Percy Ernst Schramm
KAISER KONIGE UND PAPSTE Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des Mittelalters Band 11
Anton Hiersemarm Stuttgart 1968
Percy Ernst Schramm
BEITRAGE ZUR ALLGEMEINEN GESCHICHTE Zweiter Teil Vom Tode Karls des Großen (8I4) bis zum Anfang des IO. Jahrhunderts
Anton Hiersemann Stuttgart 1968
Mit
22
Abbildungen auf
12
Tafeln
© 1968 Anton Hiersemann, Stuttgart Alle Rechte, insbesondere des Nachdrucks und der Übersetzung, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus auf photomechanischem oder sonstigem Wege (Photokopie, Xerographie, Mikrofilm u. a.) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Erich Spandel, Nürnberg Schrift: Garamond-Antiqua 9/12 und 8/IO Punkt, Monotype Klischees: Kunstanstalt Carl Ruck, Stuttgart Einband: C. H. Schwabe, Stuttgart Umschlagdrude Gottlieb Holoch, Stuttgart Einband und Umschlag nach Entwurf von Kurt Weidemann, Stuttgart
Für WrLHELM BERGES und REINHARD ELZE Professoren der Geschichte in Berlin einst meine Schüler, jetzt meine Freunde, zugleich ein Bekenntnis zu der Stadt, in der sie wirken
Vorwort Da das Erforderliche bereits zu Anfang des Bandes I angeführt worden ist, brauche ich hier nur zu vermerken, daß auch der Band II bisher unveröffentlichte Abschnitte enthält und bei den bereits veröffentlichten die inzwischen erschienene Literatur eingearbeitet wurde: sie gab Anlaß einerseits zu Ergänzungen und Berichtigungen, andererseits zu Einwänden gegen Thesen, die inzwischen vorgebracht wurden. Bei den Korrekturen unterstützten mich wiederum mein Sohn Prof. Dr. phil. GoTTFRIED ScHRAMM, cand. phil. Lurz TRIPPLER sowie Akad. Oberrat Dr. phil. REINHARD SCHN~IDER (Berlin). Beim Register half abermals cand. phil. Bono RAscH. Ihnen sei gedankt! Nicht nur durch Mitlesen der Fahnen, sondern auch durch Hinweise und Ratschläge machte sich - trotz starker Arbeitsbelastung - von neuem Prof. Dr. phil. REINHARD ELZE verdient: ihm gebührt vor allem Dank! Ich mache darauf aufmerksam, daß im Anhang zu den Abschnitten A und B des 3· Kapitels alle das Westfranken- und das Angelsachsenreich betreffenden Ordines nebst den dazugehörenden Texten von 878 an ediert sind. Im Anhang zu Abschnitt C des 3. Kapitels sind die Dokumente, die die Königserhebungen im Königreich Burgund betreffen, nach der Ausgabe der Mon. Germ. Hist. wiederholt. Dieser Band enthält also alle Ordines bzw. Dokumente, die die Königsweihe des 9· und ro. Jahrhunderts betreffen mit folgenden Ausnahmen: r.
Trau- und Krönungsordo für J u di th, Tochter Karls des Kahlen, für ihre Vermählung mit Aethelwulf, König der Angelsachsen (856): Mon. Germ., Capitularia II S. 425-7 (Nr. 296),
2.
Ordo für die Krönung der Irmintrud, der (866): ebd. II S. 45 3-5 5 (Nr. 301),
3·
Ordo (in der Form einer Notitia) für die Krönung Karls des Kahlen als König von Lotharingien in Metz (869): ebd. II S. 337-41 und 456-8 (Nr. 276 und 302),
4·
Ordo für die Krönung seines Sohnes, der Krönung Ludwig II. des Stammlers (877): ebd. II S. 363-5 und 461-2 (Nr. z83 und 304).
I.
Gemahlin Karls des Kahlen
Diese vier Texte sind leicht greifbar, und ihre Editionen genügen auch noch den heutigen Ansprüchen. In BAND III werde ich - ohne den kritischen Apparat - abdrucken:
5·
den »Deutschen (>Mainzer<) Ordo« (um 96o): nach C. VoGEL-R. ELZE, Le Pontifical Romano-Germanique du xme siede. Le Texte I, Citta del Vaticano 1963 (Studie Testi 226) S. 246-64, ferner die in diesem Ordo benutzten Ordines: den »Frühdeutschen 0.« und den »Ü. der Sieben Formeln« (S. 259-61, 26r) sowie (nach S. 267-9): die Benedictio reginae,
8
Vorwort
6-7. die beiden Kaiserordines dieses Pontifikale ( ... quando coronam accepit, bzw. secundum occidenta!es) nach: ebd. S. 263-67 = Ordines coronationis imperialis, ed. R. ELZE, Hannover I96o (Mont. Germ., Fontes iuris Germanici in us. schol. IX) S. I-6 (S. 6-9 die auch für die Kaiserin benutzte Benedictio reginae; S. I o- I 3 weitere Kaiserformeln des ro. Jahrhunderts). Alle Ordines des 9· und Io. Jahrhunderts (von Byzanz und von Spanien abgesehen) sowie die zu ihnen gehörenden Texte sind jetzt also leicht zugänglich. Auch liegen sie nunmehr in Editionen vor, die den Ansprüchen der Forschung entsprechen.
Der Band I war zwei Historikern gewidmet, die uns der letzte Krieg raubte. Vor diesem Bande stehen die Namen von zwei Professoren der mittelalterlichen Geschichte, die die schlimmen Zeiten überlebten: sie begannen in Göttingen und schlossen hier Freundschaft; sie amtieren jetzt zusammen in Berlin, aber betrachten sich noch als ftlii almae matris Georgiae Augustae Gottingensis, mit mir, einst ihrem akademischen Lehrer, freundschaftlich verbunden. Göttingen, den ro. Mai I968
PERCY ERNST SCHRAMM
Inhaltsverzeichnis Ein vorgesetztes Sternchen * bezeichnet bisher ungedruckte sowie noch nicht in deutscher Sprache bzw. im Ausland veröffentlichte Abschnitte; zwei Sternchen ** deuten an, daß der Text erweitert bzw. stark umgearbeitet wurde.
r. Abschnitt: DIE SIEGEL, BuLLEN UND KRONEN DER KAROLINGER A. Karl der Große (768-8r4) . . . . . . . I.
IJ
Die beiden Metallbullen Karls des Großen
I
a) Die Karlsbulle mit Königstitel, Paris Bibi. Nationale, Departem. des Medailles et Antiques, Nr. 996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IJ
** b)
* z.
IJ
J
Die Kaiserbulle, Paris Bibi. Nationale, Departem. des Medailles et Antiques, Nr. 995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2I
Ein Siegelstein Karls des Großen in Besalu: verschollen - oder noch in einer Sammlung verborgen?
26
a) Das Kreuz von Besalu
26
b) Die Gemme des >Karulus rex-inperator<
28
c) Wie alt war das Kreuz von Besalu?
30 32
d) Besalu und das Frankenreich . . . .
3. Karl der Große im Lichte seiner Siegel und Bullen sowie der Bild- und Wortzeugnis~e über sein Aussehen. a) Karls des Großen Siegel . . . . . b) Karls des Großen Bullen r. Die Königsbulle 36- z. Die Kaiserbulle 37- 3· Ein verschollener Siegelstein aus der Kaiserzeit Karls des Großen 39 c) Sonstige Bildzeugnisse für das Aussehen Karls des Großen . d) Die Wortzeugnisse für das Aussehen Karls des Großen
B. Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
*
34
3J 3J
40 43
4!
r. Einleitung: Die Metallbullen der byzantinischen Herrscher
4J
z. Katalog der karolingischen Metallbullen . . . . . . . .
49
r. Karl der Große 49- z. Pippin, König von Italien, t 8ro JO- 3· Ludwig der Fromme JO - 4· Lothar I. J 2 - 5. Sein Sohn: Ludwig II. J 2 - 6. Karl der Kahle J4 - 7· Karl III. (früher: >der Dicke<) J7- 8. Karls III. Neffe: Kaiser Arnulf J9 - 9· Kaiser Wido J9 - A. Titel, B. Renovatio Formel 6I
Inhaltsverzeichnis
10
Anhang I. >Munus Divinum<, ein in der Zeit Ludwigs des Frommen oft benutztes, auch auf seine Münzen gesetztes Devotionswort . . .
6}
*
68
Anhang II. Eine wiedergefundene Bulle Kaiser Lothars I. . I. Geschichte der Bulle 68- 2. Technische Beschreibung 69- 3· Ikonographische Beschreibung 69 - 4· Datierung 70 - 5· Die Revers-Inschrift:
>Gloria regni< 70
* C.
Anhang III. Das oft benutzte Lobwort (9.-12. Jahrh.): >Decus lmperii<, verwandt auf der Bulle Kaiser Ludwigs II. (t 875) . . . . . . . . . .
7I
Die Titel der Karolinger (814-911)
7!
I.
. . . . . . . . . . . . .
Die Haupttitel >rex< und >imperator augustus<
7!
Ludwig der Fromme (814-840) 7J- Lothar I. (8q bzw. 840-855) 79 Ludwig II. (850-875) So- Lothar II. (855-869) 82- Die westfränkischen Karolinger: Kar! der Kahle (840-877) 82- Die ostfränkischen Karolinger: Ludwig der Deutsche (826 bzw. 833-876) 84 - Karlmann (876-882) und Ludwig (876-882) 8J- Kar! III. (876-888) 86- Arnulf (887-899) und seine Söhne: Zwentibold (895-900) und Ludwig das Kind (900-91 r) 86- Allgemeines über die karolingischen Titel 87 2.
Sonst noch geführte Titel, Vergleiche und Ehrenwörter
3· Das Schwanken beim Gebrauch der Ländernamen . . .
9!
a) Rex Franeorum 9 J b) Rex Baiovariorum 9 7 c) Rex Aquitanorum 9 8
D. Die Kronen der Karolinger . . . . . . . . . . . .
99
Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen
99
1.
a) Denkmale und Bildzeugnisse für die Bügelkrone
100
b) WOrtzeugnisse für die Bügelkrone
102
c) Wie alt ist die Bügelkrone?
104
d) Wettstreit mit dem >Kamelaukion< der byzantinischen Kaiser
IOJ
e) Die Konstruktion der Bügelkrone - Die Kronhaube
. .
106
f) Die Bügelkrone eine Neuschöpfung. Weitere Neuerungen
108
z. Neuentdeckte Bildnisse Karls des Kahlen, seiner Gemahlin und seines Sohnes (876/7). Ein Beleg für die den Byzantinern nachgeahmte Krone
I 10
a) Der Fund von Ellwangen und seine Deutung
IIO
b) Die Krone auf dem Ellwanger Kästchen . .
II6
Inhaltsverzeichnis
I!
z. Abschnitt: KARL DER KAHLE: 875/6 gewählt zum Kaiser, Protector, Dominus und Defensor, aber die Renovatio imperii Romani et Franeorum durch seinen Tod (877) vereitelt . . . . . . . II9 9
a) Kaiserkrönung nach Wahl durch den (im Auftrag Gottes handelnden) Papst
I I
b) Festigung der Rechtsgrundlage auf dem Reichstag von Pavia (Febr. 876)
I 2J I
29
d) Rückschläge- Neue Hoffnungen. Die Synode von Ravenna (Aug. 876)
I
32
e) Machtverlust und Tod - Ausblick
I}J
c) Bestätigung durch die Synode von Ponthion (Sommer 876)
3· Abschnitt: DIE KRÖNUNG
IM
. . . .
9· UND ro. JAHRHUNDERT . . . . . . . . .
I40
A. Die Krönung bei den Westfranken I.
Das Grundproblem-DieBedeutung der Ordines- Ziel der Untersuchung . I 40
z. Der Ordo für Ludwig den Stammler (878) und seine Vorläufer . . . . . I42 Ludwig des Stammlers zweite Krönung I 45- Der Ordo für die zweite Krönung I46 . . . . . . . . . . . .
3· >Petitio< und >Promissio< für Karlmann (88z) Hinkmars >Palastordnung< IJO
4. Ordo, Petitio, Promissio und Festgesang für Odo (888) Der für Odo benutzte Ordo I f I- >Petitio< und >Promissio< I f 2- Festgesang für Odos Krönung
If f -
Odo und Arnulf
If
I
48
Ifi
7
. . . . . . IJ9 5· Der >Westfränkische (Erdmannsche) Ordo< . . Die Investiturformeln I6I- Versprechen und >Wahl< I6} - Krönung der Königin I64
** 6.
Die Investiturformeln von Sens (wohl
IO.
Jahrhundert)
* 7·
Der >Deutsche Ordo< und der >Ürdo der Sieben Formeln<
* 8.
Hinweise auf die folgende Zeit . . . . . . . . . . .
B. Die Krönung bei den Angelsachsen . I.
Die ältesten englischen Ordines: Der >Dunstan-Ordo<, überliefert in zwei . . . . . . . . . . . . . . . I69 Fassungen (zwischen 960-73). . Die Überlieferung I 70 - Die Texte und ihre Vorlagen I 70- Vergleich der beiden Fassungen des Krönungsordo I 73 -Die Entstehung der beiden Fassungen I76- Geschichtliche Auswertung des >Dunstan-Ordo< I77- Untertaneneidund Verpflichtung des Königs I79
Inhaltsverzeichnis
12
2. Ordo für König Edgar (973) . . . . . .
ISO
Die kürzere Fassung (973) und die längere ( ro66) I So -Benutzung und Abwandlung von Vorlagen I8J- Geschichtliche Auswertung des >Edgar-Ordo< I 8J- Der Redaktor des Ordo I 87- König Edgars symbolische Ruderfahrt auf dem River Dee I87 Anlage r: Schilderung von König Edgars Krönung (zwischen 995-roo5) . ISS Anlage 2: Angelsächsische Übersetzung der drei vom König geleisteten Versprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3· Ordo des Abtes Pulrad von St. Vaast in Arras (zwischen973 und 986), nicht für ein bestimmtes Land vorgesehen . . . . . . . . . . . . . . . .
I
9o
I92
Analyse des Textes 192- Die Absicht des Redaktors 194- Die Bedeutung des Fulrad-Ordo für die Geschichte des Krönungseides I96 * 4· Hinweise auf die folgende Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I
98
Schluß: Das Ergebnis der beiden vorausgehenden Abschnitte: Stammtafel der Ordines des 9· und ro. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . I99 *Anhang I: P. L. Ward's abweichende Thesen über die Filiation der angelsächsischen Ordines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang II. Die englische Krönung im Lichte der Geschichte. Ein Rückblick (1937) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .
Anlagen zu 3 A-B: Die westfränkischen und die angelsächsischen Krönungsordines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
oo
20I
2
o8
A. Die westfränkischen Krönungsordines: I. Ordo A: ganz (oder teilweise?) für die zweite Krönung Ludwigs II., des Stammlers, durch den Papst J ohann VIII. zu Troyes am 7. September 878 .
20 8
II. Petitio und Promissio für die Übergabe der Alleinherrschaft an den 879 gekrönten König Karlmann, Quierzy 9· September 882 . . . . . .
2IO
III. Ordo (Ordo B), Petitio, Promissio und Festgesang für die Krönung des Königs Odo, Compiegne 29. Februar bis r. März 888. . .
2I I
IV. Ordo C: >Erdmannscher (Westfränkischer) Ordo um 900< (zwischen 88o und 96o) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 **V. Ordo D r: >Investiturformeln aus Sens<, wohl ro. Jahrhundert, für Festkrönungen bestimmt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22I
Ordo D 2: >Investiturformeln aus Reims<, nachweisbar im 12. Jahrhundert, für Festkrönungen bestimmt? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222
B. Die angelsächsischen Krönungsordines: VI. Ordo E: Angelsächsischer >Ürdo des Hlg. Dunstan<, zwischen 960-73 r.
Altere (>Leofric<-)Fassung 223- 2. Jüngere (>Egbert<-)Fassung 223
.
22}
Inhaltsverzeichnis
I
3
VII. Ordo F: Ordo, hergerichtet für die Krönung des Königs Edgar von England durch den Hlg. Dunstan, Erzbischof von Canterbury, zu Bath Ir. Mai 973 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 VII a. (Anhang zu VII) Schilderung der Krönung König Edgars, Bath I I. Mai 97 3, von einem Mönch des Klosters Ramsey unter Benutzung des Ordo F verfaßt 241 . . . . . . zw. 995-1005 . . . . . . 0
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VIII. Angelsächsische Übersetzung des Krönungsversprechens aus dem Ordo König Edgars (oben VII§ 2) für die Krönung König Aethelreds II., Kingston 14. April 978 (oder schon die seines Bruders Edward II., Kingston? 243 975) . . . . . . . . . . . 0
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244
**IX. Ordo G des Abtes Fulrad von Saint-V aast in Arras um 980 (zwo 973-86) Korrekturnachtrag
* C.
Wahl, Krönung und Staatssymbolik in den Burgundischen Königreichen 249 (von 879 bzw. 888 an) . 249
Einleitung a) Der Aufstieg des Grafen und Princeps Boso
2JI
0
b) Bosos Erhebung zum König von >Burgund< (Provence): 879
2J7
c) Ludwig, Bosos Sohn: König und Kaiser
266
d) Hugo; König in Italien und in Burgund
270
e) Das (Welfische) Königreich (Hoch-)Burgund 888-1032
272
f) Burgund und das Reich (von 1032 bis zum Ende des Mittelalters).
2 77
Anhang: Die Dokumente zu den >Königswahlen< Bosos und Ludwigs von Bur283 o ............. gund (879 und 89o) . . . . 0
0
** D.
•
0
Salbung und Krönung bei den Ostfranken bis zur Thronbesteigung Kö287 nig Heinrichs I. (9I9) 0
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r. Wie weit hatte sich bis 900 der Salbungs- und Krönungsbrauch durchge-
setzt? . . . . . . . 2.
Der Herrschaftswechsel im Ostfrankenreich a) Ludwig der Deutsche (t 876) 291 - b) Die Söhne Ludwigs des Deutschen 293- c) Karl III. (der Dicke) (876-88) 294- d) Arnulf (887-99) 295e) Zwentibold, 895 König von Lotharingien 29 7- f) Ludwig IV. das Kind (9oo) 299 - g) Konrad I. (91 r) JOI - h) Heinrich I. (919) 302
4· Abschnitt:
ZuR
GESCHICHTE DER >KONSTANTINISCHEN FÄLSCHUNG<
(8.-r3. Jahrhundert) mit Ausblicken auf Byzanz, Rußland und Amerika
(Hinweise und Buchbesprechungen)
0
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306
Inhaltsverzeichnis
14
I. Die Konstantinische Schenkung in der abendländischen Literatur des Mittelalters bis zur Mitte des I4· Jahrhunderts. Von Gerhard Laehr. Berlin 1926 307 II. Zum Stratordienst der Herrscher in der byzantinisch-siaviseben Welt. Von Georg Ostrogorsky, Prag 1935 . . . . . . . . . . . . . . . . . . }I}
* III.
Las Bulas Alejandrinas de 1493 y la Teoria Politica del Papado Medieval. Estudio de la supremacia papal sobre islas 1091-1493. Von Luis Weckmann, Mexico 1949 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . }I J
5. Abschnitt: NoTKERDER STAMMLER, fortan: >Der Dichter< (t Sankt Gallen 912): seine Stellung im geistigen Leben seiner Zeit (Buchbesprechung) . . . . . JI9 Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen
p6
Tafelanhang .
}29
Register
34I
I
Die Siegel, Bullen und Kronen der Karolinger A. Karl der Große (768-8 q): r. Die beiden Metallbullen Karls des Großen* Die folgenden Ausführungen, die darauf hinauslaufen, daß uns von Karl d. Gr. zwei Bullen - eine wohl aus der Königszeit, die andere sicher aus der Kaiserzeit - erhalten sind, werden durch die Ergebnisse eines wissenschaftlichen Streites gestützt, der 1907 zum Abschluß gekommen ist. Bis dahin gingen die Meinungen darüber auseinander, ob erst Kaiser Ludwig II. neben dem Siegeln mit Wachs den Gebrauch von Metallbullen eingeführt habe oder ob schon in der Zeit der älteren Karolinger beide Beglaubigungsmittel nebeneinander verwandt worden seien. Die Ludwig-These, die von TH. v. SrcKEL und E. Jv1üHLBACHER vertreten worden ist, erhielt ihren ersten Stoß durch den Widerspruch A. GrRYS, dessen Schüler L. DE GRANDMAISON1 auf Grund der Urkunden von Tours den Nachweis führte, daß es Goldbullen Ludwigs d. Frommen und Karls d. Kahlen gegeben habe. Auf breiterer Basis hat dann H. BRESSLAU2 die Sickeische Behauptung widerlegt, indem er neben den Urkunden für Tours auch solche für Farfa und Judenschutzbriefe heranzog. Sie sind zwar alle nicht im Original erhalten, aber auf Grund ihres Textes oder alter Beschreibungen konnte H. BRESSLAU die Behauptung aufstellen, »daß wir den tatsächlichen Gebrauch von Bullen und insbesondere auch von goldenen Bullen in der karolingischen Kanzlei minde-
*
Zuerst in meinem Buch: Die zeitgenössischen Bildnisse Karls d. Gr., Leipzig-Berlin 1928 (Beiträge zur Kulturgeschichte des Ma.s u. der Renaissance 29) S. 20-29 (hier nur durchgefeilt). Über die Ergebnisse dieses und der folgenden Abschnitte erstattete ich ein Referat (>Die Metallbullen der Karolinger: ihre Rekonstruktion, ihre Interpretation<) auf dem >Il. Congresso Internazionale<, veranstaltet von der >Societa Italiana di storia del diritto<, Venedig Sept. 1967 (erscheint in den >Atti< des Kongresses).
r Les bulles d'or de Saint-Martin de Tours, in: Melanges ]uLIEN HAvET (Paris r895) S. III-48. 2
Zur Lehre von den Siegeln der Karolinger und Ottonen, in: Archiv für Urkundenforsch. I (Leipzig 1907) S. 355-70; zu der S. 365 besprochenen Nachricht aus dem Kloster Farfa, daß dort einst zwei Goldbullen Karls d. Gr. und seines Sohnes Pippin vorhanden gewesen seien, vgl. auch die Bemerkungen von L. SCHIAPARELLI in: Bull. dell'Istituto storico Italiano z6 (Rom 1905) S. 68.
A I : Die beiden Metallbullen Karls des Großen
stens seit der Kaiserkrönung Karls d. Großen mit Sicherheit annehmen dürfen» 3 • Diese Auffassung hat sich, soviel ich sehe, allgemein durchgesetzt4 • So hat sich denn auch 0. PossE5 veranlaßt gesehen, als Nachtrag die von Grandmaisan wieder ans Licht gezogenen Stiche der Bulle Ludwigs d. Fr. zu publizieren und sich im Textband seiner und Bresslaus Ansicht anzuschließen. ( 5. 2I .')Diese Forschungen haben also ergeben, daß schon Karl d. Gr. eine Bulle geführt hat. Damit ist uns nun noch nicht viel gedient; denn wir wollen wissen, wie sie ausgesehen hat. Auf diese Frage erhalten wir von den beiden nunmehr maßgeblichen Autoren keine Auskunft. In PossEs großem Werk über die Siegel der deutschen Kaiser und Könige findet sich keine Abbildung der Bulle Karls; nur im Text ist ihre ehemalige Existenz vermerkt6 • Auch BRESSLAU hat ausdrücklich erklärt, wir besäßen »kein Exemplar einer Bulle eines der drei ersten karolingischen Kaiser mehr» 7 • Diese Auffassung erklärt sich dadurch, daß den beiden Gelehrten der schon 1900 erschienene Katalog der Bleiarbeiten im Besitz der Pariser Nationalbibliotheks entgangen ist, in dem die irreführenden Angaben von Dou:ET n' ARCQ 9 , die auch H. BRESSLAU auf falsche Bahn geleitet haben10 , richtiggestellt und ergänzt sind. Erst dieser Katalog hat klar ersichtlich gemacht, welche Stücke- Originale und Kopiendas Cabinet des Medailles sein eigen nennt, und dadurch ist es nun möglich, die in der Literatur entstandene Verwirrung zu klären. Soweit sich die Objekte des Pariser Katalogs auf Karls Nachfolger beziehen, wird auf sie unten im Abschnitt B eingegangen. Hier greifen wir die beiden Nr. 995 und Nr. 996 der Pariser Sammlung, die beide seit zwei Jahrhunderten und länger in der wissenschaftlichen Literatur bekannt, auch mehrfach schon Karl d. Gr. zugewiesen worden sind, heraus und suchen zu beweisen, daß der auf ihnen dargestellte Karl eben Karl d. Gr. sei. Wenn es möglich wurde, bei diesen Erörterungen ganz gerraue Angaben zu machen und in meiner Ausgabe der Kaiserbilder auch Photographien der Originale zu veröffentlichen, so verdanke ich das dem rühmenswerten Entgegenkommen der Direktion des Cabinet des Medailles, das mir die gewünschten Stücke zu bequemem Studium in die Hand gab und ihre photographische Aufnahme bereitwillig gestattete. Wir stellen das vermutlich ältere Stück voran:
3 A. a. 0. S. 368. 4 V gl. z. B. ANTON EITEL, Über Blei- und Goldbullen im Mittelalter, Diss. (Freiburg i. B. I9I2) S. 75f.; J. RoMAN, Manuel de sigillographie fran-;. (Paris I9I2) S. 72. -Die Ablehnung Grandmaisans in der zweiten Auflage der Mühlbachersehen Karolingerregesten, die zwar erst I 908 erschienen, aber schon vorher abgeschlossen waren, beruht noch auf Unkenntnis des Bresslauschen Aufsatzes.
5 Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige I-V (Dresden I9o9f.). 6 V S. 5· 7 A. a. 0. S. 358. Titel s. unten Anm. I I. 9 Collection de sceaux I (Paris I 863; Invent. et docum. publ. sous la direction de M. le Comte de LABORDE) S. 269 Nr. 23 f. Io A. a. 0. S. 367 A. 4·
Die Karlsbulle mit Königstitel
a) Die Karlsbulle mit Kifnigstitel Paris Bibl. Nationale, Departem. des Medailles et Antiques Nr. !)!)611 Die .Bulle hat einen Durchmesser, der zwischen 38-42 mm schwankt. Sie ist durch die Zersetzung des Bleis, das stellenweise in weißlichen Puder zerfällt, sehr beschädigt. Dieser Prozeß ist durch einen grünbraunen Lacküberzug so weit gehemmt, daß man das Wichtigste noch erkennen kann. [Siehe Abb. 5a-g in Band I S. 365 .] (S. 22.') Die Vorderseite ziert ein gekrönter Kopf im Profil. Doch sind die Nase, die Einzelheiten des Auges, die Oberlippe und vor allem die Partie zwischen Ohr und Kinn jetzt ganz verschwommen, so daß man nicht sagen kann, ob ehemals ein Bart vorhanden war und welche Form er gehabt haben könnte. Auf der Nachzeichnung in dem französischen Katalog ist deshalb mit Recht darauf verzichtet, die untere Gesichtshälfte näher auszuführen. Neben dieser sorgfältigen Arbeit verdienen die Zeichnungen bei Aus'M \V'EERTH und HENNE AM RHYN, wie man an der Wiedergabe der Krone nachkontrollieren kann, kein Vertrauen; wollte man ihnen glauben, dann hätte es sich um einen völlig bartlosen Kopf gehandelt. Noch stärker ist die Reversseite durch den Bleifraß angegriffen; vor allem aber hat der Rand gelitten. Da er teils weggefressen, teils durch den früher aufgetragenen Lack verschmiert ist, sind die Ein- und Austrittslöcher des Fadens, mit dem die Bulle am Pergament befestigt war, kaum mehr festzustellen. Bei gerrauerem Zusehen ist aber erkennbar, daß der Faden ungefähr unter der vorderen Kante der Krone, der Wange und dem E von regi Et victoria der Legende durchläuft, wodurch das E nicht deutlich ausgeprägt worden ist. Einen Hinweis auf die Technik der Bullierung gibt dabei der Umstand, daß die Kreise von Vorder- und Rückseite sich nicht genau decken. Wir ständen am Ende, wenn uns nicht ältere Stiche und ganz alte Kopien weiterhelfen würden. Zuerst läßt sich die Umschrift nach der Bulle eines anderen Königs Karl wiederherstellen, auf die schon die französischen Herausgeber hinwiesen. Sie ist nur durch Stiche und eine Kopie in Silber bekannt und wird unten im Abschnitt B
I I Aus der Literatur seien genannt: BERNARD DE MoNTFAUCON, Les Monumens de Ia Monarchie Fran<;. I (Paris 1729) S. 273 f. mit Abb. auf T. XXI Nr. 9; danach [Toustain und Tassin,] Nouveau traite de diplomatique par deux religieux Benedictins IV (Paris I759) S. II2 oben; N. DE WArLLY; Elements de paleographie I (Paris I 838) S. 270; E. AUS'M WEERTH, Die Reiterstatuette Kads d. Gr., in: (Bonner) Jahrbücher d. Vereins f. Altertumsfreunde im Rheinland 78 (Bonn
2.
Schramm, Aufsätze II
I884) S. 149 unten als Kar! d. Kahle; 0. HENNE AM RHYN, Kulturgeschichte des deutschen Volkes I (Berlin 1886) Nr. I-2 auf der Tafel zw. S. 16o-61 als Kar! d. Gr.; vor allem M. RosTOVTSEW et M. PRou, Catalogue des plombs de l'antiquite, du moyen äge et des temps modernes (Paris 1900) S. 316-q mit Nachzeichnung auf T. XI Nr. 5. Diese beiden Gelehrten haben sich auf keine bestimmte Deutung festgelegt.
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AI : Die beiden Metallbullen Karls des Großen
bei Karl d. Kahlen, dem wir sie aus den dort erwähnten Gründen zusprechen, behandelt. Danach lautet die Umschrift: Avers: jesu nate Dei, Carlum defende potenter. Revers: Gloria sit Christo regi et victoria Carlo. Auf der Bulle Karls d. K., die einen ganz anderen Kopf, aber dasselbe Monogramm zeigt, sind nur die Seiten der Umschriften verändert12 • Es handelt sich um zwei Hexameter, bei denen zu fragen ist, ob ihr Vorkommen (S. ZF) der Zuschreibung der Bulle an Karl d. Gr. im Wege steht13 • Auf meine Frage hatte Herr Professor Dr. REGLING, der Direktor des Berliner Münzkabinetts, die Güte, mir mündlich zu erklären, daß bei dem rhythmischen Bau sonstiger karolingischer Siegellegenden (vgl. z. B. auch auf Karls \V'achssiegel) das Vorkommen der Hexameter sehr wohl auf einer Bulle Karls d. Gr. möglich sei. Da die in ihnen ausgedrückten Gedanken in ähnlicher Weise oft in der karolingischen Zeit begegnen, so ist schließlich nur noch die Prüfung der Hexameter auf ihre Form hin vorzunehmen. Ich bin Herrn Prof. Dr. STRECKER, dem Bearbeiter der Poetae latini der Menumenta Germaniae, zu Dank verpflichtet, daß er sich darüber schriftlich geäußert hat. Er sagte mir über den leoninischen Reim: »Derselbe mahnt zur Vorsicht, beweist aber m. E. weiter nichts. Das Material, zwei Hexameter, ist zu klein, als daß man darauf ein Urteil bauen dürfte; es ist ja gar nicht ausgeschlossen, daß dieser Reim Zufall ist; denn einzelne leoninische Reime kommen zu jeder Zeit vor. Nur wenn man beweisen könnte, daß der leoninische Reim hier gesucht ist, wäre das wichtig». Demnach sprechen weder die Tatsachen noch der Inhalt noch die Form der Hexameter gegen die Zuweisung der Bulle an Karl d. Großen. Damit ist der Weg zu einem positiven Beweis frei gemacht. Die Geschichte des Pariser Stückes läßt sich bis in den Anfang des r 8. Jahrhunderts zurückverfolgen. Bernard de Montfaucon14 hat sie damals nach einer Zeichnung publiziert, die ihm >Monseigneur Blanchini, savant Prelat Romain<, also FRANCESCO BIANCHINI (Blanchinus), der Herausgeber des Liber pontificalis, zugeschickt hatte. Daß es sich hierbei um das jetzige Pariser Stück handelt, ergibt sich aus dem Vergleich der beschädigten Stellen und der Unregelmäßigkeiten des Randes. Dem-
I2 Nach den Stichen muß bei dem Original der Bulle Karls d. Kahlen das ET vor VICTORIA zerstört gewesen sein, das dann auch bei der Silberkopie fehlt. Doch ist bei der Bulle Karls d. Gr. Nr. 996 die Lesung des T sicher, so daß hier wie bei Kar! d. Kahlen et einzusetzen ist. I 3 Die byzantinischen Beispiele, die M. FROEHNER, Bulles metriques, in: Annuaire de la societe fran\f. de numismatique et d'arch. VI
(Paris I882) S. 40-66 zusammengestellt hat, reichen nur bis in das Ir. Jahrh. zurück; weitere nennt K. REGLING in: Byzant. Zeitschr. 24 (I923) S. Ioo. - Die folgenden Ausführungen betreffen Einwände, die mir H. BRESSLAU vor seinem Tode im Gespräch gemacht hat. - Zu Byzanz s. jetzt unten s. 45 ff. I4 S. oben S. I 7 Anm. I I (S. 2 I Anm. 6).
Die Karlsbulle mit Königstitel
nach befand es sich damals noch in Italien, ohne daß der genauere, für die Bestimmung der Bulle vermutlich wichtige Aufbewahrungsort festzustellen wäre. Bianchini hat sich seine Arbeit angelegen sein lassen. Er hat, wie Montfaucon angibt, die Inschrift nach einem andern Siegel ergänzt, worunter wohl die auch von uns zu diesem Zweck herangezogene Bulle Karls d. Kahlen verstanden werden kann; sie wird dem italienischen Gelehrten durch das Werk Mabillons bekannt gewesen sein. Außerdem hat Bianchini eine Sonderzeichnung der Krone angefertigt. Daraus ist zu ersehen, daß er sich um größte Genauigkeit bemühte, aber auch, daß auf dem Wege von dem Original über die Zeichnung zum Stich der Kopf mit seiner eleganter gestalteten Krone dem Stil des r8. Jahrhunderts nicht ganz entgangen ist. (S. 24.) Jetzt sind wir so weit, daß wir das Aussehen der Pariser Bulle vor ihrer Zerstörung kennen. Ihr Kopf war demnach im Gegensatz zu denneueren Nachzeichnungen bebartet. Dadurch bekommen wir die Möglichkeit, eine Bulle Kaiser Ottos III. als Kopie der Karlsbulle zu erweisen. Ottos Siegel zeigen alle den bartlosen Jünglingskopf, den auch seine Buchbilder aufweisen. Eine Ausnahme bilden nur die 998 zuerst nachweisbare und bis Ende I ooo benutzte Bulle; denn hier erscheint ein bärtiger Kopf15 • In einer früher veröffentlichten Analyse der Siegel Ottos 16 konnte ich nur sagen, dieser Umstand zeige, »daß hier eine neue Vorlage eingewirkt habe«. Meine dort weiter geäußerten Vermutungen über deren Charakter und den Grund ihrer Verwendung können jetzt durch den bestimmten Hinweis auf die Karlsbulle präzisiert werden. Der bärtige Profilkopf eines reifen Mannes, der über die Schulter nach rechts blickt und weder mit dem damals achtzehnjährigen Otto noch mit seinen übrigen zahlreichen Bildern vereinbar scheint, ist der Kopf der Karlsbullel Die Ahnlichkeit geht bis in Einzelheiten hinein17 • Dadurch erklärt sich nun auch die Sonderstellung, die Ottos Bulle einnimmt. Sie taucht in einer Zeit auf, als Otto gerade Aachen, die Stadt Karls d. Gr., durch Geschenke, Stiftungen und Bauten systematisch zu heben unternommen hatte. Alles das geschah im Gedenken an Karl d. Gr.; dieser war es auch, der Otto als Vorbild bei der >Renovatio imperii Romanorum<, die sich seit Ende 997 in Ottos Kopf abzeichnete und auch die Reversumschrift seiner Bulle bildet, vorschwebte18 • Der sichtbare Ausdruck dieses Karlskults, der den Kaiser im Jahre rooo zur Öffnung des Grabes seines
r 5 Kaiserbilder S. 90 f. mit Abb. 69 a. (Beim Erstabdruck führte ich hier auch den Aachener Weihwasserkessel auf; doch wird der bärtige Herrscher, der ihn ziert, auch auf Heinrich II. bezogen. V gl. die Nachträge zu den >Kaiserbildern< in Bd. V). r6 Zur Geschichte der Buchmalerei in der Zeit der sächsischen Kaiser, in: Jahrbuch für
Kunstwiss. I (Leipzig 1923) S. 66. 17 Auf die bei dem Unterschied zwischen karolingischer und ottonischer Kunst selbstverständlichen Unterschiede im Stil ist in den >Kaiserbildern< S. 91 eingegangen. r8 Vgl. dazu mein Buch: Kaiser, Rom und Renovatio I, Leipzig-Berlin 1929, 2. Aufl. Darmstadt 1957 S. II6ff.
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großen Vorgängers führte, ist diese Herübernahme des Bildes Karls auf die eigene Bulle. Damit ist auch die Motivierung für die auffallende Tatsache gefunden, daß der Kopf eines älteren Herrschers auf dem Siegel eines jüngeren kopiert wird. Außerdem ist jetzt auch verständlich, warum Otto III. die bis dahin benutzten Wachssiegel aufgab und sich dem karolingischen Brauch der Bleibullen wieder zuwandte, ferner, warum er sich zu dem größeren Format entschloß und nicht zu dem kleineren, das die Mehrzahl der karolingischen Bullen auszeichnet. Es war der Brauch, das Format und auch das Bild Karls d. Gr., zu dem er zurückkehrte. Damit haben wir nun die Entscheidung, welcher Karl auf dem Pariser Stück gemeint ist: nicht Karl d. Kahle, der mehrfach vorgeschlagen worden ( S. 2 5 :) ist, sondern Karl d. Gr., das Vorbild Ottos III. (Es bliebe nur die Möglichkeit, daß dieser sich schon geirrt hätte, aber sie kann ruhig ausgeschaltet werden. Die Vorlage seines Stempelschneiders dürfen wir uns an einer Urkunde befestigt denken, und in der kaiserlichen Kanzlei, der ja dauernd alte Diplome zur Bestätigung eingereicht wurden, mußte man auf Grund der Datumzeile die Möglichkeit haben, die einzelnen Träger des Namens Karl auseinanderzuhalten. Wenn sie sich für Karl den Großen entschieden hat, können wir Vertrauen in ihr Urteil haben 19). Es fragt sich noch, in welche Zeit der Regierung Karls d. Gr. die Bulle zu setzen ist. Die Legende ist zu lesen: Gloria sit Christo et victoria Carolo regi - so heißt es ja auch in den »Laudes«19•. Die Bulle gehört also in die Jahre vor Sor. Vor allem spricht für die Königszeit die Tatsache, daß wir gleich eine Bulle Karls aus der Kaiserzeit kennenlernen werden, die allem Anschein nach in ihrer Umschrift auf die Kaiserkrönung Bezug nimmt 20 • Diese bildet die Vorlage für die Bulle Ludwigs d. Frommen, so daß es schwerfällt, für die Jahre Soo-814 neben der Kaiserbulle noch die Verwendung einer weiteren Bulle anzunehmen. Die nunmehr bestimmte Karlsbulle wirft eine ganze Reihe von Fragen auf. Das Problem, ob der neue Brauch der Beglaubigung mit Metallbullen durch das byzan-
I 9 Die Fähigkeit der Kanzlei Ottos III., ältere Urkunden kritisch zu betrachten, wird am klarsten durch die bekannte Schenkung von acht Grafschaften an die Römische Kirche (DO. III 389) beleuchtet, inder-sogar mit Hilfe eines historischen Textes - Stellung zu den früheren kaiserlichen Schenkungen an die Römische Kirche genommen ist; ScHRAMM a. a. 0. I S. r6I ff. 19a Über dieses. Bd. I S. 238f. Der Karlsname verlangte zur Kennzeichnung einen Titel; bei Christus müßte man rex regum erwarten. 20 Darüber S. zrff. (S. z6f.). BRESSLAU a. a. 0.
S. 368 f. kannte nicht die Umschrift dieser Kaiserbulle, sondern nur die Ludwigs d. Frommen, die Renovatio regni Franeorum lautet. Er schrieb diese vermutungsweise auch Kar! d. Gr. zu und wollte sie daher auf die Vereinigung der Reichsteile von 77 r beziehen. Dieser Schluß, dem auch die Geschichte des Renovatio-Begriffes widerspricht, ist jedoch nicht möglich. Ein urkundlicher Beweis dafür, daß Kar! schon in seiner Königszeit Bullen verwenden ließ, ist allerdings noch nicht gefunden.
Die Kaiserbulle
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tinische Vorbild angeregt worden sei, ist schon von H. BRESSLAU 21 angeschnitten worden. Nachdem wir jetzt das Aussehen der Karlsbulle kennengelernt haben, lassen sich seine Vermutungen noch ausbauen; auch ist es nun möglich, die Bulle ikonographisch einzuordnen und dadurch ihre Bedeutung für die Geschichte Karls d. Gr. zu bestimmen. Die Folgerungen, die sich hier ergeben, sind bereits in der Ausgabe der >Kaiserbilden näher ausgeführt 22 und in Band I S. 2 I 2f. geschichtlich ausgewertet.
b) Die Kaiserbulle Paris Bibl. Nationale, Departem. des Medailles et Antiques Nr. 995 ( S. 26:) Die Kaiserbulle, mit einem Durchmesser von 24 mm, ist heute fast völlig durch Bleifraß zerstört, der nur noch an einigen, wohl früher durch einen Lack geschützten Stellen ein paar Spuren der ehemaligen Oberfläche übriggelassen hat. Erkennbar sind auf der Vorderseite die Umrisse von Kopf, Schild und Lanze sowie einige unlesbare Buchstaben am rechten Rande. Auf der Rückseite glaubt man noch die Umrisse des Tempels zu ahnen; jedoch gelang es mir bei persönlicher Besichtigung nicht, die Buchstabenreste zu identifizieren und dadurch die Achse dieser Seite zu bestimmen. Am Rande sind die beiden Austrittsstellen des Bullenfadens deutlich zu erkennen; sie liegen dort, wo die Abbildung oben und unten am Rande kleine Dellen zeigt. [Siehe Abb. nd-g in Band I S. 37o.] Wir stünden diesem wichtigen Geschichtsdenk mal ratlos gegenüber, wenn es nicht seit dem Ende des 17. Jahrhunderts das Interesse immer wieder auf sich gezogen hätte 23 • Durch die älteren Zeichnungen ist als Umschrift um den Kopf sichergestellt:
2I A. a. 0. S. 359f., bes. S. 360 Anm. I, außerdem noch in: Archiv f. Urkundenforsch. VI (Leipzig I917) S. 234 und Neues Archiv 3 I (I9o6) S. 516. 22 Dort auch Abbildungen der Bulle a-b) nach Originalaufnahmen , c-d) nach der Zeichnung des Pariser Katalogs, e-g) nach Montfaucon, daneben h) die Bulle Ottos III. und i) die Karls d. Kahlen. V gl. Bd. I Abb. 5a-h. 23 Aus der umfangreichen Literatur seien genannt: FRAN<;:OIS LE BLANC, Dissertation historique sur quelques monnoyes de Charlemagne frappees dans Rome, Paris I689, wiederabgedruckt im Anhang zu desselben: Traite historique des monnoyes de France (Paris I69o, Neudruck Amsterdam I692) Ti-
telvignetteund S. 24; J. MABILLON, De re diplom. Suppl. (Paris 1704) S. 48; [Toustain und Tassin], Nouveau traite de diplom. (Paris 175of., auch ins Deutsche übersetzt) IV S. I2I; A. BANDURI, Numismatum imperatorum Roman .... suppl. ed. H. T ANINI (I79I) S. 4I8, T. X (mir nicht zugänglich); N. DE WAILLY, Elements de paleogr. I (Paris I838) S. 273; A. DuCHALAIS in: Revue numismat. I84o (Blois-Paris) S. 120; J. CHARVET, Origines du pouvoir temporel des papes (Paris I865) S. 54; A. VETAULT, Charlemagne (Paris I877f.) S. 458 Fig. 66; E. GARIEL, Les monnaies royales de France sous la race caroligienne II (Straßb. I884) T. 46 Nr. 53 mit S. 277; P. CLEMEN, Die Por-
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D( ominus) N(oster) Kar(olus) Imp(erator) P(ius) F(elix) P(er )p(etuus) Aug(ustus), also bis auf das P F PP der Kaisertitel, der auch auf den Münzen Karls mit Kopfbild und längerem Titel 24 erscheint. Das DN gibt uns die Sicherheit, daß Karl d. Gr. und nicht etwa Karl d. Kahle oder Karl III. gemeint sind; denn dieser Titel der römischen Kaiser, den sowohl die langobardisc hen Könige wie Pippin auf ihre Münzen gesetzt hatten, verschwinde t nach Ludwig d. Frommen wieder als ( S. 2 7 :) Siegel- und Münzinschrift, wenn er in der Literatur auch noch gelegentlich in der Zeit der späteren Karolinger begegnet 25 • Bei Karl d. Gr. findet er sich nicht nur auf den Münzen, sondern auch auf dem Lateranmosa ik 26 . Zur Unterstützun g dieser Zuschreibun g kann auch noch angeführt werden, daß es sich um die im Abschnitt I B beschriebenen Kaiserbullen Karls d. Kahlen und Karls III. nicht handeln kann. Zu der Annahme, daß sie als Kaiser außer jenen Stempeln noch einen zweiten geführt haben, liegt kein Grund vor. Vielmehr ist ja sichergestellt, daß Karl d. Gr. eine Kaiserbulle verwandte27. Mit ihr müssen wir also das Pariser Exemplar identifizieren. Dieser Schluß läßt sich wohl nur dann anfechten, wenn man gleich die Echtheit des Pariser Stückes angreift. Das scheint die Meinung J. Menadiers 28 gewesen zu sein. Es würde sich dann - wie Zustand und Fadenlöcher beweisen - um eine Fälschung sehr hohen Alters handeln, die tatsächlich als Bulle verwandt worden ist und deshalb nicht mit den silbernen Medaillen, von denen in Abschnitt I B gesprochen wird, auf eine Stufe gestellt werden kann. Ihr Hersteller müßte zudem eine Kenntnis von der karolingische n Titelentwick lung gehabt haben, die undenkbar ist. Da die Bulle außerdem ikonographis ch ganz in den karolingische n Rahmen paßt und ihr Aversbild noch auf den Bullen Ludwigs d. Fr., Karls d. K., Widos wiederholt worden ist 29 , läßt sich jeder Zweifel an der Echtheit beseitigen. Die Kaiserbulle ist nicht nur von anderem, kleinerem Format, sondern sie ist auch
traitdarstellung en Karls d. Gr., in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvere ins rr (I889) S. 2o8f.; B. LABANCA, Carlomagno nell'arte cristiana (Rom r89r) S. r46 Abb. 6; M. RosToVTSEW et M. PRou: Catalogue des p]ombs (Paris 1900) S. 315-6; ]. V. PFLUGKHARTTUNG in: Quellen und Forschungen aus ital. Archiven V (r9o2) S. 6f. - Vgl. ferner die Abbildung 7 in den >Kaiserbildern< a) nach Originalaufnah me, b) nach Vetault, c) nach Le Blanc, d) nach Mabillon. S. jetzt Bd. I Abb. r I a-g, 24 Es gibt auch solche mit kürzerer Umschrift; vgl. dazu >Kaiserbilder<, Abb. 6 nebst Kommentar S. I 68 f. und Bd. I S. 278 ff.
2 5 V gl. S. Graf PFEIL, Die Titel der fränkischen Könige und Kaiser bis 9I I, Diss. Göttingen I958; vgl. dazu unten S. 75ff. den Auszug (sein Aufsatz: Der Augustus-Titel der Karolinger, in: Die Welt als Geschichte, I959 S. I94-2IO geht auf diese Frage nicht ein). 26 Kaiserbilder a. a. 0. Abb. 4a-m, dazu Bd. I S. 23 I f. mit Abb. 9· 27 Siehe S. I5 f. (S. 20). 28 Karolingerdena re in: Amt!. Berichte aus d. kgl. Kunstsammlun gen 32 Nr. I2 (Berlin I9I I) S. 266, wo Renovatio statt Reparatio zu lesen ist. 29 Vgl. untenAbschnit t r B.
Die Kaiserbulle
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ganz anders ausgestattet als die zuerst besprochene Bulle. Die Figur ist hier frontal wiedergegeben und mit Schild und Speer gewappnet. Dieser Umstand macht es unbezweifelbar, daß eine römische Kaisermünze als Vorlage zu Rate gezogen worden ist. Der Titel p ( ius) j( elix) p( er)p( etuus), der ja nicht karolingisch ist, sondern in dieselbe Zeit zurückweist, bestätigt diese Tatsache. Eigene Zutat des Stempelschneiders ist nur die Krone, bei der schon früher aufgefallen ist 30 , daß ihre Form derjenigen ähnelt, die Karlauf dem Lateranmosaik (zw. 796-Soo) trägt. Die Kopien, die aus dem einen der beiden Überlieferungskreise stammen, geben der Krone einen ähnlichen dreiteiligen Aufsatz, der auch noch auf den späteren karolingischen Bullen zu finden ist. Schlüsse aus dieser auffallenden Beziehung zwischen dem Mosaik und der Bulle zu ziehen, wird man aus Vorsicht lieber unterlassen31 • ( S. 28:) Die Mitte der Rückseite nimmt ein Stadttor ein, das die ganze zu ihm gehörige Stadt vertritt. Welche bei der Bulle gemeint ist, ergibt die Beischrift: Roma. Es handelt sich hier um ein den Numismatikern wohlvertrautes Bild, das sich sowohl in der Antike wie in der karolingischen Zeit verfolgen läßt 32 • Die Umschrift lautet Renovatio Roman. Imp., was als Romanorum oder wohl eher Romani Imperii 33 aufzulösen ist. Ist schon das Bild der Roma auf Karls Bulle ein wichtiges Faktum für das neuerrichtete Kaisertum, so erst recht diese bedeutsame Inschrift, die Ludwig d. Fr. bezeichnenderweise in: Renovatio Regni Franeorum umändern ließ. Um ihren historischen Gehalt zu erschöpfen, wäre es notwendig, auf die Geschichte der Erneuerungsvorstellungen und der Kaiserkrönung einzugehen (siehe jetzt Band I S. 274ff., wo als Vorbild eine Silbermünze Konstantins d. Gr., die gleichfalls einen Durchmesser von 2,4 cm hat, nachgewiesen ist). An die Kaiserbulle ist ein merkwürdiges Stück anzuschließen, das in der wissenschaftlichen Literatur m. W. bisher kaum behandelt worden ist. Es handelt sich um
30 J. V. PFLUGK-HARTTUNG in: Quellen u. Forsch. aus ital. Arch. V (1902) S. 6. 3I Nach VETAULT und CLEMEN a. a. 0. soll die Bulle gelegentlich der römischen Krönung angefertigt sein. 32 V gl. A. DucHALAIS, Un mot sur le type du portail in: Revue numismatique I84o (BloisParis) S. I I 9-2 7 r. 33 So lautet die Formel auf der Kaiserbulle Karls d. K., wenn man ihrer Beschreibung glauben darf; vgl. Abschnitt I B, Romanum imperittm ist die in den liturgischen Texten gängige Formel. W. ÜHNSORGE hat in der Festschrift für Eduard E. Stenge!, Weimar I9j2 S. 2I-3o (wiederabgedruckt in:
Abendland u. Byzanz, Darmstadt I958, S. 50-63) den Nachweis geführt, daß Kar! d. Gr. im Jahre 803- dem Vorbild der byzantinischen Kaiser folgend - Urkunden von besonderer Bedeutung mit >Legimus< unterzeichnete. Er verbindet diese Neuerung auf bestimmte Indizien gestützt - mit der Einführung der Kaiserbulle (>wohl zwischen August und Oktober 8o3<). Ich bin darauf eingegangen in: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik I, Stuttgart I 9 54 S. 296-9, aber mit der Klausel: »Ich würde nur dort, wo er von >sicher< spricht, mich mit >wahrscheinlich< begnügen.« V gl. dazu Bd. I Abb. I 2.
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eine silberne, ehemals vergoldete Medaille der Bibliothequ e Nationale (Dep. des Medailles) in Paris, verwahrt bei den Medaillen der Könige von Frankreich, ohne Nummer 34, 1899 aus dem Pariser Kunsthand el erworben, 28mmim Durchmess er und 2 mm dick. Die Medaille weist auf der Aversseite diagonal über Kranz und Gesicht verlaufende, von einem spitzen Gegenstan d herrührend e Kratzer und auf der Rückseite rechts und links zwischen Rand und Tempelsäu len zwei flache Vertiefungen auf, durch die die Legende zum Teil zerstört ist. Der Grund dieser Aushöhlungen ist schwarz gegenüber der sonstigen Silberfarbe der Medaille, die noch einen Schimmer der ehemaligen Vergoldun g erkennen läßt. Überhaupt erweckt das Stück den Eindruck von Alter, aber gar nicht den einer karolingischen Arbeit. Dagegen sprechen schon der glatte Rand, wonach die Medaille keine Bulle, sowie die Größe, wonach sie keine Münze oder ein nach einer Münze gearbeitetes Stück sein kann. Es fragt sich demnach nur, ob die Medaille nach einer echten Vorlage angefertigt ist. Diese Möglichke it hat PRou in dem Pariser Katalog offengelassen35 • Zwar ist der antike Tempel der Reversseite für karolingische Münzen bezeichnend, aber gerade der Vergleich mit den dort vorkomme nden Typen zeigt den Unterschied: Die Medaille hat an den Giebelecke n Kugeln, die sonst nicht nachzuweisen sind; dagegen fehlt das sonst immer vorkomme nde Kreuz, das entweder zwischen den beiden Mittelsäulen oder auf dem Giebel ( S. 2 9 :) oder sogar doppelt angebracht ist und den Tempel erst als Zeichen der christlichen Religion verständlic h macht. Solche Unterschiede lassen sich auch in der Form der Säulen usw. feststellen 36 • Ebenso ist die Revers-Leg ende: Signum Xpistianae Relig(ionis) unkaroling isch; denn hier begegnet sie nur in der Form: Xpistiana Religio. Dieser Einwand trifft auch die AversLegende: Imp(erator) Caesar KaroJus P(ius) F(elix) P(er)p(etuus) Aug(ustus); denn wenn der Schluß auch der Kaiserbulle Karls d. Gr. entspricht, so ist der vorgesetzte Kaisertitel auffällig, der Caesar-Tite l aber in karolingisc her Zeit bis auf eine Ausnahme auf der Bulle Ludwigs II., die im Abschnitt B aufgeführt ist, nur in nicht offizieller Verwendu ng zu belegen37 • Auffallend ist bei diesen Legenden, daß die Schrift der Reversseite flacher ist und eine andere Form des A zeigt als die A versseite, auf der das A keinen Querbalke n hat, wie es sonst karolingisc her Brauch ist. Alle diese Beobachtu ngen lassen darauf schließen, daß der Verfertiger der Medaille 34 Erwähnt von M. RosToVTSEW et M. PRou, Catalogue des plombs (Paris I9oo) S. 3 I6 bei Nr. 995; abgebildet in meinen >Kaiserbildern< Abb. 7 Nr. e. 35 »Cette medai!le pourrait bien n'etre qu'un surmoule ancien d'une bulle de plomb«. 36 Vgl. die Tafeln beiM. PRou, Les monnaies carol. (Catal. des monn. frans;. de Ia Bibi. Nat., Paris I 896).
37 ]. F. BöHMER, Regesta Imperii I: Regesten d. Kaiserreiches 75 I-91 8, 2. Aufl. hrsg. von E. MüHLBACHER (Innsbr. I9o8) S. LXXXIV bis VI; PRou a. a. 0. Index und außerdem G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte III (Kiel 2 I883) S. 242f. A. 5, VI (Berl. 2 I896) S. 149 A. 2. - Eine Ausnahme im ]. 8o6: Bd. I S. 272; s. dazu unten S. 78, 90.
Die Kaiserbulle
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karolingische Münzen und - wegen des Titels - wohl auch die Kaiserbulle Karls d. Gr. kannte und aus diesen Vorlagen ein Phantasieprodukt zusammenstellte. Vielleicht sind die Kratzer zu dem Zweck angebracht, um die Vorstellung hohen Alters zu erwecken. Jedenfalls handelt es sich nicht um die sorgfältige Kopie eines Originals, wie sie in ähnlichen silbernen Medaillen von Bullen Karls d. K. und Karls IIJ.3 8 vorliegen. 38 S. unten Abschnitt r B.
Ein Siegelstein Karls des Großen in Besah1: verschollen- oder noch in einer Sammlung verborgen?* 2.
Ich lenke die Aufmerksamkeit der Kenner Spaniens auf eine Siegelgemme, die noch in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Nordwestecke ihres Landes verwahrt war, aber verschollen ist. Sie war benutzt als Schmuck eines Kreuzes, das wohl als verloren betrachtet werden muß. Aber ich hege die Hoffnung, daß wenigstens die Gemmen, die es einst zierten, sich irgendwo erhalten haben, vor allem die hier zu erörternde, die ein wichtiges Geschichtsdenkmal darstellen würde, falls es gelänge, sie wieder aufzustöbern. Für alle Hinweise, die mir zukommen, werde ich dankbar sein - auch für solche, die nur mittelbar weiterhelfen.
a) Das Kreuz von Besa!tl In dem nur zo Kilometer von der spanisch-französischen Grenze entfernten Städtchen Besahi am Südabhang der Pyrenäen befand sich ein Kreuz, von dem uns der Presbyter DoN ]ArME VrLLANUEv A in einem I 8 5I erschienenen Buche eine Beschreibung bietet1 . Ich wiederhole sie wortgetreu: »Alli mismo - en Ia Colegiata de Santa Maria, de Besahi - vi una cruz de plata ... Tengola por obra del siglo XIII; a lo menos las figuras de Evangelistas y Querubines son de ese tiempo; pero se encastaron en ella joyas mas antiguas ... EI palo vertical es de cuatro palmos, el travesafio de tres; en Ia cara principal, donde esta Ia figura de Cristo con tres clavos, hay varios camafeos, una cabeza de Emperador, y otra superba de Medusa en agata. Mas notable es el reverso, en cuyo centro hay un cuadrado, y en uno de los angulos de el un camafeo en fondo que representa un personage en pie, apoyando sobre un escafio el pie izquierdo levantado, y con Ia mano derecha escribiendo 6 pintando sobre una tarja: tiene Ia cabeza con morrion, y en Ia espalda se descubren algunas puntas como de flechas. Esta figura es muy menuda, pero muy bien trabajada. En otro angulo hay un sello arabe. EI centro de dicho cuadrado ocupa un grande sello oval de piedra oscura, que no conozco, con este letrero:
+
KARVLVS REX INPERATOR
La antigüedad de Ja letra y Ia sustancia del letrero obligaron a decir que esta alhaja pertenecia cuando menos a Carlos Calvo, Rey y Emperador desde el afio 840 ...
*
Zuerst auf spanisch gedruckt in: Anuario de estudios medievales I, Barcelona r 964 S. 495502 (Un sello en piedra de Carlomagno en Besalu: 2 perdido o bien olvidado en alguna collecci6n?). I Viaje Iiterario a las Iglesias de Espafia XV, Madrid I8j I S. 86-88 (einen Hinweis auf
dieses Werk verdanke ich Prof. Dr. HANS WENTZEL, der darauf aufmerksam gemacht wurde durch Madame M. GAuTHIER, die verdiente Erforschetin der Emails von Limoges). Danach kurz erwähnt in »Geografia de Catalufia 1«: Geografia general, Barcelona I963 S. 73 I.
Das Kreuz von Besah\ En el brazo derecho de Ia cruz hay otro camafeo grabado en fondo en Iapislazuli, que representa una figura humana monstruosa, en pie, con Ia cabeza coronada, y las piernas y pies abiertos en arco como colas de serpiente: en Ia mano derecha tiene un latigo y en Ia izquierda un escudo 6 padron. En el brazo izquierdo de dicha cruz hay otro camafeo con un dibujo G6tico, parecido al reverso de las medallas de Liuva, etc.; otro representa un Sagitario (signo celeste); en Ia asta de Ia cruz hay dos de delfines: otro en relieve de una muger desnuda, airosa sobremanera, con un manto suelto asido de Ia mano derecha, y tendido por Ia parte opuesta de Ia figura: en Ia izquierda extendido un baculo, sobre el cual parece apoyarse.«
Weitere Zeugnisse aufzuspüren, ist mir nicht gelungen 2 • Ich kann mich daher nur an das halten, was VrLLANUEVA mitteilt. Aus seiner Beschreibung ergibt sich, daß das Kreuz von Besalu mit folgenden Gemmen verziert war: I. Kaiserkopf; z. Meduse (Achat); 3. (auf der Rückseite in einer der Ecken des Mittelquadrats) eine kleine, aber sehr gut gearbeitete stehende Gestalt, den linken Fuß gestützt auf einen Sitz und mit der Rechten auf einer Tafel schreibend oder malend, auf dem Haupt eine Kopfbedeckung, auf dem Rücken einige Spitzen (wie Pfeilspitzen); 4· (ebd.) in einer anderen Ecke ein arabisches Siegel; 5. (ebd. im Zentrum) der karolingische Siegelstein (s. unten);
J. RuBI6-Lors, Sekretär des Centro de Estudios Hist6ricos Internadonales an der Universität Barcelona, hatte die Freundlichkeit, mich mit Hinweisen zu versorgen. Er meint, daß das Kreuz verschwunden sei »durante los sucesos de Ia exclaustraci6n (seguramente en I 8 3 5)«, und besinnt sich darauf, etwas über das Verschwinden des Kreuzes gelesen zu haben. Er meint, daß es sich um das Werk von FR. MoNSALVATJE (s. unten) handele; doch habe ich in diesem eine solche Angabe nicht gefunden. Professor RuBI6-Lors hatte ferner die Freundlichkeit, auch noch Herrn Dr. J. ArNAUD, den Direktor des Museo de Arte in Barcelona, zu befragen; doch waren diesem keine weiteren Anhalte bekannt. Wichtig ist dagegen dessen Hinweis auf ein - gleichfalls verschollenes Reliquiar in La Garriga mit der Inschrift: KaroJus Magnus mihi (sie) fecit, von dem noch Photographien vorhanden sein sollen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn ein Sachkenner uns alles vorlegt, was sich über dieses Reli-
z Herr
quiar noch feststellen läßt. D. FRANCrsco MoNSALVATJE Y FossAs, Collecci6n diplomatica del Condado de Besalu, Olot 190I (Bd. XI seiner >Noticias Hist6ricas<; die folgenden Bände enthalten nur Urkunden) behandelt S. 56 ff.: >Arte y letras< in der Grafschaft (S. 63 über die >Majestats<, S. 66 über das älteste erhaltene Beispiel in San Mil!an de Ia Cogulla, 9· Jahrh.), aber er erwähnt keinen Kirchenschatz und kein mit Steinen besetztes Kreuz. Nicht zugänglich ist mir die Lit. der voraufgehenden Zeit: ALsrus Y ToRRENT, Pere: La ss. V era-Creu de Besalu, ohne Datum; MONSALVATJE Y FossAs, Francisco: Noticias hist6ricas, I-II: Besalu, su historia, sus condes, su obispado y sus monurnentos X, I889/9o; Geografia hist6rica del condado de Besalü XI ff., I 899; Colecci6n diplomatica del condado de Besalu, I9DI-8; Oliv6 y Formenti, Joaquim: Sant Pere de Besalu, in: Revista de Gerona, IX, I885.
2.8
A 2:
Ein Siegelstein Karls des Großen in Besalu
6. (auf dem rechten Querbalken) ein menschenartiges, stehendes Monstrum mit gekröntem Haupt, die Beine und Füße in Schlangenschwänze übergehend, in der Rechten eine Peitsche oder Strick ( ldtigo) und in der Linken einen Schild haltend (Lapislazuli); 7· (auf dem linken Querbalken) ein >gotisches Muster< 2• ; 8. das Sternbild des Schützen (>Sagittarius<); 9-Io. (auf dem Längsbalken) Delphine; I I. eine nackte, ungemein anziehende Frau, mit einem Mantel, in der Linken einen Stab haltend, auf den sie sich zu stützen scheint. Es ergeben sich zwei Fragen, die nacheinander zu beantworten sind: a) Für wen wurde der unter Nr. 5 aufgezählte Stein geschnitten? b) Wie alt war das Kreuz von Besalu?
b) Die Gemme des >Karulus rex-inperator< Diese Gemme aus dunklem Stein, die Villanueva mindestens Karl dem Kahlen, also vielleicht auch Karl d. Gr. zuschrieb, hatte ovale Form. Leider sagt er nichts über den Kopf, der sie schmückte - dieser ist als selbstverständlich anzunehmen, da es kein karolingisches Siegel, keine karolingische Bulle ohne Kopfbild gibt. Villanueva gibt nur die Inschrift wieder. Sie wird, wie auf den bekannten Siegeln und Bullen, den Rand gebildet und oben nach einem Kreuz eingesetzt haben, also rechts: KARULUS REX (10 Buchstaben) undlinks (aufsteigend): INPERATOR (9 Buchstaben). Die - an sich überraschende - Tatsache, daß der Königstitel vor dem Kaisertitel stand, erklärt sich wohl schlicht und einfach durch die Tatsache, daß sonst der Kaisertitel in zwei Hälften zerrissen worden wäre. Es fragt sich, welcher der Kaiser mit dem Namen Karl gemeint war. Es hat drei gegeben: Karl III. (t 888), früher >der Dicke< genannt, kann wohl ausgeschlossen werden, da seine Herrschaft über das Westfrankenreich kurz war und auch nur nominell bestand: wie sollte ein Siegelstein aus seinem Besitz nach Besalu gelangt sein? Karl II., der Kahle (Kaiser 875, t 877) führte neben dem Kaisertitel nie den Königstitel3 • So bleibt allein Karl der Große, dessen Kaisertitel bekanntlich bis zum Ende seiner
za Zu »medallas de Liuva« vgl. die Enddopedia Universal Illustrada XXX, Madrid etc. o. J. S. II93, daß vom Westgotenkönig Liuva I. Ct 572) einige »medallas« bekannt sind (Hin-
weis von R. Elze). 3 G. TESSIER, Recueil des actes de Charles II Je Chauve roi de France, I-III, Paris 1943-5 5.
Die Gemme des >Karulus Rex-Inperator<
Regierung lautete: ... imperator Romanum gubernans imperium, qui et per misericordiam Deirex Franeorum et Langobardorum4 • Also ein Siegelstein Karls des Großen, allerdings - so müssen wir gleich hinzusetzen- ein Stein, der für Karls Urkunden nie benutzt worden ist. Der Brauch in Karls Kanzlei ist seit langem genau erforscht. Es steht daher fest, daß sie eine ovale antike Gemme benutzte, die einen Kaiser (Commodus, Antoninus Pius?) oder einen Philosophen darstellte und für Karl durch die hinzugesetzte Umschrift benutzbar gemacht worden war: t Chr(iste), profege Carolum regem Francorum. Dieses Siegel, das von 772 an nachweisbar ist, wurde unverändert bis zu Karls Tod (814) benutzt, obwohl der große Franke von 8or an vor dem Königstitel den Kaisertitel führte 5 • Außerdem wurde für die Urkunden des Hofgerichts ein zweites Siegel verwandt, das der Umschrift entbehrte6 • Für dieses wurde eine Gemme mit dem Kopf des Serapis herangezogen, des von den Römern aus Ägypten entlehnten Fruchtbarkeitsgottes mit dem auf dem Scheitel getragenen Getreidemaß. Dieses Hofgerichtssiegel ist zweimal nachweisbar: 775 und 812; es wurde also gleichfalls sowohl in der Königs- als auch in der Kaiserzeit benutzt. In beiden Fällen ist von dem Bestreben nach einer auch nur annähernden Ähnlichkeit nichts zu spüren; denn die Franken trugen keinen Vollbart 7 • Außerdem benutzte Karl der Große zwei Metallbullen: eine in der Königs-, die andere in der Kaiserzeit 8 • Die zweite ist nur in einem- heute durch Bleifraß fast ganz zerstörten- Exemplar erhalten; aber alte Stiche geben die Gewähr, daß auf ihr Karl mit dem für die Franken bezeichnenden hängenden Schnurrbart und rasierten Kinn dargestellt war 9 , also so wie auf Münzen mit seinem Kopf aus der Kaiserzeit. \Vie war Karl auf dem Stein von Besalu dargestellt? Wir wüßten es gern, aber VILLANUEVA hat nichts darüber aufgezeichnet. Als Siegelstein, der nicht benutzt wurde, steht die Gemme von Besalu nicht isoliert. Bekannt sind noch zwei vergleichbare Objekte:
4 P. E. ScHRAMM, Die Anerkennung Karls d. Gr. als Kaiser, in der Histor. Zeitschr. IF, I95I S. 499 = Buchausgabe: München I952 S. 55 ; DERS.; Kar! d. Gr. im Lichte der Staatssymbolik, in: Karoling. u. Otton. Kunst. Wiesbaden I957 S. 36 (beide Aufsätze jetzt Bd. I S. I93ff. und S. 2I5ff.). 0. PossE, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige von 75I-I8o6, I, Dresden I909 1'. I, 4 (dazu II T. 52, 7 und V S. 5) sowie P. E. SCHRA1!M, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit I: 75 I-II 52, Lpz.-Berlin 1928 S. I67 und T. za.
6 PossE a. a. 0. I T. I, 5 (dazu V S. 5 f.) und ScHRAMM a. a. 0. S. I 67 und T. 2 b. 7 P. E. SCHRAMM, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik I, Stuttgart I 9 54 S. r I 8 ff. 8 P. E. ScHRAMM, Die zeitgenössischen Bildnisse Karls d. Gr., Leipzig-Berlin I928 (Beiträge zur Kulturgesch. des Mittelalters und der Renaissance 2a) S. 21fT., kurz auchDERS., Kaiser und Könige a. a. 0. S. I68 und T. 3,1. 9 Zeitgenössische Bildnisse a. a. 0. S. z6 ff. (vgl. jetzt oben S. ziff.) und: Kaiser und Könige S. I68 und T. 3, z.
A2 : Ein Siegelstein Karls des Großen in Besahi
a) ein 1946 gefundener Siegelstempel aus Agat (fälschlich >schwarzer Bernstein< genannt) mit dem Kopf Ludwigs des Frommen (t 843), der gleichfalls eine unkorrekte Umschrift aufweist und durch Schnitte zur Benutzung unbrauchbar gemacht wurde10 ; b) ein Siegelstein des Königs Lothar II. von Lotharingien (t 869), der den von diesem Urenkel Karls des Großen benutzten Gemmen ähnelt, aber - obwohl formal korrekt- nie benutzt wurde11 • Er ist erhalten, da er zur Vermehrung des Schmuckes eines Kreuzes verwandt wurde, das Kaiser Otto III. ( t 1001) herstellen ließ12 • Es liegt zu Tage, weshalb der Stein von Besahi für die Kanzlei Karls des Großen unverwendbar war. Diese benutzte die Namensform: KAROLVS (anfangs auch: CAROLVS), nie jedoch KARVLVS, und sie schrieb immer: IMPERATOR, nicht INPERATOR 13 • Man wird also folgern müssen, daß ein Gemmenschneider einen von ihm geschnittenen oder mit Hilfe einer antiken Gemme hergerichteten Stein der Kanzlei14 vorlegte, diese jedoch dessen Benutzung ablehnte, da die Beschriftung in zweifacher Weise Anstoß auslösen mußte. Als Siegel war der Stein von Besalu daher nicht zu benutzen; aber als Schmuck eines liturgischen Geräts war er noch verwendbar. Das führt uns auf die zweite der aufgeworfenen Fragen.
c) Wie alt war das Kreuz von Besalu? Wie das Beispiel Lothars II. zeigt, konnte ein für den offiziellen Brauch nicht verwendbarer Stein lange liegen bleiben, bis er als >Ornament< eines liturgischen Geräts Verwendung fand. Laut VrLLANUEVAS Beschreibung handelte es sich um ein silbernes Kreuz, vier IO Bekannt gemacht durch DIETRICH W. H. ScHWARZ, Ein karolingischer Fund aus dem Kanton Zürich, in den Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 62, I954 S. 92-96 (danach in dem von mir vorbereiteten Nachtragsband zu meiner Edition der Kaiser- und Königsbildnisse: später Bd. V). rr PossE a. a. 0. I T. 2, 4 mit V S. 7 und ScHRAMM, Bildnisse a. a. 0. S. I74 und T. 24C. I2 P. E. SCHRAMM und FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, 768-I25o, München I963 S. I55 und T. Io6.
I 3 V gl. die von mir angeregte, leider noch ungedruckt gebliebene Diss. von SrGURD GRAF PFEIL, Der Titel der fränkischen Könige und Kaiser bis 9II, Göttingen I958 (443 S. in Schreibmaschinenschrift). Ein Abschnitt erschien in: Die Welt als Geschichte, I959 S. I94-210 (Der Augustus-Titel der Karolinger); ein Auszug unten S. 75 ff. I4 Über deren Funktion vgJ. J. FLECKENSTEI:--1, Die Hofkapelle der deutschen Könige. I: Grundlegung. Die Karolingische Hofkapelle, Stuttgart I959 (Schriften der Menumenta Germaniae historica I 6, I); vgl. dazu Bd. I S. 349ff.
Wie alt war das Kreuz von Besa!U?
Handbre it hoch, drei Handbre it quer gemesse n (wenn palma = 20 cm, also So : 6o cm), d. h. dem Aachene r >Lotharkreuz< Ottos III. (49,8 : 38,8 cm)1 5 und dem aus der Zeit Heinrich s II. stammen den Münche ner >Giselakreuz< (44, 5 : 32 cm)16 weit überlegen. Aus der Beschre ibung geht nicht hervor, wo auf dem Kreuz die in ihr erwähnt en Evangel isten und Cherubi me angebra cht waren, die nach VrLLANUEVA aus dem I3· Jahrhun dert stammte n. Können wir uns auf diese Angabe verlassen? Der Crucifixus war bereits mit drei Nägeln an das Kreuz geschlag en, also mit einem Nagel durch beide Füße: eine Neuerun g, die sich erst im r 3. Jahrhun dert durchset zte. Auffallend ist, daß es sich nur um ein silbernes Kreuz handelte. Denn bei der Verwendun g so vieler wertvoll er Gemmen müßte man annehme n, daß auch beim Metall das edelste genomm en wurde. War etwa eine ursprüng liche Vergold ung nicht mehr zu erkennen ? Daß eine arabische Gemme verwand t wurde, spräche für eine Herstell ung des Kreuzes in Spanien ; aber sie kann an die Stelle eines verloren gegange nen Steines gesetzt worden sein. Auch sind Werke der moslimi schen Kleinku nst im ganzen Abendla nd geschätz t worden; die Verwen dung dieser Gemme gibt also keinen sicheren Anhalt. Die Mehrzah l der Gemme n war offensichtlich antiker oder spätantik er Herkunf t (vermutlich auch Nr. r: >Kopf eines Kaisers<). Aber dieses Faktum besagt weder etwas für die Herkunf t noch für das Alter des Kreuzes : Diese antiken Steinsch nitte haben sich bekanntl ich im ganzen Mittelalt er und in allen Ländern großer Beliebth eit erfreut. Wichtig ist die Angabe, daß Karls Siegelstein auf der Rücksei te im Mittelqu adrat, d. h. im Schnittp unkt der beiden Balken, seinen Platz erhalten hatte. Es handelt sich hier also um einen Fall des Motivs: >Kaiserbi ld im Kreuz<, dessen Geschic hte JosEF DEER in einem aufschlu ßreichen Aufsatz behande lt hat17 • Die Belege, die er aus dem Abendland beizubri ngen vermag, setzen erst im ro. Jahrhun dert ein; aber in Byzanz läßt sich das Motiv bis in das 4· Jahrhun dert n. Chr. zurückv erfolgen , und es mag daher auf Mißgeschicken in der Überlief erung beruhen , daß wir kein Zeugnis aus karolingischer Zeit namhaft zu machen vermöge n. Der tiefere Sinn dieses Motivs war eine Ehrung des Herrsch ers: auf Kreuzen , die er in Auftrag gab oder die für ihn als Geschen ke usw. angefert igt wurden, erhielt sein Bild einen Platz >Rücken an Rücken <- so darf man sagen- zu Christus ; der Dargestellte wurde also in sichtbarster Weise aus der Zahl der Sterblich en herausge hoben und in Beziehu ng zu Gottes Sohn gesetzt. 15 ScHRAMM-MÜTHERICH a. a. 0. S. T. ro6. 16 Ebd. S. r68 und T. I43·
I
55 und
I7 Das Kaiserbild im Kreuz, in den Schweizer Beiträgen zur Allgemein en Geschicht e XIII, I95 5 S. 48-rro.
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A 2: Ein Siegelstein Karls des Großen in Besahi
Diese Funktion ist auf dem Kreuz von Besalu auch der Karlsgemme zugewiesen worden. Das aber hatte nur Sinn in einer Zeit, in der die Erinnerung an Karl den Großen noch lebendig war bzw. ein Nachkomme von ihm lebte, der die Gemme mit dem Karlskopf auf sich beziehen konnte. Von Karl dem Kahlen (t 877), seinem Enkel, wissen wir, daß das Vorbild des Großvaters ihn leitete18 und er sich in Bildern und Versen gern zu ihm in Beziehung gesetzt sah19 • Das würde dafür sprechen, daß es sich bei dem Kreuz von Besalu bereits um eine spätkarolingische Arbeit gehandelt hat. Man müßte dann allerdings annehmen, daß es in der Folgezeit- wohl im 13· Jahrhundert- repariert bzw. umgeändert wurde. Das geschah in ähnlichen Fällen; unsere Annahme ist also nicht weithergeholt. Aber wir sind dadurch in den Bereich bloßer Vermutungen vorgedrungen, den der Historiker meiden soll. Solange nicht neue Zeugnisse beigebracht werden, müssen wir uns mit der Feststellung bescheiden, daß einzelne Teile des Kreuzes von Besalu erst dem hohen Mittelalter angehörten. Es darf jedoch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß sein Kern bereits aus der 2. Hälfte des 9· Jahrhunderts stammte.
d) Besa!U und das Frankenreich Vielleicht läßt sich in das Dunkel, das das verschollene Kreuz umgibt, noch etwas Licht bringen, wenn man die Beziehungen der Grafschaft Besalu zum Frankenreich mustert. Die Kollegiatkirche St. Maria, in der das Kreuz verwahrt wurde, ist nicht vor der z. Hälfte des Io. Jahrhunderts nachweisbar, und das BistumBesalu ist erst in der 1. Hälfte des I 1. Jahrhunderts eingerichtet worden 20 • Handelte es sich bei dem Kreuz bereits um eine karolingische Arbeit, wird es sich also nicht um ein Geschenk an die I<::irche gehandelt haben, sondern an einen der Grafen von Besalu, die als Seitensprossen der Grafen von Barcelona ihre eigenen Ziele verfolgten 21 • Sie waren daher für die westfränkischen Herrscher von Bedeutung; denn diese hielten an ihrem Anspruch, Oberherren der Spanischen Mark zu
r8 P. E. ScHRAMM, Der König von Frankreich, I, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt 196o) s. 9ff. 19 ScHRAMM-MÜTHERICH, a. a. 0. S. 130 und T. 42 (Viviansbibel), S. 137 und T. 58 (Reitersta tuette). 20 VrLLANUEVA a. a. 0. S. 53ff.; dazu P. KEHR, Das Papsttum und der Katalanische Prinzi-
pat bis zur Vereinigung mit Aragon, Berlin 1926 (Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1926, Philos.Histor. Klasse Nr. r) = katalanische Übersetzung in den Estudis Universitaris Catalans, XII-XVI, Barcelona 1927/30. 21 RAMON n'ABADAL I DE VrNYALS, Catalunya Carolingia I-II, Barcelona 1926 und 1952.
Besahi und das Frankenreich
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sein, fest 22 und sahen ihn - wie die Datierung in den aragonesischen Urkunden zeigt- ja in lockerster Form noch bis in das hohe Mittelalter anerkannt. Für Kirchen in der Grafschaft Besah! haben Karl der Große eine, Ludwig der Fromme zwei, Karl der Kahle mehrere Urkunden ausgestellt, und auch unter den Nachfolgern war das noch der Fall 23 • Es müssen also Gesandtschaften hin- und hergegangen sein, und es ist - da dies das Übliche war - anzunehmen, daß auf diese Weise auch Geschenke westfränkischer Herrscher ihren Weg in die Pyrenäengrafschaft gefunden haben: in unserem Falle also möglicherweise die eine oder andere Gemme oder schon ein fertiges Kreuz, auf denen sie bereits als Schmuckstücke Platz gefunden hatten. Soviel läßt sich zur Zeit sagen, wenn man versucht, VrLLANUEVAS Angaben im geschichtlichen Raum zu würdigen und in die Kunstgeschichte sowie in die Entwicklung der Sigillographie einzufügen. Aber gibt es nicht doch noch weitere Zeugen, die das Kreuz von Besah! einmal gesehen und Angaben über dieses verschollene Kunstwerk niedergeschrieben haben? Ist es nicht irgendeinmal in einer Urkunde oder in einem Inventar erwähnt worden? Ist die Hoffnung völlig unberechtigt, daß - falls das Kreuz zugrunde ging - wenigstens die Gemmen erhalten blieben und vergessen oder unbeachtet in irgendeiner Sammlung schlummern? Sollte das der Fall sein, kann es sich wohl nur um eine spanische handeln. Mögen diese Hinweise die Sachkundigen animieren, Umschau zu halten! zz Nicht nur Kar! der Kahle, sondern auch der Gegenkönig Odo (888) übersandten die von ihnen bei der Krönung geleisteten promissiones nach Barcelona, um zu beweisen, daß der Thronwechsel rechtmäßig vollzogen war; vgl. P. E. SCHRAMM, Die Krönung bei den Westfranken und Angelsachsen von 878 bis
3 Schramm, Aufsätze II
um rooo, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 54, Kanon. Abt. 23, 1934, S. 135f. (jetzt unten S. 154f.). 23 Aufgezählt bei MoNTSALVATJE a. a. 0.: S. 87 (Karl d. Gr.: 2. 4· 8rz), S. 89ff. (Ludwig der Fr.), S. ro8ff. (Kar! d. K.), S. r3off. (seine Nachfolger).
3. Karl der Große im Lichte seiner Siegel und Bullen sowie der Bild- und Wortzeugnisse über sein Aussehen* Karls Vater, der König Pippin (751-768), hatte sich zweier Siegelstempel bedient1 • Der ältere, bereits in der Hausmeierzeit nachzuweisende, der nur die Größe eines Daumennagels hat, zeigt einen Kopf im Profil, an dessen Halsansatz der Mantel angedeutet ist. Das Kinn ist bartlos; ob eine Krone dargestellt sein soll, ist nicht eindeutig zu erkennen, ebenso ob über der Oberlippe jeder Bart fehlt; anzunehmen ist ein solcher. Dank der intensiven Nachsuche, die HANS WENTZEL anstellte, steht heute fest, daß auch in karolingischer Zeit Gemmen geschnitten worden sind; der von Pippin beauftragte Stempelschneider war allerdings kein großer Meister 2 • Außerdem benutzte König Pippin eine antike Gemme ohne Umschrift, in die ein Bacchuskopf mit starkem Backenbart und Weinranken im Haar eingraviert war 3 • Pippins zweiter Sohn, der König Karlmann (768-771), setzte sich vollends über die Frage der Ähnlichkeit hinweg: er benutzte als Siegelgemme die Profilbüste einer Bacchantirr ohne Umschrift4- für die Verwendung dieser Gemme mag gesprochen haben, daß es in dieser Zeit wohl niemandem möglich gewesen wäre, einen Siegelabdruck einwandfrei zu fälschen. Pippin und Karlmann haben sich beide mit Münzen ohne ihr Kopfbild begnügt. Es ist bezeichnend, daß Karl der Große die fränkische Tradition durchbrach, wieder an die römische anknüpfte und Bullen sowie Münzen mit seinem Kopfbild prägen ließ5 , noch dazu solche von künstlerischer Qualitäts.
* Zuerst gedruckt in: Kar! der Große. Lebenswerk und Nachleben, hg. von WoLFGANG BRAUNFELS I, Düsseldorf I965 S. 43I-9 (hier verkürzt, soweit sich dieser Aufsatz auf den Abschnitt oben S. r 5 ff. bezieht). I Siehe Anhang z. Vgl. zum Folgenden 0. PossE, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, Dresden I 909 ff.; hier kommen Band r, Band 4 (Nachträge) und Band 5 (Text) in Betracht. Siehe ferner P. E. ScHRAMM, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit r: 751-rrp, Leipzig-Berlin 1928 (Band I: Text; Band z: Abbildungen). Nachträge bringt Band V (die dortigen Feststellungen werte ich hier bereits aus). Zur Entlastung des angeführten Buches veröffentlichte ich: Die zeitgenössischen Bildnisse Karls des Großen, Leipzig-Berlin 1928 (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der
z ; 4 5 6
Renaissance 29). Vgl. hier besonders Abschnitt B: Die beiden Metallbullen (wiederabgedruckt oben S. r 5 ff.). - Dazu jetzt: Kar! der Gr. - Werk und Wirkung. Ausstellungskatalog, Aachen I965 (568 S. mit I 58 Tafeln). PossE I, S. r, Nr. r = ScHRAMM, Die deutschen Kaiser (wie Anm. r), Abb. I. PossE r, S. r, Nr. 2. Ebd., Nr. 3· ScHRAMM, Die deutschen Kaiser, Abb. 6a-m. PH. GRIERSON, Money and Coinage under Charlemagne, bei BRAUNFELS a. a. 0. I, S. 50I-536 mit Pl. I-IV; s. auch H. VöLCKERS, Karolingische Münzfunde der Frühzeit (751 bis 8oo), Göttingen 1965 (Abband!. der Akad. der Wiss. in Göttingen, Phil.-Hist. Kl., ;. FolgeNr. 6r) S. 59, 145·
Karls des Großen Siegel und Bullen
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a) Karls des Großen Siegel Bei seinen Siegeln bewahrte Karl den Brauch des Vaters. Er benutzte eine antike Gemme, die einen bärtigen Kopf bietet7 • Die Gemme erhielt jedoch - dies war neu (S. I6:) gegenüber Vater und Bruder-die Umschrift: Christe,protege Carolum regem Francorum. Sie läßt erkennen, daß dem Hof byzantinische Siegel bekannt waren; denn seit dem Ende des 6. Jahrhunderts sind solche bekannt, die anfangen mit den Worten: Kvete, ßo~fJet ... Der König eignete sich also das fremde, ihm vermutlich völlig unähnliche Bild als sein eigenes an. Nicht nur das: er behielt den gleich zu Anfang seiner Regierung in Gebrauch genommenen Siegelstempel bis zu seinem Tode bei, also bis in eine Zeit, in der er laut Aussage seiner Münzen sicher den fränkischen Schnauzbart trug und auch einen anderen Titel führte. Das ist bei Karls ausgesprochenem Sinn für Genauigkeit8 ein sehr merkwürdiges Faktum, für das sich keine eindeutige Erklärung anbietet. Darf man geltend machen, daß auch in diesem Falle Karls Sinn für das Bewahren sich auswirkte? Sollte etwa sein in allen Teilen des weiten Reiches bekanntgewordenes, schwer zu fälschendes Siegel nicht geändert werden, damit bei jüngeren Urkunden durch einen Blick auf ältere leicht zu klären war: ja, auch sie stammt von Karl, unserem Herrn? Am Rande sei vermerkt, daß Karls Hofgericht ein eigenes Siegel führte: es benutzte dazu eine Gemme mit dem Kopf des Jupiter Serapis 9 • In diesem Falle wurde darauf verzichtet, das Bild des Gottes durch eine Umschrift für Karl zu >annektieren<. Es sind nur zwei Abdrucke bekannt: der eine vom Anfang der Königszeit (775), der andere vom Ende der Kaiserzeit (8rz). Hier kommt also noch einmal jener Zug des Bewahrens zum Ausdruck.
b) Karls des Großen Bullen Erhalten sind zwei Bullen: jede von ihnen nur in je einem Abdruck vorliegend, die eine aus der Königszeit, die andere aus der Kaiserzeit, beide der Forschung und Deutung manche Fragen stellend1o.
7 PossE I, S. I, Nr. 4 = ScHRAMM, Abb. 2a = Katalog I965 S. I86f. 8 Vgl. P. E. ScHRAMM, Kar! der Große, Denkart und Grundauffassungen - Die von ihm bewirkte Correctio (>Renaissance<) (Hist. Zeitschr. I98, I964), S. 306-345 (s. jetzt B. I s. 302 ff.). 9 PossE I, S. I, Nr. 5 = ScHRAMM, Die deut-
sehen Kaiser, Abb. 2 b. IO Ich fasse hier meine Feststellungen in dem angeführten Abschnitt B (Die zeitgenössischen Bildnisse [wie Anm. I], S. 20-29) zusammen und ergänze sie durch Fakten, die sich inzwischen ergaben (Katalog I965, S. I86f.).
A 3: Kar! der Große im Lichte der Zeugnisse über sein Aussehen I.
Die Kö'nigsbulle (Durchmesser ;g-42 !llm) 11
Auf der münzähnlich en Hauptseite ist- wie auf dem Siegel Pippins- ein (gekrönter) Kopf im Profil zu sehen, unter dessen Halsansatz noch der Mantel angedeutet ist. Auf der Rückseite nimmt den Platz des Kopfes das von Karl dem Großen gleich zu Beginn seiner Regierung eingeführte und zeitlebens festgehaltene Monogramm ein12 • Um Kopf und Monogramm laufen zwei Hexameter (der zweite leoninisch aufgeteilt) herum: (vorn) Jesu nale Dei, Carlum dejende potenter. (hinten) Gloria sit Christo regi et victoria Carlo. ( S. I 7 :) Diesen Versen liegt der Wortlaut der Laudes zugrunde, d. h. jener Bitten und Hochrufe, die- im Anschluß an die römisch-byzantinische Tradition -in eigenwillig abgeänderter Form Karl seit den siebziger Jahren dargebracht wurden13 • Um die Einzelheiten des Originals, die heute nicht mehr oder nicht mehr gerrau erkennbar sind, festzustellen, kommen uns zur Hilfe: zwei ältere Nachzeichnu ngen, ferner eine auf Karl den Kahlen zu beziehende Silbermedaille des 17./18. Jahrhunderts sowie die erste der vom Kaiser Otto III. benutzten Bullen, die die Karls kopierte14.
Dadurch läßt sich nicht nur das ehemalige Aussehen des Originals rekonstruiere n, sondern auch - was auf Grund des Stils allein nicht möglich wäre - klären, welcher Karl dargestellt ist: Das Bemühen Karls des Kahlen lief darauf hinaus, sich vor der Öffentlichkeit in Korresponde nz zu seinem Großvater zu setzen und dadurch etwas von dessen gewaltigem Ansehen auf sich zu lenken15 , und Otto III. war ja so gepackt von der Autorität des großen Vorgängers, daß er nachts sein Grab öffnen und sich schließlich neben ihm begraben ließ 16 • Kein Zweifel, daß dieser Kaiser an Hand von bullierten Urkunden noch sicher festzustellen vermochte, welcher Carlus dargestellt I I ScHRAMM, Die deutschen Kaiser, Abb. 3 a-b (nicht bei PossE). I2 Über dieses und seinen Platz in Karls Denken vgl. ScHRAMM, Kar! d. Gr. a. a. 0., S. 329ff. I 3 Ihre Geschichte klärte E. H. KANroRowrcz, Laudes regiae. A Study in Liturgkai Acelamadons and Mediaeval Ruler Worship, Berkeley-Los Angeles I946 (seither neue Auflage), besonders Kap. II: The GalloFrankish Laudes; vgl. auch ders., Ivories and Litanies (Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5, I942), S. 56-Sr. Die erhaltenen Texte edierte B. ÜPFERMA.c'lN, Die liturgischen Herrscherakkla mationen im Sacrum Imperium des Mittelalters, Weimar
r 9 53 (einsetzend mit den Laudes von Soissons-Montpelli er, 783-792). I4 Ebd., Abb. 5 h = Abb. 69a (die Rückseite der Bulle Ottos zeigt die Gestalt der Roma, knüpft also an die Roma auf Karls Kaiserbulle an, nur daß sie dort durch ein Stadttor repräsentiert ist). I5 P. E. ScHRAMM, Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9· zum I6. Jahrhundert, Weimar I939 (anast. Neudruck mit Nachträgen: Darmstadt I96o), Kap. I: Kar! der Kahle. I6 Ders., Kaiser, Rom und Renovatio I, Leipzig-Berlin I929 (anast. Neudruck mit Nachträgen: Darmstadt I957), Kap. IV: Otto III.
Die Königs- und die Kaiserbulle
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war. Es kann sich also nur um Karl den Großen handeln, und zwar um seine Königszeit (768-8oo ), da der Vers auf der Rückseite den Titel rex enthält. Als Ottos III. Bulle geschaffen wurde, war er achtzehn Jahre alt, kann also noch nicht jenen Backenbart getragen haben, den der Kopf seiner Bulle aufweist. Dieser findet sich auch auf dem Stich von 1729; er darf daher als gesichert für Karls Königsbulle angesehen werden. Insofern ergibt sich eine >Ähnlichkeit< zwischen der Bulle und Karls bärtigen Wachssiegeln. Zum Stich von 1729 gehört noch eine Sonderzeichnung der Krone: danach handelte es sich um einen Reif mit drei Reihen von Edelsteinen mit vier auf dem Rand befestigten dreiteiligen Ornamenten. Diesen Reif weist auch Ottos Bulle auf; doch wird er überwölbt von einer Halbkugel, auf deren Scheitel ein weiteres dreiteiliges Ornament angebracht ist: der ottonische ( S. I 3:) Meister hat seine Vorlage also dahin verstanden, daß Karl einfaislum aureum trug17 , also jene seit der Mitte des 9· Jahrhunderts vonKarls Nachkommengetragene Krone mit zwei sichüber dem Scheitel überschneidenden Bügeln, zwischendenen die Lücken durch eine Haube geschlossen waren und von der man gern wüßte, ob sie etwa schon vonKarl dem Großen eingeführt wurdel 8 - sie war offensichtlich dazu bestimmt, >staatssymbolisch< den Herrscher des Abendlandes nicht hinter dem (eine geschlossene Krone, das >Kamelaukion<, tragenden) Basileus in Konstantinopel zurücktreten zu lassen. Daß dies bereits ein Anliegen Karls des Großen in seiner Königszeit war19 , wird durch nichts handgreiflicher belegt als durch unsere Bulle. Im Rahmen des fränkischen Herkommens stellte sie etwas völlig Neues dar; angehängte Bullen benutzten dagegen seit eh und je der Kaiser und seine hohen Beamten (daher auch der Papst). Wenn also Karl neben der Besiegelung mit Wachs bei besonders gewichtigen Anlässen die Bullierung anwandte, kann das nur mit einem Seitenblick auf Konstantinopel geschehen sein. 2.
Die Kaiserbulle
Auch diese Bulle, gleichfalls verwahrt im >Departement des Medailles< und noch schlimmer vom Bleifraß heimgesucht, ist losgelöst von ihrer Urkunde überliefert 20 • Für welchen Karl sie angefertigt wurde, muß sie also selbst beantworten. I7 Auch die Nachzeichnung von I900 setzt voraus, daß über diesem Reif nicht Haare, sondern Kronenbügel angedeutet \Varen. I8 Vgl. P. E. ScHRAMM, Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen (Festschrift für K. G. HuGELMANN, hrsg. von \V. WEGENER, 2, Aalen I95 9), S. 561-578 (mit I 3 Abb.); s. jetzt unten S. 99ff. Dazu kommt noch als neuer Beleg das in Ellwangen entdeckte Kästchen; vgl. ders., Neuentdeckte Bildnisse Karls des Kahlen, seiner Gemahlin und
seines Sohnes (876/77): ein Beleg für die den Byzantinern nachgeahnrte Krone (Festschrift HER:>,!AN:-1 AuBIN, Wiesbaden I965 S. 6r5-24; s. jetzt unten S. rroff.). I9 Vgl. ders., Die Anerkennung Karls des Großen als Kaiser (Bist. Zeitschr. qz, 1951), S. 449-515; s. jetzt Bd. r S. 215ff.). zo ScHRAMM, Die deutschen Kaiser (wie Anm. I), Abb. 7 a (nicht bei PossE); s. dazu oben S. 2I ff.
A3: Kar! der Große im Lichte der Zeugnisse über sein Aussehen
Die Kaiserbulle unterscheidet sich von der Königsbulle vor allem dadurch, daß sie nur die Größe einer Münze hat (Durchmesser: 24 mm). Auf dem Original ist kaum noch etwas zu erkennen. Zu Hilfe kommen uns zwei1689 und 1704 veröffentlichte - Stiche sowie eine Nachzeichnung von 19oo 21 : sie decken sich im wesentlichen. Auf der Vorderseite ist in Dreiviertelprofil ein Kopf mit Krone zu sehen; die linke Schulter ist durch den Oberrand eines Schildes verdeckt; hinter diesem ragt senkrecht die Spitze einer Lanze empor. Der Kopf ist völlig unabhängig von dem Profilkopf der für Karl den Großen geprägten Münzen; er unterscheidet sich von diesen auch dadurch, daß ihm Herrscherzeiche n beigegeben sind, während der Münzkopfeine antike Vorlage nachahmend - sich mit einem Lorbeerkranz begnügt. Aber beide Köpfe entsprechen sich darin, daß Karl mit hängendem Schnurrbart und glattrasiertem Kinn dargestellt ist. Um den Kopf herum ist die Beischrift geführt: D(ominus) N(oster) KAR(olus) IMP (erator) P(ius) F(elix) P(er) P(etuus) AVG (ustus). Der von Pippin und Karl geführte, dem römischen Brauch entlehnte Titel Dominus noster verschwindet nach Ludwig dem Frommen wieder als Siegel- und Münzumschrift; er gibt daher die Gewähr, daß es sich nicht um Karl den Kahlen oder Karl III. handelt, sondern um Karl den Großen. Auch kommt der Titel der Bulle den Umschriften seiner Münzen sehr nahe: DN KARLUS IMP. AVG. REX F(rancorum) ET L(angobardorum). ( S. 19.) Wie bei den Karlsmünzen muß auch in diesem Falle eine römische Münze zu Rate gezogen sein- das zeigen ja schon die Buchstaben P F PP. In Band I. S. 274f. ist dargelegt, daß eine Silbermünze Konstantins des Großen benutzt wurde: dadurch erklären sich sowohl die Verkleinerung des Umfangs als auch das singuläre Faktum, daß Karl Speer und Schild mit einer Hand faßt. Der Kaiser trägt einen Kronreif mit jenem dreiteiligen Zierat, den wir bereits auf der Königsbulle fanden, der sich aber auch sonst nachweisen läßt. Den Gedanken, den Herrscher mit Schild und Lanze abzubilden (allerdings verteilt auf beide Hände), haben die Zeitgenossen so einleuchtend gefunden, daß erst Otto I. nach seiner Kaiserkrönung von diesem Brauch abging 22 • Das Auffallendste an dieser Kaiserbulle ist ihre Rückseite. Sie zeigt in der Mitte ein- von einem hohen Kreuz überragtes- Stadttor und darunter das Wort: ROMAsolche >Bildabbreviaturen< für >Stadt< gehörten zum herkömmlichen Bildbestand.
2I 22
Ebd., Abb. 7 b-d. Ebd., Abb. 59 (mit Stab und Reichsapfel). Mit der Lanze war bereits der Merowingerkönig Childerich (t 48I) auf seinem Siegel-
ring dargestellt worden; vgl. P. E. ScHRAMM, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik I Stuttgart I 9 54, S. 2 r 3 ff. mit Abb. I 3.
Ein verschollener Siegelstein
39
Um das Tor herum steht die- an Formulierungen der Antike anknüpfende- Umschrift: RENOVATIO ROMAN(i oder: orum) IMP(erii). Da Otto III. sie von neuem auf seine Bulle setzte und sie auch auf anderen Wegen weiter wirkte, ist sie zu einer Schlüsselformel für die Geschichte des mittelalterlichen Kaisertums geworden 23 • Es ist hier nicht der Ort, auszuführen, was der Gedanke der >Erneuerung< für Karls Wirken in der Zeit nach seiner Erhebung zum Kaiser bedeutete. Es ist nur noch zu fragen, ob sich die Herstellung der Bulle, die ja in den Jahren 8oo-8I3 erfolgt sein muß, noch gerrauer datieren läßt. Seit dem Jahre 803 ging Karl dazu über, besonders wichtige Urkunden mit dem Wort Legimus in roter Tinte zu unterschreiben, wie das der Basileus in Konstantinopel tat. Auch noch andere Gründe sprechen für die Vermutung, daß diese Neuerung mit der Benutzung einerneuen Bulle gekoppelt war 24 •
i· Ein verschollener Siegelstein azts der Kaiserzeit Karls des Großen In Besah\., einem spanischen Städtchen am Südabhang der Pyrenäen, nur zo km entfernt von der französischen Grenze, befand sich ein mit Gemmen von verschiedener Herkunft geschmücktes Kreuz, das wir noch durch eine I 8 5I veröffentlichte Beschreibung kennen- vermutlich fiel es I 83 5 der >Exclaustraci6n< zum Opfer 25 • Auf diesem Kreuz war auf der Rückseite in der Mitte eine ovale Gemme angebracht. Überliefert ist nur die Umschrift: KARVL VS REX ( ro Buchstaben) und INPERATOR (9 Buchstaben). Sie wird den Rand gebildet, also oben mit einem Kreuz eingesetzt haben und unten durch das - in der Beschreibung nicht erwähnte, aber gemäß den Siegeln und Bullen vorauszusetzende, bis zur Brust reichende Kopfbild getrennt worden sein (daß der Königstitel vor dem Kaisertitel angeführt ist, wird also wohl durch den äußeren Umstand bedingt gewesen sein, daß der Gemmenschneider das Wort !NPERATOR nicht auseinanderreißen wollte). ( S. 2 o.') Da Karl der Große der einzige Karolinger war, der Kaiser- und Königstitel nebeneinander führte, kannnur er gemeint sein. Aber er hat diesen Stein nie benutzt, und dessen Umschrift verstößt auch zweifach gegen den Brauch seiner Kanzlei: sie verwandte nur die Form KAROL VS (anfangs auch: CAROL VS), nie aber KARVLVS, und sie schrieb IMPERATOR undnicht!NPERATOR. Wirmüssen also schließen, daß es sich hier um eine für Karl entworfene, aber wegen dieser Fehler 23 Dargestellt in dem (Anm. 16) angeführten Buch: Kaiser, Rom und Renovatio (dort S. 42f. über Kar! den Großen). 24 W. ÜHNSORGE, >Legimus<. Die von Byzanz übernommene Vollzugsform der Metallsiegeldiplome Karls des Großen (Festschrift E. E. STENGEL, Münster-Köln 1952), S. 21-33 (wiederholt in ders., Abendland
und Byzanz, Darmstadt 1958, S. 50-63). 2.5 Vgl. zum Folgenden P. E. SCHRAMM, o:Un sello en piedra de Carlomagno en Besalu: ? perdido o bien olvidado en alguna colecci6n? (Anuario de Estudios Medievales r, Barcelonar964), S. 495-502 (der deutsche Wortlaut s. oben S. z6 ff.).:
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oder aus anderen Gründen nicht in Gebrauch genommen e Gemme gehandelt hat wir kennen solche Fälle aus der karolingischen Zeit. Ich machte die spanischen Kollegen in einem Aufsatz auf diesen Sachverhalt aufmerksam in der Hoffnung, daß der Stein noch in irgendeine r Sammlung oder in privatem Besitz aufgestöbe rt wird. Es wäre zum mindesten wichtig zu wissen, ob Karl hier wie auf der Kaiserbulle und den Münzen mit Schnauzba rt oder wie auf dem Siegel und der Königsbull e mit gestutztem Vollbart dargestellt war. Die Frage führt uns auf ein weiteres Problem, das zu erörtern ist.
c) Sonstige Bildzeugnisse für das Aussehen Karls des Großen Während des ganzen Mittelalters ist Karl unzählige Male dargestellt worden, und da die Vorstellun g von dem gewaltigen, ritterlichen, gerechten und weisen Herrscher allgemein war, führte sie dazu, daß man sich den ersten abendländi schen Kaiser als einen betagten, aber noch rüstigen, hochgewac hsenen Mann mit mehr oder minder großem Bart vorstellte. Wieweit entsprach dieses Bild der Wirklichkeit? Wir begnügen uns ja nicht mehr mit jenen alten Wunsch- und erst recht nicht mit den Idealbildern, die von der Historienm alerei des r 9· Jahrhunder ts entworfen worden sind. Wir möchten - wie bei allen entscheide nden Gestalten der Geschichte - auch im Falle Karls wissen, wie er wirklich ausgesehen hat. Was haben - unter diesem Gesichtswi nkel betrachtet - die Bildzeugnisse auszusagen? Der Bildbestand, den ich 1929 zusammengestellt habe, ist auf Grund weiterer Untersuchu ngen jetzt wie folgt zu berichtigen 26 • A. Um gesichert e Bilder Karls des Großen handelt es sich in folgenden Fällen: I-4: zwei Siegel und zwei Bullen (vorstehen d behandelt), wozu noch die verschollene Gemme von Besah! (s. oben) zu rechnen ist; 5: das durch eine Kopie ersetzte Mosaik im Triclinium des Laterans (Abb. 4a-c), ergänzt durch eine Reihe von Skizzen der Gruppe: Papst Leo III. - St. Petrus König Karl, die unter sich abhängig und zum Teil ohne Rücksicht auf das Original ausgeschm ückt sind (Abb. 4d-m). Sie stellen Karl teils mit Schnurrbart, teils mit Backenbar t dar oder lassen den Sachverhalt im unklaren - vermutlich war dieser im r6.jr7. Jahrhunde rt nur schlecht zu erkennen. G. B. LADNER nimmt an, daß das Original Karl mit Schnurrbar t darstellte.
26 Ich verwerte hier die Feststellunge n in den (in Anrn. r) angekündigt en Nachträgen in
Band V, der auch die noch fehlenden Abbildungen bringen wird.
Sonstige Bildnisse
6:
7:
4I
Hinzu kommt jetzt noch die Skizze des Onofrio Panvinio (t I 568) im Cod. Vat. Barb. lat. zn8f. I04L Sie ist die älteste, bildet aber Karls Gesicht so klein ab, daß sich für sein Gesicht nichts ergibt 27 • Das untergegangene Mosaik in Santa Susanna (Rom) mit Leo III. und Karl dem Großen, ( S. 2 I:), gleichfalls durch eine Reihe von Skizzen bekannt (Abb. 5a-e). Alle gebenKarleinen Schnurrbart 28 • Münzen (Abb. 6), vorstehend gelegentlich gestreift, gerrauer behandelt von PR. GRIERSON, Money and Coirrage under Charlemagne a. a. 0., und im Katalog 1965, S. 38ff., 149ff. mit Abb. ro-IZ, 30. Sie stellen Karl im Anschluß an die Vorlage, eine Münze des bartlosen Konstantirr des Großen, mit Schnurrbart dar.
B. Hierzu kommen noch: 8-9: Zwei Prägungen in Gold aus der Königszeit, angefertigt in Duurstede an der Rheinmündung (Münzen oder Zierstücke) mit Profilkopf, einmal rechts, das andere Mal links gewendet, wohl geprägt nach älteren Münzen, aber so verzerrt, daß sich nichts für Karls Aussehen ergibt 29 • 10: Denar, geprägt von Papst Leo III. mit dem Bilde Karls auf der Vorderseite, bisher nur durch zwei alte Nachzeichnungen bekannt, die das Aussehen des Kopfes im ungewissen lassen 30 • C. Auszuscheiden sind aus dem bisher für Karl in Anspruch genommenen Bildbestand:
I:
Die Reiterstatuette im Louvre (Paris) mit hängendem Schnurrbart (Abb. 8 a-b), die erst um 870 in der Metzer Schule gegossen wurde und nur als >Erinnerungsbild< für Karl in Anspruch genommen werden darf31 •
27 Nachgewiesen von G. B. LADNER, I mosaici e gli affreschi ecclesiastico-politici nell'antico Palazzo Lateranense (Rivista di Archcologia Cristiana I2, I935), S. 267f., dazu ders., I ritratti dei Papi nell'antichita e nel medioevo I, Citta del Vaticano I94I, Textband, S. 1I3 bis 126 mit Fig. 94-108, und Taf. XIIIa-c (vgl. auch Katalog I965, S. 37 mit Abb. 8). z8 LADNER, I ritratti dei Papi, S. I27j28, der hier eine ältere Beschreibung heranziehen kann, aus der sich ergibt, welche Heilige sonst noch abgebildet waren (vgl. auch Katalog I965, S. 37f. mit Abb. 9). 29 ScHRAMM, Goldmünzen aus der Königszeit Karls des Großen (Abschnitt 9 in: ders.,
Herrschaftszeichen I, S. 288 bis 290 mit Abb. 24a-b) (vgl. auch Katalog 1965, S. 42 mit Abb. 30, z8). 30 Hinweise verdanke ich PH. GRIERSON (vgl. jetzt ders. a. a. 0. PI. IV, 45). 3I Vgl. P. E. ScHRAMM-FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München I962, Abb. 58 mit S. I37 (dort die seither erschienene Lit.; die ältere Lit. bei ScHRAMM, Die zeitgenössischen Bildnisse Karls des Großen [wie Anm. I], Abschnitt C: Die Metzer Reiterstatuette, S. 29-4I) (vgl. auch Katalog I965, S. 42f. mit Abb. I 3).
42 2:
A3: Kar! der Große im Lichte der Zeugnisse über sein Aussehen
Herrscherbilder zur Kapitulariensammlun g des Ansegis (827). a) Die ikonographische Prüfung der im 10. Jahrhundert entstandenen Zeichnung im Cod. Paris Bibl. Nat. 9654 (Abb. 9a) ergibt, daß ihr eine Vorlage aus der Zeit Karls des Kahlen zugrunde gelegen haben muß. Auch in diesem Falle kann es sich daher nur um ein >Erinnerungsbild< handeln, falls nicht gar um ein Bild Karls des Kahlen, das der Handschrift vorgesetzt wurde, weil sie für ihn bestimmt war (hier ist der Herrscher mit hängendem Schnurrbart dargestellt). b) Bei der analogen, erst der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstammenden Zeichnung im Cod. Gotha Bibl. membr. I 84 (Abb. 9 b) ist erkennbar, daß eine ottonische Herrscherdarstellung zu Rate gezogen wurde. Einige wenige Entsprechungen zu der vorstehend angeführten Zeichnung lassen die Möglichkeit offen, daß dem Blatt gleichfalls eine spätkarolingische Vorlage zugrunde lag (der Herrscher trägt hier jedoch- wie in der sächsischen Zeit üblich- einen kurzgeschnittenen Bart).
D. Möglicherweise auf Karl den Großen und Ludwig den Frommen zu beziehen sind die nach antiker Art gewappneten, mit ihren Lanzen einen Drachen bekämpfenden Reiter auf kräftigen Pferden, die einstmals den Podest eines Kreuzes in Sankt Servatius (Maastricht) zierten und uns durch eine um 1700 angefertigte Zeichnung bekannt sind; Auftraggeber war Einhard, der Abt dieses Klosters war. Beide Reiter tragen Helme und keine Krone, beide haben junge, bartlose Gesichter; aber sie heben sich doch als die Vornehmsten von den übrigen milites christiani ab, die stehend den Unterstreifen des Podestes schmücken. Als ( S. 22 :) >Bildnisse< der beiden Karolinger können die Reiter also nicht in Anspruch genommen werden, aber sie >entsprechen< ihnen doch, den wichtigsten V orkämpfern ihrer Zeit gegen den Diabolus, dargestellt als ein sich ringelnder Drache32 • E. Nicht unter Karls Bilder reihen wir die lange, schmale Elfenbeintafel (32,8 : 10,5 cm) aus der Ada-Schule im Bargello (Florenz) ein, die kurz vor oder nach 8oo angefertigt ist. Sie zeigt in der oberen Hälfte einen Krieger mit Krone und Schild, der auf einen Besiegten tritt und ihn mit seiner Lanze durchbohrt; genau dieselbe Szene, jedoch im Spiegelbild dargestellt, wiederholt sich in der unteren Hälfte. J. DEER33 hat in beiden Gestalten Karl den Großen sehen wollen; dem steht im Wege, daß er zweimal in gleicher Handlung dargestellt sein soll. So etwas kennt die Kunst dieser Zeit nicht; auch ist zu bedenken, daß es sich um die eine Seite einer Schreibtafel handelt, die eine zweite Seite mit entsprechendem Schmuck 32 V gl. später meine Nachträge. Grundlegend sind zwei Artikel des Grafen BL. DE MONTESQUIOU-FEZENSAC (Cahiers archeologiques 4, 1949, S. 79-103, und 8, 1956, S. 147-174) (vgl. auch Katalog 1965, S. 3d. mit Abb. 4).
33 Ein Doppelbild Karls des Großen (Forschungen zur Kunstgeschichte und christlichen Archäologie 2, Baden-Baden r 953), S. 103-156 mit Fig. 25-38 (vgl. auch Katalog 1965, S. 352f.: Nr. 538).
Ausgeschiedene Bilder- Wortzeugnisse
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voraussetzt. Dann kommt man auf vier königliche Krieger, also auf so viele, wie sie Karl aus der Reihe seiner Söhne zur Verfügung standen34 • Das Ergebnis dieses Rundblicks zusammenfassend, kommen wir zu der Feststellung, daß alle angeführten Bildzeugnisse zwar etwas zur >Staatssymbolik< dieser Jahrzehnte beitragen, daß jedoch ihre Aussagekraft- was das tatsächliche Aussehen Karls betrifft - minimal ist. Entweder ist der Maßstab zu klein oder der Künstler nicht begabt genug, oder die Köpfe verraten so stark die Einwirkung der Schule, zu der der Meister gehörte, daß es vermessen wäre, aus ihren Werken irgend etwas über die Struktur des Kopfes, die Gliederung des Gesichtes, die Stellung der Augen usw. zu folgern. Es bleibt als Kennzeichen also nur der Bart, und bei diesem stimmen die Bildzeugnisse nicht überein: Karlist sowohl mit Backenbart als auch mit hängendem Schnauzbart und ausrasiertem I<..inn dargestellt worden. Dieser Schnurrbart entsprach - wie viele Bildzeugnisse beweisen - dem fränkischen Brauch des 9· Jahrhunderts, und da in dieser Zeit Bart- und Haartracht noch Volkskennzeichen sind35 , ist schwer vorzustellen, daß Karl bei seiner Barttracht einer abweichenden Laune folgte: ebenso wie bei seiner i\Jltagstracht36 wird er den fränkischen Brauch beachtet haben. Wie war es im 8. Jahrhundert bestellt? Ich kenne keine beweiskräftigen Bild- und Wortzeugnisse aus dieser Zeit, vermag daher nicht rundweg abzustreiten, daß in Karls Jugendjahren vornehme Franken auch einen Backenbart getragen haben wahrscheinlich dünkt mich das nicht. Das aber würde bedeuten, daß in Pippins und Karls Zeit das Bestreben, Ähnlichkeit zu erzielen, anfangs denkbar gering war. Aber in diesem >Streit um des Königs Bart< werden wir wohl nie zu letzter Gewißheit gelangen.
d) Die Wortzeugnisse fiir das Aussehen Karls des Großen Was hören wir von den Männern der Feder über Karls Aussehen? Hätten wir nicht Einhard, dann liefe die Nachsuche nach Wortzeugnissen über Karls des ( S. 2 3 .') Großen Aussehen ähnlich negativ aus: unzählige Autoren haben ihn erwähnt, aber sie bringen keine Angaben über seine Größe, die Struktur seines Körpers, die Besonderheiten seines Gesichtes. Das ist in dieser Zeit nicht erstaunlich; denn sie legte auf solche >Äußerlichkeiten< keinen Wert und charakterisierte einen 34 Unberücksichtigt lasse ich hier die beiden bärtigen Büsten auf der Rücklehne des >Dagobert-Thrones<, den wirjetztals ein Werk aus der Zeit Karls des Großen ansehen dürfen (vgl. ScHRAMM, Herrschaftszeichen I, S. 326ff. mit Abb. 36 und 37 sowie: Denkmale a. a. 0. S. I37 mit Abb. 57). Denn solange nicht geklärt ist, wieweit die im I2. Jahrhundert durchgeführte Reparatur die ur-
sprüngliche Form veränderte, hängt die Erörterung dieser Bronzeköpfe in der Luft. 35 Vgl. ScHRAMM, Herrschaftszeichen I, Anhang zu Abschnitt I: Zur Haar- und Barttracht als Kennzeichen im germanischen Altertum und Mittelalter, S. II8-I27· 36 Dieses rühmt ihm bekanntlich Einhard in der Vita Karoli Magni cap. 23 nach: vestitu patrio, id est Francisco, utebatur.
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Menschen statt dessen durch das Aufzählen seiner guten bzw. schlechten Eigenschaften, trachtete also danach, ihm mnter die Haut< zu schauen. Einhard fällt also in dem berühmten Kapitel 22 seiner Vita Karls des Großen, in dem er - achtzehn moderne Druckzeilen lang - das Aussehen des Kaisers beschreibt, völlig aus dem Rahmen der zeitgenössischen Historiographie und Biographik heraus. Es ist seit langem bekannt, was ihn zu diesem kühnen Schritt - nach rückwärts und nach vorn zugleich- veranlaGte. In den Kaiserviten des Sueton hatte er erfahren, daß zur Charakteristik des Menschen auch sein Aussehen und sein Mienenspiel, auch seine Haltung und sein Gang gehörten, und bei der Lektüre suchte er sich jene Wendungen heraus, die auf seinen Herrn gleichfalls paßten. Sie fügte er zusammen und ergänzte dann das, wofür ihm keine Suetonischen Satzpartikeln zur Verfügung standen, aus eigener Erinnerung. Auf diese Weise ist eine in ihrer Zeit einmalige >Personalbeschreibung< entstanden, die im Gesamt ein anschauliches Bild vermittelt und in jeder Einzelheit als verläßlich angesehen werden darf37 • Wir lassen deshalb im vollen Wortlaut folgen, was Einhard über Karls Aussehen berichtet: »Er war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Größe, die jedoch das richtige Maß nicht überschritt - denn seine Länge betrug, wie man weiß, sieben seiner Füße -, das Oberteil seines Kopfes war rund, seine Augen sehr groß und lebhaft, die Nase ging etwas über das Mittelmaß, er hatte schönes graues Haar und ein freundliches, heiteres Gesicht. So bot seine Gestalt im Stehen wie im Sitzen eine höchst würdige und stattliche Erscheinung, wiewohl sein Nacken feist und zu kurz, sein Bauch etwas hervorzutreten schien: das Ebenmaß der andern Glieder verdeckte das. Er hatte einen festen Gang, eine durchaus männliche Haltung des Körpers und eine helle Stimme, die jedoch zu der ganzen Gestalt nicht recht passen wollte 38 .«
37 V gl. WATTENBACH-LEVISON, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger 2, bearb. von W. LEVISON (t) und H. LöwE, Weimar I953, S. 266-280. Über Einhard zuletzt H. BEUMANN, Ideengeschichtliche Studien zu Einhard und anderen Geschichtsschreibern des früheren Mittelalters, Darmstadt I 962, der die Lit. vermerkt, auf unsere Frage jedoch nicht eingeht. 38 Einhardi Vita Karoli Magni cap. 22, hrsg. von 0. HoLDER-EGGER, MG. SS. rer. Germ., I9II, S. 26f. (in den Anm. sind die benutzten Sueton-Stellen angeführt; deutsch hier nach R. RAu, Einhard, Leben Karls des Großen, Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte I [Ausgewählte Quellen zur deut-
sehen Geschichte des Mittelalters, Freiherrvom-Stein-Gedächtnisausgabe, hrsg. von R. BuCHNER, 5, Darmstadt I 962]): Corpore fuit amplo atque robusto, statura eminenti, quae tamen iwtam non excederet - nam septem suorum pedum proceritatem eius constat habuisse mensuram-, apice capitis rotundo, oculis praegrandibus ac vegetis, naso paulu!ttm mediocritatem excedenti, canitie pulchra, facie !aeta et hi!ari. Unde formae auetorilas ac dignitas tam stanti quam sedenti p!ttrima adquirebatur; quamquam cervix obesa et brevior venterque proiectior videretur, tamen haec ceteromm membrarum ce!abat aeqtta!itas. Incessu ftrmo totaqtte corporis habitudine viri/i; voce c!ara quidem, sed quae minus corporis formae conveniret.
B. Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen•:· Im folgenden stellen wir zusammen, was wir über die karolingischen Bullen wissen, und klären, was ihre Bilder und Inschriften besagen. Unsere Augen werden geschärft sein, wenn wir zuvor klarstellen, was über die Metallbullen der byzantinischen Kaiser bekannt ist.
r. ErNLEITUNG:
DIE
METALLBULLEN DER BYZANTINISCHEN HERRSCHER
Bei den Untersuchungen, die sich mit den abendländischen Metallbullen befaßten, mußte stets erwogen werden, ob für sie byzantinische Vorbilder maßgebend gewesen sind und - falls dies der Fall war - wie genau diese nachgeahmt bzw. wie stark sie abgeändert wurden. Doch war aus dem Bereich der Vermutungen nicht herauszukommen, da die Reihe der byzantinischen Goldbullen, die bisher bekannt waren, erst im r I. Jahrhundert einsetzte und außerdem aus nicht allzu vielen Exemplaren bestand. Jetzt ergibt sich eine deutlichere Sicht durch eine diesen Goldbullen gewidmete Untersuchung von PHILIP GRIERSON (Cambridge), der sowohl in der byzantinischen als auch in der abendländischen Numismatik durch zahlreiche Aufsätze als Sachkenner ersten Ranges ausgewiesen ist1 • Ich ziehe im folgenden aus seinem neuen Beitrag das heraus, was zum Verständnis der abendländischen Kaiserbullen förderlich sein kann. In der spätrömisch-frühbyzantinischen Zeit ließen die Kaiser große goldene Medaillen ( medallions, coins multiples) nach Münzart prägen, die an Fürsten jenseits der Grenze versandt wurden, um sie für den Schenker zu gewinnen oder von Angriffen abzuhalten. Daß diese Gaben hochgeachtet wurden, ersieht man daraus, daß sie durch Ränder mit einheimischen Ornamenten noch vergrößert und zum Tragen
*
Zuerst: Die zeitgenössischen Bildnisse Karls d. Gr., Leipzig-Berlin I928 Anhang (S. 6o bis 70): Die Metallbullen der Karolinger (die »Einleitung«, erst I 967 niedergeschrieben, ist noch nicht gedruckt; das gilt auch für den Anhang z). Verabredet ist mit der Redaktion des »Deutschen Archivs« ein Aufsatz, zusammengesetzt aus: I. der »Einleitung«, 2. aus einem Bericht über meine neue Erklärung der Kaiserbulle Karls d. Gr. (vgl. Bd. I S. 274ff. mit Abb.
I
II a-g, 370) und 3. aus Anhang 2 über die neugefundene Bulle Lotbars I., um diese Ergebnisse vor einem möglichst breiten Leserkreis zur Erörterung zu stellen. Byzantine Gold Bullae, with a Catalogue of those at Dumbarton Oaks, in: Dumbarton Oaks Papers No. 20, Cambridge, Mass. (The Harvard University Press) I967 S. 239-53 mit 13 Abb. auf 2 Tafeln (vgl. in Anm. I Hinweise auf die einschlägigen Studien von FR. DöLGER undaufF.DwoRSCHALK, vgl.Anm. 6).
B.
Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
hergerichtet wurden 2. - Auch der Merowinger Chilperich erhielt eine solche Goldmedaille, die er voll Stolz Gregor von Tours zeigte3 • FRANZ DöLGER hat die Vermutung ausgesprochen, daß von diesen Prägungen die byzantinischen Kaiserbullen abgeleitet werden könnten4 • PH. GRIERSON bestreitet das und weist statt dessen auf die zahlreich erhaltenen Lederbullen hin, die zum Verschnüren von Waren und Besiegeln von Urkunden benutzt wurden: runde, münzgroße, durchbohrte Lederscheiben, die durch Zangen - auch solche >boullotiria< haben sich angefunden - zusammengepreßt wurden. Zum Teil sind diese Lederplättchen schmucklos; zum Teil haben sie auf beiden Seiten Prägungen erhalten (auch die Kaiser haben sich solcher Lederbullen bedient). ]. SABATIER5 kannte aus der Zeit vor rooo Bleibullen von Justinian I., Phokas, Herakleios und Konstantin IV. Pogonatos, die nach seinen Abbildungen die Größe von Münzen hatten und wie diese auf der einen Seite das Bild des Herrschers, auf der anderen das Christi oder der Jungfrau aufwiesen. G. ScHLUMBERGER6 hat diese Angaben übernommen, ohne sie bereichern zu können. Nach den Werken dieser Sachkenner sind einzelne Goldbullen aufgetaucht. Nachdem PH. GRIERSON ihre Zahl nunmehr stark vermehrt hat, ist heute (das hohe und späte Mittelalter eingeschlossen) mit einem- weit zerstreuten- Bestand von 30-40 Goldbullen zu rechnen. Die Frage, ob die Goldbullen aus massivem Gold bestehen, läßt sich begreiflicherweise nicht eindeutig klären, da eine solche Untersuchung sie verletzen würde; aber es gibt Hinweise darauf, daß vom r r. Jahrhundert an der Kern aus einer geringwertigeren Goldlegierung oder gar aus billigerem Metall bestand7 • Durch Wortzeugnisse erhärtet ist der Gebrauch von Goldbullen erst von Basileios I. (867-86) an; doch ist anzunehmen, daß er zum mindesten bereits zu Beginn des 9· Jahrhunderts, wenn nicht schon früher bestand. Über die verschiedenen Arten, 2 V gl. A. ALFÖLDI, Nachahmung römischer Goldmedaillons als germanischer Halsschmuck in: Numismatikai Köslöny 28/29,1933 S. 3ff. Hist. Franc., 2. Aufl.; ed. B. KRUSCH- W. LEVISON, 1951 S. 266f. (Mon. Germ., Script. rer. Merov. 1). 4 Aus den Schatzkammern des Heiligen Berges, München 1948 S. 317· Plombs, bulles et sceaux byzantines, in der Revue Archeol. XV, r, Paris r858 S. 82-roo; DERS., Iconographie d'une collection de medailles romaines, byzantines et celtiberiques, I-II, Petersburg-Paris-London r 858. 6 Sigillographie byzantine, Paris r884 S. 418 bis 23: Sceaux imperiaux. G. RourLLARD, Note de diplomatique byzantine in: Byzantion VIII, Brüssel 1933 S. II7
bis 24, der die Arten der Chrysobullen scheidet, und F. DwoRSCHAK, Byzant. Goldbullen, in der Byzant. Zeitschr. 36, 1936 S. 36-4 5, der erst die spätere Zeit behandelt, werfen für unsere Fragestellung nichts ab. 7 Im Abendland sind Goldbullen bereits im 9· Jahrh. bezeugt; aber erhalten sind solche erst vom r r. Jahrh. an. PH. GRIERSON, der in Aachen fünf Beispiele untersuchen konnte, stellte fest, daß es sich bei ihnen um zwei gesondert hergestellte, den Brakteaten zu vergleichende Plättchen handelt, die durch heißes Wachs aneinander gebunden wurden. - Diesen Brauch übernahmen die »Lateinischen Kaiser«, die von 1204 bis 126r in Konstantinopel regierten. Diesem Vorbild schlossen sich dann die Palaiologenkaiser an.
Die byzantinischen Metallbullen
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die von den Kaisern verwandt wurden, informiert uns das >Zeremonienbuch< des Kaisers Konstantinos Porphyrogennet os (9 I 3-5 9) 8 : ßovAAa xevafj i81:eaaoAOla (Goldbullen zu 4 Solidi) erhielten der Kalif von Bagdad und der Sultan von Ägypten; solche zu 3 Solidi einige orientalische Fürsten und Patriarchen, solche zu 2 Solidi geringer geachtete Fürsten (darunter die deutschen und die französischen Könige). Der Papst mußte sich normalerweise mit >Ein Solidus-Bullen< begnügen. Doch haben wir Nachrichten, daß in einzelnen Fällen die Bullen das Gewicht von 12 Solidi ( = 2 engl. Unzen = ca. 57 g), womöglich ein noch größeres hatten. Der angeführte Fachausdruck läßt erkennen, daß auch die Goldbullen enge Verwandte der Münzen gewesen sein müssen. So ist es bis zur Koronenischen Zeit in der Tat gewesen! PH. GRIERSON hat bei seiner Musterung erhaltener Goldmünzen mehrere ausscheiden können, die auf Grund der Löcher für den Faden als Bullen anzusprechen sind. Dadurch vergrößert sich nicht nur der Bestand9 , sondern ihre Reihe setzt jetzt bereits in der 2. Hälfte des 9· Jahrhunderts ein. Über die ikonographische n Abwandlungen der Kaiserbullen läßt sich jetzt folgendes sagen: (vgl. dazu Abb. r). r. Die nunmehr älteste Goldbulle ist die des Kaisers BASILEIOS I. (867-86), der auf der Reversseite 10
mit Krone, Loros und Chlamys zusammen mit seinem Sohn und Mitkaiser Konstantinos im Brustbild frontal abgebildet ist: sie halten gemeinsam zwischen sich ein Labarum. Auf der Frontseite ist Christus im frontalen Brustbild mit dem Testament in der Linken, mit der Rechten segnend, abgebildet. (Bei diesem Brustbild Christi bleibt es bis in die Komnenenzeit). Ein Exemplar verwahrt das British Museum, ein zweites (nicht völlig gleiches) die Sammlung in Dumbarton Oaks. Der Durchmesser beträgt I8 mm, das Gewicht: 4,30 g. 2. Daranschließt sich an eine Bulle seines Sohnes, des Kaisers KoNSTANTINOS VIT. PoRPHYROGEJ-.,'NETos (9I3-59): Durchmesser: I 5 mm; Gewicht: 4,34 g. Gleiche Herrichtung (nur der Kaiser allein, die Linke herabfallend, in der Rechten einen Globus mit Kreuz haltend), entsprechend den nomismata, die im Jahre 945 für den Kaiser geprägt wurden. (Über den Loros 11 vgl. GRIERSON S. 249). 3· Die dritte Bulle, die zu nennen ist, stammt von der Kaiserin THEODORA (Io5 5-6): Durchmesser 27 mm; Gewicht: I 5,25 g (frontales Brustbild). Sie ist geschmückt mit der byzantinischen Frauenkrone" und dem Loros in weiblicher Form13, hält mit der Rechten das Labarum, mit der Linken den Reichsapfel.
8 I cap. 92 (Bonner Edition I, I 829 S. 422). 9 Er setzt sich zusammen aus den Bullen auf dem ATHOS (im r r. Jahrh. einsetzend) und denen im VATIKAN (erst im I3. Jahrh. beginnend) sowie aus einigen weiteren Exemplaren, die »can be counted on the fingers of one hand« (darunter Dumbarton Oaks). ro Über die Frage, ob der Kaiser- oder ob der Christusseite der Vorrang gebührte, vgl.
GRIERSON a. a. 0., S. 242 f. V gl. über die Geschichte dieses zur Binde gewordenen Gewandes: Herrschaftszeichen I S. 26ff. I2 Ebd. II S. 4I9ff. (J. DEJ~:R, Mittelalterliche Frauenkronen in Ost und West). 13 Ebd. II S. 59Iff. (H. DECKER-HAUFF über den »Schatz der Kaiserinnen«). I I
B.
4·
5. 6.
7·
Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
Diese Bulle, die ja wesentlich größer und gewichtiger ist als ihre Vorgänger, unterscheidet sich stark von einem Teil der Münzen Theodoras, da sie auf diesen neben der Hlgen Jungfrau abgebildet ist (beide stehend; ebenso Christus auf der Vorderseite); auf ihren Münzen, die noch Brustbilder verwenden, bestehen in den Einzelheiten Abweichungen. Den gleichen Durchmesser (27 mm; aber nur 12,40 g) hat die Bulle des auf sie folgenden Kaisers MICHAEL VI. STRATIOTIKOS (ro56-7). Auch sie gleicht seinen Münzen nur zum Teil; die frontalen Brustbilder Christi und des Kaisers entsprechen jedoch ganz der Bullentradition. MIcHAEL VII (ro7I-8): seine Bulle hat einen Durchmesser von nur I9 mm (4,5 5 gr. Gewicht, ist auch nur schlecht überliefert. Bei den nächsten Beispielen der Dumbarton Oaks-Reihe genügen folgende Angaben: NIKEPHOROS III. BoTANIATES (ro78-8I) (24 mm; 8,64 g) 14 ; ALEXIOS I. KoMNENOS (Io8r-rrr8) (23 mm; 8,38 g; Christus thronend in ganzer Figur) 15 • Auf den Rückseiten dieser Bullen sind die Kaiser stehend mit Labarum und Globus dargestellt, folgen also der Darstellung Christi auf den Münzen, die bereits früher das Brustbild preisgegeben hatten. Nach der Wiedereroberung Konstantinopels (Iz6I) entfernte sich die Prägung der Bullen von denen der Münzen1 •.
Bereits vermerkte Fakten wieder aufgreifend, weitere vorwegnehmend, können wir im Hinblick auf die abendländischen Kaiserbullen folgendes feststellen: Daß Karl der Große bereits in seiner Königszeit neben seiner für die Wachssiegel benutzten Gemme auch eine Metallbulle verwandte, kann nur durch das Bestreben erklärt werden, daß er hinter Basileus (und Papst) nicht zurückstehen wollte. Allerdings fehlen bisher Wortzeugnisse für die Tatsache, daß dieser bereits vor 8oo Goldbullen verwandte; doch ist die Benutzung von Bleibullen seit dem 6. Jahrhundert nachgewiesen. Die Ausgestaltung dieser Karlsbulle (vorn: Kopf im Profil, hinten: Monogramm) kann jedoch in keiner Weise mit Byzanz zusammengebracht werden. Eine römische Münze ist als Vorlage anzunehmen; doch läßt sich keine bestimmte ausmachen (Bd. I Abb. 5 a-g). 2. Die von 40 auf 24 mm verkleinerte Kaiserbulle Karls d. Gr. hängt ikonographisch in keiner Weise mit Byzanz zusammen. Umfang und Ausgestaltung erklären sich vielmehr durch die Benutzung eines Silberdenars Konstantins des Großen (s. Bd. I S. 274ff. mit Abb. I I a- g). 3· Die weiteren Kaiser haben sich meist an das Vorbild gehalten, das ihnen die Kaiserbulle Karls des Großen gab. Die Abweichungen von diesem Typ erklären sich innerabendländisch. 4· Das von Otto I. nach seiner Kaiserkrönung (962) eingeführte, das traditionelle Profilbild mit Lanze und Schild ersetzende Siegel mit frontalem Brustbild (mit I.
I4 Für zwei weitere Bullen dieses Kaisers, die auf dem Athos verwahrt werden, wurden andere Stempel benutzt. I 5 Drei weitere Exemplare auf dem Athos.
I6 Bei der Bulle Nr. 8 handelt es sich um den Palaiologen Johann VIII. (I423-48). Sie hat einen Durchmesser von 38 mm.
Die byzantinischen Metallbullen
49
der Rechten den Stab haltend, mit der Linken den Reichsapfel; in der Folgezeit verbessert), erklärt sich durch die Nachahmung von byzantinischen Goldbullen oder Münzen; doch ist diese frei gehandhabt. Bullen Ottos I. sowie Ottos II., dessen Siegel sich an den Brauch des Vaters anschließen, sind nicht erhalten. Doch ist anzunehmen, daß Otto I. sich an den karolingischen Bullentyp hielt (also vorn: Brustbild mit Schild und Speer in der Linken; hinten: Renovatio regni Franeorum in Kranz mit Schleife)17 • 5. Otto s III. erste Kaiserbulle hielt sich an die Königsbulle Karls d. Gr.; seine zweite, stark verkleinerte Kaiserbulle entsprach im Umfang sowie in der Ausstattung den Münzen Karls des Großen mit Kopfbild. Daß sie im Durchmesser den byzantinischen Goldbullen ähnelt, erklärt sich einerseits dadurch, daß diese den byzantinischen Münzen glichen, andererseits dadurch, daß Karls Münzen gleichfalls am herkömmlichen Münzdurchmesser festhielten18 (Abb. 14). 6. Ob bei den Metallbullen der Salier und Staufer eine Einwirkung von den Goldbullen und Münzen der Basileis erfolgt, wird im Kommentar der von mir vorbereiteten Neubearbeitung meiner Edition aller zeitgenössischen Bilder der deutschen Könige und Kaiser zu erörtern sein19 • Damit ist nun ein Hintergrund mit festen Konturen gewonnen, der erforderlich ist, um die Eigenart der abendländischen Kaiserbullen in der Zeit nach Karl dem Großen zu fassen. 17 Vgl. die von mir vorbereitete Neubearbeitung meiner Edition der zeitgenössischen Bilder der deutschen Könige und Kaiser.
r8 Vgl. dazu auch den- mit Herrscherbildern befaßten - Bd. V. 19 Ebd.
2. KATALOG DER KAROLINGISCHEN METALLBULLEN
(5. 60)
In der Literatur über die karolingischen Bullen bestand Unklarheit. Deshalb soll eine Übersicht über die Metallbullen der karolingischen Zeit angeschlossen werden, die Gelegenheit geben wird, die Erforschung dieser sphragistisch, historisch und ikonographisch wichtigen Denkmäler an einigen Punkten weiterzuführen. Die Reihe der karolingischen Metallbullen beginnt mit: I.
Kar/ d. Gr.
a) Bulle, vermutlich aus der Königszeit, in einem Exemplar erhalten (Paris, Departem. des Medailles Nr. 996) (für Abb. s. S. 48).
4 Schramm, Aufsätze II
B. Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
b) Bulle aus der Kaiserzeit, in einem Exemplar erhalten (ebd. Nr. 995). Diese beiden Bullen sind oben auf Seite 17 (dazu Bd. I Abb. 5 und II) so eingehend besprochen, daß an dieser Stelle ihre Nennung genügt1 • 2.
Pippin, König von Italien, f 8Io
Von ihm besaß einst nach Angaben des r x. Jahrhunderts das Kloster Farfa eme Goldbulle 2 •
J· Ludwig der Fromme Die früher bestrittene Existenz einer Bulle dieses Kaisers ist völlig durch die schon für die Bulle Karls d. Gr. herangezogenen Forschungen von L. DE GRANDMArsoN 3 und H. BRESSLAU4 gesichert. Ein Exemplar hat sich von ihr allerdings nicht erhalten; aber wir sind durch einen Stich von 1704 bei MABILLON 5, der wohl auf der Zeichnung eines Korrespondenten beruht•;, sowie durch eine Zeichnung von Sr. BALUZE aus dem]. 1711 7, der dasselbe Originals zugrunde liegt, ausreichend über ihr Aussehen orientiert. Dazu kommt noch ergänzend die Beschreibung eines seither verlorenen Originals, die der 1708 verstorbene PIERRE CARREAU handschriftlich hinterlassen hat 9 , I
2
4
6 7
Vgl. dazu meine >Kaiserbilder< S. 25f., pf. und Abb. 3, 7· Von Pippin ist eine (gefälschte) Urkunde überliefert, die eine Bullierung ankündigt; vgl. Dip!. Karol. I S. 479f. Les bulles d'or de Saint-Martin de Tours, in: Melanges Julien Havet (Paris r895) S. r rr-29. Zur Lehre von den Siegeh'1 der Karolinger und Ottonen in: "'\rchiv f. Urkundenforsch. I (Leipz. 1908) S. 355-70. De re diplomatica, Suppl. (Paris 1704) S. 48, r. Reihe links (dazu S. 47); wiederholt bei [Toustain und Tassin,] Nouveau traite de diplomatique IV (Paris 1759) S. II4 oben, bei 0. PossE, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige (Dresden 1909f.) IV T. 73, r-2 und in meinen >Kaiserbildern< .Abb. 1p. So vermutet GRANDMAISON a. a. 0. S. rr 1. Abgebildet ebd. S. I I4 nach Armoires t. XXVI f. 27f., wiederholt in den >Kaiserbildern< Abb. I 3 b. Es handelt sich um die heute verlorene Bulle der Urkunde Ludwigs für St. Martin in Tours vom 30. 8. 8I6 (BÖHMER-MÜHLBACHER, Reg. 2 Nr. 629).
9 Histoire de Ia Tauraine (Paris Bibi. Nat., Collection Dom Housseau t. XIXf. I84); danach GRANDMAISON a. a. Ü. S. I27 u. 129: »Ces deux bulles (Ludwigs und Karls d. K., über die unten näheres) representent chacune le buste du Roy Ia tete ornee d'un cercle garny de pierreries rehausse au milieu de trois perles en formes d'amandes posees Ia pointe en bas, celle du milieu plus e!evee que les deux autres, comme un fleuron et de chaque cote une perle et demie, le Roy y est represente tenant du bras gauehe un bouclier rond qui est simple et sansaueuns ornemens ny figures, si ce n'est quelques petitz pointz qui sont des testes de cloux servans a attacher ensemble !es peaux du bOllC!ier ... Le Roy tient de Ia meme main une demie pique ... Au reversdes bulles d'or de Louis le Debonnaire et de Charles le Chauve, il y a ces motz dans legende: Renovatio regni Francorttm. En celles de Louis le Debonnaire, Ia legende est aurour d'une espece de couronne d'epines et en celles Je Charles Je Chauve au milieu d'une couronne d'olivier.<
Die Bullen Karls des Großen und Ludwigs des Frommen
und die I 8 I 8 in ( 5. 6I.) etwas veränderter Form von dem Plagiator Chalmel10 gedruckt worden ist. Es ergibt sich aus den Kopien, daß die Inschriften: D ( ominus) N ( oster) Hludovvims lmp(erator) und Renovatio Regni Franc( orum) lauteten. Aus der Umschrift der Kaiserbulle des Vaters ist also P.F.P P. Aug. weggelassen, und aus der Erneuerung des Römerreiches ist eine Renovatio des Frankenreiches gemacht. Dieser Änderung entspricht die Weglassung des Tores mit der Unterschrift Roma: was auf Rom deutete, ist getilgt, und dadurch ist die Renovatio-Formel inhaltlos geworden; denn das Frankenreich war ja nie >erneuert< worden. Es ist dieselbe Erscheinung wie bei dem Titel Ludwigs, in dem gleichfalls die Formel: imperium Romammt gubernans des Vaters weggelassen wurde- zwei Maßnahmen, die zweifellos im Zusammenhang mit den fränkisch-byzan tinischen Verhandlungen standen, da die Byzantiner die Bezeichnung >Römisch< als ihr alleiniges Vorrecht betrachteten11 (Abb. 2 a-b). Da das Tor der Roma nicht mehr für die Reversseite verwandt werden konnte, mußte hier eine ganz neue Ausstattung gewählt werden. Sie geschah wohl im Anschluß an Münzen Ludwigs 12 , die ihrerseits wieder von antiken Vorbildern abhängig waren. Mit ihnen hat die Bulle den Kranz mit Schleife gemeinsam. Die Vorderseite ist dagegen bis auf Titel und Namen unverändert gelassen. Schild, Speer, selbst der bezeichnende Aufsatz auf dem Kronreif sind dieselben geblieben. Das Gesicht selbst ist wie bei dem Vater nicht gerrau zu bestimmen: das Original könnte ebensogut einen kurzen Bart wie ein glattrasiertes Kinn aufgewiesen haben. Das Original hatte in Gold ein Gewicht von I Unze und24 Gran (d. h. etwas über 30 g) und einen Durchmesser von 29 mm (statt 24 mm vorher). MABILLON13 berichtet außerdem, daß er im Archiv von S. Genevieve in Paris eine Silberbulle Ludwigs gesehen habe, die auf der einen Seite sein Brustbild mit der Umschrift: Christe profege usw. aufwies, auf der Rückseite dagegen ungeprägt war. Da sie keinen Faden zur Befestigung an einem Pergament aufwies, glaubte er nicht ein Original vor sich zu haben. Nach seinen Angaben muß man annehmen, daß es sich um eine Kopie des \Y/achssiegels handelte, die ähnlich wie die weiter unten genannten Kopien der Bullen Karls d. Kahlen und Karls III. in Silber ausgeführt war. Io Tablettes chronologiqucs de l'hist. . . . de Touraine, Tours I 8 I 8. I I V gl. dazu meinen Aufsatz: Die Anerkennung Karls d. Gr. als Kaiser, in der Histor. Zeitschr. I7I, I95I S. jo61f. (vgl. Band I S. 2I 5 ff., neubearbeitet). Gegen meine Auslegung wandten sich W'. 0H"!SORGE, >Renovatio regni Francorum<, in der Festschrift des Haus-, Hof- und Staatsarchivs II, Wien I9j2 S. 303-I3 (wiederabgedruckt in seiner Aufsatzsammlung: Abendland u. Byzanz, Darmstadt I958 S. III-3o) und (ihm fol-
gend) H. BEUMANN, Romkaiser und fränkisches Reichsvolk, in der Festschrift für Eduard E. Stenge!, Weimar I9j2 S. I72f. V gl. jetzt Bd. I S. 29 3 f. Iz Zwei Münzen mit einem ähnlichen Kranz auf der Reversseite sind Abb. I4a und c in den >Kaiserbildern< abgebildet, wo im Kommentar die weiteren Nachweise zu finden sind. I 3 A. a. 0. S. I4Z; vgl. auch Du CANGE a. a. 0. I' s. 803.
