
Beispiel 18: Betrachtet wird eine Investition mit fallendem Zahlungsstrom und einer Anschaffungsauszahlung von 1.000. Nach geltendem Steuerrecht wird dieser Wert aktiviert und über fünf Jahre abgeschrieben. In diesem Fall ergibt sich ein Endwert von 208. Die Investition ist somit vorteilhaft und wird durchgeführt. Wird bei der erstmaligen Konsolidierung der deutschen Tochtergesellschaft, in der die Investition durchgeführt wird, ein höherer Wert als die Anschaffungskosten der Investition, hier in Höhe von 1.200, steuerlich akzeptiert und angesetzt, sind die Abschreibungen höher und ein größerer Teil der Zahlungen entgeht der Steuer. Dementsprechend steigt der Endwert auf 279,2. Idealtypisch handelt es sich im Beispiel um die Besteuerung des ökonomischen Gewinns, m.a.W.: die steuerliche Abschreibung entspricht der Ertragswertabschreibung. Es wird nur die Verzinsung des Ertragswerts besteuert, beispielsweise 120 in Periode 1, was 10% des Ertragswerts in Periode Null entspricht. Eine Besteuerung des ökonomischen Gewinns ermöglicht unter den üblichen Annahmen (Kapitel 3.2.1.) eine investitionsneutrale Einkommensbesteuerung.1231 Allerdings ist eine solche Besteuerung im derzeitigen System mit einer Gewinnermittlung auf Basis des Realisationsprinzips und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein Fremdkörper. Insoweit würden Gesellschaften, die erstmals in den Konzernkreis für eine Wohnsitzbesteuerung zum Marktwert konsolidiert würden, gegenüber nicht konsolidierten Gesellschaften steuerlich begünstigt. Wird das System der Einkommensbesteuerung nicht grundlegend neu gestaltet, ist eine Kapitalkonsolidierung für Zwecke der Wohnsitzbesteuerung abzulehnen.
Marktzins Nettozins Ansatz zum Marktwert Jahr Investition Aktivierung AfA Bemessungsgrundlage Steuern Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
10% 6,90%
1 360,0
2 336,0
3 312,0
4 288,0
5 264,0
240,0 120,0 37,2 322,8 0,0
240,0 96,0 29,8 306,2 22,3
240,0 72,0 22,3 289,7 44,9
240,0 48,0 14,9 273,1 68,0
240,0 24,0 7,4 256,6 91,6
Wiederanlagebetrag 322,8 651,3 985,9 Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
1.327,1
1.675,2 1.675,2 1.396,0 279,2
Ansatz zum Buchwert Jahr Investition Aktivierung AfA Bemessungsgrundlage Steuern Nettozufluss Nettozinsertrag aus der Wiederanlage in t n 1
0 -1.000,0 1.200,0
-1.000,0
0 -1.000,0 1.000,0
1 360,0
2 336,0
3 312,0
4 288,0
5 264,0
200,0 160,0 49,6 310,4 0,0
200,0 136,0 42,2 293,8 21,4
200,0 112,0 34,7 277,3 43,2
200,0 88,0 27,3 260,7 65,3
200,0 64,0 19,8 244,2 87,8
Wiederanlagebetrag 310,4 625,7 946,1 Endvermögen der Realinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
1.272,1
1.604,0 1.604,0 1.396,0 208,0
-1.000,0
Tabelle 14: Kapitalkonsolidierung im nationalen Fall
1231
Ausführlich zu diesem Konzept vgl. z. B. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 556-562.
223
Um diese Art von Steuerarbitrage zu unterbinden, müsste konsequenterweise bei Eintritt in den Konzernkreis eine Abschlussbesteuerung zum Marktwert auf Ebene der Tochtergesellschaft stattfinden.1232 Diese Marktwerte würden für Zwecke der Gruppenbesteuerung angesetzt, und angesichts der vorhergehenden Besteuerung wären die höheren Abschreibungen entsprechend dem Korrespondenzprinzip gerechtfertigt. Allerdings entsteht bei proportionalen Steuersätzen ein Liquiditäts- und Zinsnachteil dadurch, dass der heutigen Steuerzahlung erst zukünftig steuerwirksame Abschreibungen gegenüberstehen, woraus steuerliche Hemmnisse für Unternehmensrestrukturierungen resultieren. Darin liegt gerade der Grund, warum das UmwStG in nationalen Umwandlungsfällen einen Aufschub der Besteuerung der stillen Reserven zulässt, zumal in fiskalischer Hinsicht keine Notwendigkeit der sofortigen Besteuerung der stillen Reserven besteht.1233 Somit sollte im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung der Eintritt in den Konzernkreis zum Buchwert erfolgen. Aus den gleichen Gründen besteht auch im grenzüberschreitenden Fall eine Präferenz für den Eintritt zum Buchwert. Zudem macht der erstmalige Einbezug der Wirtschaftsgüter der ausländischen Tochtergesellschaft zum Marktwert eine Anrechnung für bestehende Investitionen im Wesentlichen wirkungs- und sinnlos. Denn den zukünftigen sich realisierenden Reserven stehen entsprechend erhöhte inländische Abschreibungen gegenüber. Auch wenn ein Gewinn nach inländischen Vorschriften – idealiter in Höhe der Verzinsung des Ertragswertes – verbleibt, dürfte es in großem Ausmaß Anrechnungsüberhänge wegen der divergierenden Bemessungsgrundlagen geben. Damit kann im Regelfall keine nennenswerte inländische Steuer auf die so ermittelten ausländischen Einkünfte anfallen.
1232
1233
Vgl. Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 61. Alternativ könnte eine Entkonsolidierung bei Ausscheiden aus dem Konsolidierungskreis a posteriori sicherstellen, dass der Totalgewinn bei Einzelgewinnund Konzerngewinnermittlung identisch ist; vgl. dazu Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 328. In diesem Fall kann der zeitliche Abstand zwischen der vorteilhaften Wertaufstockung der Wirtschaftsgüter und der korrespondierenden Schlussbesteuerung bei Entkonsolidierung dennoch sehr groß sein, um in hohem Maße Steuervorteile gegenüber einer Einzelveranlagung zu erreichen. Auch insoweit erscheint eine Konsolidierung nach handelsrechtlichen Vorschriften nicht empfehlenswert. Vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 321 f.; Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 61.
224
Beispiel 19 (in Fortführung zu Beispiel 18): Betrachtet wird dieselbe Investition wie in Beispiel 18 mit dem Unterschied, dass diese nun in einer slowenischen Tochtergesellschaft durchgeführt wird. Optiert die deutsche Konzernmutter in Periode Null für die Wohnsitzbesteuerung und findet eine erstmalige Kapitalkonsolidierung der slowenischen Tochtergesellschaft statt, muss die Investition in der slowenischen Tochtergesellschaft aus deutscher Sicht mit dem Marktwert in Höhe von 1.200 angesetzt werden. Auf dieser Basis kommt es nach deutschem Recht zur jährlichen Abschreibung in Höhe von 240. Für die slowenische Finanzverwaltung ändert sich hingegen durch die Einbeziehung der slowenischen Tochter in die deutsche Wohnsitzbesteuerung nichts. Unverändert werden die historischen Anschaffungskosten aktiviert, auf deren Basis eine jährliche Abschreibung von 200 resultiert. Folglich sind die nach slowenischem Recht ermittelten Einkünfte größer als nach deutschem Recht. Damit wird der Steuersatzunterschied kompensiert, und im Beispiel kommt es mit Ausnahme der ersten Periode stets zu einer Anrechnung in voller Höhe der deutschen Steuerschuld, die auf die nach deutschem Recht ermittelten slowenischen Einkünfte entfällt. Es wird kein nennenswertes, zusätzliches Steueraufkommen aus der Anrechnung in Deutschland generiert. Im Beispiel entsteht sogar ein Anrechnungsüberhang aus dieser Investition, der für andere EU-ausländische Einkünfte genutzt werden könnte.
Slowenische Tochtergesellschaft Einkünfteermittlung nach slowenischem Steuerrecht (Körperschaftsteuersatz: 22%) Jahr 0 1 2 3 4 Investition -1.000,0 360,0 336,0 312,0 288,0 Aktivierung 1.000,0 AfA 200,0 200,0 200,0 200,0 Bemessungsgrundlage 160,0 136,0 112,0 88,0 Slowenische Steuern 35,2 29,9 24,64 19,36 Einkünfteermittlung nach deutschem Steuerrecht (Ertragsteuersatz: 31%) Jahr 0 1 2 3 Investition -1.000,0 360,00 336,00 312,00 Aktivierung 1.200,0 AfA 240,00 240,00 240,00 Bemessungsgrundlage 120,00 96,00 72,00 Deutsche Steuern auf 37,20 29,76 22,32 slowenische Einkünfte Anrechnungspotential 35,20 29,92 24,64 Tatsächliche 35,20 29,76 22,32 Anrechnung Gezahlte deutsche Steu2,00 0,00 0,00 ern Anrechnungsvortrag 0,00 0,16 2,48
5 264,00 200,00 64,00 14,08
4 288,00
5 264,00
240,00 48,00 14,88
240,00 24,00 7,44
19,36 14,88
14,08 7,44
0,00
0,00
6,96
13,60
Tabelle 15: Kapitalkonsolidierung im grenzüberschreitenden Fall
In diesem Fall geht der Anrechnungsmechanismus ins Leere und rechtfertigt nicht den damit verbundenen Aufwand. Selbst eine korrespondierende Abschlussbesteuerung würde an diesem Befund aus der fiskalischen Sicht Deutschlands nichts ändern, da das Steueraufkommen vollkommen dem Quellenstaat zusteht. Abgesehen davon ist es schwer vorstellbar, dass ein ausländischer Staat eine Schlussbesteuerung für den Zeitpunkt anordnet, in dem nach deutschem Steuerrecht ein Einbezug in den steuerlichen Konzern erfolgt. Somit sollte im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung auch im grenzüberschreitenden Fall der Buchwert zum Ansatz kommen. Somit ist weder im nationalen noch internationalen Fall eine Kapitalkonsolidierung im handelsrechtlichen Sinne für steuerliche Zwecke durchzuführen. Damit wird auch der beträchtliche Aufwand
225
aus der erstmaligen (Unternehmens-)Bewertung der Tochtergesellschaften zu Marktwerten vermieden. Schließlich kann es bei der erstmaligen Schuldenkonsolidierung zu einmaligem Ertrag kommen, sofern Bestandskorrekturen erfolgen (Beteiligungsschwelle 90%). Bisherige Schuldverhältnisse nämlich, die bisher aus steuerlicher Sicht gegenüber Dritten bestanden, werden durch die Konsolidierung zu konzerninternen Schuldverhältnissen, die steuerlich nicht beachtlich sind. So kann entweder ein vorgezogener, zu versteuernder Ertrag entstehen, wenn nunmehr konzerninterne Verbindlichkeiten entsprechend der zugehörigen, zuvor abgewerteten Forderungen zum niedrigeren Marktwert eingebucht werden bzw. alternativ die zuvor getätigte Abschreibung auf die Forderung rückgängig gemacht wird.1234 Gleiches gilt für bereits gebildete Rückstellungen für inzwischen konzerninterne Verpflichtungen, die ertragswirksam aufzulösen sind. Aus Vereinfachungsgründen ist es jedoch denkbar, eine erstmalige Schuldenkonsolidierung für Bestandskorrekturen nicht durchzuführen.1235
5.1.3.3.1.2. Verlustvorträge Ein Verlustvortrag der Konzernmutter, der schon vor der Gruppenbesteuerung bestanden hat, ist als originärer Verlust der Mutter von ihrem Einkommen auch im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung unbeschränkt abzugsfähig. Der Einbezug solcher Verlustvorträge von ausländischen und inländischen Tochtergesellschaften bzw. ausländischen Betriebsstätten ist hingegen nicht zwingend. Nach den derzeit geltenden Regelungen werden solche Verlustvorträge für die Dauer der Organschaft „eingefroren“. Allerdings mindert ein vollständiges „Einfrieren“ der Verlustvorträge die Attraktivität der Wohnsitzbesteuerung erheblich, da die Vorträge an Wert verlieren oder womöglich endgültig verfallen können (§ 8c KStG). Deshalb sollte es möglich sein, einen Verlustvortrag auf Ebene der jeweiligen Tochtergesellschaft bzw. der ausländischen Betriebsstätte nutzen zu können.1236 Somit ist ein Abzug vorgetragener Verluste von den nachfolgenden Gewinnen der jeweiligen Gesellschaft möglich, nicht jedoch vom Gesamteinkommen des Konzerns. Sollte ein bereits bestehender Verlustvortrag jedoch wertlos verfallen, beispielsweise we-
1234
1235 1236
Vgl. auch Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 301; Müller, The Netherlands, 2005, S. 253; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 252. Fülbier hingegen spricht sich für eine erfolgsneutrale Erfassung solcher Differenzen aus; vgl. Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 355. So die Vorgehensweise in Frankreich; vgl. Fülbier, Konzernbesteuerung, 2006, S. 201. Vgl. auch Kommission, CCCTB, 2006, Rn. 45; Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 10; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 267 f.; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 275. Zur entsprechenden (nationalen) Regelung in den Niederlanden vgl. Müller, The Netherlands, 2005, S. 263.
226
gen Liquidation der Tochtergesellschaft, ist der Verlustvortrag auf Ebene der Konzernmutter verwertbar.
5.1.3.3.2. Austritt aus dem Konzernkreis 5.1.3.3.2.1. Entkonsolidierung Eine Wegzugsbesteuerung wird im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung in EU-Fällen prinzipiell nicht mehr benötigt. Dies trifft insbesondere auf die Verlagerung von Wirtschaftsgütern und Funktionen in EU-ausländische Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften ab einer Beteiligungsquote von 90% zu.1237 Angesichts der Zwischenergebniseliminierung kann ein Ertrag erst dann entstehen, wenn die Wirtschaftsgüter an Gesellschaften außerhalb des Konzernkreises veräußert werden, weshalb die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten steuerlich fortgeschrieben werden. Schließlich unterliegen die transferierten Wirtschaftsgüter aufgrund des Welteinkommensprinzips unverändert der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland.1238 Dies gilt auch bei Verlagerung in Drittstaats-Betriebsstätten, da bei der Anrechnungsmethode das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht verloren geht. Allerdings kommt es zu einer Verteilungswirkung bzgl. des Steueraufkommens, sofern der Quellenstaat keinen Step-up für das Wirtschaftsgut bzw. die Funktion gewährt. In diesem Fall verliert Deutschland durch die Anrechnung der ausländischen Steuern entsprechendes Steueraufkommen. Eine Wegzugsbesteuerung, wie in Kapitel 4.3.2.2.2. vorgeschlagen, ist demnach im Fall des grenzüberschreitenden Transfers von Wirtschaftsgütern und Funktionen nur dann nötig, wenn Funktionen in konzernzugehörige Gesellschaften in Drittstaaten verlagert werden. Sofern die Mindestbestandsfrist für die Wohnsitzbesteuerung ausläuft und keine Verlängerung der Option beantragt wird, greift keine allgemeine Wegzugsbesteuerung.1239 Gleiches gilt, sofern eine bisher einbezogene EU-ausländische Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft aus dem Konzernkreis ausscheidet, z. B. durch Verkauf der Anteile an der Tochtergesellschaft. Da die Tochtergesellschaft zum Buchwert in den Konzernkreis konsolidiert wurde, muss der Austritt aus dem Konsolidierungskreis ebenfalls zum Buchwert möglich sein. Die im Quellenstaat belegenen stil1237 1238
1239
In diese Richtung auch Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 118. Allerdings muss bei einer Beteiligung unter 100% der Umfang der stillen Reserven, die in Deutschland entstanden sind, über einen Ausgleichsposten abgegrenzt werden, da andernfalls ein – wenn auch geringer – Teil der stillen Reserven aufgrund der quotalen Hinzurechnung unversteuert bleibt. Zur unveränderten Notwendigkeit der Abgrenzung vgl. auch Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 256. Zu den denkbaren Methoden für die Zwischenergebniseliminierung vgl. z. B. Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 93-96. Für Dänemark vgl. Watrin/Sievert/Strohm, FR 2004, S. 5; für die Niederlande vgl. Müller, The Netherlands, 2005, S. 270.
227
len Reserven unterliegen auch weiterhin der dortigen Ertragsbesteuerung. Etwas anderes gilt nur, wenn mit dem Ausscheiden aus dem Konzernkreis bisher in Deutschland steuerverstrickte Wirtschaftsgüter aus der Besteuerungshoheit Deutschlands ausscheiden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Konzernmutter ihren Ort der Geschäftsleitung verlegt. Damit werden regelmäßig die immateriellen Wirtschaftsgüter der neuen Konzernzentrale bzw. dem neuen Stammhaus im Ausland zugeordnet, und in Deutschland können nur die der deutschen Betriebsstätte zugewiesenen Gewinne besteuert werden (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA). Dies gilt erst recht dann, wenn nicht nur der Sitz verlegt wird, sondern auch die bisher in deutschen Betriebsstätten gebundenen Wirtschaftsgüter. Deshalb sollte Deutschland für das inländische Vermögen eine Wegzugsbesteuerung vorsehen, sofern Deutschlands Besteuerungsrecht aufgrund der Sitzverlegung eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Bei der Verlegung der Konzernzentrale wären also insbesondere die immateriellen Wirtschaftsgüter und der Geschäfts- oder Firmenwert des Gesamtkonzerns von einer Wegzugsbesteuerung betroffen. Alternativ kann die Sitzverlegung der Konzernzentrale ins Ausland durch einen steuerneutralen Anteilstausch erfolgen (§ 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG). Innerhalb der EU ist ein Anteilstausch dann steuerneutral geboten, wenn eine Gesellschaft (hier: neue Holding) die Mehrheit einer anderen Gesellschaft (hier: die bisherige Konzernmuttergesellschaft) gegen Ausgabe neuer Aktien an die Aktionäre der anderen Gesellschaft erwirbt (sog. qualifizierter Anteilstausch).1240 Demnach ist eine Fortführung der Buchwerte der Anteile bei einem qualifizierten Anteilstausch möglich. Wurde jedoch eine reine Finanzholding im Ausland gegründet, liegt in diesem Fall der Ort der Geschäftsleitung des gesamten Konzerns unverändert in Deutschland, so dass die Voraussetzungen für die Wohnsitzbesteuerung insoweit immer noch vorliegen.1241 Wird durch einen Anteilstausch tatsächlich der Ort der Geschäftsleitung verlegt, ist auf die obige Wegzugsbesteuerung zurückzugreifen. In jedem Fall ist bei Entkonsolidierung der Steueraufschub aufgrund der Zwischenergebniseliminierung rückgängig zu machen.1242 Mit Ausscheiden aus dem Konzernkreis bzw. der Auflösung des Konzernkreises ist eine Rechtfertigung für den Steueraufschub entfallen, und es liegen gegenüber einem (Konzern-)Dritten realisierte stille Reserven vor. Außerdem wäre ohne Entkon1240 1241
1242
Vgl. Art. 2 lit. d) Fusionsrichtlinie. Dabei sind durchaus mehrere Orte der Geschäftsleitung denkbar; vgl. BFH vom 15.10.1997, I R 76/95, BFH/NV 1998, Rn. II.2. Angesichts der notwendigen Eindeutigkeit für die tie-breaker-Regel müsste dann auf den bedeutungsvollsten Ort zurückgegriffen werden (BFH vom 21.09.1989, V R 32/88, BFH/NV 1990, Rn. II.1.) bzw. auf denjenigen Ort, an dem die Mehrheit des Geschäftsführer ihren Wohnsitz haben (Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 113 zu Art. 4, S. 467). Sollte eine der tie-breaker-Regel entsprechende Regelung nicht im DBA enthalten sein, z. B. im DBA mit Irland (Lehner, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 122 zu Art. 4, S. 472), ist u. U. ein Verständigungsverfahren im Sinne des Art. 25 OECD-MA notwendig. Vgl. Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 30 f.; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 248, 252; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 308.
