Percy Ernst Schramm
KAISER KONIGE UND PÄPSTE Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des Mittelalters
Band 111
Anton Hiersemann Stuttgart 1969
Den Historikern, die heute Senioren unseres Faches sind: FRIEDRICH BAETHGEN (Berlin, dann München) und HANS ROTHFELS (Königsberg, USA, dann Tübingen), mir seit den zwanziger Jahren in Freundschaft verbunden. Der Name GERHARD RITTERS (Heidelberg, Hamburg, dann Freiburg i. B.), für den das gleiche gilt, kann nur noch als der eines Toten hinzugesetzt werden.
© r969 Anten Hiersemann, Verlag, Stuttgart Alle Rechte, insbesondere des Nachdrucks und der Übersetzung, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses urheberrechtlich geschützte Werk oder Teile daraus in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Printed in Germany. Imprime en Allemagne Schrift: Garamond-Antiqua 9/12 und 8/ro Punkt, Monotype Satz und Druck: Großdruckerei Erich Spandel, Nürnberg Einband: Großbuchbinderei Sigloch, Künzelsau Einband- und Umschlagentvmrf von Kurt Weidemann, Stuttgart
Vorwort Das Vorwort zu diesem Bande kann wiederum kurz sein wie das, das ich dem II. Bande vorausschickte. Denn das Wesentliche wurde bereits im Vorwort zum I. Band angeführt. Im folgenden sind wiederum ältere und jüngere Arbeiten (zum Teil stark überarbeitet) sowie bisher nicht publizierte Abschnitte abgedruckt. Im Vorwort zum II. Bande habe ich aufgezählt, welche Königsordines des 9· und ro. Jahrhunderts in ihm nicht abgedruckt worden sind. In diesem III. Bande verenge ich die bezeichneten Lücken, indem ich im Anhang zum Abschnitt A 2 den »Mainzer Ordo« für die Königskrönung sowie die beiden Texte, aus denen er zusammengefügt worden ist, abdrucke. Ferner hänge ich dem Abschnitt B 1 die beiden Ordines an, die dem ro. Jahrhundert für die Kaiserkrönung zur Verfügung standen. Doch wiederhole ich nicht den von mir früher publizierten Wortlaut, der in allen Fällen als überholt zu bezeichnen ist, sondern - mit Einwilligung der Editoren- die heute maßgebenden, auf den wichtigsten Abschriften begründeten Texte: für den »Mainzer Ordo« sowie seine beiden Vorlagen die einschlägigen Kapitel in der von CYRILLE VoGEL und REINHARD ELZE glücklich zu Ende geführten Edition des »Pontificale Romano-Germanicum«. Für die (auch hier abgedruckten) Kaiserordines stütze ich mich vornehmlich auf die von R. ELZE für die Mon. Germ. Hist. durchgeführte Ausgabe aller Ordines für die Kaiserkrönung (diese fünf Texte jedoch ohne den kritischen Apparat, den die Herausgeber ihren Editionen beigaben). Zu danken habe ich für das Mitlesen der Korrekturen wiederum meinem Sohn GoTTFRIED, meinem Assistenten cand. phil. G. TRIPPLER sowie Herrn Dr. phil. RErNHARD ScHNEIDER, Akadem. Oberrat in Berlin, ferner für die Hilfe bei der Herstellung des Registers Herrn cand. phil. Bono RASCH, der sich bereits bei den voraufgehenden Bänden dieser Mühe unterzog. Vor allem gebührt wiederum Dank REINHARD ELZE (Berlin), der in alter Freundschaft-trotz vielfacher Belastung- sich nicht nur an der Korrektur beteiligte, sondern mir auch manchen guten Rat erteilte. Göttingen, den 5. Oktober 1969
PERCY ERNST SCHRAMM
Inhaltsverzeichnis Ein vorgesetztes Sternchen * bezeichnet bisher ungedruckte sowie noch nicht in deutscher Sprache veröffentlichte Abschnitte; zwei Sternchen** deuten an, daß der Text erweitert bzw. stark umgearbeitet wurde. AUFTAKT I.
Ein »Weltspiegel« des 10. Jahrhunderts: Das »Polypticum« des Bischofs Atto von V ercelli . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I
7
a) Der Autor des »Polypticum« und sein Text: Wie ist dieser zu verstehen? b) Wiedergabe des Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
c) Die geistige Eigenart Attos und sein Verhältnis zur Reform Clunys .
2J
20
ABTEILUNGA DIE DEUTSCHEN HERRSCHER AUS DEM SÄCHSISCHEN HAUSE ALS KÖNIGE (BIS 962)
**
I.
Ottos I. Königskrönung in Aachen (936). Die Vorakte und die Einzelvorgänge im Rahmen der deutschen Geschichte
}}
a) Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
JJ
b) Otto I. vor der Krönung . . . . . . . . . . . . . c) Die Vorgänge am Krönungstag (Aachen, August 936)
J4
I.
Vorbemerkung: Widukind von Corvey und seine Beschreibung der Vorgänge (nebst Text der Res gestae Saxonicae II cap. 1-2) .
2.
Ablauf und Bedeutung der Aachener Vorgänge . . . . . . . . . . . . . . a) Salbung- Krönung- Investitur mit den Herrschaftszeichen 43; b) Die »rituelle Feststellungswahl« = Mitwahl des Volkes 4;; c) Zweifache Thronsetzung, Krönungsmahl und fränkische Tracht 47; d) Struktur und Bedeutung der Königskrönung Ottos I. J2.
J9 J9 42
Anhang: Die Krönung König Ottos I. in Aachen (7. August 936): ein Rückblick nach tausend Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
J4
z. Der Ablauf der deutschen Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o) . . . . . . . . . . . . . .
J9
* a)
Der »Mainzer Ordo«: Stand der Forschung.
b) Der Ablauf der Königsweihe
. . . . • .
!9
62
Inhaltsverzeichnis
IO
I. Einholung des Königs 62; z. Litanei 6;; 3· Befragung des Königs 64; 4· Befragung des Volkes 67; 5· Salbung 7I; 6. Übergabe der Herrschaftszeichen, einschließlich Krönung 7J; 7· Thronsetzung 79; 8. Abschluß der Krönung 79; 9· Ordo der Königin 19·
c) Die »Königstheorie« des »Mainzer Ordo«. .
8I
*Anhang I: Die Texte des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen a) Die Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.
** ;.
Der »Frühdeutsche Ordo« 87; z. Der »Ürdo der Sieben Formeln« 90.
b) Der »Mainzer Ordo« . . . . . . . . . . . . . , , . . . .
92
Anhang II: »Mystagogische« Szenen in der abendländischen Liturgie
IOJ
DieKönigskrönungenderdeutschenHerrschervon961 bis um 1050 IoS a) Das Krönungsrecht des Erzbischofs von Mainz
I08
b) Otto II.: Mitkönig (96r)
. . . . . . . . .
I IO
' c) Otto III. (983) . . . . . . . . . . . . . .
II2
d) Heinrich II. und Königin Kunigunde (rooz) .
II4
e) Heinrich II.: König von Italien (1004)
I 20
n. und Königin Gisela (roz4) g) Konrad n.: König von Italien (roz6) .
I 27
h) Heinrich III.: Mitkönig (roz8). . . .
I27
n. und Heinrich III.
IJI
f) Konrad
i) Konrad
I 2I
als Könige von Burgund (1033, I038)
Schluß: Das um 1050 beim Thronwechsel in Deutschland geltende Gewohnheitsrecht und die Auswirkung des »Mainzer Ordo« . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4· Hofkapelle und Pfalzen . . . . . .
IJ2
IJJ
a) Die Hofkapelle der Sächsischen und Salischen Kaiser (Buchbesprechung)
IJJ
b) Der deutsche König als Bauherr (Buchbesprechungen). . . . . . . .
IJ8
Über Pfalzen in Deutschland im Allgemeinen: I. IJ8; z. I 40; 3· Die Pfalz Irrgelheim I 4I; 4· Die Pfalz Wimpfen I 4J. - Über staufisehe Bauten in Deutschland und Italien: r.-z. I4J; 3· I46.- Über das Gastungs- und Herbergsrecht der mittelalterlichen Herrscher I 41· . . . . . . . . . . . . • . . · . . . . · · · · · · • ABTEILUNG B: DIE DEUTSCHEN HERRSCHER AUS DEM SÄCHSISCHEN HAUSE (919-roz4): ALS KAISER
**
I.
Die Kaiser aus dem Sächsischen Hause im Lichte der Staatssymbolik . . . .
I
J;
a) Otto I. als König.
IJJ
b) Die Schlacht auf dem Lechfelde und ihre Folgen: Imitatio Sacerdotii in Staatssymbolikund Liturgie. . . . . . . .
I6o
Inhaltsverzeichnis c) Otto I. als Kaiser (962): Krönung - Vorbilder - Ansprüche. - Otto II. als Erbe seines Vaters. . . . d) Otto III. (983-roo2)
.
II
I69 I76
e) Heinrich Il. (roo2-24)
I78
Schluß
I80
. . . . . . . .
Anhang I: Die beiden für die Kaiserkrönung des Jahres 962 zur Verfügung stehenden Ordines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I8I
A. Ordo Romanus I 82; B. Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum Occidenta!es I 83 Anhang II: Otto I. 962 in Rom: miro ornatu novoque apparatu susceptus- das erste Wortzeugnis für die »Reichskrone«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I8J
A. Ornatus I86; B. Apparatus I93; C. Schlußfolgerung I97·
**
2.
Kaiser, Basileus und Papst in der Zeit der Ottonen Vorbemerkung. . . . . .
200
a) Die Lage im allgemeinen
2oi
b) Ottos I. Werbung um eine byzantinische Prinzessin für seinen Sohn.
204
c) Theophanu, die Braut Ottos Il.
. . . . . . . . . . . . .
209
d) Neue Rivalität zwischen Basileus und Kaiser . . . . . . . .
2II
e) Die Einwirkung der byzantinischen Kultur auf das Abendland
2I3
f) Politische Beziehungen in den Jahren der Regentschaft Theophanus- Der Aufstieg des Johannes Philagathos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2I4
g) Ottos III. Werbung um eine byzantinische Prinzessin- Die Ereignisse in Rom.
2I8
h) Leon, der byzantinische Gesandte, und Johannes Philagathos, der Gegenpapst.
220
i) Otto III., beraten von Gerbert, jetzt gegen Byzanz. .
228
k) Otto III. und Rom- Sturz des Johannes Philagathos
2JI
1) Die Ereignisse bis zum Tode Ottos III. (rooz) . . .
235
m)Basileus und Kaiser in der Zeit Heinrichs II. und Konrads Il.
238
*Anhang I: Die Abstammung der Kaiserin Theophanu . . . .
240
Anhang II: Gehörte der Spatbar Petros, ein Neffe des »Königs der Germanen«, zur Sippe der Ottonen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
**
200
243
3· Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon von seiner Reise zu Otto III. aus den Jahren 997-998 (überarbeitet mit Hilfe von Ursula Victoria Bosch) 246 a) Die Überlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Absender, Empfänger und Datum der Briefe. . . . . . . . . r. Allgemeine Vorbemerkung 248;
2.
Der Absender 249; 3· Die Empfänger 2JO;
4· Das Datum der Briefe 2JI; 5· Leon als Briefschreiber 2f4· c) Der Text der Briefe . . * d) Übersetzung der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis
IZ
4· Kaiser Otto III. (* 98o, t 1002): seine Persönlichkeit und sein 277 »byzantinischer Hofstaat« . . . . . a) Otto III.: sein Leben und seine Ziele . . b) Der »byzantinische Hofstaat« Ottos III., sein historischer Kern und dessen Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die bisherige Auffassung 280; 2.. Die irregulären Titel 282; 3· Das angebliche Consulat des Kaisers 282; 4· Der Römische Praefectus urbi und Comes palatii 284; 5· Der Vestarar 286; 6. Der »Seepräfekt« 288; 1· Der »Palastmagister« 289; 8. Der »Heeresmagister« 290; 9· Der Patricius 29I; 10. Der Protospathar 293; rr. Logothet und Archilogothet 295; rz. Das Ergebnis 297.
* 5.
277
280
»Bonmots« mittelalterlicher Kaiser (Karl der Große, Otto III. und Heinrich IV.). Aus einer Glückwunschsammlung für Wolfram von den Steinen zum 70. Geburtstag (I96z) 298 a) Kar! der Große
298
b) Otto III. . .
JOO
c) Heinrich IV.
JOI
ABTEILUNG C: DIE ZEIT DER DEUTSCHEN HERRSCHER AUS DEM SALISCHEN HAUSE (roz4-I12.5): KAISER-ROM- RENOVATIO
Ein oft benutztes Lobwort: spes imperii, verwandt auf einer Bulle Kaiser Konrads II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ;o J z. Eine Echtemacher Prunkhandschrift, wohl aus dem Besitz Kaiser Konrads II. (Buchbesprechung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ;o8 3· Graphia aureae urbis Romae (Kern von etwa Io3o, mit den »Mirabilia urbis Romae« verbunden um I I 55) . . . JI J I.
a) Anmerkungen zum Text . . . . . . . . . . I.
JIJ
Die Datierung JI J; 2.. Die Überlieferung J I J.
b) Der Text . . . . . . . . . . . . . . . . .
JI9
A.: Historia Romana a Noe usque ad Romulum JI 9; B.: Mirabilia urbis Romae J22; C. : Libellus de cerimoniis aule imperatoris J J 8. Anhang: Die Redaktionen der Mirabilia urbis Romae und ihre Datierung . . . .
JJJ
** 4· Die Schilderung der Krönung eines römischen Kaisers aus dem hebräischen Geschichtswerk des Josippon (wohl I. Hälfte des XI. Jahrhunderts) . . ;6o a) Einführung in den Text b) Der Text . . . . . . . *Anhang: Die Entstehungszeit des Pseudo- Josippon
Inhaltsverzeichnis
5. Heinrich III.: 1046 zum Kaiser gekrönt und investiert als Patricius Romanorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369
** 6.
Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba. Ein neues Zeugnis des Graphla-Kreises . . . . . . . 380 a) Die Ordines des 10.-12. Jahrhunderts
380
b) Die Kaiserkrönung in der Geschichtsschreibung- Benzo von Alba und seine Vorlage: der »Salische Kaiserordo«. . . . . . .
3 8I
c) Der Text des »Salischen Kaiserordo« . . . .
383
d) Prüfung des Textes: sein historischer Gehalt.
384
e) Benzo von Alba über die Kaiserkrönung . .
388
f) Galvaneus Flamma, Übertieferer des »Salischen Kaiserordo«
392
7· Der Abschnitt über Roma, Romani usw. aus dem Glossarium des Papias (abgeschlossen vielleicht 1053) 39! a) Das Glossarium . . . . .
39!
b) Grundlage des Textes. . .
39!
c) Die Unterlagen des Papias
396
d) Der Text . . . . . . . .
396
8. Laus Caesaris Heinrici des Azelin von Reims
Atto von Monte
Cassino (zwischen 1047-1056)
399
a) Die Überlieferung . . . . . . . .
399
b) Beziehungen zu Azelins Bearbeitung der Cena Cypriani
399
c) Beziehungen zu Arnulfs Delieie cleri. . . . .
40I
d) Azelin von Reims= Atto von Monte Cassino
403
e) Der Text . . . . . . . . . . . . . . . .
40J
Hinweis: Die Heinrich III. um 1043/4 überreichte Briefsammlung des Abtes Bern von Reichenau (Buchbesprechung) . . . . . . . . . . . . . . .
406
9· Zu Heinrich IV. (1o56-11o6), dem vorletzten Salier
4 o8
Heinrich IV. und Rom (Besprechungen von Aufsätzen) 408.
10. Eine wichtige Gestalt der späten Salierzeit: Die Gräfin Mathilde von Tuszien 11 I 5). Edition der Notae de Mathilda Comitissa
Ct
4 r;
a) Einleitung
4IJ
b) Vorwort der Edition
4I6
c) Der Text . . . . .
4I7
11. Zu Heinrich V. (11o6-25), dem letzten der Salischen Kaiser (Buchbesprechung) . . . . . . . po Anhang: Hinwdse auf die Folgezeit .
42I
Inhaltsverzeichnis
14 12.
Die Kaiseridee des Mittelalters (ein zusammenfassender Vortrag) 423 a) Karl der Große und seine Nachkommen.
42J
b) Die Sächsischen und Salischen Kaiser .
p8
c) Die Staufischen Kaiser . . . . . . . .
4JJ
d) Ausblick . . . • • . . . . . . . . .
4Jo
Anhang: Die Quintessenz der letzten Jahrhunderte deutscher Geschichte (1648-1948)
437
Verzeichnis der in diesem Bande abgedruckten Texte Register (Namen und Sachen) . . . . . . . . . . . . .
Hinweis Um diesen Band nicht zu umfangreich werden zu lassen, habe ich mich entschließen müssen, einzelne Abschnitte, die für ihn vorgesehen waren, in Band IV unterzubringen. Das verursachte in der Mehrzahl der Fälle keine sachlichen Schwierigkeiten. Leider war es aus räumlichen Gründen auch nötig, Abschnitte, die sich mit Texten des hohen Mittelalters befassen und das Problem »Rom und Kaiser« behandeln, für Band IV aufzusparen, obwohl sie inhaltlich noch eng mit dem Inhalt von Band III verknüpft sind. Es handelt sich um: I. den Traktat »Von den Farben und Künsten der Römer« des sog. Heraclius (wohl XII. Jahrhundert); 2. die römische Literatur zu Topographie und Geschichte des alten Rom im XI. und XII. Jahrhundert; 3· die Parodie im Mittelalter, gerichtet u. a. gegen Rom (Besprechungen eines Buches von Paul Lehmann).
P. E. S.
AUFTAKT Ein »Weltspiegel« des r o. Jahrhunderts: Das »Polypticum« des Bischofs Atto von V ercelli* Es handelt sich darum, für einen seltsamen, daher bisher falsch ausgelegten Traktat den geistesgeschichtlichen Ort zu finden, der ihm zukommt. Vorausgehen muß eine Analyse des Textes.
a) Der Autor des »Po(ypticum« und sein Text: Wie ist dieser zu verstehen? ( 5. I SI:) Der Autor darf jetzt als gesichert gelten1 : es ist der seit 924 als Bischof von Vercelli nachweisbare und vor 964 durch einen Nachfolger ersetzte Atto, von dem sich noch einige weitere Schriften und Urkunden er~alten haben 2 • Auch die Überlieferungsverhältnisse liegen klar: es ist nur eine ungefähr gleichzeitige Handschrift, der Cod. Vat. lat. 4322, bekannt. Eine völlig befriedigende Ausgabe• fehlt
*
Zuerst in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 49, Germ. Abt., I929 S. I8o-98 (hier durchgefeilt). Meine Deutung machte sich zu eigen R. HoLTZMANN in seiner Neubearbeitung von W. WATTENBACH, Deutschlands Geschichtsquellen im Ma., Deutsche Kaiserzeit I, 2. Heft, 2. Auf!., Tübingen I948 S. 3qf. I Gegenüber früherer Anzweiflung von ST. BANNER in der gleich zu nennenden Diss. mit guten Gründen wieder wahrscheinlich gemacht. 2 Vgl. J. ScHULTZ, Atto v. V., Diss. Göttingen I885; vgl. auch A. HAUCK, Kirchengesch. Deutschlands •-• III (neugedruckt: Lpz. I935) S. 229; DERS. in: Realencykl. f. protest. Theol. II, Lpz. 3 I897 S. 2I4; M. MANITrus, Geschichte der lateinischen Literatur des MA.s II, München I924 S. 27ff., bes. S. 3off.Die Biographie Attos von E. P ASTERIS (»At2
Schramm, Aufsätze !I!
tone di V ercelli. Vita ed opere con uno studio sulle sue prose ritmiche«, Mailand I92 5), auf die mich FEDOR ScHNEIDER freundlicherweise aufmerksam machte und die mir die Monumenta Germaniae zum Studium überließen, fördert das Problem des »Polypticum« nicht; vgl. S. 8o-6, bes. S. 84; »confessiamo di non avere neppur noi penetrata Ia sfinge«; im übrigen vgl. die Anzeige F. ScHNEIDERS im Neuen Archiv 47, I928 S. 649. Erster Abdruck q6I, dann A. MAI, Script. veterum nova coll. VI, I832 S. 43-59, danach MIGNE, Patrol. lat. I34, zuletzt nach der Hs. G. GoETZ, Attonis qui fertur Polipticum quod appellatur Perpendiculum in: Abh. d. Sächs. Akad., Phil.-hist. Kl. XXXVII Nr. 2, Lpz. I922; vgl. auch DERS. in: Berichte der Sächs. Gesellsch. f. Wiss., Phil.-hist. Kl. XLVIII, Lpz. I896, S. 75-8. Beim Abdruck der zweiten Fassung sind die Abkürzungen nicht auf-
18
Das »Polypticum« des Bischofs Atto von Vercelli
noch4 • ( 5. I82 :) Mir kommt es nur darauf an, diese Schrift Attos literargeschichtlich einzuordnen und dadurch die Auswertung ihres Inhalts zu ermöglichen. Ein Blick auf den Text genügt, um zu erkennen, daß die gestellte Aufgabe nicht so einfach ist, wie sie scheinen mag. Es ist kaum zuviel gesagt, wenn man das »Polypticum« den dunkelsten und unverständlichsten Text des Mittelalters nennt. Was sind gegen ihn die Verschrulltheiten karolingischer Dichtungen mit Figuren- und Buchstabenspiel, was Dunkellatein, eschatologische Geheimnisse, scholastische Distinktionen und allegorisierender Tiefsinn l Überall scheint eindringlicher Forschung noch ein Zugang möglich, aber bei dem »Polypticum« stünden wir schon bei der Interpretation des einfachen Wortlautes vor einer Dornenhecke, vor der der Zäheste erlahmen würde, wenn dem eigentlichen Text nicht in demselben Codex noch eine zweite, in bezugauf die Worte fast gleiche Fassung in vereinfachtem Stil beigegeben wäre, die durch Interlinearglossen und Scholien interpretiert ist. Der Verfasser hat nämlich das Verdunkelungsmittel der sog. »scinderatio« angewandt, die schon der rätselhafte Virgilius Maro Grammaticus (7. Jahrhundert?)• benutzt hat: deren Prinzip besteht darin, daß zur Verhüllung des Sinnes innerhalb eines Satzes die einzelnen Wörter und Wortgruppen durcheinander geworfen werden. Wäre diese Methode nicht in der zweiten Fassung unterlassen, so würde jeder einzelne Satz zu raten ( S. I 83 :) aufgeben. Nach dem letzten Bearbeiter des »Polypticum«, St. BANNER, ist anzunehmen, daß auch diese den Schleier lüftende Fassung auf Atto selbst zurückgeht. Dagegen führt er die ihr beigegebenen Glossen und Scholien auf einen anderen Autor zurück, den er sich als Grammatiker in Vercelli denkt. Jedenfalls gehört auch dieser Teil, wie die Handschrift beweist, noch dem 10. Jahrhundert an. Außerdem hat Banner das Verdienst, daß er die sich aufdrängende Frage, aus welchen literarischen Quellen Atto den Aufputz seines Werkes mit seltenen Worten entlehnte, beantwortete6 : er hat die Benutzung von Fulgentius, Isidor, Placidus und des »Liber glossarum« festgestellt; doch wird erst die -eines Tages zu erhoffende- Neuausgabe erkennen lassen, in welchem Umfang Atto von seinen Hilfsmitteln abhängig ist. gelöst, was die Lektüre unnötig erschwert. Vor allem sind die Entlehnungen nicht kenntlich gemacht und die Glossen nicht vollständig abgedruckt. Außerdem wäre Paralleldruck beider Fassungen dringend zu fordern. 4 Von ST. BANNER in seiner nur in Schreibmaschinenschrift vorliegenden Diss. »Atto v. V. und sein Polypticum quod appellatur Perpendiculum«, Frankfurt a. M., WS 1924/5 in Aussicht gestellt (aber nicht erschienen). Ich benutze die Gelegenheit, an dieser Stelle Herrn Prof. FEDOR ScHNEIDER, der die Dissertation
angeregt und den Abdruck des Textes für die von ihm herausgebene Sammlung »Texte zur Kulturgesch. des Ma.s« (Rom) vorgesehen hat, für freundliche Auskunft zu danken. Vgl. H. ZIMMER, Der Gascogner Virg. M. G. in Irland in: Berliner Sitz.-Ber. Phil.-hist. Kl. I9IO Nr. 5I S. Io3 I ff.; dazu P. LEHMANN, Die Parodie im Ma., München I922 S. 2rf., 2. Aufl. Stuttgart 1963 S. 9f. und B. BISCHOFF, Mittelalter!. Studien I, Stuttgart I 966 passim. 6 Einiges dazu auch bei MANITIUS a. a. 0. S. 31, 34·
Der Autor und sein Text
Durch die Forschungen BANNERS und seiner Vorgänger A. MAI, J. ScHULTZ, G. GoETZ u. a. m. scheint der Text demnach so weit aufgeklärt zu sein, wie es V'on der philologischen Seite aus geschehen kann. Demjenigen, der einmal den literarischen Geschmack des 10. Jahrhunderts mit seiner in bestimmten Kreisen gepflegten Vorliebe für fremde, möglichst griechische Worte, für schwerbeladene Sätze und umständliche Metaphern gerrauer analysiert, kann das »Polypticum« als extremstes Beispiel dieser Mode dienen. Die Frage dagegen, welche persönlichen Momente die seltsame Einkleidung des Werkes bestimmt haben mögen, wird sich kaum je befriedigend lösen lassen; denn wenn Atto seinem Werk die V'ereinfachte und den Aufschluß bringende Fassung beigegeben hat, dann wird die nächstliegende Vermutung, er habe seir- Werk wegen seines kritischen und deshalb möglicherweise anstößigen Inhalts für nicht gewünschte Leser verdunkelt, wieder fraglich. Statt uns auf irgendwelche Versuche einer psychologischen Deutung, die aus Mangel an Unterlagen immer unsicher bleiben muß, einzulassen, empfiehlt es sich, zu fragen, was denn übrigbleibt, wenn wir das seltsame Beiwerk ablösen und den Inhalt der Schrift für sich betrachten. Die Antwort, die zuerst]. ScHULTZ gegeben, die dann (S. I84.) G. GoETZ ohne nähere Ausführung angezweifelt und schließlich ST. BANNER im einzelnen ausgeführt hat, lautet dahin, daß das Polypticum in einer für uns im einzelnen nicht mehr verständlichen Weise Ereignisse der italienischen Geschichte von König Rudolf an bis zum EingreifenOttos d. Gr. (922-62) berichte. Diese Auffassung mag im ersten Augenblick etwas Einleuchtendes haben; denn manche Angabe läßt sich in der Tat ganz gut auf historische Vorgänge des 10. Jahrhunderts beziehen, und auch die Reihenfolge der geschilderten Kämpfe scheint zu dem bewegten Ablauf der Geschehnisse in dem Menschenalter vor der Eroberung Italiens durch Otto d. Gr. zu passen. Wäre dem wirklich so, dann hätten wir in dem »Polypticum« ein Geschichtswerk, dem in einer an Zeugnissen so armen Zeit wie der italienischen Geschichte in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts ein ganz besonderer Wert zukommen würde. Aber leider trifft das nicht zu; denn ScHULTZ hat die Forschung auf einen falschen Weg geführt, als er das »Polypticum« als Geschichtswerk zu deuten versuchte. Man muß den Text einmal unbefangen lesen und versuchen, auch die unerklärt gebliebenen Stellen mit in den Zusammenhang einzubeziehen; dann wird man erkennen, daß das Werk eine ganz strenge, logische Struktur hat, die man natürlich übersieht, sowie man einzelne Angaben historisch auffaßt. Der Verfasser will nämlich gar nicht erzählen oder schildern; er stellt vielmehr am Anfang seines Werkes eine Stufenleiter der Menschen auf. An ihre Spitze rückt er die Verächter des irdischen Lebens, die Heiligen, auf die er nicht näher eingehen will, da er sie als bekannt V'oraussetzt. Er wendet sich deshalb gleich zu der Klasse derer, die das irdische Leben bejahen, und nimmt hier als erste die Fürsten vor. Hier ergibt sich ihm die Frage,
20
Das »Polypticum« des Bischofs Atto von Vercelli
wie ein Fürst auf den Thron kommt. Er findet dafür eine vierfache Antwort, von denen nur die letzte näherer Ausführung bedarf, da es sich bei den drei ersten um legale Wege der Thronerhebung handelt. Der vierte ist aber der des Thronraubs, durch den die weitere Frage aufgeworfen wird, was er für Folgen haben muß. Der Verfasser stellt bestimmte Rückwirkungen auf die Großen fest, die dem Fürsten geholfen haben, und fragt sich nun, was ( S. I 8J :) dieser dagegen tun kann. Seine Mittel beeinflussen wieder die Untertanen, von denen die Großen und die Milites für sich untersucht werden. Nach der Behandlung aller denkbaren Möglichkeiten stellt der Verfasser die Frage, wie nun die zur Wahrung des Rechts bestellten Richter sich gegenüber dieser Zerrüttung verhalten usw. usw. - Man sieht, wenn man einmal die Struktur der Schrift erkannt hat, wie jede Angabe an ihrem Platz steht, und wie jeder Schritt in der Kritik des öffentlichen Lebens sich aus der kasuistischen Erörterung von selbst ergibt.
b) Wiedergabe des Inhalts Wenn wir dieses logische Skelett aus dem »Polypticum« herauslösen, dann ergibt sich folgender Gedankengang: Dem Text geht ein Brief an einen unbekannten Empfänger, vielleicht einen im Kloster lebenden Bischof, vorauf. Als seine Absicht gibt der Verfasser an, daß er die in dieser Welt Wandelnden belehren wolle, wie sie die Hölle meiden könnten. Im Vorwort wird dann die Tendenz der Schrift näher charakterisiert: »Zu rügen will ich unternehmen das Verkehrte, das der Welt anhängt.« I. Teil
c. r. Der vergängliche Prunk des Lebens ist in Wahrheit, obwohl er auch heute noch auf jede Weise erstrebt wird und anfänglich auch Freude bereitet, eine Beschwerde; er wird seinen Anhängern (a) zuletzt zur Schande, seinen Verächtern (b) aber zum Ruhm. Diese Verächter, die Heiligen, haben- entgegen der Auffassung der weltlich eingestellten Geschichtsschreiber - bei einer stufenweisen Aufzählung der Würdenträger gemäß ihrem Verhältnis zum irdischen Prunk voraufzugehen, wobei sich die Aufzählung ihrer Namen, die ja allgemein bekannt sind, erübrigt. Es handelt sich also für die Ausführung allein um die Anhänger des Prunks (a), die wegen der Verkennung der Vorbilder heute träger als je einzuschätzen sind. c. 2-3. Der Gipfel dieser Stufen, die Herrschaft, wird auf drei, nach anderer Ansicht auf vier Arten erstiegen: r. durch göttliche Berufung, 2. durch Berufung des Volkes, 3. durch Erbrecht, 4· dadurch, daß man dem Erwählten ( S. I 86:) zuvorkommt, indem man den Sieg mit Hilfe von Verschwörern gewinnt, d. h. also durch Thronraub.
Inhaltswiedergabe (I. Teil Kap.
I
bis 5)
2!
Was sind die Folgen dieses vierten Falles? Die Helfershelfer müssen auf Kosten des Besiegten ausgestattet werden; diese neuen Großen aber haben ein Interesse an der gegenseitigen Schwächung der beiden fürstlichen Rivalen, die dadurch zu besitzlosen, nur noch mit dem Namen eines Fürsten gezierten Puppen in der Hand ihrer Vasallen werden.- Die Gegenmittel der Fürsten sind: a) heimliche Verständigung untereinander; b) Hilfegesuche an ausländische Fürsten unter Zusicherung des Besitzes der feindlichen Untertanen - dieses zweite Mittel kann für die Fürsten eine doppelte Wirkung haben: entweder (r) reizen sie jene zum Eingreifen an oder ( 2) verhindern doch wenigstens eine Hilfeleistung der ausländischen Fürsten an ihre Untertanen, die sie in ihrer Isolierung dann allein niederwerfen können; c) Ausspielen der den Großen untergebenen Mili tes gegen diese, was folgendes Resultat hat: nachdem die Fürsten sich durch Verleihungen eigenen Einfluß auf die Milites verschafft haben, werden sie den der Großen auf die Milites zu brechen suchen, indem sie sie bei dem Austeilen von Lehen- mögen sie klein oder groß sein übertrumpfen, was für den Fürsten nur eine Freigebigkeit auf fremde Kosten bedeutet und den Empfänger dem Schenket, nicht dem Besitzer verpflichtet; d) Bestechungen der Milites, damit sie die Großen verraten; die Milites leisten dann dem Fürsten einen - allerdings fragwürdigen - Treueid und richten auch ihre neuen Herren zugrunde; e) (Kap. 3) Befestigung der Pässe und Furten, Geiselnahme von den Burgen, Aneignung der den Fürsten aufgetragenen Grundstücke, Bau eigener Burgen; f) gegenseitige V erhetzung der Großen. c. 4· Diese Mittel haben auf die Untertanen folgende Wirkung: Wenn (a) die Ziele dieser Maßnahmen des Fürsten aufgedeckt werden, muß von ihrer Ausführung Abstand genommen werden. Der Fürst aber wird voll größten Argers sich an dem Enthüller zu rächen suchen. Wenn (b) dies aber nicht geschieht, bewirten die Fürsten ihreHelfers-(S. Ig7:)helfer prächtig, schaffen sie jedoch, wenn sie lästig werden, durch einen Dritten aus dem Wege und treten selbst die Erbschaft an. Sie stacheln nämlich durch unterschiedliche Behandlung alle Instinkte an. Die Habgier jener Helfershelfer versucht daher durch folgende Schliche zum Ziel zu kommen: a) sie bringen den vom Fürsten Beneideten den Plan einer Absetzung desselben bei; b) bei guter Aussicht schließen sie sich diesem an; c) bei schlechter verraten sie aber die Verschwörer an den Fürsten, wofür sie deren Besitz verlangen was die Fürsten zunächst bewilligen, um es bei erster Gelegenheit vermehrt wieder einzuziehen und an diesen noch die Strafe nachzuholen. c. 5. Die Fürsten erkennen nun zwar die Anstifter der Intrige, rufen aber die Verführten trotzdem nicht zurück, da es ihnen nur auf den Haß unter den Parteien ankommt. Denn einzeln kann keiner den Fürsten Widerstand leisten, die sich wiederum untereinander bekriegen wollen, so daß die Milites ihnen hierbei Heerfolge leisten und einfach ihr Schicksal erwarten müssen. Deshalb ist den Milites das Leben lästig, aller Besitz wertlos; a) einige fliehen, b) andere gehen ins Kloster, c) andere finden
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Das »Polypticum« des Bischofs Atto von Vercelli
sich mit dem Gefängnis ab, d) andere verstecken sich, e) andere werden enthauptetaber auch dann noch werden ihre Nachkommen verfolgt: einerlei, ob schuldig oder unschuldig. Der Erfolg ist also für die Untertanen dieser: Nach der Vernichtung der Großen sind alle mundtot gemacht, so daß die Milites, die jene an die Fürsten verrieten, sich jetzt nach ihnen zurücksehnen, während andererseits die Großen, die Leute edler Geburt, als Opfer von deren Niedertracht arm und geknechtet sind. c. 6. Nach der Erörterung über das Schicksal der Großen und der Milites erhebt sich die Frage: was werden die Iudices tun? Anstatt nach ihrer Überzeugung oder nach Rechtsaufzeichnungen zu urteilen, verfälschen sie in bestechlichem Gehorsam für ihre Herren das Recht (a), urteilen sie parteüsch (b ), halten sie sich nicht einmal an ihre bisherigen Entscheidungen (c). (S. In:) Der Wegfall jeder Schranke verleitet den Fürsten zu folgendem Leben: Er täuscht den Rest des Volkes durch Gnaden, jubelt aber über jeden Todesfall, durch den er sich das Erbe aneignen kann. Die Witwen müssen sich die Erlaubnis zur Wiederverheiratung erkaufen oder werden an Günstlinge des Fürsten verheiratet. Entweder nehmen sie sich dann unwürdige Gatten, oder sie werden von den Günstlingen verstoßen. Der Fürst aber treibt in seinem Palaste Unzucht, verdrängt die Beamten, verhöhnt die Edelgeborenen und befördert dafür gegen Bezahlung unedle Fremde oder Einheimische, die doch nur Toren sind, zu neuen Würdenträgern. Diese sind in allem Kreaturen des Fürsten, die nichts Eigenes aufzuweisen haben und ihrer Aufgabe völlig unkundig sind. c. 7· Durch Lärm unterdrücken die neuen Würdenträger das Heischen des Volkes, freuen sich wohl anfangs am stolzen Leben, werden dann aber um den Bestand ihres Glückes auf Grund der bisherigen Erfahrungen besorgt. Sie können beim Fürsten der Gefahr, übergangen zu werden, nichts entgegensetzen, während das Volk ihnen nicht gehorcht; denn die Erinnerung an die Vorgänger hält es davon ab 7 • Den Makel niederer Geburt verdecken sie durch doppelten Prunk. Zur Sicherung ihres Besitzes verschwören sie sich mit ihren Genossen gegen den unbequemen Herrn, obwohl nach geschichtlichen Beispielen ihr Sturz schon jetzt zweifellos sein müßte. Falls sie nicht im letzten Augenblick zurücktreten, klagen sie im Verein mit den von ihnen mitgerissenen Milites den Fürsten an. Den Tadler ihrer Untre,J.e fangen oder töten sie, während sie selbst nach errungenem Erfolge den gestürzten Herrscher beerben und Siegesfeste feiern. Als Sicherung einer neuen Treuverbindung fesseln sie sich gegenseitig durch Verschwägerung, Patenschaft und Schwur, worauf sie alles nach ihrem Willen aufteilen. 7 GoETZ a. a. 0. S. 36: quos ... eulogie priscorum ... retardant (Glosse: sei!. ab obsequio). Die
Wiedergabe durch: abstumpfen (ebd. S. 59) gibt keinen Sinn.
Inhaltswiedergabe (I. Teil Kap. 5 bis n)
(S. I89:) c. 8. Trotzdem werden sie bestraft: Beim Mißerfolg finden sie sofort ihre Strafe (I); oder wenn dieser nicht eintritt (z), laden sie noch weitere, dreifache Schuld auf sich: a) Sie eignen sich ohne Widerspruch den Hausrat der parteilichen Beamten an, b) sie feiern üppige Feste und c) fallen in Unzucht. c. 9· Das ihnen an Stand ursprünglich gleiche, aber durch die Masse weit überlegene Volk wird so von Neid e~regt, daß die Würdenträger sich nach einem neuen Fürsten umsehen müssen, der ihnen nichts zu tun wagen, sie aber vor dem Volke schützen wird. Das ist unmöglich; denn entweder bestürmen beide Parteien diesen in seiner Schwachheit so, daß er die Krone wieder niederlegt, oder er hat sich nur schwach gezeigt, um erstmal seine Wahl durchzusetzen. In diesem zweiten Falle müssen die neuen Würdenträger sich wiederum gegen die von einem starken Herrscher drohenden Gefahren verbinden, wogegen wiederum der Fürst im Sinne seiner Vorgänger Gegenmaßregeln ergreift. Wenn den Würdenträgern droht, zu unterliegen, müssen sie auswärtige Hilfstruppen anwerben, möglicherweise auch ihrem Fürsten einen kräftigeren auswärtigen Herrscher entgegensetzen- wobei die Gefahr besteht, daß diese Maßnahmen schon zu spät kommen. c. Io-I I. Denn der Fürst wird inzwischen die Würdenträger zu vernichten suchen -wie sein Vorgänger ihre Vorgänger. Sie können sichnun an diefrüheren Großen wenden, werden aber lieber, wenn sie die Maßnahmen des Fürsten erkennen, diesem den ihm von seinen Untertanen drohenden Sturz verraten, weil sie zu furchtsam sind, sich ihnen anzuschließen - was sie dann aber heuchlerischerweise mit Liebe zum Fürsten begründen. Außer den Belohnungen, die sie von den die Empörung planenden Großen empfingen, erwarten sie noch solche vom Fürsten, der den Plan aber natürlich schon kennt und sie wegen ihrer Schwäche geringschätzig behandelt. Wie benehmen sich nun die auswärtigen Fürsten auf die Einladung zum Eingreifen? Es gibt vier Möglichkeiten: a) Sie versprechen unter Schwur den Empörern Hilfe, verraten aber die Pläne der-( S. I 9 o:) selben gegen Dankgeschenke an deren eigenen König, wobei sie aber selbstverständlich ihr eigenes Versprechen, jenen Hilfe zu bringen, wohlweislich verschweigen- der König kann dann (I) die isoliert gebliebenen Empörer vernichten und die Ausländer belohnen; er kann aber auch (z) die Empörer, die den Ausländern durch ihren Verrat nunmehr verfeindet sind, gegen diese aufwiegeln, während sie selbst noch glauben, dem Könige Hilfe zu bringen; b) die auswärtigen Fürsten machen wirklich einen Anlauf gegen den Fürsten, lassen sich aber sofort durch die erste Gefahr einschüchtern; c) oder sie lassen sich, wenn sie ihm selbst mit Übermacht gegenüberstehen, durch Geschenke spalten, so daß sie die Schuld auf ihre Führer schieben, sie verlassen und lieber den Gewinst in Sicherheit bringen. d) (c. I I) Ganz selten kommt es wirklich zum Angriff des ausländischen Bundesgenossen, der dann entweder fällt oder eine durch Bündnis gesicherte Teilung bei dem einheimischen Fürsten erreicht. - Für die Milites, die ihn
Das »Polypticum« des Bischofs Atto von Vercelli
riefen, bedeutet das im ersten Falle Strafe durch den Überlebenden, im zweiten wiederum Zwang zum Gehorsam durch den neuen Fürsten, der sich natürlich wieder nach dem Vorbild seiner Vorgänger richtet. Was bewirkt nun aber der ausländische König, der nicht nur- wie die Annahme bei dem bisher behandelten ausländischen Fürsten war - von annähernd gleicher Macht wie der heimische Fürst ist, sondern von überlegener? Die Untertanen eines Fürsten, der nur ein Land regiert, können in ihrem Unmut sich nämlich auch an einen mächtigeren ausländischen König wenden. Entweder er versagt sich ihnen, dann können sie kaum in die Heimat zurückkehren; oder er kommt ihrer Aufforderung nach, dann erhalten sie ihre Strafe erst später. Dieser König kann sein Heer, das schließlich keine Beute mehr findet, auf die Dauer nicht in der Fremde unter Waffen halten, so daß er zurückkehren muß. Diejenigen, welche ihn einluden, müssen ihm dann entweder dorthin in die Verbannung folgen, oder sie werden in der Heimat vernichtet. Denn der heimische Fürst, der in der Fremde oder in einer festen Stadt seine Zeit abgewartet hat, nimmt die Herrschaft wieder an sich und ( S. 191:) belohnt Treue mit Lohn, Untreue mit Strafe, an der sich sein Heer beteiligt, indem es noch die Nachkommen der Verräter mit einbezieht. Keine Aussicht auf Besserung - das ist die immer wieder gefundene Erkenntnis läßt das Laster zu, das nicht ausstirbt. Andere erheben sich wieder und drehen sich im gleichen Tun. II. Teil c. 12-13. Die Geschichte hat unter den Menschen Unterschiede herausgebildet, die aufzuheben Frevel ist. Wenn das von den Frevlern Verachtete wirklich verachtet würde, dann könnte ebensogut die Schöpfung nicht mehr schaffen, oder wenn man Herren und Troßknechte gleichsetzt, könnte man ebensogut Himmel, Erde und Unterwelt gleichsetzen. Die Fürstenwürde darf eben nicht herabgewürdigt werden, weil Gott sie zur Festigung der wankenden Welt erkor, wie die Geschichte des alttestamentlichen und des durch Konstantin den Großen fortgesetzten neuen Bundes deutlich zeigt. Denn ein Volk ohne Führer kann nicht bestehen, wie gleichfalls die Geschichte und die Natur lehren, während es unter einem eifrigen und klugen Fürsten gedeiht. Schärfster Hohn gebührt daher der Meinung der sich an weltliche Lust hängenden Gegner, die als einzige Gemeinschaft den Bund des Gelages anerkennen. c. 14-17. Noch kann man deren Wirkung Einhalt gebieten. Nur ein Tor will das Fürstenamt beseitigen; aber dies darf auch nicht entweiht werden durch Thronraub (der als vierter Fall der Erringung einer Herrschaft mit seinen Folgen eingehend in Teil I dargestellt worden ist). Dem Rechtliebenden wird daher der EntschluG, die Herrschaft anzutreten, nicht leicht werden; dem aber, den es nicht schreckt, einen Krieg zu entzünden und die in Teil I aufgezählten Leiden anderen zu bereiten,
Inhaltswiedergabe (II. Teil)
droht die Hölle. Es kommt eben auf die schon iin Anfang angegebene Grundlage der Herrschaft an. Dem steht es zu, den Thron zu besteigen, a) den Gott durch Vorzeichen bestimmt hat, b) den die Versammlung aller Vornehmen wählt, und c) der durch Erbrecht Anspruch hat. Während die anderen ihre Strafe finden werden, haben solche, wenn sie sich um das ( S. I92:) Recht bemühen, Aussicht auf ein seliges Ende, wie das Alte Testament und die Geschichte beweisen. Aber der rechtliche Regierungsantritt genügt noch nicht; der Fortgang muß ebenso sein, da noch ein Rückfall möglich ist, wie man gleichfalls aus dem Alten Testament und der Geschichte lernen kann. (c. 17) Aus schlechter Gattung kommt nämlich selten eine gute Art, aus guter aber oft eine schlechte. Daher ist der geschilderte Thronraub ein V erbrechen. Die rechtmäßige Thronsetzung tut es nicht allein, sondern persönliche Rechtlichkeit ist auch noch nötig- wie bei einem jeden von uns, die wir uns mit unserem Maß in Hoffnung auf himmlischen Lohn begnügen sollen. Man danke für Gottes Gnade im Glück und bete zu ihm im Unglück. c. r8. Es ist eine sinkende Zeit, aber noch schlimmer hatte es Hiob. Bitten wir also Gott, daß er uns wie einst seinem getreuen Knechte helfe, da er als Schöpfer die Heilmittel am besten kennt! Ebenso wie es dann nicht an Rettung fehlen kann, ist ohne ihn der Untergang gewiß. c. 19. Dieses Übel soll also der Thronbewerber meiden. Er nehme die Wahl an und lebe dann rechtlich in Gottes Sinn, nicht in dem seiner menschlichen Schwachheit, nach dem Rate der Guten und der Bibel. Das Volk aber teile diese Gesinnung und bete für ihn. Dies soll jetzt geschehen, wobei mit Gott selbst begonnen werde, dem Erzversucher zum Trotz: Gott, du hast allen Dingen ihr Maß gesetzt, du hast die Grade unter den Menschen geschaffen, deren höchster die königliche Würde ist. Der Könige Lage ist auch die unsrige. Leite sie und bewahre sie, daß ihr Beispiel uns stärkt und sie himmlischen Lohnes wert werden! Sie mögen wie wir deine Priester achten, mit ihren Großen weise regieren, den Milites secundi ordinis 8 ihr Recht bewahren und sie nicht den Mili tes priores vorsetzen, und sie mögen dem niederen Volk Recht erweisen. Dir aber, nicht den Königen, sei der Ruhm; durch sie mögen dir die Heiden gewonnen, die Christen bewahrt werden. Gib ihnen (S. I9J·) Nachfahren, Tugend und Ehren, bis sie im Tode ihren Söhnen die Krone lassen, die noch die Enkel tragen mögen bis in die fernsten Zeiten. Amen.
c) Die geistige Eigenart Attos und sein Verhältnis zur Reform Clutl:JS So von seinem Schleier befreit, stellt sich das Polypticum als eine ebenso klare wie 8 Vgl. dazu L. M. HARTMANN, Geschichte Italiens im MA. IV r, Gotha I9I5 S. 6rf. mit
Anm. r6, wo Atto zitiert ist.
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Das »Polypticum« des Bischofs Atto von Vercelli
tiefsinnige Schrift über das Problem der Herrschaft dar. Man kann ihre Grundlehre vielleicht am kürzesten mit den Worten wiedergeben: Das ist der Fluch der bösen Tat, Daß sie fortzeugend Böses muß gebären. Wenn die Herrschaft einmal auf unrechtem Wege in Besitz genommen ist, dann muß daraus Unheil entstehen, Unfriede, Besitzgier, Gewalttat und daraus wieder Not des unrechtmäßigen Herrschers, der nun einen neuen Weg versucht, aber auf diesem nur noch tiefer in das Verhängnis hineingleiten wird. Wie man die überhaupt denkbaren Möglichkeiten auch durchrechnen mag - immer ergibt sich derselbe, schließlich schon monoton wirkende Schluß: aus Unheil kann nur Unheil entstehen. Dieses kasuistische Denken ist es, was wohl am meisten bei dem Traktat auffällt. Mit erstaunlicher Folgerichtigkeit sind alle Möglichkeiten zusammengestellt, die sich aus dem Mit- und Gegeneinander der Herrscher und der einzelnen Stände kombinieren lassen. In dieser Hinsicht stellt das Polypticum eine Leistung dar, die weit über ihre Zeit hinausweist. Man fühlt sich bei seiner Lektüre schon an die Scholastik des reifen Mittelalters gemahnt. Mit dem Hinweis auf die Denkleistung, die im »Polypticum« vorliegt, ist die Eigenart dieser Schrift noch nicht erschöpft. Man muß beobachten, wie sich in ihr die Dinge der Welt, die Vorgänge des öffentlichen Lebens widerspiegeln. Die Art, wie der Autor einen aus dem andern ableitet, mutet geradezu mechanisch an, und sein Werk könnte als eine gesetzmäßige Bewegungslehre des Staates bezeichnet werden: geschieht a, dann muß b, geschieht a 1 , dann muß b 1 geschehen. Die Kausalität ist jedoch eine moralische, und zwar- ganz im Gegensatz zu den zitierten Versen Schillers - eine unmittelbar in Gott und seinem ( S. I94·) bösen Widerpart begründete. Wer sich dem Bösen verschreibt, kommt nicht mehr aus seinem Bannkreis heraus - es sei denn, er gewönne die Gnade Gottes, die allein imstande ist, diese Kausalität des Bösen zu durchbrechen. So erscheint im »Polypticum« das öffentliche Leben mit seinen scheinbar wirren und regellosen Zufällen als von denselben Prinzipien bis zu gesetzmäßiger Folgerichtigkeit durchdrungen und bestimmt, die auch für Makrokosmos und Mikrokosmos gelten. Damit ist nicht nur der Staat selbst, dessen Ort seit Augustin in der geistigen Welt des Mittelalters durch das Maß der in ihm verwirklichten »Justitia« bestimmt ist, sondern damit sind alle seine Lebensvorgänge, die sonst einzelner Würdigung überlassen bleiben, einer theologisch-moralischen Gesamtbetrachtung erschlossen. Diese Betrachtung ist nun - und das gibt dem »Polypticum« seinen historischen Wert- von größter Realistik und psychologischer Feinheit; denn so weltanschaulich bedingt auch der Standpunkt der Betrachtung ist, so scharf hat doch das Auge des Verfassers gesehen. Das »Polypticum« enthält nicht einfach die systematische Kasuistik eines gelehrten Grüblers, sondern die verdichtete Wiedergabe der Welt, wie sie in
Attos Eigenart
der Zeit des Verfassers wirklich aussah. Alle jene Wechselfälle, die im 10. Jahrhundert die italienische Geschichte kaleidoskopartig verwirrten und jeden Ansatz einer Konsolidierung sofort wieder vernichteten, sind im »Polypticum« wie in einer Sammlung von Musterbeispielen zusammengefaßt. Diese ganz unverkennbare Nähe zur Wirklichkeit ist es ja auch, durch die die irrtümliche Deutung des Traktats als eines historischen Berichtes über tatsächlich geschehene Ereignisse entstanden ist. Einer Geschichtsquelle hat das »Polypticum« das voraus, daß es üb er den Dingen steht und seine Schilderung von jeder Einmaligkeit befreit ist, ferner, daß es die wirksamen psychologischen Motive, den Selbsterhaltungs- und den reinen Machttrieb, Geldgier, Lust u. a. m. schonungslos ans Licht zieht. Es erhebt sich andererseits auch über jene byzantinischen »realistischen« Fürstenspiegel, die über moralische Allgemeinheiten hinaus zur Beherrschung der konkreten Welt anleiten wollen und dafür Maximen und ( S. 195:) Exempla praktisch-politischer Erfahrung aufzeichnen 9 • Denn deren realistische Betrachtung der Weltläufte, die in ihrer Art wohl etwas Vergleichbares mit der des »Polypticum« hat, erfolgt von einem Standpunkt aus, der mitten in der Welt gewählt ist und deshalb die Dinge hinnimmt, wie sie sind. Die Aufgabe dieser Fürstenspiegel ist, erfolgreiches Herrschen und Dienen zu lehren nicht, Kritik zu üben und dadurch zur Besserung anzuleiten. Mit diesen Worten ist schon bestimmt, was der tiefere Sinn des »Polypticum« ist, das man deshalb einen »Weltspiegel« nennen könnte- genauer noch: einen Spiegel des öffentlichen Lebens. Um verwandte Beispiele aus der mittelalterlichen Literatur anführen zu können, muß man sich schon weit umsehen; denn dieser Traktat steht nicht nur durch seine äußere Einkleidung isoliert. Aber es läßt sich doch angeben, in welche geistige Linie er hineingehört, vermutlich sogar, an welches literarische Vorbild der Verfasser angeknüpft hat. Der Geist, der aus dem »Polypticum« spricht, ist der Geist Clunys, der schon in den dreißiger Jahren des I o. Jahrhunderts nach Italien gedrungen war und in der Zeit, als Atto starb, die Reform in den verschiedensten Teilen des Landes zum Siege geführt hatte10 •
9 V gl. dazu CH. DIEHL, La sagesse de Cecaumene in seinem Buch: Dans I' Orient Byzantin, Paris 1917 (zu diesem Autor vgl. C. BucKLERinder Byzant. Zeitsch. 36, 1936 S. 7-26); V. VALDENBERG, Nikoulitza et !es historiens byzantins contemporains in: Byzantion III, Paris-Lüttich 1927 S. 95 ff.; dazu die Übersetzung von H.-G. BECK, Vademecum eines byzant. Aristokraten. Das sog. Strategikon des K., Graz usw. 1956 (Byzant. Geschichtsschreiber V). Doch ist unser Problem hier noch nicht ausgeschöpft. V gl. dazu Bd. I
s. 120. S. auch NrZAMULMULK: Siyasatnama. Gedanken und Geschichten. Aus dem Persischen ins Deutsche übertragen von K. E. SCHABINGER Frhr. V. SCHOWINGEN, Freiburg-München 196r. Der Verf., 1060-93 seldschukischer Kanzler, legt hier die Grundsätze einer gerechten Staatsordnung nieder, gestützt auf seine Erfahrungen. 10 E. SACKUR, Die Cluniacenser I, Halle 1892 (Nachdruck: Darmstadt 1965) S. 315 ff.
z8
Das »Polypticum« des Bischofs Atto von Vercelli
Clunys literarisches Wahrzeichen war damals die Kampfschrift, die Odo, der erste der großen Reformäbte, hinterlassen hatte. Seine noch im ersten Viertel des Jahrhunderts abgefaßten »Collationes«11 bieten manche Parallele zum »Polypticum«, so daß man glauben möchte, sein Verfasser habe durch die Lektüre der »Collationes« den Weg zu seiner eignen Schrift gefunden. Dort nämlich mußte er auf eine Einteilung der Menschen in zwei Hauptklassen ( S. r96:) stoßen, in die der Guten, der Nachkommen Abels, und in die der Schlechten, die von Kain stammen. Diese !<Jassen hatte Odo wieder in zwei Unterklassen geteilt, in die wahrhaft guten und die an der Welt haftenden, wenn auch nicht schlechten Menschen einerseits und in die völlig Schlechten und die heimlich Schlechten andererseits. Bei Odo ist auch das Übel dreifach geartet, je nachdem, ob es von Gott, dem Teufel oder den Menschen selbst stammt, und im Texte wird dann näher ausgeführt, wie dieses dreiwurzelige Übel die verschiedenen Klassen der Menschen trifft. Schon in dieser Anlage der »Collationes« möchte man die Grundlinien des »Polypticum« wiedererkennen; aber auch ihre Ausführungen selbst scheinen wie ein düsteres Vorspiel zu den schrecklichen Szenen, die der Italiener schildert. Odo geißelt wie Atto die verschiedenen Stände, die Ritter, Barone, Mönche und Priester, für deren Verderbtheit er einprägsame Beispiele anzuführen weiß. In der Schonungslosigkeit, in der heftigen, jede Entschuldigung ausschließenden Strenge erscheint Odo, der in dem Lehrgedicht »Üccupatio« 12 seine Auffassungen auch im Rahmen der Geschichte des Sündenfalles und der Heilserlösung vorgetragen hat, recht als der geistige Vater des »Polypticum«13 • Gegenüber den »Collationes« besteht ein wesentlicher Unterschied darin, daß das Thema des »Polypticum« ein viel begrenzteres ist. Den Hauptteil dieses »Spiegels des öffentlichen Lebens« macht die Darlegung aus, daß durch den unrechtmäßigen Erwerb der Herrschaft keine dauerhaften und moralischen Zustände entstehen können. Aber der V erfass er bleibt doch nicht bei dieser bis ins einzelne bewiesenen I I Bibi. Cluniac. ed. M. MARRIER, Paris I 6 I4 S. 159-262; auch MIGNE, Patrol. lat. I33 Sp. 5r8ff.; vgl. dazu SAcKuRa. a. 0. S. II7f., II, ebd. I894 S. 33d.; A. HEsSEL, Odo von Cl uni u. d. franz. Kulturproblem im früheren Ma. in: Histor. Zeitschr. 128, I923, S. r8; M. MA..'IITIUS, Gesch. der lat. Lit. des Ma.s II, München 1924 S. 2off., R. HoLTZMAJ-.-'N, a. a. 0. I, 2, 2. Aufl., Tübingen 1948 S. 301. Vgl. auch C. VoORMANN, Studien zu Odo von C., Diss. Bonn 1951 und JoH. FECHTER, Cluny, Adel u. Volk ... 9I0-I156, Diss. Tübingen I965 S. 5off. Zu Pater Kassius HALLINGERS vielbeachtetem Buch (Gorze-Kluny, Bonn I950/I =
Studia Anselmiana 22-25) vgl. die den Inhalt konzentrierende und kritisch würdigende Rezension von TH. ScHIEFPER im Archiv für Mittelrhein. Kirchengesch. IV, I9F S. 24-44 (»Cluniazensische oder Gorzische Reformbewegung«) und die Ergänzung, die der gelehrte Pater bietet: Zur geistigen Welt der Anfänge Klunys, im Deutschen Archiv X, I954 S. 4I7-45· I2 Hrsg. von A. SwoBODA in: Bibi. Teubneriana, Leipzig 19oo; vgl. dazu HEsSEL a. a. 0. S. I7. I 3 Auch Odo liebt das Prunken mit griechischen und seltenen lateinischen Ausdrücken; vgJ. MANITIUS a. a. 0. S. 23.