B.
Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
4· Lothar I. V gl. den Anhang zu diesem Abschnitt (Korrekturnachtrag) über die wiedergefundene Bulle dieses Kaisers aus der Zeit seiner Mitkaiserschaft14 (S. 68-7o). f· Sein Sohn: Ludwig 11.
Es sind zwei Bullen zu unterscheiden, die jede in einem Original erhalten sind: a) Bulle ohne Urkunde und Faden, Paris Bibliotheque Nationale, Departement des Medailles et Antiques, Nr. 998, zuerst anscheinend von FrcoRONI16 veröffentlicht, dessen Stich r 75 9 im Nouveau traite de diplomatique16 wiederholt wurde. Jetzt ist die ( S. 62.') Beschreibung im Katalog der Pariser Sammlung17 zugrunde zu legen. In der PossEsehen Ausgabe der Kaisersiegel und -bullen ist dieses Stück übersehen. Ihre Zuweisung wird sich bei der Besprechung der 2. Bulle ergeben. Die Gesichtsform des von mir selbst studierten Pariser Exemplars ist ganz unsicher, da es vom Rande her durch Bleifraß beschädigt und in den übrigen Teilen durch einen zum Schutze aufgetragenen Lacküberzug verunklärt ist. Die Nachzeichnung des Pariser Katalogs gibt den Kopf bartlos wieder; er könnte aber ebensogut einen kurzen Vollbart und einen Schnurrbart aufgewiesen haben. So hat FrcoRONI, zu dessen Zeit möglicherweise noch mehr zu sehen war, den Kopf abgebildet. Das Gesicht selbst ist nicht durchmodelliert, sondern Augenbrauen, Lider und Ohrmuschel wirken wie aufgesetzte kleine Wülste. Die Krone, ein edelsteinbesetzter breiter Reif, von dem aus auf beiden Seiten sowie in der Mitte drei über dem Scheitel zusammengeschlossene Bügel aufsteigen, ist an den Ansatzstellen der Bügel mit einer knollenförmigen Verzierung geschmückt, die auch den Abschluß auf dem Scheitel bildet. Vor der linken Schulter sind Speer und Schild erkennbar. Die Aversinschrift, die nicht sicher lesbar ist, aber mit Hilfe der 2. Bulle und der alten Stiche wiederhergestellt werden kann, lautet: D ( ominus) N ( oster) Hludovvicus Imp(erator) Aug(ustus). Auf der Rückseite steht: Decus Imp (erii). Diese merkwürdige Legende erklärt sich dadurch, daß die des Großvaters Renovatio regni Francorum, die des Vaters Gloria regni lautete, was für Ludwig II., den Erben Italiens, nicht mehr paßte. Die neu gewählte Formel findet sich ähnlich schon bei antiken Autoren18 •
14 PossE a. a. 0. V S. 7; vgl. jetzt: Mon. Germ., Urkunden der Karolinger III: Lotbar I. und Lotbar II., bearb. von TH. SCHIEFFER, Berlin 1966, EinleitungS. 50. 15 I piombi antichi (Rom 1740) T. XIV Nr. I (mir nicht zugänglich). 16 IV S. 71. Das IMP der Umschrift ist zu IIIS verlesen und als >tercius< aufgelöst. Die Bulle ist deshalb Ludwig III. zugeschrieben.
r7 M. RosTOVTSEW et M. PRou, Catalogue des plombs ... conserves au departem. des medailles de Ia Bibi. Nat. (Paris r 900) S. 3 r 8 mit T. X 8. In meinen >Kaiserbildern< ist diese Nachzeichnung zur Verdeutlichung des gleichfalls abgebildeten Originals wiederholt; vgl. Abb. zp-b. r8 Thesaurus ling. lat. V S. 240 Z. 7of.
Die Bullen Lotbars I. und Ludwigs II.
53
Wendungen wie decus mundi, decus regni und ähnlich sind in der karolingischen Literatur auch sonst beliebt19 (Abb. 2 d). b) Bulle an einer Urkunde Ludwigs II. für die Kaiserin Angelberga vom 13· ro. 874, ehemals im Archiv von S. Sisto in Piacenza, jetzt im Staatsarchiv zu Parma 20 • Die Umschriften lauten hier: t Hludovvicus imp.r. und auf der Rückseite: Ces( ar) Aug(ustus) dec ( us) imp( erii). Auf der Vorderseite ist die Umschrift wie auf den Wachssiegeln und Münzen um den ganzen Kopf herumgeführt. Sie beginnt deshalb oben und fängt mit einemKreuz an. Daß der Titel lmp(erato )rund nicht lmp(erator) R ( ex) aufzulösen ist, ergibt sich aus den Legenden der karolingischen Münzen, auf denen Formen ( S. 6;:) wie lmpr., lmper. usw. vorkommen 21 • D N ist weggefallen. 22 Sehr auffallend ist der hier ausnahmsweise einmal offiziell verwandte Caesartitel , dem keine verfassungsgeschichtliche Bedeutung beigelegt werden kann. Er wird in der Hofsprache oft gebraucht; daß er hier einmal seinen Platz auf einer Bulle gefunden hat, mag sich dadurch erklären, daß die antiken Erinnerungen in Italien, der Heimat Ludwigs, stets lebendig blieben und gerade seit der Zeit Ludwigs II. erhöhte Bedeutung erlangten 23 (Abb. ze). Die Formel Decus imperii, die hier wiederum die Renovatio-Inschrift ersetzt, gibt die Gewähr, daß auch die erste Bulle, deren Hludovvicus sonst nicht identifizierbar wäre, Ludwig II. zuzuschreiben ist, und zwar darf man sie als die ältere der beiden bezeichnen. Einmal stammt das Stück in Parma erst aus den letzten Jahren des Kaisers; ferner steht die Pariser Bulle der Ludwigs d. Frommen näher; sie hat noch das Frontalbild mit Schild und Lanze, während die jüngere den Kopf wie auf den Wachssiegeln und den Münzen im Profil bietet. Auf der Reversseite ist bei beiden der die Inschrift umgebende Kranz weggefallen. Auf der ersten Bulle ist der dreiteilige Aufsatz, der auf den Bullen Karls d. Gr. und Ludwigs d. Frommen den Kronreifen auszeichnete, durch drei Bügel ersetzt 24 • Die zweite Bulle weist statt dessen einen Lorbeerkranz auf, worin sich wieder die Einwirkung der Münzbilder äußert. Während die erste Bulle gegenüber den früheren einen vergrößerten Umfang aufweist, ist der der
19 Vgl. den folgenden Anhang. 20 Erwähnt im Nouveau traite a. a. 0. IV S. 28f. als Ludwig d. Fromme, danach WAILLY a. a. 0. II S. 47; abgebildet bei PossE a. a. 0. I T. 2 Nr. 2-3, danach wiederholt in den >Kaiserbildern< Abb. 23 c. Die Pariser Nationalbibliothek besitzt laut dem obengenannten Catalogue S. 3 r 8 einen Abguß. 21 M. PROU, Catalogue des monnaies fran<;. II: Les mon. carol. (Paris r896) z. B. Nr. 6qf., 847f.
22 Über ihn s. Bd. r S. 272 und die Dissertation vonS.GrafPFEIL (Auszug unten S. 75 ff.) 23 FEDOR ScHNEIDER, Rom und Romgedanke im Ma. (München 1926) S. szf. 24 Dieses Faktum habe ich ausgewertet in: Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen, in der Festschrift für K. G. HuGELMANN, hrsg. von W. WEGENER, II, Aalen 1959 S. 563 mit Abb. 12 (unten S. 99ff. wiederabgedruckt).
54
B. Die Metallbullen der r\achfolger Karls des Großen
zweiten eher kleiner als der übliche. Die Kinnbartpa rtie ist nicht klar erkennbar, ein Schnurrbar t wäre denkbar25.
6. Kar! der Kahle Von diesem Kaiser sind eine Königs- und eine Kaiserbulle nachweisbar; außerdem gab es noch die Bulle eines Königs Karl, die anscheinend auch Karl d. Kahlen zuzuschreiben ist und in diesem Falle wohl an den Anfang gehört. Ihre Beschreibung soll deshalb diesen Abschnitt eröffnen. a) Im Original nicht erhaltene Bulle eines Königs Karl. Sie wurde I677 von ST. BALUZE 26 nach einem Exemplar in der Königliche n Bibliothek in einem sehr schlechten Stich bekannt gemacht. MABILLON, der in seiner r. Auflage I68I nur auf Baluze verweisen konnte 27 , war I 704 in der Lage 28 , unter Berufung auf den Abt Fauvelle eine eigne Abbildung zu bringen. Auf diesen Autoren beruht, was Du CANGE 29 , MoNTFAUCON30 und der Nouveau traite31 mitzuteilen haben. Die Bulle, die durch Bild und Umschrift auf das engste mit der ersten Bulle Karls d. Gr. verwandt ist, weist den Namen Karl sowie den Titel Rex auf. In Betracht kommen Karl d. Gr., Karl d. Kahle32 und Karl III.; denn von den übrigen Karolingern dieses Namens sind nicht einmal Siegel nachzuweisen. Das Monogram m gibt keinen Aufschluß, da noch Karl III. die von Karl d. Gr. eingeführte (5. 64:) Form beibehielt33 • Vom ersten Karl haben wir wahrscheinlich, vom zweiten sicher eine Bulle aus der Königszeit , Karl III. führte eine solche erst in der Kaiserzeit. Er wird kaum eine Königsbull e besessen haben. Auch Karl d. Gr. scheidet wohl aus; denn er müßte sonst denselben Bullentyp einmal mit bartlosem, einmal mit bärtigem Kopf geführt haben. Für Karl d. K. spricht, daß ein Anschluß an die Bulle seines Großvaters seiner sonstigen Richtung entspricht und daß auch der jugendliche Kopf zu ihm paßt34, da er im Jahre 840 erst I 7 Jahre alt war. In einer fünfunddre ißigjährige n Königsherr schaft ist die Führung von zwei Bullen nacheinand er ja sehr wohl denk25 Die Art, wie diese Bulle an der Urkunde befestigt ist, gibt eine Abb. bei A. GrRY, Manuel de diplomatique (Paris r894) S. 655 wieder. 26 Capitularia regum Franeorum II (Paris 1677, 2. Ed. q8o) S. 1284. 27 De re diplom. (Paris r68r) S. 142. 28 Suppl. dazu (ebd. 1704) S. 48. 29 Gloss. med. et inf. lat. s.v.: bulla. 30 Monumens de la monarchie fran<;. I (Paris 1729) S. 306 und ebd. T. 28. 31 A. a. 0. IV S. rrz. 32 An diesen dachten schon BALUZE, l\fABILLOX und MoNTFAUCOK.
W. ÜHNSORGE, Konstantinop el u. der Okzident, Darmstadt r 966 S. 78 (vorher Saeculum XIV, 1963 S. 238) denkt an Kar!, den Sohn Karls d. Gr., von dem nicht einmal ein Siegel nachweisbar ist. 33 E. MüHLBACHER, Die Urkunden Karls III., in: Wiener Sitz.-Ber. Phil.-hist. Kl. XCII (1878) S. 4II. 34 So skeptisch man im allgemeinen den Porträtwert der karolingische n Bullen beurteilen mag, so liegt die Frage hier doch anders, da eine Vorlage sichtlich bewußt abgeändert ist und Karl d. K. ja vorzügliche Künstler beschäftigt hat.
Die Bullen Karls des Kahlen
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bar. Für Karl d. K. kann vielleicht auch ein altes Zitat bei Du CANGE 35 angeführt werden, in dem eine Goldbulle dieses Herrschers mit Bild und Monogramm - das paßt nur auf dies Stück und seine Vorlage - angeführt wird. Das Aussehen dieser Bulle ist durch die Stiche und die gleich zu nennende silberne Kopie ausreichend bekannt, obwohl kein Original erhalten blieb 36 • Näheres braucht hier darüber nicht mehr bemerkt zu werden, da das Nötige über Ausstattung und Inschrift schon oben S. 36 f. bei der Bulle Karls d. Gr. ausgeführt worden ist. Ein Unterschied besteht, abgesehen von der Barttracht, ja nur in dem Lorbeerkranz, der die Krone verdrängt hat. Er entspricht den Münz- und Siegelbildern. a *) Von dieser verlorenen Bleibulle König Karls gibt es eine Kopie in Gestalt einer silbernen Medaille, Paris. Bibl. Nat., Departem. des Medailles et Antiques, ohne Nummer, verwahrt bei den Medaillen der französischen Könige37 • Sie zeigt neben dem Gesicht die Tintennummer 2 nach Art der im 17.-18. Jahrhundert üblichen Sammlungsbezeichnungen. In dieser Zeit, in der das Original ja auch in der wissenschaftlichen Literatur hervortritt, wird die Medaille angefertigt worden sein. Sie hat eine nahe Verwandte in einer ungefähr gleichaltrigen Medaille 38 , die nach der noch erhaltenen Bulle Karls III. hergestellt ( S. 6J :) ist. Die bei dem Parallelstück jener Medaille feststellbare Tatsache, daß der Kopist sich peinlich genau an seine Vorlage hielt und ihr nur durch eine schärfere Durchmodeliierung eine über das Original hinausgehende Bestimmtheit der Formen gab, wird auch auf die hier behandelte Medaille im vollen Umfang zutreffen, so daß sie den Verlust ihrer Vorlage, zumal, wenn man die Nachzeichnungen zur Kontrolle heranzieht, zum guten Teil ersetzen kann. An der verletzten Stelle der Averslegende unter der rechten Schulter, die das Original nach den Zeichnungen aufwies, hat sich der Kopist dadurch beholfen, daß er die Worte regi und victoria zusammenrückte, obwohl hier noch ein >ET< dazwischen gehört hätte, wie die Vorlage, die Bulle Karls d. Gr., erkennen läßt39 • 35 A. a. 0. P S. 8o2: Sanjulianus in Tornutio S. 5ro; vgl. dazu unten S. 56 A. 43 (S. 65 A. 5). 36 MAJJILLON a. a. 0., dessen Angaben sich auf ein Exemplar in Blei, also nicht auf die silberne Kopie beziehen, gibt an, daß es keinen Faden aufgewiesen habe. Er glaubte daraus schließen zu können, daß es nicht an einer Urkunde befestigt gewesen sei. Doch läßt seine Abbildung erkennen, daß die Bulle gerade dort beschädigt war, wo man oben und unten die Austrittslöcher des Fadens vermuten muß. Bei den Bullen Karls d. Gr., Ludwigs II. und Karls III. in Paris, bei denen die Dinge ja gleich liegen, sind diese Stellen nur bei gcnauem Suchen aufzufinden.
37 Erwähnt von DouiiT n'ARCQ, Collection de sceaux (Invent. et docum. publ. s. I. dir. de M. LE COMTE DE LABORDE, Paris I 863) I S. 269 Nr. 23 (wo Bulle de plomb, bzw. d'argent bei Nr. 23-4 verwechselt sind) und von RosTOVTSEW et PRou a. a. 0. S. 3 I 7 hinter Nr. 996; vgl. auch WAILLY a. a. 0. II S. 45; DERS. auch in: Bibi. de l'ecole des chartes r. Ser. 4 (I842-43) S. 478. 38 S. unten. Die beiden Medaillen haben verschiedene Dicke. Ob sie gerade von derselben Hand stammen, scheint mir fraglich, aber eine Verwandtschaft besteht zweifellos. 39 Vgl. oben S. I8 A. I2 (S. 22 A. I).- In der Revue numismatique II. Ser. I3 (I868) S. 488 mit T. I9 Nr. 22 hat A. DE LoNGPERIER eine
B.
Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
b) Die Königsbu lle Karls d. Kahlen in kleinem Format führt uns wieder auf sicheren Boden, wenn auch kein Original mehr vorhanden ist. Die Überlieferungsverhältnisse sind hier nämlich fast genau so wie bei der Bulle Ludwigs d. Frommen, des Vaters40 • Hier liegen gleichfalls der 1704 veröffentlichte Stich MABILLONS41 und die Zeichnung von Sr. BALUZE aus dem J. 171 r42 vor. Dazu kommenno ch zwei alte Beschreibu ngen, eine aus dem J. 15 8 r 43 und die andere aus der Feder des 1708 verstorben en PIERRE CARREAU44 • Einiges ist auch noch dem Glossarium von Du CANGE46 und der Polemik des Kanoniker s JuENIN46 zu entnehmen . Die Aversumsc hrift scheint Karolus dei gratia rex gelautet zu haben, wie es der Inschrift von Karls Münzen entspricht. D ( ominus) n ( oster) ist hier wie auch auf der zweiten Bulle Ludwigs II. weggefallen. Die Reversinschrift bildet wieder die Formel: Renovatio regni Francorum, bei der nur unsicher ist, in welcher Weise das letzte Wort abgekürzt war. Für die Rosette, die von dieser Umschrift umschlossen wird, kann auf die Münzen Karls hingewiese n werden, die innerhalb eines Kreises ein von vier Kugeln umgebenes Kreuz zeigen. Außerdem ist die Bleibulle König Coenwulfs von Mercia aus dem Anfang des 9· Jahrhunder ts ( S. 66:) zu vergleichen, deren Umschrift eine Art von Vierblatt umgibt47 • Während die Rückseite also eine neue Ausstattun g erfahren hat und nur die Inschrift der väterlichen Bulle beibehalten ist, entspricht die Vorderseit e bis auf den abgewande lten Titel und den Namen genau der Bulle Ludwigs d. Fr. Auch hier hat die Krone den typischen Aufsatz behalten, den schon die Bulle Karls d. Gr. aufwies. Über die Gesichtsfo rm wird man bei Karl d. Kahlen auf Grund unserer Unterlagen ebensowen ig ein Urteil wie bei seinen Vorgänger n wagen dürfen. c) Die Kaiserbu lle Karls d. K. ist nur aus einer alten Beschreibung bekannt.
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merkwürdige Medaille publiziert, die zu der Klasse der in den >Kaiserbildern< Abb. I4 behandelten Nachprägun gen nach karolingischen Arbeiten zu gehören scheint. Nach der verunstaltete n Umschrift Carolo- gratia d(e)i kommt frühestens Kar! d. K. in Betracht, da erst dieser Herrscher die Dei-Gratia-F ormel auf seine Münzen setzen ließ. Der bartlose Kopf mit Diadem erinnert an die oben besprochene Bulle. S. oben S. 50 f. (S. Go). A. a. 0. Suppl. S. 48, r. Reihe rechts mit S. 47f., wiederholt im Nouveau traite a. a. 0. IV S. II8 und in meinen >Kaiserbildern< Abb. 3Ga. Abgebildet bei GRANDMAISON a. a. 0. S. I 14, danach in den >Kaiserbildern< wiederholt: Abb. 3Gb. PIERRE DE SAINT-]ULIEN, De J'origine des
Bourgongno ns et antiquite des Estats de Bourgongne (Paris I 58 r) S. 5 I I: »d'un coste Ja medaille d'un roy en relief jusques a Ja ceinture et de l'autre Je nom d'iceluy en Jettres Romaines quarrees, mais fort usees et malaysees a lire.« Daß die Revers-Legende auf Grund des schlechten Erhaltungszu standes verlesen sein muß, hat schon GRANDMAISON a. a. 0. S. nG, der diese Stelle ans Licht gezogen hat, festgestellt. 44 Zitiert oben S. 50 A. 9 (S. Go A. 9), CARREAU hat die Reversseiten der Bullen Ludwigs d. Fr. und Karls d. K. verwechselt. 45 I (rG78) S. G39 s. v.: bulla (mehrfach neugedruckt). 4G Nouvelle histoire de Tournus II S. 5of., zitiert Nouveau traite a. a. 0. IV S. I I 7 f. 4 7 A. WYON, The Great Seals of England (London r887) S. XIX mit T. I 2-3.
Die Bullen Karls des Kahlen
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Ein Exemplar befand sich ehemals im Archiv von S. Corneille in Compiegne an einer Urkunde vom 5. 5. 877 48 • Über die Bulle berichtete einige Jahre, nachdem sie gestohlen war, Du CANGE49 nach alten Unterlagen des Klosters. Ihr Goldwert soll 8-ro Dukaten betragen haben. Die Aversumschrift lautete angeblich: Karalusimperator Fra. Top., was Du CANGE in Romae verbesserte. In der zweiten Auflage ist dafür Romanorum gesetzt. Man darf wohl für das Original Rom(.) 50 annehmen. Auf der Reversseite stand: Renovatio I mperii Romani et Fra 51 • Es fragt sich, ob Karl zu dieser für seine Politik bezeichnenden Umänderung der Renovatio-Formel durch die Bulle seines Großvaters angeregt wurde oder ob es sich um eine Neubildung handelt (Abb. 3 a-b). d) Bei der meist Karl d. Kahlen zugeschriebenen, aber auchKarl d. Gr. zugewiesenen Bleibulle52 eines Kaisers Karl, die ehemals im Archiv von S. Genevieve in Paris verwahrt wurde und den Fürsten im Profil mit einem Lorbeerkranz zeigte, handelt es sich anscheinend um die Kaiserbulle Karls III., wie schon MABILLON vermutete.
7· Kar! III. (früher: >der Dicke<) a) Seine (auch Karl d. Gr. und Karl d. Kahlen zugewiesene) Bulle ist völlig für ihn gesichert, da es Exemplare von ihr gibt, die noch an Urkunden Karls III. befestigt sind53 • ( S. 67 .")Die Inschriften lauten: KaroJus Imp. Ags. und Renovatio Regni Franc( orum). Karls III. Bulle bietet also weder die Kaiserlegende Karls d. Kahlennoch die Rosette, 48 Diese selbst jetzt in Paris Bibi. Nat. Cod. lat. 8837f. 48; BöHMER-MüHLBACHER Nr. r8o9. 49 Glossarium mediae et infimae latinitatis I (Paris 1678) S. 639 unter: bulla (s. Neudrukke), zitiert von GRANDMAISON a. a. 0. S. II6f. 50 So GRANDMAISON a. a. 0. S. 117 A. 2. 5I S. auch Nouveau traiti a. a. 0. IV S. II 9; danach WAILLY a. a. 0. II S. 45· 52 Du CANGE a. a. 0.; MABILLON a. a. 0. Suppl. S. 48; Nouveau traite a. a. 0. IV S. 29; WAILLY a. a. 0. II S. 47· 53 V gl. die Aufzählung bei PossE a. a. 0. V S. 9, dazu Abb. I T. 4, 2-3, in >Kaiserbildern< Abb. 43 a wiederholt; Abb. eines andern Exemplars bei M. KEMMERICH, Die deutschen Kaiser und Könige im Bilde (Leipz. 1910) S. 7; DERS., Die frühmittelalterl. Porträtplastik (Leipz. 1909) S. 67, ferner eine echte Bulle Karls III., die an einer gefälschten Urkunde Kar!s d. Gr. befestigt ist, bei PossE a. a. 0. II Taf. p, 4-5. V gl. dazu
GRANDMAISON a. a. 0. S. 115; H. BRESSLAU in: Archiv f. Urkundenforsch. I (1907) S. 360 A. I; E. GEIB in: Archival. Zeitschrift N. F. III (I892) S. nf.; J. F. BöHMER, Regesta Imperii I: Regesten des Kaiserreiches 75 I bis 918, 2. Auf!. hrsg. von E. MüHLBACHER (Innsbr. 1908) S. XCX. - Zur Klarstellung des früher verkannten Sachverhalts seien aus der älteren Lit. genannt MABILLON a. a. 0. S. 142 und Suppl. S. 48, Abb.: 3. Reihe links; B. DE MoNTFAUCON; Les Monumens de Ia Monarchie Fran~oise I (Paris 1729) T. 2I, 8; Nouveau Traiti a. a. 0. IV S. II3 oben; E. Aus'M \'V'EERTH, Die Reiterstatuette Karls d. Gr. in: (Banner) Jahrbücher des Vereins f. Altertumsfreunde im Rheinlande LXXVIII (Bonn I 884) S. I49; usw. usw. Vgl. jetzt Mon. Germ., Die Urkunden der deutschen Karolinger II: Die Urkunden Karls III., hrsg. von P. F. KEHR, Berlin 1937 S. LXIV.
B. Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
die auf dessen Königsbulle zu sehen war. Sie schließt sich demnach an die Bulle Ludwigs d. Fr. (oder an eine verlorene Lothars I.) an. Die Vorderseite, die endlich einmal die Gesichtsform klar erkennen läßt, entspricht dagegen fast ganz dem zweiten der von Karl III. geführten Siegel. Die schon seit der r. Bulle Lothars I. zu beobachtende Annäherung der Bulle an die Siegel ist hier jetzt zum Abschluß gekommen. Sie geht so weit, daß mit der Aversseite der Bulle auch in Wachs gesiegelt worden ist54 • Daß die Bulle Karls III. so lange falsch benannt werden konnte, liegt daran, daß die Forschung von einem Exemplar ausging, das ohne Urkunde überliefert ist. Dies Stück wird heute in der Pariser Nationalbibliothe k, Departement des Medailles, als Nr. 997 verwahrt55 • Es handelt sich um einen schlechten Abdruck, bei dem der fast diagonale Verlauf der ehemaligen Schnur deutlich erkennbar ist. Daß die alten Stiche und Abzeichnungen gerade auf dieses Stück zurückgehen, ergibt sich aus der schlecht ausgeprägten Agraffe, an deren Stelle zwei Wülste zu sehen sind. Daraus sind dann in den Reproduktionen zwei im Knoten zusammengeschlagene Mantelzipfel geworden. a*) Um eine Kopie dieses Pariser Exemplars aus dem 17.-18. Jahrhundert handelt es sich bei der silbernen Medaille, Paris Bibl. Nationale, Depart. des Medailles, ohne Nummer 56 , verwahrt bei den Medaillen der französischen Könige, die bei RosTOVTSEW-PRou a. a. 0., S. 317f. bei Nr. 997 besprochen und schon vorher von Dou:ET D' ARCQ57 erwähnt worden ist. Ein Vergleich beider Stücke lehrt, wie sorgfältig das Original kopiert ist. Daß es sich dabei gerade um das heute in Paris verwahrte Stück gehandelt hat, wird durch die Reverslegende: ... F RAN bewiesen, denn das C von FRANC ist bei dem Original so undeutlich, daß man an seiner Existenz zweifeln kann. Da dieses im Anfang des I 8. Jahrhunderts durch MABILLON allgemein bekannt wurde, wird die Kopie auch ungefähr aus dieser Zeit stammen, was mit ihrem künstlerischen Eindruck und der Tatsache sehr gut zusammenstimmt, daß sie noch Spuren der in dieser Zeit üblichen Tintensignaturen einer Sammlung trägt. Es handelt sich also um eine aus antiquarischen Interessen hergestellte Nachahmung in Form einer Medaille, in deren glattem Rand die Fadenlöcher des Originals nicht markiert und bei der die Schäden der Vorlage ergänzt sind. Diese Feststellungen sind für die Würdigung des ungefähr gleichaltrigen Stückes wichtig, das eine andre, aber nicht erhaltene, oben Karl d. Kahlen zugewiesene Bulle 54 PossE a. a. 0. S. 9 und MüHLBACHER a. a. 0. Nr. r 6r9. Es handelt sich um eine in zwei Exemplaren ausgestellte Urkunde. Davon ist das eine besiegelt, das andere bulliert. 55 Vgl. RosTOVTSEW et PRou a. a. 0. S. 317f.; eine für mich hergestellte Photographie wurde dem Institut für Kultur- und Univer-
salgeschichte in Leipzig übergeben (dessen Bestände fielen insgesamt dem letzten Kriege zum Opfer). 56 Abgebildet in den >Kaiserbildern< Abb. 43 b. 57 Collection de sceaux (Invent. et doc. publ. sous Ia dir. de M. LE CoMTE DE LABORDE, Paris r863) I S. z69 Nr. z3f.
Die Bullen Karls III., Arnulfs, Widos
59
kopiert. Wie bei unserm Stück die Einzelheiten des Gesichtes schärfer wiedergegeben, die Buchstabenschäfte spitzer eingekerbt sind, als es die Vorlage zeigt, so werden solche Abstriche auch für das verlorene Original des Parallelstückes zu machen sein. Da hier andrerseits selbst die Zahl der Blätter gerrau kopiert ist, so wird man auch jener Medaille eine sehr weitgehende ( S. 6S:) Zuverlässigkeit zusprechen müssen. Die beiden Kopien unterscheiden sich technisch dadurch, daß die hier behandelte etwas dicker ist (dazu oben S. 55). b) Ein Nachschnitt der Bulle Karls III. liegt vor in einer Bulle desselben Kaisers 58 , die an einer Urkunde vom J. 8875 9 hängt. Da von ihr nur dieser Abdruck bGkannt ist und sein Stempel von schlechterer Arbeit als der Hauptstempel gewesen zu sein scheint, fragt es sich, ob die Echtheit wirklich gegen jede Anzweiflung gefeit ist. Bleibt sie das - und ein triftiger Grund gegen sie ist sonst nicht zu finden -, dann hat Karl noch eine zweite Bulle geführt, die ikonographisch nur wenig von der ersten abweicht. Karl trägt hier anscheinend keinen Lorbeerkranz, sondern eine Krone wie Zwentibold auf seinem Siegel. Jedenfalls handelt es sich um keine Mütze mit breitem, aufgeschlagenem Rand, wie Posse wollte. Die betreffende Partie der Bulle ist plattgedrückt und verwischt, dadurch hat sie zu dem Mißverständnis Anlaß gegeben.
S. Karls III. Neffe Kaiser Arnttlj6° Seine Bulle ist in einem Exemplar erhalten61 • Der Stempel entspricht auf der Rückseite dem durch die Bulle Ludwigs d. Fr. vertretenen Typ; nur fehlt der Inschrift: t Renovatio Regni Fran(corum) der Kranz. Auf dem Avers mit der Umschrift: Arnol(jus) lmp. Aug. findet sich dagegen wie bei Ludwig II. und Karl III. ein Profilbild, das mit der älteren Reihe nur Speer und Schild gemeinsam hat. Nach der Qualität der Arbeit muß angenommen werden, daß eine antike Vorlage zu Rate gezogen worden ist. Münzen, wie sie etwa Konstantirr d. Gr. 62 prägen ließ, weisen einen ähnlichen Kopf mit gleichen Waffen, auch mit derselben Handhaltung auf.
9. Kaiser Wido Die von ihm geführte Bulle ist noch in drei Exemplaren erhalten63 , die in Blei ausgeführt sind und einen Durchmesser von 3 5 mm haben. Der Stempel war nach der 58 Abgebildet bei PossE a. a. 0. I T. 4, 4-5 (Siegel Nr. 7), dazu V S. 9· 59 BöHMER-JV!0HLBACHER a. a. 0. Nr. 1750 = D. K. III. 159 vom 30. Mai 887. Go Hier vor Wido und Lambert entsprechend der Bilderordnung in den >Kaiserbildern< aufgeführt. 6r Abb. bei PossE a. a. 0. I 5, s-6, dazu V S. ro, danach >Kaiserbilder< Abb. 45·
62 V gl. z. B. die Abb. bei A. v. SALLET, Münzen und Medaillen (Berlin 1898, Handbücher der kgl. Museen zu Berlin) S. 97; der Typ kommt schon im 3· Jahrh. vor. 63 L. ScHIAPARELLI, I diplomi di Guido e di Lamberto (Rom 1906; Fonti per Ia storia d'Italia, Diplomi sec. IX, Bd. 36 S. 9f., r6f., 24f.; dazu DERS., I diplomi dei rei d'Italia. Rieberehe storico-diplomatich e II, in: Bulle-
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B.
Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
Bulle Ludwigs d. Fr. (oder Lothars I.) gearbeitet und bildet dadurch ein sehr erwünschtes Kontrollmittel, um die Zeichnungen, die wir von Ludwigs Bulle und von ihrer Vorlage, der Kaiserbulle Karls d. Gr., haben, nachzuprüfen. Bei Wido sind nicht nur Schild und Lanze, sondern auch die Krone mit dem typischen Aufsatz wiederholt. Schiaparelli glaubte einen Bart zu erkennen. Die Umschrift lautet: VVido imperator a(u)gu(stus). Die Rückseite zeigt genau wie bei Ludwig d. Fr. die Worte: Reno I vatio I regni I Fran(corum)inmitten eines Kranzes (Abb. 3c). Nach dem Chronicon Farfense hat das Kloster nicht nur eine Goldbulle Widos, sondern auch eine solche seines Sohnes, des Kaisers Lambert, besessen. Weitere Spuren fehlen allerdings von ihr 64 • ( S. 69 .) Von den übrigen Kaisern und Königen, die in Italien bis 962 regierten, scheinen Berengar 65 , Ludwig III. 66 , Rudolf67 , Bereugar II. und Adalbert 68 bloß Wachssiegel geführt zu haben. Nur von H ugo und Lothar liegen Nachrichten vor, wonach sie Metallbullen verwandt haben69 • Originale oder Zeichnungen haben sich von ihnen nicht erhalten, und eine alte Notiz, die ihr Aussehen beschreibt, macht einen fragwürdigen Eindruck7 o. Auf die Bullen der deutschen Kaiser von Otto I. an braucht nicht mehr eingegangen zu werden, da H. BRESSLAU71 schon die Zeugnisse für die nicht erhaltenen Bullen der beiden ersten Ottonen zusammengestellt hat. Die ihrer Nachfolger liegen dann von 998 an in Originalen vor. Die besprochenen Bullen der karolingischen Zeit haben bis in das 1 I. Jahrhundert hinein einen Einfluß auf die Metallbullen ihrer Nachfolger ausgeübt. Daß Otto III. die Reversseite der 1. Bulle Karls d. Gr. für seine eigne kopieren ließ, ist schon erwähnt worden. Aber vermutlich standen auch die Bullen der Nachfolger Widos in Italien und die der ersten beiden Ottonen, von denen ja keine erhalten geblieben ist, unter karolingischer Einwirkung. Das nächste Beispiel bietet eine Bulle Heinrichs Il. 72 , auf deren Rückseite sich das Monogramm der Bulle Karls d. Gr. (oder der von dieser abhängigen Bulle Karls d. K. [?]) findet. Auch hier muß eine bewußte Nachahmung angenommen werden. Daß für die Bulle Konrads II. mit dem Profilkopf gleichfalls Entsprechendes aus karolingischer Zeit namhaft gemacht werden kann, wird dagegen eher dadurch zu erklären sein, daß beidemal antike Vorlagen zum Muster genommen
tino dell' Istituto stor. Italiano z6 (Rom 1902) S. 67f. Reproduktionen hat derselbe Verfasser im Archivio paleografico vol. 9 tav. 90 gegeben, aus dem die Abb. 49 b in den >Kaiserbildern< entnommen ist. 64 5CHIAPARELL1, Rieberehe a. a. 0. S. 68. 65 Ebd. I (Bull. 23, 1905) S. 46. 66 Ebd. III (Bull. 29, 1908) S. 127.
67 Ebd. IV (Bull. 30, 1909) S. 37· 68 Vgl. ScHIAPARELLI's Ausgabe ihrer Diplome in den Fonti a. a. 0. Bd. 37 (1910) u. 38 (1924). 69 Rieberehe V (Bull. 34, 1914) S. 16of. 70 Ebd. S. 161 A. 2. 71 A. a. 0. S. 369. Vgl. jetzt auch Bd. III. 72 Vgl. zum folgenden die >Kaiserbilder<.
Übersicht über die Titel und die Renovatio-Formel
6r
sind. In der Zeit Heinrichs III. schließlich taucht die Umschrift der karolingischen Wachssiegel: Christe, profege etc. wieder auf73 • Wir verzichten darauf, nachdem die Reihe der karolingischen Bullen nunmehr geordnet und auch für die bisher vernachlässigten Stücke ein Platz gefunden ist, den Fragen, die durch sie aufgeworfen sind, hier näher nachzugehen74 • Welche Auswirkung Byzanz auf die Einführung der Bullen im Frankenreich gehabt hat, welcher Porträtwert ihnen zuzusprechen ist, wie stark sie von antiken Vorlagen abhängig sind und wie weit man aus ihren Herrschaftszeichen Rückschlüsse auf die Wirklichkeit machen darf, alles das kann nur im Zusammenhang mit den übrigen Herrscherbildern, die aus karolingischer Zeit erhalten geblieben sind, untersucht werden75 • Hier soll nur noch eine Zusammenstellung der Inschriften folgen, weil sich an ihnen nachprüfen läßt, ob sich ihrem Wandel auch die fraglichen Stücke einpassen. Die Abänderungen der Reversformel sind außerdem für die Geschichte der karolingischen Reichsidee von größter Wichtigkeit, so daß auch aus diesem Grunde ein Überblick über ihre Entwicklung lohnend ist.
(s. 70.')
A. Titel.
Karl d. Gr., Königsbulle: Karl d. Gr., Kaiserbulle: Pippin von Italien: Ludwig d. Fromme: Lotbar I.: Ludwig II., I. Bulle: Ludwig II., 2. Bulle: Karl d. Kahle, r. Bulle: Karl d. Kahle, Königsbulle: Karl d. Kahle, Kaiserbulle: Karl III. (der sog. "Dicke)": Arnulf: Wido: Lambert: Hugo und Lotbar:
73 Abb. bei PossE a. a. 0. und in den >Kaiserbildern<. 74 Ganz ausscheiden muß hier, was für die Diplomatik von Wichtigkeit ist, die durch
---Vers--D. N. Kar. Imp. P. F. PP. Aug.
--?--?-D. N. Hludovvicus Imp. D. N. Hlotharius Augustus D. N. Hludovvicus Imp. Aug. t Hludovvicus Imp. R / Ces. Aug. ---Vers--Karalus Dei Gratia Rex (?) Karalus Imperator Fra. Top. (Francorum Romanorum?) Karalus Imp. Ags. Arnolfus Imp. Aug. VVido Imperator Agu. --?--?--
--?--?--
weitere Zusammentragung alter Erwähnungen und Beschreibungen von Bullen vielleicht noch größere Klarheit schaffen kann. 75 V gl. den Textteil der >Kaiserbilder<.
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B.
Die Metallbullen der Nachfolger Karls des Großen
B. Renovatio-Fo rmel. Karl d. Gr., Königsbulle: Karl d. Gr., Kaiserbulle: Pippin von Italien: Ludwig d. Fromme: Lotbar I.: Ludwig II., I. Bulle: Ludwig II., 2. Bulle: Karl d. Kahle, I. Bulle: Karl d. Kahle, Königsbulle: Karl d. Kahle, Kaiserbulle: Karl III. (der sog. »Dicke«): Arnulf: Wido: Lambert: Hugo und Lothar:
--Vers--Renovatio Roman. Imp. - Roma
---?---?- ---Renovatio Regni Franc. Gloria Regni Decus Imp. Dec. Imp. --Vers--Renovatio Regni Franc. (oder Francorum?). Renovatio Imperü Romani et Fra. Renovatio Regni Franc. Renovatio Regni Fran. Renovatio Regni Franc.
--?--?---?--?--
ANHANG I >A1uNUS DIVINUM<, EIN IN DER ZEIT LUDWIGS DES FROMMEN OFT BENUTZTES, AUCH AUF SEINE MÜNZEN GESETZTES DEVOTIONSWOR T*
Ich habe im Tafelband der Kaiserbilder 1 28 Beispiele von Gold- und Silbermünzen Ludwigs sowie Medaillons abgebildet, um den Verfall des Münztypus im Zuge der Nachprägungen sowie den gleitenden Übergang von wirklichen Münzen über münzähnliche Prägungen zu Medaillons, die zu Zierzwecken geschaffen wurden, zu illustrieren. Jetzt hat PHILIP GRIERSON (Cambridge) sich das große Verdienst erworben, daß er alle ihm bekannt gewordenen Goldsolidi katalogisiert und gruppiert hat 2 • Er scheidet 4 Münzprägungen3 und 29 Typen von Nachprägungen . Alle Solidi haben ein Gewicht von rund 4,4 g, also etwas mehr als die abbassidischen Dirrhems; sie entsprechen genau dem römischen, von den Byzantinern weiter geprägten Solidus. Ph. Grierson warf die Frage auf, woher Ludwig der Fromme das Gold bezog, das es ihm möglich machte, die vom Vater übernommene Prägung von Silberdenaren durch Goldsolidi zu vervollkommne n, da durch Karls des Großen Testament die Verteilung seines Goldschatzes in viele, dem Sohne kaum noch etwas übrig lassende Teile angeordnet war. Im karolingischen Reich wurden ja nur geringe Goldmengen gewonnen; Ludwig war also auf Geschenke und Tribute angewiesen. Vom Papst Stephan wird z. B. berichtet, daß er 8 r 6 dona aurea brachte; er bekam jedoch - laut Aussage der Annalen - mehr zurückgeschenk t, als er brachte. Ph. Grierson legt deshalb den Nachdruck auf die (5. 304.) Nachricht, daß der Herzog Grimoald IV. von
*
Zuerst gedruckt in: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik I, Stuttgart 1954, S. 303-7 im Abschnitt 12: Die Goldsolidi und >Medaillen< Ludwigs des Frommen und deren Nachprägungen im Norden (dort unter der Überschrift: »a. Die Goldsolidi und die Bedeutung ihrer Umschrift: Munus divinum«). Ich wiederhole diese Seiten, weil sie hier in den Zusammenhang passen; an der genannten Stelle stellen sie dagegen einen Fremdkörper dar. Zur Terminologie vgl. in der Einleitung zum ersten Band (S. 37f.) über Devotions-, Lob- und Ehrenwörter. Ich benutze die Gelegenheit, auf zwei seither erschienene Aufsätze einzugehen :
K. F. MoRRIS0'-1, The Gold Medaillons of Louis le Pieux, in: Jaarboek voor Munt-en Penningkunde 38, 1951 S. r-4r. Morrison brachte Kreuz und Inschrift mit der Synode von Paris (8z 5) zusammen, die sich gegen
die Häresie wandte. Grierson weist darauf hin, daß das Kreuz bereits 792 auf den Münzen erscheint, und macht auch einige ältere Belege für munw divinwn namhaft. PHILIP GRIERSON, La date des monnaies d'or de Louis le Pieux, in: Le Moyen Age 69, r963 S. 67-74. r Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit I: 751-rrsz, Leipzig 1928 Abb. I4a-ß, dazu S. 43 ff. 2 The Gold Solidus of Louis the Pious a. a. 0. Ich bildete zwei Beispiele vom Typ 3 ab: GRIERS0::-.1 Nr. 3 = T. qa, Gr. Nr. 5 = T. I4ß· Typ r und 2 sind nur durch je ein Exemplar bekannt. Ich werde sie in der von mir vorbereiteten Neuauflage zu den >Kaiserbildern< reproduzieren und dort auch eine Vergrößerung bringen, für die ich PH. GRIERSON zu danken habe.
Anhang I: Das Devotionswort >Munus Divinum<
Benevent sich 8 I z zur Zahlung von I 5 ooo Goldsolidi verpflichtete, denen jährlich weitere 7ooo folgen sollten. Nach Grimoalds Ermordung (8 I 8) hören wir von diesem Tribut nichts mehr. Zu diesem Terminus ante quem möchte Grierson- M. PRau folgend- aus der Umschrift der Reversseite: MUNUS DIVINUM einen Terminus post quem gewinnen. Denn bei Ermoldus Nigellus heißt es im Hinblick auf die von Papst Stephan im Jahre 8I6 aus Rom mitgebrachten Geschenke: Roma, tibi, Caesar, transmitfit munera Petri•.
Die wichtigste Gabe des Papstes war bekanntlich die angebliche Krone Konstantins des Großen, mit der er Ludwig in Reims krönte. Auf den Münzen trägt Ludwigwie auch Karl der Große - keine Krone, sondern einen Kranz, und ein Kranz umgibt das die Rückseite zierende Kreuz. Die Umschrift bezieht GRIERSON daher auf Ludwigs Kranz = Krone und daher auf die Reimser Kaiserweihe. Das ist eine bestechende These; doch hält sie leider nicht stand, wenn man die Verwendung des Wortes munus im 9· Jahrhundert verfolgt5 • Munus bedeutet im 9· Jahrhundert normalerweise >Geschenk<, kann aber auch geradezu >Amt< meinen, andrerseits nach >Gnade< hinüber schillern. In der Verbindung munus divinum erscheint es bereits bei Cicero und Seneca6 • Auch in der liturgischen Sprache findet sich diese Wendung, und zwar in dem Sinne: >Geschenk des Abendmahls<7. Aber nicht von ihr führt ein Weg zu Ludwigs Münzlegende, sondern von der Urkundensprache. In Karls des Großen Reichsteilungs heißt es im Jahre 8o6, alle wüßten: quomodo nos divina c!ementia magno miserationis ac benedictionis suae ditavit m unere. Divinu;n war bald ein bevorzugtes Wort, wie Ludwigs Ordinatio imperii (8I7) erkennen läßt: subito divina inspiratione actum est ... , divina dispensatiom manifestum placuit 9 • Unmittelbar an die gesuchte Formel führt uns der Brief heran, mit dem Ludwig der Fromme 8I6/7 4 Mon. Germ., Poet. lat. II S. 36: In honorem Hludowici liber II v. 423. Belege aus der Bibel, Cicero, der Spätantike sowie dem 9· Jahrh. stellte zusammen K. F. MORRISON, a. a. 0. S. 595 f. Anm. I I; Belege aus Alcuins Briefen bei GRIERSON a. a. 0. s. 72f. 6 Z. B. CICERO, De haruspicum responsis oratio c. 6 (ed. A. KLOTZ, Bibi. Teub. II5, S. 125); SENECA, De beneficiis II c. 29 I ( ed. C. Hosrus, Bibi. Teub. I 59 S. 44). Bei der Suche nach Belegen unterstützte mich Dr. phil. NoRBERT KAMP. Vgl. hier auch das reicher als sonst gehaltene Register zu Mon.
Germ., Concilia, das die schillernde Bedeutung von munus im 9· Jahrhundert gut erkennen läßt. 7 V gl. z. B. das Sacramentarium Fuldense, hrsg. von G. RICHTER und A. ScHOENFELDER, Fulda I9I2 (Quellen u. Abband!. zur Gesch. der Abtei und der Diözese Fulda IX) Nr. 5Io, 720, 2264 (diesen Nachweis verdanke ich noch A. M. ScHNEIDER t). Mon. Germ., Capit. I S. I27 Z. 2. In den Arengen der Urkunden Karls haben wir m. d. nicht gefunden. 9 Ehd. S. 270, 27r.
Bedeutung von >Munus<
die in Aachen über die Kirchenreform gefaßten Beschlüsse im Reich bekannt gab. Er liegt in zwei Fassungen vor; in der einen ist seinem Titel beigesetzt: d i v in a ordinante providentia ill!perator augustus, in der anderen: superno munere victor, semper augustus 10 • Dazu ist noch die \Xlendung: divino nutu coronatus zu rücken, die am I. Nov. 816 erscheint11. Es handelt sich- wie man hier deut- ( S. 3 o5 .) lieh gewahr wird- um Varianten der von Karl dem Großen benutzten Formel: a Deo coronatus, die an die Stelle der in der Königszeit benutzten Dei gratia-Formel getreten war12 • Die Arengen in Ludwigs Urkunden bestätigen diese Auslegung. Sie varüeren den Gedanken, daß der Herrscher, der munere Gottes alle anderen überrage, mehr für Gottes Kirche tun müsse als sie13 • Daß superna gratia und supernum munus synonym sind, zeigen die beiden Varianten, in denen die mit den Worten: Cunt petitionibus servorull! Dei einsetzende Arenga begegnet; in der einen Fassung heißt es: superna nos gratia ll!uniri non dubitamus, in der anderen: sttperni muneris donum nobis a domino impertiri credimus14 • Ahnliehe Wendungen begegnen auch sonst in Ludwigs Urkunden15 • Von diesem Formelschatz zehren dann die Kanzleien Lothars I. und Ludwigs des Deutschen. In dieser hat der vielbeschäftigte, 868 zum Kanzler aufgestiegene Hebarhard sich folgende, die gesuchte \Vendung wieder wörtlich enthaltende Fassung zu eigen gemacht: Oportet igitur nos, qui divino sumttS munere quodammodo prae caeteris mortalibus sublimati, eius in omnibus parere praeceptis 16 • Sie zeigt, daß munus divinum sich IO Ebd. S. 33B. Ebd. S. 267; so auch schon Kar! d. Gr. im Capitulare Italicum von 8oi (ebd. S. 205). 12 Über die Formel und ihren geschichtlichen Hintergrund zuletzt TEEODOR J'viAYER, StaarsauE
II
oportet,
NI,
cuius proece!limus 111 u 11 er e, st!fdeaJJttts
JJJodis omnibus ecclesiasticis reb11s opem ferre \ vgl. Formuh.1c imperiales l"r. 17; Mon. Germ., Formuhc merow. ct karol. aevi S. 298. Ebd., Nr. 16, S. 297: superni JJJ/itzerü dommz; cbd. Nr. I2-I3, S. 295: mperna nos gratia muniri, ähnlich auch in andern Formu!ae). Ein verwandter Typ \vird vertreten durch BJ\1 2 Nr. 756 vom I8. März 822: Si i!lius amore, mii!S mtmere caeteris morta!ibus prae!ati sttmus etc.; doch wird das Nachfolgende vielfach abgewandelt, vgl. z. B. BM 2 Nr. 775, 9IO usw. - Siehe auch Concilium Aquisgrancnse, 8I6 (Mon. Germ., Concilia II S. 312: superno
5
~chramm,
Aukitze II
munere) und Ludwigs d. Fr. Brief an die Bischöfe, 8I6/7 (:Mon. Germ., Capit. I Nr. I69).
I4 Vgl. die fünf von E. E. S-rENGEL, Die Immunität in Deutschland bis zum Ende des Ir. Jahrhunderts I, Innsbruck I9IO S. 6o7-10 nebeneinander gestellten Arengen, die für die Immunitätsverleihungen Ludwigs des Frommen verwandt worden sind. I 5 Prof. Dr. EnGEN MEYER in Saarbrücken, der Bearbeiter der Urkunden Ludwigs, hatte die Freundlichkeit, mir Nachv;·eise zusammenzustellen. Der Wendung: cuius praece!!i;;ms tmmere (BM 2l'~r. 756, 775,910,933,957, 979) bzv;. supmzi mmzeris donum (Nr. 575, 6I I, 65 3, 663, 68o, 763, 839) steht bezeichnender-
weise die oft venvandte, auf den König bezogene gegenüber: libera!itatis nostrae munere. I6 Mon. Germ., Urkunden der deutschen Karolinger I, I934: Lud\vig der Deutsche DD. I07, II2, II5, II6, II7, I22, I30, 139, 140; die gleiche Arenga auch in DD. 96, 101, ro2, I64.
66
Anhang I: Das Devotio nswort >Munus Divinum<
auf das Königt um, also - ebenso wie Dei gratia - auf die Herrsch aft schlechthin bezieht. Auch in die Literatu rsprach e ist die Wendu ng eingega ngen, wie Nithard zeigt: bei diesem Enkel Karls d. Großen liest man von dem Vertrag , der 84 I von Ludwig dem Deutsc hen und Karl dem Kahlen Lotbar angebo ten wurde; falls er ihn ablehne - so ließen sie ihm sagen -, könnte n sie zweifellos divino ex !Jlunere auf Gottes Beistand hoffen (suffragiu!Jl )17 • Die Legend e der Solidi: Munus divinu!Jl kann mit der durch den Papst im Jahre 8 I 6 vollzog enen Salbung und Krönun g Ludwig s also nur insofer n verknü pft werden, als diese Akte die Gewißh eit verstärk ten, daß Ludwig seine Stellung >von Gottes Gnaden< als ein >göttliches Geschenk< innehat te. Die Reversseite der schönen Ludwig ssolidi18 ist demnac h so zu deuten: der auf der Haupts eite wie ein antiker Impera tor abgebildete D(o!Jlinus) N(oster) (S. ;o6:) HLVD OVVIC US IMP(erator) AVG(ustus) hat sein Amt, versinn bildlich t durch den Kranz, den er - dem antiken Vorbild der Münze folgen d- statt der Krone auf dem Kopfe trägt und der auf der Rückseite wiederh olt ist, als MVNV S DIVIN VM inne, als Gesche nk Gottes, auf dessen Sohn und Begrün der der neuen Kirche das in das Zentrum des Kranzes eingesetzte Kreuz hinweist. Karls des Großen Münzen hatten auf der Reversseite einen durch Kreuze als Kirche gekenn zeichne ten Tempel mit der Umschr ift RELIG IO CHRI STIAN A 19 aufgewiesen, der ausnahmsweise auch noch in der Zeit Ludwig s weiter geprägt worden ist. Bei Kar! standen Vorder - und Rückseite also nur in losem Bezug zueinander. Die Solidi seines Sohnes sind nicht nur künstlerisch hochwe rtiger, sondern sie haben auch die beiden Seiten der Münze in einen festen gedank lichen Zusamm enhang gebracht. Es steht nichts der Annahm e entgege n, daß Ludwig s Goldpr ägung bereits in die Anfang sjahre seiner Regieru ng gehört. Wenn GRrERSON jetzt annimm t, die Goldsolidi seien zu Ludwig s Reims er Krönun g (8 I 6) geprägt , so wird man das als eine zwar aus der Inschri ft nicht zu folgernde, aber auf Grund der allgeme inen Lage nicht unwahrscheinliche Datieru ng bezeichnen dürfen. Denn eine Münze des Königs Coenwu lf von Mercia (t 8zr) kopiert e bereits Ludwig s Solidus 20 • Ludwig s Anfang sjahre stellen die Spanne in seiner Regieru ng dar, die - so hat es THEODOR MAYER formuli ert 21 - die fruchtb arste seiner Regieru ng war und »mehr 17 II cap. 9 (ed. E. MüLLER, 1907 S. 2.4; Script. in us. schal.). r 8 Eine sehr schöne Vergröß erung einer Reversseite Ludwigs bei KuRT LANGE, Münzkunst des Mittelalters, Leipzig 1942. Taf. 7, dazu S. 53f. 19 Über diese vgl. jetzt H. H. VöLCKERS, Die
Christiana Religio-G epräge. Ein Beitrag zur Karoling erforschu ng, in den Hambur ger Beiträge n zur Numism atik Heft 6/7, 1952/3 S. 9-54 mit T. r-6. 2.0 GRIERSON, a. a. 0. 1963 S. 73 f. zr A. a. 0. S. 472f.
Ludwigs des Frommen Solidi mit >Munus Divinum<
grundsätzliche Regelungen gebracht hat als irgendein Zeitraum vorher und, soweit das ostfränkische Gebiet in Frage kommt, auch nachher«. In der Gedankenarbeit der theologischen Umgebung Ludwigs schälte sich damals immer klarer der die alte Vorstellung des Staates als eines Personalverband es läuternde Gedanke heraus, die Herrschaft sei ein von Gott verliehenes ministerium. Seinen Niederschlag fand er 8z3/z 5 in der Admonitio ad omnes regni ordines, nach Tb. Mayer eine Art Staatsgrundgese tz des fränkischen Reiches, in dem dargelegt wird, wie der Kaiser aus der ihm verliehenen summa huius ministerii Teile auf die Bischöfe und Grafen übertrage, die sich bei der Durchführung ihrer ministeria gegenseitig zu unterstützen hätten 22 • Die Inschrift der Goldsolidi: Munus divinum bedeutet einen Meilenstein auf dieser Gedankenbahn 23 • Was besagen nun die Goldsolidi als solche? 24 Wir stimmen PH. GRIERSON bei, wenn er erklärt, der Wunsch, das Prestige zu steigern, habe den Anstoß gegeben: »The striking of gold coin, in however ( S. 3 o7 :) limited an amount, was to that extent an assertation of the imperial prerogative« (S. 7). Daß Ludwigs Goldmünzen im Hinblick auf den Mittelmeerhand el geprägt sein könnten, hat bereits Grierson abgelehnt; denn keines dieser Goldstücke stammt aus dem Süden des Reiches. Als Prägstätte hält er Aachen für die wahrscheinlichs te, wo ja vermutlich auch Karls d. Gr. Kopfmünzen geprägt wurden. Zu trennen sind - wie PH. GRIERSON scharf herausgearbeitet hat - von den Goldsolidi die Nachahmungen und die ein viel höheres Gewicht aufweisenden, nicht für den Münzverkehr bestimmten >Medaillons<, von denen einzelne eine hohe Qualität aufweisen. Auf den von \V. HÄVERNICK 25 angefertigten Karten der Fundorte tritt heraus, daß sie vor allem im niederrheinisch- friesischen Raum verbreitet waren.
22 Mon. Germ., Capit. I S. 303 ff. 23 Über die Stärkung der Königswürde durch das Christentum, besonders in der Zeit Karls des Großen, gegenüber dem aus gleicher Wurzel stammenden Adel vgl. W. ScHLESINGER, Herrschaft und Gefolgschaft, in der Histor. Zeitschr. q6, I953 S. 252ff. (Wieder abgedruckt: Beiträge zur deutschen Verfassungsgesch. des MAs, I, Göttingen I 963 S. 9ff.). 24 Wichtig ist hier M. LoMBARD, L'or musulman du vrre au XF siecle, in den Annales, Economies, Societes, Civilisations II, I 94 7 s. I43 ff. 25 Die Anfänge der karolingischen Goldprägung in Nordwesteuropa, in den Hamburger
Beiträgen zur Numismatik VI, 1952/3 S. 66ff. (mir vom Verf. dankenswerterweis e bereits im Ms. zugänglich gemacht); vgl. auch DERS., Die karolingischen Münzreformen -Ende der alten Zustände oder Beginn einer neuen Entwicklung, Vortragsreferat in: 22. Versammlung deutscher Historiker in Bremen, Stuttgart 1953 S. I3-I5 (erdachte an Dorestad als Prägort, wogegen sich GRIERSON a. a. 0. I966 S. 67 Anm. r wandte). Durch den Fund von Delfzijl sind Ludwigs munus divinum-Solidi auch in Ostfriesland nachgewiesen; vgl. K. KENNEPOHL, Das Münzwesen O.s im Ma., Vortrag Dez. I952 (Protokoll des Anhin-Kreises).
68
ANHANGII ErNE WIEDERGEFUNDENE BuLLE KAISER LoTHARS
I.
(Korrekturnachtrag zu S. 52; dazu Abb. 4)* dem Meister der karolingischen Diplomatik, gewidmet.
TEEODOR ScmEFFER,
Beim Wiederabdruck meiner früheren Ausführungen über die Bullen der Karolinger glaubte ich noch, mich mit der I929 zutreffenden Feststellung bescheiden zu müssen, daß die Existenz einer Bulle Lotbars zwar bezeugt sei, daß sich von ihr jedoch kein Exemplar erhalten habe. In der Edition der Urkunden dieses Kaisers (Mon. Germ., Dipl. III: Die Urkunden Lotbars I. und Lotbars II., Berlin-Zürich I966, S. 5o) hat TH. ScHIEFPER jetzt klargestellt, daß nur im D. L. I. I44 vom I8. Aug. 846 für Bob bio eine Bulle vermerkt ist ( et sigillo nostro plombeo muniri precepimus). Bei ihr handelt es sich um eine- echte Bestandteile enthaltende- Fälschung, die- zusammen mit anderen Fälschungen - in einem Transsumpt des I4. Jahrhunderts überliefert ist. Diesem zugrunde lag ein Transsumpt von I I72, in dem der Kardinallegat Manfred eine Beschreibung der Bulle gab (S. 144 Note): vorn ein thronender Herrscher mit Szepter, hinten die (Lothars Urkundentitel entsprechende) Inschrift: Hiotharius divina ordinante providencia imperator augustus. Daß es sich bei dieser Bulle gleichfalls um eine Fälschung gehandelt hat, ist gewiß: ein Thronbild auf Siegel, Bullen und Münzen ist erst seit Otto III. denkbar, und eine Dei gratia-Formel (bzw. eine von deren Varianten) erscheint (schon wegen des Raummangels) nicht auf Siegel, Bullen und Münzen. Das schließt die Möglichkeit nicht aus, daß dem für Bobbio tätigen Fälscher eine bullierte Urkunde Lothars I. zu Gesicht gekommen ist. Jetzt vermag ich das Original einer Bulle Lothars I. nachzuweisen, dessen Echtheit anzuzweifeln meines Erachtens kein Anlaß vorliegt. Bekannt wurde sie mir als Teilnehmer am >IV. Congresso Internazianale di Studi sull' alto medioevo< (Pavia, Sept. 1967): Bleibulle in den Civici Musei di Pavia (Castello), Collezione oreficerie e metalli lavorati 65 (Lascito Brambilla). I.
Geschichte der Bulle
Die Bulle befand sich um I 88o im Besitz des Cavaliere C. MoRBIO in 1\'Iailand (verzeichnet von F. ]. WEGENER, Catalog einer Sammlung italienischer Münzen aller Zeiten, aus dem Nachlaß des Cavaliere C.l\foRBIO, München 1882 Nr. 2469 bis). Die Lothar-Bulle kam dann in den Besitz von C. BRA.'.fBILLA, der sie beschrieb in seinem Buch: Monete di Pavia, ebd. r883 S. 94-6. Aus seinem Nachlaß gelangte die * Bisher ungedruckt (vg!. oben S. 45 Anm. *).
Geschichte und Beschreibung
Bulle schließlich in die obengenannte Sammlung; vgl. den vorbildlichen Katalog von Adriano PERONI, Oreficerie e metalli lavorati tardoantiqui e altomedievali del territorio di Pavia. Catalogo con presentatione di E. ARSLAN, Spoleto r967 (Centro Italiano di Studi sull' alto Medioevo) S. I52-3, Nr. I28 mit Tafeln XXXIX-XL. Ich schulde Professor PERONI Dank für den Hinweis auf die Bulle, für sein mir überlassenes Buch und bereitwillig zur Verfügung gestellte Aufnahmen (Fot. A I 54, A I 55). Da er meine Frage nach dem Gewicht der Bulle nicht zu beantworten vermochte, fuhr er diese und mich in die nächstgelegene Apotheke, wo wir auf einer Spezialwaage die gerraue Grammzahl ermittelten. - Ich wiederhole hier den dem Kollegen an Ort und Stelle ausgesprochenen Dank. 2.
Technische Beschreibung
Daß die Bulle ursprünglich mit einem Faden, der ungefähr senkrecht unter dem Kopf verlief, an einer Urkunde befestigt war, ist noch heute deutlich zu erkennen. Die Löcher oben und unten sind ungefähr so groß, daß man ein Streichholz in sie hineinstecken könnte. Der Durchmesser des beide Seiten umgebenden Kreisornaments (zusammengesetzt aus kleinen Perlen) beträgt 4,5 cm (mit dem umgebenden Bleiwulst ist die Bulle bis zu rund 7 cm breit. Da die Achse der Rückseite von der der Vorderseite abweicht, kann zur Anfertigung keine Zange benutzt worden sein. Anzunehmen sind vielmehr zwei Stempel. Dadurch erklärt sich wohl auch der ungleichmäßige Bleirand (über den analogen Befund bei der Königsbulle Karls d. Gr. s. oben S. I7)· Der Durchmesser ist größer als der der anderen karolingischen Bullen (Karl d. Große: Königsbulle rund 4 cm, Kaiserbulle 2,4 cm; Ludwig der Fromme: 2,9 cm, dann Ludwig II: rund 4 cm). Das Gewicht der Lothar-Bulle beträgt IIj Gramm (also fast 1 / 4 Pfund!). Sie übertrifft also auch in dieser Hinsicht ihre Vorgänger beträchtlich. Bei dem in Pavia erhaltenen Exemplar handelt es sich um einen technisch unzulänglichen Abdruck; aber anzunehmen ist, daß die für die Bullierung benutzten Stempel von keinem hochwertigen Künstler geschaffen wurden. 3. Ikonographische Beschreibt,mg
a) Vorderseite. Innerhalb des Perlkranzes (einem alten Motiv) Büste mit nach rechts gewandtem Kopf, geschmückt mit einem Lorbeerkranz (am Hinterkopf wohl eine Schleife), also den Münzen Karls d. Gr. und Ludwigs d. Fr. entsprechend (der Mantelrand nur schlecht erkennbar). Umschrift: D(ominus) N(oster) HLOTHARIUS A VGVSTVS (D N schlecht erkennbar, aber so- gemäß Auskunft von PH. GRIERSO:"!- analog zu den Bullen und Münzen Karls d. Gr. und Ludwigs d. Fr. zu Recht ergänzt von A. PERONI). b) Rückseite. Innerhalb eines entsprechenden Perlkranzes ein Kranz, unten durch Schleife mit herabflatternden Enden zusammengebunden (so auch auf der Bulle und
Anhang TI: Die Bulle Kaiser Lothars I.
den Münzen Ludwigs d. Fr.). Darin die- oben und unten von Kreuzen begleitete, auf zwei Zeilen verteilte- Inschrift: GLOR(ia) II REGNi (von C. Brambilla falsch, von A. Peroni richtig gelesen).
4· Datierung Die Eingrenzung von Ph. Grierson - A. Peroni, die die Argumente C. Brambillas als unsicher ablehnten, läßt sich noch verfeinern. Zur Führung des Kaisertitels war Lotbar I. von 817 bis 8 55 berechtigt. Aber aus den Ausführungen über die Titel der Karolinger ergibt sich, daß der AugustusTitel (ohne: Imperator) Lotbar nur bis 833 beigelegt worden ist. Von der Absetzung des Vaters bis zu seinem Tode war Lothars offizieller Titel: Imperator Augustus. Zu vermuten ist daher, daß Lothar sich nach 833 neue Bullenstempel mit dem fortan geführten Titel anfertigen ließ. Leider bildet für diese Annahme die eingangs angeführte Fälschungfür Bobbio keine verläßliche Stütze (zu Lotbars Titels. unten S. 79 f.). J. Die Revers-Inschrift: Gloria regni
Diese Formel stammt aus Psalm 144 (145) V. II-12: Gloriam regni tui dicent, et potentiam tuam loquentur, ut notam Jaciant jiliis hominum potentiam tuam, et gloriam magniftcentiae regni tui. V gl. auch r. Thess. 2, r 2: vocavit vos in suum regpum et gloriam. Der Thesaurus linguae latinae VI, Lpz. r 92 5I 34 S. 2067 Z. 8 r ff. bietet eine Reihe von Belegen, meist aus Flavischer Zeit, sowie die Wendung: gloria regis et regni bei Augustus. Die Formel: Gloria regni bedeutet eine Fortbildung der Formel: Renovatio regni Francorum, deren sich zuerst der Vater, der Kaiser Ludwig der Fromme, bedient hatte. Wir haben sie als eine- den Bezug der Renovatio-Formel Karls des Großen auf Rom beseitigende-»Verleg enheitslösung« bezeichnetundhaben daran trotzdes Widerspruchs anerkannter Forscher festgehalten (Vgl. Bd. I S. 293f.). Jetzt ist ein neues Argument hinzugewonnen, das unsere Auffassung abstützt: Ludwigs Sohn fand an Hand der Bibel eine Formel, die für die Zeitgenossen überzeugender klingen mußte als die des Vaters, aber er hielt sich insofern doch noch an die Tradition, daß er das Wort regnum nicht durch imperium ersetzte, was ja nahegelegen hätte. Diesen Schritt vollzog erst Lotbars Sohn, der Kaiser Ludwig II. (85 5-75). Er führte zwar den Titel: Imperator Augustus, beherrschte aber nur noch die italienische Halbinsel. Im Regnttm Franc( orum) hatte er nichts zu sagen; andererseits griff sein Machtbereich über das Regnum Ita!icum hinaus. Für ihn wurde daher die in der Literatur vielfach benutzte Formel: >Decus imperii< herangezogen, die in geschickter Weise die sich aus der Tradition ergebenden Klippen vermied (vgl. den anschließenden Anhang). Die in Pavia wieder aufgetauchte Bulle erweckt die Hoffnung, daß vielleicht noch weitere Bullen - oder doch Zeichnungen oder Beschreibu:<.gen von solchen - auftauchen, die die in der Reihe der karolingischen Bullen noch klaffenden Lücken verringern.
71
ANHANGIII DAS OFT BENUTZTE LOBWORT (9.-12. }AHRH.): >DECUS IMPERII<, VERWANDT AUF DER BuLLE KAISER LuDwrGs
II.
Ct 875)*
Dieses Epitheton findet sich- wie schon oben S. 5z f. vermerkt wurde- auf der Bulle des Kaisers Ludwig II. (t 875). Eine Parallele bildet die Beischrift: spes imperii neben der Figur des jungen Heinrichs III. neben der seines Vaters, des Kaisers Konrad, mit der wir uns in dem der Salischen Zeit gewidmeten Teil befassen werden (Band III). Bei beiden >Lobwörtern< 1 handelt es sich um Wortformeln, die bereits in der Antike nachzuweisen sind und im Mittelalter oft begegnen. Aus der Reihe ähnlicher Lobwörter heben sich diese zwei dadurch heraus, daß sie unter besonderen Umständen vorübergehend von der >Staatssymbolik< benutzt wurden. Hier seien zunächst für decus imperii Belege zusammengestellt; sicherlich werden sich noch mehr beibringen lassen, aber die angeführten Stellen lassen bereits deutlich werden, worauf es hier ankommt. Den zusammengerückten Zeugnissen möchte ich darüber hinaus auch noch Eigenwert zusprechen. Ahnlieh wie G. GERNENTZ (Laudes Romae, Diss. Rostock 1918) das für Rom durchgeführt hat, und entsprechend den Aufsätzen, die ANDREAS ALFÖLDI Ehrennamen der römischen Kaiser widmete, müßten auch die Lobwörter der mittelalterlichen Kaiser systematisch bearbeitet werden (zu diesen vgl. Bd. I S. 37 f. mit S. 53ff.). Auf den Bullen Ludwigs des Frommen hatte die in einen Kranz gesetzte Inschrift der Rückseite gelautet: Renovatio-regni-Franc(orum). Eine Bulle Lotbars I. ist erst neuerdings wieder aufgetaucht. Bei ihrer Anfertigung ist das Vorbild des Vaters weitgehend abgeändert; die Revers-Inschrift lautet: t Gloria Regni t. Auf ihn folgte ( S. J74 :) Ludwig II. (8 5o Mitkais er, 8 55 Alleinherrscher, t 875): da dieser Karolinger nur Italien erbte, hatte bei ihm ein Bezug auf das Frankenreich keine Berechtigung mehr. Als Ersatz für die traditionelle Inschrift, deren Kranz jetzt wegfiel, wurde gewählt: DE-CVS-IMP(erii) 2 • Auf einer zweiten, gleichfalls nur in einem einzigen Exemplar überlieferten Bulle, die als die jüngere anzusprechen ist, lautet die Inschrift: CES(ar)- AVG(ustus)- DEC(us) -IMP(erii). Diese Erweiterung erfolgte wohl nur deshalb, weil die kürzere, die Rückseite schlecht füllende Inschrift klobig wirkte. Diese Tradition ist dann gleich wieder abgerissen: es gibt keine weitere Bulle mit decus imperii.
*
Zuerst im Anhang (S. 573-76) zu: Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen, in: Festschrift für K. G. HuGELMANN zum 8o. Geburtstag, II, Aalen 1959, S. 561-78 (jetzt: unten S. 99 ff.), hier durch viele Nachträge
vermehrt. s. Bd. I s. 37f. z Ebd. über die Zuschreibung der Bulle; Abb. beider Seiten in meinen >Kaiserbildern< Abb. 23a. I
Anhang III: Das Lobwort >Decus Imperii<
Wieso man am Hofe Ludwigs II. auf dieses Lobwort verfiel, macht ein Überblick über seine Geschichte deutlich. Es läßt sich eine Reihe von Belegen beibringen, die von der Antike bis in die Staufische Zeit nicht abreißt: Antike: Nachw<;ise im Thesaurus ling. latinae V S. 240, Z. 7of. Über (He geistige Umwelt der auf den Kaiser bezogenen Wendung Romae decus bei Optatianl.:ts Porphyrius vgl. FR. TAEGERT, Charisma. Studien zur Gesch. des antiken Herrscherkultes II, Stuttgart I 96o, S. 64 5. KaroHngisch: Belege für decus in der Bildungssphäre bringt W. EDELSTEIN, erudio und sapientia, Freiburg I965, S. 82f., Io2, 104. Das GebetOmmpotens, sempiterne Deus,jons et origo (darin: ad decorem totius regni statumque s. Dei ecc!esiae) gehört zum bleibenden Bestand des Kaiser- und des Königsordo; s. Mon. Germ.: Fontes iuris Germ. antiqui IX: Ordines coronationis imperialis, ed. E. ELZE I, Hannover I96o, S. 190 (Initienverzeichnis) und P. E. ScHRAMM, Die Krönung in Deutschland, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, r 93 5, S. 322ff. (s. Bd. III: »Mainzer Ordo« um 96o). (Karl d. Gr.) decus et mirabile mundi (Paulus Diaconus, Widmung der Hist. Lang.; ed. G. WAITZ I878, Neudruck I93o, S. u; Script. in us. schol.). (Papst Hadrian I., t 795) decus ecclesiae,Jax s,Dlendens urbis et orbis (The o d ulf von Orleans, Gedicht Nr. XXv""I v. 9; Mon. Germ., Poet. lat. I S. 489f.). Alcuin hat das \Vort decus viele Male benutzt und zwar in den verschiedensten Bezügen: (Grabstein für Papst Hadrian) Hic pater patriae, Romae dectts, incb,tus auctor (nach Porphyrii carm. X, 2 I : Romae decus) (Poet. I S. I I 3). (Rom) decus mundi (edb. S. 230). (Christus) decus es mundi (ebd. S. 224 Nr. 6). (Karl d. Gr.) Decus et victoria tecum (ebd. S. 226, Z. 15 ), 0 dems omne tuis (ebd. Z. 20). (Derselbe) Tu decus ecclesiae, rector, dejensor, amator (ebd. S. 245; ebd. S. 244: decus secli). (Ders.) totius sapientiae decus et salutm·is eruditionis ornatus (Mon. Germ., Epp. IV S. 285 Nr. I72). (Ders.) David in orbe decus (ebd. S. 283 Nr. I71). (Ders.) Et dux et doctor et decus imperii (ebd. S. 300 Nr. 82). (Ludwig der Fromme) decus mundi (Agobard von Lyon 816 an den Kaiser; Mon. Germ., Epp. V S. 153; s. auch S. 290). (Lothar I.) exoro decus augustale aeque (Briefe des Mönches Angelomus an den Kaiser 8 51/52; ebd. V S. 627); valeat . .. gloria vestra decusque Franeorum (ebd. S. 6z8);
Belege (bis zum ro. Jahrh.)
73
augustale decus et Franeorum gloria gentis (ebd. S. 63o; s. auch S. 627: decus augustale). Sedulius Scottus (Mitte des 9· Jahrh.s) hat decus oft verwandt: z. B. (Karl d. Gr.) imperiale decus (Mon. Germ., Poet. lat. III S. I93 v. 2); (Karl d. Kahle) novus Karalus splendet in orbe decu.r (ebd. v. r 8); (Ludwig der Deutsche) patriumque decus (ebd. S. I95 Z. 29) und: Sis decus omnipotws bellis ac Martius ardor (ebd. S. I97 Z. 89). (Karl der Kahle) Carle, decus regni,fax cosmi, gloria cleri I ecclesiae fautor militiaeque decor (Vi vians bi bel, Mon. Germ., Poet.lat. III S. 249; vgl. dort S. 250 Z. I: 0 decus, o Venerande salus, o .rplendide David und S. 2 5I : Praevaleat regale decus); orbis amor, decus et mundi (Milo von St. Amand, Poet. a. a. 0. III S. 562 Z. 9). (Karl, Sohn Ludwigs des Deutschen) (eccl. Ramana), que vobis vestrisque (S. 575:) amnibus decus regale et imperiale intulit (Papst J ohann VIII. im Jahre 878; Mon. Germ., Epp. VII S. 100); vgl. dort auch S. 15 5 : vestre regalis glarie decus, andererseits S. 8: cantra decus aposto!ice sedis. (Gemahlin Karls III. oder Arnulfs?) Caesaris ipsa decus popuforum ... Sit tibi magna salus, laus, honor atque dems (Mon. Germ., Poet. IV, I S. 324, dazu W. BuLST, Susceptacula regum, in: Corona Quernea, Festgabe K. Strecker, Lpz. I94I, S. I Ir ff.). (Papst Sergius III., 904-91 I) gloria mundi, I vertex et decus orbis, ferner: Tu decus magnum, metuenda virtus und: Conferens tecum decus omne priscum (Eugenius Vulgarius; Mon. Germ., Poet.lat. IV S. 414). Derselbe über Rom: immortale decus solum (ebd. S. 440); über den Basileus: Romanum decus (ebd. S. 42zf.).
Ottonisch: Widukind c. z 5 in der Konrad I. in den Mund gelegten Rede über Heinrichs I. Nachfolge: er habe gehabt omne, quod decus regittJJJ deposcit, praeter Jortunam atque mores (ed. P. HIRSCH- H. E. LoHMANN, 1935 S. 38; Script. in us. schol.). Hrotsvith (Gesta Ottonis Vers 3o; ed. P. v. WINTERFELD S. 203; Script. in us. schol. über Otto I.): licet imperii teneas decus Octaviani; Vers 35 (S. 203): sceptri decus imperiale mundi (d. h. das Kaiser- zu dem Königsszepter); Vers 15 oi (S. zz8): amborum decus imperiorum (d. h. Ottos I. u. Ottos II.). (Otto I.) spes populi, probitas, culmen, presidium, dems et specimen und Gloria, pax, dems et requies (Brief eines Brun an einen Kaiser, jetzt identifiziert mit Erzbischof Brun an seinen Bruder Otto; Mon. Germ., Poet.lat. V S. 377f.). (Otto II., t983): Decus divum (Grabschrift, aufgesetzt von Gerbert; s.: Die Briefsammlung G.s von Reims, bearb. von FR. WEIGLE, \Veimar I966 S. ro7; Mon. Germ., Briefe der deutschen Kaiserzeit). Ebd. Nr. 33 (S. Go) redet Gerbert 984 den Bischof Dietrich von Metz an: 0 decus Romani imperii. (Gegenpapst J ohann Philagathos, 997): de quo dictum est, quod Romani decus imperii astute in Graecos transferre temptasset (Gesta archiepisc. Medial. I cap. I I; Mon. Germ., Script. VIII, S. 9f.).
74
Anhang III: Das Lobwort >Decus Imperii<
(Otto III.) totius imperii decus et insuper (Silvester I I.: Brief von rooo, im Cod. Bamb. Hist. 5: Richer; abgedruckt bei MATHILDE UHLIRZ, Jahrbücher Ottos III., Berlin I954 S. 56I); (Derselbe) Omne decus patriae (Abbo von Fleury: Carmen acrostichum ad Ottonem imp., 996; Mon. Germ., Poet. lat. V S. 470, jetzt auch bei G. A. BEZZOLA, Das Otton. Kaisertum in der franz. Geschichtsschreibung, GrazKöln I956, S. I99); Otto decus iuventutis (Modus Ottinc; gedruckt beiM. UHLIRZ a. a. 0. S. 331 nach Carmina Cantabr., ed. K. STRECKER, Berlin I926, S. 33 f.). (Heinrich I I.) o decus Europae, Inschrift auf dem >Sternenmantel< in Bamberg; (vgl. Mon. Germ., Poet. lat. V S. 362 und THEODOR MüLLER, Sakrale Gewänder des Ma.s. Katalog der Ausstellung in München 8. 7.-25. 9· I95 5, ebd. I95 5, S. I8). Thietmar von Merse burgrückschau end auf Otto I.: decus regni (ed. R. HoLTZMANN, I935, S. 36; Script. rer. Germ. N. S. IX). DERS. über den I002 ermordeten Markgrafen Ekkehard von Meißen: decus regni, solatium patriae (V. 7; a. a. 0., S. 228); ebd. IV 63 (S. 204) der Gegenbegritf: dedecus seculi. Salisch und Staufisch: (Papst Kalixt II., I I I9-I I 24) decus imperiale (Wandbild in der St. Nikolaus-Kapelle des Laterans, vgl. ScHRAMM, Bilder der Kaiser und Könige Abb. I24B). (A ugustus) Romani decus imperii (Mitte des I2. Jh.: Johann von Salisbury, Polier. III cap. 14, ed. CL. C. ]. WEBB, I, Oxford I909, S. 226). (Karl d. Gr.) jlos regum, decus orbis (Karlsschrein in Aachen, Ende I2. Jh.fAnf. 13· Jh.). Über decor = dectts im I2. Jh. vgl. H. FICHTENAU, Arenga, Köln-Graz I957, S. 72, I70f. Friedrich I. geht in Pavia unter der Krone zu Ostern zur I
C. Die Titel der Karolinger (8 q-9 I I) (Referat über eine Dissertation*) Von den Titeln, die Karl der Große als König und als Kaiser führte, ist in dem vorausgehenden Bande ausführlich die Rede gewesen. Sie waren so genau bedacht, daß kein Zweifel bestehen kann: bei ihrer Festlegung hat der große Franke selbst das entscheidende Wort gesprochen. Als Karl im Januar 8 I4 starb, war geklärt, daß sein Sohn und alleiniger Erbe den Kaisertitel führte und den übrigen männlichen Nachkommen - sobald ihnen ein Reichsteil zufiel - der Königstitel zukam. Aber in der Kanzleipraxis und erst recht in den Gedichten und Briefen, in den Annalen und anderen Aufzeichnungen hat es manche Abweichungen von dieser Grundregel gegeben. Wir stellen die wichtigsten zusammen, indem wir die vorkommenden Titel und Bezeichnungen sachlich gruppieren1 • Zuerst soll davon die Rede sein, wie die Haupttitel der Karolinger abgewandelt wurden; dann gehen wir auf die sonst noch geführten Titel, V ergleiehe und Ehrenwörter ein. Schließlich bleibt noch einiges über den Gebrauch der mit Ländernamen verbundenen Königstitel zu sagen. Von den Bezeichnungen, die das Verhältnis zur Kirche kennzeichnen sollten, ist hier abgesehen.
I • DrE HAUPTTITEL
>rex< und >imperator augustus< Ludwig der Fromme (Sr 4-840) Nachdem Ludwig im Jahre 781 zum König gesalbt und vom Vater zum Unterkönig von Aquitanien gemacht war, konnte ihm in den von ihm ausgestellten Urkunden
* Ich referiere hier über eine von mir betreute Dissertation, deren Drucklegung leider nicht gelang: SrGURD GRAF v. PFEIL u. KLEINELLGUTH, Die Titel der fränkischen Könige und Kaiser bis 911, Göttingen 1958 (443 Seiten in Schreibmaschinenschrift). Gedruckt liegt vom Verf. der selbständig entstandene Aufsatz vor: Der Augustus-Titel der Karolinger,in:DieWeltalsGeschichteXIX, 1959 S. 194 bis 210, der- in der Antike einsetzend- den Gebrauch von augustus und imperator behandelt. Ich biete nur die nötigsten Einzelnachweise
I
(in der Diss. sind alle genau vermerkt) und verweise generell auf die jetzt dank der Energie TH. ScHIEFPERS (mit Ausnahme von Ludwig d. Fr.) geschlossen vorliegende Reihe der Mon. Germ.: Dip!. Karo!., ferner auf die Mon. Germ.: Epist. (die leider nur bis in die zweite Hälfte des 9· Jahrhunderts reichen: hier die Bandnummern der Gesamtreihe; die der Karolingerbriefe sind zwei Einheiten niedriger) und die Mon. Germ.: Poet. lat. (die bereits in das r r. Jahrh. fortgeführt sind). Die angeführte Dissertation ist chronologisch angelegt.
c. Die Titel der Karolinger
der Titelrex Aquitanorum beigelegt werden 2 ; seine Abhängigkeit vom Vater kam darin zum Ausdruck, daß in der Datierungszeile erst Karls und dann seine Regierungsjahre angeführt wurden. Der Unsicherheit, die während Karls Regierungszeit im Hinblick auf Imperator und Augttstus bestanden hatte 3 , machte die Zeit Ludwigs des Frommen ein Ende. Sein Titel lautete von Anfang an Imperator augustus, und dabei blieb es während seiner ganzen Regierungszeit. Damit war augustus auf die Rolle eines schmückenden Beiworts beschränkt; die Vermutung, daß der viel benutzte Isidor von Sevilla, der augustus- was ja zutraf- mit augeo zusammengebracht hatte•, zu dieser Entscheidung beitrug, hat etwas für sich5 • Zu unterstreichen ist, daß Ludwig auf den- vom Vater ja noch neben dem Kaisertitel geführten - Königstitel von Anfang an verzichtete: darin drückt sich aus, daß die Reichsteile mittlerweile zusammengerückt waren und daher ein Titel für sie alle ausreichte. Auch der Bezug auf Rom fiel sogleich weg; daß vermutlich der 8 I I mit den Byzantinern abgeschlossene Vertrag dazu den Anstoß gab, ist schon zur Sprache gekommen. Man darf wohl noch einen Schritt weitergehen und folgern, daß Ludwig die Frage, welchen Titel er führen solle, bereits mit seinem Vater abgesprochen hatte. Die Angabe Einhards: (jilittm) imperatorem et augustum iussit appe!lari darf also wohl ganz wörtlich genommen werden6 (vgl. Bd. I S. 293ff.). Für die Nachfolger wurde wichtig, daß auch auf der Kaiserbulle der Bezug auf Rom ausgemerzt wurde: statt Renovatio imp. Romae hieß es fortan: Renovatio regni Francorum. Ich habe das als eine durch die Verhandlungen mit Byzanz ausgelöste Verlegenheitslösung gedeutet. W. ÜHNSORGE7 , H. LöWE 8 und \V. ScHLESINGER9 sahen statt V gl. Einhard cap. 30 zu 8 I 3: Aquitaniae regem (ed. G. WAITZ, Mon. Germ., Script. in us. schal. S. 34). 3 Vgl. Bd. I S. 271 f. 4 Etym. IX, 3 : cesar a cesarie et augustus ab augendo. PFEIL, Augustus-Titel a. a. 0. S. 2DI (ebd. S. 203: »augustus wurde zu einem Prädikat des imperator-Titels«). Über regnum, imperium, augustus usw. in Karls Zeit und den folgenden Jahrhunderten vgl. J. SPÖRL, Pierex caesarque futurus, in: Unterscheidung und Bewahrung. Festschrift für H. KuN1SCH, Berlin I96I S. 33 I-3 (dort S. 351 ff. reiche Lit.-Angaben). Die umfangreiche Lit. zum Reichs- und Kaiserbegriff des 9· Jahrh.s verzeichnet E. E. SrE~GEL, Abhandl. u. Untersuchungen z. Gesch. des Kaisergedankens im Ma., KölnGraz 1965 S. I76 A. 5 (erweiterter Wieder2
abdruck seiner Marburger Rede I930: Regnum u. Imperium). 6 Cap. 30 (a. a. 0. S. 34). 7 Ren. regni Franc., in der Festschrift des Staats· archivs Wien, ebd. I951 S. 3roff. (jetzt: Abendland u.Byzanz,Darmstadti9j4S.I I I ff.); danach ist die abgewandelte Legende »der letzte und treffendste Ausdruck« des von Kar! Erstrebten; dazu PFEIL a. a. 0. S. 63 ff. und P. E. SCHRA~!M, Herrschaftszeichen II, s. 300-2. Von Theoderich d. Gr. zu Kar! d. Gr., im Deutschen Archiv IX, 1952 S. 392f. (s. jetzt: Sonderausgabe, Wissensch. Buchgemeinschaft, Darmstadt I956 S. 59f.). 9 Kaisertum und Reichsteilung, in der Festschrift für FR. HARTUNG, Berlin I958 S. 44ff. (jetzt: Beiträge zur deutschen Verfassungsgesch. des Ma.s I, Göttingen I9G3 S. 23of.).
Ludwig der Fromme (8q-84o)
77
dessen in der neuen Formel eine Übertragung des Renovatio-Gedanken s auf die Franken als das nunmehr das imperiumtragende Reichsvolk. Diese Deutung kann ich mir nur in dem Sinne zu eigen machen, daß die Abwandlung erzwungen war, dann jedoch die den Franken zugefallene Stellung es möglich machte, der neuen Formel einen passenden Sinn zu unterschieben: blickte man auf die glorreiche Zeit Chlodwigs und die nachfolgenden Jahrhunderte zurück, ließ sich ja die Auffassung vertreten, das Reich der Franken sei >erneuert< worden. In allen Fällen solcher Art gab es ja nie nur dne einzige, gleichsam kanonische Auslegung. Doch sind- soweit ich sehe - aus dem zeitgenössischen Schrifttum noch keine Belege an das Licht gezogen worden, die eine solche fränkische Auslegung bekunden10 • Stattdessen kommt jetzt als neues Faktum hinzu, daß es auf Lothars I. wiederentdeckter Bulle heißt: Gloria regni - dieser Kaiser hat also den Renovatio-Gedanken fallen lassen10 a. Bezeichnend ist, daß Ludwig in seinen Briefen an den Papst dessen Namen voranstellte - sein Vater hatte diesem den zweiten Platz angewiesen. Aber das war folgerichtig: Karl hatte den Sohn ganz ohne Mitwirkung des Papstes zum Mitkaiser gemacht; aber dieser ließ sich von diesem ja noch einmal in aller Form zum Kaiser krönen (Reims 8 I 6). Damit hatte die Kurie wieder die >Gelasianische< Ordnung zum Siege geführt, die sie bereits in Karls Königszeit vertreten hatte- wir brauchen hier nur auf das Bild im Triclinium des Laterans zurückzuverweisen, auf dem Papst und König in gleicher Weise zu Seiten des Heiligen Petrus dargestellt worden waren: der 11 Papst jedoch auf der rechten, der König auf der linken, geringer wertigen Seite • Dieser Auffassung fügte sich Karls Sohn und Erbe, und daher blieb sie fortan verbindlich für alle seine Nachfolger12 • Der leidige Streit mit den Byzantinern wegen des Kaisertitels brach in Ludwigs Regierungszeit nicht wieder auf, da sich beide Vertragspartner an die 8 I I getroffenen Abreden hielten. Sehr elegant umgingen die Basileis Michael und Theophilos in ihrem 824 abgesandten Schreiben die Schwierigkeit: sie sandten ihren Brief dilecto et honorabi!i fratri Hludmvico, g!orioso regi Franeorum et Langobardorum et vocato eol'ltl?t imperatori 13 • Sie knüpften also an den - mittlerweile fallengelassenen - Königstitel Karls des Großen an, erwähnten den Kaisertitel, aber ließen ihn gleichsam in der Schwebe - man möchte übersetzen: »ihrem sogenannten Kaiser«. Die alte Unsicherheit in der Frage, welches der Haupttitel des Kaisers sei, machte sich erst wieder geltend, als Ludwig seinen Sohn Lothat I. zum Mitkaiser machte (8 r 7). In den Urkunden, die in beider Namen ausgestellt wurden, hießen sie folgerichtig imperatores augusti, aber in den Signumzeilen wird Ludwig imperator, Lothar r o Anführen ließen sich dafür die Worte aus der bei Einhard überlieferten Grabschrift Karls: qui regnum Francorttm nobiliter ampliavit. roa S. oben S. 70.
S. Bd. I S. 23 I ff. mit Abb. 8-9. Über spiritua!is ftlius s. unten S. 89. I3 Mon. Germ., Concil. II S. 475·
I I
I2
c. Die Titel der Karolinger
augustus genanntu. Diese Aufteilung des alten Doppeltitels auf Vater und Sohn, die
auch in den von Lotbar allein ausgestellten Urkunden zunächst respektiert wurde15, wäre ein guter Gedanke gewesen, wenn die Kanzlei ihn konsequent verfolgt hätte; es gibt jedoch Urkunden, in denen beide imperatores oder beide augusti genannt werden; in anderen heißt Ludwig augustus, Lotbar dagegen caesar. In den Titulaturen, die in den Kapitularien und Konzilsprotokollen verwandt wurden, ist erst recht keine feste Regelung zu erkennen: imperator und augustus werden allein oder zusammen verwandt; Vater und Sohn heißen aber auch beide augusti; daneben taucht noch die alte Formel princeps noster auf. Die Bezeichnung victor augustus, die 8r6 bezeugt ist16, benutzte auch Ludwig in Briefen17 • Agobard von Lyon verwandte sogar die Steigerung: victor et triumpbator18 • Vielfach ist auch der caesarTitel zu belegen19, Unverkennbar kommt darin ein Schwinden jener Präzision zum Ausdruck, die Karl und seine Berater auf Fragen dieser Art verwandt hatten. Hinter den jetzt benutzten Formeln standen nicht mehr genau durchdachte Rechtsauffassungen, die ja in Karls Kaisertitel selbst aus dem qui et zwischen Kaiser- und Königstitel herauslugen. Die >staatsrechtliche< Exaktheit ist im Laufe des 9· Jahrhunderts noch weiter zurückgegangen. (Nur im Umkreis Karls des Kahlen und des Erzbischofs Hinkmar von Reims kam es - wie der Abschnitt z zeigen wird - wieder zu einer Sorgfalt bei der Benutzung der Titel, die sich mit der in der Zeit des Großvaters aufgewandten vergleichen läßt.) Zu der um sich greifenden Sorglosigkeit paßt, daß höfisch eingestellte Geistliche in ihren Schreiben mehr oder minder willkürlich - mit Schmeicheleien spielend den Kaisertitel erweiterten. Der Patriarch Venerius schrieb z. B. 8z6/7: Domno Hludovico imperatori piissimo et cbristianissimo victori ac triumpbatori semperque augttsto totius orbis ortbodoxi terra marique 20 • Soweit eine Tendenz auszumachen ist, kann diese
nur in dem Bemühen gefunden werden, neben dem Ruhm auch die Frömmigkeit des Kaisers und den religiösen Gehalt seines Amtes zu unterstreichen. Unter den benutzten Ehrenwörtern steht deshalb piissimus an erster Stelle. Die Chronisten waren nüchterner: sie bevorzugten den imperator- Titel; das Wort augustus hängten sie an, oder sie verwandten diese Bezeichnung (wie die Signumzeilen) für den Mitkaiser. Aber eine feste Regel wurde auch von ihnen nicht befolgt. Es sei gleich hier vermerkt, daß die Unsicherheit in der Verwendung der beiden Titel auch noch in der Zeit der Alleinherrschaft Lothars I. anhielt.
14 PFEIL, Augustus-Titel a. a. 0. S. 204. 15 Vgl. dessen 1966 von TH. ScmEFFER edier-
ten Urkunden in den Mon. Germ., Dip!. Karo!. 16 Mon. Germ., Concilia II S. 312,458.
17 Mon. Germ., Capit. I Nr. r69. 18 Ebd., Epist. V S. 153. 19 Siehe unten S. 90f.; dazu Bd. I S. 272. 20 Mon. Germ., Epist. V S. 314.
Ludwig der Fromme- Lotbar I. (840-85 5)
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Die gesteigerte, dem früh-byzantin ischen dt:l asßacrr6r; entsprechend e Form: semper augustus, die in der Konstantinis chen Fälschung und daher bei der Reichsteilung von 8o6 verwandt ist 21, war auch der Zeit Ludwigs des Frommen vertraut. Sie begegnet gleichfalls in der Folgezeit und wird noch in den Schreiben des Papstes J ohann VIII. (872-82) häufig benutzt 22 • Ebenso taucht die in Karls d. Gr. Zeit aufgegriffene, in den Laudes festgehaltene Formel: a Deo coronatus im Laufe des 9· Jahrhunderts gelegentlich wieder auf 23, Unsicherheit entstand in der Zeit, in der Ludwig abgesetzt war (833/4). Von der Wiedereinset zung bis zu seinem Tode nannte Ludwig sich wie am Anfang seiner Regierung: imperator augustus; doch mußte er sich bis 8 37 eines nachgeschnittenen Siegelstempels bedienen, da ihm Lotbar den >echten< vorenthielt. Im Jahre 8r6 taucht in einem Kapitular noch einmal der Zusatz auf: Romanum regens imperium 24 ; es verblüfft, daß diese durch die Geschichte überholte Wendung durchschlüpf en konnte. Lotbar I. ( 8IJ bzw. 840-8JJ)
In Freisinger Traditionsno tizen wurde Lotbar bereits 815 rex in Baioaria genannt; aber es läßt sich nicht nachprüfen, ob er diesen Titel vor seiner Erhebung zum Mitkaiser (8 17) tatsächlich geführt hat. Die erste Urkunde des dritten Karolingers, der zur höchsten Würde gelangte, stammt vom r8. Dez. 822. Lotbar führt hier den bis 833 festgehaltene n (von uns bereits vermerkten) Titel: Lotbarius augustus invictissimi domni imperatoris H !udovici filius. In den Annalen heißt es durcheinande r: caesar, augustus, imperator, consors imperii; in der >Ürdinatio imperii< spricht der Vater vom di!ectus primogenitus noster und den ceteri fratres eius. Die päpstliche Kanzlei gebrauchte den Ausdruck: novus imperator und zählte Lotlurs Jahre von 817, also nicht erst von der Krönung in Rom (823) an. Dieser Akt veränderte also an Lotbars Stellung de facto nichts, bedeutete aber doch einen tiefen Einschnitt: Ludwig d. Fr. hatte sich als Mitkaiser auf Geheiß des Vaters 813 in Aachen die Krone selbst aufgesetzt, aber es 8 r 6 in Reims zugelassen, daß der Papst ihn zum Kaiser salbte und krönte. Jetzt empfing ein Kaiser erstens in Rom, zweitens vom Papst Salbung und Krönung und begründete damit ein Gewohnheitsrec ht des Papstes, das erst im Jahre 1508 von Maxirnilian I. durchbrache n wurde, also fast sieben Jahrhunderte Geltung behielt.
2r 22
S. Bd. I S. 272f. PFEIL, S. 301 ff. und Augustus-Titel a. a. 0. S. 205 Ebd. S. zro über den gelegentlichen Gebrauch in der Zeit Lotbars III. Erst seit Friedrich I. Barbarossa wurde diese Formel (verdeutscht in: »allzeit Mehrer des Rei-
ches«) konstant; sie blieb bis zum Ende des Alten Reiches unverändert. 23 Conc. Romanum (826) (Mon. Germ., Concil. II S. 56o). 24 Mon. Germ., Capit. I Nr. I34· (Das Datum »836« berichtigt nach Fa. L. GANSHOF),
8o
c. Die Titel der Karolinger
Nachdem der Vater gefangengesetzt worden war, nannte sich Lotbar nur noch imperator augustus, wie sein Vater das getan hatte, und diesen Titel, der auch in der Signumzeile sowie in den Kapitularien und Konzilsakten benutzt wurde, behielt er bis zu seinem Tode (855) bei; auf die Rehabilitierung Ludwigs wurde also im Titel des Sohnes keine Rücksicht genommen. Wie der Großvater ließ Lotbar seine Regierungsjahre in Italia und in Francia gesondert zählen. Doch verwischte sich der klare Reichsbegriff Karls des Großen: dieser hatte seine Jahre im Imperium sowie im Franken- und im Langobardenreich gesondert vermerken lassen; bei Lotbar bezogen sich die anni imperii auch auf das Frankenreich, da in allen Fällen seine Erhebung zum Mitkaiser als Ursprungsdatum angesehen wurde. Bei der unklaren Rechtslage, die sich durch den Streit zwischen den Söhnen und dem Vater sowie der Brüder untereinander ergab, überrascht es nicht, daß in den Datierungen der Privaturkunden die Anführung der Namen sowie die Zählung der Jahre voneinander abweichen. Eine Ausnahme bildet ein in Pavia ausgestelltes Kapitular (Febr. 8 32): in ihm wird Lothar der Titel dominus rex gegeben. Das wird wohl so zu erklären sein, daß in der ehemaligen Hauptstadt des Langobardenreiches noch einmal an dessen Tradition angeknüpft wurde. Daß Lothar auf die Stimmung in Italien Rücksicht nahm, kam vor allem darin zum Ausdruck, daß er 844 seinen ältesten Sohn Lud-.vig (den späteren Kaiser) durch Papst Sergius IV. in Rom zum König des regnum ltalicum krönen, laut >Liber pontificalis< »zum König der Langobarden machen« ließ 25 • Im Gesamt ergibt die Prüfung der amtlichen Schriftstücke, »daß in der Zeit Lotbars kein allzu großer Wert auf die Exaktheit der Titulierung gelegt wurde« 26 • Ludzyig I!. ( gJ o-87 J)
Von Lothars ältestem Sohn gibt es keine Urkunden aus seiner Königszeit. Als Mitkaiser lautete sein Titel: Dei gratia imperator augusttts invictissimi domni imperatoris Hlotarii fi!ius. Das heißt: die bei der voraufgehenden Mitherrschaft versuchte (allerdings nicht eindeutig durchgeführte) Aufteilung vonimperatorund ctttgustus auf Vater und Sohn war wieder preisgegeben. Die Datierungszeile begnügte sich wie beim Vater mit dem at~zts!tts- Titel; die Signumzeile weist keine Konsequenz auf: hier heißt es durcheinander: imperator oder augustus oder imperator augttstm. Auf Ludwigs erster Bulle 27 lautet die Umschrift: D( ominzts) N( oster) Hludovicus Imp(erator) Aug(ustus), auf der zweiten ist sie- auf beide Seiten verteilt- abgeändert
z 5 Vita Sergii cap. r 3 (Liber pontificalis II S. 89): regemque Langobardorum perfecit. 26 PFEIL a. a. Ü. S. Ip. 27 V gl. zum folgenden P. E. S., Die Metall-
bullen der Karolinger S. 6r-3 (jetzt: oben S. so-r); dazu Abb. zp-c in: Kaiser in Bildern.
Lothat I.- Ludwig II. (850-875)
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zu: Hludot'icus Im(perato)r Ces(ar) Aug(ustus)- auf den Caesar-Titel kommen wir noch zurück. Da Ludwig nur in Italien regierte, war es erforderlich, für die nicht passende, bisher hier untergebrachte Formel: Renovatio regni Franeorum einen Ersatz zu schaffen; so verfiel man auf die literarisch vorgeformte Wendung: decus imperii, deren Geschichte wir einen eigenen Abschnitt gewidmet haben 28 • Nachdem Lotbar gestorben war (85 5), lautete Ludwigs Titel: gratia Deiimperator augustus; in der Datierungszeile heißt es wie beim Vater nur: serenissimi (oder: excellentissimi) augusti29. Die Kapitularien, Konzilsprotokolle und Annalen zeigen, daß keine völlige Sicherheit in der Titelfrage bestand. Die Schreiben, die Ludwig vom Papst erhielt, begnügten sich des öfteren mit: augttstus. Ludwig der Deutsche gab in dem einzigen Schreiben, das von ihm an Ludwig II. erhalten ist (870 ), dem Neffen den Titelgioriosissimus attgustus imperator, setzte aber seinen Namen mit dem Königstitel an die erste Stelle30 , In einem Brief vom gleichen Jahr an die Kaiserin tat er dasselbe; ihr räumte er die Adresse ein: gloriosissimae ftiiae et imperatrici Enge!bergae semper attgttstae et a Deo coronatae31 • Eine Sonderstellung nimmt der von Anastasius Bibliothecarius aufgesetzte, vielbeachtete Brief ein, den 871 Ludwig II. dem byzantinischen Kaiser sandtc 32 • Hier ist er zu vermerken, weil Ludwig sich in der Adresse den Titel: imperator augustus Romanorum zuteilte und den Empfänger nur mit imperator novae Romae anredete: für diesen ein Schimpf sondergleichen, da seine Vorgänger seit 8 r z den Titel basileis Rhomaiön trugen, und die Beleidigung wurde dadurch noch größer, daß der Brieftext dafür eine geschickte historische Begründung lieferte. Doch kennen wir nur dieses 28 Siehe jetzt oben S. 7I ff. 29 Über Ludwigs II. Gemahlin Engelberga vgl. unten S. 87. 30 Mon. Germ., Epist. VI S. 249. 31 Ebd. S. 250. 32 Mon. Germ., Epist. VII S. 385 ff. (auch Script. III S. 25Iff.); dazu \'V. BENZE, Über den Brief Ludwigs II. an ßasilius I., im Neuen Archiv 35, I9IO S. 663ff. und PFEIL a. a. 0. S. I85ff.; s. auch F. DöLGER, Europas Gestaltung im Spiegel der fränk.-byz. Auseinandersetzung des 9· Jahrhunderts, in: Der Vertrag von Verdun 843, hrsg. von TH. MAYER, Lpz. I 943 S. 22 5 ff. (wieder abgedruckt in: Byzanz u. die europ. Staatenwelt, Ettal I95 3 S. 282ff.). Zu beachten ist, daß die Ann. Bertiniani ad a. 876 (verfaßt von Hinkmar) sagen: impera-
6 Schramm, Aufsütze II
tor Romanorum appel!attts est (ed. FR. KuRZE, I89I S. I27; Script. in us. schol.). Den erweiterten Titel benutzt Hinkmar nur dieses eine Mal (PFEIL a. a. 0. S. 305). Die in der Erzdiözese Reims - wohl schon 887/8 und nicht erst um 900 - verfaßte >Visio Karoli< spricht vom imperium Romanorum (Mon. Germ., Script. X S. 45 8), und in dem Brief bayerischer Bischöfe an den Papst Johann IX. (9oo) fällt der Ausdruck: Romana res publica (H. BRESSLAU, Der angebliche Brief des Erzbischofs Hatto von Mainz an Papst IX., in: Histor. Aufsätze, K. ZEUMER zum 6o. Geburtstag dargebracht, Weimar
I9o9 S. 24ff.). Ob Karls d. Kahlen Kaisertitel auf seiner Bulle ROL'vf. zugesetzt war, ist nicht völlig gesichert; s. unten S. 84.
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c. Die Titel der Karolinger
durch besonderen Anlaß provozierte - Schreiben mit dem erweiterten Titel, der nach gelegentlicher Verwendung in der Zeit Ottos I.- erst durch Otto II. zum abendländischen Kaisertitel geworden ist33 • Im Gegensatz zu diesem hochgespannten Anspruch steht die Tatsache, daß die Chronisten nördlich der Alpen in Ludwig nur einen imperator ltaliae sahen34 •
Lotbar I!. ( S; ;-869) Lothar, dem Bruder Ludwigs II., fiel bei der Teilung des Reiches jener Teil zu, der nach ihm den Namen >Lotharingien< erhalten hat35 • Er begnügte sich jedoch während seiner ganzen Regierungszeit mit dem einfachen rex- Titel. Auch in den Akten dieser Jahre heißt Lothar immer so; offiziell ist also seinem Titel nie ein Ländername zugesetzt worden3s. In Lothars Briefen an den Papst ist dessen Titel von vielen Ehrenwörtern begleitet, und Christus wird als rex bezeichnet, was in dieser Zeit noch ungewöhnlich war37 • Wegen seiner Eheaffären war dieser Karolinger ja auf gut Wetter in Rom angewiesen; aber auch ohne sie würde er wohl aus innerer Überzeugung dem Papste eine so überhöhte Stellung eingeräumt haben. Gelegentlich heißt Lothat in einem an ihn gesandten Brief: serenissimus augustorum mihi carissimus38 - das zeigt, wie die einst dem Kaiser vorbehaltenen Ehrenwörter serenissimus und augustus nunmehr ihrer anfänglichen Verwendung entfremdet sind. In seinem Herrschaftsberei ch wurde Lothat auch princeps und senior genannt. Die westfränkisch en Karolinger
Kar/ der Kahle ( S4o-S77}3 9 Der Sohn Ludwigs des Frommen aus zweiter Ehe, Karl, hat sich von 840 bis zu seiner Kaiserkrönung (25. Dez. 875) mit dem rex-Titel ohne Zusätze' 0 und fast 33 V gl. dazu Band III. 34 PFEIL a. a. 0. S. I98ff. 35 Bezeichnend ist die Ausdrucksweise einer ein Menschenalter nach Lotbars Tod, nämlich am 24. 6. 903, von Ludwig dem Kinde ausgestellten Urkunde (Nr. zo): Kebehart dux regni, qttod a mu!tis Hlotharii dicitur. ~G Eine Ausnahme (rex Francorum) bietet ein Brief des Mönches Ermenrich an den Abt Grimoald (Mon. Germ., Epist. V S. 574). Über rex Franciae in den Ann. Bertiniani sowie rex Ripuariae (bzw. Ripuariorum) in den Xantener Annalen, s. PFEIL a. a. 0. S. 212ff.
37 PFEIL a. a. 0. S. 205 ff. Über Gott, den rex regum, der nach Smaragdus von St. Mihiel (Via regia, um 8zoj5) te parvu!um (d. h. Pippin von Aquitanien) ... adoptavit in ftlium, s. unten S. 2 55 f. (s. auch: ttf sis ft!ius Regis in coelo). 38 Mon. Germ., Epist. VI S. I 3 r. 39 V gl. Recueil des actes de Charles li le Chauve, ed. G. TESSIER, I-II; Paris I943/52 (Chartes et Diplomes relatives a I'hist. de France): eine meisterhafte Edition von 399 Urkunden. 40 So auch in der Datierungszeile.
Lothar II.- Kar! der Kahle (84o-877)
durchweg mit der schlichten Dei gratia-Formel Genüge sein lassen, die zum Titel Karls des Großen gehört hatte, aber in der Zeit des Vaters bereichert worden wareines der vielen Anzeichen, nach wessen Vorbild dieser Karolinger sein Leben ausrichtete. Karl zählte seine Regierungsjahre von 84o an, obwohl er bereits 829 Alamannien, Raetien und Teile von Burgund zugeteilt bekommen hatte und 8 3 r bei der neuen Teilung noch besser ausgestattet worden war, obwohl er ferner Pippin aus Aquitanien41 vertrieben hatte und 8 3 8 zum König erhoben wurde- vergeblich fragt man, welche Titel Karl vor 840 geführt hat. Die erste Bulle Karls des Kahlen kopiert die Königsbulle Karls des Großen, fügt jedoch einen bartlosen Jünglingskopf mit Lorbeerkranz (statt der Helmkrone) ein. Die zweite richtet sich nach den Kaiserbullen Karls d. Gr. und Ludwigs des Fromrnen42. Weder die endgültige Eingliederung Aquitaniens (848) noch die Erweiterung des Westfrankenreiches durch den Hauptteil von Lotharingien (869) (beide durch Krönungen bekräftigt) gaben Anlaß, den rex- Titel abzuändern. Das ist auffällig. Die Karl feindlich gesonnenen Fuldaer Annalen behaupten im Anschluß an den Bericht über die Metzer Krönung: se imperatorem et augusttim quasi duo regna possessurus appellare praecepit 43 • Das ist die auch sonst bezeugte Auffassung: ein Herrscher, der über mehr als ein Königreich regiere, habe Anspruch auf den Kaisertitel; sie wird auch Karl bekannt gewesen sein, aber seine Urkunden bezeugen, daß er sie sich nicht zu eigen machte, daß also jene Annalen ihm zu Unrecht etwas anhängten, was auf seinen Ehrgeiz ein böses Licht warf. Das einzige, was geschah, war, daß von 869 an- aber erst von 872 an regelmäßigdie Regierungsjahre in Lotharingien gesondert vermerkt wurden44 : der alte Gedanke der >Personalunion<, der ja im Falle Aquitaniens nicht anerkannt worden war, kam hier also abermals zur Geltung. Nach der Kaiserkrönung (Dez. 875) wurden neben den Kaiserjahren nur die Jahre in Francia vermerkt. Nach kurzem Schwanken gelangte die Kanzlei zu der bis zum Tode des Kaisers festgehaltenen Titelfassung: KaroJus eiusdem Dei omnipotmtis misericordia imperator augustus. Sie entsprach der Tradition, wie sie sich mittlerweile herausgebildet hatte, erhielt aber- wie GRAF PFEIL45 zuerst beobachtet hat- durch die Einfügung von eittSdem einen persönlichen Einschlag: nicht die Gnade Gottes, wie es 41 Über den Hintergrund des Ringens um Aquitanien vgl. TH. ScHIEFFER, Kar] von A., (d. h. Sohn Pippins I., 8 56-63 Erzbischof von Mainz), in der Festschrift für Bischof Dr. A. Srmm, Mainz r9Go S. 43ff. 42 S. oben S. 2 r ff.; 5of.
43 Ad a. 869 (ed. FR. KuRZE r89r S. 70; Script.
in us. schol.). 44 In der Datierungszeile hatte die Kanzlei schon vorher die Jahre successionis H!uduwici neben denen in successione H!otharii gezählt. 45 A. a. 0. S. 274; ebd. S. 281 Zeugnisse, die auf die gleiche Auffassung hinauslaufen.
c. Die Titel der Karolinger
bisher hieß, sondern >seines< Gottes. Der Griff nach der Kaiserkrone war gewagt gewesen, aber gelungen - auch der Großvater hatte daraus eine Bestätigung genommen, daß Gott sich um ihn mehr kümmerte als um gewöhnliche Sterbliche 46 • Leider sind wir über die - nicht erhaltene - Kaiserbulle Karls des Kahlen nur unzulänglich unterrichtet: auf der Reversseite stand: Renovatio I mperii Romani et Fra(ncorum). Die Umschrift auf der Bildseite wird wiedergegeb en: Karolus imperator Fra(ncorum) Top. (wohl zu verbessern in Romae bzw. Romanorttm47 ). Es wäre sehr erwünscht, hier Sicherheit zu gewinnen; denn wenn die von Du CANGE stammende Angabe verläßlich ist, hat auch Karl - wie vor ihm Ludwig II. 48 - zu dem Kaisertitel jenes Wort gefügt, das den Stolz der >Basileis Rhomaion< in Konstantinop el am meisten kränkte. Die zahlreichen Briefe an Karl, deren Text erhalten geblieben ist, zeigen, wie höfische Gewandtheit und devoter Stil mittlerweile Allgemeingu t geworden sind, tragen aber zur Sache wenig bei. In protokollaris cher Hinsicht werfen auch die Briefe, die Karl von den Päpsten empfing, nichts ab: die von ihnen benutzten Anschriften schwanken - der wechselnden Lage folgend - zwischen Kühle und Herzlichkeit, benutzen aber nur traditionelle \Vendungen49 • Bewundernsw ert bleibt, wie die Kuriedank ihrer gefestigten Tradition - durch kleine Abwandlung en zu verstehen geben konnte, wie sie im Augenblick eingestellt war. Die ostfränkisc hen Karolinger
LudzJlig der Deutsche ( 826 bzzv. J;;-876) Es bleibt noch etwas zu sagen über die ostfränkisc hen Herrscher 50 • Bei den ersten Karolingern aus dieser Linie liegen die Verhältnisse einfach, da sie nicht zur Kaiserkrone gelangten. Ludwig der Deutsche nannte sich in einer Urkunde vom 6. X. 830: rex Baioariorum, womit die- schrittweise seit längerem vorbereitete Anerkennun g Bayerns als >Königreich< in den offiziellen Sprachbrauch übernommen wurde. Von der Entthronung des Vaters (8 33) an führte Ludwig nur noch den Titel: rexund behielt diesen bis zu seinem Tode ohne jeglichen Zusatz bei. Der Grund ist aus der gleichzeitig gebräuchlich gewordenen und gleichfalls bis zuletzt unverändert gelassenen Datierungsze ile zu ersehen: in ihr heißt es auf Grund der Zugeständnis se des Vaters: in orienta!i Francia. Ludwig war jetzt ja mehr als König von Bayern, aber es fehlte ein passender Name für den von ihm beherrschten 46 Ich fasse mich hier kurz, da sich der nachfolgende Teil 4 mit dem Kaisertum Karls des Kahlen befaßt (dort bes. über die Wiederbenutzung der von Kar! d. Gr. geprägten Formel: protector et defensor). 47 Vgl. oben S. 57·
48 Vgl. oben S. 8rf. 49 Einige Ausnahmen sind im folgenden berücksichtigt. 5o V gl. unten den Abschnitt 3 D: >Salbung und Krönung bei den Ostfranken<.
Ludwig der Deutsche (8z6-876) und seine Söhne
Bereich. Die Notlösung, analog zu Lotharingien aus >Ludwig< einen Ländernamen abzuleiten, wurde nicht ergriffen. Ludwig sah sich als völlig selbständig an; er ließ daher weder vom Vater noch vom kaiserlichen Bruder Regierungsjahre anführen. Diesem Selbstbewußtsei n entspricht, daß die Ausstellungsorte nicht einfach civitas oder palatium genannt werden, sondernwenn es sich um Pfalzen handelt- pa!atium regium. Zur vornehmsten wurde Frankfurt; daher konnte Regino von Ludwig sagen: apud Franconofurt principalem sedem orimtalis regni residebat5 1 •
Eine Ausnahme macht eine Urkunde, die im Winter S5S/9 zu Attigny ausgestellt wurde, als Ludwig in das Nachbarreich eingefallen war; denn zu den deutschen Regierungsjahren in der Datierungszeile wurde noch hinzugesetzt: in occidentafi ( Francia) vero I ( anno). Da der König sich wieder zurückzog, hatte diese Neuerung keine Folgen; sie ist jedoch insofern aufschlußreich, als die beiden Reiche als selbständige Einheiten behandelt sind, obwohl sich der Oberbegriff Francia angeboten hätte: die gewählte Formulierung lief statt dessen darauf hinaus, daß Ludwig sie beide nur in der Form der >Personalunion< zusammengesch lossen hätte, wenn ihm anhaltender Erfolg beschieden gewesen wäre.
Kar/mann ( 876-8So) und Lud1vig ( 876-8S2) Von Karlmann, Ludwigs des Deutschen ältestem Sohne, sind zS Urkunden bekannt; alle weisen - sowohl in der Intitulation, als auch den Signum- und Datumzeilen- den schlichten Königstitel auf, den der Vater geführt hatte. Nur in der Datierungszeile der beiden ersten Diplomeheißt es noch: rex Bauuariorum. Die Reihe dieser Urkunden setzt erst im Nov. S76 ein, also nach dem Tode des Vaters, der zwar die Dreiteilung seines Reiches vorbereitet, aber den Söhnen nicht das Recht zur Ausfertigung von Diplomen überlassen hatte. Daß Karlmann sich bemühte, Karl den Kahlen in Italien aus dem Sattel zu hebendessen plötzlicher Tod kam ihm sehr zu Hilfe-, hatte von Okt. Sn an zur Folge, daß in der Datierung jetzt die anni . .. regni . .. regis in Italia (bzw.Italiae) gezählt wurden. Nach seiner Rückkehr (Dez. Sn) wurden die Jahre in Wmvaria und in Ita!ia nebeneinander angeführt52 • Da der König auf Grund seiner Krankheit praktisch regierungsunfähig war, reißt die Reihe seiner Urkunden bereits im August 879 ab. Lud w i g, Karlmanns nächstälterer Bruder, begnügte sich gleichfalls mit dem rexTitel ohne Zusatz. In der Datierungszeile übernahm er vom Vater die Kennzeichnung: in orienta!i Francia. Da er zunächst nur Franken, Sachsen und Thüringen besaß, engte er also diesen Begriff de facto ein. Als Siegel benutzte er das des Vaters weiter: eine Hadriansgemme mit hinzugefügter Umschrift. Nachdem Ludwig 879 51 Regino ad a. 876, ed. FR. (Script. in us. schal.).
KuRZE
r89o S.
III
52 Einige Male heißt es rex Bauuariorum statt rex in Bawaria.
86
c. Die Titel der Karolinger
auch noch das Reich seines Bruders übernommen hatte, verzichtete seine Kanzlei in der Datierungszeile auf jegliche geographische Angabe: es stand ihr offensichtlich kein passender Name zu Gebote. Bei den Chronisten heißt dieser Karolinger schlechtwegrexoder rex Saxonum oder rex Germaniae. Aber viel haben sie von den beiden Brüdern nicht aufgezeichnet, und in Italien fällt Karlmanns Name nur ein paarmal. Kar! III. ( 876-888)
Der jüngste Sohn Ludwigs des Deutschen hatte 865 den geringsten Machtbereich zugeteilt bekommen und kam auch 876 am schlechtesten weg. In einer Urkunde, die kurz vor dem Tode des Vaters ausgestellt wurde, heißt er: Karolus, Hludowici ... regis filius 53 , und in der Datierung wird allein nach dem Vater gezählt54 • Als König ließ Karl sich nur - wie der Vater und die Brüder - rex titulieren. Von seiner Kaiserkrönung (12. Febr. 88 r) an führte er den Titel: imperator augustus, der bis zu seinem Tode unverändert blieb. In der Datierung wurde von 879 an davon Notiz genommen, daß Karl nun auch Herrscher in Italien war. Dieses Faktum wurde am 6. Jan. 88o durch seine Weihe in Ravenna bekräftigt55 • Auffallend ist, daß Karl seinen deutschen Bereich nicht- wie es zu Lebzeiten der Brüder nahegelegen hatte - Alamannien, sondern Francia benennen ließ: erst nach der Beerbung der Brüder war ja diese Bezeichnung für den beherrschten Bereich wieder berechtigt. Nach der Kaiserkrönung wurden die italienischen Jahre vor den deutschen gezählt. Nachdem Karl auch die Herrschaft über Westfranken erlangt hatte (885), kamen noch die Regierungsjahre in Gallia hinzu; doch gelangte die Kanzlei bezeichnenderweise nicht zu einem festen Brauch. Auf Karls Kaiserbulle stand wieder: Renm)atio regni Franc(orum). Sie war erfolgt, aber das Reich dieses Karls war so brüchig zusammengefügt, daß es gleich wieder auseinander fiel.
Arnu!j ( 8 87-899) und seineSiihne: Zwentibold ( 895-9 oo) und Ludwig das Kind ( 900-911) In seiner ganzen Königszeit bediente sich Karls III. Neffe wiederum des einfachen rex- Titels. Doch ließ die Exaktheit der Kanzlei weiter nach. Zu beachten ist, daß in der Datierung der Ausdruck Frattcit~ orientalis nicht mehr erscheint.
53 Mon. Germ., Dip!. Karo!. II Nr. r. 54 Daß im Gedenkbuch von Remiremont cem jungen Kar! III. ausnahmsweise noch bei Lebzeiten des Vaters der Titel rex beigelegt wurde, zeigt G. TELLENBACH, Liturg. Ge-
denkbücher als histor. Quellen, in den Melanges E. TrssERANT V, Bibi. Vaticana 1964 (Studie Testi 235) S. 398. 55 Siehe unten S. 294.
Kar! III. - Arnulf und seine Söhne
Als Arnulf 894 den Versuch machte, Italien seinem Reich anzugliedern, wurde vorübergehend in Italia primo ( anno) hinzugesetzt. Auf diese Zählung griff Arnulf zurück, nachdem er zum Kaiser gekrönt worden war (Rom, 27. Febr. 896). Merkwürdig bleibt, daß es in der Intitulatio imperator, in der Datierungszeile jedoch weiter rex hieß- ein Hinweis darauf, wie wenig der Kaisertitel selbst am Herrscherhofe galt. Zwentibold nannte sich wiederum rex, obwohl er ja nur König von Lothringen war. Auch führte er nicht den ja zunächst noch lebenden Vater an, wie andere Karolinger das früher getan hatten; er dokumentierte also seine völlige Selbständigkeit. Lud w i g das Kind führte gleichfalls allein den Königstitel, der selbst dann nicht erweitert wurde, als im Jahre 900 die von Zwentibold abgefallenen Lothringer ihm die Herrschaft antrugen.
Allgemeines über die karolingischen Titel Wir gliedern gleich hier einige allgemeine Feststellungen ein. Karls des Großen Gattinnen waren im Schatten geblieben, wurden aber in den Laudes mitgeehrt. Ludwig der Fromme ließ seine beiden Gemahlinnen, denen der Titel augusta bzw. imperatrix augusta beigelegt wurde, krönen. Aber im Bereich der Urkunden beschränkte sich ihre Auswirkung auf gelegentliche Interventionen56 • Die Dichter übten dagegen keine Zurückhaltung. Sedulius Scotus bezog z. B. auf Ludwigs erste Gemahlin das Ehrenwort rector, von dem noch die Rede sein wird, und pries sie als Francigemtm rectrix, laus orbis, gloria Romae 57 • Seltsam nimmt sich die Bezeichnung caesera für die Kaiserin Judith aus, die bei Ermoldus Nigellus begegnet5 8 • Lothars I. Gemahlin spielte keine Rolle von Belang, anders Ludwigs II. Frau, die Kaiserin Angilberga59 , die während der Gefangenschaft des Gatten die Regierung führen mußte. Aus dieser Zeit stammen wohl Münzen, die - gegen die bisherige Regel- beider Namen aufweisen 60 . Karl der Kahle ließ seine Gemahlin neben sich abbilden: sie naht sich von links seinem Thron, das Haupt und die Schultern mit einem wallenden Schleier bedeckt und nicht durch irgendein Herrschaftszeichen hervorgehoben61. Doch besaß sie anscheinend einen Siegelstein: eine antike Gemme, die durch die Umschrift RICHILDE für sie hergerichtet worden war62 . Die Gemahlinnen der 56 Vgl. hierzu TH. VoGELSANG, Die Frau als Herrseherin im hohen Mittelalter, Göttingen 1954 (Göttinger Bausteine zur Gesch.wiss. 7) S. Ijff. 57 Mon. Germ., Poet.lat. III S. r86. 58 Ebd. II S. 72 (IV, 515).- Er nennt sie auch coniunx caesaris; s. ebd. II S. 72 (IV Vers 497)· 59 GumLA v. PöLNITz-Kum, Kaiserin Angilberg. Ein Exkurs zur Diplomatik Ludwigs
II., im Histor. Jahrbuch 6o, 1940 S. 429ff. und CH. E. ÜDEGAARD, The Ernpress Engelberg, in: Speculum 26, 1951 S. 76-ro3. 6o P. E. S., Kaiser in Bildern, S. I74· 6 r Ebd. Abb. 41 (dort noch fälschlich Kar! III. zugeschrieben; vgl. jetzt P. E. S.-FLOR. MüTHERICH, Denkmale, München r963 S. r36f.): Bibel von San Paolo fuori Je Mura. 62 Ebd. Abb. 37a (dazu Nachtrag in Bd. V).
88
c. Die Titel der Karolinger
ostdeutschen Karolinger haben keine Rolle gespielt, so daß über sie nichts zu vermerken ist 62 •. Ein Titel für den Thronfolger hat sich nicht eingebürgert; hatte er noch kein Unterreich zugeteilt bekommen, so daß er einen Königstitel tragen konnte, mußte er als ftlius seines Vaters gekennzeichnet werden. Den Ausdruck coimperator benutzt einmal der sog. Astronom63 ; primogenitus kommt gelegentlich vor, hat sich aber nicht durchgesetzts•. Consors imperii, gewöhnlich für die Gemahlinnen der Herrscher verwendet, wird gelegentlich in Urkunden Ludwigs des Frommen für Lothar I. benutzt65 • Für die beherrschten Bereiche standen die Begriffe imperium und regnum zur Verfügung66. Der Ausdruck monarchia blieb vereinzelt6 7 • Bei Nithard kommt respublica ein halbes Dutzend Mal vor, jedoch mit schillerndem Begriffsinhalt6 8 ; auch in anderen Texten findet sich dieses Wort. Patria wurde so allgemein gebraucht, daß sich Belege erübrigen. Im Anschluß an die Zeit Karls des Großen ist auch noch mehrmals die Rede vom imperatoris nomen. Das Wort imperium, bezogen auf das Gesamtreich, spielt nach dem Tode Ludwigs des Frommen eine auffallend geringe Rolle69 • Die Wendung corona regni ist im Ordo von 869 benutzt70 • Der Zusatz dominus ( do111nus) zum Kaiser- und Königstitel71 war in der I. Hälfte des 9· Jahrhunderts selbstverständlich, und so blieb es bis zum Ende der karolingischen 62a Von Richgard, der Gemahlin Karls III., gibt es eine Urkunde aus dem J. 884: sie führt hier den Titel: Dei favente c!ementia imperatrix augusta (Mon. Germ., Dip!. der deutschen Karolinger III. S. 326ff.). 63 Cap. 43: Imperator ft!ium H!otharium coimperatorem appe!!ari et esse vo!uit (Stein-Ausg. s. 238). 64 Z. B. Ann. reg. Franc. ad a. 8I7 (ed. FR. KuRZE, I895 S. 147; Script. in us. schal. und Stein-Ausg. S. I 12). 6 5 So schon die Ann. regni Franc. ad a. 8 I 3: (Caro!us) Ludowicum imperia!is nominis sibi consortem fecit (ed. FR. KuRZE I895 S. I38; Script. in us. schal. und Stein-Ausg. S. I62). 66 In Karls d. Gr. Kaiserjahren wird noch oft von regnum gesprochen; vgl. PFEIL a. a. 0. S. 6rf. (dort weitere Belege für die Folgezeit) (s. auch E. E. STENGEL: oben S. 76 Anm. 5). 67 Ann. Puldenses ad a. 84I (rec. FR. KuRZE, I89I; S. 32; Script. in us. schal.): (Lotharius)
sibi monarchiam vindicabat. Nach Walafrid Strabo in seiner Schrift: De exordiis et incrementis rerum eccl. (84o/2) cap. 32 besaßen die Römischen Kaiser totius orbis monarchiam (Mon. Germ., Capit. II s. 5I5). Nach der >Visio imperii< (wohl 887/8) gab Kar! III. dem König Ludwig von Burgund monarchiam omnem imperii (Mon. Germ., Script. X S. 458). 68 PFEIL a. a. 0. S. 163 f. Auf Burgund bezogen ist respub!ica im Wahlprotokoll des Königs Ludwig (89o); s. Mon. Germ., Capit. II S. 376f. Über Romana respub!ica in dem Brief der bayerischen Bischöfe an den Papst Johann IX. (9oo) vgl. oben S. Sr Anm. 32· 69 PFEIL a. a. 0. S. 299 Anm. 3· 70 Mon. Germ., Capit. II S. 302. 7I Vgl. oben S. 22 über D(ominus) N(oster) in der Zeit Karls d. Gr. Über dom ( i) nus in der Zeit Karls d. Gr. s. PFEIL a. a. 0. S. 6o.
Allgemeines über karolingische Titel
Zeit, so daß wir uns damit begnügen können, diese Tatsache zu verzeichnen: das Wort konnte zwar fehlen, tat es aber meist nicht. Anzunehmen ist, daß entsprechend die mündliche Anrede >Herr Kaiser< bzw. >Herr König< lautete 72 • An dem von Ludwig dem Frommen akzeptierten Brauch, daß im Briefwechsel mit dem Papst diesem der Vorrang eingeräumt wurde, hielten alle seine Nachkommen fest. Auch wurde es selbstverständlich, daß die Karolinger in ihren Briefen an die Päpste sich spiritua!is ji!ius vester nannten und sich entsprechend mit spiritualis ji!ius anreden ließen73 - in der Zeit Karls d. Gr. hatte ihn das Haupt der Kirche auf Grund seiner Gevatterschaft mit compater angeredet; doch hat für ihn auch schon Leo III. die Anrede >Sohn< benutzt. Die Dei gratia-Formcl Karls des Großen machte unter Ludwig dem Frommen volltönigen Wendungen Platz. Auch Lothar I. bediente sich noch der Wendung: divina ordina11te pr!lvidentia. Die schlichte Formel griff Ludwig II. im Jahre 8 5o wieder auf, folgte dann aber wieder demVorbild des Vaters. Ob bei den Abwandlungen nur stilistische Gründe maßgeblich waren oder gelegentlich auch theologische, ist schwer zu entscheiden (Anrufung Gottvaters und des Sohnes oder auch des Heiligen Geistes). Vermerkt wurde bereits, daß die Formel unter Karl dem Kahlen einen persönichen Zug erhielt'4.
2. SONST NOCH GEFÜHRTE TITEL, VERGLEICHE UND EHRENWÖRTER
Über die Bezeichnung defensorwurde das Erforderliche bereits gesagt im Zusammenhang mit der - in den Kaiserordo übernommenen und daher unübersehbar gemachten- Prornissio von 77475 • Aus unserer Zusammenstellung der Zeugnisse7 6 ist jedoch zu entnehmen, daß die Formeldefensor et protector zwar gelegentlich wieder auftaucht, daß aber die Tendenz der Kirche unverkennbar ist, sie zu umgehen und statt dessen vorn adiutor und tutor zu sprechen. Gewicht haben ferner die Ausdrücke: rector und caesar77 • 72 Die Bezeichnung naturalis dominus, die im hohen Mittelalter eine Rolle spielen sollte (besonders in Spanien), findet sich vereinzelt. Zum Tode Kaiser Karls III. (888) vermerkt Regino, daß die Bewohner der verschiedenen Reichsteile nicht den naturalem dominum verlangt, sondern einen der Ihren erhoben hätten (ed. F. KuRZE, S. r29; Script. in us. schal.). 73 Über die Geschichte dieser Bezeichnung, die bereits der Hlg. Ambrosius in der Fassung >filius ecclesiae< verwandte, s. E. ErCHMANN,
74 75 76 77
Die Adoption des deutschen Königs durch den Papst, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 37, Germ. Abt., r9r6 S. 29r-3 rz. Siehe oben S. 83. s. Bd. I S. I73 f. s. Bd. I S. !63 ff., I84ff. Da induperator besser in den Vers paßt als imperator, ist dieses bei Lucrez und anderen vorkommende Wort auch im 9· Jahrh. gelegentlich gebraucht worden; sachlich ergibt sich daraus nichts.
c. Die Titel der Karolinger I. Rector findet sich im Alten Testament und daher in den Gebeten für die Obrigkeit, die die karolingische Kirche aus den Sakramentarien übernahm und weitergab. Als der rector populi christiatti, der die regalis potestas habe, ist Karl d. Gr. von Alcuin in dem berühmten Brief bezeichnet worden, in dem er des Königs Stellung verglich mit der imperialis dignitas et secuttdae Romae saecularis potentia78 • Ferner ist auf ihn rector angewandt in zwei Handschriften der Reichsteilung von 8o679 • Im höfischen Schrifttum ist dieses Wort nicht nur auf ihn, sondern auch auf seine Nachkommen bezogen worden 80 • 2. Daß caesar in lateinischen Texten immer von neuem auftaucht, nimmt nicht Wunder. Denn dieses Wort war ja in der Form >kaisar< alteingebürgertes Lehngut derVolksspracheund daher dem Nichtgelehrten besser vertraut als der Titel imperator. Dadurch erklärt sich auch, daß in den Anordnungen für die Wiedervereidigung, die durch die Annahme des Titels imperator augustus erforderlich geworden war und 8oz durchgeführt wurde, nicht dieser, sondern caesar gebraucht wirds1 • Für diesen Titel, angewandt auf Ludwig den Frommen, gibt es eine ganze Reihe von Belegen82 • Genannt seien hier die Dichtung des Ermoldus Nigellus 83 , Briefe des Hrabanus (834), der den Kaiser rnit: caesar amate anredet 8\ und der Ire Dungal, der Ludwig und Lotbar außerdem s. ecclesiae rectores nennt 85 • Lotbar I. heißt gelegentlich caesar in Signumzeilen der Urkunden, die er gemeinsam mit dem Vater ausstellte 86 • Mehrfach gibt ihm diesen Titel Ansegis in der Vorrede zu seiner Kapitulariensammlung 87 • Über Ludwig II. teilte Papst Benedikt III. (8 55-58) den fränkischen Bischöfen mit:
78 Mon. Germ., Epist. Karo!. IV S. 288, Nr. I74· S. auch S. 293 Z. 33 f.: Gott hat der \'V elt talmi rectorem geschenkt. 79 Mon. Germ., Capit. I S. r 26 Anm. a. So Z. B. Alcuin betr. Kar! d. Gr. (Mon. Germ., Poet. lat. I S. 245): decus ecclesiae, defensor, amator, ferner rector (Mon. Germ., Epist. IV S. 288, 36r); Agobard von Lyon an Ludwig den Frommen: rector et domne, caput orbis, decus mundi (Mon. Germ., Epist. V S. 290); Formel von St. Gallen aus der Zeit Karls III.: augustus rector Franeorum etc. (Mon. Germ., Formulae S. 397); Notker von St. Gallen (886/7) I cap. 26 rückschauend auf Kar! d. Gr.: rector et imperator plurimarum ... nationum (ed. H. F. HAEFELE, Berlin 1959 S. 35; Mon. Germ., Script. rer. Germ., N. S. XII). Brun von Querfurt mahnte Heinrich II., tt! sis bonus et catho!icus rector s. ecclesiae (zu diesem
Brief vgl. R. WENSKUS, Studien z. hist.-pol. Gedankenwelt Bruns von Qu., MünsterKöln 1956 S. 192ff.; Mitteldeutsche Forsch. 5).
Über Konrad von Zähringen und König Heinrich (VII.) als Reetares Burgundiae s. unten S. 279. Außerdem spielte diese Bezeichnung noch eine Rolle in der Geschichte des italienischen Stadtwesens, der Kirchen und der Universitäten. Eine Geschichte dieses Begriffs dürfte lohnend sein! Sr S. Bd. I S. 285. 82 PFEIL a. a. 0. S. II4 Anm. 4; S. 113 Anm. 2, S.
83 84 85 86 87
122 f.
Mon. Germ., Poet. II S. 5: I Vers 2ff. Mon. Germ., Epist. VI S. 304. Ebd. IV S. 592. S. oben S. 78. Mon. Germ., Capit. I S. 394·
Sonst noch geführte Titel
Hludcwicum munivimus caesarem imperatorem augustum 88 ; daß dieser Kaiser gegen das Herkommen caesar in den Kaisertitel einfügte, ist bereits zur Sprache gekommen 89 . Oft benutzt, hat der Caesar-Titel im Bereich der lateinischen Sprache hier einmal >Offizielle< Bedeutung erlangt. Auch der karolingischen Spätzeit war dieser Titel noch vertraut. Karl III. wird im >Breviarium Erchamberti< (Monte Cassino, um 9oo) zweimal augustus caesar genannt 90 . So bezeichnen zweimal auch die Annales Ratisbonenses den Kaiser Arnulf, vielleicht, um ihn von dem dort erwähnten, imperatortitulierten Basileus abzuheben 91 ; doch war der einfache Caesar-Titel dem Geschichtswerk schon vorher für Karl III. in seiner Kaiserzeit vertraut gewesen 92 • Rückschauend sagt Notker Balbulus, daß Karl d. Gr. im Jahre 8oo nomen quoque imperatoris cesaris et augusti erlangt habe 93 . Im IO. Jahrhundert bedienen sich gelegentlich gelehrte Männer wie Gerbert des Caesar-Titels 94 . Um w3o benutzt ihn die >Graphia aureae urbis Romae< 95, und der Erneuerungsgedanke, verbunden mit emsigerem Studium der antiken Texte, sorgte dann dafür, daß >Caesar< wieder eine gängige Vokabel wurde. Neben dem Kaiser- und dem Königstitel Endet man oft den Ausdruck princeps verwendet96 - sei es aus stilistischen Gründen, sei es aus Sorglosigkeit, jedenfalls ohne >staatsrechtliche< Bedeutung. Denn er wurde auch für nichtkönigliche Würdenträger verwandt 97 . Aus dem römischen Recht stammt der Ausdruck iustitiae exsecutor, der von Regino von Prüm auf Ludwig den Deutschen bezogen und ähnlich auch im >Mainzer Königsordo< (um 96o) verwandt wird9s. Zu beachten ist, daß die Bezeichnung senior sich zum Königstitel gesellt 99 , dann88 MANSI, Co!!. conc. XV S. 112 und Mon. Germ., Epist. V S. 612-4. 89 S. Bd. I S. 28 5. Caesar nannte den Kaiser auch Andreas von Bergamo (Mon. Germ., Script. rer. Lang. S. 246, 249). 90 Mon. Germ., Script. rer. Lang. 1878 S. 341. 9I Fortsetzung der Annales Puldenses ad a. 896 (ed. FR. KuRZE, 1891 S. 128, 130; Script. rer. Germ.); dazu PFEIL a. a. 0. S. 385. 92 Ebd. S. 109, 113, II5 (zu 882, 885 und 887). 93 I cap. 26 (ed. H. F. HAEFELE I959 S. 35; Script. rer. Germ., N. S. XII). 94 P. E. S., Kaiser, Rom u. Renovatio I, Lpz. I929 (Neudruck: Darmstadt 1957) S. 99, 101. 95 Ebd. II S. 92-99 (wiederabgedruckt in Bd. III).
96 PFEIL a. a. 0. S. 281, 284, 288f., 298 und die Bd. I S. 52 angeführte Lit. 9 7 S. unten S. 25 3 über Boso, bei dem der Titel
princeps eine Steigerung über dux hinaus be-
deutete. Gegenübergestellt sind beide Titel im Wahlprotokoll Ludwigs von Burgund (89o): das Land sei gewesen a!iquamdiu sine rege et principe (Mon. Germ., Capit. II S. 376 = unten S. 285). Zum 10. Jahrhundert s. ]. 0. PLASSMANN, Princeps und Populus. Die Gefolgschaft im otton. Staatsaufbau nach den sächs. Geschichtsschreibern des Io. Jahrh. s, Göttingen 1954, der jedoch zu viel aus seinen Belegen herausliest. 98 Ad a. 876; ed. FR. KuRZE, 1890 S. rro (Script. in us. schal.); im Mainzer Ordo: iustitiaeque cultor und regnique executor (ed. VoGEL-ELZE S. 256, 257 und Bd. III). 99 Vgl. die zahlreichen Belege bei PFEIL a. a. 0. (S. 442; Register).
c. Die Titel der Karolinger
außerhalb des urkundlichen Bereichs- sogar an seine Stelle tritt; denn sie entstammt dem Lehnswesen und läßt erkennen, wie die feudalen Anschauungen auf den >Staat< übertragen wurden. Wandalbert von Prüm redete- wohl 848 - Lothar I. an: Rex, reru?Jl rector, c!emens seniorque benigne100 ; unter Karl dem Kahlen mehren sich die Belegel01. In der >Vita s. AnskarÜ< wird Ludwig der Deutsche genannt: c!ementissimus dominus et senior noster ... rex102 ; dann heißt Arnulf 8 8 8 im Protokoll der Mainzer Synode senior noster Amulphus rex103 , und eine Fortsetzung der Fuldaer Annalen sagt von ihm, die Großen hätten ihn ad seniorem gewählt10 ~. Hervorzuheben ist, daß der Erzbischof Liutbert von Mainz (863-89) Ludwig den Deutschen als senior noster bezeichnet105 : selbst das Oberhaupt der ostfränkischen Kirche paßt sich also diesem neuen Brauch an. Das heißt: der König wird als Spitze der Lehnspyramide begriffen. Ganz ungewöhnlich war, daß Papst Hadrian II. im Jahre 872 in einem Briefe an Karl den Kahlen dem Wunsche Ausdruck gab, ihn als des ganzen Erdkreises und der Stadt ducem et regem, patricium et imperatorem zu erheben106 - diesem Satz liegen vage Erinnerungen an die Zeit Karls des Großen zugrunde, denen jedoch das Verständnis für die tatsächliche Rechtsnatur von dessen Patriziuswürde abgeht. Ganz in den Hintergrund trat unter den ersten Karolingern der Titel dux 107 • Im Langobardenreich wurde er durch die Amtsbezeichnung CO!JJes verdrängt. Wenn das alte Wort von den Annalisten noch verwandt wird, geschieht das in der Bedeutung von >Heerführer<; diese Übersetzung findet sich auch in den Glossaren ( herizogo )1° 8 • Von der Zeit Ludwigs des Kindes an mußte sich die königliche Kanzlei jedoch dazu bequemen, den mittlerweile eingetretenen Machtverschiebungen Rechnung zu tragen und denen, die über die Grafen hinausgewachsen waren, den Titel dux zu konzedieren. In einer 903 ausgestellten Urkunde erscheint der bisher comes bzw. marebio genannte Luitpold von Bayern als dttx Boemanorum109 , und dessen Sohn Arnulf (907-3 7) führte von Beginn seiner Regierung an unangefochten den Herzogstitel110. Ähnliches gilt von den anderen Stammesherzögen.
roo Mon. Germ., Poet. lat. II S. 575 ff. 101 Mon. Germ., Capit. II Nr. 220, 262, z67, 276, 306; ebd., Epist. V S. 344, 361. 102 Mon. Germ., Script. II S. 706. 103 MANsr, Co!!. Concil. XVIII S. 6r. 104 Cont. Ratisbonensis; vgl. Ann. Puldenses a. a. 0. S. II5. ro5 Mon. Germ., Epist. VI S. 243. 106 Mon. Germ., Epist. VI S. 745· 107 Über den Dux-Titel in der merowingischen Zeit vgl. die in Bd. I S. 52 angeführten Aufsätze, ferner W. KrENAST, Der Herzogstitel
in Frankreich u. Deutschland (9. bis rz. Jahrh.), in der Histor. Zeitschr. 203, r966 S. 533-80 (dort ein Buch mit gleichem Titel, München 1967, angekündigt). 108 PFEIL a. a. 0, S. 138f. 109 D. Ludwig das Kind 20 vom 24. 6. 903 und K. REINDEL, Diebayerischen Luitpoldinger 893-989, München 195 3 (Quellen u. Erörterungen zur Bayer. Gesch., N. F. XI) S. 41 ff. r ro Ebd. s. 77 ff.