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solidierung eine leichte Umgehungsmöglichkeit für die deutsche Besteuerung auf den grenzüberschreitenden Transfer stiller Reserven gegeben. Ebenso ist die Schuldenkonsolidierung rückgängig zu machen, weshalb die Forderungen und Verbindlichkeiten zum Buchwert bzw. zum niedrigeren Marktwert zu entkonsolidieren sind. Schließlich muss bei Vorliegen einer Verpflichtung gegenüber einem nunmehr Dritten der Erfüllungsbetrag der Rückstellung eingebucht werden, woraus entsprechender Aufwand resultieren kann.1243 Wiederum ist es aus Vereinfachungsgründen denkbar, keine Entkonsolidierung für Schulden durchzuführen, sofern bereits beim Eintritt in den Konzernkreis auf Bestandskorrekturen verzichtet wurde.
5.1.3.3.2.2. Verlustvorträge Da die Wohnsitzbesteuerung sämtliche Ergebnisse des Konzerns zum Einkommen der Konzernmutter hinzurechnet, sollte konsequenterweise der gesamte Verlust auf der obersten Ebene angesiedelt sein.1244 Eine Aufteilung des gesamten Verlustes auf die einzelnen Gesellschaften ist insofern nicht geboten und trägt nur zu einer entbehrlichen Komplexität des Systems bei. Somit bleibt ein Verlustvortrag des Konzerns auch bei Ausscheiden einzelner Konzernglieder grundsätzlich in voller Höhe bei der Konzernmutter bestehen. Dies gilt ebenfalls bei der Auflösung des Konzernkreises infolge einer Nichtverlängerung der Option. Um die Flexibilität und Attraktivität der Wohnsitzbesteuerung zu steigern, wäre eine zusätzliche Option des Konzerns denkbar, dass derjenige Teil des Verlustvortrags bei der ausscheidenden Gesellschaft verbleibt, in der er entstanden ist.1245 Eine solche Zuordnung ist aufgrund der getrennten Gewinnermittlung administrativ einfach zu bewältigen. Diese Vorgehensweise ist allerdings nur für inländische Konzernglieder verfügbar. Aus fiskalischer Sicht ist eine explizite Nachversteuerungsregel für eine ausländische Betriebsstätte bzw. Tochtergesellschaft notwendig, sofern diese aus dem Konzernkreis ausscheidet bzw. der komplette Konzernkreis aufgelöst wird.1246 In Deutschland abgezogene ausländische Verluste müssen nachversteuert werden, sofern dies nicht bereits über den Anrechnungsmechanismus geschehen ist. Wenn die ausscheidende Gesellschaft über ausreichende stille Reserven verfügt, ist eine Nachversteuerung bereits abgezogener Verluste unproblematisch. Sollten keine stillen Reserven 1243 1244
1245 1246
Vgl. auch Müller, The Netherlands, 2005, S. 272 f.; Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 310 f. Vgl. Witt, Konzernbesteuerung, 2006, S. 312; a. A. Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 244; Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 256. So ähnlich die Regelung in den Niederlanden; vgl. Müller, The Netherlands, 2005, S. 271. Zu dieser Regelung in Dänemark vgl. Bjornholm/Hansen, Denmark, 2005, S. 187; für Italien Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, S. 213.
229
vorhanden sein, wird eine Nachversteuerung durchgeführt, sofern das bloße Ausscheiden aus dem Konzernkreis keine Auswirkungen auf den Verlustvortrag im Ausland hat. In den Fällen eines steuerschädlichen Mantelkaufs, der Liquidation oder des Konkurses einer solchen Gesellschaft ist jedoch von einer Nachversteuerung der Verluste abzusehen. Gleiches gilt auch, wenn das Unternehmen anderweitig nachweisen kann, dass es seinen Verlust im Ausland nicht mehr nutzen kann.
5.1.3.3.2.3. Anrechnungsvorträge Da dem Grundsatz einer unternehmensbezogenen Anrechnungsbegrenzung der Vorzug gegeben wird, sind bestehende Anrechnungsvorträge der jeweiligen Gesellschaft zuzuordnen. Konsequenterweise gingen diese Vorträge für den Konzern unter, wenn die entsprechende Gesellschaft aus dem Konzernkreis ausscheidet. Allerdings können ungenutzte Vorträge bei einer eventuell anfallenden Nachversteuerung von Verlusten genutzt werden. Zugleich soll die Anrechnung so großzügig wie möglich ausgestaltet sein, weshalb ein Wahlrecht für eine per communityBegrenzung besteht. Somit sollte dieses Wahlrecht auch dann zur Verfügung stehen, wenn Vorträge vom Untergang bedroht sind. Demgemäß können Anrechnungsvorträge solange genutzt werden, wie der Konzernkreis nicht aufgelöst wird. Sind jedoch die Tatbestandsvoraussetzungen für die Wohnsitzbesteuerung nicht mehr erfüllt oder wird die Option zur Wohnsitzbesteuerung nicht verlängert, gehen eventuelle Anrechnungsvorträge endgültig unter. Wiederum ist zuvor eine Nutzung dieser Vorträge bei der Nachversteuerung ausländischer Verluste möglich.
5.1.4. 5.1.4.1.
Missbrauchsregelungen Regelungen innerhalb der EU
Im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung sind Missbrauchsregelungen im Prinzip nicht mehr nötig. Da innerkonzernliche Finanzströme die Steuerlast des Konzerns nicht mehr beeinflussen können, sind Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung oder zum Zinsabzug nicht mehr notwendig. Ebenso existieren keine steuerlichen Vorteile aus der Thesaurierung mehr, so dass die Hinzurechnungsbesteuerung ebenfalls obsolet wird. Aufgrund der Anrechnung und Hochschleusung werden zudem viele DBA-rechtlich vereinbarte Missbrauchsnormen überflüssig. Insbesondere Aktivitätsklauseln, subject to tax-Klauseln und der Übergang von der Freistellungs- auf die An-
230
rechnungsmethode (switch over-Klauseln) müssen im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung nicht mehr angewendet werden. Allerdings eröffnet die unumgängliche Option zur Wohnsitzbesteuerung immer noch Raum für Steuerplanung.1247 Insbesondere wegen des Trennungsprinzips, das bei Nichtausüben der Option akzeptiert wird, sind unverändert Missbrauchsregeln wie die Begrenzung der GesellschafterFremdfinanzierung bzw. des Zinsabzugs und die Hinzurechnungsbesteuerung im Hinblick auf die Unternehmensbesteuerung außerhalb der Wohnsitzbesteuerung notwendig. Dafür müsste man aufgrund EG-rechtlicher Vorgaben auf die Regelungen zurückgreifen, die in den Kapiteln 4.1.1.2.2. und 4.1.2.2.1.1. vorgeschlagen werden.
5.1.4.2.
Regelungen gegenüber Drittstaaten
Die durch Nichtausüben der Option ermöglichte Steuerplanung ist im gleichen Maße im Verhältnis zu Drittstaaten möglich, da die Wohnsitzbesteuerung realistischerweise auf die EU eingegrenzt werden muss. Somit sind für Sachverhalte mit Drittstaaten ebenfalls Missbrauchsbekämpfungsnormen geboten, insbesondere die Hinzurechnungsbesteuerung und Beschränkungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung.1248 Allerdings können diese Normen im Gegensatz zu EU-Sachverhalten wesentlich strikter formuliert werden.1249 So ist es vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung beispielsweise problemlos möglich, eine Hinzurechnungsbesteuerung gegenüber Drittstaaten zu implementieren, ohne die Möglichkeit eines Gegenbeweises zuzulassen.1250 Dies gilt ebenfalls für Regelungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung; auch hier ist die Zulassung eines Gegenbeweises EG-rechtlich nicht verpflichtend.
5.2. 5.2.1.
Analyse der Wohnsitzbesteuerung Konzeptionelle Analyse
In konzeptioneller Hinsicht kann das System der Gewinnaufteilung im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung nicht vollauf überzeugen. Einerseits entspricht die Wohnsitzbesteuerung teilweise der Einheitstheorie des Konzerns, indem sämtliche Ergebnisse zusammengefasst werden. Insoweit
1247 1248 1249 1250
Vgl. dazu Kapitel 5.2.3. Vgl. auch Kommission, Missbrauchsbekämpfung, 2008, Rn. 9, 19, 28. Vgl. Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 147, S. 61; de Broe, EC Tax Review 2008, S. 148. Vgl. auch Hahn, DStZ 2007, S. 212; Kommission, Missbrauchsbekämpfung, 2008, Rn. 29; Fontana, ET 2007, S. 435.
231
kommt es auf Ebene der Konzernmutter zu einer Einmalbesteuerung des Konzernergebnisses, weil Gewinne und Verluste innerhalb des Konzernkreises miteinander verrechnet werden können. Ebenso bleiben innerkonzernliche Dividenden komplett steuerfrei. Auch die außerbilanziell verfügbare Zwischenergebniseliminierung und Schuldenkonsolidierung tragen der Einheitstheorie Rechnung.1251 Andererseits setzt die vorgeschlagene Wohnsitzbesteuerung die Einheitstheorie schon wegen der quotalen Konsolidierung nur eingeschränkt um.1252 Sie basiert wie das geltende Recht auf der getrennten Gewinnermittlung, welche scharfe Kritik erfährt. Die Fiktion der Selbständigkeit der einzelnen Konzernglieder wird einem einheitlich geführten Konzern nicht gerecht. Insbesondere für firmenspezifische, immaterielle Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen kann ein Drittvergleichspreis in Ermangelung eines aktiven Marktes nicht gefunden werden.1253 Allerdings erfährt das alternative Konzept einer formelhaften Gewinnaufteilung ebenfalls konzeptionelle Kritik. Zwar entspricht die konsolidierte Zusammenfassung der Ergebnisse des Gesamtkonzerns der Einheitstheorie und damit der ökonomischen Sicht eines Konzerns. Aber wegen der Souveränität der betroffenen Steuerhoheiten muss der Gewinn des Einheitsunternehmens aufgeteilt werden. Die Aufteilung über eine Formel wird letztlich willkürlich sein1254, weil ein objektiver Zusammenhang zwischen den Formelfaktoren, z. B. Arbeit und Kapital, und dem Anteil des zu versteuernden Einkommens in den jeweiligen Ländern nicht gegeben ist. Wie die bisherige Erfahrung bzgl. einer zukünftigen europaweiten, konsolidierten Bemessungsgrundlage (CCCTB) zeigt, ist die Ausgestaltung dieser Formel in erster Linie ein politischer Prozess.1255 Wegen ihrer konzeptionellen Mängel muss die Wohnsitzbesteuerung also nicht verworfen werden. Das alternative Konzept der formelhaften Gewinnaufteilung kann in dieser Hinsicht ebenso wenig überzeugen. Da es bei der grenzüberschreitenden Besteuerung kein inhärent richtiges Konzept für die Gewinnaufteilung geben kann, kommt es vielmehr darauf an, ob die Gewinnaufteilung von den Staaten als fair empfunden wird.1256 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die zwischenstaatliche Gerechtigkeit im System der Wohnsitzbesteuerung grundsätzlich
1251 1252 1253
1254
1255 1256
Vgl. auch Fülbier/Pferdehirt, DB 2006, S. 179. Vgl. auch Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 10 f. Vgl. Sørensen, International Tax and Public Finance 2004, S. 94; McLure, TNI 2004, S. 47; Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 109; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 56. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 50, 54; Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 113; Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 34 f.; Hellerstein/McLure, International Tax and Public Finance 2004, S. 210; McLure, TNI 2004, S. 48; Pomp/Gerten, IStR 2008, S. 390. Vgl. auch Russo, Intertax 2005, S. 24; Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 116 f., 123. Vgl. Schreiber, StuW 2004, S. 221; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 51.
232
erhalten bleibt.1257 Im Rahmen einer Wohnsitzbesteuerung muss kein neuer Maßstab zur Gewinnaufteilung eingeführt werden. Es kommen die international bekannten und – trotz aller Kritik – seit Jahren angewendeten Aufteilungsmaßstäbe zur Anwendung. Somit ändert sich die Zuteilung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu den Quellenstaaten nicht. Deren Besteuerungsrechte gemäß dem OECD-Musterabkommen bleiben unberührt.1258 Allerdings gilt es auch zu bedenken, dass die Quellenstaaten ihrer Lenkungsmöglichkeiten von Investitionen mittels des Steuersatzes oder anderer Steuerbegünstigungen beraubt werden.1259 Bei der Besteuerung von Minderheitsgesellschaftern entsteht ebenfalls kein grundsätzliches Problem. Diese werden nämlich aufgrund der getrennten Gewinnermittlung und der lediglich quotalen Hinzurechnung und Konsolidierung der Ergebnisse sachgerecht mit ihrem – auch gegenüber dem Konzern – realisierten Gewinn zur Besteuerung herangezogen.1260
5.2.2. 5.2.2.1.
Europarechtliche Anforderungen Vereinbarkeit der Binnenmarktkonzeption mit internationaler Neutralität
Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV soll der Wettbewerb im Binnenmarkt vor Verfälschungen geschützt werden, also möglichst Wettbewerbsneutralität herrschen. Daraus kann keine Präferenz für Kapitalexportneutralität oder Kapitalimportneutralität abgeleitet werden, weil beide Neutralitätspostulate Wettbewerbsneutralität sicherstellen wollen, wenn auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln.1261 Allerdings könnte Art. 98 EGV für das Konzept der Kapitalexportneutralität sprechen, weil dort das allgemeine Ziel eines effizienten Einsatzes der Ressourcen formuliert wird. Dies entspricht gerade der durch Kapitalexportneutralität bewirkten effizienten Allokation von Kapital.1262 Es ist ohnehin fraglich, ob Kapitalimportneutralität mit der Grundannahme abgegrenzter Märkte für einen integrierten Wirtschaftsraum wie die EU überhaupt einschlägig sein kann, denn Unter-
1257
1258 1259
1260
1261 1262
Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 37, 56. Gandenberger hält eine Welteinkommensbesteuerung im Vergleich zur Freistellung aus verteilungspolitischen Gründen für überlegen; vgl. Gandenberger, Körperschaftsteuer, 1985, S. 48. Vgl. auch Musgrave, Fiscal Systems, 1969, S. 249; Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 487. Vgl. Schreiber, Internationale Mobilität, 1996, S. 60; Theisen, Der Konzern, 2000, S. 610; Fohr, Holdinggesellschaften, 2001, S. 99. Gandenberger geißelt deshalb eine konsequent kapitalexportneutrale Besteuerung als „ ‚kolonialistische’ Methode“; Gandenberger, Körperschaftsteuer, 1985, S. 45. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 49 f.; Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 103 f., 279; Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 392, 428 f. Vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 244. Vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 258; Hey, StuW 2004, S. 201 f.
233
nehmen sind zunehmend EU-weit bzw. global tätig.1263 Integrierte und prozessorientierte Konzerne teilen ihre wirtschaftlichen Funktionen – Produktion, Vertrieb, Marketing, Forschung und Entwicklung etc. – oftmals unter mehreren Ländern auf. Regelmäßig kommt es zu einem Auseinanderfallen von Produktions- und Absatzmärkten. Dies gilt umso mehr in der EU mit ihrem Binnenmarkt und dem zunehmenden Maß an Harmonisierung.1264 Dort tätige Konzerne treffen in hohem Maße auf einheitliche bzw. sich angleichende wirtschaftliche Rahmenbedingungen. So werden beispielsweise im EU-Handel weder Zölle erhoben noch gibt es mengenmäßige Beschränkungen. Ebenso ist ein (wirtschaftlich) großer Teil der EU durch eine einheitliche Währung und ein uniformes (Leit-)Zinsniveau charakterisiert. Das Steuerrecht hat ebenso über einige Richtlinien eine gewisse Harmonisierung im Binnenmarkt erfahren. Entscheidend ist im Steuerrecht jedoch wie gezeigt die Rechtsprechung des EuGH. Auf Basis dieser Rechtsprechung wird argumentiert, dass ausschließlich Kapitalimportneutralität bzw. das Quellenprinzip den Anforderungen des Binnenmarktes entspricht. Schließlich garantiert das Quellenprinzip, dass sowohl Nicht-Ansässige als auch Ansässige bzgl. ihres Einkommens im Quellenstaat gleich besteuert werden, und entspricht in dieser Hinsicht dem EG-rechtlichen Diskriminierungsverbot.1265 Das der Kapitalexportneutralität immanente Anrechnungsverfahren eliminiert hingegen mögliche Vorteile aus der Inanspruchnahme niedrigerer ausländischer Steuern, womit die Gleichbehandlung von Ansässigen und Nicht-Ansässigen im Quellenstaat durch die zusätzliche Besteuerung im Wohnsitzstaat aufgehoben wird.1266 Eine Hochschleusung auf das höhere inländische Besteuerungsniveau entspräche einem durch den EuGH verbotenen Vorteilsausgleich.1267 Außerdem entstehen zusätzliche Lasten bei Umsetzung der Kapitalexportneutralität aufgrund der doppelten Gewinnermittlung sowohl nach ausländischem als auch inländischem Recht. Eine Präferenz für Kapitalimportneutralität lässt sich auch aus dem freiheitsrechtlichen Beschränkungsverbot entwickeln, da eine steuerliche Zusatzbelastung grenzüberschrei-
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Vgl. dazu ausführlich Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 30-33; vgl. auch Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 64 f.; Ruf, StuW 2008, S. 64. Vgl. Schreiber, StuW 1994, S. 241; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 243; Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 60; vgl. auch Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 51 f. Vgl. Fontana, ET 2006, S. 320; Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 257; Bezborodov, Intertax 2007, S. 682. Befürwortend Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung, 2005, S. 179-182; Terra/Wattel, European Tax Law, 2005, S. 258-260; Vogel, Taxation of Cross-Border Income, 1994, S. 27, 29; Lehner, Territorialitätsprinzip, 2005, S. 261; vgl. dazu auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 258; Graetz/Warren, Yale Law Journal 2006, S. 1216. Vgl. Schönfeld, StuW 2005, S. 161; Fontana, ET 2006, S. 320; Schön, DB 2001, S. 945.