Atto und Cluny
These stehen, sondern er rundet seine Behandlung des öffentlichen Lebens noch durch einen zweiten, positiven Teil ab. Diesem fehlt notwendigerweise die Anschaulichkeit und Kraft des Hauptteils, da er ja nicht aus der Spannung von Spekulation und Beobachtung heraus geschaffen sein kann. Denn wenn ein Autor wie der Verfasser des ( S. I9 7 .') »Polypticum« eine gute und rechtmäßige Herrschaft schildern will, dann bleibt ihm nur übrig, in die Zeit der Vergangenheit zu fliehen und aus Bibel und antikem Schrifttum die konkreten Beispiele für ein solches Regiment zusammenzusuchen, d. h. er muß vom Leben in die Literatur hinüberwechseln. Der zweite Teil wird schon durch die einleitenden Worte des »Polypticum« (c. z) gefordert. Danach gibt es drei legale Wege zur Herrschaft, nämlich göttliche Berufung, Wahl und Erbrecht, die zweifellos zusammenfallen können, von denen aber nach der Auffassung des hier nicht völlig durchsichtigen Textes auch jeder für sich seine Berechtigung haben wird. Die Unklarheit dieses Mit- und Nebeneinanders der drei Nachfolgeordnungen ist ja überhaupt für das 10. Jahrhundert bezeichnend14 • Erst eine spätere Zeit hat durch schärfere Begriffsbildung und Rechtsfassung ihre Unterschiede ins Bewußtsein gehoben. Daß nicht nur diese legal entstandene Herrschaft, sondern auch die Stände selbst gottgesetzt sind, ist gleichfalls eine allgemeine Auffassung der Zeit15 , die ihre sedes materiae in I. Kor. 7, zo hat: »Ein jeglicher bleibe in dem Beruf, darinnen er berufen ist.« Sehr beachtlich bleibt, daß der Verfasser kein Widerstandsrecht16 gelten läßt. Er gibt nur den Rat, Gott im Glücke zu danken und im Unglück zu ihm zu beten (§ 17)· Überhaupt wird derjenige, der einzelne Theoreme der mittelalterlichen Staatslehre studiert, auf viele Fragen eine Antwort- sei sie positiv oder negativ- im »Polypticum« finden. Hier sei nur noch darauf hingewiesen, daß diese Schrift vielleicht die eindrücklichste Illustration des 10. Jahrhunderts zu der Lehre vom Rex iustus und vom Tyrannus 17 darstellt. Das Resultat dieser Ausführungen läßt sich dahin zusammenfassen, daß wir unter den Geschichtszeugnissen des 10. Jahrhunderts ein Werk zu streichen haben, daß wir dadurch aber einen tiefsinnigen und gedankenreichen Traktat über den Staat des Mittelalters gewinnen, den man in manchem als frühen Vorläufer der Schrift Machiavellis bezeichnen darf.
14 Vgl. dazu F. KERN, Gottesgnadentum u. Widerstandsrecht im früheren Ma., Leipzig 1914 (Nachdruck: Darmstadt 1954), bes. S. 51 ff. und die folgenden Abschnitte. 15 Vgl. E. TROELTSCH, Die Soziallehren der christl. Kirchen, Tübingen 1912 (auch 1919)
S. l2Dff. usw. 16 Vgl. dazu KERN a. a. 0. S. r61ff. 17 Vgl. E. BERNHEIM, Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung I, Tübingen 1918, bes. 101ff.
A. DIE DEUTSC HEN HERRSC HER
..
AUS DEM SACHSIS CHEN HAUSE ALS KONIGE (bis 962)
I.
Ottos I. Königskrönung m Aachen (9 36Y Die Vorakte und die Einzelvorgänge im Rahmen der deutschen Geschichte
a) Rückblick Im II. Bande haben wir die Geschichte von Salbung und Krönung sowie der sonstigen mit einem Thronwechsel verbundenen Vorgänge dargestellt: bei den Westfranken (S. 142ff.), bei den Angelsachsen (S. 169ff.), in den neugeschaffenen Burgundischen Reichen (S. 257ff.) und bei den Ostfranken, für deren durch Teilungen und andere Zufälle- abgesonderten Bereich im Jahre 888 der Name Teutonia begegnet, 919 die Bezeichnung regnum Teutonicorum belegt ist (S. 97, 156, 215, 302). Es ergab sich, daß die im Westfrankenreich von der Mitte des 9· Jahrhunderts an in eine feste Ordnung gebrachte, mit der Salbung anhebende und beim Aufsetzen der Krone ihren Höhepunkt erreichende Königsweihe sowohl in Burgund als auch auf der angelsächsischen Insel nachgeahmt, aber den dort gegebenen Verhältnissen angepaßt wurde. Was wir über die im Ostfrankenreich herrschenden Nachkommen Ludwigs des Frommen erfahren, ist wenig. Ludwig der Deutsche hat es nie für nötig gehalten, sich salben zu lassen. Karl III. nutzte 88o das Zusammentreffen mit dem Papst in Ravenna aus, um sich weihen zu lassen; Arnulf wurde erst gesalbt, als er im Jahre 896 die Kaiserkrone erlangte. Er führte seinen nicht vollbürtigen Sohn Zwentibold, den er 895 zum König von Lotharingien machte, in weltlicher Form in die Herrschaft ein- an diesen Akt schloß sich eine Bettedictio an, die man vielleicht als Salbung interpretieren darf. Bei der Thronbesteigung Ludwigs IV. des Kindes (9oo) ist von keiner kirchlichen Feier die Rede. Gewiß ist dagegen, daß Konrad I. gesalbt wurde - die näheren Umstände sind allerdings unbekannt. Welchem der deutschen Bischöfe fiel die Leitung dieser Feier zu? Anzunehmen ist, daß der Erzbischof von Mainz der Coronator war. Dieses Faktum muß noch einmal unterstrichen werden; denn wie wir bereits im II. Bande feststellten, handelt es sich um die erste kirchliche Weihe eines über das
* Zuerst als
Teil des Aufsatzes: Die Krönung in Deutschland bis roz8 (andere Teiles. Bd. II S. 287ff. und unten S. ro8 ff.), in der Zeitschr.
3 Schramm, Aufsätze I!!
f. Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, r 9 35, S. 196-215.
34
A
I :
Ottos I. Königskrönung in Aachen (9 36)
regnum Teutonicorum gebietenden Herrschers, die nicht wie bei Karl III. und Arnulf durch den Papst, sondern durch ein Mitglied der einheimischen Hierarchie vollzogen wurde. Dabei war sicherlich von Bedeutung, daß Konrad als dem ersten Herrscher, der nicht dem Karolingischen Hause entstammte, an einer Verstärkung seiner »Wahl« durch einen kirchlichen Akt gelegen sein mußte. Ferner erinnern wir hier noch einmal daran, daß Heinrich I., der zweite Herrscher aus einem nicht-karolingischen Geschlecht, von Konrad durch die Übersendung seiner Herrschaftszeichen zum Nachfolger designiert, von den Sachsen und Franken zum König gewählt, aber nicht gesalbt wurde. Heinrich lehnte das mit wohlklingender Begründung ab; sein wahres Motiv ist durchsichtig: er wollte nicht in die - seinem Vorgänger gefährlich gewordene - Abhängigkeit von der Kirche geraten, trachtete vielmehr, die Herzöge - einen nach dem anderen - auf seine Seite zu ziehen. Im Rahmen der ostfränkischen Tradition gesehen, wog Heinrichs Verzicht nicht viel, weil es wohl nur einen einzigen Präzedenzfall gab. Aber für die Könige im Westfrankenreich, in Burgund und in England war es mittlerweile selbstverständlich geworden, daß sie von kirchlicher Hand gesalbt und vor dem Altar mit den Herrschaftszeichen investiert wurden. Diese Entwicklung ist in keinem dieser Länder wieder rückgängig gemacht worden; ja, alle übrigen Länder Europas, in denen der katholische Glaube herrschte, haben sich - eins nach dem anderen - diesem Vorbild angeschlossen. Deutschland hat den Vorsprung, den die Nachbarländer gewonnen hatten, im Jahre 936 eingeholt: Otto I., Heinrichs I. Sohn und Nachfolger, wurde in Aachen gesalbt und vor dem Altar mit den Herrschaftszeichen von geistlicher Hand investiert1. Wir haben über diesen Vorgang und die ihn einrahmenden Rechtsakte so genaue Nachricht, daß wir unsdaranmachen können, zu klären: Was geschah? Was bedeutete das? Wie weit wurde dadurch die weitere deutsche Geschichte festgelegt? b) Otto I. vor der Kriinung
Wir fragen zunächst: welche Rechtsakte gingenOttos Königsweihe voraus? 2 Heinrichs I. ältester Sohn aus seiner Ehe mit Mathilde, im Jahre 912 geboren, I
Zum Tausendjährigen Gedächtnistag (7. Aug. 1936) erschienen Zeitungsartikel und Aufsätze. Ich nenne hier: A. HuYSKENS, Die erste deutsche Königskrönung in Aachen, in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 57, 1936, S. 1-26 (s. dort auch 62, 1949 S. 4556, 116-18: J. RAMACKERS, Zur ersten deut-
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sehen Königskrönung in Aachen, 936). Der Aufsatz, den ich zu diesem Tage in: Geistige Arbeit III Nr. 20, Berlin 20. Okt. 1936 S. 5 veröffentlichte, folgt als Anhang. Ich füge im folgenden -sofern in meinen Zusammenhang gehörend - Ergebnisse ein, zu denen Kar! ScHMID, Die Thronfolge Ottos
Otto I. vor der Krönung
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wurde 927 mündig. Im Sept. 929 wies Heinrich mit Zustimmung Ottos und auf Bitten der Bischöfe, Großen und Grafen seiner Gemahlin ihr Wittum zu3 ; kurz danach (wohl Anfang 930) wurde Otto mit der Tochter des angelsächsischen Königs vermählt und schied damit aus der Munt des Vaters aus 4 • In diesem Jahre beendete Heinrich seine Reise durch das regnum, die man als »Umritt«5 bezeichnen darf, da ihr Sinn war, durch persönliches Erscheinen seine Herrschaft anerkennen und sie dort, wo er schon gewesen war, bekräftigen zu lassen. Einige Zeit vorher wurde die königliche Familie in das Verbrüderungbuch des Klosters Reichenau eingetragen; dem Namen Ottos wurde dabei der Königstitel zugesetzJ:G. Da Heinrich in der Urkunde, die 929 für seine Gemahlin ausgestellt wurde, vermerkt, es habe ihm gefallen, domum nostram ... dispomre, spricht Karl ScHMID von »Heinrichs I. Hausordnung von 929« und folgert aus ihrem Inhalt, daß durch sie u. a. Otto zum »Thronfolger« im regnum gemacht worden sei7 • Die Bezeichnung »Hausordnung« kann man gelten lassen; nur darf man sie nicht pressen und sie im Sinne jener (schriftlich viele Einzelheiten regelnden) Hausordnungen verstehen, die später in fürstlichen Geschlechtern üblich wurden. Entscheidend ist, daß der Vater seinen Sohn nicht zum Mitkönig machte, wie die Karolinger das getan hatten und die in Italien regierenden Könige es noch taten 7 •: auf den Urdes Großen, in der Zeitschrift für Rechtsgesch. 8I, German. Abt., I964 S. 8o-I63 gelangt ist, und nehme dort Stellung, wo er sich gegen meine Ausführungen im anschließenden Abschnitt wendet. Der V erf. kündigt den Druck seiner Habilitationsschrift an, die die Probleme des Aufsatzes in größerem Rahmen behandelt: »Geblüt, Herrschaft, Geschlechterbewußtsein des Adels im Ma.«. Vgl. dazu G. TELLENBACH, Liturg. Gedenkbücher als histor. Quellen, in den Melanges E. TISSERANT V, Bibl. Vaticana I964 (Studi e Testi 235) S. 395, 399, der unterstreicht, daß Heinrich 929 gegen die Tradition handelte: diese kannte nicht den Königstitel für den Nachfolger (s. dazu Bd. II S. 88). D. H. I. 20 (Mon. Germ., Dipl. I) S. ro9. 4 Zum Datum SCHMID a. a. 0. S. II8f. Roderieb ScHMIDT, Königsumritt und Huldigung in ottonisch-salischer Zeit, in: Vorträge und Forschungen, hrsg. vom Konstanzer Arbeitskreis für ma.liche Gesch., geleitet von TH. MAYER VI, Konstanz I96I; dazu ScHMID a. a. 0. S. II3-22. 3*
6 Mon. Germ., Lib. confrat. ed. P. PIPER, I884 S. 227. Dieses bisher nicht gewürdigte Zeugnis hob K. ScHMID bereits in einem voraufgehenden Aufsatz ans Licht: Neue Quellen zum Verständnis des Adels im IO. Jahrh., in der Zeitschr. für Gesch. des Oberrheins Io8, I96o S. I85-232. 7 Thronfolge a. a. 0. S. IOI ff. Über den Verfasser der »Hausordnung« vgl. jetzt DERS., Religiöses und sippengebundenes Gemeinschaftsbewußtsein, im Deutschen Archiv 2I, I965 S. 7Iff.: Adaldag, Vertrauter der Königin Mathilde und wie sie Nachkomme Widukinds, »der erste >Kronjurist< der Ottonen«, 937 Erzbischof von Hamburg-Bremen; über ihn auch J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige II, Stuttgart I 966 S. I I ff. USW. 7a Vgl. Lambert Mitkaiser 89I-4, Lotbar Mitkönig 931-45, Adalbert ebs. 951-61. - Nach Frankreich kam das Mitkönigtum erst 979, offensichtlich in Nachahmung des ottonischen Vorbildes; denn die gemeinsame Regierung Karlmanns mit seinem Bruder (879-82) stellt
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kunden steht allein sein Name, auf sie ist sein Siegel gedrückt. Daher vermögen wir auch nicht zu sagen, ob der Otto auf der Reicherrau zugeteilte Königstitel ihm auch sonst eingeräumt wurde oder ob es sich nur um einen gelegentlichen Akt einer- die Zukunft vorwegnehmenden - Höflichkeit handelte. Welchen Titel vor 936 Otto führte, ob ihm überhaupt ein fester Titel zukam, lassen weder die Urkunden noch die Chronisten mit Sicherheit erkennen. Auch in einer anderen Hinsicht ist Karl ScHMID zuzustimmen. Schärfer als das bisher geschah, hat er betont, daß Heinrich sich Stammesherzögen gegenüber sah, die beanspruchten, ihre Herzogtümer auf ihre Söhne zu vererben. Heinrich konnte daher nicht mehr an dem im 9· Jahrhundert noch üblichen Teilungsprinzip festhalten, da das aus vererbliehen Herzogtümern zusammengefügte regnum Teutonicorum gar nicht zu teilen war 8 • Daher ist Deutschland durch die Feudalisierung des Herzogsamtes- man möchte sagen: geradezu zwangsläufig und ohne Widerstreit der Meinungen- in den Zustand der Unteilbarkeit eingetreten. Hinzuzufügen ist, daß von 962 an die Kaiserkrone einen Reif um das regnum fügte; denn für sie konnte es ja nur einen einzigen Anwärter geben. Daher war der Vorschlag der Schwaben, die im Jahre roo2 zwischen ihrem Herzog und Heinrich II. wegen der Nachfolge entstandene Rivalität durch eine Teilung aus der Welt zu schaffen, durch die Geschichte längst undurchführbar gemacht. Heinrichs Entschluß, sein Reich ungeteilt dem ältesten Sohne aus der Ehe mit Mathilde zu vererben, war ihm durch das Gefüge seiner Familie erleichtert. Der aus seiner früheren Verbindung mit Hatheburg stammende Sohn Thangmar entsprach nicht den an die V ollbürtigkeit gerichteten Ansprüchen; der jüngste Sohn, der 929 erst vierjährige Brun, wurde gerade in diesem Jahre der Kirche übergeben, in deren Dienst er zum Erzbischof aufstieg. Geschädigt im Sinne des bisher gültigen Rechtsprinzips war durch die »Hausordnung« also nur Mathildens zweiter Sohn, Heinricher und ebenso Thangmar haben sich bekanntlich nicht damit abgefunden, daß sie übergangen wurden. Daß Heinrich im Jahre 930 in Begleitung der Herzöge Eberhard von Bayern und Giselbert von Lothringen das Aachener Münster besuchte 9 , ergab sich aus seiner einen Sonderfall dar; A. LuCHAIRE, Hist. des institutions monarchiques de Ia France ... 987-rrSo, I, Paris r883 S. 59 und P. E. ScHRAMM, Der König von Frankreich I, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt r96o) S. Sr, 87f., 97-rrr (s. auch Bd. II S. 256). Zum Folgenden s. ScHMID a. a. 0. S. 145 ff. und vorher G. TELLENBACH, Wann ist das Deutsche Reich entstanden?, im Deutschen Archiv VI, 1943 S. 37ff. und: Die Unteilbar-
keit des Reiches, in der Histor. Zeitschr. r63, 1941 S. 2off. (beideAufsätze jetzt in: DieEntstehung des deutschen Reiches. Wege der Forschung I, 1956 S. rroff., S. 207ff.).- Zur Frage, wie weit die Herzogtümer bereits vererblich waren, ScHMID a. a. 0. S. 147ff. 9 K. HAUCK, Die Ottonen und Aachen, in: Kar! d. Gr. Lebenswerk u. Nachleben IV, Düsseldorf 1967 S. 5I.
Heinrichs I. Tod
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Reiseroute - auch sein Vater hatte es kennen gelernt, da er als Schwiegervater des Königs Zwentibold nach Lothringen kam10 • Man wüßte gern, welche Gedanken auf den Sachsen einstürmten, als er den Bau des Sachsenbezwingers kennenlernte, welche Überlegungen sich an diesen Eindruck in der Folgezeit anschlossen - wir wissen nur, daß Heinrich die Fürsorge für das Pfalzstift übernahm. Heinrich I. wird sich vielleicht schon 929, jedenfalls im Laufe der folgenden Jahre, vergewissert haben, daß die Großen des Reiches seiner Absicht zustimmten, und seinen Untertanen wird es mehr und mehr selbstverständlich geworden sein, daß ihm eines Tages auf dem Thron Otto folgen werde. Aber im Recht gesichert und verankert war diese Tatsache noch nicht. Was in dieser Zeit möglich war, zeigt dasVorgehen des Herzogs Arnulf von Bayern. Als dieser mit seinem Ende rechnen mußte, übertrug er seinem Sohne Eberhard das regnum Baiotvariorum und ließ ihm huldigen- die Salzburger Annalen vermerken, daß das in Reichenhall am 22. Juli 9 35 geschah; aber sicherlich hat Eberhard eine solche Huldigung auch noch in anderen Orten von Belang eingeholt11 • Von einer Huldigung, die Otto zu Lebzeiten des Vaters geleistet wurde, hören wir dagegen nichts. Erst als Heinrich im Jahre 936 schwer erkrankte, designierte er auf einem Hoftag in Erfurt seinen Sohn Otto, convocato omni populo, zum König, worauf er am 2. Juli in Memleben verschied. Laut Widukind fand dann noch eine »Wahl« Ottos durch omnis populus Franeorum atque Saxomtm statt; dieser populus bestimmte, daß die universalis electio in Aachen vorgenommen werden solle12. Nach Widukind fand also eine »Designation«13 des Sohnes durch den Vater, der die Anwesenden zustimmten, statt, an die sich eine »Vorwahl« durch Sachsen und Franken anschloß; diese gingen dabei von der Annahme aus, daß ihr Entschluß noch durch den Beitritt der übrigen Stämme rechtskräftig gemacht werden müsse. w Ebd. S. 47· 1 I K. RE1NDEL, Die bayerischen Luitpoldinger 893-989, München I95 3 (Quellen u. Erörterungen zur bayer. Gesch. N. F. XI) S. qof. (dazu Ann. Juvavenses maximi ad a. 935; Mon. Germ., Script. XXX, 2 S. 743), dazu DERS., Herzog Arnulf u. das Regnum Bavariae, in der Zeitschr. f. Bayer. Landesgesch. 17, I954 S. 250 (wiederholt in: Die Entstehung des deutschen Reiches. Wege der Forschung I, Darmstadt I956 S. 285). I2 Widukind I cap. 41 (ed. P. HIRSCH-E. LoHMANN, I935 S. 6o; Mon. Germ., Script. in us. schol.): Cumque se ( Heinricus) iam gravari morbo sensisset, convocato omni populo designavit ftlium suum Oddonem regem, caeteris quoque ftliis
predia cum thesauris distribuens; ipsum vero Oddonem . . .fratribus et omni Franeorum imperio prefecit. Teslamenta itaque legitime facto et rebus omnibus rite compositis defunctus est . .. (Die Bezeichnung Franeorum imperium entspricht nicht dem »offiziellen« Sprachbrauch; mit testamentum wird kein schriftlich abgefaßtes Dokument gemeint sein). 13 RosENSTOCK a. a. 0. S. 53 schlägt vor, dafür »Bescheidung« zu setzen. Vgl. jetzt G. WoLF, »Designatio« und »designare« bei Widukind von Corvey, in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 73, German. Abt., 1956 S. 372-5 (ergänzend zu Brigitta SCHREYER, ebd. 1950 S. 407ff.).
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
Man hat Widukinds Worte gleichsam auf die Goldwaage gelegt, hat jedes Wort beklopft, wie ein Bergmann es bei erzhaitigern Gestein zu halten pflegt, und hat dabei aus den Augen verloren, daß Widukind drei Jahrzehnte nach dem Ereignis schrieb, daß schriftstellerischer Ehrgeiz seine Wortwahl bestimmte, nicht aber die nüchterne Gewissenhaftigkeit eines Notars, der ein Protokoll über einen von ihm in allen Einzelheiten geklärten Vorgang aufsetzt. Man muß beachten, daß Widukind zwischen Designation und »Vorwahl« ein neues Buch beginnt und dadurch eine stilistische Kluft schuf, die er überbrücken mußte; zu beachten ist ferner, daß er seinen Bericht über den Herrschaftsantritt Ottos II. ähnlich stilisierte14 • Vorsicht ist also bei der Auswertung seiner Angaben geboten. Wir halten uns an das Konkrete. Wo und wann fand die Vorwahl statt? Da die Weihe in Aachen bereits am 7· oder 8. August, also knapp fünf Wochen nach Heinrichs Tod vollzogen wurde, macht es Schwierigkeiten, sie chronologisch einzuordnen; auch ist nicht einzusehen, welche Rechtsfunktion eine solche »Vorwahl« gehabt haben sollte. Man wird Widukinds Bericht daher nicht mehr entnehmen dürfen, als daß gleich nach Heinrichs Tod die Verantwortlichen nach Aachen entboten wurden (wofür ein Monat eine angemessene Frist darstellte) und in der Zwischenzeit die Großen aus Sachsen und Franken, die sich am Hofe einfanden, diese Entscheidung billigten. Eine »Vorwahl« als Rechtsvorgang ist demnach zu streichen15 • Mit diesem Sachverhalt müssen wir uns begnügen, können wir uns auch begnügen. Denn alle Beteiligten, der König sowie die weltlichen und geistlichen Großen, waren sich ja seit mehr oder minder langer Zeit darüber einig, daß Otto der Nachfolger sein solle - eine »Opposition« wurde erst später spürbar. Es erübrigt sich daher, zu fragen, ob Heinrichs Wille den Ausschlag gegeben habe oder der Wille der Wähler, womöglich abzuwägen, bei wem die Initiative, bei wem die Entscheidung gelegen habe usw. Derartige Probleme, die lang und breit erörtert wurden, sind zum guten Teil Scheinprobleme1s. Als Otto nach Aachen reiste, durfte er jedenfalls sicher sein, daß niemand seiner Nachfolge widersprechen werd& 7 und voraussichtlich alle Männer, die im regnum etwas bedeuteten, zur Stelle sein würden. Aber die Frage, wie das Verhältnis der
I4 Gegenübergestellt bei SCHMID a. a. 0. S. 95· I 5 Zur Frage, ob zwischen der Designation und der Weihe in Aachen eine »Vorwahl« anzunehmen ist, wo diese stattfand und wer beteiligt war, vgl. SCHMID a. a. 0. S. 89ff. (neuere Stellungnahme verzeichnet S. 90 Anm. 36). Ich bleibetrotzdiesem Einspruch (S. 93) bei meiner Formulierung, da die Zeugnisse nun einmal nicht mehr hergeben, kehre also zu der von G. WAITZ vertretenen
Ansicht zurück; ebenso schon (mit Quellen und Lit.) W. MAURENBRECHER, Gesch. der Deutschen Königswahlen vom IO. bis I3. Jahrhundert, Leipzig I889 S. 54f. Anm. 3· I6 SCHMID a. a. 0. S. 9I zählt die gegebenen Antworten auf. I7 Über die Empörung des Halbbruders Thangmars und des Vollbruders Heinrich s. unten S. I56.
Widukind von Corvey
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Großen, besonders das der Herzöge, zu ihm zu begreifen sei, wie sich die Kirche zu ihm und den Großen stellen solle, welchem der Erzbischöfe der Vorrang zustehe, wieweit dem populus ein Anteil gebühre, diese und andere Fragen, die noch nicht geklärt waren, weil bisher kein dringender Anlaß vorgelegen hatte, sie mußten entschieden werden - und sie wurden in Aachen entschieden.
c) Die Vorgänge am Kriinungstag (Aachen, August 936) I.
Vorbemerkung: Widukind von Corvry und seine Beschreibung der Vorgänge (nebst Text der »Res gestae Saxonicae« II cap.
I-2)1 8•
Daß wir über das, was an diesem für die deutsche Geschichte so wichtig gewordenen Tag geschah, genauere Angaben zu machen imstande sind, verdanken wir allein dem Mönche Widukind, da er bei der Abfassung seiner Geschichte des Sachsenstammes in den Anfang des zweiten Buches (II cap. I-z) einen ausführlichen Bericht über den Aachener Tag einfügte - wir müssen in der Geschichtsschreibung weit heruntersteigen, bis wir auf einen gleich ausführlichen Bericht über eine deutsche Königskrönung stoßen. Denn die sonstigen Wortzeugnisse sind- sofern sie sich nicht an Widukind anlehnen19 - knapp, farblos und daher unergiebigzo.
18 Vgl. G. KRÜGER in Westfälische Lebensbilder, hrsg. von R. BöHMER u. 0. LEUNENSCHLOSS, Hauptreihe I 2, Münster 1930, S. 149-65, dazu J. BAUERMANN in der Histor. Zeitschr. 146, 1932 S. 577f. P. HrRSCH in seiner Übersetzung von »Widukinds Sächsischen Geschichten« 5· Auf!., Leipzig 1931 (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit 33) S. XXVff. läßt W. erst um 925 geboren sein. S. auch M. MANrnus, Gesch. der latein. Lit. im Mittelalter I, München I9II (Neudruck: ebd. 1959); Handb. der klass. Altertumswiss. IX 2, r) S. 715ff., dazu II s. 815. Jetzt ist grundlegend H. BEUMANN: Widukind von Korvei. Untersuchungen zur Geschichtsschreibung u. Ideengesch. des 10. Jahrh.s, Weimar 1950 (300 Seiten); vorher kurz: W. von K. als Geschichtsschreiber und seine polit. Gedankenwelt, in: Westfalen 27, 1948 S. 161-76; Studium Generale II,
1949 S. 338 (zum Formproblem) und Zeitsehr. für Rechtsgesch. 66, German. Abt. 1948 S. rff., dann auch in: Die Welt als Gesch. X, 1950 S. 117-30 über: »Das imperiale Königtum im 10. Jahrh.«. Die Fakten und die Lit. bei A. HAucK, W. v. K., in: Die deutsche Lit. des Ma.s, hrsg. von K. LANGascH IV, 3, Berlin 1953 S. 946-58. S. auch J. A. BRUNDAGE, W. of C. and the »Non-Roman« Imperial Idea, in Mediaeval Studies XXII, 1960 S. 15-26. 19 So Thietmar, der Annalista Saxo usw. (vgl. dazu MANITIUS a. a. 0. S. 718). 20 Aufgezählt in den Regesten des Kaiserreichs ... 919-1024, bearb. von E. v. 0TTE.N"THAL I, Innsbruck 1893 (BöHMER, Reg. Imp. II) Nr. 55h. Daß die in diesem Zusammenhang vielfach herangezogenen Krönungsardilles noch nicht benutzt werden dürfen, zeigt der nächste Abschnitt.
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
Früher wurde damit gerechnet, daß dem erhaltenen Text der »Sachsengeschichte« eine bereits 958 fertiggestellte Stammfassung vorausgegan gen sei 21 • Diese These ist heute fallen gelassen: wir haben es mit einem 967 abgeschlossenen Werk zu tun, d. h. mit einer Chronik, die erst drei Jahrzehnte nach der Aachener Feier fertiggestellt wurde 22 • Der Gedanke liegt nahe, daß Widukind für seinen Bericht über die Vorgänge im Aachener Münster einen Ordo herangezoge n hat 23 • Aber wir überschauen heute nicht nur die Ordines des 9· und ro. Jahrhunderts , sondern kennen auch das Geflecht der Abhängigkei ten, das die erhaltenen Texte aneinander bindet: mit keinem von ihnen können Widukinds Angaben zusammenge bracht werden 24 • Die von ihm aufgezeichneten Formeln weisen keine wörtliche Verwandtsch aft mit den sonst noch bekannten auf, und auch die Reihenfolge der Handlungen ist bei ihm eine andere als in dem schriftlich festgelegten Krönungsbra uch. War also Widukind allein auf sein Gedächtnis angewiesen? Befragte er vor der Niederschrift Augen- und Ohrenzeugen ? Hatte er über die Aachener Vorgänge schon früher etwas aufgezeichnet, so daß der zeitliche Abstand geringer war als drei Jahrzehnte? Wob er in seine Darstellung Informatione n, die ihm überOttos II. Krönung zum Mitkönig (96r) zugekommen waren? Alle diese Fragen lassen sich nicht beantworten. Um sein Detailwissen zu erklären, hat man vermutet, Widukind selbst sei Augenzeuge gewesen 25 - das ist möglich, aber nicht beweisbar. Aus seinem Namen, aus der Fülle seiner Informatione n, aus seinem Interesse an den Schicksalen des Sachsenstammes ist auf vornehme Abstammung - womöglich auf Abstammung vom Sachsenherzog Widukind - geschlossen worden: diese Annahme hat gleichfalls etwas für sich, aber auch sie ist unbeweisbar.
21 Auf sie habe ich mich noch bei dem Erstabdruck dieses Aufsatzes verlassen; ich konnte daher folgern, daß Widukinds Bericht bei der Redaktion des »Mainzer Ordo« (s. den folgd. Abschnitt) zu Rate gezogen sei. Diese Annahme läßt sich nicht mehr halten (so auch STENGEL, s. folgde. Anm. S. 34of.). 22 E. E. STENGEL, Die Entstehungszei t der »Res gestae Saxonicae« des W. von K., in: Corona quernea, Festgabe K. STRECKER, Lpz. 1941 (Neudruck Stuttgart 1952) S. 13658 (s. jetzt: Abhandl. u. Untersuchunge n zur ma.lichen Gesch., Köln-Graz 1960 S. 328-41) (Die alte These, daß 958 eine Erstredaktion vorangegangen sei, vertrat gleichzeitig M. L1NTZEL, Die Entstehungszei t von
W.s Sachsengesch., in: Sachsen u. Anhalt XVII, 1941/3 S. 1-13; vgl.: Ausgewählte Schriften II, Berlin 1961 S. 302-n). Zu der Datierung zuletzt W. HILLEBRAND, Von den Anfängen des Erzbergbaues am Rammelsberg bei Goslar, im Niedersächs. Jahrbuch 39, 1967 S. 205 ff. 23 So BEUMANN a. a. 0. S. 82, 207f. und E. E. STENGEL a. a. 0. S. 340f. 24 Dieses bestätigte mir Reinhard ELZE, der beste Kenner der Materie. 2 5 H. BEUMANN a. a. 0. S. 6 Anm. 3 bezeichnete diese Annahme als nicht erforderlich, wenn man die Benutzung eines Ordo voraussetze (s. vorstehend zu dieser - nicht mehr haltbaren- These).
Widukinds Text
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Trotz aller Bemühungen der Forschung bleibt also manches fraglich, und wir müssen uns eingestehen: unterlief Widukind irgendwo ein Irrtum, war er bei irgendeiner seiner Angaben ungenau, so können wir ihn - da andere Zeugnisse nicht vorliegen - nicht widerlegen. Wir müssen uns auf das von ihm gezeichnete Bild verlassen; denn die hinter diesem stehende Wirklichkeit ist versunken, ohne andere Spuren zu hinterlassen. Glücklicherweise ist Widukinds Bericht in sich so abgeschlossen und überzeugend, daß mit keinen wesentlichen Irrtümern gerechnet zu werden braucht. Die beiden Kapitel über die Aachener Vorgänge haben folgenden Wortlaut: 26
I. . .. Cumque illo (sei!. Aquisgranum) ventum esset, duces ac prefectorum principes cum caetera principum mi!itum manu congregati in sixto basilicae Magni Karoli cohaerenti collocarunt novum ducem in solio ibidetn constructo, manus ei dantes ac jidem pol!icentes operamque suam contra omnes inimicos spondentes, more suo fecerunt eum regem. Dum ea geruntur a ducibus ac caetero magistratu, pontifex maximus cum universo sacerdotali ordine et omni plebe infra in basilica prestolabatur processionem novi regis.Quo procedente pontifex obvius laeva sua dexteram tangit regis, suaque dextera lituum gestans, linea indutus, stola planetaque infulatus, progressusque in medium usque fani subsistit; et reversus ad populum, qui circumstabat- nam erant deambulatoria infra supraque in illa basi!ica in rotundum facta -, quo ab omni populo cerni posset: »En«, inquit, »adduco vobis a Deo electum et a domino rerum Heinrico olim designatum, nunc vero a cunctis principibus regem factum Oddonem; si vobis ista e!ectio placeat, dextris in cae!um levatis signiftcate.« Ad haec omnis populus dextras in exce!sum levans, cum c!amore valido inprecati sunt prospera novo duci. Proinde procedit pontifex cum rege tunica stricta more Franeorum induto pone altare, super quod insignia regalia posita erant,gladius cum balteo, clamis cum armi!lis, bacu!us cum sceptro ac diadema. Eo quippe tempore erat summus pontifex nomine Hildiberhtus, Franeo genere, monachus professione, nutritus vel doctus in Vuldo monasterio, et ad id honoris merito progrediens, ut pater eiusdem loci constitueretur, deinde summi pontiftcatus Mogontiacae sedis fastigium promeruisset. Hic erat vir mirae sanctitatis et preter naturalem animi sapientiam litterarum studiis satis clarus. Oui inter caetera gratiarum dona spiritum prophetiae acrepisse predicatur. Et cum quaestio esset pontiftcum in consecrando rege, Treverensis videlicet et Coloniae Agrippinae - illius, quia antiquior sedes esset et tamquam a beato Petro apostolo fundata; istius vero z6 Widukindi rerum gestarum Saxonicarum libri III, ed. P. HrRSCH-H. E. LOHMANN, 1935 S. 63ff. (Script. in us. schal.). H. BEUMANN a. a. 0. S. 170 macht darauf aufmerksam, daß außer dem Krönungsbe-
richt nur noch eine Sterbeszene den Cursus aufweist. Widukind hat den Aachener Kapiteln also besondere Sorgfalt angedeihen lassen.
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Ottos I. Königskrönung in Aachen (9 36)
quia eius ad diocesim pertineret locus: et ob id sibi convenire arbitrati sunt huius consecrationis honorem -, cessit tamen uterque eorum Hildiberhti cunctis notae almitati. lpse autem accedens ad altare et sumpto inde gladio cum balteo, conversus ad regem ait: a. »Accipe«, inquit, »hunc gladium, quo eicias omnes Christi adversarios, barbaros et malos Christianos, auctoritate divina tibi tradita omni potestate totius imperii Francorum, ad jirmissimam pacem omnium Christianorum.« Deinde sumptis armillis ac clamide induit eum: b. »His cornibus«, inquit, »hum#enus demissis monearis, quo zelo jidei ferveas, et in pace tuenda perdurare usque in jinem debere.« Exinde sumpto sceptro baculoque: c. »His signis«, inqu#, »monitus paterna castigatione subiectos corripias, primumque Dei ministris, viduis ac pupillis manum misericordiae porrigas; numquamque de capite tuo o!eum miserationis dejiciat, ut in presenti et in juturo sempiterno premio coroneris.« Perfttsusque i!ico oleo sancto et coronatus diademate aureo ab ipsis pontijicibus Hi!diberhto et Wichfrido, ac omni !egitima consecratione comp!eta, ab eisdem pontijicibus ducitur ad solium, ad quod per coc!eas adscendebatur, et erat inter duas marmoreas mirae pu!chritudinis columpnas constructum, unde ipse omnes videre et ab omnibus ipse videri posset. II. Divina deinde laude dicta sacrijicioque so!!empniter celebrato descendebat rex ad pa!atium ••• 2.
Ablauf und Bedeutung der Aachener Vorgänge
( S. I 99 :) An drei verschiedenen Orten fanden die Handlungen statt, die Ottos Herr-
schaft rechtlich »festmachten«: im Paradies vor dem Madenmün ster die »Wahl« 27 und die Huldigung der Fürsten mit Treueid und Thronsetzun g, im Madenmün ster selbst die kirchliche Weihe, abschließend mit einer zweiten Thronsetzun g, in der benachbarten Pfalz das Krönungsma hl mit den »staatssymbolischen« Diensten der Herzöge. 27 Ich setze dies Wort im folgenden dort in Anführungsstriche , wo es als mittelalterliche r Terminus technicus von dem modernen abgesetzt werden muß. Wie E. RosENSTOCK, Königshaus u. Stämme in Deutschland zw. 9rr und I25o, Lpz. I9I4 S. 39 von dem >>Unglücklichen Begriff >Erblichkeit<« spricht, so gilt dasselbe für den der Wahl. Wie er sich im kirchlichen Bereich entwickelt hat, zeigte vorbildlich Paul ScHMID, Der Begriff der kanonischen Wahl in den Anfängen des
Investiturstreits , Stuttgart I 926. Über das kurz nach der Weihe ausgestellte D. 0. I. für Quedlinburg (I3. Sept. 936), in dem der Übergang der Königswürde an ein anderes Geschlecht, herbeigeführt durch »Wahl« (si autem alter e popu!o e!igatur rex), als möglich vorausgesetzt ist, vgl. ScHMID, a. a. 0. S. r26 ff.: gemeint ist, daß die agnatische Deszendenz erlischt und daher ein Mitglied der cognatio »gewählt« werden muß.
Salbung - Krönung - Investitur
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Der zweite Teil dieser Handlungen wird - da es sich um die Geschichte der Krönung handelt - im Zentrum unserer Würdigung stehen. Doch gibt die doppelte Thronsetzung Anlaß, einen Blick auch auf die anderen Vorgänge des Krönungstages zu werfen. a) Salbung - Krönung - Investitur mit den Herrschaftszeichen Über Salbung und Krönung hat sich Widukind nur ganz knapp geäußert. Deshalb wird man seinen Bericht, in dem die Salbung der Übergabe der Herrschaftszeichen folgt, dahin auslegen dürfen, daß es ihm hier auf eine gerraue Einordnung nicht ankam. Denn die Salbung als Beginn der Herrscherweihe war seit dem 9· Jahrhundert überall die Norm2s. Von der Salbung weiß Widukind nur zu sagen, daß sie mit »heiligem« Öl geschehen sei, also wohl mit Chrisma, nicht mit dem geringwertigeren Katechumenen öl, das der Kaiserordo vorschrieb 29 . Über die Krönung erfahren wir nur, daß zwei Erzbischöfe sie gemeinsam vollzogen. Die Frage, welche es waren und welche Rivalität sich dahinter verbarg, wird uns in einem späteren Abschnitt beschäftigen30 • Aber auch so ist die kurze Angabe wichtig genug; denn sie bezeugt, daß nunmehr auch in Deutschland die Krönung verkirchlicht war. Sie ist an die Stelle einer »weltlichen Krönung« (als Teil einer »Einkleidung«) getreten, wie sie 9oo bei Ludwig dem Kinde geschehen war. Da bei Konrad I. nur von der Salbung die Rede ist, stellt Ottos Krönung nicht nur die erstbezeugte, sondern wohl auch die tatsächlich erste »kirchliche Krönung« in Deutschland dar. Widukinds Augenmerk gilt vor allem der Übergabe der Herrschaftszeichen; sie hat er mit allen Einzelheiten geschildert. Die Worte, die er dabei dem Erzbischof von Mainz in den Mund legt, sind in den Ordines nicht zu finden: sie sind offensichtlich frei gestaltet im Sinne dessen, was Widukind angemessen schien, und treffen wenigstens im Tonfall, was liturgisch üblich war, bleiben allerdings im Gedankenbestand belanglos und gezwungen. Als gesichert darf man die Tatsache ansehen, daß Otto alle Zeichen einzeln aus geistlicher Hand unter Hersagen von Formeln empfing. Die Krönung von 936 wurde also letzthin nach dem westfränkischen Vorbild vollzogen; denn im Westen war diese geistliche Investitur ausgebildet worden. In diesen Vorgang läßt die folgende Tabelle hineinschauen, in der die einschlägigen Angaben des maßgebenden westfränkischen Ordo sowie die der beiden um 96o zum »Mainzer Ordo« verschmolzenen Formulare den Angaben gegenübergestellt
z8 Daß später in Frankreich und Spanien die Schwertgürtung vor die Salbung verlegt wurde, hängt mit ihrer Beziehung zur Ritterweihe zusammen, die in diesen Ländern her-
gestellt wurde. 29 S. unten S. 73·
30 S. unten S. ro8ff.
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A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
sind, die Widukind über die Designation Heinrichs I. durch Konrad I. (919) und über Ottos Krönung (9 36) bringt: I. WESTFRÄNKISCHER (Erdmannscher) ÜRDO (um 900)
I I. FRÜHDEUTSCHER ÜRDO (vor 96o)
= anulus gladius 3· corona 4· sceptrum 5. baculus I.
2.
(z) ensis 6. armillae 7· pallium (5) baculus (3) corona
III. ÜRDO DER SIEBEN FoRMELN (vor 96o)
IV. WIDUKIND a) betr. 9I9 b) betr. 936
»MAINZER ÜRDO« (3) (4) (I) (z)
corona sceptrum anulus gladius
8. (6) (7) (z) (3)
lancea armillae clamis gladius diadema
(z) (6) (6) (7) (4) (5) (3)
g!adius cum balteo armi!lae clamis sceptrum bacu!us diadema
Keine Liste stimmt mit einer anderen völlig überein. Auch die Reihenfolge der Herrschaftszeichen ist verschieden, und die Benennungen varüeren ( corona = diadema; pallium = clamis, gladius = ensis). Inhaltlich decken sich die Listen erst recht nicht. Im gesamt werden acht Herrschaftszeichen namhaft gemacht. In den Listen I, II und IVa werden fünf, in der Liste III nur vier aufgezählt. Für 936 macht Widukind sechs Herrschaftszeichen namhaft, die alle auch in einer der anderen bzw. in mehreren von ihnen auftauchen (die von ihm 919 angeführte !ancea darf man 936 nicht erwarten, da die Heilige Lanze im Krönungsbrauch keinen Platz erhielt). Gemeinsam sind allen fünf Listen Krone und Schwert. Nur in den deutschen Texten werden der Mantel31 und die Armspangen angeführt; in den westfränkischen Ordines wird statt dessen der Ring genannt (da er in der Liste III angeführt ist, erscheint er nachher im »Mainzer Ordo«). Wenn Widukind 919 das Szepter weggelassen hat, wird das auf Flüchtigkeit beruhen32 • Zu 936 führt er - was dem westfränkischen Brauch entsprach - sowohl das (kurze) Szepter als auch den (langen) Stab auf (diese Doppelung des Stabzeichens, die sich auch der Mainzer Ordo zu eigen machte, ist folgenreich geworden). Der Rolle der Armspangen (armillae)
3 I Im Rahmen einer weltlichen Investitur hatte der Mantel bereits nach dem Tode Karls des Kahlen eine Rolle gespielt; vgl. Ann. Bertiniani ad a. 8 77: (Karls Witwe eilt zu Lud wig dem Stammler) attulit ei praeceptum, per quod pater suus illi regnum ante mortem suam tradiderat, et spatam ... , per quam eum de regno revestiret, sed et regium vestimentum et coronam ac
fustem ex auro et gemmis (rec. G. WAITZ I883; Script. rer. Germ. in us. schal., S. I38). 32 Nach dem Continuator Reginonis ad a. 919 übersandte Konrad sceptrum ei et coronam caeteraque regiae dignitatis ornamenta; vgl. Reginonis chronicon, ed. Fr. KuRZE, 1890 S. 156 (Script. rer. Germ.).
»Rituelle Feststellungswahl«
=
Mitwahl des Volkes
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im Königsbrauch bin ich in einem Abschnitt meiner Bände über die Herrschaftszeichen nachgegangen33 ; ich kann mich hier daher mit einem Hinweis auf diesen begnügen - über ihren Sinn wußte Widukind nichts zu sagen. Vermerkt werden muß, daß das Schwert cum balteo übergeben wurde34 ; denn dadurch bekommt diese Handlung eine formale Ähnlichkeit mit der Schwertgürtung des V oll jährigen. Aber sie soll ganz etwas anderes sein35 , wie Widukinds Erklärung deutlich macht, der zufolge mit dem Schwert kraftgöttlicher Autorität die potestas totius imperii Franeorum übergeben wird36 • Diese Tradition der Herrschaft hat also gar nichts mit dem symbolischen Vollzug der Volljährigkeit zu tun, bei der das Schwert Zeichen des wehrhaften Mannes war, sondern entspricht dem Brauch der Herrschaftsübergabe, wie ihn - neben den Ordines- auch Annalen bezeugen37 •
b) Die »rituelle Feststellungswahl«
=
Mitwahl des Volkes
( S. 204:) Die Kennzeichnung: »rituelle Feststellungswahl« für den Akt im Münster stammt von U. Stutz. Der» Westfränkische (Erdmannsche) Ordo« ließ sich bei dieser Handlung durch den von 869 leiten, dessen ausführliche Angaben in die Worte zusammengezogen sind38 : Deinde alloquantur duo episcopi populum in ecclesia, inquirentes eorum vo!tmtatem. Et si concordes fuerint, agant Deo gratias, decantantes: »Te Deum laudamus«. Praktisch war das nur so auszuführen, daß einer das Wort nahm, und so schildert es auch Widukind: der Erzbischof von Mainz geleitet Otto in die Mitte des Münsters, das rings vom populus erfüllt ist, stellt den König vor und befragt es:
»Wenn euch diese Wahl gefällt, so bezeugt dies, indem ihr die rechte Hand zum Himmel hebt.« Dies geschieht unter brausendem Zuruf. Ein Unterschied besteht im Abschluß: Tedeum bzw. Heilruf. Nach Widukind fand der Lobgesang, der im westfränkischen Brauch durch das Vorbild der Synoden bedingt war39 , erst am Schluß der Krönung, wo er in der Tat sinnvoller war, seinen Platz40 • An seiner Stelle läßt er das von Rufen begleitete Erheben der Hände erfolgen,
33 II, Stuttgart 1955 S. 538-59. 34 Im westfränkischen Ordo ist vom Gürtel nicht die Rede. Im »Mainzer Ordo« heißt es nach der Übergabe (§ I 5): Accinctus autem rex.
35 Sie ist also in der Liste der Schwertgürtungen zu streichen, in der sie W. ERBEN, Schwertleite und Ritterschlag, in Zeitschrift für histor. Waffenkunde VIII, Dresden 191820 S. ro8 als Nr. 4 anführt.
36 So auch der Mainzer Ordo, s. unten S. 259f. (jetzt S. 76f.). 37 V gl. z. B. oben Anm. 3I : Ann. Bertin. ad a. 877. 38 SCHRAMM, Krönung a. a. Ü. S. 203 § 3, dazu S. 146ff. (jetzt: Bd. II S. 217, dazu S. r62ff.). 39 Ebd. S. 147 (jetzt: II S. r63). 40 Kap. z: Divina deinde !aude dicta (s. jetzt oben S. 42 und unter S. 79).
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
das er mit sehr ähnlichen Worten auch von der Wahl Heinrichs I. berichtet11 • Daß es sich hier nicht um eins seiner Schemata, sondern tatsächlich um einen einheimischen Brauch handelt, zeigen weitere Belege42 • Dadurch wird klar, daß dieser ( S. 20 f :) »Königsgruß« zugleich eine Geste ist, durch die der Bund zwischen König und Volk festgemacht wird. Sie ist daher - so ein späteres Zeugnis 43 - ein vincu!um iuramenti, gehört also zwischen Handschlag und Schwurgeste. Von diesen Einzelheiten abgesehen gleichen sich bei den »rituellen Feststellungswahlen« in Aachen und im Westfrankenreich folgende Fakten. Die Frage wird: 1. von geistlichem Mund, 2. in der Kirche, 3. unmittelbar vor Beginn des liturgischen Teils, 4· an den Populus -nicht an die Großen- gerichtet. Daß diese sich vorher zur Geltung gebracht haben, wird im »Westfränkischen Ordo« stillschweigend vorausgesetzt, von Widukind ausdrücklich erwähnt. Es ist jedoch folgender Unterschied zu beachten: (S. 206:) In Aachen trennten wenige Schritte und wenige Minuten jene Frage von der Wahl und der Erhebung durch die Fürsten, die bis zum Abschluß der Einweisung
4I Zu: dextris in caelum Ievatis und populus dextras in excelsum !evans cum c!amore va!ido vgl. I c. 26 (a. a. 0. S. 39): dextris in cae!um !evatis nomen novi regis mm c!amore valido sa!utantes; s. auch nach Heinrichs Aufruf zum Ungarnkrieg I c. 38 (a.a.O. S. 55f.): Ad haec (sc. verba) popu!us !evavit voces in cae!um . .. Operam suam deinde promittens regi contra gentem acerrimam, dextris in cae!um e!evatis pactum ftrmavit. 42 THIETMAR V c. 3 (ed. KuRZE I889 S. 109) zum Fürstentag von Werla (rooz), der sich für Heinrich II. entscheidet: Hocque dextris manibus eievatis afftrmatur. Widukinds Angabe betr. 936 wiederholt er II c. I (a. a. 0. S. I8) in der Form: eievatis dextris conc!amantes: »Vivat etc.« - Aus der Angabe Thietmars über Heinrichs II. Krönung in Pavia Ioo4: cum admirabi!i laude . . . et comuni electione (a. a. Ü. S. I 37) macht ADALBOLD in seiner Vita Heinrici II. c. 36: (PapünJ·es) uno ore Heinricum regem acc!amant, coiiaudant, col!audatum per manuum elationem designant (Mon. Germ., Script. IV S. 692). Dieser Einschub setzt voraus, daß A. das Erheben der Hand selbstverständlich schien. 43 Vgl. Friedrich II. I235 an Papst Gregor X. über den Beschluß eines Heereszuges: c!aman-
tibus cunctis et in elevationem manuum offerentibus, quae iuxta consuetudinem Germanorum est vinculum iuramenti (Mon. Germ., Const. II S. 240 Z. r2ff.); angeführt von LINDNER, Hergang bei den Deutschen Königswahlen S. 49, der aus Adalbold folgert, »daß an Stelle des Handschlags und des Treueides die Handerhebung treten konnte. Nicht bloß nach sächsischem Recht vertrat sie den Eid«. Jacob GRIMM, Deutsche Rechtsalterthümer I, Göttingen r8z8 S. 236 (= 4 I899 S. 326f.) sieht in dem Erheben der Hände »ein Symbol des Vertrags und der Einwilligung«. Aus dem Ausdruck: cum c!amore va!ido, der aus der Bibel stammt (vgl. bes. Hebr. 5, 7), wollte er auf ein Schlagen der Hände schließen. Das scheint mir philologisch und sachlich nicht angängig. Im allg. vgl. K. v. AMIRA, Die Handgebärden in den Bilderhandschriften des Sachsenspiegels, in Abh. der Bayer. Akad. der Wiss. XXIII 2, I905; (H. REINCKE) Die Bilderhandschrift des hamburg. Stadtrechts von 1497, Harnburg 1917 (Neudruck ebd. 1967) S. 57f. Über Erheben der Hand beim Schwur im Altertum s. C. SrTTL, Die Gebärden der Griechen und Römer, Leipzig r9oo S. I4t.