Vergleiche- Ehrenwörter
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Der wichtigste Vergleich, der in karolingischer Zeit gezogen wurde, war der mit Da v i d. Er war für Karl d. Gr. bereits in der Königszeit üblich geworden111, aber so wurde Karlauch noch nach 8oo von Alcuin angeredet112 • Nach Thegan lobte Papst Stephan IV., als er Ludwig d. Fr. in Reims aufsuchte, Gott, weil er sehe secundum David regem 113 , und in einem Brief pries den Kaiser 8zo der Bischof Amalar von Trier in Laudes-ähnliche r Form als neuen David und Salomon114 , In der Zeit Karls des Kahlen, der es ja liebte, sich nach dem Vorbild des Großvaters auszurichten, ist er nicht nur von Dichtern als David geehrt115 , sondern auch mit Karl d. Gr. in münzartigen Miniaturen dargestellt worden mit den Umschriften: David imperatorundKar olus rex Francorum 116 • InseinemPsalter ist er verglichen mit Josua und Theodosius- die Dichter hatten in dieser Hinsicht ja einen weiten Spielraum117 • Bedenklich waren die Worte, die im Zusammenhang mit Karls Aufstieg zum Kaiser niedergeschriebe n wurden: die Römische Kirche habe ihn tamquam alterum regetn David gewählt und zum Kaiser gemacht118 : hier war aus dem Vergleich eine Folgerung gezogen, die für die Franken anstößig sein mußte119 • Die Liste der >Ehrenwörter < 120 , die in der karolingischen Zeit den Titeln beigefügt wurden, ist lang; fast durchweg werden sie im Superlativ verwendet. Alphabetisch geordnet ergibt sich diese (sicherlich nicht vollständige) Reihe: beatissimus, benignissimus, ingmio calidissimus, carissimus, catho/icus, christianissimus, clarissimus, ciementissimus, de!Jotissimtts, dignissimus, excellentissimus, fortissimus, g!oriosissimus, il!ustrissimus, invictiJsitlltiS, !argiHimus, mitissimus, nobi!issimus, piissimus, gratia Dei p!enissimtts, potentissimtts, praecellentissimus, praestantissimus, re!igiosissimus, reverentissimus, sapientissimus, serenissimus, tranqui!lissimus, victoriosissimus121 • III
s. Bd. I s.
2II.
nz Mon. Germ., Epist. IV S. 375, 418. II 3 Stcin-Ausg. S. 224. II4 Mon. Germ., Epist. V S. 259. Vgl. dazu E. EwrG, Zum christl. Königsgedanken, in: Vorträge und Forschungen III, Lindau-Konstanz 1954 S. 7ff., bes. S. 70. II5 P. E. S.- FLORE:\ITINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München I962 S. I3o: Viviansbibel (die Verse auch in Mon. Germ., Poet. lat. Ill s. 249). II6 Ebd. S. I 30. II7 Ebd. S. I3I = Mon. Germ., Poet. lat. III s. 243· II8 P. E. S., Der König von Frankreich II S. 23 (Anm. I zu S. 37); jetzt unten S. I24 A. I7. II9 Unbeachtet bleibe hier die Rolle Davids als der von Gott zu den Psalmen inspirierte
Sänger mit der Harfe; sie wurde eingehend behandelt von H. STEGER, David Rex et Propheta. Nürnberg I96I (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwiss. Vl); vgl. dazu I S. 2I4. I20 Ich wähle diese Bezeichnung in Analogie zu: >Lobwörter< (vgl. Bd.I S. 37f.und 53ff.). I 2 I Über die Bedeutung von pitts und je fix im antiken Herrscherkult vgl. F. TAEGER, Zur Gesch. der spätkaiserlichen Herrscherauffassung, in: Saeculum VII, I956 S. 182-95, bes. S. I9I Anm. 71. Über das >kaiserliche< Ehrenwort invictissimw, verwendet für König Karlmann vgl. E. E. STENGEL im Deutschen Archiv XXIII, 1966 S. 277 (einschränkend gegenüber H. J;isCHKE im Histor. Jahrbuch 84, I964 s. 3r2ff.).
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c. Die Titel der Karolinger
An Substantiven finden sich: clementia, magnitudo, serenitas, sublimitas - das entsprach dem spätantiken, von den Byzantinern festgehaltenen Kurialstil. Neben excellentia vestra (und ähnlich) findet sich gelegentlich auch vestra maiestas122 ; aber als feste Anrede hat sich >Eure Majestät< erst im späten Mittelalter eingebürgert - Bedenken mag verursacht haben, daß in der Bibel maiestas auf Gott bezogen war; andererseits blieb der römische Begriff des crimen maiestatis bekannt123 • In diesen Bereich gehört auch, daß Agobard von Lyon den aus derselben Sphäre stammenden Ausdruck sacer auf Ludwig den Frommen anwendete124 ; dessen Zeit kam erst im rz. Jahrhundert, in dem sich die Formel sacrum imperium einbürgerte. Wenn in den Briefen des Papstes Johann VIII. noch die alte Wendung di11e memorie begegnet, ist das ein Beweis, daß sie mittlerweile ganz abgeschliffen war und man sich nicht mehr Rechenschaft darüber ablegte, was divus einmal besagt hatte. An die Bibellehnte sich Ansegis an, als er in der Vorrede zu seiner Sammlung der Kapitularien Ludwig den Frommen als christianae religionis magnus propagator feierte 125 . Die Bezeichnung magnus, die mit dem Namen Karls des Großen zu einer Einheit zusammengeschmolzen war126 , wurde auch Ludwig dem Frommen gelegentlich beigelegt, und die päpstliche Kanzlei erwies noch Lothar I. die Courtoisie, seinem Namen magnus beizusetzen. Aber das blieb ohne Folgen: nur der erste Kar! ist als >der Große< in die Geschichte eingegangen. Die Kennzeichnung orthodoxus, die in der Grabschrift Karls des Großen das einzige Ehrenwort ist, wurde auch auf seine Nachkommen angewandt127 • 22 Lupus von Ferrieres (Mon. Germ., Epist. VI S. 85, Irr usw.). Vgl. schon D. K. d. Gr. Nr. 2 IO (8 Io): per regiae maiestatis imperium. I23 Vgl. Mon. Germ., Conc. II S. 84I; Acta spuria ad 838: de crimine maiestatis. - D. Ludwig das Kind 20 vom 24. 6. 903: regiae maiestati resistenti. - S. dazu auch oben S. 92 Anm. Io9. I24 Mon. Germ., Epist. V S. 158. Vgl. dazu H. v. FrcHTENAu, in der Byzant. Zeitschr. 4 5, I 9 52 S. I 3 f. - Boso, der spätere König von Burgund, erscheint mit dem Titel: archiminüter sacri pa!atii; s. unten S. 25 2. Belege für sanctus und sacer in der Zeit Karls d. Gr. stellt 0. G. ÜEXLE in den Frühmittelalt. Studien I, Berlin I967 S. 309 Anm. I86 zusammen. Sacer 'Nird am Ende des IO. Jahrh. von Gerbett gebraucht. (Die Briefsammlung G.s von Reims, bearb. von FR. WEIGLE, Weimar rg66 S. 278 s. v. sacra; l'vfon. Germ., Briefe der Kaiserzeit II).
I
Ganz aus dem Üblichen fällt heraus, daß der Mönch Angelomus im J. 8 5 I Lud wig II. sanctissimus et piissimus caesar nannte (Mon. Germ., Epist. V S. 626). 125 Mon. Germ., Capit. I S. 394· u6 S. Bd. I S. 341; vgl. dazu W. KIENAST, Magnus = der Altere, in der Histor. Zeitsehr. 205, I967 S. I-I4. I 27 Ludwig d. Fr.: orthodoxo atque invictissimo augusto (Mon. Germ., Capit. II Nr. I96); pius et orthodoxus princeps (ebd., Conc. li S. 632). Lothar I. an Hrabanus Maurus (84z/6): lncliti orthodoxi H!otharii augusti salus (Mon. Germ., Epist. V S. 475); ähnlicb in einem Brief (854/5) (ebd. S. 503). Die Gemahlin Ludwigs des Frommen bezeichnete Amalar von T rier 8 20 als: Judith orthodoxa. Synode von Paris (829): Ludwig d. Fr. (Mon. Germ., Concil. II S. 6o8, 6p); s. ebd. S. 983 (Register) weitere Belege.
Ehrenwörter
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Triumphator, das gelegentlic h auf Karl den Großen bezogen worden ist, benutzte Agobard von Lyon 8r6 mit anderen Ehrenwört ern für Ludwig den Frommen128 • Zu vermerken ist schließlich noch, daß Papst Johann VIII. 876/7 Karl den Kahlen nicht nur adiutor und defensor 129 , sondern auch patronus und advocatus der Römischen Kirche nannte130 ; denn diese Begriffe sind in der Folgezeit wichtig geworden. Vereinzelt blieb seine byzantinisierende Anrede: porjiretice rex130•. Anastasius Bibliothecarius, der ungewöhnl iche Wörter liebte, benutzte u. a. die Ausdrücked ictator und Dei cultor131 •
Aufhorche n läßt, daß dieser Papst Karl auch salvator mundi bzw. sa!vator invictus nannte; denn das war ja eine Christus zustehende Bezeichnun g132 •
3· DAs ScHWANK EN BEIM GEBRAUCH DER LÄNDERNA MEN
Überrasche nd ist die Beobachtu ng, wie wenig sorgfältig die Ländernam en behandelt wurden. Passende Bezeichnun gen zu finden, war durch die aufeinande r folgenden Reichsteilungen erschwert, und das Nebeneina nder von antiken, in der Schultradit ion bewahrten Namen und neuen vermehrte die Unsicherhe it. Aber - das ist gewiß Karl der Große und seine Zeitgenoss en hätten solcher Sorglosigk eit entgegengewirkt. a) Rex Francorum 133
Durch die Reichsteilu ngen wurde der Begriff Francia aufgespalten. In der Datierung der Urkunden Ludwigs des Deutschen wird dessen Herrschafts bereich auf die orientalis F'rancia bezogen: eine Bezeichnun g, die eine occidenta!is Francia voraussetz t. Daher wird Francia für das Gesamtreic h seltener, und am Ende des 9· Jahrhunder ts Synode von Mainz (852) betr. Ludwig den Deutschen (Mon. Germ., Capit. II S. I 85): Anno ... regis vero orthodoxi atque g!oriosi.
V gl. ferner den Brief des Patriarchen Venerius an Ludwig d. Fr., 826/7 (Mon. Germ., Epist. V S. 3q) : triumphator . . . totius orbis orthodoxi terra marique.
I28 Mon. Germ., Epist. V S. I53· I29 PFEIL a. a. 0. S. 3orf. I 30 Mon. Germ., Epist. VII S. 3 5, 46. I30a Ebd. S. 96. I3I Ebd. 430, 434 und S. 439· S. auch das Wahlprotoko ll Ludwigs von Burgund (890): der Königfautor regni auctorque in omnibus (Mon. Germ., Capit. II S. 377). Auf ähnliches läuft hinaus, wenn Johannes
Scottus Eriugena Kar!, dem gloriosissimo katholicorum reguJJt, schreibt (Mon. Germ., Epist. VI S. I 58). IF MANSI, Conc. XVII, I777 App. S. I7If. (Protokoll)= Dtsches Arch. 23, I967 S. 306 u. Mon. Germ., Epp. VII S. 46 (Briefv. 877). I 33 Erst später setzt ein F. VIGE"fER, Bezeichnungen für Volk u. Land der Deutschen vom IO.-I3. Jahrh., Beideiberg I90I. Erst bei der Korrektur sehe ich, daß sich die folgenden Seiten zum Teil decken mit E. EwiG, Beobachtung en zur polit.-geogr. Terminologi e des fränkischen Großreiches u. der Teilreiche des 9· Jahrh.s, in »Spiegel der Geschichte. Festgabe für MAx BRAUBACH«, Münster i. W. I964 S. 99-qo.
c. Die Titel der Karolinger
kann in weiter eingeengter Bedeutung der Raum um Aachen als Francia bezeichnet werden. Andererseits kann Francia auch den von uns mit >Franken< benannten Raum oder das Ostreich ohne das inzwischen zu einem eigenen regnum erstarkte Bayern meinen, wie der Arnulf einmal beigelegte Titel rex Baiorariae et Franciae zeigt. Kurz: die fortgesetzten Reichsteilungen, die die Grenzen hin- und herschoben, haben die ursprünglich klare Bezeichnung so verunklärt, daß sie sich für den Gebrauch nicht mehr eignete. In bezug auf das Westreich behalf man sich durch den wieder herangezogenen Namen Gallia. Für das Ostreich findet sich entsprechend Germania; daher heißt Ludwig der Deutsche in westfränkischen Texten rex Germaniae bzw. Germanorum134 • Die Bezeichnung orientalis Francia (Ostfrankenreich) findet sich zuerst in den Datierungszeilen der Urkunden Ludwigs des Deutschen, und zwar vom Jahre 8 33 an (bis dahin hatte sich dieser Karolinger des Titels rex Baioarium bedient). Doch wurde davon abgesehen, den offiziellen Titel genauer zu kennzeichnen: bis zu seinem Tode nannte sich- wie bereits vermerkt- Ludwig nur rex. Am Abschluß der geschilderten Entwicklung steht der Vertrag, den 921 Karl der Einfältige mit König Heinrich I. schloß: in der Datierung wird Karl re:x: Franeorum occidenta!ium, Heinrich rex Francorui!J orienta!ium genannt, und diese Titel sind auch im Text benutzt135 • In seinen Urkunden hielt sich Heinrich I. strikt an das Beispiel seiner Vorgänger: er nannte sich nur rex. Diesem Brauch folgten wiederum seine Nachfolger. Sie gaben also den Bezug auf Francia preis, und daher konnte der westfränkische Herrscher sich kurzweg rex Franeorum nennen. Eine Möglichkeit, die sich den Königen des Ostens anbot, haben sie nicht ergriffen. In einem Krönungsgedicht zu Ehren des westfränkischen Gegenkönigs Odo (888) begegnet zum erstenmal das Wort Teutonia 136 , und zum Jahre 9 I 9 vermerken die Salzburger Annalen, daß die Bayern ihren Herzog Arnulf zum König im regnum Teutonicorum machten137 • Aber die Sächsischen Herrscher haben sich nicht - einen Namen mit längerer, viel erörterter Vorgeschichte benutzend 138 - zu Königen der >Deutschen< gemacht, und die Bezeichnung Teutonia = Deutschland hat sich nicht durchgesetzt. So ergab sich eine Tatsache ohne Parallele: das Reich, das im ro. und I I. .Jahrhundert das mächtigste im Abendland war, hatte keinen Namen! In der Salischen Zeit bahnte sich an, daß der König- analog zum Kaisertitel-rex Romanorum genannt wurde139 , und vom 12. Jahrhundert an wurde dieser Titel der offizielle: eine gelehrte I34 Z. B. Ann. Bertiniani ad a. 844 (a. a. 0. S. 3 I). I 35 Mon. Germ., Leges I S. 567 = Const. I s. rf. I36 Mon. Germ., Poet. lat. IV r S. I37f. (danach unten wiederholt in Abschnitt 5 A
Text III, Anlage). I 37 Mon. Germ., Script. 30, Anm. I43a. I38 Vgl. Bd. I. S. 333· I39 Vgl. Bd. III.
2
S. 742; dazu unten
Ländernamen
97
Erfindung, die für Außenstehende unverständlich blieb und deshalb Anlaß gab, das Reich nach den Sachsen oder nach den Schwaben bzw. Alemannen zu nennen, weil diese Stämme die Herrscher gestellt hatten. An diese seltsame Entwicklung ließen sich manche Überlegungen anknüpfen; wir begnügen uns mit der Feststellung, daß sie bereits in der Karolingischen Zeit vorbereitet worden war.
b) Rex Baiovariorum140 Der Königstitel, verbunden mit Bayern, ist zuerst in Freisinger Traditionsnotizen belegt; er wurde 815 angewandt auf Lothar I. Aber es läßt sich nicht nachprüfen, ob dieser den Titelrex in Baiovaria je geführt hat, da die älteste von ihm ausgestellte Urkunde erst aus der Zeit stammt, als ihn bereits der Augustus-Titel zierte. Gesichert ist der Titelrex Baiorarium für Ludwig den Deutschen in seinen Anfangsjahren; doch von der Absetzung des Vaters (833) bis zu seinem Tode verwandte seine Kanzlei nur den rex- Titel ohne jeglichen Zusatz. Das ist verständlich; denn dieser Karolinger beherrschte ja nunmehr ein Gebiet, das weit über Bayern hinausragte141. Der Titel >König der Bayern< (bzw. in Bayern) begegnet noch einmal in den Datierungszeilen von Ludwigs Sohn Karlmann (876-8o ). Unter denletzten Karolingern wurde er nicht mehr erneuert142 . Daher konnte sich der Luitpoldinger Arnulf (907-3 7) den Titeldux Baioriorium et etiam adiacentium regionum beilegen143 . Als er nach dem Tode Konrads I. (9 I 9) in Wettstreit mit Heinrich von Sachsen trat, wollte er bekanntlich mehr sein als rex Baioriorium, nämlich König im regno Teutonicorum 143 a. Er scheiterte; seine Nachfolger mußten sich mit dem bayerischen Herzogstitel zufriedengeben144 . 140 Vgl. UwE UFFEL'.1ANN, Das Regnum Baiern 'COn 788 bis 911, Phi!. Diss. Beideiberg 1965 (Studien zur ostfränk. Staatsstruktur; r 58 S.). 141 Daß Johann VIII. in den Jahren 876/8 Lud"'ig rex Baioariae (auch rex Bagoariorum) nennt, ist wohl keine- durch die politische Spannung erklärbare - Bosheit, sondern nur ein Renex der für Ausländer nicht durchschaubaren Lage im geteilten Reich. 142 Über \'VAWAR1A in einer Datierungszeile des Königs Karlmann (Sohn Lud\dgs d. D.) s. oben S. 85. 143 K. RE1NDEL, Die bayerischen Luitpoldinger (893-989), München 195 3 (Quellen u. Erörterungen zur Bayer. Gesch., N. F. XI) S. 78 (ebd. S. 41 ff. über den Titel des Vaters).
7
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A ufsittzc II
Die Kanzlei Heinrichs I. legte Arnulf wieder den Grafentitel ohne weitere Kennzeichnung zu (vgl. ebd. S. 147f.). 143 a Einwände erhob K. RE1C'JDEL, Herzog Arnulf u. das Regnum Bavariae, in: Die Entstehung des Deutschen Reiches. Ausgewählte Aufsätze von H. KAMPF, Darmstadt 1956 (Wege der Forschung I S. z66-7o; zuerst Zeitschr. f. bayer. Landesgesch. 17, 1954 S. 234ff.); sie sind beachtlich, aber überzeugten mich letztlich nicht. 144 Antikisierend ist die Bezeichnung Ludwigs des Deutschen in einer westfränkischen Chronik (Mon. Germ., Script. II S. 325): rex Noricorum id est Baiorariorum (dann: ft!ius regis Noricorum; ebd.); so auch Folcuini Gesta Abb. Lobiensium cap. 15 (ebd. IV S. 6r): Arnu!phtts rex !voricorum.
c. Die Titel der Karolinger
c) Rex Aquitanorum Der für Ludwig den Frommen schon in seiner frühesten Jugend geschaffene Titel rex Aquitanorum (78I) kam dem Gefühl der Eigenständigkeit seiner Untertanen entgegen, sollte aber wohl auch der Gefahr einen Riegel vorschieben, daß einer der Großen sich als dux Aquitanorum an die Spitze der Unzufriedenen stellte145 • Dieser Titel ging in dem Kaisertitel auf, den Karl der Große noch zu seinen Lebzeiten seinem Sohne zugestand. Er wurde erneuert, als Ludwig sein Reich teilte: rex Aquitanorum wurde sein Sohn Pippin (*um 803, t 838). Dieser vererbte Reich und Titel an seinen Sohn Pippin II. (*um 825, t nach 864 ohne Nachkommen) 146 • Dessen Herrschaft setzte 848 Karl der Kahle ein Ende: durch >Wahl< und Krönung machte er den Zustand fest, daß nunmehr er und nicht mehr sein Neffe Herr in Aquitanien war. Karl machte 8 55 seinen Sohn Karl zum rex Aquitanorum; d. h. er setzte ihn wie einst der Großvater den Vater - zum >Unterkönig< ein. Nach dem Tode dieses kinderlos verstorbenen jüngeren Karls (866) fiel dessen Königstitel an den älteren Bruder Ludwig, den Erben des Westfrankenreiches. Daher ging- da Pippins Empörungen zu keinem Erfolg geführt hatten - der aquitanische Königstitel sang- und klanglos in dem westfränkischen auf. Die Nachfolger der westfränkischen Herrscher konnten es nicht verhindern, daß die Nachkommen der Pippiniden in weiblicher Linie sich wieder den alten Titel dux Aquitanorum beilegten147 • Da König Ludwig VII. I I 37 die Erbtochter heiratete, vereinigte er diesen Titel mit dem französischen. Aber seine Ehe mit Eleonore scheiterte bekanntlich: sie heiratete in zweiter Ehe (I I 54) den König von England und schuf dadurch einen Konfliktsstoff, der die beiden Länder bis in die Neuzeit hinein in Streit stürzte. Doch sprach man nunmehr nicht mehr von >Aquitanien<, sondern von >Poitou<. 145 Eine Parallele aus späterer Zeit bietet die Übertragung des Titels >Prince of Wales< an den Sohn und Erben Edwards I., den späteren Edward II. (1301): sie sollte verhindern, daß ein Waliser Großer ihn sich beilegte.
146 P. E. S., Der König von Frankreich, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt 1960) S. rGff. 147 Zum folgenden vgl. ebd. S. 126ff., und DERS., Gesch. des eng!. Königtums I, Weimar 1937 S. 48 ff.
D. Die Kronen der Karolinger: r. Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeich en * Für die Neuzeit ist es selbstverständlich geworden, daß eine Königskrone Bügel haben muß1 • Aber das war nicht immer so: noch im r 5. Jahrhundert begnügte sich der französische König mit einem Reif, den vier Lilien zierten 2 • Daß diese schlichte Form dann durch die prunkvollere ersetzt wurde, war vermutlich dadurch bedingt, daß der König von England, der ja den Titel >König von Frankreich< beanspruchte, sich für sie entschieden hatte und der König von Frankreich nicht hinter ihm zurückstehen wollte3 • Auch der König von Schottland wird aus solchen Erwägungen dazu gekommen sein, sich für die Bügelkrone zu entscheiden4 ; er mußte ja immer darauf bedacht sein, auch nur den Anschein einer Abhängigkeit von seinem mächtigeren Nachbarn zu vermeiden oder sonstwie geringer dazustehen als er. Und der König von England? Er wiederum beanspruchte im r6. Jahrhundert die Bügelkrone deshalb, damit man nicht sagen könne, der Kaiser habe etwas vor ihm voraus 5 • Denn im späten Mittelalter sind Stimmen laut geworden, die die Bügelkrone als allein dem Kaiser zustehend bezeichneten, und entsprechend haben Künstler die Kaiser und die Könige dadurch unterschieden, daß sie jene mit und diese ohne Bügel an der Krone darstellten6 • Das aber war nur eine der vielen Theorien, die von dieser solche Distinktionen liebenden Zeit aufgestellt, aber - wie die im !4· Jahrhundert angefertigte (S. 562:) böhmische Krone bezeugt?- in der Wirklichkeit nicht respektiert wurden. Bereits im 13. Jh. hatten die ungarischen Könige ihren Reif mit einem
* Festschrift für KARL GoTTFRIED RuGELMANN zum So. Geburtstag, hrsg. von \Y/. WEGE"iER, II, Aalen 1959 S. 561-78 (der AnhangS. 573 bis 78: Die Lobwörter decus imperii und spes imperii jetztaufgeteilt: oben S.7rff. und Bd.III). r V gl. die Abbildungen bei H. BrEHN, Die Kronen Europas, Wiesbaden 1957 und bei Lord TwrNING, A Hist. of the Crown J ewels of Europe, London r96o (auch DERS., Emopean Regalia, ebd. 1967: über die Krone Kap. r-5). 2 Die franz. Könige verzichteten auch auf den Reichsapfel; vgl. das einst im Parlamentssaal hängende, zw. r46r/65 gemalte Triptychon, auf dem sich der mit einer Lilienkrone gezierte König ohne und Kar! d. Gr. mit Reichsapfel und Bügelkrone gegenüberstehen, bei P. E. ScHRAMM, Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart 1958 S. rzzff. mit Abb. 84.
3 DERS.: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik III, Stuttgart 1956 S. 1042. 4 Ebd. S. ro49f. 5 Ebd. S. ro4zff.; dazu jetzt PH. GRIERSON, The Origins of the Eng!. Sovereign and the Symbolism of the Closed Crown, in: The British Numismatical Journal 33, 1964 S. n8-34 (im r 5. J ahrh. zunächst, um die englische Krone von der - vom englischen König beanspruchten - französischen Reifenkrone zu unterscheiden; seit Heinrich VIII. dann mit der angeführten Begründung). 6 Herrschaftszeichen III S. 879, ror 8 f., 1042 f. 7 P. E. ScHRAMM, Kaiser Friedrichs II. Herrschaftszeichen, Göttingen 195 5 (Abband!. der Akad. d. Wiss. in Göttingen, Phii.-Hist. Kl. III. Folge Nr. 36) Abb. r 8; BrEHN a. a. 0. Abb. 39-40; TwrNINGa.a.O. S. 47ff. mitAbb.
IOO
D
I : Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen
Doppelbügel versehen lassen, um nicht hinter dem Kaiser zurückzustehen 8 • Ja, schon Wilhelm der Eroberer hatte eine Bügelkrone besessen 9 , und andere Herrscher hatten das angebliche Vorrecht des Kaisers auch nicht respektiert. Richtig ist nur dies, daß die Kaiser auf allen Darstellungen, die einigermaßen verläßlich sind, nicht mit Reifen-, sondern mit Bügelkronen dargestellt sind10 • In der Minderzahl sind Kunstwerke, welche die Krone nur mit einem Bügel wiedergeben, also so, wie es der >Reichskrone< im Kaiserhort (jetzt in der Wiener Schatzkammer) entsprach11 • Das Normale sind zwei flach über den Kopf geführte, sich über dem Scheitel kreuzende Bügel- als besonders deutlicher Fall sei die Grabplatte des Gegenkönigs Rudolph Ct ron) in Merseburg12 angeführt13 • Von diesem Kronentyp läßt sich sagen, daß er älter ist als die >Reichskrone<, die wir jetzt mit Otto I. zusammenbringen dürfen und als eine Sonderform der Krone mit Doppelbügeln, bedingt durch die ihr zugrunde liegende rex et sacerdos- Theorie und deshalb auf die unter der Krone getragene Mitra Rücksicht nehmend, zu verstehen haben14 • \Vie alt war die vorausgehende Form mit den zwei Bügeln?
a) Denkmale und Bildzeugnisse für die Bügelkrone Die älteste erhaltene Bügelkrone trägt die heilige Fides von Conques (Dep. Aveyron) auf ihrem Haupt (Abb. 7)15 (S. 56;:). Nach den vorliegenden Mitteilungen über die neuerdings durchgeführte Renovierung16 dürfen wir annehmen, daß es sich bei der Krone auf dem Haupt der im 10. Jh. angefertigten und nach einer Beraubung am Anfang des I I. Jh. wiederhergestellten SitzEgur um eine einmal getragene, jedoch verkleinerte Königskrone handelt. Als einstige Besitzer kommen bei einer Kirche in Herrschaftszeichen III S. 738ff. - Das Datum hat jetzt berichtigt J. DEJ'm, Die Heilige Krone Ungarns, Wien I966 (Österr. Akad. der Wiss., Phii.-Hist. Klasse, Denkschriften, 91. Bd.): Reif und Bügel erst nach I27o zusammengefügt.
9 Ebd. II S. 393, Gor, 633 und III S. 756. ro Über eine durch das byzantinische Vorbild bedingte Ausnahme in Staufischer Zeit vgl. Friedrichs II. Herrschaftszeichen a. a. 0.
s. 32f. r I Herrschaftszeichen II Abb. 93 a-d. Als Beleg aus dem rz. Jahrh. nenne ich den fast noch zeitgenössischen Kopf Lotbars III. (t rr 39) in Hecklingen; vgl. die Nachträge in Band V zu meiner Edition: Die Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, Leipzig-Berlin 1928 (Neubearbeitung vorbereitet). 12 Friedrichs Il. Herrschaftszeichen a. a. 0.
Abb. r6a (dort weitere Beispiele). r 3 In der Linken trägt als Heiligenattribut der Heilige König Oswald eine Bügelkrone auf dem Fresco im Kloster Nonnberg bei Salzburg (Paradies unter dem Nonnenchor): r 2. Jahrh. 14 Vgl. dazu: Herrschaftszeichen II Kap. 25 (H. DECKER-HAUFF). 15 Ebd. S. 4I6 mit Abb. 56. r 6 J. T ARALON, La nouvelle prcsentation du tresor de Conques, in: Les monuments historiques de la France, Bull. trimestriel, 195 5 Nr. 3 (Juli-Sept.) S. I2I-I44· Die >remontage provisoire< mit nur einem Bügel, die S. 125 abgebildet ist, muß als verfehlt bezeichnet werden.- Vgl. jetzt: Roucrgue Romane, par G. GAILLARD-Madame ]'"1. GAUTHIER-L. BALSA~!, in: La Nuit des Temps, 1963.
Denkmale und Bildzeugnisse
IOI
Südfrankreich wohl nur die beiden Pippine, der Sohn und der Enkel Ludwigs des Frommen, in Betracht, die einmal Könige von Aquitanien waren (Pippin I., t 838, und Pippin II., 86 5 gefangengesetzt) - dafür spricht, daß auf sie ein in Conques verwahrtes Reliquiar zurückgeht. Fast bis in die Zeit dieser beiden Karolinger zurück leitet uns die Anfang des r 7· Jhs. angefertigte Skizze einer bald darauf untergegangenen Krone, die vom König Boso von Burgund (t 887) der Kirche von Vienne vermacht wurde und ein Büstenreliquiar des heiligen Mauritius zierte (Abb. 10). Die Zeichnung ist flüchtig, aber eindeutig: es handelte sich um die gleiche Kronenform wie in Conques, also um einen Reif mit zwei sich überkreuzenden Bügeln (nur die vier Lilien, die den Reif von Conques zieren, fehlen)!'. Da wir auf dem archäologischen Wege nicht weiter zurück gelangen, befragen wir die Bildzeugnisse. Eindeutig ist eine solche Krone wiedergegeben auf einer Bulle, die wir dem Kaiser Ludwig II. (850-75) zuweisen konnten (Abb. 15)18 • Wir wiederholen hier die Beschreibung, die wir nach Prüfung des einzigen, heute schwer zu erkennenden, aber durch einen alten Stich kontrollierbaren Exemplars gaben19 : »Die Krone, ein edelsteinbesetzter Reif, von dem aus auf beiden Seiten sowie in der Mitte drei über dem Scheitel zusammengeschlossene Bügel - der vierte auf der Rückseite ist sinngemäß nicht angedeutet - aufsteigen, ist an den Ansatzstellen der Bügel mit einer knollenförmigen Verzierung geschmückt, die auch den Abschluß auf dem Scheitel bildet.« Eine Krone gleicher Art wollte offensichtlich der Künstler des für Karl den Kahlen angefertigten und 87o fertiggestellten >Codex aureus< (jetzt (S. 564.) München, Staatsbibl. Cod.lat. r4 ooo) darstellen (Abb. 17) 20 • Doch weisen die knollenförmigen Ornamente bereits jene Lilienformen auf, die in Karls Zeit auch sonst nachweisbar sind 21 und ja auch die Krone von Conques auszeichnen. Sehr ähnlich ist die Krone, die Karl auf dem Widmungsbild des gleichaltrigen und aus derselben Malschule stammenden Bildes in San Paolo fuori le mura trägt (Abb. r8) 22 • I7 Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 398ff. mit
Abb. jO. r8 Die Kaiser und K0nige in Bildern ihrer Zeit, Lpz. 1928, Abb. 23 a-b (wir wiederholen hier eine Zeichnung von 1700, da die Aufnahme des Originals zu wenig erkennen läßt). 19 P. E. ScHRAMM, Die zeitgenössischen Bildnisse Karls d. Gr., Lpz.-Berlin 1928 (Beiträge zur l(ulturgcsch. 29) "J, 02 (s. jetzt ' oben S. 52). zo Kaiser in Bildern Abb. 7 (vgl. Bd. V: Nachträge) und P. E. S.-FLORENTINE i\IüTHE-
RICH, Die Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München 1962 S. r 34f. mit Abb. 52. 21 Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 412ff. 22 Kaiser in Bildern a. a. 0. Abb. 41 (hier noch Kar! III., berichtigt durch E. H. Klli'ITOROwrcz: The Carolingian King in the Bible of San P. f.le M., in: Late Classical and Mediaeval Studies in Honor of A. M. FRIL'JD jun., Princeton (N. J.) 195 5 S. 287-300, w·iederholt in: Selected Studies, New Yo~ 1< 1965 S. 82-94 (vgl. dazu Bel. V: Nachträge und: Denkmale a. a. 0. S. r36f. r:lit Abb. 56).
I02
D
I : Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen
Noch einen Schritt weiter führen zwei Handschriften aus der Malschule von Tours. Bei der einen handelt es sich um die zwischen 844-8 5I (846?) für Karl den Kahlen gemalte >Viviansbibel< (Abb. I6) 23 , bei der anderen um ein zwischen 849-8 p für Lothar I. angefertigtes Evangeliar (Abb. 12)24. Auf Karls Bild ragt über den Bügel noch ein zweigeteiltes Ornament empor, das wohl als ein mißverstandener Helmbusch zu verstehen ist. Denn den ähnlich geformten Helmen seiner und Lothars Trabanten liegt offensichtlich eine Vorlage spätrömischer Herkunft zugrunde, auf der Krieger mit dem damals üblichen Helmbusch dargestellt waren. Was aber ist mit jenen Ornamenten gemeint, die sich auf Lothars und Karls Bildern rechts und links vom Kopf nach unten erstrecken? Wir lassen diese Frage zunächst unbeantwortet.
b) Wortzeugnisse für die Bügelkrone Was tragen die Wortzeugnisse zur Geschichte der Bügelkrone bei? Aufschlußreich ist eine in diesem Zusammenhang bisher noch nicht beachtete Aufzeichnung über die im Kloster Prüm verwahrten Reliquien, die am Anfang des II. Jh. - unter Heranziehung einer (verlorenen) Urkunde Lothars I. - aufgesetzt wurde. Dieser war nämlich der Hauptwohltäter des Klosters gewesen und in Prüm begraben worden, nachdem er dort unmittelbar vor seinem Tode das Mönchsgewand angelegt hatte. ( S. ; 66:) Unter seinen Gaben wird in dem aus dem I 1. Jh. stammenden Teil aufgezählt: corona altari superposita in modutn pillei auro gemmisque compacta 25 • Die Aufzeichnung erwähnt außerdem noch coronula aurea und corone argentee VII. Bei diesen macht schon das Material gewiß, daß sie gleich als Votivkronen angefertigt waren. Bei dem goldenen >Krönchen< mag das auch der Fall gewesen sein; denn an Ketten aufgehängte Kronen gehörten zur normalen Ausstattung einer Kirche 26 • Aber nie hatten Votivkronen die >Form einer Kappe<. Bei dieser corona kann es sich nur um eine als Herrscherkrone angefertigte, dem Kloster gestiftete und von den Mönchen über dem Altar aufgehängte Krone gehandelt haben - das war,
23 Cod. Paris Bibi. Nat. lat. I; vgl. Kaiser in Bildern Abb. z6 (vgl. dazu Nachträge) und: Denkmale a. a. 0. S I2af. mit Abb. 42. 24 Cod. Paris Bibi. Nat. lat. 266; vgl. Kaiser in Bildern Abb. I7 (vgl. dazu Nachträge) und: Denkmale a. a. 0. S. I23 mit Abb. 25. 25 Urkundenbuch der mittelrhein. Territorien I, ed. H. BEYER, Koblenz I86o S. 7I7-7I9; vgl. dazu E. DüMMLER, Jahrbücher des Karolingischen Reiches I, Lpz. I887 (Neudruck: Darmstadt I96o) S. 392 und J. F. BöHMER - E. MüHLBACHER, Regesten des
Karolingerreiches, Innsbruck I 908 Nr, II77a. H. J. Fwss, Geschl. Nachricht über die Aachener Heiligtümer, Bonn I855 S. I2, der die These aufstellte, Lothar habe einen Teil der nach Prüm geschenkten Reliquien dem Aachener Münster weggenommen, geht auf die Krone nicht ein. - S. jetzt: Mitrelalt. Schatzverzeichnisse I, hg. von B. BrscHOFF, München r 967 (V eröffentl. des Zentralinst. f. Kunstgesch. l V) S. 8 I S. 43 f. 26 Herrschaftszeichen II, I 9 55 S. 377 ff.; III, I956 S. 9IOf.
WOrtzeugnisse
!03
wie vor allem die Kronen von Monza beweisen 27 , ein in dieser Zeit übliches Vorgehen28. Daß diese Krone als aura gemmisque campactagekennzeich net wird, bestätigt unsere Auslegung; denn so verschwenderisch wurden V otivkronen nicht geschmückt. Lotbars carana in madum pi!!ei hatte also jene Form, die wir auf dem archäologischen Wege und mit Hilfe der Bildzeugnisse erschlossen haben, war eine >Haube<, halb Krone, halb Helm. Wir können noch ein zweites Wortzeugnis beibringen, das uns bezeugt, wie man im 9· Jahrhundert die neue Kronenform benannte. Es hat sich nämlich eine Aufzeichnung über die Wertobjekte erhalten, die sich der westfränkische König Odo im Jahre 888 vom Kloster St. Denis aushändigen lassen mußte, um möglichst schnell nach seiner Wahl in den Besitz eines Königsornats zu gelangen; denn als Gegenkönig aus nicht-königlicher Familie besaß er ja von Haus aus nicht, was bei der Krönung erforderlich war. Diese Liste unterschied drei Arten von Kronen, die Odo ausgehändigt wurden: ( S. J 66:) I.
fais!um aureum cum peru!is et iacinctis, quem Karalus (d. h. Karl d. K.) rex dedit, sowie ein weiteres aus Gold mit Edelsteinen, das Ludawicus rex (d. h. Ludwig II. der Stammler, 877-79, oder dessen Sohn Ludwig III., 879-82) geschenkt hatte.
2.
diademata aurea et gemmis optime parata Il, sowie eine carana cum peru!is / 29 •
Wir können die Frage hier offenlassen, worin für die Mönche von St. Denis der Unterschied zwischen Diademen und Kronen bestand. Der antike Sprachbrauch war für sie offensichtlich nicht mehr maßgebend, da sie gerade den Reif mit den Perlen >Krone< und die Reifen mit den Steinen >Diademe< nannten. Vermutlich meinten sie mit Diademen die aufwendigeren, mit >Kronen< die bescheideneren, den Votivkronen nahekommenden Reifen. Jedenfalls muß für sie fais!um die ansehnlichste Kronenform bedeutet haben; denn die beiden Kronen dieser Art stehen am Anfang. Nach der Auskunft, die mir PAUL LEHMANN, der Redaktor des Mittellateinischen Lexikons, bereitwillig erteilte, handelt es sich um eine romanisierte Form von vasctt!tttn = Gefäßehen (auch Bienenkorb, Samenkapsel in Gefäßform). Nach dem, was wir über die carana ... in madtttn pil!ei- so heißt es ja im Ir. Jh. -feststellen konnten, war dies in der Tat eine treffende Bezeichnung. Diese hat sich jedoch nicht erhalten, und da sich keine andere an ihre Stelle setzte, mußten in der Folgezeit die Autoren, die die Bügelkrone kennzeichnen wollten, vermerken, daß es sich um eine Krone cttm arcibus (oder ähnlich) handelte. 27 Ebd. II S. 45off. 28
P. E. ScHRAMM, Herrschaftszeichen: gestiftet, verschenkt, verkauft, verpfändet. Belege aus dem Ma., Göttingen 1957 (Nachrichten der Akad. der Wiss. in Göttingen I: Phil.-hist. Kl. 1957 Nr. 5); wiederabgedruckt
in Band V. 29 Gedruckt von L. DELISLE, Litt. latine et hist.
du rnoyen age, Paris I 890 (Instructions adressees par le cornite des travaux hist. et scientif.) S. 8 f.; danach wiederholt in: Denkmale a. a. 0. S. 95·
I04
D I : Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen
c) Wie alt ist die Bügelkrone? Unser bisheriges Ergebnis ist, daß seit den vierziger Jahren des 9· Jh. eine neue, durch zwei Bügel gekennzeichnete Kronenform nachweisbar wird, die mit einer Haube, aber auch mit einem Gefäß verglichen werden konnte. Durch Bild- und Wortzeugnisse ist ferner erwiesen, daß Lotbar I. und sein Sohn, sowie Karl der Kahle und seine Nachkommen, Bügelkronen besaßen. Sicher war das ferner bei Karls Schwager, dem König Boso von Burgund, der Fall, vermutlich auch bei den aquitanischen Karolingern. Es ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, daß erst diese Generation sich für die neue Kronenform entschied. Dann bliebe die Frage offen, ob etwa Lotbar sie als Kaiser annahm und Karl der Kahle sie sich dann gleich (5. J67.') zu eigen machte, um nicht hinter ihm zurückzustehen, oder ob etwa er der erste war und Lotbar seinem Beispiel folgte. Für diese Annahme ließe sich anführen, daß auf Karlauch noch andere Steigerungen zurückgehen, da er auf die Staatssymbolik großen Wert legte30 • Zu einer einfacheren Deutung der festgestellten Tatsache führt die Annahme, daß Lotbar und Karl die Bügelkrone trugen, weil dies bereits Brauch war. Doch läßt sich bisher kein Wortzeugnis anführen, das diese Vermutung stützt, und die Bildzeugnisse sind nicht eindeutig. Auf dem Bilde Ludwigs des Frommen in Hrabans >Liber de laudibus s. crucis< 31 ziert den Kaiser ein richtiger Helm, wie die auf die Rüstung des Christen anspielenden, auf Paulus beruhenden Begleitverse ausführen. Auf dem jetzt als neues Zeugnis hinzukommenden >Triumphbogen< Einhards, d. h. einem für den Altar von Sankt Servatius in Maastricht angefertigten Untersatz für ein Kreuz, tragen die beiden Reiter, die auf Karolinger (Karl d. Gr. und Ludwig d. Fromme oder dieser und Lotbar I.) bezogen werden dürfen, entsprechend der benutzten Vorlage, römische Helme mit Federbüschen32 • Auf der Elfenbeintafel der Ada-Schule (um 8oo, jetzt Florenz, Museo Nazionale) mit zwei bekrönten Kriegern, die ich als Darstellungen der Söhne Karls des Großen deuten möchte, handelt es sich um Kronreifen, über denen die Haare sichtbar sind33 • Für die Generation Ludwigs des Frommen bleibt also die Antwort auf die Frage, ob ihr schon die Bügelkrone bekannt war, offen. 30 Vgl. außer: Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 4Ioff. auch P. E. ScHRAMM, Der König von Frankreich I, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt I 96o) S. 230 ff. sowie den folgenden Abschnitt. 3 I Kaiser in Bildern Abb. I 5 a-b und: Denkmale a. a. 0. S. I2I f. mit Abb. 22. 32 V gl. Bd. V: Nachträge auf Grund von BL. DE MONTESQUIOU-FEZENSAC, L'arc d'Eginhard, in den Cahiers archeologiques IV, I949 S.
79-I03 u. VIII, I956 S. I47-I74· S. dazu oben S. 42. 33 Von J. DEJ'm, Ein Doppelbildnis Karls d. Gr., in: Forsch. z. Kunstgesch. u. christl. Archäol. II: Wandlungen christl. Kunst im Mittelalter, Baden-Baden I95 3 S. 103-I 56 als Herrscherbilder erkannt, aber im Sinne des Aufsatztitels gedeutet; vgl. dazu oben S. 42f. und Nachträge in Band V.
Wie alt ist die Bügelkrone?
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Geht die Bügelkrone etwa bereits auf Karl den Großen zurück? Auf der Skizze des Lateranmosaiks, die von Onofrio Panvinio (t I 568) angefertigt wurde und jetzt als die wichtigste der erhaltenen anzusprechen ist (Abb. I I), findet sich neben dem knieenden König Karl noch eine Sonderskizze der Krone: danach wölbten sich über einem Reif eine Kappe oder mehrere Bügel. Aber Panvinio scheint sich selbst nicht sicher gewesen zu sein; denn rechts unten hat er noch eine phantastische Krone skizziert: (S. 568:) ein Reif mit Zacken und darüber ein dreiteiliger Zierat, der an die Österreichische Hauskrone erinnert34 - so sah Karls Krone auf keinen Fall aus. Von den sonstigen Karlsbildern kommen, da sie entweder den antikisierenden Lorbeerkranz aufweisen oder nicht unmittelbar zeitgenössisch sind, als Bildzeugnisse sonst nur noch die Bullen in Betracht. Auf der der Kaiserzeit ist Karl mit einem Reif abgebildet, der mit dem- später zur Lilie umgebildeten- dreiteiligen Zierat nach spätantiker Art geschmückt ist 35 • Auf der nur in einem einzigen Exemplar erhalten gebliebenen Bulle der Königszeit36 (Abb. I 3), die der Kaiserbulle Ottos III. zum Vorbild diente (Abb. I4) 37 , trägt er einen Reif mit Zieraten. Ob darüber noch eine Helmkappe oder Bügel dargestellt waren, bleibt unsicher, da die Bulle schlecht erhalten ist. Der von Otto III. benutzte Meister, dem ein unverletztes Original vor Augen gelegen haben wird, hat Karls Krone als Reif mit Helmkappe gedeutet. Und die Wortzeugnisse? Einhard berichtet, daß Karl der Große bei Festlichkeiten diademate ... ex auro et gemmis ornatus erschien38 ; aber wir wissen auch, daß er 799 in Faderborn den Papst mit einem Goldhelm auf dem Haupte empfing 39 • Das ist jener seit der Völkerwanderungszeit bei den Germanen verbreitete Prunkhelm, der bei den Angelsachsen10 bis in das zehnte, bei den Schweden41 bis in das elfte Jahrhundert als Königszeichen nachweisbar ist. Oder war Karls Zier bereits ein zur Bügelkrone umgewandelter Helm? Auch hier bleibt die Antwort unsicher. Doch dürfen wir wenigstens negativ feststellen: es ist nicht ausgeschlossen, daß die Bügelkrone bereits auf Karl den Großen zurückgeht. Vielleicht schafft ein bisher noch nicht beachtetes Bild- oder Wortzeugnis hier einmal Gewißheit ( S. 569.'). d) Wrettstreit mit dem >f(amelaukion< der byzantinischen Kaiser Was sich auch im karolingischen Herrscherhause abgespielt haben mag, es kann kein Zweifel sein, daß das von den Karolingern so oft beachtete Vorbild des byzantinischen 34 Vgl. die Nachträge auf Grund von G. B.
35 36 37 38 39
LAD"!ER in der Rivista di Archeol. Cristiana XII, 1935 S. z67f.: Cod. Vat. Barb. lat. 2738. Kaiser in Bildern Abb. 7; dazu oben S. 23. Ebd. Abb. 3 e, dazu oben S. 19. Ebd. Abb. 69 a. Cap. 23 (Script. rcr. Germ., Neudruck 1947 usw. S. 28). Aurea crista tegit fronton; vg!. das Gedicht:
>Karolus J',fagnus et Leo papa< v. 480 (Mon. Germ., Poet.lat. I S. 378), dazu: Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 392. Vgl. auch Vers 171 (Kar! auf der Jagd): nobi!e namque caput pretioso amp!ectitur auro. - Über den Autor und eine neue Ausgabe s. Bd. I S. 210 Anm. 50 (Schluß). 40 Herrschaftszeichen II S. 392. 41 Ebd. III S. 774·
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D r : Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen
Kaiserhofes den Anstoß zu der neuen Krone gegeben hat. Denn der Kaiser in Konstantinopel trug eine Krone, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der Bügelkrone hatte. Es war dort nämlich zu einer Vereinigung des mit Steinen und Perlen besetzten Diadems und des gleichfalls mit Steinen besetzten goldenen Prunkhelms gekommen42 • Dabei trat die Funktion, das Haupt des Kaisers zu schützen, mehr und mehr hinter der Absicht zurück, ihn aus seiner Umgebung herauszuheben. Der Helm, jetzt ohne den bisher üblichen Helmbusch, erhielt eine kugelige Form. Diese Kalotte wurde umspannt von einem reich geschmückten Stirnband, und an die Stelle der Hauptspange des Helmes trat ein zweites, von der Stirn zum Nacken führendes, gleichfalls mit Steinen besetztes Band. Von dieser Kronenform, dem Kamelaukion, konnten die karolingischen Herrscher etwas durch die aus Konstantinopel zurückkehrenden Gesandten erfahren; außerdem vermittelten ihnen ja Münzen, Stoffmuster und andere Kunstobjekte eine Vorstellung davon, wie die Rivalen im Osten ihr Kaisertum sichtbar machten. Es bedarf keiner Worte, daß die Bügelkrone das Kamelaukion nicht kopierte: sie war >offen<, dieses >geschlossen<. Aber die Bügelkrone sollte doch wohl mit dem Kamelaukion wetteifern. Ein byzantinischer Gesandter, der einen der karolingischen Höfe besuchte, mußte- in die Heimat zurückgekehrt - seinem Kaiser mitteilen, daß die Herrscher des Abendlandes in bezug auf ihre Kronen in nichts hinter ihm zurückstünden. Vermutlich hatte er sogar zu berichten, daß deren Kronen mit kostbaren Steinen geradezu bedeckt waren- so, wie wir es von Buchdeckeln und den Reliquiarbursen dieser Zeit kennen. Aus den Beschreibungen, die von König Bosos Krone vorliegen, ergibt sich nämlich, daß ihren Reif ein Kreis von erbsengroßen Perlen umgab, der oben und unten von Rubinen und Saphiren begleitet wurde. An den Scharnierstellen saßen Smaragde, und der gleichfalls mit Perlen verzierte Bügel war mit großen Saphiren wie mit Mandeln überdeckt43 • Die Bügelkronen Lotbars I. und Karls des Kahlen werden zum mindesten ebenso kostbar gewesen sein43 ".
e) Die Konstruktion der Bügelkrone - Die Kronhaube (S. 572.") Was die Bügelkrone vom Kamelaukion unterschied, wird verständlich, wenn wir uns der Geschichte des Königshelms im Abendland zuwenden. Denn das ist ja ohne weiteres deutlich und daher auch schon früher betont worden44 : die Voraussetzung der Bügelkrone ist der germanische Prunkhelm, der seinerseits wieder mit den spätantiken und orientalischen Helmen zusammenhängt.
J. DEim, Der Ursprung der Kaiserkrone, in den Schweizer Beiträgen zur allg. Gesch. VIII, 1950 S. 51-87, bes. S. 69ff.: Vom Kaiserhelm zum Kamelaukion. 43 Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 399f., dazu unten Abschnitt 5 C. 42
43 a Über das byzantinische Kamelaukion, das Kar! der Kahle neben seiner Bügelkrone trug, vgl. den folgenden Abschnitt. 44 V gl. meine Anzeige von A. ALFÖLDI und HrLDA ZALOSCER in der Histor. Zeitschr. rp, 1935 S. 4o9ff.
Wettstreit mit Byzanz- Konstruktion
107
Technisch ist diese Umwandlung leicht zu verstehen45 • Denn bei dem germanischen Helm handelt es sich entweder um den Spangenhelm , bei dem vier oder sechs Spangen in einer Spitze zusammenge faßt sind (Abb. 8), oder um den runden Helm mit Eisen- oder Bronzekreuz, d. h. mit zwei sich am Scheitel überkreuzend en Bügeln, bei dem der Weg zur Bügelkrone noch kürzer war (Abb. 9: 4· Jh., Abb. 6: ro. Jh.). Denn bei beiden Formen waren die Zwischenflächen für den Schutz des Kopfes unwesentlich ; sie waren daher nur aus dünnem Eisen, aus Silberblech auf Filzunterlage oder aus anderem Material von leichter Art hergestellt. Ließ man sie weg, so schützte der Helm immer noch, da die Spangen bzw. das Eisenkreuz Schwertschläge abfingen46 • Das war erst recht der Fall, wenn unter dem Helm noch eine Stoff- oder 45 Formal bestünde auch die Möglichkeit, die Bügelkrone auf keltische Kopfzierden, die wohl liturgischen Zwecken dienten und in spätrömischer Zeit nachweisbar sind, zurückzuführen; denn unter ihnen begegnet bereits die >Bügelkrone< in der uns vertrauten Form; vgl. das Referat: >Roman Britain<, im Journal of Roman Studies 47, London I957 S. 2II mit T. XI, 2 (über den neuen Fund von Wilton-by-Hoc kwold), danach hier Abb. 5. Aber aus diesem Kulturbereich lassen sich bisher keine in den karolingischen Bereich führenden Linien nachweisen, und der Gedanke, einen Reif durch sich kreuzende Bügel zu steigern, konnte natürlich mehr als einmal auftauchen. Hinzuweisen ist hier auch auf germanische Kopfzierden, die sich bei den angeführten Grundformen nicht einordnen lassen: die Spangenkappe von Thorsberg (Schleswig), um 300 n. Chr. (vgl. H. ]ANKUHN in: Herrschaftszeichen I, I954 S. I07-II mit Abb. I-2) und der 1-le!m von Benty Grange (wohl 6. Jahrh.) mit Kreuz auf dem Nasenschutz und Bärenfigur auf dem Scheitel, »of a ripped construction«, die Eisenbänder mit Knochen bedeckt (vgl. Rosemary J. CRAMP, Beowulf and Archaeology, in: Medieval Archaeology I, I957, London I958 S. 59, 6I Anm. I7 und Tafel X A). Wie mir H. jANKUHN mitteilt, gibt es Vergleichbares auch bei den Skythen. 46 Vgl. Herrschaftszeic hen II S. 389 über den Königshelm (dort Fig. 6, 2 der hier als Abb.
8 wiederholte Spangenhelm von V ezeronce bei Grenoble und Fig. 7 der hier als Abb. 9 wiederholte Helm von Bretzenheim bei Mainz). Abb. 6: der Helm von Chamosson (Io. Jh.) im Züricher Landesmuseum nach H. KOHLHAUSSEN, Gesch. des Deutschen Kunsthandwerk s, München I95 5 S. 30 Abb. 21. Zu der a. a. 0. II S. 389 genannten Lit. ist nachzutragen FR. BEHN, Aus europ. Vorzeit, Grabungsergeb nisse, Würzburg 1957 (Urban-Bücher Nr. 23) S. Io3 ff., der vorschlägt, die Spangenhelme >Kronenhelme< zu nennen, »da sie nach der Seltenheit ihres Vorkommens nur von den allerobersten Führern getragen werden«. Im Text habe ich die beiden Helmformen jetzt deutlich geschieden. Daß dies erforderlich ist, machte mir dankenswerterw eise deutlich Herr Oberregierungs rat a. D. PAUL GrNDLER (Göttingen), der mir einen 4 Seiten langen Umdruck zur Verfügung stellte: Spangenhelm und Krone, Göttingen I95 8 (der Verf. verstarb inzwischen). H. SrEGER, David rex et propheta, Nürnberg I 96I (Erlanger Beiträge zur Sprach- u. Kunst-.dss. II) stellt S. I o-zo die Kronenformen der Davidsbilder zusammen und schließt aus ihnen auf eine Krone mit quergestelltem Bügel; es handelt sich jedoch nur um das Unvermögen der Künstler, auch den zweiten, ja nur halb sichtbaren Bügel wiederzugeben.
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DI :
Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen
Filzkappe getragen wurde- beim Eisenkreuz darf das sogar als Grundform vorausgesetzt werden.
( 5. J7 I:) Daß auch unter der Bügelkrone eine Haube anzunehmen ist, läßt das um geschriebene und ausgemalte Psalterium aureum in Sankt Gallen erkennen47 • Gleich auf der ersten Miniatur ist der thronende und die Laute schlagende, von Musikanten und Tänzern umgebene König David mit einer Bügelkrone dargestellt, in der die beiden Segmente unter den Bügeln mit leuchtendem Grün ausgemalt sind. Das ist auch noch auf zwei anderen Bildern dieser Handschrift der Fall; auf einem vierten ist statt dessen purpurrot genommen. Auf zwei weiteren hat der Grund dagegen dieselbe bräunliche Farbe wie die unter dem Reif hervorschauenden Haare, so daß in diesen Fällen nicht an eine Haube gedacht ist48 . Ist eine Kronhaube in so früher Zeit nachweisbar? Die älteste, die sich erhalten hat, ist jene, von der Reste im Grabe Heinrichs IV. gefunden wurden, als man die Speyrer Kaisergräber untersuchte49 • Jetzt ist klar, was die Fuldaer Annalen, die Karls des Kahlen Herrscherornat tadeln, mit den Worten meinten: capite devoluto serico velamine ac diademate desuper inposito: Karl trug eine seidene Kronhaube50 • \Var er der erste? Folgte er einer Tradition? Diese Fragen lassen sich bisher nicht beantworten. 900
j) Die Biigelkrone eine Neuschopftmg. Weitere Neuerungen ( S. J7 2 :) Die Anfänge der Bügelkrone sind über den Einzelfall hinaus aufschlußreich. Schaut man nur auf den technischen Fortgang, gerät man in die Versuchung, eine >Entwicklung< vom Helm zu der neuen Kronenform zu gewahren, die es de facto nicht gegeben hat; denn es folgte nicht folgerichtig ein Stadium auf das andere, wie ein Mensch oder eine Pflanze sich entwickelt. Blickt man andererseits zu starr auf Konstantinopel als das Vorbild des Westens, so kommt man zu der Vorstellung, daß der byzantinische >Einfluß< es war, der die Umwandlung des Helms in die Bügelkrone bewirkte51 • Tatsächlich handelte es sich um eine eigenwillige Neuschöpfung, ge47 Eine Prüfung der Handschrift ermöglichte mir Stiftsbibliothekar Mons. Dr. DuFT. Die Abbildungen wurden publiziert von R. RAHN (I878); vgl. dazu A. MERTON, Die Buchmalerei in St. Gallen vom 9· bis zum II.
Jh.,
I9I2.
48 Auch bei den beiden Bildern der Schule von Tours (Abb. r6 und I8) ist das eindeutig nicht der Fall. 49 Herrschaftszeichen a. a. 0. III S. 77I Anm. 4 und: Denkmale a. a. 0. S. 177 mit Abb. r66. 50 Ann. Puldenses ad a. 876 (ed. FR. KuRZE, r89r S. 86; Script. in us. schol.). In: Herrschaftszeichen: gestiftet, verschenkt, ver-
kauft, verpfändet, Göttingen I957 (Nachr. der Akad. der Wiss. in Göttingen I: Phil.Hist. Kl. r 9 57 Nr. 5) S. zo8 f. sprach ich noch fälschlich von einem >Königsschlcier<. 5I Die auf den beiden Bildern der Schule von Tours (Abb. r6 und r8) vom Reif links und rechts nach unten ragenden Ornamente wird man wohl als mißverstandene Pendilien oder als die verkümmerten \v'angenblechc eines germanischen Helms zu deuten haben. Denn auch das wuchernde Ornament über Karls Krone ist ja - wie bereits ausgeführt durch den Helmbusch einer spätantiken oder byzantinischen Vorlage zu erklären.
Die Bügelkrone eine Neuschöpfung
schaffen auf Befehl eines Karolingers, der eine mehr oder minder genaue Kunde von den Herrschaftszeichen des byzantinischen Kaisers besaß und nicht hinter ihm zurückstehen wollte: eine Neuschöpfung, die gleich von seiner Familie übernommen und daher nicht mehr vergessen wurde, eine Neuschöpfung, an der auch der die erste Bügelkrone herstellende Goldschmied seinen Anteil hatte, indem er die Zwischenflächen des Helms wegließ und nicht nur das in einen Kronreif umgewandelte Stirnband, sondern auch die Bügel mit Perlen und Steinen besetzte. In der Mitte des 9· Jh. und den folgenden Jahrzehnten sind im Bereich der Herrschaftszeichen noch weitere Neuerungen zu verzeichnen. Eine nur vorübergehende Rolle spielte der Palmwedel52 ; bis in die Neuzeit üblich blieb die durch das Alte Testament bedingte Angleichung der Zierate an Krone und Szepter an Lilien53 • Karl der Kahle war der erste, der sich - antikem Vorbild folgend - mit dem kurzen Stab (sceptmm) und dem Reichsapfel abbilden ließ, was dazu führte, daß beide Herrschaftszeichen in der Folgezeit nebeneinander benutzt wurden54 • Dagegen sind die Abänderungen des Ornats, die er vornahm, nicht oder doch nur zum Teil, von den Nachfolgern festgehalten worden55 • Bei seinem Thron, der durch das Holz (S. JlJ.') dem germanischen Brauch entsprach, durch seine Form und die Verzierung mit Elfenbein jedoch der antiken Tradition, ist nicht deutlich, ob diese Verkoppelung der beiden Traditionen erst auf ihn zurückgeht oder auf seine Vorgänger56 • Von dem Kamelaukion, das Karl der Kahle als Kaiser - neben der traditionellen Krone- getragen hat, handelt der nächste Abschnitt: auch von ihm ist nach 877 nicht mehr die Rede. 52 Herrschaftszeichen II S. 4roff. 53 Ebd. Il s. 4I2ff. 54 P. E. ScHRAMM, Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart 1958 S. 58f.
55 DERS., Der König von Frankreich I, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt 1960) S. zoff. 56 DERS., Herrschaftszeichen III S. 694ff.
2.
Neuentdeckte Bildnisse Karls des Kahlen, semer Gemahlin und seines Sohnes (876/7) Ein Beleg für die den Byzantinern nachgeahmte Krone* a) Der Fund von Ellwangen und seine Deutung
Um 764 gründete Hariolf, Sproß einer vornehmen Familie, mit semem Bruder Erlolf, der ihm auf dem Bischofsstuhle von Langres folgte, auf Eigenbesitz das an der Jagst gelegene Kloster Ellwangen1 (Kreis Aalen, Württemberg). Es wurde von Karl
* Zuerst
in der: Festschrift HERMANN AuBIN zum 8o. Geburtstag, hrsg. von 0. BRUNNER u. A., II, Wiesbaden 1965 S. 6r5-24. Ich wiederhole hier die dort an den Anfang gestellte Widmung: »In der Zeit, in der ich noch kriegsgefangen war, hat mich HERMANN AuBIN (als Verwundeter aus der >Festung< Breslau herausgeflogen und daher seiner Familie, seinen Freunden und der Wissenschaft erhalten geblieben) bis zu seiner Berufung an die Universität Harnburg vertreten, und er hätte mich, als er emeritiert wurde, gern als Nachfolger auf seinem Lehrstuhl gesehen (es lag an mir, daß es nicht dazu kam). Also gleich zwei äußere Anlässe, um mich an dieser Festschrift zu beteiligen! Die wichtigsten Gründe wurden damit jedoch noch nicht genannt: das sind die große Hochachtung, die ich seit Jahrzehnten der wissenschaftlichen Leistung des Jubilars entgegenbringe, der Dank für die methodischen Anregungen, die ich von ihm empfing, vor allem die mir immer von neuem bewiesene freundschaftliche Gesinnung und das Interesse an meinen Forschungen, deren ich mich seit unserer ersten, nun bereits vier Jahrzehnte zurückliegenden Begegnung auf dem Frankfurter Historikertag (1925), dem ersten nach dem I. Weltkrieg, zu erfreuen gehabt habe. Es ist mir deshalb eine Freude, daß ich mich bei diesem guten Anlaß in aller Form in den Kreis der Freunde und Verehrer des Jubilars einreihen darf. Bei der Auswahl eines geeigneten Themas habe ich lange hin- und hergeschwankt, da
der Interessenbereich, den HERMANN AuBIN und ich gemeinsam haben, bei der Völkerwanderung beginnt und sich bis in die moderne Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erstreckt. Ich hatte mich bereits an ein Thema gemacht, das sich mit der Geschichte des >Kapitalismus< befaßte; aber ich entschied mich dann für die Bearbeitung eines unerwarteten Fundes, der erst vor fünf Jahren gemacht wurde und sich bei genauerer Beobachtung als aufschlußreich erweist sowohl für die Geschichte der mittelalterlichen >Herrscherbilder< als auch der >Herrschaftszeichen<, also zweier Problemkreise, von denen ich weiß, daß auch der Octogenarius ihnen Interesse schenkt. Der Fund war mir bereits seit geraumer Zeit bekannt, aber ich bin erst in den letzten Wochen zu der Deutung gelangt, die ich hier vorlege.« Mein Ergebnis trug ich am 22. Juli 1966 der Göttingisehen Akademie der Wissenschaften vor, die darüber eine Notiz veröffentlichte. r Über dieses im bayerisch-schwäbischen Grenzgebiet beheimatete Brüderpaar und ihre Sippe vgl. K. Scmnn, Bischof Wikterp in Epfach. Eine Studie über Bischof und Bischofssitz im 8. Jh., in: Studien zu Abodiacum-Epfach, hrsg. von J. WERNER, I, München 1964, S. 99-139 (bes. 12off., 130) und H. ScHWARZMAlER, Sozialgeschichtl. Untersuchungen zur Gesch. der Abtei Ellwangen in: Ellwangen 764-1 964,Festschrift zur I zoo- Jahr-Feier, hrsg. im Auftrage der Stadt von V. BuRR, I, ebd. (Schwabenverlag) 1964, S. 50-72, bes. S. 58f. (In einen weiteren Sippenbereich hat die
Das Ellwanger Kästchen
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dem Großen in Schutz genomme n (S. 6It5:) und erhielt von ihm Immunitä t und das Recht der freien Abtwahl 2 • Ludwig der Fromme bestätigte 814 diese Urkunde3 und stellte 823 eine neue Urkunde aus, durch die er Ellwange n das Kloster Gunzenh ausen schenkte4 • Auf die Frühgesc hichte des Klosters ist neues Licht gefallen durch das Ergebnis einer Grabung, die 1959 in der romanisc hen Stiftskirche durchgef ührt wurde5 • Entdeckt wurden nämlich 30-40 cm neben der Ostmauer an einer Stelle, an der einmal ein Seitenaltar gestanden haben wird, Reste eines Kästchens und einige andere Fragmente von Objekten aus Elfenbein und Glas, die wohl als Reliquien behälter gedient haben und den Schluß nahelegen, daß das Kästchen als Reliquiar benutzt worden war. Im Auftrage des Staatl. Amtes für Denkmalspflege hat das Württemb ergische Landesm useum in Stuttgart die Restaurie rung des Kästchens durchgefü hrt. Da von der Bronzeve rkleidung des hölzernen Kerns (der völlig ersetzt werden mußte) kein Stück fehlt, war es möglich, das Kästchen wieder in seinen ursprüng lichen Zustand zurückzuversetzen. Den geschickten Restaurat oren sei Lob, Preis und Dank gespendet! Der Bestand karolingischer Metallarbeiten ist durch ein Objekt von künstlerischem Rang vermehrt , und die Historike r haben- wie sich ergeben wird- ein Dokument hinzugew onnen, das Aussagen von Belang zu machen hat (Abb. I9)· Der Holzkern des Kästchens'" hatte eine Länge von 30, eine Höhe von IZ, eine Tiefe von I 8 cm. Er war umkleide t mit einer Pergamen thülle, die auf ihm mit Harz befestigt war: zweifellos, um die Bronzebl eche mit (S. 6I7:) ihren getrieben en Darstellungen von unten zu schützen6 • Spuren einstmaliger Vergoldu ng sind noch erkennbar. Wer dieses Kästchen einstmals besaß, muß also sowohl künstlerische als auch materielle Ansprüch e gestellt haben. Auf dem Deckel, der durch Leisten in ein auf der Spitze stehendes Quadrat und Dreiecke eingeteilt ist, sind in den Dreiecke n Medaillons mit Köpfen untergebr acht. Brüder jetzt eingereiht K. F. WERNER, Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls d. Gr., in: Kar! d. Gr., hrsg. von W. BRAU:>~FELS, I, Aachen r965 S. rr3). Außer diesem zweihändigen, vorzüglich redigierten und aufschlußreichen Werk (dem ein Band III: Ansprache n-Predigte n-Vorträge folgte) erschien noch ein gefälliges Bildbändch en: Ellwangen. Aufnahmen von H. HELL, Text von V. BuRR, KonstanzStuttgart 1964 (hier S. 4f. kurz über die Frühgesch.). - Für Auskünfte und Hilfe habe ich zu danken: dem Inst. für geschieht!. Landeskunde (Histor. Abt.) in Freiburg, der Stadtverwaltung Ellwangen, dem Hauptkons ervator Dr. G. S. GRAF ADELMANN (Stuttgart)
und Herrn Prof. Dr. V. BuRR (Bonn). J. F. BöHMER - E. MüHLBACHER, Regesta Imperii I: 751-918, 2. Auf!. Innsbruck 1908, S. 847: Verlorene Urkunden Nr. 136 (jetzt Neudruck). 3 Ebd. Nr. 521. 4 Ebd. Nr. 78r. 5 V gl. dazu die in Bd. II veröffentlichten Pläne. 5a Vgl. dazu: Kar! d. Gr. Werke u. Wirkung, Ausstellun gskatalog Aachen 1965 S. 38of.: Nr. 56r. 6 Nur das Schloß ist aus Silber; die Deckelscharniere sind aus Eisen - wohl deshalb, weil es sich für ihre Funktion am besten eignete. 2
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D z: Bildnisse Karls des Kahlen und seiner Familie
Diese schauen alle auf die Hand Gottes, die neben einem Mantelzipfel von oben in das Viereck hineinragt. Auf der Vorderseite sind zwei Adler abgebildet; da sie ein Buch in der Hand halten, handelt es sich in beiden Fällen um den Adler des Evangelisten Johannes (die - an sich sinnwidrige- Doppelung wird durch Gründe der Symmetrie bedingt sein). Unter dem Schlüsselloch ist noch ein siebtes Medaillon mit Kopf untergebracht. Die Kurzseiten sind mit symmetrischem Rankenwerk gefüllt. Auf der Rückseite sind drei gleich große Medaillons mit Köpfen zu sehen. Diese Medaillons sind jedoch größer als die auf dem Deckel, und die Köpfe sind individualisiert. Bei dem mittleren handelt es sich offensichtlich um eine Frau mit lang herabwallenden Haaren und Kopfschleier. Sie schaut zu dem ihr zugekehrten linken Kopf, einem Herrscher mit Krone, der auf Grund des Blickkontaktes als ihr Gemahl anzusprechen ist. Der rechte Kopf entspricht wie ein Spiegelbild dem linken; doch fehlt die reiche, breite Verzierung, die den Mantelsaum des linken Herrschers auszeichnet. Dagegen weisen die beiden Kronen keine Unterschiede auf (Abb. 20 mit Abb. 2r-2). Alle zehn Köpfe sowie die beiden Adler umgibt ein >Strahlennimbus<. Herzuleiten ist er offensichtlich von der Muschel, die in der antiken Kunst als Hintergrund von Porträts benutzt worden ist und auch sonst noch in der karolingischen Kunst begegnet. Man wirdihn deshalb als reines Ziermotiv ohne tiefere Bedeutung anzusprechen haben7 • (S. 6r8:) Kunsthistorisch ist das Kästchen bereits durch FRITZ VoLBACH in völlig überzeugender Weise eingeordnet worden. Auf Grund des V er gleiches mit vielen anderen Objekten kam er zu der Zeitbestimmung: 2. Hälfte des 9· Jahrhunderts, wohl um 870, und Anfertigung in der »westfränkischen Kunstlandschaft», vielleicht in jener >Hofschule<, deren Lokalisierung in Reims oder in St. Denis umstritten ist 8 • 7 Viele Beispiele für die Muschel über dem Kopf bei W. FR. VOLBACH, Elfenbeinarbeiten 2er Spätantike u. des frühen Ma.s, Mainz I95 2 (Röm.-Germ. Zentralmuseum zu Mainz, Katalog 7); Köpfe vor geriffeltem Nimbus ebd. Abb. 223-4: die beiden einst zusammengehörenden Buchdeckel im Vatikan und in London mit Christus bzw. Maria in der Mitteltafel, frühkarolingisch, der Ada-Gruppe nahestehend, vielleicht im Kloster Lorch entstanden (vgl. auch Abb. 242). Vgl. auch: P. E. ScHRAMYI, Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart r958, S. 37f., wo verwiesen ist auf M. BRATSCHKOVA, Die Muschel in der antiken I<:unst, im Bulletin de l'Inst. archeol. bulgare XII: r938, Sofia r939, S. r-r3r (dort S. 63 über den muschelartig geriffelten Nimbus in karoling. Zeit).
Das Ellwanger Reliquienkästchen in Ellwangen 764-r964. Beiträge und Untersuchungen zur Zwölfhundert-Jahrfeier, hrsg. im Auftrag der Stadt Ellwangen von V. BuRR, ebd. (Schwabenverlag) r964, S. 767-74 (mit 6 Abb.). - Der verehrte Kollege befragte mich bereits vor der Veröffentlichung; doch konnte ich ihm damals nur vage Auskunft erteilen, da ich von einer früheren Datierung ausging. Bereitv;illig überließ er mir Fotos. Einen Vorbericht erstattete GRAF G. S. ADELMANN im Ellwanger Jahrbuch, I958-59, S. 35f. Auf das Kästchen hat bereits hingewiesen V. H. ELBERN, Der Mailänder Goldaltar in neuerer Forschung, in: Relationes. Festschrift Msgr. H. KREY, Mailand r96r (Privatdruck), S. I 8; DERS., Neue Studien zum Gold-
Deutung des Schmuckes
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Das ist ein greifbares Ergebnis, aus dem sich historische Schlüsse ziehen lassen. Das Kästchen hat also mit Ellwangen ursprünglich gar nichts zu tun. Es war ferner ursprünglich nicht dazu bestimmt, Reliquien aufzunehmen, war überhaupt nicht für eine Kirche angefertigt; denn nichts deutet auf einen bestimmten Heiligen hin. Als Empfängetin ist vielmehr die Frau zwischen den beiden Königen anzusprechen, da sie und nicht ihr Gemahl den Ehrenplatz angewiesen erhalten hat 9 • Wer ist dargestellt? Wir antworten: Karl der Kahle, also der Herrscher, von dem mehr Bildnisse als von allen seinen Zeitgenossen erhalten sind10 • Dann handelt es sich bei dem anderen König um seinen 846 geborenen Sohn Ludwig (den Stammler), der von seinem Vater schon früh zum König von Neustrien gemacht wurde, dann auch noch- effektiv von 872 an- die Würde (S. 6I9:) eines Königs von Aquitanien erhielt und ihm 877 auf dem Throne folgte, jedoch bereits 879 starb11 • Bei der Frau bestehen zwei Möglichkeiten: Karl hatte 842 Irmtrud geheiratet und vermählte sich nach deren Tod (869) Ende 870 mit Richildis (Richardis), die ihn überlebte. Wenn man von dem Dedikationsbild der Kaiserin Judith12 absieht, dessen Entstehung durch die Widmung des von Hrabanus Maurus verfaßten Werkes bedingt wurde, ist Richildis die einzige Frau, die auf einem karolingischen Herrscherbild ihren Platz gefunden hat13 • Außerdem ist- wenn auch nur durch einen schlechten
altar von S. Ambrogio, in: Christi. Kunstblätter 99, I96I, S. I33, mit Abb. 99; DERS., Ein fränkisches Reliquiarfragment in Oviedo usw., in den Madrider Mitteilungen II, Heidelberg I96I, S. I95 (Ich habe dem Verf. für Nachweise und Fotos zu danken). 9 Als Beleg dafür, daß das Bildnis des Besitzers in der JV1itte des Objektes angebracht wurde, ist der für Kar! den Kahlen angefertigte Thron anzuführen, der dem Papste geschenkt und bis in das I7. Jahrhundert als päpstlicher Thron benutzt wurde; vgl. P. E. ScHRAMM, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik III, Stattgart I956 (Schriften der Mon. Germ. Hist. I3) S. 694ff. mit Tafel B (Abb. d-f). Io Vgl. DERS., Diedeutschen KaiserundKönige in Bildern ihrer Zeit, Lpz.-Berlin I928, S. 53 ff., I 75 ff.; dazu die von mir vorbereiteten Nachträge in Bd. V (dieser wird - das Ellwanger Bildnis sowie verlorene bzw. nur noch in Kopien greifbareEilder mitgezählt, jedoch Münzen und Siegel nicht mitgerechnet - I4 Darstellungen Karls d. K. namhaft machen).
ß Schramm, Aufsätze II
DERS., Der König von Frankreich, Weimar I939 (Neudruck Darmstadt I96o), S. zof., 53 ff. - Zur Genealogie Karls und seiner Nachkommen vgl. E. BRANDENBURG, Die Nachkommen Karls des Großen, Lpz. I935 (Stamm- und Ahnentafelwerk VI), Tafel I und jetzt K. F. WER:-;rER, Die Nachkommen Karls d. Gr. bis um das Jahr rooo, in: Kar! d. Gr. Lebenswerk u. Nachleben IV, Düsseldorf I 967 S. 403-82. I2 ScHRAMM, Kaiser und Könige in Bildern, a. a. 0. Abb. r6 und: Denkmale a. a. 0. S. zr mit Abb. zr. r3 Und zwar in der Bibel, die jetzt in San Paolo fuori le mura verwahrt wird (ScHRAMM, Kaiser und Könige in Bildern, a. a. 0. Abb. 4I). Die von mir I929 vertretene Auffassung, daß es sich um Kar! III. und seine Gemahlin handelt, hat E. H. KA.NTOROwrcz schlagend widerlegt, und ich habe diese Einsicht dem im Sept. r963 verstorbenen Freunde noch brieflich mitteilen können; vgl. jetzt Denkmale a. a. 0. S. I3Gf. mit Abb. 56. II
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D 2:
Bildnisse Karls des Kahlen und seiner Familie
Stich- ein Siegelstein mit einem antiken Kopf (wohl dem der Omphale ) bekannt , der die Umschri ft aufwies: RIC-HI L-DE14 • Auf Grund des kunsthis torische n Befundes, auf Grund der Tatsache, daß erst die aquitanische Königsw ürde dem Erben Ansehen verlieh, schließlich auf Grund der Tatsache, daß Richildis als erste der Wiederg abe auf dem Bilde eines Herrsche rs gewürdigt wurde, sehen wir in ihr und nicht in Karls erster Frau die Dargeste llte. Daraus ergibt sich eine genaue Datierun g des Kästche ns: nach dem Abschlu ß der zweiten Ehe und vor Karls Tod, also in den Jahren 870-877 (weitere, dieses Ergebnis abstütze nde und zeitlich noch weiter eingrenz ende Argume nte werden noch hinzukommen ). Wie aber kann ein solches Kunstw erk aus dem Besitz einer westfränkischen Herrseherin in die Klosterk irche von Ellwang en gelangt sein? Auf diese Frage bietet sich eine sehr einfache Antwor t an: Wir (5. 62o.") wissen, daß aus dem Schatz des westfränkischen Zweiges der Karoling er so wertvoll e Objekte wie der jetzt in der Münchener Staatsbi bliothek verwahr te >Codex aureus< 1s und das in die Münche ner Schatzkammer gelangte >Arnulf-Ciborium<16 in den Besitz Arnulfs überging en, also zwei für Karl den Kahlen angefert igte Prachtw erke ersten Ranges. Wir wissen allerdings nicht, welcher von Karls Nachfol gern gezwung en war, sich von diesen Schätzen zu trennen. Am nächsten liegt die Annahm e, daß das im Frühsom mer 894 geschah, als Karls Enkel, der im Vorjahr e zum König gesalbte Karl der Einfältige um einen Rückhal t gegen Odo, den Gegenkö nig, zugewi nnen-ge zwunge n war, in Worms den Kaiser Arnulf aufzusuc hen: er erhielt dessen Hilfe zugesag t, nachdem er sein Lehnsm anngew orden war 17 • Hier, in Worms, stellte Arnulf am 5. Juni 894 dem Kloster Ellwang en eine Urkunde aus, durch die er das Recht der freien Abtwah l bestätigt 18 e • Von Gunstbe zeigung en der Karoling er für dieses Kloster in der Zeit nach 82 3 ist nichts bekannt . Zu der Bestätig ung hatte den Kaiser Arnulf der Erzbisch of Hatto von Mainz (89r-9r3 ) bewogen , der 888 Abt des Klosters Reichenau, 889 Abt des Klosters Ellwang en geworde n war und diese Würden auch noch als Primas der deutsche n I4 ScHRAMM, Kaiser und Könige in Bildern, a. a. 0., S. r8r mit Abb. 3p-b (die Vermutung, daß es sich um einen antiken Stein mit der Omphale handelt, die auf dem Haupt das Heraklesf ell mit dem Löwenma ul trägt, entnehme ich einem Brief, den mir H. WENTZEL, der beste Kenner dieses Gebietes, sandte. Ich werde mir seine Deutung in dem angekünd igten Nachtrags band zu eigen machen). I5 ScHRAMM-MÜTHERICH, Denkmale a. a. 0., S. I 34 mit Abb. 52 (vgl. auch SCHRAMM, Kaiser und Könige in Bildern, a. a. 0., S. I 78
mit Abb. zS). r6 Ebd. S. 139 mit Abb. 6r (dazu S. 138 mit Abb. 6o über die in den Besitz Arnulfs gelangten Schätze des westfränk ischen Zweiges). I7 BöHMER-MÜHLBACHER a. a. 0., Nr. r897 f. Vgl. dazu ScHRAMM, Kg. v. Frk., a. a. 0., s. 78 f. r8 Ebd. Nr. r898; gedruckt in den Dip!. Karo!.: Arnulf Nr. r z6 (nur in einer verunecht eten, deutschen Übersetzu ng aus dem späten Mittelalte r erhalten).
Wie kam das Kästchen nach Ellwangen?
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Kirche und Erzkanzler festhielt 19 • Diesem Manne, der in seiner Zeit das >Herz des Königs< genannt worden ist, mag es leicht gefallen sein, Arnulf nicht nur zur Gewährung der Urkunde, sondern auch noch zu einem ansehnlichen Geschenk für sein Kloster zu bewegen. Da die Urkunde für Ellwangen die erste ist, die aus den Wochen jenes Königsbesuches vorliegt, drängt sich der Schluß auf, daß Arnulf aus den ihm soeben zugefallenen Schätzen das Kästchen herauslöste und es dem Erzbischof zusammen mit der Urkunde zu Ehr' und Nutz' seines Klosters aushändigte19' . Die zunächst befremdende Tatsache, daß ein für eine vornehme Frau im Westfrankenteich angefertigtes Kästchen im württembergischen ( 5. 62I :) Ellwangen wieder an das Tageslicht gezogen werden konnte, hat also jetzt nichts Seltsames mehr. Eine Frage ist offen geblieben: Was war der ursprüngliche Zweck des Kästchens? Wir haben es offensichtlich mit einem für weltliche Zwecke bestimmten, mit einem Schlüssel zu verschließenden Behälter zu tun, wie eine fürstliche Frau ihn für ihren Schmuck oder sonstige Preziosen benötigte. Die nächste Parallele stellt die mit Achaten verzierte >Caja de las Agates< dar, die 9Io vom spanischen König Fruela und seiner Gemahlin dem Dom von Oviedo gestiftet wurde und noch heute in dessen Schatz verwahrt wird 20 : auch bei ihr handelt es sich ursprünglich um ein für rein weltliche Zwecke angefertigtes Kästchen. Diese Feststellung gibt einen Anhalt für die Deutung der Ausschmückung des Kästchens. Bei ihr können wir abermals voll und ganz der Argumentation FRITZ VoLBACHS folgen: es handelt sich bei der Deckelseite, d. h. beim Hauptbild des Kästchens, um die Hand Gottes, die umgeben ist von den sieben Planeten (6 auf dem Deckel, I an der Vorderseite unter dem Schloß). In der Apokalypse des heiligen Johannes spielt die Siebenzahl eine große Rolle. Hinzuweisen ist besonders auf die sieben Leuchter und die Gestalt in ihrer Mitte, »eines Menschen Sohne gleich«, mit sieben Sternen in seiner rechten Hand (Kap. I, I 3 ff.). Aber eine unmittelbare Beziehung zwischen diesem geheimnisvollen Buch und 19 Über Hatto (t 913), einen Verwandten seines Vorgängers in Ellwangen sowie in Mainz, des Erzbischofs Liutbert, vgl. außer der Festschrift (s. oben Anmerkung r) (S. 107-52, bes. II9f.) J. FLECKENSTE1N, Die Hofkapelle der deutschen Könige I (Schriften der Mon. Germ. I-list. I 6, I), Stuttgart I 9 59, S. 245, Register s. v.: I-Iatto. I9a Herr Dr. HAGEN KELLER (z. Z. in Rom) macht mich auf die Möglichkeit aufmerksam, daß Kar] III. sich 88 5/87 (als er auch im Westfrankenreich regierte) Teile des westfränkischen Königshortes an sich nahm. Er vermutet, daß Liutbcrt von Mainz, seit
Juni 887 Karls Erzkapellan, durch Amulf im gleichen Jahr zum Abt von Ellwangen gemacht, bei Karls III. Abdankung Überbringer von Reliquien und Geschenken an Arnulf, mit dem Kästchen belohnt worden sei und es dann nach Ellwangen weitergegeben habe. Auch "\\"enn dies der Weg war, bleibt es bei meinen Feststellungen über die Herkunft und Bedeutung des Kästchens. 20 ScHRAM~f, Herrschaftszeichen a. a. 0. II, S. 482 Anm. 5; dazu H. ScHLUNK, The Crosses of Oviedo, im Art Bulletin 3 3, r 9 5o, S. Io6 mit Abb. 21.
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D 2: Bildnisse Karls des Kahlen und seiner Familie
den sieben Planeten fehlt. Vielleicht läßt sich noch ein Beleg dafür beibringen, daß Karl der Kahle, daß seine Gemahlin sich dem Schutze des Evangelis ten J ohannes unterstell t haben; aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte, bedeutet es keine Überraschung , den Visionär von Patmos und die alte Planetenl ehre kombinie rt zu finden 21 • Wir wenden uns wieder dem Konkrete n zu: Was besagen die drei Herrscher darstellunge n als ikonograp hische Dokumen te? (S. 622.') Der Herrsche r im Rund ist gerade in der Zeit Karls des Kahlen gut bezeugt: münzartig e Bildnisse eines Karolus rex Franeorum und eines David rex imperator, die auf Karl den Kahlen und Karl den Großen zu beziehen sind, enthält die für Karl d. K. hergestellte Viviansbibel (Cod. Paris Bibl. Nat. lat. r), die 845/6 in der Schule von Tours angefertig t wurde 22 • Ahnlieh ausgesehen haben wird die Bulle, die Karl als König benutzte (sie ist nur durch Stiche und eine silberne Kopie in Medaillonform aus bourboni scher Zeit bekannt 23). Wir lenken die Aufmerks amkeit des Lesers auf die Tatsache, daß die Gemahlin Karls - genau so wie im Codex von San Paolo- noch keine Krone trägt, sondern nur durch Schleier und lange Haare gekennze ichnet wird. Doch ist belegt, daß Königinnen bereits in dieser Zeit gekrönt wurden 24 ; auch hat Hrabanus Maurus die Kaiserin Judith, Karls Mutter, ja schon mit einer solchen dargestellt 25 •
b) Die Krone auf dem Ellwanger Kästchen Sehr beachtlich sind die Kronen, die Karl und sein Sohn tragen: sie weisen keine Unterschi ede auf. Deutlich ist in beiden Fällen, daß der untere Rand als mit Edelstein en besetzt vorgestellt werden soll und sich darüber eine geschlossene Haube wölbt. Es sind jedoch weder auf der Krone des Vaters noch auf der des Sohnes jene Bügel erkennba r, die in dieser Zeit nicht nur für Karl, sondern auch für seine Verwand ten belegt sind 26 • Ganz für sich stehen die Kronen des Vaters und des Sohnes durch die in beiden 21 Ich habe mich vergeblich bemüht, in der Dichtung und der Literatur zu Ehren Karls des Kahlen dafür Belege aufzuspüre n; vielleicht sind andere Forscher erfolgreich er. Mit byzantinisc hen Kästchen läßt sich der Kasten nur mittelbar vergleichen , da Werke in Edelmetall kaum erhalten sind. Unter den zahlreichen, mit vielen Gestalten der Mythologie, der Astrologie usw. geschmück ten Kästchen in Elfenbein befindet sich keines, das Ahnlichkei t ausweist. Doch wurden zum Schmuck ihrer Kanten vielfach Bildmedaillons benutzt (Männer- und Frauenköp fe, mit bloßem Haar oder bekränzt), nach dem
22
23 24 25 26
Schema a-b-a-b eingefügt in Rosettenre ihen; vgl. A. GoLDSCHMIDT- ]. WEITZMANN, Die byzant. Elfenbeins kulpturen des X.-XIII. Jh.s, I, Berlin 1930 Abb. 2ra, 4ra-e, 82a-b, 98 usw. ScHRAMM, Kaiser und Könige in Bildern a. a. 0., S. r85 mit Abb. z6 (Denkmale a.a. 0., S. 129f.). Ebd. a. a. 0., S. r8r mit Abb. 35a-c (jetzt oben S. 54f.). Vgl. oben S. 87. DERS., Bildnisse a. a. 0., Abb. r6 und Denkmale a. a. 0. Abb. 2 r. P. E. ScHRAMM, Die Bügelkrone , ein karo-
Die Darstellung der Krone
Fällen deutlich wiedergegebene n >Pendilien<, die von den byzantinischen Kronen seitlich herabfielen: entstanden waren sie aus den einst am Hinterkopf herabflatternden Enden des Diadems, und als dieses zu einem steifen Reif umgewandelt wurde, hatten auch die - nunmehr an den Seiten angebrachten - Pendilien diese Erstarrung mitgemacht 27 • Dargestellt sind auf dem Ellwanger Kästchen drei Perlenschnüre mit rund einem Dutzend Perlen auf jeder Schnur; beim Vater (5. 623:) fallen sie senkrecht herunter, beim Sohn weichen sie - wie von einem Luftzug getrieben - nach hinten aus. Doch hat der Künstler von den Pendilien keine klare Vorstellung besessen oder er hat eine Vorlage mißverstanden; denn in beiden Fällen sieht sich der dreigliedrige Zierat so an, als wenn es sich um Ohranhänger und nicht um am Reif befestigte Zierate handelt. Diese Feststellungen rufen uns die Nachricht der vom Reimser Erzbischof Hinkmar verfaßten >Annales Bertiniani< in Erinnerung, daß Karl auf der Synode von Ponthion (876) am ersten Tage nach fränkischer Sitte gekleidet erschien, am letzten sich dagegen nach »griechischer Sitte« gekleidet und gekrönt den Blicken darbot 28 • Nach byzantinischer Art gekrönt, hieß: mit einer geschlossenen Krone (Kamelaukion), von der rechts und links Pendilien herabbaumelten 29 , also mit einer solchen Krone, wie sie auf dem Ellwanger Kästchen sowohl der Vater als auch der Sohn tragen. Wir haben an anderer Stelle ausgeführt, daß die - vielleicht bereits auf Karl den Großen zurückgehende - Bügelkrone mit der unter ihr getragenen farbigen Seidenkappe als ein Ausdruck des Bestrebens zu verstehen sei, nicht hinter dem byzantinischen Kaiser mit seiner geschlossenen Krone zurückzustehen30 • Karl der Kahle istwie die >Annales Bertiniani< und jetzt auch das Ellwanger Kästchen bezeugen- so weit gegangen, daß er die geschlossene Krone der byzantinischen Krone mit den Pendilien gerrau kopierte. Bei dem breiten, reich verzierten Saum, der den Mantel des Kaisers, aber nicht den seines königlichen Sohnes ziert, darf man daher wohl an das den byzantinischen Kaiser zierende >Lorum< denken: die mit Perlen und Edelsteinen benähte Binde, die um lingisches Herrschoftszeichen, in: Festschrift für K. G. HuGELMA"'N, II, Aalen 1959, S. 561-78 (jetzt: oben S. 99ff.). 27 ]. DEI'm, Der Kaiserornat Friedrichs II., Bern 1952 (Diss. Bcrnenses, ed. A. ALFÖLDI II, 2), S. 47ff. usw. und ScHRAMM, HerrSchaftszeichen a. a. 0. passim. 28 Ann. Bertiniani ad a. 876, rec. G. WAITL:, Hannover 1883 (Script. rer. Germ. in us. schol.), S. I 28: . . . venit dommts imperator Karalus in tJCstitu deaurato, habit11 Francico .. . , (am Schluß der Synode) S. I 3of.: venit imp. Grecisco more parat11.r et coronatus ... ; dazu
ScHRA~m, König von Frankreich a. a. 0., S. 43 (jetzt: unten S. 133f.). 29 J. DEER, Kaiserornat a. a. 0. passim und DERS., Der Ursprung der Kaiserkrone, in den Schweizer Beiträgen zur allg. Gesch. VIII, I950, S. 5 I-87. 30 ScHRAMM, Bügelkrone a. a. 0. (jetzt: oben S. TOS f.) und DERS., Kar] der Gr., in der Histor. Zeitschr. I98, 1964, S. 308 (jetzt: Bd. I S. 305). 3 I Die Geschichte des Lorum bei P. E. ScHRAMM, Herrschaftszeichen a. a. 0. I, S. 25-50.
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D 2:
Bildnisse Karls des Kahlen und seiner Familie
Hals und Oberarme geschlungen wurde31 • Die Art des Tragens ist zwar verschieden, aber in einem Medaillon ließ sich ein Lorum kaum anders wiedergeben, als es der Künstler des Kästchens tat. Die Feststellungen bestätigen nicht nur den auf anderen Wegen (5. 624.') festgestellten Ansatz: 870-77, sondern engen ihn noch weiter auf die Zeit ein, in der Karl den Kahlen die Kaiserwürde schmückte: 2J. Dez. (Weihnachten) 87J bis zu seinem Todestag: 6. Okt. 8;;. Damit ist nun auch die Annahme, daß es sich um Karls zweite Gemahlin Richildis handelt, völlig gesichert. Mit seinen Neuerungen ist der letzte Kaiser aus der westfränkischen Linie der Karolinger nicht durchgedrungen. Die Bügelkrone und nicht die geschlossene Krone behauptete sich im Abendland. In die Geschichte eingegangen sind nur die Pendilien. Sie schmückten einst, wie die noch nachweisbaren Scharniere an den Seitenplatten erkennen lassen, die für Otto I. angefertigte, in Wien verwahrte >Reichskrone< 32 , und sie gehörten- wie die Bildzeugnisse erkennen lassen - auch noch zu den von den Saliern und Staufern getragenen Bügelkronen33 . Erhalten sind solche Pendilien an der ungarischen Stephanskrone, die ihre heutige Form im I). Jahrhundert erhielt3\ ferner an der sizilischen Krone, die von Kaiser Friedrich II. seiner Gemahlin ins Grab mitgegeben wurde und heute im Domschatz von Palermo verwahrt wird35 • Bei jener haben die Pendilien noch die Form von drei Schnüren mit Bommeln, an dieser haben sie die Form eines dreiteiligen, durch Querleisten starr gemachten Gestänges erhalten. Die Kunsthistoriker haben alles Recht, über den Ellwanger Zufallsfund zu frohlocken, da er ihnen ein weltliches Kunstwerk von Rang bescherte. Aber auch die Historiker haben .Anlaß, den Ausgräbern ihren Dank abzustatten. Ja, die unerwartete Entdeckung des Ellwanger Kästchens läßt sie hoffen, daß weitere Funde neues Licht auf die Herrschaftssymbolik des Mittelalters fallen lassen und ihnen dadurch neue Einsichten vermittelt werden. 32 ScHRA>fM, Herrschaftszeichen a. a. 0. II, S. 563 mit Fig. 15· 33 Ebd. (s. Register: III S. rr4r); für die Staufer vgl. J. DEER, Die Siegel Kaiser Friedrichs I. Barbarossa und Heinrichs VI. in der Kunst u. Pol. ihrer Zeit, in der Festschrift H. R. HAHNLOSER, Bem 1959 (erschienen: 1961), S. r-56. 34 A. BoECKLER bei ScHRAMM, Denkmale a. a. 0. III, S. 73 r-54 (mit Nach\vort des Herausgebers); MAG DA voN BARANY-0BERsOLUL, Die Sankt-Stephans-Krone u. d.
Insignien des Königreiches Ungarn, WienMlinchen 1961 (Die Kronen des Hauses Österreich Ili), S. 24 mit Abb. 2-3. - Maßgeblich ist jetzt J. DEER, Die Heilige Krone Ungarns, Wien r9GG (Österr. Akad. d. Wiss., Phil.-l-Iist. Kl., Denkschriften, 91. Bd.). 35 DEER, Kaiserornat a. a. 0.; P. E. ScHRAM>!, Kaiser Friedrichs li. Herrschaftszcichen, Göttingen 195 5 (Abband!. der Akad. der Wiss. in Göttingen, Phil.-Hist. Kl., 3· Folge Nr. 36), S. rrff., r34f.
2
Karl der Kahle 875/6 gewählt zum Kaiser, Protector, Dominus und Defensor, aber die Renovatio imperii Romani et Franeorum durch seinen Tod (877) vereitelt*
a) Kaiserkriimmg nach Wahl durch den (im Auftrag Gottes handelnden) Papst Gestützt auf die Einladung des Papstes, traf Karl der Kahle am 17. Dezember 875 in Rom ein; am Weihnachtstage empfing er aus der Hand J ohanns VIII. die Kaiserkroneauf den Tag gerrau dreiviertel Jahrhundert nach der >Krönung< seines Großvaters. Vermutlich gelangte die Kurie bei diesem Anlaß1 in den Besitz der Bibel von San Paolo fuori le mura, einer der schönsten Prachthandschriften dieser Zeit, die im Jahre 870 für Karl den Kahlen und seine Gemahlin angefertigt worden war 2 • Zu Karls Geschenken wird auch der hölzerne, mit Elfenbeinleisten geschmückte Thron gehört haben, der in der Mitte der Rückwand mit seinem Bildnis verziertwar und vom 9· bis in das 17· Jahrhundert den Päpsten als Thronbank diente3 •
* Ich
wiederhole hier - hie und da ergänzt die Seiten 34-48 (nebst Anm.: Bd. II S. 46 bis 52) aus meinem Buch: >Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9· bis zum I6. Jahrhundert<, Bd. I, Weimar I939 (Neudruck: Darmstadt I96o). Denn ich befürchte, daß sie den Forschern, die sich mit der Kaiseridee befassen oder ihre Augen auf Italien richten, entgehen. Dieses Vorgehen scheint mir auch insofern berechtigt, als in der (durch meine Bücher und die hier abgedruckten Aufsätze beleuchteten) Entwicklung der mit dem Kaisertum verbundenen Anschauungen und Ansprüche Kar! der Kahle die wichtigste Gestalt zv:ischen Kar! dem Großen und Otto dem Großen war. Eine Ski:ocze der Hinkmarschen Gedankenwelt bietet J. M. WALLACE-HADRILL in seiner (allgemein geteilten) Ablehnung der These,
Hinkmar habe die >Lex Salica< gefälscht: The lang-haired Kings and other Studies in Frankish History, London I962 S. 95-I20 (zuerst in der Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenes XX, I952). I Sonst kommt nur noch der Besuch in Betracht, den der Papst J ohann VIII. im Jahre 878 Karls Sohn und Nachfolger im Frankenreich abstattete. 2 Von mir I929 auf Kar] III. bezogen, doch von E. J-I. KANTOROWICZ I 9 55 mit schlagender Argumentation Karl d. K. zugewiesen; vgl. jetzt P. E. S. - FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München I 962 S. I 36 mit Abb. 56 und die Nachträge in Bd. V. P. E. S., Herrschaftszeichen und Staatssymbolik III, Stuttgart I956 S. 694ff. und die Nachträge in Bd. VI.
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2. Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
Welche Maßnahmen waren von Karl und dem Papst getroffen worden, um dem Haupt der jüngeren Linie des Karolingisch en Hauses gegen das Erbrecht seiner Verwandten die Kaiserkrone zuzuschanzen ? ( S. 3 4:) . Karl mußte für die höchste weltliche Ehre des Abendlandes seinen Preis zahlen. J ohann VIII. hatte die promissio wieder ans Licht gezogen, die Karl der Große der Römischen Kirche geleistet hatte, als er 774 beim ersten Besuch in der Stadt des Apostelfürste n die von seinem Vater zwanzig Jahre früher geleistete Zusage erneuerte. Sein Enkel wiederholt sie vor seiner Krönung4 - das 869 in Lotharingien5 anerkannte Prinzip: »vor der Weihe eine Zusage« gelangte nun auch bei der Kaiserkrönung zur Geltung; dabei ist es fortan geblieben. Schwer kann der Entschluß Karl nicht geworden sein; denn er mußte zusagen, fortan dejensor und protector der Römischen Kirche sein zu wollen. Ihre Verteidigung war seit alters als Aufgabe der Fürsten anerkannt; ihr Beschützer sein, konnte sogar heißen, daß der Kaiser in ihre Angelegenheiten hineinzurede n hatte - die I<:.irche benutzte diesen nur aus den Verhältnissen des 8. Jahrhunderts erklärbaren Ausdruck bei anderen Gelegenheite n nur ganz selten". Das zweite Zugeständnis Karls ergab sich aus dem geltenden Herkommen. Ihm wurde das >Pactum< vorgelegt, dessen Urform gleichfalls auf die Tage Pippins zurückging und das seither von jedem Karolinger, der die Kaiserkrone getragen hatte, erneuert worden war. Karl konnte sich daher dieser Verpflichtun g noch weniger entziehen - daß die Neuausfertig ung der Urkunde sich schließlich bis zum folgenden Jahre hinauszog, wird sich dadurch erklären, daß der Papst Zusätze verlangte, deren rechtliche und politische Voraussetzun gen noch zeitraubende Erkundigung en, auch Verhandlung en mit Dritten notwendig gemacht haben werden. Denn was Johann VIII. wünschte und Karl auch urkundlich ( S. 3 J :) zugestand, betraf nicht nur mittel- und süditalienische Rechtsverhäl tnisse, sondern zog sogar die Inseln westlich der Halbinsel in den Bereich der päpstlichen Ansprüche7 • Treffend hat ein Spoletiner, der diese Begünstigun g der Römer auf das schärfste mißbilligte, Karls Verfahren mit diesen Worten gekennzeichn et: »Alles, was sie wollten, übertrug er ihnen, so wie man das gibt, was man nicht rechtmäßig erworben hat und nicht lange zu besitzen hoffen darf«s.
4 S. dazu Bd. I S. !53· 5 Kg. v. Frk. S. 26ff. - Zur Krönung in Metz (869) vgl. jetzt auch G. ÜEXLE, Die Karolinger u. die Stadt des heiligen Arnulf, in: Frühmittelalter!. Studien I, Berlin r967 S. 354ff. 6 Vgl. Bd. I S. r65 ff. und S. r84ff. (Anhang III). 7 Näheres bei E. E. STENGEL, Die Entwicklung des Kaiserprivilegs für die Römische Kirche, in der Histor. Zeitschrift r 34, 1926 S. 2 r 8 ff.,
bes. S. 229ff. (S. 234/8 Kritik der umstrittenen Angaben des >Libellus de imperatoria potestate<, die sich auf Karls des Kahlen Pactum beziehen). 8 Libellus etc., ed. G. ZuccHETTI in: Il chronicon di Benedetto etc., Fonti per la Storia d' ltalia, Scritt. sec. Xe XI, Rom r 920 S. zo8 f., wiederholt von Otto III. in seiner Schenkung für die Römische Kirche von roor (Mon.
Karls Konzession für die Kaiserwürde
!2!
Damit war zwischen Papst und Kaiser der Rechtsbod en geebnet. Wie aber sollten die Nichtbeteil igten an die Rechtmäßi gkeit des soeben Geschehen en glauben? Es lag doch der wohlbegrü ndete Anspruch der ostfränkisc hen Linie vor! Nun hatten die voraufgehe nden Ereignisse bereits gezeigt, daß Karl und seine Berater meisterhaft verstanden , eine fragwürdig e Sache so zu stilisieren, daß sie rechtlich einwandfre i schien. Bisher hatte ihm der Erzbischof Hinkmar von Reims zur Seite gestanden, der nun in der Heimat weilte, da er - der Mann des gesunden Augenmaß es - den Römischen Plan mißbilligte. Aber diese Lücke schloß sich wieder; denn mit seinen politischen Fähigkeiten , seinem scharfen juristischen Denken und seinem Sinn für Gestaltung stand der Erzbischof nicht allein. Andere Köpfe der westfränkis chen Geistlichkeit wie der Erzkanzler Gauzlin, ein Mann vornehmst er Abstammu ng und mit ausgeprägt em Willen 9, und der Erzbischof Ansegis von Sens 10 , der Rivale der Reimser Kirche, standen Karl zur Verfügung , um auch diesmal eine schöne Drapierung für den gewaltsam ergriffenen Kaiserman tel zu finden. Auf der anderen Seite der päpstliche Hof. Er war seit alters der unübertroff ene Meister in der Kunst, jeden seiner Schritte als gerechtfert igt durch göttliche Ordnung, Moral, Recht oder Herkomme n zu erweisen. Das zeigte sich auch in diesem Falle wieder.
Germ., DO. III. 389); s. P. E. ScHRAM~!, Kaiser, Rom und Renovatio I, LeipzigBerlin I929 (Neudruck Darmstadt I95 7) S. I65. Über die umstrittene Zeit der Niederschrif t: J. HALLER, Nikolaus I. u. Pseudoisidor, Stuttgart I936 S. I93 ff. 9 Über ihn neben K. v. KALCKSTEIN, Gesch. des Französ. Königtums unter den ersten Capetingern I, Lpz. I877 S. I36ff. und E. DüMMLER, Gesch. des ostfränk. Reiches III, 2. Aufl. I887 (Neudruck: Darmstadt I96o) S. rr5ff., I32 auch R. PouPARDIN, Les grandes familles comtales a l'epoque carolingienne , in Revue histor. 72, I9oo S. 72ff. Über die Kanzlei s. neben L. PERRICHET, La Grande Chancellerie de France des origines a I328, These de droit, Paris I9I2 und M. JUSSELIN, La chancellerie de Charles le Chauve d'aprcs les notes tironiennes, in: Le Moyen Age 33 (2. serie 24) s. I-89, bes. s. I I, 58 f. (Listen der Notare), jetzt vor allem G. TESSIER, Recueil des actes de Charles II Je Chauve, I-III, Paris I943-5 5 (bes. III S. 38
bis 93) und DERS., La chancellerie carolingienne, in der Bibi. de l'ecole des chartes Io6, 1945/6 S. 306-9. Über die Hofkapelle s. W. LüDERS, Capella, im Archiv f. Urkundenfor sch. I, I909 und jetzt J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige, I. Teil: Die karol. Hofkapelle, Stuttg. I 9 59 (Schriften der Mon. Germ. Hist. I6, I) S. I42ff. - S. auch noch M. BuCHNER, Pseudoisidor und die Hofkapelle Karls des Kahlen, im Histor. Jahrbuch 57, I937 S. I8o-2o8. Die Schärfe des Denkens, die diese Generation auszeichnet, beleuchtet P. RABBOW, Zur Geschichte des urkundlichen Sinns, in der Histor. Zeitschr. Iz6, 1922 S. 58-79, bes. s. 69ff. Io Erzbischof seit 871, Nachfolger Wenilos; vgl. BucHNER a. a. 0. S. 200 und A. FLICHE, La primatie des Gaules depuis l'epoque carolingienne jusqu'a Ja finde la querelledes investitures (876-rr2r), in der Revue historique I83, I934 S. 329-42.
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2. Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
Bereits Papst Hadrian II. (867-72) hatte die Absicht bekundet, auf Grund des päpstlichen Rechts den Kaiser zu krönen, die Entscheidung über Italien in seine Hand zu nehmen. In der voraufgehenden Zeit hatte sich eine solche Gelegenheit nicht ergeben, da das Kaiserdiadem vom Vater auf den ältesten Sohn vererbt worden war11 • Wenn es nun auf den jüngeren statt auf den älteren, als Erben eingesetzten Oheim übergehen sollte, mußte ein neues Prinzip angerufen werden: das konnte nach Lage der Dinge (S. 36:) nur das der >Wahl< sein. Beim Königtum war es im Laufe der letzten Jahrzehnte wieder zur Geltung gebracht worden; beim Kaisertum lagen die Dinge noch einfacher. Denn nicht nur waren ja -wie jeder aus der Überlieferung ersehen konnte - die Römischen Kaiser gewählt worden, sondern auch Karls des Großen Erhebung zum Kaiser hatten die Annalen als >Wahl< hingestellt. Und insoweit geschah das mit Recht, als die >Laudes<, d. h. feierliche, im Wechselgesang vorgetragene und im Wortlaut genau festgelegte Rufe, die dem Herrscher, seiner Familie und seinem Heer Heil und Sieg wünschten, bei seiner Krönung als Ausdruck des Willens der Römer eine entscheidende Rolle gespielt hatten12 • Papst Johann VIII. (872-82) war in der besonderen Lage, daß in den letzten Jahrzehnten die Erinnerung an die altrömische Tradition sich wieder als eine Kraft erwiesen hatte, daß der Römische Adel, der ihr zuneigte, sich als Senat bezeichnen ließ und zugleich Einfluß auf die Geschäfte des Papstes verlangte13 • In diesem Fall nun bedurfte Johann seiner, da er >Wähler< benötigte; aber er mußte natürlich gleichzeitig darauf bedacht sein, daß das Wahlprinzip sich nicht gegen ihn kehrte, indem es ihn zu einem Wähler unter anderen machte. Eine Anzahl von Briefen und ein Synodalprotoko ll des Jahres 87i\ das uns noch mehrfach Auskunft geben wird, lassen erkennen, welche Auslegung des Geschehenen sich daraus für Johann ergab: Karl war gewählt worden- diese These durchzieht r H. ZATSCHEK wies in den Mitteil. des Österr. Inst. für Geschichtsforsch. 54, I 942 S. 53 I darauf hin, daß Kaiser Ludwig II. wahrscheinlich noch Karlmann, den Sohn Ludwigs des Deutschen, als Nachfolger eingesetzt, also dem Erbgang Rechnung getragen hatte. I2 K. HELDMAl'<:N, Das Kaisertum Karls d. Gr., Weimar I928 (Quellen u. Studien zur Verfassungsgesch. VI, 2) S. 2 58-89. Über die Rolle der Laudes s. E. H. I<J\NroRowrcz, Laudes regiae, Berkeley- Los Angeles I946 (z. Auf!. ebd. 1958); dazu jetzt auch Bd. I S. z38 ff. I3 ScHRAMM, Renovatio I S. 47ff. I4 Gedruckt bei]. D. MA"fSI, Conciliorum coll. 1
XVII, Venedig I777 App. S. I7I/6; BouQUET, Recueil VII S. 694f7;F. WALTER,Corpus iuris Germanici antiqui III, Berlin I 824 S. 20ij6. Ein Auszug bei Deusdedit, Coll. canonum IV cap. 92 (hrsg. von V. WoLF VON GLANVELL I, Faderborn 1905 S. 439f.). Ich habe den Text kontrolliert nach der einzigen Handschrift, die die Menumenta Germaniae mir nachweisen konnten: Cod. Harnburg Staats- und Univ.-Bibl. 1717· - Den Text wird jetzt Wilhelm A. EcKHARDT im Deutschen Archiv neu edieren auf Grund einer Reimset Handschrift des 9· Jahrh.s (Cod. Paris. lat. ro 75 8) mit Heranziehung der sonstigen Überlieferung. (Korrekturnachtrag: gedruckt in Bd. 23, 1967 S. 295-311).
Kar! zum Kaiser »gewählt« durch den Papst
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alle Äußerungen wie ein roter Faden. Wer dies tat, ist verschieden ausgedrückt15 ; am ausführlichsten und zugleich schwungvollsten äußert sich jenes Protokoll: una cum annisu et voto omnium jratrum et coepiscoporum nostrorum atque aliorum sanctae Romanae ecclesiae ministrorum amplique senatus totiusque Romani populi gentisque togatae. Man hört
die klassische Formel S. P. Q. R. heraus, die hier- rhetorisch ausgeschmückt- dem Ehrgeiz des Römischen Adels entgegenkommt. Aber zweifellos ist nicht alles Rhetorik: nach jenen Vorbesprechungen, von denen Johann dem König bereits im September 875 Mitteilungen gemacht hatte, muß er den Römischen Klerus und den Römischen Adel noch ausdrücklich auf Karl festgelegt haben - vermutlich in der Form einer Synodalverhandlung, zu der Laien hinzugezogen wurden16 • Zweifellos machte das keine Schwierigkeit; ( S. 37:) denn öfter wird der Papst in dieser Weise das Wagnis wichtiger Entscheidungen auf viele Schultern verteilt haben - um so mehr in Karls Falle, bei dem er sich gegen die Gefahr sichern mußte, daß irgendeine Römische Partei in das Gegenlager hinüberglitt. Im großen und ganzen kann sein Verfahren also nicht viel anders als jene >Wahl< verlaufen sein, die acht Jahre früher von Hinkmar in der Stephanskirche zu Metz geleitet worden war, nachdem Karl sich Lotharingiens bemächtigt hatte. Leiter dieser Kaiserwahl war natürlich der Papst selbst. Aber anders als Hinkmar konnte er sich mit dieser Stellung nicht begnügen, da sie ihn nicht deutlich von den Wählern absetzte. Seine Rolle wird deshalb anders ausgelegt: öfter heißt es, daß er, der Papst, Karl zum Kaiser gewählt habe17 • Ein alter Gedanke erlaubte es, diese Tat15 I7. Febr. 876 (Mon.Germ.,Epp. VII S. prf., Z 34f.): ... per apostolicae sedis privi!egium cunctorum favoribus approbatum ... ; vgl. auch: annitente omni senatorio popu!arique conventu (Liber pontificalis, cd. L. DucHESNE II S. I79); ferner Mon. Germ., Epist. VI S. 39I (JAFFE-L. Nr. 30I9) über die Vorbesprechungen: cum fratribus nostris et inc!ito Romano senatu. Im Briefe Hadrians II. von 872 (Mon. Germ., Epist. VI S. 743 = ]AFFE-L. Nr. 295 I) heißt es nur: onmis c!erus et p!ebs et nobi!itaJ totiw orbis et Urbis. r6 Ähnlich jenem conventus vom 6. Nov. 963, in dem die Absctzung des Papstes Johann XII. behandelt wurde. An ihm nahmen außer Otto I. I z primates Romanae civitatis, sowie ex plebe Petms . . . CIIJJJ omni RomanorttJJt mi!itia teil; vgl. Liudprand, I-Iist. Ottonis cap. 9 (Opera, 3. cd. rec. J. BECKER I 9 I 5, Script. rer. germ. in us. schal., S. I 64ff.), der im folgenden von J·ancta synodus spricht. -
Die Beschlüsse einer Römischen Synode zwischen 87I-78, vielleicht gerade der von 875, hat Fr. MAASSEN, Eine römische Synode aus der Zeit von 87I bis 878, in Sitz.-Ber. der Wiener Akad., Phil.-Hist. Kl. 9I, I878 S. 773-92 an das Licht gezogen. Beachtung verdient cap. I, das beginnt: Saneta Romana et aposto!ica ecc!esia non a hominibus neque per hominem, sed ab ipso sa!vatore nostro ]esu Christo primatum obtinuisse dinoscitur- eine alte These (Belege a. a. 0. S. 780 Anm. I), aber in diesem Augenblick doch von besonderem Klang. I7 2r. 4· 876 (:Mon. Epp. VII S. 327 Z. 3I): .. . Karo!i a nobis electi et ordinati principis ... ; Nov. 876 (?) (ebd. S. 35 Z. 88ff.): Meminerit etiam, quia et tzos i!/um pre ceteris propinqnis et emulis eius a17lavilnus, elegimus et pretulimus; 27. 3· 877 (ebd. S. 42 f. Z. 4of.): Nos attfem, quia il!um divinitus, ut credimus, acti semel e!egimus ... ; Protokoll von 8 77 a. a. 0.: ... e!egimus
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2. Karl der Kahle Kaiser (875-877)
sachenoch besonders zu begründen. Denn schon oft war ausgesproche n worden, daß Gott die Fürsten ausgewählt, vorausgewäh lt habe, die Menschen also nur seinen Willen ausführten, wenn sie ihre Entscheidun g trafen18 • So heißt es nun auch von Karl in mancherlei \Vendungen, daß Gott der >Vorwähler< gewesen sei19 • w-as die
bunc merito et approbavimus . . . et ... ad imperii Romani sceptra proveximus ... ; ebd. (Antwort der Bischöfe): . . . quem elegistis, eligimus . . . V gl. auch den Entwurf von Ponthion (876; s.: Kg. v. Frk. I S. 42, dort auch über die Sonderstellung dieses Schriftstüc1ces): jobannes . . eumque ecclesiae ipsius dejensorem ac tutorem elegit ... , eum prae cunctis so/um et specialem eligens, qui Romani imperii sceptra teneret. - Die Römische Kirche als Wähler 15. rr. 876 (ebd. S. 20 Z. 33 ff.): (Romana ecclesia), queque ... vos more Dei gratuita voluntate tanquam alterum regem David e!egit et pree!egit atque ad imperia!ia sceptra provexit. Zu den Ereignissen von 876 an vgl. M. BERZA, Sur Je voyage en France du pape Jean VIII (878), in der Revue histor. du Sud-est europeen r 8, 1941 S. 68-88. r8 Z. B. die Papstbriefe an Pippin und Kar! von 75 5 an im Liber Carolinus (Mon. Germ. Epp. III S. 490 Z. r4f., 513 Z. 26, 652 Z. r8, 6 3o Z. 22) : vos preelegit et prescivit Deus ante tempora (cf. Rom. 8, 29f.); te praedestinatum; a Deo predestinatus . . . defensor Dei ecclesiae; predestinati (d. h. der Papst) sumus vocati (cf. Rom. 8, 29f.); ferner das Gebet: Deus inenarrabi!is etc., das im 8. Jahrhundert dem Sacramentarium Gelasianum zugesetzt wurde und von da an in viele Krönungsordin es eingegangen ist: (Deus), qui ex utero fidelis amici tui patriarcbae nostri Abrabae, praee!egisti reges, saecu!is fti!uris. Schon Papst Leo IV. an Lothar I. über dessen Krönung (823): Vos, quem Deus sibi principem et imperatorem elegit (Mon. Germ., Epist. V S. 6o6 = }AFFE-L. Nr. 2019). Weitere Stellen bei P. E. ScHRAMM, Geschichte des englischen Königtums, Weimar 1937 S. 148. 19 17. 2. 876 (Mon. Germ., Epp. VII S. 3 r8 Z. 34): ... diadema sibi (sc. Karolo) divinitus sine
dubio co!!atum ... ; vom selben Tage (ebd. S. 321 Z. zof.): ... imperium, quod ei constat non bumano col!atum beneficio, licet per nostrae mediocritatis ministerium, sed divino . . . [dies auch ebd. S. 324 Z. 44f. vom selben Tage]. Deus (der schon Nikolaus I. und Hadrian II. den Wunsch eingab und Kar! den Weg ebnete) non so/um sine sanguine, verum etiam cum magnis honoribus hinc inde gattdentibus populis Ita!iam penetrare permisit et per aposto!icae sedis privilegium cunctorum favoribus approbatum sceptris imperialibus sublimavit; vom selben Tage (ebd. S. 325 Z. 7ff.): ... cum divinitus praescitus et praedestinaftts . . . angelico munere vias suas per invia loca directas inspexerit, fmstratis insidiis ei compositis divinitus liberatum se senserit ... , miramur et obstupescimus, cur eum a Domino praelatum non intelligitis. vos, qui smst._ bi/es estis, quem e!ementa insensibi!ia senstsse videntur; 13. 2. 877 (ebd. S. 31 Z. 28) .. . vos auctore Deo in intperiutn coronaverimtts ... ,-
Io. 2. 877 (ebd. S. 32 Z. 39f.): Quoniam ideo i!lum tanto diodemale ab o!im quidem a 110bis expetitum ac preelectum decorare curavimus ... ; Mai 877 (ebd. S. 51 Z. 7ff.): Divina ideo maiestas exce!lentiam vestram pre ceteris e!egit Romani imperii altitudine sttblimare augusta!ique voluit diodemale coronare ... ; Mai 877 (ebd. S. 52 Z. rf.): Dominus, qui elegit vos, caput orbis et dominum fecit ... ; Protokoll von 877 (a. a. 0.): ... Karo/um ... superna providentia praescitum a se et praeelectum ante mundi constitutionem et praedestinatum ... ; ebd.: ... unde 1zos tantis indiciis divinit11s incumbmtibus luce c!arius agnitis, superni secreti consi!ium manifeste cognovimus; ebd.: ... non per hominem neque ab homine sub!imalttm et ad fanfilm culmen potestatis evectum ... ; ebd.: ... e!ectionem et promotionem ante mttndi quidem ordinem divinitus ordinatam, nuper autem . . . per mimsterium nostrae mediocritatis exhibitam ...
Der Reichstag von Pavia (Febr. 876)
Wähler taten, wird daher auch schlechthin als approbare bezeichnet 20 ; denn es war ja nur ein Zustimmen zu Gottes Willen. Wer aber konnte ihn auf Erden besser deuten als eben der Papst, der Statthalter Christi? Denn so, nicht nur >Statthalter des Hlg. Petrus<, ließ sich Johann bezeichnen 21 • Durch diese Theorie, die die Erhebung des Kaisers zu einer vom Papste ausgelegten und von den Römern »approbierten« electio per inspirationem machte, hatte sich der Papst ausreichend gegen die Gefahr gesichert, die er beim Ausspielen des Wahlprinzips lief. Die so gut vorbereitete Salbung und Krönung verlief daher am Weihnachtstage 875 ohne Zwischenfälle.
b) Festigung der Rechtsgrundlage auf dem Reichstag von Pavia (Febr. 876) Der Papst hatte das Seine getan; der Römer war der Kaiser daher im Augenblick sicher. Jetzt mußte er handeln, um auch von seiner Seite aus das Vorgehen der letzten Wochen auf eine Rechtsgrundlage zu stellen. Das geschah auf einem Reichstag, der im Februar 876 in Pavia zusammentrat. Hier hatte bereits im Vorjahre eine Versammlung getagt, die von der Kaiserin Engelberga, der Witwe Ludwigs II., geleitet worden war: die Teilnehmer hatten sich teils für die Ostfranken, teils für Karl entschieden. Inzwischen hatte sich jedoch unter dem Drucke der Ereignisse die Stimmung in stärkerem Maße Karl zugewandt: das galt es auszunutzen. Es geschah wiederum in überraschend geschickter Weise und trieb ( S. J 8:) die Rechtsentwicklung abermals ein Stück voran. Da die Akten erhalten sind, läßt sich das bis in die Einzelheiten verfolgen 22 • Auch in diesem Falle hatte Karl Zusagen zu machen, ohne jedoch dadurch stärker als bisher eingeengt zu werden. Karls Zugeständnisse deckten sich inhaltlich im wesentlichen mit den 869 in Metz gegebenen, griffen aber dem Wortlaut nach auf noch ältere zurück, die Karl bereits 858 hatte leisten müssen 23 • Voraus gingen Treueide, die sich Karl von den einzelnen Bischöfen und Großen geben ließ. Für deren Wortlaut ist die Eidformel benutzt, die
20 V gl. die vorige Anm.: . . . per apostolicae sedis privilegium . . . approbatum: Protokoll von 877 (a. a. 0.): ... elegimus hunc merito et approbavimus ... 21 Protokoll von 877 (a. a. 0.), Antwort der Bischöfe: . . . apostolatus vestri ... , quem videlicet ipse Christus Dominus noster omnium nostrum ad vicem suam in terris esse voluit caput; !7· 2. 876 (Epist. a. a. 0. 322 Z. 14f.) mit Einschluß der Bischöfe: Et ubi est, quaesumus, quod vice Christi in ecclesia fimgimur, si pro Christo contra inso!entiam principum non luc-
tamur ... 22 Mon. Germ., Capit. II S. 99ff. (Nr. zzofr). V gl. zum fgden. auch W. ScHLESINGER, Beiträge zur deutschen V erfassungsgesch. des Ma.s I, Göttingen 1963 S. rq und S. 144 Anm. 26, der von einer >Königswahl< spricht. 23 Sie hatten ihre Bedeutung behalten; Hink mar hat sie dem König dreimal ins Gedächtnis gerufen; vgl. die Nachweise Capit. a. a. 0. S. 295 f.
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2.
Karl der Kahle Kaiser (875-877)
8 58 den Zusagen des Königs entsprochen hatte; aber sie ist beträchtlich erweitert, um der Möglichkeit des Abfalls zu den Ostfranken möglichst viele Riegel vorzuschieben. Für die Eingangsworte wurde möglicherweise der Eid herangezogen, den Karl der Große nach seiner Kaiserkrönung von allen Untertanen verlangt hatte 2' - besäßen wir Gewißheit, so ergäbe sich wiederum, daß Karl der Kahle sein Handeln, wo immer es anging, dem des Großvaters anpaßte. Das Kapitular, das die Beschlüsse des Reichstages zusammenf?.ßte, bezieht sich nur in den Paragraphen r, 2 und 5 auf aktuelle Fragen: sie sichern den honor der Kirche, des Papstes und des Kaisers 25 • Sie sind neugefaßt, finden aber materiell ihre Entsprechungen in der voraufgehenden Gesetzgebung des westfränkischen Reiches. Ganz für sich steht das auf keine Tradition zurückführbare Schriftstück, das den Eingang der Akten bildet. Es ist von den anwesenden Geistlichen unterzeichnet und von den Laien mit ihrem Signum versehen worden. Seinepomphaft stilisierte Adresse ist an Karl den Kahlen gerichtet. Sieht man näher zu, dann löst sich aus ihr eine den >Laudes<, d. h. den Zurufen bei der Krönung, entsprechende Formel heraus: G!oriosissimo et a Deo coronato, magno et pacijico imperatori, domni nostro Karo!o perpettto augusto (nos omnes episcopi etc. perpetuam optamus) prosperitatem et pacel!l 26 ! Zu erwarten wäre allerdings: salus et victoria, aber man wünschte ja Frieden und nicht Krieg - die Abänderung erscheint also recht angemessen. Besinnen wir uns darauf, daß in den Laudes, die bei der Kaiserkrönung ertönten, die Zustimmung des Volkes zum Ausdruck kam 27 , dann ist dieser Satz nicht nur eine einfache Adresse, sondern drückt aus, daß die lombardischen Großen guthießen, was soeben geschehen war, daß sieso dürfen wir sagen- der Wahl Karls zum Kaiser nachträglich beitraten. Damit war eine wichtige, bisher offen gebliebene Frage des Staatsrechts beantwortet. Denn durften, wenn der Kaiser gewählt wurde, nur die Römer >wählen Bei den Laudes waren wohl auch die beteiligt, die (S. 39:) den Kaiser mit nach Rom begleiteten; aber das war bisher nicht ins Gewicht gefallen. Weiter: wenn die Römer >wählten<, taten sie das für sich oder als Vertreter des ganzen Reichsvolkes? Da die Rechtslage bisher fast immer eindeutig gewesen war, wurde es in der voraufgehenden Zeit niemals nötig, diese Frage zu Ende zu denken. Aber im Jahre 876 lagen die
24 Bei dem Beharren der Eidsprache und der
Lückenhaftigkeit unseres Materials ist keine Sicherheit zu erlangen. Über das Bekannte und die Entwicklung der einzelnen Wendungen H. MITTEIS, Lehnrecht und Staatsgewalt, Weimar 1933 (1958) S. 52ff. Vgl. die \\1orte: [re]promztto ego, qttta (so 789, quod 8oz) de [ab J ista die in antea ... , quamdiu vixero [ diebw vitae meae ], f.delis; das Folgende aus dem Eid von 8 58 bis seductione, dazwi-
sehen die 802, aber auch sonst benutzte Wendung: absque fraude et malo i~tgenio. 25 Über die Bedeutung von honor s. I-I. MITTElS a. a. 0. S. 203 f., 473 f. mit weiterer Literatur. 26 Eine Parallele bildet ein Brief Hinkmars an Ludwig den Stammler, der beginnt: Domino Ludovico regi glorioso sit semper salus et vita; vgl. MrG,;;E, Patr. lat. 125 Sp. 983. 27 S. Kg. v. Frk. (s. oben S. rr9 Sternnote) Bd. I S. 36 und Bd. I S. 238 f.
Kar! gewählt zum Protector, Dominus, Defensor
127
Dinge einmal anders: da war es für den Kaiser erforderlich, den ausdrücklichen Beitritt des Regnum Italicum zu seiner >\V'ahl< zu erhalten. Außerdem kam es für Karl darauf an, auch noch in aller Form als Herr dieses Regnum Italicum anerkannt zu werden. An einer Königswahl scheint man Anstoß genommen zu haben: Karl betrachtete sich ja bereits seit Monaten als Herr des Landes28 und war inzwischen bereits zum Kaiser aufgestiegen. Wie konnte auf eine >Kaiserwahl< noch eine >Königswahl< folgen? \Vas hätte mit den bereits vorgenommenen Rechtshandlungen geschehen sollen, die ja durch eine erst jetzt erfolgende Wahl ihre Rechtsgrundlage verloren hätten? Welche Überlegungen auch maßgebend gewesen sein mögen - man entschied sich jedenfalls für eine andere Lösung: die Unterzeichner >wählten< Karl zu ihrem Protector, Dominus 29 und Defensor und versprachen, seinen Befehlen zu gehorchen. Was bedeutet das? Dominus ist der Gegenbegriff zu Fideles: als Getreue schwuren die Beteiligten anschließend dem Kaiser den Treueid; Dominus ist also der Herrscher, welchen Ranges er auch sein möge, als Herr der ihm durch Schwur Verpflichteten. Daß das Wort an dieser Stelle erscheint, ist ein Zeichen für die Auflösung des alten Untertanenverbandes, den Karl der Große noch in seiner Gesamtheit durch Eid an z8 Karls Regierungsjahre in Italien v;-urden vom Betreten des italienischen Bodens an gezählt; auch hatte er sofort begonnen, hier zu urkunden; vgl. DüMMLER a. a. 0. II S. 388. Zum karol. Thronrecht W. SrcKEL, in der Festschrift für AuG. C. ScHULTZE, Lpz. I903 S. II8. 29 In einer italienischen Abschrift des IG. Jahrhunderts heißt es: domirmm nostrum et ltalici regni regem. Ich sehe das als eine gelehrte Ergänzung an und halte mich an die fränkische Überlieferung. Ich kehre also zu der Anschauung zurück, von der sich H. PER TZ beim Abdruck in Mon. Germ. LL. I S. 5z8 leiten ließ und für die sich auch A. LAPOTRE, L'Europe et Je Saint-Siege a l'epoque carol., Paris I895 c. S. z6o e. I entschied. In Mon. Germ., Capit. II S. 99 Nr. zzo ist die Angabe über die Könizswahl unter Berufung auf C. v. NoORDEN, Hincmar von Reims, sein Leben und seine Schriften, Freiburg i. B. 1884 S. 319 A. 1 als authentisch in den Text gesetzt. Meine 1939 vorgetragene Interpretation erhielt jetzt eine Abstützung durch den Vortrag von Girolamo ARNALDI: La tradizione
degli atti dell'assernblea pavese del febbraio 876, gehalten auf dem (von der »Soc. Italiana di storia del diritto« veranstalteten) Congresso Internazionale: La critica del testo, Venedig I 8.-22. 9· I 967 (wird in dessen Publikation erscheinen). Der mit mir befreundete Autor, der sein Ergebnis anschließend mit mir im einzelnen durchsprach, kam zu dem überraschenden Ergebnis, daß der von Muratori benutzte Text, dessen Abweichungen ich zurückwies, von Fontana im I6. Jahrh. aus politischen Gründen verfälscht wurde. Der Text, der ihm bekannt war, stammt gleichfalls aus der Überlieferung von Beauvais-Auxerre, auf der die von mir bevorzugte Fassung beruht. Fontana veränderte den fu>fang und fügte vor dem Eid der Bischöfe den Namen des Erzbischofs Ansbett von Mailand ein; ferner setzte er hinter dommtm nostrum ein: et lta!ici regni regem. Auch erfand er den Gegeneid Karls des Kahlen. Der erste Herrscher, der in Pavia nicht nur zum »König«, sondern zum »König von Italien« gekrönt wurde, ist also erst Betengar (888).
!28
2. Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
sich gebunden hatte: die Prinzipien des Lehnswesens beginnen die staatlichen Formen zu durchsetzen, ja zu ersetzen30 • Nicht beim Worte Dominus liegt jedoch das Wesentliche dieser Wahl, sondern bei den Ausdrücken Proteetor und Defensor. Sie stammen offensichtlich aus dem Versprechen, das Karl vor wenigen Wochen in Rom abgelegt hatte: me protectorem ac d~fensorem esse httius s. Romanae ecclesiae31 • Was der Papst darunter verstanden haben wollte, war Schutz und Verteidigung - so hat er es in seinen Briefen immer von neuem dem König-Kaiser dargelegt32 • Dabei nannte er ihn nicht nur Defensor33 , ( S. 40 :) sondern auch patronus 34 , advocatus 35 , adiutor 36 der Kirche; gelegentlich fallen auch die biblischen Ausdrückeminister Dei, vindex Dei, salvator37 • 30 In Zeugnissen dieser Zeit wird der Herrscher analog als rex et senior bezeichnet; vgl. die Belege bei E. RrcHTER, Senior-Sire, in Wörter und Sachen, Festband XII für R. MERINGER, Heidelberg 1929 S. I I 5-3 I, bes. 129, bei denen die Ansprache bei der Krönung der Königin Irmintrud nachzutragen ist (Mon. Germ., Capit.II S. 45 3) (dort auch: nostro seniori allein); s. dazu MrTTEIS a. a. 0. 2ro Anm. 15 und oben S. 91 f. 3I Ihre Geschichte bei ScHRAMM, Versprechen Pippins (s. Band I S. r62ff.). 32 Sept. 875 (Mon. Germ., Epist. VII S. 31 r = ]AFFE-L. Nr. 3019): . . . ad honorem et exaltationem s. R. ecc/esie et ad securitatem populi Christiani ... ; ro. 2. 877 (Mon. Germ., Epist. VII S. 30 Z. 21 ff.): ... ut .. Roman[ ecc!esie defensionem debitamque tuitionem prebeatis .. ; Z. 30: ... oportunum adiutorium conferentes .. ; ro. 2. 877 (ebd. S. 32 Z. 4off.): illum ... diademate ... decorare curavimus, ut s. Romane ecclesie recuperatio et securitas ... per pium studium eius . . . rediret. Quapropter, karissimafi!ia[sc. Richilda], ... insistite, ut .. . manum sue defensionis exhibeat et hanc terram .. . ad libertatem reducat ... ; Mai 877 (a. a. 0. S. 5 r Z. 8 ff.): . . . (Kar! gekrönt), ut .. . ecc!esiam Christi ... tueremini semper et ab .. . paganorum infestatione . . . pio mentis defenderetis intuitu; Z. 24: (Kar! soll jetzt kommen) ad suam defensionem et totius patrie liberationem .. ; Protokoll von 877 (a. a. 0.): . . (Kar! gekrönt) ad defendendam religionem et Christi utique servos tuendos .. V gl. ferner die zahl-
reichen Briefe J ohanns an Kar! und seine
Umgebung wegen Hilfe 15. 11. 876 (ebd. S. I9ff.), dazu I4. r I. 876 (S. 2zf.) und r6. I I. 876 (S. 25 f.), auch wohl den BriefS. 35f.; IO. 2. 877 (S. 29f.),dazu I3. 2. 877 (S. 3rf.) und IO. 2. 877 (S. 32f.); Mai 877 (S. 5I f.).Tutor spielt von Nikolaus I. bis Johann VIII. keine Rolle (doch vgl.: Kg. v. Frk. I S. 42); tuitio begegnet selten, z. B. Mon. Germ., Epist. VII S. 30 Z. 22f. und ebd. Capit. II S. 356 cap. 3· 33 Nov. 876 (?) (ebd. S. 36 Z. rf.): Unde [ sc. propter electionem] et eum adversus omnes hostes ecc!esie non so/um defensorem, sed patronmn et advocatum nostrum existere proposuimus .. ; Apr. 877 (ebd. S. 46 Z. I6f.): Nam superna vos maiestas s. S!lf ecclesie ... patronum invictum, defensorem potentem et stremmm adiutorem concessit, ut in omnibus ecclesiasticis uti!itatibw ... quasi vindicem Dei habeamus ministrum; Mai 877 (S. 5 I Z. 26) .. adiutor c!emens, defensor potens et sa!vator invicttls venire dignemini; vgl.
auch allgemein 9· 4· 877 (ebd. S. 39 Z. qf.): hi, qui non sine causa materiales g!adios portant, cum sint s. ecc!esi[ validi defensores et fervidi ze!atores . . . Entsprechend sind die Großen die protectores, defensores atque fideles ihrer Könige;
vgl. 882 (ebd. S. 262 Z. 19). Vgl. auch MANSI, Coll. conc. XVII S. 545 vom]. 88I; adiutores ac defensores (der Waisen, Witwen und Armen). 34 I7.2.876 (ebd.S.3I8 Z.32): .. utchristianissimum decet ecc!esiae Christi patronum; Nov. 876 (?) und Apr. 877, s. vorige Anm. 35 Nov. 876 (?), s. vorvorige Anm. 36 April u. Mai 877 s. ebd.; April 878 (ebd. S.
Kar! gewählt zum Protector, Dominus, Defensor
Gerade das Schillernde dieser so stark von der Bibel abhängigen Ausdrucksweise warnt davor, sie in eine staatsrechtliche Terminologie zu zwängen; höchstens kann man ganz allgemein von einer Kirchenvogtei des Kaisers sprechen, für die auch sonst Zeugnisse aus karolingischer und ottonischer Zeit vorliegen38 - nur daß sie hier mehr in dem altrömischen, im Mittelalter langsam zurückgewonnenen Sinne eines von der Kirche beauftragten Vogtes ( advocatus) zu verstehen ist. Anders der Hoftag von Pavia, dessen Handlungen sich insgesamt durch eine überraschende Präzision auszeichnen39 • Er hat - so werden wir sein Vorgehen deuten dürfen - das Wahlproblem aufgespalten: er nahm den Kaiser hin als gewählt von Gott, Papst und Römern und trat dieser Wahl durch die laudesförmige Begrüßung bei; aber die Wahl des Kaisers in seiner Eigenschaft als Proteetor-Defensor sah er als seine eigene Angelegenheit an, soweit diese kaiserliche >Kirchenvogtei< das Regnum Italicum betraf. Deshalb wählte er Karl noch in aller Form zu >seinem< Vogt: protectorem, dominum ac defensorem omnium nostrum eligimus. Damit war eine Königswahl, deren V orteil zweifelhaft sein mußte, umgangen, aber das gewonnen, was man sich von ihr versprechen durfte, nämlich eine Festlegung der italienischen Großen auf Kar! in feierlicher Rechtsform40 •
c) Best!itigung durch die Synode von Ponthion (Sommer S7 6) Für diese Auslegung sprechen die folgenden Ereignisse: Kar! eilte von Pavia in die Heimat, in der seine italienische Politik manche Kritiker 82 Z. I4): . . com,enit, quod tantum adiutorem ecclesiarum ... amiserimus. 37 Für die Ietzren drei Bezeichnungen s. Anm. 33 (April und Mai 877); Protokoll von 877 (a. a. 0.): .. inte!leximus istum [sc. Karo/um J esse procu! dubio, qui a Deo comtitzttw esset sa!vator mundi ... ; Anrede Johanns VIII. an
Ludwig d. Stammler von 878 (Epist. a. a. 0. S. Io6) .. quia ministri Dei estis, vindices in ira .. , vgl. dazu Röm. I 3, 4· - Der byzantinische Kaiser wird bezeichnenderweise nicht so, sondern: cbristianissimus Dei amator et ecclesiarum Dominifervidu.r propttgnator genannt; I4. 4· 877 (ebd. S. 45 Z. 37, wo vorher Z. 28 auch der Ausdruck: Dei cultor fällt). Daß protector in diesem Zusammenhang nicht bei Johann VIII. begegnet, ist bereits begründet worden, vgl.: Kg. v. Frkr. I S. 34· Gelegentlich werden die Heiligen protectores bezeichnet, oder es wird von der protectio der Witwen und Waisen gesprochen (so z. B. MAAsSEN a. a. 0. S. 788: Röm. Synode von 875 (?)
9 Schramm, Aufsätze II
cap. I 5; auch: Kg. v. Frk. Anm. 3. zu S. 6z). - Dazu jetzt auch Bd. I S. I 84ff. 38 Vgl. die Belege bei A. WAAs, Vogtei und Bede in der Deutschen Kaiserzeit I, Berlin I9I9 (Arbeiten zur Deutschen Rechts- und Verfassungsgesch. I) S. 144ff., dazu meine Bemerkungen in: Kaiser, Rom und Renovatio I S. I 75 f. 39 Vgl. dazu J. CALMETTE, La diplomatie carol. 843-877, Paris I90I (Bibi. de l'ecole des hautes etudes (Sc. hist. et phil. 135) S. zor-4: Appendice IV. L'election de Charles le Chauve comme roi d'Italie et !es actes de l'assemblee de Pavie, der andere Ansichten vertritt. 40 W. SrcKEL, Zum karol. Thronrecht, in der Festschrift für AuG. C. ScHULTZE, Lpz. I903 S. II8 bemerkt kurz, aber treffend: »Die Urkunde über den Wahlakt hat aus politischen Gründen den Ausdruck König vermieden, aber eine Königswahl ward nicht vermieden.«
2.
Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
gefunden hatte. Eine große Synode, die von Ende Juni bis Anfang Juli 876 in der Pfalz Ponthion tagte, bot den Rahmen für wichtige Verhandlung en mit seinen Anhängern und Widersachern . Eine scharfe Spannung wurde in sie dadurch hineingebrac ht, daß Karl mit Hilfe des Papstes dem Erzbischof von Sens den Vikariat für die >gallischen und germanischen Provinzen< zuwenden wollte: dadurch wäre wenigstens im kirchlichen Bereich der Osten wieder an den Westen angeschlossen worden. Von dieser alten, universal eingestellten Politik hatten sich aber inzwischen ( S. 41 :) schon viele ab gewandt; vor allem suchte ihr Hinkmar von Reims, der sich mit Recht als beeinträchtig t ansah, mit seiner Anhängersch aft entgegenzuar beiten. Da sein Gegner schließlich sein Ziel erreichte41, Hinkmar aber auch seinerseits Fürsorge für die Verteidigung der Reimser Rechte traf, war nun eine Rivalität offenkundig, die Frankreich jahrhunderte lang beschäftigt hat; sie überschattete fortan auch die Geschichte der 848 von Sens, 869 von Reims geleiteten Krönung der französischen Herrscher, da die beiden Erzbischöfe sie sich wechselseitig streitig machten. In dieser mit Spannung geladenen Luft wurden die Akte von Pavia sinngemäß wiederholt4 2• Das Kapitular wurde mit unveränderte m Wortlaut nun auch für das Westfrankenreich erlassen. Karls Zusagen zu übernehmen wäre dagegen sinnlos gewesen; denn sie wiederholten ja wörtlich, was ihm bereits 858 von den Westfranken abgerungen worden war. Ähnlich lag es an sich bei dem Treueid; denn Kar! hatte sich im Laufe seiner Herrschaft bereits manche Bindung solcher Art verschafft. Trotzdem mutete er den Paveser Eid nun auch seinen Westfranken zu- sei es, daß sein Mißtrauen wach war, sei es, daß er sich an das Beispiel seines Großvaters hielt, der ja nach seiner Kaiserkrönung die Untertanen neu hatte vereidigen lassen. In einer Denkschrift machte Hinkmargeg en diese Forderung geltend, daß der neue Eid sachlich völlig unnötig und sein Wortlaut unscharf und unnötig breit sei~3 ; sie war ein Meisterstück vernichtende r Kritik, in dem der Abstand deutlich wird, der seit längerem zwischen dem Kaiser und dem >Wahlleiter< von 869 bestand und soeben durch die Frage des Vikariats noch vergrößert worden war 44 • 4' Die Verleihung teilte der Papst der ost-und westfränkischen Geistlichkeit durch ein Schreiben vom z. Jan. 877 mit; vgl. Mon. Germ., Epist. VII S. 3 r6 Nr. 3 = jAFF:E-L. Nr. 3032; zu der Frage s. besonders FLICI-IE a. a. 0. S. 329ff. 42 Vgl. Mon. Germ., Capit. II S. 348ff. (Nr. 279a-g). 43 MrGNE Patr. lat. 125 Sp. IIZj-8, gewürdigt von .i'vfiTTEIS a. a. 0. S. 63 Anm. r6z. 44 Offen bleibt die Frage, ob Hinkmar mit
seiner Kritik durchdrang. In seinen Anna!es Bertiniani erwähnt er nichts von dem Ablegen des Eides, obwohl er über die Synode an Hand der Akten berichtet. Auch beziehen sich die Großen gegenüber Kar! im Jahre 877 auf die ihm 858, 872 und 870 (?) geleisteten Eide (Mon. Germ., Capit. II S. 356 nebst Anm.); von einem 876 geschworenen ist nicht die Rede. Möglich ist ja, daß die Unterschriften unter dem Kapitular auch auf die Eidesformel zu beziehen sind.