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tender Sachverhalte – im Rahmen der Kapitalexportneutralität durch die Hochschleusung auf das höhere inländische Steuerniveau – als EG-rechtswidrig angesehen wird.1268 Eine solche Argumentation übersieht freilich, dass die EuGH-Rechtsprechung lediglich Gleichbehandlung in einem juristischen Sinne fordert, nicht jedoch eine weitergehende Gleichbelastung im Sinne der Kapitalimportneutralität – mit einem Abzugsverbot für Zinsen, Mieten und anderen Faktorzahlungen.1269 Zudem wurde das Diskriminierungsverbot durch den EuGH von InboundSachverhalten auf Outbound-Sachverhalte ausgeweitet. Demgemäß basiert Kapitalexportneutralität auf einer Gleichbehandlung inländischen und ausländischen Einkommens aus Sicht des Wohnsitzstaates, was dem gleichheitsrechtlichen Beschränkungsverbot entspricht.1270 Schließlich sind die Mitgliedstaaten in der Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Freistellung versus Anrechnung – grundsätzlich frei1271, was im Übrigen auch in der Methodenwahlfreiheit des Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie zum Ausdruck kommt.1272 Dementsprechend wurde das Welteinkommensprinzip durch den EuGH wiederholt akzeptiert.1273 Wie in Kapitel 2.2.3.2. erläutert, verlangt der EuGH keine neutrale Besteuerung, sondern lediglich eine diskriminierungsfreie Besteuerung. Sobald der Gesetzgeber seine grundlegende Entscheidung bzgl. der Reichweite seiner Besteuerungsrechte getroffen hat, also beispielsweise ob das Welteinkommen oder nur das im Mitgliedstaat erzielte Einkommen der Steuer unterworfen wird, hat die Ausübung des festgelegten Besteuerungsrechts diskriminierungsfrei zu erfolgen.1274 Der EuGH legt hingegen nicht fest, in welchem Umfang die vorgelagerte Entscheidung bzgl. des Besteuerungsrechts ausgeübt werden darf. Eine Präferenz für Kapitalimportneutralität, wie sie verschiedentlich geäußert wird, liefe aber darauf hinaus, dass das Welteinkommensprinzip per se nicht mit EG-Recht vereinbar wäre.1275 Der in Art. 94 i. V. m. Art. 95 Abs. 2 EGV festgelegte steuerliche Vorbehalt wäre demgemäß vollkommen sinnentleert. Eine solch grundlegende Entscheidung wie diejenige über den Umfang der Besteuerungsrechte kann nur durch explizite 1268 1269
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Vgl. Lehner, Konzernfinanzierung, 2002, S. 7. In diesem Sinne EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 53; vgl. auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 257. Vgl. Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 121; Bezborodov, Intertax 2007, S. 682; Graetz/Warren, Yale Law Journal 2006, S. 1218. Vgl. EuGH vom 12.05.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. I-1998, Rn. 24,31; Körner, Intertax 2003a, S. 167; Meussen, ET 2006, S. 337; Franck, IStR 2007, S. 496; Lehner, Grundfreiheiten, 2000, S. 283; Fontana, ET 2006, S. 321; a. A. Schönfeld, StuW 2005, S. 162. Vgl. EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 44. Vgl. z. B. EuGH vom 14.02.1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg. I-1995, Rn. 32; EuGH vom 14.09.1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg. I-1999, Rn. 22, 24; EuGH vom 05.07.2005, Rs. C-376/03 (D), Slg. I-2005, Rn. 37; vgl. auch Schön, DB 2001, S. 946; Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 15; Franck, IStR 2007, S. 495; Körner, IStR 2004c, S. 703. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 51, 53; EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 46 f. Vgl. auch Graetz/Warren, Yale Law Journal 2006, S. 1217 f.; Weber, Intertax 2006, S. 614.
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Harmonisierung herbeigeführt werden. Dies entspricht auch ständiger Rechtsprechung des EuGH, der die steuerliche Autonomie der Mitgliedstaaten anerkannt hat und für weitergehende Regelungen einen Harmonisierungsvorbehalt ausgesprochen hat.1276 Folglich ist der EuGHRechtsprechung keine eindeutige Präferenz für Kapitalimportneutralität oder Kapitalexportneutralität zu entnehmen.1277 Sowohl ein diskriminierungsfrei ausgestaltetes, kapitalexportneutrales als auch kapitalimportneutrales System kann den Vorgaben des EG-Rechts entsprechen. Dementsprechend ist die Wohnsitzbesteuerung – und damit die grundlegende Entscheidung für das Welteinkommensprinzip und Kapitalexportneutralität – mit EG-Recht vereinbar. Auch die Durchbrechung des Trennungsprinzips ist EG-rechtlich nicht zu bemängeln.1278 Im Fall Cadbury Schweppes wurde die Durchbrechung des Trennungsprinzips nur deshalb moniert, weil sie sich in diskriminierender Weise ausschließlich gegen ausländische Tochtergesellschaften richtete.1279 Die grundlegende Konzeption der Wohnsitzbesteuerung, eine Gleichbehandlung im Sinne einer konsequenten Zurechnung von Gewinnen und Verlusten inländischer und ausländischer Tochtergesellschaften sowie inländischer und ausländischer Betriebsstätten zu erreichen, ist damit in sich geschlossen und kohärent.1280 Folglich sind die Anrechnungsmethode und die damit verbundene Hochschleusung auf das höhere deutsche Steuerniveau EG-rechtlich nicht zu beanstanden.1281 Daran ändert auch die fiskalisch unvermeidliche, unvollkommene Umsetzung der Kapitalexportneutralität nichts, welche aus der begrenzten Anrechnung resultiert. Denn aus dem EG-Recht lässt sich keine Verpflichtung zu einer unbegrenzten Anrechnung ableiten1282, weil die vermeintliche Höherbelastung im Wesentlichen aus höheren Steuersätzen resultiert. Dies kann jedoch schwerlich dem anrechnenden Wohnsitzstaat angelastet werden, da er das Seinige getan hat, um die ausländischen Einkünfte zu 1276
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Vgl. nur EuGH vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), Slg. I-2005, Rn. 58; vgl. auch Reimer, Grundfreiheiten, 2000, S. 90; Gutmann, EC Tax Review 2003, S. 158; Weber, Intertax 2006, S. 586. Vgl. auch Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 187, 189, S. 72; van Thiel, ET 2008a, S. 268; Meussen, ET 2008a, S. 171; Scholz, Besteuerung der betrieblichen Altersversorgung, 2006, S. 160 f. Gl. A. Thiel, DB 2004, S. 2607. Herzig sieht sogar im Trennungsprinzip an sich eine EG-rechtlich relevante Ungleichbehandlung im Vergleich zu Betriebsstätten; vgl. Herzig, Körperschaftsteuersystem, 1997, S. 642. Vgl. EuGH vom 12.09.2006, Rs. C-196/04 (Cadbury Schweppes), Slg. I-2006, Rn. 49 f. Gl. A. Lang, IStR 2002, S. 220 f.; Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 126. Es liegt eine „geschlossene Anwendung der beschränkenden Vorschrift“ vor; Schönfeld, StuW 2005, S. 164; vgl. auch EuGH vom 14.10.1999, Rs. C-439/97 (Sandoz), Slg. I-1999, Rn. 26. Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 53; EuGH vom 23.02.2006, Rs. C-513/03 (Hilten van der Heijden), Slg. I-2006, Rn. 45. Dafür spricht beispielsweise auch der Fall Manninen; vgl. dazu Schnitger, EC Tax Review 2006, S. 158. Vgl. EuGH vom 12.12.2006, Rs. C-446/04 (Test Claimants in the FII Group Litigation), Slg. I-2006, Rn. 52; EuGH vom 23.04.2008, Rs. C-201/05 (Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation), Slg. I-2008, Rn. 38 f.; EuGH vom 12.05.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. I-1998, Rn. 46, 54; vgl. auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 283; Weber, Intertax 2006, S. 591, 613; a. A. Bezborodov, Intertax 2007, S. 683. Beiser und Kühbacher halten die Anrechnungsmethode aufgrund diverser Anrechnungsbeschränkungen für nicht vereinbar mit EG-Recht; vgl. Beiser/Kühbacher, Grundfreiheiten, 2008, S. 223-228, 234.
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entlasten. Entsprechend dem Gebot der Gleichbehandlung mit Inlandssachverhalten kann der Wohnsitzstaat nur dazu verpflichtet werden, ausländische Steuern in Höhe der inländischen Belastung zu berücksichtigen. Bei einem permanenten Anrechnungsüberhang erfolgt schließlich von der Seite des Wohnsitzstaates keinerlei zusätzliche steuerliche Belastung. Somit hat es der Steuerpflichtige im EG-rechtlichen Sinne selbst in der Hand, die Steuerbelastung zu bestimmen, entweder im Ausland zu den dortigen Konditionen oder im Inland zu den hiesigen Bedingungen.1283 Eine Einebnung des Steuersatzniveaus wird durch den EuGH nicht gefordert. Dies hat er in beiden Richtungen – ausländischer Steuersatz ist entweder höher oder niedriger – in ständiger Rechtsprechung bekräftigt.1284 Bei temporären Anrechnungsüberhängen, die ultimativ nicht den Steuersatzunterschieden geschuldet sind, mag die EG-rechtliche Beurteilung insoweit anders sein.1285 Allerdings können solche Anrechnungsüberhänge im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung aufgrund des Wahlrechts bei der Art der Begrenzung, aber vor allem aufgrund der Vortragsmöglichkeit effektiv genutzt werden. Auch insoweit liegt m. E. keine EG-rechtliche Beschränkung aufgrund der Anrechnungsmethode vor.
5.2.2.2.
Vorgaben der EuGH-Rechtsprechung für die Unternehmensbesteuerung
Im Hinblick auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 und 3 AO), insbesondere hinsichtlich der zweifachen Gewinnermittlung für ausländische Tochtergesellschaften, entstehen dem Konzern erhebliche zusätzliche Lasten aus der Wohnsitzbesteuerung. Jeder zusätzliche Aufwand durch solche Mitwirkungspflichten für Steuerpflichtige im grenzüberschreitenden Verkehr steht regelmäßig im Verdacht, EG-rechtswidrig zu sein.1286 Mit einer Option können diese EG-rechtlichen Bedenken abgefedert werden, weil der Steuerpflichtige selbst entscheiden kann, ob er den zusätzlichen Aufwand – gemessen an den Vorteilen, die ihm eine Wohnsitzbesteuerung bieten kann – in Kauf nimmt.1287 Insoweit scheint die Ausgestaltung der Wohnsitzbesteuerung als Option EG-rechtlich unvermeidlich zu sein, jedenfalls solange wie die Gewinnermittlung nicht europaweit harmonisiert ist. Darüber hinaus erfüllt die Wohnsitzbesteuerung konkrete Anforderungen des EG-Rechts an wesentliche Merkmale der Unternehmensbesteuerung, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung formuliert hat. Zunächst muss ein diskriminierungsfreier Zugang zur Wohnsitzbesteuerung ge1283 1284 1285 1286 1287
Vgl. Cordewener, Europäische Grundfreiheiten, 2002, S. 607 f.; Weber, Intertax 2006, S. 590. Vgl. dazu auch Kapitel 2.2.3.2. Vgl. z. B. Englisch, Besteuerungsbefugnisse, 2008, S. 121. Vgl. z. B. Korts/Korts, IStR 2006, S. 872; vgl. auch Körner, Gewinnverlagerung, 2004, S. 288 f. Vgl. auch Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 504.
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währt werden. So ist für alle nationalen und internationalen Konzernglieder jeweils die All-InAll-Out-Option zu wählen. Ebenso werden sämtliche Ergebnisse, ob inländische oder ausländische, quotal hinzugerechnet.1288 Schließlich werden die Einkünfte nach inländischem Recht ermittelt, da es EG-rechtlich um eine Gleichbehandlung der ausländischen Einkünfte mit den inländischen Einkünften geht.1289 Da die Wohnsitzbesteuerung bereits konzeptionell auf thesaurierte Gewinne zugreift, ist die Hinzurechnungsbesteuerung, die nur einen bestimmten Teil einbehaltener ausländischer Gewinne erfasst, überflüssig. Eine Anpassung der Hinzurechnungsbesteuerung an die Vorgaben des Cadbury Schweppes-Urteils entfällt somit innerhalb der Wohnsitzbesteuerung. Dieses Urteil steht auch einer Hinzurechnung von Gewinnen und Verlusten nicht grundsätzlich entgegen. Die Hinzurechnung im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung erfolgt schließlich allgemein und diskriminierungsfrei.1290 Da die Wohnsitzbesteuerung als Optionsrecht ausgestaltet ist, werden damit zusätzlich EG-rechtliche Bedenken zerstreut, da die Konzernmutter selbst entscheidet, ob sie auf Basis ihres EU-weiten Einkommens oder unter Beachtung des Trennungsprinzips besteuert wird. Der durch das Bosal-Urteil geforderte, diskriminierungsfreie Abzug von Beteiligungsaufwendungen, insbesondere für Refinanzierungszinsen, ist erfüllt. Die derzeitige pauschale Besteuerung von 5% der Dividenden, die letztlich dem EG-Recht geschuldet ist, ist nicht mehr notwendig. Unter Geltung des Nettoprinzips können alle Aufwendungen in voller Höhe im Konzernkreis geltend gemacht werden.1291 Damit sind auch Missbrauchsregeln für Fremdfinanzierungsaufwand wie die Zinsschranke oder Begrenzungen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung hinfällig.1292 Eine problematische, EG-rechtskonforme Ausgestaltung und Anwendung dieser Regeln erübrigt sich im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung. Ein durch das Urteil M&S geforderter grenzüberschreitender Verlustausgleich wird durch die Wohnsitzbesteuerung sogar übererfüllt, da für ausländische Tochtergesellschaften – aber auch auf Ebenen unterhalb der Tochtergesellschaft – ein sofortiger Verlustausgleich ermöglicht wird. Dementsprechend wird der durch das Urteil Lidl Belgium geforderte grenzüberschreitende Verlustausgleich für ausländische Betriebsstätten ebenfalls übererfüllt. Ein echter Binnenmarkt erfordert im Ergebnis, dass EU-Verluste einmal innerhalb des Binnenmarktes abgezogen werden
1288 1289 1290 1291 1292
Vgl. auch Herzig/Wagner, DStR 2006, S. 10; Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 247. Vgl. auch Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 13. In diesem Sinne bereits Schön, DB 2001, S. 943; vgl. auch Thiel, DB 2004, S. 2607; Führich, ET 2008, S. 18. Vgl. auch EuGH vom 12.06.2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg. I-2003, Rn. 27-29. Im Kontext der CCCTB vgl. Brosens, EC Tax Review 2004, S. 213; vgl. auch Führich, ET 2008, S. 18.
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können1293, was durch die Wohnsitzbesteuerung gewährleistet ist. Dass bei Eintritt in den Konzern bestehende Verlustvorträge auf Ebene der jeweiligen Gesellschaft festgehalten werden, ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ebenfalls nicht zu monieren. Auch die explizite Nachversteuerungsregelung für Verluste ist solange nicht EG-rechtswidrig, wie die Nachversteuerung nur dann stattfindet, wenn im Quellenstaat noch Ausgleichsmöglichkeiten bestehen. Die der Anrechnung innewohnende, systematische Nachversteuerung ist EG-rechtlich ohnehin nicht zu beanstanden. Dass bei Nichtausüben der Option ein interpersonaler Verlustausgleich hingegen nicht gewährt wird, ist EG-rechtlich einwandfrei, solange ein diskriminierungsfreier Zugang zur optionalen Wohnsitzbesteuerung gewährt wird. Das Problem, eine EG-rechtskonforme Wegzugsbesteuerung zu formulieren, bleibt jedenfalls bestehen. Zwar wird in einigen Fällen, insbesondere beim Transfer von Wirtschaftsgütern in Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften, eine Wegzugsbesteuerung überflüssig. Dennoch ist zu beachten, dass sich im System einer Wohnsitzbesteuerung der Steuerwettbewerb von einem Wettbewerb um Bemessungsgrundlagen hin zu einem Wettbewerb um die Ansässigkeit verlagert. Deshalb ist es im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung angezeigt, auf eine vereinfachte, aufgeschobene Wegzugsbesteuerung im Sinne des Kapitels 4.3.2.2.2. zurückzugreifen. Ob eine solche Wegzugsbesteuerung vom EuGH tatsächlich gebilligt wird, ist angesichts des Urteils Oy AA zwar wahrscheinlicher geworden, bleibt jedoch abzuwarten. Nicht nur wegen der Ungewissheit hinsichtlich der grundsätzlichen Europarechtskonformität einer Wegzugsbesteuerung bleibt die Besteuerung der Sitzverlegung bei einem qualifizierten Anteilstausch unter EG-rechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Eine spezielle Missbrauchsnorm für den qualifizierten Anteilstausch ist EG-rechtlich a priori zum Scheitern verurteilt, weil eine (geschäftsleitende) Holdinggesellschaft nicht per se als missbräuchlich durch den EuGH angesehen wird.1294 Selbst eine allgemeine Wegzugsbesteuerung bei einem qualifizierten Anteilstausch ist kritisch zu sehen. Diese würde zwar in formaler Hinsicht nicht an den Anteilstausch selbst anknüpfen und auch keine Besteuerung der Anteile vorsehen. Allerdings käme es faktisch dazu, dass im Regelfall eines qualifizierten Anteilstausches eine steuerliche Belastung ausgelöst würde. Angesichts der Zielsetzung der Steuerneutralität im Rahmen der Fusionsrichtlinie erscheint es zumindest fraglich, ob im Fall des Anteilstausches nicht doch – selbst bei einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Wegzugsbesteuerung – eine Verletzung sekundären Europarechts vorliegt.
1293 1294
Vgl. Meussen, ET 2005, S. 282. Vgl. EuGH vom 16.07.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. I-1998, Rn. 26; Eckl, ET 2007, S. 125.
239
Alle genannten Aspekte beziehen sich aufgrund der geographischen Eingrenzung der Wohnsitzbesteuerung nur auf EU-Sachverhalte. Da die Wohnsitzbesteuerung nur Mehrheitsbeteiligungen erfasst, wird in diesem Fall die Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit überlagert. Auf Basis der Niederlassungsfreiheit kann eine Gesellschaft aus einem Drittstaat keine EGrechtliche Beschränkung vor dem EuGH geltend machen; der persönliche Schutzbereich ist gar nicht erst eröffnet. Folglich kann die EU-weite Wohnsitzbesteuerung mit Missbrauchsregeln für Drittstaatsfälle kombiniert werden, ohne dabei die strengen Anforderungen des EuGH zu beachten. Allerdings werden aufgrund der Option zur Wohnsitzbesteuerung Missbrauchsregeln letztlich auch für EU-Sachverhalte benötigt. Dann sind jedoch die Anforderungen des EuGH zu berücksichtigen, was erneut die Wirksamkeit dieser Regelungen für EU-Sachverhalte in Frage stellt. Vor diesem Hintergrund wird die vermeintliche Vereinfachung bei Missbrauchsnormen, die man sich von der Einführung einer Wohnsitzbesteuerung erhoffen könnte, relativiert. Gerade wegen der Option bleibt es dem Gesetzgeber nicht erspart, EG-rechtskonforme und zugleich wirksame Missbrauchsregelungen für EU-Sachverhalte zu formulieren.
5.2.3.
Auswirkungen auf die Steuerplanung
Die Wohnsitzbesteuerung führt zu Kapitalexportneutralität – auf der Ebene von Kapitalgesellschaften – und ist insofern entscheidungsneutral für deutsche Investoren bzgl. des Investitionsstandorts. Wie gezeigt gilt dies nur, wenn bei der Wohnsitzbesteuerung die Tochtergesellschaften transparent besteuert werden. Ebenso muss die Anrechnung effektiv zur inländischen Steuerlast führen, da dauerhafte Anrechnungsüberhänge letztlich wie unter Geltung der Freistellungsmethode Steuerplanung ermöglichen.1295 Deshalb ist eine Wohnsitzbesteuerung aus deutscher Sicht nur unter Einbezug der Gewerbesteuer sinnvoll, da in diesem Fall dauerhafte Anrechnungsüberhänge nur im Verhältnis zu Frankreich, Malta und Belgien auftreten werden und der maximale Steuersatzunterschied vier Prozentpunkte ausmachen wird.1296 Sofern also Kapitalexportneutralität effektiv erreicht werden kann, werden die Steuerplanungsmöglichkeiten eines Konzerns drastisch reduziert. Angesichts der EU-weiten Hinzurechnung und Hochschleusung auf das deutsche Steuerniveau haben die Finanzierung und Transferpreise keinen Einfluss mehr auf die Gesamtsteuerlast. Selbst wenn die Gewinne in ausländischen Tochter1295
1296
Vgl. Schreiber, StuW 1994, S. 252; Malherbe et al., European Court of Justice, 2008, Rn. 181 f., S. 70; Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 259. Zur Steuerplanung bei Anrechnungsüberhängen vgl. z. B. Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 115-120. Gegenüber Frankreich und Malta beträgt die Differenz jeweils ca. vier Prozentpunkte, gegenüber Belgien drei Prozentpunkte. Gegenüber Italien (31,4%) wäre die Differenz vernachlässigbar gering.