Zweifache Thronsetzung- Krönungsmahl
47
in die Herrschaft durchgeführt wurde, obwohl ihr die Zustimmung des Volkes fehlte. Die erste Szene der kirchlichen Handlung heilte also gleichsam einen Mangel der weltlichen. Oder unter einem anderen Blickwinkel gesehen: die beiden räumlich getrennten Teile der Erhebung Ottos waren an dieser Stelle verzahnt. Dann aber ist diese Handlung doch mehr als eine »rituelle Feststellungswahl, die dem Konsekrator die Gewißheit geben soll, daß er den Richtigen weiht und krönt«44 • Sie ist das nachgeholte Vollwort (Collaudatio) des Volkes zu der »Wahl« der Fürsten45 , das auch 919 gegeben worden war und in Aachen von dem Erzbischof von Mainz eingeholt wird. Offensichtlich ist er erst dadurch in die Rolle eines Einholers der »Collaudatio« eingerückt4s. Damit ist schon die Frage beantwortet, ob etwa die voraufgehenden Königserhebungen die Krönung des Jahres 936 bestimmt haben. Wir wissen ja nur wenig von ihnen, aber wir fanden andererseits bisher- abgesehen von Wahl und Mantelkeine Einzelheit, die uns nötigte, sie auf älteres, einheimisches Herkommen zurückzuführen. Die (S. 207.) Salbung Konrads lag schon zweieinhalb Jahrzehnte zurück; die leitenden Männer des Staates und der I<:irche hatten gewechselt; schon die äußeren Umstände müssen einem Wiederanknüpfe n entgegengestand en haben. Die Krönung Ottos I. bedeutet demnach einen (hier und da durch westfränkisches Herkommen mitbestimmten) Beginn, von dem kein Licht auf die voraufgehenden Parallelfälle zurückstrahlt. c) Zweifache Thronsetzung , Krönungsmah l und fränkische Tracht Diese Feststellung betrifft nur die kirchliche Weihe, nicht jedoch den Akt, dem wir uns jetzt zuwenden: eil~ Thr()n>s (OtZ:U_ll,>g. Sie gehörte, wenn wir die Zeugnisse recht gedeutet haben, schon zur Erhebung der letzten Karolinger aus dem ostfränkischen • Stamme47 . Bei den westfränkischen Vettern w_ar_sit'! durch Salbung, Krönung und ' Übergabe der Herrschaftszeichen so in den Schatte;gerück~daß es sich frag~, ob sie überhaupt noch als ein für die Einweisung in die Her~~h;.ft notwendiger Rechtsakt empfunden wurde. Ihre Ordines berücksichtigen den Thron überhaupt nicht, 44 STUTZ, Reims a. a. 0. S. 416; ebd. Anm. 4 seine früheren Äußerungen im gleichen Sinne. 45 Bei ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 147 (jetzt Bd. II S. 163) ist gezeigt, wie im Westfrankenteich »der Weg vom karolingischen Erb- und Teilungsrecht über die kirchlichen Formen des Synodalbeschlusses zum einheimischen Gerichtsverfahren gefunden« wurde. Von diesem aus ist auch schon die »Wahl« Heinrichs I. zu verstehen. Ich scheide
daher nicht bei ihr, wie STUTZ, Rhein. Erzbischöfe a. a. 0. S. 59, eine effektive und eine rituelle »Wahl«; aber wie er sehe ich in dem Zuruf des Volkes von 919 und der Antwort auf die Frage des Mainzers im Jahre 936 denselben Rechtsvorgang. 46 Über die Rolle des Erzbischofs in der Folgezeit s. unten S. 7of. und 115 f. (früher: S. 25of. und 284). 47 Vgl. Bd. II S. 3oo.
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
und in den Geschichtswerken spielt er keine oder doch eine nur schwer greifbare Rolle48 . Anders im Ostreich, das ja bis zur Jahrhundertwende die Verkirchlichung des Herrscherwechsels nicht mitgemacht hatte und deshalb eines sinnfälligen Aktes bedurfte, um ihn rechtskräftig zu machen. Inzwischen war dieser Vorsprung eingeholt, so daß auch in Deutschland diese Form der Einweisung hätte zurücktreten können. Hier ist jedoch der einheimische Königsbrauch nicht nur festgehalten, sondern noch in seiner Bedeutung gesteigert worden. Wir müssen diesen Vorgang zusa=en sehen mit der Rolle, die 936 dem Krönungsmahl49 zufällt; denn die Stuhlsetzung wurde ursprünglich beim Erbbier vollzogen, und in ( S. 208:) dieser Form hat sie sich im Norden überOttos I. Zeit hinaus erhalten50 , Im Süden hat sie sich von ihm gelöst. Wieweit dabei das Erbbier in der Form einer Krönungstafel erhalten geblieben ist, läßt sich nicht entscheiden; denn eindeutige Zeugnisse fehlen - außerdem lag das Abhalten eines Festmahls nach der Krönung ja in der Natur der Sache51 • Bei Otto I. aber ist es nun wieder als Rechts-
48 Da in solio collocare schon in der Bibel begegnet und ähnliche Wendungen in der liturgischen Sprache zu finden sind (vgl. z. B. S. I93 Anm. I, 4 = Bd. II S. 299f. Anm. 48, 50), ist die Entscheidung schwer, wo es sich nur um ein Bild und wo um eine sachlich zu verstehende Angabe handelt. Dabei ist zu bedenken, daß auf dem Thron oder Ehrenstuhl eines Königs der Nachfolger ja einmal zuerst Platz genommen haben muß. Als Handlung mag die Thronsetzung daher auch im Westen nie ganz verschwunden sein. 49 Zu Mahlen mit kultischer und rechtlicher Bedeutungs.: Allgemein: Fr. BAMMEL, Das heilige Mahl im Glauben der Völker. Eine religiöse phänomenologische Untersuchung, Gütersloh I950 (I99 S.); Hanns KoREN, Kultmahl und Heischegang, in der Festschrift für J. Fr. ScHÜTZ, hrsg. von B. SuTTER, Graz-Köln I954· Bei den Germanen: F. PFISTER in: Studien zu Tacitus, Carl Hosrus gewidmet, Stuttgart I936 (Würzburger Studien zur Altertumswiss. IX) S. 39-73 (betr. Nachrichten des Tacitus); R. STUMPFL, Kultspiele der Germanen als Ursprung des ma.lichen Denkens, Berlin I936 S. I49ff.; R. SIEMSEN, Germanengut im Zunftbrauch, Berlin I942
(Ahnenerbe) Kap. IV (beide mit Vorsicht zu benutzen); Cl. Frhr. v. ScHWERIN, Einführung in die Rechtsarchäologie, Berlin-Dahlem I943 S. 76, 79; V. GRÖNBECH, Kultur und Religion der Germanen, II, 5. Aufl. Stuttgart I954 S. 9I ff. Merowingisch: D. CLAUDE, Untersuchungen zum frühfränkischen Comitat, in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 8I, German. Abt., I964 S. 75f. (Die Zulassung zum Tisch des Königs galt demnach als Zeichen der Aussöhnung und guten Einverständnisses zwischen beiden. Umgekehrt war die Ablehnung der Speisegemeinschaft gleichbedeutend mit Opposition gegen den König). Karolingisch: Ein »herrliches Mahl«, anschließend an die Krönung Ludwigs des Frommen in Aachen (8 I 3), erwähnt Ermoldus Nigellus II Vers 76 (Mon. Germ., Poet. lat II S. 26). Ottonisch: K. HAucK, Rituelle Speisegemeinschaft im Io. und I I. Jh., in: Studium generale III, 1950 S. Gn-621. 50 Zum folgenden vgl. RosENSTOCK (s. Anm. I3) S. 55ff. 5I Im Westfrankenreich glaubte ich solch ein Mahl bei der Krönung Odos (888) annehmen zu können (Krönung a. a. 0. S. I38 = Bd. II S. I54).
Zweifache Thronsetzung- Krönungsmahl
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akt da, bei dem die Herzöge die später so wichtig gewordenen »Staatssymbolischen« Dienste als Hofbeamte leisteten. In diesem Mahl wurde das regnum Teutonicorum unter dem Bilde der curia regis dargestellt und bewiesen, daß seine Fürsten die Folgerungen aus den am Morgen übernommenen Verpflichtungen zu ziehen gewillt waren - ein Vorgang, für den eine karolingische Parallele fehlt 52 und der bisher schon deshalb noch nicht hatte geschehen können, weil es nach unserem Wissen überhaupt das erste Mal war, daß alle Herzöge sich um ihren König versammelten53 • In der Bedeutung gestärkt ist nun nicht nur das Mahl, sondern auch ihr ehemaliges Kernstück, die Stuhlsetzung. Denn wenn sie auch bei den früheren Königen nachweisbar ist und deshalb auch 911 und 919 geübt worden sein mag, so findet sie 936 doch gleich in doppelter Form statt: einmal durch die Fürsten im Vorhof in Abwesenheit der Geistlichkeit, die offensichtlich währenddessen im Münster versammelt ist, und dann noch einmal in der Kirche durch die Geistlichkeit. Diese Akte müssen das Augenfälligste in der ganzen Feier gewesen sein, und die Einzelheiten verraten, (S. 209:) welchen Wert die Beteiligten auf sie gelegt haben müssen. Das Ganze ist höchst auffällig; denn beobachteten wir vorhin eine Verschränkung der beiden räumlich getrennten Teile der Königserhebung, so finden wir hier, daß sie in analogen Handlungen auslaufen. Der Gedanke drängt sich auf, daß die beiden Stuhlsetzungen einen verschiedenen Sinn hatten. Von der ersten sagt Widukind: »si;--(dre-Großen) setzten den neuen Herrscher auf einen hier (im Vorhof) errichteten Thron; hier reichten sie ihm die Hände (d. h. Manumissio), gelobten ihm Treue (d. h. Fidelitas) und Hilfe gegen alle seine Feinde (d. h. Mannschaft) und machten ihn so nach ihrem Brauch zum Könige.« Von der zweiten Thronsetzung berichtet er, daß die Erzbischöfe von Mainz und Köln Otto zu Karls Steinsitz geleiteten, wobei er hervorhebt, daß er von dort »alle 52 Nach Notkeri Balbuli (d. h. Notker der Dichter; s. Bd. II S. 3I9ff.) Gesta Karoli
Magni hnp. I cap. I I, ed. H. F. HAEFELE, Berlin I959 (Mon. Germ., Script. N. S. XII) S. I6 wird Kar! behn Mahl bedient von duces et tiranni ve! reges diversarttm gentium; diesen warten anschließend auf comites et praefecti vel diversarttm gentium, diesen dann mi!itares viri ve! sco!ares alf usw.; d. h. nach dieser Schilderung bot das Kaisermahl das »Schauspiel« einer Pyramide, bei dem ein Rang den jeweils höheren bediente. In I cap. I 5 (S. I 8) erwähnt Notker einen von Kar! besuchten Bischof, der bei dem dem Kaiser angebotenen Mahl more famu!orum propter astabat. 4 Schramm, Aufsätze III
Die 886/7 niedergeschriebenen »Gesta« kennen also noch keine Tafel-Ehrendienste. 53 Krönungsmahl und Ehrenstuhl, ebenso auch die Hofämter spielen eine Rolle in der »Ecbasis captivi«: Das älteste Thierepos des MA.s, hrsg. von E. VoiGT, Straßburg I875 (Quellen u. Forsch. zur Sprach- u. Culturgesch. der german. Völker VIII), bes. S. I 17f. v. 773 ff.; dazu KARL STRECKER in der Hist. Vierteljschr. XXIX, I935 bes. S. 498ff. und seine Neuausgabe in den Script. in us. schal. (I935 = I956). Darauf wies mit Recht ROSENSTOCK a. a. Ü. S. 54f. hin. Doch ziehen wir hier das Epos nicht mit heran, da es erst hn Ir. Jahrhundert entstand.
A r: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
sehen und von allen wiederum gesehen werden konnte«, d. h. von dem dort versammelten populus, der nur noch als Zeuge zu fungieren brauchte, da durch sein V ollwart die Bindung an den neuen Herrscher ja schon vollzogen war. Dieser Akt ist im »Mainzer Ordo« ausgebaut: Die von dem Metropoliten gesprochenen Worte verdeutlichen den Sinn der Handlung ( Sta et retine locum amodo, quem hucusque paterna successione tenuisti, hereditario iure tibi delegatum per auctoritatem Dei omnipotentis et praesentem traditionem nostram, omnium scilicet episcoporum ceterorumque Dei servorum ,;etc.). Es handelt sich also um eine Einweisung in die- kraft Erbrechts, Gottesgnadentums und geistlicher Traditio erlangte - Herrschaft. Diese Bedeutung darf man auch schon dem entsprechenden Akt bei Ottos Krönung zuschreiben. Er hatte also genau den gleichen Sinn wie die erste Thronsetzung, die Otto »Zum König ge:macht« hatte: Einweisung in die Herrschaft. Der Unterschied besteht also nicht in Form und Sinn, sondern nur in den Persönlichkeiten, die zum Vollzug berechtigt sind. Dort die Fürsten, hier die Geistlichen: beide (S. 2IO:) müssen sich das ihnen offensichtlich sehr wichtige Recht zugesprochen haben, und neben dem Streit zwischen den Erzbischöfen ist offenbar auch ein Streit zwischen ihnen und den Herzögen einhergegangen . Dann aber wie dort54 so auch hier ein Kompromiß. Den Fürsten die Wahl, den Bischöfen Salbung und Krönung, bzw. den Fürsten kein Anteil an Salbung, Investitur und Krönung, dafür den Bischöfen kein Anteil an der Wahl; den Fürsten der Raum vor der Kirche, den Bischöfen das Münster; jenen die Einweisung auf dem Throne vor der I<:irche, diesen die Einweisung auf dem Throne in der Kirche. Kluge Köpfe müssen es gewesen sein, die diesen Ausweg fanden. Wie weit Otto selbst daran beteiligt war, läßt sich nicht ermessen: aber die Lösung entspricht dem Signum, das er seinem Lebenswerk aufgeprägt hat: sie stellt schon gleich am Beginn der Regierung in einer Einzelfrage jenes Gleichgewicht zwischen weltlichen und geistlichen Kräften her, das die Grundvorausset zung für Ottos Reichsbau bildete.
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Der Thron der Laien war in dem Säulengang ( sistus = xystus) errichtet, »der mit der Basilika des großen Karl verbunden ist«. Darunter wird herkömmlicherw eise nicht der von ihr zur Pfalz führende Laufgang ( Porticus)5 5, sondern sicher mit Recht das Atrium vor dem Münster verstanden, von dessen Anlage uns Ausgrabungen eine Vorstellung vermittelt haben56 • Danach war es ein 36 X 17 Meter großer Hof54 Über die Einigung zwischen den Erzbischöfen s. S. 276f. Getzt S. ro9f.). 55 So auch RAMACKERS (s. Anm. r) S. 45f. gegen HuYSKENS (s. ebd.) S. Sf., der an eine Gerichtslaube in der Pfalz dachte. 56 Zur Örtlichkeit vgl. jetzt F. KREuscH,
Kirche, Atrium u. Portikus der Aachener Pfalz, in: Kar! d. Gr. Lebenswerk u. Nachleben, hrsg. von W. BRAUNFELS, III, Düsseldorf 1965 S. 463-533, bes. S. 505ff. und die in Bd. I S. zo6f. vermerkte Lit.
Zweifache Thronsetzung- Krönungsmahl
raum, den an drei Seiten gedeckte Umgänge und an der vierten die Münsterfront abschlossen. Die Mitte nahm ein Brunnen ein. ( S. 2II :) Daß hier von Haus aus ein Thron gestanden haben soll - zwischen der Pfalz und dem Münster -, ist schon an sich unwahrscheinlich; der Grundriß des Bauwerks, der keine auszeichnende Stelle bot, macht ihn noch unwahrscheinlicher. Man muß annehmen, daß das solium ibidem co1tstructum erst für die Thronsetzung durch die Fürsten aufgestellt wurde. Ganz anders der Stuhl der Thronsetzung durch die Geistlichen: der noch heute an seiner alten Stelle stehende steinerne Königssitz Karls des Großen auf der Empore57, ehrwürdig durch seine Tradition und von besonderer Weihe als ein Teil der Kirche. Der König, der sich auf ihn setzte, wurde nicht nur in die Herrschaft des Vorgängers, sondern zugleich in das Erbe Karls eingewiesen. Deshalb war diese Handlung gewichtiger. Sie fiel der Geistlichkeit zu; und wenn 936 der Unterschied auch noch nicht hervortrat, so hat ihn die Zeit offenbart; denn nur diese zweite, geistliche Thronsetzung ist erhalten geblieben- das ließ sich noch nicht voraussehen, als jener kluge Kamprarniß ausgehandelt wurde. Daß Otto sich salben und krönen ließ, brachte ihn in Gegensatz zum Vater; daß er den Stuhl Karls des Großen bestieg, hob ihn von seinem Stamme ab. Noch konnten Männer am Leben sein, denen von Augenzeugen erzählt worden war, wie der Kaiser die Sachsen besiegt hatte. Und wenn auch schon bald nach der Unterwerfung in dem Schrifttum aus sächsischer Feder Stellung für Karl genommen ist58 , so ertönen doch auch noch in der Zeit nach Otto I. Stimmen, in denen der Groll gegen die Franken nachzittert59 • Nicht durch sie, sondern durch große politische Motive hat sich Otto bestimmen lassen; denn ob er nun selbst Aachen ausgewählt hat oder bereits sein Vater, er nahm diese Stadt als Schauplatz seiner Krönung an und bekannte sich ( S. zrz.-) dadurch zur Tradition Karls 60 •
57 P. E. S., Herrschaftszeichen I, Stu ttgart
1954 S. 336ff. und P. E. S. - Florentine MüTHERICH, Denkmale, München 1963 S. 114 mit T. r. 58 H. DöRR1ES, Germanische Religion und Sachsenbekehrung, Göttingen 1934 S. 26; Th. E. MoMMSEN, Studien zum Ideengehalt der deutschen Außenpolitik der Ottonen und Salier, Diss. Berlin 1930 S. 3of. 59 P. E. ScHRAMM, Kaiser, Rom u. Renovatio I, Leipzig-Berlin 1929 (Neudruck: Darmstadt 1957) S. 69f. 6o Wie meist bei Entschlüssen von solchem Gewicht werden mehrere Gründe bei der
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Auswahl Aachens zusammengewirkt haben, Diese Stadt, die weder zu Franken noch zu Sachsen oder Bayern und Schwaben gehörte, also keine Rivalität zwischen den Kernstämmen erregen konnte, bot »die erste Gelegenheit, den Hinzutritt Lothringens zum Reiche feierlich zu bekunden«, so A. ScHULTE, Kaiser- u. Königskrönungen zu Aachen, BonnLpz. 1924 S. rof., der die Krönung Ottos daher als »Tag der Vermählung Lothringens mit dem deutschen Reiche« bezeichnet eine treffende Bezeichnung, die ihr Recht neben der von uns gewählten behält.
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
Der König aus sächsischem Stamm der Erbe des Franken, ja nun selbst ein Franke61 : tunica stricta more Franeorum gekleidet erschien Otto zur Krönungsfeier. Die noch nicht geschriebene Geschichte der mittelalterlichen Gewandsymbolik könnte erst deutlich machen, wieviel dieser Entschluß des neuen Herrschers den Zeitgenossen sagen mußte. Dem entspricht es, daß nachher beim Königsmahl der Herzog des Königsstammes das ansehnlichste Amt, das des Truchsessen, verrichtet6 2 • d) Struktur und Bedeutung der Königskrönung Ottos I. Wir werfen den Blick noch einmal zurück. Natürlich hat Widukind- wie es der Anstand von einem für den Hof schreibenden Autor verlangt- den Konflikt zwischen den Erzbischöfen mit erbaulichen Farben übermalt, den ( S. 2I3 :) zwischen ihnen und den Herzögen mit Schweigen übergangen. Aber wir erfahren auch so genug, um zu ermessen, welche Schwierigkeiten zu beheben waren, bevor die glanzvolle Feier vor sich gehen konnte. Sie waren um so größer, als -wie wir jetzt wissender bisherige Brauch noch unentwickelt war, so daß es noch gar nicht zu einer richtigen Aufteilung der Anrechte hatte kommen können. Nun aber ist mit einem Male sowohl ein reichentfalteter Brauch als auch eine ganz genaue Sonderung der Pflichten und Ansprüche da. Auf welche Weise das möglich war, haben wir analysiert: im Jahre 936 ist der Vorsprung des Westens nicht nur eingeholt, sondern sogar überflügelt worden. Aber in demselben Augenblicke, als der Anschluß an die christlich-karolingische Tradition gefunden wird, da gewinnen alte germanische Bräuche wie das »Erbbier«, die der Norden bewahrt, der Süden jedoch in den Schatten von christlichen Einrichtungen gerückt hatte, neue Rechtskraft. Daneben kommt das Lehnrecht, das seit dem Ende des letzten Jahrhunderts immer weiter in die staatliche Sphäre vordringt und nun auch die Rechtsform für das Verhältnis der Herzöge zu ihrem König abgibt6 3 , in deren Diensten symbolisch zum Ausdruck. Aus drei ganz verschiedenen Rechtsund Symbolbereichen stammen die Akte, aus denen sich die Aachener Feier zusammenfügte. Auch die westfränkischen Herrschererhebungen waren mannigfaltig zusammengesetzt64. Wahl, Eide, Salbung, geistliche Investitur, Krönung, Kommendation, Lehninvestitur durch eine Krone und abermalige Krönung mit Zuruf des Volkes 6r In diesem Zusammenhang darf der Satz angeführt werden bei Widukind II c. 6 (zu 936): Nam Saxones imperio regis facti gloriosi dedignabantur aliis servire nationibus. 62 Über das »Fränkischwerden« der Könige s. RosENSTOCK a. a. 0. S. 10ff. u. ö.; s. auch Bd. I S. 244 über die Einkleidung Ludwigs d. Fr. in Landestracht, als er König von
Aquitanien wurde. 63 H. MrrrErs, Lehnrecht u. Staatsgewalt, Weimar 1933 (Neudruck: Darmstadt 1958) S. 207ff.- Ich muß mich hier mit Andeutungen begnügen. 64 Zum folgenden ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 141 (s. jetzt Bd. II S. r 58).
Struktur und Bedeutung der Krönung Ottos I.
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waren angewandt worden, um die anfechtbare Thronbesteigung Odos (888) zu sichern. Aber dieses Bündel von gesonderten Handlungen, die alle auf dasselbe zielten, die sich gegenseitig verstärken sollten, hat doch versagt: gegen Odo wurde Karl der Einfältige erhoben. Ganz anders die Erhebung Ottos, bei der nicht wie im Westen das Gefühl der Rechtsunsicherheit, die Furcht vor (S. 2I4:) Verrat und Treulosigkeit zum Häufen der Rechtsakte trieb, sondern gerade das Rechtsbewußtsein. Das verlangte der christliche Brauch, das war in der einheimisch-germanischen Tradition, das im Lehnwesen üblich; also konnte man, da der König diesen drei Rechtskreisen zugleich angehörte, daran nicht vorübergehen; denn Verletzen der Rechtsformen heißt: das Recht selbst verletzen. Was nun die Schuldigkeit zu tun gebot, das ist nicht einfach hintereinander abgehandelt, sondern - wie wir feststellten gegeneinander abgewogen, so daß sich aus den Einzelakten ein Rechtsorganismus zusammenschließt. Man könnte die Frage aufwerfen, ob er einen Schaden davontrüge, wenn ein Glied abfiele. Aber das eben war die Stärke Ottos und auch noch seines Sohnes und Enkels, daß die Geschichte selbst diese Frage nicht aufwarf, daß vielmehr alle Rechtstitel des Königsturns beisammen waren und blieben. Erst bei Heinrich II., erst recht dann bei Konrad II. ist die Frage akut geworden, wie bei dem Ausfall eines Gliedes der Zusammenhalt unter den übrigen wiederhergestellt werden könne. Von hier aus ist das für die Ottonische Zeit so charakteristische Nebeneinander von Faktoren zu verstehen, die eine spätere Zeit zu sich ausschließenden Gegensätzen auseinandergedacht hat. Wille des Vaters, Wille der Wähler, Wille Gottes; Thronsetzung durch die Laien und durch die Geistlichkeit; Erbrecht, Wahl und Gottesgnadentum; Salbung, geistliche Investitur, Krönung, Einweisung auf dem Stuhl, »staatssymbolisches« Mahl- wie viele heterogene Traditionen sind hier zusammengezwungen I Wieviel ergänzt und stärkt sich hier gegenseitig, was seit dem Investiturstreit auseinander gezerrt wird! Das ist nicht Ergebnis der Unsicherheit, nicht Unfähigkeit des staatlichen Denkens, sondern Spiegelbild des ersten glücklichen Tages in der deutschen Geschichte, an dem mit Gottes Segen Fürsten, Geistlichkeit und Volk sich geschlossen für denselben Fürsten entschieden, an dem dieser alle Anrechte unbestritten geltend machte, die ein Herrscher dieser Zeit vorbringen konnte, an dem er alle »staatssymbolischen« und kirchlichen Sicherungen empfing, die das Jahrhundert kannte. (S. 2IJ.') Und was vom Ursprung aus verschieden war, wuchs nun erst einmal für drei Menschenalter fest zusammen; denn Erbrecht und Wahlrecht waren für diese Zeit nicht, wie man behauptet hat"5 , unvereinbare Gegensätze, die das altdeutsche Staatsrecht vergeblich zu vereinigen gesucht habe. Es handelt sich vielmehr um zwei verschiedene Arten der »Enthüllung« ( revelatio) dessen, was von Rechts 65
SCHULTE
a. a. Ü.
S. 14f.
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
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wegen sein muß und soll. Die eine geht von der durch Gott gewährten Nachkommenschaft, die andere von dem im Wahlspruch bewußt und kräftig werdenden Rechte aus, das Gottes Willen nie entgegen sein kann, sondern letztlich in ihm begründet ist. Da bei beiden Arten der revelationes V ersehen denkbar sind - auch der ryrannus hat Söhne, die Stimme der Wähler kann abgelenkt sein usw. -, ist es geradezu ratsam, sie sich ergänzen zu lassen. Deshalb besteht auch dort, wo das Erbrecht das Übergewicht bekommen hat, kein unbedingtes Interesse daran, das Wahlrecht als solches auszumerzen. Organisch gehört dieW~, in der die Geistlichkeit als berufene Auslegerirr der voluntas Dei offenbar macht, daß der durch Wahl- und Erbrecht, womöglich durch beides legitimierte König wirklich der von Gott gewollte sei. Diese in der voluntas Dei begründete Dreiheit kennzeichnet die Ottonische Zeit, ihre Zerstörung den Beginn einer neuen. Man hat beklagt, daß vor der Niederschrift des gültigen Rechtes zurückgescheut wurde66 • Fritz Kern hat gezeigt, welche allgemeinen Gründe der V erschriftlichung des Rechtes entgegenstanden67 • In bezug auf die Thronfolge wäre es darauf hinausgelaufen, dem Willen Gottes gleichsam Spielregeln vorzuschreiben - wer wäre so vermessen gewesen? Aber was man tun konnte, war festzulegen, was zu vollziehen sei, um den neuen Herrscher, den Gott wollte, den das Recht verlangte und den das Volk wünschte, zum König zu machen. Das ist um 960 in dem »Mainzer Krönungsordo« geschehen; mit ihm werden wir uns im nächsten Abschnitt befassen.
ANHANG Dm
KRÖNUNG KöNIG Orros
I.
IN AACHEN
(7.
AuGusT
936):
ein Rückblick nach tausend Jahren.* Am 7· August ist ziemlich unbemerkt ein Jahrtausendtag vergangen, der nicht vergessen werden darf: an jenem Tag des Jahres 936 empfing Otto I., der zweite König 66 Ebd. S. 14. 67 Vgl. außer seinem Buch: »Gottesgnadentum u. Widerstandsrecht«, Lpz. 1915 (Darmstadt 1962) auch: »Recht und Verfassung im MA.«, in der Histor. Zeitschr. 120, 1919 S. 1-79. * Zuerst in: Geistige Arbeit, II. Jahrgang Nr. 2o: 20. Okt. 1936 S. 5. Ich wiederhole diesen Jubiläumsaufsatz, weil er die Ergebnisse des vorausgehenden Abschnitts zusammenfaßt und auf den folgen-
den vorbereitet. Er erschien in einer Zeit, in der die öffentliche Propaganda Kar! den Großen herabsetzte und Heinrich I. auf den Schild hob, weil er die »christliche« Salbung abgelehnt und in der Folgezeit eine »deutsche« Politik betrieben habe. Mit dem tausendjährigen Jubiläum der Aachener Krönung Ottos I. konnten deshalb die Nationalsozialisten. nichts anfangen.
Ein Rückblick nach tausend Jahren
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aus dem Sachsenhause, zu Aachen im Münster Karls des Großen Salbung und Krönung. Warum dieser Feier gedenken, die sich so und so oft in unserer Geschichte wiederholt hat? Eben deshalb, weil sie die erste war und unter ganz besonderen Umständen zustande kam: was später ehrwürdige Gewohnheit war, ist bei Otto noch Ergebnis eigener Entscheidung. Schon, daß der König überhaupt eine kirchliche Weihe des ererbten Amtes hinnahm, war in seiner Zeit etwas Auffälliges. Die Salbung kannten die Franken erst seit Pippin; in der zweiten Hälfte des 9· Jahrhunderts hatten dann die Westfranken die Norm für den Vollzug der heiligen Handlung festgelegt, die nun bereits die Übergabe der Insignien und das Aufsetzen der Krone durch Priesterhand einschloß. Die ostfränkischen Karolinger waren diesem Beispiel erst ganz gegen Ende des Jahrhunderts gefolgt; an ihren Brauch hielt sich wieder Konrad I. Der König aus dem fränkischen Herzogshause scheiterte, und die Krone fiel an Heinrich, den Herzog der Sachsen, als den mächtigsten. Auch ihm wurde die Salbung angeboten - aber er lehnte ab; er hatte am Beispiel seines Vorgängers gelernt, der sich auf die zentralistisch eingestellte Kirche gestützt hatte und dadurch auf die Feindschaft der Fürsten gestoßen war. An sie, die Konrad als seine Beamten zu behandeln versucht hatte, hielt sich Heinrich, und ihm war es genug, daß ihre Pflicht gegenüber dem regnum Teutonicorum- dieser Name taucht 919 zuerst auf- als Lehnsband verstanden wurde. Fast zwei Jahrzehnte herrschte Heinrich, und in dieser Zeit gewöhnten sich die Herzöge wieder daran, daß ein König über sie gestellt war. Unmerklich wurde aus dem losen Lehnsbund wieder ein »Staat«. Zwei glückliche Ereignisse kamen hinzu, die ihn festigten: Heinrich I. warf die Ungarn zurück und gewann das Herzogtum Lothringen hinzu, das bei den karolingischen Teilungen an die WestEranken gekommen war, sich nun aber für das östliche Reich entschied. Wenn nun Otto seine Weihe nach Aachen verlegte, so wählte er für sie den eben erst seinem Vater zugefallenen Boden Lothringens. Man hat deshalb mit Recht seine Krönung die symbolische Vermählung Lothringens mit dem Reich genannt. Otto kam nicht allein: mit ihm fanden sich alle damaligen Herzöge ein, also der Bayer, der Schwabe, der Franke und der Lothringer - Sachsen besaß Heinrich ja selbst. Es ist das erste Mal, von dem wir wissen, daß alle deutschen Fürsten sich in gemeinsamer Sache um ihren König scharten: man darf deshalb das Krönungsfest als den ersten glücklichen Tag unserer Geschichte, der alle Stämme zugleich anging, bezeichnen. Konrad I. und Heinrich I. waren in freier Wahl erkoren worden. Für Otto sprach das germanische Blutsrecht und die Designation, die der Vater noch kurz vor seinem Tode vollzogen hatte; niemand war da, der seinen Anspruch auf die Krone anfechten konnte. Und doch traten vor der Weihe die Fürsten und Edlen vor der Aachener Pfalz zusammen und »wählten« Otto zum König. Von einer Scheinwahl mag spre-
A I: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
chen, wer nur auf das praktische Ergebnis blickt; für das damalige Rechtsbewußtsein war jedoch notwendig, daß ein neuer Rechtszustand auch in gehöriger Form in Kraft gesetzt wurde: das ist der Sinn dieser »Wahl«. Nun mußte der »Gewählte« noch in die Herrschaft eingeführt werden; das geschah, indem die Fürsten ihn auf einen Thron setzten-genauso wurde im Norden, der den alten Brauch treuer bewahrte, noch später der Erbe in der Halle des Toten auf den Hochsitz geführt. Damit war Otto König und hatte Anspruch auf die Dienste seiner »Wähler«. Sie bekannten sich zu ihnen, indem sie ihm Treueid und Mannschaft gelobten: das sind an sich Formen des Lehnrechts, die jetzt- nachdem die Struktur des karolingischen Staats versagt hatte- auch für das Regnum benutzt werden. Erst nach diesem weltlichen Akt zog Otto mit seinen Großen in das nahe gelegene Münster, wo ihn der deutsche Klerus inmitten des herbeigeströmten Volkes erwartete. Auf das sorgfältigste hatte er die Feier vorbereitet; man richtete sich bei diesem Fest nach den Normen, die von den Westfranken festgelegt worden waren. Otto ist daher der erste deutsche Herrscher gewesen, der nicht nur die Salbung, sondern auch die Herrschaftszeichen und die Krone unter feierlichen Gebeten und Weiheformeln aus der Hand der Geistlichkeit empfing. Nur in einem Punkte waren sich die Geistlichen erst im letzten Augenblick darüber eins geworden, wie sie ihre Obliegenheiten vollziehen wollten. Die alte Rivalität zwischen den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier drohte einen Mißklang in das Fest zu bringen; schließlich wurde dem Mainzer als dem Primas der deutschen Kirche die erste Rolle eingeräumt - aber nur für dieses Mal: es folgte ein Jahrhundert, in dem Mainz und Köln sich immer wieder die Ehre der Krönung streitig gemacht haben. Schließlich hat der Erzbischof von Köln als Metropolit von Aachen gesiegt. Auch dieser Teil der Erhebung Ottos war durch eine »Wahl« und eine Thronsetzung eingerahmt. Zu Beginn fragte der Mainzer die Versammelten, ob sie Otto als ihren Herrn annehmen wollten; mit erhobener Hand stimmten sie zu und brachten Otto den Heilruf dar, mit dem seit alters der neue Herrscher anerkannt wurde. Noch eine Scheinwahl? Nein! So wie im Gericht der Spruch durch das V ollwort, d. h. den zustimmenden Ruf des »Umstandes« festgemacht wurde, machte hier das Volk den Spruch der Fürsten fest. Die doppelte Thronsetzung hatte einen anderen Grund. Der Thron, zu dem die Erzbischöfe den König geleiteten, war der Steinsitz Karls des Großen, der noch heute an seinem alten Platze auf der Empore des Münsters steht; den König auf ihn zu setzen, konnte die Geistlichkeit daher mit Fug und Recht beanspruchen. Wenn die Herzöge denselben Akt schon vorher für sich vollzogen, dann erkennt man daran, daß der Krönung nicht nur der Streit zwischen den Erzbischöfen, sondern auch noch eine Auseinandersetzung zwischen den weltlichen und den geistlichen Großen vorausgegangen sein muß. Das Ergebnis war eine klare Zweiteilung: dort die Szene
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vor der Pfalz ohne Beteiligung des Klerus, nun die Weihe im Münster ohne Mitwirkung der Großen, beide aber endend in der symbolischen Handlung, die den König in den Besitz der Herrschaft setzte. Wer hatte diese Einigung angebahnt? Otto kann an ihr zum mindesten nicht unbeteiligt gewesen sein, und sein späteres Wirken ist dadurch ausgezeichnet gewesen, daß er die Königsmacht stärkte, indem er sich auf die weltlichen und geistlichen Großen zugleich stützte. Der Gegensatz zwischen Vater und Sohn beruht also nicht darin, daß dieser der Kirche weiter entgegen kam, sondern darin, daß Otto gleich auf der von seinem Vater gelegten Grundlage weiterbauen konnte: er ging daran, die Macht der Stammesherzöge wieder einzudämmen. Dafür bot sich ihm die Geistlichkeit an, indem sie zugleich das Mittel bereithielt, das Otto weit über die weltlichen Fürsten hinaushob, nämlich die Salbung. Wer den Geist dieser Zeit kennt, weiß, welch einzigartiges Ansehen durch sie dem Herrscher gespendet wurde. Nach dem alten Brauch folgte auf die Einnahme des Hochsitzes ein kultisches Mahl. So geschah es auch in Aachen, nur daß an die Stelle des germanischen Priesters die christliche Geistlichkeit getreten war. Daß auch die Festtafel in der Pfalz noch zu den Akten gehörte, die die Herrschaft festmachten, zeigten die Dienste, die Otto bei ihr von den Herzögen geleistet wurden. Sie amteten »symbolisch« als Truchseß, Marschall, Kämmerer und Schenk, wie es die Aufgabe der karolingischen Hofbeamten gewesen war: darin kam zum Ausdruck, daß sie doch nicht nur Lehnsmänner des Königs, sondern auch »Reichsbeamte« waren. Mit diesem bedeutungsvollen Mahl fand der Tag seinen Abschluß. Germanisches und Christliches, Karolingisches und Westfränkisches hatten zusammengewirkt, um ihn festlich zu gestalten und um sichtbar zu machen, daß ein neuer Herrscher die Zügel des Regnum ergriffen hatte. Daß diese verschiedenen Traditionen zu einer sinnvollen Einheit zusammengezwungen werden konnten, war nur möglich, weil die Hände kluger Politiker sie zu lenken wußten. Aber nicht nur das, aus den Auseinandersetzungen eben dieser Traditionen erwuchs nun die »ottonische« Kultur, die erste, die nicht mehr gemein-abendländische Züge trägt und deshalb als die erste deutsche Phase bezeichnet werden darf. Rückschauend wird man vor allem einen Akt aus der Reihe der bedeutungsvollen Handlungen ins Auge fassen: das Thronen auf dem Karlssitz. Daß der zweite Sachsenkönig gerade nach Aachen ging, war ein Bekenntnis zur Tradition Karls des Großen. So ist das Fest seiner Erhöhung im tiefen Sinne der endgültige Friedensschluß zwischen Siegern und Besiegten von einst geworden. Zugleich aber war es was Otto damals noch nicht ahnen konnte- die Geburtsstunde des neuen Imperiums: wer sich auf Karls Steinthron setzte, belud sich dadurch mit den Fragen, die der Franke einst von ihm aus entschieden hatte. Die Gegensätze, die bei Ottos Krönung durch klug ausgewogene »Staatssymbolik« aufgehoben worden waren, sind Deutschland zum Schicksal geworden: Erbrecht
A r: Ottos I. Königskrönung in Aachen (936)
und Wahl, Lehnsdienst und Beamtenpflicht, Herzogtum und Regnum, weltliche und geistliche Fürsten, Krone und Kirche - durch die Jahrhunderte zieht sich der Kampf um diese auseinanderstrebenden Möglichkeiten hin. Er endete zuungunsten des Königs.
2.
Der Ablauf der deutschen Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)* a) Der »Mainzer Ordo«: Stand der Forschung Die wissenschaftliche Grundlage für die Würdigung des ältesten deutschen Ordo legte 18 7 3 Georg W AITZ in einer Göttinger Akademie-Abhandlung, der eine auf mehrere Handschriften gestützte Edition beigefügt war1 • Seither ist der Ordo viel zitiert, kommentiert und umdatiert worden. Weiter gekommen sind wir erst durch eine Reihe von Aufsätzen, die Eduard EICHMANN (t I946) den mittelalterlichen Ordines gewidmet hat. Unter ihnen ist jener besonders hervorzuheben, der den deutschen Königsordines gewidmet war 2 • EICHMANN stellte zahlreiche Handschriften zusammen, wies Parallelen nach und rührte neue Probleme auf. Auf diese Grundlage gestützt, befaßte ich mich mit dem Ordo im Jahre 193 5. Meinem Aufsatz3 fügte ich einen- auf Textvarianten verzichtenden- Abdruck zweier Fassungen des Ordo bei, in dem durch Kleindruck kenntlich gemacht wurde, wo der Text von den - in meinem Text nachgewiesenen - Vorlagen abhängig ist4. Mir kam dabei zugute, daß C. ERDMANN den »Westfränkischen Ordo« entdeckt hatte, der es möglich machte, die zu den spätkarolingischen Ordines bestehende Brücke zu rekonstruieren5 • Aus dem Nachlaß C. ERDMANNS, der 1945 in einem Lazarett vom Tode ereilt wurde, veröffentlichte Fr. BAETHGEN im Jahre 1951 einen Aufsatz, aus dem sich ergab, daß mein Brückenschlag zu gradlinig gewesen war. Als weitere Zwischenglieder sind noch der »Frühdeutsche Ordo« sowie der »Ürdo der Sieben Formeln« einzuschalten7 •
*
Zuerst als Teil des Aufsatzes: Die Krönung in Deutschland bis ... roz8 (andere Teile s. Bd. II S. 287ff. und unten S. 1o8ff.) in der Zeitschrift für Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, 1935 S. 233-75 (am Anfang ergänzt). 1 Die Formeln der Deutschen Königs- und der Römischen Kaiserkrönung, in den Abhandl. der Kgl. Gesellsch. der Wiss. zu Göttingen 18, 1873 s. 1-92· 2 Die sog. Römische Königskrönungsformel, ~ im Histor. Jahrb. 45, 1925 S. 516-55. 3 In :dem eingangs angeführten Aufsatz S. 217
bis 33· 4 Ebd. S. 309-24, 324-32. 5 Über diesen s. Bd. II S. 159ff. (der Text: S. 216-21). 6 Königs- und Kaiserkrönung im Ottonischen Pontifikale, in: C. ERDMANN t, Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters, hrsg. von Fr.BAETHGEN, Berlin 1951 S. 52-91. 7 Zu verweisen ist auf das Parallelschema bei C. A. BouMAN, Sacring and Crowning, Groningen 1957 (Bijdragen van het Instituut voor middeleeuwse Gesch. der Rijks-Univ.
6o
A 2: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)
Von einer anderen Seite aus näherte sich dem Krönungsordo inzwischen Monsignore Michel ANDRIEU (t 1956): er befaßte sich mit dem- im I<Joster St. Alban bei Mainz redigierten, daher »Mainzer« genannten »Pontificale Romano-Germanicum«, in dem der Ordo überliefert ist, und klärte- was auch dem Text des Ordo zugute kam - die Überlieferung desselben sowie das Datum der Entstehung: seine Beobachtungen mit meinen kombinierend, kam er auf die Zeit »um 96o« 8 • Durch den Tod des von mir hochverehrten Gelehrten 9 hat die Erforschung des Pontificale keinen Abbruch erlitten: Cyrille VoGEL, der seinem Lehrer auf dem Straßburger Lehrstuhl folgte, hat zusammen mit Reinhard ELZE den Druck des Pontificale durchgeführt1 0. Wir besitzen also endlich eine kritische Edition des Königsordo, die auf den besten Handschriften beruht und es möglich macht, die Mainzer Stammfassung von den im Laufe der Zeit erweiterten zu scheiden. Mein Abdruck des Textes hat daher heute nur insofern noch Wert, als er das Verhältnis zu den benutzten Vorlagen deutlich macht. Zu hoffen ist, daß R. ELZE seiner Edition der Kaiserordines trotz der Belastung durch seine Lehrtätigkeit die von ihm vorbereitete Edition der deutschen Königsordines folgen läßt. In dieser wird dann die durch C. ERDMANN herbeigeführte Korrektur meiner Ableitung berücksichtigt und auch das Verhältnis zu den sonst benutzten Vorlagen in überprüfter Form kenntlich gemacht sein. An meinem Text ist noch eine weitere Korrektur anzubringen. Ich hatte angenommen, daß der Mainzer Ordo bereits Widukinds Bericht über die Krönung Ottos I. in Aachen (936) zu Rate gezogen hat. Da neuerdings die Auffassung in Frage gestellt worden ist, daß dessen Stammfassung bereits 9 58 niedergeschrieben wurde, ist der Ordo nicht- wie ich annahm- von Widukinds Bericht abhängig11 • te Utrecht 30) S. 176-87, aus dem die Unterschiede von fünf Rezensionen zu ersehen sind. Doch weist mich R. ELZE als der beste Sachkenner darauf hin, daß es noch mehr Fassungen des »Deutschen Ordo« gegeben hat, als Bauman bekannt waren. Der Leser halte sich jetzt an den Wortlaut, den C. VoGELR. ELZE abdruckten in dem von ihnen edierten Pontificale romano-germanicum I, Citta del Vaticano I963 (Studi e Testi 226) S. 246ff.: Nr. LXXII-LXXIV (vgl. ebd. App. I-II zu Ordo LXXII S. 259-6I: der »frühdeutsche Ordo« und der »Ürdo der sieben Formeln«); ferner ebd. S. 267-9 die »Benedictio reginae« - da sie auch zum Kaiserordo gehört, auch in: Ordines coronationis imperatoris, ed. R. ELZE, Hannover I 960 (Fantes iuris germ. antiqui) s. 6-9·
Nach dieser Edition wiederhole ich denMainzer Ordo nebst der »Benedictio reginae« und seine beiden Vorlagen im Anhang I (jedoch ohne den kritischen Apparat). 8 In der abschließenden Überprüfung kam C. VoGEL zu dem Ergebnis: »entre 950 et 96I/63 dans le scriptorium liturgique de Saint-Alban«; vgl.: Precisions sur Ia date et l'ordonnance primitive du pontifical Romano-Germanique, in: Ephemeridesliturgicae74, I96o S. I45-68. 9 Ich steuerte zu der ihm zugedachten Festschrift, die durch seinen Tod zu einer Gedächtnisschrift wurde, einen Aufsatz bei: »Sphaira-Globus-Reichsapfel«, der in Bd. VI dieser Sammlung wieder abgedruckt werden wird. IO S. oben Anm. 7· I I V gl. oben S. 40.
Stand der Forschung
Schließlich noch ein Wort zu den Fassungen I und II, die dort, wo sie voneinander abweichen, nebeneinander abgedruckt sind. Bei meinem Abdruck des Ordo hatte ich im Hinblick auf die Fassung II von einer »Überarbeitung« gesprochen, die ich »um 980« ansetzte, wobei ich anmerkte, daß es sich um die Zeit zwischen 960 und rooo handele. Die Prüfung der Handschriften hat ergeben, daß es sich nicht um eine Überarbeitung handelte, sondern um schrittweise Erweiterungen des Stammtextes, die von sachkundigen Händen vorgenommen wurden: daher haben VoGEL-ELZE in einzelnen Abschnitten noch die Fassungen Ila und Ilb zu unterscheiden gehabt. Ich halte mich im folgenden ganz an ihre Edition, die eine klare Vorstellung von der Bereicherung des Stammtextes vermittelt. In dem unerwartet erfolgreichen, um 960 im Zusammenhang mit der Zusammenstellung des Mainzer »Pontificale Romano-Germanicum« redigierten Königsordo sind folgende fünf Komponenten zu einer Einheit verschmolzen worden: r. Altere und jüngere, unmittelbar oder indirekt benutzte Sakramentare, 2. derwohl im westfränkischen Bereich beheimatete»Ordo der Sieben Formeln« (der Text unten S. 9off.), der sich nicht genauer datieren läßt (mit der gebotenen Vorsicht brlngen wir ihn auf S. 9of. mit der westfränkischen Krönung des Jahres 937 zusammen). 3· Die gleichfalls westfränkische Benedictio reginae, bei der wir uns mit der Datierung »um 9oo« begnügen müssen (der Text unterS. rozff.), 4· der »Frühdeutsche Ordo«, der sich die im Westfrankenreich durchgeführte Verkirchlichung der Investitur mit den Herrschaftszeichen zu eigen machte, aber nicht die dort benutzten Formeln (der Text unten S. 87ff.), 5· mittelbar (über Nr. 4) schließlich noch der »Kaiserordo A«, der- u. a. bei der Verteilung der Gebete und Handlungen auf verschiedene Bischöfe, bei den für die Salbung vorgeschriebenen Körperstellen - als Muster diente (der Text unten S. r8rff.). Außerlieh stellt der »Mainzer Ordo« also eine Kompilation dar; seinem Gehalt nach bildet er jedoch eine Einheit. Nie wurde er wie ein Gesetz oder ein Schiedsspruch »offiziell« anerkannt; aber auch als »Literatur« blieb der »Mainzer Ordo«wir übernehmen hier Carl ERDMANNS treffende Formulierungen12 - eine der gewaltigsten und autoritärsten Außerungen, die das staatlich-kirchliche Leben dieser Zeit kannte: »Nicht direkt auf die politischen Handlungen konnte er einwirken, wohl aber auf die Denkweise aller derer, die vom Einfluß theoretischen Schrifttums überhaupt erreicht wurden ... Keine unmittelbare Verfügung über die staatliche Wirklichkeit stellt der Ordo dar, aber eine literarische Autorität; er war nur ein >Buch<, aber eines von besonderem Gewicht.« Diese Auffassung wird bestätigt durch die
12
A. a. 0. S. 63.
A z: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)
Tatsache, daß einzelne Anordnungen des »Mainzer Ordo« in den Kampfschriften des Investiturstreits als Belege für die Richtigkeit der vertretenen Anschauungen zitiert wurden1 s. Da die Berichte über die Krönungen nach Otto I. bis in das hohe Mittelalter wortkarg blieben, läßt sich nicht feststellen, bei diesem Anlaß sei der »Mainzer Ordo« benutzt worden, bei jenem jedoch nicht. Wir müssen- genau wie bei dem Kaiserordo - damit rechnen, daß er entsprechend den jeweiligen Gegebenheiten gelegentlich abgeändert wurde und ihn ein »Gewohnheitsre cht« begleitete, das von Fall zu Fall gewichtiger wurde. Aber das mindert die Bedeutung dieses Textes nicht. Welche Folgerungen habe ich aus diesen Feststellungen zu ziehen, die meine 193~ veröffentlichten Feststellungen an wesentlichen Stellen korrigieren? Ich trage ihnen im folgenden Rechnung, indem ich meinen Stammtext entsprechend abändere. Ich lenke das Augenmerk des Lesers von neuem auf den »Mainzer Ordo«; denn er war es - und nicht seine Vorformen, deren Bedeutung erst der Spürsinn C. ERDMANNS evident gemacht hat-, der »Geschichte machte«. Als ein Kapitel unter anderen in dem so oft abgeschriebenen und so weitverbreiteten »Pontificale Romano-Germanicum«, kompiliert in Mainz um 96o, ist der Wortlaut des »Mainzer Ordo« in ganz Europa bekannt geworden und hat daher die Tradition der meisten Länder des katholischen Bereiches bestimmt. Wir verweisen den Leser auf den Anhang r, in dem der Text des »Mainzer Ordo« und seiner beiden Vorlagen folgt, und nehmen jetzt unter die kritische Lupe, was er über die einzelnen Akte der Salbung und Krönung festgelegt hat.
b) Der Ab!attj der Kö'nigsweihe Die Vorlagen des »Mainzer Ordo« und er selbst sollten überall verwendbar sein. Deshalb ist keine Rücksicht auf die sich in Aachen bietenden Gelegenheiten (Pfalz, Portikus, Vorhof, Münster, Königslaube) genommen; aber auch keine andere Örtlichkeit hat als »Modell« gedient. Aus dem gleichen Grunde sind wohl auch nur die kirchlichen Handlungen berücksichtigt; von »Wahlen«, von Huldigungen und ~hnlichen Akten, wie sie im Jahre 936 der Salbung und Krönung vorausgegangen waren, ist mit keinem Wort die Rede. (S. 2}}·') r. Einholung des Königs. Der Herrscher, den der Ordo nicht rex, sondern nur princeps nennt14, wird aus seinem Gemache abgeholt, seinem tha!amus ein Ausdruck, der den späteren Redaktoren von Krönungsordnu ngen Anlaß zum 13 Dievonmir gesammelten Belegeübergabich R. ELZE zur Auswertung.