Kar! bestätigt durch die Synode von Ponthion (Sommer 876)
l)l
Der wichtigste Punkt war die >Wahl<. Die Synode ging in Ponthion so vor, daß erst das in Italien aufgestellte Schriftstück verlesen wurde; dann setzte man ein eigenes auf, das den Wortlaut von Pavia weitgehend benutzte. Es teilte mit, daß die "~Nest fränkischen Bischöfe45 Karl so wählten und bestätigten, wie der Papst ihn in Rom gewählt und geweiht habe und wie dann die weltlichen und geistlichen Großen des Regnum Italicum ihn sich zum Proteetor und Defensor wählten. Vom Dominus brauchte in Karls Stammland nicht mehr gesprochen zu werden, und die laudesförmige Adresse konnte auch wegfallen, da die Synode damit abschloß, daß sie Karl in feierlichster Form die Laudes darbrachte46 • Im übrigen wurde- wie man sieht- genau dasselbe Verfahren beobachtet. Karlist also auch im \Vestfrankenreich durch die Laudes als Kaiser >festgemacht< und als kaiserlicher (S. p:) >Vogt<- hier nun in bezugauf das Westfrankenreic h47 - >gewählt< worden. Zweifellos ein verwickeltes Verfahren! Auch ein Vorgang, der keine Fortwirkung gehabt hat. Aber er bleibt doch denkwürdig als ein Versuch, das Problem des Kaisertums und die Vereinigung von zwei Reichen unter einer Krone schärfer zu durchdenken, als das je zuvor geschehen war. Nur in der Krönung von 869, die der >Personalunion< des Westfrankenreiches mit Lotharingien gerecht wurde, ist in gewisser Weise eine Vorstufe zu erkennen. Wer war für das Vorgehen in Pavia und Ponthion verantwortlich? Die Benutzung von westfränkischen Akten in Pavia zeigt, daß die Berater, die Karl begleiteten, bereits dort einen entscheidenden Anteil gehabt haben müssen. Welchem von ihnen das Verdienst gebührt, was der Kaiser selbst beitrug, was den Lombarden zuzuschreiben ist, bleibt im Dunkel. Deutlich ist nur, daß weder Hinkmar, der in dieser Zeit grollend beiseite stand, noch der Papst diese Akte inspiriert hatte - das läßt zu allem andern eine Aufzeichnung erkennen, die sein Legat zusammen mit dem von ihm begünstigten Erzbischof von Sens der Synode zur Annahme vorlegte: sie bog das in Pavia und Ponthion befolgte Verfahren um, indem sie die Erklärung vorschlug, die Synode bestätige - in der bei Konzilsbeschlüssen üblichen Form - die Wahl und Weihe Karls durch den Papst. Gleichzeitig milderte sie die verfängliche 45 Aus den Ann. Bert. ad a. 876 (ed. G. WAITZ, I883 S. I29; Script. in us. schal.) und den Unterschriften (s. die übernächste Anm.) geht hervor, daß es sich diesmal im Gegensatz zu Pavia nur um sie handelte (s. auch: Annales de Saint-Bertin, ed. F. GRAT]. VIELLIARD-S. CLfo:MENCET, Paris 1964; Soc. de l'hist. de France). 46 Ann. Bert. (a. a. 0. S. I 3 r). 47 Genauer: Francia, Burgundia, Aquitania, Septimania, Neustria ac Provencia - diese Gebiete werden als Heimat der >Wähler< aufgezählt.
Daß sie unterschrieben, ist nach dem Paveser Parallelfall anzunehmen; auch weist SIRMOND in seiner Abschrift summarisch auf die Unterschriften hin. - ]. HALLER, Das Papsttum II, I (Stuttgart 1937; jetzt Neudruck), will aus der »verschwiegenen, aber andeutungsreichen Sprache der Akten« herauslesen, daß es sich um »den Plan der Einheit des fränkischen Gesamtreichs« gehandelt habe. Das wird das letzte Ziel Karls gewesen sein; doch handelte es sich im Augenblick um anderes.
z. Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
Proteetor-Defensor-Formel zu der Feststellung: eumque (papa) eeclesiae ipsius defensorem ae tutorem elegit48 • Der hier durchschimmernde Standpunkt ist verständlich: daß außerhalb Roms noch andere - wenn auch nur mittelbar - den Kaiser mitzuwählen beanspruchten, mußte dem Papst denkbar unerwünscht sein.
d) Rückschläge - Neue Hoffnungen. Die Synode von Ravenna ( Aug. 876) Die Rechtsgrundlage des erweiterten Reiches mochte Karl mit seiner Umgebung nunmehr als gesichert ansehen. Aber war wirklich etwas erreicht? Alles hing davon ab, was die Ostfranken unternahmen. Ludwig der Deutsche hatte Karls Zug nach Italien sofort mit einem Vorstoß in das Westfrankenreich beantwortet. Einige Große waren ihm zugefallen; aber er war doch genötigt worden, in sein Stammland zurückzukehren. Die Beziehungen blieben zum Reißen gespannt. Auf der Synode von Ponthion, deren Besuch Ludwig seinen Bischöfen verboten hatte, verlangten seine Gesandten den ihm zustehenden Teil des kaiserlichen Erbes; sie bekamen stattdessen einen Brief des Papstes ausgehändigt, in dem den deutschen Bischöfen ihre Unterstellung unter den Vikariat von Sens mitgeteilt wurde. Karlließ es also auf den (S. 43.) Bruch ankommen. Und diesmal hatte er Glück: schon nach wenigen Wochen wurde sein Stiefbruder vom Tode ereilt. Mit jener erstaunlichen Schnelligkeit, mit der Karl neu auftauchende Möglichkeiten anpackte, warf er sich nun sofort auf Lotharingien, um sich den im Vertrag von Meersen abgetretenen Teil zurückzuholen. Wieder zog er in Aachen49 ein; schon stand er in Köln, und im Ostreich erwartete man, er wolle den Rhein zur Grenze machen. Wach im Argwohn bezog man den neuen Kaisertitel auf alle Reiche des Festlandes50 • Ein Augenblick größter Spannung! Stand eine Erneuerung des Reiches Karls des Großen bevor? Die von Ludwig dem Frommen eingeführte Inschrift auf der Kaiserbulle: Renovatio regni Franeorum hatte Karl nach seiner Krönung zum Kaiser erweitert zu: Renovatio imperii Romani et Francorutlf5 1 • Dadurch näherte er sich abermals dem 48 Capit. a. a. 0. S. 351: ... domnus Johannes ... Karo/um tune regem ad !imina b. apostolorum invitavit eumque ecc!esiae ipsius defensorem ac tutorem elegit imperia!ique diademate coronavit, eum prae cunctis so!um et specia!em e!igens, qtti Romani imperii sceptra teneret. Cuitts sacris institutionibus pro debito parentes, quod ipse instituit, instituimus, et quod ipse conftrmavit, pari consensu omnes ftrmamus. - Über die Fakten der Unterhandlungen dieses Legaten s. ScHrEFFER, Legaten a. a. 0. S. r6ff. 49 Kar! schenkte dem Kloster St. Denis Reliquien, die er der Aachener Kirche weggenommen hatte. Vermutlich ist auch durch
ihn damals der von Kar! d. Gr. stammende >Dagobert-Thron< nach Frankreich gekommen; vgl. Herrschaftszeichen I S. 329. 50 Ann. Fuld. ad a. 876 (ed. F. KuRzE, z. Ed. r89r S. 56; Script. in us. schol.): se imperatorem et augustum omnium regum cis mare consistentium appe!lare praecepit (d. h. mit Aus schluß der angelsächsischen); diese Auslegung ist genau so tendenziös wie die Angabe desselben Chronisten ad a. 869 (S. 70). Über die Rheingrenze ebd. S. 86f. 5r SCHRAMM, Kaiserbilder S. Go; DERS., Bildnisse Karls d. Gr. S. 66 (wiederholt oben S. 57).
Rückschläge- Synode von Ravenna (Aug. 876)
1 33
Vorbilde des Großvaters, auf dessen Bulle Rmovatio imperii Romani gestanden hatte. Auch machte der Enkel in Ponthion den Versammelten sinnfällig, daß er höher gestiegen war: am ersten Tage der Synode erschien er im goldenen Gewande, nach fränkischer Sitte gekleidet; am letzten Tage war er eingehüllt in eine Kaisertracht nach byzantinischen Muster52 • Aus Deutschland, wo der Sprecher seiner Feinde wieder der Fuldaer Annalist 53 ist , erfahren wir, daß es sich um ein bis zu den Füßen herabfallendes Gewand handelte: die Franken kannten bisher nur einen bis zu den Knien reichenden Leibrock und hatten das lange Kleid nur bei den Griechen gesehen. Karl wird in Wahrheit an den Byzantinern nur das gefesselt haben, was er für alte Kaisersitte hielt. Über diese konnten ihm außerdem noch die Kunst und die Literatur Auskunft geben; auf solche Weise wird der Globus wieder entdeckt worden sein, der im Mittelalter zuerst auf Karls Bildnissen als Herrscherzeichen erscheint. Allerdings handelte es sich zunächst nur um eine bildliehe Angleichung an das Vorbild der antiken Kaiser und ihrer Nachfolger, der Basileis in Konstantinopel - einen >Reichsapfel<, der das Bild zur Wirklichkeit machte, nahm erst mehrere Menschenalter später der Kaiser Heinrich II. in die I-Iand 54 • Bei dem Seidenschleier, den Karl unter der Krone trug, als er sich fränkisch kleidete, handelte es sich um die >Kronhaube<, die hier zum erstenmal erwähnt wird 55 ; erhalten ist erst die im Grabe des Kaisers Heinrich IV. gefundene56 • Sie gehörte zum Faislum, der Bügelkrone, die nicht nur Karl der Kahle, sondern auch seine Verwandten trugen und die man deshalb bereits auf Karl den Großen zurückführen und mit dessen Absicht zusammenbringen möchte, nicht hinter den Byzantinern zurückzustehen57 • Denn eine solche von zwei sich überkreuzenden Bügeln überhöhte, über einer Kronhaube getragene Krone kam in der Form der geschlossenen Krone des Basileus, dem >Kamelaukion<, sehr nahe. Ein erst vor kurzem gemachter Fund, ein silberner Kasten mit drei Medaillonbildern, die Karl, seine zweite Gemahlin und den Erben, Ludwig den Stammler, dar52 Ann. Bert. ad a. 876 (S. rz8, rp): in vestitu deaurato, habitu Francico; dann: Grecisco more paratus et coronatus. Auch seine Gemahlin erscheint gekrönt (ebd. S. rp): also eine weitere Festlichkeit im Schmucke der Krone, vgl. Kg. v. Frk. I S. 24. 53 Ann. Fuld. ad a. 876 (a. a. 0. S. 86): Karo!us rex de Ita!ia in Ga!!iam rediens, novos et inso!itos habitus assumpsisse perhibetur; nam ta!ari da!matica indutus et ba!theo desuper accinctus pendente usque ad pedes, necnon capite invo!uto serico ve!amine ac diademate desuper inposito, dominicis festisque diebus ad aecc!esiam procedere so!ebat.
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Omnem enim consuetudinem regum Franeorum contempnens, graecas g!orias optimas arbitrabatur. P. E. S., Sphaira-Globus-Reichsap fel, Stuttgart 1958 S. 58. Dazu DERS., Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen, in: Festschrift für K. G. RuGELMANN II, Aalen 1959 S. 371 (jetzt oben S. ro8). P. E. S.- FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München 1962 S. 177 mit Abb. r66. V gl. außer dem genannten Aufsatz auch Bd. I S. 247ff.
z. Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
stellen58 , läßt uns erkennen, daß die Nachricht der Fuldaer Annalen, Karl habe die Graecae g!oriae nachgeahmt, tatsächlich wortwörtlich genommen werden darf: er und sein Sohn sind hier unverkennbar mit solch einem Kamelaukion und den für dieses bezeichnenden Seitengehängen, den >Pendilien<, abgebildet. Was Karl der Große seinem Enkel bedeutete, hat sich immer von neuem gezeigtkein Zweifel, daß ihn in diesen Wochen, als er zum zweitenmal als Herr in Aachen gebot, die Hoffnung trieb, wieder Herr des Gesamtreiches zu werden. Der uPiversale Gedanke, durch die Ereignisse der letzten Menschenalter bereits als Chimäre erwiesen, aber für das Denken und den kirchlichen Geist des Mittelalters so überzeugend, so einleuchtend, hat ja nach Karl dem Enkel noch viele andere, Starke und Schwache, in seinen Bannkreis gezogen. Aber es ist nur ein kurzer Augenblick gewesen, in dem ein \vestfränkischer Herrscher daran denken konnte, sein Stammland (S. 44.') zum Kerngebiet eines neuen Gesamtreiches zu machen. In einem Gefecht bei Andernach brachte einer der Söhne Ludwigs dem Kaiser am S. Oktober S76 eine so schwere Niederlage bei, daß er Hals über Kopf fliehen und jede Hoffnung auf Eroberungen in Lotharingien begraben mußte. Es kam noch viel schlimmer; denn dieser schwere Mißerfolg drohte sich im Westfrankenreich und noch mehr in Italien verhängnisvoll auszuwirken. Da Karl selbst durch Einfälle der Normannen festgehalten war, schickte er im Februar Sn erst einmal einen Bischof zum Papst. Auf seine Bitte lud dieser zu einer Synode ein; denn daß nunmehr das in Ponthion Festgelegte ohne \'Vert war, stellte Hinkmar als Chronist dieser Tage- kaum mit Bedauern- fest 59 • Der Termin mußte noch einmal hinausgeschoben werden; aber als die Synode dann endlich am I. August Sn in Ravenna zusammentrat, war sie ungewöhnlich gut besucht: 5I Teilnehmer aus Ober- und Mittelitalien, ja aus Burgund sind bekannt. Nun kam wieder der Papst, der ja an Karls Kaisertum kaum weniger als dieser selbst beteiligt war, zum Zuge. Und abermals zeigte er, daß er das Inszenieren ebensogut wie der westfränkische Hof verstand: das Synodalprotokoll ist glücklicherweise erhalten. Johanns VIII. Vorgehen ist daher genau erkennbar 60 • Die Schwierigkeit bestand für den Papst darin, daß er die Rechtsakte, auf denen Karls Kaisertum beruhte, nicht anrühren durfte, daß er aber- da man sich nicht mehr auf sie verlassen konnte - zugleich eine neue Rechtsgrundlage gewinnen mußte. 58 Neuentdeckte Bildnisse Karls d. K. usw., in der Festschrift für H. AuBIN, Köln-Graz 1965 (jetzt oben S. IIoff.). 59 Ann. Bert. ad a. 877 (a. a. 0. S. 136); dazu die Schreiben Johanns VIII. in 1\Ion. Germ., Epist. YII 5. F ff.
Go Die Nachweise (jetzt oben S. 122 Anm. 14) in Anm. 3 zu S. 3G. Da die rechtsgeschichtliche Bedeutung der SynoJe bisher nicht ausreichend gewürdigt wurde, gehe ich näher auf sie ein.
Eintreten des Papstes Johann VIII. für Kar!
135
Der Papst legte den Versammelten zunächst in ausführlicher Rede dar, wie er das bisher Geschehene gesehen haben wollte. Er griff bis auf die Zeiten Karls des Großen zurück, schilderte, was dieser für Reich und Kirche getan hatte, malte aus, wie Ludwig der Fromme in seiner Weise wiederum Großes geleistet habe, und zeichnete dann ein leuchtendes Bild Karls des Kahlen, der Großvater und Vater noch übertreffe- in den wortreichen Darlegungen versinkt, daß die Kaiserkrone von Lotbar I. auf Ludwig II. übergegangen und dann gewaltsam Karl dem Kahlen zugeschanzt worden war. Nach den Worten des Papstes war es vielmehr das Gegebene gewesen, einen so vorzüglichen Fürsten zum Kaiser zu machen. Johann trug dann (S. 4!·) seine alte These vor, daß Gott Karl vorausbestimmt und daß er, der Papst, ihn dann zusammen mit Klerus, Senat und Volk von Rom zum Kaiser gewählt habe. Nicht auf eigenes Drängen, sondern als der vom Papst Eingeladene habe der König das Amt übernommen ad defendendam religionem et Christi utique servos ttlendos- wiederum ist hier die Formel Proteetor et defensor im kurialen Sinne abgebogen. Durch seine Gesinnung sei Karl der Weihe wert gewesen, die der Papst ihm gespendet habe. Nun solle man Gott danken, der einen Fürst gesandt habe, von dem zu hoffen sei, daß er bald den Trauernden Trost, den Heiden Bestürzung und den Christen Erlösung bringen werde; an einer andern Stelle versteigt sich der Papst dazu, Karl sei von Gott zum Heiland der Welt bestellt~n. Damit war die Frage, wer denn das beste Recht auf Italien habe, in die Frage umgewandelt, wer am besten zur Herrschaft geeignet sei: es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, daß die Kurie die Rechtslage so verschob. Durch seine Darlegungen hatte sich J ohann VIII. den Boden bereitet, um nun die Versammelten aufzufordern, durch Zuruf und Unterschrift zu bekräftigen, was er getan hatte. Man wäre versucht, von einer Bitte um ein >Vertrauensvotum< zu sprechen, wenn der Papst nicht im selben Atem unterstrichen hätte, daß er auf Veranlassung Gottes kraft seines Amtes in der Römischen Kirche, die Lehrerin, Mutter und Haupt der Gesamtkirche sei, gehandelt habe. Der päpstlichen Autorität wurde nichts vergeben; aber möglichst viele sollten doch mitverantwortlich gemacht werden, damit sie nicht in das Gegenlager abschwenken konnten oder - wie der Papst es biblisch ausdrückte- damit kein Schisma und keine Trennung der Geister eintrete. Die Antwort der Bischöfe stand an wortreicher Feierlichkeit nicht hinter der Rede des Papstes zurück; sie griff im besonderen den Gedanken auf, daß Gottes Wille das Geschehene vorausgewollt und gelenkt habe. So enthielt sie, was der Papst hören wollte: »Wen Du liebst, den lieben wir; wen Du gewählt hast, den wählen wir.« Die Versammelten billigten auch die Salbung und sagten zu, Andersdenkenden - falls es nötig werde - mit allen Mitteln des Amtes zu widerstehen. Auf die Frage des Papstes, ob die Synode demnach einig sei und unterschreiben 6r qui a Deo constitutus esset salvator ;mmdi (vgl. Gen. 41, 45).
2.
Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
wolle, gab sie ihr Placet. Stehend verkündigte Johann nun die >Sententia<: Wahl und Erhebung Karls zum Kaiser sollten nun und in Ewigkeit festbleiben; ein doppeltes Placet war die Antwort. Nun fragte er, ob der, welcher gegen diese Sendung verstoße, mit dem Bann bestraft werden ( 5. 47 :) solle. Nachdem die Synode wiederum zugestimmt hatte, verkündete der Papst die Androhung des ewigen Bannes für Laien und Mönche, der Absetzung und Ausstoßung aus der Kirche für Geistliche. Das Fiat der Versammelten und die Unterzeichnung des Protokolls schloß die denkwürdige Sitzung abs2, Denn denkwürdig bleibt diese Verhandlung, auch wenn das praktische Ergebnis schnell zerrann: eine aus Rom, Italien und Burgund beschickte Synode war berufen, die von einem Papst bewirkte >Wahl< eines Kaisers mit ihrer Autorität zu decken. Die Krönungen in den Jahren 866 und 869, die Kaiserwahl selbst, dann die Verhandlungen von Pavia und Ponthion waren Etappen auf einem Wege, der hier seinen Höhepunkt erreichte. Nicht nur, daß die Formen der Synodalverhandlung für den Wahlvorgang benutzt wurden, immer stärker war der Anteil der Geistlichen geworden: hier ist es nun so weit, daß eine ausschließlich geistliche Versammlung über das Kaisertum befindet. Der Kaiser, der sich damit abfand, der das Ravennatische Protokoll sogar »als ein großes Geschenk« entgegennahm63 , war der Enkel Karls des Großen. So viel er auch auf seinen großen Vorgänger geblickt hat, dessen Grundprinzip hat er nicht verstanden. Der Ahn hatte dem Papste die Aufgabe zugewiesen, »wie Moses mit zu Gott erhobenen Händen'< zu unterstützen, was er nach außen und innen für die Kirche tat64 - der Enkel, der widerrechtlich nach der Kaiserkrone gegriffen hatte, mußte sich darauf verlassen, daß die Hände des Papstes ihn unterfaßten. Wäre nicht die Macht Johanns VIII. selbst so fragwürdig gewesen, dann wäre das von Karl dem Großen ausgebaute Staatskirchenturn in ein Kirchenstaatsturn umgeschlagen, wäre wahr geworden, was die Gegner des Papstes Nikolaus noch vor kurzem als Ergebnis seiner Herrschaft ausgemalt hatten: der Papst der wahre Kaiser, der Herr des Erdkreises 65 • 62 Es wäre lohnend, das Protokoll den päpstlichen Wahlanzeigen gegenüberzustellen und einen Seitenblick auf die Papstwahlen dieser Zeit zu werfen; aber dies Thema liegt abseits des unsrigen, auch fehlen gerade aus dieser Zeit Wahlanzeigen. Ich begnüge mich deshalb mit einem Hinweis auf F. GuTMANN, Die Wahlanzeigen der Päpste bis zum Ende der avignonesischen Zeit, Marburg 1931 (Marburger Studien 2. Reihe III) und auf die von Friedrich BAETHGEN, Papstwahlen in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl., hrsg. von H. GuNKEL u. L. ZscHAR-
NACK IV, Tübingen 1930 Sp. 939-41 angeführte Literatur (vgl. jetzt die neue Auflage). 63 Bischof Adalgar überbrachte Karl eine Abschrift pro munere magno, s. Ann. Bert. ad a. 877 (a. a. 0. S. 135). 64 Alcuin ep. 93 (Mon. Germ., Epist. IV S. 137f.). 65 Brief der Iothringischen Bischöfe in Ann. Bert. ad a. 868 (a. a. 0. s. 68): Domnus Nico!aus, qui dicitur papa et qui se apostolum inter apostolos admtmerat, totiusque mundi imperatorem se facit; vgl. auch Regino, Chron. ad a. 868, ed. F. KuRZE 1890 (Script. rer. Germ. in us.
Das Verhalten Karls des Kahlen
!3 7
Wie weit Karl in diesen Bannkreis geraten war, zeigt eine Anordnung, die er im Juni 877 in die Bestimmungen für die Zeit seiner Abwesenheit aufnahm. Denn er hatte sich mittlerweile durch einen schimpflichen Vertrag mit den Normannen, die er durch Geld abfand, die Hände freigemacht, um dem Hilfe heischenden Papste beizustehen- der Widerspruch der Seinen konnte ihn in diesem Vorsatz nicht erschüttern, veranlaßte ihn (S. 47.) vielmehr nur, ihren lehensrechtlichen Forderungen entgegenzukommenss. Inzwischen hatte sein Sohn Ludwig, von bestimmten Bischöfen und Grafen beraten, ihn zu vertreten. Nach der Rückkehr des Vaters sollte der Erbe nach Rom gehen, um, solange es notwendig sei, Gott und den Aposteln zu dienen, d. h. dem bedrängten Papste durch seine Anwesenheit den Anschein eines fränkischen Rückhalts zu geben; und dort, so schloß diese Anordnung, »könne er mit Gottes Hilfe zum König gekrönt werden«s 7 • Nach der Weihe Ludwigs II. als König von Italien (844) wäre das die zweite Krönung eines Königs durch den Papst geworden. Aber es handelte sich diesmal um einen Westfranken- sowohl der Erzbischof von Reims wie der von Sens hätten zugunsten des Papstes zurücktreten müssen. Wäre der Plan zur Ausführung gekommen, so hätte der Papst, der sich bereits die Besetzung des Kaiserthrons angemaßt hatte, auch noch Einfluß auf die Nachfolge im Westfrankenreich gewonnen. Seltsam, daß Karlauf dieser gefährlichen Bahn fortzuschreiten gedachte! Daß er so der Rivalität der beiden Erzbischöfe entging, war sicherlich nur ein Nebengrund; bei seinem kirchlichen Sinn hielt er die Weihe durch das Oberhaupt der Kirche vermutlich für wirksamer als die durch einen Metropoliten, und politisch hatte er ja Grund genug, für Sicherung seines Erben zu sorgen.
e) Machtverlust und Tod- Ausblick Auf wie schwankender Grundlage Papst und Kaiser das neue System errichtet hatten, enthüllte die Geschichte mit schonungsloser Schnelligkeit. Auf der Reise empfing Karl an den westschweizer Seen das Protokoll der Ravennatischen Synode, die zu seinen Gunsten gesprochen hatte; im September traf er mit Papst J ohann in Vercelli zusammen und reiste mit ihm nach Pavia. Schon hier erfolgte der Umschol.) S. 94: Regibus ac tyrannis imperavit, eisque ac si donzinus orbis terrarum auctoritate praefuit. 66 Contra voluntatem denique suorum cum coniuge iterum ltaliam ingressus est berichten die Ann. V edastini ad a. Sn; s. Ann. Xantenses et Ann. Ved., ed. B. DE SrMSON 1909 (Script. rer. Germ. in us. schol.) S. 42. - Das Kapitular von Quierzy vom Juni Sn, das in der Entwicklung des Lehnswesens eine wichtige, allerdings verschieden beurteilte Rolle ge-
spielt hat, braucht hier nicht gewürdigt zu werden. Ich verweise auf E. BouRGEOIS, Le capitulaire de Kiersy-sur-Oise (Sn), Paris r885 S. 69-126 und auf MrTTEIS a. a. 0. S. r 68 ff., der weitere Literatur nennt. 67 ... et ibi, Deo adminiculante, in regem possit coronari; vgl. Mon. Germ., Capit. II, 2 S. 359 § 14; nicht übernommen in den für die Öffentlichkeit bestimmten Auszug; vgl. ebd. S. 362 f.
2.
Kar! der Kahle Kaiser (875-877)
schwung: auf die Nachricht, daß ein ostfränkisches Heer heranrücke, wichen Papst und Kaiser gemeinsam nach Südwesten aus. In Tortona fand Johann noch Gelegenheit, Karls zweite Gemahlin Richilde, die dieser 870 nach Irmintruds Tod geheiratet hatte, zur Kaiserin zu weihen68 - daß sie wie ihre V orgängerin als Königin gesalbt worden war, ist nicht überliefert, auch nicht einmal wahrscheinlich. Dann wurde sie mit dem Schatz auf den Heimweg gesandt, um sich mit ihm in Sicherheit zu bringen. Karl hoffte noch, daß die von ihm aufgebotenen Großen eintreffen würden; aber die Westfranken ( S. 4J:) hatten in Italien ja kaum etwas zu erwarten und ließen ihn im Stich. Was blieb nun anderes übrig als die Flucht? Der Papst eilte nach Rom zurück, der Kaiser suchte über die burgundischen Berge die Heimat zu erreichen. Unterwegs übermannte ihn Krankheit. Arznei versagte. Trotzdem ging die Reise weiter. Da griff der Tod selbst zu. In einer elenden Alpenhütte verschied am 6. Oktober 877 der fünfte Kaiser aus dem Karolingischen Hause. Die Verwesung setzte so schnell ein, daß der Leichnam an einer Kirche am Wege beigesetzt werden mußte; erst sieben Jahre später wurden seine Gebeine nach St. Denis überführt. Als Mensch, als Politiker, als Feldherr bietet Karl der Kahle viele Angriffsflächenaber er lebte in einer Zeit, die nicht besser war als er. In dem Wirrsal von Unfähigkeit, Eigennutz, Unbeständigkeit und roher Gewalt, das sie kennzeichnet, hebt sich der Kaiser sogar noch ansehnlich empor; denn er zeichnete sich wenigstens dadurch aus, daß ihm große Ziele vor Augen schwebten. Trotz aller Rückschläge hat er sie unermattet bis zum Tode im Auge behalten. Insofern ist er des ersten Kaisers, dessen Namen er trug und als Verpflichtung empfand, doch nicht unwert. Blickt man auf die Leistung, dann zeigt sich allerdings ein um so größerer Abstand. Karl der Große hatte seinem Nachfolger ein Reich hinterlassen, das erst nach einem Menschenalter gesprengt worden ist. Karls des Kahlen Sohn fand bereits Ruinen vor, die wieder aufzurichten ihm die Macht und auch die Kraft fehlte. Erst nach vielen Jahrhunderten haben sich die Augen französischer Herrscher wieder auf die Kaiserkrone gerichtet; auf sein Haupt hat sie erst Napoleon I. gesetzt, dem gelang, was Karl der Kahle versuchte: die Vereinigung Italiens mit einem weit nach Osten hin erweiterten Frankreich - Pius VII. spielte dabei eine Rolle, die noch hinter der zurückblieb, die einst Karl der Große dem Papste eingeräumt hatte.
68 Ann. Bert. ad a. 877 (a. a. 0. S. r 36): comecrata Richildis a papa ]ohmzne i11 imperatricem. Hirikmar nennt sie in dieser Chronik seit 875
Kaiserin. Auch in den Papstbriefen heißt sie bereits im Februar 877 Augusta; vgl. Mon. Germ., Epist. VII S. 32· Ein heute verschal-
lener geschnittener Stein mit einem Frauenkopf und der Umschrift >Richilde< ist auf Karls Gemahlin zu beziehen; vgl. SCHRAMM, Kaiserbildnisse a. a. 0. Abb. 37, ergänzt in der Neuauflage.
Machtverlust und Tod- Ausblick
1
39
Auch Karls des Kahlen Gegner, die Ostfranken, denen nach einem dreijährigen Interregnum die Kaiserkrone zufiel, haben sie nicht lange festhalten können. Drei Jahrzehnte schien es dann so, als wenn der von Karl dem Großen wieder ( S. 49 .") verwirklichte Gedanke eines Imperium sowohl im Westen wie im Osten, aber auch in Italien selbst begraben sei. Das Schicksal hat es den Deutschen zugestanden, daß sie sich schneller als ihre Nachbarn aus der Verelendung der spätkarolingischen Zeit herausfanden und sich von neuem die Kaiserkrone sichern konnten- die Franzosen haben sich bis in die Tage Napoleons damit abfinden müssen. Das ist der Rahmen, in dem Karls des Kahlen Versuch, seiner Linie die Kaiserkrone zu sichern, gesehen werden muß. Wer will ermessen, was geschehen wäre, wenn er auch nur für einige Jahrzehnte Bestand gehabt hätte? 69 69 Zu meiner Überraschung finde ich meine Ausführungen über Kar! d. Kahlen von K. F. WERNER, Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft, Stuttgart usw. 1967, S. 54 angeführt als Beispiel von
Objektivität und Kenntnis, die über das hinweggegangen seien, was die nationale Geschichtsschreibung vor 1933 über Kar! d. Kahlen »an einseitiger Kritik hervorgebracht hatte«.
3 Die Krönung
1m
9· und
10.
Jahrhundert
A. Die Krönung bei den Westfranken* 1.
DAs GRUNDPROBLEM -
DIE BEDEUTUNG DER ÜRDINES -
ZIEL
DER UNTERSUCHUNG
Dieser Aufsatz ist gedacht als eine Vorarbeit zu einer Geschichte aller jener Rechtsakte, die in den verschiedenen abendländischen Staaten bei einem Herrscherwechsel vorgenommen worden sind. Deshalb sind alle Beobachtungen allgemeiner Art, die sich über Entwicklung von Erbanspruch, Wahl, Eid, Salbung, Krönung, Thronsetzung und Investitur mit den Herrschaftszeichen aus den behandelten Texten ergeben, erst einmal zurückgehalten; und ebenso vermerke ich die sich aufdrängenden Feststellungen über die Einwirkung von Christlichem und Germanischem, über Angleichungen an den alttestamentlichen König oder an den Bischof, über das Zustandekommen der kanonischen Reihe mittelalterlicher Herrschaftszeichen und über deren sich wandelnde Ausdeutung u. a. m. nur so weit, als es für den einzelnen Text notwendig ist1 . Bevor nämlich an diese Frage herangegangen wird, müssen erst einmal
*
Zuerst gedruckt in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte, 54, Kanonist. Abt. 23, 1934 S. r q-242 (hier durchgefeilt und ergänzt sowie in die Abschnitte A und B zerlegt). Berücksichtigt sind im Text die Hinweise und Berichtigungen in der sachkundigen Besprechung von TH. KLAUSER im Jahrbuch für Liturgiewiss. XIV, 1938 S. 459-61. - Meine die angelsächsischen Ordines betreffenden Feststellungen haben teils Zustimmung, teils Widerspruch erfahren in einem Aufsatz von FAUL L. WARD (s. unten Anhang r; ich gehe dort auf seine Gegenthesen ein). Zu dem fortan wichtigen Buch von C. A. BouMAo'J (1957) vgl. unten S. 208. Dieser Aufsatz bildete die Grundlage für zwei Bücher, in denen ich seine Ergebnisse in
den größeren Zusammenhang einfügte: Geschichte des englischen Königtums im Lichte der Krönung, Weimar 1937 (XVI, 301 S.); in das Englische übersetzt von L. G. WrcKHAM LEGG: A History of the English Coronation, Oxford 1937 (XV, 283 S.). Ein Neudruck durch die Wissenschaftliche Buchgesellschaft in Darmstadt ist vorgesehen. Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9· zum r6. Jahrh. Ein Kapitel aus der Geschichte des abendländischen Staates, I-II, Weimar 1939 (XV, 273 und 148 S.); 2. verb. u. verm. Aufl., Weimar und Darmstadt 1960 (XV, 273 und 172 S.). r Ebenso beschränke ich mich in der Anführung von Literatur. Als allgemeinere Werke nenne ich hier zwei Bücher, die ich dann nicht
Grundproblem - Bedeutung der Ordines - Ziel
141
die Zeugnisse noch besser gereinigt und geordnet werden, damit wir aus den verschwommenen Vorstellungen von Wachsen, V ergehen und Sichberühren zu einer wirklichen Geschichte des Vorgangs kommen, (S. nS:) wie im Abendland der >Staat< beim Herrscherwechsel nicht mehr gleichsam immer neu auf ein weiteres Menschenalter verlängert wird, sondern über die Menschen hinauswächst, so daß er kraft seines - in Gott, in der Überlieferung oder sonstwie verankerten - Rechtes in festen Formen den neuen Herrscher durch solche, denen es zukommt, bestimmen, berufen, auswählen, weihen usw. läßt. Das ist ein Vorgang, der in jedem Lande des Okzidents anders, aber nirgends ganz unberührt von den Nachbarn verlaufen ist. Mit jenen biologischen Metaphern kann er daher nur zu einem Teil erfaßt werden, da sich die Rechtsakte in der Sphäre der Macht abspielen. Diese schafft mit einmaligen Neuerungen Gewohnheitsrecht; durch den Einzelnen - den Fürsten und seine des Brauches, der Geschichte und der Offenbarung kundigen juristischen und liturgischen Berater - findet es angemessene Ausdrucksformen. Es handelt sich also um einen Vorgang, der von Etappe zu Etappe den Stand des Ringens zwischen den verschiedenen geschichtlichen Kräften erkennen und deshalb - innerabendländisch verglichen - den Aufbau der mittelalterlichen Staatenwelt deutlich werden läßt. Das Material für das mittelalterliche Thronrecht ist mannigfaltig: Gesetze, Berichte, Protokolle, historische Nachrichten, gelegentliche Äußerungen von Kundigen, Unkundigen und Polemikern, dann vor allem die 0 r din es, die Anweisungen für das Verfahren bei Salbung und Krönung, die meistens auch die zu leistenden Eide mit einschließen. Was für alle andern Zeugnisse gilt, trifft sie im besondern Maße: sie dürfen nicht ohne weiteres mit dem geltenden Recht gleichgesetzt werden, das ja seinerseits nicht bei jeder Krönung in voller Reinheit zur Geltung gekommen ist. Sie müssen also - jeder einzelne Ordo für sich - darauf geprüft werden, wieweit sie von autoritativer Stelle stammen oder von einer solchen rezipiert und wieweit sie jeweils in die Praxis umgesetzt worden sind. ( S. I I 9 :) Das Mißlichste in der Ordinesforschung 2 war, daß sich bisher keine Brücke von der karolingischen Zeit zum 10. Jahrhundert schlagen ließ, das ungefähr gleich-
2
mehr zitiere: HANS ScHREUER, Die rechtlichen Grundlagen der französischen Königskrönung mit besonderer Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse, Weimar I9II und G. P.ER.E, Le sacre et Je couronnement des rois de France dans leur rapport avec !es lois fondamentales, Bagneres de Bigorre I9zr. Vom Zitieren der rechtsgeschichtlichen Gesamtdarstellungen ist abgesehen. Vgl. die Literaturangaben bei P. E. ScHRAMM, Die Ordines der mittelalterlichen Kaiserkrönung, im Archiv für Urkundenforschung XI
1930 S. z85ff., wo u. a. die Aufsätze von E. ErcHCA:ANN aufgezählt sind. Eine nützliche, aber nicht an die Probleme heranführende Übersicht bietet R. M. WooLLEY, Coronation Rites, Cambridge I 9 r 5 (The Cambridge Handbooks of Liturgkai Study). Über die Herkunft der Gebete in Hinkmars Ordines für Kar] d. K. und Ludwig d. St. und ihren geistlichen Inhalt vgl. ANNELISSA SPRENGLER in der Zeitschr. f. Kirchengesch. IV. Folge I= 63, I95o/r S. 245-67.
3 A. Die Krönung bei den Westfranken
zeitig in Deutschland, England und Frankreich neue, unter sich offenbar verwandte Ordines hervorgebracht hat. Sachliche Entsprechungen, selbst formale Anklänge sind da; aber es war noch nicht möglich, zu zeigen, wie aus den uns bekannten Ordines des 9· Jahrhunderts die Vielheit der Folgezeit hervorgehen konnte. Diese Lücken lassen sich nun schließen, wenn man vergessene Texte einreiht und die bekannten schärfer mustert. Das soll unsere Aufgabe sein. Wir werden fünf westfränkische Ordines aneinanderreihen können, die eine einwandfreie Überleitung zwischen den beiden Epochen bilden. Der erste ist in seinem Aufbau bisher nicht erkannt; der zweite entbehrte jeder Datierung; der dritte und vierte waren übersehen, und der fünfte, der von etwa 1100 an die französische Entwicklung bestimmt hat und oft behandelt worden ist, läßt sich geistig und geographisch genauer lokalisieren. Dieser Ordo steht schon unter der Einwirkung Englands, das wir in die Untersuchung einbeziehen: es ist durch zwei Ordines vertreten, der ältere in zwei bisher nicht genügend geschiedenen Fassungen erhalten und noch oft unrichtig datiert, der jüngere bisher auf eine falsche Krönung bezogen, aber beide nun zeitlich genau bestimmbar und dabei eingeordnet in fortlaufende Beziehungen des Nehmens und Gebens zu der westfränkischen Reihe. Aufgabe eines weiteren Abschnittes wird es sein, zu zeigen, wie das Westfrankenreich auf Deutschland einwirkte und dieses nach England weiterwirkte3 •
z.
DER ÜRDO FÜR LuDwrG DEN STAMMLER (
8 7 8)
UND sEINE VoRLÄUFER
Aus karolingischer Zeit sind verschiedene Ordines erhalten. Einige sind noch kaum über den Rahmen der Sakramentare (S. 1 20:) hinausgewachsen, in denen ja seit alters gewisse Gebete für geistliche Weihen zu Untereinheiten zusammengeschlossen waren4 • Die Hauptgruppe bilden vier westfränkische Ordines, die alle nur in einem heute verlorenen - Lütticher Codex erhalten geblieben sind und offensichtlich aus Reimser Überlieferung stammten. Es sind r. der Trau- und Krönungsordo der Judith, Tochter Karls des Kahlen und Gattin
des angelsächsischen Königs Aethelwulf (Verberie an der Oise, 8 56),
Dieser Aufgabe unterzog ich mich in dem Aufsatz: Die Krönung in Deutschland bis zum Beginn des Salischen Hi<uses (roz8), in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, I 9 3 5 S. I 84-3 32 (daraus der Abschnitt D, ein weiterer in Band III). 4 Beim Erstabdruck führte ich hier noch die beiden Kaisererdirres I und TI an, für die jetzt
zu vergleichen ist: Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin, hg. von R. ELZE, Hannover r96o (Mon. Germ., Fantes iuris germ. antiqui IX) S. I fL (danach I: vor 960, II: vor 960). Sie lassen sich nicht mehr mit Sicherheit bis in das 9· Jahrh. hinaufrücken (Abdruck in Bd. lii).
Der Ordo für Ludwig den Stammler (878)
I43
der Krönungso rdo der Irmintrud, Gemahlin Karls des Kahlen (Soissons 866), 3· der Krönungso rdo Karls des Kahlen als König von Lotharingi en (Metz 869), 4· der Krönungso rdo seines Sohnes, Ludwigs II. des Stammlers (Compiegn e 877). Alle vier Texte sind in der Kapitularie nausgabe der Monument a Germaniae gcdruckt5. Die Textherste llung entspricht allen Anforderu ngen; doch sind die Eide und andere Teile, die sachlich und überlieferungsgeschichtlich eine Einheit mit den Ordines bilden, bedauerlicherweise abgespalten6 • Auch reichen die benutzten Vorlagen weiter, als dort erkannt und durch Kleindruck kenntlich gemacht ist. Erst in berichtigter Gestalt gestatten die Texte eine Auswertun g für die Geschichte der Krönung. Aber diese Analyse wird besser so lange zurückgestellt, bis erwiesen ist, daß letzthin alle mittelalterlichen Königsord ines auf diese Gruppe zurückgehe n. 2.
Ludwig des Stammlers zweite Krifnung Der zuletzt genannte Ludwig II. hat sich noch einmal krönen lassen. Es bot sich ihm nämlich die Gelegenheit, den Papst selbst zu dieser Handlung zu bewegen. Im Jahre 878 zog Johann VIII. in das Westfrankenreich, um hier Rückhalt gegen seine römischen und italienischen Feinde zu finden. In Troyes versammelte er die westfränkischen Bischöfe zu einer Synode, die sich die Exkommun izierung der Feinde ( S. I 2I :) Johanns zu eigen machte und Fragen der eigenen Kirche behandelte . Im Laufe der Verhandlu ngen traf auch der König ein, den Krankheit zurückgeha lten hatte. Wer nun den Gedanken einer abermalige n Krönung zuerst aufbrachte, gibt kein Zeugnis an. Es lag im Interesse des Papstes, seine Geltung im Frankenrei ch durch die Vornahme der Krönung zu erhöhen; die früheren und folgenden Ereignisse lassen andererseits erkennen, wie sehr dem König eine Stärkung seines Amtes durch den Papst am Herzen lag. Schon zu Lebzeiten seines Vaters war seine Krönung durch den Statthalter Petri erwogen worden: im Juni 877 hatte Kar! der Kahle vor Beginn seines zweiten Römerzuge s u. a. festgelegt, daß im Falle seiner Rückkehr Ludwig nach Rom gehen solle, um dort, solange es nötig sei, Gott und den Aposteln zu dienen, d. h. dem bedrängten Papste durch seine Anwesenhe it den Anschein eines fränkischen Rückhalts zu geben. Diese Anordnung , die durch Karls Tod hinfällig geworden war, schloß: »et ibi, Deo adminicttlante, in regem possit coronari« 8 • 5 II S. 425-7, 45 3-8, 461-2. 6 Ebd. S. 337-4I, 364-5. 7 Zum Geschichtlich en vgl. E. DüMULER, Geschichte des ostfränkische n Reiches III, Leipzig 2 I888 S. 8 5. Hauptzeugni s dieser Jahre sind Hinkmars Annales Bertiniani rec. G. WArrz, I883 (Script. rer. Germ. in us. schal.); (über eine neuere französische Editions. oben S. I 3 I Anm. 45);
S. qoff., in die zwei Aktenstücke der Synode inseriert sind; in reicherem Umfang die Synodalakten bei MANSI, Sacr. concil. collectio XVII, Florenz I772 Sp. 348ff.- Vgl. auch L. DucHES'-'E, Les premiers temps de l'etat pontifical, Paris I 904 S. 2 76. V erweisen darf ich jetzt auf mein Buch: Der König von Frankreich a. a. 0. S. 53 ff. Mon. Germ., Capitularia II 2, I893 S. 359 Nr.
144
3 A. Die Krönung bei den Westfranken
Wohl hatte schon einmal der Papst den Herrscher eines karolingischen Teilreiches in Gestalt Ludwigs II. gekrönt, der 844 in Rom als König von Italien die Herrscherweihe empfing 9 ; sonst aber war sie, vom Oberhaupt der Kirche gespendet, ein Vorrecht des Kaisers. Wollte Karletwas von dem imperialen Schimmer auf seinen Sohn ziehen? Es scheint mehr, daß ihn der Gedanke bewegte, die Krönung von solcher ( S. I 22 :) Hand sei mehr als die durch einen fränkischen Erzbischof, sichere seinen Erben also noch besser. So muß jedenfalls Ludwig II. selbst gedacht haben; denn nachdem er am 7· September 878 zu Troyes von Johann VIII. die Krönung empfangen hatte, bemühte er sich noch um dieselbe Gunst für seine Gemahlin. Die Rechtmäßigkeit der Ehe war nicht einwandfrei10 ; der Papst schlug daher den Beauftragten des Königs die Bitte ab. Ludwig machte schließlich noch einen Vorstoß. Zwei Bischöfe legten auf der Synode dem Papste die Urkunde vor, mit welcher der sterbende Karl seinem Sohne die Herrschaft übergeben hatte, damit J ohann diese schriftliche Traditio, die von einer symbolischen begleitet gewesen war, durch eine Bulle bestätigte. Darauf präsentierte dieser seinerseits eine Urkunde Karls, mit welcher die Abtei St. Denis an die Römische Kirche geschenkt wurde, um für diese eine entsprechende Bestätigung zu erlangen. Das konnte Ludwig nicht zugestehen, und so mußte er auf seinen Wunsch verzichten11. Wäre er erfüllt worden, so hätte sich der Übergang der Herrschaft aus folgenden Einzelakten zusammengesetz t, wobei irreguläre Voreide unberücksichtig t bleiben: 1. Designation des Thronfolgers durch schriftliche und symbolische Traditio des sein Ende erwartenden Vaters, Promissio des Königs gemäß der Petitio der Bischöfe, 3· Commendatio und Professio (Treueid) derselben, denen die entsprechenden Akte der Äbte und Laien (außerhalb der kirchlichen Handlung?) folgen,
2.
281 § q; nicht in den für die Öffentlichkeit bestimmten Auszug übernommen, vgl. ebd. S. 362f. Nr. 282; dazu ScHRAMM a. a. 0. S. 47, s. jetzt oben S. I37). 9 Die Beziehung auf das Langobardenreich vertrat der Papst; auf der Gegenseite erkannte man möglicherweise keine Begrenzung auf irgendein Land an. Vgl. L. M. HARTMANN, Geschichte Italiens im Mittelalter Ill I, Gotha I908 s. I99· Io Reginonis abbatis Prumiensis chronicon ad a. 878, ed. F. KuRZE (Script. rer. Germ. in us. schol. I89o) S. II4. II [Hinkmar:] Ann. Bertiniani ad a. 878 (a. a. 0. S. 143): postea vero per missos suos
[H!odmvicus] petiit eundem papam, ut uxorem i!lius in reginam coronaret; sed obtinere 11012 potuit. Frotarius autem et Adalgarius episcopi attulerzmt in conventu episcoporum papae Johanni praeceptum, per quod pater suus Hlod01vico regmtm tradiderat [vgl. ebd. ad a. 877, S. I 38], petentes ex zpsius parte, ut privilegio suo ipsum praeceptum confirmaret. Tune papa Iohannes protulit exemplar . .. ; et dicente papa Iohanne, ut, si vellet Hlodowicus rex, ut super i!!ius praceptum privi!egiuJtl faceret, suo praecepto i/lud patris sui praeceptum firmaret.Quod argumentum, sicut factio et non ratio, imperfectum remansit. V gl. S. I 37 ff. über die Ereignisse vom Tode des Vaters an nebst den zu ihnen gehörenden Eiden.
Ludwig des Stammlers zweite Krönung
I4j
(S. I2J:) 4· Salbung, Krönung und kirchliche Übergabe der Herrschaftszeichen durch einen
fränkischen Erzbischof, 5. Wiederholung dieses Aktes durch den Papst,
6. Bestätigung der schriftlichen Traditio des Vorgängers (Nr. r) durch den Papst. Also eine stark angewachsene Beteiligung der Geistlichen, zu denen nun der Papst selbst tritt. Es ist ohne weiteres klar, daß die Kirche des 9· Jahrhunderts ganz planmäßig ihren Einfluß ausgeweitet hat; aber hier zeigt sich doch auch, daß ihr die schon erreichte feste Ausprägung ihrer liturgischen Handlungen und nicht zum wenigsten .ihrer Rechtsakte eine Überlegenheit gab, die nun der >Staat< nachzuholen suchte, indem er sie sich aneignete, soweit es anging. Denn das macht die Zeit Ludwigs II. noch deutlicher als die Karls des Kahlen: Nicht alles, was geistliche Form einnimmt, ist Sieg des karolingischen Hierarchismus - auch auf königlicher Seite besteht die Tendenz, mit Hilfe kirchlicher Rechtspräzision, sakramentaler Weihe und schließlich auch päpstlicher Autorität die Königsgewalt in dem Strudel rivalisierender Feudalgewalten immun zu machen. Im Jahre 878 ist man über 877 noch hinausgegangenaber nur mit teilweisem Gewinn, da die I
Krönungen< lassen sich nicht genau vergleichen. Denn im Falle Pippins wiederholte der Papst nur die Salbung, nicht eine Krönung; bei Ludwig dem Frommen holte er die Salbung nach und vollzog die Krönung noch einmal in geistlicher Form, und ebenso lag es in der Zeit Lotbars I. Jetzt handelte es sich um einen schon gesalbten und durch Geistliche gekrönten König. Ist in dieser Zeit noch eine doppelte Salbung, geschieden durch den Kirchenrang des Ausführenden, denkbar? Hinkmar erwähnt sie nicht, und wie ( S. I 2 4 .") wir gleich sehen werden, wissen wir vom Papst nur, daß er eine >Benedictio< sprach. Wir müssen damit rechnen, daß nur sie und keine >Unctio< stattfand. Sicherlich hat Ludwig dann seine Herrschaftszeichen angelegt und die Krone aufgesetzt, und wie 877 werden ihm Geistliche- der Papst wohl zum mindesten bei der Krone - dabei geholfen haben. Rechtlich veränderte sich dadurch nichts mehr; denn in die Herrschaft war Ludwig durch sie schon eingeführt mittels weltlicher >Traditio< vom Totenbett des Vaters aus, sowie mittels geistlicher in Compiegne. Trotzdem ist dieser Akt nicht auf eine Stufe mit den sogenannten >Festkrönungen< zu stellen, für die seit dem I I. Jahrhundert in England, Frankreich und Deutschland feste Regeln geschaffen wurden11a. Diese bedeuten I I
a V gl. die in Bd. I S. 57 verzeichnete Lit.
3A: Die Krönung bei den Westfranken
Kundmachung des Königtums; hier aber wird Recht durch Wiederholung verstärkt, ja verbessert, da eine >bessere< Hand sie vollzieht. Insofern besteht doch eine Verwandtschaft zu den karolingischen Präzedenzfällen.
Der Ordo für die zweite Krönung Wie mag nun der Ordo für diese Krönung ausgesehen haben? Lange Zeit zur Vorbereitung hat der Papst nicht gehabt, und wenn er nicht einen ganz neuen Text aufsetzte, dann standen ihm nur fränkische Königsgebete zu Gebote; denn spezifisch römische gab es nicht. Daß wir zum mindesten eine Formel haben, die zum Ordo gehörte, ist seit langem beachtet worden. In einer Handschrift des I I. Jahrhunderts, die aus der Abtei St. Thierry stammt, also wiederum auf den Umkreis der Reimser Kirche, der Vermittlerinder älteren Ordines, zurückführt, findet sich nämlich eine Oratio, qua benedixit domnus apostolicus Iohannes regem nostrum Ludovvicum junioris Karoli imperatoris jilium Trecas civitatis12 • Natürlich wurde an jenem Septembertage nicht nur dies eine Gebet gesprochen, und so ist man von vornherein geneigt, auch die benachbarten Formeln in der Handschrift von St. Thierry für 878 in Anspruch zu nehmen13 • Vorauf gehen nämlich ( 5. I 2!:) vier Gebete, die sich auch auf einen König beziehen. Alle sind vorher zu belegen, und zwar die ersten beiden als orationes pro adepta dignitate, dann auch in der Abtsweihe14, die beiden folgenden mit ihren Rubra in einem jener 12 Vgl. Anlage, Text I, wo die Literatur vermerkt ist; dazu S. 126 Anm. 2 (jetzt S. 147, Anm. r6). 13 L. DELISLE (s. Text I) S. 287 spricht vorsichtig von einem »texte fort curieux de prieres qui devaient se reciter pour le roi dans !es eglises de France, au temps des premiers Capetiens« und bemerkt, daß die letzte Formel sich auf 878 beziehe. WooLLEY a. a. 0. S. 93 f. nimmt alle fünf Gebete für 878 (fälschlich »877«) in Anspruch: »The order . . . is, as might be expected under the cirumstances, somewhat Roman in character, but otherwise it is rather puzzling; perhaps it was specially composed for the occasion, or else it belongs to the unfixed stage and may be classed with the order of Charles the Bald.« Zu den Folgerungen der beiden Autoren vgl. den weiteren Text. I4 Sicher älter als 878, denn schon im 9· Jahrhundert nachweisbar und früh verbreitet. U. a. erhalten in: a) Sancti Gregorii Magni Liber sacramentorum ed. H. MENARD, Paris r643 S. 228; danach
MrGNE, Patrol. lat. LXXVIII r862 Sp. 226; gedruckt nach drei Sakramentaren in Co r b i e mit spätkarolingischen Interpolationen der Originalfassung im Dictionnaire d'archeologie chretienne et de Iiturgie III, Paris 1914 S. 2933 ff. s. v.: Corbie. b) Cod. Mailand Bibi. Capit. Metrop. t 14: Mailänder Pontificale Mitte ro. Jh., (jetzt: D r-r 2): vgl. M. MAGISTRETTI, Mon. veteris liturgiae Ambros. I, Milano r897 S. 92; zum Datum G. ELLARD, Ordination Anointings, Cambridge Mass. 1933 (Monographs of the Mediaeval Acad. of America 8) S. 74 mit P. LEHMANN (ebd.) gegen MAGISTRETTI, der 9· Jahrhundert annimmt. Dann in den Hss. des Mainzer Pontificale Romano-Germanicum; vgl. M. ANDRIEu, Les Ordines Romani du haut moyen äge I, Louvain 1931 (Spicilegium sacrum Lovaniense XI) S. 36, 43, 66, 76, 123, I 5 I, I6o, r69, 173, I82, I84, 358, 393,404, 452· Vgl. jetzt die auf Andrieus Vorarbeiten beruhende Ausgabe von C. VoGEL und R. ELZE, Le Pontifical Romano-Germanique du Xe siede, Citta del
Der Ordo für die zweite Krönung
147
erweiterte n Gelasianischen Sakramentare, die für die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts bezeichne nd sind und dann seit Karls d. Gr. Rezeption des Sacramen tarium Gregoria num von diesem - wenn auch nicht für immer - zurückge drängt werden; und zwar kommt nicht jene erweiterte Fassung im allgemein en ( S. 12 6:) in Betracht, sondern ein bestimmt er Untertyp mit eigenen Ergänzun gen, der für uns durch das Sakramen tar von Angoulem e vertreten ist. Es liegt in einer Handschr ift aus dem Ende des 8. oder den ersten Jahren des 9· Jahrhund erts vor und ist nach dieser sauber ediert15 • Diese vier Gebete müssen schon im 9· Jahrhund ert eine Einheit gebildet haben; denn sie sind alle vier in dem Ordo C (Text IV) herangezo gen, der uns noch beschäftigen soll. Natürlich bleibt die Möglichkeit, daß sie nachträgl ich, wenn auch nicht viel später mit der >Benedictio< Johanns VIII. zusamme ngewachs en sind. Größer ist aber die Wahrscheinlichkeit, daß sie ursprüngl ich mit ihr zusamme ngehörten , also zusamme n den Ordo von 878 darstellen. Dann erklärt sich nämlich zwanglos die Frage, warum keine Investitu r und Krönung , vielleicht nicht einmal eine Salbtmg16 berücksic htigt ist. Und auch das finden wir, was wir schon annehme n zu müssen glaubten: Zusamme nfügung von fränkischen Formeln, nach denen man nicht lange zu suchen brauchte. Daß der Hinweis erst vor der fünften Formel steht, ist gleichfalls verständlich: sie allein war ja eigen und hatte außerdem besonder e Bedeutun g, weil der Papst sie selbst gesproch en hatte. Entschied en wäre der Fall, wenn auch von diesem Gebet Spuren im Ordo C nachzuweisen wären; aber die Anklänge im Gebet für Vaticano 1963 (Studi e Testi 226) S. 62ff. (S. 65 und 68). - Über den Vorgang des Wieder- und Neueindrin gens der Ordinationsforme ln vgl. E. BISHOP (u. A. WILMART), La reforme liturgique de Charlemagne, in Ephemerid es liturgicae XL V (N. S. V), Rom I93I S. 2o6f.; im allgemeinen TH. KLAUSER, Die liturgischen Austauschbezie hungen zwischen der römischen und der fränkisch-d eutschen Kirche vom 8. bis zum r r. Jahrhunder t, in Histor. Jahrbuch 53, I933 S. r84ff. (dort Lit., bes. A.BAuMSTARK, Missale Romanum, Nijmwegen 1929) und jetzt C. VoGEL, Introducdo n aux sources de l'hist. du culte ehreden au m. ä., in den Studi medievali, 3. Serie III I, I 962 S. 58: Sakramenta r von Angouleme . 15 Paris Bibi. Nat. lat. 8r6; nach dem palaeographische n Befund Anfang des 9· Jahrhunderts, nach f. r68, wo der Kaisertitel angeführt ist, nach 8oo; vgl. Le sacramenta ire
Gelasien d'Angoulem e [ed. P. CAGIN], ebd. o. J. = 1918.- Das Gebet: »Benedic, Domine, hos presu!es principes [ = hunc regem] - in regno. Per ... « ist nicht zu verwechsel n mit dem
gleichbegin nenden Gebet, das auf: in grege endet. Dieses findet sich mit dem zweiten Gebet (Deus inenarrabi!is etc.) schon im 8. Jahrhunder t zusammen. Für seine Verbindung mit dem andern kenne ich bisher - abgesehen von den Ordines, in die beide eingingen - nur diesen einen Beleg. r6 Die >Benedictio< Johanns kann man auf eine Salbung deuten, braucht es aber nicht. Denn einerseits gibt es Salbungsge bete, in deren Rubrum das nicht zum Ausdruck kommt (vgl. z. B. Anhang IV § 5); andererseit s kann Spiritus rore foecundatus metaphoris ch gemeint sein wie ähnliche Wendunge n in der Bischofsweihe, die älter sind als die Verwendung von Salböl.
3 A: Die Krönung bei den Westfranken
die Königin ( 5. I 2 7 .) (§ 22) sind zu allgemein, als daß wir sie als Beweis anführen könnten. Völlige Sicherheit ist in diesem Falle also nicht zu gewinnen. Vielleicht käme man weiter, wenn die Überlieferung breiter wäre; aber selbst dann würden die kirchenrechtlichen Fragen, die diese einzigartige Handlung aufwirft, wohl nicht ausreichend beantwortet werden können. Immerhin- ein Bogen der Brücke, die vom 9· zum ro. Jahrhundert führt, ist jetzt wieder aufgerichtet.
3.
PETITIO UND PROMrssro FÜR KARLMANN
(88z)
Ludwig II. starb schon S79, sieben Monate nach seiner Krönung durch Johann VIII. Es folgten ihm seine beiden Söhne, Ludwig III. und Karlmann, deren Krönung in Ferrieres durch den Erzbischof von Sens, seit Sn Primas des Westfrankenreichs, vollzogen wurde. Ob der für den Vater zwei Jahre vorher benutzte Ordo wiederum zugrunde gelegt wurde, ist unsicher, aber wahrscheinlich. Jedenfalls wurde der jüngere Bruder dem älteren in Salbung und Krönung so gleichgestellt, daß eine neue kirchliche Handlung nicht notwendig war, als er SSz nach Ludwigs Tod die Alleinherrschaft antrat. Deutlich ist dagegen die Entwicklung, welche die eidliche Bindung des Herrschers unter dieser Regierung durchmacht. Am 9· September SSz wiederholte Karlmann im wesentlichen den Wortlaut, der schon Sn gültig gewesen war; auch die vorausgehende >Petitio< der Bischöfe um die Ablegung des Eides geht auf jenes Ereignis zurück17 • Daß es auch 879 so gehandhabt wurde, sagt eine beiden Formeln angefügte Berufung auf das Schriftstück, das beide Brüder in Ferrieres vor dem Petrusaltar übergeben und eigenhändig unterzeichnet hatten. Damit ist die >Promissio< gemeint, wie Hinkmar beweist, der König Ludwig zweimal an diesen von ihm unterschriebenen Eid gemahnt hat18 • Der von ihm gewählte Ausdruck Professio (5. I28:), bzw. professi estis, welcher der kirchlichen Terminologie angehört19 , will ebenso beachtet I7 S. Text II; dazu Kg. v. Frk. a. a. 0. S. 65. I 8 Mahnschreiben über die Bischofswahl in Beauvais c. 5: Recordamini, quaeso, professionis vestrae, quam in die cmz.recrationis vestrae promisi-
(ego) hortans, ut, simt projessi estis in die consecrationis vestrae, in regimine regni more praedecessorum vestrorum honoretis Dewn, consentier:do ei, conservando sanctae ecclesiae ac ipsius rectoribus
stis, sicut ab illis, qui interfuerunt, accepimus, qttamque manu prolJria subscripsistis et super altare coram episcopis omnibus, qui adfuerunt, Do-
Ieges [Dei]; vgl. Opera a. a. 0. S. I 97 = MrGNE a. a. 0. Sp. r I 8 f. Beide Stellen sind schon Capitul. a. a. 0. S. 370 A.3 angezogen. 19 >Professio< bezeichnet im besonderen den bischöflichen Treueid im Gegensatz zum >sacramentum laicorum<; vgl. Capitul. li S. 342, auch 365.
mino obtulistis; vgl. Hincmari archiep. Re-
mensis opera [ed. J. SrRMOND] II, Paris r645 S. 191 = MIGNE, Patr.lat. CXXVI Sp. rrzf. 1\[al:::nschreiben über dasselbe Thema c. 4 mit wörtlichen Anklängen an die Promissio:
Petitio und Promissio für Karlmann (88z)
1
49
sein wie die Angabe, daß der König das Schriftstück vor allen Bischöfen, die hier offensichtlich als Zeugen fungieren, Gott durch Niederlegung auf den Altar darbringt20. Das ist genau das Verfahren, das sicherlich bereits Sn 21 - wohl auch 86922beachtet worden war, das noch bei der französischen Krönung des Jahres ro5 923 angewandt wurde und im ro. Jahrhundert vom Kontinent nach England drang 24 • Es wird also in der ganzen Zwischenzeit so angewandt worden sein. Ja, schon Karl der Große verfuhr im Jahre n4 so, als er dem Papst seine >Promissio< leistete 25 ; die Kirche kannte diesen Brauch sogar noch früher 26 • (S. 129.) Die Promissio von 882 weist noch einen Zusatz auf, der am Schlussegrammatisch nicht glücklich - angehängt ist. Er enthält eine Berufung auf die Hilfe der Bischöfe, die aus einem Satz des eingangs angerufenen Kapitulars von Quierzy (Sn) gestaltet ist 27 ; er kann also sehr wohl schon der Promissio von 879 angehört haben. Das Kapitular hatte alle Getreuen im Auge gehabt, die Promissio bezog sich nur auf Geistliche. Deshalb mußte der Text umgestaltet werden. Bewirkt wird damit ein Abstimmen der Verpflichtun g des Königs auf Commendati o und Professio der Bischöfe, die schon Sn mittels Jicttt etc. eine feste Formel für die Art ihrer Bindung dem König gegenüber ausgesproche n hatten 28 • So stellt der Zusatz ein weiteres Glied dar in jenen Ketten wechselseitig er Verpflichtun gen, mit denen man in der zweiten Hälfte des 9· Jahrhunderts König, Geistlichkeit, Große, Vasallen und Untertanen zusammenzu halten sucht. In der Art, wie nach Möglichkeit jeder Kette eine GegenCapitul. 11 S. 364 A.r = Ann. Bert. ad a. 877 (S. I 39): H!odou1ictts professtls est episcopis, et istam ipsaJJJ donationis scriptura111 mamt sNa eis dedit in Compendio amw etc. 2 I Jedenfalls trifft es auf den Voreid zu: Capitul. II S. 364 Nr. 283 A mit A. r ( = Ann. Bertin. ad a. 877, S. 139). Von der >Promissio< sagt Hinkmar (S. 365 Nr. z8 3 C mit Anm. 5 ~ S. 139) nur: .Hf. ta!em promissionem fecit i!liJ· episcopis: Promitto etc. 22 Capitul. II S. 339 Nr. 276 B: Re.rponsioKaro!i ad populum, hier in der Form einer Ansprache gefaßt; dem enrs~rechend in mehreren I-Iss. die Rubrica (vgl. Sternnote): Karo!us rex haec ... demmciavit. Das Vorgehen im Jahre 848 ist hier nicht zu prlifen. 23 Protokoll der Kri.inung Philipps I., gedruckt u. a. M. BoUQUET, Recueil des historiens . de la France XI S. 32 f. = MAN SI, Sacr. concil. coll. Sp. XIX Sp. 923; unvollständig bei M. PRou, Recueil des actes de Philippe I"', 20
24 25 z6
27 28
Paris I 908 S. I ff.; dazu A. FLIC HE, Le regne de Philippe Ier, Paris I9IZ S. Z-7 und im allgemeinen R. HoLTZMAN)J, Französ. Verfassungsgesch., München-Berli n 1910 (r965 Neudruck) (Handbuch der mittl. u. neueren Gesch., Abt. III) S. r 13 f., jetztauch ScHRAMM, Der König von Frankreich a. a. 0. S. 99ff. und Ordines-Studie n II, im Archi\" I. Urkundenforschu ng XVI, 1938 S. 19f. S. auch unten S. r88 Anm. z (S. 196f. Anm. 114). Vgl. unten S. 182 (jetzt: S. 19rf.). GenaLleres in Bd. I S. I 55 f. TH. KLAUSER in seiner Besprechuno; (Jc1l1rbuch für Liturgiewiss. XIV, 1938 S. 46o) weist hin auf die Benediktinerreg el 58 und den Liber diurnus 84. Fcir das 9· Jahrh. vgl. H. MITrEIS, Lehnrecht u. Staatsgewalt, \Veimar 1933 (Neudruck 196o) S. 6r. Vgl. den ::--Jachweis unten bei Text II. Zitiert S. 19GAnm. I (jetzt: S. 210 Anm. 2).
3A: Die Krönung bei den Westfranken
kette entspricht, offenbart sich jener juristische Scharfsinn, der gerade diese Jahrzehnte und besonders Hinkmar von Reims auszeichnet, dessen Einfluß auf diese Entwicklung mehr als einmal deutlich zu greifen ist. Der Zusatz weist die Wendungen consilio et auxilio und secundum scire et posse auf, deren lehnsrechtliehen Charakter H. MrTTEIS herausgearbeitet hat 29 • Was er am Vasalleneide als das Neue in dieser Zeit gezeigt hat: die Wendung in das Positive »auf ein Dauerverhalten, auf die Leistungsbereitschaft, das Zur-Verfügung-Stehen des Vasallen« 30 , das kennzeichnet auch den Zusatz; aber in der Wendung: secundum Deum et secundum seculum mit der Berufung auf das Verhalten der Amtsvorgänger gegenüber den früheren Karolingern kommt doch noch der beiderseitige Amtscharakter zum Ausdruck, der über persönliche Verpflichtungen hinaus auf göttliche und menschliche Ordnung im allgemeinen zurückweist. Hinkmars »Palastordnung« (S. IJO:) Die Erhebung Karlmanns bot Hinkmar von Reims noch einmal Anlaß, der aus den Fugen geratenen Umwelt den Zustand vor Augen zu halten, den göttliches Gebot, biblisches Vorbild, ehrwürdige Tradition und unzerstörbares Recht vom staatlichen Zusammenleben forderten 31 • Neben das Bild der guten und schlechten Könige Israels rückte er das des Hofes Karls des Großen, das er mit der Feder Adalhards von Corbie nachzeichnete. Daß er dessen einzigartige >Palastordnung< auf diese Weise für die Nachwelt gerettet hat, gehört nicht in diesen Zusammenhang; an ein anderes, ihm eigenes Kapitel ist hier zu erinnern, in dem er die Königskrönung erwähnt: Et in sacra regum historia legimus, quia principes sacerdotum, quando sacra unctione reges in regnum sacrabant, coronam significantem victoriam ponentes super capita eorum, legem in manum eius dabant, ut scirent, qualiter se ipsos regere et pravos corrigere et bonos in viam rectam deberent dirigere 32 • Der Kleindruck macht deutlich, wo Hinkmar sich- wie so oft selbst ausgeschrieben hat. Er benutzt hier nämlich Worte aus der Formel, mit der er 877 Ludwig II. das Szepter übergeben hatte33 - Worte, die ihrerseits schon auf eine lange
29 A. a. 0. S. 57ff.; zu secundum sc. et p. s. auch Bd. I I 55 f. 30 MITTEIS a. a. 0. S. 59· 3 I Er verfaßte zwischen 9· September und 2 r.
s.
Dezember 882 zwei Schreiben: a) Admonitio ... ad episcopos et ad regem Karolomannum etc. (der im Text nicht angeredet wird), seit SIRMOND bekannt als: De ordine palatii, vgl. MIGNE, Patr. lat. CXXV Sp. 993ff., ed. M. PRau, Paris I885 (Bibi. de l'ecole des hautes etudes LXXXV); ed. V. KRAUSE, Hannover r894 (Fantes iuris germ.
ant.) = Mon. Germ., Capitul. II, 2 S. 5 I 8 ff.b) Ad episcopos regni admonitio altera .. apud Sparnacum [Epernay] facta, vgl. MrGNE a. a. 0. Sp. I007ff., zum Teil wörtlich an >Deo. p.< anklingend. Vgl. dazu jetzt C. BRÜHL, Hinkmariana, I: H. und die Verfasserschaft des Traktats >de o. p.<, im Deutschen Archiv XX, I964, s. 48-54· 32 Deo. p. c. 5, MrGNE Sp. 995 = ed. KRAUSE s. 9 (5!9). 33 Mon. Germ. Capitul. II, 2 S. 46r.
Hinkmars »Palastordnu ng«
Vorgeschic hte zurücksahe n34 • Auch die Beziehung der Krone auf den Sieg stammt dorther35 • Dazu ist nun noch auf das Alte Testament (S. IJI.') zurückgegriffen, das von der Übergabe eines Gesetzbuches an den König berichtet36 • Für den Herrscher des frühen Mittelalters, der dem Rechte unterstand , der es schöpfte, nicht schuf, hätte die Übernahme dieses biblischen Brauches einen tiefen Sinn gehabt. Aber es ist bei diesem Hinweis geblieben. Hinkmar starb am 21. Dezember 88z, keine vier Monate nach Karlmanns Einsetzung. Mit ihm ging der Mann dahin, der zuerst eine feste Form für die abendländische Krönung geprägt und ihr dadurch für alle Zeiten seinen Stempel aufgedrück t hat, der letzte Genosse der großen Zeit, quando in amplitudine et unitate regni prospere (negotia) agebantur37 , der die Schatten Karls und Davids inmitten einer morschen, kleinlichen Welt ohne feste Maße und gesicherte Formen vergeblich beschwore n hatte 38 •
4.
ÜRDO' PETITIO' PROMISSIO UND FESTGESAN G FÜR ÜDO
(8 8 8)
Nach dem Tode König Karlmanns (6. Dezember 884) schob sich die Regierung Katls III. (des >Dicken<), aus der ostfränkisc hen Linie dazwischen. Erst 888 kam es wieder zur Erhebung eines einheimischen Königs, der diesmal nicht mehr dem Karolingischen Hause entnomme n wurde. Der Gewählte war Odo aus dem Capetingischen Geschlecht, das nun seine welthistor ische-für ein Jahrhunde rt allerdings noch gefährdete - Rolle zu spielen anhebt. Von König Odo (888-98) liegt bisher nur die Promissio vor, die er bei seiner Krönung ablegte39 • Nach welchem Ordo wurde diese abgehalten?
Der für Odo benutzte Ordo Schon der alte, um die Ordines so hochverdie nte MARTENE hat aus einer Handschrift von S. Gatian bei Tours einen Ordo veröffentlicht, der aus drei liturgische n Formeln und einer Petitio episcoporum ad regem besteht39 • Durch L. DELISLE, der die Erforschun g der alten Sakramentare auf feste Grundlage stellte, wissen wir, daß es sich um einen in Tours ( S. I J2 .') beheimatet en Codex vom Ende des 9· oder Anfang des ro. Jahrhunder ts handelt. Wie ist hier weiter zu kommen? Die beiden ersten 34 Sie gehen auf Gregors d. Gr. Moralia II c. 9 zurück und klingen z. B. schon in dem Brief der Synode von Quierzy an Ludwig d. Deutschen vom November 858 an (c. 5; Capitul. S. 43 1), auf den KRAUSE a. a. 0. S. 9 A.23 die obige Stelle unmittelbar zurückführen wollte. 35 Capitul. a. a. 0.: corona g!oriae undpa!ma victoriae, dazu der Wunsch, daß Gott den König
36 37 38 39
victoriosum . . . atque triumphatorem über alle Feinde mache. II. Paralip. 23, II; auch Deuter. q, 18 (so schon KRAUSE). De ord. pal. a. a. 0. I; MIGNE Sp. 993 = ed. KRAUSE S. 7 (518). Vgl. auch MITTElS a. a. 0. S. 62. Vgl. Text III.
Ij2
3 A: Die Krönung bei den Westfranken
Formeln begegnen weder früher noch später. Sie sind dem Ordo eigen, nur daß der Anfang des Gebets für die Consecratio regis aus den Eingangsworten der Consecratio des Bischofs und der des Diakons zusammengesucht ist. Der dritte Abschnitt ist bloß intoniert, d. h. er mußte liturgisch geschulten Benutzern bekannt sein. Schlägt man in den Sakramentaren nach, so findet man hier sogleich den vollen Wortlaut. Es handelt sich um ein Gebet für den Sonnabend der ersten Quadragesimalwoche, der innerhalb der Spanne vom I 3. Februar bis zum 20. März wandern kann. Daraus ergibt sich nicht nur, daß der Text für eine bestimmte Krönung hergerichtet wurde, sondern wir haben nun auch die Möglichkeit, diese selbst zu bestimmen. Nach der Überlieferung kommen nur die westfränkischen Könige in Frage und unter ihnen in der Zeit zwischen dem Aufkommen der Petitio und der Niederschrift wiederum nur Odo. Nach den Annales S. Germani minores wurde er 11. Kai. Mart. 40 = 29. Februar, einem Freitag, gekrönt; nach Rlcher41 , in dessen Autograph die Datumsangabe unvollständig ist, handelt es sich um V. feria =Donnerstag, was zum 28. Februar passen würde. In diesem Jahre fiel der genannte Sonnabend auf den I. März I Der Redaktor hat also das Abschlußgebet aus der benachbarten Quatember-Lesung übernommen42. MARTENES Text muß also der Ordo sein, der im Frühjahr 888 in Compiegne bei der Krönung Odos durch den Erzbischof von Sens benutzt wurde.
»Petitio« und »Promissio« (S. IJJ.) Die angehängte >Petitio<, die sachlich natürlich vorangestellt sein müßte, und die an anderer Stelle überlieferte >Promissio< erlauben uns, die Gegenprobe zu machen. Sie decken sich, wie Rede und Gegenrede sich decken können, und setzen sich dadurch gemeinsam von den ähnlichen Formularen ab, die uns aus dieser Zeit erhalten sind. Das Formular von 882 hatte den Nachteil, daß es sich auf ein Kapitular von 877 und die Promissio von 879 berief, also mit der Zeit immer schlechter verständlich wurde. Auch nannte es Vater und Großvater des Königs, was jetzt schon nicht mehr zutraf. Deshalb sind diese Teile 888 kurzerhand gestrichen und durch positive Angaben über die Pflichten des Herrschers ersetzt. Dabei ist überraschenderweise ein relativ alter Text zugrunde gelegt: eine Reihe von acht Grundsätzen, die Karl der Kahle 84 5 während einer Synode in Beauvais auf sein Schwert den an- und abwesen-
40 Mon. Germ., Script. IV S. 3· 41 Ed. G. W AITZ (Script. rer. Germ. in us. schol. 2 1877) S. 5 = ed. l\. LATOUCHE, Paris 1930 (Les classiques de France XII) S. r6. Beide Stellen angeführt bei E. FAVRE, Eudes comte de Paris et roi de France, Paris r893 (BibJ. de l'eco!e des hautes etudes, SC. phil. et
hist. LXXXXIX) S. 89. DüM'.!LER, Geschichte des ostfränkischen Reiches IIP S. 3 r 6 l\nm. 2 gibt irrtümlicherweise an, daß beide Stellen zusammenstimmten. 42 So berichtigte TH. KLAUSER meine Erstfassung.
Ordo, Petitio, Promissio und Festgesang für Ordo (888)
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den Bischöfen und ihren Nachfolgern auf ihre >Petitio< hin beschworen hatte43 • Man könnte sie als ein Grundgesetz der nun auf sich gestelltenWestfr änkischen Kirche bezeichnen. Und Hinkmar von Reims hat sie auch so betrachtet; denn zweimal hat er danach Karl dem Kahlen die damals eingegangenen Verpflichtungen vor Augen gehalten«. Sie brauchten 888 ( S. I }4·) also nicht erst ausgegraben zu werden und paßten zu der bisherigen >Promissio< außerdem sehr gut, da diese über das Kapitular von 877 letzthin auf ein solches aus dem Jahre 843 zurückgeht4 5 • Man beobachtet bei der Überarbeitung der >PetitioPromissio< zwei Fakten: Es handelt sich einmal darum, eine größere Prägnanz zu erreichen. Statt einfach: et defensionem exhibeatis heißt es nun im Anschluß an die Vorlage von 845: et contra depraedatores ecclesiarum nosfrarum et rerum ad easdem pertinentium defensioneJJJ secundum ministerium vestrum, quantum posse vobis Deus dederit, exhibeatis. Entsprechend ist die allgemein gehaltene Berufung auf die Pflichten eines jeden Königs mit Hilfe desselben Textes in eine Berufung auf die Handhabung zur Zeit der Vorgänger abgeändert. Aber das Bemühen um Prägnanz ist auf die Tradition ausgerichtet, aus der vollere Bestimmungen zusammengekla ubt werden, nicht auf die der Rechtsbegriffe selbst. Daß auch diese in der gleichen Zeit angestrebt wird, belegt wiederum am besten Hinkmar von Reims, der einmal in scharfsinniger Polemik eins der vielen spätkarolingischen Eidformulare auf einen ganz knappen, aber rechtlich dasselbe besagenden und dazu eindeutigen Wortlaut zusammengestri chen hat46 • Es würde sich lohnen, 43 Mon. Germ., Capitul. Il S. 387f. Nr. 292; benutzt sind die cap. I und 6. Die Beziehung, wenn auch nicht im ganzen Umfang, hat FAVRE a. a. 0. S. 93 festgestellt; die Ausgabe der Capitul. a. a. 0. S. 375 f. kennt sie noch nicht.- Zum Eid von 845 vgl. MITTEIS S. 6I Anm. I50. 44 Nachgewiesen Capitul. II S. 387: a) Brief über Hinkmar von Laon (Expositio I ad Carolum ... pro lib. eccl. def.): Haec namque mm a!iiJ, quae ibidem continentur, anno ... in Be!givaco ci7Jitate cum maxima contestatione czmctis diebus vitae 11estrae vo.r servattzros promisistis eisdem episcopis, qui praesentes aderant, et ceteris regni vestri episcopis, qui corpore praesentes non aderant, et omi!ibus eomm successoribtis et omnibus episcopis in regno vestro consistentibus et in manibus eorumden1 episcopon.tm ad eorum petitionem dedistis: cap. r. Ut etc. [folgen alle 8 capp. im Wortlaut]; Opera a. a. 0. II S. 32 I = MIG'·JE; Patr. lat. CXXV Sp. I04I. b) Admonitio (Expositio III ad Carolum. pro eccl. libert. defensione): Et hoc cwJJ a!iis
capitulum, quod subsequitur, in Be!givaco civitate anno ... coram Deo et ange!is eius in ftde et dextera vestra per spatam vestram iurantes, sicut praesentes episcopi, qui adfuerunt, petierant, illis et caeteris episcopis regni vestri ac successoribus suis et eormn ecc!esiis cunctis diebus vitae l'estrae vos servaturos promisistis petentibus: Ut etc. [folgt ders. Wortlaut]; Mfu"1SI, Sacr. concil. coll. XVI Sp. 782 = MIGNE a. a. 0. I25 Sp. Io66. 45 Vgl. Petitio und Promissio von 877, Capitul. a. a. 0. II z S. 364f. Nr. 283 mit der für die Allgemeinheit bestimmten Redaktion des Kapitulars von Quierzy (877), ebd. S. 362 f. Nr. z8z; vgl. diese mit der Hauptfassung ebd. S. 355ff. Nr. zSr, diese mit den dort S. 3 55 a. I genannten Vorlagen, unter denen für die Sicherung der Kirchen besonders cap. I des Hoftags in der villa Colonia, November 843, in Betracht kommt; ebd. S. 255 Nr. 2 54· 46 :MIGNE, Patr. lat. CXXV Sp. II25-8. Vgl. zuletzt dazu MITTEIS S. 6 3 f.
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3A. Die Krönung bei den Westfranken
diesem Ringen um die juristische Wortform einmal im größeren Zusammenhang nachzugehen, wobei die Geschichte der karolingischen Philosophie und Theologie mit einzubeziehen wäre. Das andere, was die Beobachtung lehrt, ist die Vermehrung (S. IJJ:J der alten Verpflichtungen um eine Bestätigung des Kirchenbesitzes und die Zusagen, die Kirchen erhöhen und eingerissene Unrechtmäßigkeiten abstellen zu wollen. Materiell ist alles nicht neu - vielleicht findet sich auch noch ein Text, aus dem die Einschübe wörtlich übernommen sind47 - , und durch ihre Einfügung rundet sich nun das, was die Kirche im Geiste der Zeit billigerweise von ihrem Herrscher erwarten durfte. Das Versprechen Odos stellt also einen Fortschritt in der Formulierung der Königsverpflichtungen, nicht eine Rechtsminderung dar, die man dem neuen Herrscher abzwang. Die >Promissio< Odos ist, wie erwähnt, gesondert überliefert. Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf die formale Behandlung dieser Königszusage, die deren rechtliche Bedeutung weiter aufhellen. Bitte und Versprechen von 869 und 877 sind neben den Ordines noch gesondert überliefert; aus dem Jahr 882 sind sie allein überkommen, und Odos >Promissio< findet sich nur in einer Handschrift, die aus dem Kloster Ripoll stammt und jetzt im Kronarchiv von Barcelona liegt:4 8 • Vermerkt ist in ihr: autenticum est inter praecepta sanctae Crucis. Das Original wurde also unter den Urkunden der Bischofskirche von Barcelona verwahrt, wird demnach urkundenähnliche Form gehabt haben. Wie kam der Text dahin? Wir können schließen, daß der neue Herrscher seine >Promissio< verschickte. Sie band ihn also nicht nur, sondern diente auch dazu, Kunde davon zu geben, daß er seine Herrschaft angetreten habe ( S. I 3 6:) und in rechtmäßigem Sinne führen werde. In dem Fall des Bischofs von Barcelona, der natürlich nicht der einzige Empfänger war, hatte diese Übersendung diesmal noch eine besondere, 47 Es handelt sich zum Teil um typische Wendungen der Eidsprache, z. B. sub integritate; zu cum ... ftdelium consilio et auxilio und über die rechtsgeschichtlichen Hintergründe s. MrTTEIS S. 59ff. und H. KRAUSE, Consilia et iudicio, in: Speculum historiale (Festschrift J. SPÖRL), Freiburg-München 1965 S. 416-38, der zeigt, daß diese Formel seit der spätkarolingischen Zeit »meistens das im ordentlichen Verfahren ergangene Urteil« bezeichnet. Außerdem beachte man den Ausdruck: in meliorem et pristinum gradum reformare.
Eine Zusicherung, daß dieWestfränkischen
Kirchen so, wie sie zur Zeit des Vaters vermehrt und zur Zeit Karls des Kahlen selbst geehrt und beschenkt worden seien, von nun an bewahrt bleiben sollten, durchzieht die ganze Regierung Karls; s. Capitul. a. a. 0. II 2 S. 2 55: 843, S. 26r: 846, S. 333: 869, S. 337: 869, S. 3 55 ff.: 877. Auf das letzte Kapitular bezieht sich die Berufung in den >Promissiones< von 877, (879) und 882. 48 In ihr sind auch >Promissio< und >Petitio< von 882 erhalten, die zweifellos auch durch offizielle Übersendung in der Mark Barcelona bekanntgeworden sind.
Promissio Odos und Festgesang
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politische Seite49 • Denn der damalige Inhaber des Bistums, Frodoin, hatte sich schon vor der Erhebung Odos mit zwei andern Geistlichen, die sich der Sitze von Gerona und Urgel bemächtigt hatten, gegen den Erzbischof von Narbonne zusammengetan. Dieser wehrte sich, indem er im November 887 gegen die drei eine Synode abhielt. Auch der Papst selbst (damals Stephan V.) schritt ein. So brach im Laufe des Jahres 888 der Widerstand, an dem noch andere Geistliche und auch weltliche Herren teilgenommen hatten, zusammen. Der erste Versuch, »sich vom fränkischen Übergewicht zu emanzipieren», endete mit Frodoins Unterwerfung. Er konnte sein Bistum behalten, während seine beiden Genossen zu weichen hatten. In diesem Streit muß nun auch König Odo eine Rolle gespielt haben; denn in einer Urkunde, die am zo. April 888, also wenige Wochen nach seiner Krönung, innerhalb der Mark Barcelona ausgestellt wurde, ist er schon als König anerkannt. Im Gebiet von Narbonne geschah das erst später. Odo wird also schon gewußt haben, weshalb er auch den fernen Bischof von Barcelona mit einer Ausfertigung seiner >Promissio< beehrte, und dieser, weshalb er schnell aus dem nunmehr in seinem Archiv niedergelegten Dokument die erwartete Konsequenz zog und den neuen König anerkannte.
Festgesangfür Odos Kriinung Nachdem sich zwei bisher getrennte Formulare wieder zusammengefunden haben, die sich nun gegenseitig erhellen und dadurch Licht auf die Krönung des ersten Fürsten aus dem Capetingischen Hause werfen, kann noch ein dritter Text an sie herangerückt werden, der gleich am Anfang durch Nennung des Namens erkennen läßt, daß er sich auf Odo bezieht. Es handelt sich um einen Festgesang zu Ehren seines Regierungsantritts 50 • Er gehört also - streng genommen ( S. I 37 .') - nicht in eine Untersuchung der Ordines, aber er stellt ein so ungewöhnliches Dokument dar, daß es hier nicht übergangen werden kann - zumal es die Krönung von einer Seite beleuchtet, die in dieser Periode sonst noch im Dunkeln bleibt. Wir lassen die formale Frage auf sich beruhen und weisen nur darauf, daß die aus Moissac, also aus Aquitanien, der Wiege der mittelalterlichen Musik, stammende Handschrift auch die Neumen bewahrt hat, die uns jedoch in diesem Falle keine nähere Vorstellung von der musikalischen Eigenart des Festgesanges vermitteln können. Da Neumen am Ende des 9· Jahrhunderts noch eine große Seltenheit darstellen, hat das Lied in der musikgeschichtlichen Forschung Beachtung gefunden51 • 49 Zum flgd. vgl. FAVRE a. a. 0. S. 124ff. und P. KEHR, Das Papsttum und der katalanische Prinzipat bis zur Vereinigung mit Aragon, in Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1926 Phil.-Hist. Kl. Nr. 1 S. 6f. 50 Text III Teil C.
5 r F. LunwrG bei G. ADLER, Handbuch der Musikgeschichte I, Berlin-Wilmersdorf 1930 S. r6o. Herr Kollege H. ZENCK (t) hatte die Freundlichkeit, den LunwrGschen Nachlaß auf der Univ.-Bibl. Göttingen einzusehen; es fanden sich nur Druckverweise und die neue Signatur.
3 A: Die Krönung bei den Westfranken
Auch der Historiker wird es mit Interesse durchsehen; die Vereinigung biblischer und antiker Gestalten zu einem Areopag der Tugenden ist bemerkenswert; neben diesem Beleg für die karolingische Königsidee ist der politische Rahmen zu beachten, in den Odo hineingestellt wird. Vor allem ist wichtig, daß noch im Jahre 888 bei einer westfränkischen Krönung Deutschland als ein abhängiges Land auf derselben Stufe mit Burgund, Bigorre und Gascogne angeführt wird 52 • Der Dichter benutzt hier das vorher nicht nachweisbare Wort als Substantiv: Teutonia, das als Adjektiv bereits in die Zeit Karls des Großen gehört53 und 9 I 9 in der Form: regnum Teutonicorum wiederkehrt. Die Anregung zu seinen Gleichungen dignus ut Abe!, ftde!is ut Samuel usw. mag der Verfasser aus einem Königsgebet wie Deus inenarrabilis etc. gewonnen haben, wo es heißt: Visita etJm sieHt Mru'sen in rubo,Josue in agro usw. 5 '1• Solche Reihen biblischer Gestalten finden sich in einer ganzen Anzahl ähnlicher Gebete. Auf (S. IjS:) eine liturgische Abstammung weist wohl auch das >Amen<, das die Nationen am Schlusse sprechen. Ihre Reihung stellte ein beliebtes Motiv der frühmittelalterlichen Dichtung und Kunst dar55, Uns geht die Frage an, welcher Ort diesem Festgesang in der Krönungshandlung zugekommen ist. Daß er unmittelbar mit dieser zusammenhängt, läßt der Wunsch erkennen: regale ceptrttm sttscipe longo regmdttm tempore. Im Vers te 11euma sacrum protegat ist nicht Yt:V{la = Nicken, sondern neuma = verballhornt aus nYt:v,ua zu deuten, was eine unmittelbare Anspielung auf die Salbung ergibt. Auch sonst ist ja alles auf den Beginn der Herrschaft eingestellt. Der Dichter ist selbst als Vortragender zu denken, der in Vers 9 zu Lob und Tadel seiner carmi11a die entsprechenden Wünsche verkündet - also ein Einzelgesang, den man sich nicht besser vorstellen kann als dem neu Gekrönten bei einem anschließenden Festmahl inmitten seiner Parteigänger dargebracht. Dazu paßt, daß der Dichter den Lobenden pigmmta dttlcida, den Tadlern spttmosa sicera wünscht. Eine solche weltliche Feier kann ja - da in der Situation gegeben - ohne weiteres angenommen wer52 Über diese die Anm. zu Text III C. E. MüHLBACHER in Mitt. des Inst. für österr. Geschforsch. VIII, r887 S. 6or ff. hat aus der Nennung der beiden Länder, zusammengenommen mit der aquitanischen Herkunft der Hs., vermutet, daß der Dichter ein Aquitane oder Gascogner gewesen sei. Schlüssig ist diese Folgerung so wenig wie die von
P. v. Wr"'TERFELD, daß die Verse bei Odos Aufenthalt in Aquitanien (888) entstanden seien; vgl. Mon. Germ., Poet. lat. IV S. 137. 53 S. Bd. I S. 332!. 54 Text I § 4· 55 P. E. SCHRAMM, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, Leipzig-Bcrlin 1928 S. 223 s. v.: Nationen, bes. S. 57f.
Festgesang (888)- Odo und Arnulf
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den, auch wenn die Zeugnisse vorerst davon schweigen56 • Denken wir daran, daß es nicht mehr lange hin ist bis zu der Zeit, in der auch das Krönungsmahl durch die symbolischen Dienste der Fürsten seine feste Stelle unter den rechtlich bedeutsamen Begleitakten einer Königskrönung bekommt57 •
Odo und Arnulf (S. I }9·) Wie Ludwig der Stammler nach 877 darauf bedacht gewesen war, seine Königswürde durch zusätzliche Akte zu sichern, so ist auch Odo vorgegangen, der es ja noch notwendiger hatte. Im Sommer 888 fand er sich in Worms am Hofe König Arnulfs ein, dem er durch Kommendation die lehnsherrliche Suprematie einräumte. Diese Tatsache, in der das allgemeine Vordringen vasallidscher Formen in die staatliche Sphäre besonders sinnfällig wird, ist nicht mehr zu bezweifeln, zumal sie dem analogen Vorgehen Arnulfs gegenüber Burgund und Italien entsprach58 • Es fragt sich nur, ob man die Belehnung nicht auf das Land, sondern mit H. MITTEIS 59 nur auf das Amt beziehen will, um dadurch zu erklären, daß Arnulf noch zu Lebzeiten Odos Karl den Einfältigen gleichfalls belehnte. Dieser Akt sicherte Odo nach zwei Seiten: Arnulf hatte Ansprüche von seinem Oheim übernommen, aus Frankreich war ihm gerade die Krone angeboten worden. Jetzt schied sich Arnulf selbst als Gegenkandidat aus, indem er- Haupt des Karolingischen Hauses, Vertreter von dessen imperialer Tradition60 - , Odo anerkannte. Das sicherte den neuen König aber auch gegen Karl den Einfältigen- allerdings nicht auf Dauer; denn fünfJahrespäter wurde ihm dieser als der von der Opposition erhobene, gekrönte, von Arnulf belehnte, aus der Stirps regia stammende König entgegengestellt! Man sieht: Verstärkungen der Rechtsmäßigkeit waren sehr nötig. Und so hat Odo auch noch ein Drittes getan. Nach ( S. I 40 :) seiner Rückkehr empfing er in 56 MüHLBACHER S. 6o2 kam nach Erwägung von Für und Wider schließlich dazu, »daß das Lied ein Ruf an Odo sei, die Krone zu nehmen«. Dem widersprechen die angeführten Stellen. 57 Vgl. die deutsche Krönung von 936 (dazu Bd. III). Im Text IX: Ordo G von c. 98o heißt es am Schluß: post pergant ad mensam. Vgl. unten S. I79 (jetzt: S. I89f.) über das englische KrönungsmahL j 8 V gJ. MITTElS S. 2 I I ff., der ZU der älteren Literatur Stellung nimmt; die Belege für das Ereignis würdigte FAVRE S. 1o9ff., der auch eine Kommendation annimmt. Wenn er S. 115 die Frage: »Faut-il dire qu' Eu des a ete
le vassal d' Arnulf?« doch mit »nein« beantwortet, so nur aus der späteren Bedeutung des Wortes her. - S. jetzt ScHRAMM, Kg. v. Frkr. a. a. 0. S. 68 ff. 59 S.2I3f. 6o Bezeichnend AssER, De rebus gestis Aelfredi, ed. W. H. STEVENSON, Oxford I904 S. 7d.: . . . principalis sedes regni ad Earnulj itiSte et merito provenit ... Caeteri quoque quatuor reges fide!itatem et oboedientiam Earnuljo, sicut dignum erat, promiserunt; nu!!us enim i!!orum quatuor regum haereditarius i!!ius regni erat inpaterna parte, nisi Earnulj so!us ... sed imperium penes Earnulj remamit.
3 A: Die Krönung bei den Westfranken
Reims Gesandte Arnulfs, qui ei coronam, ut jerunt, misit, quam in aecclesia Dei genitricis in nata!e s. Brictii (r3. November 888) capiti impositam, ab omni populo rex adclamatur 61 • Man hat in Frage gestellt, ob die Krone wirklich von Arnulf kam62 ; aber da dieser den König von Burgund mit einem Szepter investierte, werden die Annalen von St. V aast schon richtige Kunde gehabt haben63 • Es besteht auch Zweifel, ob dieser Akt als eine zweite Krönung anzusehen ist oder nicht64 • An eine Selbstkrönung ist in dieser Zeit nicht mehr zu denken. Andererseits ließ sich ja 878 auch ein besser berechtigter König zum zweitenmal die Krone aufsetzen, und dazu kommt, daß bei einer Krönung in Reims nur der Erzbischof dieser Stadt, Fulco, als Krönender gedacht werden kann. Dies Recht beanspruchte Fulco wie Hinkmar65 , und seine Verwirklichung mochte es ihm leichter machen, sich mit Odo abzufinden - hatte er selbst doch an Arnulf gedacht, während eine dritte Partei sich für Wido von Spoleto eingesetzt hatte, der ungefähr gleichzeitig mit Odo in Langres gekrönt worden war, aber inzwischen seine Ansprüche zurückgestellt hatte, um sein Glück in Italien zu versuchen66. Die Erledigung aller dieser Gefahren kam in der Reims er Krönung zum Ausdruck: Arnulf nicht Gegenkandidat, sondern Spender der Krone; Fulco, in seinen Ansprüchen befriedigt, nicht mehr Führer einer Gegenpartei; Wido jenseits der Grenze, sein ehemaliger Anhang aufgelöst. Odo hatte also Grund genug, die Tradition einer zweiten Krönung fortzuführen. Was von dem Akt des ( S. I 4I :) Jahres 878 gesagt wurde6 7, gilt auch von diesem: er bewirkte wohl kein Recht, aber stärkte es; darin besteht der Unterschied gegenüber den >Festkrönungen<. Wahl, Eide, Salbung, geistliche Investitur, Krönung, Kommendation, Lehninvestitur durch eine Krone und abermalige Krönung mit Zuruf des Volkes - ein Bündel von gesonderten Handlungen, die alle auf dasselbe zielten, sich gegenseitig verstärken sollten und doch in ihrer Wirkung versagten. Wenn die Krönung und alles, was mit ihr zusammenhing, gerade in diesen Jahrzehnten präzisere Formen annahm, so ist das kein Zufall. Die Gefahren lehrten, schärfer zu scheiden, besser zu binden; aber Symbol, Geste, Unterschrift sind kein Halt, wenn nicht konkrete Macht ihren Zwang durchsetzt - das hat auch Odo erfahren müssen. 6I Ann. Vedast. ad a. 888 (Ann. Xantenses et Ann. Ved. ed. B. de SIMSON, I 909; Script. rer. Germ. in us. schol., S. 67). 62 FAVRE S. II8 a. 5· 63 MITTElS S. 2!3. 64 FAVRE S. rr8f. räumt gegen frühere Ansicht Anderer nur die Sendung von Geschenken Arnulfs ein: »peut-etre une couronne qu'il ceignit au milieu de tout un peuple qui l'acclama roi. Telles sont ]es proportians auxquelles il faut reduire cet incident clont
on a beaucoup exagere Ja portee«. Er geht von der Vorstellung aus, daß eine zweite Krönung die erste als nicht rechtskräftig bezeichnet - was durch die von 878 widerlegt wird -, und kann nicht finden, daß Arnulf ein Interesse an ihr gehabt habe - wogegen auf Odos Interesse hinzuweisen ist. 65 FAVRE a. a. 0. S. 88. 66 Ebd. S. 85-8. 67 V gl. S. I 24 (jetzt oben S. I4 5).
Der >Westfränkische Ordo<
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DER ) WESTFRÄNK ISCHE ( ERDMANNSC HE) ÜRDO <
Es fanden noch 893, 922, 923, 936, 954 und 979 Krönungen westfränkischer Karolinger und Gegenkönige statt. Welcher Ordo mag in dieser Zeit gegolten haben? Im Jahre r666 hat PrERRE DELALANDE in seinen Supplemente n zu Sirmonds Ausgabe der karolingischen Kapitularien einen Ordo gedruckt, der bisher immer übersehen worden ist- sehr zum Schaden der Forschung; denn dieser Text schlägt die noch fehlenden Bögen in der Brücke vom 9· zum Io. Jahrhundert, ja auch die vom Westfrankenreich nach Deutschland, England und Frankreich. Die geschichtliche Entwicklung hat ihn also in eine Schlüsselstellung gerückt, in der ihm kein anderer Ordo gleichkommt . Man kann sagen, daß alle spätem Ordines aller abendländisc hen Länder, sofern sie sich in die Tradition eingegliedert haben, unmittelbar oder mittelbar von diesem Formular abhängen. Aufmerksam ist auf den Ordo erst wieder CARL ERDMANN (t im Kriegslazaret t 5. III. I 94 5) geworden. Ihm verdanke ich nicht nur den Hinweis, sondern auch die Erlaubnis, seinen Fund auszuwerten - eine Uneigennütz igkeit, die um so mehr zu rühmen ist, da ERDMANN ( S. I 42 :) schon die Wichtigkeit des Ordo in der Gesamtentwicklung erkannte. Schließlich hat mich C. ERDMANN auch noch darauf hingewiesen, daß DELALANDES Vorlage noch existiert: es handelt sich um ein Pontificale des I o. Jahrhunderts aus Sens, das der Leningrader Bibliothek gehört (Q. V. I Nr. 35; vgl. dazu unten Text IV). Deialande hatte gemeint, den Ordo vor sich zu haben, der 848 in Orleans für die Krönung Karls des Kahlen benutzt wurde68 • Was ihn dazu brachte, ist unklar; jedenfalls ist diese Vermutung falsch; denn es sind Vorlagen benutzt, die jünger als dieses Ereignis sind. Die Analyse des Textes ergibt nämlich folgende Liste von ausgeschriebenen Vorlagen: die Bibel, 2. das Sacramentari um Gregorianum , 3· Hinkmars Ordo von 869, 4· Hinkmars Ordo von 877, 5. Johanns VIII. Ordo von 878 (Ordo A). I.
Damit ist zugleich ein Terminus post gewonnen. Andererseits muß der Ordo vor 96o entstanden sein; denn er ist in den englischen Formularen benutzt, die - wie noch näher begründet werden soll 69 - um diese Zeit aufgesetzt worden sind. Das Ergebnis ist also: zwischen 8 So und 96o. 68 Er gab dem Text die Überschrift: Incipit ordo ad ordinandum regem, quo usus est Vveni!o archiepiscopus Senonensis, ut videtur, ad consecrandum Carolum Calvum regem Francorum,
VIII. Idus Iunii, apud Aure/ianam civitatem in Basi!ica sanctae Crttcis. 69 V gl. unten S. 162 Getzt: S. 176f.).
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3A: Die Krönung bei den Westfranken
Die "Cberlieferung führt auf die Stadt des Erzbischofs zurück, der bis in das ro Jahrhundert mit seinem Anspruch auf Vornahme der Krönung dem Erzbischof von Reims Konkurrenz machte und r 108 unter besondern Umständen noch einmal dieses Recht verwirklichen konnte7°. Aber es ist nicht anzunehmen, daß der Ordo in Sens aufgestellt wurde. Er setzt, wie die Liste der Vorlagen zeigt, die Reimser Tradition fort und hat gar nichts mit dem Ordo von 888 zu tun, der dem Erzbischof von Sens gedient hatte und wohl aus seinem Lager hervorgegangen ist. Eine Benennung nach der Herkunft würde also eine falsche Vorstellung geben, auch zu Verwechslungen fi:hren, da als >Ürdo von Sens< schon ein französisches Formular aus dem Anfang des 14· Jahrhunderts bekannt ist71 • Den Namen nehme ich daher von dem (S. 14;:) Wiederentdeckerde s Textes und bezeichne ihn fortan als den> Erdmannsehe n Ordo < oder kurzweg als den> Westfränkisc hen Ordo< 72 • Man könnte versucht sein, noch weiter zu gehen und den Ordo einer der Krönungen zwischen 88o und 96o zuzuweisen. Aber dieser Weg ist nicht ohne weiteres gangbar. Denn, so wie der Ordo erhalten ist, will er nicht einem bestimmten Akte dienen, sondern eine Norm darstellen, wie es bei Krönungen überhaupt zu handhaben sei. So war es bei den Ordinationsriten in den Sakramentarien und bei den aus diesen erwachsenen Königsordines gewesen. Dann aber war durch Hinkmar ein anderes Element hineingekomme n: Namen wurden eingesetzt; Überschriften bezeichneten genau, wann und wo die Handlung vorgenommen sei; ja ein Ordo wie der von 869 ist mehr eine >Notitia< oder ein Protokoll als ein Ordo im strengen Sinn dieses Wortes. Diese Elemente sind im ERDMANNsehen Formular wieder vollständig ausgemerzt. Ein >N.< steht für den Namen des Königs, und es ist offen gelassen, welcher Geistliche die einzelnen Handlungen vollzieht. Dazu paßt, daß der Ordo in einem Pontifikale stand, begleitet von einem kürzeren Ordo - er wird uns gleich beschäftigen- und von Benediktionen gegen Krieg, Heidenkampf, Wirrnis und allgemeine Not. Das ist die Umgebung, in der die meisten Ordines von nun an überliefert sind, und dadurch ergeben sich für sie wie für unsern Text immer zwei Möglichkeiten der Abfassung: entweder wurde bei der Redaktion eines solchen Pontifikale ein Formular aufgenommen, das praktische Verwendung gefunden hatte und nun, seiner individuellen Eigenarten entkleidet, allgemeiner Benutzung zugeführt wurde, oder der Redaktor arbeitete unabhängig von den Zeitereignissen und entwarf, weil ihm aus irgendwelchen 70 P. E. S., Der Kg. v. Frkr. a. a. 0. S. uzff. 71 P. E. S., Ordines-Studien II, im Archiv f. Urkundenforschun g XIV, 1938 S. 33ff. 72 Text V, dazu S. I 50 (jetzt: S. rG5f.). C. ERDMANN nahm nach ErscheL"len dieses Aufsatzes aus Bescheidenheit Anstoß an meiner Benennung. Deshalb habe ich in der Folge die Bezeichnung >Westfränkischer
Ordo< verwandt. Aber diese hat den Nachteil, weniger eindeutig zu sein, und nachdem uns C. ERDMANN durch den Krieg entrissen worden ist, kehre ich - um ihm Dank und Ehre zu erweisen - zu der ursprünglichen Benennung zurück (wie hoch ich den Toten einschätze, läßt ja die Widmung des I. Bandes erkennen).
Die Investiturformeln
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Gründen seme Vorlagen nicht ausreichend schienen, emen eigenen Text, dessen Schicksal dann davon abhing, ob sein Pontifikale sich durchsetzte. Man hat von offiziellen Ordincs und Privatarbeiten gesprochen; man scheidet besser >rezipierte< und >nicht rezipierte< Ordines. Bei dem >Erdmannschen Ordo< (S. I44-) handelt es sich, wie uns die Ordines E-G lehren werden, um einen rezipierten, der in Frankreich selbst fortwirkte und außerdem in anderen, bisher traditionslosen Ländern wie Deutschland und England ausgeschrieben worden ist. Wir können ihn bis in ein Pontifikale von Sens aus dem ro. Jahrhundert zurückverfolgen 73 • Da das Pontifikale aus Reims gestammt haben könnte, darf man es nicht wagen, den Ordo für fertig übernommen zu erklären und ihn dann im Sinne des eben Gesagten für eine der nach 888 vom Reimser Erzbischof vorgenommenen Krönungen zu beanspruchen. Auch das Gegenteil, d. h. Anfertigung bei der Bearbeitung des Pontifikale, ist denkbar. Man wird nur sagen dürfen, daß durch die Benutzung der drei aufeinanderfolgenden Ordines von 869, 877 und 878, von dem der letzte nicht Reimser Ursprungs ist, eine Entstehung in nicht viel späterer Zeit nahegelegt ist. Wir sprechen deshalb von dem Ordo als >nm 900< entstanden.
Die lnvestitutjormeln Sehen wir von der >Mi5sa< ab, so enthält der Teil über den König nur drei Formeln, die wir nicht auf eine der genannten Vorlagen zurückführen können (§§ 6, 8, 12). Sie sind für Ring, Schwert und Stab bestimmt und haben die größte Bedeutung erlangt; denn von nun an gehören diese drei zu den Herrschaftszeichen, die bei der Krönung überreicht werden, und alle späteren Formeln für diese Akte hängen mittelbar oder unmittelbar von ihnen ab. Sie haben also auch die Deutung auf Jahrhunderte in eine bestimmte Richtung gewiesen. Darauf können wir hier nicht eingehen; aber eine textliche Schwierigkeit müssen wir berühren. Der Wortlaut macht deutlich, daß nicht an den Siegelring, sondern an den anulus jidei des Bischofs, nicht an den frühmittelalterlichen Herrscherstab, sondern an den baculus sacri regiminis des Bischofs gedacht ist. Diese geistlichen Abzeichen sind viel früher belegt7 ' , und ( S. I 4! :) ähnlich lautende Formeln erscheinen auch in der Bischofsweihe. So scheint alles klar: auch diese Formeln sind entlehnt! Dem steht nun entgegen, daß der in Betracht kommende Bischofsordo erst seit c. 96o nachweisbar ist 75 , und daß die Stabformel hier in einer entwickelteren, also wohl abgeleiteten 73 Der Ordo ist außerdem noch überliefert in einem Pontifikale des Ir. Jahrh. aus Nevers, das zur Erzdiözese von Sens gehörte (s. unten Text IV), schimmert aber auch in der Reimser Tradition durch (vgl. ebd.). 74 H. LEcLERCQ, Anneaux, in: Dict. d'archeol. chretienne et de Iiturgie, ed. F. CABROL I 2,
II Schramm, 1\v.buzc ll
Paris I 907 S. 218 Iff.; DERS., Crosse, ebd. III z, I9I4 S. 3 I44 und VERENA LABHART, Zur Rechtssymbolik des Bischofsrings, Köln-Graz I963 (Rechtshistor. Arbeiten II). 75 Le Pontifical romano-germanique du xe siede, ed. C. VocEL-R. ELZE, Le Texte I, Citta del Vaticano I963 (Studi e Testi zz6)
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3 A: Die Krönung bei den Westfranken
Fassung erscheint76 , Dazu kommt, daß in dem Gesamtwerk, dem in Mainz entstandenen Pontificale Germano-Roma num, der >Erdmannsche Ordo< zu spüren ist77 • Andererseits ist nun, wie man dem Text IV entnehmen kann, die Baculus-Formel offensichtlich von der Szepter-Formel abhängig, die weltlichen Ursprungs ist, und schließlich darf man auch die Schwert-Formel nicht vergessen, die neue, von geistlichen Ordines unberührte Zutat sein muß. Der Redaktor hat also auch Eigenes beigesteuert. Der Vorgang wird so zu deuten sein, daß der V erfass er die Lücke in den bisherigen Ordines bemerkte, die sich um Ring und Stab des Herrschers noch nicht bekümmert hatten. Wie sollte er sie deuten? Er setzte sie mit den seit alters bekannten Attributen des Bschofs gleich, und da ihm für diese keine Formeln vorlagen, setzte er selbst neue auf, wiobei ihm eine viel beachtete Stelle Isidors von Sevilla78 über Stab und Ring den Weg gewiesen haben könnte. Als man dann um ( S. 146:) 96o in Mainz unter vielen anderen Vorlagen auch seinen Ordo verarbeitete, da verpflanzte man, den Text ändernd, die beiden Formeln dorthin, wo sie gemäß ihrem Ursprung ebensogut sich einfügten: in die Bischofs weihe, für die man noch zwei weitere Formeln zur Hand hatte, so daß dort für Ring und Stab des Bischofs je zwei Formeln namhaft gemacht werden. Ähnlich wird es mit dem Gebet nach der Salbung der Königin(§ 22) liegen, das in der Abtweihe des Mainzer Pontificale erweitert wieder auftaucht 79 • Die Wendung: per manus nostrae impositionem zeigt, daß auch diese Formel unter dem Eindruck der bischöflichen Parallele entstanden ist. Soll man gleich sagen: als Ganzes entlehnt ist? Aber solange sie nicht vor 960 in geistlicher Verwendung nachgewiesen werden kann,
S. 222; früher: M. HrTTORP, De divinis cathol. eccl. officiis, Parisiis I624 S. I Iz. Es handelt sich um das Mainzer Pontificale Germano-Romanu m aus St. Alban, dessen Geschichte und Datum klargestellt wurde von ANDRIEU, Ordines Romani I (s. S. 146 Anm. 14), bes. S. 494ff. 76 Erdmannscher Ordo: Accipe bacu!um - aeternae, cooperante Domino nostro etc.
Bischofsweihe: Accipe bacu!um - aeternae habeasque potestatem eligendi dignos et corrigendi indignos cooperante Domino nostro etc. (Eigenes durch -
abgetrennt). Beim Ringe (S. 22I) stimmt nur der Anfang überein. In den Sakramentaren des 9· Jahrhunderts habe ich diese Formel nicht finden können (über deren Geschichte s. C. VoGEL
Introduction aux sources de l'hist. du culte chretien au m. ä., in den Studi medievali, 3· Serie III, I, Spoleto I962 (S. jZI ff. betr. Mainz). 77 V gl. unten S. I 5I (jetzt: Bd. III). 78 De eccl. officiis II 5, I 2 (MrGNE, Patrol. lat. LXXXIII Sp. 783 f.): Huic[episcopo] ... datur bacu!us, ut eius indicio sttbditam p!ebem ve/ regal vel corrigat ve! inftrmitates inftrmorum sustineat. Die
Auslegung des Ringes geht vom Versiegeln des Geheimen aus, unterscheidet sich also. 79 VoGEL a. a. 0. S. 64 (HrTTORP S. I 57). Zu der möglicherweise bestehenden Abhängigkeit von Ordo A § 5 s. S. 126f. (jetzt: S. I47f.). Das Gebet findet sich auch in dem Mailänder Pontifikale, vgl. oben S. I25 (jetzt: S. r 46; dort ist die frühere Datierung: 9· Jahrhundert in: Mitte Io. Jahrhundert verbessert; in der dort genannten Ausgabe
Versprechen und >Wahl<
dürfen wir auch hier mutmaßen, daß sie gleichfalls von Haus aus der Königin zukommt und dann entsprechend ihrem geistlichen Stil in die Abtweihe verwiesen wurde, für die im 9· Jahrhundert nur unentwickelte Texte vorliegen.
Versprechen und >Wahl< In der Petitio und der Promissio, die auf das Formular von 877 zurückgehen, sind die Verweise auf das Kapitular von Quierzy gestrichen. So ging man ja auch 888 vor 80 ; aber dieser Eingriff lag so nahe, daß sich daraus keine Beziehung zum Ordo des Königs Odo ergibt. In der gekürzten Fassung ist die Verpflichtung des Königs in die französische Geschichte eingegangen81 - selbst in die englischen und Mailänder Krönungsordnungen ist sie eingedrungen. Ebenso wichtig ist der folgende Abschnitt geworden, der aus dem langen Bericht über die Krönung Karls des Kahlen (S. 147:) in Metz (869) 82 die Tatsache einer Befragung der Anwesenden festgehalten hat. Durch dies Vorbild ist bedingt, daß gleich zwei Bischöfe sich der Aufgabe unterziehen. Eine Zuspitzung bedeutet, daß die Frage an den popu!us gerichtet wird. Wörtlich aus jener Quelle geschöpft ist dann, daß nach erzielter Einhelligkeit das Tedeum angestimmt wird. Das bleibt als Rest der synodalen Formen, in denen die der Wahl schon entwöhnten Teilnehmer der Erhebung Karls ihre Willensäußerung kundtaten. Denn dort gingen dem Tedeum zwei Zustimmungen voraus, wie sie für einen Konzilsbeschluß üblich waren: Et responderuntipsi episcopi: >lta est!< und: Etin hoc conc!amantibus omnibus, dixit idem episcopus: Agamus ergo unanimiter Deo gratias, decantantes: >TeDeum !audamus<.
Bei der Erhebung Odos (888) wurde die Wahl wieder eine Realität; und mehrfach ist sie es bis 987 von neuem wieder geworden, so daß sie auch für die auf Erbrecht gestützten Könige zum mindesten nützlich wurde als Begründung zusätzlichen, stützenden Rechtes. Welcher Formen man sich bei diesem Wiedererstarken der Wahl bediente, läßt erst ein Text erkennen, der schon jenseits unserer unteren Zeitgrenze entstanden ist: das Protokoll der Krönung Philipps I. im Jahre 105 983 • Hier wird die Wahl an der vom >Erdmannschen Ordo< verlangten Stelle zwischen Eid und Weihe in Form der Urteilsfindung vollzogen. Der Erzbischof von Reims fungiert als Richter; die geistlichen und weltlichen Fürsten wählen in der Reihenfolge ihres Ranges, d. h. geben den Urteilsvorschlag ab, und die Milites mit dem Volk >loben< die Wahl durch den dreimaligen Ruf: Laudamus! Vo!umu.r! Fiat!, d. h. sie machen als Umstand S. 91, dazu S. 90 Note *). Aber es ist nachgetragen alia manu licet coaeva - offensichtlich nach einem Mainzer Pontifikale, von dem schon früh Abschriften nach Italien gedrungen sind; KLAUSER (s. S. 146 Anm. 14) S. r S6 glaubt schon die Sechzigerjahre dafür annehmen zu dürfen.
So S. oben S. r 33 (jetzt: S. r 52f). Sr S. unten S. rSSff. (jetzt r96ff.). 82 S. oben S. 120 (jetzt: S. 143). Die >Wahl< Karls zu Orleans muß hier unberücksichtigt bleiben; vgl.: Kg. v. Frk. I S. 16f. 83 Vgl. oben S. 128 Anm. 5 (jetzt: S. 149 Anm, 23).
3 A: Die Krönung bei den Westfranken
durch ihre Co/laudatio (Vollwort) das Urteil fest. So ist der Weg vom karolingischen Erb- und Teilungsrecht über die kirchlichen Formen des Synodalbeschlusses zum einheimischen Gerichtsverfahren gefunden 84 ; er führte zurück zu einem alten germanischen (S. I 48:) Prinzip, und auf ihm bezeichnet die Vorschrift unseres Ordo eine Etappe. Bei diesem Zustand ist es bekanntlich nicht geblieben. In den meisten Ländern hat die Wahl ihre Bedeutung verloren. Wenn sie selbst in Ländern wie Frankreich und England und hier sogar in den Zeiten des Absolutismus noch geübt worden ist jetzt nur noch eine schemenhafte Formalie der Vergangenheit-, dann erklärt sich das zum Teil aus der Tatsache, daß jener Passus über die Volksbefragung in den Erdmannseben Ordo aufgenommen worden ist. Wie der Passus in England und Frankreich später gestaltet wurde, werden wir noch sehen 85 • Im Deutschen Ordo des ro. Jahrhunderts ist er sehr frei behandelt, aber sein Sinn ist bewahrt geblieben 86 • Von den Krönungsordnungen dieser drei Länder stammen alle übrigen Ordines des Mittelalters ab, soweit sie nicht ganz frei entworfen sind, so daß sich eine lange Geschichte des Satzes: Deinde alloquantur etc. schreiben ließe 87 •
Krönung der Königin ( S. I 49 :) Eine gleiche Bedeutung hat der Erdmannsehe Ordo für die Krönung der Königin gewonnen. Hier hätte die Möglichkeit bestanden, an die Ordines von 8 56 und S4 Über die weiteren Probleme dieser Entwicklung, die hier unberührt bleiben müssen, vgl. bes. ULRICH STUTZ, Reims und Mainz in der Königswahl des ro. und zu Beginn des II. Jahrhunderts, in Sitz.-Ber. derBerliner Akad. 1921 S. 423ff., dort S. 428ff. über 1059· Der Erzbischof schob sich von der kirchlichen Weihe, aus der er den Erzbischof von Sens verdrängte, an die Stelle bei der Wahl, die bis zur Übernahme der Krone (987) der Herzog von Francien »als der Königmacher und als der erste Wähler« innehatte. In der Zwischenzeit sind auch Wahl und Krönung örtlich sowie zeitlich auseinandergezogen worden. Darüber entschied die jeweilige politische Lage. Es bleibt die Möglichkeit, daß auch in solchen Fällen die Wahl oder zum mindesten die Befragung des Volkes bei der Krönung wiederholt wurde. V gl. auch oben S. qo (jetzt: S. 158) und P. E. S., Kg. von Frkr. a. a. 0. Kap. III: Das Wahlrecht bis zu
seinem Erlöschen. 85 Vgl. unten S. 173 und 189 (jetzt: S. 185 und 197) nebst Ordo G. 86 (Deinde) iterttm ipJe (epücoptuaffatur populum), Ji ta!i principi ac rectori se mbicere ipJiusque regnum ftrma ftde Jtabilire alqtte iuuionibuJ i!littJ obtemperare velint . . . Tune ergo a circumstante c!ero et populo tmanimiter dicatur: >Fiat! Fiat! Amen.< (Die entlehnten Worte in Klammern.) 8 7 Ich greife zwei bezeichnende Beispiele aus der Epoche des Absolutismus heraus, die beide durch genau feststellbare Zwischenglieder von dem genannten Passus abstammen: a) Krönung Ludwigs XIII. von Frankreich r6ro (THEOD.GODEFROY, Le Ceremonial Fran<;:ois, ed. DENYS GoDEFROY, I, Paris I 649 S. 59) : LeJquels [ = !eJ eueJques de Laon et de BeatmaisJ utanJ attui debout demandent au peuple et circonslai!Ce, J' ils ne le reconnoiuent paJ pour !eur Roy: Et comme ayans receu le consentement du peuple et de toute /' assi-
Krönung der Königin - Formeln von Sens
866 anzuknüpfen 88 • Das ist nicht geschehen; vielmehr hat der Redaktor die Weihe des Königs sinngemäß auf seine Gemahlin angewandt, die gesalbt wird und dann Ring und Krone empfängt. Damit hat er für die Tradition der karolingischen Zeit89 eine Form geprägt, die nun die ganze weitere Entwicklung bestimmt und in den verschiedensten Ländern bewirkt hat, daß auch die Königin geweiht und mit Herrschaftszeichen investiert wurde.
6. Dm
INVESTITURFORMELN voN SENS (woHL 10. JAHRHUNDERT)
(S. IJO:) Dieselbe Überlieferung wie der >Erdmannsche Ordo< hat eine Reihe von fünf Formeln, die sich auf die Übergabe der Herrschaftszeichen beziehen 90 • Da diese nicht nur die gleichen sind, sondern auch noch genau in derselben Reihenfolge wie in jenem Ordo (Ring, Schwert, Krone, Szepter, Stab) ausgehändigt werden, besteht hier ein enger Zusammenhang: ja- wir dürfen im Hinblick auf die Überlieferung und die Tatsache, daß die Verkirchlichung der symbolischen Investitur erst im Formular aus Sens endgültig vollzogen ist, gleich sagen: es besteht eine Abhängigkeit 91 • Dadurch ist, da der Erdmannsehe Ordo sich nur ungefähr auf mm 900< datieren läßt, auch für diese Formelserie als fester Terminus post das Jahr 877 gegeben; nach unten ist eine Grenze durch die Entstehungszeit der ältesten Handschrift gezogen: r o. Jahrhundert. stance ... Voraus gehen Petitio und Promissio in der Fassung des >Erdmannschen Ordo<; es folgt noch ein zweiter Königseid, nämlich die um rund r2oo (vgl. unten S. 173 = S. r85) übernommene angelsächsische Formel: Haec popu!o christiano etc.; vgl. Text VII § 2. b) Krönung Karls r. von England r6z6 (CHR. WoRDSWORTH, The Manner of the Coronation of King Charles I of England, London r89z, Henry Bradshaw Society II S. r4ff.; ebd. S. rr rf. betr. Jacob I.): ... the Arch-Bischop goes to every of the foure sides of the Stage and at every of them speakes to the people bis verbis: >>Sirs. Heere I present unto you King Char!es . . . Wherefore a!! you, that be come this day to doe your homage and service and bounden duty; be ye wi!!ing to doe the same?« [Es folgen zwei andere Formeln zur Auswahl, von denen die zweite schließt:] >>Wi!lye serve at this time and give your Jlli/1 and as sents to th~ said Coronation, Inunction and Consecration?« [Der König zeigt sich währenddessen an
88
89
90 91
den vier Seiten des Podiums.] And the Peop!e signifte their wi!!ingnesse by acc!amation, a!l in one voice answering: »God Save King Char!esf« Vgl. oben S. rzo (jetzt: S. r4zf.). Der Ordo von 856 ist im Ordo E benutzt, vgl. unten S. 157 (jetzt: S. 173). Der Ordo von 866 wirkte auf den von 869 ein. Sonst haben sie keinen Einfluß ausgeübt. Außer den genannten Krönungen, die sich in weiteren Krönungen westfränkischer Königinnen fortsetzen, sowie den Krönungen der Gemahlinnen Lotbars II. sind sonst nur die der Kaiserinnen bekannt. Bei diesen scheint sich die bei der Salbung von Pippins Gattin einsetzende Tradition zuerst entfaltet zu haben; vgl. S. HELLMANN, Die Heiraten der Karolinger, in Festgabe K. TH. v. HEIGEL, München 1903 S. 45f. (jetzt: Ausgewählte Abhandlungen, hrsg. von H. BEuMANN, Darmstadt r96r S. 333 f.). V gl. Text V. Der Szepter-Spruch hat gleichen Anfang
r66
3A: Die Krönung bei den Westfranken
Der geistige Inhalt ist dürftig; eine spätere Benutzung ist nicht festzustellen. Wir brauchen uns deshalb mit den >lnvestiturformeln von Sens< nicht weiter zu beschäftigen: sie gehören in die Reihe der >nicht rezipierten< und mögen für Festkrönungen bestimmt gewesen sein- ähnlich wie drei kurze, aus dem »Westfränkischen Ordo« abgeleitete Formeln in einem ehemals Reimset Sakrament (jetzt in Baltimore) 92,den wir als »Ordo D 2« folgen lassen. Eine weitere Fortwirkung des >Erdmannschen Ordo< soll im Band III behandelt werden. ( S. I J I:) Hier vermerken wir nur die Tatsache, die mit diesem Abschnitt unmittelbar zusammenhängt: der Deutsche Ordo, der als Teil eines neuen Pontifikale um 960 im Kloster S. Alban zu Mainz aufgesetzt wurde, ist mit I-Iilfe verschiedener Vorlagen aufgebaut 93 • Zu ihnen gehört mittelbar auch der >Erdmannsche Ordo<, der sehr gründlich, aber selbständig ausgewertet worden ist 94 • Dadurch wurden einzelne Teile frei, so daß sie in anderen Abschnitten eingesetzt werden konnten. So hat der >Erdmannsche Ordo< auch noch auf die Bischofs- und Abtweihe eingewirkt 95 , und da das Mainzer Pontifikale sich über das ganze Abendland verbreitete, so daß es schließlich als das >Römische< schlechthin galt, hat unser Text auch noch mittelbar eine erstaunlich breite und langandauernde Fortwirkung gehabt. Daneben hat der >Erdmannsche Ordo< auch selbständig die weitere Entwicklung in zwei Ländern bestimmt, nämlich in England und in seinem Heimatland. Von England soll im folgenden Abschnitt die Rede sein 96 •
7.
DER >DEuTSCHE ÜRDO< UND DER >ÜRDO DER SrEBEN FoRMELN<
Zur westfränkischen Tradition gehört auch noch der kurze >Ürdo der Sieben Formeln<, dessen Bedeutung als erster C. ERDMANN erkannt hat 97 • Die älteste Hand-
mit dem >Erdmannschen Ordo< und daher auch mit dem von 877. Die Berührung in der Schwertformel beruht auf der Benutzung des gleichen, sachlich naheliegenden Bibelspruches, der in den Benediktionen wörtlicher, also selbständig zitiert ist. Sonstige Berührungen sind zu vage, um sie benutzen zu können. 92 Vgl. P.E.S., Nachträge zu den Ordines-Studien, im Archiv für Urkundenforschung I6, I939 s. 282. 9 3 Band III: Der Ablauf der Königsweihe nach dem >Mainzer Ordo< (um 96o); vorher in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, I935 S. I84-332.
94 Vgl. vorläufig P. E. ScHRAMM, Zur Geschichte der mittelalterlichen Königskrönung, in Forschungen und Fortschritte IX I933 S. I24-5· Vom >Burgundischen Ordo < ist hier nicht zu sprechen, da er erst dem Io. Jahrhundert angehört, nicht dem 9· Jahrh. (vgl. unten S. 265 A. 63). 95 Vgl. oben S. I46 (jetzt: S. I62). 96 S. unten S. I 69 ff. 97 Forschungen z. polit. Ideenwelt des Frühmittelalters, aus dem Nachlaß des Verf. hrsg. von FR. BAETHGEN, Berlin 195 I S. 56f., 63 f. (S. 87-9 Abdruck des Textes mit Nachweis der Handschriften und der Varianten).
>Deutscher Ordo< und >Ürdo der 7 Formeln<
schrift stammt zwar erst aus dem I 3. J ahrhundert 98 , aber der Text ist bereits von Ordines des IO.ji r. Jahrhunderts benutzt worden. Es handelt sich nämlich nichtwie früher angenommen- um ein >Bruchstück< des >Deutschen Ordo<, sondern um einen in sich geschlossenen Text, dessen Formeln sich teilweise an den Ordo von 877 anschließen, »im übrigen aber frei komponiert sind« 99 • In den eigenen Abschnitten findet sich eine Reihe von Aussagen über die weltliche und die geistliche Gewalt, die für diese Zeit sehr bezeichnend sind und eine lange Nachwirkung gehabt haben. Erdmann faßte seine Beobachtungen in dem Satz zusammen: dieser Ordo »war wahrscheinlich im WestErankenreich beheimatet und mag vielleicht eine oder zwei Generationen älter sein als der Mainzer Ordo«, d. h. also älter als 96o 100 • Er gab den sieben Formeln den Namen: »Ordo der sieben Formeln«. Abschließend ist auf einen weiteren Ordo hinzuweisen, der gleichfalls erst von CARL ERDMANN in das rechte Licht gerückt worden ist101 • Er wurde vorher als ein Auszug aus dem >Deutschen Ordo< angesehen; aber Erdmann, der auf Grund einer Reihevon Handschriften einen verläßlichen Text herstellte, vermochte mit Hilfe textkritischer Feststellungen zu klären, daß- umgekehrt- der >Deutsche Ordo< auf diesem >Frühdeutschen Ordo< beruht: das ist der Name, den ihm Erdmann gab und den wir beibehalten. Die in diesen Ordo eingefügten Formeln stammen nicht aus dem >Erdmannschen Ordo <102 ; sie sind vielmehr alle aus den Sakramentaren übernommen außer einer einzigen (§ I I zur Salbung: Vere dignum et iustum - mereatur. Per eundem). Diese benutzt Wendungen der Orationen, wie sie in den Sakramentarien vorlagen, und schließt sich an den ältesten Kaiserordo an (I = »Cencius l«), der zwar erst um 960 im >Pontificale Romano-Germanicum< auftaucht, aber älter ist. Wir kommen auf die beiden Texte in Bd. III zurück. Denn - auch diese Einsicht verdanken wir CARL ERDMANN-dieRedaktoren des >Deutschen Ordo< haben nichts anderes getan, als diese Ordines sinngemäß ineinander zu schieben: aus Eigenem haben sie kaum etwas hinzugetan; auf diese Weise entstand ein Text, der für Deutschland maßgebend blieb und weit über die Grenzen hinauswirkte.
98 Sie stammt aus dem Kloster Stablo. BouMAN a. a. 0. S. 2 rf. (zu weiteren Stellen s. das Register S. 197) spricht deshalb vom >Order of Stavelot<. Aber diese Bezeichnung führt irre; denn das Kloster war an der Abfassung nicht beteiligt und lag auf Reichsgebiet. 99 So ERDMANN a. a. 0. S. 58.
Im Bd. III ändere ich- diesen Feststellungen entsprechend - meine Ausführungen über den >Deutschen Ordo<. ror ERDMANN S. 58 mit Anm. 3 (ich hatte versucht, wenigstens einige Wendungen des >Deutschen Ordo< auf den >Erdmannschen Ordo< zurückzuführen). 102 Näheres s. in Bd. III. 100
r68
3 A: Die Krönung bei den Westfranken
8.
HINWEISE AUF DIE FOLGENDE ZEIT
Über den- zwischen 973 und 986 im Kloster St. V aast in Arras unter dem Abt Pulrad redigierten Ordo (der bisher nach dem Abt Ratold von Corbie benannt wurde, aber richtiger gekennzeichnet ist, wenn man ihn als »FuLRAD-ÜRDO« anführt), handelt das Kapitel 4 im folgenden Abschnitt, da er zum Teil auf dem angelsächsischen Ordo des Königs Edgar (973) beruht. Dieser Ordo war nicht für ein bestimmtes Land gedacht und ist daher verschiedentlich benutzt worden. In Frankreich wurde er bei der Krönung Philipps I. (1059) wohl noch nicht, aber wahrscheinlich bei der Ludwigs VI. des Dicken (rro8) verwendet. Die weiteren französischen Ordines bauen auf ihm auf. Einen Überblick über alle mir bekannt gewordenen westfränkischen und französischen Ordines bis zur Neuzeit bietet mein Aufsatz: Ordines-Studien II: Die Krönung bei den Westfranken und den Franzosen, im Archiv für Urkundenforschung XV, 1938 S. 3-5 5 (dazu Nachträge ebd. XVI, 1939 S. 279-83), in dem ich die erhaltenen Texte datiert und ihre Abhängigkeiten geklärt habe. Ich führte alle Handschriften und Drucke an, die mir bekannt geworden sind, und lud unsere französischen Kollegen ein, systematisch nach weiteren Abschriften zu suchen und dann alle Ordines in einer kritischen Edition zusammenzufassen, die die bisherigen, durchweg unzulänglichen, vielfach auch mit falschen Datierungen behafteten Drucke ersetzt. Ich habe diesen Appell mündlich oft wiederholt, aber bisher noch keinen Erfolg gehabt -ich gebe die Hoffnung jedoch nicht auf! Mein Aufsatz bedeutete also nur eine Zwischenlösung, die schon heute mit manchen Ergänzungen versehen werden könnte. Ich sehe deshalb davon ab, ihn in diese Sammlung aufzunehmen. Was sich mir beim Studium der westfränkischen und französischen Ordines an geschichtlichen Einsichten ergab, habe ich in mein Buch: »Der König von Frankreich« (1939, neu gedruckt: r96o) eingebaut (vgl. genaue Angaben in der Sternnote am Anfang dieses Abschnittes). Eine Zusammenfassung bietet der (bisher ungedruckte, für Band IV vorgesehene) Aufsatz: »Der König von Frankreich. Ein Längsschnitt durch die französische Geschichte«.
B. Die Krönung bei den Angelsachsen* I.
DIE
ÄLTESTEN ENGLISCHEN ÜRDINES:
Der >Dunstan-Ordo<, überliefert in zwei Fassungen (zwischen 960-73) Für die Engländer hat die Geschichte der Krönung noch immer ein aktuelles Interesse, weil sich bis heute bei jedem Regierungswechsel ihren Augen ein durch die verschiedenen Dynastien prunkvoll ausgestalteter, aber in seinem Kern schon tausendjähriger Brauch darbietet. Es kommt der Stolz hinzu, den wir mit den Worten des um die Liturgiegeschichte hochverdienten H. A. WrLSON fassen, »that perhaps the earliest of all known western coronation orders is one contained in an English servicebook»1 • Diesen Glauben müssen wir leider zerstören; aber dafür wird nun deutlich werden, wie, wann und von wem der angelsächsische Krönungsbrauch zuerst in feste Form ( 5. I J 2.') geprägt worden ist, so daß sich eine nicht mehr vergeßbare, alle Wandlungen der englischen Geschichte überstehende Tradition bilden konnte. Bei den Franken beginnt die Geschichte der Salbung mit Pippin; es hat dann über hundert Jahre gedauert, bis der Krönungsbrauch ausgestaltet war und schriftlich festgehalten wurde. Wie lange brauchte diese Entwicklung bei den Angelsachsen, bei denen die Salbung bekanntlich im 8. Jahrhundert aufkam 2 ? Wir gehen von der Überlieferung des angelsächsischen Ordo aus, der zweifellos der älteste ist und unter dem Namen des Erzbischofs Eg bert von Yor k (732-66) geht. Daß diese Zuschreibung auf einem Irrtum beruht, ist seit langem zugegeben. Die eine Abschrift findet sich zwar in einem Codex, der mit einem Poenitentiale Egberts beginnt; aber ein Anhalt dafür, daß er auch den übrigen Inhalt des Bandes verfaßt hat, fehlt 3 • Wir sind also allein auf den Text selbst als Ausgangspunkt angewiesen. Die handschriftliche Überlieferung führt uns bis in das ro. Jahrhundert und nicht weiter zurück4 • Einen
*
Über den Erstdruck s. oben S. 140 Anm. *. V gl. dazu mein Buch: Gesch. des englischen Königtums, I-II, Weimar 1937 (eng!. Übersetzung von L. G. WrcKHAM LEGG: A Hist. of the Eng!. Coronation, Oxford 1937). r The English Coronation Orders, in: The Journal of Theological Studies Il 1901 S. 482. J. A. RoBINSON, The Coronation Order in the Xth Century, im Journal of Theological Studies XIX, 1917, S. 56-72 habe ich erst nachträglich kennen gelernt; seine Feststellungen sind - wie ich hoffe - durch meine Feststellungen überholt. 2 Die Salbung bei den Briten im 6.-7. Jahrhun-
dert haben neuerdings wieder in Frage gestellt WooLLEY S. 36 und ELLARD, Ordination Anointings (s. S. 146 Anm. 14) S. 9-13. Vgl. dazu jetzt R. KoTTJE, Studien zum Einfluß des Alten Testaments auf Recht u. Liturgie des frühen MA. (6.-8. Jahrh.), Bonn 1964 (Bonner Histor. Forsch. 23), S. 94-105 über Salbung von Personen. Vgl. hier und zum folgenden den Text VI und die dort genannte Literatur. 4 V gl. die Nachweise zu Text VI. Dadurch, daß zwei Hss. bis 900 und weiter hinaufgerückt wurden, ist die Forschung lange auf einen falschen Weg geleitet worden.
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
genauen Terminus ante können wir aus der Prüfung des Ordo F vorausnehme n, der den hier untersuchten benutzt und für 973 hergerichtet wurde5 •
Die Überlieferung Vor die Frage nach dem Alter der Vorlage selbst schiebt sich nun aber erst einmal die nach der Stammfassun g; denn die drei erhaltenen Handschrifte n gehen auseinander6. Es handelt sich um die folgenden: eine ehemals im Besitz des Bischofs Leofric von Exeter (>Leofric<), die zweite: fälschlich auf Erzbischof Egbert bezogen (>Egbert<), die dritte nach ihrem früheren Verwahrung sort (Alet in der Bretagne) Pontificale Lanaletense genannt (>Lanal. <). Die beiden letzteren kommen sich im (S. I J; :) Wortlaut sehr nahe; dagegen ist >Leofric< sehr viel kürzer. Wir sprechen daher von einer >Leofric<- und einer >Egbert-Fa ssung< und werfen die Frage auf, welche die ursprünglich ere sein mag.
Die Texte und ihre Vorlagen Alle drei Codices enthalten denselben Bestand, wenn auch nicht in gleicher Form. Es gibt auch noch weitere Handschrifte n7 , in denen unser Ordo schon durch einen andern, eben den Ordo F, ersetzt ist. Man hat den Text mit der Kirchenrefor m des Hlg. Dunstan in Beziehung gebracht 8, aber- soviel ich sehe- nicht mit durchschlagenden Gründen, so daß auf diesem Wege vorerst nicht weiterzukom men ist. Wir können nur versuchen, aus den Unterschiede n in der Überlieferung Anhalte für die Reihenfolge der beiden Ordines-Fass ungen zu gewinnen. Leider hat uns hier die sonst so rührige liturgiegeschichtliche Forschung Englands noch nicht in dem gewünschten Umfang vorgearbeitet . Abgesehen von Fassungen mit dem Ordo Fliegen der >Egbert<- und der >Leofric<-Text gedruckt vor. Auch ist wiederholt die Beziehung zur älteren Tradition berührt worden 9 ; abertrotzde r nur 5 S. unten S. 170 (jetzt: S. r8zf.). 6 FAUL L. WARD, der an meine Forschungen anknüpfte, ist zu Ergebnissen gelangt, die zum Teil von meinen abweichen; vgl. dazu den Bericht in dem Anhang r. Da eine Entscheidung nur von einem Forscher gefällt werden kann, der die in Betracht kommenden Handschriften von neuem prüft, behalte ich meinen Text bei und korrigiere ihn nur dort, wo mir Irrtümer unterlaufen sind. 7 Hinweise auf sie bei Text VII. 8 ELLARD (s. S. 146 Anm. 14) S. 78ff.
9 [W. G.] HENDERSON, Liber pontificalis Chr. Bainbridge archiepiscopi Eboracensis, Durharn etc. 1875 (The Pub!. of the Surtees Society LXI) S. XIV über die Gregorianische Herkunft der Messen, die Gelasianische der Officien, von denen eine oder zwei dem Sacr. Leonianum näherkommen sollen. E. ErcHM&'IN, Königs- und Bischofsweihe, in: Sitzungsberichte der Bayer. Akad. der Wiss., Phii.-Phil. u. Hist. Kl. 1928 Nr. 6 S. z6 nennt das Leofric-Missale ein erweitertes Gregorianisches Sakramentar. BAUMSTARK, Missale
Der >Dunstan-Ordo< (zwischen 960-73)
171
begrenzten Zahl der in Betracht kommenden Handschriften gibt es keine zusammenfassende Ausgabe, geschweige denn eine Analyse der benutzten Unterlagen, die erst das Neuartige des Werkes erkennen ließen. Wenn ich richtig beobachte, ist für die Weihen der verschiedenen geistlichen Grade eine Handschrift vom Typ des >Sakramentars von Gellone<, also ( S. I; 4.") eines erweiterten >Sacramentarium Gelasianum<10, benutzt und mit Hilfe eines >Sacramentarium Gregorianum< überarbeitet worden. Was sonst noch in Betracht kommt, kann hier beiseite bleiben; denn wir haben schon so genug Möglichkeiten, >Leofric< und >Egbert< daraufhin zu prüfen, welche Fassung den Vorlagen näher steht. Wir wollen den Vergleich hier nicht im einzelnen durchführen, nur sein Ergebnis durch zwei augenfällige Gegenüberstellungen verdeutlichen, bei denen Sternchen Auslassungen und Sperrdruck Entsprechungen kennzeichnen:
A. r. Gellone (ed. Martene S. I22): Consecrentur manus istae, quaes. Dom., et sanctiftcentur per istam unctionem et nostram benedictionem, ut, quaecumque benedixerint, benedicta sint, et quaecumque sanctiftcaverint, sanctiftcentur. Per ...
2. >Leofric< (ed. Henderson S. 316): Co nsecrentur manus istae ** per istam unctionem et nostram benedictionem, ut, quaecunque benedixerint, benedicta sint, et quaecunque sanctifi caverint, sanctifi centur. Per ...
3· Egbert (ed. GreenweH S. 24): Consecrentur manus istae, quaes. Dom., et sanctificentur per istam sanctam unctionem et nostram invocationem adque divinam benedictionem, ut quodquod benedixerint, sit benedictum, et quodquod sanctificaverint, sit sanctificatum. Per ...
B. (S. IJJ:) r.-2. Sacram. Gregor. (ed. Wilson S. 6) = >Egbert< (S. 5): Hanc igitur oblationem servitutis nostre, sed et cuncte familie tuae, quam tibi ojferimus
Hanc igitur oblationem **, quam tibi offerimus, Domine, *pro famu/o
Romanum (s. S. 147 Anm. 14) S. rzof. stellt Nachwirkung des Gelasianischen Sakramentars des 8. Jahrhunderts fest. ELLARD S. 8z fand eine Formel nur bei Abt Ludwig von S. Denis (um 85o) wieder.
10 Gedruckt bei MARrimE II 1736 S. I r6-24 als Ordo 4, zugleich nach einer Hs. von S. Marie in Noyon und dem Cod. Paris. 3866; vgl. dazu BAUMSTARK S. 94ff. und KLAUSER im Historischen Jahrbuch LIII, 1933 S. I74·
3· >Leofric< (ed. Henderson S. 324):
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
etiam pro Jamulo tuo illo, quem ad episcopatus orditlem promovere dignatus es, quaesumus, Domine, ut placatus accipias et propitius in eo tua dona custodias, ut, quod divino munere consecutus est, divinis effectibus exsequatur diesque nostros.
tuo i ll., que m ad pontiftcalem gloriam promovere dignatus es, quaesumus, Domine, ut placatus accipias **, ut, quod divino munere consecutus est, tua in eo protectione ftrmetur. Per ...
Es zeigt sich, daß einmal >Leofric<, das andere Mal >Egbert< der Vorlage nähersteht, daß also ein Ausgangstext vorauszusetzen ist, der von beiden selbständig weiterentwickelt wurde, wobei hier die eine, dort die andere Ableitung jenen Text getreuer spiegelt. Dabei weist >Egbert< eine Tendenz in die Breite, >Leofric< eine solche zur Kürze auf - was nicht ausschließt, daß auch in dieser Fassung neue Zusätze auftauchen. Vielfach sind in >Leofric< die Anweisungen zu den Gebeten weggelassen, die bei >Egbert< verschiedentlich noch ausgebaut sind. Man sieht, auf wie sicherem und gut überblickbarem Boden man steht - es müßte nicht schwer sein, die noch fehlende kritische Edition zu besorgen, und zwar eine solche, die im Gegensatz zu den üblichen die Grenze zwischen Eigenem und Entlehntem deutlich erkennen läßt! Unter welchen Umständen ein solches Überlieferungsbild zusammenkommt, wissen wir aus analogen Befunden. Ein Schreibzentrum, aus dem ein durch seine Autorität, seine Nützlichkeit oder ein sich sonstwie empfehlender Text hinausgeht, hat rege Wünsche nach Abschriften zu (S. IJ6:) befriedigen; und diesen wird entsprochen, indem man den Stammtext nach den auflaufenden Erfahrungen und möglicherweise unter nochmaliger Befragung der benutzten Vorlagen weiter entwickelt. So gehen >reaktionäre< und >fortschrittliche< Tendenzen durcheinander. Für die moderne Forschung aber wird es unmöglich, eine Form auf die andere zurückzuführen - wir können auch sagen: unnötig; denn erst in der Vielheit der herausgegangenen Fassungen erfassen wir die das Redaktionszentrum bestimmenden Absichten. Wo mag dies in diesem Falle zu suchen sein? Ist einer, sind mehrere am Werke? Wir kommen auf diese Frage zurück. Für den Königsordo bedeutet diese Feststellung, daß wir aus dem Gesamttext keine Entscheidung für die Priorität einer seiner beiden Fassungen erhalten; sie muß unmittelbar aus deren Vergleich gewonnen werden. Aber so vielläßt sich doch aus den angeführten Beobachtungen schließen: zum mindesten die Doppelung des Ordo muß mit jenem Schreibzentrum zusammenhängen; denn die Tendenzen, die >Egbert< und >Leofric< im allgemeinen kennzeichnen, scheiden auch die entsprechenden Krönungsanweisungen. Worin bestehen nun die Unterschiede der beiden Ordines-Fassungen?