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gesellschaften erzielt werden, ist aufgrund der transparenten Besteuerung ein Steueraufschub nicht mehr möglich. Somit steht das Trennungsprinzip auch einem innerkonzernlichen Verlustausgleich nicht entgegen. Insoweit ist zugleich eine grenzüberschreitende Rechtsform- und Finanzierungsneutralität1297 für Betriebsstätten und Tochtergesellschaften erreicht. Ebensowenig kann Steuerarbitrage betrieben werden, indem Verluste in Deutschland zum Abzug gebracht werden, während damit zusammenhängende zukünftige Gewinne aufgrund der Freistellungsmethode nur im niedrig besteuernden Ausland steuerpflichtig sind. Wie gezeigt ist eine Nachversteuerungsregel für zuvor abgezogene Verluste dem Anrechnungssystem immanent. Auch die Gestaltungsmöglichkeit, dass die Konzernmutter nur verlustträchtige Gesellschaften für die Gruppenbesteuerung auswählt (cherry picking), wird dadurch unterbunden, dass ausländische Tochtergesellschaften und Enkelgesellschaften unabhängig davon einbezogen werden, ob es sich um direkte oder indirekte Beteiligungen der Muttergesellschaft handelt. Somit hat das bloße Umhängen einer Beteiligung innerhalb des Konzerns keinen Einfluss auf den Einbezug der Gesellschaft in die Wohnsitzbesteuerung. Auch die ausschließliche Zuordnung von verlustträchtigen Gesellschaften zu einer deutschen Landesholding, die Teil eines ausländischen Konzerns ist, kann keinen Erfolg haben. Dies wird durch das Erfordernis einer deutschen Konzernspitze verhindert.1298 Ebenso wird die Möglichkeit einer Auswahl durch die Verpflichtung des All-In-All-Out unterbunden.1299 Ein solches Erfordernis macht auch eine Gewinnverlagerung von verlustträchtigen zu profitablen Gesellschaften überflüssig, da nicht nur die Verluste, sondern auch die Gewinne der Tochtergesellschaften einbezogen werden. Zwar ist das Kriterium des Stimmrechts, das über den Einbezug der Gesellschaften entscheidet, immer der Manipulationsgefahr ausgesetzt. Allerdings kann diese Art der Steuerplanung durch das Erfordernis einer Mehrheitsbeteiligung stark reduziert werden, da zu hohe Beteiligungsquoten den Unternehmen großen Spielraum zur Selbsteinsteuerung lassen.1300 Eine Quote von 50% hingegen ist gerade die Schwelle, die einen wirtschaftlich beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft gewährleistet1301 – unabhängig von der tatsächlichen Präsenz der Anteilseigner in der Hauptversammlung oder anderer Faktoren, die eine Rolle hinsichtlich der Mehrheitsverhältnisse spielen können. Im Übrigen zeigt sich in der Praxis der Konzerne, dass bei Weitem Beteiligungen von mehr als 75% überwiegen, während 1297 1298 1299
1300 1301
Zu diesen Neutralitäten vgl. z. B. Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 2007, S. 251-263. Für Italien vgl. Schneider, IStR 2007, S. 462. Vgl. Lüdicke/Rödel, IStR 2004, S. 553. Für Italien vgl. Giaconia, Italy, 2004, S. 387; Dörr, DSWR 2004, S. 249. Für Dänemark vgl. Sedlaczek, IWB 2006, S. 167. Vgl. auch Fülbier/Pferdehirt, DB 2006, S. 179. Vgl. auch Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 13; Scheuchzer, Konzernbesteuerung, 1994, S. 240; Rupp, Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, 1983, S. 222.
241
Minderheitsbeteiligungen von weniger als 50% die Ausnahme darstellen.1302 Die Mindestbestandsfrist für die internationale Gruppenbesteuerung schließlich erschwert die Steuerplanung der Unternehmen zusätzlich.1303 Im Rahmen der laufenden Wohnsitzbesteuerung wird folglich – soweit ersichtlich – kaum Steuerplanung möglich sein. Gleichzeitig ist angesichts der effektiven Einmalbesteuerung des Konzerngewinns auch nicht mehr so viel Steuerplanung notwendig. So sind der innerkonzernliche Verlustausgleich – auch auf Ebenen unterhalb von Tochtergesellschaften – sowie der unbeschränkte Zinsabzug gewährleistet. Ebenso droht keine Doppelbesteuerung (Kaskadeneffekt) aufgrund der kompletten Freistellung der innerkonzernlichen Dividenden. Anrechnungsüberhänge bzw. der Untergang von Anrechnungsguthaben sind aus steuerplanerischer Sicht wenn möglich stets zu vermeiden.1304 Allerdings ist auch diese Problematik – angesichts einer Anrechnung auf 31% in Verbindung mit einer zeitlich und betragsmäßig unbegrenzten Vortragsmöglichkeit – entscheidend entschärft. Da die Wohnsitzbesteuerung angesichts nicht harmonisierter Bemessungsgrundlagen in der EU realistischerweise nur als Wahlrecht eingeführt werden kann1305, steht zu befürchten, dass die Unternehmen ein derart planungsresistentes System nicht in Anspruch nehmen werden.1306 Wird die Option also nicht ausgeübt bzw. sind Mehrheitsbeteiligungen in Drittstaaten betroffen, ergeben sich trotz der (indirekten) Anrechnung Steuerplanungsmöglichkeiten aus dem Trennungsprinzip. So kann insbesondere über Transferpreise und die Fremdfinanzierung Gewinnpotential in niedrig besteuerte Tochtergesellschaften verlagert werden. Dementsprechend ist die Thesaurierung in Niedrigsteuerländern vorteilhaft. Der daraus erzielte Zinsvorteil bleibt selbst bei Ausschüttung und dann erfolgender indirekter Anrechnung erhalten.1307
1302 1303
1304 1305 1306
1307
Vgl. dazu Kommission, CCCTB, 2007, Rn. 25; vgl. auch Pomp/Gerten, IStR 2008, S. 388. Für Italien vgl. Dörr, DSWR 2004, S. 249. Für Dänemark vgl. Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 187. Sedlaczek, IWB 2006, S. 168. Vgl. auch Lühn, DK 2008, S. 104 f. Vgl. Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 265-267. Für Dänemark vgl. Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 187; Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 74; für Italien vgl. auch Romani/Grabbe/Imbrenda, IStR 2008, S. 216; Sievert, Konzernbesteuerung, 2006, S. 170 f. Vgl. Schreiber, StuW 1994, S. 248. Zu weiteren Steuerplanungsstrategien bei indirekter Anrechnung vgl. Ruf, Steuerwettbewerb, 2007, S. 188; Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 182-184.
242
Beispiel 20: Estland kennt keine Körperschaftsteuer auf einbehaltene Gewinne.1308 Lediglich bei Ausschüttung kommt es zu einer steuerlichen Nachbelastung der estnischen Kapitalgesellschaft in Höhe von 21% auf die Bruttoausschüttung. Folglich können sich die einbehaltenen Gewinne zum Bruttomarktzins von 10% jährlich verzinsen, wenn Finanzinvestitionen in einer estnischen Tochtergesellschaft durchgeführt werden und keine Hinzurechnungsbesteuerung existiert. Der dadurch erreichte Zinsvorteil kann durch die indirekte Anrechnung bei Ausschüttung nach Deutschland nicht vollständig rückgängig gemacht werden. Wie Tabelle 16 zeigt, ergibt sich ein positiver Endwert in Höhe von 25,3, der den Zinsvorteil widerspiegelt, der trotz Anrechnung erhalten geblieben ist. Somit ist der Gewinneinbehalt im Ausland auch bei indirekter Anrechnung dann steuerlich vorteilhaft, wenn der ausländische Steuersatz unter dem inländischen liegt. Angesichts des 0%-Thesaurierungssatzes in Estland wird diese Strategie mit zunehmender Dauer immer vorteilhafter, zumal Estland den Ausschüttungssatz auf langfristig 18% (ab 2011) senken wird.
Marktzins
10%
Estnische Tochtergesellschaft Jahr Kapital Gewinn vor Steuern Gewinn nach Steuern Bruttoausschüttung Ausschüttungssteuer Kapitalrückzahlung
Körperschaftsteuersatz: 0%; Ausschüttungssteuersatz: 21% Nettozins bei Thesaurierung: 10% 0 1 2 3 4 1.000,0 1.100,0 1.210,0 1.331,0 1.464,1 100,0 110,0 121,0 133,1 100,0 110,0 121,0 133,1 0,0 0,0 0,0 0,0
Deutsche Ertragsteuersatz: 31% Muttergesellschaft Nettozins: 6,9% Jahr 0 1 2 3 Erhaltene Dividende 0,0 0,0 (Nettoausschüttung) Bruttodividende 0,0 0,0 Deutsche Steuerschuld 0,0 0,0 Anrechnung 0,0 0,0 Gezahlte Ertragsteuern 0,0 0,0 Nettozufluss 0,0 0,0 Einlage -1.000,0 Kapitalrückzahlung Endvermögen der Finanzinvestition nach Steuern Endvermögen der Alternativinvestition nach Steuern = 1.000,0 u 1,0695 Endwert
4
5 1.610,5 146,4 146,4 610,5 128,2 -1.000,0
0,0
0,0
5 482,3
0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
610,5 189,3 128,2 61,1 421,2 1.000,0 1.421,2 1.396,0 25,2
Tabelle 16: Gewinnthesaurierung und indirekte Anrechnung
Deshalb sind Missbrauchsregeln, wie in Kapitel 5.1.4. vorgeschlagen, immer noch notwendig. Allerdings kann die Steuergestaltung mit Drittstaaten aufgrund der EG-rechtlichen Vorgaben wesentlich effektiver bekämpft werden, als das für EU-Sachverhalte möglich ist. Wie gezeigt, ist die Effektivität der Missbrauchsnormen innerhalb der EU aufgrund der EG-rechtlichen Anforderungen fraglich.
1308
Angesichts der EuGH-Rechtsprechung zum Begriff der Quellensteuer (vgl. Kapitel 4.1.2.1.) ist Estland nicht mehr gezwungen, sein Körperschaftsteuersystem wegen der Mutter-Tochter-Richtlinie zu ändern; vgl. Klauson, TNI 2008, S. 659; zu Estland vgl. Kesti (Hrsg.), European Tax Handbook, 2008, S. 197 f.
243
Um die Steuerplanungsmöglichkeiten der Konzerne effektiv einzuschränken, ist deshalb eine obligatorische Wohnsitzbesteuerung vorzuziehen, sofern zumindest die Bemessungsgrundlagen europaweit harmonisiert sind. In diesem Fall wird sich die unternehmerische Steuerplanung darauf konzentrieren, die Tatbestandsmerkmale der Wohnsitzbesteuerung insbesondere über eine Sitzverlegung der Konzernmutter zu umgehen. Denn es liegt nicht im Interesse der Unternehmen, dass europaweit eine Hochschleusung auf das deutsche Steuersatzniveau erfolgt.1309 Eine Sitzverlegung der Konzernmutter ist zwar im Hinblick auf die in Deutschland verbleibenden Betriebsstätten und Tochtergesellschaften steuerlich nicht vorteilhaft, da diese nach wie vor dem deutschen Steuersatzniveau unterliegen. Allerdings werden durch eine Sitzverlegung der Konzernmutter die ausländischen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften von der Heraufschleusung auf das regelmäßig höhere deutsche Besteuerungsniveau befreit, da es keine deutsche Konzernmutter mehr gibt, an die eine Wohnsitzbesteuerung anknüpfen könnte.1310 Ist eine Sitzverlegung in nichtsteuerlicher Hinsicht einfach durchzuführen, ist diese aus steuerlicher Sicht sicherlich von Vorteil. Dies wird auch daran deutlich, dass deutsche Konzerne bei einer effektiven Wohnsitzbesteuerung gegenüber Konzernen benachteiligt sein könnten, deren Muttergesellschaften in Freistellungsländern ansässig sind. Während Letztere beim Kauf einer ausländischen Investition keine zusätzliche inländische Steuerlast einzukalkulieren haben, müssen deutsche Konzerne dies in ihrem Kaufpreiskalkül berücksichtigen. Unter sonst gleichen Bedingungen können damit ausländische Konzerne regelmäßig einen höheren Preis für die Beteiligung zahlen, da für deutsche Konzerne der Netto-Cashflow der ausländischen Investition, sofern kein Anrechnungsüberhang besteht, zusätzlich um die deutschen Steuern gekürzt wird.1311 Deshalb könnte es aus wettbewerbspolitischen Gründen ratsam sein, zumindest im Verhältnis zu Drittstaaten eine Freistellung der Einkünfte im System der Wohnsitzbesteuerung vorzusehen.1312 In diesem Fall würden also Gewinne und Verluste, die nicht innerhalb des europäischen Konzernkreises der Wohnsitzbesteuerung erzielt werden, konsequent freigestellt.1313 Damit könnten ausländische Verluste aus Drittstaaten vom interpersonalen Verlustausgleich strikt ausgeschlos-
1309 1310 1311
1312 1313
Vgl. auch Dötsch/Pung, DK 2006, S. 132. Vgl. auch Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 259. Vgl. Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 115, 121; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 33. Zum Konzept dieser Capital Ownership Neutrality vgl. Desai/Hines, National Tax Journal 2004, S. 956 f. Unter bestimmten Bedingungen, insbesondere der mindestens EU-weit uniformen Umsetzung der Kapitalexportneutralität, ist diese Neutralität auch bei Umsetzung der Kapitalexportneutralität erfüllt; vgl. Desai/Hines, National Tax Journal 2003, S. 494 f.; Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 121. Vgl. dazu Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 121, 123. Im Kontext der CCCTB vgl. Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 23-25.
244
sen werden, womit auch Verluste von Betriebsstätten ausgeschlossen wären. In einem solchen System bestehen dennoch offensichtliche Anreize und Möglichkeiten zur Steuerplanung. Zumindest EG-rechtlich unproblematisch kann allerdings die Steuerplanung gegenüber Drittstaaten effektiv mit pauschalen Kriterien bekämpft werden. Ein großer völkerrechtlicher Vorteil einer solchen Lösung wäre zudem, dass nicht auch noch die DBA mit den Drittstaaten hinsichtlich der Freistellung für Betriebsstätten und Dividenden nachverhandelt werden müssten. Unbeschadet der Behandlung der Drittstaatseinkünfte kommt es auf alle Fälle in einem System der Wohnsitzbesteuerung unweigerlich zu einem steuerlichen Wettbewerb um die Konzernzentrale.1314 Dann ist es steuerplanerisch von Bedeutung, inwieweit Deutschland eine Abschlussbesteuerung implementieren kann, die den Wegzug steuerlich einschränken kann. Bei einer sofortigen Wegzugsbesteuerung – dies entspricht der in Kapitel 4.3.2.2.2. vorgeschlagenen Option des Steuerpflichtigen für eine Begleichung der Steuerschuld im Barwert – sollte das grundsätzlich möglich sein. Allerdings können in Abhängigkeit vom Buchwert der verlagerten Wirtschaftsgüter auch Lock-Out-Effekte eintreten, so dass die Abschlussbesteuerung in diesem Fall keine steuerliche Schranke für den Wegzug darstellt. In solchen Fällen können immer noch Liquiditätsaspekte aufgrund der sofortigen Steuerzahlung gegen einen Wegzug sprechen.1315 Die europarechtlichen Anforderungen implizieren jedoch, dass die Besteuerung einen Wegzug nicht beschränken soll. Passt man die Abschlussbesteuerung an diese Anforderungen an, sollte ein Liquiditätsnachteil beim Wegzug nicht mehr relevant sein. Durch die aufgeschobene Besteuerung, wie sie in Kapitel 4.3.2.2.2. vorgeschlagen wurde, wird ein möglicher, negativer Liquiditätsaspekt beseitigt, da eine ratierliche Auflösung der stillen Reserven eine Zahlungsballung im Zeitpunkt des Wegzugs gerade vermeidet und die Steuerzahlung idealiter an die Realisation knüpft. Dennoch können insbesondere aus der Beseitigung der Cashflow-Besteuerung bei nicht aktivierten Wirtschaftsgütern – der Geschäfts- oder Firmenwert des Gesamtkonzerns stellt hierfür das wichtigste Beispiel dar – Zinsnachteile resultieren, die den Wegzug trotz eines korrespondierenden Step-Up im Ausland steuerlich unvorteilhaft werden lassen.1316 Diese Unvorteilhaftigkeit wird noch verstärkt, wenn der Zuzugsstaat nicht korrespondierend besteuert. Zudem könnten Unsicherheiten hinsichtlich der Berücksichtigung zukünftiger Verluste oder des Untergangs des Wirtschaftsguts einen Wegzug unattraktiv erscheinen lassen. Denn die Auflösung der stillen Reserven erfolgt pauschaliert und automatisch über die Zeit, während die Beweislast für 1314
1315 1316
Vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 32, 34; Esser, Verlustverrechnung, 2008, S. 49; Schmidt, WPg-Sonderheft 2006, S. S69; Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 228. Vgl. auch Schreiber/Führich, Group Taxation, 2007, S. 20. Vgl. dazu Schreiber/Führich, Group Taxation, 2007, S. 22 f.
245
Korrekturen bei der Reservenbesteuerung beim Steuerpflichtigen liegt. Kann also im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung eine praktikable Wegzugsbesteuerung (Kapitel 4.3.2.2.2.) formuliert werden, die im Sinne von Lock-In-Effekten abschreckende Wirkung entfaltet, ist Steuerplanung mittels der Verlegung der Konzernzentrale nicht so einfach möglich.1317 Unabhängig davon ist mit einer europarechtskonformen Wegzugsbesteuerung zumindest eine fiskalisch gebotene Besteuerung der in Deutschland generierten stillen Reserven gesichert. Um die steuerliche Schranke der Wegzugsbesteuerung zu umgehen, könnte die Muttergesellschaft den Sitz für Zwecke der Wohnsitzbesteuerung über einen Anteilstausch steuerneutral verlegen.1318 Innerhalb der Europäischen Union ist bei einem qualifizierten Anteilstausch Steuerneutralität geboten, was in Deutschland durch § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG umgesetzt wurde. Folglich müssten große Publikumsgesellschaften, deren Aktien sich in großem Streubesitz (natürliche Personen, Pensionsfonds, Versicherungen etc.) befinden, ihren Aktionärskreis insoweit koordinieren, dass diese der neuen Holding mindestens die Stimmrechtsmehrheit einräumen, um den Tatbestand eines qualifizierten Anteilstausches zu erfüllen. Dass dies in der Unternehmenspraxis durchführbar ist, zeigen diverse Beispiele von „unechten“ Fusionen zweier großer börsennotierter Konzerne, wie diejenige der Daimler-Benz AG und der Chrysler Corporation 19981319, zumal der steuerliche Anreiz im Fall der Wohnsitzbesteuerung für die Anteilseigner sehr groß wäre. Somit dürften selbst bei einem großen Anteilseignerkreis die Transaktionskosten für die Anbahnung und Einigung auf eine ausländische Holdinggesellschaft nicht so groß sein, dass diese Gestaltung daran scheitern müsste. Allerdings knüpft die Wegzugsbesteuerung nicht an den Anteilstausch als solchen, sondern an den Verlust des Besteuerungsrechts an, der durch eine Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ausgelöst wird. Insofern sollte auch in diesem Fall – vorbehaltlich der bereits geäußerten EG-rechtlichen Bedenken – eine Wegzugsbesteuerung auf Ebene der Gesellschaft möglich sein.
1317 1318 1319
Vgl. auch Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 122. Für eine im Ergebnis ähnliche Gestaltung vgl. Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 121 f. Vgl. auch Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1302, 1305.