14 Vgl. § 6, sonst umgangen; doch rex in den entlehnten Teilen.
Einholung - Litanei - Befragung
Ausbau dieser Szene gab, so z. B. in Frankreich, wo der König sich schlafend stellt und erst geweckt wird. Zwei Bischöfe15 nehmen ihn in die Mitte und stützen ihn (suscipiant illum), wie es mehrfach auf den Herrscherbildern des II. Jahrhunderts dargestellt ist16 und mindestens seit dieser Zeit auch bei der Kaiserkrönung üblich war17 • Zusammen mit Klerikern, voran ein Evangelium, zwei Kreuze und Weihrauchfässer, führen sie ihn singend ( S. 2 3 J:) zur Kirche. Diese Einholung in der Form einer geistlichen Prozession, die sich grundlegend von der weltlichen des Jahres 936 unterscheidet, ist 973 auch schon in England belegt18, das damals bereits unter der Einwirkung des deutschen Ordo steht. Aus dem r 1. Jahrhundert liegen dann auch Aufzeichnungen vor, wie bei Besuchen des Herrschers eine solche Königsprozession im einzelnen zu gliedern sei19 • Die Gebete für sie sind aus einer Synodalmesse des »Sacramentarium Gregorianum« mit Verständnis ausgewählt. Daß eines von ihnen auf der Kirchenschwelle dargebracht wird, ist offensichtlich durch die Vorschrift im Kaiserordo angeregt, daß an dieser Stelle ein Gebet zu sprechen sei, da in dem Ordo der Königin der entsprechende Zusammenhang handgreiflich ist. 2. Litanei. Der König legt die Waffen- wie es der Ort- und auch den Mantel, wie es die bevorstehende Salbung verlangt, ab 20 • (Bei der Kaiserkrönung hat sich daraus später ein Spolium des päpstlichen Kämmerers entwickelt: er durfte den Mantel behalten 21 ). Der König wird zum Altar geleitet, vor dem der Boden wie bei der Bischofsweihe mit Teppichen bedeckt ist. Wie dort der Electus wirft er ( S. 2 3 6:) sich mit der Geistlichkeit zu Boden und verharrt in dieser Stellung bis zum Abschluß der Litanei, von der schon karolingische Formulare bekannt sind 22 (deren Königsbitten hat die Überarbeitung wörtlich in den Ordo eingefügt). Über das bei der Ordination des Bischofs übliche geht der Text nur dadurch hinaus, daß er vorschreibt, der König solle sich in Kreuzesform, also mit ausgebreiteten Armen niederwerfen 23 •
I 5 In der Überarbeitung ist zweimal episcopus in arcbiepiscopus verändert; über die Bedeutung dieses Eingriffs vgl. unten S. Io9f. 16 SCHRAMM, Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern S. I09 mit Abb. 83 usw. 17 So in dem »Salischen Kaiserordo« von etwa I05o (s. unten Abschnitt D 5): Tune papa sustentat imperatorem in dextra et arcbiepiscopus Medio!anensis in sinistra, benutzt von Benzo
von Alba: Paneg. I cap. 9ff. (Mon. Germ., Script. XI S. 6oz f.). I8 ScHRAMM, Krönung bei den Westfr. usw. S. 23rf., dazu S. I79 (jetzt: Bd. II S. 27rf., dazu I89f.). I 9 Ordo Farfensis Hugonis abbatis (Mon. Germ.,
Script. XI S. 547). 20 Nach dem Konzil von Seligenstadt (I023) § 8 durfte in der Kirche kein Schwert getragen werden, allerdings: rega!i tantum excepto (Mon. Germ., Const. I S. 637). 2 I ScHRAMM, Die Ordines der ma.lichen Kaiserkrönung, im Archiv für Urkundenforschung XI, I93o S. 303. 22 Nachweise stellte zusammen G. TELLENBACH, Römischer u. christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des frühen Mittelalters, in Sitz.Ber. der Heidelbg. Akad. der Wiss. Phil.Hist. Kl. I934-5 Nr. I S. z7ff. Anm. 3· 23 Vergleichbar ist, wenn sich II37 König Ludwig VI. von Frankreich in Erwartung seines
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3· Befragung des Königs. Nach der Litanei werden drei allgemein gehaltene Fragen an den König gerichtet, die er zu bejahen hat. Sie entsprechen den Promissiones mit konkretem Inhalt, die sowohl im Kaiserordo als auch in den westfränkischen Texten vorgesehen sind. Ihnen entspricht der »Mainzer Ordo« insofern, als Bischöfe die Frage stellen. Aber ( S. 241 :) im Kaiserordo heißt es: Promitto, spondeo atque polliceor, im Westfränkischen: Promitto et vobis perdono; im Mainzer Ordo steht dafür der der geistlichen Sphäre angehörende Ausdruck: Illo autem profttente 24 • Entsprechend dem Berichte Widukinds wurde also dem Herrscher kein Versprechen, geschweige denn ein Eid abgenötigt. Erst in der Fassung II, welche die Zusage wörtlich formuliert, ist das Wort: promitto eingesetzt. Ungefähr gleichzeitig ist auch das »Mandatum regis«, das im Zusammenhang mit der angelsächsischen Krönung verkündigt werden sollte, durch den Einschub desselben Wortes in ein Versprechen umgeändert worden 25 • So setzt sich auch in Deutschland und England der im Westfrankenreich ausgebildete Brauch durch, den Herrscher bei seiner Weihe zu binden26. Aber es bleibt noch ein Unterschied gegenüber Rom und dem Westen bestehen. Dort enthielten die »Versprechen« ganz konkrete Zusagen an die Kirche. Das angelsächsische »Mandatum« besteht dagegen nur aus drei allgemeinen Zusagen, die sich aus den Eigenschaften des rex iustus ergeben, und die deutsche professio ist noch weiter gefaßt: der König will die I<:irche, ihre Leiter und das ganze Volk, so wie es seine Vorfahren taten, gerecht und fromm verteidigen und regieren. Die Fassung II hat den hier für die Kirche verborgenen Anstoß erkannt und aus diesem Satz zwei Todes auf einen Teppich legen läßt, auf den mit Asche ein Kreuz gestreut ist, und auf ihm seinen Geist aushaucht; SuGER, Vie de Louis VI le Gros, ed. H. WAQUET, Paris I929 (Les classiques de l'hist. de France au m. a.) S. 285. Denn Beten in Kreuzesform begegnet auch sonst im I2. Jahrhundert, s. M. HAuTTMANN in Festschrift H. WöLFFLIN, München I924 S. 7I nach dem Rolandslied. Dies ist eine äußere Imitatio Christi, um die innere Wandlung zu bewirken. V gl. dazu Herbett FISCHER, Die offene Kreuzhaltung im Rechtsritual, in der Festschrift STEINWENTER = Grazer Rechts- u. Staatswissenschaft!. Studien III, Graz-Köln 1958 S. 9-57, bes. S. 52ff. DieS. 236-40 des Erstabdrucks sind herausgelöst, da ich hier irrtümlicherweise id es! duodecim apostolos etc. auf die Begleiter des Königs bezog und daher auf eine mystago-
gisehe Szene schloß. Gemeint ist nur, daß diese beim Psalmodieren der Litanei die I 2 Apostel usw. anriefen (Diese Seiten folgen als Anhang zu diesem Abschnitt). 24 Vgl. Bischofsweihe: M. HrTTORP, De divinis ... officiis, Paris I624 S. Iro (jetzt: VoGEL-ELZE a. a. 0. I S. 216): His ita profttentibus (d. h. die Geistlichen bestätigen die Eignung des Kandidaten); vg!. dazu ScHRAMM, Krönung a. a. 0. I28 (jetzt: Il S. I49f.). 25 Ebd. S. 235 § 2, dazu S. I48f. und I9If. wonach die »promissio« schriftlich aufgezeichnet ist und auf den Altar niedergelegt wird: wie im Westfrankenreich schon im 9· Jahrhundert. Davon ist in Deutschland nicht die Rede. 26 Über die Wandlung von promissio zu iuramentum vgl. Bd. I S. I79-84 (Besprechungen der einschlägigen Bücher von Marcel DAVID).
Befragung des Königs
Fragen gemacht. Danach soll der König tutor und defensor der Kirche sein - eine Abschwächung der Formelprotector (S. 242.') et defensor im Kaisereid, die das Wort regere von jeder Beziehung zur Kirche trennte-; andererseits soll er das ihm von Gott anvertraute Reich ( regnum) nach dem Herkommen verteidigen und regieren. Das geht zwar über den von Widukind geschilderten Zustand hinaus, bleibt aber doch wesentlich hinter den römischen und westfränkischen, ja selbst hinter den angelsächsischen Verpflichtungen zurück. Und so ist es geblieben bis in die erste Hälfte des I2. Jahrhunderts 27 • Später treten Handschriften des Mainzer Ordo auf, die im Anschluß an die Thronsetzung ein als professio gekennzeichnetes Versprechen des Königs mit den Worten: Proftteor et promitto aufgenommen haben 28 • Es enthält die allgemeine Zusage von lex, iusticia und pax für Kirche und Volk und die besondere, den Besitzstand der Kirche wahren und den Bischöfen sowie den Äbten, Grafen und V assen den ihnen zukommenden honor einräumen zu wollen. Alle charakteristischen Wendungen lassen sich in der karolingischen Eidsprache belegen; andererseits beweist der Ausdruck vassi dominici, daß die Formel gar nicht jünger sein kann. Man hat also ein altes Königsversprechen, das mit der an ihrem alten Platz belassenen Mainzer »Professio« vereinbar war, aber doch wesentlich über sie hinausging, wieder ausgegraben und für sie einen Platz nach der Einweisung in die Herrschaft gefunden. Friedrich I. hat sich diesem Brauch schon gefügt, aber sicherlich nicht als erster: dem widerspricht sein Verhalten beim Steigbügeldienst der Kaiserkrönung 29 • Man muß also mindestens auf die Zeit Konrads III. zurückgehen, aber eher wohl noch auf die Krönung Lothars III.; denn in den Verhandlungen (S. 243.') über seine Wahl spielte die Sicherung des honoris modus 30 der Kirche eine Rolle, und dieser Kaiser war es ja auch, der durch den I I 3 I geleisteten Marschalldienst Barbarossa festgelegt hatte31. Diese »Professio« wurde coram Deo et clero et populo unter Anrufen Gottes und seiner Engel abgelegt, hatte also den Charakter eines Schwures. So faßte sie auch der »Sachsenspiegel« auf, der erklärt, der deutsche König leiste - abgesehen von dem Falle, daß er sich von dem V erdacht der Ketzerei reinigen müsse - nur diesen einen Eid und sonst keinen andern32 • 27 Stellen, in denen Heinrich IV. Bruch des bei seiner Krönung eingegangenen »pactum« vorgeworfen wird, bei \YI AITZ a. a. 0. S. 30 Anm. 2. 28 E. EICHMANN, Die »formula professionis« Friedrichs I., im Histor. Jahrbuch 52, I932 S. I 37ff. (nicht in der schematischen Übersicht bei BomrAN - s. Anm. 7 -zitiert). 29 Zuletzt R. HoLTZMANN, Zum Strator- und Marschalldienst, in Histor. Zeitschrift I45, I93I S. 335 (dort seine und E. EICH~fANNS 5 Schramm, Aufsätze Ill
voraufgehende Arbeiten). 30 Narratio de electione Lotharii cap. 6 (Mon. Germ., Script. XII S. 5II), wo sich dieser Ausdruck auf ecc!esia und regnum mit ihren Anrechten bei der geistlichen Wahl bezieht. Diese konnten natürlich nicht in einem Krönungseid festgelegt sein. 31 HoLTZM&'
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Daß der Mainzer Redaktortro tz des römischen und des westfränkisch en Vorbildes es nicht wagte, den Herrscher durch eine richtige »Promissio« mit konkretem Inhalt zu binden, offenbart, welche überragende Stellung sich Otto der Große erworben und auch gegenüber der I<:irche behauptet hatte. Sie konnte es nicht wie die des Westfrankenreiches wagen, ihrem Könige als Voraussetzun g der Salbung ein V ersprechen abzuverlange n, durch das er canonicum privilegium et debitam legem atque iustitiam . .. et dejensionem einem jeden Bischof und seiner Kirche33, später auch noch dem Volke dispensationem legum in suo iure consistentem34 zusicherte. Die Berührung dieses Abschnittes mit der Bischofsweihe, die wir feststellten, hat die Fassung II noch verstärkt. Hier sind die Fragen und Antworten wörtlich festgelegt. ( S. 244:) Die Form mit: Vis etc? und Volo! entspricht dem »Scrutinium«, der Prüfung über die moralische Eignung, der sich seit alters der neue Bischof vor der Weihe unterziehen mußte35 • Aus »Petitio« und »Responsio« ist also eine Art »Königsscrutiniu m« geworden, das mit einer ganz allgemein gehaltenen »Promissio« abschließt - eine Lösung, die nicht nur die deutsche Entwicklung bestimmt hat, sondern auch in den Krönungsbra uch einer ganzen Anzahl anderer Länder übernommen worden ist36 , Neu ist in der II. Fassung die Frage: » Vis sanctam ftdem a catholicis viris tibi traditam tenere et operibus iustis observare?« Sie vertritt das Glaubensbek enntnis, das der Bischof im gleichen Zusammenha ng ablegt37 • Dadurch wird auch die Tendenz offenbar, aus der sie hervorgeht: nicht im Sinne des hohen Mittelalters ein Versuch, die Grundit ne si dat in de paves sculdige, dat he an deme rechten geloven twivele; ed. K. A. EcKHARDT,
Göttingen 195 5 S. 239f. (Mon. Germ., Fontes iur. Germ., N. S. I, 1). - Über Stellvertretung für den Kaiser in Vertragseiden usw. s. H. MITTEIS, Lehnrecht und Staatsgewalt, Weimar 1933 (Neudruck: Darmstadt 1958) s. 42. 33 ScHRAMM, Krönung a. a. 0. (Bd. II S. 211 usw.). 34 Belegt 1059, möglicherweise schon älter; ebd. S. 163. Dieser Zusatz ist dann wieder weggefallen, vgl. P. E. S., Ordines-Studie n II, im Archiv f. Urkundenforsc h. XIV, 1938 S. 19f. über das >>Memoriale« zur Krönung Philipps I. (1059). 35 Dazu s. E. E1CHMANN, Königs- u. Bischofsweihe, in den Sitz.-Berichten der Bayer. Akad. d. Wiss., Phil.-phil. u. hist. Kl. 1928 Nr. 6 passim, bes. S. 54; Th. KLAUSER in Jahrbuch für Liturgiewiss. XII, 1934 S. 378f.
36 Über den im 12. Jahrhundert unternommenen, aber nicht durchgedrunge nen V ersuch, das Bischofsscrutin ium auf den Kaiser zu übertragen, und seinen politischen Hintergrund vgl. ScHRAMM, Die Ordines der mittelalterl. Kaiserkrönung , im Archiv für Urkundenforsch. XI, 1930 S. 326f. (betr. Kaiserordo Cencius II vgl.: Ordines coronationis imp., ed. R. ELZE, 1960 S. 38f.; Mon. Germ., Fontes iur. Germ. IX). 37 In dem französischen Krönungsproto koll von 1059 (dazu Anm. 34) heißt es: archiepiscopus ( Remensis J vertit se ad eum ( regem Philippum I.) et exposuit ei fidem catho!icam, seiseitans ab eo, utrum hanc crederet et defendere vellet. (Es
folgt das Königsversprec hen = professio). Hier könnte schon das Mainzer Pontifikale bestimmend gewesen sein. - Auch der byzantinische Kaiser legte zeitweise bei seiner Krönung ein Glaubensbeken ntnis ab.
Befragung des Volkes
lagefür eine geistliche »Approbatio« des Königs zu schaffen, sondern nur die schon mehrfach aufgedeckte Absicht, eine - soweit angängig - genaue Entsprechung zwischen Königs- und Bischofsweihe herzustellen. 4· Befragung des Volkes. Hier war eine Abänderung nötig, da sich die Lage seit 936 geändert hatte. Die »Wahl« Ottos II. im Jahre 961 fand deshalb in anderen Formen statt. Wie wirkt sich dieser Wandel im Ordo aus? Otto der Große wurde noch »gewählt«: wenn auch der (S. 245·) Ausgang von vornherein feststand, die Wahl also nur eine »Formsache« war, so begründeten doch diese Formen Ottos Legitimität und seine Rechte gegenüber Fürsten, Volk und Klerus, weshalb ihre »Wahlanteile« genau abgewogen waren. Zehn Jahre später konnte Otto dann daran denken, seinen Sohn Liudolf zum König zu designieren, also das zu tun, was sein Vater erst kurz vor dem Tode getan hatte. Die Fürsten hatten zugestimmt und brachten dem designierten Thronfolger die Huldigung dar38 • Nach weiteren anderthalb Jahrzehnten voll schwerer, aber zuletzt erfolgreicher Kämpfe konnte Otto noch einen Schritt weiter gehen und den nach Liudolfs Tod ältesten Erben zum Mitkönig erheben39 • Er griff damit auf das karolingische Prinzip zurück, das in Italien bewahrt geblieben war4°. Es bewirkte mehr als die Designation, da es den Erben schon zum »König« machte, und tat das im Falle Ottos II. ganz besonders, da er nicht nur gewählt, sondern auch geweiht und gekrönt wurde. »Wahl« konnte bei einer solchen Lage, die den König-Vater zur Hauptfigur, zum »Wahlleiter« machte, nur noch Bejahung seiner Frage bedeuten, ob die Großen und das Volk mit der Erhebung - die zugleich die Nachfolge festlegte - einverstanden seien. Diese unterschied sich höchstens in ihrer Bedeutung von anderen Fragen über Krieg, Frieden u. a. m., die der König auf Hoftagen beraten ließ. Für die »Wahl« Ottos II. gab den Rahmen ein Hoftag in ( S. 246:) Worms ab, der sonst noch der Vorbereitung des Romzuges gedient haben wird41 • Es ist deshalb sehr zweifelhaft, ob für diese Zwecke mit Bedacht eine Stadt auf fränkischer Erde ausge38 E. DüMMLER, Otto d. Gr., Leipzig I876 S. I49 Anm. 7; dazu G. WAITZ, Deutsche Verfassungsgesch. VI', Berlin I896 S. I73; W. MAURENBRECHER, Gesch. der deutschen Königswahlen, Lpz. I889 S. 59 f., der Anm. 2 die Frage aufwirft, ob Liudolf seither den Königstitel führte. Ich finde keinen Anhalt dafür. Vgl. auch J. KRÜGER, Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen deutscher Könige ... 9I I-Ioj6, Breslau I9I I (Untersuch. z. Staats- u. Rechtsgesch. I I o) S. 55 ff. 39 Daß dieses Vorgehen ungewöhnlich war, spiegelt sich in den Zeugnissen, in denen un-
s•
terstrichen ist, daß Otto I. noch lebte; zitiert bei KRüGER a. a. 0. S. 62 Anm. 9· 40 Vgl. oben S. 37 (S. I98). 4I CONTIN. REGIN. ( = Adalbert von Magdeburg) ad a. 96I: Rex in Ita!iam ire disponens maximam suorum ftde!ium mu!titudinem Wormatie coadunavit, ttbi consenstt et unanimitate regni procerum totiusque popu!i ft!ius eius Otto rex e!igitur. Indeque progrediens convenientia quoque et e!ectione omnium Lothariensium Aquis rex ordinatur (Reginonis abb. Prumiensis Chron. ed. F. KuRZE, Script. rer. Germ. in us. schol. I89o S. I7I). - RuoTGERI VITA BRUNONIS cap. 4I: Cesar ipse futurus [sc. Otto I.] e!ectum
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sucht wurde, oder ob nicht einfach praktische Gründe für Worms entschieden. Wie dem auch sei, die Wahl geschah consensu et unanimitate regni procerum totiusque populi. Das wird man sich in Wirklichkeit wohl so vorzustellen haben, daß Otto die Besucher des Hoftages befragte, daß diese seine Frage bejahten, wohl auch gleich huldigten42 ( S. 247:) und der Königssohn dann dem Volkeals »Gewählter« gezeigt wurde, worauf ihm dieses Heilrufe darbrachte43 • Damit war nun die kunstvolle Balance der zwar räumlich geschiedenen, aber innerlich sich ergänzenden Akte aufgehoben, aus denen sich die Erhebung Ottos I. zusammengesetzt hatte. Die sich im Jahre 9 36 zusammenschließende Handlung war jetzt in zwei räumlich und zeitlich weit getrennte Akte aufgespalten: Wahl in Worms, Weihe in Aachen. Von dem Mahl in der Pfalz verlautet diesmal nichts, doch ist ein solcher Abschluß der Feier wahrscheinlich. Eine »Wahl« und Thronsetzung im Vorhof des Aachener Münster wäre 961 sinnlos gewesen; denn die ';:vahl der Fürsten [sc. ji!ium] summo consensu ab omni popu!o regem esse constituit; ttnxeruntque Ottonem, equivocu;n patris, Bruno archiepiscopus, Wi!he!mus et Heinricus ceterique sacerdotes Domini regem in Aquisgrani pa!atio, et exu!tavit maxima gratu!atione populus dicens: »Vivat rex in aeternumf« (Mon.
Germ., Script. N. S. X, 1958 S. 43). -Die übrigen Zeugnisse s. DüMMLER a. a. 0. S. 322f. Anm. 3; K. UHLIRZ, Jahrbücher ... unter Otto II. u. Otto III., I, Leipzig 1902 S. 4f. Anm. 4; BöHMER, Reg. Imp. II, 91973, neubearb. von ÜTTENTHAL I Nr. 299a. 42 Nach Widukind III cap. 76 empfing Otto II. am Morgen nach dem Tod des Vaters (t Memleben 7· Mai 973) jide!itas und homagium. Widukind knüpft bei dieser Angabe offensichtlich bewußt an den von ihm für 936 benutzten Wortlaut an und unterstreicht, daß dies trotz Königs- und Kaiserkrönung geschah. Es fragt sich, ob dieser Akt als Wiederholung der Huldigung von 961 Qetzt verengert für Otto als Alleinherrscher) oder speziell als Huldigung der curia regis zu verstehen ist, aus der im wesentlichen die in Memleben Anwesenden bestanden haben werden und die nun in Otto II. ein neues Haupt bekam. Das Problem wäre im Zusammenhang aller Nachrichten zu behandeln, die über die Königshuldigung vorliegen. F. BECKER, Das Königsturn der Thronfolger,
Weimar 1915 S. 5 mit S. n6, 120 nimmt Huldigung bei der Krönung und Wiederholung beim Beginn der Alleinherrschaft an. Dies ist auch mir wahrscheinlich, scheint mir aber noch nicht völlig gesichert. H. SCHREUER, Die recht!. Grundgedanken der französ. Königskrönung, \Veimar r 9 Ir S. 163-73 bringt manche Belege, bietet aber ein schiefes Bild; denn er sieht von der Möglichkeit einer Entwicklung ab. Daß aber gerade vom 9· zum ro. Jahrhundert ein Wandel eintrat, wissen wir jetzt durch MITTElS, Lehnrecht und Staatsgewalt. - Über Huldigung bei der Designation s. oben S. 37f. (S. 198) betr. 935-6, S. 67 (S. 245) betr. 946; beim Regierungsantritttrotz voraufgehender Krönungs. unten S. r 30 Anm. 95 (S. 301 Anm. 2) betr. 1039; vor demselben ohne dieses. Bd. II S. 299 (S. r 92) betr. 897. 43 Außer der eben genannten Stelle s. auch RuoTGER a. a. 0.: summo consensu ab omni populo. Bei ihm tritt Ottos I. Funktion als »Wahlleiter« deutlich heraus; ebenso bei LIUDPRAND, Hist. Ottonis cap. 2: ft!ium suum . . . contra morem pueri!ibus in annis regem constifttens (Opera, ed. BECKER S. r6o). -Als
Schauplatz ist die Königspfalz anzunehmen, die im ro. Jahrhundert schon Bischofskurie geworden war; s. R. KRAFT, Das Reichsgut im Wormsgau, Darmstadt 1934 (Quellen u. Forsch. zur hessischen Gesch. XVI) S. 124f.
Befragung des Volkes
war ja schon geschehen, und der Gegensatz zur Geistlichkeit, der im Jahre 936 die Thronsetzung bedingt hatte, fiel nun - wie wir noch sehen werden44 - weg. Schwierigkeiten mußte nur das Vollwort des Volkes machen, das 9 36 der Erzbischof von Mainz eingeholt hatte, um die soeben draußen geschehene »Wahl« der Fürsten festzumachen. Es war bereits in Worms erteilt; aber wir erfahren, daß es auch in Aachen gegeben wurde: die Weihe geschah electione omnium Lothariensium. Das kann nur so verstanden werden, daß die Lothringer für sich der Wahl beitraten und den bereits anerkannten Mitkönig ihrerseits anerkannten. Nach einem Zeugnis geschah das durch den Heilruf. Außerlieh mag dieser Vorgang wie 9 36 verlaufen sein 45 ; doch kam (S. 24S:) ihm eine andere Bedeutung zu: damals die Anwesenden Sprecher für das ganze regnum, nun- da diese Rolle von dem in Worms versammelten populus übernommen worden war - nur Sprecher für sich und den eignen Stamm. Hier bedeutet die »Wahl« also nur noch eine Erklärung, sich dem Mitkönig und zukünftigen Alleinherrscher unterwerfen zu wollen. Damit sind von nun an zwei verschiedene Wahlbegriffe zu scheiden: electio =Auswahl aus der stirps regia, womöglich gelenkt durch den Vater als »Wahlleiter«, und electio = Anerkennung, Beitritt zu dieser Wahl durch die Erklärung, sich dem neuen Könige zu unterwerfen. Der »Mainzer Ordo« präzisiert den Inhalt der Frage an das Volk dahin, si tali principi ac rectori se subicere ipsiusque regnum firma fide stabilire atque iussionibus illius obtemperare velint 46 • In der Fassung II ist die Frage wörtlich (S. 249.") formuliert; aber
44 S. unten S. 7of. (S. 250). 45 D. h. abgesehen von der doppelten Thronsetzung. Es ist also etwas anderes gemeint, als was 0. ÜPPERMANN, Der fränk. Staatsgedanke, Utrecht 1929 S. 8 vertritt: »Der Hergang war also offenbar derselbe wie der bei der Wahl und Krönung Ottos l.« 46 Hier macht der nach einer Handschrift bisher als »Kölnisch« bezeichnete Ordo, der auch noch in einem Baroberger Codex steht und nach seiner Heimat der »Königsordo von Arras« heißen sollte, den Einschub: et si concordes ta!iter sunt in consecratione, qualiter fuemnt in e!ectione, um dann wieder den Mainzer Wortlaut aufzunehmen: Et si concordes etc. Der nach seiner Überlieferung um rooo verfaßte Ordo ist nämlich nichts anderes als eine Komp.ilation des Mainzer und des »Fulrad-(früher: Ratold-)Ordo«, der in Bd. II S. 244ff. abgedruckt und S. 192ff. auf «um g8o« datiert ist. Außer jenem Satz weist sie kaum ein Dutzendeigner Worte auf. Nur im
lombardischen Krönungsbrauch hat sie viel später eine Wirkung ausgeübt. Ihre Ansichten sind also nur für den Verfasser und seinen Kreis, der möglicherweise wie beim Fulrad-Ordo im Kloster Saint-Vaast zu suchen ist, bezeichnend. Sie läßt sich daher nicht für das geltende Recht verwerten, wie es STUTZ, Selbstanzeige in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 3 r, Germ. Abt., rgro S. 449 Anm. z (von H. SeHREUER auf eine falsche Spur geführt) möchte. Aber als Zeitsymptom bleibt die Angabe von Interesse. Der V erfasser stand wohl unter dem Eindruck der französischen Wahl von 987, vielleicht auch schon unter dem der deutschen von rooz und kommt zu einer Scheidung von zwei »Wahlen«, die über die von uns gemachte hinausführt. Auf die zweite mit der Einstimmigkeit »in consecratione« würde der Ausdruck »rituelle Feststellungswahl« passen. Zu benutzen ist noch der Druck bei WAITZ (s. Anm. r) S. 76-87, bes. S. 87.
A 2: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)
auch hier fehlt das entscheidende Wort: »eligere«, obwohl es bei Widukind heißt, das Volk solle die Hand erheben, »wenn euch diese Wahl gefällt«, obwohl nach dem »Westfränkischen Ordo« der Wille ( voluntas) des Volkes erfragt wird. Dem entsprechen die übrigen Teile des »Mainzer Ordo«, die wohl von Blutsrecht, Gottesgnadentum und anderen Rechtstiteln des Königs handeln, aber nicht von einem durch Wahl geschaffenen47 • Darin spiegelt sich die 961 zutage getretene Abschwächung des Wahlprinzips. Andererseits enthält die Frage jene Bekundung der Unterwerfung, der Treue und des Gehorsams, die wir als Inhalt der electio omnium Lothariensium erschließen konnten. Hier haben wir die schon erwähnten Entsprechungen zwischen Ottos II. Krönung und dem Ordo, die zusammen mit der Tatsache, daß die Prozession eine unmittelbar vorausgehende Wahl durch die Fürsten ausschließt, ein Recht geben, zwischen ihnen eine Beziehung anzunehmen - sei es, daß der Ordo im Hinblick auf die Krönung oder rückschauend unter dem Eindruck ihres Verlaufes aufgestellt wurde. Noch ein Wort über die Form der Zustimmung. Nach dem »Westfränkischen Ordo« sollte- nachdem sie erfolgt war- das Tedeum angestimmt werden. Nach Widukind hatte dies seinen Platz erst am Ende der Krönung. Hier hat es dann auch der »Mainzer Ordo« eingefügt zugleich mit den Glückwünschen, die Otto 936 nach der »Collaudatio« dargebracht wurden. Statt des von Widukind beschriebenen Erhebens der Hände mit dem brausenden Zuruf ordnet er den einstimmigen (5. 2JO.') Ruf an: »Fiat! Fiat! Amen!« Angestimmt wird er von Klerus und Volk. Daher ist seine Form auch die eines Synodalbeschlusses. Nach der Vita Brunonis lautete er 961: »Vivat rex in aeternumf« Diesen biblischen Heilruf in der Fassung: »Vivat rex in sempiternumf« kennt auch als Abschluß der Krönung der angelsächsische Ordo in seiner Stammfassung von etwa 96o 48 ; in der Erweiterung von 97 3 ist er zu einer Antiphon ausgestaltet49 • Am Anfang des r r. Jahrhunderts schreibt dann Thietmar, daß Otto 9 36 der Ruf dargebracht worden sei: »Vivat et va!eat rex victor in aeternum 1«50 Die alliterierenden Erweiterungen wird man ihm selbst zuschreiben dürfen: es bleibt dann der Heilruf, der Bejahung der Frage und Anerkennung des Königs zugleich enthält und nach einem weiteren Zeugnis 51 die dieser Zeit vertraute Form gewesen ist. Die Tatsache, daß nach dem Ordo nicht nur das Volk, sondern auch der Klerus 47 Vgl. unten S. 85 (S. 27I). 48 ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 2I8 (jetzt Bd. II s. 23 I). 49 Ebd. S. 228 ( = S. 239). Das Amen ohne Fiat am Schluß der jetzt aus Deutschland übernommenen Befragung des Volkes, s. S. 223 ( = s. 235). 50 II cap. I (a. a. 0. S. 38).
5I An der S. zo4f. Anm. 5 (jetzt S. 68 Anm. 42) genannten Stelle macht Adalbold aus Thietmars Worten cum admirabi!i !aude: omnes unanimes uno ore Heinricum [II.] regem acc!amant, co!laudant, col!audatum . . . designant; co!!audatus igitur coronatur. Darunter kann nur ein Vivat-Ruf verstanden werden, nicht eine Formel wie Fiat ek.
»Wählerschaft«- Salbung
die Frage des Erzbischofs bejaht, ist von größtem Belang; denn sie bedeutet, daß er nun in die »Wählerschaft« eingetreten ist. Das stimmt wiederum mit den Verhältnissen überein, die durch die Erhebung Ottos II. geschaffen wurden. Denn wenn die Wormser »Wahl« in der geschilderten Form verlief, dann ist schwer vorstellbar, daß die Geistlichkeit von ihr ausgeschlossen war. Einerseits nahm der hohe Klerus an Hoftagen teil; andererseits lag eine möglichst lückenlose »Wählerschaft« im Interesse der Dynastie. Daß die Geistlichen noch 936 bewußt ausgeschlossen waren, hat U. STUTZ wiederholt unterstrichen52, und wie sie dafür entschädigt wurde, haben wir (S. 2JI:) bereits gesehen53 • Zweieinhalb Jahrzehnte später aber, als die Gründe für seine Fernhaltung entkräftet waren, tritt die Geistlichkeit nun durch ein doppeltes Tor in den ihr bisher verriegelten Kreis ein. Ihre Spitzen finden den Weg über die Teilnahme an den Hoftagen zu der electio =Auswahl, während der Klerus, vertreten durch die in Aachen Anwesenden, über Vollwort und Heilruf in die »Wählerschaft« gelangt, welche die electio = Beitritt vollzieht. Bei ihr ist »Wahlleiter« der weihende Erzbischof, wie es 936 gewesen war, wie es nun für die Zukunft zur Norm wurde54 . Damit war die Stellung festgehalten, von der aus der Erzbischof von Mainz im Jahre 1002 »die Leitung des gesamten Thronerhebungsverfahrens in die Hand bekam«55. Ermöglicht wurde das dadurch, daß diesmal kein König-Vater als »Wahlleiter« der electio = Auswahl wirken konnte. Deshalb vermochte sich der Mainzer die Rolle anzueignen, die 987 bei der französischen Wahl der Erzbischof von Reims übernommen hatte56 • Unter der »Wählerschaft«, die sich für seinen Kandidaten einsetzte, war wiederum die Geistlichkeit- aber nun auf Grund der obwaltenden Umstände- in einer Rolle, bei der »Wählen« wieder Entscheidung-Fällen bedeutete. Die Zukunft hat ergeben, daß die Geistlichkeit an ihr mindestens ebenso interessiert war wie die Laien. Deshalb finden wir sie bei allen Bemühungen beteiligt, die »Wahl« gegen abermalige Aushöhlung zu stärken und womöglich zu einer freien Wahl auszuweiten. 5· Salbung. Sie beginnt mit drei Benediktionen. Eine Handauflegung, die an dieser Stelle der ( S. 2; 2 .) Bischofsweihe57 geschieht und bei der Taufe den Abschluß
Vgl. die Bd. II S. 290 Anm. 8 (S. 188 Anm. 1) genannten Arbeiten. 53 S. oben S. 5r. 54 Diesen Weg zeichnete auch U. STuTZ in seinen Aufsätzen (zuletzt: Reims u. Mainz in der Königswahl, Berlin 1921, Sitzungs-Berichte der Preuß. Akad. S. 421); daneben ist jetzt noch der andere Weg zu beachten, wodurch die Bedeutung von 961 als Wegstation zwischen 936 und rooz heraustritt. 52
55 U. STuTz, Die Rhein. Erzbischöfe, in der Festschrift H. BRUNNER, Weimar 1910 S. Go. 56 Die Bedeutung dieser Parallele erhellte STUTZ, Reims a. a. 0. S. 421ff. 57 HrTTORP, De officiis; a. a. 0. S. uo (jetzt: VoGEL-ELZE a. a. 0. I S. 216); dazu G. ELLARD, Ordination Anointings in the Western Church before rooo A. D., Cambridge-Mass. I 9 3 3 (Monographs of the Mediaeval Academy of America VIII) S. 56 usw.
A z: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)
bildet58, ist nicht vorausgesetzt. Die durch sie bewirkte Mitteilung des Hlg. Geistes geschieht vielmehr durch die Salbung: »Deus . . .per presentem sacri unguinis infusionem spiritus Parac!Jti super caput tuum infundat benedictionem«, heißt es in § r8, und ähnlich auch für die Königin: Spiritus sancti gratia ... in te copiosa descendat. Ganz entsprechend bemerken die Annalen von Lobbes zu 961: septiformi gratia Spiritus sancti donatur in palatio Aquensi59 • Gemeint sind hier die sieben Gnaden des Hlg. Geistes, die aus Jesaja I r,z herausgelesen wurden und in der mittelalterlichen Theologie eine große Rolle spielen: »Auf welchem (d. h. dem Messias) wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rats und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.« Im einzelnen führt die Wirkung des Hlg. Geistes 60 das die Königin betreffende Gebet aus: so wie sie äußerlich mit dem Öl bestrichen wird, so soll sie innerlich durch unsichtbares Öl eine geistige Salbung erfahren, die immer ihren Sinn befähigt, Verbotenes zu meiden und Gutes zu wirken- ein Gedanke, der aus einer alten Formel der Bischofsweihe mit wörtlichen Anklängen übernommen ist. Wir dürfen hier auch noch ein Wort aus Wipos Schilderung der Krönung ( S. 2 J3 :) Konrads II. hinzunehmen; denn, wenn es auch erst einer späteren Zeit angehört, so beruht es doch auf Bibelstellen, die man schon früher hätte heranziehen können. In einer Ansprache, die Wipo dem Erzbischof von Mainz in den Mund legt, läßt er ihn über die Liebe Gottes zu Konrad sagen: te hodie in virum alterum mutavit et numinis sui participetJJ fecit, quatenus ipse tibi eandem vicem pro universis delictis tuis dignetur rependere61. Daß der gesalbte König in einen anderen Menschen gewandelt wurde, ist in
der Bibel von Saul gesagt (I. Reg. ro, 6), während der Spruch im Hebräer-Brief 6, 4: et participes Jacti sunt Spiritus sancti sich allgemein auf die von Christus Erleuchteten
bezieht. Die Vergebung der Sünden ergab sich aus der Konsequenz der Grundgedanken. Die Feststellung, daß die Ottonische Salbung als eine - in keiner Weise verklausulierte- Mitteilung des Hlg. Geistes verstanden werden sollte und auch so verstanden
58 F. WrEGAND, Erzb. Odilbert von Mailand über die Taufe (Studien zur Gesch. der Theol. u. d. Kirche IV, r), Leipzig r899 S. 67. Über die Handauflegung, das Chrisma und andere Fragen hat sich Erzbischof Friedrich von Mainz (937-54), Wilhelms Vorgänger, bei einem Priester Gerhard erkundigt, der ihn in seinem Antwortbrief auf die einschlägigen Stellen der Pseudo-isidorischen Dekretalen hinwies; vgl. Ph. ]AFFE, Bibi. rer. Germ. III: Mon. Moguntina, Berlin r866
S. 341 (Epp. Mogunt. Nr. r 5). 59 S. unten S. 106 Anm. 8 (S. 239 Anm. z). Go Vgl. auch§ 17, daß die Salbung das Herz des Königs zur Liebe der göttlichen Gnade entzünden soll; dann kann er in Liebe zur Gerechtigkeit sein Volk zur Gerechtigkeit anleiten und sich die ewige Seligkeit verdienen. 6r Gesta cap. 3; Opera, 3· Auf!., hrsg. von H. BRESSLAU, Hann. 1915 (Script. rer. Germ. in us. schol.) S. 23.
Einzelheiten der Salbung
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wurde, ist deshalb wichtig, weil die Einzelvorschriften des Mainzer Textes eine klerikale Reserve bei dieser Weihe eines Laien erkennen lassen62 • Der »Westfränkische Ordo« sagte nichts über die Art des zu verwendenden Öls; bei Widukind heißt es, daß Otto oleo sancto gesalbt worden sei. Darunter wird das vornehmste, das Chrisma, zu verstehen sein, da mit ihm im 9· Jahrhundert die Kaiser und auch die Könige gesalbt worden waren63 • Laut dem Kaiserordo B sollte ( S. 2 54:) der Kaiser de oleo exorcizato, also nur mit dem geringeren Katechumenenöl, gesalbt werden. Auf diese Weise wird sich erklären, daß der »Frühdeutsche Ordo« (dem sich der »Mainzer« hier anschloß) die Salbung de oleo sanctiftcato, was gleichfalls Katechumenenöl bedeutet, geschehen läßt. Nach dem Kaiserordo wurde mit dem Öl der rechteArm und der Rücken zwischen den Schultern bestrichen64 • Der »Westfränkische Ordo« setzte dagegen die Salbung am Haupte voraus, wie sie im Alten Testament beschrieben und seit Pippins Salbung im Karolingischen Reich geübt worden war. Widukind bietet keinen Anhalt, wie es wohl 936 gehandhabt worden war. Wie löst der Ordo diese Schwierigkeit? Er verlangt eine Salbung an caput, pectus, scapulae ambaeque compages brachiorum. Er entspricht also den römischen und westfränkischen Angaben, wobei er nur statt des rechten Arms die Gelenke beider Arme einsetzt. Die Salbung der Brust entsprach dem Taufritus, der verlangte, daß dem Täufling nach dem Berühren der Nasenlöcher die Brust und die Schultern mit Katechumenenöl bestrichen wurden, woran sich dann später die Salbung des Hauptes mit Chrisma anschloß 65 • Die Tatsache, daß dem König die scapulae, nicht die Stelle inter scapulas gesalbt werden soll, zeigt, daß wirklich an die Taufe gedacht wurde. Hinter der Taufe stand die Königssalbung dadurch zurück, daß das Haupt nur mit Katechumenenöl geweiht ( S. 2 55:) wurde, aber durch die Salbung von Brust und Achseln hatte sie auch wieder mehr. Andererseits hob sie sich auch von der Bischofsweihe ab, für die das Mainzer Pontifikale eine Salbung des Hauptes, der Hände und des Daumens mit Chrisma vorschreibt66 : also auch hier wieder mehr Stellen des Körpers, aber eine geringere Ölsorte, welche die Königsweihe um ein geringes hinter der des Bischofs zurückstehen ließ - in 62 Zum folgenden vgl. SCHULTE (S. 51 A. 6o) s. 49ff., F. KERN (S. 54 A. 67), s. 53ff. s. besonders ErcHMANN, Königs- u. Bischofsweihe a. a. 0.; daneben auch noch P. Hmscmus, Das Kirchenrecht der Katholiken u. Protestanten in Deutschland IV, Berlin r888 S. 157-61. 63 S. Bd. I S. 72, 229; Bd. II S. r86. - Vgl. hier auch die oben in Anm. 58 zitierte Anfrage Friedrichs von Mainz über die Konsekration des Chrisma.
64 An diese Stelle wurde dem Bischof bei seiner Weihe das Evangelienbuch gehalten; für den Arm vermag ich keine Begründung zu geben. Vielleicht ist sie in der allegorischen Auslegung des armus dexter des Alten Testaments zu finden; vgl. Innocenz III. (unten S. 75 = s. 256). 65 WrEGAND a. a. 0. S. 33, 49f., 67. 66 HITTORP a. a. 0. S. I I I (jetzt: VoGEL-ELZE a. a. 0. I S. 217-20).
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beiden Fällen eine feste Abgrenzung des character regalis von dem des Getauften und dem des Geistlichen. Dieser Unterschied ist in der Fassung II wieder um ein Stück verringert worden, da sie die Handsalbung auch für den König verlangt - allerdings in einer Weise, die beim Öl die Trennung aufrechterhielt. Die Bearbeiter hatten hier nicht viel zu tun; sie fanden die Formel in den »Freisinger« Erweiterungen des Pippinischen Sakramentars vor, aus denen sie auch noch das anschließende Gebet entnahmen. Diese Vorlage zeichnete sich dadurch aus, daß sie zwar auf eine Formel für die priesterliche Handsalbung zurückging67, aber in ihr schon die Worte: et chrismate sanctificationis ausgemerzt waren. Es hieß also in ihr, daß die Hände de oleo sanctificato, d. h. mit Katechumenenöl zu salben seien, was ganz mit der Mainzer Stammfassung zusammenstimmte. So war die Weihe des Königs durch das Einbeziehen der Hände der Bischofsweihe weiter ähnlich geworden; auch erinnerte der Wortlaut jetzt nicht nur bei der Königin, sondern auch beim König wörtlich an die für den Bischof verwandten Formeln- aber das Chrisma blieb ihm auch bei dem Zusatz versagt. Wir haben die einschlägigen Stellen deshalb so eingehend behandelt, weil die sich aus ihnen ergebenden Konsequenzen in der Folgezeit eine große Rolle gespielt haben68 . Gegen einen der ersten Vertreter der aus der kirchlichen Reformbewegung ( S. 256:) aufsteigenden Forderungen des sacerdotium gegen das regnum, gegen Wazo von Lüttich hat sich Heinrich III. mit dem Ausruf gewandt, auch er sei mit dem heiligen Öl gesalbt. Dieser entgegnete ihm: Hic est et Ionge a sacerdotali differens vestra haec, quam asseritis, unctio - was er nun nicht mit dem tatsächlich bestehenden Unterschied, sondern mit der Funktion des durch die Salbung geschaffenen Charakters begründet: quia per eam vos ad mortijicandum, nos autem ad vivificandum ornati sumus 69 • Die hier angerührte Streitfrage: der gesalbte König priesterartig oder reiner Laie, durchzieht die Kontroversen des Investiturstreites und gipfelt in dem Einspruch Heinrichs IV. gegen seine Absetzung, den er damit begründete, daß der durch die Salbung verliehene Charakter ihm nicht genommen werden könnte. Die Streitfrage ist weiter erörtert und auch in andern Ländern aufgegriffen worden7o. Sie verschob sich zuungunsten der Königsweihe, da diese bei der Einengung der Sakramente nicht innerhalb der seit I I 5o kanonisch gewordenen Siebenzahl Platz finden konnte71 • Den Sieg über den königlichen Standpunkt bezeichnet dann
67 Über sie und ihre Geschichte s. ELLARD a. a. 0. S. zof. usw. 68 Außer EICHMANN a. a. 0. vgl. K. G. RuGELMANN, Die Wirkungen der Kaiserweihe nach dem Sachsenspiegel, in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 40, Kan. Abt. IX, 1919 S. r-98, bes. S. 37ff.
69 ANsELMI Gesta ep. Leod. cap. 66 (Mon. Germ., Script. VII S. 230). 70 S. auch C. MrRBT, Die Publizistik im Zeitalter Gregors VII., Leipzig r894 (Neudruck Darmstadt) S. 547f. 71 F. KATTENBUSCH in der Realencykl. für protest. Theol. XVII, 3· Aufl. 1906 S. 360.
Übergabe der Herrschaftszeichen
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die in das »Corpus iuris canonici« aufgenommene Dekretale des Papstes Innocenz III. aus dem Jahre 120472 • Er behauptete hier, was für die Mehrzahl der damaligen Krönungsbräuche nicht zutraf: principis unctio a capite ad brachium est translata, ut princeps extunc non ungatur in capite, sed in brachio sive humero vel in armo, und er glaubte auch diese Minderung in der Bibel selbst begründet zu finden. So ergibt sich ihm ein klarer Unterschied in den Salbstellen und im Salböl: quia (S. 2J7·) caput pontiftcis chrismate consecratur, brachium vero principis oleo delinitur, ut ostendatur, quanta sit differentia inter auctoritatem pontiftcis et principis potestatem. Angelegt war diese Konsequenz bereits in dem »Mainzer Ordo«, dem seinerseits wieder in seinen Vorlagen die Lösung vorgezeichnet worden war. Aber daß sie gezogen werden konnte, setzt bereits den Ausgang des Investiturstreites, daß sie so zugespitzt werden konnte, die hierarchische Doktrin eines Innocenz III. voraus. Damit war die Absicht des »Mainzer Ordo« in ihr Gegenteil verkehrt: sie ging darauf hinaus, die Salbung des Königs so weit wie möglich zu heben, wie es ohne V erwischung der Zweigewalten-Lehre geschehen konnte! 73 Im Gesamt bedeutet die reiche Ausstattung dieses Teils eine Steigerung der Salbung gegenüber Investitur, Krönung und Thronsetzung, durch welche das Ebenmaß ( S. 2 58:) zwischen sakramentaler Wandlung und liturgisch-rechtlicher Einweisungwohl nicht ohne Absicht - zugunsten der Salbung verschoben wurde. 6. Übergabe der Herrschaftszeichen, einschließlich Krönung. Wie bereits im voraufgehenden Abschnitt (S. 6r) festgestellt worden ist, sind bei der Redaktion des »Mainzer Ordo« die - sich nicht deckenden - Angaben seiner beiden Vorlagen einfach zusammengezogen. Die Reihe von Herrschaftszeichen, die sich auf diese Weise ergab, stimmt weder mit dem »Westfränkischen Ordo« noch mit den Angaben, die Widukind zu 9 r 9 und zu 9 36 macht, überein. Der König erhielt erst das Schwert, dann den Ring, zugleich zusammen mit den bei Widukind an dieser Stelle genannten Spangen und dem Mantel, dann Szepter und Stab in einer Handlung (wie bei dem sächsischen Chronisten) und nicht jedes Zeichen für sich (wie in dem westfränkischen Text, der diese Akte außerdem erst nach der Krönung geschehen läßt). Tieferer Sinn ist in diesen Abweichungen und in ihrem Ausgleich nicht zu 72 Decr. Greg. I tit. r 5 Cap. I (Corpus iuris canonici ed. AEM. FRIEDEERG II, Lipsiae r88r S. r3rf.); dazu R. W. and A.]. CARLYLE, A History of Mediaeval political Theory in the West II, Edinburgh und London r9o9 S. I49f. 73 Die Berechtigung dieser Einschränkung, die sich mit weitgehenden Ansprüchen zugunsten des Königtums völlig verträgt (s. unten S. 86f. = S. 273 f.) erhellt aus einem um 900
in Italien (wohl vom Erzbischof Johann XII. von Ravenna an König Berengar) geschriebenen Brief: Nam imperium a sacerdotio parvum distal, et a!iquando imperii principem sacerdotem vocari non est dubium, quia ex uno cornu o!ei sacerdotes et reges sanctificari manifestum est. Vorausgesetzt ist also, daß beide mit Chrisma gesalbt werden. V gl. I! rotolo opistografo ed. A. CERIANI e G. PoRvo, in Archivio storico lombardo II. Ser. I= XI, r884 S. 29.
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entdecken; aber sie lassen am deutlichsten in die Arbeitsweise der Mainzer Redaktoren hineinblicken. Den Respekt vor der schriftlichen Tradition dokumentiert besonders die Tatsache, daß die Heilige Lanze mit keinem Worte berücksichtigt ist74, die Heinrich I. vom burgundischen König erworben hatte75 • Wir werden noch sehen, daß sie rooz benutzt wurde, um Heinrich II. in die Herrschaft über das regnum einzuweisen, und dann noch einmal, um seine Anerkennung in Sachsen sinnfällig zu machen76 • Das entsprach der Einzigartigkeit dieser Reliquie, geheiligt durch den Nagel Christi in ihrem Blatt, ( S. 2 59:) Verehrung heischend durch den mit ihr verknüpften Namen Konstantins, den Königen in Zeiten des Sieges und der Not vorangetragen - und doch im Ordo keine Stelle für dieses heilige Zeichen, um welches die Nachbarn den deutschen Herrscher beneideten. Es ist jetzt klar, weshalb es nicht anders sein konnte: die Mainzer Redaktoren hielten sich an ihre Vorlagen und wollten zudem einen Text schaffen, der auch außerhalb Deutschlands verwendbar war. Da die folgenden Generationen fest bei den Anordnungen des »Mainzer Ordo« verharrten, hat die Heilige Lanze auch später nicht mehr einen Platz im deutschen Krönungszeremoniell erhalten. \Vir müssen noch die einzelnen Akte der Investitur darauf prüfen, was an Neuern hinzugekommen ist; denn gerade diese Formeln haben ja den Krönungsbrauch der meisten Länder beeinflußt. Widukind hat das Schwert als eine Waffe gegen Heiden, »Barbaren« und schlechte Christen ausgelegt, und ähnlich, nur moralischer und biblischer gefaßt, ist der Sinn, der ihm im »Erdmannschen Ordo« gegeben war77 • Der »Frühdeutsche« und daher auch der »Mainzer Ordo« bieten eine Formel, in der die Deutung als Schwert in defensionem s. Dei ecc!esiae breiter ausgemalt ist. Es soll dem Könige ein dauerndes Mahnzeichen an seine Pflichten sein, die den Schutz der Witwen und Waisen sowie förderliches Regiment einschließt. Neben dieser Erklärung, welche in die Bahnen der zeitgenössischen Allegorese einmündet, steht eine andere. Widukind läßt den Erzbischof bei der Schwertgürtung sagen, daß er mit ihm den Glaubenskampf führen solle: auctoritate divina tibi tradita omni potestate totius imperii Francorum. Diente das Schwert also als Zeichen der Einweisung in die Herrschaft? Der »Mainzer Ordo« war - seiner Vorlage folgend -
74 Als auffallend bezeichnete ihr Fehlen P. HIRSCH in seiner Widukind-Übersetzung a. a. 0. S. 65 Anm. 4· 75 A. HoFMEISTER, Die Heilige Lanze, ein Abzeichen des alten Reiches (Untersuchungen zur Deutschen Staats- u. Rechtsgeschichte H. 96), Breslau I 908 ist jetzt überholt durch
P. E. ScHRAMM, Herrschaftszeichen u. Staatssymbolik II, Stuttgart I955 S. 492-537 (dort weitere Lit.). 76 Vgl. unten S. II7 und S. II8f. (S. 285f. und 288). 77 SCHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 204 (Bd. II S. 2I8f.).
Schwert - Ring - Mantel, Spangen, Szepter und Stab
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dieser Auffassung. Er bemerkt: ... ensem accipiat, et cum ense totum sibi regnum ftdeliter ( S. 2 6o:) ad regendum secundum supradicta verba sciat esse commendatum. Später ist diese Auffassung in Deutschland dahin verengert worden, daß das Königsschwert im besondern die Gerichtsgewalt des Herrschers versinnbildliche, während in Frankreich und Spanien sich die Bedeutung der ursprünglichen Schwertgürtung, nämlich die Wehrhaftmachung, wieder in den Vordergrund geschoben hat78 • Der Ring ist wie in der westfränkischen Formel ein Unterpfand des Glaubens, das den Träger an diesen bindet und ihn befähigt, Unglauben abzuwehren. Nur ist diese Auslegung aus dem menschlich-privaten Bereich in den herrscherliehen gehoben: der König soll der auctor ac stabilitor des christlichen Glaubens werden79 • Zu der entsprechenden Formel Widukinds für Mantel und Spangen 80 besteht keine Beziehung - diese bietet nur eine herbeigezerrte, noch dazu flache Auslegung der Mantelenden. Die beiden Zeichen werden im »Mainzer Ordo« nur erwähnt, aber nicht mit einer eigenen Formel bedacht. Das hat zur Folge gehabt, daß die Spangen in den meisten der späteren Ordines wieder weggelassen sind- nur in England haben sie ihre bis heute fortlaufende, wenn auch verschiedentlich gestörte Geschichte. In diesem Lande sind auch im I I. und r 2. Jahrhundert zwei Formeln aufgesetzt worden, mit denen der Mantel übergeben wurde. Sonst spielt er wohl in allen Krönungsbräuchen seine Rolle; aber da eine eigene Handlung bei der Übergabe fehlt, bleibt er bei der Investitur im Schatten der übrigen Herrschaftszeichen81 • Bei der Auslegung von Szepter und Stab waren im westfränkischen Bereich Ansätze geschaffen, um in ihnen die weltlichen und geistlichen Kompetenzen des Königs sinnbildlich zu scheiden. Widukind zog sie zusammen und setzte eine Formel auf, die durch den Gedanken des Schutzes und der Milde bestimmt ist. ( S. 26I :) Der »Mainzer Ordo« bietet gleichfalls nur eine einzige Formel und hat dadurch das Ende des baculus als Herrschaftszeichen vorbereitet. An seine Stelle trat seit dem I I. Jahrhundert mehr und mehr der »Reichsapfel«, der fast in allen Ländern zu dem mit dem Szepter korrespondierenden Zeichen geworden ist 82 • Eine Ausnahme bildet Frankreich, das bei den beiden Stabzeichen blieb: das eine allerdings durch die aufgesetzte Schwurhand mit der neuen Bedeutung des königlichen Gerichtsstabes als main de justice vom Szepter abgesetzt 83 • Ebenso hat auch England, wo im Gegensatz 78 Als Beleg ist die Schwertformel angeführt bei MANEGOLD, Ad Gebehardum liber cap. 34 (Mon. Germ., Lib. de lite I S. 371 f.). 79 Es fehlt zu Verena LABHART, Zur Rechtssymbolik des Bischofsrings, Köln-Graz 1963 (Rechtshistor. Arbeiten, Zürich, Bd. II; u6 S.), eine entsprechende Sonderstudie, die den weltlichen Ring behandelt. 8o Herrschaftszeichen II, Stuttgart r 9 55. Ab-
schnitt 23: Baugen-armillae. Sr Ebd. S. 55off.: »Die Entwicklung in England.« 82 ScHRAMM, Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart 1958. 83 ScHRAMM, Der König von Frankreich, Weimar 1939 (Neudruck: Darmstadt 196o) S. zroff.
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zu Frankreich der »Orb« unter die Herrschaftszeichen aufgenommen wurde, den zweiten Stab nie ganz preisgegeben84 • Die Mainzer Stabformel knüpft- dem »Frühdeutschen Ordo« folgend- im Wortlaut und Grundgedanken an die Tradition an: der Stab als Instrument des Schutzes, der Strafe und der Hilfe, häuft dann aber Zitate von Bibelstellen, die von Szepter und Stab handeln, in jener scheinbar sprunghaften Weise, die in der allegorischen Erklärung dieser Zeit üblich ist. Für das Aufsetzen der Krone bietet der »Mainzer Ordo«- wiederum der Vorlage folgend- eine Formel, in der die Aufgaben der beiden Gewalten und ihr Verhältnis zueinander festgelegt sind. Auf diese wichtige Stelle werden wir deshalb noch einmal zurückkommen müssen, wenn wir von den dem Ordo zugrunde liegenden Anschauungen sprechen85 • Deutlich wird dadurch, daß für den »Mainzer Ordo« die Krone das eigentliche Herrschaftszeichen des Königs darstellt, das deshalb als letzte Steigerung der Investitur erst am Schluß übergeben wird. (S. 262:) Für die Geschichte aller mittelalterlichen Herrschaftszeichen werden die eben besprochenen Formeln immer einen der wichtigsten Abschnitte bezeichnen. Hier ist eine Tradition festgelegt, die nun für das ganze Mittelalter eine der Grundformen für die Einkleidung mit den Königszeichen bedeutet. Kaum je ist bis in die Neuzeit hinein ein ernstlicher Versuch gemacht worden, den Rahmen dieser Tradition zu sprengen. Dadurch haben auch die Auslegungen, die der »Mainzer Ordo« für die einzelnen Herrschaftszeichen zusammenbündelte, große Bedeutung erlangt. Zwei Möglichkeiten gehen bei ihm durcheinander: Ding, Gewere, Wahrzeichen, Symbol der Herrschaft und Erkennungs- und Mahnzeichen, allegorisch erläutertes Sinnbild der Herrschaft. Es wäre eine wichtige Aufgabe, die Herkunft dieser beiden Möglichkeiten der Vertretung von Ungreifbarem durch Greifbares und ihr Widerspiel im Mittelalter zu klären; doch fehlen bis jetzt ausreichend Vorarbeiten zu diesem zentralen Kapitel der mittelalterlichen Geistesgeschichte. So wollen wir uns hier damit begnügen, das Übergewicht der zweiten Möglichkeit, die dem Mittelalter von der Antike her durch die Bibelerklärung übermittelt wurde, in dem »Mainzer Ordo« und damit in allen den Krönungsordnungen festzustellen, die von ihm abhängig sind. Die in ihr gegebenen Gefahren- herbeigezerrte Deutung, Wendung in das Flach84 ScHRAMM, Gesch. des englischen Königtums, Weimar 1939 (eng!.: Oxford 1939), s. Reg.: Stab, Szepter. Die deutsche, schon 973 von England übernommene Stabformel vergleicht um r roo der »Normannische Anonymus« (bisher: »von Y ork«) mit der bischöflichen Stabformel aus dem Mainzer Pontifikale, um da-
durch seine ganz auf die königlichen Rechte ausgerichteten Theorien zu stützen; Tractatus Eboracensis IV (Mon. Germ., Lib. de !it. III S. 674, 678 f. = K. PELLENS, Die Texte des Normann. A., Wiesbaden 1966 S. 150ff.). 85 Vgl. unten S. 83 (S. 269).