Die beiden Fassungen des Dunstan-Ordos
173
Vergleich der beiden Fassungen des Krb'nungsordo Bei >Egbert< gliedert sich der Ordo in vier Teile, von denen bei >Leofric< nur der und 4· vorhanden sind:
2.
Katechumenenmesse, Eigentlicher Krönungsordo, 3. Hauptmesse, 4· Praecepta regis. 1.
2.
Im zweiten Teil hat >Egbert< ein Gebet und eine Reihe von Anweisungen mehr. Dort, wo sich der Text durch den Vergleich an einer Vorlage kontrollieren läßt, hat >Leofric< oft das Richtige, aber auch >Egbert< hat gute Lesarten. Der Hauptteil beruht auf einem westfränkischen Ordo, der für England eine besondere Bewandtnis hatte, nämlich ( S. I J7 :) dem Ordo11 für die Vermählung der Judith, einer Tochter Karls des Kahlen, mit dem angelsächsischen König Aethelwulf, die im ] ahre 8 56 stattgefunden hatte und von Hinkmar von Reims geleitet worden war12 • Die ersten fünf Abschnitte, die als Trau-Ordo bezeichnet werden können, waren nicht verwendbar. Anders das Gebet: Te invocamus etc., das leicht abgeändert ist, um auf einen selbst herrschenden König zuzutreffen. Das nächste Gebet des Judith-Ordo: Deus electorum . .. mußte etwas stärker überarbeitet werden, um für einen König dienen zu können; aus den voraufgehenden Worten und Gedanken ist ein neuer Schluß herausgesponnen worden. Auch noch der Anfang der folgenden >Benedictio< entspricht der Vorlage von 8 56. Hier aber muß sich der Redaktor darauf besonnen haben, daß zu ibm eigentlich ein vollerer Text gehörte, der in dem erweiterten >Sacramentarium Gelasianum< zu finden war13 • Aus dessen Formeln: Benedic, Domine hunc etc. und Deus inenarrabilis etc. hat er weitere Segenssprüche herausgesucht, zu denen noch andere gekommen sind -teils bisher sonst nicht aufgefundene und also möglicherweise eigene, teils im >Sacramentarium Gelasianum< nachweisbare, die hier bei der consecratio sacrae virginis Verwendung finden14 • Dann aber hat der Bearbeiter noch einmal den Weg zum Juditb-Ordo zurückgefunden, der auf die erste Benediktion eine Reihe von weiteren alttestamentlichen folgen ließ. Der Redaktor hat sich hier wiederum an die Vorlage selbst erinnert und dieselben Bibelverse - etwas erweitert und umgestellt - unmittelbar auf Grund der Heiligen Schrift eingesetzt. Den Schluß des westfränkischen Ordo, der von ( S. IJ 8 :) den Weihgaben handelt, konnte II Vgl. oben S. 120 (jetzt: S. 142). 12 EICHMANN a. a. 0. S. 26 nimmt das umgekehrte Verhältnis an. W AITZ (s. A. ro3) S. 22 hielt mehrere Möglichkeiten offen. Daß nur die obengenannte in Frage kommt, wird die folgende i\nalyse, die zu einer viel späteren Datierung gelangt, erweisen.
13 Auch im Ordo A; aber wie die Noten zu Text I§ 3-4 zeigen, ist dieser nicht benutzt. 14 In >Leofric< S. 343 voraufgehend, in >Egbert< S. I ro nachfolgend aufgenommen; etwa auch schon zur Vorlage gehörend? Vgl. S. 159 (jetzt: S. 175).
174
3 B; Die Krönung bei den Angelsachsen
er wiederum nicht gebrauchen. Ersatz fand er in einer Oratio super militantes, die das Leofric-Missale auch als selbständigen Text enthält15 . Sie steht noch nicht in den alten Sakramentaren, kann vielmehr erst im Fuldaer Sakramentar nachgewiesen werden16, das in der Mitte des ro. Jahrhunderts zusammengestellt wurde und neben dem Mainzer Pontificale als beachtliche liturgische Leistung dieser Epoche gelten darf 17 . Vielleicht ist diese Formel vom Festland nach England gewandert und nicht umgekehrt. Die Analyse lieferte uns dann auch gleich einen Terminus post quem: solange keine ältere Überlieferung für die Oratio super militantes auftaucht, gilt, daß der angelsächsische Ordo erst im ro. Jahrhundert kompiliert wurde- und zwar aus dem westfränkisch-angelsächsischen Ordo von 8 56, dem erweiterten >Sacramentarium Gelasianum<, jener Oratio und der Bibel. Zwei Formeln bleiben übrig, die bisher noch nicht auf eine Vorlage zurückgeführt sind. Klar liegen die Dinge bei dem Gebet: Deus, qui populis etc., das manche Wandlungen durchgemacht hat. So wie es hier lautet, kann es nur aus dem >Erdmannschen Ordo< stammen, da- wie in diesem- die verschiedenen Schlüsse aus den Ordines von 869 und 877 aneinandergehängt sind. Wir datierten jene Vorlage mm 900<18 , erhalten also eine nochmalige Bestätigung des bereits gefundenen Terminus post. Bei dem noch übrigbleibenden Gebet (In diebus eius etc.) ist nach diesem Befund von vornherein auch eine Entlehnung anzunehmen. Aber ich vermag es vorher nicht nachzuweisen. Einen Hinweis gibt der glatte Klang, der durch Reimprosa und vor allem durch Allitteration bewirkt wird. Diese läuft in einer Regelmäßigkeit durch den ganzen Abschnitt, daß man schon von einem Virtuosenstück sprechen kann19 . Solche liebte ja die Zeit Karls des Kahlen; die nächste Parallele, die mir bekannt geworden ist, bildet das Gebet: Te invocamus ( S. 1;9 :) etc. im Ordo der J udith, das in unserem Text den Anfang bildet 20 • Die Formel wird also aus derselben Umgebung stammen- sei es, 15 s. 347· r6 S. 346 in dem S. 240 Anm. 77 genannten Druck. I7 BAUMSTARK S. 123 f. und ELLARD in Ephemerides liturgicae 44 (N. S. IV), Rom I930 S. 2I8f. I8 Vgl. oben S. 144 (jetzt: S. I6r). 19 Kenntlich gemacht bei Text VI B § 2. 20 V gl. ebd. § r. Der Anfang bis famu!am tuam (ohne: ut) stammt aus der oratio super an eillas Dei des >Sacramentarium Gelasianum<; vgl. The Gelasian Sacramentary ed. H. A. WILS0'-1, Oxford I 894 S. r 58. Er weist deshalb keine Reimprosa auf. Da seine Benutzung nur bei einer Königin motiviert ist, ergibt er
einen weiteren Beweis, daß der angelsächsische Ordo von >8 56< abhängig ist- nicht umgekehrt, wie es die zu frühe Datierung dieses Textes nötig machte. Da Alliteration sich auch in den 856 nicht belegbaren Wendungen findet, dürften diese schon einer nicht erhaltenen Fassung des J udith-Ordo angehört haben. WrLSON S. 485 A. 2 vermutete, daß In diebus etc. Teil eines längeren Gebets sei. Er fand den Anfang »abnormally abrupt«: er ist aus Psalm 71,7 entnommen; und er verwies auf den Lombardischen Ordo des Ir. Jahrhunderts, der dies Gebet unmittelbar auf Te invocamus etc. folgen läßt: dieser ist jedoch aus unserm und
Die Bestandteile des Dunstan-Ordos
175
daß sie einer reicheren Fassung des Judith-Ordo 21 angehörte oder daß ein Text derselben Hand oder Schule mit diesem nach England kam. Bei dem Gebet: Deus, qui populis etc. ist zu beachten, daß es in der Leofric-Fassung fehlt. Auffallend ist, daß in der Egbert-Fassung nur diese Formel des >Erdmannschen Ordo< und nicht der ganze Text benutzt wurde, der- wie sich später ergeben wird 22 damals im vollen Umfang nach England gelangt ist. Die Antwort wird lauten müssen, daß er erst nach Abschluß der Leofric-, während der Redaktion der Egbert-Fassung , bekannt wurde. Ist diese Annahme richtig, dann werden auch die Einschübe der Egbert-Fassung über die Investitur mit Szepter, Stab und Helm durch den westfränkischen Ordo bedingt sein. Das Nebeneinander von Szepter und Stab ist ja auf alle Fälle durch das kontinentale Vorbild bedingt. Andererseits tritt dann um so stärker heraus, daß keine Krone, sondern ein Helm- und zwar nach den anderen Herrschaftszeichen- dem König aufgesetzt wird. Das muß später erklärt werden 23 • Nehmen wir die Textvarianten als Beleg hinzu, so dürfen wir nunmehr sagen, daß die >Leofric<-Fassung nicht etwa ( S. 16o:) einen Auszug oder eine Parallelfassung darstellt, wie es ja nach den das Gesamtwerk betreffenden Feststellungen der Fall sein könnte. Sondern sie spiegelt den Stammtext selbst mit gewissen Trübungen wider, die wir meist durch Vergleich mit den Vorlagen und dem >Egbert<-Text beseitigen können. Die >Egbert<-Fassung ist demnach eine Überarbeitung, bei der ein inzwischen bekanntgeworde ner Ordo, soweit es noch möglich war, berücksichtigt wurde. Dazu paßt, daß weitere Abschnitte vorgesetzt und angehängt wurden 24 • Der neue Anfang stellt offensichtlich nichts anderes dar als eine sinngemäße Abwandlung der am Anfang dieser Redaktion stehenden Oratio in electione episcopi25 auf den König, wobei aus dem neuen Testament die Geschichte mit dem Kaiserbilde auf der Münze ausgewählt wurde- zweifellos des Inhalts, nicht des Kalendertages wegen 26 • Ange-
dem >Deutschen Ordo< kompiliert, beweist also nichts. 21 Nach der vorigen Anm. ist eine solche anzunehmen. 22 V gl. unten S. qr (jetzt: S. I 8 3). 23 s. unten S. I63 (jetzt: S. rnf.). 24 Vgl. z. B. § 6 2. Teil: fortitud. eius tpstus (Bibel), f principis (Leofric), f regis principis (Egbert), also Fortbildung des Textes, ebenso danach: popu!us cum episcopis tribus vicib11s (Leofric), p. trib. vic. cttm ep. et presb)!teris. In der folgenden Angabe ist nur Leofric verständlich: confirmabitur . . . in so!io regni; in Egbert sind die letzten Worte ausgefallen. 25 >Leofric< ed. HENDERSON p. 319-21; kürzer bei >Egbert< ed. GREENWELL S. r ss.
26 Matth. 22, r 5 ff. ist die Lektion zu Dom.
XXIII post Pentecosten; für England vgl. z. B. Ordinale Exon. ed.]. N. DALT0:-.1, London 1909 (H. Bradshaw Society 37) S. 193, s. auch Sr. BErSSEL, Entstehung der Perikopen des Römischen Meßbuches, Freiburg i. B. 1907 (Ergänzungshefte zu den Stimmen aus Maria-Laach LXXXXVI). Dieser Sonntag kann sich vom 25. Oktober bis 26. November verschieben. Die Krönungen von 900 und 925 lagen außerhalb dieser Spanne, s. J'vf. L. R. BEAvE:-.~, The Regnal Dates of A!fred etc., in English Historical Review XXXII, 1917 S. 5 I7 ff. Für die folgenden bis zu Edgar, dessen Ordo wir haben, und der deshalb ausscheidet, sind die Daten nicht bekannt. Aber
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
schlossen ist eine Messe, die aus den altbekannten >Missae pro rege< bzw. >tempore belli< zusammengesetzt ist 27 • Sachlich bedeutet das alles nichts Neues, es dient nur der ( S. I 61 :) Verzahnung der Königsweihe mit der Grundform des Gottesdienstes.
Die Entstehung der beiden Fassungen Wie ist der Ordo in die >Leofric<-Fassung des Sakramentars gekommen, aus der er mit Erweiterungen in die sonst nicht unmittelbar auf >Leofric< zurückführbare >Eg· bert<-Fassung überging? Nirgends ergab sich ein Anhalt, daß er für eine bestimmte Krönung angefertigt wurde. Sein Platz inmitten anderer Weihen läßt vielmehr darauf schließen, daß er um der Vollständigkeit willen aufgesetzt wurde. Daher hängt er auch fest mit dem Sakramentartext zusammen. Wir sahen schon, daß die Bischofsweihe auf den Anfang der >Egbert<-Fassung einwirkte 28 , daß einzelne Benediktionen aus dem >Sacramentarium Gelasianum< stammten 29 • Aus diesem hat er sie auch in die Consecratio virginum übernommen 30 • Andererseits sind sie aus dem Königsordo mit Sätzen, die diesem eigen sind, in die >Egbert<-Fassung der Abtweihe hinübergewandert31. Kurz: hier besteht ein Geben und Nehmen, das den Ordo als mit dem Gesamttext entstanden und mit ihm gewachsen erweist. Rufen wir uns nun noch einmal ins Gedächtnis, daß dieses Werk wie der Ordo ganz durch festländische Vorlagen bestimmt ist, daß es gleich sehr viel verlangt worden sein muß und durch dieselbe Werkstatt beim Abschreiben weiter vervollkommnet wurde, halten wir dazu das Datum des Ordo (zwischen Anfang 10. Jahrh. und 973), und wir sind am Ziel: wir haben den festen Boden historischer Tatsachen erreicht. Was eben festgestellt wurde, paßt nicht nur zeitlich, sondern gehört auch sachlich und geistig zu jenem Prozeß, den man die englische Kirchenreform des 10. Jahrhunderts nennt. Wir erinnern an ihre wichtigsten Daten: Schon in den vierziger Jahren hat DuNSTAN als Abt von Glastonbury mit seiner Wirksamkeit begonnen32 • Aber im folgenden (S. 162.') Jahrzehnt hat er diese Würde zugleich mit dem Einfluß am Hof verloren. Er lebt als Verbannter zu St. Peter in Blandain bei Gent, hat dort sicherlich unter dem Eindruck der kontinentalen Reform gestanden, die reichlich summarisch
dieser Weg, der beim Ordo B zum Ziel führte, ist hier überhaupt ungangbar: ebenso wie für die Altar- und die Kirchenweihe (GREE'lWELL a. a. 0. S. 39f., 49f.) Bibelstellen ausgewählt sind, die sich auf diese Vorgänge beziehen, so für die Königskrönung die Geschichte mit dem berühmten Wort: »Gebet dem Kaiser usw.«. 27 TH. KLAUSER machte darauf aufmerksam, daß die geistlichen Weihen inner h a 1b der
Messe vollzogen wurden. 28 S. oben S. I6o (jetzt S. I75).
29 S. oben S. I 57 (jetzt S. I 73). 30 >Leofric< S. 343 in der ursprünglichen Verwendung; >Egbert< S. I09 nach gleichem Anfang durch andere Teile ersetzt. 3I >Eghert< S. I05; >Leofric< S. 344 steht dafür ein anderes Gebet. 32 ] . A. RoniNSO'J, The Timcs of S. Dunstan, Oxford I923.
Entstehung der beiden Fassungen
177
unter dem Namen Cluny zusammengefaßt wird, und ist dann nach der Thronbesteigung Edgars (9 57) in die Heimat zurückgekehrt. Er wird kurz nacheinander Bischof von Worcester, von London, dann 96o Erzbischof von Canterbury, so daß er nun seine Absichten in der englischen Kirche zu voller Geltung bringen kann. Sein Schüler Oswald wird 962 Bischof von Worcester, steigt dann bald zum Erzbischof von York auf und bringt so den neuenGeist nach Norden. Wichtig als Helfer ist vor allem Aethel wold, dem Hlg. Dunstarr schon seit Glastonbury verbunden, der nun 963 von ihm zum Bischof von Winchester gemacht wird33 • Er besorgt die angelsächsische Übersetzung der Benediktinerregel, die der König verlangt; er verfaßt für die Mönche eine >regu!aris concordia<, und an seinem Sitz entwickelt sich ein Scriptorium, das bald durch seine Miniaturen berühmt wird. Hier möchte man am ehesten jene emsige Werkstatt suchen, aus der das Sakramentar und mit ihm der Ordo hervorging. Vielleicht finden sich noch Anhalte, um diese Vermutung zu stützen; aber auch dann würde es gerechtfertigt scheinen, diesem Werk den Namen des Hlg. Dunstan zu belassen. Denn mögen andere die Ausführung geleitet, die Weiterbildung überwacht haben, so bleibt doch Dunstarr der Erwecker, Beweger und Leiter der Reform und alles dessen, was sie hervorgebracht hat. In diesem Sinne sprechen wir von jetzt ab von dem >Ürdo des Hlg. Dunstan <,der uns in zwei Fassungen vorliegt: der älteren >Leofric<-Fassung und der jüngeren, überarbeiteten und erweiterten >Egbert<-Fassung 34 •
Geschichtliche Auswertung des >Dunstan-Ordo< ( S. 163 :) In bezug auf die Herrschajtszeichen, die vermerkt werden, wollen wir uns möglichst knapp fassen. Szepter und Stab mögen vorher bekannt gewesen sein; aber erst in der >EgbertErdmannschen 3 3 Ein Benediktionale, das für ihn angefertigt wurde, im Besitz des Herzogs von Devonsbire beschrieb ] . GAGE in Archaeologia XXIV, !834 S. I-Iq. 34 F. LIEBERMANN, Die Gesetze der Angelsachsen, Halle 1903 ff. (jetzt neu gedruckt), glaubte die Hs. aus Alet um 900 ansetzen zu müssen. Dadurch ergab sich der Schluß: >>mindestens ins 9· Jahrhundert muß die Liturgie samt dem Eide hinaufreichen«. Deshalb hielt er, obwohl er die alte Berufung auf
I 2
Schramm, Aufsätze 1l
das ja irrtümlich benannte >Egbert<-Sakramentar preisgab, doch eine Entstehung in Egberts Zeit für möglich; vgl. II, 2 S. 557, 562, III S. 144, 145. H. A. WILSON dachte an dieselbe Zeit, vgl. oben S. 151 (jetzt: S. 169); weitere Vertreter dieser Meinung aufzuzählen, erübrigt sich. \'V OOLLEY, Coronation Rites (s. S. 141 Anm. 2) S. 58-6o kommt zu dem Ergebnis, daß man nur sagen könne, der Dunstan-Ordo sei älter als Ordo F. -s. jetzt auch Anlage I.
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
Ordo< 35 und ebenso zu dem der Judith. In diesem lag eine Formel für die Übergabe der Krone vor; sie ist nicht übernomm en, obwohl das vorausgehe nde und das anschließen de Gebet entlehnt wurden. Sie muß also bewußt übersprung en sein. Da andererseit s die Bibel hier nicht bestimmen d gewesen sein kann, bleibt nur der einheimisch e, auch durch Münzen36 belegte Brauch als Erklärung. Dieser räumte also noch im ro. Jahrhunde rt dem Helm einen Vorrang vor der Krone ein. Das schließt natürlich nicht aus, daß auch die Krone schon benutzt wurde. Deshalb braucht man die um rooo aufgezeich nete Erzählung, daß Dunstarr 956 den jungen König Eadwig tadeln mußte, weil er unwürdig mit seiner Krone umging 37 , nicht damit beiseite zu schieben, daß hier spätere Anschauun gen zurückverl egt seien. Denn es kann sich nicht um eine (S. I1f4.) Alternative , sondern nur um einen Vorrang handeln, wobei man sich vor Augen halten muß, daß zwischen dem damaligen Bandhelm mit einem goldverzie rten Grundreif und einer Bügelkrone , die sich ja schon im 9.]ahrhund ert nachweisen läßt, kein allzu großer Unterschie d bestand38 • Aus der Geistlichke it, die diese Herrschafts zeichen überreicht, hebt sich noch nicht ein einzelner heraus. Gemeinsam salben die Bischöfe den König, gemeinsam reichen sie ihm den Helm. Bei dem Stab ist die Frage offengelassen, während das Szepter von den Bischöfen und Fürsten übergeben wird. Man darf das wohl so deuten, daß der alte, hier nach der antik-konti nentalen Form des Szepters geformte Herrscherstab im besonderen für die Einweisun g in die Herrschaft dient und wegen ihrer damaligen Doppelnat ur von den Spitzen des geistlichen und des weltlichen Standes gemeinsam überreicht wird. Abschließe nd bringt das Volk mit den Bischöfen -nach >Egbert< auch mit den Presbytern - dem König den Heilruf dar, der nach alttestamen tlichem Muster geformt ist, aber germanisch em Brauch entspricht. Dann erfolgt die Thronset zung, bei der festzuhalte n ist, daß sie schon in der >Leofric<-Fassung, also vor Benutzung der westfränkis chen und deutschen Ordines, verlangt wird. Sie darf also als Beweis für dauernde Bewahrung dieses germanisch en Brauches in England39 gewertet werden. Dieser Akt geschieht »mit dem Segen des ganzen Volkes« und schließt mit dem Kuß der Fürsten, der als >Lehnsku ß< zu 35 S. S. 159 (jetzt: S. 175). 36 Die Münzen Aethelstans (924-41) zeigen einen Helm mit vierfach gezacktem Reif, andere Stücke nur diesen, der unter Knut zur >Lilienkrone< ausgestaltet \drd; vgl. C. DAVE~PORT, The English Regalia, London 1897 S. 2r. 37 Vita S. Dunstani auctore B., bei W. SruBBS, Memorials of S. Dunstan, London 1874 (Rer. Brit. m. ae. SS. 63) S. 32f. Danach war die Krone aus Gold, Silber und Steinen ge-
fertigt, entsprach also denen des Kontinents. - S. auch LrEBERMA~~ a. a. 0. II, 2 S. 56o s. v.: Krone. 38 V gl. dazu jetzt oben S. 99 ff.: Die Bügelkrone, ein Karolingisch es Herrschaftsze ichen. 39 Reallexikon (s. Anm. 40) S. 538f.: Hochsitz; hier Belege aus dem >Beowulf<. Der cynestoi als Symbol für Edgars Macht, in The AngloSaxon Chronicle ed. B. THORPE I, London 186r (Rer. Brit. m. ae. SS. XXIII) S. 227 ad a. 975·
Geschichtlich e Auswertung des Dunstan-Ord os
I79
deuten ist4°. Daß sie ihn mit einem ( 5. I 6J :) >Amen< bekräftigen , zeigt noch einmal, wie stark kirchlich-a lttestament licher Brauch die Form der ursprüngli ch weltlichen Handlung überzieht. Es fragt sich, wie sich diese Akte zu der >Wahl< verhalten, die auch im England des ro. Jahrhunder ts, als die Krone sich im Hause Alfreds des Großen vererbte, in der Form der >Auswahl< aus der stirps regia ihre Bedeutung behielt und im I I. Jahrhundert dann als freie Wahl ausgeübt worden ist. Über sie erfahren wir aus dem Ordo im Gegensatz zu dem westfränkis chen gar nichts; denn sie wird als schon vollzogen und abgeschlossen einfach vorausgese tzt. So wird auch nicht eine Befragung des Volkes nachgeholt bzw. wiederholt . Was in England am Schluß der geistlichen Einweisung in die Herrschaft geschieht, ist die weltliche Wiederhol ung in der Form der Thronset zung, die von der Huldigung umrahmt wird. Diese ist, soweit Eide verlangt werden, eine noch zu ergänzende Handlung.
Untertanemid und Verpflichtung des Königs Damit kommen wir auf die Frage, wie nun der durch Wahl, Salbung, Investitur, Krönung, Thronsetzu ng und Huldigung vollzogene Wechsel in der Herrschaft auf die Dauer gesichert, wie das zwischen Fürst und Untertanen geschaffene Wechselverhältnis rechtlich ausgeform t wird. Soweit es die Untertanen angeht, finden wir die Antwort außerhalb des Ordo. Wir wissen, daß König Edmund (940-46) den auf dem Festland schon lange bekannten Untertan eneid verlangte41 • So wäre formal zu sagen; denn ( 5. I 66:) materiell handelt es sich um eine Verdichtun g der gegenseitig en Verpflichtu ngen zwischen Fürst und Volk zu einem wörtlich festgelegte n und allgemein eingeholten Eide- ein Vorgang, bei dem das Frankenrei ch gleichfalls Pate gestanden 40 MITTElS S. 497 ff. (Der dort genannte Aufsatz von E. CHEN0:--1 führt nicht '"'eiter, da er nur Frankreich betrifft und Belege erst vom !2. Jahrhundert an bringt). LIEBERMAXN Il, 2 S. 563 führt nur den Kuß beim Halsfang und den gleichfalls nicht in Betracht kommenden geistlichen Friedenkuß auf, zu dem Realencyklop . f. Prot. Theol. VP, Leipzig I899 S. 274f. zu vergleichen ist; allg. s. auch Du CANGE, Gloss. lat. IV, r845 S. 741 ff. und J. GRniM, Deutsche Rechtsaltertü mer I 4 , Leipzig r 899 S. 705. - Es handelt sich also um das Eindringen einer vasallitischen Geste, also um ein Symptom für den Prozeß, den MrTTEIS auf dem Kontinent verfolgte und LIEBERMAN"' II, 2 S. 476f., 557 auch in Eng-
land feststellte.- Der Text ist hier durch den Lombardisch en Ordo (vgl. Anm. 20) gesichert. Da die englische Tradition hier später von ihm abweicht, kommt noch die französische zu Hilfe (vgl. Ordo G § 2 3) : hier ist der Kuß zum Friedenskuß, den der König gibt, umgewandel t. 41 W. ScHÜCKING, Der Regierungsa ntritt I, Leipzig 1899 S. 195 gemäß dem Gesetz III. Edmund I bei LIEBERMANN I S. I90, dazu III S. I29, der II S. 557 mit H. BRuNXER (jetzt: Deutsche Rechtsgeschi chte, bearb. von CL. FRH. v. ScHWERIN II 2 , :tvfünchen, Leipzig 1928 S. 87) westfränkisch e Beeinflussung annimmt.
r8o
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
hat42 • Daß davon nichts im Ordo verlautet, versteht sich von selbst; denn dieser Schwur war im Lande selbst vor dem König oder seinen Beauftragten abzulegen43 • Anders geartet ist die Verpflichtung des Königs, die ebenfalls von jeher bestand44 , und bei der es sich nur fragt, wann sie in feste Formen gefaßt wurde. Wie diese Entwicklung im Westfrankenreic h schrittweise vor sich ging und in die der Krönung einmündete, sahen wir bereits. Für England bietet den ersten Aufschluß unser Ordo; denn er schließt in beiden Fassungen mit drei praecepta, die der König nach seiner Thronsetzung zu verkünden hat. Sie beziehen sich auf Frieden in Kirche und Volk, VerbotvonRaub undUnbillsowie Gerechtigkeit ( aeqttitas) und Milde im Gericht, also auf die drei Aufgaben, die der rex ittsttts auf sich zu nehmen hat. Aber nicht die Form einer Verpflichtung ist gewählt, sondern die von Vorschriften, die an das Volk hinausgehen- die eines mandatttm regis ad popttlttm, wie die Egbert-Fassung es wohl im Anschluß an biblischen Sprachgebrauch , jedenfalls treffend kennzeichnet45 • Überliefert ist das >Mandatum< nur innerhalb des Dunstan-Ordo, von dem es in den Ordo des Abtes Fulrad überging (Text IX). Aus dem >Mandatum< Dunstans stammt dann eine jüngere Fassung, auf die wir bei den Texten VII, VIIa und VIII stoßen werden46 • In der (S. I67.') Überlieferung haben wir demnach keine Anhalte, daß das >Mandatum< älter als der Dunstan-Ordo sein könnte. Hängt es schon mit der Forderung des Untertaneneides zusammen47 ? Spricht aus ihm erst der Geist der Kirchenreform? Der Inhalt ist zu allgemein, als daß man von ihm aus eine Antwort gewinnen könnte. Übernahme eines fertigen Textes, Aufstellung erst für den Ordo beides ist möglich. Jedenfalls liegt kein Grund vor, das >Mandatum< für älter als das ro. Jahrhundert zu halten, und kennzeichnend bleibt die lockere Art der Bindung des Königs in beiden Fällen. Die westfränkische Entwicklung gibt dafür den Maßstab.
2.
ÜRDO FÜR KöNIG EDGAR
(973)
Die kürzere Fassung ( 97J) und die längere (I o66) Der nächste englische Ordo geht unter den Namen des Königs Aethelred (978ror6). Bevor wir zeigen, daß diese Benennung, die auf keine alte Überlieferung zu42 Über die Entwicklung auf dem Kontinent vgl. MrTTEIS S. 43 ff. 43 LrEBERMAI'-<'N II 2 S. 55 7. 44 Dazu F. KER~, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht Leipzig 1915 (z. Auf!., Darmstadt 1954: 3· Auf!. ebd. I962) s. I nff. mit S. 367ff.; über die Pflichten des angelsächsischen Königs s. LrEBERMA.".'N II, 2 S. 55 3 f. 4 5 Diesen schon früher herausgearbeiteten Ge-
gensatz glaubte KERN S. 3 59 unter dem Eindruck derjü11gstenFassun g (vgl. untenS. I7I; jetzt: S. r84) wieder aufheben zu müssen. 46 V gl. die dort gegebenen Nachweise, bes. die bei LIEBERMA~N, sowie über das Ausscheiden des Chartulars von Athelney im Vorwort zu Text VII: Eng!. Übersetzung. 47 ScHÜCKING S. 195 wollte damit die Umwandlung des >Mandatum< in eine Promissio
Ordo für König Edgar (973)
181
rückgeh t, zu Unrecht besteht, ist erst eine längere Bearbeit ung dieses Textes 48 auszuscheid en, die jünger sein muß, weil sie den Vorlage n ferner steht. Hier liegen die Verhältn isse nicht wie bei der >Leofric<- und der >Egbert< -Fassung des Dunstan -Ordo; denn es handelt sich nicht nur um bereiche rnde, die Feierlich keit steigern de und einzelnes besser erläutern de Zusätze, sondern auch um sachlich e Änderun gen im Text, die zeigen, daß bestimm ten Verhältn issen Rechnun g getragen wurde49 • Den ersten Anhalt gibt eine Stelle bei der Thronse tzung: S. (I68:) Kürzere r Text Sta et retine admodum statum, quem hucusque paterna suggestione tenuisti, hereditario tibi iure delegatum ...
Längere r Text (Entsprechungen ge.rperrt) Sta et retine regalem statum, honoris videlicet et regni soliu.w, heredita rio tibi iure delegatu m ...
Der Herrsche r, für den die zweite Fassung bestimm t war, kann kein Königss ohn gewesen sein; denn für den Hinweis auf den Vater ist eine nichtssa gende Wendun g eingeset zt. Aber dieser Herrsch er konnte doch Erbansp rüche geltend machen. Über sein Lebensa lter gibt ein Passus im Gebet: Te invocatJms etc. Auskunf t: Kürzere r Text ... quem- usqHe ad hunc presentem diem ittvenili jlore !aetantem crescere concessisti, eum . . .
Längere r Text ... quem - usque in hunc present em diem per humanfi aetatis incrementa conservasti incolomem, ut eum
Der Fürst stand also nicht mehr in der »Blüte der Jugend« : Da die einzige Handsch rift mit der längeren Fassung aus der zweiten Hälfte des I I. Jahrhun derts stammt, ist die Auswah l nicht groß: Knut trat die Herrsch aft Init ganz jungen Jahren an, Harald konnte keine Erbansp rüche machen, die übrigen waren Königss öhne. So bleibt nur Wilhelm der Erobere r, der sich bekannt lich Init Nachdru ck auf seinen Erbansp ruch bezogen hat und etwa 39 Jahre alt war50 , als er Weihnac hten 1066 in Canterb ury die englisch e Krone empfing . Er war also in dem zusammen bringen, die erst für 973 vorgenommen wurde; vgl. S. 171 f. (jetzt: S. r84f.). Man müßte also schon an C:as Mandat selbst denken. 48 Vgl. Text VII unter: Hss. und: Drucke. 49 Das hat \'VrLSO'i S. 483 verkannt, der sie als »on the whole curious rather than imporrant« bezeichne t. ]. W. LEGG, Three Coronation Orders, London 1900 (Henry Bradshaw Socicty 19) S. XXXIX (vor seiner Edition der längeren Fassung) hat die Unterschi ede
aufgezähl t, ging aber ihren Motiven nicht nach. 50 E. A. FREEMAN, The Hist. of the Norman Conquest II, Oxford 1868 S. 583ff.: The Birth of William (vermutlic h 1027 oder auch 1028); so auch F. M. STE:-·no:-.~, William the Conquero r and the Rule of the Normans , New York-Lon don 1908 (Heroes of the Nation) S. 64; so auch D. C. DouGLAS, W. the Conquero r, London I 964 (Deutsch: Stuttgart 1966 S. 25).
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3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
weiten Sinn des mittelalterlichen Wortes wohl noch ein iuvmis 5\ stand aber doch nicht mehr im Alter eines iuveni!i jlore laetans. ( S. I69:) Der längere Text ist also nicht nur eine reichere Unterform, sondern vor allem die wohlüberlegte Bearbeitung des angelsächsischen Formulars für die Legalisierung des normannischen Eroberers. Was der Text als Dokument für eines der wichtigsten Ereignisse in der englischen Geschichte aussagt, und 'was andere Quellen, den Ordo ergänzend, über die Krönung mitteilen, kann hier nicht angerührt werden. w-ir bleiben nunmehr im I o. ] ahrhundert und nehmen den V orteil wahr, daß wir es jetzt nur noch mit einem einzigen Text zu tun haben, der mehrfach, aber im ganzen einheitlich überliefert ist. \Vir mustern ihn darauf, ob sich unter den Abweichungen von den Vorlagen gleichfalls Änderungen finden, die sachlich bedingt sein müssen. Es stellt sich folgendes heraus : Deutscher Ordo § Io. (Gebet: 0. s. Deus creator etc.) ut - g!orificatus, ad paternum decenter solium tua miseratione conscendere mereatur.
Ordo F § 6. (ebd.) ... ut - glorificatus, per longum vitae spatium paternae apicem gloriae tua miseratione UJlatim stabilire et gubemare mereatur.
An der Ausdrucksweise der Vorlage Anstoß nehmen konnte man nur, wenn man einen Herrscher im Auge hatte, der nicht erst den Thron >bestieg<, sondern schon früher irgendwie herrschte, so daß man ihm jetzt nur noch >bewahren< wünschen konnte. Auch darf man aus der Änderung herauslesen, daß dieser Fürst noch ein langes Leben erhoffen durfte, daß sein Vater König gewesen war und ein rühmliches Andenken hinterlassen hatte. Der König, auf den all dies zutrifft, ist schnell gefunden. Er muß nach 96o gekrönt sein; denn erst in dieser Zeit entstand der Stammtext, und er muß vor 986 die Krone empfangen haben; denn damals starb schon der Abt Ratold von Corbie, derwie wir im Schlußabschnitt sehen werden52 - einen Ordo empfing, in dem unser Text bereits (S. IJO.') benutzt ist. 975 kam Edward der Märtyrer, 978 Aethelred II. zur Regierung; aber auf sie passen die Angaben nur zum Teil. So bleibt innerhalb der in Betracht kommenden Zeit nur König Edgar 53 • Er wurde seinem älteren Bruder, 5r A. HoFMEISTER, Puer, iuvenis, senex, in Papsttum und Kaisertum. . . P. KEHR zum 65. Geburtstag dargebracht, München 1926 S. 287-316 zeigte, daß iuvenis den Mann zwischen 21-28 und 49-50 Jahren umfaßt.
52 Vgl. unten S. 183 (jetzt: S. 192f.). 53 TH. HoDGKIN, The Hist. of Eng!. from the Earliest Times to the Norman Conquest, London, New impr. 1920 (The Polit. Hist. of Eng!. I; inzwischen neu aufgelegt) S. 339 ff.
Die Vorlagen des Edgar-Ord os
dem schwache n König Edwi, 957 erst als Gegenkö nig gegenübe rgestellt, dann- die Einzelhei ten sind undeutlic h - als König von Mercia beigeordn et. Als Edwi 959 starb, folgte ihm Edgar als Alleinher rscher. Seine Krönung zog er aus Gründen, die nicht völlig durchsich tig sind54, bis 973 hinaus. Dann erst empfing er am Sonntag Quasimod ogeniti zu Bath durch den Hl. Dunstan die Krone. Er war erst 29 Jahre alt und regierte damals schon I6 bzw. I4 Jahre. Sein Vater war der König Edred gewesen, von dem man nicht viel weiß, der sich aber auf alle Fälle bewährt hatte: es stimmt alles zu dem, was wir aus dem Ordo herauslase n. Wir dürfen ihn nunmehr den >Ürdo des Königs Edgar von 973< nennen55 •
Benutzung und Abwandlung von Vorlagen ( S. IJ I.) Die benutzten Vorlagen sind leicht zusamme nzustellen : r. Ordo für die Krönung Karls des Kahlen in Metz 869, nur herangez ogen für
eine lange Benedikti on vor der Thronsetz ung. 2. >Erdma nnscher Ordo<, westfränk isch um 900 (Ordo C §§ 5, 6, 7, 8, 9, Io, I I, I9, 20, 22-26), 3· >Deutsc her Ordo< aus St. Alban in Mainz um 960 (§§ Io, I3, I6, I9), 4· Angelsäch sischer >Ürdo des Hlg. Dunstan < um 965: Egbert- Fassung (Ordo E §§ 9, I, Ia, 2, 2a, 3, Sb, 7, 4a, 5, 6), dazu 5.-6. die Bibel für drei Antiphon en und ein Sakram entar56 für die Messe. Es gibt nichtein e selbständ ige Formel. Die wenigen selbständ igen Überliefe rungsworte ergeben sich durch den Zusamme nhang, so daß auch hier nichts eigenes zu54 TH. PLUMMER in seiner Ausgabe: Two of the Saxon Chronicles parallel II, Oxford I 899 S. I6of. zeigt, daß die spätere Begründun g durch eine siebenjährig e Buße Legende ist; so auch MARe BLOCH, Les rois tbaumaturg es, Strasbourg- Paris I924 (Pub!. de Ia Fac. des Jettres de l'Univ. de Strasbourg XIX) S. 467 (Neudruck : Paris I96I S. 467). Nach RoBERTSON und \XI. STUBBS, Memorials of St. Dunstan, London I874 (Rer. Brit. m. ae. SS. LXIII) S. CI wollte Edgar durch seine Krönung die Oberherrsc haft über Großbritan nien zum Ausdruck bringen. Ihnen schlossen sich PLUMMER a. a. 0. und LIEBERMA'-'N a. a. 0. II, 2 S. 329 an. Sicherlich entsprach die Krönung einem Wunsch der Kirchenpar tei. Die Entwicklun g in Deutschlan d mag
mitgesproc hen haben; vgl. die Benutzung des Deutschen Ordo. 55 Über die zum seihen Ergebnis kommende , aber nicht genügend gestützte Datierung von ]. H. RAMSAY vergleiche unten S. I78 Anm. 2 (jetzt: S. I89 Anm. 78). - Die Verse auf Edgars Krönung in der Angelsächs . Chronik ad a. 973 (ed. Pw~IMER a. a. 0. I S. rr8) stecken so voll chronologi scher Angaben, daß sie wohl erst für die Annalen aufgestellt wurden, also nicht wie die für Odo (vgl. Text III C) hier in Betracht kommen; so auch A. BRA"fDL bei H. P AUL, Grundriß der German. Philol. II, I, Straßburg I90I ff. S. I078. 56 Über dessen Charakter vgl. S. 229f. Anm. 5 (jetzt: S. 240 Anm. 77).
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
tage tritt oder alter Brauch deutlich wird. Das neue liegt also allein darin, daß westfränkische und deutsche Ordnung übernommen sind. Dieser Vorgang zeigte sich schon bei den beiden Fassungen des Dunstan-Ordo, ist hier also nur noch verstärkt. Sachlich hat sich dadurch die Investitur verändert: sie ist jetzt noch weiter vergeistlicht; denn nun werden auch Ring und Schwert liturgisch übergeben. Bezeichnend ist, daß der Helm der Krone Platz gemacht hat: dabei bleibt es nun für alle Zeiten57 • Der Baculus wird nach deutschemVorbild jetzt Virga genannt. Eine wichtige Wandlung hat das >Mandatum regis< durchgemacht: bisher am Schluß angehängt, hat es nun seinen Platz am Beginn der kirchlichen Handlung gefunden. Dabei ist es in eine >Promissio< umgewandelt, die nun den angelsächsischen König bindet wie den westfränkischen und eine Voraussetzung für die Erteilung der Salbung bildet58 • (5. 172:) Voraus geht das >Tedeum<, das in den westfränkischen Vorlagen die Befragung des Volkes nach der >Promissio< abschließt: ein Hinweis, daß die Wahlelemente bewußt beseitigt sind, und da eine Befreiung des Königtums von der Wahl überhaupt für diese Zeit als Ziel noch nicht in Betracht kommt59 , ein abermaliger Beleg, daß es sich um die Krönung Edgars, des vor Jahr und Tag >Gewählten<, handelt. Damit mag gleichfalls zusammenhängen, daß auch die Huldigung der Fürsten durch Kuß ausgemerzt und der Vivatruf des Volkes in eine Antiphon umgewandelt ist, also nur von Geistlichen vorgetragen wird. Salbung und Thronsetzung sind nicht geändert, nur reicher ausgestattet. Es ergibt sich demnach folgendes Bild für die Entwicklung der englischen Krönung in der Zeit von etwa 96o bis 97 3 : Dunstan-Ordo:
Edgar-Ordo
Leofric-Fassung:
Egbert-Fassung:
Salbung
Salbung Gewere durch Szepter und Baculus Krönung mit Helm
57 Vgl. oben S. r63 (jetzt: S. rnf.). 58 LrEBERMA.c'lN a. a. 0. III S. 145 übersetzte sicherlich mit Recht den Zusatz noslro arbitrio im Eid: >nach unserem Willen<= soweit wir können. Es handelt sich also um eine weitere Anpassung an die Ich-Form und nicht um mehr.- Vgl. auch oben S. r66 Anm. 4 (jetzt: S. r8o Anm. 45).
Promissio Salbung Gewere durch Ring und Schwert Krönung mit Krone Gewere durch Szepter und Virga
59 So heißt es ja auch in§ z: ab episcopis et a plebe e!ectus. In einer bei LIEBERMANN II, z S. 55 7 zitierten Urkunde Aethelreds II. von c. 993 heißt es über 975: tttriusque ordinis optimales ad regni gubernacu!a fratrem meum Eadwardum e!egerunt. Auch die Chroniken kennzeichnen
dies Ereignis als Wahl.
Geschichtliche Auswertung des Edgar-Ordos
Thronsetzun g u. Huldigung Mandatum
Thronsetzun g u. Huldigung Mandatum
Thronsetzun g
Wir können hier aus weiteren Untersuchun gen60 vorausnehme n, daß der EdgarOrdo bis zum 12. Jahrhundert (S. q;:) gültig blieb, daß also der Text, der für die Krönung Wilhelms des Eroberers hergerichtet wurde, hier nichts änderte61 •
Geschichtliche Auswertung des >Edgar-Ordo< In die Ordines ist der Gedanke der Volksbefra gung erst wieder im Anfang des 12. Jahrhunderts , diesmal aus Deutschland, eingedrungen62 , um von nun an seinen Platz in den englischen Krönungsord nungen zu behaupten63 • Die schriftliche Festlegung entwickelt sich also gerade entgegengese tzt zum Ablauf der Tatsachen. Als Wahl und Volksbefragu ng Formalien zu werden beginnen, heben die Texte wieder von ihnen zu reden an. Als wesentlich Neues bringt der >Edgar-Ord o<eineKrön ung auch der Königin. Sie ist ganz nach dem westfränkisch en Vorbild gestaltet, besteht also aus Salbung sowie Übergabe von Ring und Krone. Dadurch wurde der Gemahlin des angelsächsischen Herrschers eine Stellung eingeräumt, die sie bisher nicht besaß 64 • Noch Edgars Frau wird der Titel Königin nicht regelmäßig eingeräumt, und sogar um rooo war nicht selbstverstän dlich, daß der Gemahlin des Herrschers eine Krone zukam65. Eine Ausnahme hatte nur Judith, die Gemahlin Aethelwulfs gemacht, die 8 56 gekrönt worden war und neben ihm auf dem Thron saß. Aber sie war eine fränkische Prinzessin gewesen, deren Krönung Hinkmar von Reims leitete, und ihre Sonderstellung hatten die Annales Bertiniani ausdrücklich hervorgehob en66 • Der damals benutzte Ordo67 war für den ( S. I 7 4.") Dunstans verwertet worden68 ; so war Gelegenheit gegeben, ihn nun auch wieder für die Königin zu benutzen. Das ist nicht geschehen; Vorlage ist allein der >Erdmannsehe Ordo <. 6o Ordines-Studie n III, im Archiv für Urkundenforschung XV, I938 S. 3I9 über den seit mindestens II54 benutzten >Anselm-Ordo<. 6r Über ihn vgl. S. I 68 (jetzt: S. r 8 I f.). 62 Vgl. den
63 Vgl. einen Beleg S. 148 f. Anm. 3 (jetzt: S. I64 Anm. 85). 64 Über die ihr gleichzeitig zukommende Ehrenstellung beim Krönungsmahl vgl. unten S. 179 (jetzt: S. r9of.). 65 LIEBERMAN?-1 Il, 2 S. 5 50. 66 Ann. Bert. ad a. 856, rec. G. WArTz (Script. rer. germ. in us. schal. r883) S. 47: Edi!vu!j ... eam . . . reginae nomi:ze insignit, quod sibi suaeque genti eatenus fuerat insuetum. Vgl. auch AssER c. 13, ed. STEVENSaN S. rr. 67 Vgl. oben S. I20 (jetzt: S. 142). 68 Vgl. oben S. 157 (jetzt: S. 173).
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3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
Die Königin soll am Haupte gesalbt werden, wie der Dunstan-Ordo es gemäß dem alttestamentliche n Vorbild für den König vorschrieb. Der im Edgar-Ordo benutzte deutsche Text kannte noch weitere Salbstellen; doch spricht nichts dafür, daß für den König dieser Brauch damals übernommen wurde69 • Das für die Königin verwandte Öl wird sacri zmguinis oleum genannt. Aelfric spricht - gleichfalls nicht eindeutig - in einer seiner Homilien davon, daß der König »mit geheiligtem Öl« geweiht wurde7°. Die Frage, ob der König mit Chrisma oder gemäß dem Deutschen Ordo mit dem niedriger gewerteten Katechumenen- Öl zu salben sei, wird eindeutig erst um I Ioo durch den >Normannischen Anonymus< dahin beantwortet, daß für König und Priester dasselbe Öl, also Chrisma, verwandt wurde 71 • ( S. IJ ;:) Wichtig ist geworden, daß für die Thronsetzung die deutsche Formel, die damals einzige ihrer Art, eingesetzt wurde. Dadurch ist dieser Akt in England durch alle Jahrhunderte bewahrt geblieben und hat nun seinerseits den Anstoß gegeben, daß sich im Mittelalter um den englischen Thron, >King Edwards Chair< mit dem >Fatal Marble Stone<, historische Legenden spalli1en wie um das solium der deutschen Formel, Karls des Großen Steinthron im Aachener Münster. Der Verfasser hat sich sehr angelegen sein lassen, die Übergabeformel n immer mit einem Gebet zu verbinden, was für die ganze weitere Entwicklung des Krönungsbrauches richtungweisend blieb. Für das S eh wert nahm er aus der Egbert-Fassung ein Meßgebet, in das er den bezeichnenden Einschub virtute gladii spiritualis hineinbrachte: das Königsschwert als geistliches Schwert, eine Auslegung, die nur in England denkbar scheint und da auch nur unter einem König, der gegen breiten Widerstand den Kirchenreforme rn die Bahn brach und Schutz leistete. Insofern konnte man sein Schwert als >geistliches< bezeichnen - allerdings in einem andern Sinne als dem gewöhnlichen mittelalterlichen72 • Als Beitrag zu der Frage, welche Ansprüche der angelsächsische König des 10. Jahrhunderts erhob, verzeichnen wir noch die Namen, mit welchen die beherrschten Ge biete bezeichnet sind. Hauptfassung ist regnum Anglorum sive Saxonum, dane69 Das nimmt W1LSO'-! S. 485 an, ohne Belege zu haben. 70 Zitiert bei L1EBERMAN:N II S. 562 s. v.: Krönung § 6a. 71 Die Texte des Normann. Anon. hrsg. von K. PELLENS, Wiesbaden 1966 (Veröffentl. des Inst. f. Europ. Gesch., Mainz, Bd. 42) S. 134, 14of. (früher: »Anon. von York«). H. BöHMER, Staat und Kirche in England ... im XI. und XII. Jahrhundert, Leipzig 1899 S. 229 und 239; ebd. S. 227 über die Auslegung der Salbung beim Anon. Die weitere Entwicklung kurz bei I. H. RAMSAY, in Athe-
naeum 29. March 1902 S. 401; LEGG, Records S. XXXVII. - Über die Salböle und ihre Bedeutung vgl. E1CHMANN, Königs- und Bischofsweihe a. a. 0. S. 2 I f. usw. 72 Ein Absatz aus der Benedictio dieses Ordo war in den Erdmannsehen als Krönungsgebet übergegangen und wanderte als solches in den Edgar-Ordo (§ 14). Daß bei dem Rückgriff auf den Stammtext eine Wiederholung entstanden wäre, hat der Redaktor gemerkt; er hat deshalb den Abschnitt in der Benedic· tio (§ 19) weggelassen.
Auswertun g und Redaktor des Edgar-Ord os
ben73 sind regnum Aibionis und regnum Saxonum, Merciorum NordanhmzbrorumqNe belegt. Parallelen ( S. I76:) finden sich besonders in den Urkunden , aber auch in andern Texten74, unter denen jetzt der Ordo Wilhelms I. mit zu beachten ist.
Der Redaktor des Ordo Die Arbeitswe ise des Redaktor s liegt offen zutage. Er hat den ganzen Bestand des >Dunstan -Ordo<- und zwar den seiner zweiten Fassung - bewahrt, aber mehrfach umgestell t. Abgesehe n von der Umwand lung des Mandats in eine >Promissio<, gab Anlaß die Ausgesta ltung der Investitur , für die im ganzen wie im einzelnen die westfränkisch e Vorlage die Richtung wies. Der >Deutsche Ordo< diente wie der von 869 dazu, den so gewonne nen Rahmen noch reicher auszuschm ücken; nur bei der Übergabe des Stabes ist er dem westfränk ischen vorgezog en worden - vermutlic h weil seine Formel reicher und vielsagen der war. An einer andern Stelle (§ 6), wo beide Vorlagen auseinand ergingen, hat der Redaktor dadurch einen Ausweg gefunden , daß er die verschied en lautenden Abschnit te aneinande rhängte. Läßt sich nun über den Redaktor etwas ausmache n? Er kann der Werkstatt , aus welcher der Dunstan- Ordo hervorgin g, nicht ferngesta nden haben; denn auch erbenutzt den >Erdmann schen Ordo<. Aber er bleibt unbekann t. An der Krönung nahmen Dunstan und Oswald als die beiden englische n Erzbischö fe teil: es war so recht ein Fest der siegreiche n Reform zu Ehren ihres königlich en Beschütze rs, und deshalb wäre es auch nicht von großer Bedeutun g, noch näheres zu wissen: der >EdgarOrdo< entstamm t demselbe n Geist, der schon den >Dunstan-Ordo< bestimmt e. Mit dieser Erkenntn is können wir uns begnügen .
Kö";zig Edgars !JIJJbolische Ruderfahrt atif dem River Dee In innerem, aber nicht rechtliche m Zusamme nhang mit dieser Krönung steht die berühmte Szene, wie sechs - nach anderem Zeugnis: acht- Könige der Nordman nen 73 Und zwar auf dem Kontinent, so daß diese Formen möglicherw eise erst hier eingedrungen sind; vgl. Text VII (S. 223f. Anm. 5ff.; jetzt S. 235 A. 3off.). 74 Vgl. bes. E. A. FREEMAo'i, The History of the Notman Conquest in England I, Oxford I867 S. 62off.: The Use of Imperial Titles by the English Kings; auch LIEBER'-IANN II, 2 S. 556. LIEBERMANN II 2 S. 562 meinte, die Titel paßten nicht in Edgars Zeit; er hielt den Ordo deshalb für etwas älter. Aber Königstitel entspreche n meist, wie auch Edgars Urkunden belegen, nicht dem tat-
sächlichen Machtberei ch, sondern enthalten Ansprüche . V gl. außerdem die Verse zu Edgars Andenken in: The Anglo-Sax on Chronicle ed. THORPE I S. 227; dazu II S. 98 = ed. PLUMMER I S. I I9: Her Eadgar gefor. Angla reccent. West Seaxena wine. Myrcene mundbora, worauf ein Preis seines Ansehens »geond feola peoda« folgt; s. ferner die Vita Oswaldi, unten S. q8 (jetzt: S. r88f.).
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3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
sich dem Könige Edgar, der nach Chester mit seiner Flotte gezogen war, durch Eide als Helfer zu Wasser und zu Lande verpilichteten und dann in symbolischer Anerkennung seiner Oberherrschaft auf dem River Dee die Ruder des Bootes ( S. Ill·"J führten, dessen Steuer Edgar hielt75 • Das einmalige Leisten eines konkreten Dienstes als symbolische Unterstellung ist auch auf dem Kontinent wohl bekannt. Es braucht hier nur an die Hofämter der Fürsten beim deutschen Krönungsmahl erinnert zu werden - besser noch an das bis in das hohe Mittelalter geübte Schwerttragen, dem sich der König von Dänemark und der Herzog von Polen unterzogen haben; denn hier ist die Parallele vollkommen, da es sich gleichfalls um fremde Fürsten handelt. Nur die Art des Dienstes ist anders. Hier auf dem Dee entsprach sie der Lebensart der Wikinger, die sich Edgar verpflichteten. Die wahrhaft >königliche< Ehrung des angelsächsischen Königs ist nicht mit den >das Recht stärkenden< Akten, die sich beim westfränkischen Thronwechsel am Ende des 9· Jahrhunderts häuften, zu vergleichen. Dort Bindungen zwischen König und Volk in immer neuer Form, hier ein >außenpolitischer Erfolg< auf Grund einer gefestigten Stellung im Innern, die vor kurzem in der Krönung sichtbaren Ausdruck gefunden hatte. Edgars Nachkommen sind nicht mehr gerudert worden. Sie verloren die I'v1acht; die Oberherrschaft zerflatterte, und dadurch kam es nicht zu einer Verkoppelung dieses symbolischen Dienstes mit der Krönung76 •
Anlage I: Schilderung von Kiinig Edgars Kriimmg (zwischen 99 J-Io oJ) (S. r78:) Der >Edgar-Ordo< ist zwischen 995 und roo5 von einem- dem Namen nach unbekannten - Mönch des Klosters Ramsey benutzt worden, um in seiner >Vita sancti Oswaldi< die Schilderung der Krönung Edgars im Jahre 973 auszuschmücken, also gerade das Ereignis, für das der Ordo hergerichtet wurde77 • Ich 75 PLU:>.IMER I S. 119 = Anglo-Saxon Chron. a. a. 0. S. 224, vgl. II S. 96; Florentii Wigorniensis Chronicon ed. B. THORPE I, London 1848 S. 142f. (der nicht von sechs, sonder;~ acht Königen spricht und sie namentlich anführt); danach Wilhelmi :ivlalmesbiriensis Gesta regum Anglorum ed. W. STUBBS I, London 1887 (Rer. Brit. m. ae. SS. 90) S. 165, Roger de Wendower: Chronica sive Flores hist. I, ed. H. 0. Cox, London 1841 S. 145 und andere Autoren. - PLuMMER II S. r 62 wendet sich gegen die schon
bei Florentius einsetzenden Übertreibungen, aber tritt für einen historischen Kern des Berichts ein. 76 Florentins a. a. 0.: quod dum intraret [J"C. rex pa!atium ], optimatibus fertur dixisse, tuno" demum quemque suorum successorum se gloriari posse regem AnglontJJl fore, cttm tot regibus sibi ob.requentibus potiretur pompa ta!itmz honomm. 77 So und nicht umgekehrt ist das Verhältnis der Vita (s. Text VIIa) und des Ordo schon aus chronologischen Gründen. Philologische kommen noch hinzu; denn der Edgar-
Schilderung von König Edgars Krönung (zwischen 995-roo5)
habe bisher davon abgesehen, diese Tatsache mit zum Beweise heranzuziehen78 ; jetzt darf sie als die Gewißheit verstärkend angeführt werden. Denn der Verfasser kannte den Erzbischof Oswald von York, neben Dunstan ja einen der Hauptbeteiligten an jener Krönung, noch persönlich. So mußte er es leicht haben, nicht nur über den Verlauf des Festes, sondern auch über den benutzten Ordo Kenntnis zu erlangen. Zur Krönung selbst hat der Mönch nichts Wesentliches, das über die Angaben des Ordo hinausginge, beigetragen. Wir erfahren nur, daß die Salbung von den Bischöfen gemeinsam vorgenommen wurde, daß sie die Benediktionen ihrem Range nach sprachen und daß die Investitur vom Erzbischof von Canterbury allein geleitet wurde. Dieser hebt sich also stärker heraus, als in dem Ausgangsordo zum Ausdruck kommt. (S. I79·'J Der Wert des Berichtes liegt in den Angaben über die Ereignisse vorund nach der Krönung. Vorauf geht jene Prozession, deren spätere Gliederung und Rechte aus Aufzeichnungen über die Krönungen Richards I. (r I89) und der Gemahlin Heinrichs rrr. (I z 36) sowie aus weiteren Texten bekannt ist 79 • Sie hat dadurch eine große Bedeutung gewonnen, daß sich aus ihr ein großer Teil der Ansprüche entwickelt hat, die noch heutzutage vom >Court of Claims< vor jeder Krönung entschieden werden und im Tragen der Herrschaftszeich en u. a. m. bestehen. Sie werden erst ein Ergebnis der normannisch-an giovinischen Zeit mit ihrem Rittertum und Feudalismus sein. Jedenfalls schweigt die um rooo aufgezeichnete >Vita Oswaldi< davon. Nach ihr warten Adel und Volk in der Kirche, und nur geistliches Geleite, in sich nach Rang und Weihe gegliedert, führt den König ein, der seine Krone im Gegensatz zu der späteren Zeit auf dem Haupte trägt und sie erst vor dem Altar ablegt. Nach der Krönung findet ein Trinkmahl80 statt, wie es in dieser Zeit auch in Frankreich und Deutschland üblich ist 81 • Da wir es hier und auch 9 5682 auf nichtOrdo steht seinen Vorlagen näher als die Vita, z. B. Deutscher Ordo: Finita autem !etm~ia, erigant se; Edgar-Ordo: Qua ymnizata, erigatur de sa!e; Vita: Finita hymna, elevaz,erttnt episcapi regem a terra usw. usw. - Dem Anonymus hat der Ordo auch bei der voraufgehenden Charakteristik des Königs Edgar vorgeschwebt, die - soweit sie nicht den ausladenden Titel seiner Urkunden paraphrasiert - sich ganz in Wendungen im Stil der Ordincsgebetc bewegt, vgl. besonders: Edgar-Ordo § 6: .. .ldaysi manmetudine fretus, Iasue fortitudine numitus ...
und Vita ed. Raine S. 425: Brat bellicams ut egregiw Psa!tes, ... misericars ut MD)'ses, audax ut Iasue ...
78 Darauf allein gestützt hat J. H. RAMSAY in einer Zuschrift an das Athenaeum 29. März 1902 S. 4or den Ordo für 973 beansprucht. 79 Aufgezählt bei P. E. S., Ordines-Studien III, im Archiv für Urkundenforschun g XV, !938 s. 330ff. So Vgl. im allg. LIEBERMA~ II z S. pzf. s. v.: Biergelage. 8r Vgl. obenS. 138 (jetztS. r56)undBd.IIIbetr . König Otto I. in Aachen (936). 8z Der junge König Eadwig hatte sich vom regale convivium = consartium entfernt und mußte erst von Dunstan ad relictam sedem zurückgeholt werden, da dies V erhalten allgemein kränkte; vgl. Vita S. Dunstani auct. B., bei W. STUBBS, Memorials of S. Dunstan, London r874 (Rer. Brit. m. ae. SS. 63 S. 32f.),
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
karolingischem Boden vorfinden, dürfen wir es als germanischem Brauch entstammend ansprechen. Bei diesem Gelage, dessen Mäßigkeit im Trinken der Verfasser rühmen zu müssen glaubt, läßt der König die beiden Erzbischöfe neben sich in solio sublimato sitzen, d. h. weist ihnen den Platz auf dem Hochsitz an. Währenddessen leisten die Abte und Abtissinnen der Königin, die gleichfalls erhöht sitzt, bei einem parallelen convivium Gesellschaft. Sie hat also auch hier eine Stellung, die der ihr im Edgar-Ordo eingeräumten entsprichta 3 • (S. ISo:) Das Latein des Anonymus, der dieReimprosa erst in beschränktem Umfang verwendet und einzelne biblische Wendungen einfließen läßt, ist durch den Stil des ro. Jahrhunderts bestimmt, der seltene Worte und geschwellte Wendungen liebt. Deshalb ist nicht sicher, wieweit die Einzelangaben wörtlich genommen werden dürfen. Aus den Worten über des Königs Beredsamkeit und das ihm dargebrachte Lob darf man vielleicht auf Preislieder schließen, die Edgar belohnt - es wäre ja nur ein weiterer Zug in diesem Bilde, das eben dem eines nordischen Königs gleicht, der auf dem ondvegi der Königshalle inmitten seiner Mannen den Worten des Skalds lauscht. Die gelehrte Floskel coronatus lauro bedeutet, konkret gefaßt, daß der König auch jetzt einen Kronreif trug, möglicherweise leichter als die eigentliche Krone und deshalb als laurum von diadema abgesetzt. Aureo decoratus hotzore und vestita carbasea veste zeigen König und Königin in Purpurgewände rn mit Gold, was eine ursprünglich nicht germanische Eigenart darstellt. Daß die Kleider der Königin mit Steinen und Perlen benäht sind, ist ein Prunk, wie wir ihn in dieser Zeit ohne weiteres voraussetzen dürfen. Möglicherweise hat der anonyme Vitenschreiber mehr das typische Bild einer Krönung als gerade das der Krönung Edgars gezeichnet. Von unserer Fragestellung aus würde das den Wert seiner Aussage nur erhöhen.
Anlage
2:
Angelsächsische Übersetzung der drei vom König geleisteten Versprechen Der >Edgar-Ordo< schreibt kurz vor, daß der vom Volke Gewählte das dreifache Versprechen ablege. Die >Vita Oswaldi< fügt hinzu, daß es auf Einladung des Erzbischofs hin geschehe. Über das Nähere erfahren wir einiges aus einer angelsächsischen Übersetzung des Eides, die sich wie folgt einführt: »Folgender Urkundentext ist geschrieben Buchstabe für Buchstaben gemäß der Urkunde, welche Erzbischof Dunstan unserm Herrn zu Kingston an jenem Tage, 83 Vgl. oben S. 173 (jetzt: S. 185).
Angelsächs ische Übersetzun g des Königsvers prechens
als dieser zum König geweiht wurde, übergab, und (jener) verbot ihm, (S. 181.") jegliches Versprech en abzugebe n außer folgendem Versprech en, das der (König), wie der Bischof ihm gebot, auf Christi Altar legte: ... «84 Der >Ordo Edgars< liegt zugrunde 85 • Dunstan starb 988. Edgar wurde in Bath 973, sein jüngerer Sohn Aethelred II. vierzehn Tage nach Ostern 978 zu Kingston gekrönt. Wo der ältere, König Edward, 975 erhoben wurde, ist unsicher. Deshalb ist, wie schon LrEBERMANN 86 unterstric h, die Beziehun g auf 978 nicht so gewiß, wie man angenom men hat: es kann auch 975 in Betracht kommen - 973 scheidet wegen der widerspre chenden Ortsanga be aus. Wir haben es hier also schon mit einer dritten Entwickl ungsetapp e des >Mandatum regis< aus dem >Dunstan-Ordo< zu tun. Es mag sein, daß die Jugend der Nachfolg er Edgars die Übersetzu ng schon äußerlich nötig machte; aber für diesen Eid, der den König gegenübe r seinem Volk band, war ja wirklich die diesem vertraute Sprache angemess en, und deshalb erscheine n auch neben den lateinisch en Nachfahr en des Mandatum seit dem 14. Jahrhund ert wieder Übersetzu ngen in der Landessp rache: erst noch französisc he und dann englische . Wir erfahren, daß der Erzbischo f dem König einen >Urkundentext< mit der Eidformel übergab, die dieser- natürlich nach Verlesen derselben 87 - auf dem Altar der ( S. 182 .") Krönungs kirche vor den Versamm elten als Zeugen niederleg te. Das ist genau der Brauch, wie er seit der zweiten Hälfte des 9· Jahrhund erts im Westfran kenreich ausgebild et wurde und in Frankreic h erhalten blieb 88 • Nicht nur die Umbildun g des >Mandatum regis< in eine förmliche >Promissio<, sondern auch die Form, wie sie geleistet wurde, ist durch das kontinent ale Vorbild bestimmt worden. Für die Machtlag e dieser Jahre ist Dunstans Verbot bezeichne nd, weitere Versprechen - wir können sagen: eine Wahlkapi tulation 89 , oder im Hinblick auf spätere Zeit: eine Charter of Liberties - abzugebe n. Hier der noch im Kindesalt er stehende 84 Nach F. LrEBER"A"lNS Übersetzun g. Genaue Nachweise vgl. Text VIII. 85 Vgl. die Anm. cbd., aus denen sich ergibt, daß die Übersetzun g, die laut Eingang und erster Person nur auf den >Edgar-Ordo< zurückgehe n kann, eine Vorlage hatte, in der es noch wie im >Dunstan-O rdo<: nobis statt: mihi et vobis heißt und auch noch: per boc stand. Das ist von Belang für die Überlieferung des >Edgar-Ordo<, von deres-wie die Bezeichnun 1:2;en Englands zeigen (vgl. S. I75, jetzt S. r 86 f.) mehr Stränge gab, als die erhaltenen I-Iss. erkennen lassen. Diese Beobachtunge n schon bei LIEBERMANN a. a. 0. III S. 144, der aus ihnen auf eine Vorlage schloß, die zwischen >Dunstan<- und >Edgar-
86 87
88 89
Ordo< stand- die, ,,-ie wir sagen, eine Nebenform der von diesem erhaltenen Fassung darstellt. A. a. 0. III S. 144 § 6. Vgl. unten S. r82 (jetzt: S. 191). - LrEBERMAc'Vita Oswaldi< und dem Prolog der Übersetzun g (Fragen und Niederlegen). Vgl. oben S. 128 (jetzt: S. 148 f.). Dieser Ausdruck schon bei LrEBERM&"fN III S. 145 (dazu II, 2 S. 5 57); so auch F. KERN, Gottesgnad entum u. Widerstand srecht, Lpz. 1915 (3. Aufl., Darmstadt r962) S. 360.
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
König und hinter ihm der Führer der Reform, der für die Kirche einen nicht gebundenen, jedoch von ihm beeinflußten König braucht 90 , und dort Adel und Volk, denen durch die Kirche Opfer und Einbuße an Einfluß zugemutet wird, denen jeder Thronwechsel und besonders die Herrschaft eines Minderjährigen die Möglichkeit zuwirft, mit Hilfe des alten Wahlrechtes sich V orteile zu sichern - Verhältnisse, denen, wie wir sehen, die verschiedenen Ordines der Zeit Dunstans im Interesse der Kirche und des mit ihm noch identischen des Königs entgegenarbeiteten. Ob die Schriftlichkeit für den Königseid auf die Dauer festgehalten wurde, bleibt im Dunkel. Der Ordo Wilhelms des Eroberers 91 bringt den Zusatz: et clara voce coram Deo omnique populo dicat hoc modo: >Haec tria etc.<. Hier wäre Gelegenheit gewesen, auch etwas über die Niederlegung auf dem Altar nachzutragen.
3·
V AAST 986):
ÜRDO DES ABTEs PuLRAD voN ST. (ZWISCHEN
973
UND
IN ARRAS
NICHT FÜR EIN BESTIMMTES LAND VORGESEHEN
Wir haben die westfränkische Entwicklung verlassen, um der Fortwirkung des >Erdmannschen Ordo< in England ( S. I 83 :) nachzugehen. Hier wurden wir bis in die Jahre 973-978 geführt. Jetzt kehren wir auf den Kontinent zurück, um hier noch einen Text zu prüfen, der sowohl von dem westfränkischen »Erdmannschen« wie von dem angelsächsischen »Edgar-Ordo« abhängig ist. Diese Krönungsordnung, die die französische Reihe eröffnet, da sie von der neuen Dynastie rezipiert wurde, geht bisher unter dem Namen des Ratold.
Ana{yse des Textes Die älteste Handschrift ist der Pariser Cod. r2o5 2 92 • Die Heiligennamen des Kalenders entsprechen dem Kloster St. V aast in Arras. Zusätze bringen weitere Hinweise, die auf Corbie deuten. Erklärung bietet ein Distichon auf Rasur: Abbatis domni stat mentio sancta Rato!di, Istum qui jecit scribere quippe librum.
Danach muß der Abt Ratold von Corbie, der am I 5. März 986 starb, das Sakramentar in St. V aast bestellt haben. Er bekam eine Handschrift, die durch Rasuren und Nachträge für ihre neue Bestimmung zurechtgemacht wurde 93 • Abt in St. V aast war
90 Rechtlich fungierte Dunstau vielleicht als Vormund; s. LIEBERMANN III S. I45· 91 P. E. S., Ordines-Studien III a. a. 0. S. 3qf. 92 Vgl. alles nähere bei Text IX, wo auch Lite-
ratur genannt ist. 93 So schon L. DELISLE, Memoires sur d'anciens sacramentaires, in Mem. de l'Inst. Nat. de France XXXII, r886 S. r89f.
Ordo des Abtes Fulrad von St. V aast (zwischen 973-86)
damals Fulrad, dessen Politik dem Kloster nicht viel Glück gebracht hat. Aber im Reiche der Bildung hatte er seine Stellung, konnte sich im besonderen der Freundschaft des Erzbischofs Dunstan von Canterbury rühmen 94 . Als dieser 988 starb, schrieb Fulrad an seinen Nachfolger: Praedecessoris vestri non oblitterandae memoriae Dunstani memorialis nexilis amicitiae vinculo nodoque ita usi sumus, ut inter amicissimos nobis non secundus haberetur amicus 95 • Auch in den Handschriften spiegelt sich diese Beziehung zwischen England und Arras 96 . Am greifbarsten (S. I84:) ist sie in dem Sakramentar97, vor allem im Königsordo; denn hier liegt der Text zugrunde, der das Ergebnis der Reform Dunstans darstellt: der >Ürdo Edgars< von 973· Da Ratold, der Empfänger jener frühen Abschrift, schon 986 starb, muß die Umarbeitung in St. Vaast demnach zwischen 973 und 986 geschehen sein. Der Ordo ist unter dem Namen des Ratold eingebürgert. Aber dieser hat nicht einmal das Verdienst, daß die Überlieferung nur über ihn auf die Schreibstube von St. V aast zurückgeht 98 . Eine Brüsseler Handschrift hat des öfteren bessere Lesarten als die Pariser, und die gleich aufzuwerfende Frage der Ländernamen zeigt mit aller Deutlichkeit, daß mindestens ein Überlieferungss trang an Ratold vorbeiführt. Sollen wir uns bei solchem Befunde an den üblichen, aber nicht gerechtfertigten Namen halten? Nein, denn er erweckt nur falsche Vorstellungen. Wir ersetzen ihn deshalb durch die Bezeichnung >Ürdo des Fulrad von St. V aast<. Damit soll dieser nicht als Verfasser in Anspruch genommen sein. Das ist möglich, aber auch irgendein Mitglied des Klosters kann die Arbeit geleistet haben. Jedenfalls ist sie unter Pulrads Augen vollzogen worden99. 94 E. SACKUR, Die Cluniacenser II, Halle I 894 (Neudruck: Darmstadt I965) S. I 36; Hauptquelle sind die >Gesta ep. Camerac. <. 95 W. STUBBS, Memorials of S. Dunstan, London I874 (Rer. l3rit. m. ae. SS. 63) S. 383. 96 Die Originalhs. der Vita I. Dunstani von et\va Iooo stammt aus Arras; STCBBS, S. XXXVIII, worauf dieser bereits aufmerksam machte (S. 383 A. 3). -Der Kern des Leofric-Missalc stammte aus St. Vaast, s. Text VT: Hss. 97 ELLARD S. Sz zeigte die Übernahme einzelner geistlicher Ordinationen aus dem angelsächsischen Sakramentar in die Ratold-Hs. Diese Untersuchung wäre noch auszudehnen. 98 V gl. die Anm. zu Anhang r. 99 Zum ursprünglichen Text brachte ich Ergänzungen in: Ordines-Studien II, im Archiv für Urkundenforschun g XIV, 1938 S. zo-zz (anschließend über den verwandten >Ürdo
1
3 ;:,duamm, Aubiitzc ll
von Arras<). Über die von mir herangezogenen Handschriften geht auf Grund meiner Hinweise und energischer Nachforschung weit hinaus P AUL L. \X'ARD, An Early Version of the Anglo-Saxon Coronation Ceremony, in der English Historical Review, 1942 S. 345-61. Nach seiner, auf anderthalb Dutzend Handschriften beruhenden Edition habe ich meinen unten als Ordo IX folgenden Abdruck korrigiert. WARD sieht in der kontinentalen Fassung »a replica of the original draft of the Edgar ordo, from which the version of the English texts was derived«. Er macht geltend, daß durch seine Annahme eine Vereinfachung des Stemma eintritt: der Redaktor habe nicht zwei Ordines, sondern nur einen ausgenutzt. Diese Frage zu entscheiden überlasse ich den Editoren der englischen und
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
Eine Analyse des Wortlautes führt schnell zu einem Ergebnis: keine einzige neue Gebetsform el und in den Rubra kaum zwei Dutzend Worte aus Eigenem! Es handelt sich einfach um einen aus dem >Erdmannschen Ordo< und dem Edgars zusammengeschobene n Text - mit einer Ausnahme, die den Eid des Königs betrifft und für sich zu behandeln ist1 oo. Die Arbeit des Zusammen fügens war dadurch erleichtert, daß der angelsächsische Ordo ja schon seinerseits den (S. ISJ:) >Erdmannschen Text< ausgenutzt hatte. So ist im Grunde nur das, was er aus seinen weiteren Vorlagen, dem >Dunstanschen< sowie dem >Deutschen Ordo<, mehr bot und dem Redaktor brauchbar schien, übernommen worden. Dadurch ist die Salbung reicher ausgestaltet, und für die einzelnen Herrschafts zeichen sind jeweils zwei Formeln (Übergabe worte und Gebet) eingesetzt. Dabei ist die westfränkis che Reihenfolg e belassen: Ring, Schwert, Krone, Szepter und Stab - nur daß es statt baculus jetzt virga heißt. Auch die Schlußbene diktionen sind stärker entfaltet. Sie umrahmen die Thronsetzu ng, die nun wie in Deutschland und seit 973 auch in England mit einer besonderen Formel bedacht ist. Als eigener Zusatz folgt, daß sich an die Krönungsm esse das Krönungsm ahl anschließe, dessen Existenz wir schon für das 9· Jahrhunde rt angenomm en haben101 •
Die Absicht des Redaktors Für wen war dieser Ordo bestimmt? Er ist zur französisch en Krönungso rdnung geworden, aber daraus ergibt sich noch kein Schluß für die ursprünglic he Absicht. Heimat und Umgebung des Textes deuten auf ein weiteres Ziel. Entstanden an der politischen Grenzschei de zwischen Deutschlan d und Frankreich , an der kulturellen zwischen Frankreich und England, eingefügt in ein Pontifikale, das wie die übrigen Werke solcher Art an keine Grenzen gebunden war und sein wollte, will auch der Ordo einen Normaltex t darstellen, der jedem Lande seine Dienste anbot, der aber nur in einem rezipiert wurde und dadurch zum französischen geworden ist. Die Zeit dieses Vorganges läßt sich nicht sicher festlegen. Die Benutzung in dem sog. >Kölner Ordo< von c. 1ooo sagt nichts, da es sich hier gleichfalls um einen allgemein gedachten Text handelt102 • Das französische >Protokoll von 1059< legt, wie wir noch sehen werden, den ( S. I U:) Schluß nahe, daß damals der Ordo Pulrads noch französischen Ordines, auf die ich noch immer zu hoffen wage (s. dazu Anhang r). In die literarische Geschichte des Klosters stellte den Ordo hinein H. SPROEMBERG bei W. WATT&"TBACH, Deutschland s Geschichtsquellen im Ma. Deutsche Kaiserzeit, hrsg. von R. HoLTZMANN I, r, Berlin 1938 S. rz. roo S. unten S. r89 (jetzt: S. 197).
rar Vgl. oben S. 138 (jetzt: S. 156). roz Gedruckt bei G. WArTZ, Die Formeln der Deutschen Königs- u. der Römischen Kaiserkrönu ng, in Abhandl. der Kgl. Gesellsch. der Wiss. zu Göttingen XVIII, 1873 S. 76ff. Der Ordo ist gleichfalls in der Gegend von Arras, wenn nicht dortselbst, aufgesetzt.
Absicht des Redaktors
nicht befragt wurde103 . Über die nächste Krönung, die Ludwigs VI. des Dicken, die erst I ro8, also ein halbes Jahrhundert später, stattfand, haben wir den Bericht Sugers von S. Denis104 . Er spricht von Szepter und Virga wie der Fulrad-Ordo, nicht vom Baculus wie der Erdmannsche. Über die Schwertgürtung vermerkt er: abiectoque secularis militie gladio ecc!esiastico ad t'indictam mrtlefactorum accingens. Die Wendung »zur Strafe der Übeltäter« kommt in den Schwertformeln beider Texte vor; anders liegt es bei dem gladius ecclesiasticus. Wir besinnen uns hier darauf, daß der Edgar-Ordo zu der Gürtung eine zweite Formel rückte, in die er die Worte virtute gladii spiritualis einschob105. Wir versuchten diese auffallende Deutung des Königsschwertes aus den englischen Verhältnissen zu erklären. Jetzt finden wir eine analoge in Frankreich. Das läßt darauf schließen, daß damals der Fulrad-Ordo bereits rezipiert war; denn in ihn war jenes englische Gebet eingegangen. Jedenfalls bildet er die Grundlage für den nächsten französischen Ordo, der mangels genauerer Anhalte nur »um rund I zoo« datiert werden kannios. Durch den ursprünglich allgemein gedachten Charakter des Fulrad-Ordo erklärt sich nun auch die Tatsache, daß die englischen Völkernamen stehengelassen wurden1D7 : dem jeweiligen Benutzer blieb es überlassen, sie auszuwechseln. (S. 1S7:) Das aber ist nur zum Teil geschehen. So ist es zu der grotesken Erscheinung gekommen, daß in Gebeten, die - dem >Kölner Ordo< folgend - in Mailand bei der Krönung des deutschen Königs im I4· Jahrhundert gesprochen wurden108 , ja daß noch in den Formeln, die man bis in die Neuzeit für den französischen König verwandte109 , jene englischen Völker als Untertanen des Gekrönten genannt wurden, über die der König
103 S. unten S. 189 (jetzt: S. 197). Zum Protokoll vgL oben S. 128 Anm. 5 (jetzt S. 149 Anm. 23). 104 SuGER, Vie de Louis VI le Gros, ed. et traduite par H. \'V'AQUET, Paris 1929 (Les Classiques dc l'hist. de France au m. ä. XI) s. 86. 105 S. oben S. 175 (jetzt: S. 186). 106 Diese Datierung habe ich begründet in: Ordines-Studien II (Archiv für Urkundenforschung XV, 1938 S. 24ff.). Sie betrifft einen herauslösbaren Teil des Ordo, über den I-I. SeHREUER und M. Buei-INER in der Zeitschrift für Rechtsgesch. XXX-XXXIII, 1909-12 Germ. Abt. eine Kontroverse durchflihrten; er ist anders als bei H. SeHREUER abzusondern. - Zu denken gibt, daß der ältere >Liber ordinarius< der Reims er Kirche vom Ende des r 1. Jahr-
,,.
hunderts keinen Königsordo enthielt; vgl. U. CHEVALIER, Sacramentaire et martyrologe de l'abbaye de Saint-Remy, Paris 1900 (Bibliotheque liturgique VII) S. XXIIff. 107 Vgl. dazu den Abdruck mit den Lesarten, die zu vergleichen sind mit Ordo VII, 6. ro8 Gedruckt u. a. Mon. Germ., Leges II S. 504ff., danach E. EreHMAc'JN, Quellensammlung zur kirchl. Rechtsgesch. II, Faderborn 1914 S. 69ff.; zu den Völkernamen W AITZ S. 24. 109 TH. GonEFROY, Le Ceremonial Frant;ois (ed. Denis GonEFROY) I, Paris 1649 S. 39 (Ordo Karls V. von 1365), S. 65 (Ordo Ludwigs XIII. von r6ro). In den dazwischenliegenden Krönungsordnungen von 1484, 1514 und 1594 (S. zoo, 250, 366) ist das Gebet nur intoniert.
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
Edgar einmal in einem günstigen Augenblick der angelsächsischen Geschichte die Oberherrschaft beanspruchen konnte110 • Gelehrte haben versucht, daraus besondere Ansprüche des französischen Königs auf den englischen Thron herauszulesen111 ; aber diese Deutung ist viel zu weit hergesucht. Es handelt sich einfach um die Unterlassung einer Korrektur, die man später, als sich der unveränderte Text eingebürgert hatte, aus Ehrfurcht vor der Überlieferung nicht mehr nachholte. Einige Ansätze zu einer Änderung finden sich, sind aber nicht durchgedrungen. Teils hat man die Völker einfach fortgelassen, teils sinngemäß ersetzt. Am besten gelungen ist die Formel: regale solittm, videlicet Francorttm, Bttrgundionum, Aquitanorum sceptra112 , die an die Stelle des ( S. ISS:) »Reiches der Sachsen, Mercier und Northumbrier« trat. Die Herzöge von Aquitanien und Burgund waren ro 59 die vornehmsten weltlichen Wähler; aber die Bezeichnung des französischen Machtbereiches paßt auch noch auf andere Zeiten113 , so daß aus ihr kein fester Anhalt für die Rezeption des Fulrad-Ordo zu gewinnen ist.
Die Bedeutung des Fulrad-Ordo für die Geschichte des Kriimmgseides Nachdem die geschichtliche Stellung des Ordo im allgemeinen bestimmt ist, können wir seine Bedeutung für die Entwicklung des Krönungseides feststellen. Der angeblich 987 von Hugo Capet geleistete ist ein späteres Machwerk114 , aber wirkenIIO Vgl. oben S. I75f. (jetzt: S.I86f.). I I I GonEFROY I S. 39 versuchte die Stelle dadurch zu erklären, daß Ludwig VIII. nach dem Tode Johanns ohne Land seine Ansprüche auf England aufrechterhalten wollte; zustimmendE. S. DEWICK, The Coronation Book of Charles V. of France, London I899 (Henry Bradshaw Society I6) S. So. Aus der eben genannten Kontroverse vgl. die Außerungen von M. BucHNER in der Zeitschrift für Rechtsgesch. XXXIII, I9I2 Germ. Abt. S. 351ff. (dem ich im Sachlichen nicht zustimmen kann) mit V erweisen auf frühere Bemerkungen; zur Sache H. ScHREUER, Über altfranzösische Krönungsordnungen, Weimar I909 (Erweiterter Sonderdruck aus: ebd. 30, I 909 Germ. Abt.) S. 33· I I 2 Sie fand sich in der jetzt identifizierten, von DELALANDE zitierten Hs. des Fulrad-Ordo, vgl. Text IX: Hss. Auf französisch begeg-
net sie in dem Ordo von angeblich >II79<, dessen Datierung die Kontroverse zwischen SeHREUER und BucHNER betraf. Es handelt sich einfach um eine Übersetzung des >Ürdo von Sens<, für den SeHREVERS Datierung: Anfang des q. Jahrhunderts, zutrifft (ScHRAMM, Ordines-Studien Il a. a. 0. S. 33 ff.). Da eine lateinische Fassung jetzt nKhgewiesen ist, bestehen keine Schwierigkeiten mehr. II3 BucHNER S. 354 dachte an die Krönung Ludwigs VI. (IIo8), da damals beide Herzöge sich \A·eigerten, dem Könige zu huldigen. I I4 M. BouQUET, Recueil des Historiens des Gallles etc. XIS. 65 8 druckt ihn »ex archivo S. l'viartini Tllronensis« nebst einem weiteren, den Hugo als Abt und Kanoniker von St. Martin für das Kloster abgelegt haben soll. Dieser beruht auf dem seit Ende des 9· Jahrhunderts nachweisbaren Eid des
Der Fulrad-Ordo in der Geschichte des Krönungseides
nen den ro59 abgelegten115 • Er entspricht im Kern dem Wortlaut, der sich im >Erdmannschen (S. ISg:) Ordo< findet, unterscheidet sich aber von dem Fulrads116 • Der Anfang ist feierlicher ausgestaltet und am Schluß ist der Satz angehängt: ... populo nobis credito me dispensationem legum in suo iure consistentem nostra auctoritate concessurum. Der Zusatz, der später nicht wieder nachweisbar ist, zeigt, daß man der Lücke gewahr geworden ist, die in der Tradition bestand: die >Promissio< war eine Antwort auf die >Petitio episcoporum< und ging deshalb gar nicht auf die Rechte des Volkes ein. Diese Lücke hatte schon der Fulrad-Ordo in seiner Weise geschlossen. Er tat es nicht in der nächstliegenden, indem er die beiden >Promissiones< seiner Vorlagen, die westfränkische und die angelsächsische von 973, miteinander verkoppelte oder sie aneinanderreihte . Sondern er griff auf die Vorlage des Ordo von 973, das >Mandatum regis< aus dem Dunstan-Ordo zurück und stellte es dorthin, wo es in jenem seinen Platz hatte, nämlich hinter die Thronsetzung. Das ist die Ausnahme, die bei der Textanalyse vermerkt wurde117 und die belegt, daß man in St. Vaast gleich beide englischen Fassungen zur Hand hatte118 • Daß nur an dieser Stelle von den beiden sonst benutzten Vorlagen abgewichen wurde, zeigt, daß man der Frage Bedeutung beimaß. Die Lösung lief darauf hinaus, daß eine Sicherung auch für das Volk eingeschaltet wurde, aber eine Bindung des Königs durch andere vermieden war. Denn das >Mandatum < ist kein Versprechen, sondern eine Ankündigung, nicht eine vor der Weihe zu erfüllende Voraussetzung, sondern ein im Besitz der Königsmacht abgelegtes Bekenntnis zu Grundsätzen, die dem Volk zugute kommen. Mögen es nun diese oder andere Bedenken gewesen sein- die Folgezeit ist über sie hinweggegangen . Der sog. >Kölner Ordo< hat um rooo den Fulrad-Text dahin abgeändert, daß der Erzbischof audientibus omnibus das Mandat verkündigt, das der König Kaiscrs für die Römische Kirche. Daß Hugo Abt von St. Martin war, ist richtig; vgl. F. LoT, Etudes sur Je regne de Hugues Capet, Paris 1903 (Bibi. de l'ccole des bautes etudes CXLVII) s. 23 I; aber als Kanoniker ist der französische König in so früher Zeit nicht denkbar; vgl. SCHRA,ür, Ordines-Studicn I, in Archiv f. Urk. Forsch. XI, I930 S. 329f. Daß es sich um eine Fälschung handelt, stellte schon die französische Forschung fest; vgl. F. LoT, Les derniers Carolingiens, Paris I 89 I (Bibi. etc. LXXXVII) S. 2 I 3 f. A. r. Der dadurch er\vachte V erdacht gegen den l(r0nungseid wird durch die unmögliche Form cler Subscriptio bestätigt: J-Iu;;o rex statt H. r.
subscripsi, Signum Hugonis regis oder ähnlich. Da dieser Eid wörtlich dem von IOj9 ent· spricht bis auf den Namen und die Sub· scriptio, ist er nach diesem fabriziert. LoT, Carolingiens S. zrzf., FAVRE S. 92 führen den Eid noch als authentisch an. SeHREUER (vgl. Anm. III) S. 50 Anm. drückt sich Z\l'eifelnd aus. Ir 5 Drucke s. oben S. I z8 Anm. (jetzt:
S. I49 A. 23). DieLesan: comenJabo weist auf diesen Ordo, nicht auf den Fulradschen; denn dieser h3t statt dessen: servabo (Anhang IX § 2). II7 S. oben S. I84 (jetzt: S. r93). I I 8 /\.nders WARD a. a. 0. (s. oben A. 99). I I6
3 B: Die Krönung bei den Angelsachsen
dann durch ein dreimaliges: Sie ( S. I9 o:) ftat! Mandat< durch die >Promissio< Edgars ersetzt und vor die Weihe in die Nähe der alten westfränkisch en >Promissio< gerückt; und dabei ist es nun geblieben: der französische König hatte vor Beginn seiner Krönung zwei Verpflichtun gen einzugehen, von denen die eine karolingische n Ursprungs ist und sich auf die IPromissio< bereit lagen. Man hat sie nicht benutzt. Das läuft ebenso wie der Textvergleich darauf hinaus, daß der Fulrad-Ordo noch nicht zugrunde gelegt wurde. Trifft das zu, dann muß man sich an die Tradition gehalten haben, die für uns im >Erdmannsch en Ordo< greifbar ist. Der Fulrad-Ordo stellt den letzten Bogen in der Brücke vom 9· zum ro. Jahrhundert dar. Es ergibt sich, daß er bisher an eine falsche Stelle gerückt war und daß der Weg, der über ihn führt, erst sehr viel später in die Geschichte der französischen Krönung einmündet, als man bisher- durch den Namen Ratolds irregeführt- annahm.
4.
HINWEISE AUF DIE FOLGENDE ZEIT
Hier ist Ahnliebes zu sagen wie am Schluß des voraufgehenden Abschnitts. Auch für England habe ich alle mir bekannt gewordenen angelsächsische n und englischen Ordines bis zur Neuzeit zusammengestellt: Ordines-Studie n III: Die Krönung in England, im Archiv für Urkundenforsc hung XV, 1938 S. 305-91 (mit Nachträgen, ebd. XVI, 1939 S. 283-86). Ich führte gleichfalls alle Handschriften und Drucke an, die mir bekannt geworden sind, und klärte die Datierungen sowie Abhängigkeiten der mir bekannt gewordenen Texte (65 Nummern, darunter zusammenfasse nde mit verwandten Aufzeichnunge n). Mein- oft wiederbalter- Appell an englische Kollegen, systematisch nach weiteren Abschriften zu suchen und alle Ordines des Mittelalters kritisch zu edieren, ist bisher wie im Falle Frankreichs verhallt - aber im Falle Englands gebe ich die Hoffnung erst recht nicht auf, da das Problem »Krönung« ja noch eine aktuelle Bedeutung hat. Mein Aufsatz bedeutete also gleichfalls nur eine Zwischenlösun g, die ich bereits heute vielfach ergänzen könnte, die aber sicherlich noch lange nicht alle in Betracht kommenden Handschriften erfaßt hat. Ich nehme deshalb auch ihn nicht in diese Sammlung auf. Was sich mir aus dem Studium der englischen Ordines ergab, habe ich in meinem kurz vor der Krönung Georgs VI. (Mai 1937) auf deutsch und englisch erschienenen Buch »Geschichte des englischen Königtums im Lichte der Krönung« ausgebreitet (genaue Angaben in der Sternnote zum voraufgehende n Abschnitt). Für Band IV ist der Abdruck von zwei Aufsätzen vorgesehen: »Der 119 WAITZS.86. 120 Vgl. den oben S. 186 Anm. 4 (jetzt S. 195 Anm. roG) genannten Ordo.
Die folgende Zeit - Schluß König von England: ein Längsschnitt durch die englische Geschichte« (in verkürzter Form abgedruckt in der »Neuen Zürcher Zeitung« 14. Okt. r966) und: »Die heutige Bedeutung der englischen Krönung. Gedanken anläßlich der Feier in Westminster, Mai I937« (bisher nur in französischer Fassung gedruckt: Bulletin de !'Institut juridique international 37, I 937 S. I-20). Zur Verwirklichung meines Planes, die die Angelsachsen und Engländer betreffenden Abschnitte aus den drei Bänden: »Herrschaftszeichen und Staatssymbolik« (I 9 54-6) und aus dem Buch: »Sphaira-GlobusReichsapfel« (I958) zu einem- durch weitere Kapitel verstärkten- Buch zusammenzufassen, bin ich noch nicht gekommen 121.
SCHLUSS: DAS ERGEBNIS DER BEIDEN VORAUSGEHENDEN ABSCHNITTE: STAMMTAFEL DER ÜRDINES DES
9·
UND 10. JAHRHUNDERTS
( S. I 9I:) Unsere Feststellungen lassen sich nunmehr in folgendes Schema bringen, wobei die Vorlagen unberücksichtigt bleiben, um das Bild nicht zu verwirren. I. Ordo A: Troyes 878 Il. Eide: Quierzy 882
I
I
III. Ordo B: Compiegne 888 IV. Ordo C: westfränkisch c. 900
I
I
I
V.
Formeln D: westfränkisch IO. Jahrhundert
VI. Ordo E: angelsächsisch I. Fassung L 2. Fassung J zw. 96o-73
I
(vgl. S. I66f.) Deutscher Ordo um 960
I
r
VII. Ordo F: angelsächsisch für 973
I
VIIa. Vita Oswaldi um IOOO
I VIII. Angelsächsischer Eid 978 (97 5?)
IX. Ordo G: St. V aast zw. 973-86, in Frankreich rezipiert c. IIoo
I
Ordo Wilhelms I. Io66
Französischer Eid I059
Angeblicher Eid Alfreds von 8 7 r I2I Für den »Großen Brockhaus«, I2 Bde. (I952-57), verfaßte ich die geschichtlichen
I
Fälschung: Eid von >987<.
Abschnitte in den Artikeln: Britisches Reich, Großbritannien, Schottland, Wales.
ANHANG I
P. L.
WARD's ABWEICHEND E THESEN ÜBER DIE FILIATIO"J DER ANGELSÄCHS ISCHEN ÜRDINES
P AUL L. WARD, der in Harvard studierte und mich r 9 37 in Göttingen aufsuchte, hat sich inzwischen leider von der Geschichte abgewandt und denkt daher - wie ich bei einem Besuch in den USA von ihm selbst hörte- nicht mehr daran, seine verdienstvollen Ordines-Fors chungen fortzusetzen. Hier habe ich einzugehen auf seinen im Speculum XIV (April 1939 S. r6o-78) veröffentlich ten Aufsatz, in dem er sich mit dem vorausgehen den Abschnitt kritisch auseinanders etzt: The Coronation Ceremony in Mediaeval England1 . Ich habe meinen Text nur dort abgeändert, wo Irrtümer zu berichtigen waren. Denn die Entscheidung darüber, ob und wie weit die von mir aufgestellte Stammtafel der Ordines abzuändern ist, muß ich Forschern überlassen, die sich die Mühe machen, alle in die Diskussion einbezogenen Handschrifte n nachzukontro llieren. Aber ich bin verpflichtet, zu kennzeichnen , wo W ARD's und meine Auffassung auseinanderlaufe n. Ich kam zu folgendem Ergebnis: Ordo E (unten: VI): Ordo des Hlg. Dunstarr (zw. 960-73). r. Ältere (>Leofric<- )Fassung. Nach WARD a. a. 0. S. r62f. handelt es sich bei dem >Leofric Missel< um ein erweitertes >Sacramentarium Gregorianum <, in St. V aast bei Arras um 900 geschrieben, erst um 1042 nach England gebracht durch den Bischof Leofric von Exeter und dort durch Zusätze bereichert. Der Ordo gehört jedoch zu dem Stammtext; er legt demnach Zeugnis ab >>not for England after 96o, but for Flandern ca. 900». (Im Deutschen Archiv IV, 1941 S. 53 5 f. stimmte C. ERDMANN \Vard's These zu: »um 900 auf dem Kontinent geschrieben» .) 2. Jüngere ( >Eg bert <-Fassung), auch überliefert im >Pontificale Lanaletense<. Ich schloß, daß diese Fassung für den Ordo F benutzt wurde; WARD bestreitet dies und nimmt an, daß diese erweiterte Fassung erst unter dem Eindruck des Ordo F redigiert wurde, und zwar um 975 unter den Auspizien des Hlg. Dunstan. Die Beziehung der Stammfassun g zum Ordo der Königin Judith (8 56) erkennt WARD a. a. 0. S. 165 an; aber er schließt, daß sie erst am Ende des ro. Jahrh.s in England bekannt wurde. r Der V erf. hat nur noch einen kurzen Artikel folgen lassen in der English Historical Review 57, 1942 S. 345-Gr: >An Early Version of the Anglo-Saxon Coronation Ceremony.< Hier druckt er den (in den folgenden Anlagen unter
IX eingereihten) >Fulrad-Ordo< nach sehr viel mehr Handschriften ab, als sie mir zugänglich waren. Ich habe daher meinen Text gemäß W ARDS Edition abgeändert.
Anhang I: P. L. Ward's Thesen
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Ordo F (unten: VII): Ordo für die Krönung des Königs Edgar (973). WARD a. a. 0. S. I 67 stimmt dieser Datierung zu und erkennt auch mein Ergebnis an: »lt was drafted essentially by filling >Leofric< ordo and a few German forms into the West Frankish ordo.« WARD unterscheidet vier Fassungen (Versiom) (über die Unterschiedes. S. I68f.): a) British Museum, Cottonian Ms. Claudius A III (Fragment) und andere Mss., b) >Benedictional of Archbishop Robert< und Ms., benutzt vom >Normannischen Anonymus< (früher: >von York<), c) den >Ratold-Ordo< (s. unten Ordo IX), d) französische Abschriften (also a und b: englisch; c und d: kontinental). (]. A. RoBINSON, The Coronation Ordo in the X. Century, im Journal of Theological Studies XIX, I9I7 S. 56-72 kam zu der Folge: Ratold--+Robert--+Claudius). WARD a. a. 0. S. I69 nimmt an, daß die Claudius-Version am besten der 973 durchgeführten Zeremonie entsprach; >Ratold< und >Robert< sind für ihn »drafted previously in preparation for the long delayed coronation«. Nach seiner Auslegung stehen die kontinentalen Fassungen den deutschen und westfränkischen Ordines näher, die englischen entsprechen mehr dem Leofric-Ordo. Er sieht daher in den Fassungen c und d »a first draft of the Edgar ordo«. Ordo G (unten: IX): Ordo des Abtes Pulrad von Saint Vaast (bisher: >Ratold-Ordo<) (zw. 973-86) = WARD's Fassung c (vgl. dazu oben S. I93 Anm. 99 über seine von mir abweichende Ableitung von den Vorlagen). Die weiteren Ausführungen des Verfassers über die nachfolgenden Ordines (S. 173-8) gehören nicht mehr in unseren Zusammenhang.
ANHANG II
DIE
ENGLISCHE KRÖNUNG IM LICHTE DER GESCHICHTE
EIN RüCKBLICK (I937)*
Nach sechsundzwanzig Jahren wird die Aufmerksamkeit der \Velt von neuem auf die Tatsache gelenkt, daß der englische König zwar sofort nach dem Tode des Vaters die Herrschaft antritt, aber noch einer feierlichen \Veihe bedarf. Diese Tatsache tritt
*
Zuerst in: Geistige Arbeit. Zeitung aus der wissenschaftlichen Welt IV Nr. 9 (5. M:li 1937). Der AufsatL:, der im Hinblick auf die bevorstehende Krönung des Königs Georg
VI. verfaßt \Vurde, ist hier eingerückt, weil er die Linie, deren Anfangsstadien der voraufgehende Abschnitt klärte, bis heute durchzieht. V gl. auch meine: Reflexions sur le
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Anhang II: Die englische Krönung
in ihrer Seltsamkeit heute noch schärfer heraus als bei der Krönung des Vaters. Denn inzwischen hat sich die Zahl der Monarchien weiter gelichtet. Manche der noch bestehenden gehen - wie etwa in Belgien, Italien, Griechenland , Bulgarien 1 nur bis in das 19. Jahrhundert zurück; in anderen, wie in Schweden und Dänemark, hat der Protestantism us einen tiefen Einschnitt zwischen Mittelalter und Neuzeit bewirkt. Soweit also überhaupt noch ältere Traditionen bewahrt blieben, sind sie gestört oder verblaßt. Nur in England ist es anders: hier ist die Krönung in alter Pracht und Feierlichkeit noch immer eine im ganzen Commonwea lth bejahte Selbstverstän dlichkeit, der die Nüchternhei t der Neuzeit nicht allzu viel hat anhaben können, und hier allein führt eine ununterbroch ene Tradition von den Anfängen des Staates bis zur Jetztzeit. Wo sind ihre Ursprünge? Wann und wie ist sie dem Wandel der Geschichte angepaßt worden? Welche Faktoren haben ihre Entwicklung bestimmt? Den Germanen war eine symbolische Einweisung in die Herrschaft vertraut, die bei den einzelnen Völkern in sehr verschiedene r Weise ausgeführt worden ist: Erheben auf den Schild, Setzen auf den Thron, Übergabe eines Herrschaftsze ichens sind die Hauptformen dieses Rechtsaktes. Im 8. Jahrhundert - vielleicht sogar schon früher - ist die Salbung mit heiligem Öl hinzugekomm en, die man aus dem Alten Testament kannte. Ursprünglich ein Initiationsritu s mit magischem Untergrund, wird sie nun eine sakramentale Handlung, die den Herrscher innerlich wandelt, ihm einen neuen »Status» verleiht und ihm dadurch einen festen Platz in Gottes Weltordnung anweist. Durch die Salbung hebt sich der neue König von seinen Untertanen ab und wird den Priestern ähnlich- kein Wunder, daß gerade Pippin Wert darauf gelegt hat, sein durch Rechtsbruch erlangtes Königtum durch diese sakramentale Weihe zu sichern. Von da an blieb die Salbung die Regel. Nachdem die Geistlichen auf diese Weise Anteil beim Herrschaftsw echsel erlangt hatten, ergab es sich von selbst, daß ihnen mit der Zeit auch die Übergabe der Herrschaftszeiche n und die Thronsetzun g zufiel: Dieser Rechtsakt wurde mit der kirch-
couronnement anglais, in: Bulletin de !'Institut juridique international 37, 1937 S. r-zo, die sich mit der staatsrechtliche n Bedeutung der Krönung befassen (auf deutsch abgedruckt in Bd. IV). Vgl. P. E. ScHRAMM, Geschichte des Englischen Königtums im Lichte der Krönung (Weimar 1937) = A History of the English Coronation, translated by LEOPOLD G. WICKHAM LEGG (Oxford 1937). Da auch diese Fassung kurz vor der Krönung ausgegeben werden konnte, hat die englische Tagespresse sie für ihre Festartikel
ausgenutzt. Hier und da wurde mit Bedauern vermerkt, daß das einzig ernstzunehmen de Buch, das bei diesem Anlaß verfaßt worden war, von einem Ausländer stammte. Mir verschaffte es einen Platz in der W estminster Abbey und ein paar Tage später ein langes Gespräch mit dem Erzbischof von Canterbury (Cosmo Lang), über das er eine (von seinem Biographen erwartete) Notiz aufsetzte. r In Folge des II. Weltkriegs wurde die Monarchie beseitigt in Italien und in Bulgarien; der griechische König lebt zur Zeit im Exil.
Ein Rückblick (r937)
liehen Handlung verbunden und deshalb vor den Altar verlegt, an dem die Laien nichts zu schaffen hatten. Im 9· Jahrhundert beginnt das Bemühen, eine feste Ordnung für die Abfolge der Einzelakte und die zu sprechenden Gebete festzulegen. Um 900 besitzen die Westfranken bereits eine reich entfaltete Krönungsordnung; Deutschland schritt hinterher, aber bereits um 96o wurde in Mainz ein Text aufgesetzt, der den der Nachbarn durch seine reiche Gliederung und die Fülle der Gedanken übertraf. England ist dieser Entwicklung schrittweise gefolgt. Über die Formen der weltlichen Einweisung ist nicht mehr viel bekannt. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts ist die Salbung bezeugt, die wohl den Franken nachgeahmt wurde. Im 9· Jahrhundert kam es einmal auch zu der Salbung einer Königin - ein noch als ungewöhnlich empfundener Vorgang, da sie bei den Angelsachsen damals nur die Gemahlin des Königs und nichts mehr war. Zu einem festen Krönungsbrauch gelangte das Inselreich erst um 96o-7o, als die Kirchenreform die englische Geistlichkeit in engere Beziehung zum Festlande brachte. Dadurch wurden ihr auch die beiden damals vorliegenden Krönungsordnungen zugleich bekannt: die westfränkische und die deutsche. Mit ihrer Hilfe wurde nun für England ein Formular festgelegt - dadurch erklärt es sich, daß in Kürze der Erzbischof von Canterbury über Georg VI. Gebete sprechen wird, die einmal für die Ottonen aufgesetzt und jahrhundertelang in Aachen wiederholt worden sind. Aber wenn auch die einzelnen Teile fast alle vom Festlande übernommen wurden, so war das Ganze in seinem Aufbau und seiner Gliederung doch eigen. Erst dadurch, daß der französische Brauch des Mittelalters sich wieder an den angels,ächsischen anlehnte, ist dieser Unterschied nachträglich abgeschwächt worden. Wilhelm der Eroberer, der soviel Angelsächsisches ausgelöscht hat, hütete sich wohl, bei der Krönung das Herkommen zu ändern- wollte er doch als rechtmäßiger Erbe und Nachfolger des angelsächsischen Hauses gelten. Erst die Gregorianische Reform, die sich darum bemühte, die liturgischen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern abzuschwächen, hat die Krönungsordnung des ro. Jahrhunderts einer Revision unterworfen. Da der deutsche Text inzwischen als der allgemein maßgebende anerkannt worden war und deshalb als der >Römische< schlechthin galt, wurde aus ihm zum zweiten Male das eine oder andere übernommen, so daß die Verwandtschaft zwischen Aachen und Westminster noch größer wurde. Westminster- so darf man jetzt sagen. Denn seit dem 12. Jahrhundert war die Regel anerkannt, daß ein englischer König nur in dieser Kirche geweiht werden könne. Dadurch rückte die Abtei an die Stelle, die in Deutschland das Aachener Münster und in Frankreich die Kathedrale von Reims errungen hatten. In diese Zeit fiel auch die Entscheidung, daß die Krönung nur durch den Erzbischof von Canterbury und - wenn er verhindert war - durch einen von ihm bestimmten Suffraganbischof vollzogen werden konnte. Der Erzbischof von Y ork hat sich lange gegen diese Ent-
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Anhang II: Die englische Krönung
wicklung gestemmt, da auch er Primas in England zu sein beanspruchte; aber bei der Herrscherweihe ist es ihm nicht besser gegangen als in Deutschland dem Erzbischof von Mainz und in Frankreich dem Erzbischof von Sens: auch sie haben nach langem Widerstreben ihren Rivalen in Köln und Reims die Weihe der Könige einräumen müssen. Im 12. Jahrhundert tritt auch heraus, daß die Eroberung durch die Normannen, deren Wirkung von I I 54 an durch die Nachfolge des aus Frankreich stammenden Königshauses Anjou-Plantagenet verstärkt wurde, schließlich doch noch ihren Stempel auf die Krönungsfeier gepreßt hat. Nicht auf den kirchlichen Teil, der bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts unangetastet blieb, wohl aber auf den festlichen Rahmen, der ihn seit alters umschloß; vor allem auf die Prozession zur Kirche und auf das anschließende Festmahl wirkte sich das aus. Das Mahl in der Königshalle geht bereits auf die germanische Zeit zurück, 1n der es die Einweisung abschloß. Das Christentum hatte ihm seinen rechtlich-kultischen Charakter genommen. Jetzt finden wir es mit den Formen des Feudalismus ausgestaltet wieder; jeder hat seinen Platz nach Amt und Rang, und mancherlei Dienste sind dem König zu leisten. V ollzogen werden sie nicht nur durch die Hofbeamten, deren Aufgabe das auch sonst ist; es beteiligen sich vor allem die Großen des Landes, die dadurch symbolisch ihr Verhältnis zum Herrscher zum Ausdruck bringen. Es ist ihnen Pflicht und Ehre zugleich; denn der englische König hat es ja verstanden, den Feudalismus, der Frankreich schwer zu schaffen gemacht hat und für Deutschland verderbliche Folgen zeitigte, zu seinen Gunsten in den englischen Staat einzubauen. Wer also dem König dienen durfte, war damit in der Lehnspyramide- und das heißt hier: im englischen Staate - auf einer bestimmten Stufe anerkannt. Deshalb liegt auch den Beteiligten daran, diese Ehre als ein vererbliches Recht anerkannt zu wissen. Im 13. Jahrhundert hebt bereits der Streit zwischen den einzelnen Geschlechtern an; und die Streitfragen vervielfältigen sich, da die l~rsprünglich geistliche Prozession inzwischen zu einem Triumphzug des Hofes geworden ist, bei dem die Herrschaftszeichen zu tragen, der Baldachin zu halten und ähnliche Dienste zu leisten sind. Auch bei der kirchlichen Handlung sind die Laien nun wieder mit allerlei Nebendiensten wie dem Darreichen des Handschuhs u. a. m. beteiligt. Um den sich widerstreitenden Ansprüchen eine Entscheidung entgegensetzen zu können, tagt seit dem 14· Jahrhundert vor jeder Krönung ein eigener Gerichtshof, die sog. >Court of Claims<. Als sie im Jahre 1936 zusammentrat, machte ihr besonders die Frage zu schaffen, wer die beiden Sporen des Königs tragen dürfe - um den einen stritten sich gleich mehrere Bewerber, darunter einige Damen des englischen Adels. Die zeitgenössischen Aufzeichnungen, die seit dem 12. Jahrhundert immer ausführlicher werden, lassen nicht nur das Interesse erkennen, das alle diese Fragen bei den Beteiligten und den Zuschauern erweckten, sondern sie geben uns auch Einblick
Ein Rückblick (1937)
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in die Prachtentfaltung, die bei jeder Königsweihe für eine kurze Weile den Alltag in ein märchenhaftes Fest verwandelt: wie die Ritterromane des Mittelalters die höfischen Feste schildern, so ist es bei der Krönung Wirklichkeit geworden. Und was für das hohe Mittelalter gilt, hat erst recht für das späte seine Gültigkeit: der Prunk ist nun breit und schwer gestaltet und dehnt das Fest über Tage hin aus. Aus den echten Rittern von einst sind jetzt allerdings die Mitglieder fürstlicher Ritterorden geworden und aus den Turnieren Kampfspiele, die mit der Wirklichkeit des Kriegs nur noch lose zusammenhängen. Überall drängt sich der schöne Schein in die Festlichkeit ein. Phantastische Aufbauten schmücken den Weg vom Tower nach Westminister, und verkleidete Frauen, die Tugenden personifizieren, begrüßen den König mit Versen. An dieser allgemeinen Entwicklung des Feststiles, die uns J. HurZINGA in seinem >Herbst des Mittelalters< so anschaulich geschildert hat, nahm auch England seinen vollen Anteil - nur daß zeitweise die düstere Zeit der Rosenkriege die Heiterkeit der Feste überschattete. Die Kirche tat das ihre dazu; im I4. Jahrhundert ist die alte Krönungsordnung noch zweimal überarbeitet worden. So sehr sie dadurch in die Breite wuchs, indem sie immer mehr auf die inzwischen festgelegten Einzelheiten einging, Entscheidendes ist jedoch nicht geändert worden: die um I I oo festgelegten Grundzüge wurden getreulich bewahrt. Erwähnung verdient nur, daß I 377 die altertümliche, aber inzwischen ausgemerzte Befragung des Volkes, ob es den neuen König anerkennen und ihm gehorchen wolle, wieder in die Kirchenfeier eingesetzt worden ist: deshalb werden auch noch I937 die in Westminster Versammelten diese Frage zu beantworten habenein Rest des alten Wahlgedankens, der sich trotz des Sieges des Erbrechts hat erhalten können. 2) Bei dieser und anderen Einzelheiten hielt man sich damals an das französische Vorbild. Das geschah inmitten des Hundertjährigen Krieges, den England mit Frankreich durchfocht, und an der Schwelle der Zeit, in der sich die Literatur wieder der einheimischen Sprache zuwandte - Selbstbesinnung und politische Feindschaft schlossen in diesem und noch in vielen späteren Fällen nicht aus, daß England vom Nachbar jenseits des Kanals entlehnte, was ihm förderlich und dienlich schien. Das I6. Jahrhundert stürzte England in die Kämpfe zwischen dem alten und neuen Glauben. Sie bedrohten auch die Krönung. Aber sie konnten doch nur die Teile anrühren, die sich mit den Überzeugungen der >Anglican Church<, die als Siegerin aus 2
Man vernahm ein respektvolles Gemurmel »God save King Georgc 1«, an dem ich mich nicht beteiligte (ich hatte einen Platz auf der rechten Seitenempore hinter den Mitgliedern des Unterhauses und schaute hinüber auf die
Gegenempore mit den Mitgliedern des »House of Lords«). Auf Grund meiner Studien stand mir vor Augen, daß ich nicht »wahlberechtigt« \var.
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Anhang II: Die englische Krönung
dem Streit hervorging, nicht mehr vertrugen. Die Messe, die seit alters die Weihe des Königs umschloß, wurde dem neuen Brauche angepaßt; die Salbung verlor ihren sakramentalen Charakter; und das Abendmahl, das der König nach der Krönung zu nehmen pflegte und auf das die Königin Elisabeth aus religiösen Gründen überhaupt verzichtete, wurde seit Jakob I. in beiderlei Gestalt ausgeteilt. Alle diese Eingriffe wurden dadurch erleichtert, daß es sich als notwendig erwies, das übermäßig in die Breite gewucherte Rituell zu beschneiden. Den ersten Anstoß gab die Krönung Edwards VI. im Jahre I 54 7; er war damals noch ein Kind, so daß schon aus praktischen Gründen Kürzungen erforderlich waren. Im I7. Jahrhundert ist man auf diesem Wege fortgefahren- vor allem bei der Krönung Jakobs II., dessen katholischem Bekenntnis der Erzbischof von Canterbury entgegenkam, indem er die dem König peinlichen Einzelheiten umging. Äußerlich hat sich die Krönungsordnu ng in der Zeit der Stuarts dadurch gewandelt, daß der lateinische Wortlaut der Gebete durch einen englischen ersetzt wurde. Aber da die Übertragung Wort für Wort geschah, war diese Änderung wirklich nur äußerlich. Einen Einschnitt bewirkte erst die >Glorious Revolution< im Jahre I689. Sie gab den Anstoß, den gesamten Text zu überprüfen und seine Gliederung zu revidieren. Aber im Gesamt handelte es sich auch diesmal wiederum nur um eine geschickte Anpassung an die Zeitverhältnisse. Neu war nur die noch heute gültige Szene, daß dem König neben den Herrschaftszeich en auch eine Bibel, die ihm als Richtschnur gelten soll, übergeben wird. In der Folgezeit, die aus dem Prunk des Barock herausstrebte, hat sich der nüchterne Geist der Neuzeit dahin ausgewirkt, daß der festliche Rahmen der Krönungsfeier verengt wurde. Die Prozession vom Tower nach Westminster, die Stunden zu beanspruchen pflegte, kam ab und machte einer Auffahrt des Königs und seines Hofes Platz. Seit Georg IV. fiel auch das altehrwürdige Krönungsmahl in Westminster Hall weg und mit ihm eine Szene, die seit dem I4. Jahrhundert bezeugt ist und ihre Erklärung durch den Gedanken des Gottesgerichts findet: während der Tafel erschien gewappnet der >King's Champion< und forderte jeden heraus, der die Rechtmäßigkeit des neuen Königs anzweifeln wolle. Durch diese Kürzungen ist die kirchliche Feier wieder zur Hauptsache geworden. Für sie ist seit I 689 dieselbe Ordnung gültig geblieben. Nur unwesentliche Änderungen haben sich inzwischen als notwendig erwiesen. So wurde z. B. bei der Königin Victoria die bisher übliche Salbung an den Händen, an der Brust und an den Schultern auf Hände und Schultern begrenzt- »from motives of delicacy». 3 Auch in
3 Nicht nur mir wird es unvergeßlich geblieben sein, wie Georg V., schlank gewachsen, seine prächtigen Gewänder ablegte und - nur noch
gehüllt in ein silbriges knappes Wams mit einem Schlitz auf dem Rücken und einer Hose von gleicher Farbe- die Salbung empfing.
Ein Rückblick (1937)
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dem Eide, den der König seit dem IO. Jahrhund ert bei Beginn der Feier zu leisten hat und dem die staatsrechtlichen Wandlun gen Englands im Laufe der Jahrhund erte ihren Stempel aufgedrüc kt haben, sind einzelne nicht passende Wendung en durch neue ersetzt worden- so auch im Februar I937: die Neuordn ung des Common wealth durch das Statut von Westruinster (I 9 3 I) hatte sie notwendi g gemacht. 4 In Aachen und Reims, wo einst dieselben oder ähnliche Gebete gesproch en wurden, sind sie längst verklunge n. In England aber werden wir sie nun wieder hören Zeugnisse einer tausendjährigen Geschichte, die Revolutio nen, Adels- und Bürgerkriege, Absetzun gen und Ermordu ngen von Königen in oft grauenha fter Folge erlebt hat, aber doch durch eine über alle Katastrop hen hinweg gerettete Tradition zusammengeschlossen ist. Blickt man in Buropa um sich, wo sonst noch in gleicher Weise Vergange nheit zugleich Gegenwa rt ist, dann findet man nur noch in Rom Vergleichbares. Gerade den Deutsche n tritt im Augenbli ck dieser Krönung wieder vor Augen, wie verschieden das Schicksal jene Völker gelenkt hat, die sich in der Völkerwa nderung eine neue Heimat eroberten . 5 4 Georg V. hatte zu sagen: »I swear to do so«. Jeder der Anwesende n wußte, daß der König ein Stotterer war. Als seine Stimme nach »I swear« verharrte, beherrschte eine körperlich spürbare Erregung die tausendköp fige Zuhörerschaft . Dann sprach der König die Worte »to do so« - und auch der Fremde spürte die Erleichteru ng, die alle Beteiligten ergriff. Ober die Bücher, die r953 zu der- in tradi-
tioneller Weise durchgefüh rten - Krönung der Königin Elisabeth II. erschienen, vgl.: The Times Literary Supplemen t May 8 1953 S. 299 und: Books of the Month, June-July 195 3 Vol. 68 No. 6 S. 6-7. RANDOLPH S. CHURCH1LL erkannte mein 1937 veröffentliches Buch als das noch maßgeblich e an, machte aber aus mir, dem Göttinger, einen Professor in Göteborg!
Anlagen: Texte zu den Abschnitten 3 A-B: Die westfränkischen und die angelsächsischen Krönungsordines Seit dem Erstabdruck erschien das - auf intensiver Forschung beruhende- Buch von Rev. Dr. CoRNELIUS A. BouMAN (Utrecht): >Sacring and Crowning. The Development of the Latin Ritual for the Anointing of Kingsand the Coronation of an Emperor before the XIth Century<, Granirrgen I95 7 (Bijdragen van het Instituut voor Middeleeuwse Geschiedenes der Rijksuniversiteit te Utrecht XXX; XIV+ I98 S.), das ich in der Vierteljahresschrift für Soz.- u. Wirtsch.gesch. 45, I959 S. 527f. besprach; vgl. auch R. ELZE im Deutschen Archiv XII, I96o S. 577-8. Dieses- durch ein gutes Register erschlossene - Buch ist jetzt zu den hier abgedruckten Texten sowie zu den Einzelfragen heranzuziehen. Ich begnüge mich deshalb damit, nur an den wichtigsten Stellen Hinweise einzufügen. Die folgenden Abdrucke sollen Hilfsmittel sein, keine Editionen. Für diese wären die Handschriften noch einmal einzusehen, z. T. auch erst zu sammeln; auch fehlen befriedigende Ausgaben der benutzten Vorlagen. Da die zu beantwortenden Fragen außerdem bei jedem Text anders liegen, sind die zugesetzten Noten und Anmerkungen diesem Zustand angepaßt: sie sind nicht einheitlich. Ferner sind bei den späteren Ordines die Gebete gekürzt. - Kleindruck bedeutet: entlehnt; gesperrter Kleindruck: bei der Entlehnung abgeändert. Kursivdruck bezeichnet traditionelles liturgisches Gut, soweit nichts anderes bemerkt ist. Wo Reimprosa bezeichnend ist, machen Lücken sie kenntlich. Die Bezifferung ist zugesetzt,
A.
DrE WESTFRÄNKISCHEN KRÖNUNGSORDINES
I. Ordo A: ganz (oder teilweise?) für die zweite Krönung Lud wigs II., des Stammlers, durch den Papst Johann VIII. zu Troyes am 7· September 878. Hs.: A = Cod. Reims Bibl. 2 I 4 (F 4 I 8, früher St. Thierry Nr. 63): Sakramentar des ausgehenden ro. oder des r r. Jahrhunderts aus der Abtei St. Thierry (Diözese Reims) mit Zusätzen des 12. Jahrhunderts, f. 3v; beschrieben bei DELISLE (s. unten) S. 285ff.; Catalogue generaldes mss. des bibl, publ. de France. Departements 38, Reims I par H. LORIQUET, Paris 1904 S. r89-94; V. LEROQVAIS. Les sacramentaires et !es missels mss. des bibl. publ. de la France I, Paris 1924 S. 91-4. Die Hs. v.·ird umer den in Reims zwischen 950-rooo geschriebenen Codices aufgezählt von FR. M. CAREY in den Classical and Mecliaeval Studies in Honor of E. K. RAND, New York 1938 S. 59· Drucke: J\:ach A bei E. MARTENE, De antiquis ecclesiae ritibus II, Antwerpiae 1736 S. Gor f. = II, 1763 S. zrGf. und L. DELISLE, Memoire sur d'anciens sacramentaires, in: Memoires de !'Institut J\:ational de France- Acad. des Inscr. et Belles-Lettres 32, Paris r886 S. z88f. (danach unten wiederholt). Lit.: R. l'vL WoOLLEY, Coronation Rites, Cambridge 1915 (Cambr. Handbooks of Liturgical Studv) S. 93 f. (wo 877 in 878 zu verbessern ist); P. E. ScHRAMM, Die Ordines der mal. Kaiserkrönung, im Archiv für Urkundenforschung XI, 1930 S. 352f.
Ordo für Ludwig des Stammlers 2. Krönung (878) Vorlagen: Zu§ 1-2 vgl. oben S. 125 (jetzt: S. 147), zu§ 3-4 ebd. S. 125f. (jetzt: S. 147f.). Zu diesen beiden Abschnitten vermerke ich - soweit bezeichnend - die Varianten des Ordo E (Text VI) = E und die des >Deutschen Ordo< = D, gedruckt bei G. WAITZ, Die Formeln der Deutschen Kgs.- und d. Röm. Kaiserkrönung, in Abhandl. der Kgl. Gesellsch. der Wiss. zu Göttingen I 8, I873, s. 35-6 (S. I9J) und jetzt: c. VoGEL-R. ELZE, Le pontifical Romano-Germanique du xe siede. Le texte I, Citta del Vaticano (Studie Testi 226) S. 246-5 9· Es zeigt sich, daß DE selbständig auf V(orlage) zurückgehen. Zu§ 4 sind beide Fassungen von V (Sakramentar von Angouleme, hier das Gebet schon einmal auf f. 13of.) berücksichtigt. Ihre Schreibfehler lassen sich dadurch beheben; einige Varianten bleiben.§ 4 selbst bietet einen dazwischen stehenden Text; D kommt f. 13of. näher.
ORATIONES AD REGEM BENEDICENDVM I.
»Deus, cui omnis potestas et dignitas famulatur, da famulo tuo ill. prosperum suae dignitatis
effectum, in qua te semper timeat, tibique iugiter placere contendat. Per ... « 2..
Alia:
Grationes pro adepta dignitate.
Ebd.
»Omnium, Domine, fons bonorum iustorumque provectuum, tribue, quaesumus, famulo tuo adeptam bene gerere dignitatem et a te sibi prestitarn bonis operibus comprobare. Per ... «
3·
Benedictio super regem a:
Benedictio super
»Benedic, Domine, huncb principemb, qui regna regum omnium a saeculo moderaris, et tali eum principes. benedictione glorifica, ut Davidicum teneat sublimitatis sceptrum et sanctificatus repperia tur in men tec. Da ei tuo spiramine cum moderationed regere populum, sicutie Salomonern fecisti regnum obtinere pacificum. Sitf semper cum timore tibif subditus, tibique militet cum quiete. Sit tuo clippeo protectus cum omnibus suis proceribus, et ubique maneantg sine pugna victores. Honorifica eum prae cunctis regibus terrae, ut felicibush dominetur populish, et feliciter eum omnes nationes adorent. Vivat inter gentium catervas magnanimus. Sit ei in iudiciis aequitas singularis. Siti locuples et subditos locupletes reddat, ut tua fultus dextera contineat fortiter patriam populumque sibi commissum; liberis ipsius tua pietate prospera ac profutura cuncta tribuei. Presta eis perk tempora prolixitatem vitaek, et in diebus eorum semper (S. I94·) oriatur iusticial, ut cum iocunditate et iustitia postm labilem vitamm
aeterno glorientur in
regno«.
principes V(orlage) = Sakramentar von Angoulhne. b-b hos presules V; hunc pres. principem E; hunc regem D. Die !Veiteren Abäriderungen des Plurals sind nur noch durch Sperrdruck kenntlich gemacht. c merito VDE. d mansuetudine ita VDE. e sicut VD. f-f Tibi semper cum t. sint V D E. g So = V, vielleicht um pugna victor am Satzende zu vermeiden; ub. maneat s. p. victor E; ub. tua gratia victor existat D. h-h felices populos dominentur V; felix populis dominetur D; oben grammatisch verb~ssert und als Nebensatz verknüpft. i-i Locupletet eos tua praeditos [Rasur am s V; praedives D; praedita E] dextera, frugalem constituant patriam, et eorum liberis 1 Dahinter tribuant profutura V; ähnlich DE. k-k pro!. vitae per temp. VDE. (S. I94·) ausgefallen: A te robustum teneant regiminis solium VDE. m-m Fehlt VDE.
14 Schramm, Aufsätze II
Anlagen: Die westfränkischen Krönungsordin es
210
Ebd.
Itemn benedictio super regem et populumn:
4·
»Deus inenarrabilis, auctor mundi, conditor generis humani, gubernator imperii, confirmator regni, qui ex utero fidelis amici tui, patriarchae nostri Abrahae, praelegisti reges o saeculi P profuturos, tu q presentem r regemhunc cum exercitu suo per s intercessionem s sanctorum< omnium t uberi benedictione locupleta, et in solium regni firma stabilitate conecte. Visita eum u sicut Moysen in rubo, Iosue v in agrov, Iesu Nave in proeliow, Samuhelem crinitumx in templo, et illa eumY promissionez siderea ac sapientiae tuae rore perfunde, qua a beatus David rexbin psalterio, Salomon filius eius, te remunerante, percepitc e caelo. Sis ei contra acies inimicorum lorica, in adversis galea, in prosperis patientia, in protectione clippeumd sempiternumd, et presta, ut gentes illi servente fidem, proceres sui habeant pacem, diligant caritatem, abstineant se a cupiditate, loquantur iusticiam, custodiant veritatem. Et ita populus istef pullulet coalitusg benedictione aeternitatis, ut semper maneant tripudiantesh in pace victores. Quod ipsei [prestare etc. Amen].«
5. Oratio, qua benedixit domnus apostolicus Iohannes regem nostrum Ludovvicum iunioris Karoli imperatoris filium Trecas civitatis:
»Spiritum1 sanctificationis, quaesumus, Domine, Hludovvico ( S. 19 J :) regi nostro propitiatus infunde et cor eius, quod manu tua contines, virtute tuae benedictionis inlustra, quatinus sancti Spiritus rore fecondatus, ubertate donorum percepta, sie exterius regni gubernacula teneat, ut intime contemplatio nis tuae interiora gaudia consequatur. Per ... in unitate eiusdem.« n-n So V f. I JO (hier nach dem Gebet: Prospice, o. d., serenis etc., mit dem das Gebet auch im Cod. lat. Monac. !at. 6430 aus Freising, 9. jahrhmzdert 2. Hälfte, steht); Item alia einsdem ebd. f. I6!iv (hier nach dem oben vorazifgehenden Gebet, s. § J, noch einmal mit einigen Ab1veichungen). 0 rcgis V f. I JO v. P So V f. I6!iv; saeculis V f. IJOv, D. q te V f IJOv. r pres. insignem ebd. s-s intercessione ebd. t-t omn. sanct. D; dafiir: beati Martini episcopi et confessoris V j. IJOv. u eum interventu illius ebd., vg!. Note t. v-v fehlt D; dafiir hinter proclio (z;g/. !IJ): Gedeon in agro. w vg!. Note v. 2 x fehlt ebd. Y So V f. I JOv, D; cum V f. I6!JV. benedictione D. a So Hs., quam verbessert De!is!e; qua V f. IJOv u.f. I6JV; quam D. b fehlt D. c percepere de V f. I6!iv. d-d V beidemal und E; clipeus sempiternus D. e teneant alle anderen. f iste sub eius imperio D. g So alle (V f. J6!JV fälschlich ergänzt: caelitus). h repudiantes et V j. IJOv. i ipsum Hs.
II. Petitio und Promissio für die Übergabe der Alleinherrs chaft an den 879 gekrönten König Karlmann, Quierzy 9· September 882. Hs.: A
=
Cod. Barcelona Kronarchiv 40 (aus dem Kloster Ripoll) (vgl. unten Text IIIb)
f. 29·
r Vgl. ob. S. r26 Anm.
2
(jetzt: S. 147 A. r6) über Bedeutung u. Verwandtschaf t dieses Gebetes.
Karlmanns Petitio und Promissio (88z)
211
Drucke: Nach A bei St. Baluze, Opera Lupi Ferrariensis, Parisiis r644 S. 519f. u. a. m.; Petitio jetzt grundlegend Mon. Germ., Capitularia II, 2, r893 S. 369f. Nr. 285 (danach hier wiederholt). sn Vorlagen: Petitio und Promissio Ludwigs II., des Stammlers, Compiegne Ende 877, gedruckt Capitul. a. a. 0. S. 364f. Nr. 283; Kapitular Karls d. Kahlen und des Genannten, Quierzy r6. Juni 877, gedruckt ebd. S. 362 Nr. 282.- Über das nicht erhaltene Verbindungsglied, die Petitio und Promissio von Ferrieres (879), die in§ r und 2 angeführt sind, vgl. oben S. 127 (jetzt: S. 148).- Kursivdruck bezeichnet hier Entsprechung zu § r.
r. Peticio episcoporum ad domnum Carolomanum regem, quando ei se comenda-
verunt in Carisiaco V. Idus :
von
Promissio von 877.
»A vobis perdonaria nobis petimus, ut unicuique de nobis et ecclesiis nobis commissis secundum primum capitulum, quod novissime in Carisiaco domnus imperator avusvesterase et a servaturum, consentientibus fidelibus illius ac
patre vestro patris vestr i atque apostolicae sedis legatis, Iegente
Gauzeleno, denuntiavit, canonicum privilegium et debitam Iegern atque iusticiam conservetis et defensionem exibeatis, sicut rex in suo regno unicuique episcopo et ecclesiae sibi commisse per rectum exibere debet, et quemadmodum continetur in scripto, quod in Ferrariorum mona-
sterio coram altare sancti Petri perdonastis et manu propria una cum fratre vestro confirmastis.« (S. I96:)
2.
Promissio
domni Karlomanni regis ad superscriptarn peticionem:
I. »Promitto et perdono vobis, quia unicuique de vobis et ecclesiis vobis commissis secundum
primum capitulum, quod novissime in Carisiaco domnus imperator servaturum, consentientibus fidelibus suis ac
avus meus a se et a patre meo patris mei atque apostolicae sedis legatis, Iegente
Gauzleno, denuntiavit, canonicum privilegium et debitam Iegern atque iusticiam conservabo et defensionem, quantum potuero, adiuvante Domino, exibebo, sicut rex in suo regno unicuique episcopo et ecclesiae sibi commissae per rectum exibere debet, et quemadmodttm continetur in scripto,
quod in Ferrariorttm monasterio coram altare sancti Petri perdonavi, in hoc, ut vos mihi secundum Deum et secundum seculum sie fideles adiutores et consilio et auxilio sitis, sicut 2 vestri antecessores boni meis melioribus praedecessoribu s extiterunt, secundum scire et posse.« a
So 877
~
888 = Ordo C; perdonare Hs.
III. Ordo (Ordo B), Petitio, Promissio und Festgesang für die Krönung des Königs Odo, Compiegne 29. Februar bis r. März 888. A) Ordo B (einschließlich Petitio): H s. : A = Cod. Paris Bibi. Nat. lat. 9430 (früher St. Gatien 6z, zusammengehörig mit Cod. Tours
z Vorlage: sicut per rec!ttm unusquisque in suo ordine et stallt imperatori mo et suo seniori esse debet. In der >Commendatio< der Bischöfe 8 77: sicut rex episcopo et ecclesiae suae iusto iudicio
comervare et exhibere debet; in ihrer >Professio< ebd.: sicut episcopus recte seniori suo debitor est; s. Mon. Ge.rm., Capitul. II S. 365 Nr. 283 D-E.
Vgl. oben §r. Kapit. von 877
§ z.
212
Anlagen: Die westfränkischen Krönungsordines
Bibi. I84, früher St. Gatien 67?): drei durcheinander gewürfelte Sakramentare aus Tours vom Ende des 9· oder Anfang des ro. Jahrhunderts, f. I9Iv-I92r; vgl. dazu L. DELISLE, Notice sur !es mss. disparus de Ia bibl. de Tours, in: Notices et exstraits des mss. de Ia Bibi. Nat. 3 r, I, I 884 S. I 8 I-3, bes. I83; DERS., Sacramentaires a. a. 0. S. I 30-40; LEROQUA1S a. a. 0. I S. 5 I ff.- Nach L. W. Jm'-IES, Script of Tours in the Xth Cent., in Speculum XIV, I939 S. 179-98 stammen f. 190-92 aus dem ro. Jahrh. Druck: Nach A (ex !ibro sacram . ... ecc!. S. Gatiani Turonensis) bei E. MARTENE, De antiquis ecclesiae ritibus II, Antwerpiae 1736 S. 603: Ordo X 4 (danach hier wiederholt)." Vorlage: Sacramentarium Gregorianum, vgl. S. 198 Note b (jetzt: S. 213 Note b). B) Promissio: (S. I91·'J Hs.: A = Cod. Barcelona Kronarchiv 40 (aus dem Kloster Ripoll) (vgl. Text II) f. 4v mit der Schlußnotiz: Conftrmacio Odonis regis. Autenticum es/ inter praecepta sanctae Crttcis; vgl. dazu oben S. 135 (jetzt: S. 154). Drucke: Nach A bei ST. BALUZE, Opera Lupi Ferrariensis, Paris 1644 S. 521 u. a. m.; jetzt grundlegend Mon. Germ., Capitularia II, 2, 1893 S. 375 f. Nr. 288 (§ 5 hier wiederholt). Vorlagen: Petitio und Promissio von 882, vgl. Text II; Synode von Beauvais, April 845, gedruckt Capitul. II, 2 S. 387f. Nr. 292.- Vgl. den Korrekturnachtrag S. 248. C) Festgesang:
Hs.: A = Cod. Rom. Vatic. Rossianus 205 (vorher Jesuitenkolleg in Lainz bei Wien VIII 144; Legat des Cav. Gian Francesco de Rossi): Hymnensammlung des Io. Jahrhunderts aus Moissac (Aquitanien) f. 75-75v mit Neumen zu den ersten fünf Strophen. Die neue Signatur laut Nachlaß LuDWIG in der Univ.-Bibl. Göttingen; zur Entstehung der Bibi. und ihre Herausgabe an den Vatikan s. P. KEHR, Aus der Bibi. Rossiana, im :t\euen Archiv 45, I924 S. ro2ff. Drucke: Nach Hs. der Abbaye St. Pierrein Solesmes von ST. MORELOT in Revue de Ia musique religieuse etc. hrsg. von J.-L.-F. DANJOD IV, 1848 S. 83ff. (mir nicht zugänglich); erwähnt von L. BETHMAN" im Archiv der Gesellsch. für ältere deutsche Geschichtskunde XII, I874 S. 409; nach A von E. MüHLBACHER, Ein Lied auf K. Odo von Westfrancien, in den Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschun g VIII, r887 S. 6o1-4, danach von E. FAVRE, Eudes comte de Pariset roi de France, Paris I893 (Bibi. de l'ecole des hautes etudes, SC. phil. et hist. 99) s. 235-6, dazu S. 89; nach A von P. v. WINTERrELD in Mon. Germ., Poet. lat. IV, I, 1899 S. I37f. (danach hier wiederholt). Melodie: Nach den Neumen der Hs. hat Guwo M. DREVES eine moderne Notenumschrift besorgt, die MüHLBACHER und ihm folgend FAVRE abdruckten. Ich lasse mich von Kundigen dahin beraten, daß sie irreführend ist, und sehe deshalb von ihrer \X7iederholung ab. Kursivdruck: In Abschnitt A = traditionell; in B = Entsprechung zur Petitio.
A. (S. I98:) I. Oratio ad regem benedicendum: »Domine Deus, Pater omnipotens, hunc famulum tuum ill. tuae maiestati subiecMARTENE a. a. 0. S. 6o4 fügt noch an: In alio autem folio istbaec babetur benedictio: »Benedictio, cum rex elevatur in regnum: Prospice, omnipotens Deus, serenis - muniftcentiae. Amen«. Über das hier nur verkürzt gebotene, seit dem 8. Jahr-
hundert belegte Gebet vgl. ScHRAMM, Ordines a. a. 0. S. 356.- Abdruck aus Cod. Paris Bibi. Nat. lat. 9430 f.190 bei BouMAN, Sacring a. a. 0. S. I9I; Facsimile in Speculum XIV, 1939 Tafel IIIa.
Odos Ordo und Petitio (888)
213
turn perunieuro Filium tu um in virtute sancti Spiritus benedic ac protege, ut ab omni adversitate securus in tua iugiter laudea laudetur. Per eumdem .. . « Consecratiob regis:
2.
»Deus honorum omnium dator, Deusomnium dignitatum püssimus distributor, adestob precibus
Bischofs- und Diakonenweihe.
et invocationibus nostris et emittere digneris super hunc famulum tuum ill. Spiritum tuum de caelis, quem hodierna die in filium adoptionisc effudisti, qui illurninet, doceat et gubernet eum ad regendum populum tuum et ad perficiendam in omnibus voluntatem tuam. Accipiat, quaesumus, Dornine, unctionem sanctificationis tuae, qui per manus sancti prophetae tui Samuelis regem et prophetam David oleo benedictionis tuae unxisti, de cuius postmodum semine Filium tu um, Dorninum et Deum nostrum Iesum Christum ex intemerata virgine carne progernturn adrnirabili prorsus dispensatione ad salutem credentium rnisisti in mundum. Adsit ei, quaesumus, rnisericordissime Pater, eadem sancta Dei genitrix et immaculata virgo Maria sanctique tui apostoli omnesque electi tui, et assidua precum suarum intercessione hunc famulum tu um ill. tueantur, et foveant ac strenuum et idoneum efficiant ad regendam plebem et populum tu um, quem tu, Dornine, pretiosissimo Christi filii tui sanguine redemisti, qui tecum et cum sancto Spiritu vivit et gloriatur et regnat Deusper inftnita saecula saeculorum.« Ad complendum:
3.
»Actiones nostras, quaesumus, Domine, etc. [ = et aspirando praeveni et adiuvando prosequere, ut cuncta nostra operatio et a te semper incipiat et per te coepta finiatur. Per Dominum ... ]«.
Sacr. Gregor. (Wilson S. p).
a Vgl. hierzu jetzt BouMAN, Sacring a. a. 0. S. 27 Anm. r. b-b DiakonemJJeihe: »Consecratio: Adesto, quaes., omnip. Deus, honorum dator, ordinum distributor« etc., Bischofsweihe: »Consecratio: Deus honorum omnium, Deus omnium dignitatum etc.; vg!. S acramentarium Ge!asianum (Tbe Ge!asian Sacramenlary. Liber sacr. Rom. ecc!. ed. H. A. Wilson, Oxford 1894 S. 26, IJI} und Sacr. Gregorianttm (The Gregorian Sacramentary under Char!es the Great ed. by H. A. Wi!son, London IIJIJ; Henry Bradshaw Society XLIX, S. ;, 8). c adoptio filiorum biblisch.
B.
(S. 199.) 4·
Petitio episcoporum ad regem:
»A vobis perdonari et promitti nobis petimus, ut unicuique nostrum et ecclesiis nobis commisis canonicum privilegium et debitam Iegern atque iustitiam conservetis et I contra depraedatores [et d opressoresd] ecclesiarum nostrarum et rerum ad easdem pertinentium defensionem secundum ministerium vestrum, quantum posse vobis [Deusd] dederit, exhibeatis I et ius ecclesiasticum et Iegern
Petitio von 882.
Synode von 84j c. 6.
canonicam nobis ita conservetis et res ecclesiarum nostrarum tarn a regibus quam a reli- Ebd. c.
quis Dei fidelibus collatas sub integritate et immunitate absque aliqua rninoratione permauere concedatis, quas modo iuste et legaliter nostrae retinent ecclesiae, et eas d
So V= unten§ J ;fehlt in HS. und Druck.
1.
Anlagen: Die westfränkisc hen Krönungsord ines
214
augmentar e et exaltare secundum debitum uniuscuius que servitium, prout scire et posse vobis Deus rationabilit er dederit et tempus dictaverit, studeatis, sicut vestri antecessores, qui hoc bene et rationabiliter observaverun t, nostris praedecessor ibus conservaveru nt. Et quae
retro maloque sunt ingenio depravata, in meliorem et pristinum gradum, adiuvante vos divina clementia, reformetis cum nostro aliorumque vestrorum fidelium consilio et auxilio.« Prornissio von
Vgl. oben§ 4·
Promissio von 88z.
Vgl. oben § 4-
Promissio Odonis regis:
5·
882.
»Promitto et perdono unicuique vestrum et ecclesiis vobis commissis, quia canonicum privilegium et debitam legem atque iusticiam conservabo et contra depredatores et opressores ecclesiarum ve-
strarum et rerum ad easdem pertinentium deffensionem secundum ministerium meum, quantum mi hi posse Deus dederit, exibibo; et ius ecclesiasticum et fegem catzonicam vobis ita conservabo et resecclesiarum vestrarum, tam a regibus vel imperatorib use quam a reliquisDei ftdelibus collatas sub integritate et immunitate absque aliqual minorationeg permanere concedam, quas modo iuste et legaliter ve s trae retimnt ecclesiae; et eas augmentare et exaltare secundum debitum uniuscuiusque servicium,prout scire et posse mihi Deus racionabiliter dederit et temptts dictaverit, stude bo, sicut m ei antecessores, qui hoc bene et racio ( 5. 2 o o :) nabiliter observaverunt, v e stris predecessoribus conservaverunt h; in hoc, ut vos mihi secundum Deum et secund um seculum sie fideles adiutores et consilio et auxilio sitis, sicut vestri antecessores boni meis melioribus praedecessoribus extiterunt secundum scire et posse. Et quae retro maloquei sunt ingenio depravata, in meliorem et pristinum gradum, adiuvante me divina c!ementia, reformaha cum vestro et aliorum nostrorum ftdelium consiliok et auxilio.« e vel imp. fehlt§ 4, dort versehentlich ausgefal!m? a11s inoratione Hs. (S. 200.) h so oben§ 4 solatio Hs.
1 aliquam =
Hs.
T·~· fehlt Hs.
g
inonoratione , tJerbessert
mala Hs.
k
con-
c. Weltliche r Festgesan g zum Krönung smahl König Odos.
I So
r.
Odo princebs altissime regumque potentissim e, regale ceptrum suscipe longo regenduml tempore.
2.
Te crux divina muniat, te virtus alma protegat, te neumam sacrun1n protegato et ad superna dirigad.
W(interfeld); regendo Hs.
m
Vg!. oben S.
Ij6.
n
sacraun1 Hs.
0
repleat coni. W.
Odos Promissio und Festgesang (888)
(S. 20I:)
3·
Sis Deo dignus ut Abel, sis fidelis ut Samuel, sie iudices ut Daniel, et credas ut Natanael.
4·
Vivendor vivas ut Enohc, pacificus uti Sadoc, sis benedictus ut Iacob, sanctissimus, ut fuit lob.
5·
Sis eloquens ut Abraam, benedictus ut Balaam, robustus ut Geroboam, aedifices ut Ioatam.
6.
Sis sapiens ut Salomon, fortissimus sicut Samson, pulcherrimus ut Absalon et cautus sicut Gedeon.
7·
Monarcha sis ut Iulius, sed Deo dignus melius, ut Davit rex mitissimus et Iudas victor optimus.
8.
Ut Alexander maximus pugnator sis aptissimus, tibique sit contrarius ceuq fugiens Pompegius.
9·
Qui mea laudant carmina, pigmenta bibant dulcida; quibusque sunt contraria, spumosa detur sicera.r
IO.