246
5.2.4. 5.2.4.1.
Weitere Vorgaben Verfassungsrecht
Eine weltweite Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips legt eine konsequente Anwendung des Welteinkommensprinzips und somit Kapitalexportneutralität nahe.1320 Im Einzelnen erfüllt die Wohnsitzbesteuerung die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine der Leistungsfähigkeit entsprechende Besteuerung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere dem objektiven Nettoprinzip wird Genüge getan, weil ein Abzug aller Aufwendungen innerhalb des Konzernkreises sichergestellt ist. Ebenso ist ein sofortiger interpersonaler Verlustausgleich innerhalb des Konzerns verfügbar. Es kommt auch nicht zu einer Doppelbesteuerung ausländischer Einkünfte beispielsweise durch die administrativ aufwendige Hinzurechnungsbesteuerung. Im Ergebnis ist also eine Einmalbesteuerung des Konzerngewinns sichergestellt. Die Wohnsitzbesteuerung geht insoweit sicherlich über die verfassungsrechtlichen Anforderungen hinaus; gerade die verfassungsrechtliche Stellung des Nettoprinzips ist nicht abschließend geklärt. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass die Wohnsitzbesteuerung aus verfassungsrechtlicher Sicht sicherlich nicht zu beanstanden ist. Letztlich führt die Wohnsitzbesteuerung zu einer Besteuerung der Muttergesellschaft unabhängig davon, woher sie ihre Einkünfte bezieht, sofern eine effektive Anrechnung zur Geltung kommt. Temporäre Anrechnungsüberhänge, die eine gleichmäßige Besteuerung stören könnten, können aufgrund des Anrechnungswahlrechts und der Vortragsmöglichkeit über die Zeit abgebaut werden. Eine begrenzte Anrechnung hingegen, die ultimativ aus den Steuersatzunterschieden resultiert, kann verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. Da die Besteuerung gleichmäßig nach inländischem Recht erfolgen soll, kann die Anrechnung nur in Höhe des deutschen Steuersatzniveaus gewährt werden.1321 Deshalb müssen auch die Einkünfte nach inländischem Recht ermittelt werden, da es innerstaatlich um die Gleichbehandlung der ausländischen Einkünfte mit den inländischen Einkünften geht.1322 Insofern ist die administrativ einfachere Übernahme der nach ausländischem Recht ermittelten Einkünfte wohl nicht mit Verfassungsrecht vereinbar. Mit der Wohnsitzbesteuerung ist schließlich auch eine gleichmäßige Besteuerung in dem Sinne gewährleistet, dass der Steuerpflichtige bei bestimmten (hier: grenzüberschreitenden) Einkünften
1320
1321 1322
Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 20; Homburg, Wohnsitzprinzip, 2005, S. 21; Schaumburg, Leistungsfähigkeitsprinzip, 1995, S. 144, 146; vgl. auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 320. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 24. Vgl. Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, S. 13.
247
die Steuer nicht umgehen oder minimieren kann (Art. 3 Abs. 1 GG).1323 Angesichts der EGrechtlichen Anforderungen an die Missbrauchsnormen erscheint es zumindest fraglich, ob für grenzüberschreitende Sachverhalte steuerliche Normen formuliert werden können, die tatsächlich vollzogen werden können. Diese Gefahr des Vollzugsdefizits wird durch die Wohnsitzbesteuerung im Großen und Ganzen gelöst, indem sie die Missbrauchsnormen in ihrem Geltungsbereich entbehrlich macht. Diese Aussage wird jedoch durch die Option, wie gezeigt, relativiert. Ebenso ist zu betonen, dass eine verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonforme Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung gefunden werden muss, die im System der Wohnsitzbesteuerung ein integraler Bestandteil bleibt.
5.2.4.2.
Praktikabilität der Besteuerung
Zwar ist die Forderung nach Praktikabilität nur eine Nebenbedingung, und die Steuervollzugskosten sind im Regelfall weniger wichtig als die Steuerplanungskosten und die Wohlfahrtsverluste.1324 Dennoch sollte das Problem der Befolgungskosten in einem Binnenmarkt mit 27 verschiedenen Gewinnermittlungsregeln sowie national vielfältigen Missbrauchsregeln nicht unterschätzt werden.1325 Im System der Wohnsitzbesteuerung wird die Steuerbemessung unverändert nach dem international anerkannten Arm’s-Length-Prinzip vorgenommen. Damit wird für Minderheitsgesellschafter das auch gegenüber dem Konzernkreis realisierte Ergebnis korrekt ermittelt. Insofern resultiert kein zusätzlicher Aufwand aus einer möglichen Überleitungsrechnung oder einem eventuell notwendigen Steuerumlagevertrag.1326 Gleichzeitig ist sichergestellt, dass die Gewinnaufteilung für steuerliches Einkommen, das in der EU oder in Drittstaaten entstanden ist, nach den gleichen Grundsätzen erfolgt.1327 Zugleich bestehen damit die Probleme aus der Festsetzung und Korrektur von Transferpreisen fort. Unternehmen sähen sich gleichbleibenden Dokumentations- und Rechtfertigungspflichten für Transferpreise gegenüber.1328 Allerdings ist das Problem der An1323
1324 1325
1326 1327
1328
Vgl. Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 63. Für eine stärkere Akzeptanz des Grundsatzes gleichmäßiger Besteuerung im EG-Recht plädiert beispielsweise Cencerrado, EC Tax Review 2004, S. 108. Der EuGH hat zumindest implizit die Rechtfertigung einer Beschränkung über die Begründung einer gleichmäßigen Steuerbelastung akzeptiert; vgl. EuGH vom 14.10.1999, Rs. C-439/97 (Sandoz), Slg. I-1999, Rn. 23 f., 26 f. Vgl. Wiegard et al., Jahresgutachten, 2005, S. 269. Die Befolgungskosten stellen regelmäßig die weitaus höheren und damit wichtigeren Kosten als die Erhebungskosten dar; vgl. Musgrave/Musgrave, Public Finance, 1984, S. 291; Evans, Compliance Costs, 2008, S. 458. Zur Relevanz der Befolgungskosten vgl. Evans, Compliance Costs, 2008, S. 457. Im Gegensatz zur CCCTB vgl. Agundez-Garcia, EU Tax Base, 2006, S. 16 f. Bei Umsetzung der Kommissionsvorschläge müssten zwei unterschiedliche Gewinnaufteilungssysteme mit all ihren Problemen implementiert werden; vgl. Schön, Konzernbesteuerung, 2008, S. 70. Vgl. auch Grotherr, Konzernbesteuerungssysteme, 1994, S. 11; Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 107.
248
gemessenheit von Transferpreisen bei der Wohnsitzbesteuerung gemildert, da es aus Konzernsicht keinen Anreiz mehr gäbe, die Bemessungsgrundlage mittels Transferpreisen zu verlagern1329, sofern keine Anrechnungsüberhänge bestehen. Zwar bestünde aus fiskalischer Sicht noch Streitpotential wegen der Aufteilung des Steueraufkommens, jedoch könnte Deutschland aufgrund der Hinzurechnung der ausländischen Ergebnisse großzügiger agieren, um die Gefahr der Doppelbesteuerung aufgrund von Transferpreiskorrekturen abzuschwächen. Zusätzliche administrative Kosten entstehen auch wegen der weitergehenden Konsolidierung, die bei einer Wohnsitzbesteuerung zur Verfügung steht. In diesem Bereich sollte deshalb darauf geachtet werden, dass sinnvolle Erleichterungen vorgesehen werden. So ist beispielsweise ein vereinfachungsbedingter Verzicht auf die Erst- und Entkonsolidierung bei Schulden vertretbar. Gleiches gilt für die Zwischenergebniseliminierung bei Umlaufvermögen. Da die Zinsvorteile angesichts der baldigen Realisation am Markt eher gering sein werden, während die Kosten der Dokumentation eher groß sein werden (insbesondere bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen), sollte den Unternehmen zumindest ein Wahlrecht zur Konsolidierung bei Umlaufvermögen gegeben werden.1330 In diesem Fall können die Unternehmen eine Abwägung der Kosten und des Nutzens einer Zwischenergebniseliminierung vornehmen. Ebenso könnte ein gänzlicher Verzicht auf die Nachversteuerungsregelung wegen der vermutlich aufwendigen Überwachung seitens der Finanzverwaltung erwogen werden. Angesichts des umfassenden Einbezugs von Gewinnen und Verlusten ist eine gezielte Steuerplanung zu Lasten Deutschlands nicht unmittelbar ersichtlich. Wesentliche Befolgungskosten entstehen ebenfalls aus der Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung. Wie gezeigt, könnte ein umfassender Aufschub diese Kosten zwar mildern, aber auch zur Nichtbesteuerung stiller Reserven führen. Das im Rahmen dieser Arbeit vorgeschlagene Konzept der vereinfachten, aufgeschobenen Wegzugsbesteuerung könnte dieses Dilemma lösen, wenn auch Befolgungskosten damit verbunden sind. Beträchtliche administrative Kosten entstehen auch dann, wenn bei Beteiligungen unter 100% trotz der Zwischenergebniseliminierung eine Gewinnabgrenzung notwendig ist. Andererseits sollte nicht übersehen werden, dass eine praktikable Wegzugsbesteuerung und eine Abgrenzung der Bemessungsgrundlagen unabhängig vom
1329
1330
Vgl. Schreiber, StuW 1994, S. 245, 252; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 31; Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 257. So auch die Auffassung der Finanzverwaltung bis 2005 (vor SEStEG); vgl. BMF-Schreiben vom 24.12.1999, IV B 4 – S 1300 – 111/99, BStBl. I 1999, Rn. 2.6.1. lit. d).
249
System der Gewinnaufteilung entwickelt werden muss, so dass diese administrativen Kosten nicht der Wohnsitzbesteuerung per se angelastet werden können.1331 Schließlich gilt es zu bedenken, dass selbst bei einer vollständigen und konsequenten Freistellung ausländischer Gewinne der administrative Aufwand der Gewinnabgrenzung insbesondere auf Seiten der Mitgliedstaaten verbleibt.1332 Deswegen impliziert die Anrechnungsmethode für Betriebsstättengewinne keinen zusätzlichen Ermittlungsaufwand, weil die freizustellenden Gewinnanteile ohnehin bemessen werden müssen. Bei der indirekten Anrechnung für ausländische Dividenden kann jedoch bereits großer administrativer Aufwand entstehen, in Abhängigkeit davon, welche Beteiligungstiefe (Tochter-, Enkel-, Urenkelgesellschaften etc.) bei der steuerlichen Vorbelastung der Dividende einbezogen werden soll.1333 Beim Einbezug thesaurierter Gewinne erhöht sich der Mehraufwand ein weiteres Mal wegen der nicht harmonisierten Bemessungsgrundlagen. Im Unterschied zum derzeitigen System ist eine doppelte Buchführung für ausländische Tochtergesellschaften erforderlich, die von den Unternehmen erbracht und von der Finanzverwaltung geprüft werden muss.1334 Angesichts 27 verschiedener Steuerrechtsordnungen innerhalb der EU werden diese Befolgungskosten erheblich sein. Eine offensichtliche administrative Vereinfachung wäre es zwar demgegenüber, direkt an die im Ausland ermittelten Gewinne anzuknüpfen.1335 Dem stehen allerdings europaund verfassungsrechtliche sowie ökonomische Gründe entgegen.1336 Vereinfachungen in beschränktem Umfang hingegen sind sicherlich nicht zu beanstanden, solange die laufende Besteuerung nach nationalen Vorschriften bemessen wird. Beispielsweise wäre es denkbar, bei erstmaliger Konsolidierung den ausländischen Buchwert von abnutzbarem AV – vorbehaltlich einer Währungsumrechnung – zu übernehmen und erst die anschließende AfA auf diesen Buchwert für die Folgeperioden nach nationalem Recht zu bestimmen.1337 Ebenso könnte es der administrativen Vereinfachung dienen, wenn ein Einbezug von Konzerngesellschaften nur dann möglich ist, wenn sie das gleiche Wirtschaftsjahr wie die Konzernmutter aufweisen. 1331
1332 1333
1334
1335
1336
1337
Selbst bei formelhafter Gewinnaufteilung muss eine Wegzugsbesteuerung implementiert werden; vgl. Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 40 f.; Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 118. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 33. Vgl. Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 71. Auch die Verwaltung der Anrechnungsguthaben verursacht nicht zu unterschätzende Verwaltungskosten; vgl. dazu Sauerland, Konzernbesteuerung, 2007, S. 107 f. Vgl. Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 217. Für Italien vgl. Schneider, IStR 2007, S. 463. Spengel hält eine allgemeine Zurechnung für nicht praktikabel; vgl. Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 302. Hernler hingegen spricht von einem „vertretbaren Ausmaß“; Hernler, DB 2003, S. 62. Vgl. auch Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 294. Dies sahen die Artikel 7 Abs. 2 (für Betriebsstätten) und Artikel 9 Abs. 2 (für Tochtergesellschaften) der Verlustrichtlinie vom 06.12.1990 (90/595) vor. Vgl. Kapitel 4.2.2.2.1., 5.2.2.2. und 5.2.4.1.; vgl. auch Schreiber, StuW 1994, S. 252 f.; Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 295; Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 465. Für Frankreich vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 461 f.
250
Letztlich wäre eine harmonisierte Bemessungsgrundlage sicherlich ein großer Fortschritt – gerade für das Konzept der Wohnsitzbesteuerung. Denn der beträchtliche Mehraufwand für die Buchführung ausländischer Tochtergesellschaften könnte dazu führen, dass die Option der Wohnsitzbesteuerung nicht in Anspruch genommen wird und damit ins Leere geht.1338
5.2.5. 5.2.5.1.
Koordinierungs- und Harmonisierungsbedarf Gemeinsame Bemessungsgrundlage
Eine EU-weite Harmonisierung der Bemessungsgrundlage ist für die Wohnsitzbesteuerung keine zwingende Voraussetzung.1339 Allerdings würde diese in hohem Maße die Befolgungskosten senken, da im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung nur ein System der Gewinnermittlung zur Anwendung gelangte.1340 Bei einer erfolgreichen Harmonisierung der Bemessungsgrundlage würde für die Wohnsitzbesteuerung insbesondere der beträchtliche Mehraufwand für die doppelte Buchführung bei ausländischen Tochtergesellschaften wegfallen. Dann wäre eine verpflichtende Anwendung der Wohnsitzbesteuerung für Konzerne durchaus realisierbar. Weiterhin würde eine harmonisierte Bemessungsgrundlage Verzerrungen heilen und Abstimmungsprobleme zwischen den Mitgliedstaaten wesentlich vereinfachen.1341 Ein Anrechnungsüberhang aufgrund divergierender Gewinnermittlungsvorschriften wäre nicht mehr möglich. Ebenso wäre der ausländische Verlust identisch, der im Ausland und Inland grundsätzlich abzugsfähig ist. Die Frage nach der Gleichwertigkeit im Sinne des M&S-Urteils wäre zweifelsfrei geklärt. Die Wertmaßstäbe für Zwecke der Wegzugsbesteuerung wären ebenfalls identisch, so dass eine Abgrenzung der stillen Reserven mittels der Koordination von Abgangs- und Zugangswerten zwischen den Mitgliedstaaten gelingen kann. Selbst bei fehlender Abstimmung der Abgangs- und Zugangswerte würde die Anrechnung der ausländischen Steuern ausreichen, da es aufgrund der harmonisierten Bemessungsgrundlage nicht mehr zu Überhängen in der Anrechnung kommen kann. Eine Minderbesteuerung ist dann zumindest für den Fall, dass der Wegzugsstaat eine Abschlussbesteuerung kennt – wie im Fall der Wohnsitzbesteuerung –, nicht mehr möglich.
1338 1339
1340
1341
Für Italien vgl. Schneider, IStR 2007, S. 464. Für die mögliche Ausgestaltung und grundlegende Prinzipien einer harmonisierten Bemessungsgrundlage vgl. z. B. Oestreicher/Spengel, ET 2007, S. 439-445. Vgl. bereits Schreiber, StuW 1994, S. 245, 252; Braunagel, Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, 2008, S. 255; im Kontext der CCCTB vgl. Spengel/Wendt, StuW 2007, S. 300; aus grundsätzlichen Erwägungen heraus eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage befürwortend Lang, Harmonisierung, 1997, S. 891. Vgl. Schreiber, StuW 1994, S. 252; Treisch, Unternehmensbesteuerung, 2004, S. 320.
251
5.2.5.2.
Weitere Bereiche der Harmonisierung
Um die Mängel der begrenzten Anrechnung zu beseitigen und auf diese Weise der Kapitalexportneutralität im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung zu ihrer vollen Wirkung zu verhelfen, könnte eine europaweite Clearingstelle eingerichtet werden, um die fiskalischen Einbußen für den unbegrenzt anrechnenden Sitzstaat auszugleichen.1342 In diesem Fall würde der besteuernde Quellenstaat dem Wohnsitzstaat den Anrechnungsüberhang in Höhe der Differenz zwischen dem höheren Satz des Quellenstaates und dem niedrigeren Satz des Wohnsitzlandes erstatten. Der Quellenstaat verzichtet also insoweit auf sein Besteuerungsrecht. Allerdings bestehen derzeit nur geringe Erfolgsaussichten für ein europaweites Clearing1343, zumal wenn Deutschland die Wohnsitzbesteuerung unilateral einführen würde. Alternativ könnten deshalb bilaterale Vereinbarungen in DBA getroffen werden, die eine entsprechende Ermäßigung der Steuer im Quellenland vorsehen1344, was im Ergebnis erneut einer unbegrenzten Anrechnung entspricht. Eine Angleichung der Steuersysteme, der Verlustverrechnungsvorschriften und der Steuersätze ist bei einer Wohnsitzbesteuerung grundsätzlich entbehrlich.1345 Auch die Missbrauchsregeln sind nicht europaweit zu harmonisieren.1346 Allerdings gilt es zu bedenken, dass bei einer EUweiten Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen der Steuerwettbewerb über den Steuersatz intensiviert werden dürfte. Selbst die Wohnsitzbesteuerung kann dies nicht vollständig unterbinden, da ein Wegzug denkbar und möglich ist. Dies gilt umso mehr, als zum jetzigen Zeitpunkt unklar ist, ob eine effektive Wegzugsbesteuerung im Einklang mit EG-Recht formuliert werden kann. Dann könnte auch über eine (partielle) Harmonisierung der EU-Steuersätze nachgedacht werden, beispielsweise in Form eines Mindeststeuersatzes.1347 Aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der direkten Steuern ist jedoch bereits eine Einigung auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage als politisch schwierig zu bezeichnen. Die bisherigen Erfahrungen im Bereich der Umsatzsteuer zeigen, dass eine Einigung der Mitgliedstaaten angesichts ihrer nach wie vor existierenden Finanzhoheit schwer zu erzielen ist.1348 Dieser Einwand gilt umso mehr für
1342 1343 1344
1345 1346
1347
1348
Vgl. auch Spengel, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2003, S. 314 f. Vgl. dazu auch Treisch, ZfbF 2004, S. 383, 385. Vgl. Maiterth, StuW 2005, S. 57. Dies war bereits Praxis in diversen DBA europäischer Mitgliedstaaten bei der grenzüberschreitenden Anrechnung im Rahmen körperschaftsteuerlicher Anrechnungssysteme; vgl. z. B. Kessler, IStR 1995, S. 406; Thömmes, Anrechnung, 1996, S. 30-34. Vgl. Maiterth, StuW 2005, S. 57. Wohl aber bei Umsetzung der Kommissionsvorschläge für eine CCCTB; vgl. Kommission, Missbrauchsbekämpfung, 2008, Rn. 1, 8 f.; Schreiber, Common Tax Base, 2008, S. 120, 123. Vgl. auch Spengel, Common Tax Base, 2008, S. 46; Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 371; Wissenschaftlicher Beirat BMF, Einheitliche Bemessungsgrundlage, 2007, S. 71 f. Vgl. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 153; Schneider, DB 2003, S. 58. Die große Zahl an Mitgliedstaaten erschwert einen Konsens zusätzlich; vgl. Mason, Tax Discrimination, 2007, S. 16.