Krone - Bedeutung der Herrschaftszeichen - Thronsetzung
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moralische, Sprünge zwischen den Gedankengliedern - lassen sich bereits in den Mainzer Formeln erkennen. 7· Thronsetzung. Die eigentliche Krönung schließt mit einer gregorianischen Benediktion ab, die von Haus aus für eine Synode bestimmt war, aber sich auch für ihre neue Bestimmung vorzüglich eignete. Auf sie folgt die Thronsetzung, bei der die Fassung II noch deutlicher herauskehrt, daß es der leitende Geistliche ist, der den Herrscher niedersitzen heißt. Sie ließ sich in Aachen besonders gut verwirklichen, (S. 26;:) wo Karls Thron auf der Empore des Münsters auf die neuen Herrscher wartete. Aber da der Ordo allgemeines Vorbild wurde, bürgerte sich im Lauf des Mittelalters auch in den meisten andern Ländern dieser ursprünglich ja gemeingermanische, in seiner kirchlichen Einkleidung spezifisch deutsche Akt ein. Daß Otto II. in W orms auf einen Thron gesetzt worden sei, erwähnen die Geschichtsschreiber nicht; daß es nicht im Vorhof des Aachener Münsters wie 9 36 geschehen sein kann, wurde schon dargelegt 86 • Aber die Thronsetzung auf dem Karlsstuhl hat, ob auch die Chronisten davon schweigen, zweifellos stattgefunden. Denn wenn schon Vater und Sohn nach Aachen reisten, um die Krönung am »rechten Ort« geschehen zu lassen, dann wünschten sie sicher auch das Setzen auf den »rechten Thron«. Daß diese Art der Einweisung schon damals als selbstverständlich galt, zeigt ja unser Ordo. Damit hat die kirchliche Thronsetzung, die von vornherein dadurch im Vorteil war, daß für sie der Steinstuhl Karls des Großen benutzt wurdeB 7 , gesiegt - und der Ordo hat diesen Sieg zu einem endgültigen gemacht 88 • Ähnlich wie die Übergabe der Krone ist dieser Akt durch eine Formel ausgezeichnet, die Grundsätzliches aussagt und deshalb erst später zu besprechen istssa. 8. Abschluß der Krönung. Zuletzt wendet sich die Herrscherweihe in das rein Liturgische zurück. Wie bei der Bischofsweihe teilt der Gekrönte, während die Glocken läuten, den Friedenskuß aus; der Klerus beglückwünscht den neuen Herrscher und stimmt das Tedeum an, das nach Widukind (im Gegensatz zur westfränkischen Ordnung) auch 936 erst an dieser Stelle der Feier ertönte. Ein weiterer ( S. 264 :) Abschnitt des Ordo stellt die Gebete und Benediktionen zusammen, die den Abschluß der Messe verzieren sollen - durchweg Gregorianische Formeln, allerdings auch eine, die erst in dem wenig älteren Sakramentar Puldas auftritt, und eine weitere, die schon seit dem 9· Jahrhundert in St. Alban bekannt war. 9· Ordo der Königin. Für die Weihe einer Königin gab es noch keinen Präzedenzfall in Deutschland 89 • Mathilde kann nicht gekrönt worden sein, da ja ihr Ge86 S. oben S. 67 (S. 247). 87 S. ebd. S. 51 (S. zro). 88 Vgl.untenS.rz6ff.(S.z98 ff.)überdieGegenthese 0. ÜPPERMANNS.
88a Vgl. unten S. 87ff. (S. z67ff.). 89 Zum folgenden vgl. P. KRULL, Die Salbung und Krönung der deutschen Königinnen und Kaiserinnen im Mittelalter, Diss. Halle
So
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mahl die Herrscherweihe abgelehnt hatte, und von der Krönung der angelsächsischen Edith, der ersten Gemahlin Ottos I., weiß nur Thietmar zu berichten, der schon unter dem Eindruck der mittlerweile aufgekommenen Vorstellung stand, daß auch bei der Königin eine Weihe sich von selbst verstehe 90 • Da auch Ottos zweite Gemahlin, Adelheid, nicht gekrönt wurde 91 , fiel diese Ehre zuerst der Theophanu zu; aber diese wurde 972 gleich zur Kaiserin erhoben. Die erste Krönung einer deutschen Königin fand also erst im Jahre roo2 statt, als Willigis von Mainz Kunigunde weihte 92 • Dieses Ereignis fiel erst in die Zeit nach der Festlegung des deutschen Ordo, so daß sich aus praktischen (S. 265:) Beobachtungen kein Anlaß ergeben haben kann, das in der Stammfassung Unterlassene nachzuholen 93 • Der »Mainzer Ordo«, der ja eine Norm für alle Eventualitäten festlegen wollte, hat auch Fürsorge für den Fall getroffen, daß eine Königin zu salben und zu krönen war. Ihm ist eine Benedictio reginae westfränkischen Ursprungs zugefügt, die »um 900« datiert werden kann und im »Pontificale Romano-Germanicum « (um 96o) unverändert dem Kaiserordo angehängt worden ist 94 • Zum westfränkischen Ordo bestehen keine Beziehungen. Dieser Ordo bietet drei Formeln für Segnung, Salbung und Krönung der Königin. Sie erhält also außer der Krone keine Herrschaftszeichen ausgehändigt, nicht einmal den Ring, der im westfränkischen Bereich der Königin übergeben wurde und von hier aus im angelsächsischen Ordo von 97 3 seinen Platz fand 95 • Auch in Deutschland ist die Wirklichkeit bald über die Vorschrift des Ordo hinausgewachsen. Die Kaiserin Kunigunde hält auf einem - allerdings nicht ausreichend gesicherten Siegel Herrschaftszeichen in den Händen, die nicht recht erkennbar sind; man möchte mutmaßen: Stab und Kugel 96 • Das jedenfalls sind die Abzeichen, die auf einer Münze Heinrichs IV. seine Gemahlin schmücken97 • 1911 S. 21ff. und Th. VoGELSA"!G, Die Frau als Herrseherin im hohen MA., Göttingen 1954 (Göttinger Bausteine 7) S. 32ff. 90 II cap. r (ed. R. HoLTZMANN 1935, Neudruck 1955, S. 38; Mon. Germ., Script. N. S. IX) nach der Krönung Ottos I.: Otto coniugem suam Editham . . . consecrari precepit. - Obwohl Widukind und die Quedlinburger Annalen, Thietmars Vorlagen, nichts davon wissen, glaubte W AITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte VP S. 258 Anm. 3 doch eine Weihe Ediths annehmen zu müssen. Seiner Autorität hat sich KRULL a. a. 0. S. 22 gebeugt. 91 Von ihrer rega!is consecratio spricht das gefälschte D. 0. I. 442 für S. Maximin in Trier. dazu WArTz a. a. 0. S. 259.
92 S. unten S. 289 Oetzt: S. II9). 93 A. WINTERSIG, Zur Königinnenweihe, im Jahrbuch für Liturgiewissenschaft V, 1925 S. 150-3 geht vor allem auf das Gebet: 0. ae. Deus, jons et origo ein, weist auf den Gedanken der Mutterschaft in den seit dem 9· Jahrhundert vorliegenden Formeln hin und stellt Angaben über die Brustsalbung zusammen.
94 S. Anhang rB, dazu: Ordines coronationis imperialis, ed. R. ELZE, Hannover 1960 (Mon. Germ., Fantes iur. Germ. IX) S. 6ff. 95 ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 207, 229 (jetzt: Bd. II S. 221, 239f.). 96 DERS., Kaiserbilder a. a. 0. T. 79d, dazu S. 105 f., rg6. 97 Ebd. T. IIoq, dazu S. 136f., 210f.
Ordo der Königin- Die »Königstheorie«
8I
( S. 2 66:) In diesem Teil, in dem falsche Ausdeutungen kaum zu befürchten waren, ist die Trennung zwischen Königs- und Bischofsweihe, die in dem Hauptteil sorgfältig beachtet worden war, nicht so scharf durchgeführt. Dies läßt erkennen, daß die Salbung der Königin an sakramentaler Kraft nicht hinter der des Königs zurückstehen sollte.
c) Die »Kö"nigstheorie« des »Mainzer Ordo« Der Ordo spricht nicht nur durch Handlungen, sondern auch unmittelbar durch Worte. Wir sehen sie darauf an, was sie über die politischen Anschauungen der Mainzer Werkstatt auszusagen haben 98 • ( S. 2 67 :) Ablösen müssen wir zunächst jene Wendungen, in denen die Würde des ordo ecclesiasticus gegenüber der Laienwelt und dadurch auch gegenüber dem Königtum unterstrichen wird. Sie entstammen einer Tendenz, die auch sonst im Ordo durchschimmert und im Hinblick auf die geistlichen Werkstätten nicht überrascht. Althergebrachtem Stil entsprechen die Demutsformeln99 • Dei servi (§ 25) ist schon neutestamentlich, und bei solchen wie preces humilitatis nostrae (§ I I = Ben. reg. I,
98 Zum folgenden vgl. Fr. BRECHMANN, Die staatsrechtlichen Anschauungen Widukinds von Corvey, Diss. Münster 1909; Th. E. MoMMSEN, Studien zum Ideengehalt der deutschen Außenpolitik im Zeitalter der Ottonen und Salier, Diss. Berlin 1930; 0. BöGL, Die Auffassung von Königtum u. Staat im Zeitalter der sächs. Könige und Kaiser, Erlangen 1932 (Erlanger Abh. zur mittl. u. neueren Gesch. XIV), dazu meine Bemerkungen, in Vergangenheit und Gegenwart 24, 1932 S. 352. Wie meist bei solchen Arbeiten ist hier der Einfluß der Liturgie nicht beachtet: vgl. z. B. S. r6: honoris ac potestatis fastigio (D. 0. I. 351 nach Vorlage Lothars I.) sowie: nos, qui divino ~umus munere ... sub!imati (D. 0. II r65 und D. 0. III r nach Vorlagen Arnulfs) mit Sacr. Gregor. S. 187 (= Mainzer Ordo § r): Deus, qui famu!um tuum N. regni fastigio dignatus es sublimare, ähnlich ebd. S. 188 ( = ebd. § 5): ad regni fastigium ... provehere. Die auf S. 28
zitierte Arenga in D. H. II 346 mit der Figur: prodesse- praeesse geht zurück auf ebd. S. r88 (=
ebd. § 3). D. 0. II 7, zitiert auf S. 17
6 Schramm, Aufsätze III
mit andern Stellen, die gleichfalls von Proverbia 2 r, r abhängig sind: in cuius manu regum corda vel iura consistunt, beruht in erster Linie auf einem Zusatz zum Gebet für den König in dem Fürbittegebet (Sacram. Gelas. ed. WrLSON S. 78 A. 28), der auch in den »Erdmannschen Ordo« übernommen wurde; vgl. SCHRAMM: Krönung a. a. 0. S. 206 Anm. r (jetzt Bd. II S. 220 A. 6).- Zu den mit dem Kaisertum zusammenhängenden Anschauungen in der Zeit von 962-83 vgl. DERS., Kaiser, Rom u. Renovatio, I S. 6886; über »Liudprands Stellung zur Kaiserpolitik« s. M. LrNTZEL, Studien über L. von Cremona (Histor. Studien 233), Berlin 1933 S. 57-76 (jetzt: Ausgewählte Schriften II, Berlin 1961 S. 35r-98). Zur Interpretation des Ordo vgl. jetzt auch L. Bofu'ISCHEUER, Miseriae Regum, Berlin 1968 (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung IV) S. 194 ff. 99 Vgl. K. ScHMITZ, Ursprung u. Gesch. der Devotionsformeln [bis VIII. Jahrhundert] (Kirchenrecht!. Abhandl. H. Sr), Stuttgart 1913.
82
A 2: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)
auch 2) und manibus nostris indignis (Ben. reg. 3) können wir ihre Herkunft aus dem Bereich der Sakramentare nachweisen. Diese Wendung ist nun in bezeichnender Weise ausgebaut zu: per manus episcoporum licet indignas, vice tamen et auctoritate sanctorum apostolorum consecratas (§ 19, gekürzt in § 22 = Ben. reg. 3). Die Bischöfe sind geweiht, sind vicarii der Apostel. Und da der Klerus den heiligen Altären näher steht als die übrige Menschheit, kann er vom König erwarten, seinen honor100 von ihm in geeigneter Weise vermehrt zu sehen(§ 25). Deshalb fällt ihm auch bei der Krönung eine entscheidende Rolle zu: den Thron besteigt der neue Herrscher einerseits kraft des Erbrechts, andererseits per auctoritatem Dei omnipotentis et praesentem traditionem nostram (§ 25), wobei als verbindender Gedanke zu ergänzen ist, daß das »Gottesgnadentum« eben nur durch die bischöfliche Vermittlung gewiß werden kann. (5. 268:) Deshalb heißt es vom regnum, daß es dem König von Gott gegeben und durch das officium der bischöflichen Weihe in Stellvertretung der Apostel und aller Heiligen seiner Herrschaft übertragen sei(§ 22). Darin liegt ja auch die Berechtigung dafür, daß die Investitur mit den Insignien nun in geistliche Hände gelegt ist. Vom Schwerte kann also gesagt werden: per mantts episcoporum . . . impositum nostraeque benedictionis ojjicio . . . divinitus ordinatum, wobei auf das »von Gott« zu achten ist (§ !9)· Hier spricht jener priesterliche Geist, den A. HAUCK besonders in Friedrich von Mainz verkörpert sah10\ und den er auch noch bei seinem Nachfolger Wilhelm finden zu glauben meinte102 • Er spricht geradezu von einer »bischöflichen Opposition gegen die Tendenzen des Königs« 103 • Wenn das für die Fünfzigerjahre zeitweise gelten mag, so bleibt doch als das seit dem Ungarnsiege deutlich werdende Ergebnis, daß sacerdotium und regnum in engste Entsprechung treten. Daß dabei die Geistlichkeit auf Wahrung ihrer Sonderstellung und des kirchlichen Rechtes bedacht blieb, zeigt nicht nur der Ordo, sondern auch das übrige Schrifttum, das sich aus diesen Jahren erhalten hat1 04 • 100 Daß im Mittelalter die Bedeutung dieses Wortes von Ehre zu Recht, Besitz, Lehen hinübergriff, zeigte D. ScHÄFER, Honor, citra, cis im mittelalterlichen Latein, in Sitz.Ber. der Preuß. Akad. der Wiss. 1921 S. 372ff. und für die fränkische Zeit schon H. BRUNNER, Deutsche Rechtsgesch. IP, München 1928 (Neudruck: 1958) S. 344 mit S. 426 Anm. 37· 101 Kirchengeschichte Deutschlands III, 3-4. Auf!. (jetzt neugedruckt) S. 34ff. 102 Ebd. S. 39 mit Berufung auf den Satz aus dem einzigen von ihm erhaltenen Brief (95 5 an den Papst Agapit II.): Dux comesque epis-
copi, episcopus ducis comitisque sibi operam vindicat; vgl. Ph. }AFFE, Mon. Moguntina,
Berolini 1876 (Bibi. rer. germ. III) S. 348 (wohl gemünzt gegen seinen Oheim Brun als Erzbischof von Köln und Herzog von Lothringen). 103 Ebd. S. 34· 104 Daß Adalbert von Magdeburg in seiner Fortsetzung Reginos Ottos I. Maßnahmen gegen das Papsttum mit größerer Zurückhaltung behandelt als der sie völlig billigende Liudprand, arbeitet M. LINTZEL a. a. 0. S. 34 (jetzt: S. 369) heraus; vgl. S. 34: »Erinnert man sich, daß der Continuator dem
»Königstheorie« und Zweigewaltenlehre
Demgegenüber ist es nun von besonderem Interesse zu sehen, wie weit gerade vom geistlichen und im besondern (5. 269.") vom mainzischen Standpunkt aus die Ansprüche des Königtums unterbaut worden sind. Aus dem Ordo lasen wir die Absicht heraus: Angleichung der Königsweihe an die des Bischofs, soweit es möglich war, ohne den Unterschied zwischen ihnen zu verwischen. Die Formeln verdeutlichen, wie das Verhältnis gedacht war. Die Achse der staatsrechtlichen - man möchte eigentlich lieber sagen: gottesrechtlichen - Auffassung bildet natürlich die Zweigewalten-Lehre105 • Sie hat hier eine Fassung erhalten, die erst an die berühmte Kennzeichnung Konstantins als rwv bcror; enta'KO'lW(; 106 gemahnt, dann aber in eine andre PJchtung weist: so wie die Bischöfe in interioribus Hirten und Lenker der Seelen sind, so ist der König in exterioribus der cultor Dei des Johannes-Evangeliums, der defensor-ein seit Jahrhunderten in diesem Sinne verwandter Ausdruck - gegen die Feinde der Kirche Christi, der exsecutor des Königtums aus Gottesgnadentum und geistlicher Übergabe - ein Terminus, der im römischen Recht seine Prägung erfahren hat -, schließlich auch der nutzbringende regnator - dies ein Wort der klassischen Dichtung, das auch Hrotsvith auf Otto I. bezogen hat107 (§ 22). Ausdrücklich wird dabei gesagt, daß der König durch den Empfang der Krone, die den »Ruhm der Heiligkeit« anzeige, des bischöflichen ministeritJtJJ teilhaftig wird (§ 29). Also auch hier wieder: Angleichung an das Bischofsamt, ja Teilhabe an ihm, wenn auch mit andern Funktionen, so daß die Grenzlinie fast verschwindet. Einen anderen Einsatzpunkt findet der Ordo bei dem alten Vikariatsgedanken, dem der sogenannte Ambrosiaster die seit karolingischer Zeit verschiedentlich wieder ( S. 270 :) aufgenommene Fassung gegeben hatte, der Kaiser sei Statthalter Gottes, die Bischöfe Statthalter Christi1D 8 • Diese Formel barg gefährliche Konsequenzen.
Kreise um Wilhelm von Mainz angehört, und daß er später Erzbischof von Magdeburg \vurde, so dürfte es nicht schwer sein, aus diesen Erkenntnissen gewisse Aufschlüsse über die Gegensätze in der deutschen Politik gegenüber der Kurie und über die verschiedenen politischen Richtungen am Hofe Ottos des Großen zu gewinnen.« 105 BöGL (Anm. 98) S. 59 bringt Belege D. H. II. 366 (nach Gelasius I.) und D. K. II 58 (nach Vorlage) bei. Über die Lehre in der Zeit Ottos III. s. ScHRAMM, Renovario a. a. 0. I S. 124ff., 169ff. Über den Herrscher als imago-typusvicarius vgl. die theologischen, bis zur Spätantike zurückgreifenden, aber beim 6•
»Mainzer Ordo« einsetzenden Ausführungen von W. DüR1G, Der theol. Ausgangspunkt der ma.lichen liturgischen Auffassung vom Herrscher als Vicarius Dei, im Histor. Jahrbuch 77, 1958 S. 174-87. ro6 Vita Constantini IV cap. 24. 107 Prolog der Gesta 1,1 (Opera ed. P. ed W1NTERFELD, 1902; Script. rer. germ. in us. schol., S. 202); vgl. dazu VERG1L: Aeneis IV v. 269: regnator, caelum ac terras qui numine torquet; hier also auf den Gott bezogen, dagegen II v. 559: Priamus alsregnatorAsiae. 108 Sir R. W. and A. J. CARLYLE, A History of Mediaeval Political Theory in the West P, Edinburgh and London 1930 S. 149, 175, 215f., 259ff.
A 2: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo «(um 960)
Der Ordo biegt sie in diese Richtung ab: die Bischöfe sind - wie wir schon sahen Vikare der Apostel und der Heiligen, und der König ist der vicarius Christi, des »Gesalbten«, dem der König als christus Domini entspricht: cum ... jesu Christo, cuius nomen vicemque gestare crederis (§ zz). Diese Wendung begegnet auch in der Form: cum mundi Salvatore, cuius rypum geris in nomine (§ 19); sie begegnet bereits bei den Kirchenvätern109, ist von der Konstantirrischen Fälschung aufgegriffen worden ( qui ipsius principis apostolorum geruni vices), wurde benutzt in Karls d. Gr. »Libri Carolini«110, begegnet um uoo beim »Normannischen Anonymus«111 und wird - zweifellos im Anschluß an den Ordo von Friedrich I. und Karl IV. angeführt112 • Wir sind in einem dem Recht benachbarten Bereich, dem der Allegorese. Den Ausdruck »rypus« aufgreifend, können wir von einer typologischen Vertretung Christi durch den gesalbten König sprechen. In die altbekannte Formel zurückgeführt und dadurch vereinfacht, finden wir dieselbe Auffassung dann bei Wipo, der den Erzbischof von Mainz bei der Krönung zu Konrad II. sagen läßt: vicarius es Christi113 und diese Wendung auch sonst gebraucht114 • Die Folgerung daraus ist gezogen, wenn es heißt, der König sei Mittler (mediator) zwischen Klerus und Volk, so wie Christus Mittler zwischen Gott und Menschen ist- Christus, der ihn eingesetzt hat und ihn einst mit sich im Himmel wird regieren lassen (§ z5). Dieser Wunsch begegnet oft im höfischen Schrifttum, die MittlerI09 Vgl. die im Thesaurus linguae VI, 2 Sp. I935 Z. 49f. nachgewiesenen Stellen (Augustin, Pseudo-Origines, Gaudentius). Eine Linie zurück bis zum hellenistischen Herrscherkult zog E. H. KANTORowrcz, The »King's Advent« and the Enigmatic Panels in the Doors of St. Sabina, im Art Bulletin 26, 1944 S. 213f. (Vgl. Selected Studies, New York I965 S. 47f.). I ro I cap. 22 (Mon. Germ., Capit. Suppl. S. 50 Z. 2 r): Kar! sei König wie David, der nicht nur das Kommen des Gottessohnes weissagte, sed eius typum gessit. Der Ausdruck vicem gerere wurde verwandt vom Papst in bezug auf sein Verhältnis zu St. Petrus; vgl. z. B. Zacharias an Bonifaz, 743 (J.-L. 2264 = Epist. Bon. 51; Mon. Germ., Epist. III S. 305 Z. r f.); weitere Belege im Register S. 740 Sp.a unten. I I I K. PELLENS, Die Texte des Normannischen Anonymus, Wiesbaden 1966 (Veröffentl. des Inst.s f. Europ. Gesch. Mainz, Bd. 42) S. I29 (vgl. auch S. 135, I99 usw.) = Anon.
Eboracensis (Mon. Germ., Libelli de lite III S. 664f. Z. 19f.): ut in regendo populo Christi Domini ftguram vicemque tenerent et in sacramento preferrent imaginem; vgl. zu dieser
Stelle E. H. KANTOROWICZ, Selected Studies, New York 1965 S. I25 (»Deus per naturam etc.«; zuerst in Harvard Theol. Review 45, 1945 s. 25 8). II2 In einer Arenga Friedrichs I. heißt es: imperialis maiestas, quae regis regum et domini dominantium vicem gerit in ten·is; vg!. Fr.
HEER, Die Tragödie des heiligen Reiches, Stuttgart 1952 S. 242. Kar! IV. in seiner Autobiographie (cap. 2: an seine N~chfolger gerichtet): Jesum Christum, regem ce!estem, cuius typum et vices geritis in terris; s.: Karoli IV. imp. Rom. Vita ab
eo ipso conscripta, ed. W. BuLsT, Beideiberg 1950 (Edit. Heidelbergenses 16) S. 8. II3 Cap. III, ed. H. BRESSLAU, 1925 =1956 S. 23 (Mon. Germ., Script. in us. schal.). I 14 Cap. V (S. 26); auch Tetra!. v. I 9 (S. 76): alter post Christum.
König und Christus - Erbrecht
formelaber steht für sich115 • Innocenz III. hat sie später zusammen mit dem Vikariat Christi in einer ihm entsprechenden Fassung für das Papsttum aufgenommen. Wie die Gedanken nun auch laufen, immer gehen sie von der Bestallung des Königs durch Gott aus und kehren zu ihr zurück. Dafür bedarf es nicht mehr des Beweises (S. 27r:) durch einzelne Stellen116 • Andererseits wurde schon bei der Befragung des Volkes festgestellt, daß hier und auch sonst das Wort »Wähler« vermieden ist117 • Keinen Gegenbeweis bildet, daß es in § I I vom König heißt: quem supplici devotione in regem eligimus, und daß im Ordo reginae ein entsprechender Satz über die Königin steht; denn bei diesen Wendungen handelt es sich um Relikte älterer Textschichten118 • Um so stärker ist das Erbrecht betont. Bei der Stuhlsetzung wird der König ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Thron ihm hereditario iure übertragen sei (§ 25). Er wird deshalb verpflichtet, Klerus und Volk iuxta morem patrum suorum zu regieren(§ 7). Auch sonst ist vorausgesetzt, daß der Sohn auf den Vater folgt119 • Das entspricht ganz der tatsächlichen Entwicklung. Sie hebt ja das Wahlrecht nicht auf, beläßt es auch im Ordo noch in der Form einer Erklärung des subicere und obtemperare (§ 8); aber sie höhlt es doch praktisch durch das Prinzip der Erbfolge aus, das auf dem Wege der Mitherrschaft noch verstärkt wird, und läßt es in den Schatten des Gottesgnadentums treten, das mittels der Weihe durch geistliche Hand gewiß wird. Wie die Aufgaben des Königs in exterioribus zu denken sind, läßt der Ordo gleichfalls erkennen. C ultor Dei heißt: iustitia, aequitas, misericordia, pietas üben, die Stolzen demütigen, die Schwachen, besonders die Witwen und Waisen schützen, kurz: alle die Eigenschaften bezeigen, welche die Zeit von einem rex iustus erwartete (passim, bes. § 19, zr). Defensor der Kirche120 bedeutet: die Kirche (S. 272:) mit den ihr anhangenden Völkern zu nähren, zu lehren, zu festigen und zu unterrichten, gegen alle ihre Feinde ein festes Regiment zu führen und die Eintracht wahren Glaubens und Friedens herzustellen (§ 11). Deshalb kann er auctor ac stabilitor christianitatis et christianae ftdei (§ zo) genannt werden121 • Im besonderen gehört zu dieser Aufgabe 115 Vgl. Bd. I S. 79ff.: »Mitherrschaft im Himmel«: Ein Topos des Herrscherkults in christlicher Einkleidung. Der Papst als mediator: m. Dei et hominum, .tpeculator animarum in einem Brief des Papstes Paul I. von 758 (Mon. Germ., Epist. III s. 5I 3 z. 19). I I 6 In der Fassung II ist in § 7 eingesetzt: regnum tibi a Deo concessum.
II7 Vgl. oben S. 69f. rr8 In der Fassung II ist der Wahlgedanke auf Gott übertragen. Eine Bitte der Litanei lau-
tet: ut hunc famu!um tuum N. ad regem eligere digneris, te rogamus (§ 6). Ir 9 V gl. § 2 5 : !ocum .. . , quem hucusque paterna .tuccessione tenuisti; s. auch § rr: ad paternum decenter solium . .. conscendere mereatur. 120 Die Fassung II erweitert den Ausdruck in § 7 zu: tutor et defensor. BöGL a. a. 0. S. 62 bringt einen Beleg aus D. 0. III. 206 bei. Die Theorie vom König als Kirchenvogt fehlt bezeichnenderweise. 121 Eine ähnliche Formel kann ich vorher nicht belegen, aber ich vermute Vorstufen.
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A 2: Ablauf der Königsweihe nach dem »Mainzer Ordo« (um 96o)
der Kampf gegen die Glaubensfeinde. Sie soll er verfluchen und vernichten (§ I9); gegen sie wird für ihn um Sieg gebeten (Ben. 3). So ist er der Vorkämpfer der Kirche und ihrer Getreuen (§ I9), für den immer wieder Triumph und Frieden erfleht wird, und so hat er denn auch vor seiner Weihe zu versichern, daß er die Kirchen, ihre Leiter und das ganze Volk verteidigen wolle: defendere, aber auch: regere (§ 7). Der König regiert die Kirchen! Daß die Fassung II diesen Anstoß beseitigte, ist schon an anderer Stelle hervorgehoben worden122 • Aber es ist kein »lapsus calami«; denn in Ben. reg. I heißt es: ad decorem totius regni statumque sanctae Dei ecclesiae regendum necnon protegendum. Daß diese Auffassungen vorgebildet waren, soll uns nicht noch einmal beschäftigen; denn hier kommt es nur auf den Nachweis an, daß dem »Mainzer Ordo« eine in sich geschlossene politische Grundansicht eigen ist: der König rypus, d. h. vicarius Christi, am bischöflichen Amt in exterioribus teilhaftig, Verteidiger, Vorkämpfer und Regent der Kirche, Mittler zwischen Klerus und Volk - so fügen sich die im Ordo verstreuten Wendungen trotz ihrer verschiedenen Herkunft zusammen. Oder überspannen wir die Auslegung? Wir sahen, daß alles bis ins einzelne überlegt ist; bei den Abänderungen der Vorlagen ist jedes Wort abgewogen. Und so haben es ( S. 273 .") auch die Nachfahren aufgefaßt. Hier sei nur an den »Normannischen Anonymus« (früher: »von York«) erinnert, der um I Ioo für die ungemein weitreichenden Ansprüche des anglo-normannischen Königtums eine Begründung findet, indem er eine der Krönungsformeln bis in die einzelnen Wendungen mit der entsprechenden der Bischofsweihe vergleicht123 • Vor allem deshalb ist es berechtigt, jedes Wort zu wägen, weil es sich um einen liturgischen Text handelt und noch dazu um einen von ganz besonderer Würde. Alle andern Aussagen, aus denen man sonst versuchen kann, die Staatsdoktrin des IO. Jahrhunderts wieder aufzubauen, sind gebunden durch besondere Umstände. Briefe möchten gewinnen und überzeugen; Geschichtswerke sind durch Tendenzen bestimmt; Gedichte wollen verherrlichen usf.l 24 Die Mainzer Formeln aber sollen immer und überall gültig sein und haben das auch in weitem Umfange erreicht. Sie dienen dem feierlichsten Augenblick im Leben des Königs; was bei ihnen gesagt 122 Vgl. oben S. 64f. (S. 24If.).- Wegen ihrer Bedeutung für die hier kirchlich gefaßten Renovatio-Vorstellungen seien vermerkt die Stellen: [ rexJ ad ... concordiam eorum animos . . . rejormet (§ 10), desolata restaures, restaurata conserves (§ 14); s. auch § 30: [Christus], qui ... visitare ac renovare hunc dignatus est mundum.
u3 K. PELLENS, Die Texte des Norm. A., Wiesbaden 1966 (Veröffentl. des Inst.s f.
Europ. Gesch., Mainz, Bd. 42) S. 121ff., S. 167ff. (Ordo-Text). 124 Vgl. hierzu die Bemerkungen bei M. L1NTZEL, Liudprands Stellungzur KaiserpoL a. a. 0. S. 57ff. (jetzt: Ausgewählte Schriften II, Berlin 1961 S. 385 ff.), die sich mit meiner Auffassung decken, wenn dort auch ein Buch von mir unter den Gegenbeispielen aufgezählt ist.
Die Grundanschauung des »Mainzer Ordo«
wird, ist ein »Staatsakt«. Neben diesen Formeln sind alle anderen Zeugnisse nur Spiegelbilder, gebrochen in dem Licht einer einmaligen Lage125 • Denn was der »Mainzer Ordo« vorbringt, ist die »offizielle Theorie«, formuliert von kirchlichem Munde. Daß sie trotzdem so weitgehende geistliche Ansprüche des Königs enthält, zeigt, daß die zugesetzten Klauseln keine große Bedeutung haben. Wir dürfen deshalb ( S. 274.) sagen: die Doktrin des Ordo ist im wesentlichen die Auffassung des Königtums, in die Otto I. hineingewachsen ist und die seine Nachfolger zu der ihren gemacht haben. Kurz nach seiner Kaiserkrönung erneuerte Otto I. der römischen Kirche die Karolingischen Pakte, von denen Otto III. das Kaisertum vergeblich zu befreien suchte126 • So blieb das »Ottonianum« die »Magna Charta« des Imperium. Kurz vorher entstand der »Mainzer Ordo«, der zwar einem andern Genus der Rechtsaufzeichnungen angehört, aber doch als das große Dokument des Regnum dem »Ottonianum« gegenübergestellt werden kann. Wie dieses bildet er die Grundlage für Jahrhunderte - ja durch seine Wirkung über die Grenzen des Imperiums hinaus hat er etwas vom Ottonischen Königsrecht und von Ottonischer Auslegung des Herrscheramtes zum Gemeingut des mittelalterlichen Abendlandes gemacht. 125 In den letzten Jahrzehnten ist die in der Liturgie geborgene Herrscherauffassung stärker beachtet worden; vgl. H. HIRSCH, Der mittelalterliche Kaisergedanke in den liturgischen Gebeten, in Mitteil. d. österr. Inst.s f. Geschichtsforsch. 44, I930 S. 1-20 (jetzt: Aufsätze zu ma.lichen Urkundenforschung, Darmstadt 1965 S. I ff.);
C. ERDMANN, Der Heidenkrieg in der Liturgie u. die Kaiserkrönung Ottos I., ebd. 46, I932 s. 129-42; G. TELLENBACH, Römischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des frühen Mittelalters, Beideiberg I934 (Sitz.ber. der Heidelberger Akad., Phil.-Hist. Kl. I934/5, s. Abh.). Iz6 ScHRAMM,Renovatio a.a. 0. I S. 7of., r66f.
ANHANG I:
Dm
TExTE DES >MArNZER ÜRDO< UND SEINER VoRLAGEN
a) Die Vorlagen I.
Der» Frühdeutsche Ordo«
Ediert von C. ERDMANN, Forschungen zur polit. Ideenwelt des Frühma.s, Berlin I95I S. 83-87 (dazu C. A. BouMAN, Sacring and Crowning, Groningen I957 S. 30ff.); ferner von C. VoGEL-R. ELZE, Le Pontifical Romano-Germanique du xe siede. Le Texte I, Citta del Vaticano I963 (Studie Testi 226) S. 259-26I: LXXII A. I. Die endgültige Ausgabe erwarten wir von R. ELZE in der von ihm für die Mon. Germ. Bist. vorbereiteten Edition der deutschen Königsordines. Vgl. dazu C. VoGEL, Le Pontifical Romano-Germanique du xe siede. Elements constitutifs avec
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
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indications des sections imprimees, in der Revue des sciences religieuses 1958, S. rr3-r67; DERS., Precisions sur Ia date et l'ordonnance primitive du pontifical romano-germanique, in: Ephemerides liturgicae 74 (r96o) 145-r62.
Die Gebetsformeln dieses Ordo stammen aus den damals benutzten Sakramentaren. Eigen ist ihm nur der eine zentrale Stellung einnehmende Abs. I I, der zwar einzelne Wendungen aus Sakramentaren enthält, aber allem Anschein nach erst für diesen Ordo verfaßt wurde. Für den Aufbau ist der Kaiserordo B (Cencius I; dessen Text s. unten S. I9zf.) herangezogen. Dagegen läßt sich nicht die Benutzung eines der westfränkischen Ordines nachweisen. Die Heimat des Textes ist demnach - wofür auch die Überlieferung spricht- in Deutschland zu suchen. Die in diesem Ordo vertretene Königsidee ist jedoch nicht so prägnant, daß sie Rückschlüsse auf die Datierung erlaubte. Man wird sich mit der Feststellung begnügen müssen, daß seit 9 36 Salbung, Krönung und Investitur mit den Herrschaftszeichen im Ostreich ein aktuelles Problem darstellten. Den Text unmittelbar mit Ottos I. Weihe in Beziehung zu setzen, darf man - leider! - nicht wagen, da in diesem Falle ein Hinweis darauf, daß es sich um einen Königssohn handelte, zu erwarten wäre. Wurde er vor diesem Ereignis, wurde er erst nach ihm- was wahrscheinlicher ist- niedergeschrieben? Jedenfalls war der Verfasser darauf bedacht, daß sein Ordo überall verwendbar war. Erläuterung zum Abdruck: »M. 0. I« usw. verweist auf den Platz, den die Abschnitte dieses Ordo im »Mainzer Ordo« (s. unten: b) erhalten haben.
(LXXII. Appendix I) Incipit ordo ad regem benedicendum quando novus a clero et populo sublimatur in regnum. I.
Primum enim exeunte illo thalamum, unus episcoporum dicat hanc orationem:
Omnipotens, sempiterne Deus, qui famulum ... non recedat. Per. ( = M. 0. I).
z. Postea suscipiant illum episcopi dextra laevaque honorifice parati, habentes sanetarum reliquias collo pendentes. Ceteri autem clerici casulis adornati, precedente sancto evangelio et duabus crucibus cum incenso boni odoris, ducant illum ad ecclesiam, turba clericorum canente responsorium cum versu. Resp.: Ecce mitto angelum meum. Vers. Israhel etc. Vulgo autem sequente (= M. 0. z). 3. ad ostium ecclesiae clerus subsistat, et alius episcopus dicat hanc sequentem orationem: Deus, qui scis ... prodesse. Per. ( = M. 0. 3). ( S. 26o:) 4· Introeuntes autem precedentes clerici ... introitum chori ( = M. 0. 4).
5· Tune episcopus sedis illius dicat hanc subsequentem orationem: Omnipotens, sempiterne Deus, caelestium ... mereatur. Per. ( = M. 0. 5).
Der »Frühdeutsche Ordo«
6. Ibi enim ante chorum designatus princeps . . . et cetera usque in finem huic benedictioni convenientia ( = M. 0. 6, recensio I). (=
7· Finita autem letania erigant se. Sublatus autem princeps ... Fiat, ftat. Amen. M. 0. 7-9, recetuio I). 8. Postea eo devote inclinato, dicatur ab uno episcopo haec oratio: Benedic, domine,
hunc regem nostrum ... glorietur in regno. Quod ipse prestare ( = M. 0.
10).
9· Deinde ab altero episcopo hec sequitur oratio: Deus, inenarrabilis auctor mundi, ... in pace victores. Quod ipse prestare. ( = M. 0. 12). 10.
Tune demum ab episcopo sedis illius ... brachiorum ipsius (= M. 0.
15,
recensio I), 11. et dicatur oratio. (Per omnia secula seculorum. R. Amen. Dominus vobiscum. Et cum spiritu tuo. Sursum corda. Habemus ad dominum. Gratiasagamus domino Deo nostro. Dignum et iustum est. Vere dignum et iustum est aequum et salutare nos tibi semper et ubique gratias agere, domine, sancte pater, omnipotens eterne) Deus, qui es iustorum gloria ... ad gattdia aeterna mereatur. Per eundem (= M. 0. 17).
12. Postea ab episcopis ensem accipiat, ut cum ense totum regnum sibi fideliter ad regendum secundum supradicta verba sciat esse commendatum (= M. 0. 19,
initium).
Accinctus autem ense, similiter ab illis armillas et pallium baculumque accipiat M. 0. 20, initium). Postea episcopus sedis illius verenter coronam capiti regis imponat ( = M. 0. 22,
(=
initium).
Et ab eo statim dicatur benedictio super eum, quae tempore synodi super regem dicenda est (= M. 0. 23, initium). 13. Benedicat tibi dominus ... super te. Resp. Amen.(= M. 0. 23).
14· Deinde coronatus honorifice de altari per chorum ducatut ab episcopis usque ad solium ( = M. 0. 24, initium), dans illis oscula pacis ( = M. 0. 26). Cunctus autem coetus clericorum tali rectore gratulans sonantibus signis, alta voce concinant: TeDeum. (= M. 0. 27). Tune episcopus sedis illius missam celebret plena processione. ( = M. 0. 28). Sequitur ordo missarum, si in feria evenerit, sed melius et honorabilius est die dominico. 15. Deus qui miro ordine ... placere valeat. Per. (= M. 0., Ordo miss. 1). 16. Secreta. Concede, quaesumus ... reddatur acceptus. Per. ( = M. 0., ebd. 2). 17. Post communionem. Haec, domine, salutaris ..• dispensatione redemptus. Per. (=
M. 0., ebd. 4).
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
Item alia missa. 18. Deus cuius regnum ... regna precellant. Per. ( = M. 0., ebd. Missa 1). 19. Secreta. Sacrificiis, domine, ... indulge. Per. ( = M. 0., ebd. 2). 20. Post communionem. Deus, qui diligentibus te ... inpediri. Per. ( = M. 0., ebd. 3).
2.
Der »Ordo der Sieben Formeln«
(»Order of Stavelot«, d. h. Stablo) Zuerst gedruckt von C. ERDMANN a. a. 0. S. 87-9 (dazu BauMAN a. a. 0. S. 2 r ff.), dann von VoGELELZE a. a. 0. S. z6r (LXXII App. II). Über die von R. ELZE vorbereitete Edition s. bei Ordo r.
Trotz seiner Kürze handelt es sich um einen in sich geschlossenen Text. Gekennzeichnet ist er dadurch, daß er die westfränkischen Krönungsformeln zwar nicht wortgetreu übernimmt, aber sich an sie anschließt. Die Feder führte ein selbständiger Kopf, der die Bibel genau beherrschte und daher zahlreiche Zitate oder Wendungen aus ihr in seinen Text einzubauen verstand. Da auch seine Königsauffassung der westfränkischen nähersteht als der ostfränkischen, wird man ihn im Westen beheimaten dürfen. Aber die Frage, wann er seinen Ordo aufsetzte, blieb bisher in der Luft hängen (genauso wie bei dem »Westfränkischen Ordo«, in dem die von Hinkmar geförderte Entfaltung des westfränkischen Krönungszeremoniells ihren Höhepunkt erreicht hatte). Carl Erdmanns resignierende Feststellung lautete, daß das ein oder zwei Menschenalter vor der Redaktion des »Mainzer Ordo« (also vor »um 96o«) geschehen sein mag. Wir verweisen jetzt auf die Formel für die Thronsetzung (7 = M. 0. 25), weil sie voraussetzt, daß der Vater König war1 • Aus diesem Gegensatz zwischen dem vor der Krönung bestehenden Anrecht des Coronandus ( hucusque) und der soeben erfolgten Einweisung in die Herrschaft (praesentem traditionem) möchten wir auf eine bestimmte Krönung schließen 2 • Am 19. Juni 936 wurde Ludwig IV. Transmarinus in Laon vom Erzbischof Artald von Reims gesalbt und gekrönt: voraus ging ein halbjähriges Interregnum, in dem nur der aus England zurückgekehrte Ludwig Anrechte auf den Thron anmeldete, da der Gegenkönig Rudolf keinen Sohn hinterlassen hatte (für die Anhänger seines Geschlechts war der Erbanspruch bereits 929 in Kraft getreten, als Karl der Einfältige I
2
Dies traf nur auf die Nachkommen Karls des Kahlen zu (Ludwig II. sowie seine drei Söhne, Ludwig IV. und Lothar), nicht jedoch auf die drei Gegenkönige (Odo, Robert und Rudolf); aus dieser Feststellung ergibt sich jedoch kein Anhalt für das Alter des Ordo. Wir übersetzen den entscheidenden Satz so:
»Stehe und behalte den von dir bisher aufgrund der Vaterfolge kraft des Erbrechts gehaltenen Platz, der dir übertragen worden ist durch die Autorität des allmächtigen Gottes und unsere (d. h. aller Bischöfe und der übrigen Diener Gottes) nunmehrige Übergabe«.
Der »Ordo der Sieben Formeln«
gestorben war). - Bei den übrigen Krönungen der in Betracht kommenden Zeit, hat kein Anlaß zu solcher Unterscheidung zwischen hucusque und praesens traditio bestanden. Mit der gebotenen Vorsicht bringen wir den »Ürdo der sieben Formeln« mit der Krönung des Jahres 9 3 6 zusammen, die bis zum Jahre 987 wieder das Erbrecht in Kraft setzte. Trifft dieser Schluß zu, dann kann dieser Ordo kaum auf die Krönung Ottos I. eingewirkt haben, da diese nur sieben Wochen später stattfand. Mit noch größerer Vorsicht hängen wir an diese Vermutung noch eine weitere. Vom »Erdmannschen« (Westfränkischen) Ordo, der aus der Kirche von Sens stammt, ließ sich bisher (wie in Band II Seite r6off. festgestellt wurde) nur sagen, daß er nach 88o und vor 96o verfaßt sein muß. Lesen wir ihn jetzt mit geschärften Augen, fällt auf, daß er - im Gegensatz zu dem mit Reims zusammenhängenden »Ürdo der sieben Formeln« - trotz seiner Länge an keiner Stelle einen Hinweis auf königliche Abstammung enthält. Die Tatsache, daß dieses Formular aus älteren Formeln zusammengebaut ist, entwertet diese Feststellung nicht; denn einiges ist ja neu und wenn solche Abstammung für wichtig angesehen worden wäre, hätte sich leicht eine entsprechende Wendung einfügen lassen. Dieser Befund führt zu dem Schluß, daß der Ordo mit den Krönungen der beiden Gegenkönige des ro. Jahrhunderts zusammenhängen muß: Robert (922) und Rudolf (923), die beide der Erzbischof von Sens leitete3 - wobei wir wiederum die Frage offenlassen, ob der Ordo im Hinblick auf diese Königsweihen oder auf sie rückschauend aufgesetzt wurde. Das würde darauf hinauslaufen, daß wir unsere notgedrungen vage Datierung: »um 900« durch die präzisere: »um 920/25« ersetzen könnten - womit die Möglichkeit gegeben ist, daß der »Erdmannsche Ordo« für die ein Dutzend Jahre später vollzogene Krönung Ottos I. zu Rate gezogen wurde. Vermutungen sind immer gefährlich; aber in diesem Falle seien sie vorgebracht, weil noch immer die Hoffnung besteht, daß uns eines Tages durch die Entdeckung einer weiteren Handschrift oder durch Abschriften der bekannten Texte eine festere Grundlage beschert werden könnte. In vier Formeln von Ordo 2 klingt der von uns in Bd. I S. 79-84 verfolgte Gedanke der Mitherrschaft des Herrschers im Himmel nach seinem Tode an. Der »Ordo der Sieben Formeln« ist mit dem angelsächsischen »Leofric-Ordo« (vgl. Bd. II S. 223 ff.) zu einem zuerst im I I. Jahrhundert bezeugten Text kombiniert, für den sich der Name »Lombardischer Ordo« eingebürgert hat: »die beiden Bestandteile sind ohne wesentliche Zutaten oder Fortlassungen ineinander geschoben« (Erdmann a. a. 0. S. 57). »M. 0. I I« usw. verweist auf den Platz, den die Abschnitte des Ordo im »Mainzer Ordo« (s. unten: B) erhalten haben. Er hatte bereits Odo gekrönt (888); aber wir kennen den bei diesem Anlaß benutzten Ordo
(vgl. Band II Seite 2IIff.). Demnach scheidet diese Krönung aus.
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
(LXXII. Appendix II.) Ordo qualiter rex ordinari debet. I. Omnipotens, eterne deus, creatur omnium, imperator ange!orum ... sa!usque popu!orum. Qui tecum vivit (= M. 0. n).
2. Sacri unctio olei. Deus Dei ft!ius Iesus Christus qui solus sine peccato rex regum vivit et g!oriatur cum Deo patre in unitate. ( = M. 0. I 8). 3· Corone regalis impositio. Accipe coronam regni ... sine ftne g!orieris. Qui vivit et imperat Deus, cum Deo patre, in unitate. ( = M. 0. 22). 4· Sceptri traditio. Accipe virgam virtutis atque equitatis ... pre participibus suis, Iesutn Christum dominum nostrum, qui vivit et regnat ( = M. 0. 2I). 5. Anuli traditio. Accipe regie dignitatis anulum ... per evutJJ. Cui est honor. ( = M. 0. 2o).
6. Gladii traditio. Accipe gladium ... merearis regnare. Qui cum patre ( = M. 0. I9)· 7· Regii status designatio. Sta et retine amodo locum cum Deo patre. (= M. 0. 25).
et dominus dominantium. Oui
b) Der »Mainzer Ordo« Meine Edition, die ich meinem Aufsatz »Die Krönung in Deutschland bis ... 1028« (s. Bd. II S. 287ff., oben S. 33 ff., Io8ff.) S. 309-24 (NachtragS. 332) anhängteund durch das Gerüst der »Überarbeitung des Mainzer Ordo um rund 98o« ergänzte (S. 325-32), ist überholt4 durch den von Carl ERDMANN geführten Nachweis, daß es sich bei diesem Text um eine Kompilation aus den beiden vorstehend abgedruckten Ordines handelt: dem »Frühdeutschen Ordo« und dem »Ordo der Sieben Formeln«, die beide ohne Auslassung in den »Mainzer Ordo« eingeschmolzen worden sind. Genauen Einblick in diese Beziehungen erwarten wir von der Ausgabe der deutschen Krönungsordnungen, die Reinhard ELZE - seine Ausgabe der Kaiserordines (s. unten S. I8I) abrundend- für die Mon. Germ. Hist. vorbereitet. Bis dahin ist maßgeblich der Abdruck bei VoGEL-ELZE, a. a. 0. S. 246-58: LXXII (Königsordo); S. 262-3: LXXIII. Ordo missarum; S. 263: LXXIV. Alia missapro rege; S. 267-9: LXXVIII. Benedictio reginae (hier eine andere Bezifferung, da die missae für sich numeriert sind und die von mir- S. 325-32 - als »Überarbeitung um rund 980« abgesetzten Zusätze mit der Stammfassung zusammengefaßt sind). Ich mußte mich als Vorlage mit dem Abdruck des Ordo bei Georg WArTz (r873) begnügen. Die jetzt maßgebende Ausgabe beruht auf den neun Handschriften des Pontifikale, die M. ANDRIEU und 4 Nachdem die Annahme einer Frühfassung Widukin.ds, mit der ich früher rechnen durfte, inzwischen von der Forschung fallengelassen
worden ist, fällt auch weg, was ich über eine Einwirkung von Widukinds Bericht auf den »Mainzer Ordo« ausführte.
Der »Mainzer Ordo«
93
C. VoGEL in umfassender Arbeit als die ältesten und verläßlichsten aus einer Fülle von Abschriften ausgesondert haben (dazu kommt noch eine 1568 von HrTTORP veröffentlichte, mehrfach nachgedruckte Fassung). Bei VoGEL-ELZE ist berücksichtigt, daß von den Handschriften B, G, Kund L (hier abgekürzt: »I«) an einzelnen Stellen die Handschriften C, D, R, T, V sowie der von HrTTORP gedruckte Text (hier abgekürzt: »II«) abweichen. Gelegentlich handelt es sich außerdem noch um Unterschiede zwischen C, D, V und R, T, HrTTORP: wir kennzeichnen diese Gruppen mit »Ila« und »Ilb«. Der Stammtext sonderte sich im Zuge der vielen von ihm angefertigten Abschriften also sehr bald in mehrere Stränge; die Erweiterungen, die sich hier und da ergaben, erfaßten dann nicht alle Exemplare (meine Annahme, es sei eine »Überarbeitung« vorgenommen, sah die Lage zu einfach an). Die Zählung der Abschnitte bei VoGEL-ELZE ist beibehalten, die von mir benutzte in Klammern beigefügt, um Zitate aus der Zeit zwischen den beiden Editionen leichter verifizierbar zu machen. Weggelassen (weil in unserem Zusammenhang nicht erforderlich) ist der umfangreiche Variantenapparat, durch den die neue Ausgabe eine kritische Grundlage erhalten hat. Ich machte in meiner Ausgabe kenntlich, welche Formeln bzw. Wendungen auf Sakramentare, ältere Ordines usw. zurückgehen. Diese Angaben betreffen jetzt nicht mehr den »Mainzer Ordo«, sondern die beiden Texte, aus denen er zusammengesetzt ist.
Konkordanz der drei Ordines Der »Mainzer Ordo« ist auf folgende Weise zusammengefügt (A I = Der Frühdeutsche Ordo; A 2 = Der Ordo der sieben Formeln; auf den vorausgehenden Seiten abgedruckt). Benutzt sind ferner folgende Abkürzungen; Sacr. Gelas. = Sog. erweitertes Sacramentarium Gelasianum, 2. Hälfte des 8. Jahrh.s; nach der Hs. von Angouleme gedruckt von P. CAGIN, Le sacramentaire Gelasien d'A., ebd. o. J. (19r8). Sacr. Greg. = Sacramentarium Gregorianum, bearbeitet und erweitert von Alcuin; vgl.: The Gregorian Sacramentary under Charles the Great, ed. by H. A. WrLSON, London 1915 (Henry Bradshaw Society 49). Fuld. Sakr. = Fuldaer Sakramentar, zusammengestellt in der ersten Hälfte des ro. Jahrh.s; vgl. Sacramentarium Fuldense saec. X. Festgabe für Georg Kardinal Kopp, hg. von G. RrcHTER und A. ScHÖNFELDER, Fulda 1912 (Quellen u. Abhandl. zur Gesch. der Abtei u. der Diözese Fulda IX). Mainzer Sakr. = Mainzer Sakramentar des 9· Jahrh.s im Cod. Mainz. Bibl. des Bischöfl. Predigerseminars H-S/r, geschrieben für das Mainzer Kloster St. Alban; nur eine Entsprechung (vgl. »Missa« Abs. 3). Bezifferung nach VoGEL-ELZE (in Klammern die von mir 1935 benutzte): ( ( ( ( 4 5 ( 6 rec. I ( 2
r) 2) 3) 4) 5) 6)
(7-8) IO
( 9)
II
(ro) (r r)
I2
Ordo Ar Abs. r; vgl. Sacr. Greg. (S. r87): missa in tempore sinodi. Ordo Ar Abs. 2. Ordo Ar Abs. 3; vgl. Sacr. Greg. (S. r88): missa in tempore sinodi. Ordo Ar Abs. 4· Ordo Ar Abs. 5; vgl. Sacr. Greg. (S. r88): missa in tempore sinodi. Ordo Ar Abs. 6. Der Wortlaut der in der Fassung II angeführten Bitten ähnelt dem der Königslitaneien. Ordo Ar Abs. 7· Ordo Ar Abs. 8; vgl. Sacr. Gelas., auch Ordo von 878. Ordo A2 Abs. r; vgl. Westfränk. Ordo Abs. 5· Ordo Ar Abs. 9; vgl. Sacr. Gelas., auch Kaiserordo B Abs. 2.