Amen resultet Gallia, amen cantents Burgundia, Bigorni<• regni spacia, Wasconiau5 et Teutonia.v
P Von hier an fehlen die Initialen der Anfangsverse. q cau Hs. s t iiber n I-!s. t >Bigorri< konj. W. u iuuasconia Hs.
4 Die Grafschaft Bigorre richtete Kar! d. Kr,hle um 840 ein. Zur Zeit Odos hatte sie Graf Lupus Donat inne, dessen Vorfahr Herzog gewesen war; vgl. ]EAN DE ]AuRGAIN, La Vasconie, Etude historique et critique II, Pau
1902
215
v
r So konj. W.; cicera Hs. Teutonica Hs.
s. 3j8ff.
Herzog der Gascogne war damals Sancho Menclitarra oder schon sein Sohn Garcia II. Sancho; vgl. ]AURGAIN a. a. 0. I, Pau 1898 S. I96f.
zr6
Anlagen: Die westfränkischen Krönungsordines
In die Nähe dieses Festgesangs gehören z1vei Gedichte auf den König Odo und seine Gemahlin Theostrada, die ihnen ein Unbekannter zur Hochzeit (Frühjahr/Sommer 888) überreichte; vgl. N. FrcKER· MANN, Eine karolingische Kostbarkeit zwischen Figurengedichten der Zeit um 1500, in den Beiträgen zur Gesch. der deutschen Sprache u. Lit. 83, 1961 S. 36-62 (bes. S. 49ff.). Für unsere Fragestellung werfen die in einer früher Leiden er, jetzt Berliner Papierhandschrift entdeckten Verse jedoch nichts ab.
IV. Ordo C: >Erdmannscher (Westfränkischer) Ordo um 9oo< (zwischen 88o und 96o) Hss.: A = Cod. Leningrad Bibliothek Q. V r Nr. 35: Pontifikale des ro. Jahrh. aus Sens (f. 85'-94v: der Ordo). Die Hs. wurde beschrieben von A. STAERK, 0. S. B., Les manuscrits latins du ve au XIIIe siede a Ia Bibliotheque imperiale de St. Petersbourg I, ebd. 191o S. 151-73 (Abdruck des Ordo S. r66-9). Die Herkunft aus Sens ist durch auf diese Kirche bezügliche Eintragungen gesichert. Die Hs. gehörte später der Abtei Saint-Germain-des-Pres, bildete dann den Cod. Harley 1314 und kam 1805 aus der Bibliothek Dubrovski in die Kais. Russische Bibliothek (vgl. dazu L. DELISLE, Le Cabinet des mss. de Ia Bibi. Nationale II, Paris 1874 S. 103). AI (aus A) = PIERRE DELALANDE, Conciliorum antiquarum Galliaea Jac. Sirmondo S. J. editorum Supplementa, Paris I666 S. 355b-358a. Es folgen hier aufeinander der Ordo D, die bei A 2 angeführten vier Benediktionen und Auszüge aus dem Ordo G (vgl. dazu S. 236, jezt: S. 244 f.). A 2 (aus A) = Abschrift des ST. BALUZE (t I7I8) im Cod. Paris Bibi. Nat., Co!!. BALUZE 379 f. 86-86': Notiz über den Ordo C, vier von C. ERDMANN nach A und B edierte Benediktionen (Der Heidenkrieg in der Liturgie u. die Kaiserkrönung Ottos I., in den Mitteil. des Inst. für österr. Geschichtsfor,ch. 46, I932 S. J4I) im Wortlaut, dann Notiz über Ordo D. Vgl. dazu L. AuvRAY et R. PouPARDIN, Catalogue des Mss. de Ia collection Baluze, Paris I92I S. 4zi-4. B = Cod. Paris Bibi. Na t. Ia t. 17 3 3 3 (Nouv. Acqu. T. rro9): Pontifikale von N evers (zur Erzdiözese Sens gehörend) aus der r. Hälfte oder Mitte des Ir. Jahrh.; angeführt von L. DELISLE, Inventaire des Mss. de Notre-Dame et d'autres fonds conserves a Ia Bibi. Nat. sous !es nos r6 719 bis r8 I63, Paris 1871 S. 41 und von V. LEROQUAIS, Les sacramentaires et !es Misseis Mss. des bibliotheques publiques de France II, Paris 1924 sowie DERS., Les Pontificaux etc. II, ebd. 1937 S. 201 ff. Gedruckt ·wurde das Pontifikale von (A.-J. CROSNIER:) Sacramentarium ad usum aecclesiae Nivernensis, Nevers 1873 (Pub!. de Ia soc. Nivernaise VIII); hier S. 107-13 der Ordo. Tm Widmungsgedicht wird der Bischof Hugo von Nevers (1012-65) erwähnt; dadurch sind Alter und Heimat festgelegt. Die Hs. nahm in der Revolution der Abt Alloury an sich; sie gelangte dann über die Sammlung Wattemare 1865 in die Pariser Bibliothek. C = kurzer Auszug des I2. Jahrhunderts (für Festkrönungen bestimmt?) im Cod. Baltimore (USA) Walters Art Gallery 28 f. z: Sakramentar aus Reims (wohl für die dortige Kathedrale geschrieben); vgl. CH. NrvER, A Twelfth Century Sacramentary in the Walters Collection, in: Speculum X, I935 S. 333-7. Hinweis und Auskunft verdanke ich Professor CHARLES NrvER in Cambridge (Mass.). Bei dem r. Abdruck war ich ange>.viesen auf A I und A 2, auf die mich C. ERDMA.c"'N aufmerksam gemacht hatte; in uneigennütziger Weise räumte er mir das Recht der Veröffentlichung ein. Auf die Leningrader Hs. machte mich aufmerksam Pater Petrus SrFFRIN, 0. S. B.; ihm verdanke ich auch den Hinweis auf B.
Der »Erdmannsche (\'Vestfränkische) Ordo um 900«
217
B unterscheidet sich von A dadurch, daß zwischen die Baculus-Formel und die Meßgebete der Ordo D r (Text V) eingeschoben ist. Sonst finden sich nur Abweichungen, die sich durch das Abschreiben erklären. Sie lassen erkennen, daß B nicht aus A abgeschrieben ist; auch die Anlage des Pontifikale von Nevers spricht dafür; denn es bietet zwar im wesentlichen das im Pontifikale von Sens vereinigte Material, aber in anderer Anordnung. Bei gründlichem Nachsuchen werden sich vermutlich noch weitere Handschriften mit dem >Erdmannschen Ordo< anfinden. Diese Berichtigungen machte ich bekannt in: Nachträge zu den Ordines-Studien II-III, im Archiv f. Urkundenforschun g XVI, 1939 S. 279-82. Der folgende Abdruck gibt jetzt A (auf Grund der angeführten Edition) wieder (Schreibfehler sind nicht berücksichtigt). ( S. 202) Vor 1a gen : r. Sacramentarium Gregorianum, vgl. The Gregorian Sacramentary under Charles the Great ed .... by H. A. WrLSON, London 1915 (Henry Bradshaw Society 49); 2. Ordo von 869, vgl. Mon. Germ., Capitubria II S. 337ff. und 456 ff.; 3· Ordo von 877, vgl. ebd. S. 363ff.und 46r ff.; 4· Ordo von 878: vgl. oben Text I (Die Numerierung ist von mir zugesetzt).
INCIPIT ORDO AD ORDINANDUM REGEM
A. I.
Petitio episcoporum ad regem:
»A vobis perdonaria petimus, ut unicuique de nobis et ecclesiis nobis commissisb canonicum privilegium ac debitam Iegern atque iustitiam conservetis et defensionem exhibeatis, sicut rex in suo regno
Ordo von 877 §I.
unicuique episcopo et ecclesiae sibi commissae per rectum exhibere debet.« 2. Responsio regis: »Promitto vobis et perdonoc, quia unicuique de vobis et ecclesiis vobis commissisd canonicum privile-
Ebd. § z.
gium et debitam Iegern atque iustitiam conservabo et defensionem, quantum potuero, adiuvante Domino exhibebo, sicut rex in suo regno unicuique episcopo et ecclesiae sibi commissae per rectum exhibere debet.«
( S. 20 J:) 3. Deindee alloquantur duo episcopi populum in ecclesia, inquirentes eorum voluntatem. Et si concordes fuerint, agante Deo gratias, decantantes: »Te Deum laudamus.«
Ordo von B69 § 6.
a Dahinter ausgefallen: nobis V( orlage). b Ebenso ein Venveis auf das Kapitular von Quierzy aus dem]. 877. c Dahinter ausgefallen: vobis V, vg!. Note a. d Entsprechend Note b. e-e Rede zn,eier Bischöfe in ecclesia S. Stephani coram rege et episcopis et aliis quam plurimis V § 1-;. Dann§ 6: Et in hoc conclamantibus omnibus, dixit idem episcopus: »Agamus etc. (vgl. oben).
B. 4·
Benedictiones et orationes super regem :f
»Deus, qui populis tuis virtute consulis et amore dominaris, da huic famulo tuo N. spiritum sapientiae f
Ben. super Hludowicum factae Ordo z•on 877 § ).
Ebd. § 7· Ordo von 877 § l·
Anlagen: Die westfränkischen Krönungsordines
2!8
Oruo von 869 § 7"·
cum regimine disciplinae, ut tibi toto corde devotus in regni regimine maneat semper idoneus, tuoque munere ipsius temporibus securitas ecclesiae dirigatur et in tranquillitate devotio christiana permaneat, f ut in bonis operibus perseverans ad aeternum regnum te duce valeat pervenireg, Per.«
5. Ordo von 877
§ 4(Apoc. '7• ,6.)
Alia oratio:
»Ümnipotens sempiterne Deus, creator ac gubernator caeli et terrae, conditor et dispositor angelorum et hominum, rex regttm et domintts dominorttm, qui Abraham famulum tu um de hostibus triumphare fecisti, Moysi et Iosue populo tuo prelatis multiplicem victoriam tribuisti, humilem quoque David puerum tu um regni fastigio sublimasti, eumque de ore leonis et de manu bestiae atque Goliae, sed et de gladio maligno Sau! et omnium inimicorum eius Iiberasti, et Salomonern sapientiae pacisque ineffabili munere ditasti, respice, quaesumus, ad preces humilitatis nostrae, et hunc famulum tuum N. virtutibus, quibus prefatos fideles tuos decorasti, multiplici honoris benedictione condecora, et in regni regimine sublimiter colloca, + et oleo gratiae Spiritus + sancti tui perunge, unde unxisti sacerdotes, reges, prophetas et martyres, qui per fidem vicerunt regna et operati sunt iustitiam atque adepti sunt promissiones. H uius sacratissima unctio +super caput eius defl.uat atque ad interiora eius descendat et cordis illius intima penetret, et promissionibus, quas adepti sunt victoriosissimi reges, gratia tua dignus efficiatur; quatenus et in praesenti saeculo feliciter regnetet ad eorum consortium in caelesti regno perveniat. Per dominum nostrum Iesum Christum, filium tuum, qui unctus est oleo letitiae prae (S. 204:) consortibus suis et virtute crucis + potestates aerias debellavit, tartara destruxit regnumque diaboli superavit et ad caelos victor ascendit. In cuius manu victoria omnis, gloria et potestas consistunt, et tecum vivit et regnat Deus in unitate eiusdem Spiritus sancti per omn.ia saecula saeculorum. Amen.«
6.
Post debet imponi anulus digito illius et tune dici:
»Accipe anulum, signaculum sanctae fidei, per quem scias repellere cunctas hereses, et catholicae fidei perseverabilitati connecti.« Sequitur oratio:
7· ürdo von 878
§I.
»Deus, cui u s esth omnis potestas et dignitas, da famulo tuo N. prosperum suae dignitatis effectum, in quo te munerante permaneat, semperque te timeat, tibique iugiter placere contendat. Per.«
8. 1. Petr. z, 14 .
Ad gladium tradendum:
»Accipe hunc gladium cum Dei benedictione tibi collatum ad vindictam maleficorum, laudem vero bonorum, in quo per virtutem Spiritus sancti resistere et eicere valeas omnes inimicos tuos
et cunctos sanctae Dei ecclesiae adversarios,
que tibi commissum tutari
regnum-
atque protegere castra Dei.
Per attxilittm invictissimi trimnpbatoris domini nostri Jestt Christi, qtti cttm Patre in ttnitate eiusdem Spiritus sancti vivit et regnat in sectt!a sectt!orttm. Amen.« g Ordo von 877 § J beruht auf Ordo von 869 § 7a mit einem Eimchub aus § 7c. Der Bearbeiter hat das bemerkt und den 877 preisgegebemn Sch!t!ß an den damals angehängten zugesetzt; vgl. Note p und r. (S. 20 J :) h
cui o. p. et d. famulatut V.
Der »Erdmanns che (\'i/estfränkische) Ordo um goo« Impositio coronae:
9·
»Coronet te Dominus corona gloriae atque iustitiae, honore et opere fortitudinis , ut per officium nostrae benediction is cum fide recta et multiplici bonorum operurn fructu ad coronam pervenias regni perpetui. Ipso largiente, cuius regnum et imperium permanet in secula seculorurn. Amen.«
Ordo von 877 § 5·
Sequitur oratio:
IO.
»Omnium, Domine, fons bonorum, cunctorum que Deus institutor provectuum i, tribue, que- Ordo von § 2. sumus, famulo tuo N. adeptam bene gerere dignitatem, et a te sibi prestitarn in honorem
878
dignare
I
corrobora re. Honorifica eum prae cunctis regibus terrae. Uberi eum benediction e locupleta, et ~e~: ~! ~i:::~: in solio regni firma stabilitate consolida , visita eum in subole k, et praesta ei prolixitatem vitae; in diebus eius semper (S. 20J.') oriatur iustitia, ut cum iocunditate et laetitia aeterno glorietur in ~~dSchlull. regno. Per« 1
I
Hic sceptri traditio:
I I.
Ordo von 877
»Accipe sceptrum, regiae potestatis insigne, virgam scilicet rectam regni, virgam virtutis, qua te ipsum bene regas, sanctam ecclesiam, populum videlicet christianum tibi a Deo commissum , regia virtute ab improbis defendas, pravos corrigas, rectos, ut viam rectam tenere possint, tuo iuvamine dirigas; quatenus de temporali regno ad aeternum regnum pervenias. Ipso adiuvante, cuius regnum
§ 6.
et imperium sine fine permanet in secula seculorum. Amen.«
Ad baculum dandum: sacri regiminis sign um, ut imbecilles consolide s, titubantes con- Oben§ firmes, pravos corrigas, rectos dirigas in viam salutis aeternae, cooperante domino nostro Iesu Christo, qui cum Patre in tmitate Spiritus sancti est virtus et imperium, per omnittm secula seculorum. Amen.« I Z.
»Accipe baculum,
i So V und unten§ 26; profectuum Druck. Ordo ron 878 § 2.
k
Statt sicut Moysem in rubro etc. V.
1
11.
So
c. Ad missam:
I3·
»Quaesumu sm, omnipotens Deus, ut famulus tuus, quin tua miseratione suscepit regni gubernacul a, Sacr. Gregoc. a te virtutum etiamo omnium percipiat incrementa , quibus decenter ornatus et vitiorum monstra (Wilson s. 187). devitare et ad te, qui via, veritas et vita es, gratiosus valeat pervenire, qui vivis ... «
14·
Secreta:
Ebd. (S.1R7).
»Munera, quaesumus , Domine, oblata sanctifica, ut et nobis unigeniti tui corpus et sanguis fiant, et regi nostro ad obtinendam animae corporisqu e salutem et ad peragendum iniunctum officium, te largiente, usgucquaq ue proficiant. Per ettndem . .. « m
So T :· Quatenns De!a!.
11
qui a V.
0
So V; et iam De!a!.
Anlagen: Die westfränkischen Krönungsordines
220
Ordo von 877 § 71.
I 5. Benedicti o : a. Ȇmnipotens Deus victoriosum te atque triumphatorem de visibilibus et invisibilibus hosti-
bus semper efficiat; et sancti nominis sui timorem pariter et amorem continuum cordi tuo infundat; et in fide recta ac bonis operibus perseverabilem reddat; et pace in diebus tuis concessa, cum palmaP victoriae te ad perpetuum regnum perducat. Amen. Ebd. 7ID·
(S. 206:)
b. Et qui te voluit super populum suum constituere regem, et in presenti seculo
felicem et aeternae felicitatis tribuat esse consortem. Amen. Ebd. 7n.
c. Clerum ac populum, quem sua voluit opitulatione tuae subdere ditioni, sua dispensatione et administratione per diuturna tempora te faciat feliciter gubernare; quo divinis monitis parentes,
tua
adversitatibus cunctis carentes, bonis omnibus exuberantes, tuo ministerio fideli amore obsequentes, et in presenti seculo pacis tranquillitate fruantur, et tecum aeternorum c.ivium consortio potiri mereantur. Amen. Ebd. 70. Sacr. Gregor. (S. 187).
d. Quod ipse prestare ... «
r6.
Post communionem:
»Haec, Domine, communioq salutaris famulum tuum ab omnibus tueatur adversis, quatenus et ecclesiasticae pacis obtineat tranquillitatem et post istius temporis decursum ad aeternam perveniat hereditatem. Per ... «
17. Item benedictio super regem: »Ümnipotens Deus regali culmine tibi sublimato benedicat, regnumque tibi commissum optata pace disponat. Amen. Ab omni hostili incursione defendat, atque superbiam inimicorum te vincente substernat. Amen. Quatenus ecclesia tot cladibus pressa relevetur, et huiusmodi labor celesti dono ditetur. Amen. Quod ipse ... « ~~~;:~~::,~.
r8. Oratio super regem: »Deus omnipotens, per quem reges regnant, f et in cuius manu omnia iura regnorum6 consistunt, regnum tuum ad libertatem populi christiani magis ac magis corroboret, tuique potentatus plantis infidelium nationum cervices inflectat. Per Dominum .. . « P So Ordo von 869; corona Ordo von 877; derselbe Vorgang tvie Note g.
q
oratio V.
D. INCIPIT ORDO AD ORDINANDAM REGINAM
r 9. V eniente ea in ecclesiam, prosternat se ante altare ad agendam orationem; 6 in c. m. stmt omnium potestates et o. i. r. als Zusatz im Gebet: 0. s. Deus, qui regnis etc.; vgl.
Sacram. Gebs. ed. WrLSON S. 78 A. 28.- Auch die weiteren Wendungen sind Traditionsgut.
Der »Erdmannsche (Westfränkische) Ordo um 900«
221
expleta vero oratione, producatut (S. 20 7 :) ab episcopis ad altare, et inclinato capite, ab archiepisco po dicatur super eam haec oratio: 20. »Adesto, Domine, supplicationibus nostris, et quod nostrae humilitatis ministerio est geren- Sacr. Gregor. (WilsonS. j). dum, sempiterna e virtutis tuae impleatur effectu. Per Dominum ... « 2
r.
Tune inoleato capite illius ab archiepisco po, dicat isdem pontifex:
»In nomine Patris et Filii et Spiritus sancti prosit tibi haec unctio olei in honorem et confirmatio nem aeternam. Amen.« 22. Sequitur oratio 7 : »Ümnipote ns sempiterne Deus, divinum tuae benediction is Spiritum super hanc famulam tuam nostra oratione propitiatus infunde, ut, quae per manus nostrae imposi- Ordo von s7s tionem hodie regina instituitur, sanctificatione tua digna et electa permaneat, et ineffa- § j(?). bilis gratiae tuae praesidio hic et in aeternum munita consistat. Per . .. «
23. Tune summus episcoporu m accipiens anulum et digito illius imponens dicat: Vgl. vor»Accipe anulum fidei, signaculum sanctae Trinitatis, quo possis omnes hereticas pravitates stehend§ 6. devitare, barbaras quoque gentes virtute tibi praestita ad agnitionem veritatis advocare«.
24. Sequitur oratio: Vgl. ebd. § 7· »Deus, cuius est omnis potestas omnisque dignitas, da famul ae tuae ill. fidei signo prosperum suae dignitatis effectum, quo semper firma maneat, tibique iugiter placere contendat. Per ... « 25. Tune imponatur corona capiti illius atque dicatur: Vgl.ebd.§9. »Accipe corona m gloriae, honorem iocunditati s, qua splendida fulgeas, et aeterna exultatione coroneris.« 26.
Sequitur oratio:
»Omnipotens sempiterne Deus, fons et origo omnium bonorum, et cunctorum dator provectuum, tribue, quaesumus, huic famulae tuae adeptam bene gerere dignitatem, et a te sibi prestitarn inr eam bonis operibus corrobora gloriamr. Per Dominum nostrum ... « 27. Eo die offerre et communica re debet. r-r in honorem dignare corroborare V,· bonis operibus comprobare Ordo von 878 § 2; vg!. Note gundp.
V. Ordo Dr: >In vestiturf ormein aus Sens<, wohl ro. Jahrhunder t, für Festkrönun gen bestimmt? ( S. 208:) Hss. und Drucke: Dieselbe Überlieferung wie Text IV, also r) im Cod. Leningrad f. 97r-97v (danach DELALANDE a. a. 0. S. 357, BALUZE f. 86v und STAERK a. a. 0. I S. no) und 2) im Cod. 7 Zur Frage, ob dies Gebet auf die genannte Vorlage zurückgeht, vgl. oben S. 126f.
(jetzt: S. 147).
Vgl. ebd. § ro.
222
Anlagen: Die westfränkischen Krönungsordincs
Paris (aus Nevers), gedruckt bei CROSNIER a. a. 0. S. 11of. Vgl. auch P. E. S., Nachträge a. a. 0. S. z81f. Hier (wie Text IV) nach der Leningrader Hs. (ohne Berücksichtigung von Schreibfehlern).
I tem benedictio ad ordinand um regem. Quando datur anulus, dicatur:
I.
»Sub hoc anulo hortamur te per gratiam omnipotentis Christi, Dei nostri, integritatem fidei custodire et a tramite veritatis numquam recedere.« 8 Quando gladius:
2. Ps. 44, 4 u. I. Petr . .2., 14.
Ps. pass.
»Accingere gladio isto ad vindictam malefactorum, laudem vero bonorum, et te custodiat ad
salvationem nostram et statum ecclesiarum in longitudine dierum.« Quando corona: 3· »lmpono tibi coronam regalem, qua ornatus ita vivas in terris, commissis aeternam coronam recipere merearis in celis.« 4·
Ordo Hebr.
c
§ rr. 1, 8.
ut pro te et pro tibi
Quando sceptrum: quo significatur regula divinae aequitaris, que et malosa conterit; in hac virga regni disce amare iustitiam et odisse
»Accipe sceptrum, insigne regnantis,
bonosa regit iniquitatem.«
Quando baculus : 5· »Sub hoc baculo commendamus tibi gubernaculum regni Franeorum in nomine Patris et Filii et Spiritus sancti, ut populum Domini iuste regas et aecclesias Sanetarum bene disponas.« a-a malos regit et bonos De!a!.
Ordo D2: »lnvestiturformel n aus Reims«, nachweisbar im I 2. Jahrhundert, für Festkrönungen bestimmt? Hs.: Cod. Baldmore (USA): Walters Art Gallery 28 (Sakramentar des 12. Jhrs. aus Reims, wohl für die Kathedrale selbst geschrieben), bekannt gemacht von CH. NrVER, A Twelfth Century Sacramentary in the Walters Collection, in: Speculum X, 1935, S. 333-7 (Von mir verzeichnet im Archiv für Urkundenforschung, XV, 1938, S. zr; ergänzt ebd., XVI, 1939, S. z8z; vgl. dort, weshalb nicht Ordo G, sondern Ordo C zugrunde liegt). Auf Fol. 2 (davor fehlen einige Blätter; f. r ist falsch vorgebunden) steht der Rest eines Offertoriums, dann (laut Auskunft von Prof. C!nrlcs NrvER in Cambridgc- Mass., für die ich ihm Dank schulde) der folgende Text: V gl.: quatenus a tuae veritatis tramite 11on recedat in der >Missa temp. sinodi< des Sacr. Gregor.
(W1LSO?'i S. 197 unten).
Investitur formeln aus Sens und Reims 1.
Ad regem corona ndum:
»Corone t te Dominu s corona gloriae atque iustitiae ./n nomine Patris et Filii et Spirtti!S
sancti anun.«
Ordo C § r
z. Ad sceptru m: »Accipe sceptrum , regiae potestat is insigne. ln nomine Patris et Filii et Spiritussancti am.n.«
ebd. §
n
3· Ad baculu m: »Accipe baculum , sacri regimini s signum.l nnomine Patris et Filii et Spiritus sancti amen.«
B.
DrE ANGEL SÄCHS ISCHEN KRÖNU NGSOR DINES
(S. zo9.)
VI.
Ordo E: Angels ächsisc her >Ürdo des Hlg. Dunsta n<, zwische n 960-73 9 • I.
Altere (>Leofr ic< -)Fassu ng:
Hs.: A = Cod. Oxford Bodl. Library 579: >Leofric Missale< , vomBisch ofLeofric von Exeter (I050-72) an seine Kirche geschenkt (dort bis I6o2). Stammteil vom Ende des 9· (erste Hälfte des Io.?) Jahrhunde rts aus St. Vaast in Arras oder Umgegen d mit 969 einsetzend em Kalendari um und Ostertafel (die auf Glastonbu ry, das Kloster Dunstans und Aethelwo lds, weisen) sowie Zusätze des IO. und I I. Jahrhunde rts von verschied enen Händen, zum Teil erst aus der Zeit Leofrics oder kurz nachher; im ursprüngl ichen Text (f. 302 b) der Königsor do. Drucke: Nach A bei Dr. (\'V. G.] HENDERSON, Liber pontificalis Chr. Hainbridg e archiep. Eboracens is, Durharn etc. I875 (The Publ. of the Surtees Society 6I) S. 299-357 (Ordo: S. 348-5I); nach A bei F. E. WARREN, The Leofric Missale as used in the Cathedral of Exeter during the Episcopate of its first Bisbop A. D. I050-I072 , Oxford I883 S. 23off.- Varianten gegenübe r der zweiten Fassung bei \'V. MASKELL, Monumen ta ritualia ecclesia Anglicana e III, London r847 S. 74-SI und bei L. G. \'V. LEGG, English Coronatio n Records, Westruins ter I90I S. 3-9. Lit. (u. a.): HENDERSON S. XI-V; DELISLE, Sacramen taires S. 2I8-2o; auch G. ELLARD, Ordination Anointing s, Cambridg e (Mass.) I932 (Monogra phs of the Mediaeva l Academy of America 8) S. 58.- Facsim. bei I.O. WESTWOOD, Facsimiles of Miniature s of Anglo-Sa xon and Irish Manuscrip ts, I868 S. 33; kunsthisto r. Einordnu ng der Hs. bei 0. Hm1BURGER, Die Anfänge der Malschule von W'inchester, Leipzig I9I2 (Studien über christl. Denkmäl erN. F. III) S. 4· 2.
Jünger e (>Egber t< -)Fassu ng:
Hss.: A = Cod. Paris Bibl. Nat. Io 5 75 (Suppl. lat. I38), Pontifikal e, dem Erzbisch of Egbert von York (732-66) zugeschri eben, aber nur einige seiner Bußcanon es 9 Nachzutra gen ist A. A. Kr:-.:G, Liturgies of the Past, London usw. I958 (= Rites of Western Christend om IV), der S. 276-374 England behandelt , aber der Krönung keine
Aufmerks amkeit schenkt (behandel t werden die Riten von Sarum = Salisbury, York, Hereford und Banguor).
cbd. § rz
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines enthaltend. Um I ooo in angelsächsischer Schrift geschrieben, im I I. Jahrhundert im Besitz der Kirche von Evreux (Erzd. Rouen), (f. I30 v_I 37r der Königsordo). B = Cod. Rouen Bibi. Munic. 368 (früher: A 27 und 362): >Pontificale Lanaletense< ( = Alet in der Bretagne), ( S. 2IO :) auch >Pontificale Gemmeticense< ( = Jumieges bei Rouen), Ende IO. oder Anfang des I I. Jahrhunderts in England geschrieben; der Ordo f. 88-93. (f. 39v und f. 56r-v der Königinnen-Ordo des Ordo F wohl nachgetragen, aber von der ersten Hand); vgl. G. H. DoBLE, The >Lanalet Pontificale<, Bristol I937 (Henry Bradshaw Society 74) S. 59-63, Königin: S. 28, 4If.; s. dazu ScHRAMM, Ordines-Studien III, im Archiv f. Urkundenforschung XV, I938 S. 312. Drucke: Nach A mit den Varianten von B bei E. MARTENE, De antiquis eccl. ritibus II, Antwerpiae I736 S. 596-9, danach MASKELL S. 74-8I mit Zusatz der Varianten der ersten Fassung (danach W. ScHÜCKING, Der Regierungsantritt I, 1899 S. I98-zo2). Gleichfalls nach A bei W. GREENWELL, The Pomifical of Egbert, Archbishop of York, Durharn etc. I853 (The Pub!. of the Surtees Society 27) S. 100-5; nach B bei LEGG S. 3-9. Lit. (nur in knapper Auswahl): I. (über A) HENDERSON a. a. 0. S. XI; LIEBERMANN (s. S. I77 Anm. 34) S. 375 f. mit äl+erer Lit.; ELLARD S. 8o; Facsim. bei I. B. SrLVESTRE [de Sacy], Paleagraphie universelle, Paris I 84 I. 2. (über B). J. GAGE, The Anglo-Saxon Ceremonial of the Dedication ... of Churches, in Archaeologia XXV, I834 S. 235-74, bes. 244ff. mit 3 Abb. (danach trotz MARTENE, der c. 900 annahm, Ende 10. Jahrhunderts oder Anfang 11. Jahrhunderts); HENDERSON S. XVf. (nach Würdigung der Gründe von GAGE für höheres Alter); CATALOGUE general des mss. des bibl. publ. de France, Departements I: Rouen par H. ÜMONT, Paris I886 S. 69f., danach 9· Jahrhundert; F. LIEBERMANN (s. S. 177 Anm. 34) nach Mitt. des Bibi.-Konservators, danach 875-925; ferner ELLARD a. a. 0. S. 79f., so wie oben angegeben. Die auffallenden Unterschiede bei der Datierung dieser Hs. werden aus zu geringer Berücksichtigung des Wandetweges zu erklären sein, den die karolingische Minuskel zurücklegte. Wie A. HESSEL, Studien zur Ausbreitung der kar. Min. II, im Archiv f. Urk. Forsch. VIII, 1923 S. 16-zo zeigte, drang sie erst im Gefolge der englischen Kirchenreform seit der Mitte des 10. Jahrhunderts über den Kanal. Der späte Ansatz ist vollauf gesichert durch die (bei GAGE a. a. 0.) abgebildeten Miniaturen, die schon den zackigen, lockeren, dem Utrechtpsalter nahekommenden Stil zeigen; über diesen HaMBURGER S. 67ff. (dort S. 57 die Hs. einmal kurz erwähnt ohne Einordnung) und allg. A. BoECKLER, Abendländ. Miniaturen bis z. Ausgang der Roman. Zeit, Berl.-Lpz. 1930 (Tabulae in us. schol. X) S. 53 ff. 3· (über den Ordo). J. W. LEGG, The Sacring of the English Kings, in The Archaeological Journal LI (Sec. Series I) I894 S. 29ff.; H. A. W1Lsoo:r The English Coronation Orders, in: The Journal of Theological Studies II, 190I S. 48rff.; WooLLEY S. 59ff. u. a. m.- Nicht erreichen kann ich in Deutschland JoNAS DENNIS, Key to the Regalia, London 18zo; THOMAS SILVER, The Coronation Service of the Anglo-Saxon Kings, Oxford 1836; F. C. EELES, The English Coronation Service, Oxford 1902. 4· {S. 2II) (über das >Mandatum regis<, auch für sich gedruckt, z. B. W. SruBBS, Select Chartersand other Illustrations of English Constitutional Hist. I", ed. by H. W. DAVIS, Oxford I921 S. 69). F. LIEBERMANN an den in Text VIII genannten Stellen; DERS., Zum angelsächsischen Krönungseid (vgl. S. 243) S. 375-6. Vorlagen: I. Benedictio super principes aus einer erweiterten Fassung des >Sacramentarium Gelasianum<, vertreten durch: Le sacramentaire Gelasien d'Angouleme, ed. P. CAGIN, ebd. 1918;
Der »Dunstan-Ordo« (960-73) 2.
tary 3· 4· 5· 6.
225
Consecratio sacrae virginis des >Sacramentarium Gelasianum< selbst, vgl. The Gelasian Sacramen.. ed. H. A. WrLSO~, Oxford S. 157 (daraus im Dunstan-Sakramentar vgl. S. 157, jetzt S. 173); Ordo von 856 s . .1\fon. Germ., Capitularia TI, 2, 1893 S. 425ff. Nr. 296; Erdmannscher Ordo s. Text IV; Oratio super militantes s.S.r58,2r8Anm.2(jetzt:S.I74,23I,Anm.2o); Über die erschlosseneVor Iage von § 3 vgl. oben S. I 58 f (jetzt: S. 174).
Die Meßgebete werden demnach dem >Sacramentarium Gelasianum< entstammen; sie finden sich auch im >Sacram. Gregorianum< (The Gregorian Sacramentary, ed. H. A. WrLSON, London 1915, Henry Bradshaw Society 49). Da das letzte Gebet im >Sacr. Fuidense< (s. S. 240 Anm. 77) fehlt, kommt dieses hier kaum in Frage. Druckanordnung: L(eofric) = r. Fassung; E(gbert) undA (Alet = Lanalet.) = 2. Fassung; V(orlage); (Ordo) F = Edgar-Ordo (s. unten); Lo(mbardischer) Ordo des I I. Jahrhunderts, vgl. MAGISTRETTI a. a. 0. S. I 12 ff., auf der >Egbert-Fassung< und dem >Deutschen Ordo< beruhend; nur bei zweifelhaften Stellen angeführt. Fette Typen kennzeichnen Alliterationen. Da nicht nur drei Hss., sondern auch Vorlagen und abhängiger Text vorliegen, kann der Versuch gemacht werden, die beiden Fassungen von ihren Fehlern zu befreien. Die Orthographie richtet sich nach L und, wo die zweite Fassung ab\\·eicht oder mehr bietet, nach E. Geht L mit E oder A zusammen, so ist diese Lesart einzusetzen; stehen sich L und E + A gegenüber, so geben die Vorlagenund wo diese versagen- der Sinn den Ausschlag. Meist besteht Sicherheit. Nach der oben entwickelten Ansicht geht die >Eghert-< auf die >Leofric<-Fassung zurück; man könnte sie also als neuen Ordo folgen lassen. Paralleldruck ist ge>,vählt im Hinblick auf das Verhältnis der zugehörigen Sakramcmare (vgl. oben S. 156; jetzt: S. 172). Auch lassen sich so die Eingriffe in den Text besser kontrollieren. Kursivdruck im Abschnitt A kennzeichnet die oben S. r6o (jetzt: S. 175) nachgewiesene Entsprechung.
>Egbert<:
A. MISSA PRO REGTBUS
IN DIE BENEDICTIONIS.
Antiphonaa: »Iustus esb, Domine, etb rectumb ... «
(:\fiss.a pro reg., s. u.). Ps. II8, 1 37· Ps. 118, 1.
Psalmus: »Beati immaculati ... « (S.
2I 2.)
»Deus regnorum omnium et Christiani maxime protecwr imperii, da servo tuo regi
nostro N.c triumphum virtutis tuaed scienter excolere, ut, cuiusc constitutione suntf principes, eius semper munere sintf potentesß. Perh ... «
l\1 issa p1·o reg.
(Gelas. p. 276 u. Gregor. p. 186).
Lectio libri Levitici: »Haec dicit dominus Deus: >Dabo pacem in finibus vestris, dormietis et non est, qui exterreat. Auferam i malas bestias, et gladius non transibit terminos vestros. Persequemini k inimicos vestros, et corruent coram vobis, et persequentur quinque de vestris centum alienos et1 centum ex vobis A. "Ant. EA. b fe!J/1 A, dort nur: Iustus, Domine ... (S. 2I2.) c iil. A. d A = ~ ~- suae E. e E = T ~· quia tua A. f_f E = T~· est princeps, tuo s. m. sit A. g V,· potestates D; potens A. h A = v~· feb!t E. i E = T, '; auferam a vobis A. 1- 1 et - milia fcb!t A. k -emini verb. zn: -imini A.
1)
Schramm,
,\ufs<~tzc
11
Lev. z6. 6-9.
226
Ps. 85,
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungso rdines
decem milial; cadentque inimici vestri in conspectu vestro gladio. Respiciam vos, et crescere faciam, et multiplicab imini, et firmabo pactum meum vobiscumc, dicit Dominus omnipote ns.« Gradualem: »Sa!vum facn servum tuum ... « Versus: »Auribus percipe, Domine ... Alleluia.« »Magnuso Dominus ... « velo »Domine in virtute tuaP ... «
2.
Ebd. 6. Ps. 47, z; 20, 14.
Sequentiaq sancti Evangelii secundum A-1athaeumq: lvfatth.
»In illo tempore abetmtes Pharisaei consilium« , et cet. r; require s retro t in ebdomad a postv pentecost en.v
22.,
Ijff.
XXIII u
m Grad. E; R A. n E = V; fehlt A. Alia: >Posuisti, Domine ... < A (= Psal. passim). runt . . . A. s quere A. t fehlt A. gemäß Kanon in A; statt dessen: evangel. in feria V. E.
Mag. D. vel fehlt A. Sequ. - Math. fehlt A. So Kanon; XIII E, XXIIII A. 0
-
0
q-q
u
>Leofric<:
P
dahinter: r iniev-v So
>Egbert<:
B. Ordo 856 § 6.
Benedicti o super regem noviter electum: »Te invocamus, Domine sancte, Pater omnipotens , aeterne Deus, ut hunc famulum tuum ill. a, quem tuae divinae dispensatio nis providentia in primordi o plasmatur n usque ad hunc presentem diem iuvenili fl.ore laetantem crescere concessistib, eumc tuae pietatis dono ditatum I.
plenumqu e veritatis gratia de die in diem coramd Deo et hominibus ad meliora semper profleere facias, ut summi regiminis solium, gratia superna largiente gaudens suscipiat, et (S. 2I 3 :) misericordi ae tuae muro ab hostium adversitate undique munit us, plebem sibi Commissam cum pace propitiation is virtute victoriaee feliciter regere mereatur. Per ... «
e
B. r. a So LLo; "K. EA. b concedisti A. LA; victoriae virtute E; vgl. dazu S. I74 Anm. 20. ·>Leofric< :
c
LA;cumE .
d corram A.
->Egbert<: Aliaa:
Ordo C § 4·
r a. »Deus, qui populis tuis b virtute consulis et amore dominaris, da huic famulo tuo N. spiritum sapientiae cum regimine disciplinae, ut tibi toto corde devotus in regni regiminec maneat semper idoneus, tuoque munere ipsius temporir a. a fehlt E. b fehlt von hier an E; daftir: requiritur in capite !ibri [, 2110 bei der Bischofs!Peihe eine Formel gleichen Anfangs, aber anderen Schlusses steht}. c V= F; fastigio A. d V= F; et sie. A. e V= F; statt dev. ehr.: christiana devotus ipsc A.
Der »Dunstan-Ordo « (960-73) bus securitas ecclesiae dirigatur et d in tranquillitate devotioe christianae permaneat, ut in bonis operibus perseverans ad aeternumf regnum te duce valeat pervenire. Per ... « f V= F; aet. deinceps A.
Alia. 2.
»In diebus eius oriatur omnibus aequitas et iustitia, amicis adiutorium, inihumilibus solatium, elevatisa correptio, divitibus doctrina,
micis obstaculum,
Dieselbe Vorlage wie§ r?
pauperibus pietas,
peregrinis pacificatiob, propriis in patria pax et securitas. Unumquemq ue secundum suam mensuram moderate gubernans, se ipsum sedulus discat, ut tuac irrigatus compunction e totid populo tibi placita praebere vitae possit exempla, et per viam veritatis cum grege gradiense sibi subdito,e opes frugales! habundanter acquirat, simul et salutem non solum corporum, sed etiam cordium a te concessam cunctisg accipiat. Sicque in te cogitatum animi consiliumque omne componens, piebis gubernacula cum pace simul et sapientia semper invenire ( S. 2I4.') videatur, teque auxiliante, praesentis vitae prolixitatem percipiat, et per temporah bona usque ad summam senectutem perveniat, huiusque fragilitatis finem perfectum,i ab omnibusviti arum vinculis tuae pietatis largitate liberatus, et infinitae prosperitatis praemia perpetua angelorumqu e aeterna commercia consequatur. Perk ... «
>Leofric<:
>Egbert<: 2 a. Hic verget oleum cum cornu super capud ipsius 1 o, cuml antiphona:
»Uncserunt Salomonemm Sadoc11 sacerdos et Nathan propheta regem in Gyon, et accendentes laetin dixerunt: >Vivat rex in eternum!<« 2. a fehlt B. b BA = F; auxilium L [1vas die Al!itteration der sieben p unterbricht). c tua, Domine, A. d LLo = F partim; toto BA= F partim. e-e BALo = F [mit Allitteration: 1 BA = F; fragiles L. grege grad.]; sibi subdito gradiens L. g Fehlt BA; cuncta F. h temporalia L. i L = F; perfeetarn BA. k Per Dominum nostrum A. I ex cibus et ungant omnes episcopi cum z pontifi A [ d. h. hier ist die Schlußzeile dieses Abschnittes entstellt hineingeratm]. m Das folgende bis: eternum fehlt B. n A; laetantes V; fehlt E; vgl. Note m.
IO
Vgl. III. Reg. I, 39: Sumpsitque Sadoc sacerdos corntl olei de tabernaculo et unxit Sa!omonem; ähnlich I. Reg. I G, I 3 u. ö.
I I
Hinter laeti ist übergegangen auf v. 39: dixit omnis populus: Vivatrex Salomon! Dieser Ruf mit: in etermtm in der Bibel passim.
III.
Reg.
mit r, 39·
1
•
45
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines
228
eto psalmo o: Ps.
»Domine, in virtute tua [laetabitur 12 rex, et su· per salutare tuum exultabit vehementer.]«
2.0. 2.
Unusp
ex pontifi.cibus
[dicatq oratio-
nemq,) et alii unguantP. 0 et ps.fehlt A. P Unus- unguantfehlt A, vg!. Note!; dafür: Sequitur oratio. fehlt E, konjiziert; vgl. Note p.
q die. orat.
Alia: Ordo
8j6 § 7•
3· »Deus, electorum fortitudo et humilium celsitudo, qui in primordio per effusionem diluvii crimina mundi castigare voluisti et per columbam, ramum olivae portantem, pacem terris redditam demonstrasti, iterum q u e Aaron famulum tuum per unctionem olei sacer- ( S. 2 I J:) dotem s a nxisti, et posteaper huius unguenti infusionem ad regendum populum Israeliticum sacerdotes•, reges, et prophetas perfecisti, vultumque ecclesiaein oleo exhilarandum perprophetkam famuli tui vocem David esse praedixisti: ita quaesumus, omnipotens Pater, ut per huius creaturae pinguedinem hunc servum tuum sanctifi.care tua benedictione digneris, eumque in similitudinem columbae pacem simplicitatisb populo sibi subdito praestare, et exemplac Aaron in Dei servitio diligenter imitari, regniqued fastigia in consiliis scientiae et aequitatec iudicii semper assequi, vultumque hilaritatis per hancf olei unctionem tuamque benedictionem13 , te adiuvante, totig plebi paraturn habere facias. Per ... « I
Benedictio:
1
3 a. Hic omnes pontifi.ces cum principibus h dant ei sceptrum in manu. Benedictioi:
3· • L = V; sac. ac EA. b LELo = F; simplicitate A = V. c LA = F; exemplo E. d EALo = F; regumque L. e LA = F; aequalitate E. f LA = F; huius E. g A = F; toto E; commissae L. h principus A. i A = L; fehltE. Benedictio super principes A.
4a. »Benedic, Domine hunc presulem principem, qui regna regum omnium a saeculo moderaris 14 Amen•. b. Et tali eum benedictione glorifica, ut Daviticumb teneat sublimitatisc sceptrum salutis, et sanctificatus protinus reperiatur ind merito. Amen. rz Nicht in den Ordo Edgars übergegangen;
14 Dieser Satz, auf eine Frau abgewandelt, auch
daher ist es unsicher, ob der Bibeltext noch weiter einzusetzen ist. r 3 V gl. am Schluß des entlehnten Teils, wo auch Aaron schon erwähnt ist: per buius Hllguenti injiuionem . . . vultumque ecclesiae in oleo exhi!arandum. Der neue Teil ist also aus dem voraufgehenden herausgesponnen.
im Ordo 8 56 § 9 a. Von ihm ist auf die dort benutzte, auch im Ordo A § 3-4 sowie im >Deutschen Ordo< verwertete Vorlage unmittelbar zurückgegriffen, wie sich aus den Noten zu Anhang I § 3-4 ergibt. Vgl. dazu S. 15 7 (jetzt: S. 173).
Der »Dunstan-Ordo« (960-73) c. Da ei a tuo spiramine cum mansuetudine ita regere populum, sicut Salomonern fecisti regnu m obtinere pacificum.
Amen.
d. Tibi semper cum timore sit subditus, tibique militet cum (S. 21 J:) quietee, sit tuo clypeo Amen.
protectus cum proceribus, et ubique maneat sine pugnaf victor.
e. Sis15 ei contra acies inimicorum lorica, in adversis galea, in prosperis patientia, in protectione clipeumg sempiternumg.
Ebd. B.
Amen.
f. Vivat inter gentium catervas magnanimus; sith in iudiciis aequitas singularis. Amen.
Ebd. A.
g. Locupletet eum tua praeditai dextera, frugalem contineat patriam, et suis Iiberis tribuat profutura. Amen. h. Da ei prolixitatem vitae per tempora, et in diebus eius oriatur iustitia. Amen. i. A te robustum teneat regiminis solium, ut cum iucunditatek et iustitia aeterno glorieturl in regno . .A.men. k. Et presta, ut gentes illi teneant fidem, proceres sui habeant pacem, diligantm caritatem. Amen. l. Tu eius mentin benignus inlabere, ut amore te timeat et timore diligat16 • Amen. m. Tu ei honor sis, tu gaudium, tu voluntas, tu in mcerore solatium 17 , in ambiguitate consi!ium,
Ebd. B. Consecratio sacrae
virginis.
in itinere consolator. Amen. n. Tu in iniuriis defensor, in tribulatione patientia, in aegritudine medicina. Amen. o. In te habeat omne 17 consilium,per tuamo discat commissar sapientiam regni gubernacula moderari, ut scmper felix, semper a te gaudens, de tuis mereatur beneficiis gratulari, et aeternis valeat commerciis copulari. Amen. p. Ut, quem tu nobis hodie tua misericordia iucundum (S. 217:) presentare dignatus es, tua facias multorum annorumq curriculisq protectione securum. Amen.
q.
Et ita populus iste pullulet coalitus benedictione aeternitatis, ut semper maneantr tripudiantes
paces victoresr.
Amen.
4· • fehlt hier und im folgenden A. b EA = V,· Davitica L. c EA = V,· sublimitate L [tg!. Note b]. d Ausradiert L. (S. 2I6:) e L = V,· quieto regno EA. f EALo = V,· finc L. g L = ];-';· clipeus (clipeos verbessert in: -us A) sempiternus EA. h sit ei Ordo A. i L = V,· predicta EA, in predita verbesJ·ert A. k Verbessert in: ioc. L; vg!. unten 0 § J p; ioc. EA. I gloriatur A. m L = V,· diligantque EA. L; mentem EALo. 0 tetuam EA. P a te commissam EA[u1o die Wortverschränkung offensichtlich nicht verstanden ist]. (S. 2I7.) q-q curriculis annorum E. r-r LLo = V; der Sachlage angepaßt, maneat tripudians in p. victoriosus EA. s in p. fehlt A.
5 Eingeschoben hir: Honorifica eos prae cunctis regibus terrae, fe!ices popn!os dominentur, et fe!iciter eos nationes adorent. Woran stieß man sich? An der Vielzahl der Könige und Völker? An : adorare? I 6 Hier wie oben Absatz e: ... pugna victor V er-
I
stoß gegen den in den Vorlagen beachteten Cursus. 17 So!atium in§ 4 m entspricht dem Sacr. Gregorianum (d. h. der gedruckten Fassung); Sacr. Gelas. hat: conso!atio. Hier allein findet sich § 4 Abs. o: In te habeat omnia.
Bened. s. princ. B.
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordin es
r. Quod ipse praestare digneris, qui cum aeterno Patre simul cum Spiritu sancto vzvzs et regnas Deus, per omnia saecula saeculorum. Amen<.« >Leofric<:
>Egbert<: 4 a.
Item super regem:
Hic dant u ei baculum u in manu v
suav. Sequiturw oratiow:
' fehlt E. u-u datur ei baculus E; doch vg!. § 3 a und§ 7 Mitte. w Seq. or.feh!t E.
v
manum suam A; doch vgl. § 3 a.
Gen. 27, 28-9.
Ebd.
49· Zj-6.
5. »Ümnipotens 18 det• tibi Deusade rore coeli et de pinguedine terrae b abundantiam c frumenti et vini d; et serviant tibi populi et adorent te tribus. Esto dominus fratrum tuorum, et incurventur ante te filii matris tuae, et qui benedixerite tibi, benedictionibus repleatur, et Deus erit adiutor tuus, etf Omnipotens benedicete g tibi benedictionibus e coeli desuperh, benedictionibus e abyssi
I
iacentis deorsum, benedictionibus e uberum et vu]vaei. Benedictionese patrumk antiquorum1 confortataem sint super ten.«
5 a. Hinc omnes pontifices sumant galeam et o ponanto super caput ipsius P:
Alia:
5. a-a EA = V,· Deus det + tibi LLo. b LA = V,· fehlt E, vgl. Note c. c hab. terre E, vg!. Note b. d EA = V,· vini et olei L. e Rotes Kreuz darüber L. f BA =V,· fehlt L. g ELo = V,· benedicat LA. h L = V,· desuper in montibus et in collibus EA. i L = V,· uvarum pomorumque EA. k patris tui V. 1 So L; ant. Abraham et Isaac et Iacob EA. m So LAVF; portate E. 0 et n te. Per Dominum nostrum ... A. ponant fehlt A. P ips. Item benedictio: A.
Deut. 33, ri.
Ebd.
IJ-6.
Ebd.
24.
I
6. »Benedic•, Domine, fortitudinem principis b nostrib, et opera manuum illius suscipe, et benedictione• tua terra eius dec pomisc repleatur de bonis d fructuumd coeli et rore atqueabyssoe s ubia-( S. 218:) centee, de bonisf fructuumf solis acg lunae, de vertice antiquarum montium, de pomish aeternorum collium et de frugibus terrae et plenitudine eius. Benedictio• illius, qui apparuit in rubo, veniat super caput iJJ.i,
I et plenusk erit1
benedictionem Domini in filiisn, et tingat
6. • Rotes Kreuz über dem Wort. b pr. nostri L; regis pr. E; pr. ALo. c EA = V. de p.fehlt L. d b. f. L; nur: fructu EALo. e So V,· subiac. ab. L; abyssi subiacentis EA; f b. f. L = V,· nur: fructu EA, vgl. Note d. g LA= V,· et ELo. h EALo = V; bonis L. i So LLo; N. EA. k So L; plena EA. 1 So L; sit EA. m So L; -ctio EA; -ctus V. n So L; f. eius EA; f. Asser V.
r 8 Die folgenden Bibelstellen, nur in anderer Reihenfolge und Fassung, liegen auch dem
Ordo von 856 zugrunde.
Der »Dunstan-Or do« (960-73) in oleo pedem suum./ Cornua rhinocerotis cornua illius, in o ipsis ventilabit gentes usque ad terminos Ebd. terrae, quiaP ascensor coeli auxiliator suusG. Per Dominumr ... « Ebd.
I
o LFLo = V; et EA. P So LA; qui E. sempiternum fiat EA, fehlt LV. r Fehlt E.
q
So EA; tuus V,· eius L; dahinter:
>Leofric: <:
In
>Egbert<:
7. Tune dieat omnis populus eum
7· Et dieat omnis populus tribus viei-
episeopis tribus vieibus : »Vivat rex ill. in sempiternum !«
bus eum episeopis et presbyteris :
R[espondea tur]:
R[ espondeatu r]: »Amen.«
»Vivat rex N. in sempiternum !«
»Amen!«
Et eonfirmabi tur eum benedietion e omnisa populia in solio regni, et oseulant prineipes in sempiternu m dieentes: 1
»Amm, Amen, ..Amen.«
'7· 26.
III. Reg.
I,
Tuneb eonfirmabi tur eum benediction e omnis populic, et oseulantd prineipese in sempiternu m dieentes bf:
»Atneng, Amen, Amen.« Tune dieunt
orationem septimam19
supra regemg: 7· a omni populo L; vg!. Note c. b-b Von: Tune- dicentes in A nur: et venit omnis populus ad osculandum principem, in Lo: et omnes pricipes populi ad osc. regem accedant. c populus EA, vgl. Note a. d osculandum E, vgl. Note b; deoseuletut [rex] ... clerum populumque Ordo G§23. e SoL;princip emEA. f SoL;dicitE . g-g Amen-rege mfehltA.
8. »Deus 20 perpetuitatis auctor, dux virtutum omnium, cunctorumqu e hostium victor, benedica hunc famulum tuumb tibi suum caput (S. 2I9:) inclinantemc . Effunde super eum gratiam firmam, et in militia, in qua probatus consistit, prolixa sanitate etd prospera felicitate eume conserva, etf ubicunque vel pro quibuscunqu e auxilium tuum invocaverit, cito adsis, protegas et defendas. Per ... « 8. a bene + die L. V,· eum et ALo; eum E.
b EA = v~· tuum ill. LLo. c LEV,· inclinans ALo. d L = 1 EALo = V,· ur e L = V,· fehlt EA, vg!. Note d. L.
19 Nach dieser Zählung müssen die Bibelzitate in §§ 5-6 - obwohl sie durch: Alia bzw.
Einschub getrennt sind - entsprechend dem Ordo von 8 56 als Einheit gefaßt werden. zo Der Text dieses Gebets steht zwischen dem Fuldaer Sakramentar Nr. r69o und Leofric
ed. HENDERSON S. 347 = WARREN S. 230: bis ubicumqtte = Fulda (Leofric: sanitate et prosperitate eos c. et u.), dann: vel pro quibusmnzque auxi!iunz nur bei Leofric, schließlich wieder gleichlautend .
39
usw. u. Dan. z, 4·
Oratio super militantes.
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordincs Missa pro rege (Ge!as. S. 2 77 =
s.
8a.
Greg.
Supera oblata:
»Suscipe, Domine, preces et hostias b aecclesiae
J86f.).
tuae pro salute famuli tui N. c supplicantis, et protectione fidelium populorum antiqua brachii tui operare miracula, ut superatis pacis inimicis secura tibi serviat christiana libertas. Per ... « »Leofric«:
»Egbert«:
8b.
Prefatio: » Vere dignum [ et 21 iustum est, aequum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere, Domitze sancte, Pater omnipotens] aeterne Deus, qui providentia tua coelestia simul et terrena
lviissa temp. belli (Gelas. S. 275 = Greg. s. 199).
moderaris, propitiare reg i nostro
Na.
et rebus
nostris, ut omnis hostium fortitudo, te pro nobis pugnante, frangatur. Per b
8c.
.... «
Infra actionem a:
»Harre igitur oblationem, Domine, famuli tui
Missa pro rege (a. a. o.)
N. b, quamc tibid ministerioe officii sacerdotalis offerimus pro eo, quod in ipsum potestatem regni conferre dignatus es, propitius et benignus adsume, et exoratus nostra obsecratione concede, ut maiestatis tuae protectionc confidens et aevo augeatur et regno f. Per ... «
8d.
Ps. II8, 135.
Communio:
»Inlumina fadem tuam ... «
Missa pro rege (a. a. o.)
Se. I 1
(S.
220.) Post communionema:
»Deus, qui ad praedicandum aeterni regni b evangelium Roman o rum c imperium prcparasti, pretende famulisd tuisd nunce principibusf
8a. a Davor E: Offertorium: »Exaudi, Deus, orationem meam« (nicht in den Sakramentaren und Ordines); vg!. Psalmen passim. b So AV, munera E. c ill. A. 8 b. a ill. A. b Per Christum dominum nostrum ... A. 8 c. a So V,· In fractione A; Coniunctio E. b ill. A. c A = V,· quod E. d A = V,· tibi in E. e A = V,· misterio E. f regno. Per ~";· regno diesque nostros A; regno. Per Christum diesque nostros E. b E = V,· regis A. c So A; Romanum f/~· christianum E. 8 e. a communitionem A. d f. tuis E = V,· famulo tuo A. e So E; illis V,']ehlt A. f pr. n. E = T/~· regi nostro A.
2
r Ergänzt nach dem liturgischen Brauch.
Der »Dunstan-Ordo« (96o-73) nostris f arma g coelestia, ut pax aecclesiarum h nulla turbetur tempestate bel!orum. Per ... «
8f. Ad populum: »Ümnipotens sempiterne Deus, nostri regMissa temp. ni defende regem atque rectores, ut in tua belli (Gelas. dextera confidentes fiant hostibus suis for- s. 275 ). tiores universis. Per Dominum ... «
8 g. Primum mandatum regis ad populum hic videre potes: 9· Rectitudo regis est noviter ordinati et in solium sublimati, populo tria praecepta sibi subdito praecipere: g
A
=
l/,· arma iustitiae E.
h
E
=
9· Rectitudo regis est noviter ordinati et in solium sublimati, haec tria precepta populo christiano sibi subdito precipere:
V,· ecclesie tue A.
8 g. Der ganze Absatz fehlt A.
r. In primis, ut ecclesia Dei et omnis populus christianus veram pacem 22 servent 22 in omnia tempore•. R[espondeatur]b : >Amen.
Aliud est, ut rapacitates 22 et omnes iniquitates omnibus gradibus interdicat. R[espondeatur]b : >Amen.
3· Tertium est, ut in omnibus iudiciis aequitatem22 et misericordiam 22 praecipiat, ut perd hocd nobis indulgeat misericordiam suam clemens et misericors Deus. R[espondeatur] b: >Amen. <.c
b
9· • o. temp. EAFLo, Ordo G usJv.; omnipotenti Domino L ( Abschreibefehler oder Stammfammg?). nur L. c fehlt A. d fiir: per hoc in A: sibi et; fehlt Lo.
(5.221.")
VII.
Ordo F: Ordo, hergerichtet für die Krönung des Königs Edgar von England durch den Hlg. Dunstan, Erzbischof von Canterbury, zu Bath Ir. Mai 973· Hss.: Sechs ab Ende des Io. Jahrhunderts, verzeichnet bei J. W. LEGG, Three Coronation Orders, London I900 (Henry Bradshaw Society I9) S. XXXIX und S. I6z; vg!. dazu HENDERSON S. XVII, XVIII, XIXf., S. 27o-7; ELLARD S. 78ff., 83, IJ4. Hinzu kommt noch der Königinnenordo im Pontificale Lanaletense, vgl. bei Ordo E. Auszuschließen ist das bei LEGG mitgenannte >Ms. of Abbot Ratold, ed. by Dom Hugh Menard< = Ordo G, ferner Cod. Paris Bibi. Nat. 9 53 = gleichfalls Ordo G, sowie Cod. Cambridge Corpus Christi College 44 = Ordo Wilhelms des Eroberers, vgl. dazu oben S. I67f. (jetzt: S. I Sof.). V gl. dazu meine Ordines-Studien III S. 3 I 2-14. 22
Zu pax, servare, rapacitates, aequitas et misericordia vgl. LIEBERMANN II,
2
S. 562, III S. I45.
234
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines
Englische Übersetzung des Eides: Verlorenes Chartular der von Alfred d. Gr. begründeten, I539 aufgelösten Abtei Athelney mit Urkunden bis zum I5. Jahrhundert, erhalten in Abschrift (und zugleich Übersetzung?) von 1735, gedruckt von E. H. BATES, Two Cartularies of ... Muchelney and Athelney, London I899 (Somerset Record Society); der Eid (mit dem Anfang: In the name ofChrist I promise etc., der den Texten VII-VIII, aber nicht VI entspricht, und dem Schluß: to me and you. Amen, der nur Text VII gleicht) f. 43 der Abschrift = S. I26 Nr. I a [die Zuschreibung erklärt sich durch das Interesse am Gründer der Abtei; sie hat gar keine Stütze. Fcir 87I ist der Eid angezogen z. B. von W. H. STEVENSON in seiner Ausgabe von AssER, De rebus Aelfredi, Oxford I904 S. I8rf., auch einmal - wenn auch mit Zurückhaltung und alme genaueren V erweis - bei LrEBERMA~ II 2 S. 562 Sp. 3]. Drucke (in Auswahl; vgl. dazu auch F. LIEBER'.!A~~. Gesetze der Angelsachsen I, Halle I903 S. LV s. v.: Sacr. cor.): A. TAYLOR, The Glory of Regality, London r8zo S. 393-405; HENDERSON S. 270-7; LEGG S. I63-173 (nichtS. 54-64 = Ordo Wilhelms d. E.); L. G. W. LEGG, English Coronation Records, \'Vestminster I9oi S. I 5-23; H. A. \'('ILSON, The Benedictional of Archbishop Robert, London 1903 (Henry Bradshaw Society 24 )S. I4o-8. Vorlagen: r. Ordo von 8 69 für die Krönung Karls d. Kahlen in Metz, gedruckt in Mon. Germ., Capitul. II, 2, I893 S. 456-8 Nr. 302; 2. Ordo C: Westfränkischer >Erdmannscher Ordo< um 900, s. oben Text IV; 3· >Ordo der Sieben Formeln< (über diesen s. S. I66 f.), inseriert in den >Deutschen Ordo Ordo des H. Dunst.1n<, Egben-Fassung, s. oben Text VI; 5· Missae vgl. S. 229f. Anm. 5 (jetzt: S. 24of. Anm. 77). Druckanordnung: Für eine Ausgabe wären neben den Hss. die von dem Ordo abhängigen Texte zu benutzen, d. h. Anhang VIII-IX, der Ordo Wilhelms des Eroberers (vgl. oben unter Hss. sowie S. I6 7f. = S. I Soff.); der Kommentar des >Norm. Anonymus< ( = v. York, um I roo) (Mon. Germ., Libelli de lite III S. 674ff., jetzt ed. K. PELLENS, \Yliesbaden 1966, Veröff. des Inst. f. Europ. Gesch., Mainz, 42); der englische Ordo des I2. Jahrhunderts (LEGG, Records a. a. 0. S. 30-9) sowie die unten S. 223 Anm. 6 (jetzt: S. 235 Anm. 3I) genannte Überlieferung.- Da es hier einstweilen nur auf die Klarstellung der Abhängigkeiten ankommt, verkürze ich die Gebetsformeln und halte mich im übrigen- soweit nichts anderes vermerkt ist- an den Druck bei LEGG, Records a. a. 0. S. I5-23 nach Cod. Cambridge Corpus Christi College I46 vom Ende des IO. Jahrhunderts. Von Varianten sehe ich hier ab. Die Anmerkungen sollen eine Vorstellung, kein abgeschlossenes Bild von der Entwicklung des Textes geben und die Auswahl des Wortlautes begründen. Er ist noch nicht als endgültig anzusehen.
Incipit consecratio regis, Deutscher
Ordo §
2.
r. quem2 3 de conventu seniorum per manus producant duo episcopi ad crcclesiam, et
chorus hanc decantet antiphonam, duobus episcopis precinentibus: 23 V gl. Deutscher Ordo § 2: Postea suscipiant i!!ttm [sc. regem] dtto episcopi dextra !aevaque ... dttcant i!lum ad ecc!esiam, canentes responsorittm: »Ecce ... «, cuncto vulgo seqttente. Dem steht die
Rex autem, cttm ordinandtts fuerit, de conv. sm. dttcatllr per m. a d11obus pontijicib11s ad basilicam, choris interim hanc ant. cantantibtts, duob. tamen ep. initiantibus. Dem Text oben folgen die
obige Fassung näher als z. B. das Benedictionale des Erzbischofs Robert [s. Drucke]:
Vita Oswaldi (Text Vlla) und der Ordo Wilhelms I.
Der »Edgar-Ordo « (973) »Firmetur manus tua, et exaltetur dextera tua; iustitia et iudicium preparatio sedis turr. Misericordia et veritas pr
z. Perveniens 25 ad ( S.
223 :)
~cclesiam
Ps. 88, 14- 5 .
prosternat se coram altare, et ymnizetur:
»TeDeum laudamus« finetenus.
Ordo c § 3·
Quo ymnizato, erigatur de solo, et ab episcopis et a plebe electus servaturum promittat:
h~c
triplicia 26 se
»Haec tria populo christiano et mihi subdito in Christi promitto 27 nomine: ordo in primis, ut
E § 9.
Aliud, ut rapacitates et omnes iniquitates omnibus gradibus interdicam. Tertium, ut in omnibus iudiciis
Tunc 28 dicant omnes: »Amen«. 3
Postea orationes
0
h~:
»Te invocamus, Domine- regere mereatur. Per ... «
4·
Ebd. §I
Alia:
»Deus, qui populis - pervenire. Per ... «.
Ebd. § ra.
5· »In diebus eius - consequatur. Per ... «.
6.
Ebd. § z.
Consecrati o regis:
Ȇmnipotens , sempiterne Deus, creator- nostr
24 In CCC 146 nur: Versus: Gloria Patri ... Solche Ergänzungen bleiben im folgenden unbezeichnet . 2 5 V gl. Deutscher Ordo § 6: ... perductus in chomm usque ad a!taris gradus incedat . . . ibi humi!iter totus in cmce prostratus iaceat .. . ateris in choro letaniam breviter psallentibus .. . Finita autem !etania erigant se . . . . . . Ipse episcopus affatur populum, si tali principi ... se subicere ... ve!int ... Tune ... dicatur: »Fiat! Fiat! Amen!«- V gl. dazu Ordo C § 3: Deinde al!oquantur duo episcopi popu!um in ecclesia, inquirente.r eorum vo!untatem. Et si concordes fuerint, agant Deo gratias, decantantes: >TeDeum laudamus.<- ÜberdasZurü cktretender >Wahl< vgl. oben S. 172 (jetzt: S. 184). 26 So CCC 146 und Robert (s. S. 222 Anm. r = S. 234 A. 23; hier: tr. iura); Wilhelm I.: tria. 27 V gl. Ordo C § 2: Promitto vobis et perdono,
28
29 30
31
quia etc. Zu Nebenforme n des obigen Eides, die noch engere Berührung mit der Vorlage haben, vgl. oben S. 182 Anm. 2 (jetzt: S.r91 Anm. 89) mit den Anm. zu Text VIII; zum Schluß s. Text V1 § 9 Note d: sibi et nobis. Robert: His peractis omnes dicant: >Amen.< Haec sequantur orationes ab episcopis, d. h. wieder besser ausgefeilter Text, dem diesmal der Ordo Wilhelms I. folgt. So Vorlage; Wilhelm I.: A!ia oratio; Robert: Item. Über das Ineinandersc hieben der beiden nur am Anfang gleichlautend en Vorlagen s. oben S. !75 (jetzt: S. 186). regem e!egimus Vorlage; regem A. vel S. p. Wilhelm I.; regnum A. sive S. p. Robert; regnum N. Albionis totius vide!icet Franeorum p. Ordo G § 7; regnum pariter z. T. ebd. = sog. Kölner Ordo, gedruckt bei WArTZ
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines num ( S. 224:} tuarum dona multiplica, eumque33 dextera quatinus predicti
Abrah~
tu~ potenti~
semper ubique circumda,
fidelitate firmatus, Moysi mansuetudine fretus, Iosue fortitudine munitus,
David humilitate exaltatus, Salomonis sapientia decoratus, tibi in omnibus complaceat et per tramitem iustiti~ in offen so gressu semper incedat; hic34 totius regni ill. 35 ~cclesiam deinceps cum plebibus sibi annexis ita enutriat ac doceat, muniat et instruat, contraque omnes visibiles et invisibiles hostes idem potenter regaliterque tu<;: virtutis regimen amministret, ut36 regale solium, videlicet
Anglorum vel Saxonum sceptra37 , non deserat, sed ad pristine fidei' 6 pacisque concordiam eorum animos, te opitulante, reformet38 , ut populorum39 debita subicctione fultus, condigno amore glorificatus, per longum40 vit~ spatium patern~ apicem glori~ tua miseratione unatim
Stabilire et gubernare mereatur. iugiter
feliciter capiat, terroremque Ordo C § 5·
reportet.
Tu~ quoque protectionis galea munitus 41 et scuto insuperabili
protectus, armisque c~lestibus circumdatus optabilis victori~ triumphum de hostibus
42
su~ potenti~
infidelibus inferat et pacem tibi militantibus
l~tanter
f Virtutibus, Christe, hunc' , quibus prefatos fideles tuos decorasti, multiplici honoris 3
benedictione condecora et inregimineregni sublimitercolloca et oleo grade Spiritus sancti perunge 44 = « Ordo E § za.
(
S.
22 J :)
Hic ungatur oleo, et haec cantetur45 antiphona:
»Unxerunt Salomonern Sadoc sacerdos et Nathan propheta regem in Gion, et accedentes dL-.,;erunt: >Vivat rex in
l~ti
~ternum!<«
Oratio 46 :
»= Christe, perunge hunc regem in regimen, unde unxisti sacerdotes, reges et prophetas
OrdoC§s.
martires, qui - perveniat. Per ... « Ordo E § 3·
Alia:
7· »Deus, electorum fortitudo - facias. Per ... «
8.
Deutscher
Ordo § IJ.
Alia:
»Deus Dei filius, Ihesus Christus, dominus noster, qui a Patre o leo exultationis unctus cst pr~ particibus suis, ipse per presentem sacri unguinis infusionem spiritus Paracliti super caput tuum infundat
32 33 34 35
36
a. a. 0. S. 79, also verkürzt (um 1000 in Arras oder Umgegend). So Vorlage = Robert; e!igimus CCC 146 Wilhelm I. So Vorlage= Robert; hunc CCC 146; eteum Wilhelm I. et Robert = Ordo G § 7 = Kölner Ordo. So und: Anglorum Saxonum (Ang!osaxonum) bzw.: N. in den Edgar-Hss.; Albionis im Ordo G § 7; fehlt z. T. ebd. u. im Kölner Ordo. et ad verae jidei Vorlage; wie oben mit vide!icet Francomm sc., bzw. vide!. sc. Ordo G. § 7;
vide!. Saxonum, 1\Ierciorum Nordanhtmbrorumque Kölner Ordo. 37 So Ordo G § 7 = Kölner Ordo; sceptro CCC
146 mit anderen Edgar-Hss., bei Wilhelm I. abgeändert. 38 So Vorlage= Teil der Edgar-Hss.; andere: confirmet.
39 utrorttmque bor11m pop. Ordo G § 7 = Kölner Ordo; aus einer Edgar-Fassung? 40 Über die folgende Abänderung vgl. oben S. 169 (jetzt: S. 182). 41 muniatur CCC 146. 42 Fehlt ebd. 43 Für: C., h. bei Robert: necnon. 44 Z. T. Schlußformeln, die den Zusammenhang zum übernächsten Abschnitt zerreißen. 45 o!eo, canteturque CCC 146. 46 Oratio postea ebd.
Der »Edgar-Ordo« (973) benedictionem, eandemque usque ad interiora cordis tui penetrare faciat, quatinus hoc visibili et tractabi!i dono invisibilia percipere et temporalia regna47 iustis moderaminibus exsecutus 47 ~ternali ter cum eo regnare merearis. Per . .. «
Hic detur anulus:
9·
»Accipe anulum, signaculum videlicet sanct~ fidei, soliditatem regni, augmentum potenti<;:,
Ordo
c § 6.
per quem 48 scias triumphali potentia hostes repellere, hereses destruere, subditos coadunare et catholic<;' fidei perseverabilitati conecti 49 Per Dominum . .. « Sequatur oratio:
IO.
»Deus, cuius est omnis - contendat. Per ... «
Ebd. § 7·
Quando gladio cingitur, cantetur h<;:c antiphona o: 5
I I.
»Confortare et esto vir, et observa custodias domini Dei tui, ut ambules in viis eius et custodias ceri-
Il!. Reg.
monias eius et pr<;ocepta eius et testimonia et iudicia et, quocumque te verteris, confirmette Dominus«. 51
u.
(S. 226:)
Hic detur gladius52 :
»Accipe hunc gladium - castra Dei. Per auxilium - regnat ... «
Ordo C § 8.
Oratio post datum gladium: 53
»Deus, qui providentia tua C\'lestia simul et terrena moderaris, propitiare christianissimo regi
Ordo E § sb.
nostro N., ut omnis hostium suorum fortitudo virtute gladii spiritualis frangatur ac, te pro illo pugnante, p<;:nitus conteratur. Per ... « 14.
Hic coronetur:
»Coronet te Deus- perpetui. Ipso largiente- sec. sec.«
Ordo
c
§ 9.
Oratio post datam coronam: 53
»Deus perpetuitatis, dux- ac defendas. Tribue ei, quesumus, Domine, divitias gratie tu<;:,
Ordo E §
s.
comple in bonis desiderium eius, corona eum in misericordia; tibique, Domino, pia devotione iugiter famuletur. Per . .. « r6.
Hic detur sceptrum:
»Accipe sceptrum, regil'- pervenias. Ipso adiuvante- sec. sec.«
Ocdo C § rr.
Oratio post sceptrum
54 :
>>Omnium, Domine, fons - Honorifica eum prae cunctis regibus terrae 55 • Uberi- regno. Per ... « I
8.
10.
Tune detur virgas2:
»Accipe virgam virtutis atque \'quitatis, qua intellegas mulcere pios et terrere reprobos; errantes viam doce, lapsisque manum porrige, disperdasque superbos et releves humiles; et 56 aperiat tibi 4 7 -Ii regno ... exsecuto Vorlage. 48 So Vorlage = Wilhelm I.; quam CCC q6; quae Robert. 49 So Vorlage = Robert = Ordo G § ro; conectere CCC 146 mit anderen Edgar-Hss.
5 r So Vorlage = Edgar-I-Iss.; Deus CCC 146. 52 Anders in andern Edgar-Hss. 53 Fehlt z. T. ebd. 54 postea statt p. s. CCC 146. 55 Britanniae mehrere Edgar-Hss.
50 Hic cingatur g!adio ab episcopis, et haec canatur
j6 /1/
an!. Robert.
Ebd. §
ccc !46.
Deutscher Ordo § r6.
Anlagen: Die angelsächsische n Krönungsordin es hostium lhesus Christus dominus noster, qui de se ipso ait: >Ego sum hostium; per me, si quis introierit, salvabitur<; et ipse, qui est clavis David et sceptrum domus Israel, qui aperit et nemo claudit, claudit et nemo aperit, sit57 tibi adiutor 57 , qui educit vinctum de domo carceris sedentem in tenebris et umbra mortis, ut in omnibus sequi merearis eum, de quo propheta David cecinit: >Sedes tua, Deus, in seculum seculi, virga recta est58 virga regni tui<. Et 59 imitare ipsum, qui ( S. 227:) dicit60 : >Diligas iustitiam et odio habeas iniquitatem<; propterea uncxit te Deus, Deus tuus, oleo lytitiy60 ad exemplum illius, guem ante secula uncxerat61 pr~ participibus suis: Ihesum Christum, dominum nostrum ... «
Benedictio super eums2: Ordo von 869 § IJ u.877§ 7
»Extendat omnipotens Dominus dexteram
su~ benedictionis et effundat super te donum su~ protectionis 63 et circumdet te muro felici ta tis ac custodia su~ propitiationis63 , sanct
apostolorum principis sanctique Gregorii Anglorum apostolici atque omnium Sanetarum intercedentibus meritis. Amen. Indulgeat tibi Dominus omnia mala, qu~; gessisti, et tribuat tibi gratiam et misericordiam, quam humiliter ab eo deposcis, et liberet te ab adversitatibus cunctis et ab omnibus visibilium et invisibilium inimicorum insidiis. Amen 64 , Angelos suos bonos semper et ubique, qui te pr~;cedant, comitentur et subsequantur, ad custodiam tui ponat; et a peccato seu gladio et ab omnium periculorum discrimine65 sua potentia liberet. Amen. Inimicos tuos ad pacis caritatisque benignitatem convertat et bonis omnibus 66 te gratiosum et amabilem faciat; pertinaces quoque in tui insectatione et odio confusione salutari induat; super te autem sanctificatio sempiterna floreat. Amen67 • =
Ordo C
§ 15a auch 869 § 14 u. 877 § 7)
Victoriosum te atque triumphatorem de invisibilibus atque visibilibus hostibus semper efficiat; et sancti nominis sui timorem pariter et amorem continu um cordi tuo infundat; et in fide recta ac bonis operibus perseverabilem reddat; et pace in diebus tuis concessa, cum palma victori,; te ad perpetuum regnum perducat. Amen.
~
ebd. § 15b (auch ebd.).
Et qui te voluit super populum suum constituere regem, et in presenti seculo felicem et
~;tern~;
felicitatis tribuat esse consortem. Amen68 • ~
ebd. § 15 d (auch ebd.).
Quod ipse zo.
Ordo E § 4a-c
pr~stare
(S. 228:)
... «
Item alia:
»Benedic, Domine, hunc presulem69 - moderaris. Amen. 57 Sitque tibi ductor (bzw. auctor) Vorlage; dadurch ist die Satzkonstruktio n - hier wie auch am Anfang und Schluß - geändert. 58 aequitatis Vorlage = Bibel. 59 Fehlt CCC r46. 6o V gl. Ps. 44, 7-8, von wo das folgende: o!eo !aetitiae nachgetragen ist. 6r Danach oleo exu!tationis wegen des Einschubes (Anm. 6o) weggelassen. 62 In anderen Hss. auch: Ben. ad regem u. Tune dicatur ben.
63 proted. und propit. ausgewechselt, fe!ici muro custodiae Vorlage. 64 Fehlt CCC q6. 65 Dahinter te der Vorlage ausgefallen. 66 ap!id odientes, bzw. odientibus (so 877) Vorlage. 67 Dahinter Coronet - merearis übersprungen, da schon oben als § I4 eingereiht; vgl. dazu S. 175 Anm. I (jetzt: S. r88 Anm. n). 68 Ein Absatz über Klerus und Volk ist weggelassen. 69 prfelectum CCC q6.
Der »Edgar-Ordo« (973) Et tali eum benedictione -
sanctific~ pro p i t i a t i o n i s m unere repperiatur locupletatus. Amen. Da ei a tuo - pacificum. Quod ipse pr"stare ... «
Tunc70 moduletut antiphona: »Vivat rex! Vivatrex! Vivatrex in eternum !«70
Ill. Reg. r, 34 u. 39 mit Dan.
Designatio status regis :
2!.
3ri USW.
»Sta et retine amodo statum quem hucusque paterna suggestione tenuisti, hereditario tibi iure delegatum per auctoritatem Dei omnipotentis et per pr"sentem traditionem nostram, omnium scilicet episcoporum Cl'terorumque Dei servorum; et quanto eierum sacris altaribus propinquiorem prospicis, tanto ei potiorem in locis congruis honorem impendere memineris, quatinus mediator Dei 71 ,
Deutscher Ordo § '9·
et hominum te mediatorem cleri et piebis in hoc regni solio confumet et in regno l'terno secum regnare faciat: Ihesus Christus, dominus noster, rex regum et dominus dominantium, qui cum Patre et Spiritu sancto vivit et regnat ... «
Sequitur oratio:
22.
Ȇmnipotens Deus det tibi- super te.
Per ... «
OrdoE§5.
Alia:
Ebd. § 6.
»Benedic, Domine, fortitudinem - sempiternum fiat. Per ... «
Finit consecratio regis, [ quam 72 consecratio reginae sequitur. Qu<; propter honorificenti am ab episcopo sacri unguinis oleo super verticem (S. 229) fundenda est; etin c;cclesia coram optimatibus [, ut in sequenti pagina demonstratur 73 , ] cum condigno honore regia celsitudine in regalis thori consortium benedicatur et consecretur. Sed 73 et hanc etiam anulo pro integritate fidei et corona pro aeternitatis gloria decorari decernimus. 1
B. Incipit consecratio reginae, ab episcopo 74 dicenda. »In nomine Patris et Filii et Spiritus sancti. Prosit tibi hl'c unctio olei in honorem et confumationem l'ternam.«
70 Der Abschnitt bis efemm;; bei Robert und Wilhelm I.; fehlt CCC 146; vgi. dazu oben S. 172 (jetzt: S. r84).
71 loettJJt Vorlage. 72 Dieser Abschnitt bis: decernim11s in 4 Edgar-
Hss., etwas geändert bei \\'lilhelm I., aber nicht Robert. Der eingeklammerte Verweis nur CCC 146 und Paris 943, dort auch der Schluß wie oben; benedicenda et consecranda est, quae ctiam amt!o - gloria decoranda est die beiden
anderen von LEGG hier verzeichneten EdgarHss. = Wilhelm I. Die Abweichung in der Diktion führt auf die Vermutung, daß es sich um ein Seitenfüllsel handelt, das in einem Überlieferungss trang sich ausbreitete, wobei der Hinweis und die persönliche Form getilgt wurde. 73 Vgl. S. 228 Anm. 4 (jetzt: S. 239 Anm. 72). 74 ep. ve! presbitero die beiden ebd. genannten Hss.
Ordo C § '9· Ebd. §
20.
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines
25. Ebd. §
22.
Sequaturoratio:
»Omnipotens sempiterne Deus, affluentem spiritum - electa permaneat, ut numquam post-
modum de tua gratia separetur indigna. Per . .. «
26.
Hic detur anulus:
Ebd. § 23.
»Accipe anulum fidei, signaculum- advocare.«
Ebd. § 24.
»Deus, cuius est omnis - contendat. Per ... 75 «
Ebd.§zj.
»Accipe coronam glori~- coroneris.
Ebd. § z6.
»0mnium76 , Domine, fons- gloriam. Per ... «
Sequatur oratio:
Hic coronetur:
28.
Per . .. « Sequa tu r oratio:
c. lvfissa cotid.
Missa pro ordinato rege77 :
pro rege ~
Ordo C
§ I 3·
30. »Quesumus, omnipotens Deus, ut famulus- pervenire. Per ... «
(s. Ebd. § '4·
~
ebd.
2}0:)
Secreta:
3 I. »Munera, Domine, quesumus, oblata - proficiant. Per ... «
Prefatio: Ebd.
32. »V. D. 78 aeterne Deus, qui es fons inmarcessibilis lucis et origo
perpetu~
bonitatis, regum
consecrator, honorum omnium attributor dignitatumque largitor, cuius ineffabilem clementiam votis omnibus exoramus, ut famulum tuum N., quem79 regalis dignitatis fastigio voluisti sublimari, sapientil' ceterarumque virtutum ornamentis facias decorari, et quia tui est muneris, quod regnat,
tw~
sit
pietatis, quo id feliciter agat, quatinus in fundamento spei, fidei caritatisque fundatus, peccatorum Ia be abstersus, de visibilibus et invisibilibus hostibus triumphator effectus, subiecti populi augmento prosperitate et securitate exhilaratus, cum eis mutua dilectione conexus et transitorii regni gubernacula inculpabiliter teneat et ad l'terni infinita gaudia, te miserante, perveniat. Per Christum ... « 75 In dem versengten Cod. London Brit. Mus. Cotton. Vitellius A. VII aus dem r I. Jahrhundert ist hier mit Neumen eine auch sonst bekannte, auf die Königin abgeänderte Antiphon: Tota pu!chra es amica mea etc. eingefügt; vgl. LEGG, Orders a. a. 0. S. qr f. 76 Omnip. semp. Deus, fons Vorlage; aber vgl. oben § q. 77 Fehlt Robert. §§ 30, p, 33 auch schon im Ordo C, aber wie der \J\i"ortlaut zeigt, hier unmittelbar aus dem >Sacramentarium Gregorianum< (The Gregorian Sacramentary ed.
H. A. WrLSON, London 1915; Henry Bradshaw Society 49, S. r87) genommen, wo die Formel § 34 unmittelbar anschließt (ebd. S. I 88), allerdings aus einer schon über Alkuin hinaus erweiterten Fassung mit § 32, der sich z. B. inmitten §§ 30-r und 33 (aber ohne § 34 !) findet im >Sacramentarium Fuldense saec. X<, hrsg. von G. RrciiTER und A. ScrrÖNFELDER, Quellen u. Abh. zur Gesch. von Fulda IX, Fulda 1912 S. zr8f. 78 Über die Auflösung vgl. oben Ordo E § 8 b. 79 Fehlt CCC 146.
Schilderung von Edgars Krönung (973)
Ad complendum: 3 3. »I-Iacc Domine, oratio salutaris - hereditatem. Per ... «
Alia: 34· »Ümnipotens sempitcrne Deus,
c~lestium
terrestriumque moderator, qui famulum tuum N.
Ebd. ~ Ordo C
§ r6. Missa in temp.
sinodi.
ad regni fastigium dignatus es provehere, concede, quesumus, ut a cunctis adversitatibus liberatus et ~cclesiasticl' pacis 80 dono muniatur et ad aeternae pacis gaudia 80 , te donante, pervenire mereatur. Per ... <<
(S. 2JI.')
VIIa (Anhang zu VII)
Schilderung der Krönung König Edgars, Bath I I. Mai 973, von einem Mönch des Klosters Ramsey unter Benutzung des Ordo F verfaßt zw. 995-I005. Hs.: i\ ~ Cod. London British Museum Cotton. Nero E. I: Sanctilogium des rr. Jahrhunderts, darin >Vita sancti Oswaldi auctore anonymo< (dort cap. 4). Druck: Nach A (eine altere Ausgabe MABILLO'<S ersetzend) bei J. RAr~E, The Historians of the Church of York and its i\rchbishops I, London r879 (Rer. Brit.m. ae. SS. 71, r) S. 436-8 (danach hier wiederholt), vgl. dazu S. LXV ff. I. Instabat eo ternpore sacrurn ternpus, quo more solito archiepiscopi et alii omnes advenirent sacerdotes praeclari et conspicui abbates ac religiosae abbatissae ac cuncti duces, praefecti et iudiccs sive omnes, quod dici convenit dignitas latae et spatiosae regionis: a solis ortu et occasu, ab aquilone et mari / exiit edicrum imperatoris, ut ad eum conftuerent. Non enim ita ad eum conftuxerat suae gentis admirabilis et gloriosus exercitus, ut eum expellerent vel consilium facerent, ut eum morti traderent velligno suspenderent, sicut olim infelices Iudaei benignum gesserunt Ihesum; sed tarn rationabili scientia undique adventitabant et cum gaudio accelerabant, ut eum episcopi reverentissimi bencdicerent, unguerent, consecrarent, Christo largiente, ex quo vel a quo summac benedictionis et sanctae religionis unctio beata processit. Tune accessit pracclarae festivitatis splendor, et solemnitas instabat sancti Spiritus, quando haec agebatur, c1uando cuncti veniebant ad consecrandum gloriosum regem, cuius sceptrigera gloria tune lucidius refulsit et diadema aurea resplenduit, cuius pulchritudo auriftuo metallo comparari poterat. 2. Coronatum 2.tque electum regem gloria et honore perduxerunt ad ecclesiam, quo conventus erat omnium optimaturn eius, quernque exspectabat omnis plebs. Cum quo ibant et revertebantur probatissimi viri et dignissimi abbates, niveis vestibus indllti, ostro atque corporis ... a Hunc inclytum (S. 232:) exercitum sequebantur matronae exirniae virtutis, abbatissae cum filiabus gloriosis. Quos et
a Liicke oder Verderbnis Hs.; zu ergänzen eliM: vigore ornati 8o Von pacis gleich auf c~audia übergesprungen ebd. (anders LEGG, Orders a. a. 0. S. 173).
r6 Schramm,
Auf~,t~zc
li
Ps. ro6, 3· Luc. z,
1.
Ordo § r-2.
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines quas multitudo presbyterorum, quos gerontas seniores appellabant, secuti sunt cum agminibus clericorum. Ebd. § r.
3· Acceperunt dehlnc duo episcopi manus regis, qui eum deduxerunt ad ecclesiam 81 cunctis alta et modulata concinentibus voce hanc antiphonam: »Firmetur manus tua- fadem tuam.« Hac finita antiphona: »Gloria Patri et Filio et Spiritu sancto!« adiunxerunt.
Ebd. §
2.
4· Cumque pervenissent in ecclesiam, et rex ante altare se prosterneret, deponendo prius diademam de capite, incepit princeps episcoporum Dunstanus hymnum glorificum excelsa voce: »TeDeum laudamus, te Dominum confitemur ... «
5. Ipse autem nequaquam potuit se propter gaudium et regis humilitatem abstinere a fletu, quia intellexit, quod gens ista non meruisset tarn humilem tamque sapientem habere.
6. Finita hymno, elevaverunt episopi regem a terra 82 . Tria interrogante archiepiscopo, iura promisit se servaturum: »In primis promitto 83 , ut ecclesia -conservet. Aliud promitto, ut - interdicam. Tertium, ut -Deus.« Ygi. ebd. § J. Vgl. ebd. § 4· Vgl. ebd. § 5-6a.
Ebd. § 6b.
7· Explicitis promissionibus, stetit archipraesul et oravit pro eo orationcs, quae in illorum libris scriptae sunt. Deinde secundam dixit Oswaldus, Christi minister, satis eleganter; post haec, sicut constituit pater, cuius imperiis omnes parebant. 8. Peractaconsecratione 84, unxerunt eum, etnobili concentu decanta verunt antiphonam: »Unxerunt Salomonern Sadoc- Sion«, et accedentes dixerunt: ))Vivat rex in aeternum!«
Ebd. § 9-Ij.
(S. 2JJ.) 9· Post unctionem dedit ei archiepiscopus annulum, dehinc cinxit illum gladio, et post haec dedit coronam in capite et benedictionem 85 •
Ebd. § r6.
ro. Contulit ipsi et sceptrum atque virgam, quae omnia complevit praefatus episcopus86; et missam peregit, et diem solemnem fecerunt.
Vgl. Eclus
r r. Non ibidem buccinae sonitus audita est vel salpinx ioculatoris, sed erant more sapientissimi Salomonis cuncta honeste patrata, quo unusquisque iuxta suam aetatem et suum posse bibebat. Episcopi praestantissimi, Dunstanus venerandus atque Oswaldus reverendus, in solio sublimato cum rege elcvati sunt; qui tam elegans esse dinoscitur et formosus sermone et opere, ut nil audire vel conspicere valuisset praeter honorem et laudem, quae ei a ducibus piis et a militibus eximiis atque praefectis ditatis exhibita est. Rex autem coronatus lauro et roseo decoratus honore cum
31~
32·
8 I Vorlage: quem de conventll seniomm per mamu producant duo ep. ad ecc!. 82 Ebd.: Quo ymnizato erigatur de solo. Danach ist: ef ab episcopis et a p!ebe e!ectus weggefallen;
denn Edgar war ja seit langem König.
83 84
Verkürzt gegenüber der Vorlage. Vgl. Vorlage, Überschrift von§ G.
8 5 D. h. § I 5: oratio post coronam. 86 Die Thronsetzung ist übergangen.
Angelsächsisches Krönungsversprechen (978)
243
episcopis, sicut praefati sumus, erat; cum quo speciosi duces et omnis Anglorum dignitas gloriose fulserunt, gaudentes in superno Rege, qui eis talem concessit regem habere, in cuius mente erat misericordia et veritas. ( S. 2}}·) Ps. 2 4 , ro 12. Regina vero cum abbatibus et abbatissis convivium habuit, quae vestita carbasea veste erat, circumamicta varietate lapillorum et margaritarum, suffulta elatius Ps. 44 , , 5 . caeteris matronis, quam compsit regalis dignitas, quoniam post mortem pretiosi ducis 87 thalamum regis promeruit introire.
13· Peractis egregiis nuptiis regalis thori 88 , reversi sunt omnes in locum suum, benedicentes regem pariter et reginam, pacis eis tranquillitatem desiderantes, quam antiqui promeruerunt reges.
(5.2}4·)
VIII.
Angelsächsische Übersetzung des Krönungsversprechens aus dem Ordo König Edgars (oben VII§ 2) für die Krönung König Aethelreds II., Kingston 14. April978 (oder schon die seines Bruders Edward II., Kingston? 975). I-Iss.: A (LIEBERMAN"': Cp) = Cod. London British Museum Cotton. Cleopatra B. XIII, Ir. Jahrhundert, f. 56. B (LIEB.: Cv) = Cod. ebd. Vitellius A. VII, Ir. Jahrhundert, jetzt verbrannt; nach LIEBERMAN"' (s. unten, III S. 144 § 3) anscheinend aus A abgeleitet. B1 (LIEB.: Iu) = Cod. Oxford Bodl. Library Iunius 6o, I6. Jahrhundert, Kopie von B. Drucke: Seit dem 17· Jahrhundert mehrfach nach A und B, verzeichnet bei F. L1EBERMAN?-r, Gesetze der Angelsachsen I, Halle 1903 S. LVf.; ebd. S. 214-6 nach A, B, B1 der angelsächs. Text (hier wiederholt) mit deutscher Übersetzung und dem lat. Original (oben VII§ 2 mit den Abweichungen von VI§ 9 in den Noten); dazu II, 2 (ebd. 1912) S. 56zf. s. v.: Krönungseid und III (ebd. 19r6) S. I44-5: Erklärungen. Dieser Ausgabe folgt A. J. RoBERTSON, The Laws of the Kings of England from Edmund to Henry I, Cambridge 1925 S. 40-3 (mit Vorwort und eng!. Übersetzung). Lit.: F. L1EBER1IA'-'"', Zum angelsächsischen Krönungscid, in Herrigs Archiv f. das Studium der neuerenSprachen 56. Jahrg. = Bd. 109 (1902) S. 375 f. (zur Überlieferung). A. BRANDL in H. PAuL, Grundriß der german. Philol. IF, Straßburg I90I ff. S. Io8z (über die halbpoetische Form). Anm. : Es folgt in den Hss. eine Ansprache an den König über seine Pflichten »in genau denselben Ausdrücken, wie sonst der Bischof für seine Herde verantwortlich gilt«- so LIEBERMA:--JN III S. 145, der z. T. wörtliche Parallelen nachweist in den >Institutes of Polity< bei [B. THORPE], Ancient Laws and Institutions of Eng!., London r84o S. 422 und 428, und in einer WuLFSTAN, Ioo3-23 Erzbischof von York, zugeschriebenen Homilie, ed. A. J\;AP1ER, Berlin r883 (Sammlung englischer Denkmäler IV) S. 266f. Nach Sprache und Überlieferung nimmt L1EBER~IAl'!N als untere Grenze Io3o-6o an; aber er hält es für möglich, daß der Text vom Übersetzer stamme. Dann könnte es ein Sermo vor der Krönung sein, wie er aus andern Ländern bekannt und für England im J. 1043 belegt 87 Ethelwold, dessen Ehe mit der Königin Elfritha der Autor vorher erwähnt hat (ed.
RAINE S. 429f.). 8 8 Die Hochzeit hatte schon 964 stattgefunden.
244
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordincs
ist. Es ist mir nicht möglich, mir hier ein eigenes Urteil zu bilden. Drucke bei A. TAYLOR, The Glory of Regality, London 1820 S. 405f.; TH. WR1GHT and J. 0. HALL1WELL, Reliquiac antiquae II, London 1845 S. 194.
( S.
2} J .') Promissio regis a: Dis gewrit is gewriten sti:fb be sta::fe be pam c gewrite, pe Dunstan arcebisceop d sealde urum hlaforde a::t Cingestune, pa on dxg pa hine man halgode to cinge, 1 forbead him a::lc wedd to syllanne, butan pysan wedde, pe he up on Cristes weofod
ledeb, swa se bisceop him dihte: Ordo 9 §
2.
»On paere halgan prinnesseenaman 89 ! lc preo pingf behate b Cristenumfolce 7 me underoeoddumg: I.
an b a:rest, pa:t Godes cyrice 7 eall Cristen folc minra gewealda 90 sooe sibbe healde;
2.
ooer is 9\ pa:t ic reafiac 7 ealle unrihte ping eallum hadumb forbeode;
3. pridde, pa:t ic behateb 1 bebeode 92 on eallum d6mumb riht 7 mildheortnisseh, pa:t us 93 eallum arfa:st 7 mildheort God purh 94 pa::t his ecean miltse forgifei, se lifaoi 7 rixao [on ecnisse. Ameni.]« Finit. Hss.-Varianten, wiederholt nach L1EBERMA.'\'N: a Sacramentum vel pr. r. in consecratione Bl> nicht aas B. b accemlos B. c oam B. d Die Abkiir.ztmgen arceb(isceop), b(isceop) und p (a:t) sind aufgelöst. e prynnesse B, so verbessert A. f oing B. g- derpe B. h -nesse B. i-i forgyfe, se lyfao B, so verbessert A. i Nach dem Brauch ergänzt von Liebermann.
IX. Ordo
G des Abtes Fulrad von Saint-Vaast 1n Arras um 98o (zw. 973-86).
H s s. : Bei dem Erstabdruck zog ich drei Handschriften heran und wies auf Spuren von weiteren hin. Er ist jetzt überholt durch PAUL L. WARD (vgl. oben Seite 200-201: Anhang 1): An Early Version of the Anglo-Saxon Coronation Ceremony, in der English Historkai Review 57, Juli 1942 S. 345-361, der den Ordo des Abtes Pulrad abdruckte nach dem (in St. V aast für den Abt Ratold von Corbie, 'f 986, geschriebenen) Sakramentar (dem auch von mir an die Spitze gestellten Cod. Paris Nat. lat. r 205 z) = A. Ich konnte damals nur drei Handschriften auswerten und mußte mich mit Hinweisen auf weitere begnügen. Diesen ist P. L. \VARD nicht nur nachgegangen, sondern er hat so gründlich 89 ... in Christi ... nomilte V(orlage), nachgesetzt. 90 Von LIEBERMANN a. a. 0. I S. 216 übersetzt: »meines Gebietes«, berichtigt III S. 145; danach wohl nur Übersetzung von: nostro arbitrio (Zusatz der Edgar-Fassung) = nach unserem \Villen = soweit wir können. Weg-
91 92 93 94
gefallen ist: in omni tempore (so beide Iatein. Fassungen). Aliucl est D(unstan-Ordo, s. Text VI § 9); A/iudE(dgar-Ordo , s. Text VII§ z). praecipiam DE, also nur ein Verbum. nobis D, mihi et vobis E; omnib11s fehlt ED. per hoc D, fehlt E.
Der »Fulrad-Ordo« um 980
245
nachgesucht, daß er noch weitere 17 Handschriften heranzuziehen vermochte (deren Varianten sind in einem umfangreichen Notenapparat verzeichnet). Von meinem Apparat behielt ich hier nur die Nachweise bei, die das Verhältnis zu den benutzten Vorlagen erkennen lassen. Der Text brauchte kaum abgeändert zu werden: er entspricht jetzt dem >Ratold-Sakramentar<, d. h. der ältesten und auch sehr zuverlässigen Handschrift A.
(5. 2JJ.) Altere Drucke: Hugo Menardus, S. Gregorii papae ... liber sacramentorum, Paris 1642 S. 278-85 (ex rod. Rarto!di a/;batis), danach Opera S. Gregorii III, Paris 1705 (Benediktiner-Ausg abe) S. 257-62, danach MrGXE, Patr. Lat. 78, 186z Sp. 25 5-61; E. MARTENE, De antiquis ecclesiae ritibus II, Antwcrpiae 1736 S. Go4-9 = II, ebd. 1763 S. 216-8: Ordo X 5· Vgl. auch H. NETZER, L'introducrion de la messe Romaine en France sous !es Carolingiens, Paris 1910 S. 266-78. Li t. : G. WAI"I"Z, Die Formeln der Deutschen Königs- und der Römischen Kaiser-Krönung, in den AbhandJ. der Kgl. Gescllsch. der Wiss. zu Göttingen XVIII, 1873 S. 23; SeHREUER (vgl. S. 14I Anm. I) passim: WoOLLEY S. 95 ff.; PERE S. I ff. u. a. m. Vorlagen: r. Ordo C: >Erdmannscher Ordo<, s. Text IV; z. Edgar-Ordo: angelsächsisch für 973, s. Text VII; 3· (für § zz) Dunstan-Ordo: ebs. zw. 960-73, s. Text VI. Zum Abdruck: V= Vorlage; A = Cod. Paris Nat. lat. I2052.
A. Incipit percunctatio sive electio episcoporum ac clericorum necnon populorum ad regem consecrandum sive ad benedicendum .
(5.2}9-) I.
Ammonitio 95 episcoporum vel clericorum ad regem dicenda ita legatur ab uno episcopo
Ordo
c §I.
coram omnibus : »A vobis perdonari - exhibere debet.« Responsio regis:
2.
»Promitto vobis - iust. s ervabo 96
-
exhibere debet.«
Ebd. §
3. Deinde alloquantur duo episcopi populum in ecclesia, inquirentes eorum voluntatem, et si concordes fuerint, agant Deogratias decantantes: »TeDeum laudamus«; / et duo 97 episcopi accipiant
eum per manus, et deducant ante altare, et prosternet se usque ad finem >Te Deum laudamus<. 4·
Ebd. § l· Edgar-Ordo § 2.
Invocatio super regem:
»Te invocamus, Domine- mereatur. Per Dominum ... «
5.
2.
Ebd. § l·
Item oratio:
»Deus, qui populis - valeat pervenire. Per ... « 9 5 V: Petitio. 96 V: conservabo; vgl. dazu S. I 89 Anm. I (jetzt oben S. 197 Anm. u6). 97 Zum folgenden Satz vgl. V: . . . regis, quem
Edg. § 4 ~ Ordo C § 4·
... per manus producant duo episcop .... prosternal se coram a!tare et ymnizetur: Te Deum !audamus ... jinetem1s. Qllo ymnizato erigatur de solo.
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines
6. Edg. § j.
Alia:
»In diebus eius oriatur- consequatur. Per ••. « Consecratio regis:
7· Edg. § 6 (vgl. Ordo C § j).
a. Ȇnmipotens sempiterne Deus, creator - devotione in regnum 98 [N.] Albionis totius
[videlicet Francorum] pariter 98 eligimus 99 (S. 239:) - incedat et totius Albionis ecclesiam deinceps -, ut regale soliurn videlicet F rancorum100 sceptra non deserat- r ef ormet, ut u trorumq ue
horum1 Dl populorurn- perunge = « Edg. § 6.
b. Hic ungatur oleo. Antiphona: »Unxerunt Salomonern- aeternum.«
Ebd. § 6 ~ OrdoC§j. Edg. § 7·
c. =
»Unde 102 unxisti - einsdem Spiritus sancti. Per ... «
8.
Alia:
«Deus, electorum fortitudo - habere facias. Per ... « Edg. § 8.
Alia:
9· »Deus, Dei filius - merearis. Per ... «
Edg. § 9 (vgl. Ordo C § 6).
Hic detur anulum (sie!):
10.
»Accipe anulum, signaculum videlicet - connecti. Per ... «
Edg. § 10 ~ c § 7·
Oratio post anulum datum: I I. »Deus, cuius est omnis - contendat. Per ... « 12.
Hic cingatur ei gladius ab archiepiscopo:
Edg. § 12 ~ c § 8.
»Accipe hunc gladiurn- castra Dei. Per ... et regnat in saecula saeculorum.«
Edg. § 13.
»Deus, qui providentia- conteratur. Per ... «
Edg. § 14 ~ Ordo C § 9·
»Coronet te Deus - perpetui, ipso- saec. saec.«
Edg. § 1j,
»Deus perpetuitatis, dux - in miseratione et misericordia - iugiter famuletur. Per Dominum
Oratio post gladium:
Hic coronetur:
I
5.
Oratio post coronam:
nostrum ... «
( S. 240:) r6. Edg. § 16 ~ Ordo C § 11.
Hic detur sceptrum:
»Accipe sceptrum regiae potestatis - bene regas, sanctam - populumque videlicet Christianum pervenias, ipso - saec. saec.« 98 So A, wo: N. und: Franeorum schon Korrektur darstellt und deshalb in Klammern steht; weitere Varianten bei WARD a. a. 0. S. 352 Anm. 3, 5, 6. 99 In anderen Hss.: e!egimus; vgl. hier und zum folgenden Text S. 224 Anm. 3 usw. (jetzt oben S. 236 Anm. 35 usw.).
Ioo Vide!icet Francorum, Burgundionum, Aquitarw-
rum, dazu oben S. 187f. Anm 5 (jetzt:S. 196 Anm. n2); zu V vgl. auch S. 224Anm. 5 (jetzt: S. 236 Anm. 37). 101 Auch: trium hor. pop. 102 Im folgenden hält sich der Ordo enger an OrdoC.
Der »Fulrad-Ordo« um 980
247
Oratio post sceptrum: »Omnium, Domine, fons - bene regere dignitatem - aeterno glorictur in regno. Per dominum nostrum Ihesum Christum.«
18.
Edg. § 17 ~ c § ro.
Tune da tur ei virga:
»Accipe virgam virtutis atque- Dominum nostrum.«
Edg. § 18.
Tune dicatur benedictio: »Extendat omnipotens Deus- consortem. Amen. Quod ipse praestare dignetur ... «
Edg. § 19.
ltem alia benedietio :
20.
»Benedic, Domine, hunc praesulem- pacificum. Amen. Quod ipse praestare ... «
Edg. §
20,
Edg. §
21.
Regis status designatur:
21.
»Sta et retine amodo (statum 103) - in regnum aeternum secum regnare faciat Ihesus- Spiritu santo ... « 22. Rectitudo regis est - tria praecepta populo - servans in omni - ut misericordiam- misericors Deus,
qui
CU!ll
illi et nobis - suam
Patre . ..
(S. 241.) 23. Et tune deoseuletut clerum et dicat unusquisque: »Vivat rex felieiter in sempiternum«, tribus vicibus: >Vivat rex < ut supra, >Vivat rex < ut supra, i et post evangelium offera t 106 rex ad manus arehiepiseopi oblationem et vinum, et sie peragatur missa suo ordine. Deinde communicetur ab arehiepiseopo eorpore et sanguine Christi, et sie referant Deo gratias. Post pergant ad mensam. omnem 104
populumque105 ;
Dunstan-Ordo § 9·
Ebd.§ 7 •
Ordo
c § , 7.
B. ITEM AD REGINAM BENEDICEND AM.
Ordo C § 19.
24. Debet enim adduci in ecclesiam et prosterni ante altare. Elevata ab oratione ab episcopis et inclinato capite, dicat archiepiscopus hanc orationem: 2
5. »Adesto, Domine, supplicationibus- impleatur effectu. Per ... «
26.
Tune debet caput eius ungui oleo:
Ebd. §
20.
Ebd. §
ZI
~
»In nomine Patris et- confirmationem aeternam.«
Edg.-Ordo
§ '4·
Sequitur oratio post unetionem: Ȇmnipotens sempiterne Deus, affluentem
107 -
separetur indigna. Per ... «
c ~
§ 22 Edg. § '5·
28. Tune debet ei anulus mitti digito: »Accipe anulum, fidei signaculum sanctae - barbaras gentes - ad agnitionem veritatis advocare.« c §,_zl ~
103 Fehlt in A; im deutschen Ordo: !ocum. 104 A: omnibus. 105 Vgl. zum folgenden V (Dunstan-Ordo § 7): Et dicat omnis popu!tts tribus vicibuJ mm episcopis et presbyteris: >> Vil;at rex N. in sempiternum !«
106 V gl. dazu V: Eo die offerre et commzmicare debet. 107 Der Text nach dem Edgar-Ordo, in dem
Ordo C § 22 etwas umgestaltet ist. Auch im folgenden ist jener für den Text, dieser für die Rubra richtungv,·eisend.
r.dg. § z6.
Anlagen: Die angelsächsischen Krönungsordines
c
~
(.5'.242:) § 24 Edg. § 27.
c § 25 ~
Edg. § zS.
C § z6 ~ Edg.
29.
contendat.«
-
Tune debet imponi corona in capite: »Accipe coronam gloriae, honorem - coroneris. Per Dominum ... «
31· 0 29.
Sequitur oratio:
»Deus, cuius est omnis- effectum, in qua tibi 108
Item Oratio:
»Omnium, Domine, fons bonorum- corrobora gloriam. Per Dominum ... 109 « Io8 Beide Vorlagen: tibique. I09 Bei WARD a. a. 0. S. 3 59f. ist auch noch die (fast ganz auf dem >Sacramentarium Gregorianum< beruhende) >J1issa pro regibus< abgedruckt, die aus I I Gebeten besteht und
Korrekturnachtrag zzt S.
2 I 2
und
2 I
mit der vielfach überlieferten Benedictio vexi!!i (lnclina, Domine ]hesu sa!vator - adqmsisse. Qui cum etc.) abschließt (gedruckt von C. ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, Stuttgart I936 S. 333).
4:
Odos Promissio ist jetzt auch gedruckt in: Recueil des actes d'Eudes roi de France (888-·898), publie ... par R.-H. BAUTIER, Paris I967 (Chartes et dipl6mes relatifs a l'hist. de France) S. 209-I I: Appendice I, der noch eine Abschrift von DoM BouQUET (r7. Jahrh.) heranzieht und die Frage der Überlieferung, die Behandlung des (verlorenen) Originals sowie das Zusammenfügen des Textes erörtert.
C. Wahl, Krönung und Staatssymbolik in den burgundischen Königreichen (von 879 bzw. 888 an) Mit Ausblicken auf die Zeit der Vereinigung mit Deutschland (von
1033
bis zum späten Mittelalter)*
Einleitung Der Romantik verdanken wir das Verständnis für Gewordenes. Sie schärfte den Spürsinn für das - dem Wachsen der Bäume vergleichbare - Erstarken der Völker und ihrer staatlichen Formen. Der Modellfall für solche Art des >Entstehens< ist und bleibt Frankreich, wenn auch die Rolle nicht zu übersehen ist, die im 9· und ro. Jahr-
*
Zugrunde liegt ein - im Zusammenhang mit den voraufgehenden Abschnitten angefertigtes - Manuskript, von dessen Fertigstellung mich andere Arbeiten ablenkten. Ich konnte es jetzt zum Teil zusammenstreichen, da manches inzwischen ausgeführt \\~urde von LAEnTIA BOEHM, Rechtsformen und Rechtstitel der burgundischen Königserhebungen im 9· Jahrh. Zur Krisis der karolingischen Dynastie, im I-listor. Jahrbuch 8o, I96I S. z-58. Ich beziehe mich auf diesen sorgfältig begründeten Aufsatz und bringe aus meinem Manuskript nur die Abschnitte, die sich nicht überschneiden oder in denen ich das von der V erfasserin Ausgeführte noch zuspitzen bzw. ergänzen zu können glaube. Das betrifft insbesondere die Beziehung des 879 beobachteten Verfahrens zur Bischofsweihe (auch schon von der Verfassetin betont auf S. I 8 f.); entsprechend schränke ich die von Frau L. Boehm herausgearbeitete Verwandtschaft zum karolingischen Königsbrauch (s. bes. S. 3o) wieder ein und unterstreiche statt dessen stärker die geschickte Einkleidung eines Gewaltaktes in Rechtsformen, die dem I.::irchenrecht entlehnt wurden. Auf den politischen Ablauf richtete seinen Blick W. MOHR, Boso von Vienne und die Nachfolgefrage nach dem Tode Karls des Kahlen und Ludwigs des Stammlers, im Archivum Latinitatis medii Aevi 36, 1956 S. 141-45. Er bringt gewagte Thesen, setzt sich
aber mit der neueren Literatur und den in ihr aufgeworfenen Fragen kaum auseinander. Ich vermerke deshalb nur gelegentlich besonders gewichtige Einwände, die sich mir ergaben. Allgemein sei verwiesen auf: F. SEEMA'JN, Boso von Niederburgund, Diss. I-lalle r 9 I I ( r 24 S.); ferner die grundlegenden Werke von R. PouPARDIN, Le royaume de Provence sous !es Carolingiens 8 5 5-9 3 3, Paris I90I, und Le royaume de Bourgogne 888 Io38, Paris I9I4 (Bibi. des hautes etudes I3l und I63); A. HoB1EISTER, Deutschland u. Burgund im frühen Ma., eine Studie über die Entstehung des Arelatischen Reiches u. s. polit. Bedeutung, Leipzig I9I4 (r IO S.) (Neudruck: Darmstadt 1963); R. GRIESER, Das Arelat in der europ. Politik von der Mitte des IO. bis zum Ausgang des I4. Jahrhunderts, Jena I 92 5; HANS EBERHARD MAYER, Die Alpen u. das Königreich Burgund, in: Die Alpen in der europ. Gesch. des Ma.s, Reichenau-Vorträge I96Ijz, Konstanz I965 (Vorträge u. Forsch. X) S. 67-76. Die Urkunden von Niederburgund gab heraus R. PoUPARDIN, Recueil des actes de Provence (8 55-928), Paris I92o (Chartes et dipl6mes relatifs a !'hist. de France); die Edition der >hochburgundischen< Urkunden bereitet THEODOR ScHIEFPER für die Mon. Germ. I-list. vor.
3 c. Die burgundischen Königreiche
hundert der >Zufall< gespielt hat. Aber ihm gegenüber stehen Beispiele, bei denen von einem Wachsen, angelegt in rätselhaft bleibendem Urboden und >organisch< fortgesetzt, nicht die Rede sein kann. Die Hauptbelege für diese Tatsache geben im Mittelalter Portugal und Burgund ab. Die Grafschaft Porto, aus der Portugal hervorging, wurde am Ende des Ir. Jahrhunderts einer nicht vollbürtigen Schwester der Königin U rraca von Kastilien, der Infantin Theresa, und ihrem Gemahl, Enrique von Burgund, der aus einer Seitenlinie des Capetischen Hauses stammte, zugeteilt. Der Sohn dieses Paares, Don Affonso, erweiterte seinen Herrschaftsbereich auf Kosten der Moslime und legte sich seit etwa I I 40 den Königstitel bei, den sowohl das Stammland als auch der Papst schließlich anerkannten. Die Nachfolger drängten die Moslime noch weiter zurück, so daß Portugal die uns bekannte, langgestreckte Form gewann, und aus dem Dialekt der Grafschaft Porto, der dem der benachbarten Provinz Galicia eng verwandt war, entwickelte sich eine eigene Sprache, die sich- analog zu der Vergrößerung des politischen Abstandes - verselbständigte. Niedere Gebirgszüge, die bei anderem Geschichtsverlauf sich kaum als Barriere ausgewirkt hätten, üben ihre trennende Funktion noch heute aus. Wenn jene Dona Theresa früh gestorben oder anders abgefunden worden wäre, wenn dann womöglich noch dies und das geschehen oder sich nicht ereignet hätte, gäbe es - so darf man folgern - heute Portugal nicht. Die Geschichte des ersten Königreiches Burgund ist anders verlaufen. Es verdankt- wie wir sehen werden- seinen Ursprung dem Zufall der Lage, die ein energischer Mann von zwar vornehmer, aber doch nicht königlicher Abstammung auszunutzen verstand; es ging im zweiten Königreich Burgund auf, das bereits im Io. Jahrhundert der Gefahr der Zersplitterung und inneren Aushöhlung ausgesetzt war, aber im Ir. Jahrhundert wieder Halt gewann, da es zum Nebenreich der Salier gemacht wurde. Doch ist dieses Burgund ein Musterbeispiel für den Vorgang der >decomposition< geblieben, der sich nur deshalb so lange hinzog, weil es den Nachbarn noch an Macht gebrach, um das Eigenleben zu beseitigen, das sich trotz allem im Raume des »regnum Arelatense« - so nannte man seit dem hohen Mittelalter Burgund - noch erhalten hatte. Über die Entstehung des zweiten Königreichs Burgund (>Hochburgund<) sind wir ganz unzulänglich informiert, über die des ersten dagegen gut, da die entschei-
Weitere Lit. s. DAHLMANN-WAITZ 9· Aufl. Nr. 5383,5986. Ständig zu Rat gezogen (jedoch nicht laufend zitiert) sind natürlich die >Jahrbücher des ost-
fränkischen Reiches< von ERNST DbiMLER, Gesch. des Ostfränk. Reiches I-III, Leipzig 2. Aufl. r887/8 (Neudruck: Darmstadt 1960).
Einleitung
251
denden Dokumente erhalten sind. Ihre Aufgabe war es, einen völlig neuen, rechtlich höchst fragwürdigen Vorgang zu legitimieren. Es ist aufschlußreich, die Einzelheiten zu prüfen; denn ihn trennten nur vier Jahre von der >Wahl< Karls des Kahlen (Weihn. 875), von der gleiches gilt. In dem ihr gewidmeten Abschnitt (oben S. 119ff.) haben wir dargelegt, wie geschickt von Kaiser und Papst das Herkommen so zurechtgerückt wurde, daß ein Angriff gegen die Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens schwer zu erheben war. Vor diesem Hintergrund ist zu klären, wie weit ähnliches auch von der 879 erfolgten >Wahl< des burgundischen Königs gesagt werden kann. Aufschlußreich ist ferner der Aufstieg des Gewählten, Gesalbten und Gekrönten, der nunmehr beanspruchte, den karolingischen Königen gleich zu sein. Denn bereits für diese ungewöhnliche >Karriere< wurde das Herkommen so zurechtgebogen , daß ein zielstrebiger Mann von Stufe zu Stufe emporzusteigen vermochte - das kennzeichnet nicht nur ihn, sondern ganz allgemein das Karolingische Reich in der Zeit nach der Teilung.
a) Der Aufstieg des Grafen und Princeps Boso Vom Grafen Boso von Vienne hatte bei dessen Geburt niemand gemutmaßt, daß er als König enden würde. Aber er war doch ein besonders ansehnlich versippter Sproß jener Adelsschicht, der G. TELLENBACH die treffende Bezeichnung >karolingische Reichsaristokratie< gegeben hat1 . Von Mutterseite war Boso Enkel eines Grafen fränkischer Herkunft gleichen Namens, der bei Vercelli begütert war 2 • Dessen Sohn Boso II. (t 874/8) hatte 844 Ludwig auf seinem Zug nach Rom begleitet; er rief Papst und Könige zur Hilfe, als ihm 856/7 seine Gemahlin entwich. Sein Bruder, der Abt Hukbert von St. Maurice, stand in Rivalität mit den Welfen- von diesen, die auch noch burgundische Könige wurden, soll später die Rede sein. Die Tante Thietberga, Gemahlin Lothars II., ist allgemein bekannt geworden, da der König sie verstieß und der Papst sich ihrer annahm. Deren Schwester, die Mutter Bosos, hatte Bivin geheiratet, der Laienabt von Gorze und Bruder des Grafen Richard (t 839) war, einst Ostiarius am Hofe Ludwigs des Frommen, 8 34 mit Lothar I. nach Italien gezogen und mit Gütern bei Reggio ausgestattet. Die Sippe war also sowohl im fränkischen Stammreich als auch im Regnum Italicum mächtig. Die wichtigste Verbindung, die dem Geschlecht zugute kam, gewann sie 87o: I
2
V gl. die Stammtafeln, die Frau L. BoEHM ihrem Aufsatz beigefügt hat; dazu PouPARDIN, Provence a. a. 0. S. 41-5. Vgl. zum Folgenden G. TELLENBACH, Der Großfränk. Adel u. die Regierung Italiens, in dem von ihm herausgegebenen Sammelband: Studien und Vorarbeiten zur Gesch. des groß-
fränk. u. frühdeutschen Adels, Freiburg i. B. 1957 (Forsch. zur Oberrhein. Landesgesch. IV) S. 62f. und E. HLAWITSCHKA, Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774-962), ebd. 1960 (ebd. VIII) S. I 58 ff.
3 c. Die burgundischen Königreiche
Bosos Schwester Richilde wurde von dem verwitweten König Karl dem Kahlen nach voraufgehendem Konkubinat geheiratet. Durch diese Verwandschaft erhielt Bosos mittlere Lebensphase ihr Kennzeichen: er stieg auf mit Hilfe seines königlichen Schwagers und war ihm fast bis zu dessen Tode (Anfang 877) ein getreuer Helfer: beide stützten sich wechselseitig. Karl hatte Boso bereits 869 die Abtei St. Maurice d'Agaune im Wallis verliehen, obwohl er damals die Provence noch nicht besaß". Nach dem Vertrag von Meersen (87o) übertrug er dem Schwager das Gebiet von Vienne und teilte ihm dann noch Lehen sowie weitere Abteien zu: dieser war daher einer der Reichsten im Westfrankenreich und ließ sich in St. Denis durch Lampen, die zu seinen Ehren brannten, sowie ein Jahresmahl ehren (Vorzüge, die sonst nur der königlichen Familie eingeräumt wurden); auch sorgte er dafür, daß in seinen Klöstern nicht nur für den König, sondern auch für ihn gebetet wurde•. \'Vir betrachten diesen Aufstieg unter dem Gesichtswinkel der Staatssymbolik und gehen auf die Machtkämpfe und Intrigen, die ihn begleiteten, nur soweit ein, wie das zum Verständnis erforderlich ist. Wir vermerken kurz, daß der comes Viennensis nach- und nebeneinander auch die Amtsbezeichnungen camerarius, magister ostiariorum, baiu!us und missus regni Aquitanie, archiminister sacri palatii und missus imperia!is führte, also sowohl am Hof in eine Schlüsselstellung einrückte als auch mit der Vollmacht eines Missus dorthin entsandt wurde, wo Karl nicht selbst nach dem Rechten sehen konnte 5 : offensichtlich ein unermüdlicher, den verschiedensten Aufgaben gewachsener Mann, der es verstand, sich unentbehrlich zu machen und dabei seine eigene Position auszubauen. Dieser erprobte Berater und Helfer folgte mit seinem Bruder Richard Kar] 875 auf dem Zug nach Rom, auf dem der König es im Bunde mit Papst J ohann VIII. durchsetzte, daß - entgegen den Ansprüchen der ostfränkischen Linie seines Geschlechts dem Westfranken die Kaiserwürde zugeschanzt wurde6 • Nach seiner Kaiserkrönung (Weihn. 875) hielt Karl der Kahle auf der Rückreise in das Frankenreich noch einen Hoftag in Pavia ab, auf dem durch die italienischen Großen die neue Würde sowie seine Herrschaft über das Regnum Italicum bestätigt wurden 7 • Um diese zu sichern, ließ Karl seinen Schwager mit anderen Getreuen zurück - man könnte sagen, daß er ihm die Funktionen eines >Vizekönigs<, eines >Regenten< übertrug 8 • Doch waren damals für eine solche Stellung noch keine ge3 PouPARDIN a. a. 0. s. nff. 4 Ebd. S. 6z. 5 Nachweise bei PouPARDIN a. a. 0. und SEEMANNa. a. 0. S. zzf. 6 Näheres dazu oben S. r zo ff. 7 Vgl. oben S. r25ff. über die Rechtsformen.
Ann. Bertin. ad a. 876 (ed. G. WArTz, r883 S. rz8; s. dazu S. 131 Anm.45): etßosone,uxoris suae fratre, duce ipsius terrae constituto et corona c/ucali ornato, ettm collegis eiw, quos idem dux expetiit, in eodem regno relictis. V gl. dazu G. TELLENBACH, Über Herzogskronen und Herzogshüte
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eigneten Titel geprägt 9 • Um jedoch Boso, dem nur die Titeldux und comes zukamen, in seinem Amt kenntlich zu machen, setzte Karl ihm eine corona ducalis auf: eine >Herzogskrone<. Es gibt Wort- und Bildzeugnisse dafür, daß karolingische Große einen Reif trugen; aber es ist das erste Mal, daß wir von einer Amtseinweisung hören, die durch die Aushändigung eines solchen 'Würdezeichens >korroboriert< wurde. Wir dürfen daher von einem >Amtsreif< sprechen. Vermutlich war es auch das erste Mal, daß die corona ducalis in dieser Art gebraucht wurde; denn es handelte sich ja um- sowohl in persönlicher als auch in politischer Hinsicht - einmalige Gegebenheiten, die staatssymbolisch Ausdruck verlangten (in der Folgezeit ist es zu ähnlichen Verleihungen erst viel später gekommen). Der Titel, den der bisherige comes trug, war der des dux; aber zu beachten ist, daß der Papst, der Boso zunächst: illustrissimus comes betitelte, ihm den Titel princeps beilegte, und so wird er auch in dem- gleich genauer zu prüfenden- Wahlprotokoll von 879 bezeichnet. Das mag aus Courtoisie geschehen sein; denn diese Zeit machte zwischen beiden Titeln keinen strengen Unterschied 10 . Da jedoch princeps auch auf Könige angewandt wurde, wird Boso diese Anrede wohl die genehmere gewesen sein. Boso durfte in Italien auf Rückhalt rechnen; denn hier hatte ja bereits sein Großvater gewirkt, und Verwandte spielten dort eine Rolle. Außerdem gelang es Boso nach Karls Rückkehr, Irmgard, Tochter des verstorbenen Kaisers Ludwig II., zur Gemahlin zu gewinnen, die 866 mit dem byzantinischen Kaiser Basileios I. verlobt worden war. Da Hinkmar zu dieser Nachricht iniquo conludio hinzusetzte und auch übles Geraune umlief, ist über die Art, wie der Princeps zum Ziel kam, diskutiert worden11 • imMa.,imDeutsch en Archiv V, 1942 S. 55ff. Den Dux-Titel Bosos streift S. KIENAST, Der Herzogstitel in Frankreich u. Deutschland, in der 1-listor. Zeitschr. 203, 1966 S. 539; ebd. S. 547 über den erst 946 belegbaren Titel dttx BurgundionttJJJ (vorher: comes, c. et JJzarchio, c. et »bb»s) (Ein Buch mit den Belegen folgte 1968
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V er gleichen ließe sich Bosos Stellung mit der der Staufischen >Amtsherzöge<. -In England übernahm diese Funktionen der iusticiaritts; vgl. FR. WEsT, The Justiciarship in England ro66-1232, Cambridge I966 (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, New Series vol. XII). ro S. oben S. 91f. II Vgl. dazu Regino ad a. 877 (ed. FR. KuRzE, I 890 S. I I 3; Script. in us. schol.), der in diesem Zusammenhang angibt, Karl habe Boso die Provence gegeben und befohlen, ihn -
corona in vertice capitis imposita - König zu nennen. Hat Regino hier die Vorgänge von 879, an denen Kar! garnicht mehr beteiligt war, einbezogen und dadurch den Ablauf der Ereignisse verunklärt? PoUPARDIN a. a. 0. S. 68 f. glaubt, daß bereits Kar! der Kahle die Provence übergeben habe. Die Ann. Puldenses (Mogunt.) ad a. 878 (ed. FR. KuRZE, I98I S. 9I; Script in us. schol.), die Boso beschuldigen, er habe seine erste Gemahlin vergiftet, um Irmgard heiraten zu können, sind nur als Reflex der Vorgänge im feindlichen Lager zu werten. Die Vermutungen, die an diese Nachricht gehängt und von MoHR a. a. 0. S. I45 ff. noch vermehrt worden sind, hängen in der Luft; man muß sich mit dem Feststellbaren begnügen. Vgl. PouPARDIN a. a. 0. S. 73ff.
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Wir lassen das auf sich beruhen und begnügen uns mit der Feststellung, daß diese Einheirat in das Karolingische Haus zum Ehrgeiz Bosos paßte und ihn noch weiter angetrieben haben wird. Der Papst, der auf Hilfe gegen die Sarazenen angewiesen war, billigte diese Ehe, wie aus einem Schreiben erhellt, das Johann VIII. auf seiner Reise in das Frankenreich (Mai 878) an die Kaiserinwitwe Engelberga12 richtete; auch diese politisch selbständig denkende Frau war offensichtlich mit dem Schwiegersohn einverstanden. Der Papst berichtete ihr, er habe Boso und seine Gemahlin tamquam jilios umarmt und hoffe, sie noch ad maiores excelsioresque gradus befördert zu sehen13 • Was wollen diese Worte besagen? Wir kommen auf sie zurück. Nicht durchsichtig ist die Rolle, die Boso beim zweiten Italienzug Karls des Kahlen (877) spielte, der bei wichtigen Großen des Westfrankenreiches auf Widerstand stieß, weil die Normannen das Land bedrohten. Er scheint sich zu denen gehalten zu haben, die gegen den Kaiser aufbegehrten. Daß Boso immer höher hinauswollte, zeigt die Intitulatio einer Schenkungsurkunde, die er 879 ausstellte14 . In dieser ist nicht nur die kaiserliche Abstammung seiner Gemahlin unterstrichen, sondern ihm die bisher ausschließlich den Königen vorbehaltene Gottesgnaden-Formel beigelegt15 . Das seltsamste ist, daß er sich weder dux noch princeps nennen läßt. Die Intitulatio lautet nämlich: »Ego, Boso, Dei gratia id quod sum, neozon coniux mea Hirmingardis proles imperia!is«. Es gibt Minderungen des Titels aus Devotion, es gibt auch mancherlei Steigerungen desselben aus Prunksucht16 - aber dieses: id quod sum steht ganz allein, es sei denn, man nehme zum Vergleich den mittelalterlichen Spruch der Herren von Coucy, sie seien keine Könige und verschmähten es, Herzöge zu sein, sie seien eben die Sires de Coucy17 . Im Falle Bosos hieß das: »dttx und princeps genügen mir nicht, rex bin ich noch nicht, so benutze ich gar keinen Titel; denn jeder weiß ja, was ich bin.« Der Papst reiste sicherlich schweren Herzensgen Norden. Denn im Okt. 877 war der Kaiser Karl der Kahle auf der Rückreise in die Heimat gestorben, und von seinem Nachfolger, dem KönJg Ludwig dem Stammler, durfte er nicht viel erwarten, da es diesem an Autorität gebrach 18 . Boso, als Oheim des Königs eine der gewichtigsten G. Freifrau PöLNITZ-KEHR, Kaiserin Angilberga. Ein Exkurs zur Diplomatik Kaiser L.s II. von Italien, im I-Iistor. Jahrb. 6o, 1940 S. 429-40 und CH. E. 0DEGAERD, The Empress Engelberge, in: Speculum z6, 1951 S. 76 bis 103; dazu die Briefe Johanns VIII. passim. 13 Mon. Germ., Epist. VII S. 89: Nr. 94· q Pm:PARDIN a. a. 0. S. 8 r ff., bes. S. 96 (nach dem Cartulaire de Monteeramey) und Dü~IMLER a. a. 0. III S. 123 Anm. 2. 12
Ij Vgl. dazu Bd. I S. 37, 52f. r6 Vgl. ebd. S. pff. I7 RO)' ne puy, Duc ne veus, Fier je suis Sire de Coucy. r8 Epist. S. roz: Nr. rro. Der Relativsatz: cuius consilio atque hortatu hängt grammatikalisch von Ludwig dem Stammler ab, könnte aber auch bezogen werden auf den gleich vorher genannten Kar! den Kahlen.
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Persönlichkeiten des westfränkischen Reiches, begleitete den Papst auf dieser Reise, deren Höhepunkt eine in Troyes abgehaltene Synode bildete. Bosos Anliegen war, seine Familie noch enger mit den Karolingern zu versippen: er bewirkte die Verlobung seiner Tochter mit Karlmann, dem zweiten Sohn des Stammlers. Auch auf seiner Rückreise wurde der Papst von Boso geleitet. Johann wußte jetzt endgültig, daß er von den Westfranken keine Hilfe erwarten durfte. Daß auch den ostfränkischen Königen die Macht fehlte, um der Kurie Schutz zu gewähren, war gleichfalls klargestellt. Das hieß: Johann war jetzt ganz auf Boso angewiesen. In einem Brief an König Karl, den Sohn Ludwigs des Deutschen, in dem der Papst ihm diese Lage klarlegte, teilte er ihm mit, er habe Boso per adoptionis gratiam zu seinem Sohn gemacht: filium meum ejjeci, damit dieser in weltlichen Angelegenheite n für ihn eintrete und er frei sei für die kirchlichen. Allen denen, die gegen predictum ftlitmz ttostrum sich zu wenden wagen sollten, drohte er den Bann an. Was besagen diese Worte? Nimmt man die vorhin herangezogene Briefstelle hinzu, ergibt sich der Schluß, daß diese Adoption bereits auf der Hinreise erfolgt war. Als >geistliche Söhne< des Hlg. Petrus, der Kirche oder ihrer Oberhäupter hatten die Päpste die Karolinger seit eh und je bezeichnet; seit Stephan II. begegnet uns der Ausdruck: filii mei adoptivi 19 • Johann ging über seine Vorgänger jedoch dadurch hinaus, daß er aus der geistlichen Sohnschaft, die zwischen einem Angehörigen der Kirche und einem Laien von Amts wegen bestand, einen Rechtsakt machte, der dem Adaptivsohn die Pflicht auferlegte, für seinen >Vater< zu sorgen wie einleiblicher Sohn. Dieser durch die Notlage J ohanns verursachte Akt hat traditionsbilden d gewirkt. Denn zu der Kaiserkrönung gehörte als einleitende Szene, daß der Papst den Coronandus beim Empfang unter seinen Mantelnahm und ihn dadurch zu seinem Adoptivsohn machte 2 o. E. EICHMANN hat in Bosos Adoption eine Annahme zum Mitregenten sehen wollen und vermutete, daß Papst Johann VIII. sich durch die Konstantinische Schenkung habe inspirieren lassen - das sind gewagte Folgerungen. Wir müssen uns an den Rechtsakt halten, der darauf hinauslief, Boso zu verpflichten, dem Papste beizustehen I9
~Vgl. hierzu E. EicmiA'<'-', Die Adoption des deutschen Königs durch den Papst, in der Zeitschr. f. Rechrsgesch. 37, Germ. Abt., S. 29I-3 Iz (S. 3oz ciber Boso). Einwände (gegen die Darlegungen betr. I I. Jabrh. ff.) erhob A. HoHrUsTER, in der Histor. Zeitschr. I I8, I9I7 S. I 5 I-3; vgl. kurzM. KRAM:VIER im 1'-:euen Archiv 4I, I9I8 S. 34If.; vgl. auch den Anhang: >Päpstliche Adoptionen< bei FR. SEEMANN, Boso von Hochburgund, Diss. Halle I9II S. II9-24.
zo Zweimal vermerkt: zuerst (hier auch be-
schrieben) im Ordo Cencius II (jetzt: Ordo XIV) (r.Häifte rz. Jahrhundert)§ 7: .. papa/er querif ab eo, si veiit esse ftlitts ecc!esie (der Coromndus bejaht dreimal) ... domintts papa dicit: »Et ego te recipio ut ftli!im ecc!esie«, et mitfit sub manto; ei i!le osculatltr pecttls domini pape
f!i'JJ
(Ordines coronationis imperialis, ed. R. ELZE, Hannover r96o S. 37; Mon. Germ., Fontcs iuris Germ. IX); zuletzt S. r64: Ordo XXVII§ 3 (1529).
3 c. Die burgundischen Königreiche
(consolationem et dejensionem s. Romane ecclesie zu gewähren) 2 \ und der Welt vor Augen führte, daß die Kurie nicht ohne Beschützer war. Für dieses Rechtsverhältnis würde Karls des Großen Formel: dejensor et protector nicht gepaßt haben, wohl aber die voraufgehende: defensor et adiutor. Man dürfte wohl auch - einen später verwandten Terminus vorwegnehmend- vom advocatus ecclesiae (Kirchenvogt) sprechen. Nimmt man die früher angeführten \YJ orte ] ohanns hinzu, er hoffe Boso und seine Gemahlin ad maiores excelsioresque gradtts befördert zu sehen, darf man schließen, daß der Papst ins Auge gefaßt hatte, Boso die Kaiserkrone zu verschaffen. Da weder die West- noch die Ostfranken einen dieser Aufgabe gewachsenen Kandidaten zu präsentieren hatten, wäre ja der >Amtsherzog< im Regnum Italicum, Adaptivsohn des Papstes und Gemahl einer karolingischen Prinzessin, unter den in Betracht kommenden idonei der am besten ausgewiesene gewesen - genau so, wie der einst die Merowinger entthronende Pippin als der geeignete von der Kirche legitimiert worden war. Dieser Bund zwischen Boso und Johann VIII. trug jedoch keine Früchte; denn in Norditalien gewannen die Ostkarolinger das Übergewicht, und im Raum von Rom war jetzt der Mächtigste der Markgraf Wido von Spoleto. Auch entwickelten sich im Westfrankenreich die Dinge so, daß Boso durch sie ganz mit Beschlag belegt wurde. Nach dem Tode Ludwigs des Stammlers (879) 2 " trat eine Partei unter dem Abte Gauzlin für den ostfränkischen Ludwig ein; eine andere unter dem Abte Hugo hielt an den minderjährigen Söhnen Ludwig des Stammlers, Ludwig III. und Karlmann, fest, die von den Gegnern als nicht vollbürtig bezeichnet wurden. Hugo sorgte dafür, daß die beiden Brüder vom Erzbischof von Sens gesalbt und gekrönt wurden. Das war gegen den \Villen des Vaters, für den es selbstverständlich gnvesen war, daß nur der älteste Sohn ihm folgte - wir besinnen uns darauf, daß Karlmann mit Bosos Tochter verlobt worden war, und möchten daher in ihm den Inspirator dieser Abweichung vom Primogenitur-Prinzip vermuten 23 . Sie wäre unheilvoll für das-westfrankenreich geworden, wenn Ludwig nicht schon 882 gestorben wäre; denn wenn die Brüder auch als gemeinsam Herrschende angesehen wurden, erhielten sie doch jeder eine Hälfte zugewiesen: d. h. das verhängnisvolle Teilungsprinzip drohte wieder in Kraft zu treten. Die sofort greifbare Folge der Doppelwahl war, daß- um der Gegenpartei den \'(lind aus den Segeln zu nehmen - den Ostfranken, die nicht Ruhe gaben, der Teil Lothringens überlassen werden mußte, den sich 869 Karl der Kahle genommen hatte. zr Mon. Germ., Epist. VII S. 89 Kr. 94· 22 Zum folgenden P.E.S.,Der Königvon Frankreich, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt r96o) S. 64f. 23 MoHR a. a. 0. S. r6r weist auf den Anspruch
hin, den Doso hätte erheben können, '':eil Lucwig II. Burgund gefordert hatte, aber gegen Kar! den Kahlen und Ludwig den Deutschen nicht durchgedrungen war. Aber das w~hlprotokoll weiß nichts davon.
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Diese Lage machte sich Hugo, ein Sohn Lotbars II. aus seiner zweiten, von der Kirche nicht anerkannten Ehe zunutze: er suchte das Erbe des Vaters zu erobern. Wir nehmen vorweg, daß die Ostfranken mit Hilfe der Westfranken dieses Aufstandes im Jahre 88o Herr wurden. So war die Lage, als Boso nach einer Krone griff: die Nachricht, daß seine Gemahlin, die Kaisertochter, ihn antrieb, weil ihr der bisherige Rang des Gatten nicht genügte, mag stimmen; aber Boso hätte auch wohl ohne sie die günstige Chance ausgenutzt. Wo aber sollte er einsetzen? Im Westfrankenreich hatte sich der Legitimitätsgedanke gerade wieder durchgesetzt; in Italien hatten im Augenblick die ostfränkischen Karolinger die Oberhand. In Lothringen stritt Hugo mit den Söhnen Ludwigs des Deutschen. Ein Kräftevakuum bestand jedoch in dem Raum, in dem Boso, der Graf von Vienne, zu Hause war, das heißt: in dem Bereich, den 8 55 Karl, Lotbars I. dritter Sohn, zugeteilt bekommen hatte, der Raum zwischen Rhone, Genf und Alpen, an dem der Name >Provence< hängenblieb, weil er einstmals zur römischen Provincia Gallia Narbonensis gehört hatte. Da dieser Kar! 863 gestorben war, ohne Nachkommen hinterlassen zu haben, fehlte daher ein Dominus, ein Mann, der wußte, was er wollte, und imstande war, die schwankende Ordnung zu stützen. Hier ließ der bereits mit der Herzogskrone gezierte, vom Papst als Sohn adoptierte princeps, Schwager und Schwiegersohn von Kaisern und auch sonst noch mit den Karolingern versippt, sich am I 5. Oktober 879- einen Monat nach der Salbung seines präsumtiven Schwiegersohnes - zum König eines Reiches wählen, dessen Grenzen ungeklärt waren und für das zunächst sogar ein Name fehlte.
b) Bosos Erbebung zum Kihzig von >Burgund< (Provence): 879 24 Wir sind über die Vorgänge, um die es sich jetzt handelt, auf das beste informiert. Denn die drei Schriftstücke, die aus diesem Anlaß aufgesetzt wurden, haben sich im vollen Wortlaut erhalten. \Vir können sie deshalb mit verwandten Dokumenten vergleichen; aus den Entsprechungen einerseits, den Besonderheiten andererseits werden sich Einblicke ergeben in den Ablauf der Ereignisse sowie in ihre ungemein geschickte Stilisierung zu einem >korrekten< Rechtsvorgang 25 • 24 Ich sehe ab von der - erst in neuerer Zeit als Entsprechung zu Burgtmdia mperior (>Hoch-
burgund<) gebildeten- Bezeichnung >Niederburgund<; vgl. L. BoEHM a. a. 0. S. 7ff. 2 5 Es handelt sich um folgende Aufzeichnungen (gedruckt zunächst in den Mon. Germ., Leges I S. 547-9, dann in: Capit. II S. 365-9: Nr. 284, bestehend aus: A. Legatio, B. Responsio und C. >Wahlprotokoll< (Electio); wiederholt im Anhang (unten S. 283 ff.).
17 Schramm, Aufsätze I1
Zugrunde liegt nur ein alter Druck (Lyon I 5 66). Überliefert sind diese Texte in der Reihenfolge: C, A, B; in den Monumenta ist die Befragung an den Anfang gesetzt, da sie zeitlich voranging. Wie im folgenden gezeigt wird, waren bei der Abfassung die bei der Bischofswahl benutzten Formulare maßgebend. Bei dieser erfolgte erst die Wahl; dann wurde durch den Metropoliten und die Mit-
3 c. Die burgundischen Königreiche
Die >Wahl< Bosos fand- wie die genannten Schriftstücke bezeugen - in der von Karl, Lotbars Sohn, als Residenz benutzten Pfalz Mantaille zwischen Vienne und V alence statt, die auch noch in der Folgezeit bezeugt, aber heute völlig verschwunden ist 26 • Warum wurde sie als Schauplatz auserwählt und nicht eine der Städte? Man darf vermuten, daß Boso und seine Helfer hier sicher waren, das Heft fest in der Hand zu behalten; regte sich Widerspruch, drohte womöglich Gefahr von außen, konnten sie sich rechtzeitig abschirmen. Diese Lösung hatte jedoch den Nachteil, daß Salbung und Krönung nicht in der Pfalz mit ihrer- sicherlich ja nur bescheidenen - Kapelle erfolgen konnten. Der zweite Akt ließ sich also nicht unmittelbar anschließen. Die Annahme der Königswürde war eine Gewalttat gegenüber den Söhnen Ludwigs des Stammlers, auch wenn Boso sie als zu jung und als ungeeignet herabsetzen zu können glaubte 27 , ferner eine Gewalttat gegenüber den ostfränkischen Karolingern, die gar nicht gefragt wurden, sowie gegenüber dem Volk, das der König und seine Wähler vor eine vollendete Tatsache stellten; eine Gewalttat wohl auch gegenüber einem Teil der >Wähler<, die- nach den Angaben der beiden wichtigsten Geschichtsschre iber 28 - zum Teil durch Drohungen, zum Teil durch Versprechungen von Abteien und Landbesitz gefügig gemacht wurden. Die Annalen sprechen auch nur von Geistlichen, die Boso ihre Hand boten, und die Unterschriften enthalten- im Gegensatz etwa zur >Wahl< Karls des Kahlen in Pavia (876) 29 - nur die Namen von Erzbischöfen und Bischöfen""· Siebenundzwanz ig sind es- man könnte also Boso als >Pfaffenkönig< bezeichnen, aber in diesem Falle waren die Wähler die Geführten: der neue König wußte, was er wollte und wen er brauchte. Der Anteil der Geistlichkeit macht sich bis in die einzelnen Formalien dieser Königserhebung hin geltend. Denn dem rechtlich fragwürdigen Vorgehen ist nach außen hin ein sehr geschickt drapiertes Gewand umgehängt worden. Auch die Art, wie nach außen hin die sehr menschlichen Motive erbaulich-moralisch verbrämt bischöfe durch Befragung die Eignung des Kandidaten festgestellt (in diesem Falle waren also Wähler und Befraget nicht wie im Falle Bosos personengleich, war daher die Ordnung C, A, B angemessen). Bei den Boso-Texten ist also die Reihenfolge des Modells beibehalten: Legatio und Responsio sind - so PouPARDIN a. a. 0. S. 97ff.- als >pieces justificatives< angehängt. L. BoEHM a. a. 0. S. I7 nimmt an, daß der Erzbischof Otram von Vienne, der als erster unterschrieb, die Feder führte. Das ist wahrscheinlich; jedenfalls war der Redaktor ein im Kirchenrecht versierter Geistlicher. 26 L. BoEHM a. a. 0. S. r2.