252
darüber hinausgehende Harmonisierungsanforderungen beispielsweise für eine Gewinnaufteilungsformel (bei indirekter Gewinnaufteilung) oder für den Steuersatz.1349 Insoweit hat die Wohnsitzbesteuerung den Vorteil, im Kern lediglich eine harmonisierte Bemessungsgrundlage auf der Ebene der EU zu benötigen, welche aus Gründen der Vereinfachung und der Verminderung der Befolgungskosten im Binnenmarkt ohnehin sehr wünschenswert ist.
5.2.5.3.
DBA-rechtliche Probleme
Die Wohnsitzbesteuerung begegnet völkerrechtlichen Einwänden. Der allgemeine Übergang auf die Anrechnungsmethode wäre für das klassische DBA-Freistellungsland Deutschland ein gravierender Bruch mit seiner bisherigen DBA-Praxis.1350 Auch die transparente Besteuerung von Kapitalgesellschaften entspricht außerhalb der besonderen Anforderungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht den internationalen Gepflogenheiten (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA).1351 Sämtliche deutschen DBA, zumindest diejenigen mit den 26 anderen Mitgliedstaaten, müssten neu verhandelt werden. Die derzeit vorherrschende Freistellungsmethode bei Betriebsstättengewinnen müsste durch die Anrechnungsmethode ersetzt werden. Außerdem wäre in den DBA festzuhalten, dass Deutschland im Rahmen der Wohnsitzbesteuerung auf thesaurierte Gewinne zugreifen darf.1352 Da ein solches Vorgehen – zumal mit so vielen Staaten gleichzeitig – sehr zeitaufwendig ist, könnte alternativ ein nationales Gesetz vorgeschaltet werden, welches die entsprechenden Bestimmungen der DBA hinsichtlich der Freistellung derogiert (treaty override). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich gestattet, durch ein Gesetz die Wirkungen eines DBA aufzuheben.1353 Ein solches Vorgehen stellt einen Bruch von Völkerrecht dar, ist allerdings innerstaatlich nicht zu beanstanden, sofern der Gesetzgeber im Gesetz seine Absicht zum Vertragsbruch klar zum Ausdruck bringt.1354 Dieser Bruch von Völkerrecht ist EGrechtlich ebenfalls solange unproblematisch, wie der treaty override keine EG-rechtlich relevan-
1349 1350 1351 1352
1353 1354
Vgl. auch Graetz/Warren, Yale Law Journal 2006, S. 1231; Pitlik, Steuerwettbewerb, 2003, S. 170. Vgl. Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 66; vgl. auch Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 255, 264. Vgl. Hemmelrath, in: Vogel/Lehner, DBA, 2003, Rn. 10.1 zu Art. 7, S. 670; Schreiber, StuW 1994, S. 251. Für das Beispiel der grenzüberschreitenden, französischen Gruppenbesteuerung (régime du bénéfice consolidé) im DBA Deutschland-Frankreich (Art. 20 Abs. 2 lit. b); vgl. Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 507. Vgl. z. B. BFH vom 20.03.2002, I R 38/00, BStBl. II 2002, Rn. II.3.a). Vgl. Seer, IStR 1997, S. 483-485; Bron, IStR 2007, S. 432 f. Einige Autoren bezweifeln die völkerrechtliche Zulässigkeit eines treaty override bei einem DBA; vgl. Rust/Reimer, IStR 2005, S. 848 f.; Kempf/Bandl, DB 2007, S. 1381; ebenfalls kritisch Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 37; Gosch, IStR 2008, S. 419.
253
te Diskriminierung erzeugt1355, was für die Wohnsitzbesteuerung in Kapitel 5.2.2. bejaht werden konnte. Es ist zwar fraglich, ob die anderen Vertragsstaaten diesen Vertragsbruch ohne Gegenmaßnahmen, beispielsweise der Aberkennung von Quellensteuerermäßigungen oder gar der Kündigung des Vertrags, akzeptieren würden.1356 Einschlägige Erfahrungen aus Dänemark zeigen jedoch, dass ein allgemeiner und einseitiger treaty override nicht mit der Kündigung von einzelnen Privilegien oder des ganzen Vertrags verbunden war.1357 Die Erfahrungen aus Dänemark zeigen ebenfalls, dass gleichzeitig DBA-Nachverhandlungen mit den anderen Mitgliedstaaten begonnen werden sollten, um die Freistellung durch die Anrechnung ersetzen zu lassen. Ebenso wenig ist innerhalb der EU ernsthaft damit zu rechnen, dass andere Mitgliedstaaten aufgrund der deutschen Anrechnung ihre Steuern bis zur Höhe des deutschen Satzes erhöhen, um auf diese Weise ihre Einnahmen auf Kosten des deutschen Staates zu erhöhen, ohne dabei die bestehenden Investitionsanreize zu verändern.1358 Denn eine allgemeine Erhöhung der ausländischen Körperschaftsteuer würde schließlich im Verhältnis zu allen Staaten wirken. Eine zielgerichtete Erhebung bzw. Erhöhung der Quellensteuer speziell auf deutsche Unternehmens- und Kapitaleinkünfte ist bereits aus EG-rechtlichen Gründen nicht möglich. Einer solchen Maßnahme steht in Konzernsachverhalten bereits das Sekundärrecht in Gestalt der Mutter-Tochter-Richtlinie und der Zins- und Lizenz-Richtlinie entgegen; andernfalls liegt ein offensichtlicher Verstoß gegen die Grundfreiheiten vor. Abschließend ist zu betonen, dass die Anrechnungsmethode eine der beiden von der OECD befürworteten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist.1359 Das Wahlrecht zur Wohnsitzbesteuerung kann zusätzlich dazu beitragen, völkerrechtliche Einwände zu relativieren. In diesem Fall optiert die Konzernmutter bewusst für eine EU-weite transparente Besteuerung, die eine DBA-rechtliche Freistellung außer Kraft setzt.1360 Letztlich könnte aus Sicht von Deutschland ein bewusster und systematischer Bruch des Völkerrechts wünschenswerter sein als die der1355
1356
1357
1358 1359
1360
Vgl. EuGH vom 06.12.2007, Rs. C-298/05 (Columbus Container), Slg. I-2007, Rn. 45-47; EuGH vom 14.11.2006, Rs. C-513/04 (Kerckhaert Morres), Slg. I-2006, Rn. 22 f.; Bron, IStR 2007, S. 434 f.; Meussen, ET 2008a, S. 173; kritisch Gosch, IStR 2008, S. 420. Vgl. dazu Wissenschaftlicher Beirat BMF, Internationale Kapitaleinkommensbesteuerung, 1999, S. 51-54; Reuß, IStR 1997, S. 677; Schreiber, Internationale Mobilität, 1996, S. 60 f. Vgl. Amby, Denmark, 2004, S. 252. Zwar ist die Anrechnungsmethode in Dänemark weitaus üblicher als in Deutschland; vgl. schon Saß, BB 1991, S. 1161. Dennoch sind Vergeltungsmaßnahmen für einen treaty override unwahrscheinlich; vgl. Oestreicher et al., Konzernbesteuerung, 2008, S. 265; Bron, IStR 2007, S. 435. So aber die Kritik an der Anrechnungsmethode von Gerken/Märkt/Schick, Steuerwettbewerb, 2000, S. 227. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat BMF, Internationale Kapitaleinkommensbesteuerung, 1999, S. 52 f. Gerade Mitgliedstaaten, die selbst die Anrechnung vorsehen oder sogar transparent besteuern (Dänemark, Frankreich, Italien), sollten für einen deutschen Vertragsbruch Verständnis zeigen; vgl. auch Homburg, FR 2007, S. 727. Vgl. auch Dötsch/Pung, DK 2006, S. 132; Scheunemann, Konzernbesteuerung, 2005, S. 515 f.
254
zeitige, in zahlreichen Einzelnormen unsystematisch vorgenommene Verletzung von DBARecht.1361
5.2.6.
Fazit
Für das grundsätzliche Dilemma des Gesetzgebers, das aufgrund der europarechtlichen Anforderungen im Bereich der Ertragsteuern von Unternehmen entsteht, wird in dieser Arbeit die Wohnsitzbesteuerung als mögliche umfassende Lösung vorgeschlagen. Die Wohnsitzbesteuerung wird so ausgestaltet, dass sie bestmöglich einer kapitalexportneutralen Besteuerung entspricht. Zentrale Voraussetzungen hierfür sind die transparente Besteuerung von Kapitalgesellschaften und eine effektive Anrechnung der ausländischen Steuern, die trotz fiskalisch unvermeidlicher Anrechnungsbegrenzungen im Ergebnis so gut wie möglich einer unbegrenzten Anrechnung nahe kommen soll. Angesichts einer derzeitigen Belastung der Unternehmensgewinne von ca. 31% in Deutschland ist dies innerhalb der EU im Wesentlichen auch zu erreichen. Dafür ist jedoch der Einbezug der Gewerbesteuer in den Anrechnungsmechanismus zwingend. Eine denkbare Alternative in Form einer europäischen Clearingstelle für einen fiskalischen Ausgleich einer unbegrenzten Anrechnung erscheint demgegenüber nicht realistisch. Erreicht man also eine annähernd kapitalexportneutrale Besteuerung in Gestalt der Wohnsitzbesteuerung, wird damit die bisherige, auf Trennungsprinzip und Freistellung basierende Steuerplanung unmöglich gemacht. In der laufenden Besteuerung bietet sie keinen rein steuerlichen Anreiz für die Verlagerung von Realinvestitionen oder Buchgewinnen. Lediglich bei Anrechnungsüberhängen kann es noch zu Steuerplanungsmöglichkeiten kommen, weshalb diese Überhänge, wie gezeigt, minimiert werden sollten. Gleichzeitig werden einem deutschen Konzern mit einer solchen Besteuerung nicht nur Möglichkeiten der internationalen Steuerplanung genommen, sondern es entsteht auch weniger Bedarf für Steuerplanung, um nachteilige Folgen wie die internationale Doppelbesteuerung abzuwehren. Die systematische Hinzurechnung von Gewinnen und Verlusten setzt das Nettoprinzip konsequent um und ermöglicht eine Einmalbesteuerung auf Konzernebene. Damit werden Steuerplanungskosten und mögliche Wohlfahrtsverluste gesenkt, die bisher aus dieser Steuerplanung resultierten. In rechtlicher Hinsicht weist die Wohnsitzbesteuerung ebenfalls bedeutsame Vorzüge auf. Am wichtigsten ist hier sicherlich die Erfüllung der europarechtlichen Anforderungen, die der EuGH 1361
Zur Vielfalt des treaty override in deutschen Steuernormen; vgl. Gosch, IStR 2008, S. 415-418. Zur Vielfalt der in deutschen DBA enthaltenen Klauseln (Aktivität, subject to tax, switch over), die einen Übergang von der Freistellung zur Anrechnung vorsehen; vgl. Lüdicke, DBA-Politik, 2008, S. 79 f., 95 f., 97 f.
255
in ständiger Rechtsprechung formuliert hat. Zentrale Voraussetzung dafür ist zunächst einmal der diskriminierungsfreie Zugang zur Wohnsitzbesteuerung und ihre diskriminierungsfreie Anwendung, was für die Wohnsitzbesteuerung eindeutig bejaht werden kann. Ein konsistent ausgestaltetes, kapitalexportneutrales Besteuerungssystem ist entgegen anderslautender Stimmen in der Literatur sehr wohl mit Europarecht vereinbar. Darüber hinaus wird die Wohnsitzbesteuerung im Einzelnen zentralen Urteilen des EuGH zur Hinzurechnungsbesteuerung, zum Zinsabzug und zur Verlustverrechnung gerecht, teilweise werden sie sogar übererfüllt. Die Wegzugsproblematik wird durch die Wohnsitzbesteuerung nur teilweise gemildert, denn eine Wegzugsbesteuerung bleibt integraler Bestandteil dieses Besteuerungssystems. Insofern ist angesichts der verbleibenden EG-rechtlichen Unwägbarkeiten ein direkt einschlägiges Urteil des EuGH im Bereich der betrieblichen Wegzugsbesteuerung abzuwarten. Dann kann endgültig entschieden werden, ob es gelingen kann, eine Wegzugsbesteuerung zu formulieren, die sowohl europarechtlichen als auch verfassungsrechtlichen Grundsätzen standhält. Unbeschadet dessen erfüllt die Wohnsitzbesteuerung wichtige verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besteuerung. Insbesondere die konsequente Umsetzung des Nettoprinzips wird dem Verfassungsrecht allemal gerecht, wenn es nicht sogar über die derzeit gebotenen Maßstäbe hinausgeht. Natürlich verbleiben bei der Wohnsitzbesteuerung Probleme sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher Natur. In rechtlicher Hinsicht ist vor allem die völkerrechtliche Problematik zu nennen, da der Übergang zur Anrechnung aus deutscher Sicht eine einschneidende Zäsur zur bisherigen Praxis darstellte. Allerdings muss betont werden, dass dieses Problem beherrschbar sein sollte. Innerstaatlich ist ein Völkerrechtsbruch nicht zu beanstanden, für die Wohnsitzbesteuerung gilt dies auch EG-rechtlich. Zudem können Friktionen gemildert werden, indem DBANachverhandlungen begonnen werden und ein – anfangs unvermeidliches – Wahlrecht zur Wohnsitzbesteuerung eingeführt wird. Aus Unternehmenssicht bedeutsamer dürfte die administrative Zusatzbelastung sein, die durch die doppelte Gewinnermittlung bei ausländischen Tochtergesellschaften entsteht. Zusammen mit der regelmäßigen Hochschleusung auf das höhere deutsche Steuersatzniveau könnte das dazu führen, dass die Option ins Leere geht. Missbrauchsregeln für EU-Sachverhalte bei Nichtausüben der Option wären jedoch nur im Rahmen der EG-rechtlichen Anforderungen möglich, was die bereits aufgezeigten Probleme aufwirft. Insofern scheint eine Pflicht zur Wohnsitzbesteuerung überlegen. In diesem Fall ist zu bedenken, dass die notwendige räumliche Begrenzung der Wohnsitzbesteuerung auf die EU automatisch Raum für Steuerplanung im Verhältnis zu Drittstaaten eröffnet. Dies ist sowohl unter Geltung einer Freistellung als auch unter Geltung einer
256
(indirekten) Anrechnung für Drittstaateneinkünfte der Fall. Allerdings kann hier Missbrauch effektiver bekämpft werden, da die strengen Anforderungen des EuGH bei einer Gruppenbesteuerung nicht im Verhältnis zu Drittstaaten geltend gemacht werden können. Eine verpflichtende Wohnsitzbesteuerung ist erst dann realistisch und sinnvoll, wenn zumindest die Gewinnermittlung EU-weit harmonisiert ist. Zudem wäre es hilfreich, wenn die Nachverhandlungen bzgl. der DBA insoweit abgeschlossen wären, dass eine obligatorische Anwendung der Wohnsitzbesteuerung keine völkerrechtlichen Irritationen mehr hervorruft. Bei einem verpflichtenden Einbezug ist im Rahmen der laufenden Besteuerung kaum noch Steuerplanung möglich. Angesichts der konzernweiten Hochschleusung auf das deutsche Steuersatzniveau könnte die deutsche Muttergesellschaft bestrebt sein, der Wohnsitzbesteuerung zu entfliehen. Um der unvermeidlichen Wegzugsbesteuerung bei Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung zu entgehen, könnte ein steuerneutraler, qualifizierter Anteilstausch durchgeführt werden. Die außersteuerlichen Kosten dafür sollten nicht allzu hoch sein. Das alleinige Abstellen auf die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung als steuerauslösenden Moment und nicht auf den Anteilstausch per se ist dennoch sekundärrechtlich fraglich. Sollte eine Besteuerung nicht bei einem Anteilstausch ausgelöst werden dürfen, wäre die Wohnsitzbesteuerung leicht zu umgehen, womit ihr Nutzen und auch ihre Existenzberechtigung in Zweifel zu ziehen wären. Die Frage, ob die Wohnsitzbesteuerung dennoch genügend Attraktivität für Konzerne entfaltet, beispielsweise durch den sofortigen Verlustausgleich oder die Konsolidierung, wird – gemessen an den Kosten dieser Besteuerung, insbesondere der Hochschleusung – über den Erfolg einer solchen Gruppenbesteuerung entscheiden. Bisherige Erfahrungen in anderen Mitgliedstaaten scheinen darauf hinzudeuten, dass die Option trotz der damit verbundenen Vorteile eher nicht in Anspruch genommen wird, dass also die (steuerlichen) Nachteile durch die Konzerne höher gewichtet werden.
257
6.
Thesenförmige Zusammenfassung
1.
Im Einklang mit der h. M. der Finanzwissenschaft wird die Kapitalexportneutralität gegenüber der Kapitalimportneutralität präferiert, da sie international eine effiziente Allokation von Kapital garantiert. Dies harmoniert mit der Zielsetzung einer Begrenzung internationaler Steuerplanung. Nach Möglichkeit soll durch die Besteuerung weder ein Bedarf für internationale Steuerplanung geschaffen werden, noch sollen spezifisch internationale Möglichkeiten der Steuerplanung eröffnet werden.
2.
Laut ständiger Rechtsprechung des EuGH sind im Bereich der direkten Ertragsteuern die Grundfreiheiten des EG-Vertrags zu beachten. Im Bereich der Unternehmensbesteuerung sind vor allem die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EGV und die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV einschlägig. Während die Niederlassungsfreiheit dauerhafte Niederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat schützt, bei denen eine beherrschende Einflussnahme gegeben ist, umfasst die Kapitalverkehrsfreiheit zusätzlich Portfoliobeteiligungen und ist auch im Verhältnis zu Drittstaaten prinzipiell anwendbar.
3.
Die Grundfreiheiten garantieren die freie Wahl der Rechtsform und der Finanzierung, was aber nicht die Forderung nach einer (grenzüberschreitenden) Rechtsformneutralität und Finanzierungsneutralität beinhaltet. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH wird lediglich eine diskriminierungsfreie Behandlung der grenzüberschreitenden Transaktion im Vergleich zur entsprechenden nationalen Transaktion verlangt. Weiterhin garantiert das EGRecht die freie Wahl des Standortes und des Steuersatzes, was jedoch keine (grenzüberschreitende) Neutralität hinsichtlich des Belastungsniveaus impliziert. Der EuGH nimmt eine europäische Sichtweise ein und legitimiert im Grundsatz die unternehmerische Steuerplanung innerhalb des Binnenmarktes.
4.
Missbrauchsnormen, die pauschale Missbrauchsvermutungen wegen des Auslandsbezugs einer Transaktion formulieren, sind ohne die Möglichkeit eines Gegenbeweises durch den Steuerpflichtigen EG-rechtlich nicht zulässig. Der EuGH erkennt also die Legitimität der internationalen Steuerplanung über den Steueraufschub bei Geltung des Trennungsprinzips und die Gewinnverlagerung mittels Fremdfinanzierung bei Einhaltung des Arm’s-LengthPrinzips an. Davon zu trennen sind diejenigen Normen, die eine vorteilhafte Rechtsfolge wie die interpersonale Verlustverrechnung und die steuerneutrale Verlagerung stiller Reserven nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte ausdehnen. Laut EuGH haben Konzerne keinen EG-rechtlichen Anspruch darauf, mit Hilfe originär steuerlicher Regelungen
258
selbst zu entscheiden, wo ihre Gewinne in Form von ökonomischen Renten bzw. ihre Verluste, die in einer Jurisdiktion erwirtschaftet wurden, der Besteuerung unterliegen. 5.