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
94 13
(I2a)
14 !5 r6
(I2b) (r 2) (r2c) (12) (13) (r4) (I 5) (r6) (!7) (r8) (19) (19) (2o)
I7 r8 19 20 2! 22 23 24 25 26-8
=
(Rec. II). Die Sätze »Unguantur etc.« aus dem Sacr. Gelas. (Rec. II); vgl. Sacr. Gelas. Ordo AI Abs. ro. (Rec. II); vgl. die Con;-ecratio episc. mit zum Teil ähnlichen Wendungen. ähnlich Fuld. Sakr. Nr. 1948. Ordo A2 Abs. 2. Ordo Ar Abs. 12 und Ordo A2 Abs. 6. Ordo Ar Abs. 12 und Ordo A2 Abs. 5· Ordo A2 Abs. 4· Ordo Ar Abs. I2 und Ordo A2 Abs. 3· Ordo Ar Abs. 12/r3; vgl. Sacr. Greg. (S. 315): Bened. s. regem in temp. syn. Ordo Ar Abs. 14. Ordo A2 Abs. 7· noch Ordo AI Abs. 14.
(LXXII.). Incipit ordo ad regem benedicendum, quando novus a clero et populo sublimatur in regnum. r. Primum exeunte illo thalamum unus episcoporum dicit orationem hanc.
Omnipotens sempiterne Deus, qui famulum tuum regni fmtigio dignatus es sublimare, tribue ei, quaesumus, ut ita in };uius seculi cursu cunctorum in commune saftdem disponat, quatinus a tuae veritatis tramite non recedat. Per.
z. Postea suscipiant illum duo episcopi dextera levaque honorifice parati, habentes sanctorum reliquias collo pendentes; ceteri autem clerici sint casulis adornati, praecedente sancto evangelio ( S. 247.) et duabus crucibus cum incenso boni odoris, ducant illum ad ecclesiam canentes responsorium; Ecce mitto angelum meum 5 , cum versu: Israel si me audieris 6 , cuncto eum vulgo sequente. 3· Ad ostium autem ecclesiae clerus subsistat et archiepiscopus dicat hanc sequentem orationem: Deus qui scis genus humanum nulla virtute posse subsistere, concede propitius, ut jamulus tuus N., quem populo tuo voluisti praeferri, ita tuo fulciatur adiutorio, quatinus quibus potuit praeesse, valeat et prodesse. Per. 4· Introeuntes autem praecedentes clerici decantent antiphonam: Domine salvum fac regem 7 usque in introitum chori. 5. Tune episcopus metropolitanus dicat hanc subsequentem orationem: Omnipote;;s sempiterne Deus, caelestium terrestriumque moderator, qui famulum tuum N. ad regni fastigiutn dignatus es provehere, concede, quaesumus, ut a cunctis adversitatibus liberatus et ecclesiasticae pacis dono muniatur et ad aeternae pacis gaudia, te donante, pervenire mereatur. Per. 5 Vgl. Exod. 23, 20. 6 Psalm 8o, 9·
7 Vgl. Psalm 19,ro.
Der »Mainzer Ordo«
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6. Ibi autem ante chorum designatus princeps pallium et arma deponat atque inter manus episcoporum perductus in chorum usque ad altaris gradus incedat, cunctoque pavimento tapetibus et palliolis contecto, ibi humiliter totus in cruce prostratus iaceat, (S. 248:) una cum episcopis et presbiteris hinc inde prostratis, ceteris in choro letaniam breviter psallentibus, id est XII apostolos ac totidem martyres, confessores et virgines,
I:
II:
et cetera usque in finem huic benedictioni convenientia.
et inter cetera inserenda sunt ista: Ut hunc Jamulum tuum N. in regem eligere digneris. Te rogamus. Ut eum benedicere et sublimare digneris. Te rogamus. Ut eum ad imperii jastigium perducere digneris. Te.
Finita autem laetania erigant se.
7· Sublatus autem princeps interrogetur ab episcopo metropolitano, si sanctas Dei aecclesias ac rectores ecclesiarum necnon et cunctum populum sibi subiectum iuste ac religiose regali providentia iuxta morem patrum suorum defendere ac regere velit. Illo autem profitente in quantum divino fultus adiutorio ac solatio omnium fidelium suorum v;aluerit, ita se per omnia fideliter acturum esse,
(S. 249.')
IIa:
IIb:
7· Sublatus autem princeps interrogetur ab episcopo metropolitano hoc modo:
7· Finita letania erigant se episcopi sublevatumque principem interraget domnus metropolitanus his verbis:
Vis sanctam jidetJJ a catholicis viris tibi tradita111 tenere et operibus iustis observare? R. Volo. Vis sanctis aecclesiis aecclesiarumque ministris tutor ac defensor esse? R. Volo. Vis regnutn tibi a Deo concessum secundum iustitiam patrum tuorutll regere et defendere?
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
R. Volo et in quantum divino fultus adiutorio ac solacio omnium ftdelium suorum valuero, ita me per omnia ftdeliter acturum esse promitto. 8. ipse episcopus affatur populum, si tali principi ac rectori se subicere ipsiusque regnum firma fide stabiHre atque iussionibus illius obtemperare velint
8. Deinde ipse domnus metropolitanus affatur populum his verbis: Vis tali principi ac rectori te subicere ipsiusque regnum firmare ftrma ftde stabiHre atque iussionibus illius obtemperare,
iuxta Apostolum: »Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit regi quasi praecellenti? 8« ( S. 2 J o .') 9· Tune ergo a circumstante clero et populo unanimiter dicatur: Fiat, Fiat. Amen. 10.
Postea vero, eo devote inclinato, dicatur ab uno episcopo hec oratio:
Benedic, domine, hunc regem nostrum, qui regna O!ltnium moderaris a seculo et tali eum benedictione gloriftca, ut Dmidicae teneat sublimitatis sceptrum et gloriftcatus in eiusprotinus reperiatur merito. Da ei tuo inspiramine cum mansuetudine ita regere populum, sicut Salomonem fecisti regnum obtinere pacijicum. Tibi semper cum timore sit subditus tibique mi!itet cum quiete. Sit ftto clipeo protectus cum proceribus et ubique tua gratia victor existat. Honorijica eum pre cunctis regibus gentium, felix populis dominetur et feliciter eum nationes adornent. Vivat inter gentium catervas magnanimus. Sit in iudiciis equitatis singularis. Locup!etet eum tua praedives dextera. Frugiferam optineat patriam, et eius liberis tribttas projutura. Presta ei prolixitatem vitae per tempora et itz diebus eius oriatur iustitia. A te robttstum teneat regiminis solium et cum iocmtditate et iustitia aeterno gloridur in regno. Per. 1
r. Alia. Omnipotens aeterne Deus, creator Ollmium, imperator angelorum, rex regnantium,
dominusque dominantium, qui Abraham fidelem famulum tuum de hostibus triumphare fecisti, Moysi et losuae populo praelatis multiplicem victoriam tribuisti, humilemque David puerum tuum regni fastigio sublimasti, et Salomonem sapientiae pacisque ineffabili munere ditasti, respice, quaesttmus, ad preces humilitatis nostrae et super hunc famulum tuum N., quem supplici devotione in regellJ elegimus, benedictionum tuarum dona mtiltiplica, eumque dextera tuae potmtiae semper et ttbique circumda, (S. 2 f I:) quatinus praedicti Abrahae ftdelitate firmatus. Mqysi mansttetudiditte fretus, Iosue.fortitudine munitus, David humilitate exa!tatus, Salomo11is sapimtia decoratus, tibi in omnibus placeat et per tramitem iustitiae inoffenso gressu semper incedat ecclesiamque tuam deinceps cum plebibus sibi annexis ita enutriat ac doceat, muniat et instruat, contraque omnes visibiles et invisibiles hostes eidem potenter regaliterque tuae virtutis regimen administret et ad verae ftdei pacisque concordiam eorum atzimos, te opitulante, reformet, 8 Vgl. Rom 3, r; I. Petri z, 13.
Der »Mainzer Ordo«
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ut, horum popuforum debita subiectione fultus, condigno amore gloriftcatus, ad paternum decenter solium tua miseratione conscendere mereatur,- tuae quoque protectionis galea munitus et scuto insuperabili iugiter protectus armisque caelestibus circumdatus, optabilis victoriae triumphum jeliciter capiat terroremque suae potentiae infidelibus inferat et pacem tibi militantibus laetanter reportet, per dominum nostrum qui virtute sanctae crucis tartara destmxit, regnoque diaboli superato, ad caelos victor ascendit, in quo potestas omnis regumque consistit victoria, qui est gloria humilium et vita salusque populomm, qui tecum vivit. 12.
Deinde ab altero episcopo hec dicatur oratio:
Deus, imnarrabilis auctor mundi, conditor generis humani, gubernator imperii, confirmator regni, qui ex utero fidelis amici tui patriarchae nostri Habrahe praeelegisti reges seculis profuturos, tu presentem regem hunc cum exercitu suo, per intercessionem omnium sanctorum, ubere benedictione locupleta et in so!ium reg;;i firma stabilitate conecte. Visita eum sicut Moysen in rubo, lesu Nave in praelio, Gedeon in agro, Samuelem in templo, et illa eum benedictione siderea ac sapientiae tuae rore perfunde, quam beatus David in psalterio, Salomon filius eius, te remunerante, percepit e (S. 252.') caelo. Sis ei contra acies inimicorum lorica, in adversis galea, in prosperis patientia, in protertiane clipeus sempiternus, et praesta ut gentes illi teneant fidem, proceres sui habeant pacem, diligant caritatem, abstineant se a cupiditate, loquantur iustitiam, custodiant veritatem. Et ita popolus iste sub eius imperio pullu!et coalitus benedictione aeternitatis, ut semper maneant tripudiantes in pace victores. Ouod ipse praestare.
I:
Ilb:
Ila:
13. Tune
13. Tune domnus metropolitanus unguat de oleo sanctificato caput, pectus et scapulas ambasque compages brachiorum ipsius dicendo ita: Unguo te in regem de oleo sanctiftcato 9 in nomine patris et filii et spiritus sancti. Et dicant: Amen. Pax tibi. R. Et cum spiritu tuo.
Deinde unguat sibi maab episcopo metropolitano unguantur manus de oleo nus de oleo sanctificato ita dicendo: sanctificato: 9 Vgl. II. Reg. rz, 7· 7 Schramm, Aufsätze III
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
Unguantur manus iste de oleo sanctiftcato unde uncti Juerunt reges et prophetae et sicut unxit Samuhel David in regem, ut sis benedictus ( S. 2 J;:) et constitutus rex in regno isto, super populum istum quem dominus Deus tuus dedit tibi ad regendum ac gubernandum. Quod ipse. I4. Sequitur: Prospice, omnipotens Deus, hunc gloriosum regem lll. a serenis optutibus et sicut benedixisti Abraham, lsaac et lacob, sie illum Zargis benedictionibus spiritualis gratiae cum omni plenitudine tuae potentiae irrigare atque perfundere dignare. Tribue ei de rore caeli et de pinguedine terrae habundantim71 frumenti, vini et olei et omnium frugum opulentiam, ex largitate divini muneris longa per tempora, ut, illo regnante, sit sanitas corporum in patria, et pax inviolata sit in regno, et dignitas gloriosa regalis palatii maximo splendore regiae potestatis oculis omnium fulgeat, luce clarissima clarescat atque splendere, quasi splendidissima fulgura, maximo perfusa lumine videatur. Tribue ei, omnipotens Deus, ut sit fortissimus protector patriae et consolator ecclesiarum atque coenobiorum sanetarum maxime cum pietate regalis muniftcentiae, atque ut sit fortissimus regum, triumphator hostium ad opprimendas rebefies et paganas nationes, sitque suis inimicis satis terribilis prae maxima fortitudine regalis potentiae. Optimatibus quoque ac praecelsis, proceribusque ac ftdelibus sui regni sit magniftcus et amabilis et pius, ut ab omnibus timeatur atque diligatur. Reges quoque de luntbis eizts per successiones temporum futurarum egrediantur regnum hoc regere totum et, post gloriosa tempora atque felicia praesentis vitae gaudia sempitema, in perpetua beatitudine habe1·e mereatur. Quod ipse.
(S. 2J4·) (I:) I 5. Tune dem um ab episcopo sedis illius de oleo sanctificato unguantur caput, pectus et scapulae ambaeque compages brachiorum ipsius,
(IIa:) I 5. Postea ab episcopo metropolitano unguantur de oleo sanctificato caput, pectus et scapulae ambaeque compages brachiorum. Unguo te in regem de oleo sanctiftcato, in nomine patris et ftlii et spiritus sancti.
Der »Mainzer Ordo«
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II:
17. et dicatur sequens oratio:
r6. Sequitur. Spiritus sancti gratia, humilitatis nostrae offtcio, in te copiosa descendat, ut, sicut manibus nostris indignis oleo materiali pinguescis exterius oblitus, ita, eius invisibili unguine delibutus impinguari merearis interius, eiusque spirituali unctione perfectissime semper imbutus, et inlicita declinare tota mente et spernere discas seu valeas et utilia anitnae tuae iugiter cogitare, optare atque operari queas. Auxiliante domino nostro Iesu Christo qui cum Deo patre. 17. Deinde dicitur oratio:
Deus, qui es iustorum gloria et misericordia peccatorum, qui misisti ftlium tuum pretio.rissimo sanguine suo genus humanum redimere, qui conteris bella et propugnator es in te sperantium, et sub cttius arbitrio omnium regnorum continetur potestas, te humiliter deprecamur, ut praesentem Jamulum tuum N., in tua misericordia conftdentem, in praesenti ( S. 2 J J :) sede regali benedicas eique propitius adesse digneris, ut, qui tua expetit protectione dejendi, omnibus sit hostibus fortior. Fac eum, domine, beatum esse et 7Jictorem de inimicis suis. Corona eum corona ittstitiae et pietatis, ut, ex toto corde et tota mente in te credens, tibi deserviat, sanctam tuam aecclesiam defendat et sublimet,populumque a te sibi commissum iuste regat, nullus insidiantibus malis eum in iniustitiam t'ertat. Accende, domine, cor eius ad amorem gratiae tuae per hoc unctionis oleum, zmde unxisti sacerdotes, reges et prophetas, quatinus, iustiti.am diligens, per tramitem similiter iustitiae populum ducens, post peracta a te disposita in regali excellentia annorum curricula, pervenire ad ueternct gaudia mereatur. Per eundem. I 8. Item alia. Deus Dei ftlius, lesus Christus dominfls noster, qui a patre oleo exultationis unctus est prae participibus suis, ipse per praesentem sacri unguinis injusionem spiritus paracliti super caput tuum infundat benedictionem eandemque usque ad interiora cordis tui penetrare jaciat, quatinus hoc visibili et tractabili dono invisibilia percipere et temporali regno iustis moderaminibus exsecuto aeternaliter cum eo regnare merearis, qt~i solus sine peccato rex regum vivit et gloriatur cum Deo patre in unitate.
9· Postea ab episcopis ensem accipiat et cum ense totum sibi regnum fideliter ad regendum secund um supradicta verbasciat esse commendatum, dicente metropolitano: Accipe gladium per manus episcoporum licet indignas, vice tamen (S. 256:) et auctoritate sanetarum apostolorum co!tsecratas, tibi regaliter inpositutn nostraeqtte bemdictionis offtcio in defensionem sanctae Dei aecclesiae divinituJ ordinatum, et esto memor de quo psalmista propbetavif dicens: »Accingere gladio tuo super Jemur fttum potentissime10 «, ut in hoc per eundem I
ro Psalm 44, 4
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
IOO
vim equitatis exerceas, molem iniquitatis potenter destruas et sanctam Dei ecclesiam eiusque fideles propugnes ac protegas, nec minus sub ftde .falsos quam christiani nominis hostes exsecres ac destruas, viduas et pupillos clementer adittves ac defendas, desolata restaures, restaurata conserves, ulciscaris iniusta, conftrmes bene disposita, quatinus haec in agendo, virtutum triumpho gloriosus iustitiaeque cultor egregius, cum mundi salvatore, cuitts rypum geris in nomine, sine ftne merearis regnare. Qui cum patre.
zo. Accinctus autem ense, similiter ab illis armillas et pallium et anulum accipiat, clicente metropolitano: Accipe regiae dignitatis anulum et per hunc in te catholicae ftdei cognosce signaculum, quia, ut hodie ordinaris caput et princeps regni ac populi, ita perseverabis auctor ac stabilitor christianitatiJ et christianae ftdei, ut je fix in opere, locuples in ftde, cum rege regum glorieris per eum, cui est honor et gloria per inftnita secula seculorum. 2 r. Postea sceptrum et baculum accipiat, clicente sibi ordinatore: Accipe virgam virtutis atque aequitatis, qua intellegas mulcere pios et terrere reprobos, errantibus viam pandere, lapsis manum porrigere, disperdasque superbos et releves humi!es et aperiat tibi hostium Iesus Christusdominus noster, qui de se ipso ait: »Ego sum ostium, per me si quis introierit, salvabitur11«, et ipse qui est clavis David et ( S. 2 57:) sceptrum domus Israhel, qui aperit et nemo claudit, claudit et nemo aperit. Sitque tibi auctor, qui educit t'ittctum de domo carceris sedentemque in tenebris et umbra mortis, et in omnibus sequi merearis eum de quo David propheta cecinit: »Sedes tua, Deus, in seculum seculi, virga aequitatis, virga regni tui 12 .« Et imitando ipsum di!igas iustitiam et odio habeas iniquitatem, quia propterea unxit te Deus, Deus tuus, ad exemplum illius, quem ante secula unxerat oleo exultationis prae participibus suis, Iesum Christum dominum nostrum. Oui vivit. 22.
Postea metropolitanus verenter coronam capiti regis imponat, clicens:
Accipe coronam regni, quae licet ab indignis episcoporum tamen manibus capiti tuo imponitur, eamque sanctitatis gloriam et honorem et opus jortitudinis expresse signare intellegas et per hanc te participem ministerii nostri non ignores, ita ut, sicut nos in interioribus pastores rectoresque animarum intellegimur, tu quoque in exterioribus verus Dei cultor strenuusque contra omnes adversitates aecclesiae Christi defensor, regnique tibi a Deo dati et, per offtcium nostrae benedictionis in vice apostolorum omniumque sanctorum, tuo regimini commissi utilis executor regnatorque proftcuus semper appareas, ut inter gloriosos athletas, virtutum gemmis ornatus et praemio sempiternae felicitatis coronatus, cum redemptore ac salvatore Iesu Christo, cuius nomen vicemque gestare crederis, sine ftne glorieris. Qui vivit et imperat Deus, cum Deo patre, in unitate. 2 3. Et ab eo statim clicatur beneclictio super eum, quae et tempore sinodi super regem clicenda est:
I I
Joh.
IO,
9·
I2
Psalm 44, 7; vgl. Hebr. 3·
20,
I,
8.
I5
und Psalm
Der »Mainzer Ordo«
101
Benedicat tibi dominus, custodiatque te et, sicut te voluit super (S. 258:) populum suum esse regem, ita in praesenti seculo jelicem et aetemae felicitatis tribuat esse consortem. R. Amen. C!erum ac populum, quem sua voluit opitulatione in tua sanctione congregari, sua dispensatione et tua amministratione per diuturna tempora faciat feliciter gubernari. R. Amen. Quatinus dit1inis monitis parentes, adversitatibus carentes, bonis omnibus exuberantes, tuo imperio ftdeli amore obsequentes et in praesenti saeculo tranquillitate fruantur et tecum aeternorum civium consortio potiri mereantur. R. Amen. Quod ipse prestare dignetur, cuius regnum et imperium sine ftne permanet in saecula saeculomm. R. Amen. Benedictio Dei patris et jilii et spiritus sancti descendat super te. R. Amen. 24. Deinde coronatus honorifice per chorum ducatut de altari usque ad solium
I:
II:
dicente sibi metropolitano:
canente clero resp. Desiderium animae eius 13 • Deinde dicat sibi metropolitanus:
2 5. S ta et retine amodo locum quem hucusque paterna successione tenuisti, hereditario iure tibi delegatum per auctorztatem Dei omnipotentis et presentem traditionem nostram, omnium scilicet episcoporum ceterorumque Dei servorum. Et quanto eierum sacris altaribus propinquiorem perspicis, tanto ei potiorem in locis congruis honorem impendere memineris, quatinus, mediator Dei et hominum, te mediatorem cleri et piebis (S. 259:) II:
Hoc in loco sedere eum faciat domnus metropolitanus super sedem, dicendo: in hoc regni solio conftrmet et in regno aeterno secum regnare jaciat Iesus Christus dominus nostet, rex regum et dominus dominantium. Qui cum Deo patre et spiritu sancto vivit et regnat in saecula saeculorum. Amen.
26. Tune det illis oscula pacis. 27. Cunctus autem coetus clericorum tali rectore gratulans, sonantibus ymnis, alta voce concinat: Te Deum laudamus. 28. Tune episcopus metropolitanus missam celebret plena processione.
(LXXIII.) Ordo missarum. r. Oratio. Deus qui miro ordine universa disponis et ineffabiliter gubernas, praesta, quaesu13 Vgl. Psalm zo,3.
102
Anhang I: Text des »Mainzer Ordo« und seiner Vorlagen
mus, ut famulus tuus N. haec in huius saeculi cursu implenda decernat, unde tibi in perpetuum placere praevaleat. Per. 2. Secreta. Concede, quaesumus, omnipotens Deus, bis salutaribus sacriftciis placatus, ut jamulus tuus N. ad peragendum regalis dignitatis offtcium inveniatur semper idoneus et caelesti patriae reddatur acceptus. Per.
3· Benedictio pontificis. Omnipotens Deus, qui te populi sui voluit esse rectorem, ipse te caelesti benedictione sanctiftcans aeterni regni faciat esse consorfetn. Resp. Amen. Concedatque tibi contra omnes ftdei christianae, hostes visibiles atque invisibi!es victoriam triumphalem et pacis et quietis aecc!esiasticae je!icissimum te fteri Ionge !ateque fundatorem. Resp. Amen. Ouatinus te gubenzacula regni tenente, populis tibi subiectus christianae religionis iura custodiens, undique tutus pace tranquilla perjruatur et, te in concilio regum beatorum collocato, aeterna je!icitate ibidem tecum pariter gaudere mereatur. Resp. Amen. Quod ipse praestare dignetur cuius regnum. 4· Ad complendum. Haec, domine, sa!utaris sacriftcii perceptio jamu/i tui N., peccatorem macu!as di!uat et, ad regendum secundum tttam vo!untatettl popu!um, idoneum i!!um reddat, ut hoc sa!utari misterio contra visibi!es atque invisibi!es hostes reddatur invictus, per quod mundus est divina dispensatione redemptus. Per.
(LXXIV.) Alia missapro rege. 1. Deus, cuius regnum regnum est omnium secu!orum, supplicationes nostras clementer exaudi et christianissimi regis nostris profege principatum, ut, in tua virtute conftdens, et tibi p!aceat et super omnia regna precel!at. Per. 2. Secreta. Sacriftciis, domine, p!acatus oblatis, pacem tuam nostris temporibus clementer indulge. Per. 3· Ad Complendum. Deus, qui diligentibus te facis cuncta prodesse, da cordi regis nostri inviolabilem caritatis affectum, ut desideria de tua inspiratione concepta nu!!a possint temptatione mutari.
(LXXVIII.) Benedictio reginae. 1. In ingressu aecclesiae: Omnipotens sempiterne Deus,fons et origo totius bonitatis, qui feminei sexus fragilitatem nequaquam reprobando aversaris, sed dignanter comprobando potius elegis, et qui, inftrma mundi eligendo, fortia quaeque confundere decrevisti, quique etiam g!oriae virtutisque tuae triumphum in manu Iudith jeminae olim Iudaicae plebi de hoste sevissimo resignare vo!uisti, respice, quaesumus preces humilitatis nostrae et super hanc famulam tuam !!!., quam supplici devotione in reginam e!igimus, benedictionum tuarum dona multiplica, eamque
Der »Mainzer Ordo«: Benedictio reginae
103
dextera tuae potentiae semper et ubique circumda, ut, umbone muniminis tui undique secus ftrmiter protecta, visibilis seu invisibi!is hostis nequitias triumphaliter expugnare valeat et una cum Sara atque Rebecca, Lia et Rache!, beatis reverendisque je?Jdnis,fructu uteri sui fecundari seu gratulari mereatur, ad decorem toti11s regni stat11mque sanctae ( S. 268:) Dei aecclesiae regendum necnon protegendum,per Christum dominum nostrum, qui ex intemerato beatae Mariae virginis alvo nasci, visitare ac rmovare hunc dignatus est mundum, qui tecum vivit et gloriatur Deus, in tmitate spiritus sancti per immortalia secula secu!orum. Amen. Item benedictio eiusdem ante altare. Deus, qui solus habes inmortalitatem, /ucemque habitas inaccessibilem, cuius providentia in sui dispositione non fallitur, qui fecisti quae jutura su11t et vocas ea quae non su11t tamquam ea quae su11t qui superbos aequo moderami11e de pri11cipatu deicis atque humiles digna11ter in sublime provehis, ineffabilem misericordiam tuam supplices exoramus, ut sicut Hester reginam, Israhelis causa salutis, de captivitatis suae compede solutam, ad regis Assueri thalamum reg11ique sui consortium Iransire fecisti, ita hanc Jamulam tuam N., humilitatis nostrae benedictione, christianae piebis ,gratia salutis, ad dignam sublimemque regis nostri copulam regnique sui participium misericorditer Iransire concedas, et ut, in regalis Joedere coniugii semper manens pudica, proximatlt virginitati palmam continere queat, tibique Deo vivo et vero in omnibus et super omnia i11giter placere desideret et, te inspirante, quae tibi placita sunt toto corde perftciat. Per. 2.
3. In sacri olei unctione. Spiritus sancti gratia, humilitatis nostrae offtcio, in te copiosa descendat, ut sicut manibus nostrt's indignis oleo materiali oblita pinguescis exterius, ita eius invisibili unguine delibuta, inpinguari merearis interius eiusque spiritali unctione perfectissime semper inbuta, et illicita declinare Iota mente et spernere discas seu valeas et utilia animae tuae, iugiter cogitare, optare atque operari queas, auxiliante domino nostro Iesu Christo, qui cum Deo patre et eodem spiritu sancto vivit et regnat Deus in secula seculorum. Amen. ( S. 269.') 4· Ad coronae impositionem.
Offtcio indignitatis nostrae seu co1tgregationis in reginam benedicta, accipe coronam regalis excellentiae, quae, licet ab indignis, episcoporum tamen manibus capiti tuo imponitur unde sicut exterius auro et gemmis redimita enites, ita et interius auro sapientie virtutumque gemmis decorari contendas, quatinus, post occasum huius saeculi, cum prudentibus virginibus sponso perenni domino nostro Iesu Christo, digne et laudabiliter occurrens, regiam caelestis aulae merearis ingredi ianuam, auxiliante eodem domino nostro Iesu Christo, qui cum Deo patre et spiritu sancto vivit et regnat Deus, per inftnita saecula seculorum. Amen14• 14 Aus dem Byzantinischen Reich ist nicht viel erhalten, was die Krönung betrifft: Zwei Kaiserordines (überliefert in Handschriften des ausgehenden 8. bzw. des I I.
Jahrhunderts nebst "orationes", gehalten 924 und 930) sindgedruckt bis J aco bus Goar, evxo?.6ywv svve Rituale Graecorum, Paris 1647.
ANHANGII
»MYSTAGOGISCHE« SZENEN IN DER ABENDLÄNDISCHEN LITURGIE
Besondere Beachtung verdienen Szenen mit tieferem Sinn, die am Kaiserhof sowie an der Kurie »zelebriert« - wir dürfen auch sagen: »geschauspielert« - wurden. Den Byzantinern waren solche Akte wohlvertraut; sie hatten dafür das Fachwort »Mystagogie«. Wir stellen zusammen, was uns begegnet ist: Bei seiner Kaiserkrönung (ro14) wurde Heinrich II. mit seiner Gemahlin von zwölf Senatoren, die Stäbe hielten, nach St. Peter geleitet. Sechs von ihnen hatten den Bart geschoren, den anderen hing er herab. Thietmar bemerkt ausdrücklich, daß sie »mistice« einherschritten1 - das Kennwort der allegorischen ( S. 2 37:) Bibelauslegung. Ähnliches vollzog sich rozo, als Papst Benedikt VIII. nach Bamberg kam, um Heinrichs neue Gründung zu weihen. Bei der Weihe des Chrisma und des Öles hatte er zwölf Geistliche als Helfer, von denen je sechs auf beiden Seiten des Altars standen, »wie ein angemessener Ordo der mystischen Wandlung es offensichtlich fordert« 2 • Papst und Kaiser amtieren bei diesen Anlässen als typus Christi inmitten von typi der Apostel, die zum Teil durch Bart und Stab noch besonders kenntlich gemacht sind. Auch das Mainzer Pontifikale birgt verwandte Züge. In der Osterwoche findet die sowohl in Rom als auch in Byzanz bekannte Fußwaschung statt, bei welcher der Bischof nachahmt, was einst Christus seinen Jüngern tat. Das ist ein Brauch, der sich an den katholischen Höfen- nun zu einer zeremoniösen Demutsbezeugung entleertbis in die Neuzeit erhalten hat. Anschließend an diese Szene heißt es in dem Mainzer Werk, daß von dieser Nacht bis Ostern ein Teil der Diener Gottes fastet: imitantes
I
2
VII c. I : rex inclitus a senatoribus duodecim vallatus, quorum VI rasi barba, alii prolixa mistice incedebant cum baculis, cum ... Cunigunda ad aecclesiam s. Petri, papa expectante, venit (ed. R. HoLTZMANN, 1935, S. 396f. Mon. Germ., NS. IX). Brief des Diakons Bebo an Heinrich II. bei Ph. ]AFFE, Bibl. rer. Germ. V, Berolini r869 p. 493 s.: ad benedicenda crismatis oleique sacramenta duodenos cooperatores pontiftcalis ordinis habuit, senos scilicet in latere altaris utroque, ut
congruus mysticae consecrationis videtur ordo deposcere. ADALBERT, Vita Heinrici cap. 25
(Mon. Germ. Script. IV 8o7) betont die Assistenz von zwölf Bischöfen. In: Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart 1958, S. 68f. habe ich beide Zeugnisse im Zusammenhang mit den neuen Darstellungen des den Reichsapfel haltenden Christus und die Annahme desselben durch Heinrich II. behandelt.
Mystagogie in Deutschland, Byzanz und Rom
aposto!os, während sich die andern damit begnügen, nur gewisse Speisen zu genießen3. Am reichsten entfaltet findet sich solcher Brauch an der Römischen Kurie selbst. Aus dem rz. Jahrhundert stammen die Angaben über eine wohl schon früher übliche Feier am Abendmahlstag, bei der sich der Papst mit fünf Kardinälen, fünf Kardinaldiakonen, dem Primicerius und einem Prior, dem die »Rolle« des Judas zufällt, in ftgura XII apostolorum zusammensetzt. Sie »liegen« dabei, auf die Unterarme gestützt, auf Bänken und ahmen dadurch das altertümliche Lagern um eine Kline herum nach4 • Genau dasselbe wird schon Jahrhunderte früher von dem byzantinischen Kaiser berichtet, der auch so mit zwölf Genossen beim Mahle liegt, während er sonst sitzend tafelt. Von einer ähnlichen Szene der Osterwoche, bei der seine Großen an Stelle der Apostel amtieren, heißt es ausdrücklich, daß dabei der Basileus - »soweit erreichbar« - eine »Analogie« Christi sei5 • Am Kaiserhof in Konstantinopel bedeuten solche Wiederholungen von Szenen aus Christi Leben eine Abzweigung der kultischen »Mystagogie«, die in den Einzelhandlungen der Liturgie verhüllende Darstellungen von Vorgängen aus der Erlösung des Menschen oder der Heilsgeschichte erkennt:ß. Der große Wegweiser war dafür der Pseudo-Areopagite, der auf älterer, wohl schon in vorchristliche Zeit zurückreichender Tradition fußte. In der orthodoxen Kirche hat sich die Mystagogie bis in die russische hinein entfalten können. Das Abendland ist über Ansätze nicht hinausgekommen. Es ist deshalb schwierig
M. H1TTORP, De divinis... officiis, Paris 1624 S. 68 und 69; dieser Ordo jetzt ediert von C. VoGEL u. R. ELZE: Le Pontifical Romano-Germanique, II, Citta del Vaticano 1963 (Studie Testi 227) S. 1ff. (die zitierten Stellen S. 77-9). 4 Benedikt cap. 48: (der Papst wird geführt) in basificam magnam Leonianam, in camera ubi sunt preparata XI scamna et tmum subsel!ium circa mensam domni pontiftcis et fectus eius bene preparatus, in figura XII apostolorum circa mensam Christi, quando comederunt pascha. Ibi iacent in cubitis V cardinales et V diaconi et primiceritts ad prandium (Le Liber censuum de l'Eglise Romaine ed. Paul FABRE II, Paris 1905, Bibi. des ecoles fran<,;. d' Athenes et de Rome II 6, S. 153, dazu S. r63 A.48: der Prior der Basilikariet hat die Rolle des Judas zu übernehmen). Lib. de cerim. aulae byzant. II cap. 40 und 52,
Bonn r829 S. 638 und 765ff.; dort S. 638: nlv TB xe'YJaTOV ßamMa xard TO ecptXTOV dva?.oyoiivra {}coii; S. 76 5 : pvauxwt;. II cap 40 stammt wahrscheinlich von 896, s. G. ÜSTROGORSKY u. E. STEIN, Die Krönungsordnungen des Zeremonienbuches, in Byzantion VII, 1932 S. 23 3; II 52 gehört schon der Mitte des 9· Jahrhunderts an, s. J. B. BuRY, The Ceremonial Work of Constantine Porphyrogennetos, in: English Historical Review XX, 1907 S. 227.- Das gewöhnliche Festmahl schildert anschaulich LruDPRAND, Legatio cap. 33 (Opera ed. BECKER 3· Auf!. S. 192). 6 Sehr aufschlußreich F. KATTENBUSCH, Mystagagische Theologie, in Realencyklop. für Protest. Theol. XIII 3 1903 S. 6rzff. Eine erschöpfende Darstellung ihrer Entwicklung kenne ich nicht.
ro6
Anhang II: »Mystagogische« Szenen im Abendland
zu sagen, auf welchem Wege es zu den angeführten Szenen in der Sächsischen Kaiserzeit gekommen sein mag. Mehrere sind denkbar7 • Wir können nur feststellen, daß sie einer Tendenz entsprach, die in dieser Periode auch sonst zum Ausdruck kommt. Eine Spekulation, die über die Krönung König Ottos II. von einem Zeitgenossen angestellt wurde, gibt den Beleg dafür. In ihr sind nämlich gleichfalls Bezüge zwischen dem Gekrönten und biblischem Geschehen aufgedeckt, wenn auch nach einem ganz andern Prir1zip. Sie findet sich in den Annalen von Lobbes 8 • Nach diesen wurden dem jungen König die Gaben des Hlg. Geistes am Pfingsttage in der Stunde zuteil, in welcher der Hlg. Geist über die Jünger kam- nach der Apostelgeschichte z, r 5 war es die dritte am Tage. Hier ist also ein der Ausgießung des Hlg. Geistes verwandtes Ereignis im Leben eines Herrschers so eingerichtet, daß es ihm chronologisch so genau wie möglich entsprach. Daß dieser Termin aber auch noch aus anderen Gründen einen glücklichen Vollzug verhieß, hat die genannte Notiz durch eine Zusammenstellung der sich am Krönungstage treffenden Siebenzahlen belegt: Der Gekrönte wurde im siebten Lebensjahr sieben Wochen nach Ostern, an den VII. Kalenden des Juni, am siebten Mondtag durch die Salbung mit den sieben Gnaden des Hlg. Geistes begabt. Dies Ereignis war also für den tiefer Forschenden in eine Fülle von Beziehungen eingepaßt, denen alle die heilige Schlüsselzahl Sieben eignete. Die ursprünglich kosmologischen Hintergründe dieser sogenannten »Zahlenmystik«9 sind hier schon ganz in das Chronologische, d. h. das Unräumliche, rückgebildet, in dem jeweils die siebte Einheit ganz verschiedener Abläufe am z6. Mai 961 endet und dadurch diesen Tag als vorbildlich »proportioniert« erweist. Und da das
7 DroNYSIUS AREOPAG1TA, De ecclesiastica hierarchia c. IV. behandelt die Ölweihe. Dort wird der Altar auf Christus gedeutet (3, 12) und dann gefordert (V 3, z), daß »alle Kandidaten der priesterlichen Weihen« das Treten zum Altar als Bild nehmen sollen, »gleichgestaltet und möglichst würdig des urgöttlichen und allheiligsten Tempels und Altares« zu werden (hier nach der Übersetzung in Bibi. der Kirchenväter, 19II S. 173 f.). Diese Doppelgleichung gibt eine Grundlage für die Rolle des Papstes im Jahre Iozo, aber doch keine Erklärung. 8 Ann. LOBIR."!SES ad a. 96I: Dominus noster Otto, aequivocus patris, consors paterni regni asciscitur et septiformi gratia Spiritus sancti donatur in palatio Aquensi, septem ebdomadibus a pascha transactis, die pentecosten et hora, qua Spiritus sanctus super discipulos venit, VII. Kai. Iun., Iuna VII., anno
aetatis suae VII. - Abt war in Lobbes von 960-65 Aletrann, der das Kloster reformiert hatte. Da es wie Aachen zur Diözese Lüttich gehörte, mag er an der Krönung Ottos teilgenommen haben. In den »ziemlich dürftigen Annalen« (so \YJ. WATTENBACH-R. HoLTZMANN, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter!, I Tübingen 1948 S. I36-41) hebtsich jedenfalls die Notiz zum Jahre 96I durch Selbständigkeit und Umfang auffallend heraus (Mon. Germ., Script. XIII S. 234). 9 Über sie, bes. die Siebenzahl im 9· Jahrhundert vgl. P. E. ScHRAMM, Studien zu frühmittelalterlichen Aufzeichnungen über Staat u. Verfassung, in Zeitschrift für Rechtsgesch. 49, 1929, Germ. Abt., S. zo7f. (jetzt Bd. I S. I 33 f.); s. auch ebd. S. 31 I ff. über Zahl und Winkel im Denken Karls d. Gr.
Die Siebenzahl bei Ottos II. Krönung
IOJ
Auffinden der Zahl allein genügt, kann auch die Siebenfältigkeit des Geistes gleichgeordnet werden, wie es in gleicher Weise denkbar wäre mit einer Siebenzahl der amtierenden Geistlichen, der verliehenen Herrschaftszeichen, der besuchten Altäre u. a. m. »Zahlenspielerei« in dem Sinne freier Entdeckungsmöglichkeiten, aber ein Spiel von tiefem Ernst, nicht ein beliebiges Ergötzen. Die Spekulationen mit der Siebenzahl mögen geistiges Eigentum jenes Mannes gewesen sein, der die Notiz in den Annalen von Lobbes verfaßte; aber mindestens bei der Auswahl des Pfingsttages und der dritten Stunde wird man auf die leitenden Männer zurückschließen müssen, also die Erzbischöfe Brun und Wilhelm, was zugleich heißt: die königliche Familie.
3· Die Königskrönungen der deutschen Herrscher von 96 r bis um 1050 * Wie weit wurde die im »Mainzer Ordo« aufgestellte Norm in der Wirklichkeit befolgt? Ein Blick auf die Krönungen Ottos II. (96 I), Ottos III. (98 3), Heinrichs II. und der Königin Kunigunde (rooz), Heinrichs II. als König von Italien (roo4), Konrads II. und Giselas (1024), Konrads II. als König von Italien (roz6), schließlich noch auf die Heinrichs III. (roz8) sowie auf seine und seines Vaters Krönung als Könige von Burgund soll das im voraufgehenden Abschnitt gewonnene Bild vervollständigen. Die wichtigsten Streitfragen, die diese Feiern überschatteten, lauteten: Wo ist die Krönung vorzunehmen? Wer ist zu ihr berechtigt? 1
a) Das Kriinungsrecht des Erzbischofs von ivfainz Um zu verstehen, worum es ging, müssen wir uns klarmachen, welche Möglichkeiten gegeben waren, an einer Krönung mitzuwirken. Aus karolingischer Zeit erfahren wir, daß mehrere Bischöfe an der Krönungsfeier beteiligt sein konnten. Bei der Wiedereinsetzung Ludwigs des Frommen (8 3 5) 2 und bei der ( S. 27 J :) lothringischen Krönung Karls des Kahlen (869) waren es sieben, bei der Krönung Ordofios II. von Kastilien (914) sogar zwölf3. Im Jahre 869 heißt es ausdrücklich: miserunt illi (septem) episcopi coronam in capite4, und so geschah es in Frankreich auch noch im hohen Mittelalter. Der Erzbischof von Reims setzte die Krone zunächst allein auf: qua imposita, omnes pares regni tam clerici quam laici manum apponunt corone et eam undique sustentant5 •
*
Zuerst als Teil des Aufsatzes: Die Krönung in Deutschland bis ... ro28 (voraufgehende Teile s. oben Band II S. 289-305 und oben S. 33-87) in der Zeitschrift für Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, 1935 S. 274-306. r Zum folgenden vgl. u. a. E. ErCHMANN, Die sog. Römische Königskrönungsformel, im Histor. Jahrbuch 45, 1925. 2 Vita Hludov. c. 54 (Mon. Germ., Script. II S. 64o). Auch die Ann. Bertin. sprechen im Plural beim Aufsetzen der Krone (rec. G.
WArTz, Hannover r883 S. ro; Script. in us. schol.). Clu:onicon del Silense cap. 42 (H. FLOREZ, Espaiia Sagrada XVII, Madrid 1763 S. 295). 4 Mon. Germ., Capitul. II S. 457· Die folgenden westfränkischen und französischen Ordines lassen die Frage offen. So zuerst in dem Ordo von etwa 1270, gedruckt bei U. CHEVALIER in Bibl. liturgique VII, Paris 1900 S. 2.92ff. (dort S. 224), wiederholt bei H. ScHREUER, Die rechtlichen Grund-
Das Krönungsrecht des Erzbischofs von Mainz
Ebenso w1e bei der Krönung ist auch bei der Salbung eine Mitwirkung von mehreren Geistlichen denkbat:G. Jedenfalls schreibt der Mainzer Ordo für die Bischofsweihe im ro. Jahrhundert vor, daß bei dem Auflegen des Evangeliums, das der Hauptsalbung unmittelbar vorausgeht, zwei das Buch halten, einer den Segen spricht und: reliqui omnes episcopi, qui assunt, manibus suis caput eius (ordinandi) tangunf7. Aber bei aller Abschwächung der führenden Rolle, mit der gerechnet werden kann, einer mußte die Leitung haben und die entscheidenden Worte sprechen: einer mußte der Zelebrant sein, neben dem die andern nur Assistenten waren 8 • Um die Teilnahme an der deutschen Krönung konnte also kaum ein Streit entstehen; denn sie bot Platz für viele. Aber die Ehre, sie zu leiten, war einmalig und hat deshalb über hundert Jahre hin das Objekt eines erbitterten Ringens zwischen den führenden Männern der deutschen Kirche gebildet.
( S. 276:) Die Leitung der Herrscherweihe hat zuerst der Erzbischof von Mainz innegehabt 9 • Hatto war wohl schon an der lothringischen Salbung von 895 führend beteiligt10 • Falls im Jahre 900 eine Salbung stattfand, dann muß er damals erst recht die erste Rolle gespielt haben- war er doch der leitende Politiker dieser Jahre. Wer Konrad I. salbte, ist unbekannt; aber auch diesmal kommt vor allem Hatto in Betracht. Wenn es dann der Mainzer Erzbischof war, der Heinrich I. die Salbung anbot, dann tat er es offensichtlich schon auf Grund eines Gewohnheitsrechtes. Herausgewachsen war es aus dem Primat des Erzbischofs von Mainz, der durch die Verkoppelung mit den Ämtern des Erzkanzlers und des Erzkapellans noch verstärkt war11 • Angefochten wurde das Mainzer Krönungsrecht erst 9 36. Damals trafen Ansprüche des Kölners und des Trierer Erzbischofs aufeinander, von denen jener sich auf die Zugehörigkeit des Krönungsortes zu seinem Sprengel12, dieser sich auf das schon lagen der französ. Königskrönung, Weimar I9II S. rnff. (dort S. q8). Zur Datierung vgl. P. E. S., Der König von Frankreich I, Weimar 1939 (Darmstadt r96o) S. 173 ff. 6 Verkannt von 0PPERMANN (S. 69 A. 4 5) S. 4, wonach nur einer der Coronator sein könne. 7 HITTORP (r624) S. IIO; vgl. jetzt C. VOGELR. ELZE, Le Pontifical Romano-Germanique du Xe siede, Citta del Vaticano I963 (Studie Testi 226) S. 2r6. So auch U. STuTz, Die rhein. Erzbischöfe und die deutsche Königswahl, in der Festschrift H. BRUNNER, Weimar I9IO S. 6I, wo allerdings wohl zu sicher gesagt wird, daß die Salbung »Sache einer Einzelperson« sei. 9 Zum folgenden vgl. außer den Arbeiten von U. STuTz (s. unten Anm. 11, früher S. r88
Anm. r) auch EICHMANN a. a. 0. S. 548ff. sowie die Belege Bd. II S. 297ff. (S. 19off). ro So jedenfalls bei der voraufgehenden Synode laut deren Protokoll, s. Bd. II S. 298 Anm. 42, (S. I90 Anm. I); dazu J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der Deutschen Könige I, Stuttgart I959 S. I87ff. I I Daß der Mainzer nicht als Metropolit von Franken zu dieser Ehre kam, zeigte schon U. STUTZ, Der ErzbischofvonMainzu. d.deutsche Königswahl, Weimar I9Io S. I4 Anm. 3· 12 Und zwar wohl von Anfang an auf Grund seiner Metropolitanrechte, nicht als Bischof. Über die Zugehörigkeit Aachens zur Diözese Lüttich vgl. STuTz, Erzbischof a. a. 0. S. 25; DERS., Selbstanzeige in der Zeitschr. fürRechtsgesch. 3I, German-Abt. I9IO S. 446.
IIO
A 3: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher (961-1050)
apostolische Alter seiner Kirche beriefl-3 • Nach Widukinds Bericht sieht es so aus, als wenn man sich auf Hildebert von Mainz als neutralen Dritten geeinigt habe. Aber es kann kein Zweifel sein, daß dieser die ihm zugesprochene Krönung als zu eigenem Recht geschehen ansah. Seine Persönlichkeit machte es, wie Widukind vermerkt, den andern leicht, zurückzustehen; es kann hinzugesetzt werden, daß die Feier ja genügend Möglichkeiten bot, ( S. 277:) sie als »Assistenten« wenigstens mitwirken zu lassen. So erfahren wir denn auch, daß Otto das Diadem von dem Mainzer und dem Kölner zusammen empfing und dann von beiden zur Thronsetzung geleitet wurde. Hildebert von Mainz ist also auch seinerseits den Rivalen entgegengekommen14 • Vom Trierer ist hier nichts gesagt. Vielleicht schien es Widukind nicht wesentlich15; denn 961 finden wir ihn neben den beiden andern beteiligt. Aber dann scheidet der Trierer aus der Rivalität der Erzbischöfe aus. Die Begründung seines Rechtes war nicht schlagkräftig, und den Nachfolgern Roberts von Trier, der ein Bruder der Königinwitwe Mathilde gewesen war, fehlte ein so guter Rückhalt am Hof.
b) Otto 11.: Mitkönig (g6r) Ob man es im Jahre 961 wie 936 gehandhabt hat, bleibt undeutlich. Wir erfahren nur, daß Brun von Köln, Wilhelm von Mainz, Heinrich von Trier >mnd die übrigen Priester des Herrn« ÜTTO II. »gesalbt«, d. h. die Salbung und die mit ihr verbundenen Handlungen vollzogen haben16 • Brun steht an erster Stelle; da die Nachricht aus seiner Umgebung stammt, sagt das nicht viel. Hätte er die Leitung gehabt, so wäre es eine gute Gelegenheit für seinen Biographen gewesen, dies als einen Erfolg seines Erzbischofs zu verzeichnen. Man darf daher vermuten, daß Otto I. als Vater und Bruder der beiden Erzbischöfe sich einsetzte, um ein Wiederaufflammen des Streites zu verhindern. Die Lösung wird man sich in der Form eines Kompromisses zu denken haben, bei der die Rolle des Zelebrans zugunsten des ersten Assistenten gemindert wurde. Er könnte etwa in der Richtung gesucht werden, daß der Mainzer die Leitung einschließlich der Krönung behielt, der Kölner dagegen die Salbung vollziehen durfter7. 3 Genauer vielleicht: auf den Primat in der Iothringischen Kirche und die Erzkanzlerwürde im früheren Königreich Lotharingien, s. a. ScHULTE, Die Kaiser- u. Königskrönungen zu Aachen 813-1531, Bonn-Lpz. 1924 (Rhein. Neujahrsblätter III). 14 Vgl. über ihn FLECKENSTEIN a. a. 0. II, Stuttgart 1966 S. 13, zrf. 15 Auch U. STuTZ, Reims. Der Erzbischof von I
Mainz und die deutsche Königswahl, Weimar 1920. S. 416 Anm. 6 meint, daß die Krönung »wohl wie später zusammen mit dem Trierer<< geschah. r6 Die Belege oben s. 67 Anm. 41 (S. 246 Anm. r). 17 In der Vita Brunonis (s. ebd.) heißt es: unxeruntque Ottonem ... Bruno .. . , Wi/he/mus et Heinricus. Doch schließt diese Angabe die
Otto II.: Mitkönig (96I)
III
( S. 278:) Auf diese Vermutung führt eine Stelle des »Mainzer Ordo«, in dem allerdings eine unmittelbare Antwort nicht zu finden ist. Denn er sollte ja ein allgemein verwendbares Formular darstellen und setzte deshalb möglichst einfache und normale Verhältnisse voraus: ein Metropolit mit einer unbestimmten Anzahl von Bischöfen18. Dieser Metropolitanus heißt einmal episcopus metropolitanus (§ 5), das anderemal- wie bei der Bischofsweihe19 - ordinator (§ ZI). Von der Salbung heißt es dagegen, daß sie ab episcopo sedis illius zu vollziehen sei (§ I 5). Soll damit die Möglichkeit offengelassen werden, daß hier ein anderer Geistlicher eingreift, oder handelt es sich nur um einen Wechsel des Ausdrucks? Fand die Feier- wie etwa in Reims oder Mailand- am Sitz des Metropoliten statt, so war er es, dem auch die Salbung zukam. Das hieß, daß dem Kölner die Salbung zufiel, wenn die Feier wie 936, 961 und 983 in Aachen abgehalten wurde. Die Redaktoren des Ordo kannten sicherlich die Streitfrage, und so darf man von vornherein erwarten, daß sie sich vorsichtig ausdrückten. Deshalb ist es zwar nicht sicher, aber doch sehr wohl möglich, daß die Abweichung im Titel bei der Salbung ihre Gründe hat, die dann in der 961 gefundenen Lösung zu suchen wären. Diese Auslegung kann noch dadurch gestützt werden, daß bei der Erweiterung des Ordo die Angaben abgeändert waren. Sie läßt den König durch Erzbischöfe statt durch Bischöfe einholen, setzt also eine Zahl von mindestens drei Erzbischöfen voraus, wie es 936 und 961 in Aachen der Fall war. Andererseits fügt sie auch bei der Salbungmetropolitanus ein, wo-( S. 279.)mit die Möglichkeit abgeschnitten war, die man aus dem Stammtext herauslesen konnte. Das mag schon mit der Wirksamkeit zusammenhänge n, die Willigis entfaltete, um die Mainzer Ansprüche zu sichern. Kurz nach seiner Erhebung setzte er 975 durch, daß in eine päpstliche Bestätigung für seine Kirche 20 ein Satz aufgenommen wurde, der ihm den Vorrang bei Synoden und bei der Konsekration des Königs einräumte 21 • Krönung mit ein. STUTZ, Reims a. a. 0. S. 422 (der sich in Anm. 4 auch auf K. WENCK berufen kann) vermutet, daß »allem Anschein nach« der Mainzer vor dem Kölner zurücktreten mußte. Dafür fehlen m. E. die Anhalte. r8 Der Versuch OPFERMANNS (a. a. 0. S. 2 Anm. I), von hier eine Datierung des Ordo, nämlich 983, zu gewinnen, ist nicht möglich. I9 HITTORF a. a. 0. S. IIo: ordinator dicit, vgl. S. 108: Responsio ordinandi, S. IIO: ordinetur, dazu auch § I 5, wo der Metropolit zum König sagt: ut hodie ordinaris (vgl. jetzt VoGEL-ELZE a. a. 0. S. 2I51f.). 20 }AFFE-L. Nr. 3784 = Fr. BöHMER-C. WILL,
Regesten zur Gesch. der Mainzer Erzbischöfe I, Innsbruck I877 S. II8 Nr. 3, echt nach STUTZ, Erzbischof a. a. 0. S. 22 Anm. 2, auch DERS., Reims a. a. 0. S. 422, DERS., Anzeige von OPFERMANN I930 a. a. 0. S. 443 (wo er sich auf die Zustimmung A. BRACKMANNS berufen kann); als echt auch benutzt von A. HoFMEISTER, Zum Krönungsrecht des Mainzer Erzbischofs, in Histor. Vierteljahrsschrift XV, I9I2 S. 364. Die trotzdem von 0PPERMANN, Staatsgedanke a. a. 0. S. II-I4 vorgebrachten Zweifel kann ich mir nicht zu eigen machen. 2I [ ... servata ... privilegiorum tuorum integritate], quo in tota Germania et Gallia post summum
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Damit hatte er von der höchsten kirchlichen Stelle verbrieft, was seine Vorgänger seit Anfang des Jahrhunderts beansprucht hatten- ein Sieg allerdings, der schließlich dem des Pyrrhus ähnelte. Doch trat dies nicht unmittelbar heraus. Vorerst war ein Erfolg gegen Köln gewonnen. Und das war nötig; denn 961 hatte die Krönung in Aachen stattgefunden, obwohl die Wahl in Worms vor sich ging. Ein Satz des Gewohnheitsrechts, wonach ein deutscher König in Aachen gekrönt werden müsse, drohte Geltung zu erlangen. Schon 966 hatte Otto I. Aachen als den »vornehmsten Königsitz diesseits (S. 280:) der Alpen« bezeichnet22 • Ihm konnte Willigis jetzt den anderen Satz entgegenstellen, daß ein deutscher König vom Mainzer Erzbischof zu krönen wäre, wo immer es sei. Damit war vorgezeichnet, wie die nächste Krönung zu geschehen habe: in Aachen, aber durch den Primas der deutschen Kirche, nicht den zuständigen Erzbischof. Die »Wahl«, d. h. die Kooptation des Sohnes auf Grund der Zustimmung der Großen, war dagegen an keinen Ort gebunden, wenn auch Wahlen auf fränkischer Erde die Regel bildeten.
c) Otto III. (983) So ist auch Otto II. verfahren, der 983 auf einem Reichstag zu Verona seinen dreijährigen Sohn zum König wählen ließ und ihn dann nach Aachen entsandte, um an der »richtigen« Stelle geweiht zu werden. Ein Unterschied gegenüber 961 bestand darin, daß Otto II. schon die Kaiserwürde besaß, sein Erbe also nicht zum Mitherrscher gleichen Ranges erhoben wurde. Der Vater Kaiser, der Sohn König: dieses Beispiel hat nun Schule in der deutschen Geschichte gemacht. Die Wahl wurde veranlaßt durch die Notwendigkeit, vor der Wiederaufnahme des Kampfes gegen die Sarazenen die Zukunft der Dynastie zu sichern. Beteiligt an ihr waren deutsche und italienische Große zugleich - ein fundamentaler Unterschied gegenüber 96 r, welcher der inzwischen eingetretenen Vereinigung der italienischen mit der deutschen Krone Rechnung trug. Auf sie nahm auch die Krönung Rücksicht; denn außer Willigis von Mainz und dem Königskinde machte sich auch der culmen pontiftcis in omnibus ecclesiasticis negotiis, id est in rege consecrando et sinodo habenda, ceteris omnibus tam archiepiscopis quam et episcopis apostolica auctoritate ... preemineas. - Gallia
ist im Sprachgebrauch dieses Jahrhunderts der westliche Teil des regnum; das Kölner Recht ist also eindeutig beiseite geschoben. Über die Verschärfung der Rivalität durch die Verkoppelung des Krönungs- mit dem Palliumrecht vgl. STUTZ, Erzbischof von
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Mainz a. a. 0. S. zzff. und DERS., Rhein. Erzbischöfe a. a. 0. S. 65, wo scharf herausgearbeitet ist, daß das Mainzer Recht jetzt von der Bestätigung durch den Papst abhängig wurde- ein Umstand, der sich im rr. Jahrhundert gegen Mainz wandte. - Über Willigis vgl. jetzt J. FLECKENSTEIN a. a. 0. II S. 93 ff., 64ff. usw. DO.I. 316; dazu P. E. ScHRAMM, Kaiser, Rom u. Renovatio I S. 68.