27 (Da nach dem Tode des Stammlers) nu!!us in eos sua viscera per karitatis !argitatem extenderit
(S. 368 = unten S. 285). 28 Regino von Prüm ad a. 879 (ed. F. KuRZE, r89r S. rq; Script. in us. schol.) und Ann. Bertiniani ad a. 879 (ed. G. WArTZ, r883; Script. I. c.); man beachte, daß in dieser Zeit Hinkmar von Reims ihr Autor war. V gl. dazu E. DüMMLER, Jahrbücher des ostfränk. Reiches III, 2. Aufl. Leipzig r888 (Nachdruck: Darmstadt r96o) S. r24ff. 29 S. oben S. r25 ff. 30 Identifiziert bei L. BoEHM a. a. 0. S. qf. Anm. 44·
Bosos Erhebung zum König von »Burgund« (879)
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wurden, die für Uneingeweihte überzeugend sein mußten, ist ein diplomatischstilistisches Meisterstück. Soweit Rechtsformen und Rechtsbegriffe benutzt wurden, entstammten sie der Sphäre der BischofswahL Bosos Wähler haben ihm also nicht nur ihre Stimme gegeben, sondern ihm auch den Weg gewiesen, wie das, was man sonst Empörung nannte, rechtlich vertretbar gemacht werden konnte. Durch diese Sachlage wird bedingt gewesen sein, daß man in der Schriftlichkeit noch weiter ging als im Westfrankenreich31 • Es liegen vor: eine Befragung des Königs nach seinen Regierungsgrundsätzen und seine eingehende Antwort, sowie eine Beurkundung des ga=en Wahlvorganges 32 -wie das entsprechende Protokoll der Bischofswahl unterschrieben von den >Wählern<, die sich auf diese Weise nicht nur nach außen, sondern wohl auch untereinander auf ihre Tat festlegten 33 • Das Vorbild gab ab das Decretum, quod clerus et populus jirmare debet de e!ecto episcopo, das anschließend an die Wahl bei den Diözesanbischöfen zur Unterschrift herumgeschickt wurde und dann die Rechtsgrundlage für die Ordinatio des Gewählten bildete34 • Auch bei der Papstwahl war ein solches Dekret üblich, nur daß hier die Laudatio nicht erst eingeholt, sondern- dem römischen Wahlmodus entsprechendgleich in die Aufzeichnung hineingenommen wurde. 31 Selbst die Krönung Karls des Kahlen in Metz (869), die ja auch die Funktion hatte, ein angreifbares Recht zu sichern, führte nicht so weit; vgl. P.E.S., Der König von Frankreich I, Weimar 1929 (Neudruck: Darmstadt 196o) S. 26ff. 32 Alle Texte sind verziert mit häufiger, jedoch nicht regelmäßiger Reimprosa und mit biblischen Wendungen. 33 S. unten Anm. 34· 34 V gl. Le Pontifical Romano-Germanique du X. siede. Le texte I, ed. C. VoGEL et R. ELZE, Citta del Vaticano 1963 (Studie Testi zz6) s. I94-24I: LVI. Decretum quod clerus et popu!us ftrmare debet de e!ecto episcopo (entspricht C: E!ectio). LVII. ltem subscriptio episcoporum in e!ectionem episcopi (angeschlossen an C). LVIII. Ex conci!io Africano IV, I (über die Bischofswahl). LIX. Episto!a vocatoria. LX-XI. (Wie und an welchem Tag die Ordi-
natio vorzunehmen ist). Ordinatio episcopi (secundum Ga!!o.I und in Romana ecc!esia): Examinatio (entspricht A: Legatio und B: Responsio). LXIII. Appendix (Ordo ad vocandum et examinandum seu consecrandum e/ectum episcopum). LXV. Formata episcopo danda. LXVI. Edictum quod dat pontifex episcopo, cui benedixit. LXVII. Missa in ordinatione epicopi. Es handelt sich um Texte, die älter sind als das >Mainzer Pontifikale< und deshalb auch anders überliefert wurden. V gl. dazu C. VoGEL, Introduction aux sources de l'hist. du culte chretien au m. ä., Spoleto I 966 (Bibi. degli >Studi medievali< I) und MICHEL ANDRIEU, Les Ordines Romani du Haut MoyenAgei-V,Louvain I93 I ff. (Spicilegium sacrum Lovaniense, Bd. 11 : Les manuscripts, Bd. 23, 24, 28, 29: Les textes).
LXII.
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3 c. Die burgundischen Königreiche
Dieses Decretum enthielt die Angaben, welcher Umstand zur Wahl geführt hatte, wer an ihr teilnahm, wer der Gewählte war und wie es mit seinen menschlichen und geistigen Gaben bestellt sei. Es schloß mit dem Wunsch nach baldiger Ordinatio (für die im Ordo der Bischofsweihe das besondere Formular einer epistola vocatoria folgt 35) und bekräftigte Einhelligkeit und Rechtskraft der Wahl mit der Corroborationsformel: Ut autem omnium nostrum vota in hanc electionem convenire noscatis, huic decreto canonico promptissima voluntate singuli manibus propriis roborantes subscripsimus 36 • In Bosos Protokolllautet der Schluß: Et ut haec electio praesentibus et futuris certius innotescat, omnium episcoporum subscriptio luce clarius indicat. Nicht nur hier, sondern ganz allgemein bestehen Entsprechungen. Bosos Protokoll berichtet zuerst, was die Wahl veranlaßt hatte, nämlich das Verwaisen des Thrones durch König Ludwigs Tod, unter dessen Eindruck die Bischöfe in Mantaille zusammengetreten seien. Mit den nobiliores hätten sie überlegt, wer an seiner Stelle in Betracht komme. Keinen findend, hätten sie sich an Gott gewandt, der ihnen die Wahl Bosos eingegeben habe- sie wird also nach dem Typus der electio per inspirationem stilisiert. Es folgen die Angaben über seine bereits erwähnte Eignung zu dem neuen Amt, zu dem er nun communi animo parique voto et uno consensu vorgeschlagen und unanimiter gewählt wird. Seine Ablehnung, begründet mit Bescheidenheit auch dies ein traditionelles Motiv bei geistlichen Wahlen- muß Boso, von den Anwesenden gedrängt, aufgeben: Electus autem Deo statuitur, preces funduntur. Dank und Fürbitte bilden also den sinngemäßen Abschluß der >Wahl<"'· Dieser Akt wurde jedoch noch nicht als endgültig angesehen. Vielmehr sollten die Geistlichen zum allgemeinen Nutzen mit den ihnen anvertrauten Herden Gott in dreitägigem Gebet - wir kennen ähnliches aus der Geschichte der Karolinger38 anflehen, er möge nicht zulassen, daß sie oder Boso in die Irre gingen; er möge vielmehr seinen Willen offenbaren. Hier ist also die zum Gesamtstil passende Fiktion aufrechterhalten, daß Gottes Wille nicht vorgegriffen werden solle. Die Königserhebung ist demnach noch nicht abgeschlossen; falls Gott noch ein Warnzeichen gibt, könnte sie noch abgebrochen werden. Zu beachten ist die Wendung, Boso sei Christo preduce gewählt 39 • Denn ihr liegt jene Vorstellung zugrunde, die bei Karls des Kahlen >Wahl< zum Kaiser (875) eine 35 A. a. 0. S. r96. 36 Ebd. S. I95. 37 MoHR (S. 249*) S. r6z liest aus dem Protokoll heraus, daß es sich hier um das kaiserliche Amt handelt, ohne daß dies offen ausgedrückt werde; vgl. auch S. r63: »Es ging also hier im letzten Grunde um eine Kaiserwahl,
nur hat man das aus gewissen Gründen nicht klar ausgesprochen.« Der tatsächliche Vorgang ist also völlig verkannt. 38 So zum Beispiel auch bei der Erhebung Lothars I. zum Mitkaiser (8 q); vgl. Mon. Germ., Capit. I S. 271: Nr. 136. 39 S. 368 Z. 33 (=unten S. 285)
Bosos Erhebung zum König von »Burgund« (879)
Rolle gespielt hatte40 : Gott der >Vorwähler<, der Papst in seinem Namen den Wahlspruch verkündend, die Versammelten ihm zustimmend. Da im Jahre 879 der Papst nicht beteiligt war, vereinfachte sich diese >Wahltheorie<: Gottvater und Sohn die Vorwähler, die versammelten Bischöfe Exekutoren des göttlichen Wahlbeschlusses. Daß Boso mehrfach mit der regierenden Dynastie versippt war, bildete ein für die Rechtfertigung seiner Wahl ungeeignetes Argument. Gewichtig wäre nur gewesen, wenn er von ihr abstammte; das aber war ja nicht der Fall. Deshalb mußte das Schwergewicht auf seine >Eignung< (idoneitas) gelegt werden. Beim Bischof wurde sie festgestellt, indem er einem >Scrutinium< unterworfen wurde. Das geistliche Scrutinium wurde vor Beginn der Weihe vollzogen nach einer Formel mit der Überschrift: Examinatio in ordinatione episcopi, die eine Reihe von sieben, zum Teil auf zehn erweiterte Fragen über die Lebensgrundsätze des Kandidaten enthält und in ein Examen über die Rechtgläubigkeit ausmündet41 • Der Geprüfte hat jeweils mit: Volo, Credo, Facio etc. zu antworten. Dieser Text ist nicht ohne Einfluß auf den Königsordo des Mainzer Pontifikale geblieben (vgl. den Mainzer Ordo um 96o, § 7: zunächst in indirekter Fassung, dann in dreifacher Frage und Antwort; vgl. P. E. S., Die Krönung in Deutschland bis 1028, Bd. III = Zeitschr. f. Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, 193 5 S. 3 IZ und 327f.). Im IZ. Jahrh. ist das Scrutinium in sinngemäßer Abwandlung in den Kaiserordo eingefügt worden (vgl. >Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin<, hrsg. von R. ELZE, Hannover 196o [Mon. Germ., Fontes iuris germ. ant. IX] S. 38f.: Ordo Cencius II). Der Gedanke, das bischöfliche Scrutinium für die Herrscherwahl auszunutzen, der 879 in Burgund zuerst verwirklicht wurde, lag also gleichsam in der Luft. Bei der Anwendung auf einen Laien waren jedoch allerlei Abänderungen vorzunehmen: Die burgundische Synode bringt ihre Fragen im Zusammenhang vor, und Boso antwortet ebenso 42 • Er beginnt im Urkundenstil, legt sich aber noch keinen Titel bei: Sacratissimae !Jnodo et cunctis primoribus nostris ftdelibus humilis Christi vernaculus Boso. Seine Erklärung wird nach westfränkischem Muster verlesen und in urkundlicher Form auf dem Altar niedergelegt worden sein. Auch darin entspricht sie der Promissio vor der westfränkischen Krönung, daß ein Abschnitt die kirchlichen Privilegien bestätigt, ein weiterer Recht und Billigkeit verheißt43 • Die übrigen Zusagen gehen dagegen über die Promissiones der westfränkischen Karolinger hinaus 44 • Hier zeigt sich wiederum der Einfluß der bischöflichen Examina40 Vgl. oben S. 124f. 41 VoGEL-ELZE a. a. 0. S. 2ooff. 42 Frage und Antwort entsprechen sich gele-
gentlich wörtlich. Die Antworten sind straf-
fer und präziser. 43 Vgl. dazu oben S. 125. 44 Vgl. Bd. I s. I63 f., I79ff.
262
3 c. Die burgundischen Königreiche
tio. Eröffnet wird die Reihe durch ein allgemein gefaßtes Bekenntnis zum katholischen
Glauben - das konnte bei einem Laien statt der vielen Einzelfragen an den Bischof genügen. Die Frage des Scrutinium: Vis mores tuos ab omni malo temperare45 wird in der Versicherung des Königs aufgenommen: De moribus meis . . . vo!untatem meam hanc esse assero etc.; die folgenden Fragen nach castitas, sobrietas, humilitas und patientia klingen in der Ansprache der Bischöfe an: tenmtes humilitatem . . . cum patientia ... sobrietate competenti venusto - die Keuschheit wie die an dieser Stelle auch verlangte Beschränkung auf geistliche Geschäfte mußten natürlich wegbleiben, ebenso die schon eingangs geforderte Schriftbefolgung und Lehre. Die Barmherzigkeit des Bischofs gegenüber Armen und Pilgern kehrt in der Form wieder, daß der König für alle zugänglich sein solle, die gerechte Anliegen vorbringen und für andere eintreten. Die letzte Zusage endlich: De domo nostra ... sol!icitudinem exhibebo hat ihre Parallele in dem Elogium des Wahldekrets: suae domui bene praepositum 46 ; dort findet sich gleichfalls das auch sonst beliebte Wortspiel: nobis praeesse valeat et prodesse47 , das in der Frage der bischöflichen Wahlsynode so lautet: quaerentes magis prodesse quam praeesse. Bosos Versicherung: Evangelicam et aposto!icam auctoritatem ... sequar, soll - wie die entsprechende Frage zeigt - den König nicht auf den Papst, sondern allgemein auf die Geistlichkeit festlegen. Für diesen Abschnitt war in der Vorlage natürlich kein Vorbild vorhanden. Gegenüber der westfränkischen Promissio 48 ist bemerkenswert, daß den Untertanen nicht nur Iex und iustitia, sondern auch rectum momburgium (d. h. mundeburgium) zugesichert wird. Das ist ein Symptom des von HEINRICH MnrEis49 beschriebenen Vorganges, wie lehensrechtliche Formen in die staatliche Sphäre aufgenommen werden. Das Bild des guten Herrschers, das dem Text zugrunde liegt, ist das der karolingischen Fürstenspiegel50 • Es braucht deshalb nicht näher gekennzeichnet zu werden. Daß die Laster schon in der Siebenzahl auftreten, nimmt etwas vorweg, was erst im hohen Mittelalter zur Regel wird. Auffallend ist die Aufforderung: iustus patricius vestris maioribus et minoribus apparentes. Sie entspricht der Deutung dieses Amtes bei Isidor: Patricii ita provideant reipublicae sicut patres ftliis 51 • Man braucht deshalb nicht anzunehmen, daß hier eineetwa durch Gregor von Tours vermittelte - Erinnerung an den burgundischen Patriziat der merowingischen Zeit52 mitspricht. Denn der Patricius-Titel wird auch VoGEL-ELZE a. a. 0. S. 202. Ebd. s. I95· Ebd. I95. S. oben S. r63 f. Lehnrecht und Staatsgewalt, Weimar I933· 50 Vgl. Sir R. W. CARLYLE and A. J. CARLYLE: A History of the mediaeval political Theory in the West I, Edinburgh-London I930 S.
45 46 47 48 49
224ff. und J. ScHARF, Studien zu Smaragdus und Jonas, im Deutschen Archiv XVII, I96I s. 333-84. 5I Etym. IX, 3, 25. 52 Über ihn s. R. BucHNER, Die Provence in merowingischer Zeit, Stuttgart I933 (Arbeiten zur dtschen Rechts- u. Verfass.gesch. IX) S. 86/f.
Bosos Erhebung zum König von »Burgund« (879)
von der Kurie in dieser Zeit zitiert- gleichfalls in einer vagen Weise, da sich mit ihm keine historisch exakte Vorstellung verband53 • Deutlich tritt die Grundauffassung heraus, daß erst Salbung und Krönung das Recht auf den Königstitel begründen. Das Wahldekret vermeidet den Königstitel, sagt vielmehr nur, daß der princeps Boso gewählt worden sei, und nennt ihn dann: e!ectus. In der Examinatio redet die Synode Boso mit: c!arissime princeps an, und er selbst nennt sich: humilis Christi vernacu!us Boso- eine Demutsbezeichnung, die auch bei Fürsten dem Zeitempfinden nicht widersprach. Als Tatsachen, die Boso empfehlen, wird vermerkt, daß er schon Karl dem Kahlen defensor et adiutor gewesen sei - hier ist die für das Verhältnis der Karolinger zu den Päpsten benutzte Formel54 aufgegriffen - und Ludwig dem Stammler noch mehr bedeutet habe. Außerdem sei er von Papst Johann VIII. adoptiert55 und in Gnaden entlassen worden. Erbrecht, Wille des Volkes oder sonst ein das Rechtsempfinden der Zeit bestimmender Grund konnten ja nicht namhaft gemacht werden. So blieb nur die Möglichkeit übrig, die Berechtigung einer Königswahl aus dem Notstand abzuleiten, für diesen Boso als den am besten geeigneten hinzustellen und auf das ganze Vorgehen den Schimmer göttlicher Eingebung fallen zu lassen. Alles das waren kirchliche Vorstellungen. Daß die Einhelligkeit der Wahl unterstrichen wurde, verstand sich in dieser Zeit sowohl für kirchliche als auch für weltliche Akte. Bosos Wahl bleibt denkwürdig, weil das in der Kirche zum Grundprinzip erhobene Prinzip der Eignung (Idoneität) zum zweitenmal bei der Erhebung eines Laien zu uneingeschränkter Geltung kam - es erübrigt sich, hier die Könige aufzuzählen, die in der Folgezeit gezwungen gewesen sind, sich gleichfalls dieses Prinzips zu bedienen, weil sie sich nicht auf Erbgang oder Designation zu berufen vermochten. Andererseits beweisen die >Wahlen< minderjähriger Karolinger, bei denen es sich nur um die Bestätigung eines angeborenen Rechtes handelte, wie stark das entgegengesetzte Prinzip: Wahl = Auswahl aus der stirps regia in dieser Zeit noch war. Da es diese Krise überstand, konnte es im hohen Mittelalter das vorherrschende werden56 • Die Krönung Bosos fand in Lyon statt5 7 • Daher leitete sie der Erzbischof dieser Kirche - da bei dem ersten Akt dem Erzbischof von Vienne die führende Rolle zu53 V gl. den oben S. 92 angeführten Brief des Papstes Hadrian II. von 872 (?),in dem er erhofft, Kar! den Kahlen zu erleben als ducem et regem, patricium et imperatorem (Mon. Germ., Epist. VI S. 743). 54 s. Bd. I s. I84ff. 55 S. 368 Z. 28: instar ft!ii complexus ( = unten s. 285). 56 V gl. S. 368 Z. I 5f.: die Bischöfe schauen
sich um nach idoneas personas, die sie wählen könnten, und finden nur Boso ( = unten S. 285). 57 So berichten sowohl Regino als auch Hinkmar. Hugo von Flavigny, der von Vienne spricht, kommt als Autor des r2. Jahrh.s gegen dieses Doppelzeugnis nicht auf. V gl. dazu L. BoEHM a. a. 0. S. 25 f. über die verschiedenen Auslegungen, die die vorliegen-
3 c. Die burgundischen Königreiche
gefallen war, hatte Boso also das Gleichgewicht zwischen den beiden Metropoliten, auf die er angewiesen war, geschickt ausbalanciert - an diesem Prinzip hielt er bis zu seinem Lebensende fest. In Reginos kurzem Bericht über die Krönung fällt auch der Name, den die Zeitgenossen dem neu geschaffenen Reiche gaben: Burgundiae regnum58 • In den besprochenen Aktenstücken ist - vermutlich, weil man sich darüber noch nicht klar war vermieden, es zu benennen, und in seinen Urkunden hat Boso sich mit dem schlichten Königstitel begnügt, wie das auch die späten Karolinger taten5 9 • >Burgund<: das war eine geschickte Lösung. Das Reich, das Lotbar II. geerbt hatte, nannte man notgedrungen nach ihm, also >Lotharingien<. In Bosos Bereich ließ sich das nicht nachahmen, da einem mit >Karl< oder etwa >Boso< gebildeten Ländernamen jede Prägnanz gefehlt hätte. So knüpfte man wieder an das 534 untergegangene Reich der Burgunder an, deren Könige in Lyon residiert hatten - das wird allerdings für den einfachen Mann ein Name gewesen sein, den er noch nie gehört hatte60 • Regino erwähnt nur die Salbung, Hinkmar vermerkt sie und die Krönung -
den Nachrichten erfahren haben. Bosos erste Urkunde, in Lyon ausgestellt, stammt vom 8. Nov. 879. Als Krönungssonntage kommen also in Betracht: I8. und 25. Okt. sowie r. und 8. Nov. (BoEHM a.a. 0.) 58 Über den Sprachbrauch dieser Zeit s. L. BoEHM a. a. 0. S. 24f. Anm. 63. 59 W. ScHLESINGER, Beiträge zur deutschen Verfassungsgesch. des Ma.s, I, Göttingen I963 (Karolingische Königswahlen) S. I22 Anm. 20I liestausdem Wahlprotokoll (S. 285) heraus, daß Bosos Wahl sich »auf die Nachfolge Ludwigs des Stammlers« bezog, nicht »auf ein regional beschränktes Königtum«. Sicherlich war Boso gewillt, so viel an sich zu reißen, wie er vermochte; daß er jetzt an das Westfrankenreich, in dem er mehr Feinde als Freunde besaß, gedacht hat, scheint mir ausgeschlossen. 6o Es sei hier daran erinnert, daß Bosos Bruder Richard (t 92I) sich in analoger Weise zum Herzog von >Burgund< machte, d. h. von dem Teil der Provence, der beim Westfrankenreich verblieben war. Sein Sohn Rudolf Ct 936) ließ sich 923 im Westfrankenreich zum König erheben; aber er hatte in seiner ganzen Regierungszeit keine Erfolge aufzuweisen. Da er starb, ohne Söhne zu hinter-
lassen, blieb seine Herrschaft in der französischen Geschichte eine Episode; vgl. P.E.S., Der König von Frankreich, Weimar I929 (Neudruck: Darmstadt I96o) S. 79f. Rudolf vermachte seinem Grabkloster in Sens seine Krone und die Ausstattung seiner Kapelle; vgl. P .E. S., Herrschaftszeichen, gestiftet usw., Göttingen I957 (Nachrichten der Akad. in Göttingen, Phii.-Hist. Kl. I957 Nr. 5) Nr. I I 2 (wieder abgedruckt in Bd. VI). Als die herzogliche Dynastie in Burgund ausstarb, folgte bereits im IO. Jahrhundert eine Nebenlinie des Capetingischen Königshauses, die bei ihrem Erlöschen (I 363) durch eine neue Nebenlinie ersetzt wurde. Ferner sei vermerkt, daß der Graf Hucbert, dessen Schwester König Bosos und Herzog Richards Mutter war, zum Großvater des Königs Hugo von (Hoch-)Burgund und von Italien (926-47) wurde (Vater des von Berengar von Ivrea entthronten Königs Lothar, 950). Die Bosoniden (einschließlich der Nachkommen des Grafen Bivin) gehören also zu den Familien der karolingischen Reichsaristokratie, die im Mannesstamm bereits am Beginn des neuen Jahrhunderts erloschen waren.
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»Burgund«- Rolle der Geistlichen
zweifellos zu Recht; denn nach dem Brauch, der sich mittlerweile herausgebildet hatte, folgte auf die Salbung die Investitur mit den Herrschaftszeichen61 • Vermutlich gehörte zu ihr auch ein Szepter. Gewiß ist, daß Boso dieses führte; denn er vermachte es- zusammen mit seiner Krone- der Kirche von Lyon62 • Genaueres vermögen wir über diese Akte nicht auszusagen. Denn der sogenannte >Burgundische Königsordo< ist erst später aufgezeichnet worden, so daß in ihm keine verläßliche, bis in Bosos Zeit hinaufreichende Tradition vorausgesetzt werden kann63 • Haben die Geistlichen die Tatsache ausgenutzt, daß Boso auf sie angewiesen war? Der principatus des Gewählten war damit begründet worden, daß im Alten und Neuen Testament die Königsherrschaft vorausgesetzt sei. Entsprechend der Gelasianischen Zweigewaltenlehre wurde das Königsamt im Wahlprotokoll dem geistlichen gegenübergestellt; die Versammlung der Kirchenmänner heißt sancta oder sacratissima synodus 6 ·1 , Bosos Prinzipat nur sacer65 ; aber das war keine Anmaßung: der fränkische Klerus würde sich kaum anders ausgedrückt haben. Das Besondere der bei Bosos Erhebung bestehenden Lage kam jetzt darin zum Ausdruck, daß die weltlichen Großen nur wie Trabanten der Geistlichen vermerkt wurden: sancta S)'nodus et primates vestri cum ea sentientes und: simul cum nobi!ioribus. Sie fungieren wie der >Umstand< im Gericht, während die >Urteilsfindung< Sache des Klerus war: er wählte, er prüfte und band dadurch, er salbte und krönte. Der Adel stimmte zu, der vulgus, der einmal nebenbei erwähnt wird, hatte froh zu sein, daß durch die Führer der Herde Friede und Ordnung gesichert war. Da der Wahlvorgang sich so gerrau nach dem Vorbild der Bischofswahl richtete, ist anzunehmen, daß auch für die Königsweihe Rat im Ordo für die Bischofsweihe 6r S. oben S. r6I ff. 6z P.E.S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart I95 5 S. 4oo. 63 Dieser Ordo ist gedruckt bei E. EICHMANN, Die sog. Röm. Königskrönungsformeln, im Histor. Jahrb. 45, I925 S. p8-zo. Die handschriftliche Überlieferung setzt erst im I 3· Jahrh. ein, vgl. C. A. BouMAN, Sacring and Crowning, Groningen 1957 S. zzf., r 58 f. Auf Grund der inhaltlichen Analyse kann B. den Text jedoch für wesentlich älter erklären: »It undoubtedly represents a phase of the West Frankish tradition which can be dated in the first half of the Ioth century.« Es handelte sich nämlich nicht um »the result of wilful archaizing«; man müsse vielmehr schließen auf »the fairly early date of the formulary«. Wegen dieser Beziehungen zu den
westfränkischen Ordines kann der Ordo andererseits nicht älter als >9oo< sein. Doch hebt er sich in seiner Zeit durch keine Besonderheiten ab. EICHMANN folgend nimmt Frau BoEHM a. a. 0. S. z7ff. den Ordo noch für Bosos Zeit in Anspruch. Möglich ist das jedoch erst für die Könige aus dem Welfengeschlecht. Über die Benutzung dieses Ordo in Aragon vgl. P.E.S., Der König von A., im Histor. Jahrb. 74, 195 5 S. 109. Im nächsten Ordo, dem I 353 für Pedro IV. aufgesetzten, ist die Fassung des Durandus benutzt (s. Bd. IV). 64 V gl. auch S. 367 Z. 36: sacrosancti pontiftces (=unten S. 284). 65 Über die Verwendung dieses Wortes im 9· Jahrh. s. oben S. 94·
z66
3 c. Die burgundischen Königreiche
gesucht und wohl auch das Erforderliche schriftlich festgelegt wurde. Leider ist kein solcher Text erhalten 66 ; er würde uns Aufschluß darüber geben, wieweit die Entsprechung zwischen Königs- und Bischofsamt bei dieser Feier zum Ausdruck kam. Bezeichnenderweise wird der Papst nur im Zusammenhang mit der Adoption erwähnt 67 ; kein Wort fällt dagegen über eine von ihm erhoffte Billigung oder die Annahme, daß das Vorgehen der Burgunder wohl in seinem Sinne erfolge. Boso nahm die Förderung durch den Klerus erst einmal hin, um auf den Thron zu gelangen. Als er auf ihm saß, war er der in seinem Regnum entscheidende Machtfaktor, dem sich auch die Geistlichen fügen mußten. Der Prüfstein jeder angemaßten Herrschaft ist immer, ob sie so gefestigt werden konnte, daß der vorgesehene Erbe die Nachfolge anzutreten vermochte. Das war in Bosos Reich der Fall.
c) Ludwig, Bosos Sohn: Kö"nig und Kaiser Trotz der geschickten Inszenierung seiner >Wahl< zum König stieß Boso zunächst auf den Widerstand sowohl der west- als auch der ostfränkischen Karolinger: mochten sie verzankt sein, in der Überzeugung, daß Boso ein Usurpator sei, waren sie sich einig. Sie schlossen sich daher gegen ihn bereits 88o zusammen, und 882 konnte der westfränkische Karlmann vorübergehend Vienne in Besitz nehmen. Aber Bosos Gegner mußten den Kampf abbrechen; bis zum Ende seines Lebens (Anfang 887) behauptete sich Boso in seiner angemaßten Königswürde. Boso hinterließ einen Sohn, dem er den Namen des kaiserlichen Großvaters Ludwig gegeben hatte: ein schwaches Kind, aber dank seiner unbestreitbar vollbürtigen Abstammung eine Figur auf dem politischen Schachbrett6 8 • Kaiser Karl III., das Haupt der ostfränkischen Linie, hatte 884 versucht, die Nachfolge für seinen nichtvollbürtigen Sohn zu erlangen, aber er war - nicht zuletzt deshalb, weil der Papst diesen Plan zu unterstützen nicht willens war - gescheitert. Deshalb kam auch sein gleichfalls nichtvollbürtiger Neffe Arnulf, Sohn seines Bruders Karlmann, nicht in Frage. Derselbe Makel hing noch an anderen Sprossen der Karolinger; und der Ausweg, einem Westfranken die Nachfolge zuzuwenden, kam 66 S. Anm. 63. 67 S. oben S. 225 f. 68 Zum Folgenden vgl. die sich ergänzenden Aufsätze von FR. SIELAFF, Der ostfränk. Hof, Bereugar v. Friaul und Ludwig v. Niederburgund, in der Festschrift ADOLF HoFMEISTER, hg. von URsULA ScHEIL, Halle I95 5 S. 275-82 und E. EwiG, Kaiser Lothars
Urenkel, Ludwig von Vienne, der präsumptive Nachfolger Kaiser Karls III., in: Das Erste Jahrtausend, Kultur und Kunst im werdenden Abendland an Rhein und Ruhr, Textband I, red. von V. H. ELBERN, Düsseldorf 2. Aufl.. I962 S. 336-43 (der erst nach der Abfassung seines Aufsatzes auf den vorgenannten aufmerksam gemacht wurde).
Ludwig, Bosos Sohn: König und Kaiser (890)
nicht in Frage, da Karl der Einfältige, der letzte Sohn des Stammlers, der noch am Leben war, die Volljährigkeit noch nicht erreicht hatte. Daher verfiel der Kaiser auf den Gedanken, Bosos Sohn Ludwig als Erben ins Auge zu fassen. Er verlieh Ludwig im Frühjahr 887 -wie das gleich zu vermerkende Protokoll aussagt- die regia potestas. Genauer sind die Regensburge r Annalen: honorijice ad hominem sibi quasi adoptivum ftlium eum iniunxit69 • Das heißt: so wie Boso vom Papst zum Adaptivsohn gemacht worden war, machte jetzt der Kaiser diesen unanfechtbar en Karolingersproß zu seinem Lehnsmann und Adoptivsohn . In so brüchiger Zeit wurden wie man sieht, nicht ohne Geschick - ständig neue V ersuche unternomme n, um mit Hilfe anerkannter Rechtsforme n aus dem Familien- sowie aus dem Lehnsrecht die wankende Ordnung abzustützen. Wenn Karl III. den jungen Ludwig als pater familias zu seinem Sohn, als senior zu seinem homo machte, lief das -wie E. EwrG es treffend formuliert hat- auf eine »Aufnahme in das karolingische Königshaus mit allen sich daraus ergebenden Rechten» hinaus. Das spiegelt sich in der aus dem Reimset Bereich stammenden> Visio imperii<, die W. LEVISON erst um 900 ansetzen wollte, die aber wohl bereits 887/8 zu datieren ist7°; sie läßt Karl von Ludwig sagen: donabam illi monarchiam omnem imperii. Die Konzession, die Karl III. machen mußte, um dieses Projekt durchzusetze n, war, daß er den bisherigen Erzkanzler Liutward von Vercelli durch den Erzbischof Liutbert von Mainz ablöste. Er sicherte sich Rückhalt in Italien, indem er den Markgrafen Betengar von Friaul gewann, und erlangte auch Zustimmung im Westfrankenreich, indem er Odo von Franzien auf seine Seite zog, der zur Zeit mächtiger als der minderjährige König Karl war. Dieser Plan schnitt jedoch die Chancen seines Neffen Arnulf ab; vermutlich war es der gestürzte Liutward, der diesen alarmierte. Arnulf fühlte sich Manns genug, um trotz der angreifbaren Abstammung nach der Krone zu greifen. Er empörte sich im Herbst 887 gegen den Oheim und erlangte die Oberhand. Da Karl III., bereits ein schwerkrank er Mann, 888 starb, war dem Neffen der Weg geöffnet. Niemand konnte ihm in Deutschland die Königswürde streitig machen; im Jahre 896 setzte er es sogar durch, daß der Papst ihn, den >Bastard<, zum Kaiser krönte. Ludwig von Burgund, eben noch als Nachfolger des Kaiser-König s auserkoren, hatte das Nachsehen. Arnulf war bemüht, in dem Großreich, das sein Oheim - wenn auch nur dem Namen nach- regiert hatte, mit Hilfe von Lehnsverpfli chtungen einen Zusammenhalt zu schaffen. Er erneuerte daher die seniorfhomo-Beziehung Karls III. zu Ludwig 69 Ann. Puldenses (Contin. Ratisb.), ed. F. KuRZE, I 89I (Script. in us. schal.) S. I I 5; dazu H. MITTElS, Zur Gesch. der Lehnsvormundschaft, in der ALBERT-SCHULTz-Fest-
schrift, Weimar I934 S. I35ff. 70 Zur Frage der Datierung vgl. EwiG a. a. 0. S. 34I Anm. 24; dort auch über die Editionen (Mon. Germ., Script. X S. 458 usw.).
3 c. Die burgundischen Königreiche
von Burgund. Er entsandte einen Bischof und einen Grafen, und diese investierten Bosos Erben mit dessen Reich, indem sie ihm ein Szepter übergaben71 • Ludwig und seinem Anhang wird es erwünscht gewesen sein, daß jetzt vom Ostfrankenteich nichts zu befürchten war. Im Westfrankenreich griff ein Gegenkönig nach der Krone. Wie verhielt sich der Papst?72 Der Erzbischof Bernoin von Vienne konnte auf einer Reise nach Rom dem Papste Stephan V. die Notlage Burguncis vortragen. Dieser richtete darauf in einem Schreiben an die burgundischen Erzbischöfe und Bischöfe die (durch Bernoin auch mündlich übermittelte) Mahnung, Ludwig zum König zu machen. Darauf versammelte sich im August 890 zu Valence (in der Mitte zwischen Arles und Vienne an der Rhone gelegen, also für alle gut erreichbar) eine Synode. An ihr nahmen vier Erzbischöfe sowie eine Reihe von Bischöfen teil; zwei von ihnen, Aurelian von Lyon und Rostagnus von Arles, hatten schon an der Wahl von 879 teilgenommen, so daß der Versammlung die Erinnerung an Bosos Erhebung vor Augen gestanden haben muß. Die Synode wählte Ludwig, beschloß seine Salbung und bekräftigte dann die auch diesmal ausgefertigte- Beurkundung mit ihren Unterschriften (deren Wortlaut ist in diesem Falle nicht erhalten). Das Protokoll des Vorganges liegt vor. In diesem Falle gab nicht das Formular der Bischofswahl das Modell ab, sondern eine mit der Datierung einsetzende Notariatsurkunde, deren Angaben über die Vorgeschichte der >Wahl< auch in einer Chronik stehen könnten. Auch rechtlich ist der Vorgang völlig anders konstruiert als im Jahre 879. Von der >Eignung< konnte diesmal ja nicht die Rede sein; offen spricht das Protokoll aus, daß dem Gewählten die aetas idonea zur Abwehr der Barbaren noch fehle. Was für ihn geltend gemacht wird, ist allein seine Abstammung, nicht jedoch die von Boso, die nur einmal am Schlusse vermerkt wird (Ludowicum excellentissimum Bosonis regis ftlium). Betont wird statt dessen, daß Ludwig ex prosapia imperiali hervorgegangen, daß er der Enkel quondam Ludovici gloriosissimi imperatoris sei. Das ist überraschend; denn in Burgund hatte ja Ludwigs II. Bruder Karl (t863) regiert. Die Erklärung muß in dem Umstand gesucht werden, daß der Enkel als Karolinger von Mutterseite der am besten für die Königswürde Ausgewiesene war. Im Jahre 879 also als Notbehelf eine weitgehende Anpassung der Königswahl an die Bischofswahl, im Jahre 890 71 So wird allgemein die Angabe der Wahlversammlung (s. unten) ausgelegt: per suum sceptrum perque suos ... !egatos fautor regni auctorque in omnibusesse comprobatur, und sie wird richtig sein, da Arnulf ungefähr gleichzeitig den westfränkischen König mittels einer Krone belehnte; vgl. P.E.S., Kg. v. Frk. a. a. 0. S. 69.
72 Vgl. zum Folgenden das >Wahlprotokoll<, das einzige Dokument, in dem Ludwigs >Wahl< festgehalten worden ist; gedruckt in den Mon. Germ., Capit. II S. 376 Nr. 289; wiederholt im Anhang (Text z). Die Überlieferung des Textes beruht- wie 879- allein auf einem Druck von r 566 (s. unten S. z86).
Ludwig, Bosos Sohn: König und Kaiser (89o)
das Schwergewicht gelegt auf die Zugehörigkeit zur stirps regia - was gleichfalls auf eine durch die Umstände gebotene Notlösung hinauslief, bei der Boso im Hintergrund bleiben mußte. Der weitere Unterschied, der die Wahl des Jahres 890 von der des Jahres 879 trennt, besteht darin, daß damals vom Papst ganz abgesehen wurde, während er diesmal derjenige ist, der vorher um Rat gefragt wird, der die Bischöfe mahnt, Ludwig zu wählen und dem Erzbischof Bernoin ein den Wählern verlesenes Schreiben mitgibt, in dem ef sich in diesem Sinne festgelegt hatte. Waren 879 Gottvater und -sohn die >Vor-Wähler< gewesen, so war es diesmal Papst Stephan IX.- jener im Jahre 879 entscheidende Gedanke klingt nur noch in der traditionellen Wendung an wie: per Dei ... voluntatem, Deo iuvante usw. Eine Entsprechung zwischen beiden Protokollen besteht allein in der Ausmalung des Notstandes, der eine Wahl erforderlich gemacht habe. Die principes und proceres des regnum werden wiederum nur nebenbei erwähnt. Abermals war es der Klerus, der die Regie führte. Ob diesmal wiederum ein Scrutinium abgehalten oder ob man im Hinblick auf das kindliche Alter Ludwigs davon absah, steht dahin. Vermerkt wird die Mitwirkung des Oheims, des Herzogs Richard im westfränkischen Burgund, und der Mutter, deren Ehrgeiz als treibender Faktor bei dieser Wahl abermals vorausgesetzt werden darf. Die Versammlung beschloß, daß Ludwig zum König zu salben sei. Wo und wann das geschah, ist nicht überliefert. 73 Bosos und Ludwigs Siegel sind so konventionell, daß sie über die beiden Könige nichts aussagen. Sie bestätigen nur das Faktum, daß sie sich- ebenso wie die anderen neuen Könige, die sich gegen die Karolinger durchsetzten - möglichst genau an deren Brauch hielten. Doch sind wir in der glücklichen Lage, von Bosos erst in der Neuzeit zerstörten Krone dank einer alten Skizze und der sie begleitenden Notizen eine Vorstellung zu besitzen. Es handelte sich um einen mit Perlen, Rubinen und Saphiren besetzten Reif, dessen Glieder durch Scharniere verbunden waren, so daß er sich der Kopfform anpaßte - diese Kronenart ist schon vorher nachweisbar. Er wurde überhöht von zwei gleichfalls mit Perlen und Edelsteinen geschmückten, sich am Scheitel überkreuzenden Bügeln. 74 Diese Krone entsprach also genau jener Form, die bereits in 73 Zu erinnern ist daran, daß vier Jahre nach Ludwigs Erhebung ein weiterer König >gemacht< wurde: Über die Erhebung des nicht vollbürtigen Zwcntibold zum König von Lotharingien, die sein Vater, der Kaiser Arnulf - nach einem vergeblichen Anlauf im Jahre 894 - ein Jahr später durchsetzte, vgl. unten Abschnitt D (S. 297 f.): die Zeug-
nissesind dürftig. Vermutlich wurde Zwentibold gesalbt, von seinem Vater mit einer Krone investiert und dann von den Großen durch Zuruf bestätigt. 74 P.E.S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart 195 5 S. 399-401 mit Abb. 50 (hier ist >Arles< in >Lyon< zu verbessern; vgl. L. BoEHM a. a. 0. S. 25 f. Anm. 66 und S. 30 Anm. 30).
2.70
3 c. Die burgundischen Königreiche
der Mitte des 9· Jahrhunderts nachweisbar ist und vielleicht bereits auf Karl den Großen zurückgeführt werden darf?•. Boso wollte es also dem Geschlecht gleichtun, neben dem er sich eigenmächtig einen Thron gesichert hatte. Der kostbare Schmuck macht gewiß, daß es sich um die von Boso getragene Krone handelt, also nicht um eine Weihgabe. Wir wissen ferner, daß der König der Kirche von Lyon eine weiteres Diadem und sein Szepter, der in Vienne außerdem noch seine goldenen Königsgewände r sowie silberne Schilde schenkte - solches Abstoßen von irdischem Prunk angesichts des herannahenden Todes ist in dieser Zeit nichts Ungewöhnliches76, und daß Herrscher mehr als eine Krone besaßen, ist vielfach bezeugt. Zu beachten ist, daß der sich auf sein Ende vorbereitende König bis zuletzt auf die Gleichstellung der beiden wichtigsten Metropolitankir chen seines Landes bedacht war. Ludwig erlangte 9or zu seiner burgundischen Krone auch noch die Kaiserkrone. Der älteste Sohn, den ihm seine Gemahlin, eine Welfin, schenkte, erhielt den WelfenNamen Rudolf; der jüngere, bei dem die Vollbürtigkeit nicht feststeht, bekam- was in dieser Zeit ganz ungewöhnlich ist - einen Doppelnamen: Karl Konstantin. Er dokumentiert hochgespannten Ehrgeiz der Eltern, aber beiden Söhnen war keine Rolle in der Geschichte vergönnt. Der Schimmer der Kaiserkrone war matt geworden, und in Italien erwies sich als der stärkere der König Berengar. Er nahm Ludwig im Jahre 905 gefangen und ließ ihn blenden, gestattete ihm aber die Rückkehr in sein Heimatland. 77
d) Hugo: Kö'tzig in Italien und in Burgund Für den blinden Kaiser, der seinen Titel weiter trug, übernahm die Regentschaft Hugo, ein Vetter zweiten Grades, im Mannesstamm Urenkel des Grafen Boso, des Stammvaters der Bosoniden, durch seine Mutter ein Enkel des Königs Lothar II. Auch er ließ sich verleiten, in die italienischen Machtkämpfe einzugreifen. Er überließ das Stammland dem welfischen Nachbarn, von dem gleich die Rede sein wird, heiratete 9 3z die römische Senatrix Marozia, gelangte aber nicht in den Besitz von Rom und erreichte daher auch nicht die Krönung zum Kaiser. Ein Erfolg war dagegen, daß er seine Tochter Berta mit dem byzantinischen Kaiser Romanos II. vermählen konnte - ähnliches hatten ja zeitweise Karl der Große und Ludwig II. ins Auge gefaßt, aber sie waren von solcher Versippung wieder abgekommen. In Italien machte sich Hugo viele Feinde; er kehrte in die Heimat zurück und nutzte hier die neue Lage aus, die dadurch entstanden war, daß seit 9 37 im burgundi75 Die Bügelkrone, ein karoling. Herrschaftszeichen, in der Festschrift für K. G. RuGELMANN II, Aalen 1959 S. 561 ff. (jetzt oben S. 11off.). 76 DERS., Herrschaftszeichen, gestiftet usw.,
Göttingen 1957 (Nachrichten der Akad. in Göttingen, Phil.-Hist. Kl. 1957 Nr. 5) Nr. 27 (Neugedruckt in Bd. VI). 77 Zu den Einzelheiten H. E. MAYER (s. oben S. 249 A. *) S. 67 ff.
Hugo: König von Italien und Burgund
sehen Nachbarreich ein Knabe auf dem Thron saß. Hugo heiratete die verwitwete Mutter. In Italien ließ Hugo seinen Sohn Lotbar zurück, den er bereits 93 I zum Mitkönig gemacht hatte. Dieser konnte sich noch fünf Jahre behaupten, erlag dann aber vorzeitig einem Fieber. Seine Witwe wurde die Gattin Ottos I., der sich- wovon später zu reden ist78 -auf diese Weise einen zusätzlichen Rechtstitel auf das regnum ltalicum verschaffte. Auf seinem Siegel hatte Hugo zu dem traditionellen Brustbild in Profil noch Krone und Szepter hinzufügen lassen. In den Jahren der Mitherrschaf t seines Sohnes wurde dessen Brustbild hinzugesetzt, gleichfalls durch Krone und Szepter gekennzeichn et, im Maßstab jedoch kleiner, um dessen Jugend kenntlich zu machen. In den Jahren seiner Alleinherrschaft siegelte Lotbar mit einem Stempel, der denen des Vaters entsprach; nur wies dieses Siegel ein noch bartloses Gesicht auf79 (von Bullen dieser Könige verlautet nichts). Dargestellt sind Hugo und Lotbar mit Lilienkronen . Darauf können wir uns jedoch nicht verlassen. Denn Hugo stiftete für das Kopfreliquia r in Vienne, dem der König von Boso seine Krone vermacht hatte, eine zweite Krone, von der Notizen und eine alte Skizze eine Vorstellung vermitteln 80 • Da sie nur aus vergoldetem Silber bestand, war sie vielleicht erst für das Reliquiar angefertigt worden; aber die von Hugo getragene wird wohl nicht viel anders ausgesehen haben. Es handelt sich um einen scharnierlosen Reif, der - wohl nach byzantinische m Vorbild - durch vier Platten geschmückt war. Diese wiederum hatte der Goldschmied mit jenen dreiteiligen Zieraten geschmückt, die von Karl dem Großen an bezeugt sind. Die Krone war- auch dafür mag Byzanz die Anregung gegeben habenmit Zellenschmelzen oder Emails verziert. Solche Anlehnung an den Osten überraschte nicht; denn wir wissen, daß Hugo Beziehungen zum byzantinischen Kaiserhof unterhielt 81 • Für uns ist die verlorene Krone wichtig, weil die für Otto I. angefertigte >Reichskrone< den Gedanken der Plattenkrone zur vollen Entfaltung gebracht hat. In der Widmungsin schrift heißt es: Hugo pius rex. Die hier bekundete fromme Gesinnung half dem Stifter nicht. Hugo starb 947 in Ades und konnte seine Krone nicht vererben. Sein Reich ging im Nachbarland auf. Mit diesem zweiten Burgunderre ich, ähnlich gewaltsam begründet wie das des Königs Boso, haben wir uns jetzt zu befassen. Es bestand seit 888; wir müssen also zurückgreifen. 78 S. Band III. 79 P.E.S., Kaiser in Bildern, Leipzig r928 S. r84 mit Abb. sza-b, 53 a-b. So Zum Folgenden vgl. P.E.S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart r95 5 S. 4or-3 mit Fig. 8.
Sr W. ÜHNSORGE, Drei Deperdita der byzant. Kaiserkanzlei, h-:t der Byzant. Zeitschr. 45, I952 S. 325 (wieder abgedruckt in seiner Aufsatzsammlung: Abendland u. Byzanz, Darmstadt r958 S. 233f.).
3 c. Die burgundischen Königreiche
e) Das (Welfische) Königreich ( Hoch-)Burgund 888-IOJ2 Auf Boso möchte man das triviale, auf die Politik nicht gemünzte Sprichwort beziehen: »Böse Beispiele verderben gute Sitten«s2. Als sich im Jahre 887 Arnulf gegen Kaiser Karl III., den Senior des ostfränkischen Hauses, auflehnte, sandte ihm der Oheim das Stück vom Kreuze Christi, auf das ihm der Neffe Treue geschworen hatte (vermutlich die Reliquie, die dann Otto III. auf dem Totenbett Trost spendete, von Konrad II. im Reichskreuz geborgen wurde und jetzt in \Vien verwahrt wird 83). Arnulf brach in Tränen aus, aber stand von seinem Vorhaben nicht ab 84 - moralisch insofern gerechtfertigt, als der Oheim nie eine starke Persönlichkeit gewesen und zuletzt auch noch leidend war. Da Karl III. schon im Januar 888 starb, erhob sich (wie schon vermerkt) in Deutschland - trotz des Makels, daß Arnulf nicht vollbürtig war - kein Widerspruch gegen seine Nachfolge mehr. Im Westfrankenreich setzte das Geschlecht der Karolinger der noch minderjährige König Karl der Einfältige fort. An seiner Stelle salbte der Bischof von Langres den Markgrafen Wido von Spoleto zum König; doch dieser wandte sich nach Italien, so daß der Capetinger Odo zum Ziel kam (888-93) 85 • Da Karls Gegner ihm zu schaffen machten, war er gezwungen, Arnulf als Lehnsherrn anzuerkennen und von ihm als Lehnszeichen eine Krone anzunehmen. Nicht verhindern konnte er, daß auch in der Bretagne und in Aquitanien sich Männer ähnlichen Schlages erdreisteten, sich den Königstitel beizulegen. In Italien machte sich gleich 888 der Markgraf Berengarvon Friaul zum König""; aber bereits 889 setzte sich Wido von Spoleto an seine Stelle 87 • Damit war nun auch in Italien die Kruste der Legitimität und des Erbrechts aufgesprengt. Beide Könige entstammten- ebenso wie Boso von Burgund-großen Familien der >karolingischen Reichsaristokratie<. Berengar war zwar durch seine Mutter Nachkomme Ludwigs des
82 Zum Folgenden vgl. das oben S. 249* angeführte, grundlegende Werk von P. PouPARDIN über die Provence. 83 P.E.S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart 1955
S. 511 Anm. 3· 84 Ann. Puldenses ad a. 887 (ed. FR. KuRZE, r89r S. ro6; Script. in us. schol.). 85 P.E.S., Der König von Frankreich I, Weimar 1939 (Neudruck Darmstadt r96o) S. 68ff. 86 Über seine Familie, die Unruochinger, vgl. K. F. WERNER, Bedeutende Adelsfamilien im Reich Karls d. Gr., Lebenswerk und Nachleben I, Düsseldorf 1965 S. 133-7 und G.
TELLENBACH (s. Anm. 91) S. 57 ff. Vgl. dazu JoACHIM FrsCIIER, Königtum, Adel und Kirche im Königreich Italien (774-875). Diss. Tübingen, Rotaprint-Druck von R. SCHWARZBOLD, Witterschlick bei Bann r 964. Kap. A: Der Adel (S. 49 f. über Eberhard, S. 35 f. über Lambert von Spoleto). 87 TELLE'-!BACH a. a. 0. S. 6r ff. (kurz WERNER a.a.O. S. rq) und M. MrTTERAUER, Karo!. Markgrafen im Südosten, Wien 1963 (Österr. Akad. der Wiss.: Archiv f. österr. Gesch. 123) S. 69ff. (mit Stammtafel).
(Hoch-)Burgund (888-ro32)
Frommen; aber Wido konnte sich ebensowenig wie Boso darauf berufen, daß karolingisches Blut in seinen Adern floß. Es war eine Revolte, durchgeführt von den Mächtigsten des durch die Karolinger groß gewordenen Reichsadels gegen die aufgesplitterte, unter sich verfeindete stirps regia. »Viele reguli wuchsen in Europa und im Reiche Karls (III.) ... empor«, vermerkte der Fuldaer Annalist zum Jahre 888 88 , und Regino stellte zu diesem Unglücksjahr fest, daß nach des Kaisers Tod seine Reiche nicht mehr auf ihren natürlichen Herrn ( naturalem dominum) gewartet hätten: »ein jedes schickt sich an, sich einen König aus seinem Innern zu wählen.« Kriege seien die Folge; denn niemand von diesen neuen Fürsten, unter sich gleich durch Abkunft, Würde und Macht, sei den anderen so überlegen, daß sie sich seiner Macht beugten 89 • Ja, es war eine Abkehr vom Gedanken des Großreiches, des christlichen Universalismus. Aus Untereinheiten, getragen von Stämmen oder halbfertigen >Nationen<, entstanden durch die Zufälle der Teilungen oder den Verlauf der Gebirge, Küsten und Flüsse, beherrscht vom Geist des Provinzialismus, setzte sich jetzt die Karte Europas zusammen. Die Beherrscher Italiens legten noch Wert auf die Kaiserwürde. Nacheinander erlangten in Rom die Krone: Wido und sein Sohn Lambert, Arnulf, Bosos Sohn Ludwig und Berengar von Friaul90 • Aber jenseits ihres Machtbereichs galt der Kaisername nichts mehr- erst Otto I. gab ihm seine Würde zurück. Welche Folgen Karls III. Tod in dem von Boso verselbständigten Regnum hatte, wurde bereits dargelegt. In dem nördlich angrenzenden Raum zwischen dem Großen St. Bernhard, Genf, Lothringen und Schwaben, den ein zeitgenössischer Chronist Burgundia superiorgenannt hat und den wir deshalb mit dem (nie >offiziell< gewordenen) Namen >Hochburgund< belegen, nutzte die Stunde Rudolf, dessen Urgroßvater \velf aus einer sowohl auf den bayerischen als auch auf den schwäbischen Stamm zurückgeführten progenies nobilissima stammte. Die Großtante Judith war die Gemahlin Ludwigs des Frommen gewesen; deren Schwester Hemma hatte Ludwig den Deutschen geheiratet. Aber auf karolingisches Blut in seinen Adern konnte Rudolf ebensowenig pochen wie Boso und \vido. Doch war sein Geschlecht mächtig und weit verteilt 91 • Der Onkel Welf im Argengau wurde der Stammvater der 88 Ann. Fuld. ad a. 888 (ed. FR. KuRZE, r89r S. rr6; Script. in us. schol.). 89 Regino ad a. 888 (ed. FR. KuRZE, r89o S. 129, hier 0Jachweis der Benutzung des Justinus); vgl. die - hier herangezogene - Übersetzung in der Stein-Ausgabe: Quellen zur karol. Reichsgesch. III, r96o S. 279. 90 Von Wido ist eine Bulle erhalten, die ganz den voraufgehenden entspricht, daher auch die- den tatsächlichenVerhältnissengeradezu
18 Schramm, Aufsätze li
hohnsprechende - Inschrift trägt: Renovatio - regni- Franc(orum). Die von diesem Herrscher erhaltenen Siegel setzten gleichfalls den Brauch fort, werfen also für unsere Betrachtung nichts ab; vgl. P.E.S., Kaiser in Bildern, Leipzig 1928 S. r84 mit Abb. 48a-b, 43a-b, 50 a-b. 91 >Über die ältesten Welfen im West- und Ostfrankenreich< handelt der von G. TELLENBACH verfaßte Exkurs mit dieser Überschrift
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3 c. Die burgundischen Königreiche
süddeutschen Welfen. Rudolfs Vater, der Graf Konrad von Auxerre, hatte emen Vetter gleichen Namens, der Graf von Paris war. Rudolf selbst, der 877 als humilis comesund Laienabt von St. Maurice nachweisbar ist, war nicht nur in Burgund, sondern auch in Toskana 92 begütert. Die Sippe saß also- wie das ja für die karolingische Reichsaristokratie bezeichnend war - sowohl im West- und Ostreich als auch in Italien. Rudolf, comes, auch marchio betitelt, war der Mächtigste im ehemaligen Transjuranischen Herzogtum, das nun das Kerngebiet seines Reiches wurde, dadurch aber seinen Namen verlor. Da von der Erhebung des neuen Königs (]an. 888) kein Dokument Zeugnis ablegt, sind wir auf dürftige Notizen in den Chroniken angewiesen 93 • Regino berichtet: Coronam sibi imposuit regemque se appellari iussit. Der Schauplatz dieser Szene war Rudolfs Abtei St. Maurice. Die Annalen von St. V aast sprechen außerdem noch von einer benedictio in regem, die in Toul stattfand, also auf lotharingischem Boden. Nach Regino hatte nämlich Rudolf nach seiner Wahl Gesandte durch das ganze regnum Lotharii geschickt: »und durch Zureden und Versprechen stimmte er die Herzen der Bischöfe und Edlen zu seinen Gunsten« 94 • Die Erhebung verlief offensichtlich wie neun Jahre vorher bei Boso: ein entschlossener Mann, gestützt auf den Klerus und einige Große, macht sich zum König und sucht dann gleich so viel Land nach Norden hin zu gewinnen wie möglich. Die Regierungsjahre rechnete die Kanzlei des neuen Königs vom Januar 888 ab. Rudolf I. mußte seine Pflöcke wieder zurückstecken. Denn nicht nur Arnulf, sondern auch Zwentibold von Lotharingien traten ihm entgegen. Aber beide vermochten ihn auch nicht entscheidend zu treffen, da ihn die Bergnatur seines Landes beschützte. In einer Urkunde berief sich Rudolf auf seine gloriosissimos antecessores Lothat (II.), Ludwig (III. den Jüngeren) und Karl (III.) - das war eine Verknüpfung mit der Geschichte, die seine Eigenmächtigkeit und die Geschichtslosigkeit dieser auf Zufall und Willkür beruhenden »Staatsgründung« zudeckte. Doch stand Rudolfs Macht auf in dem von ihm herausgegebenen Sammelband: Studien u. Vorarbeiten zur Gesch. des Großfränk. u. frühdeutschen Reiches, Freiburg i. B. 1957 (Forsch. z. Oberrhein. Gesch. IV) S. 335-40; ferner ebd. S. 71-136 über die Herkunft der Welfen und ihre Anfänge in Süddeutschland. 92 E. HLAWITSCHKA, Franken, Alemannen, Bayern und Burgunder in Oberitalien (774 bis 962), ebd. 1960 (Forsch. z. Oberrhein. Gesch. VIII) S. 64, 215. 93 Außer PouPARDIN (oben S. 249 Anm. *) S. raff. und S. 35off. (über die Familie) ist
hier noch zu nennen N. TROG: R udolf I. und Rudolf II. von Hochburgund, Diss. Basel r887 (88 S.) und J.-Y. MARIOTTE, Le Royaume de Bourgogne et !es souverains allemands du haut m. ä. (888-1032), in den Memoires de Ia Soc. pour l'hist. du droit des anciens pays bourguignons 23, 1962 S. r63 bis 83. S. auch H. E. MAYER (s. oben S. 249 A. *) S. 59f. 94 Ad a. 888 (a. a. 0. S. 130). Vgl. dazu R. PARISOT, Le royaume de Lotrainesous !es Carolingiens, Paris r 899 S. 489 ff.
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so schwachen Füßen, daß wohl aucher-wie Bosos Sohn Ludwig und Odo von Franzien- Arnulf als seinen Lehnsherrn anerkennen mußte (Regensburg Okt.jNov. 888) 95 • Als Rudolf im Okt. 9rr starb, ging sein regmtm auf seinen Sohn, Rudolf II., über. Von Salbung und Krönung ist nichts überliefert 96 • Er heiratete die Tochter des - ihm zunächst feindlichen - Herzogs Burchard von Schwaben und ließ sich vorübergehend in die Machtkämpfe Italiens hineinziehen (922-6) 97 • Auf diese Weise kam er in den Besitz der >Heiligen Lanze<, die er an König Heinrich I. weitergab 98 als Ausweis für Ansprüche auf Italien, jedoch nicht als Zeichen der Lehensabhängigkeit. Einen solchen Anspruch konnte Heinrich im Gegensatz zu Arnulf nicht mehr geltend machen. Rudolf II. war vielmehr Herr eines Reiches, das von keinem Kaiser, keinem König abhängig war. Normal war in der burgundischen Kanzlei der Titelrex ohne Zusatz; doch sind auch die Formen nachzuweisen: rex Burgundionum, rex Jurensium, rex Alamandorum 99 • Fest steht, daß Rudolf- wie auch sein Vorgänger und sein Nachfolger- bei der Besetzung der Bistümer ohne Widerspruch der Kirche kräftig mitwirkte100 • Nichts Rühmenswertes ist von diesem König zu vermelden. Die ständige Gefahr, die durch die von der Riviera bis St. Maurice d'Agaune vorstoßenden Sarazenen seinem Reiche entstanden war, vermochte er nicht zu bändigen. Gegen den Adel stärkte er die Bischöfe, indem er ihnen Grafschaften überließ, aber dadurch begab er sich in ihre Hand. Er regierte über ein Vierteljahrhundert und hinterließ sein Land schwächer, als er es übernommen hatte. Bei Rudolfs Tod (937) war sein Sohn und Erbe, Konrad III., noch minderjährig. Seiner nahm sich König Otto I. an aus wohlverstandenem Interesse, da die Macht Hugos von Hochburgund ja bedrohlich stieg. Im Jahre 942 kehrte Konrad vom deutschen Hof in sein Heimatland zurück und übernahm nun die Regierung. Seine electio und benedictio erfolgten in Lausanne; Einzelheiten sind nicht bekannt101 • Daß 95 HoFMEISTER (S. 249*) 2 I 2 und lLsE ScHEIDING-WULKOPF, Lehnsherrliche Beziehungen der fränkisch-deutschen Könige zu anderen Staaten vom 9· bis zum Ende des I2. Jahrh.s, Marburg I948 (Marburger Studien zur älteren deutschen Gesch., II. Reihe 9· Stück) S. 26f., 37f., 43, 64. 96 Ann. Alemannici ad a. 9I2 (Mon. Germ. Script. I S. 55): Rodulphtts rex obiit ji!iusqtte eitts rex nomine patris e!evatus; dazu TROG a. a. 0. S. 47ff. 97 MAYER a. a. 0. S. 6r ff. 98 P.E.S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart I955 S. 535· Rudolfs Siegel s. P.E.S., Kaiser in
18*
Bildern, Leipzig I928 S. I84 mit Abb. 51· Ein gutes Referat über die verschiedenen Auslegungen bei MAYER a. a. 0. S. 64-7. Er setzt -wie W. HoLTZMA."-<"N - die Hergabe der Lanze in das Jahr 935 auf Grund eines von ihm als echt erwiesenen Textes (Ein Rundschreiben Rudolfs II. von Burgund, im Deutschen Archiv 17, I96I S. 5 I7). 99 MAYER, Rundschreiben a. a. 0. S. 508. IOD Ebd. s. 5I I ff. IOI POUPARDIN a. a. 0. S. I89 (s. auch II, I9, 66, n3). -Über die Frage, ob damals bereits der >Burgundische Ordo< benutzt sein kann, vgl. oben S. 265 Anm. 63.
3 c. Die burgundischen Königreiche
diesem König auch noch das von Boso geschaffene Nachbarreich zufiel, wurde bereits vermerkt; fortan gab es also nur noch ein Reich Burgund. Doch blieb bei den Chronisten Unsicherheit: sie sprachen im Hinblick auf den hinzugekommenen Bereich von Provincia (Provence) und vom regnum Arefatum (Reich von Arles), verwandten diese Namen aber auch in weiterer Bedeutung. Umstritten ist, ob dieser König Ottos I. Lehnsmann wurde. Nachdem der deutsche König Adelheid geheiratet hatte (951), bestand ja eine enge Verwandtschaft, und Otto war auch der einzige Nachbar, bei dem Konrad Rückhalt finden konnte - und dessen bedurfte er, da die Großen in seinem Reich immer selbständiger wurden. Aber es fehlt ein Zeugnis, das ein Lehnsband eindeutig bewiese. Man wird deshalb mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß beide Seiten es vermieden, einen klaren Rechtszustand herbeizuführen: Otto war de facto Konrads patronus, das konnte ihm genügen; hätte Konrad ihn als senior anerkannt, hätte er die Schwierigkeiten, mit denen er in seinem Land zu ringen hatte, nur noch vermehrt102 • Auch aus der Zeit Ottos II. und Ottos III. liegen keine Belege vor, daß sich an diesem Zustand etwas änderte. Auf Konrad folgte 99 3 sein Sohn Ru d o lf III. Von ihm ist wiederum bezeugt, daß er in Lausanne >gewählt< und geweiht wurde 1 o3. Unter ihm veränderte sich das Verhältnis zum Reich. Heinrich II. nahm sich 1006 Basel, ohne auf spürbaren Widerstand zu stoßen; denn Rudolf hatte in seinem Lande noch weniger zu sagen als sein Vater, sah sich vor allem bedroht durch seinen mächtigsten Vasallen, den Grafen Otto Wilhelm von der Champagne. Thietmar sagt von ihm, er habe nur eine Scheinmacht besessen: ltomen tantum et coronam babef1° 4 • Rudolf war kinderlos, und Heinrich war der Sohn seiner Schwester Gisela, also der nächste Erbe und daher darauf bedacht, den Oheim zu stützen. Als sie 10r6 in Mainz zusammenkamen, trug Rudolf dem Kaiser sein burgundisches Reich in aller Form zu Lehn auf1o5. Heinrich stieß mit einem Heer nach Burgund vor, aber richtete nichts Entscheidendes aus, und Rudolf wurde von seinen Großen so bedrängt, daß er den Neffen bitten mußte, ihn aus der eingegangenen Verpflichtung zu entlassen. Heinrich, an der Ostgrenze festgehalten, konnte nicht umhin, diesem Wunsche zu entsprechen. roz Zu den bestehenden Auffassungen vgl. J. ScHEIDING-WULKOPF a. a. 0. S. 37f., 4zf. Belege dafür, daß Otto I. als Nachfolger der reges Franeorum (D. 0. I. 199 von 959) oder der Kaiser Rechte über Burgund zugesprochen wurden, bringt E. E. STE:
weist und es für wahrscheinlich hält, daß seit Heinrich I. oder seit Otto I. - die Rudolfinger ihnen durch »relations leodo-vasalliques« verbunden waren (S. r 74). Der Verf. spricht von »Unterkönigtum« und »Tutelle«. ro3 Vgl. dazu MAYER, Alpen a. a. 0. S. 7off. 104 Thietmar VII cap. 30 (ed. R. HoLTZMANN, 1935 S. 334; Mon. Germ., Script. N.S.IX). 105 J. ScHEIDING-WULKOPF a. a. 0. S. Go.
Burgund und das Reich (ab 1032)
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Aber dem burgundischen Könige nützte solches Nachgeben nicht: im Jahre 1018 fand er sich abermals in Mainz ein, um sein Reich erneut durch Darbringung von Krone und Szepter als Lehn dem Kaiser zu übergeben. Zweimal versuchte Heinrich II., diesen Zustand zur Anerkennung zu bringen- jedoch jedes Mal vergeblich. Dann starb er vor dem Oheim (1024). Galt die 1016 beschlossene, 1018 erneuerte Abrede noch? Wir blicken noch einmal auf die anderthalb Jahrhunderte zurück, die dieses zweite Burgundische Reich bestand: nirgends vermochten wir etwas zu entdecken, was den Königen aus dem Geschlecht der Welfen einen besonderen Zug verleiht, einen Brauch, einen Anspruch, eine Theorie, die sie von den Herrschern ihrer Zeit absetzt - zu der gleichen Feststellung werden wir kommen, wenn wir die Reihe der ostfränkischen Herrscher mustern, die gleichzeitig herrschten (s. unten S. z87ff.).
j) Burgtmd t!nd das Reich (von I o3 2 bis Ztfm Ende des Mittelalters)1° 6 Konrad II., Heinrichs Nachfolger, der sich auf keine so enge Verwandtschaft berufen konnte wie sein Vorgänger, legte den 1016 geschlossenen Vertrag dahin aus, Rudolfs Zusicherung habe nicht der Person des Kaisers, sondern dem Reich gegolten. König Rudolf machte sich diese Auslegung zu eigen und übersandte sterbend seine Krone dem Salier (1032); d. h. er >designierte< ihn dadurch als seinen Nachfolger- so wie Konrad I. im Jahre 919 seine Herrschaftszeichen Heinrich I. hatte aushändigen lassen 1o 7. Als Konrad seine Ansprüche verwirklichen wollte, stieß er auf zwei Mitbewerber, seinen Stiefsohn Ernst von Schwaben und Otto Wilhelm von der Champagne; er setzte sich jedoch ihnen gegenüber durch. Sein Recht stützte er ab durch eine >Wahl<, die seine Anhänger vornahmen, und eine im Kloster Peterlingen vollzogene Krönung (ro33). Die weitere Vererbung des Königreiches Burgund stellte Konrad im Jahre 1038 sicher: den in Solothurn abgehaltenen Hoftag benutzte der Kaiser, um seinen Sohn Heinrich zum >König der Burgundionen< erheben zu lassen, und mit diesem Titel erscheint dieser auch in einigen Urkunden, obwohl er schon in Deutschland zum König gesalbt und gekrönt worden war. Dieser Salier hat sich nicht in Burgund krönen lassen, aber das geschah auch nicht in Italien. Die doppelte Unterlassung wird sich wohl schlicht durch die Tatsache erklären, daß jede Krönung so viel Rechtsfragen aufwarf, daß es bequemer war, sie 106 Zum Folgenden vgl. FR. BAETHG&N, Das Königreich Burgund in der deutschen Kaiserzeit des Ma.s, in: Mediaevalia, I, Stuttgart r 96o (Schriften der Mon. Germ. Bist.
17, r) S. 32ff. 107 Die Zeugnisse bei PouPARDIN, Bourgogne a. a. 0. S. 148, dazu S. 458ff.: L'union a l'empire; dazu MARIOTTE a. a. 0. S. r79ff.
3 c. Die burgundischen Königreiche
zu umgehen. Daß Heinrich sein Reich als ein triregnum ansah, zusammengefügt aus Deutschland, Italien und Burgund, geht aus der Tatsache hervor, daß er für jedes der drei Länder ein eigenes Siegel führte 108 • Den Burgundern kam er außerdem noch entgegen, indem er den Erzbischof von Besan<;:on zum Erzkanzler des Königreichs Burgund machte 109 • Nach Heinrichs III. Tod (1o56) betraute seine Witwe Rudolf von Rheinfelden mit der Wahrnehmung der Reichsrechte jenseits des Jura; aber dieser kam nicht dazu, sich durchzusetzen. Unter Heinrich IV. bestand nur zeitweise eine eigene burgundische Kanzlei. Von Heinrich V. an gab es nur noch eine einheitliche Kanzlei 110 • Lothat III. ernannte I I z 7 Rudolfs Enkel, den Herzog Konrad von Zähringen, zum
Io8 P.E.S., Herrschaftszeichen II; Stuttgart I95 5 S. 68I; Genaueres in der Neubearbeitung der Herrscherbilder. I09 Über das wohl I04I geschaffene Erzkanzleramt für Burgund und die Ernennung eines eigenen Reichskanzlers durch Heinrich III. vgl. ]. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige Il, Stuttgart I966 (Schriften der Mon. Germ. Hist. I6, II) S. 242f., 246; über die burgundische Kanzlei ebd. S. 25 3 f. IIO Zur Gesch. von Burgund im I2. Jahrh. vgl. auch die oben S. 249 genannte Lit., ferner: G. HüPFER, Das Verhältnis des Königreichs B. zu Kaiser und Reich, bes. unter Friedrich I., Paderborn I873; R. STERNFELD, Das Verhältnis des Arelats zu Kaiser u. Reich vom Tode Friedrichs I. bis zum Interregnum, Berlin I 88 I; P. FouRNIER, Le royaume d'Arles et de Vienne Iq8-I378, Paris I89I; FR. GüTERBOCK, Burgund im Zeitalter Barbarossas, in der Zeitschr. f. Schweizerische Gesch. I7, I937 S. I47-229 (dort S. I77 über I q8 und Anm. I 5!, ob es sich bei Beatrix um eine >Festkrönung< handelte); R. FoLz, L'empereur Frederic Ier et le Royaume de Bourgogne, in den Memoires de la soc. pour !'bist. du droit et des institutions des pays bourguignons etc., Fase. I8, I956 S. rr3-25 (dort weitere Lit.). S. ferner HANs HIRSCH, Forsch. z. Gesch. der deutschen Kaiserzeit I. Urkundenfälschungen aus dem Regnum Arelatense. Die
burgundische Pol. Kaiser Friedrichs I., Wien I937 (dort S. I23 ff.: >Die Burgundische Politik der älteren Staufer<, S. I48 und I 52 f. über I q8); einschränkend U RSULA BRUMM, Zur Frage der Echtheit der ersten Stauferdiplome für südburgundische Empfänger, in der Mitteil. des Inst.s für Österr. Geschforschung 57, I949 S. 279 bis 338. Über die Kontroverse, wie weit die von Hirsch als falsch oder verfälscht angesprochenen Urkunden echt sind, s. FoLZ a. a. 0. S. rr6 Anm. 2. Vgl. ferner H. v. FICHTENAU, Grundlagen der Landeshoheit im mittleren Arelat, in den Mitteil. des Österr. Inst. für Gesch. forsch., I4. Erg.bd. I939 S. I39-44. Über das Verhältnis zu Deutschland s. auch K. G. HuGELMANN, Stämme, Nation und Nationalstaat im deutschen Ma. I, Stuttgart I955 S. 379ff., 445 usw. Wie die Macht des Reiches zurückging, zeigt anhand vieler Belege das Kap.: >Die Inkorporation Burgunds< in der Marburger Rede von E. E. STENGEL: Regnum u. Imperium (I930), jetzt: Abhandl. u. Untersuchungen zur Gesch. des Kaisergedankens im Ma., Köln-Graz I965 S. I9I-20I. Über die Kaiser und das Dauphine vgl. B. BuGNY, Le D. medieval: quelques problemes, in: Die Alpen in der europ. Gesch. des Ma.s., Reichenau-Vorträge I96I-62, Konstanz-Stuttgart I965 (Vorträge und Forschungen des Konstanzer Arbeitskreises X) S. 22I-3J, bes. S. 225 f.
Burgund in der Stauferzeit
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rector Burgundiae 111 ; dadurch wurde dieser in der karolingischen Zeit vielbenutzte, aber damals eines festen Rechtsinhalts ermangelnde Titel 112 zu einer exakten Amtsbezeichnung. Es ist die Zeit, in der auch der Titel comes provincialis (Landgraf) >erfunden< wurde (Konrads Sohn begegnet auch mit dem Titel dux Burgundiae). Das Rektorat bezog sich nur auf Cis- und Transjuranien; aber Lothar hielt an dem Anspruch auf das übrige Burgund fest. Da der Zähringer sich nicht durchzusetzen vermochte, verfolgte Konrad III. die entgegengesetzte Politik. Er band die einheimischen Großen, die ihm entgegenkamen, an sich, indem er ihre Rechte vermehrte, und stellte den Kirchen, die Schutz gegen die Feudalherren erbaten, Urkunden aus. Ein Schlaglicht auf Konrads Absichten wirft, daß in einem Privileg für Vienne von der iustitia imperialis die Rede ist, obwohl der erste Staufer ja nie die Kaiserwürde erlangte. Friedrich I. hat in seiner langen Regierungszeit Burgund acht- oder neunmal aufgesucht und in seinen Regierungsmethoden sich dem Wechsel der Lage angepaßt. Er dehnte zunächst das Rektorat der Zähringer bis zur Provence aus, kam dann aber wie der Oheim dazu, sich Anhang unter den Kirchenfürsten sowie den einheimischen Großen zu schaffen. In Cisjuranien griff der Staufer selbst zu: er heiratete I I 56 Beatrix, die Erbtochter des Grafen von >Burgund< - der seit jeher schillernde Begriff hatte in dessen Bereich eine neue, begrenzte Bedeutung erhalten. In diesem Teil des >Königreichs Burgund< wurde der Kaiser also Landesherr (was die Einengung der den Zähringern verliehenen Rechte zur Folge hatte); im übrigen Burgund blieb er der Oberherr, der die bestehenden Gewalten so gegeneinander auszuspielen trachtete, daß er die Oberhand behielt. Für den Erzbischof von Vienne erneuerte er die - einst dem Erzbischof von Besans:on verliehene - Würde des Erzkanzlers; dem Erzbischof von Lyon verlieh er I I 57 die Titel: summus princeps concilii nostri und >Exarch< des palatium Burgundiae: ein byzantinischer, aber seit langem außer Gebrauch gekommener Titel, den die Karolinger in Italien vorgefunden hatten- König Boso hatte einst in ähnlicher Weise die Rivalität der beiden Hauptkirchenfürsten ausbalanciert. Im Jahre I I 62 durfte Friedrich sogar hoffen, die dem Einfluß des Reiches de facto entglittene Provence wieder an sich heranzuziehen; denn der Conde-Principe Rarnon Berenguer IV. von Aragon und Barcelona, der dort Landesherr war, machte sich I I I E. HEYCK, Gesch. der Herzöge von Zähringen, Freiburg I89I S. 273ff. und jetzt: H. BüTTNER, Staufer u. Zähringer im polit. Kräftespiel zw. Bodensee u. Genfer See während des I2. Jahrh.s, in Mitteil. der Antiquar. Gesellsch. in Zürich 40, I96r. S. auch TH. MAYER, Der Staat der Herzöge von Z., in Freiburger Univ.-reden 20, I935
I I2
(jetzt: >Ma.liche Studien<, Lindau-Konstanz I959 S. 350-64), J.-Y. MARIOTTI, Le Comte de Bourgogne (I I 56-I 2o8), Paris I963, H.-W. KLEWITZ, Die Zähringer, in Schau-ins-Land 84/85, Freiburg I966/67 s. 27ff. S. oben S. 90 f. Im italienischen Städtewesen spielte der Titel weiter eine Rolle.
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3 c. Die burgundischen Königreiche
auf, um den Kaiser in Turin zu treffen; doch ereilte ihn auf der Reise der Tod. Friedrich belehnte den Neffen; aber praktische Folgerungen ergaben sich daraus nicht 113 • Nachdem der Friede von Venedig (n77) die Hände Barbarossas wieder frei gemacht hatte, schmeichelte er dem Stolz der Burgunder, indem er sich am 30. Juli 1178 in Ades - ab antiquis temporibus principalis sedes regni Burgundiae heißt es einmal bei ihm - durch den dortigen Erzbischof krönen ließ; der Erzbischof von Vienne erhielt die Genugtuung, daß er zwei Wochen später in seiner Kirche Beatrix die Krone aufsetzen durfte 114 • Damit war noch einmal der alte Gedanke des triregnum: Deutschland-Italien-Burgund bekräftigt. Dieser Besuch, der sich über drei Monate ausdehnte, war der letzte, den Friedrich Burgund abstattete. Bemerkenswert sind die Herrschaftsakte, die seine Gemahlin auch in der Folgezeit noch in burgundischen Angelegenheiten vollzog 115 ; denn darin kommt zum Ausdruck, daß Friedrich ihr zugestanden hatte, aus eigenem Recht zu handeln, daß also das Prinzip der Matrimonialunion anerkannt wurde 11 6. Als Heinrichs VI. Vermählung mit Constanze von Sizilien am 27. Jan. n86 in Mailand festlich begangen wurde, ergab sich Gelegenheit, den Gedanken des triregnum abermals vor aller Welt sichtbar zu machen: Constanze wurde als deutsche Königin, Heinrich als König von Italien gekrönt, Friedrich ließ sich als König von Burgund die Krone vom Erzbischof von Vienne auf das Haupt setzen. Damals lag die Kaiserin Beatrix bereits zwei Jahre im Grabe. Die durch sie in das Geschlecht der Staufer gebrachten Rechte wurden dem dritten Sohne des Kaisers, dem Grafen Otto von Lenzburg, zugesprochen 117 • Er begegnet u88 mit dem- in Frankreich beheimateten - Titel dux Burgundiae, I I 89 mit dem von den Vorfahren mütterlicherseits geführten Titelcomes Burgmzdie, nahm aber noch im gleichen Jahrin Analogie zum rheinischen Pfalzgrafen - den Titel comes palatinus Burgundiae an. Auf seinen Siegeln, die mit dem Staufischen Adler geschmückt waren (außerdem führte er ein Reitersiegel) fügte Otto seinem Titel die Formel: Dei gratia ein; doch ist in seinen Urkunden angegeben, er handele auctoritate domini regis: durch sein >Gottesgnadentum< wurde also die Oberhoheit des König-Kaisers nicht in Zweifel gezogen 118 • II3 P. E. ScHRAMM, Die Entstehung eines Doppelreiches: Die Vereinigung von Aragon und Barcelona durch Rarnon Berenguer IV. (II37-II62), in: Vom Mittelalter zur Neuzeit, Festschrift für H. SPROEMBERG, Berlin I957 S. 43 f. (Katalanische Übersetzung in der Reihe: Eis primers comtes-reis, Barcelona I96o S. 33f.). II4 RaduHus de Diceto (Mon. Germ., Script. 27 S. 27I); vgl. dazu GüTERBOCK a. a. 0.
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I17 II8
S. 177 Anm. I5I und HIRSCH a. a. 0. 5. I 53· GüTERBOCK a. a. 0. S. 179· Über den burgundischen Erzkanzler vgl. H. BRESSLAU, Handbuch der Urkundenlehre I, Leipzig 2. Auf!. I9I2 (neugedruckt) S. 513 ff. (s. dazu unten S. 282). Zum Folgenden vgl. HIRSCH a. a. 0. S. I 50 ff. GtTERBOCK a. a. 0. S. r 53 ff.
Heinrich VI. und Friedrich II.
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Den Kaiser Heinrich VI., der I I9o seinem Vater gefolgt war, legten andere Fragen mit Beschlag, so daß er keine Zeit fand, sich so intensiv wie der Vater um das Nebenreich zu kümmern. Der Gedanke, es dem König Richard Löwenherz von England als Lehnsmann zu übertragen, wurde schnell wieder fallengelassen119 • Der Thronstreit, der auf Heinrichs Tod (I I97) folgte, schwächte die Königsgewalt. Zwar nahmen an Phitipps Wahl (II98) der Erzbischof von Besan<;:on und der burgundische Pfalzgraf teil, auch konnte sich Philipp in Mainz vom Erzbischof von Tarantaise zum Deutschen König krönen lassen; aber weder er noch sein Gegner, der Welfe Otto IV., hatten die Arme frei, um sich für ihre Autorität in Burgund intensiver einzusetzen, wo wiederum ein Vakuum entstand, da der Pfalzgraf Otto im Jahre I200 starb und nur Töchter hinterließ. Das wurde erst anders unter Friedrich II. 120 • Er hielt es nicht- wie vor einem guten Menschenalter sein Großvater- für erforderlich, daß er als König von Burgund gekrönt wurde, aber er stellte doch wie dieser den Einfluß des Reiches in dem aufgesplitterten Lande wieder her. Die geistlichen und weltlichen Großen bemühten sich, von ihm die Bestätigung ihrer Rechte und deren Vermehrung zu erreichen. Nie zur Ausführung kam der vorübergehend erwogene Gedanke, Wilhelm von Baux zum Könige des >Arelats< zu machen 121 - dieser Name bürgerte sich jetzt an Stelle von >Burgund< ein. Keine spürbaren Folgen hatte auch, daß der Kaiser- an die Zähringer Tradition anknüpfend- seinen Sohn Heinrich (VII.) I2I9 zum >Rektor von Burgund< ernannte 122 ; denn dieser Titel trat hinter dem deutschen Königstitel zurück, den Friedrichs Erbe von I 220 an führte. So gefestigt war die Macht des Kaisers, daß er 1232 durch einen Bevollmächtigten die Burgunder zur Heeresfolge aufrufen konnte: seit langem - so heißt es in seinem Schreiben - hätten sie solchen Dienst dem Reiche nicht geleistet; allerdings seien sie darum auch nicht gebeten worden 123 • Im Jahre 1239 verwandelte der Kaiser- sein in Italien erprobtes Regierungssystem ausweitend- das Königreich Burgund in ein II9 A. L. PooLE, England and Burgundy in the last Decade of the XII. Century, in: Essays in History, presented to R. L. PooLE, Oxford I927 S. z69ff. Zu der Frage, ob die Belehnung tatsächlich durchgeführt wurde oder nicht, s. STENGEL a. a. 0. S. I92f. (mit weiterer Lit.). I20 Vgl. auch E. STENGEL, Regnum und Imperium, Marburg I930 (Marburgcr Akadem. Reden Nr. 49) S. 2of. = Abh. I965, S. I92f. I2I BöHMER-FICKER, Regesta Imp. Nr. n6; WINKELMANN, Acta Imp. inedita I, Innsbruck I88o S. 105/Str. I25; dazu P. ScHEFFER-BOICHORST, Die Erhebung Wilhelms
von Baux zum König des Arelats, in den Sitz.-berichten der Preuß. Akad., Phil.Hist. Kl., I90I S. I243ff. I22 ERNsT KAJ'ITOROWICZ, Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin 1927 S. 92 (vgl. dazu den Ergänzungsband, ebd. I93I mit den Nachweisen) und E. DuPRE-THESEIDER, Federico Il e il regno di Arles, in den Atti del Convegno di Studi Federiciani, Palermo I952 S. I q-203. Über das Schwanken in der Namengebung vgl. BoamiSTER (S. 241*) S. 23ff. I23 K&'iTOROW1CZ a. a. 0. S. 356f.
3 c. Die burgundischen Königreiche
Generalvikariat 124 • In einem Testament, das Friedrich 1247 entwarf, sah er vor, seinen nicht-vollbürtigen Sohn Manfred mit den Generalvikariaten Burgund und Westlombardei zu belehnen 125 • Doch kam dieser Plan nicht zur Ausführung, und in der Zerrüttung, die das auf seinen Tod folgende Interregnum auslöste, brach alles zusammen, was der letzte Staufenkaiser aufgebaut hatte. Wir können die Bemühungen Rudolfs I. und seiner Nachfolger, die Rechte auf Burgund aufrechtzuerhalten, hier übergehen, da alle Anläufe stecken, alle Projekte unausgeführt blieben und daher zur Staatssymbolik nichts Neues zu verzeichnen ist. Vermerkt werden muß nur noch, daß Kaiser Karl IV. auf der Rückreise von Avignon, wo er den Papst aufgesucht hatte, sich 1365 in Arles zum König krönen ließ 126 , Aber zur Wiederaufrichtung einer effektiv wirksamen Oberhoheit über das regnum Burgundiae ist es auch unter ihm nicht gekommen 12 7 • Als Sigismund 1416 den - I 361 aus dem Arelat herausgelösten - Grafen von Savoyen in den Fürstenstand erhob, geschah das noch auf der 1032 geschaffenen Rechtsgrundlage; aber sie war mittlerweile völlig brüchig geworden. Wenn jetzt von Burgund die Rede war, dachte man an das Herzogtum, das unter der I 36 3 zur Regierung gelangten Nebenlinie des französischen Königshauses zu einem selbständigen Faktor in der europäischen Politik geworden war, oder an die ehemalige >Pfalz<, jetzt >Freigrafschaft Burgund<. Das Herzogtum gelangte nach dem Tode Karls des Kühnen (1477) an die französische Krone zurück. Die Franche-Comte fiel als altes Reichslehen an Maximilian; erst 1674 wurde sie von Frankreich erobert. Von da an gab es das >burgundische< Problem nicht mehr: in keiner der vielen Formen, die es im Laufe der Jahrhunderte angenommen hatte. 124 Ebd. S. 443 (Erg.bd. S. 196). 125 Ebd. S.585 (Erg.bd.S.3o5: im endgültigen Testament entschied der Kaiser anders). 126 Außer GR1ESER (s. oben S. 249 Anm. *) und FouRN1ER (s. oben S. 278 Anm. IIo)
s. 0. WrNCKELMANN, Die Beziehungen Karls IV. zum Arelat, Straßburg 1882. 127 F. KERN, Die Anfänge der französ. Ausdehnungspolitik, Tübingen 1910.
NACHTRAG zu S. 280, Anm. rr6: S. auch H. BRESSLAU (t), Die ältesten Zeugnisse für das Erzkanzleramt der Erzdiözese von Trier hg. von H. HARTHAUSEN, im Archiv für mittelrheinische Kirchengesch. 19, 1967 S 27ff.
ANHANG: Dm DoKuMENTE zu DEN >KÖNIGSWAHLEN< Bosos UND LuDWIGs VON BURGUND
(879 und 89o)
Diese Texte sind überliefert nur in einem Lyoneser Druck von I 566 (P ARADINO, Annales de Bourgogne); auf diesem beruht die bis heute maßgebende Edition in Mon. Germ., Capitulariaii, I893 S. 365-9 und S. 376-7 (vgl. oben Anm. 25 und 72). Zur Bequemlichkeit des Lesers wiederholen wir diesen Abdruck, lassen jedoch die Noten zum Text sowie die Anmerkungen zum Inhalt weg: soweit sie zum Verständnis erforderlich sind, wurden sie bereits im vorausgehenden Abschnitt berücksichtigt. Ferner verzichten wir auf die Wiedergabe der 879 geleisteten Unterschriften, die in unserem Zusammenhang im einzelnen nichts besagen. Wir behalten bei den Dokumenten des Jahres 879 die zutreffenden, jedoch erst von Sirmond zugesetzten Überschriften sowie die Anordnung, d. h. die chronologische, bei. Daß die legatio sowie die responsio sachlich abstützende Anlagen zur electio darstellen und daher I 566 an die electio angehängt sind, wurde oben S. 2 59f. dargelegt.
I: Boso (879) ( A.) S]nodi ad Bosonem regem designatum legatio. Sacra S)i110dus Mantalensis territorii Viennensis in nomine Domini nostri congregata simul cum primoribus inspirmzte divinitate summae maiestatis sincera devotione vestram prudentiam, c!arissime princeps, adit petens addiscere vestra certissima responsione, qualem vos velitis in principatu, quo vos sublimari per divinam misericordiam optamus, omnibus ostendere: Si videlicet honorem Dei omnipotentis et dilectionem in ftde catholica veraciter quaesituri estis et ecc!esiam illius pro viribus exaltaturi et singularum ecclesiarum cum suis episeopis et sacerdotibus privilegia conservaturi; si vultis omnibus, sicut boni principes, qui vos praecesserunt et quorum jormam literis et fama nostis, legem, iustitiam et rectum eoncedere et servare tenentes humi!itatem, quae est jundamentum virtutum, eum patientia et animo sereno, humillimo, ad damnandum incondito, sed in omnibus iuste promissis stabili et eerto, bene per Dei gratiam praeparato et ornato, sobrietate competenti venusto; qui sitis aeeessibiles omnibus reeta suggerentibus et pro aliis intercedentibus, quaerentes magis prodesse, quam praeesse, sequentes vestigia sanetarum principum, ealcantes iram, saevitiam, duritiam, avaritiam, eupiditatem, indignationem et superbiam, iustus patricius vestris maioribus et minoribus apparentes, veritatem ore et opere praeferentes, salubre consilium libenter audientes, monstra viciorum declinantes et persequentes, virtutes amantes, defensionetn et momburgium singu!is exhibmtes; ut neque eadem saneta synodus et primates vestri cum ea sentientes nune de vobis in bonitate malediean/ur vel detrahantur in juturo neque sacro vestro principatui nobis, ut eredimus, profuturo iuste derogetur. Sed sit pax et veritas sanetarum suifragiis per divinam gratiam praelatis et subditis, sacerdotibus et illis eom-
3 c. Die burgundischen Königreiche
missis primatibus, dum eis auctoritatem evangelicam et apostolicam cum iusta lege humana consenseritis et observaveritis, ut per omnia et in omnibus benedicatur Deus. Precatur etiam sace~·do ta!is et Iaiealts ftde!itas, ut jaciat vestra prudentia unumquemque in vestra domo suum vas possidere in sanctiftcatione et honore. (B.) Bosonis regis electi ad synodum responsio. Sacratissimae synodo et cunctis primoribus nostris ftde!ibus httmi!is Christi vernacu!tts Boso. Primttm vestrae sincerissimae devotioni gratiarum actiones corde et ore rependo, quod !icet immerito so!a vestra benevolentia per incommutabilem Dei gratiam amp!ecti me visceribus vestris ad liquidum comperio; pariter quoque, quod fervor vestrae caritatis ad id offtcium me promoveri divinittts optat, ut mea parvitas matri meae, quae ecclesia Dei vivi est, ob immortalem remunerationem decertare valeat. Ego autem conscius meae conditionis et ftgmenti jragilis imparem me iudicans tattto negotio omnimodis abnuissem, nisi per Dei nutum vobis cor tmum datum et a11imam uttam in unum consenmm ad11ertissem. Obediendum itaqtte pro certo cognoscens inspiratis a Deo tam sacerdotibus quam nostris amicis et ftdelibus non reluctor nec audeo vestris iussio11ibusa. Quod vero requisistis, qttalem me praebere vellem in committendo per Dei misericordiam in regimine juturo, et simul ostendistis normam et instrttxistis dogmate sacro, libentissime suscipio. Amplector catholicam ftdem, in qtta et nutritus sum, quam purissimo corde teneo, ore veracissimo pronuntio, pro qua paratus sum impmdi et superimpmdi, si sie placuerit domino Deo nostro. Ecclesiarum privilegia iuvante domino nostro Iesu Christo restaurare et conservare per vestrum commune Consilium curabo. Omnibus, ut monuistis, legem, iustitiam et rectum momburgium auxiliante Deo conservabo et impendere curabo; quo sequens praecedentium bonorum principum vestigia tam sacris ordinibus quam l'abis nostris ftdelibus consulere certem aequitatem servando. De morib11s meis, licet me peccatorem prae omnib11s sciam, voluntatem meam hanc esse veraciter assero, ut per omnia morigerum bonorum et in nullo malorum ostendam; si autem, quoniam homo sum, contra quemlibet animo excessero, sectmdum vestrum consiiium corrigere curabo. In quo precor reverenter, ut, quod iustius et rationabi!ius inveneritis, mihi congrue pro tempore et loco suggerentes vos ipsos in me honoretis, quoniam et ego, si quis z;estrum in me deliquerit, emendationem rationabiliter accessibilis jactus expectabo. Evangelicam et apostolicam auctoritatem cum iusta lege sequar hmnana, ut ipso praeduce et comite per omnia et in omnibus benedicatur Deus. De domo nostra, sicut me monuistis, quia Deus in sanctis habitat, sollicitudinem adhibebo; ut decenter quisque incedat, studio.rissime procurabo. Igitur, domini mei, sacrosancti pontiftces, ecclesiae summi Dei nostri praesttles, et vos otmtes nostri fideles, primates et supprimates, conftsus de Dei gratia et auxilio per sanetarum eius suffragia, qttia vestris iussionibus javeo, precor vos et obsecro, ttt per ipsum et cum ipso, tam piis ad ipsum interventibtts, in tanto subeundo Iabore meam necessitatem et humilitatem iuvetis, quam etiam humanis adminiculis et auxiliis pro passe suffragari mihi certetis. Ouodsi cui displicet et aliter animo tenet, quaeso patenter edicat, et se nobiscum in nullo decipiat. Simulque precor per caritaa Wohl resistere ausgefallen.
Dokumente: 879 und 890
tem, qua fervetis, ut communi faventes uti!itati triduanis so!enniter precibus dominum Deum nostrum cum plebibus vobis commissis exoretis, ut propter peccata mea vel Ievitatem meam vos auf me ad deceptionem populi sui nequaquam errare permittat, sed suam ex hoc voluntatem misericorditer ostendat.
(C.) Electio Bosonis regis. Cum convenissent sancti patres in nomine Domini salvatoris mundi conventum ce!ebraturi apud Manta/am territorii Viemzensis, de multis aecclesiae negociis tractaturi et sanctae so!licitudinis secretarium penetraturi, multis emergentibus et suimet consideratione cogentibus, sacerdotalis ajfectus ex autiquo patrum cordibus infusus evidenter dictavif eius personae curam gerere, cuius adminiculo tam in veteri testamento, quam et in novo consuevit populo condignum regimen exhiberi. Et quoniam iam olim eiusdem personae presidiis tam ipsi sancti patres, quos gratia divina episcopos vocari concessit, quam principes et totum vulgus carentes, nullius compatientis Julciebantur vel iuvabantur auxiliis, praesertim cum rege communi morte recepto nul!tts in eos sua t>iscera per karitatis largitatem extenderit, anxiari plurimtlm comp11lsi sunt, quia non solum in intenzis per invisibilem inimicum, sed etiam in apertis per visibiles inimicos, etiam ex bis, quos ipsa Christo peperit, sancta mater ecclesia pessumdari funditus videbattlr. Itaque dum mentis aciem usquequaque verterent et simul cum nobilioribus ad hanc necessitatem submovendam idoneas personas considerarent non itll!enientes, qui suae consultationi respondere ve!lent, utpote negligentibus ctmctis tantum laborem ob honorem Dei et sanetarum eius et matris ecclesiae sumere, omnes inflamati Deum omni!lm principum principem pro hac angustia medullitus exoraverunt, ut is, qui curam singularem habet morta!ium et cuius dispositio curricula vergit omnium seculorum, et rectum daret consilium et evidens auxi!ii promere indicium. Denique cui patet omne cor et omtzis voluntas loquitur, fatigatos maiorum et minorum inspiciens animos quoddam clarescere fecit so!atium, et quodam modo praesentavit sujfragium: sane omnihus unum sapientibus et per divinam visitatiomm idem i 11rlivisibiliter ambientibus cordi fuit exhibitus homo, iamdudum in priucipe~tu domni Karofi defensor et adiutor necessari11s; cuius post se fi!ius eiusdem imperatoris cernens eius insignem prudmtiam amp!ificare riefegerat domnus rex Ludovicus. Ipse etiam tantum non solttm in Gai!iis, sed et in Italia cunctis enituit, ut domnus apostolicus Iohannes Rommsis imtar filii complexus eiusdem sinceritatem multis preconiis extulerit et ad suam tutelam revertens ad sedem propriam delegerit. Ergo nutu Deiper suffi·agia sanetarum ob instantem necessitatem et eam, quam in eo compererunt, expetibilem utifitatem et prudentissimam et providentissimam sagacitatem communi animo pariqtte voto et uno consensu clarissimum principem dommlln Bosomm Christo preduce ad hocregale negocium petierunt, et unanimiter elegerunt. Et qua consideratione tanti lahoris renuerit et abdixerit, oppositis bis, quae Dei szmt et eius ecc!esiae, fandem obedienter cofla promittendo suhmisit. Electus autem Deo statuitflr, preces Junduntttr, domininostri Iesu Christi gratia, quae precessit in velle, in certo pojecto satis efficax prestolatur. Et ut haec electio praesentibus et futuris certius innotescat, omnium episcoporum subscriptio luce c!arius indicat. Actum apud Manta/am publice, anno incarnationis dominicae DCCCLXXIX, indictione XII, Idibus Octobris. Gratia tollende ambiguitatis uno ...
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3 c. Die burgundischen Königreiche
II: Ludwig (89o) Anno incarnationis dominicae DCCCXC, indictione VIII, religiosus atque satis venerabilis Bernoinus sacrae sedis Viennensis archiepiscopus pro quibusdam ecclesiae suae sive gemralibtJs totius regni necessitatibtJs sedem adims apostolicam conmitu ipsitts domini apostolici, ctti cttra et sollicitttdo instat omnittm ecclesiarttm, digno quoqtJe stto relattJ de perturbatione ht
D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken bis zur Thronbesteigung König Heinrichs I. (9r9) Mit Ausblicken auf die Zeugnisse ihrer >Staatssymbolik<* I.
WIE
WEIT HATTE SICH BIS
900
DER SALBUNGS-UND KRÖNUNGSBR.A.UCH
DURCHGESETZT?
Die Salbung hatte Pippin mit der Königswürde verknüpft: er ließ auch seine Söhne salben. Karl der Große veranlaßte dasselbe zugunsten der dritten Generation, ließ sich aber, als er die Kaiserwürde annahm, nicht noch ein zweites Mal salben, weil diese ja für ihn nur ein nomen war. Ludwig der Fromme wurde dagegen erst als König, dann noch ein zweites Mal als Kaiser gesalbt. Von seinen Söhnen ließ er nur Lotbar I. als Kaiser salben und krönen. Welche Gründe für ihn maßgebend waren, daß er nicht auch die übrigen Söhne salben ließ, ist nicht durchsichtig. Vielleicht war es ein Gefühl der Sicherheit, dem solche Verstärkungen des Rechts unnötig schienen;
*
Anfang (S. 185-96) - eingangs durch neue Abschnitte ersetzt und stark erweitert - meines Aufsatzes: Die Krönung in Deutschland bis zum Beginn des Salischen Hauses (roz8), in der Zeitschrift für Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24 S. r 84-3 32, dessen übrige Teile (soweit heute noch verwendbar) in Bd. III wiederholt werden; wegen der Umgestaltung sind die alten Seitenzahlen hier nicht vermerkt. Im Erstabdruck wies ich eingangs auf den Aufsatz über >Die Krönung bei den Westfranken und Angelsachsen< hin, der jetzt den vorausgehenden Abschnitten 5 A und B zugrunde liegt. Ferner führte ich meinen Aufsatz an: >Die Ordines der mittelalterlichen Kaiserkrönung< im Archiv für Urkundenforschung XI, 1930 S. 285-390, und benutzte die Gelegenheit zu einer Korrektur meiner dort vorgebrachten Thesen, die auf der falschen Datierung einer Mailänder Hs. aufgebaut hatten. Ih.'1 zu wiederholen erübrigt sich, da die Kaiserordines jetzt von R. ELZE musterhaft ediert sind (Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers u. der Kaiserin, Hannover x96o; Mon. Germ., Fontes iuris Germ. IX). Ich gab dem Aufsatz, soweit er die Zeit vor
900 behandelt, keine Belege bei, da ich damals noch den Plan hegte, die deutschen Ordines zu edieren (inzwischen hat R. ELZE auch diese Aufgabe übernommen). Die Voraussetzung für meinen Entschluß bildete damals (ich rücke hier den Schlußsatz der ursprünglichen Anmerkung ein), »daß EnuARD ErCHMANN, der sich bisher mit diesem Plane trug, ihn jedoch wegen seiner Belastung durch andere Aufgaben nicht fortführen kann, mir in großzügiger Weise das von ihm gesammelte Material überließ. Die Uneigennützigkeit dieser Tat ist um so größer, als die Erforschung der Ordines erst durch die Arbeiten E. ErcHMiLNNS wieder auflebte«. Für die Geschichte des Wahlvorgangs ist jetzt heranzuziehen W. ScHLESINGER, Die Anfänge der deutschen Königswahl, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 66, Germ. Abt., 1948 S. 381-440 (auch: Wege der Forschung I, 1956 S. 313 bis 85), ergänzt durch den Aufsatz: Karling. Königswahlen, in: Zur Gesch. u. Problematik der Demokratie: Festgabe für H. HERZFELD, Berlin r 9 58 S. 207-64; beide Aufsätze wiederabgedruckt in: Beiträge zur deutschen Verfassungsgesch. des Ma.s I, Göttingen 1963 s. 88-192.
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3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 919)
jedenfalls war es in der anschließenden Zeit der Bruder- und Vetternkriege die Unsicherheit, die zur Wiederaufnahme der Salbung und zu ihrer Verbindung mit einer Königskrönung führte. Als erster wurde 844 Ludwig II. vom Papst in Rom zum König gesalbt, gewappnet und gekrönt, was ihm einen Vorsprung vor den andern Gliedern seines Hauses gab. Vier Jahre später folgte ihm Karl der Kahle, der einen langen Kampf mit seinem Neffen Pippin II. um Aquitanien hinter sich hatte 1 • Als er nun endlich seine Anerkennung durch die Großen des Landes durchsetzte, verstärkte er sein Recht durch Salbung und Krönung, die er sich 848 in Orleans durch den Erzbischof von Sens erteilen ließ. Dieselbe Sicherung verschaffte er dann 8 55 seinem Sohne Kar l, als er ihn zum Unterkönig in Aquitanien machte. Damals sprach er von seiner eigenen Weihe bereits, als wenn sie sich nicht auf ein Teilreich, sondern auf sein ganzes Erbe bezogen hätte. Dieser Anschauung entsprach es, daß er 866 seine Gemahlin Irmintrud salben und krönen ließ. Er selbst hat dann noch zweimal eine Weihe empfangen: 869 in Metz, als er das Erbe Lothars II. an sich riß, und 875 in Rom, als er gegen die Anrechte der ostfränkischen Verwandten die Kaiserkrone gewann. Von da an ist Salbung und Krönung im Westfrankenreich fester Brauch, dessen Ausbildung aus den erhaltenen Ordines genau ersichtlich ist. Durch Hinkmar von Reims ist das Westfrankenreich zu dem Lande geworden, das nun Vorbild für seine Nachbarn bedeutet 2 • Ein Ordo für England 3 hat vorerst keine dauernde Wirkung gehabt: 856 ließ Karl der Kahle seine Tochter bei ihrer Hochzeit mit dem König der Angelsachsen salben und krönen. Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß solche Weihe der Herrseherin in deren Heimat bisher unbekannt war. Sie ist dann auch wieder abgekommen, und erst durch einen neuen Antrieb, der seit 96o- nun von Frankreich und Deutschland zugleich- auf die Insel hinüber wirkt, kam es auch hier zu einer schriftlichen Festlegung der Krönungsordnung für den König, anschließend daran auch für die Königin. Eine Auswirkung des westfränkischen Brauches ist auch in Spanien zu spüren. Die \Vestgoten hatten die Königssalbung gekannt, aber nicht die Krönung. Vom König Ordofio II. erfahren wir dagegen, daß er 914 nicht nur gesalbt, sondern auch gekrönt wurde. Es liegt also nahe, die erste kastilische Salbung, von der wir erfahren- es ist die Alfonsos III. im Jahre 866 - mit denen in dem Nachbarland Aquitanien in Zusammenhang zu bringen; denn von seinen Vorgängern, den Herrschern des 8. Jahrhunderts, die sich noch nicht getrauten, den Königstitel zu führen, ist r Vgl. zum Folgenden P.E.S., Der König von Frankreich I, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt r96o) S. 91 f.
Vgl. oben den Abschnitt 5 A. 3 Vgl. 5 B.
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Salbung und Krönung im 9· Jahrhundert
kaum anzunehmen, daß sie die westgotische Salbung fortgeführt haben. Man möchte meinen, daß die kastilischen Herrscher durch das karolingische Vorbild darauf gestoßen worden sind, den einheimischen Brauch der Salbung zu erneuern und ihm die im Frankenreiche aufgekommene Krönung anzugliedern 4 • Daß auch die Teilreiche selbst, die sich innerhalb der Reichsgrenzen ausbildeten, von dem westfränkischen Beispiel abhängig wurden, versteht sich demnach von selbst. Doch sind hier Unterschiede festzustellen. So hat man sich in Burgund stark durch das Vorbild der Bischofsweihe bestimmen lassen 5 und in Italien versucht, die Ordnung der Kaiserkrönung für den König auszunutzen. 2. DER HERRSCHAFTSWECHSEL IM ÜSTFRANKENREICH 6
Wannhat sich nun die Herrscherweihe im Ostfrankenreich und damitinDeu tschland eingebürgert? Durch welche Vorbilder ist sie bestimmt worden? Wann setzt ihre schriftliche Festlegung ein? Welche Phasen ihrer Entwicklung gliedern sich ab? Das sind die Fragen, denen die folgende Untersuchung nachgehen will 7 • Um sie zu vereinfachen, sind die außerkirchlichen Akte wie Wahl, Huldigung, Treueid, Krönungsmahl usw. hier außer acht gelassen, obwohl auch dazu noch manches zu sagen bleibt, wenn man die Geschichte aller Einzelakte des deutschen Herrscherwechsels in die gesamteuropäische Entwicklung eingliedert8 • Wir gehen 4 Ich beziehe mich hier auf Vorarbeiten zu einem Buch >Geschichte Spaniens im Lichte des Königtums<, von dem ich bereits eine Reihe von Kapiteln veröffentlicht habe. 5 V gl. den voraufgehenden Abschnitt. 6 Über die Titel der ostfränkischen Könige s. oben S. 84 ff. 7 Auf die Schriften von H. SeHREUER muß ich hier summarisch verweisen: Die rechtlichen Grundgedanken der französischen Königskrönung. Mit bes. Rücksicht auf die deutschen Verhältnisse, Weimar r9rr; Die Thronerhebung des deutschen und des französischen Königs, in der Festschrift Ono GmRKE, ebd. r9II S. 697ff. (ein Kapitel des Buches in anderer Fassung); Wahlelemente in der französischen Königskrönung. Mit bes. Berücksichtigung der deutschen Verhältnisse, in der Festschrift HEINRICH BRUNNER, ebd. r9ro S. 649ff. (ein Kapitel dess. Buches). In ihnen sind die Ordines fortlaufend herangezogen; aber da ScH. die Abhängigkeit zwischen ihnen nicht kannte, sich auch mit ungenauen Da-
I
9 Schramm, Aufsätze II
tierungen begnügen mußte, haftet seinen Feststellungen (wo sie nicht geradezu falsch oder schief sind) eine Verschwommenheit an, die hier durch den Nachweis eines Wachsens, Umwandeins und Entlehnens von Generation zu Generation überwunden werden soll. Es würde deshalb ein Hemmnis bedeuten, wenn ich überall bezeichnen wollte, wo ich von ScH. abweiche. Autoren zitiere ich möglichst nur da, wo ich ausdrücklich für oder gegen sie Stellung nehmen muß. Ich verweise daher allgemein auf die bei DAHLMANN-WAITZ 9 1931 Nr. 7023 ff. und R. ScHRÖDER-E. FRHR. v. KüNSSBERG, Lehrbuch der deutschen Rechtsgesch., 7 BerlinLeipzig 1932 S. 5 Ir verzeichnete Lit. und setze die einschlägigen Jahrbücher der deutschen Gesch. sowie die Regesta Imperii voraus. Namentlich nenne ich hier, da die zugrundeliegende Streitfrage unser Thema berührt: 0. ÜPPERMANN, Untersuchungen zur Gesch. des deutschen Bürgertums ... im 13. Jahrhundert, in den Hansischen Geschichts-
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 9I9)
so vor, daß wir immer nur Zeugnisse verwerten, die zeitlich und räumlich demselben Umkreis angehören; denn es kommt darauf an, das Bild einer Wandlung zurückzugewinnen, die von ganz einfachen zu sehr komplizierten Zuständen führt. Es ist vielfach dadurch verwischt worden, daß die Lücken der Anfangsstadien durch die Bräuche der späteren Zeit ergänzt worden sind, da man die Krönung schon zu früh als eine selbstverständliche und fertig ausgebildete Gewohnheit ansah. Das ist nicht mehr möglich, seitdem sich ergeben hat, daß eine eigentliche Ordnung der Königsweihe erst in der zweiten Hälfte des 9· Jahrhunderts- und zwar nur im Westen-
euekht worden ist. Dadurch ist nun auch nas Heranziehen von aus\ändischen <Parallelen< unstatthaft geworden - es sei denn, daß eine wirkliche Beziehung nachgewiesen werden kann 9 •
blättern XVII, I9II S. 94ff.; DERS., Rheinische Urkundenstudien I, Bonn I922 (Publ. der Gesellsch. f. Rhein. Gesch.kunde XXXIX) S. 356ff.; DERS., Der fränkische Staatsgedanke und die Aachener Königskrönungen des MA.s, Utrecht I929 (Bijdragen van het Instituut voor middeleeuwsche Geschiedenis der Rijks-Universiteit te Utrecht XIV). Gegen ÜPPERMAI'.'N sprach sich aus U. SruTZ, Der Erzbischof von Mainz und die deutsche Königswahl, Weimar I9Io; Die rheinischen Erzbischöfe und die deutsche Königswahl (historisch gegliederte Zusammenfassung des Buches), in der Festschrift HEINRICH BRUNNER, ebd. I9Io S. 57-78; (Selbstanzeige des Buches mit Ergänzungen), in der Zeitschrift f. Rechtsgesch. 3I, I9IO Germ. Abt. S. 444 bis 53; Zur Gesch. des deutschen Königswahlrechtes im MA. I. Inthronisation, ebd. 44, I924 S. 263-82; [Anzeige von 0. ÜPPERmann I929], ebd. 50, Germ. Abt. I930 S. 44I-4. Dazu verweise ich auch auf die Rezensionen von R. HoLTZMA."<'N in der Deutschen Literaturzeitung 1929 Sp. r684-86 und E. EICHMANN in der Historischen Zeitschrift I4o, I929 S. 585-91. Außerdem nenne ich hier folgende Schriften, um sie dann nur noch bei besonderem Anlaß anzumerken: A. ScHULTE, Die Kaiser- und Königskrönungen zu Aachen 8 I 3-I 53 I, Bann u. Leipzig 1924 (Rheinische Neujahrsblätter III), dort S. 90 Anm. 2 gegen ÜPPERMANN, Anm. 3 gegen ScHREUER; ferner ZoLTAN
T6TH, >Attilas Schwert<, Studie über die Herkunft des sog. Säbels Karls d. Gr. in Wien, Budapest I93o, mit einem sehr kenntnisreichen Kap. III: >Das Insignienschwert der deutschen Krönungsformel<, das jedoch die Überlieferungsverhältniss e verkennt und daher abführt; schließlich MARC BwcH, Les rois thaumaturges, Straßburg r 924 (Publ. de Ia Faculte des Jettres de l'univ. de Strasbourg XIX; Neudruck Paris I96I), bes. S. 47Iff. über die Anfänge der Salbung in Deutschland, auch sonst vielfach aufschlußreich. Juristisch orientiert ist \1(1. ScHÜCKING, Der Regierungsantritt I [mehr nicht erschienen], Leipzig I899; material- und gedankcnreich, deshalb vielfach von Bedeutung F. KER-"1, Gottesgnadentum u. Widerstandsrecht im früheren MA. (Mittelalterliche Studien I z), Leipzig 19I 5 (2.Aufl. I954, Nachdruck: Darmstadt 196z), ebenso E. RosENSTOCK, Königshaus und Stämme in Deutschland zw. 9II u. 1250, Leipzig I 914, der »die strenge Gesetzlichkeit der alten Verfassung« voraussetzt (S. 38 Anm. I), \\·ährend hier gezeigt werden soll, wie sie erst durch einen ganz bestimmten geschichtlichenVerlauf ausgebildet worden ist. Die wichtigsten Zeugnisse sind abgedruckt bei M. KRAMMER, Quellen zur Gesch. der deutschen Königswahl und des Kurfürstenkollegs I, 2. Aufl., Leipzig-Berlin 1925 (Quellensammlungzur Deutschen Geschichte). 9 V gl. zum folgenden C. ERD MANN, Der ungesalbte König, im Deutschen Archiv II,
Der Brauch im Ostfrankenreich
a) Lttdwig der Detttsche (f 876) Dieser Enkel Karls des Großen begnügte sich zeitlebens mit dem schlichten Königstitel, verbunden mit der Dei Gratia-Formel 10 • Es gibt keine Anhalte dafür, daß er sich einer Bulle bedient hätte 11 ; sein Siegel ist konventionell gehalten und erlaubt daher keine Rückschlüssel2. Fresken sind nicht erhalten; die einzige Miniatur, die Ludwig abbildet, stellt ihn als noch jungen Mann kniend unter dem Kreuze Christi dar: aus Respekt vor diesem ohne Herrschaftszeichen - für unsere Zwecke wirft dieses Buchbild also nichts ab 13 • In der Öffentlichkeit zeigte sich Ludwig in jenem reichgeschmückten, farbenfrohen Ornat, den bereits sein Großvater, der große Karl, bei festlichem Anlaß getragen hatte. Notker Balbulus, der Dichter, der ihn in St. Gallen zu Gesicht bekam, hat die Einzelheiten beschrieben 14 • Daß Notker in seinem Geschichtswerk Ludwig rex vel imperator totius Germaniae nennt und noch die Namen aller von ihm beherrschten Gebiete anhängt, würde an sich nicht viel hergeben, da in den nicht-offiziellen Zeugnissen manche überschweng1938 S. 3II-40. Er verfocht die These, die Tradition der Salbung habe sich im Karolingerreich, auch im ostfränkischen Teil, ununterbrochen erhalten. Da jedoch die - durch Zeugnisse nicht belegbare - Meinung bestanden habe, nur der Papst könne sie vollziehen, sei sie verschoben und - wenn es zu keiner Begegnung mit dem Nachfolger Petri kam- unterlassen worden (s. bes. S. 3I 8). Dagegen I95 5 LrNTZEL (s. unten S. 302 Anm. 6r) S. 25 ff., der dieser These entgegenhielt, so oder so habe die Salbung ihre Bedeutung verloren; erst seit den siebziger Jahren habe sie diese wieder zurückgewonnen, als schwache Könige ihrer als Rechtsstütze bedurften. Das entspricht der von mir im Erstdruck vertretenen, hier festgehaltenen Auffassung. Die in diesem Zusammenhang herangezogene Formel: a Deo coronatus in den >Laudes< beweist gar nichts, da sie traditionell ist (V gl. dazu jetzt Bd. I S. 238 f. ). Über ältere Ansichten vgl. E. EICHMANN, Die sog. Römische Krönungsformel, in Histor. Jahrbuch 45, I925 S. 544f. ro Vgl. oben S. 89. I I V gl. oben S. 57 ff. I2 P. E. S., Die deutschen Kaiser u. Könige in
Bildern: a) Abb. 39a: Wachssiegel mit der Umschrift: t Hludovicus rex, nachweisbar 83I-61, mit Krone, Schild und Speer im Profil (frei anknüpfend an die Bullen des Vaters, Abb. I 3a-b, die den Herrscher jedoch frontal abbilden), und b) Abb. 4oa: eine römische Kopfgemme ohne Kennzeichen mit der hinzugesetzten, an die Königsbulle Karls d. Gr. anknüpfenden Umschrift: t Christe, prolege H!udoicum regem (nachweisbar 833-75, um 865 gesprungen, trotzdem weiter benutzt und an die Nachfolger vererbt). 13 Dieses Buchbild, das von mir 1929 auf Ludwig den Deutschen bezogen wurde (Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern Abb. 38), wurde dann dem Vater zugeschrieben und zwar der Zeit, in der Ludwig der Fromme König von Aquitanien war, also in die Jahre vor 8I3. Diese Deutung ist jetzt nicht mehr haltbar; vgl. die Nachträge inBd. V. 14 I cap. 34 (Mon. Germ., Script. rer. Germ. N. S. XII, 1959 S. 46f.; danach P. E. S. und FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München 1963 S. 95, dazu S. 45).
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 919)
liehen Bezeichnungen verwandt worden sind 15 • Aber auch in der Datierungszeile einiger St. Galler Urkunden heißt Ludwig nicht rex, sondern imperator 16 • Das gleiche ist der Fall in zwei Fuldaer Urkunden. Was besagt das? Zu scheiden sind die Belege aus der Zeit vor 875: aus ihnen ist nur herauszulesen, daß Ludwig nach Lotbars I. Tod als >Hegemon< der Sippe angesehen wurde. Eine neue Lage entstand, als Karl der Kahle entgegen Ludwigs Absichten die Kaiserwürde an sich riß 17 • Das hat nicht nur bei dem Oheim, sondern auch weithin im ostfränkischen Reich Unwillen ausgelöst; Beleg dafür sind u. a. die Fuldaer und St. Galler Urkunden. E. E. STENGEL, der sie neu geprüft hat, kommt zu dem Ergebnis, daß man sie ansprechen dürfe als Zeugnisse für »die Vorstellung eines ostfränkischen Imperators ... , eines hegemonischen Kaisertums, das mit dem römischen, wie es Karl der Kahle soeben aus der Hand des Papstes empfangen hatte, sich wohl messen dürfe« 1 s. Da Ludwig der Deutsche bereits am z8. Aug. 876 starb, kam es nicht mehr dazu, daß er in dieser Frage eine bejahende oder verneinende Stellung bezog. Mit einem Papst war Ludwig nur einmal in seiner langen Regierungszeit zusammengetroffen, und zwar erst an deren Ende (Verona 874). Damals hätte also die Möglichkeit bestanden, daß er sich noch vom Oberhaupt der I<:irche salben ließ wie sein Bruder Lotbar I., wie sein Neffe Ludwig II. Aber davon hören wir nichts, so daß wir schließen dürfen: Ludwig starb als mngesalbter König< 19 • Zu denken gibt, daß Ludwig nicht mehr den Ehrgeiz hatte, sein Bild auf Münzen zu sehen, wie es unter seinem Großvater und Vater der Brauch gewesen war und in den Reichen Lotbars I. und Karls des Kahlen der Brauch blieb. Auch seine Nachkommen kannten solchen Ehrgeiz nicht; unter ihnen nehmen die ostfränkischen Münzen an künstlerischer Qualität sogar noch weiter ab. Die >Laudes <, die seit Karl dem Großen in Frankreich üblich geworden waren, wurden unter Ludwig dem Deutschen und seinen Nachkommen fortgesetzt, ohne daß etwas an ihrem Text verändert wurde 20 - wir können uns deshalb damit begnügen, dieses Faktum zu verzeichnen. 15 Vgl. dazu oben S. 75ff. r6 Vgl. zum folgenden E. E. STENGEL, Kaisertitel und Souveränitätsidee. Exkurs: Über den Kaisertitel Ludwigs des Deutschen, im Deutschen Archiv III, 1939 S. r-56, bes. S. 5off. (wieder abgedruckt in: Abband!. u. Untersuchungen zur Gesch. des Kaisergedankens, Köln-Graz 1965 S. 241-86, bes. s. 283ff.). I7 Vgl. oben S. II9 ff. T8 A.a.O. S. 286. 19 ERDMANN a.a.O. gibt die Möglichkeit zu,
meint aber, daß »die etwaige Lücke für das spätere Traditionsbewußtsein nicht von wesentlicher Bedeutung« gewesen sei. 20 B. ÜPFERMANN, Die liturgischen Herrscherakklamationen im Sacrum Imperium des Ma.s, Weimar 195 3 hat alle erhaltenen Formulare abgedruckt. Vgl. hier: I, 5 (S. ro6ff.) aus St. Gallen (8 58-67): Ludwig der Deutsche und Hemma (vgl. dazu, FLECKENSTEIN, s. die folgende Anm., S. 173); I, 7 (S. rrof.), zum Text R. ELZE in der Zeitsch. für Rechtsgesch., Kan. Abt. 40, 1954 (S. zr8-zr),
Ludwig der Deutsche und seine Söhne
Zur Durchführung seiner Geschäfte bediente sich Ludwig wie sem Vater der Hofkapelle, und das haben auch noch seine Nachfolger sowie Konrad I. getan. Sie alle setzten die Tradition fort, aber überließen es der Kirche, für die Bildung zu sorgen. Sie brachten nichts Neues hinzu und konnten nicht verhindern, daß - je mehr ihre Macht schwand - auch die Bedeutung ihrer Hofkapelle schließlich bis zur Bedeutungslosigkeit abnahm 21 • Für die Folgezeit wurde wichtig, daß seit dem ausgehenden 9· Jahrhundert der Erzbischof von Mainz auch Erzkanzler war, die tatsächliche Geschäftsleitung aber beim Kanzler lag. Überblickt man die Regierungszeit dieses Karolingers, die sich über ein halbes Jahrhundert erstreckte, dann ergibt sich das Bild eines Mannes, dem es von Jugend auf selbstverständlich war, daß ihn die Königswürde weit über die Laienschaft hinaushob und er verpflichtet war, die Tradition seines Geschlechts hochzuhalten. Aber er hat sich anscheinend - ganz im Gegensatz zu Karl dem Kahlen - nie ernstliche Gedanken gemacht, mit welchen Argumenten seine Würde sich noch besser abstützen ließ und mit welchen sinnfälligen Akten der Welt noch wirkungsvoller als bisher vor Augen geführt werden konnte, daß er viel mehr sei als selbst die Größten seines Reiches. In einer Geschichte der Königsidee ist Ludwig der Deutsche also nur zu registrieren; denn aus vielen Jahrzehnten läßt sich kein neues Faktum beibringen, das etwas Neues oder anderes bedeutet hätte.
b) Die Siihne Ludwigs des Deutschen Karl der Große hatte seine Söhne zu seinen Lebzeiten salben lassen; unter Ludwig dem Frommen war nur der älteste Sohn im Zusammenhang mit der Erhebung zum Mitkaiser solcher sakramentalen Weihe teilhaftig geworden. Ludwig der Deutsche sah bezeichnenderweise davon ab, bei seinen Lebzeiten in dieser Hinsicht etwas für seine SöhneKarlmann (t 88o), Lud wig III. (t 88z) und Karl III. (t 887) zu tun. Karlmanns Siegel zeigt- im Gegensatz zu dem des Vaters- nur einen (bekränzten?) Kopf im Profil ohne Waffen. Als Vorbild hatte vermutlich die zweite Bulle des Kaisers Ludwig II. gedient, dessen Erbe Karlmann zu sein beanspruchte 22 • Ludwig III. benutzte das Siegel seines Vaters mit dem Baddanskopf weiter, obwohl die Gemme bereits einen Sprung aufwies. aus Corvey (887-90): Arnulf. Über die Benutzung der Formel munus divinum in der Kanzlei Ludwigs des Deutschen s. oben s. 65f. 21 Diesen Vorgang hat eingehend dargestellt J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deut-
sehen Könige, I, Stuttgart 1959 (Schriften der Mon. Germ. hist. 16, I) S. 165-228 (s. bes. S. zz6ff.). 22 P. E. S., Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern, S. 64 mit Abb. 22 c und 40.
3D. Salbung und Krönung bei den~Ostfranken (bis 9I9)
c) Kar! III. (der Dicke) (S76-SS) Dieser Karolinger wurde - genau so wie sein Vater und seine Brüder - vor oder bei dem Antritt der Herrschaft nicht gesalbt. Aber im Laufe seines Lebens ist - wie P. KEHR 23 und C. ERDMANN 24 geklärt haben- er doch noch seiner cansecratia teilhaftig geworden. Erwähnt wird der Jahrestag (6. Jan.) dieses Ereignisses in zwei Urkunden, von denen die eine sich auf das Kloster Reichenau 25 , die andere auf Fulda 26 bezieht. Aus dem Datum ergibt sich, daß es sich nur um den Epiphanientag des Jahres 88o handeln kann, den Karl in Ravenna verbrachte; und da er in diesen Tagen dort nachweislich mit dem Papst J ohann VIII. zusammentraf, muß dieser der cansecratar gewesen sein. Also- dieser Schluß drängt sich auf- eine Salbung, die sich auf die Karl Ende 879 zugefallene Herrschaft über Italien bezog? Schon C. Erdmann hat darauf hingewiesen, daß in diesem Falle kein Anlaß vorgelegen hätte, den Konsekrationstag auch in deutschen Urkunden zu erwähnen; mochte also bei dieser Weihe zunächst an Italien gedacht sein, bezogen wurde sie »auf die Königswürde schlechthin« 27 • Da Karl im Jahre 886 auch Herr des Westfrankenreichs wurde, hätte es nahe gelegen, daß er seine fragwürdige Machtstellung gemäß dem dort eingebürgerten Brauch abgestützt hätte - es liegt jedoch kein Anlaß vor, solche Akte anzunehmen. Als König hat sich Karl mit dem traditionellen Titelrex ohne Zusatz begnügt; als Kaiser hieß er wie üblich imperatar augustus 28 • Als König benutzte er ein Wachssiegel mit einem - der Bulle Karls des Kahlen entsprechenden - bekränzten Kopf im Profil mit der Umschrift Karalus rex 29 , als Kaiser zwei ähnliche Stempel mit der Legende: Karalus imp(eratar) aug( ustus) sowie zwei weitere, die an das Profilbild des Vaters mit Schild und Lanze anknüpften, aber dessen Krone durch den Lorbeerkranz ersetzten. Als Kaiser war Karl auch veranlaßt, sich eine Bulle zu beschaffen: sie wies gleichfalls den bekränzten Kopf im Profil und auf der Rückseite die traditionelle Inschrift auf: Renavatia regni Franeorum 30 • Die Qualität sowohl der Siegel als auch der Bulle ist gering; Buchbilder sind von diesem Karolinger nicht erhalten 31 • 23 Mon. Germ., Urkunden der deutschen Karolinger II, I, 1936 EinleitungS. XL und Vorbemerkung zu D. K. III. 132. 24 C. ERD MANN, Der ungesalbte König, im DeutschenArchivii, 1938 S. 3II-4o, bes. S. 3I6ff. 25 Stiftung einer Messe durch den Bischof Chadolf von Novara (ERDMANN a. a. 0. S. 316). 26 D. K. III. 132. 27 So ERDMANN a. a. 0. S. I 37; doch folgen wir nicht seiner Folgerung, die consecratio sei so lange hinausgeschoben worden, weil Kar! das Zusammentreffen mit einem Papst abwarten wollte.
28 Vgl. oben S. 86. 29 Vgl. zum Folgenden P. E. S., Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern Abb. 42 a-b, 43a-b. 30 Über die Erweiterungen des >Pactum<, die Kar! III. dem Papstzugestehen mußte, um zum Kaiser gekrönt zu werden, vgl. E. E. STENGEL, Die Entwicklung des Kaiserprivileges für die röm. Kirche, in der Histor. Zeitschrift I 34, I9z6 S. z38f. (in den GesammeltenAufsätzen des Verf.s noch nicht neu gedruckt). 3I Die von mir noch diesem >Karolus< zugeschriebene Miniatur in der Bibel von San
Kar! III. und Arnulf
Aus den >Casus s. Galli< ist zu entnehmen, daß Karl bei seinem Besuch des Klosters sein signifer voranritt mit dem Iabarum, d. h. mit einer bewimpelten Lanze (wie wir sie bald darauf auf dem Siegel Konrads I. abgebildet finden werden) - so wird es schon vorher der Brauch gewesen und auch nachher geblieben sein 32 • Nirgendwo ist also in dieser Regierungszeit, die immerhin ein Dutzend Jahre umfaßte, irgendein bezeichnender Zug zu entdecken, obwohl die Wiedervereinigung der drei Stammländer der >staatssymbolischen< Phantasie doch Anstoß hätte geben müssen.
d) Arnulf (887-99) Dieser Karolinger kam in irregulärer Weise auf den Thron 33 , bedurfte also der moralischen Stützen für seine Herrschaft. Trotzdem erfahren wir nichts von einer Salbung. Er erhielt sie erst bei seiner Krönung zum Kaiser in Rom (896): er war der zweite und blieb der letzte aus der ostfränkischen Linie des Karolingergeschlechtes, der vom Papst konsekriert wurde. Wenn Arnulf und seine Begleitung sich Gedanken darüber gemacht haben, was das für ihn bedeute, kann man der von C. ERDMANN im Rückblick auf Karl III., den Vater, gezogenen Folgerung zustimmen: »Arnulf Paolo fuori Je mura (Abb. 41) stellt - wie E. KA:-;;roRowrcz schlagend nachgewiesen hat- Karl den Kahlen dar (vgl. P. E. S., Der Kg. von Frankreich II, Neudruck Darmstadt r96o, S. ro). In der Neubearbeitung meiner >Herrscherbilder< werde ich außerdem die Pause eines r 8 55 in London vorgelegten, seither verschollenen lang-ovalen Bronzestempels behandeln mit der Umschrift: KarJus Ip. Ag. im Inneren und der Umschrift: Renovatio Regni Franc., was der Bulle Karls III. entspricht. Ich führe dort aus, daß es sich wahrscheinlich um eine moderne Erfindung handelt. - Vgl. Korr.-Nachtrag S. 305. 32 P. E. S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart 195 5 s. 654, 6n 33 Zur Frage, ob Arnulf der Treibende war, vgl. W. ScHLESINGER, Kaiser A. und die Entstehung des deutschen Staates und Volkes, in der Histor. Zeitschr. r63, 1941 S. 457-70, für den das Schwergewicht bei den Stämmen liegt, und G. TELLENBACH, Zur Gesch. Kaiser A.s, ebd. 165, 1942 S. 229-45, der in Arnulf die Schlüsselfigur sieht (beide Aufsätze wiederholt in: Wege der Forschung I
>Die Entstehung des Deutschen Reiches. Deutschland um 900<, hrsg. von H. KÄMPF, Darmstadt 1956 S. 94-ro9, 135-52); dort auch M. LrNTZELS Aufsatz aus der Histor. Zeitschrift r66, 1942 S. 457ff. über Karls III. Sturz, der zu unserem Thema nichts beiträgt. Zu TELLENBACHS voraufgehendem Buch vgl. auch noch die Besprechung von H. MrrTEIS in der Histor. Zeitschr. r6r, 1940 S. 568-72 (W. ScHLESINGER zuneigend). Vgl. jetzt H. KELLER, Zum Sturz Karls IIl, im Deutschen Archiv 22, 1966 S. 333-84, der die Anteile der Beteiligten sondert. Auf die Form der Erhebung geht W. SCHLESINGER ein (S. 462f.): vorher >Einladung< und Unterwerfung unter Arnulfs Herrschaft, wobei lehnsrechtliche Formen eindringen. »Die Unterwerfungunter Arnulfs >Herrschaft< ist nichts anderes als eine Königswahl« (S. 462). Die Worte ad regem extollere bezieht ScHL. auf Schilderhebung, Investitur (mit der Lanze?) und Thronsetzung als die drei Akte, die den Antritt der Herrschaft sichtbar machen. Das geschah ohne Mitwirkung der Bischöfe; doch stellte sich Arnulf anschließend gut mit ihnen.
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 919)
v.rurde damit auch für sein ostfränkisches Königtum >Gesalbter des Herm< 34 .« Aber in seinem Fall ist nirgendwo eine Auswirkung davon zu entdecken. Von dem Hort, den Arnulf sein Eigen nannte, haben wir noch eine gewisse, wenn auch nicht vollständige Vorstellung 35 • Der Kaiser gelangte, da der westfränkische König auf sem Wohlwollen angewiesen war, in den Besitz des >Codex aureus< und eines herrlichen Ziborium, die für Karl den Kahlen angefertigt worden waren, sowie eines Schmuckkastens aus dem Besitz seiner Gemahlin Richilde. Der Codex wird heute von der Münchener Staatsbibliothek, der Tragaltar, den Arnulf laut hinzugefügter Inschrift dem Kloster St. Emmeram in Regensburg schenkte, in der >Schatzkammer< der Münchener Residenz verwahrt. Den Kasten schenkte er seinem Kanzler, dem Erzbischof Hatto von Mainz, der ihn als Abt des Klosters Ellwangen diesem überließ - er wurde neuerdings wiederentdeckt. Wir wissen außerdem, daß Arnulf St. Emmeram auch sonst noch königlich ausstattete. Er gab prunkvolle Stoffe her, einen silbernen Tisch für das Ziborium, weitere Prunkhandschriften sowie eine, wenn nicht gar zwei Kronen - kurz: tott~m palatii ornaft~m, wie es in einer Beschreibung seiner Gaben heißt. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß bereits in dieser Zeit die Herrscher mehr als eine Krone ihr Eigen nannten und Arnulf dem König Odo von Frankreich eine Krone sandte, die Ausdruck seiner Oberherrschaft war 36 • Trotz dieses Reichtums gibt es keine Zeichen, daß Arnulfs Hof ein künstlerisches Zentrum bildete, in dem nicht nur Geschenke angesammelt und weiterverschenkt, sondern auch selbst geschaffen wurden. Auch von einer geistigen Ausstrahlungskraft ist nichts zu spüren. Über die Ti tel dieses Karolingers ist abermals nichts zu vermerken, da sie sich an die Tradition hielten 3 7. Wie steht es mit den Siegeln und Bullen? 38 Nachdem König Arnulf zunächst eine Gemme mit dem Kopf einer Bacchantin - zum dritten Mal in der Geschichte des Geschlechts - benutzt hatte, ließ er sich Kopfsiegel mit Kranz, Schild und Speer schneiden, die an das des Vaters anschlossen. Auf dem Kaisersiegel wurde nur der Titel geändert und die Lanzenspitze in ein Kreuz abgeändert 39 • Die 34 A. a. 0. S. 318. 35 Vgl. zum Folgenden P. E. S.- FLORENTINE MürHERICH, Denkmale der deutschen Kge. u. Kaiser, München 1962 S. 138f. mit Abb. 59-6r und oben S. rroff. Arnulf gab dem Kloster Fulda das diesem früher einmal entfremdete Cadmug-Evangeliar zurück, eine irische Handschrift des 8. Jahrh.s, die wohl als Reliquie angesehen
wurde (jetzt Cod. Bonif. 3 der Fuldaer Landesbibliothek; s.: DenkmaleS. 138 mit Abb. 36 37 38 39
59l· S. oben S. 157. S. oben S. 86 f. SCHRAMM a. a. 0. Abb. 44a-b. Man könnte die Frage aufwerfen, ob hier nicht an einen Schild, sondern an einen Reichsapfel mit langschäftigem Kreuz zu
Kaiser Arnulf
Kaiserbulle, auf der Rückseite mit der traditionellen >Renovatio<-Umschrift, zeigt auf der Vorderseite einen Kopf mit Krone, Schild und Speer, diesmal jedoch nach links gekehrt und die beiden Waffen rechts und links angebracht: der Qualität nach bescheiden, wenn auch nicht so schlecht wie manche der voraufgehenden Stempel. Untergegangen ist ein Fresko im Oratorium des Hlg. Laurentius, das am Abhang des Monte Celio in Rom lag, das Christus, rechts und links flankiert von je zwei Heiligen, darstellte - wir besitzen von diesem nur noch eine um r689 angefertigte Bleistiftskizze 40 • Zur Linken Christi war kniend der Papst Formosus (891-96) dargestellt (auf der Skizze nur noch in Umrissen markiert, da damals bereits zerstört, aber inschriftlich gesichert). Auf der Rechten war- ihm entsprechend - ein älterer, kniender Laie mit Bart zu sehen. Obwohl er durch keine Krone kenntlich gemacht ist, wird wohl Arnulf gemeint sein. Denn nur ein Kaiser konnte mit dem Papste korrespondierend dargestellt werden; auch so bleibt es erstaunlich, daß der Maler des Freskos dem Laien die rechte, dem Oberhaupt der Kirche nur die linke Seite zuwies. Dem Kaiser mag diese Ehrung durch die Anbringung seines Bildes zugefallen sein, weil er dem Oratorium seine Gnade hatte zukommen lassen. Über die Gedanken, die ihn, den Nichtvollbürtigen, der zur Kaiserkrone gelangt war, nach so hohem Aufstieg bewegten, vermag das Fresko nichts auszusagen. Abermals ist festzustellen: die >Staatssymbolik< hat auch in der Zeit des letzten ostfränkischen Kaisers nichts Neuartiges und Eigenes zu verzeichnen.
e) Zwentibold, J9 5 Kiinig von Lotharingien Bis zu Arnulf hatte das Ostreich nicht Teil gehabt an der Entwicklung, bei der das Westfrankenreich die Führung an sich gerissen hatte und die seither ein Land nach dem andern in ihren Bannkreis zog. Das wurde erst anders im Jahre 895, als Arnulf seinen nicht vollbürtigen Sohn Zwentibold nach einem vergeblichen Anlauf im Vorjahre zum König in Lotharingien erheben konnte. Den Rahmen dazu gab eine Synode in Tribur, der die drei vornehmsten Geistlichen, Hatto von Mainz, Hermann von Köln und Ratbod von Trier, beiwohnten 41 • An sie schloß ein Hoftag in Worms an, der durch die Anwesendenken ist. Aber dieser wird erst wieder auf Bildern Karls des Kahlen (nicht jedoch auf dessen Bullen und Siegeln) wiedergegeben, und zwar ohne überhöhendes Kreuz; vgl. P. E. S., Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart 1958 Abb. 48-50. Man müßte also schon annehmen, daß dem Stempelschneider eine byzantinische Münze mit langschäftigem Kreuz auf der Kugel (vgl. z. B. ebd. Abb. II-25) bekannt gewesen sei.
40 Vgl. die Neubearbeitung meiner >Herrscherbilder< und Bd. I S. 232 Anm. 47· In Betracht käme auch Wido, der 892 zusammen mit seinem Sohn Lambert von Formosus zum Kaiser gekrönt wurde. Doch war Wido mit ihm danach verfeindet; auch wäre dann wohl sein Sohn mit abgebildet. 41 Teilnehmerliste im Synodalprotokoll (Mon. Germ.,Capitul.IIS. 2rof. = Nr. 252).- Zum Datum (zw. 14.-30. Mai) vgl. Mon. Germ.:
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 9I9)
heit des westfränkischen Königs Odo ein besonderes Gepränge erhielt. In semer Gegenwart wurde Zwentibold zum König erhoben. Nimmt man die Zeugnisse 42 beim Wort, dann übergab ihm der Vater die Krone, und da Arnulf wenige Jahre vorher den König Odo mittels einer Krone belehnt hatte 43 , so hat diese Auslegung viel für sich, wenn auch sonst ähnliche Wendungen vielfach nur bildlich zu verstehen sind. Auch darf man darauf hinweisen, daß der Geist dieser Zeit für solche Handlungen eine sinnfällige Einkleidung verlangte; irgendeinen Akt muß also Arnulf vollzogen haben, um die concessio des regnum Lotharii sichtbar zu machen. Seiner Tat entsprach dann die Anerkennung durch die Großen, die für die neuen Untertanen das Wort führten. Sie stimmten, wie Regino es treffend ausdrückt, zu und erteilten ihre collaudatio, ihr >Vollwort< 44 • Diese weltlichen Handlungen waren schließlich auch mit einer kirchlichen verbunden, in der Zwentibold >benediziert<, also geweiht, vielleicht sogar gesalbt wurde. Anhalte für die Reihenfolge der einzelnen Akte fehlen. Man darf mutmaßen, daß der neue König zuerst gesalbt, dann von seinem Vater mit der Krone investiert wurde. Jedenfalls ist jetzt ein kirchliches Element zu den weltlichen hinzugekommen. Daß gerade diese Königserhebung innerhalb des ostfränkischen Zweiges zu einer Die Urkunden der deutschen Karolinger IV: Zwentibold u. Ludwig das Kind, hrsg. von TH. ScHIEFFER, Berlin 1960 S. 14, der S. 3 f. einen Überblick über Zwentibolds Regierung bietet (vgl. auch DERS., Die lothring. Kanzlei um 900, im Deutschen Archiv q, 1958 S. I6ff., auch gesondert erschienen). 42 Ann. Puldenses ad a. 895: (nach Angaben über die Synode, den Hoftag und König Odo) Zwentibaldus ergo filius regis infulam regni a patre suscipiens in Burgundia et omni Lotharico regno receptis eiusdem regni primoribus rex creatus es! (rec. FR. KuRZE 189I; Script. rer.
Germ. in us. schol., S. 126) - Ann. V edastini ad a. 895: Rex vero illum (Odonem) cum honore excoepit ... , filiumque suum rex Arnu!fus in praesentia Odoni regis nomine Zuendebolchum benedici in regem jecit eique concessit regnum quondam Hlotharii (Ann. Xantenses et Ann.
Ved., rec. B. de Simson I909; ebd. S. 75). Reginonis Chron.ada. 895: (innerhalb Angaben wie in den Ann. Fuld.) in quo conventu omnibus assentientibus atque co!laudantibus Zuendibolch filium regno Lotharii prefecit (rec. FR.