Zur Rechtfertigung von Beschränkungen kommen der Kohärenz und vor allem der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis entscheidende Bedeutung zu. Aufgrund der Anforderung der Verhältnismäßigkeit macht der EuGH jedoch einen Unterschied zwischen der Verlagerung von Gewinnen und Verlusten. Während er im ersten Fall bei einer EGrechtlich zulässigen Beschränkung kein milderes Mittel erkennen kann, um die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zu wahren, will er im zweiten Fall die grenzüberschreitende Verlustverrechnung als ultima ratio sehen, damit innerhalb des Binnenmarktes ein einmaliger Verlustabzug gewährleistet ist.
6.
Im Verhältnis zu Drittstaaten ist die Einschränkung der erga omnes-Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit besonders wichtig. Sofern eine steuerliche Norm Mehrheitsbeteiligungen betrifft, wird die Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit überlagert, weshalb sich Drittstaatsangehörige im Ergebnis nicht auf die Grundfreiheiten berufen können. Damit können Gruppenbesteuerungssysteme wie die Wohnsitzbesteuerung EG-rechtlich problemlos diskriminierend gegenüber Drittstaatensachverhalten wirken.
7.
Eine wichtige Aufgabe der EG-rechtlich zulässigen, internationalen Steuerplanung besteht im Ausnutzen des internationalen Steuersatzdifferentials. Da in Deutschland das Trennungsprinzip und die Freistellung unternehmerischer Gewinne grundsätzlich akzeptiert wird, ist diese Art der Steuerplanung von deutschen Konzernen mit Hilfe einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft relativ leicht durchzuführen. Übliche Gestaltungen zur Ausnutzung des Steuersatzgefälles umfassen den Abzug von Fremdfinanzierungsaufwand oder von Verlusten in Deutschland. Erträge werden dagegen von den Aufwendungen getrennt und in Niedrigsteuerländern abschließend besteuert. Die in Deutschland generierte ökonomische Rente kann beispielsweise mittels einer Funktionsverlagerung und die Normalverzinsung mittels Fremdfinanzierung der deutschen Besteuerung entzogen werden.
8.
Als Reaktion auf die internationale Steuerplanung hat Deutschland sowohl die Steuersätze gesenkt als auch eine Abwehrgesetzgebung implementiert bzw. weiter ausgebaut. Allerdings ist ein grundlegendes Problem, nämlich die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Fremd- und Eigenkapital, nicht behoben worden. Dementsprechend kann Deutschland einem steuerlichen Anreiz bei der Allokation von Eigen- und Fremdkapital nicht direkt vorbeugen, was auch für die Allokation von Ertragsquellen im Konzern gilt. Ist die Allokation von Ertragsquellen im Mitgliedstaat Deutschland bereits erfolgt, ist der inländische
259
Besteuerungsanspruch derzeit gesichert. Ebenso wenig können ausländische Verluste direkt von der deutschen Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Die Bekämpfung übermäßigen Zinsabzugs wurde mit der Zinsschranke gegenüber früheren Regelungen wesentlich erweitert, wenn auch unklar bleibt, ob tatsächlich die anvisierten internationalen Konzerne getroffen werden. Bei der Hinzurechnungsbesteuerung hingegen wurde der Anwendungsbereich eingeschränkt, was aller Voraussicht nach zu mehr Steuerplanung seitens der Unternehmen führen sollte. 9.
Beide Änderungen stehen beispielhaft für den bedeutsamen Einfluss des EG-Rechts auf die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten. Bei Auslandsverlusten und stillen Reserven sind ebenfalls EG-rechtliche Anpassungen notwendig, was zur Folge haben könnte, dass das deutsche Steuerrecht planungsanfälliger wird. Alternativ könnte eine wesentlich komplexere und verzerrende Regelung resultieren, bei der der eigentliche Regelungszweck, die Bekämpfung der internationalen Steuerplanung, entweder nicht gesichert ist oder auf unverhältnismäßige Weise erreicht wird. Analysiert man die EuGHRechtsprechung in wichtigen Bereichen wie Steueraufschub, Zinsabzug, Verlustverrechnung und stille Reserven wird deutlich, dass dem Gesetzgeber unter Beachtung des Diskriminierungsverbots im Ergebnis zwei grundlegende Optionen offen stehen.
10.
Die erste Option, die Ausweitung einer Regelung auf das Inland, führt zu einer zunehmenden steuerlichen Verzerrung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen, was im Ergebnis den systematischen Brüchen in der Besteuerung geschuldet ist. Versucht der Gesetzgeber dieses Problem über Privilegierungen nationaler Sachverhalte – regelmäßig mittels der Organschaft – zu mildern, setzt sich Deutschland erneut dem Vorwurf einer versteckten Diskriminierung grenzüberschreitender Fälle aus. Eine solche Lösung stellt sowohl aus rechtlichen als auch aus ökonomischen Gründen keine ratsame Alternative dar.
11.
Die zweite Option, die Ausweitung einer Regelung auf das Ausland, ist demgegenüber im Grundsatz zu begrüßen. Damit wird nicht nur relativ zweifelsfrei EG-Rechtskonformität hergestellt, sondern auch die steuerliche Verzerrung von Investitions- und Finanzierungsentscheidungen im grenzüberschreitenden Kontext gemildert bzw. eliminiert. Damit ist zugleich die internationale Steuerplanung zu einem größeren Ausmaß als bisher zu Lasten Deutschlands möglich. Da der EuGH bei Missbrauchsvorschriften (Hinzurechnungsbesteuerung, Begrenzung des Zinsabzugs) seine relativ strikte Rechtsprechung beibehalten hat, muss ein Mitgliedstaat die Gewinnverlagerung in Höhe der Marktverzinsung ebenso akzeptieren wie den Steueraufschub mit Hilfe ausländischer Kapitalgesellschaften. Aller-
260
dings sind ein Verlustverkehr und eine Verlagerung der stillen Reserven nicht so einfach möglich. Der EuGH hat in diesen Bereichen Beschränkungen (partiell) zugelassen und somit die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht gestärkt. Deshalb könnten die Mitgliedstaaten in Zukunft die zweite Option der durchweg abzulehnenden ersten Option vorziehen. 12.
Das grundsätzliche Dilemma des nationalen Gesetzgebers bleibt dennoch bestehen, wenn er auf die Urteile des EuGH fallbezogen reagiert. Aus deutscher Sicht hat es der Steuerpflichtige immer noch in der Hand, mittels der Allokation von Fremdkapital und Eigenkapital die Zuordnung des Steueraufkommens zwischen den Mitgliedstaaten mitzubestimmen. Zusammen mit dem Trennungsprinzip und der vorherrschenden Freistellungsmethode bleibt Deutschland mit seinem jetzigen Steuersatzniveau anfällig für internationale Steuerplanung. Zudem zeigt die 2008 erfolgte Senkung der deutschen Sätze, dass auch andere Mitgliedstaaten reagieren, was den positiven Effekt einer Steuersatzsenkung hinsichtlich der Planungsanreize insoweit wieder abschwächt.
13.
Eine umfassende Lösung sollte deshalb idealerweise die internationale Steuerplanung eindämmen und den Anforderungen der EuGH-Rechtsprechung gerecht werden, ohne dabei Rechtsform- und Finanzierungsentscheidungen im Inland zumindest nicht mehr als bisher steuerlich zu verzerren. Aus den Grundfreiheiten kann kein vorzugswürdiges Steuersystem abgeleitet werden, weshalb der Gesetzgeber den Umfang der Besteuerungshoheit selbst festlegen kann, sofern nur die EG-rechtlichen Diskriminierungsverbote beachtet werden. In dieser Arbeit wird der Kapitalexportneutralität der Vorzug gegeben, woraus der Vorschlag einer Wohnsitzbesteuerung abgeleitet wird. Diese umfassende Lösung ist zugleich eine konsequente Umsetzung diverser Einzelfall-Lösungen in bestimmten Bereichen, wie z. B. der Verlustverrechnung oder der steuerlichen Behandlung von Fremdkapital.
14.
Für eine kapitalexportneutrale Wohnsitzbesteuerung sind die transparente Besteuerung von Kapitalgesellschaften und eine effektive Anrechnung der ausländischen Steuern zwingend. Deshalb muss die Gewerbesteuer in den Anrechnungsmechanismus einbezogen werden. Ebenso sollten verbleibende Anrechnungsüberhänge über eine großzügige Ausgestaltung des Anrechnungsmechanismus nach Möglichkeit eliminiert werden. In diesem Fall hat die internationale Steuerplanung auf der Basis des Trennungsprinzips und der Freistellung keinen Erfolg mehr. Gleichzeitig setzt die systematische Hinzurechnung von Gewinnen und Verlusten das Nettoprinzip im Konzernkreis konsequent um und ermöglicht eine sachgerechte Einmalbesteuerung. Damit sinkt der Bedarf für Steuerplanung und dementsprechend sollten die Steuerplanungskosten und Wohlfahrtsverluste sinken. Aufgrund des Fokus die-
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ser Arbeit wurden nur Kapitalgesellschaften betrachtet, weshalb insbesondere InboundInvestitionen und natürliche Personen als Anteilseigner von dieser Lösung nicht erfasst werden. Für Letztere stellt jedoch eine Wohnsitzbesteuerung im Falle von Mehrheitsbeteiligungen im Grundsatz ebenfalls kein Problem dar. 15.
Die Wohnsitzbesteuerung als konsistent ausgestaltetes, kapitalexportneutrales Besteuerungssystem ist mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie sowohl einen diskriminierungsfreien Zugang als auch eine diskriminierungsfreie Anwendung gewährleistet. Die zentralen Urteile des EuGH zur Hinzurechnungsbesteuerung, zum Zinsabzug und zur Verlustverrechnung werden erfüllt. Auf Basis der neueren Rechtsprechung – insbesondere Oy AA – sollte es zudem gelingen, eine Wegzugsbesteuerung zu formulieren, die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätzen standhält. Die konsequente Umsetzung des Nettoprinzips ist im Übrigen auch verfassungsrechtlich zu begrüßen.
16.
Völkerrechtliche Probleme bei der Umsetzung einer Wohnsitzbesteuerung sollten wie gezeigt nicht überschätzt werden. Die doppelte Gewinnermittlung für ausländische Tochtergesellschaften hingegen verursacht erhebliche Kosten, die zusammen mit der Hochschleusung auf das höhere deutsche Steuersatzniveau aus Konzernsicht nachteilig sind. Wird deshalb die Option zur Wohnsitzbesteuerung nicht ausgeübt, resultiert erneut die Problematik der Steuerplanung bei EU-Sachverhalten. Die notwendige räumliche Begrenzung der Wohnsitzbesteuerung auf die EU ist unter diesem Gesichtspunkt weniger problematisch, da im Verhältnis zu Drittstaaten Steuerplanung effektiver bekämpft werden kann.
17.
Eine obligatorische Wohnsitzbesteuerung ist sicherlich erst dann realistisch, wenn zumindest die Gewinnermittlung EU-weit harmonisiert worden ist. Angesichts der konzernweiten Hochschleusung auf das deutsche Steuersatzniveau wird ein deutscher Konzern dann wohl regelmäßig bestrebt sein, der Wohnsitzbesteuerung zu entfliehen. Wird eine solche Sitzverlegung mit Hilfe eines qualifizierten Anteilstauschs durchgeführt, ist es neben der primärrechtlichen Frage einer allgemeinen Zulässigkeit einer Wegzugsbesteuerung sekundärrechtlich fraglich, ob eine Abschlussbesteuerung bei Anteilstausch zulässig ist.
18.
Aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips im Bereich der direkten Steuern wird eine Einigung auf eine gemeinsame Bemessungsgrundlage nur schwer zu erzielen sein. Beim Scheitern der Harmonisierungsbemühungen für eine europaweite Bemessungsgrundlage könnte Deutschland die Wohnsitzbesteuerung unilateral, allerdings optional, einführen, wie es zuvor bereits Dänemark und Italien gemacht haben. Der Erfolg einer optionalen Gruppenbesteuerung hängt dann von ihrer Attraktivität ab, die die deutschen Konzerne anhand einer
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Abwägung der Vorteile mit den Nachteilen beurteilen werden. Die Erfahrungen in den Mitgliedstaaten Dänemark bzw. Italien, deren Steuersatz relativ nahe beim deutschen Niveau liegt (25% bzw. 31,4%), scheinen nahe zu legen, dass die Konzerne die (steuerlichen) Nachteile höher einschätzen als die (steuerlichen) Vorteile.
263
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http://www.opsi.gov.uk/acts/acts2006/pdf/ukpga_20060025_en.pdf,
Zugriffsdatum:
15.03.2009. Mason, Ruth (Tax Discrimination, 2007): Flunking the ECJ’s Tax Discrimination Test, Columbia Journal of Transnational Law, Juli 2007, in: www.ssrn.com, Zugriffsdatum: 15.03.2009. OECD (Harmful Tax Competition, 1998): Harmful Tax Competition. An Emerging Global Issue, Paris 1998, in: http://www.oecd.org/dataoecd/33/1/1904184.pdf, Zugriffsdatum: 15.03.2009. Schreiber, Ulrich/Führich, Gregor (Group Taxation, 2007): European Group Taxation – Formula Apportionment versus Current Inclusion, Discussion Paper, Februar 2007, in: www.ssrn.com, Zugriffsdatum: 15.03.2009.
310
C. Gesetzesmaterialien
1. Primäres Gemeinschaftsrecht: Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957, geändert durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 7. Februar 1992, in: Abl. EG C224, 1992, S. 6-130, zuletzt geändert durch Beitrittsvertrag vom 25. April 2005, in: Abl. EU L157, 2005, S. 11-27.
2. Sekundäres Gemeinschaftsrecht: Richtlinie des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie der Abschöpfungen, Zölle und der Mehrwertsteuer (76/308/EWG), in: Abl. EG L73, 1976, S. 18-23, zuletzt geändert durch Richtlinie des Rates vom 15. Juni 2001 (2001/44/EG), in: Abl. EG L175, 2001, S. 17-20. Richtlinie des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (77/799/EWG), in: Abl. EG L336, 1977, S. 15-20, zuletzt geändert durch Richtlinie des Rates vom 16. November 2004 (2004/106/EG), in: Abl. EG L359, 2004, S. 30-31. Richtlinie des Rates vom 9. Oktober 1978 gemäß Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften (78/855/EWG), in: Abl. EG L295, 1978, S. 36-43, zuletzt geändert durch Richtlinie des Rates vom 20. November 2006 (2006/99/EG), in: Abl. EU L363, 2006, S. 137-140. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 11. September 1984 zur Harmonisierung der steuerlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zur Übertragung von Unternehmensverlusten (84/404), in: Abl. EG C253, 1984, S. 5-6, zuletzt geändert durch Vorschlag einer Richtlinie des Rates vom 25. Juni 1985 (85/319), in: Abl. EG C170, 1985, S. 3. Richtlinie des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (88/361/EWG), in: Abl. EG L178, 1988, S. 5-18.
311
Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (90/435/EWG), in: Abl. EG L225, 1990, S. 6-9, zuletzt geändert durch Richtlinie des Rates vom 20. November 2006 (2006/98/EG), in: Abl. EG L363, 2006, S. 129-136. Richtlinie des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensanteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen (90/434/EWG), in: Abl. EG L225, 1990, S. 1-5, zuletzt geändert durch Richtlinie des Rates vom 20. November 2006 (2006/98/EG), in: Abl. EG L363, 2006, S. 129-136. Vorschlag für eine Richtlinie des Rates vom 6. Dezember 1990 über eine Regelung für Unternehmen zur Berücksichtigung der Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten belegenen Betriebsstätten und Tochtergesellschaften (90/595), in: Abl. EG C53, 1991, S. 30-34. Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1. Dezember 1997 über einen Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung, in: Abl. EG C2, 1998, S. 2-5. Richtlinie des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (2003/49/EG), in: Abl. EG L157, 2003, S. 49-54, zuletzt geändert durch Richtlinie des Rates vom 20. November 2006 (2006/98/EG), in: Abl. EG L363, 2006, S. 129-136. Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten (2005/56/EG), in: Abl. EU L310, 2005, S. 1-9. Verordnung des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (2001/2157/EG), in: Abl. EG L294, 2001, S. 1-21, zuletzt geändert durch Verordnung des Rates vom 20. November 2006 (2006/1791/EG), in: Abl. EU L363, 2006, S. 1-80. Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (1606/2002/EG), in: Abl. EG L243, 2002, S. 1-4.
312
3. Bilaterale und Multilaterale Abkommen Abkommen vom 2. Mai 1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum, in: Abl. EG L1, 1994, S. 3-36. Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, in: Abl. EG L114, 2002, S. 6-63. OECD-Musterabkommen 2003 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA 2003), Stand: Januar 2003.
4. Verfassung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. August 2006, in: BGBl. I 2006, S. 2034.
5. Steuergesetze und Materialien zu Steuergesetzen Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1997 (EStG 1997), in: BGBl. I 1997, S. 821. Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 2002, in: BGBl. I 2002, S. 4210, zuletzt geändert durch § 62 Abs. 15 des Gesetzes vom 17. Juni 2008, in: BGBl. I 2008, S. 1010. Körperschaftsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1999 (KStG 1999), in: BGBl. I 1999, S. 817, zuletzt geändert durch Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen vom 14. Juli 2000, in: BGBl. I 2000, S. 1034. Körperschaftsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (KStG 2002), in: BGBl. I 2002, S. 4144, geändert durch Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003, in: BGBl. I 2003, S. 2840. Körperschaftsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002, in: BGBl. I 2002, S. 4144, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007, in: BGBl. I 2007, S. 3150.
313
Gewerbesteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002, in: BGBl. I 2002, S. 4167, zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007, in: BGBl. I 2007, S. 3150. Außensteuergesetz vom 8. September 1972, in: BGBl. I 1972, S. 1713, zuletzt geändert durch Artikel 24 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007, in: BGBl. I 2007, S. 3150. Umwandlungssteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (UmwStG 2002), in: BGBl. I 2002, S. 4133, geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 16. Mai 2003, in: BGBl. I 2003, S. 660. Umwandlungssteuergesetz vom 7. Dezember 2006, in: BGBl. I 2006, S. 2782/2791, zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007, in: BGBl. I 2007, S. 3150. Bewertungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Februar 1991, in: BGBl. I 1991, S. 230, zuletzt geändert durch Artikel 21 des Gesetzes vom 20. Dezember 2007, in: BGBl. I 2007, S. 3150. Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (AO 1977), in: BGBl. I 2002, S. 3866, zuletzt geändert durch Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12. 2003, in: BGBl. I 2003, S. 3022. Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002, in: BGBl. I 2002, S. 3866, zuletzt geändert durch Artikel 7a des Gesetzes vom 13. August 2008, in: BGBl. I 2008, S. 1690. Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft vom 18. August 1969, in: BGBl. I 1969, S. 1211/1214), zuletzt geändert durch Artikel 136 der Verordnung vom 31. Oktober 2006, in: BGBl. I 2006, S. 2407. Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG 1999/2000/2002), in: BT-Drucksache 14/23 vom 09. November 1998, S. 1-204. Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (StBereinG 1999), in: BT-Drucksache 14/1514 vom 27. August 1999, S. 1-52. Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (StBereinG 1999), in: BT-Drucksache 14/2070 vom 11. November 1999, S. 1-40.
314
Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG), in: BTDrucksache 16/2710 vom 25. September 2006, S. 1-62. Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, in: BT-Drucksache 16/4841 vom 27. März 2007, S. 1-91.