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Erzbischof von Ravenna als Vertreter des regnum Italicum auf den Weg nach Aachen. Hier weihten er und Willigis gemeinsam am Weihnachtstage 983 Otto III. zum König 23 • (S. 28I:) Drei Jahre zählte der Königssproß erst- man muß also frei mit dem »Mainzer Ordo« umgegangen sein, der einen mündigen Herrscher voraussetzte. Auch Willigis genoß nicht die buchstäbliche Erhillung der ihm bewilligten Bulle; aber einem Italiener konnte er die mitleitende, vielleicht sogar die führende Rolle einräumen, da für Deutschland ja sein Anspruch verwirklicht war. Bei der Feier ahnte man noch nicht, daß der kaiserliche Vater schon in seinem Porphyrgrabe zu \ St. Peter in Rom ruhte, daß man also nicht zur Sicherung der Zukunft den Mitkönig, sondern den tatsächlichen Herrscher gekrönt hatte. Kurz nach der Feier traf die Nachricht vom Tode Ottos II. ein, und bald darauf machte der Aufstand Heinrichs, des bayrischen Oheims, offenbar, welche aktuelle Bedeutung der Weihe des Kindes innewohnte. Das konnte man am Weihnachtstage 983 noch nicht voraussehen; aber was man wollte und durch die Teilnahme des Ravennaten deutlich machte, war, daß diese Krönung nicht mehr nur für das regnum Teutonicorum - oder um Widukinds nicht korrekten Ausdruck zu wiederholen: totum imperium Franeorum - galt, sondern auch für das regnum Italicum. Daran kann die Tatsache, daß in der Zeit der Minderjährigkeit in Italien nicht überall nach Ottos Jahren datiert wurde, nichts ändern: in Aachen ist Otto III. zum König von Deutschland und Italien gekrönt worden 24 • Von der Teilnahme des Kölner Erzbischofs sagen die Zeugnisse nichts. Daß Willigis, gestützt auf die päpstliche (S. 282.) Bulle, einen Erfolg über ihn davongetragen hatte, ist auch so deutlich. Dafür aber drohte ihm nun, daß er mit einem führenden Geistlichen des regnum ltalicum seine Stellung werde teilen müssen. Hinzu kam 23 Den Ravennaten allein nannten die verlorenen Ann. Hildesh. maiores, wie aus ihren Ableitungen zu ersehen ist; vgl. 0PPERMANN a. a. 0. S. r 3 f. Willigis wird neben ibm angeführt von Thietmar III c. 26 a. a. 0. S. 130). Wenn jene von ihm schweigen und Thietmar Johann von Ravenna vor Willigis nennt, obwohl dieser älter im Amte war, so kommt darin wohl nur das Aufsehen zum Ausdruck, das die Teilnahme eines »ausländischen« Geistlichen an der Krönung verursacht haben muß. Ein Zurückstehen des Mainzers und dadurch ein Abweichen von der Bulle des Jahres 975 glaubt 0PPERMANN a. a. 0. zu erkennen, da er die Geltung der Weihe auch für Italien nicht mit in Betracht zieht. - Die Treueide, auf die sich 8 Schramm, Aufsätze III
Ottos Parteigänger in dem Kampf gegen Heinrich den Zänker beriefen, werden wohl teils in Verona, teils in Aachen geleistet worden sein, je nachdem, wo sich für die Betreffenden die erste Gelegenheit bot; so auch BECKER (S. 68 A. 42) s. I3. 24 Das ist gerade im Hinblick auf das 975 der Mainzer Kirche eingeräumte Recht deutlich und wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß in der Folgezeit in Italien laut Datierungen und Königskatalogen das Königtum als ruhend angesehen wurde, worauf K. DHLIRZ, Jahrbücher ... unter Otto II. u. Otto III., r S. 197f. Anm. 29 aufmerksam machte. Das 983 geschaffene Rechtsfaktum hat sich eben nicht überall durchgesetzt.
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seit den neunziger Jahren die Gefahr, daß der Kölner Erzbischof wieder an Boden gewinnen könne; denn seit 999 saß auf dem Stuhl dieser Kirche Heribert, der Otto III. viel näher stand als der unbequeme Willigis 25 • Vor allem förderte dieser Sachsenkaiser Aachen in einer Weise, die noch weit über die Begünstigung in der Zeit des Vaters und Großvaters hinausging 26 • Aber vorerst war die Lage für Mainz noch gut; und durch schnelles und geschicktes Ausnutzen der Lage haben Willigis und sein übernächster Nachfolger noch zweimal ihr Krönungsrecht nicht nur behauptet, sondern sogar noch verbessert 27 • Die erste Gelegenheit boten die verwirrten Verhältnisse, die durch den frühzeitigen, völlig überraschend eingetretenen Tod Ottos III. in Deutschland entstanden. In Italien ließ sich sogleich ARDUIN von Ivrea zum König wählen und krönen. Entgegen dem 983 befolgten Vorgehen, die Regelung der Nachfolge in Deutschland durch Beteiligung der Italiener auch für das regnum ltalicum verbindlich zu machen, kam jetzt nur eine »Wahl« in Frage, bei der sich die Deutschen einig wurden. Der durch Arduin geschaffene Zustand zwang dann roo4 den Nachfolger der Ottonen, von deren Politik abzuweichen und sich gleichfalls in Pavia krönen zu lassen. Damit war eine lange Reihe von Krönungen eingeleitet, die nur für Italien galten und dauernd ohne Beziehung zu denen in Aachen blieben 28 • Von hier aus (S. 283:) drohte Mainz also keine Einschränkung des Krönungsrechts mehr.
d) Heinrich 11. und Kiinigin Kunigunde (I oo2) Der für Deutschland bestlegitimierte Kandidat, HEINRICH II., in dem sich die Erbrechte des Sächsischen Hauses verkörperten, fand einen Rivalen in Sachsen, einen andern in Schwaben. Auf Köln konnte er nicht rechnen, da Heriger ihm nicht wohlwollte29. Dafür fand er Unterstützung bei Willigis von Mainz. Sie einigten sich in dem Entschluß, überraschend ein Rechtsfaktum zu schaffen, um dadurch für Heinrich einen Vorsprung vor dem Herzog von Schwaben zu gewinnen, der nach der Ermordung des Markgrafen von Meißen noch allein im Wege stand 30 • Von Worms, wo 96r
25 SCHRAMM, Renovatio a. a. 0. I S. II4f. 26 Ebd. s. 93, 133, 139, I84. 27 Wie selbstverständlich die Weihe jetzt als Vorbedingung für eine »richtige« Herrschaft war, belegt die Tatsache, daß Heinrich der Zänker bei seiner Rebellion gegen den rechtmäßigen und schon geweihten Otto III. danach strebte: et rex dici et in regem benedici; Ann. Quedlinb. ad a. 984 (Mon. Germ. Script. III S. 66).
28 A. KROENER, Wahl und Krönung der deutschen Kaiser u. Könige in Italien (Lombardei), Freiburg i. B. 1901 (Studien aus d. Collegium Sapientiae VI) S. 45 ff. 29 Zum folgenden Srurz, Reims a. a. 0. S. 414ff. und die dort genannte Lit., bes. die »Jahrbücher«. 30 Zu der aus Hermanns Machtbereich stammenden Nachricht in den Ann. Sangallenses Maiares (Mon. Germ., Script. I S. 8r):
Heinrich II. und Königin Kunigunde (1002)
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die Wahl Ottos II. stattgefunden hatte und wo Heinrich nun mit Willigis und Burchard von Worms einig geworden war"\ öffnete er sich durch ein Täuschungsmanöver den Weg nach Mainz, den ihm Hermann von Schwaben zu sperren trachtete. In der Stadt des Willigis, wo der Bau des neuen Doms dem Abschluß zustrebte, wurde Heinrich an einem und demselben Tage gewählt, in die Herrschaft eingewiesen und geweiht. Das geschah am 6. Mai woz, einem Sonnabend32 - man wartete also nicht einmal 24 Stunden, um (S. 2 84:) dem Rate des Ordo zu entsprechen, daß es me!ius et honorabi!ius sei, die Krönung an einem Sonntage abzuhalten (Pontif. LXXIII). Es kam offensichtlich darauf an, Einsprüchen und Bedenken von dritter Seite, womöglich sogar Bedrohungen durch die Schwaben, Elsässer und Teile der Franken, die zwischen Worms und Mainz zur Unterstützung Hermanns bereitstanden, zuvorzukommen. Wir brauchen dem von U. STUTZ33 mehrfach gekennzeichneten Unterschied zwischen dieser »Wahl« und den voraufgehenden nicht noch einmal nachzugehen. Wir erinnern an das, was zu der Vorgeschichte dieses Wandels im Zusammenhang mit der Wahl und Krönung Ottos II. festgestellt wurde. Dort zeigte sich bereits, auf welchen Wegen die Geistlichkeit in die Wählerschaft gelangte, und von welcher Cum quo et Herimannus, dux Alamanniae et A!satiae, regnum forte dividere et parti aspirare temptabat, kommt noch die - erst dadurch
verständlich werdende Anspielung im D. H. II. 34 für Straßburg (I5. Jan. I003): (nach dem Tode Ottos III. schloß sich Bischof Weringer mit anderen Heinrich an), ut ... nobis concederetur electio et hereditaria in regnum sine aliqua divisione successio.
Die Tatsache, daß ein solcher Vorschlag gemacht worden ist, stellte in Frage S. HIRSCH, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II., I, Berlin 1862 S. 217 Anm. 6. 3 I Vita Burchardi cap. 9 (Mon. Germ., Script. S. 836): Deinde omnia, quae voluissent, si voluntati consentirent, (Heinricus) sefacturum promisit,
worunter STUTZ a. a. 0. S. 432 wohl mit Recht die Zusage an Willigis versteht, sich in Mainz von ihm krönen zu lassen. 32 Die Wortzeugnisse schwanken zwischen dem 6. und 7· Juni 1002. Mit Hilfe eines Krönungsbildes zur ersten Woche nach Pfingsten im »Gebetbuch der Hlg. Kunigunde« konnte ich den ersten Tag, der auf einen Sonnabend fiel, sichern (Umstrittene Kaiserbilder aus dem 9· bis 12. Jahrhundert, 8*
Neues Archiv 47, 1928 S. 484f., dazu Abb. 88 in meiner Ausgabe der Kaiserbilder und P. E. S.-Florentine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München 1962 S. 164 mit Abb. 135). 0PPERMANN, Staatsgedanke a. a. 0. S. ro läßt sich durch das Zusammenwirken mehrerer sich ergänzender und verstärkender Akte verwirren und meint: »der Krönung wird keinerlei Bedeutung zugemessen«. Heinrich II. ist, wie jenes etwa zwanzig Jahre nach seiner Krönung entstandene, ihn jährlich an sie wieder erinnernde Bild belegt, anderer Meinung gewesen. Schon aus diesem Grunde ist O.s Vermutung, daß Heinrichs anni regni von der Übergabe der Hlg. Lanze gezählt worden seien, abwegig. Daß sie am selben Tage wie die Krönung stattfand (betont von Marianus Scottus ad a. 1024, Mon. Germ., Script. V S. 555, wenn auch im Hinblick auf den 7· Juni), die Frage also gar nicht auftauchen konnte, ergibt sich aus dem Gesagten. Vgl. auch DH.II. 93: a Deo coronatus et ab omni plebe in reg11um gloriftce exa!tatus.
33 Vgl. die oben S. 188 Anm. I genannten Arbeiten (jetzt: Bd. II S. 289f. Anm. 8).
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Position aus der Erzbischof von Mainz zum »Wahlleiter« aufzusteigen vermochte34 • Wir begrenzen also unser Augenmerk auf die beiden anderen Handlungen, die an jenem denkwürdigen Sonnabend nach der Wahl geschahen. Von der Krönung, die vor dem Martinsaltar stattfand35, erfahren wir nur, daß Willigis sie mit seinen Suffraganen vollzog. Unter ihnen wird namentlich Bernward von Bildesheim genannt36 • Es trat ( S. 2 8J .') demnach ein Zustand ein, der mit der Stammfassung des »Mainzer Ordo« voll vereinbar war: Leitung durch den metropolitanus, Salbung durch den episcopus sedis illius und Assistenz mehrerer Bischöfe37 • Den Kölner Rivalen konnte Willigis nicht bei sich erwarten; denn selbst wenn er sich nicht aus politischen Gründen zurückgehalten hätte, so wäre er wohl auf jeden Fall ferngeblieben. Dem Gegenspieler nach der Leitung der Krönung nun auch deren Ort einräumen- das wäre zuviel von ihm verlangt gewesen. Anders der Trierer Erzbischof. Die Großen aus Lothringen und von der Mosel fanden sich bald nach der Krönung bei Heinrich ein: ein erster Beweis, daß der schnelle Vollzug trotz seiner Mängel richtig gewesen war. Mit ihnen wird auch Liudolf vonTrierden Weg in das königliche Lager gefunden haben. Daß Willigis sich gerrau an den Ordo hielt, der in dem mit Mainz so eng verbundenen »Pontifikale« stand, kann wohl nicht zweifelhaft sein. Das aber muß ihn in eine große Schwierigkeit gebracht haben; denn der Ordo verlangte die Thronsetzung. \vie sollte er einen vollwertigen Ersatz für den Stuhl Karls im Aachener Münster schaffen, auf dem die letzten drei Herrscher ihr Königtum übernommen hatten? Man mag, um der Form zu genügen, Heinrich auf irgendeinen andern Stuhl gesetzt haben38 ; aber ein Schaden blieb auch so an der Vollwertigkeit der Feier. r · Willigis kam auf einen Ausweg, der im Sinne dieser Zeit wirklich einen annähernden Ersatz schaffen konnte. Er griff zur »Heiligen Lanze«, deren Fehlen im Ordo wir schon erklärt haben39 • Sie war bisher nicht in den Krönungsbrauch eingegliedert 34 S. oben S. 25of. (jetzt: S. 71, dazu S. 109f.). 35 Marianus ScoTTus 1. c.: Qttique ipso eodem die ab ... Willigiso ante altare s. Martini conf consecrando in regem Mogontiae coronatus.
36 Willigis wird außerdem angeführt in den Ann. H1LDESH. a. 1002 (ed. G. WAITZ 1878 S. 28) und deren Verwandten; die Suffragane bei THIETMAR V c. 11 (Seite 234), Bernward bei THANGMAR, Vita Bernw. c. 38 (Mon. Germ., Script. IV S. 775). Eine Reihe von Bischöfen nennt Adalbold mit Namen (Vita Heinrici c. 6; Mon. Germ., Script. IV S. 68 5), doch ist nicht ausdrücklich gesagt, daß sie an der Weihe Anteil hatten. Wissen möchte man das im bejahenden Falle be-
sonders von dem Erzbischof Hartwig von Salzburg. Welchen Anteil mag Willigis dem ersten bayrischen Geistlichen, der für Heinrich in diesem Augenblick die größte Bedeutung hatte, eingeräumt haben? 37 OPFERMANN a. a. 0. S. 14 ist gezwungen, diese und die nächste Krönung aus dem Mainzer Erzkapellanat abzuleiten, da er die Verleihung der Krönungsrechte von 975 anzweifelt. 38 Anders OPFERMANN a. a. 0. S. 8: »Eine Thronsetzung erfolgte anscheinend nicht«. 39 S. oben den voraufgehenden AbschnittS. 7 5ff. (S. 258) und das dort genannte Buch A. HOFMEISTERS.
Heinrichs II. Mainzer Krönung (rooz)
I I
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worden; aber gerade in den letzten Jahren hatte ( S. 286:) sie als Herrschaftszeichen und Reliquie des Königtums eine sichtbare und eindrucksvolle Rolle gespielt. Heinrich II. hatte deshalb alles daran gesetzt, um sie in die Hand zu bekommen. Er war selbst davor nicht zurückgeschreckt, Heribert von Köln in Haft zu setzen, um von ihm die Auslieferung zu erzwingen. Diese wunderkräftige Waffe, dieses Verehrung heischende Heiltum, das durch den Nagel Christi in seinem Blatt schwerer wog als alle anderen Königszeichen, wurde jetzt als Ersatz für den Thron Karls benutzt. Nach der Wahl und vor der Krönung, in der für sie kein Platz gelassen war, empfing Heinrich mit ihr regimen et regiam potestatem40 • Er wurde also mit ihrgenauso in die Herrschaft eingewiesen, wie es bisher durch die Thronsetzung in Aachen geschehen war. Dort vollzogen Geistliche diese Handlung; in Mainz spielten sie zum mindesten die führende Rolle; Willigis leitete den Akt, Bernward von Bildesheim und die übrigen anwesenden Fürsten nahmen an ihm teil. Die Einweisung durch die Hlg. Lanze hat ihre genaue Entsprechung in der Übergabe der sogenannten Fahnlehen mittels einer Fahne bzw. einer bewimpelten Lanze 41 • Die ersten Nachweise betreffen die Jahre 1002 und roo4, in denen Heinrich II. einmal eine schwäbische Grafschaft, das andere Mal das Herzogtum Bayern mit einer signijera lancea = hasta signifera ausgab 42 • So lange kein früherer Beleg gefunden ist43, wird man das zeitliche Zusammentreffen nicht als (S. 287:) Zufall betrachten dürfen. Dann aber könnte der Brauch von der Königslanze ausgegangen sein, da ibr eine besondere Einweisungskraft zukam und diese gerade roo2 für den König benötigt wurde. Die so lange in Übung gebliebene Belehnung mit der Fahnenlanze würde demnach als eine von Heinrich II. auf die Fürsten übertragene Symbolik, die soeben für ihn selbst erdacht worden war, zu deuten sein.
Die in Mainz vollzogenen Handlungen genügten noch nicht, um Heinrichs Königtum unangreifbar zu machen. Die so schnell vollzogene Krönung war ohne Wissen der Sachsen geschehen. Jetzt machte sich Heinrich zu ihnen auf den Weg, um seine »Wahl« durch sie nachholen zu lassen44 • Ähnliches haben wir schon 961 40 THANGMAR a. a. 0.: Willegisus archiepiscopus et Bermvardus praesul cum caeteris regni principibus domnum Mogontiam cum summo honore ducentes, dominica octava pentecostes regimen et regiam potestatem cum dominica hasta illi tradiderunt; ac deinde rite omnibus peractis ... illum ... unxerunt.
41 Darauf wies schon HOFMEISTER a. a. 0. S. 29 hin. Die seither erschienenen, von falschen Grundanschauungen ausgehenden Aufsätze von Herbert MEYER, die sich mit der Fahne befassen, stellt H. MrTTErs, Lehnrecht u. Staatsgewalt, Lpz. 1939 (Neudruck: Darmstadt 1958) S. 512 Anm. 190 zusammen. 42 THIETMAR V cap. 21, VI cap. 3 (a. a. 0. S. 245 ff., 276f.); vgl. dazu E. ERDMANN, Kaiserfahne und Blutfahne, in Sitz.-Ber. der Preuß.
Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. 1932 Nr. XXVIII S. 2o; s. auch DERS., Kaiserliche und päpstliche Fahnen a. a. 0. 43 Der Thietmar schon benutzende ADALBOLD VON UTRECHT schreibt zw. rorS-26 in seiner Vita Heindei (Mon. Germ. Script .IV S. 684) über roo2: ut de ducatu transduceretur ad regnum, de vexillo extolleretur in solium heredita-
t·ittm. Hier ist der Brauch also als allbekannt vorausgesetzt, auch »Fahne« statt »Lanze« angegeben. 44 Vgl. zum folgenden Roderich ScHMIDT, Königsumritt u. Huldigung in ottonischsalischer Zeit, in: Vorträge u. Forsch., hrsg. von Th. MAYER, VI, Konstanz-Stuttgart r96r S. 97-233 (bes. S. I14ff.).
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bei den Lothringern beobachtet und dabei festgestellt, daß auch der Ordo dem in seiner Weise Rechnung trug 45 • Diesmal aber handelte es sich um Vorgänge von einer sehr realen Bedeutung. Die Notwendigkeit, die eben noch an einen König aus ihren Reihen denkenden Sachsen zu gewinnen, zwang Heinrich sogar, vor der Huldigung ihnen die Bewahrung des bei ihnen geltenden Rechts und Entgegenkommen bei gut begründeten Wünschen zu versprechen46 • Schon vorher hatte er andern Parteigängern Zusicherungen gemacht, um ihre Wahlhilfe zu gewinnen47 • Dieses offensichtliche und generelle Versprechen, bei dem es nicht um Sondervorteile ging, ist aber etwas andres. Es gehört in eine Reihe mit jenen »Promissiones-Responsiones« (S. 288:) der spätkarolingischen Könige, die im Westfrankenreich eine Voraussetzung der Königsweihe geworden waren48 • Wir sahen, wie 936 nicht davon die Rede war, und wie um 96r der »Mainzer Ordo« die den Westfranken und den Kaiser betreffenden Angaben geflissentlich unschädlich machte49 • Heinrich stand anders da; er mußte das Versprechen auf sich nehmen. Wir wissen schon, daß es nicht allgemeines Herkommen geworden ist50 , und daß es noch hundert Jahre dauerte, bis auch der deutsche König als Voraussetzung seines Regierungsantritts einen Eid ablegen mußte51 • Die Bindung, die Heinrich gegenüber den Sachsen auf sich nahm, brachte ihm deren Huldigung und Einweisung ein. Diese ging in der gleichen, bisher ungewöhnlichen Form vor sich wie in Mainz: ihm wurde die Heilige Lanze übergeben! Diesmal war es der Herzog Bernhard, also ein Laie, der ihm mit der Reliquie »in Vertretung aller« regni curam übergab 52 • Die beiden Akte in Mainz und Merseburg waren also nach 45 Vgl. oben im voraufgehenden Abschnitt S. 68 f., 70 (S. 24 7, 249). 46 V gl. Thietmar (der für diese Ereignisse beste und sehr klare Zeuge, der auch als Krönungstag den 6. Juni vermerkt) V cap. r6 (a. a. 0. S. 241): Bernhardus dux ... quid eis misericordiae dictis promittere seu factis vellet impendere, diligenter inquirit. In Heinrichs
Antwort ist das Wort »Versprechen« umgangen; aber daß sie diese Form hatte, ist auch so sicher. V gl. hier auch Annerose Scm-..'EIDER, Thietmar von M. über kirchl., polit. und ständische Fragen seiner Zeit, im Archiv für Kulturgesch. 44, 1962 S. 34-71 (S. 4off. über Th. und Rom, Kaisertum, Papsttum; S. 47ff. über das Königtum). 47 Vgl. oben S. II5 Anm. 32 (S. 283 Anm. 2). 48 Vgl. ScHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 127ff. usw. (s. Bd. II S. 2roff.).
49 S. den voraufgehenden Abschnitt S. 69f.) (S. 248 f.). 50 Vgl. aber untenS.r2rff.(S. 297) über das V erhalten Konrads II. 5r V gl. den voraufgehenden Abschnitt S. 65 f. (S. 242f.). 52 THIETMAR a. a. 0.: Bernhardus igitur dux, accepta in manibus sacra lancea, ex parte omnium regni curam illi ftdeliter committit. - Der sonst
diesen Bericht ausschreibende AnALBOLD erzählt in seiner Vita Heinrici II cap. ro (a. a. 0. S. 686) von den sächsischen Großen: collaudant, collaudato manus singuli per ordinem reddzmt [ = homagium], redditis manibus ftdem suam per sacramenta promittunt [ = fidelitas ], ftde promissa regem coronant, coronatum in solio regio !ocant, !ocatum debita gratu!atione venerantur. Hier wird deutlich, daß
Th. bei seinen Angaben über die Feiern in Mainz (cap. 6, S. 685), in Sachsen (s. oben),
Anschließende Handlungen
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Fo..:m und Bedeutung völlig gleich. Der Unterschied besteht nur darin, daß Willigis die Lanze in Vertretung aller Deutschen übergab und daß Bernhard dies durch (S. 289:) Wiederholung in Vertretung aller Sachsen für diese verbindlich machte. Daß Heinrich bei dieser Szene die Herrschaftszeichen trug"3 , zeigte augenfällig, daß er schon König war und nur noch sein Recht vervollständigte. Vorher schon hatte Heinrich die Huldigung der Thüringer empfangen. Daß auch sie von einer Übergabe der Lanze begleitet war, ist nicht berichtet. Jetzt fehlte ihm noch die Anerkennung der Lothringer und der Schwaben, um seine »Wählerschaft« lückenlos zu machen. Zuerst ging sein Umritt, den Wolfhere unter dem Eindruck der Wiederholung durch Konrad II. wenige Jahrzehnte später als »Königssitte« bezeichnet5\ an den Niederrhein. Auf dem Wege traf er sich mit Willigis, der am 10. August, dem Tage des Hlg. Laurentius, einem Montag, zu Faderborn die Königin Kunigunde salbte und krönte. Es war, wie wir bereits wissen, die erste Weihe einer deutschen Herrscherin55. Bis in die Zeit Ottos I. wurde sie für nicht nötig angesehen, und während der letzten beiden Regierungen war es aus besonderen Gründen nicht dazu gekommen. Immerhin war um 961 doch schon ein Ordo für ein solches Ereignis aufgestellt worden - genauer: bloß der Rahmen für einen Ordo, der Willigis damals nur wenige Anhalte gegeben haben kann. Die nächste Etappe war Duisburg 56 • Hier fand sich schließlich Heribert von Köln ein, der von Anfang an nicht für ( S. 2 9 o:) Heinrich gewesen und durch seine Haft noch weiter gegen ihn eingenommen worden war, aber sich durch das Zugreifen des Mainzer Rivalen in einen toten Winkel geschoben fand. Jetzt begründete er sein Zögern damit, daß Heinrich sich in Mainz hatte krönen lassen, was ihn an seinem
in Aachen (cap. 12, S. 687) und 1004 in Pavia (cap. 36, S. 692, zitiert oben S. 46f. Anm. 42 = S. 204f. Anm. 5) einem sich zum Teil wörtlich wiederholenden Schema folgt. Er hat sich offensichtlich zwanzig Jahre später nicht mehr vorstellen können, daß man rooz aus besonderen Gründen von der Norm abgewichen war. Für ihn war vexi!lum Herzogsabzeichen, s. oben S. 117 Anm. 43 (S. 286f. Anm. 4). 53 Das darf man wohl Heinrichs Worten an die Sachsen bei THIETMAR a. a. 0. entnehmen: hac regali dignitate honoratus appareo. ADALBOLD a. a. 0. kann nicht angeführt werden, 54:Vita Godehardi prior von 1035 (Mon. Germ., Script. XIS. r86): regali more.
55 Deshalb kann man nicht mit KRÜGER (S. 67 A. 38) S. 86 A. 50 daraus Schlüsse ziehen, daß die Krönung nicht in Aachen stattfand. Daß sie »improvisiert« gewesen sei, ist nicht zu erweisen, und daß das Volk Kunigunde nicht als ebenbürtig angesehen habe, wodurch sich der Streit am Krönungsabend erklären soll, ist eine gesuchte Erklärung. Die Königin, die wohl zu der so schnell abgehaltenen Krönung ihres Gemahls in Mainz nicht mehr herbeieilen konnte, wurde gekrönt, sobald Willigis sich bei dem inzwischen zusammengetroffenen Herrscherpaar einfand. 56 Zum folgenden vgl. TH1ETMAR V cap. 20 (a. a. 0. S. 245) und ADALBOLD cap. 12 (a. a. 0. S. 686f.).
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Rechte kränke. Das konnte der König nicht mehr rückgängig machen; aber es lag auch in seinem Interesse, dem Erzbischof einen Schritt entgegenzukommen: noch fehlten ihm ja die Lothringer unter seinen Wählern, wenn auch einige schon in Duisburg gehuldigt hatten. Zum Geburtstag der Hlg. Maria, dem 8. September, einem Dienstag, traf Heinrich II. in Aachen ein. Hier wurde er »von den lothringischen Großen als König kailaudiert ( collaudatur) «, wie Thietmar es treffend ausdrückt, d. h. die Lothringer gaben ihr Vollwort (collaudatio) zu der Wahl, wie es auch 961 geschehen war und wie es dem eben vollzogenen Vorgang bei den Sachsen entsprach. Bei ihnen bedurfte es dagegen der Lanze nicht; denn hier in Aachen stand ja das »richtige« Zeichen der Einweisung, der Thron Karls. Auf dem königlichen Sitz wurde Heinrich »nach der Sitte seiner Vorgänger« erhöht und begrüßt. Vermutlich geschah auch die »Collaudatio« - wie früher - im Münster selbst. Jedenfalls war es nun doch wieder zu Ehren gekommen. Für Heribert selbst aber konnte diese Handlung, bei der er die Leitung gehabt haben mag, kein Ersatz sein. Denn ihr fehlten die Herzstücke, Salbung sowie Krönung; und die Herrschaftszeichen, die Heinrich bei der Feier getragen, vielleicht auch erst angelegt haben wird, dienten nicht mehr der Einweisung, sondern waren schon Ausweis der Herrschaft. Ebenso gab das Platznehmen auf dem Stuhle Karls dem Könige nur, was ihm bereits zustand. Der Kölner war also nur unzulänglich abgefunden; aber die Tatsache, daß auch ein in Mainz gekrönter König den Weg nach Aachen hatte antreten müssen, gab eine gute Aussicht57. So ging der nun bald hundertjährige Streit weiter.
e) Heinrich ll.: König von Italien (I004) Die Ereignisse waren so schnell abgelaufen, daß auf Italien keine Rücksicht hatte genommen werden können. 58 Hier hatte sich bereits 24 Tage nach Ottos III. Tod der Markgraf Arduin von Ivrea- gestützt auf weltlichen und geistlichen Anhang- zum König wählen und in der Paveser Michaelskirehe krönen lassen. Es war die Frage, wie viele der Bischöfe und der Großen des regnum ltalicum noch auf seine Seite treten würden - wer gegen ihn war, hielt sich zunächst zurück. Kein Wunder, daß wir (im Gegensatz zu 983) in Mainz nichts von italienischen Teilnehmern hören. Insofern war Heinrichs II. Erhebung mit einem bedrohlichen Rechtsmangel behaftet59. Sowie er die Hände frei hatte, zog er deshalb über die Alpen, kämpfte sich den Weg in die Tiefebene frei und zog- da Arduins Anhänger sich uneinig waren und der 57 Von einer Einweisung in Schwaben, wo sich der Herzog am r. Oktober zu Bruchsal unterwarf, ist nicht die Rede. Heinrich hatte jetzt die Oberhand.
58 Zum Folgenden vgl. die Jahrbücher sowie den ausführlichen Bericht Thietmars. 59 Vgl. Bd. I S. zooff.
Heinrich II.: König von Italien
(I004)
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Gegenkönig fliehen mußte - in Pavia ein. Hier schloß sich aus alten und neuen Anhängern eine Partei zusammen, die sich für Heinrich erklärte. Sie »wählte« ihn am 14. Mai roo4 zum König und setzte ihn auf einen Thron. Am folgenden Tage wurde Heinrich - wie zwei Jahre vorher sein Gegner - in der Michaelskirehe gesalbt und gekrönt. Am Abend dieses Tages brach in der Stadt ein Aufstand aus; doch kämpften die deutschen Kontingente den in der Pfalz weilenden König wieder frei. Er verweilte noch einige Tage in dem vor der Stadtmauer liegenden St. Peterskloster und dokumentierte dadurch, daß er der Herr sei. Dann zog er nach dem r 2 Kilometer von Pavia entfernten Pontelungo, empfing hier von den Lombarden die »Manumissio« und hielt mit ihnen einen Reichstag ab. Zum wirklichen Durchgreifen fehlten die Kräfte, auch die Zeit: Heinrich mußte nach Deutschland zurückkehren, da Rückschläge an der Ostgrenze seine Anwesenheit erforderten. Erst im Jahre 1014 kam Heinrich dazu, zum zweiten Mal nach Italien zu ziehen, diesmal bis nach Rom, wo er sich zum Kaiser krönen lassen konnte. Der Zug nach Pavia blieb also zunächst eine Episode, aber sie hat doch Geschichte gemacht. Denn Heinrich war nun in Mainz zum deutschen, in Pavia zum italienischen König gekrönt. Das regnum Italicum war nicht ein Nebenland, nicht der Teil eines Gesamtreiches, sondern ein zweites, durch »Personalunion« mit Deutschland verbundenes regnum, zu dessen Herrschaft der Weg über »Wahl«, Salbung und Krönung führte. Den Begriff »Personalunion« dürfen wir hier benutzen, da wir ihn bereits herangezogen haben, um die von Karl dem Großen nach der Eroberung des Langobardenreiches herbeigeführte Lösung zu kennzeichnen: er hatte von dem Recht des Siegers, erobertes Land zu annektieren, keinen Gebrauch gemacht, sondern es als »Rechtspersönlichkeit« bestehen lassen - daher sein Doppeltitel: rex Franeorum et Langobardorum59. Heinrich II. blieb bei dem herkömmlichen Königstitel ohne Zusatz. So trat nach außen nicht hervor, daß er fortan zwei Reiche regierte- wie seine Nachfolger sich verhielten, wird uns noch beschäftigen. Nicht festzustellen ist, ob Heinrich - wie Otto III. 59 a - einen »Protospathar« bestellte, der ihm in Italien das Schwert voraustrug.
Konrad 11. und Ko'nigin Gisela ( I024) (S. 29I:) Die Erhebung Konrads II. vollzog sich wieder unter nicht gewöhnlichen Umständen60 • Der 936 so kunstvoll zwischen Wahl, Weihe und Erbrecht geschaffene 59a S. unten S. 293 f. 6o Zu I024 vgl. H. ScHREUER, Wahl und Krönung Konrads II., in der Histor. Vier-
teljahresschrift XIV, I9I I S. 329-66 (ebd. S. 355 Anm. I die ältere Lit.). Für alles folgende s. H. BRESSLAu, Jahrbücher des
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Ausgleich, der in der Folgezeit sich zugunsten des Erbrechts verlagert hatte, aber 1002 wieder stärker zur Wahl hinübergeschoben worden war, zerbrach an der Tatsache, daß nun zwei entfernte Sprossen der stirps regia mit gleich guten Anrechten für die Krone in Betracht kamen. Wie das seit 918 nicht mehr der Fall gewesen war, bedeutete die Wahl diesmal eine Entscheidung für den einen und gegen den anderen. Für den Sieger- das wurde der ältere der beiden Konrads - galt es, seine Herrschaft so bald wie möglich durch eine Weihe zu festigen, um wie 1002 das Rechtsfaktum der Wahl durch ein weiteres zu stärken. Das war die Lage Konrads II. Sieger aber war auch der Erzbischof von Mainz, der für den gewählten Kandidaten eingetreten war, während die Lothringer mit dem Erzbischof von Köln sich zu dem Unterlegenen gehalten hatten. So führte ein politisch begründeter Bund zwischen dem neuen König und dem Primas der deutschen Kirche noch einmal dazu, daß eine Königskrönung in Mainz stattfand61 •
( S. 292.") Aus der Wahlhandlung, die uns hier nicht beschäftigt, halten wir nur fest, daß nach ihrem Abschluß die Kaiserinwitwe Kunigunde die Herrschaftszeichen Heinrichs II. dem neuen König übergab 62 • Nach Wipo machte sie ihn dadurch zum Herrschen fest, »soweit dem weiblichen Geschlechte dies zukommen kann63 <<: corroboravit- der Ausdruck bezeichnet in den Urkunden das Anbringen von Siegel und Monogramm. Er trifft in der Tat gut den Sinn des Vorganges: die Krone des
Deutschen Reiches unter Konrad II., I, Leipzig 1879 und E. STEINDORFF, desgl. unter Heinrich III., I, ebd. r 874. 6r Sehr ansprechend, wenn auch leider nicht durch einwandfreie Zeugnisse gesichert und deshalb hier nur berührt, ist die Annahme von U. STuTz, daß im Jahre 1023, als der Papst dem Mainzer Erzbischof wegen seines Verhaltens im Hammersteinsehen Ehehandel das Pallium entzog, er dem Kölner nicht nur das Pallium, sondern auch das Krönungsrecht gewährte (Erzbischof a. a. 0. S. 30; Rhein. Erzbischöfe a. a. 0. S. 67). Darauf führt die Angabe Aribos in einem Briefe an die Königin Kunigunde, daß der pallii honor des Kölners non solum est melioratus, sed, ut aiunt, quodammodo deauratus. Da in der päpstlichen Bestätigung des Mainzer Palliumrechts von 1032 das (975 gewährte) Krönungsrecht wieder fehlt, vermutete STUTZ, daß jenes von Aribo angedeutete
Plus dieses Krönungsrecht gewesen sei. Doch beanspruchte der Kölner es später nur innerhalb seines Sprengels, und ebenso lauten die echten und gefälschten Bestätigungen seines Privilegs. Das genügte, wenn es ihm gelang, die Krönung nach Aachen zu ziehen, reichte aber 1024 nicht aus. Wenn also jene These richtig ist, so bleibt im dunkeln, ob der Kölner 1023 das alleinige oder das auf seinen Sprengel beschränkte I<.rönungsrecht erwarb. In dem ersten Falle gilt, was STUTZ a. a. Ü. S. 3 I von J. HARTTUNG übernahm: »Eigentlich hätte Aribo Konrad nicht krönen dürfen«. So oder so: die Lösung ergab sich - wie oben ausgeführt - nicht aus der Rechtslage, sondern aus einer bestimmten politischen Konstellation. 62 S. auch SeHREUER a. a. 0. S. 36r. 63 Gesta Chuonradi cap. 2 (Opera, 3· Aufl., hrsg. von H. BRESSLAU, 1915 S. r9; Script. in us. schol.).
Konrad II. und Königin Gisela (1024)
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Vorgängers und was zu ihr gehörte, legitimierten den neuen König als rechtmäßig gewählten Nachfolger. Dieser Vorgang hat eine große Bedeutung gewonnen. Konrad I. hatte Heinrich I. durch Übersenden seiner Herrschaftszeichen als den zu Wählenden designiert. Heinrich II. gelangte gleichfalls schon vor der »Wahl« in den Besitz der ottonischen: er wies sich dadurch als der bestqualifizierte Kandidat aus, der die Ansprüche des Blutrechts mit dem Besitz der »richtigen« Herrschaftszeichen vereinigte. In diesen Bereich gehört auch, daß Otto. II. das Siegel seines Vaters weiter benutzt hatte. Diesem Vererben wirkte die schon in karolingischer Zeit zu beobachtende Sitte entgegen, die Herrschaftszeichen an Kirchen zu verschenken, sie also Gott zurückzugeben, in dessen Auftrag sie die Bischöfe bei der Krönung ausgehändigt hatten: Otto II. schenkte eine Krone an das Kloster Bergen, Otto III. einen Mantel anS. Alessio in Rom. Heinrich II. ließ die von ihm bei der Kaiserkrönung (ro14) getragene Krone über dem Altar von S. Peter aufhängen und stiftete seine Mäntel der Baroberger Kirche, den Reichsapfel dem Kloster Clunfl4 • Das ist auch noch (5. 29;:) in der Folgezeit vorgekommen; aber die Auffassung, daß nicht Zeichen von bestimmter Form, aber beliebiger Herstellung für die rechtmäßige Herrschaft genügten, sondern daß es immer dieselben Objekte sein müßten, daß nur sie die »richtigen« seien, gewinnt jetzt in Deutschland die Oberhand. Die Krone mit dem Namen Konrads II. im Bügel, das von ihm gestiftete Reichskreuz und der Staufische Reichsapfel bilden zusammen mit der »Heiligen Lanze« Heinrichs I. den Kern der Wiener Schatzkammer. Während die sonstigen Karolingischen und Ottonischen Schätze meist untergegangen sind, blieben diese, die wichtigsten, trotz aller Wirrsale der deutschen Geschichte beisammen - ein deutliches Zeichen dafür, daß sich von jetzt an die »Corroboratio« des neuen Herrschers durch die Herrschaftszeichen des Vorgängers als Rechtsgrundsatz gegenüber der »Rückgabe an Gott« durchsetzte65 • Es ist die Auffassung, die auch dem Marmorstuhle Karls des Großen das Übergewicht über andere Throne gegeben hatte: bei ihm, dem allein »richtigen« Thron, ist das Prinzip der Einmaligkeit und Unersetzbarkeit innerhalb der Herrschaftssymbolik zuerst herausgetreten. Ein oder zwei Tage nach der Wahl fand die Krönung statt. Man nahm für sie (wie roo2 für Heinrichs Thronsetzung in Aachen) den Tag der Geburt Mariae, den 8. September. Wie der »Mainzer Ordo« es verlangte, holte eine feierliche Prozession, 64 Belege für diese und andere Stiftungen bei P. E. S., Herrschaftszeichen: gestiftet, verschenkt, verkauft, verpfändet. Belege aus dem MA., Göttingen 1957 (Nachrichten der Akad. der. Wiss., I. Phil.-Hist. Kl. 1957 Nr. 5; mit Nachträgen wieder abgedruckt in Bd. VI).
65 Ich sehe nicht, worauf sich
ÜPPERMANNS
Angabe (Staatsgedanke a. a. 0. S. 6, ähnlich auch S. 7) gründet, daß in Ferchheim »die Reichsinsignien aufbewahrt wurden«. Jedenfalls paßt dieser Ausdruck noch nicht für die Zeit Ludwigs des Kindes.
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an der sich auch weltliche Große beteiligten, Konrad von der Pfalz zur Kirche ein. Auf diesem Gang nahm der neue König trotz des Drängens der Fürsten jene von Wipo so gerühmten Rechtsakte vor66 • Er als Geistlicher sah sie von der moralischen Seite ( S. 294:) an; das Bezeichnende aber war, daß der König schon vor seiner Krönung Regierungshandlungen vollzog. Der geltende Grundsatz kommt jedoch darin zum Ausdruck, daß bis zum 13. Jahrhundert die Regierungsjahre der deutschen Könige von ihrer Krönung, nicht von ihrer Wahl an gerechnet wurden67 • Über die Krönungsfeier besitzen wir den Bericht Wipos, der zwei Jahrzehnte später niedergeschrieben ist" 8 • Sein Wortreichtum verhüllt, daß der kaiserliche Kaplan eigentlich gar nichts mehr wußte. Historisch ist wohl nur der Einzelzug, daß der Erzbischof von Mainz eine Ansprache in die Bitte um Gnade für Konrads Feinde ausklingen ließ und dieser ihm sie unter Tränen gewährte. Daß Wipo nichts von einer Thronsetzung erwähnt, wäre also noch kein Beweis dafür, daß sie fehlte. Aber Konrads weitere Schritte zeigen, daß er- falls er in Mainz Platz nahm- diesem Akt keine volle Rechtskraft beimaß 69 • Auf die kirchliche Feier folgte das Krönungsmahl, von dem wir bereits wissen, daß es zum richtigen Vollzug der Herrscherweihe gehörte7°. Nichts erfahren wir jedoch darüber, daß dem König bei dieser Gelegenheit wieder die symbolischen Dienste geleistet wurden, die im Jahre 936 Otto I. empfangen hatte. Wir hören nur von der Huldigung, die Konrad herkömmlicherweise dargebracht wurde. Wipos Wahlbericht, der im Gegensatz zu dem Kapitel über die Krönung sich durch seine Anschaulichkeit auszeichnet, ( S. 29 f :) weiß nichts von einer Einweisung mit der »Heiligen Lanze«. Da auch später nicht mehr von ihr die Rede ist, scheint roo2 das einzige Mal geblieben zu sein, wo ihr diese symbolische Funktion zugefallen 66 Konrad zog einen der Bittenden nach Wipo cap. 5 (a. a. 0. S. 27) ad soli11m sttllm, woraus BRESSLAU, Jahrbücher a. a. 0. S. 26 schloß, daß Konrad »auf seinem Thronsessel sitzend in die Kirche getragen« worden sei. Auch bei der Wahl saß Konrad; denn er ließ seinen Vetter, als dieser für ihn gestimmt hatte, neben sich niedersitzen. Falls Wipo in diesen Einzelheiten genau ist, möchte ich eher an ein fa!distorium denken, einen jener Faltstühle, die nicht nur den Bischöfen, sondern (nach den Herrscherbildern dieser Zeit) auch den Königeneigen waren (P. E. S., Herrschaftszeichen u. Staatssymbolik I, Stuttgart 1954 S. 331ff.). Einen solchen Stuhl mag man Konrad nachgetragen haben. Ein Tragstuhl paßt schlecht zur Zeit, noch schlechter zu Konrad II.
67 H. BRESSLAU, Handbuch der Urkundenlehre IP, Berlin-Leipzig 1931 (jetzt neugedruckt) S. 422. 0PPERMANN a. a. 0. S. 24 meint, daß die Königsjahre Konrads vom Wahltag an gezählt seien, ohne einen wirklichen Anhalt dafür zu bieten. 68 G. M. STAHL, Die mittelalterliche Weltanschauung in Wipos Gesta Chuonradi imp., Diss. Bann 1925 erörtert in breitester Weise die Angaben über Wahl und Krönung, ohne für unsere Zwecke etwas zu bieten. Über den Wert der Angaben Wipos s. P. E. S., Krönung in Deutschland a. a. 0. S. 23 r f. Anm. 4 (hier nicht wiederholt). 69 Vgl. oben Anm. 66 (S. 293 Anm. 2). Auch in der Kirche muß Konrad ja gesessen haben. 70 Vgl. oben S. 48f. (S. zo7f.).
Konrad II. und Königin Gisela (1024)
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ist. Man möchte meinen, daß nun, nachdem die Ausgabe von Fahnlehen mit der Lanze sich eingebürgert hatte, diese Handlung nicht mehr als auszeichnend genug empfunden wurde71 • Konrad II. selbst hat dann ja auch die Möglichkeit zu solcher Verwendung der Reliquie abgeschnitten, indem er sie vom Schafte lösen und in das Reichskreuz einfügen ließ. Sie verlor dadurch den Charakter einer Waffe und wurde zu einer Reliquie. Auf die glücklich vollzogene Weihe Konrads fiel ein Schatten durch die Weigerung des Erzbischofs Aribo, mitKonradauch seine Gemahlin Gisela zu krönen72 . Er sah ihre Ehe wegen zu naher Verwandtschaft als unkanonisch an, und da er sich früher in dem Hammersteinsehen Ehehandel vor aller Welt festgelegt hatte, war ihm ein Nachgeben unmöglich. Diese Lage nutzte Pilgrim von Köln aus. Er löste sich von der lothringischen Gegenpartei, die darauf auseinanderfiel, und bot Konrad die Krönung Giselas an. Das bedeutete für den König nicht nur Rückhalt am Niederrhein, sondern auch Tilgung eines Makels, der die Ehe des Herrscherpaares bedrohte. Die Fürsten im Gefolge des Königs, die befragt wurden, stimmten zu73 , und nun konnte ( S. 296:) Konrad, ohne Aribo Grund zu Einwänden zu geben, die dargebotene Hand ergreifen. Am 2 I. September, dem Mathiestag, krönte Pilgrim zu Köln die Königin Gisela7 4 • Da auch diesmal ein Besuch Aachens für notwendig angesehen wurde, verstärkte sich die Stellung des Kölners noch weiter: es erwies sich wieder, daß die Krönung sich doch nicht völlig von Aachen lösen ließ. Mit ansehnlicher Begleitung traf Konrad in der früheren Krönungsstadt ein und nahm hier - ganz wie es Heinrich II. 71 Vgl. oben S. II8 Anm. 52 (S. z88 Anm. 5); dazu: Herrschaftszeichen II, 1955 S. 51 If. 72 KRÜGER a. a. 0. S. II8f. suchte auch hier das Motiv darin, daß an der Herkunft der Königin Anstoß genommen worden sei. Seine Gründe überzeugten mich ebensowenig wie die bei E. BRANDENBURG, Probleme um die Kaiserin Gisela, in den Berichten über die Verhandl. der Sächs. Akad. der Wiss. Phil.-Hist. Kl. So, 1928 Nr. 4 S. 21 ff. vorgebrachten: Aribo soll an Giselas zweiter, vorschnell abgeschlossenen Ehe und dem Sohn aus dieser Anstoß genommen haben, als ihm diese Tatsachen im letzten Augenblick zugetragen v.•urden. Undenkbar, daß er so wenig im höchsten Adel Bescheid wußte! - V gl. STuTz, Rhein. Erzbischöfe a. a. 0. S. 66 über die mehr politisch als rechtlich bedeutsame Ehre, die Königin zu krönen.
73 WIPO cap. 4 (S. 25): ex consensu et petitione principum - dies unterstreicht er mit ähnlichen Worten auch in anderen Fällen; vgl. KRüGER a. a. 0. S. 122 Anm. 6. 74 Tag und Ort waren lange umstritten; auch sind zwei Handlungen (in Mainz und Köln) angenommen worden. Doch muß man das Zeugnis der Ann. Quedlinburgenses preisgeben; dann ergibt sich der oben angeführte, ganz klare Sachverhalt; so BRESSLAU, Jahrbücher a. a. 0. S. 35 I f. und DERS. in seiner Ausgabe des Wipo a. a. 0. S. 94 Anm. 2. ÜPPERMANN, Staatsgedanke a. a. 0. S. 23, 32 vermutet hier und in den folgenden Ereignissen ein verbedachtes Vorgehen, »um den Ansprüchen des Mainzer Primates entgegenzutreten«. Es sind wohl mehr die Ereignisse, die Konrad von Aribo wegführten.
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A 3: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher (96I-I05o)
im Jahre roo2 getan hatte- Platz auf Karls Thron. Wichtige Große aus Lothringen hielten sich immer noch abseits; aber die Anwesenden werden wohl wie früher durch Zuruf den König »gewählt«, d. h. den Beitritt zu der Mainzer Wahl vollzogen haben. Es fanden dann ein Hoftag und eine Synode statt, die Konrad von dem Stuhle Karls aus geleitet zu haben scheint. Wipo nennt ihn bei dieser Gelegenheit publicus thronus regalis und totius regni archiso!ium75 - in der Tat eine vortreffliche Kennzeichnung, die zugleich bekundet, daß der Aachener Stuhl trotz Verlegung der Krönung nichts von seiner Bedeutung eingebüßt hatte. Wie in Aachen hielt sich Konrad auch in Sachsen an das Vorbild seines Vorgängers76, nur daß er wegen der politischen Lage zuerst den Niederrhein aufsuchte. So wird sich ( S. 297.-J die Bestätigung des sächsischen Rechts, die er gewährte, wohl auch wie roo2 in der Form eines der Huldigung voraufgehenden Versprechens vollzogen haben 77 • Nur von der Einweisung mittels der Lanze ist diesmal ebensowenig wie in Mainz die Rede. Sie wird also auch hier nicht für wesentlich angesehen worden sein. Die Frage, wie der Begründer der neuen Dynastie seinem Sohne Heinrich die Nachfolge sichern könne, wurde schon ro26 spruchreif, als Konrad seinen ersten Romzug vorbereitete. Er griff auf das Vorbild Heinrichs I. und Ottos I. zurück und »designierte« seinen Erben auf einem Hoftag in Augsburg 78 zum König nach seinem Tode. Man fand die Form, daß es consilio et petitione principum geschah79 , und griff vielleicht schon jetzt für Heinrich, der ja nur designiert war, also nicht den Königstitel führte, zu der erst ro28 nachweisbaren Bezeichnung spes imperii. So steht es neben seinem Bilde auf der Kaiserbulle 80 , so auch bei Wipo 81 . Es war ein Ausdruck, der sich über die karolingische Zeit bis in die Antike zurückverfolgen läßt 82 • 75 cap. 6 (a. a. 0. S. 28); vgl. auch cap. 5 (S. 27): iudicialis thronus. Dazu: Herrschaftszeichen I, I954 S. 344ff. 76 Thietmar schien das schon in der Zeit Heinrichs II. so selbstverständlich, daß er es auch für Heinrich I. voraussetzte; vgl. I cap. 8 (a. a. 0. S. I 2 f.): seque ad haec et ad omnia, quae communi consilio expetissent, se assensurum promisit: dazu 0TTENTHAL a. a. 0. S. 3 Nr. I p. - Da Heinrich II. aus besonderen Gründen nicht das Vollwort der Bayern und Schwaben eingeholt hatte, unterließ es auch Konrad II.; doch suchte er sie auf seinem »Umritt« auf. Vgl. dazu Roderieb ScHMIDT, Königsumritt u. Huldigung in ottonisch-salischer Zeit, in: Vorträge u. Forschungen, hrsg. von Th. MAYER, VI, Konstanz-Stuttgart I96I S. 97-23 3 (bes.
S. I50ff.). 77 BRESSLAU a. a. 0. S. 42; vgl. auch über die Io38 zu Solothurn vollzogene Übergabe Burguncis an Heinrich III. bei Wipo cap. 38 (S. 58): diu desuetam atque pene deletam !egem tune primum Burgzmdiam prae!ibare fecerat. 78 So BRESSLAU a. a. 0. S. I 17; 0PPERMA:--JN a. a. 0. S. 28 verlegt den Akt auf einen Hoftag in Lüttich Weihnachten 1025, was BREssLAU a. a. 0. S. I I 2 f. Anm. 5 abgelehnt hatte. Zum folgenden vgl. auch BECKER a. a. 0. S.I5ff. 79 WrPo cap. rr (a. a. 0. S. 32); dazu BRESSLAU a. a. 0. S. II7 und oben S. I25 Anm. 73 (S. 295 Anm. 3). 8o BRESSLAU a. a. 0. S. 24I Anm. 4 und STEINDORFF a. a. 0. S. I7 bringen die nur am 23. August ro28 nachweisbare Bulle mit
Heinrichs III. Designation, Konrad II: König von Italien (ro26)
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g) Konrad II.: Kijnig von Italien ( ro26) Konrads Italienzug stand unter einem günstigeren Stern als der seines Vorgängers. Da sich ihm kein Gegenkönig entgegenstellte, erreichte er mit seinem Heer ohne schwere Kämpfe die Tiefebene. Pavia war noch in der Hand von Gegnern; aber Konrad bedurfte der ehemaligen Hauptstadt des Langobardenreiches nicht. Denn der Erzbischof von Mailand war bereit, die Rolle des Coronators zu übernehmen daher fand Konrads Krönung in Mailand statt, von einer »Wahl« ist nicht die Rede; fand ein Akt dieser Art statt, kam ihm ja nur eine formale Bedeutung zu. Dieses Ereignis, das noch in das Jahr 1026 fiel, trat bald danach in den Schatten der Kaiserkrönung, die Konrad - zusammen mit seiner Gemahlin - am 26. März 1027 erlangte. Von Konrad wissen wir, daß ihm nicht nur für Deutschland ein Fahnenträger ( signifer regius) zu Gebote stand, sondern noch ein zweiter für Italien 83 • In dieser Doppelung kommt zum Ausdruck, daß Konrad an der unter seinem Vorgänger herausgebildeten Anschauung festhielt, Deutschland und Italien seien durch »Personalunion« geeints4.
h) Heinrich III.: llrfitko'nig ( ro28) (S. 29g:) Im Jahre 1027 hatte Konrad die Chance ausgenutzt, daß das Herzogtum Bayern erledigt war: er machte seinen Sohn zum Hl:'rzog. Außerdem schickte er eine Gesandtschaft nach Konstantinopel, um für den Erben um eine byzantinische Prinzessin anzuhaltens5. Nachdem Konrad die Kaiserwürde erhalten hatte, konnte auch die Rechtsfolgerung aus der Designation des Erben zum König gezogen werden: Am Ostertage (14. April) des Jahres 1028 wurde Heinrich zum König gekrönt - wiederum ein Faktum, das Geschichte gemacht hat.
der Krönung von ro28 zusammen. Ebensogut, vielleicht besser verbindet man sie mit der Rückkehr Konrads II. von der Kaiserkrönung. Denn sollte Konrad in dieser Zeit noch keine Bulle besessen haben? Vgl. PossE I, T. 13 Nr. 5-6= SCHRAMM, Kaiserbilder T. 95 a. b. Man beachte, daß es in dem Placitum zu Verona von 1027 (D.K.II. 92) nur heißt: zma cum ft!io suo Henrico; ähnlich auch in den Interventionen. 81 Wrro cap. 23 u. 39 (a. a. 0. S. 42, 59): spes
pacis bzw. imperii; Tetra!. v. 220 (S. 82): spes orbis.