KuRZE I 890; ebd. S. I43). 43 ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. I4of. (jetzt:
oben S. I 57 f.). 44 Ebd. S. 147f. (S. r63f.) die analoge Entwicklung im Westfrankenreich von 869 bis 1059·Das von TH. Lr>Laudes< ganz für sich zu stellen wären; vgl. auch DERS., Der Elector u. die Laudatio bei den Königswahlen in Frankreich im V ergleich mit den deutschen Verhältnissen, in: Mitt. des Inst. f. österr. Geschf. I9, I898 S. 40 I ff. Über die sich an diese Schriften ananknüpfende Kontroverse und andere Versuche, e!ectio, Iaudatio usw. zu scheiden, s. K. G. HuGELMANN, Der Einfluß Papst Viktors II. auf die Wahl Heinrichs IV., ebd. 27, I9o6 S. 226ff. Zur weiteren Geschichte Zwentibolds vgl. H. BEUMANN, König Z.s Kurswechsel im Jahre 898, in den Rhein. Vierteljahrsblättern 3 I, I966/7 S. q-4I,
Zwentibold und Ludwig IV. das Kind
Weihe führte, ist nicht weiter erstaunlich. Noch 894 hatten sich die lothringischen Großen gegen den ihnen zugedachten König gesträubt, und wenn sie jetzt ihre Zustimmung aussprachen, so mußte es doch ratsam erscheinen, Zwentibold noch einen weiteren Rechtstitel als Wahl und Ernennung durch den Vater zu verschaffen. Ein Vorbild hatte gerade für den lothringischen Bereich schon Karl der Kahle aufgestellt, als er sich 869 in Metz als Nachfolger Lothars II. salben und krönen ließ. Anwesend war ja auch der westfränkische König, der zur besseren Sicherung seines angreifbaren Thronrechts gleich zweimal gekrönt worden war 45 und nun mit Rat und Auskunft geholfen haben mag. In seiner Teilnahme wird jedenfalls sinnfällig, daß der Osten jetzt in den Bannkreis der westfränkischen Entwicklung eintritt und sich anschickt, das Versäumte nachzuholen.
f) LudJvig IV. das Kind (900) Leider sind die Angaben über die Art, wie Ludwig das Kind in die Herrschaft eingeführt wurde, so spärlich, daß die Forschung sie verschieden ausgelegt, bzw. ergänzt hat. Arnulf hatte bereits 897 nicht nur sich, sondern auch seinem Sohne den Treueid leisten lassen 46 • Zwei Monate nach seinem Tode kam es dann am 4· Februar 900 in der Pfalz Forchheim bei Bamberg zur Einweisung seines Erben durch die dort versammelten proceres et optimales. Nach Regino, der allein Näheres zu berichten weiß, machten sie ihn zum König 47 - was der Collaudatio von 895 entspricht-el coronatum regiisque ornamentis indutum in fastigio regni sublimant. Ob das auf eine Thronsetzung gedeutet werden darf, ist zweifelhaft, da es sich um eine bekannte liturgische Sprachwendung handelt4s. 45 ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. I40 (jetzt: oben S. I57f.). 46 Hermann von Reichenau: Chron. ad a. 897:
timates, qui sub dicione Arnulji fuerant, ad Foracheim in unum congregati Ludmvicum ... regem super se creant et coronatum etc. Fälschlich er-
Arnolfus imp., habito conventu, nu!li ftdens sacramentum ftde!itatis denuo sibi et ftlio parvulo Ludowico a cunctis exigit (Mon. Germ., Script. V
schließt daraus eine kirchliche Weihe J. ScHuR, Königtum u. Kirche im ostfränk. Reiche vom Tode Ludwigs d. D. bis Konrad I. (Görresgesellsch., V eröff. der Sektion f. Rechts- u. Staatswiss. 57), Faderborn 1931 s. 55· 48 So in einer der Gregorianischen Synodalmessen, vermutlich geradezu durch sie bedingt: Deus, qui famulum tuum N. regni fastigio dignatus es sublimare (u. a. eingebaut in den >Mainzer Ordo< von ca. 960). Danach wäre sie metaphorisch zu verstehen wie Wipo zu I028 (Krönung Heinrichs III.): in regalem apicem ... sub!imari (vgl. dazu Band III). Die ältere Lit. über den Brief Hattos von Mainz, der Angaben über Ludwigs Erbe-
S. I I I). Eine Psalterinschrift rechnet Ludwigs Ergreifen des >Szepters< von 897, siehe E. DüMMLER, Gesch. des Ostfränk. Reiches IIP, Leipzig I888 S. 457 Anm. I, der deshalb im Text vermutet, daß der Erbe damals »zum Könige gewählt und eingesetzt« worden sei; das geht zu weit. V gl. hier und im folgenden FR. BECKER, Das Königtum der Thronfolger im Deutschen Reich des MA.s, Weimar I9I 5 (Quellen u. Studien zur Verfass.Gesch. d. Deutschen Reiches V 3). - Vgl. dazu TH. ScmEFFER in Dip!. IV a. a. 0. S. 75. 47 Ad. a. 900 (a. a. 0 I47f.): ... proceres et op-
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 9I9)
Halten muß man sich an die eindeutige Angabe über die >Einkleidung< des Königs, die auch die Übergabe einer Krone einschließt, da sie vor allem einen König auszeichnete. In Worms hatte sie der Vater Zwentibold gespendet. Wem diese Ehre diesmal zufiel, ist völlig dunkel. Zu der Annahme, daß es ein Geistlicher war, fehlt jeder Anhalt 49 • Zu einem so geschmückten König aber gehört auch das Sitzen auf einem Thron. Von jener Synode in Tribur, die Zwentibolds Krönung vorausging, kehrte Arnulf zur Königspfalz zurück: sedit solium indutus veste splendidissima 50 • Dadurch ist ein Anhalt gewonnen, um sowohl die gleichfalls nicht eindeutigen Angaben über Arnulfs Erhebung 51 als auch die über Ludwigs IV. sublimatio auf eine konkrete Thronsetzung zu beziehen. Von einem kirchlichen Akt ist nicht die Rede. Aber da Regino, der einzige Gewährsmann von Belang, ihn auch 895 nicht erwähnt, obwohl er damals sicher stattfand, ist ein Schluß aus seinem Schweigen bedenklich. Auch kann man darauf hinweisen, daß es auffällig wäre, wenn 895 und 91 r Salbungen stattfanden, aber 900 nicht. Hätte allerdings Forchheim mit seiner Pfalzkapelle einen würdigen Rahmen für eine große kirchliche Feier abgegeben? Nun zwingt ja nichts dazu, eine unmittelbar anschließende Salbung anzunehmen. Sie könnte allenfalls in Regensburg oder auch in Augsburg und Mainz, wo Ludwigs Ratgeber Adalbero und Hatto amtierten, stattgefunden haben. Aber damit kommen wir in ein Gestrüpp von Wahrscheinlichkeiteil hinein, aus dem wir uns besser mit dem Eingeständnis zurückziehen, daß wir über diese Frage gar nichts Festes auszusagen vermögen. Die Siegel Zwentibolds und Ludwigs lohnen kaum der Erwähnung. Beide sind mit der Krone dargestellt: Zwentibold ohne, Ludwig mit Waffen. Hervorzuheben ist nur, daß sie auf Ludwigs letztem Stempel besser verteilt sind als bisher: er hebt den Schild mit der Linken und schultert den Speer mit der Rechten52 - es mag sein, daß dem Stempelschneider eine alte Münze oder Gemme zu Hilfe gekommen war. bung enthält und bereits von E. DüMMLER als Fälschung nachgewiesen wurde, aber doch noch Verteidiger fand, bei E. MüHLBACHER, Die Regesten des Kaiserreichs ... 75 I-9I8, P, Innsbruck I9o8 (jetzt neu aufgelegt) Nr. I983d; endgültig schied ihn aus H. BRESSLAU, Der angebliche Brief des Erzb. Hatte von Mainz an Papst Johann XII., in Histor. Aufsätze, K. ZEUMER . . . dargebracht, Weimar I9IO S. 9-30. MüHLBACHER a. a. 0. S. 796 meint, daß Regino von einer Wahl spreche, und nimmt daher eine Wahl an. Wir glauben das in der oben angegebenen Weise modifizieren zu müssen. 49 ÜPPERMANN, Staatsgedanke a. a. 0. S. 6
denkt an Hatto oder den Erzbischof von Salzburg als Erzkapellan, setzt also die Verkirchlichung dieses Aktes schon in dieser Zeit stillschweigend voraus. 50 Mon. Germ., Capitul. II S. zir. Vgl. ebd. S. z I 3 A: Abgesandte werden de trono regis ... ad s. synodum geschickt. Der Thron ist also auch Inbegriff der Pfalz. 5 I Zusammengestellt bei MüHLBACHER a. a. 0. Nr. 1765 I S. 726f.; s. bes. Ann. Vedast. ad a. 887: Arnu!fum ... in regni solio ponunt (a. a. 0. S. 64), daneben auch: in regnum e!evatur; statuerunt ad regem exto!!i usw. 52 P. E. S.: Die deutschen Kaiser u. Kge in Bildern Abb. 46, 47a-b; dazu ScHIEFPER a. a. 0. S. I5 und 92f.
Konrad I.
Als Titel genügte beiden rex ohne Zusatz53 •
g) Konrad I. (9r r) Noch schlechter ist unsere Kenntnis über die an die Wahl Konrads I. anschließenden Vorgänge. Drei Zeugnisse, die man - auf sich gestellt - anzweifeln könnte, ergänzen sich dahin, daß Konrad gesalbt wurde 54 • Aber ungewiß ist, ob dies noch an der Stätte der Wahl, also in Forchheim geschah oder in einer Kirche von größerer Bedeutung- etwa in Mainz, als Konrad 9r2 gegen den Westen zog. Auf diese Stadt führt die Persönlichkeit Hattos, der Zeuge, ja wohl Teilnehmer, wenn nicht Leiter der Salbung Zwentibolds gewesen war und wohl kaum einem andern Geistlichen den Vorrang eingeräumthätt e55 -sehen wir doch gleich, daß sein Nachfolger dasselbe Recht beanspruchte. Das Jahr 9I I brachte also die erste sicher nachweisbare Salbung eines ostfränkischen Herrschers. Mag auch Konrads Vorgänger sie schon empfangen haben, in diesem Falle hatte sie eine besondere Bedeutung; denn Konrad schob Ansprüche des Blutsrechts beiseite, bedurfte also einer besonderen Sicherung. Ob er der Geistlichkeit über die Salbung hinaus auch das Recht eingeräumt hat, ihm die Krone aufzusetzen, ob er sich vorher wie Ludwig das Kind von den Wählern >investieren< ließ oder dieses Recht wie im Westfrankenreic h dem Klerus zubilligte- alles das sind unbeantwortbare Fragen. Man sieht nur den Ausgang: durch die Konflikte mit den Fürsten wird Konrad immer mehr auf die Hilfe der Kirche angewiesen, so daß es so scheinen mochte, als wenn dies die notwendige Folge davon gewesen sei, daß er beim Antritt der Regierung seine Herrschaft durch die Geistlichkeit hatte weihen lassen. Daß Konrads Siegel sich möglichst genau an das seines Vorgängers hielt, versteht sich leicht: de facto war eine Zäsur eingetreten; es empfahl sich daher, bildlich über sie hinwegzutäusch en56 • Bemerkenswert ist nur, daß hier die Lanze bewimpelt wiedergegeben wird - wir stießen auf eine solche bereits in der Zeit Karls III. Ebenso blieb es beim schlichten rex- Titel. 53 S. oben S. 87. 54 Hermann von Reichenau, Chron. ad a. 9 I I : Caunradus . . . rex: electus et unctus, regnavit annis VII (a.a. 0. S. II2); Widukindi c. I6, Rer. gest. Saxon. libri III, ed. P. HIRSCHH. E. LoHMANN, 1935 S. 27 (Script. rer. Germ. in us. schol.) S. 22 f.: eius [sc. Oddonis ducis J tamen consu!tu Cuonradus . . . ungitur in regem; Synode von Hohenaltheim (9 I 6) §§ 2 I, 23 bezeichnen den König als christus Domini (Mon. Germ., Const. I S. 623 f.). 55 Dies vermutet auch DüMMLER a. a. 0. III
S. 576, der als selbstverständlich voraussetzt, daß Wahl- und Krönungsort identisch gewesen seien. Dafür fehlt jedoch ein wirklicher Anhalt; denn D. K. I. I vom Io. November, das MüHLBACHER a. a. 0. S. 873 (Nr. 207I) als Beleg anführt, sichert nur Ort und Terminus ante quem der Wahl. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings anzuerkennen. An Hatto denkt auch STuTz, Erzbischof a. a. 0. S. III. 56 P. E. S., Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern Abb. 55 a-b.
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 919)
h) Heinrich I. (9I9) Die angebahnte Entwicklung ging nicht in einem Zuge weiter 57 • Heinrich lehnte bekanntlich nach seiner Wahl Salbung und Krönung ab, die ihm der Erzbischof von Mainz anbot. Nach Widukind 58 fand er dafür eine höfliche Form, indem er sich für unwert solcher Ehre erklärte. Aber in Gerhards >Vita Udalrici< 59 klingt nach, daß die kirchlichen Kreise trotzdem verstimmt waren und die Meinung vertreten konnten, ein ungesalbter König sei kein rechter König. Wo Heinrichs wahre Gründe für diesen V erzieht zu suchen sind, ergibt sich aus der Lage: nämlich aus dem Übergewicht, das die Kirche in der Zeit Konrads erworben hatte 60 • Heinrich stellte statt dessen seine Politik auf die Fürsten ab: da konnte er, lose wie das regnum Teutonicorum damals noch geeint war, nicht auch noch enge Beziehungen zu den Bischöfen unterhalten, die andere Ziele als ihre Herzöge verfolgten 61 • 57 Die seit der Auffindung der >Ann. Iuvavenses maximi< abgestützte Erhebung Arnulfs von Bayern zum König in regno Teutonicomm war, soviel wir sehen, nur weltlich und bleibt hier daher unberücksichtigt; s. H. BRESSLAU, Die ältere Salzburger Annalistik, in den Abhand!. der Preuß. Akad. der Wiss., Phii.-Hist. Kl. 1923 Nr. 2 S. 57f.- K. RE1NDEL, Herzog Arnulf und des Regnum Bavariae, in der Zeitschr. f. bayer. Landesgesch. !7, 1954 S. 187-252 (wiederabgedruckt in: Die Entstehung des Deutschen Reiches, hrsg. von H. KÄMPF, Darmstadt 1956 S. 213-88, bes. S. 26off.) hat die Bedeutung dieser Wahl einzuschränken versucht, mich aber nicht überzeugt. 58 I c. 26 (a. a. 0. S. 39). 59 c. 3 (Mon. Germ., Script. IV S. 389), angeführt von Thietmar: Chron. I c. 8, ed. R. HoLTZMA'Wähler<, deren Bedeutung
man später durch die Salbung eindämmte, hatte er schon hinnehmen müssen. ]oH. KRÜGER, Grundsätze u. Anschauungen bei den Erhebungen der deutschen Könige ... 9II-ro56, Breslau 19II (Untersuch. z. Deutschen Staats- u. Rechtsgesch. IIo) S. 42ff. zweifelt das Mainzer Anerbieten an, erklärt aber nicht das unbestreitbare Unterlassen der Salbung. Die Überlegungen von TH. L1ND::<:ER, Die deutschen Königswahlen und die Entstehung des Kurfürstenthums, Leipzig 1893 S. 2off. befriedigen gleichfalls nicht. Zur Lage vgl. ScHUR a. a. 0. S. 66ff. 61 Selbst wenn ich mich auf das W'ichtigste beschränken würde, kann ich die seither erschienene Literatur nicht aufzählen. Ich nenne nur:
M. L1NTZEL, Heinrich I. und die fränkische Königssalbung, Berlin 195 5 (Berichte über die Verhandl. der Sächs. Akad. der Wiss., Phil.-Hist. Kl. 102 Heft 3), wiederabgedruckt in: Ausgewählte Schriften II, Berlin 1961 S. 583-612 (s. dort S. 24o-6o auch das Kapitel: Designation, Königsheil, Wahl und >Kur< Heinrichs I. aus den >Miszellen zur Gesch. des X. Jahrh.s<, in den Berichten der Sächs. Akad. der Wiss. zu Leipzig, Phil.Hist. Kl. roo, 2, Berlin 195 3). L1NTZEL wog noch einmal den Wert der Zeugnisse sorgfältig ab und stellte fest, daß an der Tatsache der Ablehnung nicht zu zweifeln und sie nur durch Heinrich selbst zu erklären sei; Widu-
Heinrich I.
Auf die Salbung durfte Heinrich verzichten, nichtaber auf das Tragen der Krone62, die ihm Konrad I. als Unterpfand seiner Designation gesandt hatte. Vermutlich hat Heinrich sie nach der Wahl aufgesetzt. Nichts steht der Annahme entgegen, daß kinds Motivierung durch die fromme Bescheidenheit des Königs könne man \veder ablehnen noch annehmen: »\'Vas der König . . . tatsächlich dachte und wollte, weiß niemand und kann niemand wissen.« Doch sei deutlich, daß Heinrich eine im Westfränkischen seit längerem, im Ostfrankenreich seit kurzem wieder gepflegte Tradition abgelehnt habe und zwar, um nicht die Herzöge durch den Bund mit der Kirche zurückzustoßen. Zusätzlich rechnete L1NTZEL damit, daß die Sachsen zuviel eigenes Bewußtsein und eigenen Stolz besaßen, um sich den fränkisch-kirchliche n Überlieferungen »sofort und bedingungslos anzuvertrauen« (S. 54). Eine ähnliche Auffassung hatte bereits vertreten H. HEIMPEL, Bemerkungen zur Gesch. König Heinrichs I., Lpz. 1937 (Berichte über die Verband!. der Sächs. Akad. d. Wiss., Phil.-Hist. Kl. 88, 1936 Heft 4), der von der zum Jubiläumsjahr erschienenen Lit. ausging. Auch er sah in der Ablehnung der Salbung Heinrichs Willen, der Geistlichkeit nicht die von ihr im Westfrankenreich bei der Krönung erreichte Stellung einzuräumen; vgl. dazu R. HoLTZMANN im Deutschen Archiv II, 1938 S. 280. Nach G. TELLENBACH, Otto d. Gr., 912-973, in: Die großen Deutschen I, 2. Auf!. Berlin 1956 S. 39 ist ein Kurswechsel unter Heinrich nicht festzustellen; bald nach seiner Erhebung habe er jedenfalls in guter Beziehung zur Kirche gestanden. Es fehle deshalb eine schlüssige Erklärung dafür, weshalb er die Weihe zurückwies. Nach ERDMANNa a. 0. S. 234 wies Heinrich nicht nur den Erzbischof von Mainz zurück, sondern »die karolingische Tradition« als Ganzes, da er in anderer Weise König sein wollte. An Hand der Urkunden legte E. dar, daß unter Heinrich anfangs die Bischöfe keine Rolle spielten und es erst im Laufe der
Jahre zur Bildung einer Hofkapelle kam (vgl. dazu jetzt J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige II, Stuttgart 1966 = Schriften der Mon. Germ. hist. I 6, II, S. 3 ff., bes. S. 4 Anm. 8, wo der Verf. meiner Auffassung zustimmt). Heinrich wollte nach ERDMAN"'s Auffassung »damals nur Heerkönig sein« (S. 337). Während seiner Regierung kam es dann aber doch dazu, daß sich engere Beziehungen zu den Bischöfen ergaben (S. 325-34). Kühn (und unbeweisbar) ist ERDMANNS Folgerung (S. 334-40), daß Heinrich, den ja der Tod daran hinderte, Rom den von ihm geplanten Besuch abzustatten, dort hingestrebt habe, um sich in St. Peter vom Papst weihen zu lassen und auf diese Weise die Geistlichkeit zufriedenzustellen, die ja einen ungesalbten König als >Schwert ohne Griff< bezeichnet hatte. Zu dieser Folgerung kommt ERDMANN auf Grund seiner - ausnahmsweise einmal verfehlten - These, daß nach ostfränkischer Tradition die Salbung durch den Papst angestrebt und deshalb öfter so lange verschoben worden sei, daß der König vorher starb. Meine Auffassung, bei der ich mich auf H.-W. KLEWITZ berufen konnte, s.: Herrschaftszeichen II, Stuttgart 1955 S. 537· Vgl. auch FR. ER."fST in: BR. GEBHARDT, Handbuch der deutschen Gesch. I, hrsg. von H. GRUNDMANN, 8. Aufl. (3. verbesserter Nachdruck), Stuttgart 1957 S. 165-7. 6z Thietmar a. a. 0. betr. Fritzlar: Heinricum coronaverunt ef sibi credita ... regi tune et domif10 commendaverunt. Dieses Zeugnis ist wie seine sonstigen Angaben über die ältere Zeit nicht beweiskräftig. Unter Berufung darauf hat eine >Krönung< ohne Salbung angenommen J. (v. PFLUGK-) HARTTUNG, Die Thronfolge im Deutschen Reiche bis zur Mitte des 11. Jahrh.s, in den Forsch. z. Deutschen Gesch. 18, 1878 S. 141 Anm. I.
3D. Salbung und Krönung bei den Ostfranken (bis 919)
er wie Ludwig das Kind als König >eingekleidet< und auf einen Stuhl gesetzt worden ist. Trifft diese Annahme zu, dann darf man von einer >weltlichen Krönung< sprechen. Aber Belege sind dafür nicht zu erbringen. Erst in der zweiten Generation des Sächsischen Hauses ist es zur Salbung und zur kirchlichen Krönung gekommen, die von nun an jeder deutsche Herrscher so bald wie möglich nach der Übernahme der Herrschaft zu erringen trachtete. So ist die Krönung Ottos I. im Jahre 9 3 6 ein grundlegendes Ereignis unserer Geschichte geworden - auf sie werden wir in Band III zurückkommen. Heinrichs erstes Siegel 63 schloß sich an den Typ an, der durch die Siegel Karlmanns und seines Bruders Karl III. vertreten ist. Dann entschied der neue König sich für ein Siegel, das genau den Siegeln Ludwigs des Kindes und Konrads I. entsprach, d. h. für das Bild eines gekrönten Kriegers mit Schild und Lanze: wer sie zu Gesicht bekommt, ohne die Geschichte zu kennen, kann nicht ahnen, daß auf dem Thron zweimal die Dynastie gewechselt hatte 64 • Von Heinrich gibt es außerdem noch ein Schmuckstück mit münzähnlichem Mittelteil in einem aus Silberdraht gebildeten Rahmen. Daß der erste Sachsenkönig gemeint ist, stellt die Umschrift des Kopfes außer Zweifel: Heginric rex. Ähnliche Schmuckstücke, älter, gleichzeitig und jünger 65 , sind bekannt, und Nadeln auf der Rückseite stellen ihre Bestimmung außer Zweifel. Handelte es sich - trotz der nicht kanzleimäßigen Namensformen-in diesem Falle um ein von Heinrich verteiltes Geschenk, also um etwas, was sich mit den modernen Orden vergleichen ließe? Das ist eine ansprechende, aber nicht beweisbare Vermutung. Sehr beachtlich ist die dem Bischof Liudprand von Cremona verdankte Nachricht66, daß Heinrich I. den von ihm 933 über die Ungarn bei >Riade< (d. h. Ried, nicht lokalisierbar) davongetragenen Sieg über die Ungarn in seiner Quedlinburger Pfalzper .. .picturam festhalten ließ. Da diese Fresken untergegangen und Darstellungen von Schlachten aus dieser Zeit nicht bekannt sind, tappen wir ikonographisch im dunkeln. Aber die Tatsache einer solchen Ausmalung besagt schon viel: in ähnlicher Weise war wohl schon die Aachener Pfalz Karls des Großen mit einem Bild seines Sieges über die Sachsen verziert gewesen, und die von ihm begonnene, von Ludwig dem Frommen fertiggestellte Pfalz zu Ingelheim hatte. sogar mehrere Fresken aufzuweisen, in denen die 63 Zum Folgenden vgL P. E. S., Die deutschen Kaiser u. Kge in Bildern Abb. 56 a-b und 57. 64 W. HoLTZMANN, König Heinrich I. und die HL Lanze, Bonn 1947 S. 6of. wollte das zweite Siegel für deren Geschichte auswerten: »Leider hat sich der sonst so findige C. Erdmann dieses Beweisstück entgehen lassen.« Das Siegel bezeugt jedoch nur, was
oben im Text steht: Holtzmann hat die Natur dieser Herrscherdarstellung verkannt, über deren Geschichte zu vergleichen ist: Herrschaftszeichen II, I 9 55 S. 498 f. (dort auch über die Geschichte der Hl. Lanze). 65 Ebd. S. 187f. mit Abb. 58a-h und die Nachträge in Bd. V. 66 Ebd. S. 87 und r86.
Heinrich I.
Siege Konstantins des Großen, des Kaisers Theodosius, Karl Martells, Pippins und Karls über ihre Gegner dargestellt waren 67 • Heinrich nahm also den abgerissenen Faden der >staatssymbolischen< Triumphaldarstellung wieder auf. Insofern bereitete er vor, daß sein Sohn, in fränkische Tracht gekleidet, sich in Aachen salben und krönen ließ und anschließend auf Karls des Großen Steinthron Platz nahm. Über die Herrschaftszeichen Heinrichs haben wir den Bericht Widukinds 68 , bei dem jedoch zu beachten ist, daß er erst ein Menschenalter später aufgezeichnet wurde. Wenn man ihm Wort für Wort glauben darf, übersandte der sterbende König Konrad dem Sachsenherzog: r. die Heilige Lanze (die erst später in Heinrichs Besitz kam und ihm nicht von
Konrad, sondern vom burgundischen König überlassen wurde) 69 , 2.
goldene armi!!ae (diese gehörten in der Tat zum Herrscherornat) 70 ,
3· einen Mantel (von diesem gilt das gleiche), 4· den veterum g!adi11s regum (das Schwert war Würdezeichen des Kriegers und gehörte daher auch zum König, der sich angelegen sein ließ, ein besonders kostbares zu besitzen. Ob Konrad in der Tat ein altes Schwert seiner Vorgänger besaß oder Widukind hier nur das Bestreben hat, eine Traditionskette zu schmieden, läßt sich nicht mehr entscheiden), 5. das diadema, d. h. die Krone (die Frage, ob es sich um eine Reifen- oder um eine Bügelkrone handelte, läßt sich nicht beantworten). Man geht sicher, wenn man diese Zeugnisse nur für die Mitte des 10. Jahrhunderts gelten läßt; denn daß ein Mönch an der \YJ es er nach einem Menschenalter noch genau anzugeben wußte, was sein König 919 empfangen hatte und was nicht, ist unwahrscheinlich. Aus der Zeit, in der Widukind an seiner Chronik schrieb, liegen uns noch weitere - in Band III angeführte - Zeugnisse vor, die erkennen lassen, was damals zum Königsornat gehörte. In bezug auf Heinrich I. müssen wir uns dagegen mit der Feststellung begnügen, daß die angeführte Liste stimmen kann, daß man sich jedoch nicht auf jede Einzelheit verlassen darf. 67 Ebd. S. 36f. 68 I cap. 25 (ed. P. HIRSCH- H. E. LOHMAN:
J. BECKER 1915 S. 46; Script. in us. schol.). 69 P. E. S., Herrschaftszeichen II, Stuttgart 195 5 S. 501 ff., 534ff. 70 Ebd. S. 538ff. (bes. S. 542).
Korrekturnachtrag: Vgl. jetzt auch E. HLAWITSCHKA, Lotharingien u. d. Reich an d. Schwelle der deutschen Gesch., Stuttgart 1968 (Schriften der Mon. Germ. Hist. 21; 258 Seiten).
20
Schramm, Aufsätze 1I
4· Zur Geschichte der »Konstantinischen Fälschung« (8.-r 3· Jahrhundert) mit Ausblicken auf Byzanz, Rußland und Amerika (Hinweise und Buchbesprechungen)
Zum Hauptvertreter der alten Auffassung, daß die Fälschung erst von Leo III. veranlaßt wurde, hat sich mit neuen Argumenten W. ÜHNSORGE gemacht, der diese These bereits in seinen früheren Aufsätzen vertrat (s. vor allem: Die Konst. Sch., Leo III. und die Anfänge der kurialen römischen Kaiseridee, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 68, Germ. Abt., I95 I, S. 78-Io9) und sie jetzt eingehend begründet hat: Das Constitutum Constantini und seine Entstehung, in: Konstantinopel und der Okzident, Darmstadt I966, S. 93-I62. Da mich die Beweise des Verf. - trotz ihrer Subtilität - nicht überzeugt haben, ändere ich meinen Text nicht (an der bisherigen Datierung halten auch folgende, in Bd. I S. 2I6ff. namhaft gemachte Autoren fest: J. DEER a. a. 0., S. zo, CLASSEN a. a. 0., S. 543, 55 I, Löw:E, Theod. a. a. 0., S. 36f.). Siehejetztvor allem H. FuHRMANN, Konstantirrische Schenkung und abendländ. Kaisertum. Ein Beitrag zur Überlieferungsgesch. des Constitutum Constantini, im Deutschen Archiv 22, I966 S. 63-178 (Teil III steht bei der Korrektur noch aus). Auf der hier gesicherten Grundlage beruht die für die Mon. Germ. Hist. vorbereitete kritische Edition, die alle Fassungen berücksichtigt (im Ms. der Zentraldirektion bereits vorgelegt). Ich ziehe deshalb auch nicht heran den Aufsatz von W. ÜHNSORGE, Der griechische Papstpapyrus, in: Xa.?ctxs~:;, Festgabe für die Teilnehmer am XI. Internat. Byzantinistenkongreß, München I5.-zo. Sept. I958, S. 9-37 (jetzt: ebd. S. 29ff.). Der Verf. deutet den nur I I ,z X 8 ,z cm großen Brief als ein Handschreiben des Papstes Leo III. in griechischer Sprache an einen Anhänger in Deutschland (Amalar von Trier?); doch muß er dazu so viele Vermutungen aneinander schließen, daß ich ihm nicht-trotzdes aufgewandten Scharfsinns- zu folgen vermag (so auch CLASSEN, a.a.O., S. 567, Anm. I36) 1 •
Vgl. meine Analyse dieses Aufsatzes in meinem Sammelreferat für »Gesch. in Wissenschaft u. Unterricht« (r968; im Druck).
Ich höre, daß ENZO PETRuccr eine Widerlegung der Donatio-Theorie W. ÜHNSORGES vorbereitet.
Hinweise auf Literatur
Ferner sind hier die Untersuchungen des Pfarrers W. GERICKE (Finsterwalde, Niederlausitz) zu verzeichnen, der trotz erschwerter Forschungsmöglichkeiten folgende Aufsätze vorlegen konnte: Wann entstand die Konst. Sch.?, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 74, Kanon. Abt. 43, 1957, S. r-88; Das Glaubensbekenntnis der Konst. Sch., ebd. 78, Kanon. Abt. 47, r96r, S. r-76; s. auch: Das Constitutum Constantini und die Silvester-Legende, ebd. 75, Kanon. Abt. 44, 1958, S. 343-49· Einwände erhob H. FuHRMANN, Konst. Sch. u. Silvester-Legende in neuer Sicht, im Deutschen Archiv XV, r 9 59, S. 52 3-40 (hier ist S. 52 3 f. der Gang der Forschung skizziert und alles Einschlägige zusammengestellt). Darauf antwortete W. GERICKE unter demselben Titel (Untertitel: Entgegnung und Weiterführung), in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 78, Kanon. Abt. 47, 1961, S. 293-304. Seine Darlegungen laufen darauf hinaus, daß ein 754 entstandener Kern anzunehmen ist, der dreimal ergänzt wurde (766f7r, um 790, um 796). Diese These ist so kompliziert, daß sie schon deswegen unwahrscheinlich ist; für weitere Bedenken sei auf H. FuHRMANN verwiesen. Doch bleiben die Beobachtungen des Verfassersam Text und die herbeigezogenen Parallelen von großem Wert. Treffend ist die Formulierung von CLAssen a.a.O., S. 55 2, es bleibe »bei jeder Deutung ein unbefriedigender Rest«. Für die Geschichte der Forschung vom 9· Jahrhundert an ziehe ich zwei Buchbesprechungen wieder hervor: Als ich r 924 bei KARL HAMPE in Heidelberg promoviert hatte, schlug mir dieser vor, als Habilitationsschrift die Geschichte der >Donatio Constantini< zu bearbeiten. Ich wandte mich jedoch Otto III. und dem Gedanken der >Renovatio imperü Romanorum< zu. In meinem Buche: >Kaiser, Rom und Renovatio< (1929; Neudruck 1957) habe ich nur die Geschichte der Fälschung im 9· und ro. Jahrhundert (S. 23-28) und in der Zeit Ottos III. (S. r63f.) behandelt. Die von K. Hampe gewünschte Untersuchung erschien bereits 1926. Ich schrieb über sie die folgende Rezension: I. GmmARD LAEHR: Die Konstantinische Schenkung in der abendländischen Literatur des Mittelalters bis zur Mitte des I4. Jahrhunderts. Berlin 1926. (Eherings Historische Studien 166.) (195 Seiten)*.
(S. 459:) Im Vorwort stellt sich die Arbeit als Glied in einer Reihe namentlich aufgeführter Studien zur mittelalterlichen Staatstheorie vor, die aus der Schule A. BRACKMANNS hervorgegangen und bestimmt sind, sich gegenseitig zu ergänzen.
* Zuerst in der
Histor. Zeitschr. 135, 1927 S. 459-65. Vgl. auch die umfangreiche Besprechung von W. LEV1SON in der Zeitschr.
f. Rechtsgesch. 47, Kanon. Abt. 16, 1927 s. 445-8.
4· Zur Geschichte der »Konstantinischen Fälschung«
Laehrs Arbeit ist die erste von ihnen, die im Druck erscheint. Nur noch von einer zweiten wird die Drucklegung angezeigt; es besteht also anscheinend noch keine Aussicht, daß auch die anderen, besonders die mir aus dem Schreibmaschine nexemplar bekannte tüchtige Dissertation von E. HoLLER über >Friedrich II. und die Antike< 1 allgemein zugänglich gemacht werden. Das wäre zu bedauern; denn die mitgeteilten Titellocken zur Kenntnisnahme der Arbeiten selbst an. Von den Brackmannsehe n Themen hat Laehr das umfassendste und wohl auch reizvollste durchforscht; denn eine Geschichte der Konstantirrische n Schenkung war seit langem eine Notwendigkeit. Bisher lagen nur Vorarbeiten zu ihr vor - eingestreut in die seit den achtziger Jahren um die Fälschung geführte Kontroverse und in die zahlreichen Untersuchungen , die sich irgendwie mit der Fälschung berührten. Die Schriften von DöLLINGER, GRAUERT, SÄGMÜLLER, BöHMER (in Haucks Realencyklopädie), ScHOLZ, CARLYLE, BuRDACH und zuletzt noch ScHÖNEGGER, um einige Namen zu nennen, boten dem Verfasser mancherlei Material für die Verwendung der Schenkung im Mittelalter. Dazu ist noch ein Laehr anscheinend entgangener Aufsatz ( S. 4 6o:) von F. ZINKEISEN über dieVerwendung der Fälschung durch die römische Kirche in der English Hist. Review I894 anzuführen, weil er das Laehrsche Thema wohl als erster monographisch behandelt hat. Die Arbeit dieser Vorgänger hat Laehr nicht nur zusammengefaß t, sondern er ist weit über sie hinausgekomme n. Es werden gegen zweihundert Persönlichkeiten sein, deren Stellung zur Konstantirrische n Schenkung untersucht wird. In dieser stattlichen Reihe fehlt kaum einer der großen Staatsmänner, der führenden Staatstheoretiker und der wichtigen Geschichtsschre iber des Mittelalters. Diese Fülle des Stoffes, die sich dem Verfasser bei seiner Sammeltätigkeit erschloß, ist wohl der Grund gewesen, daß er sich bei seinem Thema drei Einschränkunge n auferlegt hat. I. Laehr führt die Geschichte der Schenkung, wie der Titel schon ausdrückt, nur bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts, ohne daß ersichtlich wäre, warum er sich den wirkungsvollen Abschluß seines Buches durch die Aufdeckung der Fälschung, die mit den Namen von Nicolaus Cusanus, Laurentins Valla und Pecock verknüpft ist, hat entgehen lassen 2 • Da Laehr die Erschütterung der Autorität des gefälschten Diploms durch die Juristen des I3. und 14. Jahrhunderts im einzelnen aufzeigt", würde I
Zusatz: Nie gedruckt. Durch einen z•Neiseitigen Auszug wurde ich nachträglich auf die parallel entstandene Königsherger Dissertation von ]OHA."!NA SIMA.'lOWSKI: >Die Konst. Sch. in der Politik und Publizistik des Mittelalters< aufmerksam, die sich nach der Inhaltsangabe weitgehend mit der L.schen Arbeit decken muß.
z Aus G. LaehrsNachlaß erschiennoch :Die Konstant. Schenkung in der abendländ. Lit. des aus·· gehenden MAs., in den Quellen u. Forsch. aus ital. Archiven u. Bihl. XXIII, I 9 3 I /3 2 S. I zo-8 I. V gl. jetzt auch D. MAFFEI, La Donazione di Constantino nei giuristi medievali, Mailand I964 (366 Seiten).
Besprechung von G. LAEHR
er es leicht gehabt haben, verständlich zu machen, wie dann im I 5. Jahrhundertgleich von drei Seiten aus die Echtheitsfrage aufgerollt werden konnte. ÜberdieseMänner hinauszugehen, hätte dagegen- abgesehen von der Reformation- nur noch wenig Interesse geboten; denn von da an ist die Geschichte der Konstantinischen Schenkung eine Gelehrtenkontroverse, die vom Gegensatz der Konfessionen bestimmt bleibt, bis in den achtziger Jahren die historische Kritik einsetzt, die uns in der Fälschung eines der wichtigsten Dokumente für die Geschichte des 8. Jahrhunderts hat erkennen lassen. 2. Der Titel des Buches bezeichnet auch noch die zweite Einschränkung des Themas: es läßt die Rolle der Konstantinischen Schenkung im Osten am Rande. Nur die Lateiner, die den Orthodoxen die Schenkung vorhalten, kommen zu Wort. Hier wäre einmal eine Ergänzung erwünscht, in der zusammengestellt werden müßte, wie man im Osten die Schenkung aufgenommen hat4 • Wenn der Ertrag natürlich auch nicht annähernd so reich ausfallen wird wie im Westen, so würde sich doch auch hier zeigen, daß die Schenkung ebenso abgelehnt wie ausgenutzt wurde und daß sie in mehr als einer Hand zur Waffe werden konnte. Sie ist sowohl in der gekürzten Form des Papstes Leo IX., als auch in der vollständigen übersetzt worden und hat seit dem I2. Jahrhundert Eingang in die kanonistische Literatur gefunden. Vor dem I I. Jahrhundert werden die Byzantiner die Schenkung ( S. 461 .") dagegen kaum kennengelernt haben. Kaum fraglich ist, daß die von Psellos scharf getadelte Annahme der kaiserlichen Stiefel durch den Patriarchen Kerullarios mit der Verleihung der kaiserlichen Insignien in der Donatio Constantini zusammengebracht werden darf. Bemerkenswert ist, daß PetrusvonMonte Cassino den mitihm disputierenden Griechen sagen läßt, daß er in Konstantinopel wohl von der Fälschung gehört, aber ihren Wortlaut nicht erfahren habe (Miscell. Cassin. 1897, S. w). Anders ist es schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Da hat Balsamon den leonischen Text dem Nomokanotz des Photios eingefügt, da ihn die Folgerungen interessierten, die aus der Fälschung für die Stellung des Patriarchen von Konstantinopel zu ziehen waren (Migne, Patr. Graeca I04 Sp. 1078 fg.). Dagegen sieht Kirmamas (V, 7) das Dokument von der kaiserlichen Seite an; es bietet ihm die Handhabe, dem Papste vorzuhalten, daß er seine \Vürde nur durch Konstantin habe, jetzt aber von denen, die er Kaiser nenne, den Steigbügeldienst verlange. Schließlich sei noch Nikolaos Mesarites erwähnt, weil er jener auf S. So ohne Namen erwähnte Metropolit von Ephesus ist, dem der römische Kardinal im Jahre I2I4 die Konstantinische Schenkung vorhält. Die Denkschrift des Griechen über diese Verhandlung, in der er auch auf die Schenkung
4 Zur griechischen Überlieferung s. H. BoESE, Die Konst. Schenkung in den Verhandlungen des Florentiner Konzils, im Deutschen Archiv zr, r 96 5, s. 57 6-92. S. auch PAUL J. ALEXANDER, The Donation
of Constantine at Byzantinum and its earliest Use against the Western Empire, in den Melanges Georges Ostrogorsky I, Belgrad 1963 S. r r-z6.
310
4· Zur Geschichte der »Konstantinisc hen Fälschung«
zu sprechen kommt, hat A. HElSENBERG (Münchener S.-B., phil.-hist. Kl. I923, Nr. 3, S. 9f., dazu S. 64f.) ans Licht gezogen. 3. Die dritte Einschränku ng des Themas spricht Laehr gleich zu Beginn aus, wo er erklärt, daß er auf Entstehung und Überlieferun g der Fälschung nicht eingehen wolle. Zu einem Wiederaufgreifen des ersten Problems lag auch keine Veranlassung vor, da durch L. M. HARTMANN und E. CAsPAR die Schenkung so fest in die Geschichte und Ideenwelt ihrer Entstehungsz eit eingefügt ist, daß hier kaum Neues zu sagen gewesen wäre, zumal ja W. LEVISON jetzt den wunderlichen Hypothesenb au A. GAUDENZI's weggefegt hat 5 • Daß aber die Überlieferungsgeschichte von vornherein ausgeschaltet wurde, beraubt die Arbeit bis zum Ir. Jahrhundert, bis wohin wegen der Spärlichkeit der zweifelsfreien Zeugnisse jede Spur beachtet werden muß, gewisser Möglichkeite n der Abrundung 6 • So ergibt z. B. die Eintragung der ungekürzten Schenkung in den Codex unicus von Nonantola aus dem Ir. Jahrhundert, daß sie damals in Italien auch selbständig neben den Pseudo-Isido rischen Dekretalen bekannt war. Daß man sich gerade in diesem Kloster für sie interessierte, wird weniger durch ein politisches Interesse als durch den Umstand bedingt sein, daß Nonantola den Leichnam Silvesters besaß, hinter dessen Legende daher auch die Fälschung eingetragen ist. Nach GAUDENZr's ( 5. 462 .") Thesen bestand die Möglichkeit, daß diese m. W. älteste italienische Überlieferun g auf den Nachlaß des in Nonantola begrabenen Papstes Hadrian III. (t 885) zurückging; doch hat mir eine Nachprüfung an Ort und Stelle bewiesen, daß es sich um den >fränkischen< Text handelt und die Handschrift also nicht auf eine von diesem unabhängige römische Überlieferun g zurückführt. Das ist für die von A. GAUDENZI aufgerührte Frage nach dem in Leos Brief eingefügten, verkürzten Text von Bedeutung, der gegenüber dem >fränkischen< eine Reihe von mar7 kanten Varianten aufweist und in mehrere Rechtssamm lungen übergegange n ist ... Es ist selbstverständlich, daß sich bei einem Thema, das sechs Jahrhunderte umspannt, Korrekturen und Nachträge machen lassen. Es ist also nichts gegen Laehrs Buch gesagt, wenn ich auf eine Reihe von Einzelheite n hinweise. Für die Anschauung en über Konstantirr und die römische Kirche im 8. Jahrhundert wünschte man noch die Liste der Konstantirr zugeschriebe nen Schenkungen aus dem Liber pontiftca!is, die den Inhalt der Fälschung ja bis zu einem gewissen Grade stützte, sowie den im 8. Jahrhundert sich verbreitende n Silvesterkult herangezogen . Hierfür bietet außer der Dissertation von G. PROCHNOW noch der Aufsatz H. GRISARS in der
5 V gl. oben die Einführung zu dieser Besprechung. 6 Wie bereits in dem Abschnitt: >Die Anerkennung Karls des Großen als Kaiser< vermerkt wurde (Bd. I, I, S. 272), hat W. SCHLESINGER in dem unsicheren Gelände der An-
fangsgeschichte einen festen Meilenstein entdeckt: bei der Abfassung der >Divisio imperii< (8o6) muß der Kanzlei der Text der >Konstantinischen Schenkung< bekannt gewesen sein. 7 Vgl. dazu jetzt FuHRMANN a. a. 0.
Besprechung von G. LAEHR
311
Herding-Festschrift (I9I3) einen guten Ausgangspunkt. Dieser Gelehrte hat außerdem in seinem Buch über die Capella Saneta Sanetarum die hier gefundenen Bilder Petri und Pauli und ihren Zusammenhang mit der Legende behandelt. Aber auch die Einbeziehung dieser Probleme würde das Urteil, daß die Fälschung »organisch« aus der Legende entwickeltworden sei (S. 5), als noch zu weitgehend erscheinen lassen; denn es stellt zu wenig die bestimmten politischen Absichten in Rechnung, die den Fälscher antrieben. Für das Lateranmosaik wäre noch anzumerken, daß die Überlieferung der Konstantirrseite leider nicht gegen jede Anzweiflung gefeit ist (S. u); dagegen ist ein Zweifel an der einstmaligen Existenz des Ingelheimer Bilderzyklus nicht berechtigt (S. I 3). Im folgenden hege ich Bedenken, die Übertragung der potestas in Rom an Lotbar I. durch den Papst aus der Schenkung oder aus ihrem Geist abzuleiten, da der Papst die potestas ja de facto seit langem innegehabt hatte (S. I4). Jedoch scheint mir möglich, daß Papst Leo IV. im Jahre 85 3 bei der m. W. noch nicht in diesen Zusammenhang hineingezogenen Verleihung des Konsulats an den späteren Angelsachsenkönig Alfred (vgl. Mon. Germ., Epist. V S. 6oz) bewußt auf der Konstantirrischen Schenkung fußte, da das Recht zu einer solchen V erleihung aus der ( S. 46;:) Wendung in ihrem Text: patricios atque consules ejjici herausgedeutet werden konnte. Daß die Verwendung der Schenkung in Rom dann wieder in der Umgebung des Anastasius Bibliothecarius nachzuweisen ist, daß sie auch in der Zeit Ottos I. hervorgesucht wurde und schließlich in der Zeit zwischen der Ablehnung durch Otto III. und der Wiederverwendung durch Papst Leo IX. in Rom nicht vergessen war, werde ich an anderer Stelle darlegen. 8 Hier will ich nur anmerken, daß die mir S. I 84 zugeschriebene Ansicht über das D. 0. III. 389 nicht die meine ist, wie ein Blick auf meine dort angemerkte Außerung zeigt. Über die Stellung Leos IX. zur Konstantirrischen Schenkung und seine Beeinflussung durch Humbert, der die Schenkung wiederholt auswertete, nicht »eine vorsichtige Zurückhaltung« übte (S. 37), haben jetzt die Forschungen A. MrcHELS neues Licht verbreitet 9 • Bei den auf die Inseln erhobenen Ansprüchen wäre zwischen den beiden Motivierungen zu scheiden, die nebeneinander herlaufen: einmal handelt es sich um ein durch die Missionierung erworbenes Anrecht, dann um die Anschauung, daß alle Inseln iuris publici sind und demnach bei denVerleihungender Schenkung mit inbegriffen waren10 • An die Spitze der Vertreter der kaiserlichen Seite kann noch Benzo von Alba gestellt werden, der einmal ausdrücklich von dem Edikte Konstantins spricht, auch sonst noch auf dieses anspielt, anscheinend aber keine besonders klare Vorstellung von seinem Inhalt hat (Mon. Germ., Script. XI S. 67o, auch S. 6o3 und 617). Über die Stellung der Römer zur Fälschung und zu Konstantirr verbreiten jetzt noch die von E. MoNACI: Storie de Trqja (I9zo) publizierten Texte einiges Licht. Für die Kurie 8 Kaiser. Rom u. Renovatio a. a. 0. 9 S. dazu Bd. III über die im Dienste Leos X.
aufgesetzten Texte des Kardinals Humbert. ro S. unter S. 3I 5 ff.
3I2
4· Zur Geschichte der »Konstantinischen Fälschung«
wäre anzumerken, daß die Urkunde am Ende des Iz. und Anfang des 13· Jahrhunderts in die Sammlungen der Boso, Albinus und Cencius aufgenommen wurde. Die Belege, die eine Benutzung der Konstantinischen Schenkung durch Papst Innocenz III. »an bedeutsamen Punkten seiner Politik« beweisen sollen (S. 8 I), reichen dafür nicht aus, da die aufgeführten Quellen außer dem >Sermo< nichts für den Papst selbst beweisen oder es sich um Rechte handelt, die zwar auf der Kaustantinisehen Schenkung beruhen, aber sich durch eine eigene Tradition mittlerweile verselbständigt haben. Das gilt auch für den wiederholt angezogenen Steigbügeldienst des Kaisers, wie die Tatsache beweist, daß später auch andere Fürsten dem Papste diesen Dienst leisteten. Wie das Steigbügelhalten dagegen aufzufassen sei, kann natürlich nicht auf eine Formel gebracht werden (S. 8 3), da die Auffassungen der beiden Parteien sich hier wie in so vielen anderen Fällen nie gedeckt haben werden. Die Krönungsfeierlichkeiten Gregors IX. (I227) waren durch die reich ausgebauten römischen Ordines vorgeschrieben und nur mittelbar durch die Kaustantinische Schenkung bestimmt (S. 9I). Auch die Auffassung des Tholomeus von Lucca, daß die (S. 464.) Kardinäle an die Stelle der Senatoren getreten seien (S. Io9), ist eine alte, seit dem I 1. Jahrhundert vielvertretene Theorie, die durch das erneuerte römische Recht ihre Ausbildung erfährt 11 . Zur Frage, ob dieS. Ir 2 aufgeführten Bilder mit Giotto zusammenhängen, ist jetzt das Giottobuch von Rintelen S. 224ff. zu vergleichen, und zu Manfreds Manifest wäre die ausführliche Analyse bei Eu GEN MüLLER: Peter v. Prezza (I 9 I 3) heranzuziehen. Für die am Schluß aufgeführten Sagen, die sich um die Schenkung gesponnen haben, ist noch auf die bezeichnende Erzählung hinzuweisen, daß Koustantin seine Krone fußfällig dem Papste überreicht und dieser sie ihm mit dem Fuße zurückgegeben habe. So berichtet die deutsche Legende von St. Silvester; allgemein spricht von dieser Art der >Krönung< noch die von Tholomeus fortgesetzte Schrift de regi!lline principum des Thomas von Aquin (III 20 ), während Roger v. Hoveden sogar behauptet, daß Heinrich VI. auf diese Art gekrönt sei (Mon. Germ., Script. 2 7, S. I 54). Schließlich möge dann noch Godfried Hagen (Chron. der dtschn. Städte XII S. 58 f.) genannt sein, weil er die Einsetzung des Kurfürstenkollegs auf Koustantin und Silvester zurückführte. Zweifellos wird man Laehrs Geschichte der Kaustantinischen Schenkung mit Gewinn lesen; denn der Wandel in der Auslegung der Urkunde ist erstaunlich. Ja, in der Zusammenfassung des gesamten Materials wird die Arbeit manchem vielleicht sogar eine gewisse Überraschung durch die Tatsache bereiten, daß gerade Päpste wie Nikolaus I., Gregor VII. und Innocenz III., unter denen die päpstlichen Ansprüche besondere Steigerung erfuhren, die Schenkung kaum oder nur mit Reserve verwendet haben. Laehr gibt dafür die einleuchtende Erklärung, daß in der ersten Phase eine
11
Jetzt: E.
DuPRE THEISEIDER,
L'idea imperiale di Roma, Rom
1950
S. zorff.
Besprechung von G. LAEHR
Berufung auf die Fälschung die vom Papsttum erstrebte saubere Scheidung der beiden Gewalten wieder verwischen mußte, während in der zweiten sich die Schenkung nicht mit der Ableitung der Schwertergewalt aus Christus selbst vertrug. Doch durch die Umdeutung der Donatio in eine Restitutio, die schon bei Leo IX. vorbereitet und bei Innocenz IV. vollendet ist, wurde es möglich, die Schenkung mit der päpstlichen Grunddoktrin in Einklang zu setzen und zu versuchen, die dem römischen Recht entnommenen Argumente gegen die Gültigkeit der Schenkung zu entkräften. Der Scharfsinn, mit dem in dieser Kontroverse Hintertüren abwechselnd geöffnet und zugemauert wurden, spricht für die Lebendigkeit der mittelalterlichen Staatstheorie, die da, wo sie lebenswichtige Probleme berührte, ebenso geistvoll wie beweglich war. Diese allgemeinen Überlegungen sind auch in Laehrs Buch enthalten. \\7enn sie dem Leser nicht ohne weiteres entgegen-( S. 46J) treten, so liegt das daran, daß der Verfasser bei einer etwas schematischen Anordnung des Stoffes stehen geblieben ist. Die einzelnen Persönlichkeiten werden annähernd chronologisch durchgesprochen und mit gleichbleibender Intensität gewürdigt. Hier wünschte man sich eine abgestufte Bewertung von großen und kleinen Geistern, eine straffere Zusammenfassung zu Gruppen von Gleichgesinnten und eine schärfere Gegenüberstellung der beiden Lager, zwischen denen der Verfasser meist durch eine manchmal recht gekünstelte Überleitung hin und her führt. Was er jedoch zu den einzelnen Persönlichkeiten sagt, wie er das Besondere und Neue ihres Standpunktes charakterisiert, verdient alle Anerkennung. Laehr hat sich nicht nur durch die Sammlung des Materials, sondern auch durch seine Interpretation verdient gemacht, so daß die Literatur über die mittelalterliche Staatstheorie durch sein Buch einen ertragreichen Zuwachs bekommen hat. Daß er von dem unfruchtbaren Dissertationsschema, die Anschauungen einer einzelnen Persönlichkeit zu behandeln, bei dem die V erfass er fast nie den Überblick haben, um Altes und Eigenes unterscheiden zu können, abgerückt ist, muß ihm als besonderes V er dienst angerechnet werden. (Der Verfasser, der so vielversprechend eingesetzt hatte, kam nicht zur Entfaltung seiner Gaben: er starb vor der Zeit an den Folgen einer Kriegsverletzung.) I I. Diese Rezension, die Byzanz in das Gesichtsfeld einbezog, ergänzte ich r935 durch eine weitere, in der die Fortwirkung der >Konstantinischen Fälschung< in Rußland berührt wird*:
* Zuerst
in der Histor. Zeitschrift I53, I935 S. I 88-9. Jetzt auch E. H. KANTOROWICZ, Constantinus Strator: Marginalien zum Constitutum Con-
stantini, in: Mullus, Festschrift TH. KLAUSER (Jahrbuch f. Antike u. Christentum, Erg. Bd. I), Münster I964 S. I 8I-89 (nicht in dessen »Selected Studies«, New York I965).
4· Zur Geschichte der »Konstantinischen Fälschung«
>Zum Strator- und Marschalldienst< hatte RoBERT HoLTZMANN in Band I45 der >Historischen Zeitschrift< Material zusammengetragen, das auch den orthodoxen Bereich mit einbezog. Es handelte sich für ihn darum, die Einwendungen EnuARD EICHMANNS gegen seine Schrift >Der Kaiser als Marschall des Papstes< (I928) zu entkräften. Der dadurch aufgerührten Frage, wie weit auch orthodoxe Herrscher ihren Geistlichen ähnliche Ehrendienste geleistet haben, ist nun GEoRG OsTROGORSKY nachgegangen: Zum Stratordienst der Herrscher in der lryzantinisch-slavischen Welt (Seminarium Kondakovianum. Recueil d'etudes VII, Prag I935, S. 187-204). Das Ergebnis ist überraschend. Der byzantinische Kaiser hat sich - Ostrogorskys Beweis setzt in der Zeit des Makedonischen Hauses (867-I056) ein - bis zum Ende des Reiches nicht zu solchen Bezeigungen christlicher Demut hergegeben. Wenn sich der Serbe Stephan Duschan I 342 dazu bereit fand, dann erklärt sich das daraus, daß dieser die I 335 entstandene kanonistische Sammlung des Matthaeus Elasteres kannte und ins Serbische übertragen ließ. In ihr stand nämlich eine Übersetzung der Konstantirrischen Fälschung, die im I2. Jahrhundert in das byzantinische Kirchenrecht eingedrungen war (darüber vorstehend S. 309 = Histor. Zeitschr. I 3 5 S. 46I). Da das großserbische Reich baldnach Stephans Tod (I 3 55) wieder zusammenbrach, kann der russische Brauch nicht mit dem Balkan zusammenhängen. Denn Ostrogorsky weist nach, daß die Palmsonntag-Prozession, bei welcher der Zar im Schmucke der Krone dem Patriarchen voranschritt und ihm den Zügel des Esels hielt, erst im I6. Jahrhundert aufkam: I548 ist sie in Novgorod, 1564 in Moskau nachweisbar. Als den Treibenden erkennt Ostrogorsky den Metropoliten Makarij, der I 526-42 in Novgorod amtierte und dann den Stuhl von Moskau einnahm. Er ist auch sonst (S. r 89) als Vertreter theokratischer Tendenzen bekannt, die sich in dieser Zeit der um I 5oo bekanntgewordenen Konstantirrischen Fälschung bedienten. Und niemand anders als gerade Makarij hat dem Zaren Iwan IV. die Stelle über den Stratordienst vorgehalten - die Beweiskette schließt sich überzeugend zusammen. Gedauert aber hat dieser Brauch nur bis in die Anfangszeit Peters des Großen. Als er I7oo den Patriarchat aufhob, fiel auch der Stratordienst des Zaren weg. Nicht alter Brauch also, sondern eine erstaunlich weitreichende Fortwirkung der Donatio Constantini offenbart sich in dem, was bisher zur Erklärung der abendländischen Sitte dienlich schien. Der Verfasser hat sein Ergebnis selbst in einen weiten Gesichtswinkel gerückt: »Diese drei Arten des Verhaltens - die Ablehnung der >konstantinischen< Vorschrift in Byzanz, ihre Befolgung in den orthodoxen slavischen Ländern und ihre Überbietung im Abendlande (durch den Zusatz des Steigbügeldienstes)- sprechen Bände über die Verschiedenheit des Verhältnisses zwischen Imperium und Sacerdotium in der abendlänilischen, der slawischen un~ der byzantinischen Welt. Was dem Abendlande noch nicht genügte, war für Byzanz bereits zuviel. Die orthodoxen slawischen Herrscher hielten aber zwischen diesen Extremen die Mitte.«
Benutzung der Fälschung in Rußland
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III. Ich benutze die Gelegenheit, auf ein in spanischer Sprache geschriebenes Buch hinzuweisen, das mir seinerzeit auf Veranlassung von E. H. KANTOROWICZ vom Verfasser zugeschickt wurde und - wie ich jetzt feststelle - von unseren Fachzeitschriften kaum beachtet wurde; man findet es daher - was unberechtigt ist - nur selten erwähnt. Es handelt sich um die Dissertation eines Deutsch-Mexikaners, der seine in Mexico City begonnenen Studien mit der Promotion in Berkeley (Calif.) abschloß: Lurs WECKMANN, Las Bulas Aldandrinas de I 493 y Ia Teoria Politica del Papado Medieval. Estudio de Ia supremacia papal sobre islas I09I-I 493· Introducion de Ernst H. KANTORowrcz, Mexico I949 (Publicaciones del Inst. de Bist., Primera Serie No. I I ; 309 Seiten).
Bescheiden erklärt der Verfasser in seiner Vorrede, er verdanke seinem Lehrer Kantorowicz so viel, daß seine Darbietung betrachtet werden könne »mas bien suya que mia«; doch stellt dieser in seiner Einführung (englisch mit spanischer Übersetzung) fest, er habe zwar das Thema gestellt und die Bearbeitung laufend mit seinem Doktoranden besprochen, aber diesem gebühre das Verdienst, die entscheidenden Feststellungen gemacht sowie das Ganze konzipiert zu haben. Manche Abschnitte dieses Buches, das nach vielen Seiten ausgreift, sind mittlerweile durch weitere Einzelforschungen oder zusammenfassende Darstellungen überholt, aber was seinen Wert behalten hat, ist die Darstellung der »Doctrina omni-insular<<, d. h. des päpstlichen Anspruches, daß alle Inseln der Kirche gehörten. E. H. KANTORO\VICZ hat diese kurze und zugleich prägnante Formel gelobt; ich schließe mich ihm an und benutze sie deshalb im folgenden. Die Grundlage dieser Doktrin bildet die Kaustantinische Fälschung, die den Kaiser u. a. dem Papste schenken läßt: sacras tam in oriente quam in occidente vel etiam septentrionali et meridiana plaga, vide!icet in ]udea, Grecia, Thracia, Africa et Italia vel diversis insulis (§ I 3). Als päpstlichen Anspruch formulierte das Recht auf die Inseln klar und eindeutig erst Papst Urban II. in seiner Bulle: »Cum universae insulae« am 3·
Juni I09I (Migne, Patr. lat. 15 I Sp. 329f.) für ein Kloster auf den Liparischen Inseln; ähnlich am z8. Juni I09I für den Bischof von Pisa wegen Korsika (ebd. Sp 336f. = P. KEHR, Italia pontif. III S. 320 Nr. 7; s. a. JAFFE-L. Nr. 5448f.)l. Die Doktrin griff dann Hadrian IV. - wohl I I 55 -in seiner an Heinrich II. von England wegen Irland gerichteten Bulle: »Laudabiliter« wieder auf (JAFFE-L. Ioo56; MIGN:E. a. a. 0. I88 Sp. I44I; die Texte auch bei WECKMANN S. 265-69). Urban berief sich beide Male ausdrücklich auf die Kaustantinische Schenkung, im ersten Fall auch noch auf das ius pubficum. Hadrian begnügte sich mit der Feststellung, der König wisse, daß Irland und alle Inseln ohne jeden Zweifel ad ius s. Petriet ss. Romanae ecclesiae gehörten. I A. BECKER, Papst Urban II., Teil I, Stuttgart I964 geht auf diese Bullen noch nicht ein.
4· Zur Geschichte der »Konstantinischen Fälschung«
Da Hadrians Bulle in die englische Chronistik einging, war dieser päpstliche Anspruch in England bekannt. Daß er auf der Konstantirrischen Schenkung beruhte, hat Johann von Salisbury, der bei der Abfassung der Bulle beteiligt gewesen war, vermerkt (Metalogicon IV, 22; ed. C. WEBB S. 942: ol!mes insttlae de ittre antiqtto ex donatione Constantini dicttntttr ad Romanam ecclesiam pertinere); von einem Recht im allgemeinen sprach der I 22 3 verstorbene Giraldus Cambrensis (Expugnatio Hiberniae II, 6; Opera, ed. J. F. DIMOCK V S. 320: pontijicttm, qtti insttlas omnes sibi qttodam iure respicitmt). Daß die deutschen und französischen Autoren in dieser Zeit schweigen, mag sich dadurch erklären, daß für sie die Frage nicht aktuell war. Der erste und einzige Beleg, den der Verf. namhaft zu machen weiß, stammt erst aus der Feder des I 38 3 verstorbenen Abtes Johannes Longus von St. Bertin (Mon. Germ., Script. XXV S. 829). Die Antwort auf die Frage, in welchen Fällen sich die Kurie sonst noch bei Anmeldung von Rechten auf Inseln auf die Fälschung stützte, macht große Schwierigkeiten, weil der Papst ja auch- man denke an die »Insel« Sizilien- als Lehnsherr Ansprüche zu machen hatte, andererseits - hier ist England das markante Beispiel - aus der Zahlung eines Peterspfennigs eine Oberhoheit ableitete. Der Verf. behandelt die vielerörterte Frage, was der Papst mit Wilhelm dem Eroberer im Sinne hatte, ob Gregor VII. die Inseltheorie ausspielen wollte- aber er vermag in diese und verwandte Diskussionen keine bisher unbeachteten Argumente einzuführen, deren Schlüssigkeit nicht auszuweichen wäre. Anregend sind Weckmanns Ausführungen über die legistische Theorie: caesar omnia habet in patrimonio proprio, also auch die Inseln (Bartolo sprach die Inseln innerhalb Ioo, Baldo die innerhalb 6o Meilen der nächstbenachbarten provincia zu, die jenseits gelegenen Inseln dem Kaiser). Ihr entgegen stand die Theorie, der Papst sei der verus imperator; auch auf diesem Wege ließ sich also ein Anspruch der Römischen Kirche auf alle Inseln begründen. Kenner der legistischen sowie der kanonistischen Literatur werden diese Abschnitte des Buches vermutlich durch weitere Belege noch zu bereichern vermögen. Der bleibende Wert des Buches beruht auf dem Nachweis einer festen kurialen Tradition von den BullenUrbans II. bis zu den Bullen, durch die Alexander VI. der spanischen Krone die in Amerika entdeckten Inseln zusprach (3. Mai I493 und 4· Mai, abgesandt erst: 28. Juni I493; vgl. dazu E. STAEDLER im Archiv für Urkundenforschung XV, 193 8 S. I45 ff. und XVII, 1942 S. 304ff.). Sinnfällig wird diese Kontinuität in dem- von E. H. KANTOROWICZ mit Recht gelobten - »Rotulus lnsularttm«, einer Falttafel mit I 7 Sparten, auf der- mit Hilfe von Typenwechsel und Farbdruckaugenfällig gemacht ist, welche Textteile von Leo IX. über Urban II. bis zu Alexander VI. weiterbenutzt worden sind. Man bedenke alle die Erschütterungen, die die RömischeKirche in den dazwischenliegenden Jahrhunderten heimgesucht haben! Aber die Bürokratie sicherte das Archiv, arbeitete weiter und war daher, wenn eine neuent-
Auswirkung der Fälschung auf Amerika
ostandene Lage eine Bulle erforderte, imstande, sie so abzufassen, daß sie den voraufgehenden Entscheidungen entsprach. So sinnfällig ist uns diese- an sich ja bekannteTatsache noch nicht gemacht worden! Eine weitere Überraschung bereitet der Band dem Leser durch das Aufzählen aller Inseln, auf die die Päpste einmal Ansprüche erhoben haben (wobei in den meisten Fällen ungeklärt bleibt, ob diese auf dem Lehnswesen, auf einem Peterspfennig, auf der Konstantinische n Fälschung oder auf einem allgemeinen Recht des Papstes begründet wurden - meist werden die Päpste es bewußt vermieden haben, sich auf die eine oder andere Argumentation festzulegen, um nicht Einwände wachzurufen). Im Bereich des Mittelmeers ging es nicht nur um Rhodos, Sizilien, Sardinien und Korsika, sondern noch um die Liparischen und eine ganze Reihe kleinerer Inseln. Zu der »Insel« England gehörten Wales und Schottland sowie die Insel Irland, und da Skandinavien gleichfalls als »Insel« angesehen wurde, traten auch Norwegen und Schweden in den Bannkreis der »Doctrina omni-insular« (im Falle Dänemarks hat sie gleichfalls eine Rolle gespielt). Alle diese Aktionen sind nicht zukunftsträchtig gewesen, auch noch nicht die Begründung eines Königreichs der Karrarischen Inseln, die Clemens VI. I 344 zugunsten eines kastilischen Prinzen vollzog: dieser gelangte nie in sein Reich. Aber die für ihn ausgestellte Bulle wurde herangezogen, als I45 5 Nikolaus II. den Portugiesen »insulas, portus et maria et pro~·incias« zusprach, die sie entlang der afrikanischen Küste besetzten (Bulle »Romanus Pontifex«, I456, ergänzt durch die Bulle: Inter cetera, bestätigt J48I durch Sixtus IV.). An einer entsprechenden Sicherung mußte den «Katholischen Königen>>, Isabella und Ferdinand, gelegen sein, als Columbus vor der vermeintlichen Küste Asiens Inseln entdeckt hatte. "'\lexander VI. entsprach I49 3 ihrem Wunsch durch die beiden bereits angeführten Bullen. In der zweiten war die berühmte »Linea Alexandrina« angeführt, d. h. jene den Atlantischen Ozean von Pol zu Pol durchmessende Trennungslinie zwischen dem spanischen und dem portugiesischen Ausdehnungsbereich. Ein höchst seltsamer Vorgang: der Papst Schiedsrichter über die \Veltmeere und ihre Inseln, deren Umrisse im Augenblick nur zu ahnen waren, von den beteiligten Entdeckermächt en als der zu solchem Amt Befugte ohne irgendeine Kautele anerkannt: Weshalb? Letzthin deshalb, weil in der Konstantinische n Fälschung die Worte standen: vel diversis insu!is! Geschichte gemacht hat jedoch nicht die Bulle des Borgia-Papstes, sondern der rein weltliche Vertrag, den Spanien und Portugal im Juni I494 zu Tordesillas abschlossen: sie einigten sich auf eine Linie, die weiter westlich von Pol zu Pol verlief und zur Folge hatte, daß Portugal sowohl vor der kanadischen Küste als auch in Brasilien Fuß fassen konnte (diesen Vertrag sanktionierte I 5o6 Papst J ulius II.; d. h. das Papsttum nahm hin, was es nicht mehr ändern konnte).
4· Zur Geschichte der »Konstantinischen Fälschung«
Eine Folge des Vertrages von Tordesillas war, daß Spanien und Portugal auf der Gegenseite des Globus über eine entsprechende Linie sich einigten, die auch dort eine Grenze zwischen ihren Expansionsbereichen zog: Indonesien fiel der portugiesischen Krone zu, die Philippinen der spanischen. Diese Linie wurde von der spanischen Regierung als Argument angeführt, als sie 1885 mit dem Deutschen Reich in Streit wegen der Karolinen geriet. Auf Veranlassung Bismarcks entschied Papst Leo XIII. diesen Streit: er sprach sich für die Ansprüche Spaniens aus, doch trat dies die Inseln 1899 gegen eine Entschädigung an Deutschland ab. Das dürfte die allerletzte Auswirkung der - über ein Jahrtausend alten - Konstantinischen Schenkung in der Politik gewesen sein. Das Buch, das Luis W eckmann, angeleitet von Ernst H. Kantorowicz, aber in selbständiger Arbeit vorgelegt hat, ließe sich nach verschiedenen Richtungen ausbauen, an manchen Stellen auch verbessern - aber es verdient mehr Beachtung, als ihm bisher zuteil geworden ist.
5· N otker der Stammler, fortan: »der Dichter« (t Sankt Gallen 9 I 2): seine Stellung im geistigen Leben seiner Zeit (Buchbesprechung) WoLFRAM voN DEN STEINEN: Notker der Dichter und seine geistige Welt, I (Darstellungsband) und II (Editionsband), Bern, Verlag A. Francke, r948 (640+228 S. mit 5 Tafeln).*
( S. 45 J .") Versucht man die Bücher und Aufsätze, die der Verfasser bisher der Erheilung des Mittelalters gewidmet hat, nach Art und Ziel zu gliedern, so fügen sie sich wie die Glieder zweier nebeneinander herlaufender Ketten zusammen. Das eine Anliegen, das dem Verfasser, einem der letzten noch wirkenden Männer des GEORGE-Kreises, die Feder in die Hand drückt, ist, seinen Lesern große Menschen, Heilige wie Anselm und Bernhard, Könige wie Theoderich und Chlodwig, nahezubringen und sie zugleich in ihrer Einmaligkeit weit über die Leser emporzuheben- und jeder von ihnen wird v. d. Steinen zugestehen, daß er uns in jedem Falle etwas Neues oder bisher nicht so deutlich Gesehenes vor Augen gerückt hat. Die Glieder der anderen Kette setzen sich aus rein fachwissenschaftliehen Untersuchungen zusammen, die über ihren besonderen Anlaß hinaus als Beispiele methodischer, d. h. einfallreicher, aber gezügelter Arbeitsweise anerkannt sind; genannt seien hier nur die beiden den >Libri Carolini< gewidmeten Aufsätze, die einen neuen Zugang zur Persönlichkeit Karls des Großen geöffnet haben. Zu diesen beiden Reihen gehört dann noch eine weitere von Übertragungen bedeutender Denkmäler des lateinischen Mittelalters ins Deutsche, beginnend mit der vorzüglich gelungenen Wiedergabe der pompösen Staatsbriefe Kaiser Friedrichs II., während des Krieges bereichert durch die - leider bereits vergriffene- Luxusausgabe der >Tausendjährigen (d. h. Karolingischen) Hymnen< (Amsterdam 1942/44), und neuerdings erweitert durch eine schöne Nachdichtung von Hildeberts Versen auf das antike und auf das christliche Rom1 . In dem Werke, von dem hier die Rede sein soll, sind die drei Möglichkeiten, in denen sich v. d. Steinen bisher bewährt hat, in eigenartiger Weise zusammenge* Zuerst in der Theologischen Zeitschrift, hrsg. von der Theol. Fakultät der Univ. Basel VII, I95 I S. 45 5-6o.
I Übernommen in den Neudruck meines Buches: Kaiser, Rom und Renovatio, Darmstadt I957 S. 304f.
320
5. Notker der Stammler, fortan: »Der Dichter«
schlossen: sie ergänzen und stützen sich gegenseitig und ergeben ein Ganzes. Den beiden ( S. 4;6:) vorzüglich ausgestatteten Bänden mit zusammen fast 9oo Seiten, deren Druck durch die Beiträge einer Reihe öffentlicher und gemeinnütziger Stellen möglich wurde, hat der Verfasser zwei Untersuchungen vorausgeschickt, die den Text entlasten, aber doch einbezogen werden müssen (Notkers des Dichters Formelbuch, in der Zeitschr. f. Schweiz. Gesch. 25, I945, S. 449ff., und: Die Anfänge der Sequenzendichtung, in der Zeitschr. für Schweiz. Kirchengesch. I 946, Heft 3-4, I947, Heft I-2; vgl. auch noch: Karolingische Kulturfragen, in: Die Welt als Gesch. X, 1950, S. I56-I67)· Den Hauptteil des Editionsbandes bildet Notkers >Liber Y mnorum<; neben dessen 40 Sequenzen findet der Leser deutsche Übertragungen. Es folgen noch mehrere Dutzend Sequenzen aus St. Gallen, die von anderen Autoren stammen und zum Teil bereits dem Io. Jahrhundert angehören. Den Beschluß machen Notkers übrige Dichtungen: >Ad Waldonern et Salomonern<, >E vita s. Galli<, >lntroductiones ad Introitum< und drei kleinere Stücke. Der Nebenwerke hatten sich bereits die Monumenta Germaniae angenommen 2 ; für den >Liber Ymnorum< war die eigentliche Arbeit erst zu leisten. Es kam darauf an, den in der Folgezeit teils bereicherten, teils verkürzten Stammtext in seinem ursprünglichen Umfang zurückzugewinneil und ihn von den Ergänzungen zu befreien, die er schon im I o. Jahrhundert erfahren hat. Dafür hat v. d. Steinen I 9 Handschriften ausgesondert, von denen heute noch 6 in St. Gallen liegen, zwei oder drei weitere von dort stammen. Auf dieser Grundlage hat v. d. Steinen den >Liber Ymnorum< in einer Weise ediert, die allen Ansprüchen gerecht wird. Bei einem Viertel der zum Liber gehörenden Hymnen ist Notker als Verfasser durch alte Zeugnisse gesichert, bei weiteren sehr wahrscheinlich; für den Rest versucht v. d. Steinen Notkers Autorschaft aus inneren Gründen zu bestätigen. Hier bleibt natürlich ein Spielraum für subjektives Ermessen; aber im wesentlichen wird das erzielte Ergebnis kaum mehr zu erschüttern sein. Und das heißt: Notker >der Stammler<, dessen Hauptruhmestitel bisher die >Gesta Karoli Magni< bildeten, steht jetzt als eine deutlich profilierte Dichtergestalt vor uns: so deutlich, daß der vom Verfasser benutzte neue Name: Notker >der Dichter< berechtigt ist. (S. 457.) Die Übersetzungen gestalten zu einem Teil die Versform nach, zum anderen begnügen sie sich mit der Wiedergabe in Prosa. Bei Dichtungen, die sich so eng der Bibel und der Liturgie anschmiegen, bringen beide :Möglichkeiten die Gefahr mit sich, in das Deutsch der Bibelübersetzungen und der Gesangbücher zu gleiten und dadurch das den Texten Eigene auszulöschen oder in bewußter Abkehr von solcher Nivellierung die Übersetzung zu eigenwillig und dadurch zu stark individuaz Vgl. die rühmenswerte Ausgabe: Notkeri Balbuli Gesta Karoli Magni imperatoris, ed.
F. HAEFELE, Berlin 1959 (Mon. Germ., Script. rer. Germ. N. S. XII, uv u. 127 S.).
HANS
Besprechung von W.
VON DEN STEI'<EX
)Zl
lisiert zu gestalten. Die rechte Lösung kann nur in der Mitte liegen: die kirchliche Tradition muß durchzuhören sein, und gleichzeitig muß die Eigenart des Dichters heraustreten. Auch dies ist v. d. Steinen- soweit mir ein Urteil zusteht- vorbildlich gelungen, ist ihm gleich gut gelungen wie vor einem Menschenalter FRIEDRICH WüLTERS die Übertragung patristischer und mittelalterlicher geistlicher Dichtung. Der Textband erschließt die Welt der Notkerschen Sequenzen nach allen Seiten, also philologisch, gattungsgeschichtlich, inhaltlich und auch nach dem allgemein Menschlichen hin. Das Fachliche wird so vorgetragen, daß mit ihm auch der interessierte Laie etwas anfangen kann. Andererseits führt der Text über den Bereich der reinen Wissenschaft bewußt hinaus; denn worauf es dem Verfasser letztlich ankommt, ist, eine Begegnung mit einem durch seinen Glauben beredt gewordenen Dichter herbeizuführen und dadurch den modernen Leser froher und reicher zu machen (I S. 36). Eben weil es dem Verfasser letztlich um ein ewig-menschliches Anliegen geht, hat er in den Jahren, in denen die Welt auseinanderbarst, sich in seine Sequenzen versenkt - er ist zu beneiden, daß er das vermochte. Die Stärke des Textbandes erklärt sich also dadurch, daß viel ausgemalt und unterstrichen wird, was ein eiliger Leser übersehen würde, und es wird auch manches ausgeführt, was in einer rein wissenschaftlichen Behandlung des Themas fehlen könnte. Hier steht der wissenschaftliche Ertrag zur Erörterung. Ein Rezensent, der dem neuen Werke des Verfassers über das Philologische und Editorische hinaus voll und ganz gerecht zu werden vermöchte, wird kaum zu finden sein, da in ihm ganz verschiedene Bereiche vereinigt werden. Den Literarhistoriker verweise ich auf die Geschichte der psalmodischen Dichtung, die den Weg vom >Tedeum< zu den Sequenzen zeigt, die (S. 4;8:) Geisteswissenschaftler auf die weit ausgreifende Einführung in die Geisteswelt des 9· Jahrhunderts, und wenn der Verfasser sich auch nicht auf die musikalische Seite seines Problems näher einläßt, so werden doch auch die Musikhistoriker vieles für sie Neue finden. Es sei erlaubt, an die Feststellungen des Verfassers eigene Überlegungen anzuknüpfen, um zu zeigen, welche Anregungen von dem Werke v. d. Steinens ausstrahlen, und um zugleich deutlich zu machen, daß es bei diesem scheinbar begrenzten Thema im Grunde um ein zentrales Problem der geistigen Entwicklung des Abendlandes geht. In dem r946/7 erschienenen Aufsatz hat der Verfasser dargelegt, daß die Sequenz um 83o bis 850 im französisch-deutschen Grenzraum entstanden sein muß. Er nimmt also nicht- wie das bisher der Fall war- das langsame Sich-Entfalten einer Knospe zur Blume an, sondern die Schöpfung einiger weniger Dichter, die nachgeahmt und vervollkommnet wird. Der Höhepunkt ist dann bereits bei dem um 84o geborenen Notker erreicht. Was ist das Neue an den Sequenzen? Bisher hatten zwei Halbchöre im Wechselgesang das Halleluja, verziert durch immer länger und kunstvoller gewordene Melis-
2I
Schramm, Auf:;ätze II
5. Notker der Stammler, fortan: »Der Dichter«
men, vorgetragen. Amalar von Trier sagt von solchem Gesang, daß er die Seelen in einen Zustand versetze, in dem das Reden mit Worten nicht mehr nötig sei, weil die bloße Regung des Geistes diesem zeige, was er in sich trage (S. 8 I nach: de eccl. III c. I 6). Dies sei die Sprache der Ewigkeit, in der alle alles Wissen und \17 orte aufhören: so hat ein karolingischer Dichter ausgedrückt, was solcher Gesang ihm und seiner Zeit bedeutete. Der große Schritt darüber hinaus wurde getan, als diesen Tonfolgen Worte unterlegt wurden. So entstehen Dichtungen, die Notker wegen ihrer psalmodischen Form noch >Hymnen< nennt, die sich von diesen aber dadurch grundlegend nnterscheiden, daß ihre Struktur durch den Klangkörper vorgezeichnet ist. Eine Gleichförmigkeit kommt in sie erst dadurch hinein, daß die Wechselchöre dazu übergehen, unisono einzusetzen, dann einzelne Teile der Melodie im Tenor und im Sopran zu wiederholen, um dann wieder unisono zu enden. Die Sequenzen unterscheiden sich also auch von den Tropen, die Teile der Liturgie ausspinnen, also Vorhandenes nur bereichern. Daß die rhythmische Dichtung des Mittelalters, die innerhalb der Dichtung einen ganz selbständigen Strang neben der vom antiken Erbe zehrenden metrischen darstellt, hier ihre Wurzeln hat, braucht nicht näher ausgeführt zu werden; denn seit WrLHELM MEYER >aus Speyer< gehört das zum Bestande unserer feststehenden Einsichten. Wir werfen statt dessen die Frage auf: Gibt es in der karolingischen Zeit im Geistesleben Tatsachen, die sich mit der doch seltsamen Struktur der Sequenz in Beziehung setzen lassen? Das Grundproblem der frühen Sequenz scheint mir das zu sein: der Hörer vernahm den neu gefundenen Wortlaut und härte noch das >Halleluja<, das dieser- Ton für Ton- überdeckte. Je, wie er sein Ohr einstellte, härte er das >Halleluja< oder die Sequenz oder beides in eins. Die Frühzeit der Sequenz ist nun auch die Zeit, in der die mehrstimmige Musik für uns faßbar wird. Ihr lag ein ähnliches Phänomen zugrunde: (S. 459:) auf den Hörer drang einmal die Tenor-, dann die Sopranstimme ein, oder sie klangen beide in eins zusammen; der Genuß des Ohres bestand darin, sich einmal dieser, einmal jener Stimme hinzugeben und dann beide als einen Klangkörper auf sich wirken zu lassen. Aus eben den Jahren, in denen die Sequenz entstand, stammt der Oeseberg-Fund (aus der Umgegend von Oslo ). Betrachtet man die zu ihm gehörenden (oft abgebildeten) Pfosten, die in Köpfe von Ungeheuern auslaufen, findet man wiederum etwas Ähnliches. Denn einmal sind es richtige Pfosten, die angefaßt werden sollen - wie die unverzierten Teile deutlich zum Ausdruck bringen. Die Pfosten sind aber auch Tierhälse, deren Köpfe letztlich auf die löwen- und tigermäßigen Stützen antiker Prunkstühle zurückgehen, jedoch durch die Auswirkung des sogenannten >Dritten germanischen Stils< zu schreckerregenden Untierfratzen geworden sind. Sieht man sie sich jedoch genauer an, erweisen sich Köpfe und Hälse als völlig von einer zu-
Besprechung von \v. vo'-: DE" S-rEI0:E'-'
323
nächst wirr wirkenden Verzierung überspannen, die sich bei sorgfältiger Prüfung als ein höchst kompliziertes, zwei- oder vierfach symmetrisches, aus langgezogenen Untierleibern zusammengeflochtenes Muster erweist. Wer solche Pfosten betrachtete, konnte sie also mit dem Auge entweder als >Pfosten< oder als >Untiere< oder als >Summe von Tierleibern< begreifen. In diesem Umstellen des Auges, in diesem Sooder-so-Begreifen ist offensichtlich der eigentliche Reiz dieser höchst raffinierten, >gleichsam dreistimmigen< Schnitzereien zu suchen: ein Reiz, den wir nur noch als optische Spielerei kennen, der aber schon den germanischen Kerbschnittarbeiten zugrunde liegt. Denn im Widerspruch zum Tastsinn vermag das Auge die Vertiefungen auch als Erhöhungen zu verstehen. Dieses Prinzip liegt auch der germanischen Dichtung zugrunde, die ja durch das Stilmittel der Kenningar zu einem ähnlich komplizierten Gebilde wie die Plastik gemacht wird: Man sagt nicht >Meer<, sondern >Odins Rosse< und kann dann sowohl für >Odin< wie für >Roß< noch einmal poetische Deckworte setzen. Wer nicht eingeweiht ist, vernimmt einen durch Stabreim und Gleichzahl der Hebungen kunstvoll gebundenen, aber mit dem reinen Verstande nicht begreifbaren Wortlaut; der Kenner des Kenningar-Prinzips erfaßt dagegen auf Grund seines \Vissens die den eigentlichen Sinn bergende >Grundstimme<. Er hört aber zugleich die poetische >Deckstimme< oder sogar mehrere Deckstimmen, und der Reiz besteht wie bei der Sequenz, wie bei der mehrstimmigen Melodie und wie bei der Schnitzerei darin, einmal >dies<, einmal >das< oder beides zusammen aufzunehmen. Das Prinzip, daß etwas zugleich dies und zugleich das ist, liegt schließlich auch der Allegorese zugrunde, deren Methode die karolingische Zeit zwar von den Kirchenvätern fertig übernahm, die sie aber- man denke an Amalar und Hrabanus Maurus geradezu zur Schlüsselwissenschaft erhob. Denn nach dieser Deutungsweise vernahmen die Eingewiesenen mit dem Ohr den historischen Sinn der Bibelworte, mit dem durch \Vissen geschärften Verstande aber gleichzeitig noch einen oder womöglich mehrere geheime >Stimmen<, mit denen Gott als Inspirator der schriftlichen Offenbarung zu den Kundigen sprach. (S. 46o:) In diesem Prinzip des Übereinander von »dies« und »das« und zugleich l>beides zusammen«, das in so ausgeprägter Weise in keiner anderen Kultur nachzuweisen ist, scheint mir - was ich hier nicht näher ausführen kann - geradezu der Schlüssel für das frühe Mittelalter gegeben zu sein. Denn so sehr Kunst, Dichtung, Musik und Wissenschaften auch durch verschiedene Traditionen bestimmt gewesen und ihre eigenen Wege gegangen sind, so sind sie sich doch dadurch nahegekommen, daß sie jenem Prinzip Einlaß gewährten3 •
Den Schluß habe ich- hier und da abgewandelt - benutzt im Schlußkapitel meines Buches: >Herrschcftszeichen und Staats-
21*
symbolik< III, Stuttgart 1956 S. ro87f.; das ganze Kapitel: >Ausblicke: Sichtbares und Unsichtbares - Antikes und christliches Erbe,
5. :Kotker der Stammkr, fortan: »Der Dichter«
Unter diesem Gesichtspunk t bedeutet es einen Fortschritt, daß wir dank W. v. D. STEINEN einen klaren Einblick in die Entstehung und die Struktur der Sequenzendichtung erlangt haben. Ein Teilvorgang des skizzierten und noch sehr der Aufhellung bedürfenden Prozesses ist nun zeitlich und geographisch festgelegt, in Anfangs-, Blüte- und Reifezeit aufgegliedert und nicht nur nach den äußeren Formen, sondern in seinem inneren Wesen erschlossen worden. Aus dem Brief, mit dem W. vo~ DEN STEINEN mir am z8. Jan. 1952 für die Übersendung meiner Anzeige dankte, seien mit seiner Einwilligung hier folgende - die Erörterung weiterführen de - Sätze eingerückt: » ... Die Gedanken, die Sie im Anschluß an das Buch entwickeln, fand ich überraschend und äußerst anregend. In Notker selber würde ich allerdings eher eine Gegenkraft, eine südlich-klass ische, zu dieser nordischen Richtung sehen; denn sein ganzes Bemühen geht auf das deutliche, eigne, unvertauschb are Wort. Das >Eins im andern<, das darüber zuweilen hinausgeht, ist die altchristliche , wenn Sie wollen altorientalische Allegorese, für die man allerdings in der Welt der Kenningar ein besondres Ohr haben mochte. Sie suchen die Stilbesonderh eit im Durchklinge n des >Alleluia<. Für N otker (und seine Folger) würde ich auch da sagen, daß der Schwerpunkt nicht hierin, sondern grade im Binden, im Festhalten der flutenden Klänge liegt, im Drang zur Eindeutigkei t, wofür mir auch prinzipiell das >syllabische Grundgesetz< zu zeugen scheint. Anders könnte es mit der vor- und neben-notker ischen Sequenz sein. Hier möchte ich Ihnen um so weniger widerspreche n, als ich einen keltischen Einschuß in den westlichen Sequenzen oft erwogen habe (zu beweisen ist er wohl nicht), und nur spezialistisch anmerken, daß ich (wie schon BLUME und BANNISTER) an den Vorgang des Unterlegen s fertiger Melismen mit Text nicht glaube. Das >Alleluia< wurde, samt seinen (gregorianisc hen) Melismen, vor der Sequenz gesungen, und die Sequenz selber sang man dann nach Variationen und Gliederungen des melodischen Themas, die nach meinen Begriffen äußerst frei (m dicam willkürlich) sind, d. h. also der Dichtung nachfolgen und sich anschmiegen die für das Bewußtsein der Dichter allerdings eine (nun von den Musikhistori kern stilkritisch zu erforschende ) Bindung bedeutet haben müssen.« Seine Auffassung vom Mittelalter hat W. VON DEN STEINEN seither zusammengefaßt in dem Werk: Der Kosmos des Ma.s von Karl d. Gr. zu Bernhard von Clairvaux, Bern-Münch en 1959 (4oo S. mit r6 Tafeln); von mir gewürdigt in dem Sammelbericht >Mittelalter< in: Geschichte in Wissenschaft u. Unterricht XII, r 961, S. 5z. Ich betonte besonders dies: »Es handelt sich um das- im besten Sinne des Wortesgermanische Tradition- Abendland< folgt am Schluß von Band IV (dort ein - noch ungedruckter - Abschnitt über: >Die Rolle der
Allegorese im Mittelalter und ihre geistesgeschichtliche Funktion<).
Besprechung von
~;. VON DEN STEINEN
F5
sehr persönliche Werk eines Gelehrten, der in die Vergangenheit hineinzuhorchen versteht. Diese Begabung beginnt bereits bei dem mittelalterlichen Latein, über dessen Eigenart der Verfasser sehr Aufschlußreiches zu sagen weiß, schließt auch die Kunst ein, die auf kenntnisreich kommentierten Tafeln veranschaulicht wird, und bewährt sich vor allem dort, wo es um das Religiöse geht ... Auch dort wo Bekanntes behandelt ist, wird es uns so dargestellt, daß wir überrascht sind und uns eingestehen müssen: so klar haben wir es noch nicht gesehen». Dazu kommt noch der - dieses Buch nach der kunstgeschichtlichen Seite ergänzende und das Lebenswerk VON DEN STEINENS (t Basel zo. Nov. 1967) abschließende - Band: Homo caelestis. Das Wort der Kunst im Mittelalter, Text- u. Bildband, Bern 19664 • 4 Von mir angezeigt in der Histor. Zeitschr. (Bd. 205, r 967 S. n9-22; wiederholt inBd.IV),
die auch einen Nachruf von mir bringen wird.
Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen Abb.
I
Goldbullen byzantinischer Kaiser (Dumbarton Oaks, USA) a
Basileios I. (867-86)
b
Konstantinos VII. Porphyrogennetos (9I3-59)
c
Theodora (I055-6)
d
Michael VI. Stratiotikos (1056-7)
e
Michael VII. (ro7r-8)
g
Alexios I. Kornnenos (ro89-r n8)
329
Nikophoros III. Botaniates (ro78-8I) Nach: Ph. Grierson, Byzantine Gold Bullae, with a Catalogue of those at Dumbarton Oaks, in: Dumbarton Oaks Papers No. 20, Cambridge Mass.: The Harvard University Press 1967, S. 23 9-5 3
Abb.
2/3
Karls Kaiserbulle, kopiert und abgewandelt von seinen Nachfolgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 U. 3 3 I 2 a-b (nicht erhaltene) Kaiserbulle Ludwigs des Frommen (Stiche von 1704 und I 71 I) Nach: P. E. Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit I, Leipzig: B. G. Teubner I929, Abb. I 3a-b 2c
Denar Ludwigs. Rückseite mit: Munus Divinum Nach: Kar! d. Gr., Katalog, Aachen I965, Abb. 291
2 d-e Zwei Kaiserbullen Ludwigs II. (85 5-75); auf der Rückseite: Decus imperii Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. zp-c 3 a-b (nicht erhaltene) Kaiserbulle Karls des Kahlen (Stiche von I 704 und J7I r) Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 36a 3c
Abb. 4
Kaiserbulle Widos (891-4) Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 49b
Die wiederaufgefundene Bulle (Blei) Lothars I. (jetzt im Castello von Pavia) aus der Zeit seiner Mitherrschaft (822-33)
332
Nach Photographie der Civici Musei in Pavia
Abb. 5
Keltisch-römische Bügelkrone aus dem Fund von Wilton-by-Hockwold (Norfolk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nach: Journal of Roman Studies 47, London 1957 T. XI,
Abb. 6
33 3
2
Helm mit Kreuzband von Chamosson (ro. Jahrh.) im Schweizerisehen Landesmuseum Zürich . . . . . . . . . . Nach: H. Kohlhaussen, Geschichte des deutschen Kunsthandwerks, München: Bruckmann 1955, Abb. zr
333
Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen
Abb. 7
Krone auf der Statuette der Ste. Foy in Conques, Dep. A veyron/ Südfrankreich (karolingisch) . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 34
Nach: P. E. Schramm, Herrschaftszeichen u. Staatssymbolik II, Stuttgarr: Hiersemann 1955, Taf. 45, Abb. 56
Abb. 8
Spangenhelm von Vezeronce (6. Jahrh.) . . . . . .
335
Nach: Schramm, Herrschaftszeichen a.a.O., II, S. 391, Fig. 6/2
:\bb. 9
Helm (mit Eisenkreuz) von Bretzenheim bei Mainz (4. Jahrh.), Römisch-Germanisches Zentralmuseum in Mainz .
335
Nach: Schramm, Herrschaftszeichen a.a.O., II, S. 396 Fig. 7
Abb. ro
Krone des Königs Boso von Burgund (t 887). Skizzevon r6I2 .
335
Nach: Schramm, Herrschaftszeichen a.a.O., Taf. 42, Abb. 50
Abb.
I I
Leo III. und Karl d. Gr. zu Füßen des Hlg. Petrus (Kopie des I6. Jahrhunderts nach dem Mosaik im Triclinium des Laterans) . . .
33 5
Nach: G. B. Ladner, Rittratti dei Papi, I (Mon. di Antichita Cristiana II, serie 4), Citta del Vaticano 1941, S. rr3ff.
Abb.
1
z
Kaiser Lotbar I. zwischen Trabanten in seinem Evangeliar (Tours zw. 849-51) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
Nach: P. E. Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit I, Leipzig 1928, Abb. 17
Abb. 13
Bulle Karls d. Gr. aus der Königszeit Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 7
Abb. 14
Bulle Ottos III. (nach dem Vorbild von Abb.
I
3)
2\iach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 7
Abb.
I
5 Erste Bulle des Kaisers Ludwig II. (8 55-75) (vgl. Abb.
2
d)
Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 23a
Abb. r6
Karl der Kahle in der Viviansbibel (Tours, zw. 844-51)
337
Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. z6
Abb. 17
Derselbe im Codex aureus (Hofschule, 87o), München .
337
Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 29b
Abb. 18
Derselbe in der Bibel von San Paolo fuori le mura in Rom (ebd.), (Reims, zw. 870-75) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nach: Schramm, Bilder a.a.O., Abb. 41
Abb. I9
Das Ellwanger Kästchen (1959 entdeckt)
Abb. zo
Die Rückseite des Kästchens . . . . . .
337
Verzeichnis tmd Nachweis der Abbildungen
Abb. Abb.
2I
22
Das Bildnis links auf der Rückseite des Ellwanger Kästchens (Karl
d. K.) · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·
339
Das Bildnis rechts auf der Rückseite des Ellwanger Kästchens (Ludwig der Stammler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
19-22
Nach dem Erstdruck in der Festschrift für Kar! Gottfricd Hugelmann, Il, Aalen: Scientia-Verlag 1959 (Aufnahmen des Staat!. Amtes für Denkmalspflege, Stuttgart)
329
b
a
d
c
e
f
•
g Abb.
1
(zu S . 4JJ!.) : Goldbullen byzant inischer Kaiser (Dumbarton Oaks, USA).
a Basileios I. (867-86).
b Konstaminos VII. Porphyrogennetos (91 3- 59).
c Thcodora (1055-6). d Michael VI. Stratiotikos (1o56-7).
e Michael VII. (1071-8).
f
Nikcphoros III. Botaniatcs (1o78-8I) .
g Alexios I. Komnenos (1089-I 118).
22 Schr:unm, Aufsätze ll
V))
c
d
Abb.
2
e
{zu S. Jof!.) : J...: arls K aiserbulle, von seinen iach fol gem ko1 iert und abgewande lt.
a- /; Kaise rbulle Ludwig des Frommen mir vereinfachtem Kaisertitelund R cnouatio Rcgni Franc{om/JJ} auf der Rückse ite (kein Orig inal erhalten); Stich bei i\i[abillon ( 1704) und bei Sr. Baiuze ( 17 1 1) . Denar Ludwigs: Rückseite mit Aifmua DiviuuiJJ. d-e Zwei Kaiserbtdien Ludwigs ll.: dundatiert ( Paris, Cabiner des Mcdailles) und c 874 (Parma) mit
abgewandelter Vorderseite und auf der Rücksei te die flir einen Beherrsche r Italiens nicht mehr passende Inschr ift ersetzt durch : D ectts I IJJ(pcrii) .
33 1
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c
Abb. 3 (zu .1". !4/J.J : 1--: a rls 1--:a iserb ulle, von seinen Nach fo lgern kop iert und abge\\·a nd clt. (1- b 1--:a iserbu lle 1--: a rl s des 1--: ahlcn (875 - 77) ( Ke in Orig inal vo rhanden). (/ nach Mabillo n ( 1704), b nach St. Baiuze ( 17 11). Ka iserb ulle \XIidos (89 1- 4) ( in 3 Exem p laren erhalten), d ie J..:a ise rbull e k arl s d . Gr. genau nachah m end ( Du rchmesser 2,4 cm) .
33 2
Abb. 1 (zu S . 6Sfl.) : Di e wicdcraufgcfundcnc Bulle ( Blei ) L orha rs l. (jerzr im Casrello v n Pav ia) a us der Zeir seiner l\•[irh errschafr (8 22- 33 ). Durchmesse r (bis zu m Perlenr~nd ) 45 mm, Gcw ichr 1 15 g r. Jnschrifrcn: (vo rn) D:-1 LOTllARI\·s A\.GVsn·s, (hinrcn) ..L GLOH IA HEG:-1 1 ·•
333
Abb. J (zu S . 99//): Keltisch-rö mi sche Bligclkrone aus dem Fund von \XIilro n-by-Hockwo ld (No rfolk).
Abb. 6 (zu S . 99/f.) : Heim mir Kreuzban I von Chamosson ( to. Jahrh.) im Schweizerischen Landesmuseum Zlir ich.
3 34
Abb. 7 (zu S. roof) : Kro ne der re . Foy in Co nques,
Lidfrankreich (ka ro li ng isch).
335
10
A bb. J' ( Z ll S . 99ff.) : pangenheim von Vczeronce (6. J ahrhundert). Abb. 9 (z11 S . 99//) : I-leim (mir Eisenk reuz) von ßretzenheim bei Mainz (4. Jahrhundert) . lvlai nz, Rö misch -Germanisches Zenrralmuscum. Abb. 10 ( z11 .5'. 99//) : I ro ne des I ö nigs Bo o von Burg und (t 887) auf Mauritiusreliquiar (Skizze von 1612).
'.." . ;'
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.,.-..-.=-----· 4" I:/ L _ _ __ r-J - --,.,'1---- . --,--
A bb. 1 r (z11 S . 99ff.) : l.eo 11 l. und 1--:arl d. Gr. zu Füßen des Hlg . Perrus. K opie des Onofrio Panvinio (t 1568) nach dem Mosa ik im 'T'riclinium des Laterans.
AIJIJ. 12 (zu J . 99f!.) : Kaiser Lorhar I. zw ischen Trabamen (mir entstellten Helmen von römi scher Arr) in se inem Eva ngeliar (T ours zw ischen 849 u.
I
Sj
1).
J
AIJIJ. 1 J (zu J . 99f!. ) : Bulle K arls des Große n aus der 1-.:öni gszc ir. Abb. '1 (zu J . 99jj) : Bulle Orros Il l. (nach dem Vorbi ld von N r. 13). Abb. I J(zuJ. 99f!.J : ErsteBulledes KaisersLud\\·ig l f. (
j j - 7))
(vgl. Abb. zcl).
337 Abb. 16 (zu.\". 991J.) : Ka r! der f( ahlc in der Viviansbibel (T o urs zwischen 844 LI . 8j 1).
Abb. 17 (zu S . 99/l J : Derselbe im Co dex aureus aus St. E mmeram ( 1-!o fschulc, 87o).
A bb. 18 (zu S . 99jf.) : Derselbe in der Bi bel von an Pao lo fu o ri Je mura in Rom (Re im s, zw ischen 870 u. 875 ) .
'7
t8
~-.-
Abb.
1 9 ( Zll
S . u 6ff.) : D as E ll wa nger Kästchen ( 195 9 entdeckt) . Gesamtans icht nach der \'\Iieder-
herstellung.
Abb.
2 0 (z11
S . 1 J6ff.) : Die R ückse ite des E ll wanger J(iistchens.
339
Abb. 21 ( z tt S . II 6Jf.) : D as Bildnis lin ks auf der Rückseite des E ll\\'ange r Kästchens ( Kar! d. K.).
340
Abb. 22 ( zu 5 . II 6jJ.) : D as Bildnis rechts auf de r R ückseite des E ll\\"ang cr J--:ästchens ( Lud\\"ig der ramm ler) .
Register Nicht berücksichtigt sind die Anmerkungen. Die im Text erwähnten Autoren sind aufgenommen. Um das Nachschlagen zu erleichtern, sind Namen und Sachen zusarnrnengefaßt. Aachen I9, 65, 67, 79, 96, I32, I34, 203, 207, 305; Pfalz 304 Absolutismus I 64 Abt, Weihe des I66 Abzeichen, geistliche I6I >Ada-Schule< (karolingische Malschule) 42, I04, I I2 Adalbero, Ratgeber Ludwigs IV. des Kindes 300 Adalbert, König von Italien 6o Adalhard von Corbie I 50 Adel, stadtrömischer 122 f. adiutor 89, 95 Adler des Johannes I I 2 Adoption durch den Papst 266f: advocatus (ecclesiae) 95, IZ9, 256 dci usßacJT6c; = sernper augustus 79 Aelfric, Verfasser von Homilien I86 aequitas = Gerechtigkeit I So Aethelred II., König (978) I8o, I82, I9I, 243 Aethelwold, Bischof von Winchester I 77 Aethelvrulf, angelsächsischer König I42, 173 Affonso, König von Portugal 250 Agobard von Lyon 94f. Alarnannien, Alemannen 83, 86, 97 Albinus, Textsammlung des 3 I 2 Alcuin 72, 90, 93 Alet (Bretagne): Pontificale Lanaletense qo, 200, 224
Alexander d. Gr. 2I5 Alexander VI., Papst 3 r6f. Alexios I. Korunenos (Io8r-r1I8), byzant. Kaiser 48 Alfonso III., König von Kastilien z88 Alföldi, Andreas 7I Alfred der Große, angelsächs. König 179, 3I I Allegorese 324 Alleinherrschaft I48 Alliteration I 74
23 Schra mrn,
-~ ufsätze
II
Arnalar, Bischof von Trier 93, 322f. Amerika 3o6, 31 6 Amtsherzog 2 56; -reif 2 5 3 Anastasius Bibliothecarius 8 I, 9 5, 3l i Andernach I 34 Anerkennung, symbolische r 88 Angelberga (Engelberga), Kaiserin, Gemahlin Ludwigs II. 53, 87, I25, 254 Angelsachsen 105, 203 (s. a.: England); Ordines I63, I69-92, I94, I98, zoo, 208, 223-44, 288 >Anglican-Church< 205 Ansegis, Erzbischof von Sens 90, 94, I2I, 130 Ansegis, Kapitulariensammlung des 42 Antike 23, 39, 52, 7I, 72 Apokalypse I I 5 approbare I 2 5 Aquitanien 75, 83, 98, rq, I55, I96, 272, 288 Arelat 28I; s. a.: Burgund Arles 268, 280, 282 armi!Jae, goldene 305 Arnulf, Kaiser (887-899) 59, 86f., 9rf., 96f., 1I4f., I57f., 272, 274, 295f., 299, 300; seine Gemahlin 73 Arnulf, Sohn Widos von Spoleto 273 Arras I93 Attigny 85 Augsburg 300 Augustus-Titel 70, 76, 78, 97; augustus caesar 9I Aurelian, Erzbischof von Lyon 268 Auswahl 179; s. a.: Wahl Avignon 282 Bacchuskopf, Siegel mit 34, 296 Bacu!us, Übergabe des I62, 184, 194f., 217, 222f., 230; s. a.: Stab Bagdad, Kalif von 4 7 Balsarnon, Rechtsbuch des 309
342
Register
Baluze, Etienne 5o, 54, 5G Bandhelm q8; s. a.: Helm Barcelona, Grafen von 32 ; Bischof von I 54 Bargelle (Florenz) 42 Bart(-ttacht) I7, 34f., 37, 40, 43, 5I, 55, Go; Kinn rasiert 29, 38, 5 I; s. a.: Haare, Schnurrbart Basel 27G Basileios I., byzantinischer Kaiser 4G, 2 53 Basileus s. Byzanz: Kaiser Bath (England) I83, I9I Bayern 9Gf.; als >Königreich< 84, 97 Beauvais, Synode von I 52 Befragung der Anwesenden IG3 Belgien 202 Benedikt III., Papst 90 Benediktinerregel I 77 Benedictiones I45, I47, IGo, 173, qG, I83, I89, I94, 209, 2I2f., 2I7f., 220, 225ff. Benevent, Herzog Grimoald von G3 f. Benzo, Bischof von Alba, Parteigänger Heinrichs IV. 3I I Berengar, Markgraf von Friaul, Kaiser Go, 2G7, 270, 272f. - II., König von Italien Go Bernoin, Erzbischof von Vienne zG8f. Besahi (Pyrenäen) zG-40 Besan<;on 278f., z8I Bild(er), Bildnisse und Bildzeugnisse 40, 42f., IOI, I03f., 253, 294 Bianchini, Francesco (Blanchinus) I 8 f. Bindung, eidliche I48 Bigorre I5G, 2I5 Bismarck, Fürst und Reichskanzler 3I 8 Bischofsamt zGG; -ordo IGI; -wahl 259, 2G5, zG8; -weihe IGI, IGG, qG, 289 Bivin, Laienabt von Gorze 2 5 I Blasteres, Matthaeus, Kanonist des I4. Jhs. 314 Bleibullen s.: Bullen Blutsrecht 30I Bobbio, Kloster G8, 70 Boso, König von Burgund (vorher Graf von Vienne und dux) IOI, I04, IoG, 251,253-79, 283, 312 Boso II. (t 874), Graf 25 I boullotiria (Zangen für Bullierung) 4G Brackmann, Albert 307f.
Brambilla, C. G8 Brauch, biblischer I 5 I ; fränkischer 43; französischer I98; germanischer q8, I9o; karolingischer zo, 24; kirchlich-alttestamentarischer I79; russischer 314; westfränkischer z88 Bresslau, Harry I5f., 2I, 50, Go Bretagne 272 Bügelkrone (Bügel) 52 f., 99 f., I03-8, I IG ff., I 33, q8, 2G9; s. a. faislum, Krone Bulgarien 202 Bullen (Blei- und Gold-), byzantinische 45-8; Karls d. Gr. I5, I7-25; karolingische 45f., 48f., Gof., G9f., 7G, IOI; s. a.: Siegel Burchard, Herzog von Schwaben 275 Burdach, Konrad 308 Burgund: Königreich 83, I3G, I5Gf., 2I5, 249-86, 289 - : Herzogtum I9G, 2G9 - : Freigrafschaft 282 - : Krönungsordo zG5 Byzanz 3I, 48, GI, 7G, 27I, 3oG, 309, 3I3; Basileus = Kaiser 37, 39, 45, 8I, 84, 9I, I05, I09, II7, I33, 314; s. a. Einzelnamen; ferner: Bullen Caesar-Titel 24, 53, 78, 8I, 89ff.; Julius (Caesar) 2I5; s. a.: Kaisertitel Canterbury I8I, I89, 203, zoG Capetinger I5I, I55, 250; s. a. Ordo Carlyle, Brüder 308 Carreau, Pierre 5o, 5G Caspar, Erich 3Io Cencius, Kardinal 3 I2 Chalmel, Plagiator 5 I Cherubime 3I Chester (England) I 88 Chilperich, fränk. König 4G Chlamys 4 7; s. a.: Mantel Chlodwig, fränk. König 77 Chrisma (Salböl) I8G Christus 4Gf., 72, 82; christus s.: Gesalbter des Herrn Cicero G4 Cisjuranien 279 Classen, Peter 307 Clemens VI., Papst 3 I7 Cluny, Kloster I77
Register >Codex aureus< Karls d. Kahlen Coenwulf, König von Mercia coimperator 8 8 Collaudatio I63, z98f. Columbus 3 17 mmes (Graf) 9z commendatio (Kommendation) I44, I49, I nf. Compiegne I 5z Conques, heilige Fides von Ioo; Reliquiar IOI consecratio (König, Bischof) I j2, 2I 5, z94 Constantini Do11atio s.: Konstantmische Schenkung Constanze von Sizilien, Gemahlin Heinrichs VI. z8o crimm maiestatis 94 coro11a regni 88; s. a.: Krone Corroborationsformel 26o >Court of Claims< I 89, 204 Cusanus, Nicolaus 308 Dänemark I88, zo2 Daniel ZI5 David 93,zi5 decus imperii 53, 70-7 4, 8 I Dedikationsbild I I 3 Deer, Josef 3I, 42 defensor 89, 95, I28f., I3I; - et adiutor z56, z63; - et protector 89, 256 Dei gratia-Formel s.: gratia Dei Delalande, Pierre I 59 Delisle, Leopold V. I 5 I Denare s.: Münzen Deutscher Ordo I64, I66f., I78, I8zf., I86f., I94, ZOI, Z03 Devotionswörter 63 Diabolus 4z diadema 12z, Z4I, 305; s. a.: Krone Dimock,]. F. 3I6 Dölger, Franz 46 Döllinger, Ignaz v. 308 domintts (Titel) 8o, 88, Iz7f., I 31, z57;- noster 38 Doppelbügel über Kronen s.: Bügelkrone; Doppeltitel 78 Drache 4z Dreiteilung des Reiches 85 Du Cange 54-7, 84
23*
343
Dungal, irischer Mönch 90 Dunstan, Erzbischof von Canterbury qo, I76ff., I83, I85, I89, I9off., z33;- Ordo I69, 177, I8off., I9I, zoo, z33ff. Duurstede, Münzstätte 4I dux (Titel) 92 Eadwig, König q8 Eberhard s.: Hebarhard Edgar, angelsächs. König I77, I8zf., I87f., I9I, I94, I98, Z33. Z4I - Ordo und Schilderung seiner Krönung I 8o9o, 20I, z33-43 Edmund, angelsächs. König 179 Edred, angelsächs. König I 83 Edward, älterer Sohn König Edgars I8z, 19I - II., Krönung zoG Edwi, angelsächs. König I83 Egbert, Erzbischof von York I69ff., q8, 2z5; -Fassung des Dunstan-Ordo I7off., z23 ff., 260 Ehrenwörter 82, 89, 93 ff. Eichmann, Eduard 255, 314 Eid Iz5, I30, I40, I53, 158, 179, 188, I9If., 194, I96; s. a. Promissio, Treueide Eignung des Herrschers (idoneitas) z61, z63, z68 Einhard 4zff., 76, Io4f. Einkleidung des Königs 300 Ellwangen, Kloster no, II3ff., II8, z96; Kästchen von IIo-I8 Engelberga, Kaiserin s. : Angelberga England (Angelsachsenreich) 98f., 14z, I45, I49, I59, I6I, I64, I66, I69-94, 203f., zo7, zz3-44, 3I6, 317; s. a. die Königsnamen Enrique von Burgund, Gemahl der Urraca von Kastilien 2 5o Erbrecht I4o, 163 f., z63 Erchamberti Breviarium 91 Erdmann, Carl I59, I66f., zoo, z94f. Erdmannscher Ordo I42, I59-66, I68, 173ff., I77, I83, I8j, I87, I9z, I94f., I97f., ZOI, ZI6ZI
Erinnerungsbild 4I f. Erlolf, Bischof von Langres I ro Ermoldus Nigellus 64, 87, 90 Erneuerung s.: Renovatio Ernst, Herzog von Schwaben z77
Register
344 Evangelisten 3 I ; Johannes p, Ewig, Eugen 267 Exarch 279 executor iustitiae 9 I Exeter (England) I7off., 200
IIj
f.
faislum (Bügelkrone) 37, I33 Familienrecht 267 Farfa, Kloster Ij, 5o; Chronik 6o Fauvelle, Abt 54 Ferdinand der Katholische, König F errieres I 48 Festgesang I5I, I55, 2rr, 2I4f. Feudalismus s.: LehnFestkrönungen I45, I58, I66, 22I Ficoroni, Franc. de', italien. Gelehrter 52 fiddes I27; s. a.: LehnSt. Fides (St. Foy) von Conques Ioo Forchheim, Pfalz 299, 30I Formosus, Papst (89I-896) 297 St. Foy s.: Fides Franche-Comte 282 Francia als Oberbegriff 8 5 f., 9 5 f. Franken, -reich 29, 32, 5 I, 6I, 7I, 77, So, 85, 93, 96, I33, I43, I69, I79, 203, 252, 254; S, a. Frankreich, Karolinger, Westfranken Frankfurt, Pfalz 8 5 Frankreich 24, 55, 142, I45, I 57, I 59, I6I, I64, I68, I89, I9I, I94ff., I98, 203f., 249,288, 292; s. a.: Francia, Franken, -reich, Karolinger Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 74, 279f. - II., Kaiser rrS, 28rf., 308, 319 Frodoin, Bischof von Barcelona I 55 Frühdeutscher Ordo r67 Fruela, spanischer König I I 5 Fürstenspiegel, karolingischer 262 Fuhrmann, Horst 306f. Fulco, Erzbischof von Reims Ij8 Fulda 294; Annalen 8 3, I34; Urkunden 292; Sakramentar I 74 Fulrad, Abt von St. V aast I68, IBo, I93, I97; - Ordo I68, I92-9, 2oi, 244-8
Galicia (Spanien) 250 Ga!!ia 96, 2 I 5 Gascogne I 56 Gaudenzi, Augusto 3Io Gauzlin, Erzkanzler I2I
Gelasianische Sacramentare I47 Gemmen 27-35, 39, 48, 87, 293 Generalvikariat zS I Genf 273 Georg VI., König von England 203, 206 Gerbert ( = Silvester III.) 9I Gericke, Wolfgang 307 Gerona (Spanien) I 55 >Gesalbter des Herrn< ( christus) 296 >Gesta Karoli Magni< (Notkers) po Gewohnheitsrecht 79 Giraldus Cambrensis (von Wales) p6 Giry, Arthur I 5 Giselakreuz (München) 3 I Glastonbury, Kloster q6 Globus s.: Reichsapfel Gloria regni-Formel 70 Goldbullen s.: Bullen Goldhelm I05 (s. a.: Helm); -münzen 47 Gott als Vorwähler I24, 26I, 269 Gottesgnaden-Form el s.: gratia Dei Graf ( comes) 92; -von Savoyen 282 Grandmaison, L. de I5f., 50 gratia Dei 65, 66, 68, 83, 89, 254, 280, 29I Grauert, Hermann v. 308 Gregor VII., Papst 3I2, p6; Kirchenreform 203 - IX., Papst 3I2 - von Tours, Geschichtsschreibe r 46, 26z Griechenland 202 Grierson, Philip 4I, 45ff., 63f., 67, 70 Grimoald, Herzog von Benevent 63 f. Grisar, Hartmann 3 IO Gunzenhausen, Kloster I I I Haare, lange I I 6; s. a.: Bart Hadrian II., Papst 92, I 22 - IV., Papst 3 I 5 f. Hadriansgemme 85, 293 Hävernick, Walter 67 Hagen, Gottfried (Chronist) 312 Hampe, Kar! 307 Harald, König von England (t Io66) I8I Hariolf, Bischof von Langres I IO Hartmann, Ludo Moritz 3 IO Hatto, Erzbischof von Mainz I I4, 296f., 3oof. Haube s.: Kronhaube Hebarhard, Kanzler 65
Register >Hegemon< 292 Heilruf q8 Heimich I., deutscher König 73, 9G, 275, 277, 287, 302ff. - II., Kaiser 3 r, Go, 74, 97, III., Kaiser Gr, G7, 278 - IV., Kaiser !08,!33,278 -V., Kaiser 278 - VI., Kaiser 28of., 312 (VII.), König 281 Heisenberg, August, Byzantinist 3 ro Helm 42, ro2-8, !75, rnf., r84; -kappe I05; Gold- I05; Band- q8; - mit Metallkreuz ro8; s. a.: Krone Henne am Rhyn, Otto I 7 Herakleios, byzant. Kaiser 4G Hermann, Erzbischof von Köln 297 Herrschaftszeichen passim; s. a. armil!ae, Diadem, Helm, Krone, Lanze, Mantel, Reichsapfel, Szepter usw. Herrscherbilder 21, 42, 45, GI, G3, II3, IIG Herrscherornat ro8; s. a.: Herrschaftszeichen Herrscherweihe I44, 204, 289; s. a.: Krönung, Salbung >Herz des Königs<, Hatto von Mainz als I I 5 Herzogskrone 2 53 ; s. a.: Krone Herzogstitel 92; bayerischer 97; Amtsherzog 25G Hierarchismus, karolingischer 145 Hinkmar, Erzbischof von Reims 78, rq, 121, 123, 130f., 134, I4j, 148, 150-3, I59f., I73, I8j, 253, 2G4, 288 Hochburgund s.: Burgund Hof, westfränkischer I 3 5; deutscher 275; -beamte 204; Hofgericht Karls d. Gr. 3 5, Siegel desselben 29; -kapelle 293; -sprache 53; päpstlicher I z I Holler, E. 308 Holtzmann, Robert 314 honor der Kirche r z6 Hort 29G Hrabanus Maurus, Erzbischof von Mainz 90, !04, II 3, II6, 323 Hrotsvith 73 Hugo, König von Italien und Burgund - , Sohn Lotbars II. 2 57 - Capet, König von Frankreich I9G Huizinga, Johan 201
Go, 271
345
Hukbert, Abt von St. Maurice 25' Huldigung I79 Humbert von Silva Candida 3 r r Hundertjähriger Krieg 205 idoneitas s. Eignung Immunität Irr imperator ( augustus)
294 -Ita!iae
82
n,
88 Ingelheim, Pfalz 304; Bilderzyklus 3I I Indonesien 3I 8 Initiationsritus 2o2 Innocenz lll., Papst 3 I 2 - IV., Papst 3!3 Inseltheorie 3 I G Insignien s.: Herrschaftszeichen Investitur mit den Herrschaftszeichen 140, 14G, I6r, r65f., !75, 179, r84, r87, I89, 221, 265; geistliche I 58 Irland 315, 317 Irmgard, Tochter Kaiser Ludwigsll., Gemahlin König Bosos 2 53 Irmtrud, Gemahlin Karls des Kahlen I I 3, I43 Isabella die Katholische, Königin von Kastilien
imperium
3!7 Isidor von Sevilla 76, r62, 2G2 Italien 19, 53, So, 85ff., I22, rp, I34ff., I38, '57, 202, 25!, 257, 267, 270, 272, 278, 289; s. a.: Langobardenreich, Sizilien usw. ius pttb!imm 3 I 5 iustitiae exsectt!or 9 I Iwan IV., Zar 3 I4 Jakob I. und Il., Könige von England zoG Johann VIII., Papst 79, 94f., Ir9f., 122f., I25, 134-8, 143f., 147f., 208, 210, 252, 254, 25G, 2G3, 294 Johann von Salisbury pG Johannes, Evangelist 3 I, I ! 5 f. Johannes Longus, Abt von St. Bertin 3I6 Josua 93 Judenschutzbriefe I 5 Judith, Gemahlin Ludwigs d. Frommen 87, II3, u6 - , Tochter Karls d. K., Gemahlin des Königs Aethehvulf 142, !73, r85, 273; -Ordo !73 ff.
Register Jungfrau, Heilige s.: Maria Juenin, Kanoniker 56 J ulius II., Papst 3 I 7 Jupiter Serapis, Gemme 3 5 Justinian I., byzant. Kaiser 46 >Kaisar< 90 Kaiser passim; s. a.: imperator; römische 22, 7I, I22, I33; byzantinische s.: Byzanz (Kaiser); als Marschall des Papstes 309, 3 I2, 314 Kaiserbilder s.: Herrscher-; -bild im Kreuz 3 I - bullen s.: Bullen - diadem s.: Diadem - gräber in Speyer Io8 - hof, byzant. IOj, 27I - krönung II9f., I26, I30, 255, 289 - krone 84, II9f., I38, 27o; s. a.: Krone - mautel rz I ; s. a.: Mantel - ordines 89, I67 - siege! 296 Kaisertitel 22, 24, 28, 75 ff., 82f., 9I, 96, 98, I 32; s. a. imperator ( augustus) Kaiserwahl I23, I27 Kalif von Bagdad 4 7 Kamelaukion 37, IOjf., I09, Iqf., I33f.;s. a.: Krone (byzant.) Kauarische Inseln 3 I 7 Kantorowicz, Ernst H. 3I5f., 3I8 Kanzlei, burgundische 275, 278; kaiserliche 20; karolingische I 5, 92; päpstliche 94 Kapelle 2I 3 Kapitularien, karolingische I 59 Kar! der Große I5-45, 48ff., 6o, 65, 72, 75, 89ff., 9I, 93, 95, 98, I05, IIO, II6f., I20, I22, I26f., Ipff., I38, I47, I49, I56, 270, 287, 292f., 3I9; Aussehen 34-44; Bilder 20, 34, 41, IO); Bullen I6-25, 35-9, 40, 48, 53ff., Go, 83, II6; Gattinnen 87; Münzen (Denare) 29, 38, 40, 49, 66f.; Reichsbegriff 8o; Siegel (Gemmen) 26, 29, pf., 34f., 37, 4o; Steinthron in Aachen 305; >Testament< 63; Titel 29, 35, 39, 78; Urkunden 29, 33; \\'ortzeugnisse für sein Aussehen 34 Kar! der Kahle, Kaiser I 8, zo, 22, 28, 3 8, 42, 54, 66, 73, 78, 82, 89, 92f., 95, 98, IOI, I04, Io6, Io8f., II3-39, 143, I45, Ij2f., I59, 174, 25If., 254, 258, z6o, 263, 288, 292, 296, 299; als defensor eccluiae I I 9 f., I 27; als dominus
I 19, 127; als protector ecc!esiae I I9f., I27; Bildnisse 55, noff.; Bullen 15, 19, 22, 25, 5 I, 54-8, 83f.; Gemahlinnen 87; Münzen 56; Titel 28, 84, II8 Kar! III. (der>Dicke<) 22, 28, 38, 54, 57, 59, 73, 86, 9I, I5I, 266f., 272ff., 293ff., 30I, 304; Bulle 22, 25, 5I, 54f., 57, 59, 86; Gemahlin 73; Siegel 28, 58, 294; Titel 86, 294f. Kar! IV., Kaiser 282 Kar! der Einfältige, westfränk. König 96, I 14, I 57, 267, 272 Kar! der Kühne, Herzog von Burgund 282 Karlmann (768-77I),Bruder Karlsd.Gr. 32,34 - (876-8o), ostfränk. König 85, 97, 293, 304 - (879-84), westfränk. König I48, I 5of., 2Iof., 256, 266 Karolinen (Inselgruppe) 3 I 8 Kastilien z89; s. a. Herrschernamen u. Spanien Katechumenenmesse I 73; -öl I 86 Karolinger I5, 22, 75, 89, I04, I20, IjO, 255, z6o, 263, 272; aquitanische Io4; ostfränkische 84, 88, 2 57f., 266 (s. a. Einzelnamen); westfränkische 82, II4, I 59, z6r, z66 (s. a. Einzelnamen) Kehr, Faul Fr. 294 Kenningar 323 f. Kerullarios, byzant. Patriarch 309 Kingston (England) I9I Kinnamos, byzant. Geschichtsschreiber 309 Kirchenrecht, byzantinisches 3 I4 Kirchenreform 65, qo, q6, I So, 203 Kirchenvogtei, kaiserliche I 29 >Kirchenstaatstum< I 36 Knut der Große, König 1 8 1 Köln I32, 204 >Kölner Ordo< I94f., 197 König s.: Ländernamen, rex Königin, Krönung dt:r 164, zzof., 239f., 242f., 247f. Königsgebete, fränkische 146; -ornat Io3, 305 (s. a.: Herrschaftszeichen); -pfalz po; -titel q, 28, 78ff., Sr, 91, 97f., 250, 263f., 281, 288, 291; -\vahl 127, 129,263, z68; -weihe 176, 205, 265, 290 (s. a.: Krönung, Salbung) Kommendation s.: commendatio Konrad I., deutscher König 71, 73, 97, 277, 293, 295, 30I, 303f. - II., Kaiser Go, 272, 277
Register (Konrad - Fortsetzung) - III., König von Burgund 275, 279 - , Graf von Auxerre 274 - , Graf von Paris 274 - , Herzog von Zähringen 278 Konstantin der Große 41, 305, 310; Krone 64; Münzen 38, 48, 59; -nische Schenkung 79, 255, 306-18 - IV. Pogonatos, byzant. Kaiser 46 - VII. Porphyrogennetos 4 7 Konstantinopel 48, 84, ro6, ro8, 309; s. a.: Byzanz Korsika 317 Kranz 24, p, 53, 59f., 64, 66, 69, 71, 296; s. a.: Lorbeerkranz Kreisornament 69 Kreuz 24, 28, 31, 33, 38f., 53, 56, 64, 66, 69, ro4, 272, 296;- von Besalu 26-33 Krieger mit Schild und Lanze 42, 304; vrer königliche 43 Krönung 66, 98,119, 125,140,145,148, 15of., 157f., 169, 179, 186, 195f., 203, 219, 221 f., 237, 240, 246, 249, 258, 263, 287f., 312; -der Königin 185; s.a.: Salbung - , angelsächsische und englische r 69-206, 223-44 - , burgundische 257-65, 268f., 274ff. - , westfränkische und französische qo--8, 198, 208-223, 261 Krönungseid s.: Eid -mahl 157, 189, 194, 206, 247, 289 - messe 194 - ordines, -ordnungen s.: Ordines Krone 15, 23, 34, 47, 55, 64, 99ff., 109, r64f., q8, r84f., 194, 271, 277, 297; s. a.: Bügelkrone, diadema,jaiJ!um, I-Ielrn, Herzogskrone, Kamelaukion, Lilien(krone), Pendilien, Reif, Votivkrone - : böhmi5chc 99, burgundi5che 270; byzantinische r 17 (s. a. Diadem, Kamelaukion); englische 18r; karolingische qff., 37ff., 49ff., 99ff.; langobardische (in Monza) ID3; sizilische r r8; s. a.: Bügelkrone, Hauskrone Kronhaube 103, ro6, ro8, rq, 133 Kronreif 38, 5I, 53, 104, 109, 190 Kurie (Hof des Papstes) 84, r 2 r; s. a.: Papst, Rom Kuß des Lehnsherrn q8; des Königs 247
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Labarum 48 Ladner, Gerhart B. 40 Laehr, Gerhard 307-13 Ländernamen 9 5 Lambert, Kaiser 6o, 273 Langobarden(reich) 22, So, 92 Langres r 58, 2 72 Lanze 21, 38, 42, 48, 53, 6o, 294; Heilige275, 305; bewimpelte- 295, 301; s. a.: Speer Lateranmosaik 22f., 40, ro5, 3 rr Laudatio 259 Laudes 20, 36, 79, 93, 122, 126, I29, 131, 292 Laurentius, Heiliger 297 Laurentius Valla 308 Lederbullen 46 Legimus (Kaiserunterschrift) 39 Lehn (Lehnsinvestitur, -herr, -pyrarnide, -recht, -Verpflichtungen, -wesen, -Zeichen) 92, r28, 158,204,267,272,277 Lehnskuß q8 Leo III., Papst 40 f., 89, 3o6 - IV., Papst 3 I I - IX., Papst 309, 3rr, 313, 316 - XIII., Papst 3 r8 Leofric, Bischof von Exeter qoff., zoo; - = Fassung des >Dunstan-Ordo< r69ff., 223 ff. Levison, Wilhelm 267, 3 ro >Liber Ymnorum< Notkers des Dichters 320 >Libri Carolini< 3I9 Liebermann, Felix 191, 243 Lilien(krone) 99, ror, ro9, 27I Liparische Inseln 3 r 7 Liudprand, Bischof von Cremona 304 Liutbert, Erzbischof von Mainz 92, 267 Liutward von V ercelli, Erzkanzler 267 >Lobwörter< 71 Lö\ve, Heinz 76 Lorbeerkranz 38, 53, 55, 57, 59, 69, 83, 105, 294; s. a.: Kranz Loros-Lorum 47, rr7f. Lothar I., Kaiser 52, 72, 77f., Sr, 88f., 90, 92, 94, 97, 102, 104, ro6, 135, 145, 251,287,292, 31 r; seine Bullen 58, 6o, 68-70; seine Gemahlin 87; seine Titel 79f. II., König 30, 82, 264, 270, 274, 288, 299 - III., Kaiser 278 Lotharingien 82f., 85, 87, rzo, 123, 13rf., I34, 264, 273
Register Lotbarkreuz (Aachen) 3 I Ludwig der Fromme, Kaiser 22f., 33, 38, 42, 50, 63f., 69f., 72, 75f., 81, 88f., 93, 95, 98,101, I04, rr1, 132, I35, 145, 287, 293; seine Bulle I5f., 20, 5I, 53, 56, 58f., 83; Münzen und Medaillons 63 f., 67; Siegel 5 I; Titel 75 bis 79, 81, 90; Gemahlinnen 87 - der Deutsche, ostfränk. König 65 f., 8I, 84f., 9If., 95ff., I32, 257, 29Iff. II. (t 875) Kaiser I5, 24, j2, 56, 59, 69, 72, 8of., 89f., IOI, I35, I37, I44f., I48, I50, 268, 270, 288, 292f.; Bullen 52f., 56, 6o, 7I; Münzen 53; Siegel 53 - (876-82), ostfränk. König 85, 256, 293 - IV., das Kind 86f., 92, 299f., 304 - der Stammler (877-9), westfränk. König I13, I33, I5h 254,258, 263; Ordo I42-8, 2o8-Io - III., Sohn d. Stammlers, König I48, 25 6, 274 - der Blinde, König von Burgund, Kaiser 66, 266, 273, 286 - VI.,derDicke,Königv.Frankreich I68, I95 - VII., König von Frankreich 98 Luitpold, Herzog von Bayern 92 Lyon 263, 279 Maastricht, Altar von St. Servatius I 04 Mabillon, V erfasset von >De re diplomatica< I9, 50f., 54, 56ff. Mahl nach der Krönung I89 maiestas 94 Mailand I95, 28o; Krönungsordo I63 Mainz I6I, 203 f., 277, 293, 30off.; St. Alban I 66; s. a.: Hrabanus, Luitpert Mainzer Pontifikale und sein Ordo 9I, I62, I66f., I74, 26I Makarij, Metropolit von Moskau 3 I4 Aiandatumregis I8o, I84, I9I, I97f.;s.a.promissio Manfred, Kardinallegat 68 Mantaille, Pfalz 258, 26o Mantel 34, 36, II2, II7, Izi, 305; Chlamys 47; s. a.: Ornat Maria, Muttergottes 48 Mark, Spanische 32, I54f. Mauritius, Büstenreliquiar des heiligen I o I Maximilian I., Kaiser 79, z82 Mayer, Theodor 66f. Medaillen (Medaillons) 22, 24, 45, 55,67, IIrf., rr8
Medusa 27 Meersen, Vertrag von I32, 252 Menadier, Julius 22 Mercia, König Coenwulf von 56, 66 Mesarites s.: Nikolaos Metallbullen s.: Bullen Metz 83, I23, I25, I83, z88, 299; Kunstschule 4I Meyer, Wilhelm (aus Speyer) 322 Michael II., byzant. Kaiser 77 - VI. Stratiotikos, byzant. Kaiser 4~ Michels, Anthon 3 I I Missus 25 2 Mitkaiser(schaft) 5z, 77-8o, 293 Mitkönig 270 Mitra Ioo Mitteis, Heinrich I50, I 57,262 Mittelmeerhandel 67 Moissac I 55 Monaci, Ernesto 3 I I Montfaucon, Bernard de I8f., 54 Moskau 3I4 Mühlbacher, Ernst I 5 Müller, Eugen 312 Münzen (Denare) 22, 24, 38, 4I, 49, 53, 55, 63, 106, 292; münzartige Miniaturen 93 munus ( divinum) 6 3-7 Napoleon I. I 38 Narbonne I 55 neuma = n:-vsvfl·a I 56 Neumen I55 Nikephoros IIl. Botaniates, byzam. Kaiser 48 Nikolaos Mesarites, Metropolit v. Ephesus 309 Nikolaus I., Papst I36, 3I2 - II., Papst 3 I 7 Nithard, Geschichtsschreiber 66, 8~ Nomokanon 309 Normannen I34, I37, I87, 254 Normannischer Anonymus (früher: von York) I86 Norwegen 3 I 7 Notker Balbulus, der Dichter 9I, 29I, 3 I9-25 Novgorod 3 I4 Odo, westfränkischer Gegenkönig 44, 96, 272, 296, 298; Texte zu seiner Krönung I 5 I-8, I63, 2II-6
Register Oeseberg-Fund 322 Ohnsorge, Wilhelrn 76, 306 Ordination 160, 259f. Ordo (Ordines) für die Krönung passim; zu den nach Menschen benannten vgl. unter deren Namen; s. a.: Ländernamen und das Inhaltsverzeichnis -,Stammtafel I99 -,geistliche I6z, 260 -, Römische 3 I 2 Ordoiio II., König 288 Orleans z88 Ornat 109: s. a.: Herrschaftszeichen, lVfantel usw.
orthodoxus 94 Ostrogorsky, Georg 3 I 4 Oswald, Erzbischof von York I77, I89 Otto I., Kaiser 6o, 73 f., II8, 271, 275f., 304, 3 I I - II., Kaiser 73 - III., Kaiser I9f., 36, 6o, 74, 307, 3II -, Gmf von Lenzburg 280 - Wilhelrn, Graf von der Charnpagne 276f. Oviedo, Dorn Yon I I 5 >Pacturn< König Pippins I2o Faderborn 105 >Palastordnung< 150 Palermo I I 8 Palmwedel I09 Panvinio, Onofrio 4I, IOj San Paolo (Rom), s.: San P. Papst 47, 77, 8If., Ioj, II9, IZI, I3J; als Statthalter St. Petri I 2 5 ; als Kaiserwähler I23ff.; als Schiedsrichter I25; s. a.: Alexander I I.; Benedikt III. ; Clernens VI. ; Forrnosus; Gregor VII.; Hadrian II.; - IV.; Innocenz III. ; - IV. ; J ohann VIII. ; J ulius I I.; Leo III.; - IV.; - IX.; - XIII.; Nikolaus I.; - II.; Pius VII.; Sergius III.; - IV.; Silvester I.; - II.; - III.; Stephan II.; -IV.; -V.; -IX.; Urban II. Parma 53 Patricius 92, 262 patronus 95 Pavia 69f., So, 129ff., I36f., 252, 258 Pecock (eng!. Autor des I5. Jahrh.s) 308 >Pendilien< (an der Krone) Iqf., I34 Peroni, Adriano 69
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Personalunion 8 3, 8 5, I 3 I ; - verband 67 Peter der Große, Zar 3 I 4 - von Prezza 3I2 Peterspfennig 316f. Petitio q8, Ij1ff., I63, I97, 2Iof. Petrus, Apostel 40, 77 - von Montecassino 309 Philipp I., König von Frankreich I63, I68 - von Schwaben, deutscher König 28I Phokas, byzant. Kaiser 46 Photios, Michael 309 Piacenza, St. Sisto in 53 Pippin (751-768), König 38, 43, I01; Siegel und Münzen 34 -,König von Italien 50 - I. und II., Könige von Aquitanien 98, IOI, 288 Pius VII., Papst I 38 Planeten, sieben I I 5 Poitou 98 Polen, Herzog von I 8 8 Ponthion I29f., I33f., I36; Synode 117, I29, I 3 I f. Pontificale Lanaletense s.: Alet - Gerrnano-Rornanurn I62, 167 - von Sens I6I; s. a.: Sacrarnentarium populus I63 Porto, Grafschaft 2 50 Portugal 250, 317f. Posse, Otto I6, 52, 59 praecepta des angelsächs. Königs I8o, 223, 235, 243 f,; s. a.: promissio Prezza, Peter von 3 I 2 Primogenitur 2 56 princeps 82, 9I; principatus 265 Prochnow, G. 3 IO Professio ( = Treueid des Königs) I44 Promissio 89,120, I44, I48f., Ijl-jj, 163, I84, I87, I9I, I97f., 21of., 243, 26rf.; s. a.: Eid, mandatum regis, praecepta, professio, scrutinium Proteetor 128f., I3d., 135 Prau, Marcel 24, 64 Provence 2 57, 279; s. a.: Burgund Provincia = Provence 276 Prozession bei der Krönung I 89 Prürn, Reliquien im Kloster Ioz Psellos, Michael 309 Pseudo-Isidorische Dekretalen 3 IO
3 50
Register
Quedlinburg, Pfalz 304 Quierzy, Kapitular von 149, 163 Raetien 83 Ram6n Berenguer IV., Conde-Principe von Aragon und Barcelona 279 Ramsey, Kloster 188, 241 Ratbold, Erzbischof von Trier 297 Ratold, Abt von Corbie 168, 182, 192f., I98, 20I Ravenna 86, I32, I34, I36f., 294 Recht, römisches 9I, 3I3; päpstliches I22 Rechtspräzision, kirchliche I 4 5 rector 89 f.; - Burgundiae 279 Regensburg 3oo; Annalen 267 Reggio 251 Regino von Prüm, Chronist 85, 9I, z64, 273f., Z99f. Regling, Kurt I 8 regnum 88;- Arelatense (Burgund) z5o, z76; - Burgundiae z8z; Italicum I27; Teutonicorum 30z; (s. a.: Teutonia) Reichenau, Kloster z94 Reichsapfel (Globus) 49f., I09, 133 Reichsaristokratie, karolingische z5 I, z7z, z74 Reichsidee, karolingische 6I Reichskreuz z72 >Reichskrone< rr8, z7I Reichsteilung Karls des Großen 64 Reichsvolk 77, Iz6 Reif 37, p, 99,103, I05, z69; s. a.: Krone Reims 64, 79, 93, I 37, I 58, I6o, I63, zo3 f., Z07 Reiter 4z; - statuette 4 I Renovatio imperii Romanorum I 9, z 3, 5 I, 5 3, 57, 70, 77, I 19, I 32> Z99, 307 - regni Franeorum z3, pf., 56, 70, 8I, I3zf., Z94, 297 respublica 8 8 rex 37, 54, 75, 8zf., 86, 97, 275, z9z, z94, 30I; - Aquitanorum 76, 98; - Germaniae 86; iustus I8o; - et sacerdos 1oo; - Saxonum 85 Rhodos 3I7 Riade, Schlacht bei 304 Richard I. Löwenherz, König von England z8I -,Bruder des Königs Boso von Burgund z52
Richilde, Gemahlin Karls des Kahlen 1I 3f., rr8, I38, zp, z96 Ring I6rf., I64f., I77, I84f., I94 Ripoll, Kloster I 54 River Dee 188 Römische Kirche 93, 95, Izo, 135, 144, 308, 310, 316; s. a.: Papst Roger von Hoveden, Chronist 3 I z Rom 64, 76, 79, rr9, Iz6, Iz8, Ipf., 136tf., I43f., z56, 288, 295, 3rr; antikes und christliches 3 I 9 ; Bild der Roma 23 Romanos II., byzant. Kaiser 270 Rosette auf Münzen 56f. Rostagnus, Erzbischof von Arles z68 Ruderfahrt, symbolische I87f. Rudolf I., König von Burgund z73 - II., König von Burgund 275 - III., König von Burgund z76f. - von Rheinfelden, deutscher Gegenkönig 278 - I., deutscher König z74, z8z Rüstung Rußland Sabatier, ]., Numismatiker 46 Sachsen (sächsische Herrscher) 85, 96f. Sacramentarium von Angouleme I47 - Gelasianum I47, I7I, I73f., I76 - von Gellone I7I - Gregorianum I47, qi, zoo; s.a.: Pontificale Salbung 66, Iz5, I35, I40, I45, I48, 158, r6g, 179, I84f., I89, 2ozf., zo6, z58, 263ff., 287ff., zg5, 301; s. a.: Krönung Salier 49, rr 8 Salomon 93 San Paolo (Rom), Codex IOI, Io6, u6, I I9 Sankt (Saint) Alban (Mainz) I 83 - Denis Io3, 144, 2 5z - Emmeram (Regensburg) 296 - Gallen Io8, 291 f., 320 - Gatian (Tours) I 51 - Maurice d' Agaune z 52 Servatius (Maastricht) 42 - Thierry (Reims) 146 - Vaast (Arras) I68, 193, 197, zoo, 274 Santa Susanna (Rom), Mosaiken 41 Sarazenen 254, z75 Sardinien 3 r 7 Savoyen, Graf von z82
Register Schiaparelli, Luigi Go Schild 2I, 23, 38, pff., 59f., 202, 270, 294, 29Gf. Schieffer, Theodor G8 Schleier der Königin I I G, I 33 Schlesinger, Walter 7G Schlumberger, Gustave 4G Schnurrbart, hängender, der Karolinger 29, 38, 4off., p, 54; s.a.: Bart Schönegger, A. 308 Schottland 99, 3I 7 Sch",aben 97, 273 Schweden 202, 317 Schwert Ij2, IGif., IG5, I77, I84, 18G, I88, I94f., 305, 3I3 Scrutinium, geistliches 2GI f., 2G9 Sedulius Scottus 73 Seidenkappe unter der Krone s.: Kronhaube Seidenschleier s.: Schleier Selbstkrönung I 58 Senat, Römischer I22, I35 Seneca G4 senior 82, 9I Sens, Erzbischof von I3off., I37, I48, Ij2, 204, 25G, 288; Pontificale IGI; Krönungsformeln I Go, IG5 f., 22If. Serapis-Gemme 29 Sergius III., Papst 7 3 - IV., Papst 8o Sicke!, Theodor v. I 5 Siebenzahl I I 5, 262; sieben Leuchter I I 5 ; Planeten I I 5 Siegel I5f., I8ff., 22, 2Gf., 29f., 30, 35, 39, 48, 53ff., Gof., II4, IGI, 29I, 293f., 29Gf., 3oof., 304; s. a. : Bullen Sigismund, Kaiser 282 Silvester I., Heiliger, Papst 3I2 - II., Papst 74, 3IO - III. s.: Gerbert Sirmond, Jacques I 59 Sizilien 3q Skandinavien 3I7 Sohnschaft, geistliche 2 55 Solidus, römischer und byzantischer G3 Solothurn, Hoftag in (Io38) 277 Spangenhelm s.: Helm Spanien 288, 3qf.; s. a.: Kastilien Speer 23, 38, 5If., 59, 296f.; s. a.: Lanze
351
7I, 74 Speyer, Kaisergräber Io8 S. P. Q. R.-Formel I23 St. s.: Sankt >Staat< J4I, I45; Staatsrecht IZG Staatskirchenturn I 3G >Staatssymbolik< 37, 43, 7I, I04, 249, 252, 282, 287, 295, 297, 305 Stab 49, IGif., IG5, I75, I77f., I94; s. a.: baculus, Szepter, virga Stadttor auf Münzen 23, 38 Stand, geistlicher und weltlicher qS Staufer 49, I I 8 Steigbügeldienst des Kaisers 309, 3I 2, 3 I4 Steinen, Wolfram von den 3 I9-25 Stenge!, Edmund E. 292 Stephan II., Papst 25 5 - IV., Papst 63f., 93 -V., Papst I55, 2G8 - IX., Papst 2G9 - Duschan von Serbien 394 Stephanskrone, ungarische I I 8 Stiefel, kaiserliche 309 Stirps regia I 57, I79, 2G3, 269, 273 Strahlennimbus I I 2 Strator- und Marschalldienst s.: Steigbügeldienst des Kaisers Strecker, Kar! I 8 Sueton, Kaiserviten 44 Suger, Abt von S. Denis I95 Sultan von Ägypten 47 Suprematie, Lehnsherrliche I 57 Szepter G8, I09, I 5o, I58, IG2, I65, 175, I77f., I94f., 2G5, 2G8, qof., 277; s. a.: Stab
spes imperii
Tedeum I63, 32I Tarantaise (Burgund) 28I Tellenbach, Gerd 25I Tempel auf karoling. Münzen 2I, 24, Go Testament, Altes I09, I 5 I, 202, 265 Teutonia 9G, I56; s. a.: regnum T. Thegan, Geschichtsschreibe r 93 Theodora (I055-G), byzant. Kaiserin 47f. Theodosius, Kaiser 93, 305 Theologie, karolingische I 54 Theophilos, byzant. Kaiser 77 Tholomeus von Lucca 3I 2 Themas von Aquin 3I 2
352
Register
Theresa, Infantin 250 Thietberga, Gemahlin König Lothars II. 2 5I Thietmar, Bischof von Merseburg 74, 276 Thron II9, I82, 202; englischer I96;- bild 68; -setzung 140, I78-84, I86, I94, I97 Thüringen 8 5 Titel 22, 70, 75, 8I, 87, 89, 93, 96, 98, 278, 296; s. auch Einzeltitel Tordesillas, Vertrag von (I494) 3 qf. Tortona (Italien) I38 Toskana 274 Tours,Malschulevon I02,II6;Urkunden I5 Tower in London 206 Tracht, fränkische 305 Traditio, schriftliche und symbolische 144f. Tradition, altrömische 36, 109, 122; fränkische 34, r66; s. a.: Vorbilder Transjuranien 279 Trauordo der Judith, Tochter Karls d. K. I42,
!73 I25, 127, I30, 289, 299; s. a.: Eid 278, 280 Triumphator 95 >Triumphbogen< Alcuins 104 Troyes 143ff., 208,255 Turin 280 ttttor 89 Treueide
triregnum
Unctio s.: Salbung Ungarn 99, 304 Universalismus, christlicher I34, 273 Unterkönig 98 Untertaneneid I79f.;- verband 127 Urban II., Papst 315 f. Urgel (Pyrenäen) I 55 Urkunden, aragenesisehe 33 Urraca, Königin von Kastilien 250 Valence 258, 268 Valla, Laurentius 308 Vasallen, -eid 149f. Vercelli 137, 267 Victoria, Königin von England 206 Vienne ror, 252, 258, 263, 266, 270f., 279f. Vikariat von Sens I 32 Villanueva, Don Jaime 26-33 virga I 84, I 94f.; s. a. Stab Vita sancti Oswaldi r88ff.;- Udalrici 302
Viviansbibel I02, n6 Vogt, Kaiser als I 31 Volbach, Fritz I I 2, I I 5 Vollbart 29, 52; s. a.: Schnurrbart Volksbefragung I 35, I 64, I 8 5 Vorbilder, antike 51, 59f., 66, Io9; byzantinische 21, 27I; französische 204 Votivkrone I02f. Wachssiegel s.: Siegel Wahl 98, 119, 122f., 125, I27, 129, 131, I36, 140, 158, 163, 179, I84f., 192, 205, 249, 251, 258f., 26I, 265f., 268, 277, 289, 299;- des Kaisers I 29; geistliche 26o, 262; - kapitulation I9I; >Wahlleiter< I 3o; - protokolle 253, 265 Wales 317 Wandalbert von Prüm 92 Ward, Paul L. 2oof. Weckmann, Luis 315-8 Weerth, Aus'm, Ernst I7 Weinranken 34 Wentzel, Hans 34 Westfranken(reich) passim Westfränkischer Ordo s.: Erdmannscher 0. Westgoten 288 Westminster (London) 203, 206 Wido, Markgraf von Spoleto, Kaiser I 58, 2 56, 272f.; Bulle 29, 59f. Widukind, Chronist 73, 302, 305 Wien n8 Wikinger I 88; s. a. Normannen Wilhelm I. der Eroberer, König von England 100, 181, 185, 187, 192,203, 316 - von Baux 28I Wilson, Henry Austin 169 Willchester I 77 Wolters, Friedrich 32I W orcester I 77 Worms II4, 157, 297, 300 York
203; s. a.: Oswald
Zeremonienbuch, byzantinisches 47 Zinkeisen, F. 308 Zweigewaltenlehre, gelasianische 77, 268 Zwentibold (895-900), König von Lotharingien 59, 86f., 274, 287, 298ff.