315
D. Entscheidungen oberster Gerichte
1. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes: Datum
Az.
Rechtssache
Fundort
Seiten
16.12.1960
6/60
Humblet
Slg. 1960
1163-1230.
15.07.1964
6/64
Costa gegen E.N.E.L.
Slg. 1964
1251-1306.
13.07.1966
32/65
Italien/Kommission
Slg. 1966
458-508.
17.12.1970
11/70
Internationale Handelsgesellschaft
Slg. 1970
1125-1160.
24.10.1973
9/73
Schlüter/Hauptzollamt Lörrach
Slg. 1973
1135-1173.
24.10.1973
10/73
Rewe/Hauptzollamt Kehl
Slg. 1973
1175-1196.
12.02.1974
152/73
Sotgiu
Slg. 1974
153-175.
21.06.1974
2/74
Reyners
Slg. 1974
631-670.
11.07.1974
8/74
Dassonville
Slg. 1974
837-866.
25.10.1977
26/76
Metro/Kommission
Slg. 1977
1875-1933.
09.03.1978
106/77
Simmenthal
Slg. 1978
629-658.
20.02.1979
120/78
Cassis de Dijon
Slg. 1979
649-675.
09.12.1981
193/80
Kommission/Italien
Slg. 1981
3019-3044.
05.05.1982
15/81
Gaston Schul
Slg. 1982
1409-1447.
06.10.1982
283/81
CILFIT
Slg. 1982
3415-3442.
28.01.1986
270/83
Avoir fiscal
Slg. 1986
273-308.
27.09.1988
81/87
Daily Mail
Slg. 1988
5483-5514.
22.06.1989
103/88
Fratelli Costanzo
Slg. 1989
1839-1872.
08.05.1990
C-175/88
Biehl
Slg. I-1990
1779-1795.
28.01.1992
C-204/90
Bachmann
Slg. I-1992
249-286.
28.01.1992
C-300/90
Kommission/Belgien
Slg. I-1992
305-322.
26.01.1993
C-112/91
Werner
Slg. I-1993
429-472.
31.03.1993
C-19/92
Kraus
Slg. I-1993
1663-1700.
Schumacker
14.02.1995
C-279/93
Slg. I-1995
225-268.
23.02.1995
C-358/93 Bordessa und C-416/93
Slg. I-1995
361-389.
11.08.1995
C-80/94
Wielockx
Slg. I-1995
2493-2519.
26.10.1995
C-151/94
Kommission/Luxemburg
Slg. I-1995
3685-3708.
316
14.11.1995
C-484/93
Svensson/Gustavsson
Slg. I-1995
30.11.1995
C-55/94
Gebhard
Slg. I-1995
4165-4201.
14.12.1995
C-163/94, Sanz de Lera C-165/94 und C-250/94
Slg. I-1995
4821-4844.
27.06.1996
C-107/94
Slg. I-1996
3089-3132.
Asscher
3955-3979.
15.05.1997
C-250/95
Futura
Slg. I-1997
2471-2506.
17.07.1997
C-28/95
Leur-Bloem
Slg. I-1997
4161-4208.
12.05.1998
C-336/96
Gilly
Slg. I-1998
2793-2842.
16.07.1998
C-264/96
ICI
Slg. I-1998
4695-4727.
15.09.1998
C-231/96
Edis
Slg. I-1998
4951-4996.
04.03.1999
C-87/97
Gorgonzola/Cambozola
Slg. I-1999
1301-1339.
09.03.1999
C-212/97
Centros
Slg. I-1999
1459-1498.
29.04.1999
C-311/97
Royal Bank of Scotland
Slg. I-1999
2651-2677.
14.09.1999
C-391/97
Gschwind
Slg. I-1999
5451-5492.
21.09.1999
C-307/97
Saint-Gobain
Slg. I-1999
6161-6206.
14.10.1999
C-439/97
Sandoz
Slg. I-1999
7041-7080.
26.10.1999
C-294/97
Eurowings
Slg. I-1999
7447-7478.
28.10.1999
C-55/98
Vestergaard
Slg. I-1999
7641-7669.
13.04.2000
C-251/98
Baars
Slg. I-2000
2787-2822.
06.06.2000
C-35/98
Verkooijen
Slg. I-2000
4071-4137.
08.06.2000
C-375/98
Epson Europe
Slg. I-2000
4243-4277.
14.12.2000
C-141/99
Amid
Slg. I-2000
11619-11645.
08.03.2001
C-397/98 Metallgesellschaft und C-410/98
Slg. I-2001
1727-1794.
04.10.2001
C-294/99
Athinaïki Zythopoiia AE
Slg. I-2001
6797-6830.
23.02.2002
C-234/99
Nygard
Slg. I-2002
3657-3702.
05.11.2002
C-280/00
Überseering
Slg. I-2002
9919-9976.
21.11.2002
C-436/00
X und Y
Slg. I-2002
10829-10874.
12.12.2002
C-324/00
Lankhorst-Hohorst
Slg. I-2002
11779-11817.
12.12.2002
C-385/00
de Groot
Slg. I-2002
11819-11875.
12.06.2003
C-234/01
Gerritse
Slg. I-2003
5933-5963.
18.09.2003
C-168/01
Bosal
Slg. I-2003
9409-9447.
23.09.2003
C-452/01
Ospelt
Slg. I-2003
9743-9808.
30.09.2003
C-167/01
Inspire Art
Slg. I-2003
10155-10238.
317
11.12.2003
C-364/01
Barbier
Slg. I-2003
15013-15058.
11.03.2004
C-9/02
de Lasteyrie du Saillant
Slg. I-2004
2409-2460.
15.07.2004
C-315/02
Lenz
Slg. I-2004
7063-7100.
15.07.2004
C-242/03
Weidert und Paulus
Slg. I-2004
7359-7403.
07.09.2004
C-319/02
Manninen
Slg. I-2004
7477-7515.
05.07.2005
C-376/03
D
Slg. I-2005
5821-5872.
12.07.2005
C-403/03
Schempp
Slg. I-2005
6421-6450.
13.12.2005
C-411/03
Sevic Systems AG
Slg. I-2005
10805-10836.
13.12.2005
C-446/03
Marks & Spencer
Slg. I-2005
10837-10886.
21.02.2006
C-152/03
Ritter-Coulais
Slg. I-2006
1711-1750.
23.02.2006
C-253/03
CLT-UFA
Slg. I-2006
1831-1874.
23.02.2006
C-513/03
Hilten van der Heijden
Slg. I-2006
1957-2000.
23.02.2006
C-471/04
Keller Holding (nur Urteil)
Slg. I-2006
2107-2128.
02.05.2006
C-341/04
Eurofood
Slg. I-2006
3813-3880.
07.09.2006
C-470/04
N
Slg. I-2006
7409-7470.
12.09.2006
C-196/04
Cadbury Schweppes
Slg. I-2006
7995-8054.
14.09.2006
C-386/04
Stauffer
Slg. I-2006
8203-8256.
03.10.2006
C-290/04
Scorpio
Slg. I-2006
9461-9520.
03.10.2006
C-452/04
Fidium Finanz
Slg. I-2006
9521-9582.
09.11.2006
C-520/04
Turpeinen
Slg. I-2006
10685-10716.
14.11.2006
C-513/04
Kerckhaert Morres
Slg. I-2006
10967-10990.
12.12.2006
C-374/04
Test Claimants in Class IV Slg. I-2006 of the ACT Group Litigation
11673-11886.
12.12.2006
C-446/04
Test Claimants in the FII Group Litigation
Slg. I-2006
11753-11886.
14.12.2006
C-170/05
Denkavit
Slg. I-2006
11949-11986.
15.02.2007
C-345/04
Centro Equestre
Slg. I-2007
1425-1454.
06.03.2007
C-292/04
Meilicke
Slg. I-2007
1835-1890.
13.03.2007
C-524/04
Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation
Slg. I-2007
2107-2212.
29.03.2007
C-347/04
Rewe Zentralfinanz
Slg. I-2007
2647-2695.
10.05.2007
C-492/04
Lasertec (Beschluss)
Slg. I-2007
3775 ff.
10.05.2007
C-102/05
A und B (Beschluss)
Slg. I-2007
3871 ff.
24.05.2007
C-157/05
Holböck
Slg. I-2007
4051 ff.
18.07.2007
C-231/05
Oy AA
Slg. I-2007
6373 ff.
318
06.11.2007
C-415/06
Stahlwerk Ergste Wertig (Beschluss)
Slg. I-2007
151*.
08.11.2007
C-379/05
Amurta
Slg. I-2007
9569 ff.
06.12.2007
C-298/05
Columbus Container
Slg. I-2007
10451 ff.
18.12.2007
C-101/05
A
Slg. I-2007
11531 ff.
17.01.2008
C-256/06
Jäger
Slg. I-2008
123 ff.
17.01.2008
C-105/07
Lammers & Van Cleef
Slg. I-2008
173 ff.
28.02.2008
C-293/06
Deutsche Shell
Slg. I-2008
1129 ff..
23.04.2008
C-201/05
Test Claimants in the CFC http://curia.europa.eu. and Dividend Group Litigation
15.05.2008
C-414/06
Lidl Belgium
20.05.2008
C-194/06
Orange European Smallcap http://curia.europa.eu.
26.06.2008
C-284/06
Burda
http://curia.europa.eu.
23.10.2008
C-157/07
Krankenheim Ruhesitz GmbH
http://curia.europa.eu.
16.12.2008
C-210/06
Cartesio
http://curia.europa.eu.
12.02.2009
C-138/07
Cobelfret
http://curia.europa.eu.
http://curia.europa.eu.
Schlussanträge der Generalanwälte am Europäischen Gerichtshof: Generalanwalt Datum
Az.
Rechtssache
Fundort
Seiten
Mischo
26.09.2002 C-324/00 Lankhorst-Hohorst Slg. I-2002 11779-11817.
Kokott
18.03.2004 C-319/02 Manninen
Slg. I-2004 7477-7515.
Maduro
07.04.2005 C-446/03 Marks & Spencer
Slg. I-2005 10837-10886.
Geelhoed
23.02.2006 C-374/04 Test Claimants in Slg. I-2006 11673-11886. Class IV of the ACT Group Litigation
Kokott
30.03.2006 C-470/04 N
Leger
02.05.2006 C-196/04 Cadbury Schweppes Slg. I-2006 7995-8054.
Geelhoed
29.06.2006 C-524/04 Test Claimants in Slg. I-2007 2107-2212. the Thin Cap Group Litigation
Slg. I-2006 7409-7470.
Sharpston
14.02.2008 C-414/06 Lidl Belgium
http://curia.europa.eu.
Maduro
22.05.2008 C-210/06 Cartesio
http://curia.europa.eu.
Kokott
04.09.2008 C-418/07 Papillon
http://curia.europa.eu.
319
2. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Datum
Aktenzeichen
Fundort
Seiten
14.04.1959
1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57
BVerfGE 9
237-250.
29.05.1974
2 BvL 52/71 (Solange I)
BVerfGE 37 271-305.
22.02.1984
1 BvL 10/80
BVerfGE 66 214-226.
22.10.1986
2 BvR 197/83 (Solange II)
BVerfGE 73 339-388.
08.04.1987
2 BvR 687/85
BVerfGE 75 223-246.
09.11.1987
2 BvR 808/82
EuGRZ 1988 109-113.
27.06.1991
2 BvR 1493/89
BVerfGE 84 239-285.
12.10.1993
2 BvR 2134, 2159/92 (Maastricht)
BVerfGE 89 155-213.
11.11.1998
2 BvL 10/95
BVerfGE 99 280-300.
04.12.2002
2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00
BVerfGE 107 27-58.
09.03.2004
2 BvL 17/02
BVerfGE 110 94-141.
18.07.2005
2 BvR 2236/04
BVerfGE 113 273-348.
21.06.2006
2 BvL 2/99
BVerfGE 116 164-202.
Anhängige Rechtssachen vor dem Bundesverfassungsgericht: Gericht
Datum
Az. BVerfG
Fundort
Seiten
BFH (XI R 26/04)
31.10.2006
2 BVL 59/06
BFH/NV 2006
2351-2359.
3. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs: Datum
Aktenzeichen/Rechtssache
Fundort
Seiten
17.07.1952 14.10.1964
V 17/52 S
BStBl. III 1952
234-237.
II 175/61 U
BStBl. III 1964
667-669.
11.03.1970
I B 50/68, I B 3/69
BStBl. II 1970
569-572.
25.05.1970
I R 109/68
BStBl. II 1970
660-662.
25.05.1970
I R 146/68
BStBl. II 1970
755-757.
29.01.1975
I R 135/70
BStBl. II 1975
553-556.
29.07.1976
VIII R 142/73
BStBl. II 1977
263-265.
09.12.1980
VIII R 11/77
BStBl. II 1981
339-343.
29.11.1982
GrS 1/81
BStBl. II 1983
272-277.
05.03.1986
I R 201/82
BStBl. II 1986
496-499.
20.08.1986
I R 150/82
BStBl. II 1987
455-459.
26.10.1987
GrS 2/86
BStBl. II 1988
348-357.
320
02.03.1989
IV R 128/86
BStBl. II 1989
543-544.
08.03.1989
X R 181/87
BStBl. II 1989
541-543.
21.09.1989
V R 32/88
BFH/NV 1990
688.
23.01.1991
I R 22/90
BStBl. II 1991
554-555.
05.02.1992
I R 127/90
BStBl. II 1992
532-537.
25.10.1995
I R 76/93
BFH/NV 1996
504-505.
27.03.1996
I R 60/95
BFH/NV 1996
323-324.
24.04.1997
VIII R 23/93
BStBl. II 1999
342-344.
20.05.1997
VIII B 108/96
BFHE 183
174-187.
03.07.1997
IV R 58/95
BFH/NV 1998
400-403.
15.10.1997
I R 76/95
BFH/NV 1998
434-436.
08.12.1997
GrS 1-2/95
BStBl. II 1998
193-200.
17.12.1997
I B 96/97
BFH/NV 1998
901-903.
19.03.1998
IV R 110/94
BStBl. II 1998
513-515.
19.08.1999
I R 77/96
BFH/NV 2000
112-114.
15.12.1999
I R 29/97
BStBl. II 2000
527-533.
19.01.2000
I R 94/97
BStBl. II 2001
222-226.
29.11.2000
I R 85/99
BFH/NV 2001
833-834.
21.06.2001
I B 141/00
BFH/NV 2001
1169-1170.
18.07.2001
I R 48/97
BFH/NV 2001
1636-1638.
17.10.2001
I R 97/00
BFH/NV 2002
240-242.
17.10.2001
I R 103/00
BFH/NV 2002
134-140.
19.12.2001
I R 63/00
BStBl. II 2003
302-306.
20.03.2002
I R 38/00
BStBl. II 2002
819-823.
20.03.2002
I R 63/99
BStBl. II 2003
50-54.
15.05.2002
I R 53/00
BStBl. II 2003
327-329.
25.02.2004
I R 42/02
BStBl. II 2005
14-19.
07.12.2004
VIII R 70/02
BFH/NV 2005
760-764.
24.03.2005
XI B 115/04
BFH/NV 2005
1297-1298.
31.05.2005
I R 74, 88/04
BFH/NV 2005
1902-1905.
21.09.2005
II R 56/03
BStBl. II 2005
875-880.
21.12.2005
I R 4/05
BFH/NV 2006
1386-1388.
13.06.2006
I R 78/04
BFH/NV 2007
622-624.
28.06.2006
I R 84/04 (Vorlagebeschluss)
BStBl. II 2006
861-864.
321
09.08.2006
I R 31/01
BFH/NV 2007
158-161.
09.08.2006
I R 50/05
BFH/NV 2007
624-626.
22.08.2006
I R 116/04 (Vorlagebeschluss)
BStBl. II 2006
864-866.
06.09.2006
XI R 26/04 (Vorlagebeschluss)
BStBl. II 2007
167-177.
23.11.2006
V R 67/05
BFH/NV 2007
630-634.
29.11.2006
I R 45/05 (Vorlagebeschluss)
BFH/NV 2007
1025-1029.
11.05.2007
V S 6/07
BFH/NV 2007
1590-1591.
29.11.2007
I B 181/07
BFH/NV 2008
294-296.
29.01.2008
I R 26/06
BFH/NV 2008
1044-1046.
29.01.2008
I R 85/06
BFH/NV 2008
1047-1049.
17.07.2008
I R 84/04
http://www.bundesfinanzhof.de.
4. Entscheidungen des Reichsfinanzhofs: Datum
Aktenzeichen/Rechtssache
Fundort
Seiten
11.11.1927
I A 75/27
RFHE 22
183-191.
23.02.1934
V A 480/33
RFHE 36
39-43.
26.06.1935
VI A 414/35
RStBl. 1935
1358-1359.
5. Entscheidungen des Bundesgerichtshofes: Datum
Aktenzeichen
Fundort
Seiten
19.09.2005
II ZR 372/03
BGHReport 2005
1588-1589.
19.01.2006
I ZR 151/02
BGHReport 2006
671-672.
6. Entscheidungen anderer Gerichte: Datum
Fundort
Seiten
EFTA-Gerichtshof 23.11.2004 E-1/04 (Fokus Bank)
Aktenzeichen
IStR 2005
55-59.
FG Düsseldorf 19.02.2008 17 K 894/05 E
EFG 2008
1006-1009.
Österreichischer VwGH 25.09.2001 99/14/0217 E
IStR 2001
754-755.
Preußisches OVG 31.05.1902 VI G 38/01
OVGSt 10
391-394.
EuLR 2003
46-84.
Special Commissioners 26.11.2002 SpC 352, Marks and Spencer plc v Halsey (HM Inspector of Taxes)
322
E. Verwaltungsanweisungen
1. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen Datum
Aktenzeichen
Fundort
Seiten
23.02.1983
IV C 5 – S 1341 – 4/83
BStBl. I 1983
218-233.
24.12.1999
IV B 4 – S 1300 – 111/99
BStBl. I 1999
1076-1120.
28.04.2003
IV A 2 – S 2750a – 07/03
BStBl. I 2003
292-299.
26.08.2003
IV A 2 – S 2770 – 18/03
BStBl. I 2003
437-441.
14.05.2004
IV B 4 – S 1340 – 11/04
BStBl. I 2004 Sondernummer 1
3-67.
15.07.2004
IV A 2 – S 2742a – 20/04
BStBl. I 2004
593-603.
12.04.2005
IV B 4 – S 1341 – 1/05
BStBl. I 2005
570-599.
11.01.2006
IV B 5 – S 1301 – 1/06
BStBl. I 2006
85-91.
25.01.2006
IV B 1 – S 1320 – 11/06
BStBl. I 2006
26-70.
08.01.2007
IV B 4 – S 1351 – 1/07
BStBl. I 2007
99-100.
04.07.2008
IV C 7 – S 2742-a/07/10001
BStBl. I 2008
718-729.
04.07.2008
IV C 7 – S 2745-a/08/10001
BStBl. I 2008
736-740.
30.07.2008
IV B 5 – S 2118-a/07/10014
BStBl. I 2008
810-811.
2. Erlasse und Verordnungen des Bundesministeriums der Finanzen Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 04. Juli 2008 zu Anwendungsfragen zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen nach § 8 Nr. 1 GewStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007, in: BStBl. I 2008, S. 730-735. Verordnung vom 12. August 2008 zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nach § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes in Fällen grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen (Funktionsverlagerungsverordnung – FVerlV), in: BGBl. I 2008, S. 1680-1683.
3. Steuerrichtlinien Gewerbesteuer-Richtlinien 1998 (GewStR): Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Gewerbesteuerrechts vom 21. Dezember 1998, in: BStBl. I 1998, Sondernummer 2, S. 91143.