82 Über die Geschichte dieser Formel s. unten S. 305 ff.; zu der Frage, ob die Herstellung dieser Bulle mit Byzanz zusammenhängt, die Neubearbeitung meiner Edition der Herrscherbilder (in Vorbereitung). 83 Herrschaftszeichen II, 1955 S. 679ff. 84 S. oben S. 121. 85 Genaueres dazu unten S. 239ff.
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A 3: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher (96I-1050)
Heinrich I. hatte seinen Sohn nur designiert; erst nach seinem Tode wurde Otto I. zum König gekrönt. Dieser hatte seinen Erben im Jahre 961 zum König gemacht: bis zu seiner Kaiserkrönung (962) gab es also einen Haupt- und einen Mitkönig nebeneinander. Dann hatte Otto I. seinen Sohn auch noch zum Kaiser krönen lassen; daher gab es von 968 bis 973 einen Haupt- und einen Mitkaiser nebeneinander. Otto II. hatte seinen Erben bereits mit drei Jahren zum König gemacht; daher gab es wenige Wochen einen Kaiser und einen gewählten König nebeneinander - als dieser gekrönt wurde, war (was die in Aachen Versammelten noch nicht wissen konnten) der Vater bereits tot. Unter dem unvermählt gebliebenen Otto III. und unter dem kinderlosen Heinrich II. war die Frage der Mitherrschaft nicht aktuell geworden. Die von Konrad II. herbeigeführte Lösung wurde zur Leitschnur aller seiner Nachfolger: der deutsche Herrscher mußte sehen, daß er seinen Sohn und Erben bereits zu seinen Lebzeiten zum Mitherrscher machte; aber er konnte ihm die Königswürde erst zuwenden, wenn er selbst die Kaiserwürde erlangt hatte. Bis zur Neuzeit blieb es ein Gewohnheitsrecht: nie zwei Kaiser (wie in Byzanz), nie zwei Könige (wie in England, Frankreich usw.) nebeneinander, wohl aber einen Mitkönig, wenn der Vater die Kaiserkrone trug. Auf diese Weise wurde das Wahlprinzip zwar nicht- wie in Westeuropa- aus den Angeln gehoben, aber doch eingeengt. Wo fand Heinrichs Krönung statt? Wem fiel die Rolle des Coronators zu? Der Erzbischof Aribo von Mainz hatte sich selbst in eine Zwangslage gebracht, als er aus kanonischen Gründen die Krönung der Königin Gisela abgelehnt hatte. Denn wenn er an Konrads Ehe wegen zu naher Verwandtschaft Anstoß nahm, dann mußte er ihn konsequenterweise auch gegen den Sproß aus dieser Verbindung vorbringen86. Das gab dem Erzbischof Pilgrim von Köln die Chance, den zurückgedrängten Anspruch seiner Kirche wieder zur Geltung zu bringen. Daher fand Heinrichs Krönung zu Aachen im Rahmen eines Reichstags statt; die kirchliche Feier leitete Pilgrim. Voran ging ihr wie üblich eine »Wahl« durch die Fürsten, der das Volk seine »Collaudatio« gab. Auch der Klerus beteiligte sich daran 87 . Dieses Recht sprach ihm ja schon der »Mainzer Ordo« zu, und die beiden letzten »Wahlen« hatten es ausgeweitet. Man hat gemeint, daß auf die Wahl eine Thronsetzung gefolgt sei, die der kirchlichen Weihe vorausging und der Ausdruck eines »fränkischen Staatsgedankens«
86 So H. BRESSLAU brieflich an U. STuTZ, zitiert in dessen Selbstanzeige a. a. 0. S. 446.
87 Über die Zeugnisse und ihr Verhältnis zueinander 0PPERMANN a. a. 0. S 27 f.
Heinrich III.: Mitkönig (roz8)
gewesen sein soll. Otto ÜPPERMANN, der diese These mehrfach verteidigte 88 , aber manchen Widerspruch erfuhr, wollte ( S. 299:) darunter verstanden wissen, daß durch Inthronisierungen vor der Krönung der maßgebliche Einfluß der weltlichen Fürsten bei der Thronerhebung, der ihnen in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts zukam, aufrecht erhalten wurde. Außer Fällen späterer Zeit, die außerhalb unseres Gesichtskreises liegen, glaubte er für die Fortdauer des 936 nachweisbaren Verfahrens eben die Erhebung Heinrichs III. anführen zu können. Allerdings beschränkte er sich in seiner letzten Studie auf den Nachweis, daß sich seine Ansicht ebensowohl wie die seiner Gegner aus Wipos Angaben herauslesen lasse. Wipo berichtet 89 : Anno domini MXXVIII ... Chuonradus ftliutn suum Heinricum ... , principibus regni cum tota multitudine populi id probantibus a Pilegrino archiepiscopo Coloniensi in regalem apicem apud Aquisgrani palatitttn sublimari jecerat. Tunc 90 in principali dominica Paschae consecratus et coronatus paschalem laetitiam triplicavit, d. h. nach der
Krönung des Vaters und der Mutter empfing Heinrich nun die dritte Krone. Alles hängt von der Frage ab, ob die Wendung in regalem apicem sublimari auf eine Thronsetzung gedeutet werden kann. Da ist nun zu sagen, daß apex ein in dieser Periode oft benutzter, auch in die Urkundensprache 91 aufgenommener Ausdruck mit ganz verblaßtem Inhalt ist, bei dem ( S. ;oo:) an sich kein Leser an einen konkreten Thron denken konnte. Es kommt also alles auf das Wort sublimare an. Das aber ist geradezu das typische Verb für den Regierungsantritt, das aus der liturgischen Sprache in die der Urkunden einging und auch in der Literatur allerorten begegnet92 • Für einen zeit88 Vgl. Bd. II S. 289f. Anm. 8 (S. r88 Anm. r), bes.: Staatsgedanke a. a. 0. S. 24ff. 0. dachte an eine vom Kölner Erzbischof geleitete Thronsetzung auf dem Stuhle Karls, die der Weihe vorausging. R. HoLTZMANN in der Deutschen Literaturzeitung, r 929 Sp. roz8 hielt das ))nicht für ausgeschlossen«, wollte aber in diesem Falle dem Vorgehen keine politische Bedeutung beimessen. U. STUTZ wiederholte in seiner Anzeige OPFERMANNS (Zeitschrift für Rechtsgesch. 5o, German. Abt., 1930 S. 441) seine frühere Ablehnung der ))Lehre von einer der Salbung und Krönung mit Absicht vorangestellten Inthronisation, also der Vorthronsetzung als Einrichtung und der darauf errichteten Geschichtskonstruktion«. 89 Cap. 23 (S. 42). 90 Auf dieses Wort legte OPFERMANN a. a. 0. S. 26 Gewicht. Das Plusquamperfekt: fecerat nahm er (dem Sprachgebrauch Wipos 9 Schramm, Aufsätze III
entsprechend) als historisches Perfekt, das: tune als Weiterleitung einer fortschreitenden Handlung. Denn nach seiner Meinung kann Wipo nicht noch einmal gesagt haben, ))Was vorher schon in allgemeinen Worten gesagt war«. Das aber ist hier doch der Fall, was niemand überraschen kann, der sich mit der Diktion dieser Zeit beschäftigt hat. 91 Vgl. z. B. DD. 0. I. 356 und 372: nos divina potencia ad imperialis culminis provexit apicem. 92 Im Jahre 900 fanden wir eine ähnliche Lage; in Bd. II S. 299 Anm. 48 haben wir deshalb die Thronsetzung nur auf Grund der Umstände für wahrscheinlich erklärt. V gl. ferner die Nachweise dort (dazu der ))Mainzer Ordo« passim) -keiner wird in diesen Fällen, obwohl der Ausdruck deutlicher ist, auf eine Thronsetzung schließen. Die Nachweise ließen sich leicht vermehren. Hier nenne ich noch das zu Anfang des 12. Jahrhunderts gefälschte D. H. III. 392 von angeblich ro44:
A 3: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher (961-1050)
genössischen Leser war dieser Ausdruck also noch farbloser als für uns: er bietet daher gar keinen Anhalt für eine der Krönung voraufgehende Thronsetzung. Daß die Krönung im Jahre 1028 wieder weltlicher geworden sei, läßt sich nicht beweisen, läge auch gar nicht im Zuge der Entwicklung. Wurde die Feier von 1028 als auch für Italien gültig angesehen? So war es ja auch bei der Krönung Ottos III. (983) gewesen 93 • Diesmal wird nichts ähnliches berichtet, und auch die sonst noch vorgebrachten Belege sind nicht gewichtig 94 • Wir lassen die Frage vorläufig noch offen. ( S. 3 OI .) Einzelangaben über die Art, wie die Feier abgehalten wurde, liegen nicht vor. Kein Zweifel, daß Heinrich nach dem Herkommen, d. h. nach dem »Mainzer Ordo«, geweiht wurde. Man kann zweifeln, ob er damals auch auf den Karlstuhl gesetzt wurde; denn dies geschah am 25. Juni 1039, also sieben Wochen, nachdem Heinrich die Alleinherrschaft angetreten hatte 95 • Ein Gewohnheitsrecht ( S. J02.") beAgnetam . . . electam et . . . consecratam et regalibus insignibus decoratam ad honorem regni nostri sublimavimus et corroboravimtts. Hier müßte nach 0. auch die Annahme einer Thronsetzung der Königin möglich sein. 93 Vgl. oben S. 113f. 94 STE1NDORFF a. a. 0. I S. 17 (zustimmend BRESSLAU a. a. 0. I S. 241) führt Verse der KrönungscantiJena an, deren Aufruf der Nationen jedoch ein traditionelles Motiv ist, ferner die Bulle mit spes imperii, die über Italien gar nichts aussagt, schließlich die Tatsache, daß auch die italienische Kanzlei Konrads Heinrich mit rex titulierte: wie hätte sie anders gekonnt? Gewichtiger ist der Beleg, auf den sich BECKER a. a. 0. S. 16 Anm. 8 beruft: nach den Urkunden Konrads aus dieser Zeit waren damals Italiener am Hof. Entscheidend aber wäre erst der Nachweis, daß sie - wie 983 - bei der Krönung mitwirkten; solange müssen wir sie als »ausländische Zuschauer« ansehen. 95 ANN. STABULENSES: Heinricus inthronizatur eodem atmo Aqttis, 2. Kal. Augusti. Dort ist Heinrich am 3· VIII. (D. H. III. 4) nachweisbar; vgJ. STE1NDORFF a. a. 0. S. 47f., der dies von BECKER a. a. 0. S. 22 Anm. 3 beigebrachte Zeugnis übersah und daher die anderen nicht gelten ließ. Hier ist besonders die von OPFERMANN a. a. 0. S. 27ff.
analysierte Nachricht der ANN. H1LDESH. ad a. 1039, ed. G. WAITZ 1878 (Script. rer. germ. in us. schol.) S. 44 zu nennen: solio patris, Deo Gratias! est intronizatus. Auch die Angabe in der Translatio S. Servatii des Jocundus aus dem Ende des rr. Jahrhunderts, der sich in cap. 44 auf Mitteilungen der Maastrichter Mönche beruft, braucht dann nicht verworfen zu werden. Danach wurde Heinrich am I 5. August (Ass. Mariae) zu Maastricht im Krönungsschmuck auf den Thron gesetzt und akklamiert (cap. 5I ; Mon. Germ., Script. XII S. 112). Jocundus scheint das als Begründung von Heinrichs Herrschaft aufgefaßt ZU haben; STE1NDORFF a. a. 0. S. 47 Anm. 7 will (G1ESEBRECHT folgend), darin nur eine an hohen Festen öfters wiederkehrende Zeremonie erkennen. Die Wahrheit liegt in der Mitte: auf seinem »Umritt durch das Reich« hat Heinrich auch in Maastricht das »Vollwort« erhalten, als er sich dort im Königsornat zeigte. Symbolisch kam das in einer »Stuhlsetzung« und im Zuruf zum Ausdruck. - Auch der Regierungsantritt des schon 105 4 gekrönten Heinrich IV. wurde Io56 durch eine Thronsetzung in Aachen »sichtbar« gemacht: vgl. K. G. HuGELMANN, Der Einfluß Papst Victors II. auf die Wahl Heinrichs IV., in den Mitteil. des Österr. Inst. für Geschichts-
Heinrich III.: Mitkönig (ro28)
stand in dieser Frage nicht; denn der einzige Analogiefall, den die deutsche Geschichte bisher gesehen hatte: Krönung (961) und Beginn der Alleinherrschaft (973) Ottos II., lag schon zwei Menschenalter zurück 96 • Aber wie es auch bei den Huldigungen wahrscheinlich ist, daß sie dem zum Alleinherrscher aufgestiegenen Mitkönig erneuert wurden, so möchte man annehmen, daß nach einer »Miteinweisung« im Jahre 1028 noch eine Besitzergreifung der Gesamtherrschaft im Jahre 1039 stattfand. Über die Bedeutung dieses Aktes belehrt die Zählung seiner Regierungsjahre: sie rechnet vom Tode des Vaters, nicht von der Stuhlsetzung an. Die Krönung Heinrichs III. fügt sich also ganz in das Herkommen ein. Aber sie bedeutet doch einen Einschnitt in der Geschichte der deutschen Krönungen; denn siebeendet den Zwiespalt, der sie von ihrem Beginn an beunruhigt hatte. Der hundertjährige Streit zwischen Mainz und Köln, den Hatto, Hildebert, Willigis und Aribo zugunsten der Mainzer Kirche gewendet hatten, war in Anwesenheit Aribos zugunsten des Kölner Stuhls entschieden. Von nun war es ein Gewohnheitsrecht, das der Kölner Erzbischof dann durch urkundliche Verbriefung zu stärken suchte, daß die Krönung eines deutschen Königs in Aachen zu geschehen habe und daß sie durch den Erzbischof von Köln zu vollziehen sei. Der Steinthron Karls des Großen hatte sie wie ein Magnet wieder an sich herangezogen: es hatte sich gezeigt, daß er für eine volle Rechtlichkeit des Herrschaftsbeginns unentbehrlich und selbst durch das Ansehen der »Heiligen Lanze« nicht zu ersetzen war. Das verschaffte neben den politischen und persönlichen Verhältnissen dem Kölner Erzbischof schließlich doch den Vorrang. Jahrhundertelang hat er ihn zu wahren verstanden. Der Mainzer Rivale hat sich damit abgefunden, und er konnte es; denn das Wahlprinzip hatte ihn in den Jahren 1002 und 1024 in eine führende ( S. }OJ.) Stellung bei der Königswahl gebracht, und diese hat sich jedesmal weiter gefestigt, wenn die Wahl entscheidend wurde. Da sie schließlich den wesentlichen Akt beim Regierungsantritt darstellte, verlor die Krönung an politischer Bedeutung, wenn auch nicht an Rechtskraft. So ist das 1028 abgeschlossene Ringen gleichsam auf einer anderen Kampfebene doch noch weitergegangen.
i) Konrad II. ttnd Heinrich III. als Kiinige von Bttrgttnd (I o33, I o3 8) Hier können wir uns begnügen mit einem V erweis auf den Burgund betreffenden Abschnitt in Band II, in dem wir die Rolle der Salier bereits behandelt haben (S. 277 ff.). forsch. 27, 1906 S. 209ff., der die Verabredungendessterbenden Heinrich III. mit den Fürsten als eine zweite »Wahl« ansah, während BECKER a. a. 0. S. 24 sie als noch-
malige Anerkennung betrachtet. 96 Vgl. oben S. noff. Damals fanden Huldigungen statt.
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A 3: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher (961-1050)
Wir wiederholen hier, daß nach dem Tode des letzten Burgunderkönigs, der Konrad II. zum Erben bestimmt hatte, dieser sich gegen die Mitbewerber durchsetzte: er wurde von seinen Anhängern »gewählt« und am 2. Februar ro3 3 im Kloster Peterlingen gekrönt. Das heißt: Burgund wurde ebenso wie Italien behandelt. Es blieb ein eigenes Reich, das mit Deutschland durch »Personalunion« verbunden war. Auf einem Hoftag, den Konrad I03 8 in Solothurn abhielt, ließ er seinen Sohn Heinrich zum »König der Burgundionen« erheben - diesen Titel führte der Erbe in einigen Urkunden, obwohl er ja schon als deutscher König gesalbt und gekrönt war. Heinrich III. hat sich jedoch weder in Burgund noch in Italien krönen lassenvermutlich einfach aus dem Grunde, daß diese Akte so viele Streitfragen virulent gemacht hätten, daß es besser war, von ihnen abzusehen. Jedenfalls hat auch Heinrich III. an dem Gedanken festgehalten, daß Italien und Burgund mit Deutschland durch »Personalunion« verbunden waren: er führte für jedes seiner drei Länder ein eigenes Siegel97 ; für jedes von ihnen war ein eigener Erzkanzler bestellt 98 • Das Amt des italienischen Signifer vererbte sich über die Zeit Heinrichs III. hinaus im Geschlechte der Aldramiden 99 • Ob unter seinem Vater oder unter ihm auch für Burgund ein Signifer bestellt wurde, wissen wir nicht - die dieses Land betreffenden Zeugnisse sind im I I. Jahrhundert spärlich.
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Schluß: bei!Jl Thronwechsel in Deutschland geltende Gewohnheitsrecht und die Auswirkung des »Mainzer Ordo«
Der seit 1028 üblich gewordene Zustand vertrug sich auf das beste mit dem »Mainzer Ordo«. Jetzt konnte die Thronsetzung wieder unmittelbar nach der Krönung vollzogen werden; beides leitete der Metropolitanus, und wenn die Feier auch nicht an seinem Sitze stattfand, so doch in einer Kirche seiner Provinz. Deshalb hatte der Kölner Erzbischof kein Interesse daran, den Ordo abzuändern; und da dieser so bis in das einzelne überlegt war und auf alle wichtigeren Einzelfragen Antwort gab, lag auch kein sachlicher Anlaß dazu vor. So ist, nachdem zu Beginn der Salischen Zeit die Entscheidung über den Ort und die Person des Ordinators gefallen war, der deutsche Krönungsbrauch von nun an in einen sich nur wenig mehr wandelnden Zustand eingetreten. Das spricht deutlich genug für die Leistung jener unbekannten Redaktoren, die um 96o im Kloster St. Alban zu Mainz den Ordo für das dort zusammengestellte Pontifikale verfaßten. Aber auch jenseits der deutschen Grenze war es nicht anders. 97 Bd. II S. 278. 98 J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige II, Stuttgart 1966 S. 303;
Register s. u. »Erzkanzler«. 99 Herrschaftszeichen II, Stuttgart 195 5 S. 679f.
Konrad II., Heinrich III.: Könige von Burgund-Schluß
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Begünstigt wurde der Wauderweg des Ordo natürlich dadurch, daß das Pontifikale selbst eine Lücke füllte, deshalb allerorten aufgenommen wurde und schließlich als das »Römische« schlechthin galt. Aber der Ordo hat sich auch dort durchgesetzt, wo schon ein einheimischer Krönungsbrauch entstanden war. Schon 973 wurde der soeben auf westfränkischen Grundlagen festgelegte angelsächsische Ordo mit Hilfe des deutschen ausgebaut100 • Dieser Text bestimmte dann jenen Ordo, der seit etwa r roo Gültigkeit in Frankreich erlangte101 • Hier wurden im rz. Jahrhundert ebenso wie in England neue ( S. 304:) Anleihen im »Mainzer Ordo« gemacht. In Kastilien kam er im rz. Jahrhundert zur Geltung, und in Aragon hat er wenigstens mittelbar eine Einwirkung ausgeübt über den sogenannten »Burgundischen Ordo«, der aus der Mitte des rz. Jahrhunderts stammt und in einer überarbeiteten Fassung in das noch heute gültige »Pontificale Roman um« eingegangen ist; denn auch dieser Text geht auf den »Mainzer Ordo« zurück. Ähnliches gilt für die Länder des Nordens und Ostens, wo entweder der deutsche Ordo als Teil des »Pontificale RomanoGermanicum« übernommen oder fortgebildete Formulare eingeführt wurden. Wirkungen strahlte er auch aus auf die italienische Königskrönung, auf das normannische Sizilien - kurz, es gibt unter den Krönungsordnungen, die der katholische Teil Europas im Mittelalter hervorgebracht hat und deren Zahl man auf über hundert ansetzen kann, kaum einen, der nicht mittelbar oder unmittelbar zur Nachkommenschaft des »Mainzer Ordo« gehört. Diesen Erfolg verdankt der Ordo nur zum Teil dem Pontifikale; er hat auch für sich allein weitergewirkt. Was dem Ordo die Bahn ebnete, ist leicht zu ermessen. Schon rein formal war der Mainzer Text durch seine genauen Angaben zu den einzelnen Formeln über den Typ hinausgelangt, dem Hinkmar von Reims seinen Stempel aufgedrückt hatte. Die Formeln selbst wiederum waren länger, inhaltsreicher als die früheren. Was sie den mittelalterlichen Königen an Gedanken über ihre Rechte darboten, ist schon behandelt worden101 ; man darf daneben nicht ihren Stil vergessen, der die Tradition der Sakramentare mit den Mitteln des ro. Jahrhunderts ausgestaltet. Diese Sprache hat etwas Schwebendes durch den Parallelismus der Satzglieder, etwas Klingendes durch Reimprosa, Allitteration und andere Stilmittel; schon an sich bilderreich, wird sie immer wieder über sich selbst dadurch hinausgehoben, daß sie in Wendungen der Bibel ( S. 3 oJ .") hineingleitet. Es ist eine feierliche Kultsprache, von Musik umrahmt und getragen. Auch der heutige Leser kann diesen Zauber noch spüren zumal, wenn er im Geiste alles nacherlebt, was der Ordo beschreibt: eine heilige Handlung mit Ausgießung des Heiligen Geistes in der Salbung und Verwandlung des Leibes Christi in der Messe, begleitet von weihevollen Zeremonien, in denen der neue Herrscher durch Übergabe der Herrschaftszeichen zum rechtmäßigen König 1oo SCHRAMM, Krönung a. a. 0. S. 171 (jetzt Bd. II s. I83)·
ror Ebd. S. 184 (jetzt: Bd. II S. 193ff.).
A 3: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher (96r-roso)
gemacht und schließlich auf dem Thron eingewiesen wird. Antikes, Christliches und Germanisches, Karolingisches und Neues begegnen sich hier, um in der dreifachen Sprache des Wortes, der Symbolik und der kultischen Handlung den Eintritt in die Herrschaft sinnlich faßbar zu machen. Daß der »Mainzer Ordo« es verstanden hat, diese verschiedenen Sprachen so auszugleichen, daß sie deutlicher und eindrucksvoller Kunde geben als alle voraufgehenden Versuche, ist der eigentliche Grund seines Erfolges. Und so prächtig im einzelnen die Krönungsfeiern in den verschiedenen Ländern auch noch ausgestaltet sein mögen, im wesentlichen sind sie nicht mehr über den »Mainzer Ordo« hinausgelangt10 2.
roz Vgl. die Würdigung des Ordo bei A. DEMPF, Sacrum Imperium, München u.
Berlin 1929 S. rsof.
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Hofkapelle und Pfalzen a) Die Hofkapelle der Sächsischen und Salischen Kaiser (Buchbesprechung)* Von J. FLECKENSTEINS1 Geschichte der Hofkapelle, deren sich die deutschen Könige sowohl für den Gottesdienst als auch für Urkunden- und Briefabfassung bedienten, wurde in Bd. I S. 349f. der 1959 erschienene Band I besprochen. Hier ist Band II zu vermerken, für den alles Gute, was an seinem Vorgänger zu rühmen war, in gleicher Weise gilt. Auf Grund minutiöser Forschung vermag der Verfasser folgendes Bild von der bei den Geschichtsschreibern nie ausführlicher behandelten- Hofkapelle zu zeichnen: Heinrich I. schloß sich an das Vorbild der Karolinger an, übernahm aber bezeichnenderweise keinen der Kapellane Konrads I. Er sorgte für den Unterhalt der von ihm eingestellten, aber machte ihnen keine Schenkungen aus Fiskalgut; auch Fiskalkirchen spielten für ihre Ausstattung keine Rolle mehr. Wir wissen nur von Franken und Sachsen, die Heinrich beschäftigte. In die Zukunft wies, daß zwei dieser Kapellane Domherrenstellen innehatten. Ihren Ausbau und die Übertragung neuer Funktionen verdankt die Hofkapelle Otto I.: er hob sie »in die Sphäre der Großen Politik« (S. q). Berater und Helfer war dabei sein Bruder Brun, der gegen die Regel Erzkapellan wurde, bevor er zum Erzbischof von Köln aufstieg (95 1). Wie sehr Otto zunächst noch gezwungen war, den Geistlichen entgegenzukommen, zeigt sich daran, daß zeitweilig vier Erzkapellane nebeneinander amtierten. Erst 965 setzte sich der fortan geltende Brauch durch, daß es nur einen gab und zwar den Erzbischof von Mainz. Im Gesamt sind während Ottos Regierungszeit 45 Hofgeistliche rekognoszierbar, darunter etwas mehr Säkulargeistliche als Mönche: darin drücken sich die Zunahme der Verschriftlichung und die Erweiterung des königlichen Wirkungsbereichs aus. Die Kapellane waren teils schlichter, teils adliger Herkunft und stammten nunmehr nicht mehr ausschließlich
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Zuerst in: Gesch. in Wissenschaft u. Unterricht XIX, 1968 S. 451-3. I FLECKENSTEIN, Josef: Die Hofkapelle der deutschen Könige, II: Die Hofkapelle im Rahmen der ottonisch-salischen Reichskirche (Schriften der Mon. Germ. Hist. r6, II).
Stuttgart (A. Hiersemann) rg66. XX + 312 Seiten. Der Vorbereitung diente der Aufsatz: Rex canonicus. Über Entstehung u. Bedeutung des ma.lichen Königskanonikates in: Festschrift P. E. ScHRAMM, Wiesbaden 1964 s. 57-71·
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aus Sachsen und Franken. Hatte Otto am Anfang 5-6 Kapellane nebeneinander beschäftigt, waren es nach 965 etwa 15· Zum Schluß überwogen die Männer adliger Herkunft. Was sie zum Eintritt in die Kapelle reizte, war die Aussicht, auf diese Weise ein Bistum zu erlangen. In Ottos I. Zeit widerfuhr dieses Glück I4 und zwar zehn von ihnen erst in den Jahren 967-72, was die Stellung des Kaisers zur Reichskirche schlagartig beleuchtet (von 9 53 an hatte es eine Vorstufe bedeutet, daß Brun für die Erhebung von Geistlichen sorgte, die er erzogen hatte und für zuverlässig ansehen durfte). Der Hof wurde also zur »Pflanzstätte des Reichsepiskopats«, die Kapelle zu einer »Institution höheren Ranges« (S. 57), die- losgelöst von einzelnen Landschaften - dem Reich und der Kirche zugleich diente. Damit hatte die Hofkapelle eine Struktur erlangt, die sie von der karolingischen schied; so blieb sie im wesentlichen bis in die Zeit des Investiturstreites erhalten. Wir brauchen aus den folgenden Regierungen daher nur bezeichnende Tatsachen zu vermerken, die das Bild noch verändert haben. Ottos II. Regierung stellte eine Zwischenphase ohne eigene Physiognomie dar. Ihre Bewährungsprobe bestand die Kapelle in der Zeit der Minderjährigkeit Ottos III.: wenn die Krone damals nicht allzu viel von ihrem Ansehen einbüßte, dann verdankte sie das der Wirksamkeit des Erzkapellans Willigis und des Kanzlers Hildibald sowie der stillen Mitarbeit der von ihnen vergrößerten Kapelle; doch gelangen unter ihnen nur wenige ihrer Mitglieder auf einen Bischofsstuhl. Das Bild änderte sich sogleich nach der Wehrhaftmachung des fünfzehnjährigen Königs: »Von Anfang an muß ihm etwas Bezwingendes eigen gewesen sein. Er trug das herrscherliehe Erbe seiner ottonischen und seiner byzantinischen Ahnen so tief im Blut, daß er mit seiner Erhebung auch sofort als Herrscher in Erscheinung trat« (S. 84). Der dritte Ottone bemühte sich einerseits um die Gewinnung bedeutender Männer für die Kapelle (der größte unter ihnen war Gerbert, der spätere Papst Silvester II.); andererseits sorgte er wieder intensiv dafür, daß freigewordene Bistümer mit Kapellanen besetzt wurden (996-IOOI: I I und Papst Gregor V., vorher nur 4). Neu war der Titel »Logotheta«, der nicht (wie ich früher ausgeführt habe) nur eine besser klingende Bezeichnung für »Kanzler«, sondern eine Würde politischer Natur bezeichnet haben muß (S. Io7f.). Für Otto bezeichnend sind die persönlichen Beziehungen, die ihn mit den wichtigsten Kapellanen verbanden. Andererseits läßt die Geschichte der Kapelle erkennen, wie sehr er priorum suorum more (Thietmar) regierte, d. h. die Tradition fortsetzte und die Reichskirche im Geiste Ottos I. ausbaute. Insofern war er der Wegbereiter des an sich ja anders gearteten Heinrich II. Die von Otto I. an intensivierte Verbindung der Kapelle mit den Domkapiteln bot den Vorteil, daß die Domherren Pfründen besaßen, also auf keine oder doch nur eine zusätzliche Besoldung angewiesen waren. Ein weiterer war, daß auf diese Weise der Hof mit einem Dutzend von Bistümern laufend personell verbunden blieb, was darauf hinauslief, daß die Kapellane neben ihren bisherigen Obliegen-
Die Hofkapelle (ro.-rr. Jahrhundert)
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heiten auch solche von politischer Natur übernahmen. Die Kirche nahm das willig hin: nicht nur, weil sie dadurch ständige Beziehungen zum Hof pflegen konnte, sondern auch auf Grund des Gottesgnadentums, das sie willig anerkannte. Eine Überraschung bedeutet der Josef FLECKENSTEIN gelungene Nachweis, daß das- von der Forschung stark beachtete- Königskanonikat nicht erst von Heinrich II. geschaffen wurde, sondern bereits auf Otto III. zurückgeht: »Ein sonderbares Phänomen: der König, kraftseiner Weihe aus der Schar der Laien herausgehoben, aber doch kein Angehöriger der Geistlichkeit, tritt mit den Rechten und Pflichten der Kanoniker in mehrere Domkapitel ein«! (S. r 53; s. auch schon den vermerkten Aufsatz). Nach den königlichen Kapellanen, die zugleich Domherren waren und zahlenmäßig ständig zugenommen hatten, jetzt der König selbst Domherr: enger ließ sich die Beziehung von Herrschaft und Reichskirche nicht gestalten! Otto war Domherr in Bildesheim und in Aachen, über dessen Bedeutung das Buch auch sonst wichtige Aufschlüsse bietet (S. 145-5 r). In dieser Beziehung war Otto also gleichfalls Wegbereiter Heinrichs II., der in einer ganzen Reihe von Kirchen Ehrenkanonikate übernahm und diese Würde nun auch seiner Gemahlin zuschanzte (S. 23 1). Von Otto sind 35, von Heinrich 39 Kapläne bekannt (S. 189), nunmehr tätig auch als missi, als Begleiter von Gesandten, als Überwacher von Bischofswahlen usw. Wenn wir von den Kapellanen Konrads II. weniger erfahren, liegt das zum Teil an der Überlieferung, aber auch daran, daß er ihnen weniger Gelegenheit bot, hervorzutreten. Doch blieb es dabei, daß auch unter den Saliern die Kapellane bei der Besetzung vakanter Bischofssitze bevorzugt wurden und die Kapelle daher ihre Anziehungskraft auf Sprosse vornehmer Geschlechter weiter ausübte. Für Konrad blieb also gleichfalls »die Verbindung von Hofkapelle und Reichskirche die Grundlage seiner Reichskirchenpolitik« (S. 229). (In das Getriebe seiner Kapelle läßt die -von W. BuLsT für die Mon. Germ. Hist. 1949 herausgegebene- »Wormser Briefsammlung« hineinschauen.) Heinrich III. war kein Neuerer: er hielt sich an die Tradition und bediente sich daher auch der Hofkapelle im hergebrachten Sinne: sie blieb für ihn »ein unentbehrliches Instrument der Herrschaft« (S. 287)- sie paßte ja ganz zu seinen Grundgedanken. P. F. KEHRS These, daß auf die Politik des zweiten Saliers dessen persönliche Aufgeschlossenheit für die Reformgedanken sich nicht ausgewirkt habe, modifiziert der Verfasser: aus der Geschichte der Kapelle ist abzulesen, daß Heinrich III. die Reformen aktiv förderte. Er nahm Reformer in seine Kapelle auf, jedoch keine aus Klöstern, und bediente sich auch innerhalb der Kirche für deren Erneuerung der Säkulargeistlichkeit. Als Pfalzstifte bevorzugte Heinrich Goslar und Kaiserswerth. Im Gegensatz zu seinem Vater, der - wie wohl schon Heinrich II. - keine Bedenken getragen hatte, sich für Bischofsbeförderungen Geschenke machen zu lassen, mied sein Sohn peinlich solche »Simonie« (S. 293). Der Verfasser bricht seine Darstellung erst einmal mit dem Tode Heinrichs III.
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ab; denn es ergab sich im Zuge seiner Forschungen, daß die Zeit Heinrichs IV., in der infolge der geänderten kirchlichen Situation die Bedeutung der Hofkapelle zurückging, nur im größeren Zusammenhang gewürdigt werden kann - dieser Aufgabe wird er sich noch zuwenden. - Für die anschließende Zeit liegen bereits mehrere Studien vor. Einem Schüler hat Fleckenstein die Aufgabe übertragen, die noch nicht ausgeschöpften Nekrologien für die Geschichte der Hofkapelle auszuwerten, und die Monumenta Germaniae haben weitere Pläne. Wir haben allen Anlaß uns zu freuen, daß uns jetzt die Geschichte der Hofkapelle von den Merowingern bis zum Höhepunkt der Salischen Zeit in so mustergültiger Weise vor Augen geführt worden ist. Dafür hatte der Verf. viel Kleinarbeit zu leisten; daß trotzdem ein lesbares Buch zustande gekommen ist, muß gerühmt werden. Was es uns bietet, ist die Geschichte der einzigen »Zentralbehörde«, über die die deutschen Herrscher im frühen Mittelalter verfügten, beauftragt - was nur in dieser Zeit möglich war - einerseits mit kultischen Funktionen (Messehalten, Reliquienbetreuung usw.), andererseits als »Kanzlei« beschäftigt (daß diese keine eigene »Behörde« darstellte, hatte bereits H.-W. KLEWITZ geklärt). Offen bleibt noch die Frage, welche Rolle die Hofkapelle bei dem Austausch künstlerischer und literarischer Anregungen gespielt hat: sie war zweifellos beträchtlich, läßt sich jedoch nur hier und da greifen (zum »Ruodlieb« vgl. S. z7o, zu der »Cambridger Liedersammlung« S. z68). Nachdem wir nun über die Hofkapelle als Institution und über ihre Mitglieder ins Bild gesetzt sind, werden die Kunst- und Literaturhistoriker hierzu hoffentlich noch Nachträge zu liefern vermögen.
b) Der deutsche König als Bauherr Verwiesen sei bereits hier zum Vergleich auf eine Anlage in Bd. IV: »Der englische König als Bauherr« (Besprechung von R. A. BROWN, H. M. CoLLIN, A. ]. TAYLOR: »The History of the King's Work« I-li, London 1963; 1139 Seiten mit Kartenkasten).
Über Pfalzen in Deutschland I.*
Allgemein In die Geschichte unserer mittelalterlichen Könige eröffnet einen ganz neuen Einblick der erste Band eines breit angelegten Werkes über die »deutschen Königspfalzen«1.
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Zuerst in: Geschichte in Wissenschaft u. Unterricht XV, 1964 S. 24of. und XVII, 1966 s. 696f.
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Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung. Erster Band (Veröffentlichungen des
Pfalzen in Deutschland
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Über die Politik der Könige, über die von ihnen vertretenen Ideen, jetzt auch über die von ihnen getragenen »Herrschaftszeichen« und die Schätze, die sie besaßen, haben wir einen mehr oder minder genauen Überblick. Wenn wir jedoch versuchen, vor unser geistiges Auge zu rufen, wie die Könige durch die deutschen Lande gezogen sind, wie sie Recht gesprochen, Hoftage abgehalten und ihr Heer zu einem Kriegszug versammelt haben, dann waren wir bisher der Willkür unserer Phantasie überlassen. Sie findet noch Anhalte, soweit die Könige dafür Städte benutzten; da aber ihr vornehmlichster Aufenthalt die Pfalzen waren, half uns die Forschung bisher nicht viel weiter, weilnur wenige noch - meist nur als Ruinen oder in stark umgebautem Zustand - vorhanden sind und die bisher vorliegenden Pläne und Rekonstruktionen oft kein volles Vertrauen verdienen. Es ist das große Verdienst von Hermann HEIMPEL, daß er sich die Vorschläge von W. BERGES und W. ScHLESINGER, das Pfalzproblem systematisch zu bearbeiten, zu eigen machte und dafür das von ihm begründete und geleitete Max-Planck-Institut für Geschichte in Göttingen zur Verfügung stellte. In diesem wurden I 9 57 und I 9 59 zwei Colloquien abgehalten, welche die an den offenen Fragen beteiligten Gelehrten zusammenführten und klärten, was zu tun sei und wie vorgegangen werden müsse. Denn es kommt darauf an, die Ergebnisse der einzelnen Ausgrabungen im größeren Rahmen auszuwerten, andererseits diese anzuregen und die Ausgräber auf die Fragen zu stoßen, die man beantwortet haben möchte, um das Gesamtproblem »Pfalz« fassen zu können. Beteiligt sind Vertreter von Geschichte, Rechts-, Kunst- und Vorgeschichte, die die Fragen stellen und versuchen, auf Grund der Funde Antworten zu formulieren; ihnen arbeiten Ausgräber aller Art entgegen, angeführt von den Landeskonservatoren und anderen Instanzen, die dem Boden abzugewinnen suchen, was er noch auszusagen vermag (wobei sich das Luftbild wiederum als ein Erkenntnismittel ersten Ranges erweist). Geplant war, gleich mit einem starken Bande an die Öffentlichkeit zu treten. Da sich jedoch der Abschluß mancher Beiträge hinauszog, ist er in zwei Hälften aufgeteilt worden. Die erste, hier anzuzeigende Hälfte bringt die sechs Aufsätze, die bereits druckfertig sind. W. ScHLESINGERS Studie »Merseburg« ist so angelegt, wie nach und nach alle anderen Pfalzen aufgearbeitet werden sollen (I. Bibliographie und Hilfsmittel; II. Hist.-geogr. Beschreibung; III. Siedlungsgesch.; IV. Topographie; V. Königtum und Pfalz; VI. spätere Schicksale). Die Leser werden zur Kritik dieses Modellfalles
Max-Planck-Instituts für Geschichte II/r). Göttingen (Vandenhoeck u. Ruprecht) r963. X, z6o S. in Quart. Der Band ist mir zugeeignet und bereitete mir eine l!roße Freude. da das Pfalzenproblem mir
seit Jahrzehnten als eine bisher unzureichend gelöste Aufgabe vor Augen stand. Aber ich füge hinzu, daß ich meinen Bericht nicht deshalb oder aus Courtoisie so faßte, wie er hier zu lesen ist. Ich stehe für jedes Wort ein I
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aufgerufen; aber er ist so gut durchdacht, daß es sich wohl höchstens noch um geringfügige Abänderungen oder Verfeinerungen dieses Rahmens handeln kann. Theodor MAYER behandelt die von den schwäbischen Herzögen benutzte Pfalz Badman auf Grund der über sie vorliegenden Geschichtszeugnisse. W. BERGES befaßt sich mit dem Werla-Goslaer »Reichsbezirk« (9. bis 11. Jahrh.), gestützt auf die Erkenntnisse, die uns die Ausgrabungen in Werla vermittelt haben. P. CLASSEN steuert »Bemerkungen zur Pfalzenforschung am Mittelrhein« bei; Karl HAUCK behandelt »Die Tiergärten im Pfalzbereich«, zu denen er überraschend viel Material zusammengebracht hat, und K. BosL schneidet das für die weitere Forschung sehr wichtige Problem »Pfalzen und Forsten« an. Dieser Halbband spiegelt also die Doppelnatur der aufgegriffenen Aufgabe: vom Besonderen zum Allgemeinen, und das Allgemeine überprüft am Besonderen. Die Wendung: »Wir sind gespannt auf den Fortgang des Werkes« ist so abgenutzt, daß man Bedenken trägt, sie niederzuschreiben. Aber in diesem Fall ist es einmal wirklich so; deshalb sei dieses Bedenken zurückgestellt. Ich verbinde diese Versicherung mit dem Bergmannszuruf: »Glück auf!«, der ja wohl auch für Ausgräber passend ist. 2.
Im Jahre 1964 wurde über die Erforschung der mittelalterlichen Pfalzen berichtet, die das Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte unter der Leitung von Hermann HEIMPEL in Angriff genommen hat. Dort konnte der 1963 erschienene I. Band eines Werkes angezeigt werden, in dem das Problem von allen Seiten angegangen wird: also von dem durch Ausgrabungen erhellten Befund aus, ferner von den Geschichtszeugnissen und der Namenforschung sowie von der Rechtsgeschichte aus. Auf diese Weise ist gesichert, daß die Ausgräber von Parallelunternehmen Kenntnis nehmen können und erfahren, worauf sie zu achten haben; andererseits zwingen die Einzelfunde dazu, vorschnelle Verallgemeinerungen zu vermeiden und immer neu zu prüfen, was das Wort »Pfalz«- genau genommen- besagt. Schritt für Schritt nähern wir uns auf diese Weise einer konkreten Vorstellung, wo und wie unsere - ja einer festen Residenz entbehrenden - Herrscher des Mittelalters ihr Leben verbrachten. Jetzt ist der zweite, noch umfangreicher ausgefallene, reich mit Karten und Abbildungen ausgestattete Band erschienen 2 • Er konzentriert das Augenmerk des Lesers auf vier Pfalzen, über die bereits Genaues ausgesagt werden kann. Mit der Pfalz Grona bei Göttingen, in der 1024 Kaiser Heinrich II. vom Tode ereilt wurde, befassen sich sechs Beiträge (hervorgehoben sei A. GAUERTS Bericht über die Ergeb2
Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer hlstor. und archäolog. Erforschung, II (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institutes für
Geschichte, Bd. rr, 2). Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 1965, 324 Seiten in Folio mit r 8 Tafeln und 4 Klapptafeln.
Pfalzen in Deutschland
nisseder im Laufe der letzten Jahre durchgeführten Untersuchungen). Der Pfalz Werla (bei Goslar), wo bereits 1934 eingesetzt wurde, aber noch weitergegraben wird, sind fünf Beiträge gewidmet. Drei weitere behandeln die HarzPfalzen Pöhlde und Tilleda. Vorausgeschickt sind zwei Aufsätze, in denen Einzelfeststellungen zusammen gefaßt werden. H. JANKUHN klärt auf wenigen Seiten, daß die sogenannten »Heinrichsburgen« nur in Sonderfällen mit den Befestigungen des ersten Sachsenkönigs zusammengebracht werden können, da sich bei einzelnen ein höheres Alter nachweisen läßt, andere erst später entstanden sind. Diese Rundburgen, die nicht bewohnt worden sind, spricht H. JANKUHN deshalb als Zufluchtsorte an, die adlige Hofbewohner mit ihren Hintersassen für Notzeiten anlegten. In einem umfangreichen Bericht faßt Adolf GAUERT, der ja bei den Ausgrabungen der Pfalz Grona führend beteiligt ist, die Ergebnisse zur Struktur und Topographie der Königspfalzen zusammen, zu denen die beteiligten Forscher bisher gekommen sind: Die karolingischen Pfalzen waren eingefriedigte, aber unbefestigte Gutshöfe mit Palast- Bauten, die sich der Lage nach nicht von anderen großen Höfen unterschieden; nur einige von ihnen waren wie Höhenburgen angelegt. Doch begann ihre Befestigung bereits im 9· Jahrhundert. Heinrich I. schuf den neuen, noch für die Staufische Zeit maßgeblichen, den voraufgehenden nur nach und nach verdrängenden Typ: die »Pfalz als Burg«, angelegt auf Bergspornen und daher mit einem sich dem Gelände anpassenden Grundriß und wirtschaftlich abgestützt durch einen abgesonderten, in der Ebene liegenden Wirtschaftshof. Das Bild, das wir C. ScHUCHHARDT verdanken, enthielt also bereits viel Richtiges, muß jedoch modifiziert werden. In die Betrachtung einbezogen sind auch die - nicht als Pfalz benutzten - Wehranlagen mannigfacher Art, bei denen verschiedene Typen zu unterscheiden sind. So A. GAUERTS Überblick. Hoffentlich gelingen noch so viel weitere Feststellungen, daß er nach einer Reihe von Jahren- mit Korrekturen und Ergänzungen versehenin neuer Fassung vorgelegt werden muß!
3· Die Pfalz Ingelheim* Über die Pfalz In gelheim liegt ein selbständig entstandener Band vor, verfaßt von
*
Zuerst in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht XVII, I 966 S. 667f. (vgl. dazu den Abschnitt: Die Bauherrn als entscheidender Faktor bei den Wandlungen in der Architektur« in Bd. IV Teil D). Hinweise auf die der Beantwortung noch harrenden Fragen der letzten Jahre bietet
W. METZ, Betrachtungen zur Pfalzenforschung, im Histor. Jahrb. 87, 1967 S. 91-roz, der vom II. Bande ausgeht und die Brücke von der Pfalzenforschung zur Geschichte des Reichsgutes (der Domäne des Verfassers) schlägt.
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sechs Forschern3 • Verdankt wird er der in Irrgelheim ansässigen Firma »C. H. Boehringer Sohn«, die durch ihren Sinn für Wissenschaft und Kunst schon oft die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt auf sich gelenkt hat. K. BöHNER behandelt die V argeschichte bis zur fränkischen Landnahme, Peter CLASSEN die Geschichte der Königspfalz bis r 375, A. ERLER die Schicksale des Ingelheimer Oberhofs. H. FuHRMANN befaßt sich mit den in der Pfalz abgehaltenen Synoden, L. PETRY mit der Geschichte des »Ingelheimer Grundes« vom 14· bis zum 19. Jahrhundert. Pfalz und Ort sind jetzt also von den Anfängen bis in die jüngere Vergangenheit fest in die Geschichte des Raumes eingebettet. Was wissen wir nun von den Baulichkeiten, die unter Karl dem Großen begonnen, unter Ludwig dem Frommen fertiggestellt und unter Friedrich I. Barbarossa erweitert wurden? In den bisher einschlägigen Werken ist unzählige Male eine auf Chr. RAucH zurückgehende Zeichnung abgebildet worden, die auf Grund der vor dem I. Weltkrieg unternommenen, dann durch diesen unterbrochenen Grabungen eine Rekonstruktion des karolingischen Bauzustandes bietet. Leider - so muß man sagen haben nun neue Grabungen, die nach dem II. Weltkrieg durchgeführt wurden, erwiesen, daß dieses Bild trügerisch ist. Vieles an der Rekonstruktion ist fragwürdig oder sogar nachweislich falsch. Was wir tatsächlich wissen, hat Walter SAGE zusammengetragen. Die Wehrbauten sind nachottonisch; die Kirche (einschiffig, u m breit und mehr als zo m lang, mit Querhaus und Halbkreisapsis) wurde erst in der zweiten Hälfte des ro. Jahrhunderts errichtet (wieviel von dem jetzigen Gemäuer über der Erde noch alt ist, hat sich noch nicht klären lassen). Sicher karolingisch ist der »Reichssaal«, eine einschiffige Aula, die Galerien gehabt haben kann (aus ihnen stammen wohl die in den Heidelberger Schloßhof überführten Porphyrsäulen); doch wurden nachträglich die Mauern dadurch entstellt, daß diese aula zur Kirche des von Karl IV. begründeten Stifts umgebaut wurde. Zu hoffen bleibt, daß weitere Grabungen noch zu ergänzenden Aufschlüssen führen. Es ist immer mißlich, wenn man Feststellungen, die sich eingebürgert haben, zusammenstreichen muß. Aber gesicherte sind besser als vage oder sogar unbegründete. Jedenfalls gebührt den Mäzenen, den Ausgräbern und den die Zeugnisse auswertenden Forschern, durch deren Zusammenwirken der ansehnliche Band zustande kam, nachdrücklicher Dank.
Irrgelheim am Rhein. Forschungen u. Studien zur Gesch. I.s von Kurt BöHNER, Walter SAGE, Peter CLASSEN, Horst FuHRMANN, Adalbert ERLER, Ludwig PETRY, Ernst EMMERLING, hrsg. von Johanne AuTENRIETH. Irrgelheim am Rhein (C. H. Boehringer
Sohn) 1964. 304 Seiten in Folio mit zahlreichen Plänen u. Abb. V gl. die eingehende, die Forschung weiterführende Besprechung von A. GAUERT in der Zeitschr. f. die Gesch. des Oberrheins I 14, 1967 S. 399-402.
Irrgelheim - Wimpfen
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4·
Die Pfalz Wimpfen* Die Erforschung der königlichen Pfalzen hat unter Leitung von Hermann HEIMPEL das Max-Planck-Institut in Göttingen übernommen; die der hochmittelalterlichen , als Architekturdenkmale bemerkenswerten Königspfalzen setzte bereits vor dem I. Weltkrieg der »Deutsche Verein für Kunstwissenschaft« auf sein Programm. Aber die Nachkriegszeit wirkte sich ungünstig auf dieses Unternehmen aus: bisher sind erst zwei Monographien erschienen (Uvo HoLSCHER: Die Kaiserpfalz Goslar, r 92 7; Oscar ScHÜRER: Die Kaiserpfalz Eger, 1934). Jetzt folgt als III. Band eine technisch sehr sorgfältig hergerichtete Bearbeitung der Königspfalz Wimpfen, verfaßt von dem Professor Fritz ARENS in Mainz 4 • Der Verein und der Autor dürfen stolz sein auf diese vorbildliche, durch zahlreiche Abbildungen, Pläne und Risse anschaulich gemachte, auch durch gute Register leicht benutzbar gemachte Publikation. Manchem Reisenden werden die noch immer stattlichen Reste dieser Pfalz vertraut sein; wer sie noch nicht kennt, sollte sie aufsuchen. Schon die Römer legten im Tal gegenüber der Einmündung von Kocher und Jagst in den Neckar ein Kastell an. In Ottonischer Zeit ist hier eine Kirche bezeugt, die zum Bistum W orms gehörte. Des öfteren genannt wird Wimpfen in der Staufischen Zeit. Jetzt aber handelt es sich nicht mehr um »Wimpfen im Tal«, sondern um eine befestigte, den Steilhang ausnutzende Anlage, 5o Meter hoch über dem Fluß auf einem Hügelrücken, flankiert durch zwei Türme mit Kapelle und Palas in der Mitte, eingefügt in die Pfalzmauer. Von der Umfassungsmauer sind noch zwei Drittel erhalten; der Rest kann mit hinlänglicher Sicherheit ausgemacht werden. Sie bildete - bedingt durch die Formation des Hügelrückens - ein unregelmäßiges, sich nach Osten verjüngendes Rechteck (215m lang, 87 m breit, also größer als Gelnhausen: 76 X 55 m, Eger: rro X 70 m, Wartburg: qo X 45 m, Münzenberg: r2o X 40 m). Die Anlage wird :flankiert durch zwei Türme, den »blauen« im Westen, den »roten« im Osten. Jener (Grundriß: rund ro X ro m) hat noch eine Höhe von rund 25 Meter; dieser ist oben umgebaut. Da er in seinem dritten Geschoß einen Wohnraum mit Kamin und Abort besitzt, ist er als letztes Refugium im Falle einer Belagerung anzusprechen. In der Form
* Verfaßt für die Histor. Zeitschrift (im Druck). 4 ARENS, Fritz: Die Königspfalz Wimpfen, Berlin (Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft) 1967. r 55 Seiten (Folio) mit zahlreichen Abb. im Text und 97 auf Tafeln, dazu 6
Ausklapptafeln mit Plänen und Rissen. Ein Kurzbericht in: Universalismus und Particularismus im MA., Berlin 1968 (Miscellanea Mediaevalia V), Berlin 1968 S. I98-215 (mit 3 Abb.).
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eines Burglehens haben ihn die Herren von Butingen besessen, die sich daneben für normale Zeiten noch ein Wahnhaus eingerichtet haben werden. Die Kapelle, von Friedrich II. zweimal »nostra specialis capella« genannt und an der Westseite mit dem Palas verbunden, wurde im Jahre I 837 zu einem Wahnhaus mit Stall umgebaut, jedoch I9o8ju wieder hergestellt- an der Richtigkeit zu zweifeln, liegt kein Anlaß vor. Es handelt sich um eine Saalkirche (rund I z X 7 Yz m) mit einer Westempore für den König und einer halbkreisförmigen Apsis, die später umgebaut worden ist. Vom anschließenden Palas steht nur noch die gleichfalls in die Befestigung des Steilhangs eingefügte Außenmauer mit einer Reihe von verzierten Doppelfenstern. Durch Ausgrabungen ist der Verlauf der fehlenden Mauern gesichert. Aber die Rekonstruktion bleibt mit manchen Unsicherheitsfaktoren belastet. Angenommen werden darf ein großer Saal mit- vielleicht vier- Nebengemächern, von denen an der Fensterseite des Saals über eine Empore die Kapelle zu erreichen war. Von den übrigen alten Bauwerken verdient Aufmerksamkeit noch das »Steinbaus« (zz X IZ,Io m), »das wohl größte romanische Haus Deutschlands«. Im Gegensatz zum Palas ist es mit seiner Rückseite in die Mauer am Steilhang eingebaut; sicherlich war es von Anfang an zur Behausung bestimmt, da das erste Obergeschoß einen großen Saal enthielt. Doch läßt sich nicht entscheiden, ob es sich um die Kemnate der Königin oder die Wohnung des Burggrafen handelt oder ob der Palas als Sommer-, das Steinhaus als Winterwohnung benutzt wurde- wahrscheinlich dünkt mich, daß dieses aufwendige Steinhaus von Fall zu Fall mehr als einem Zweck gedient hat. Da die schriftlichen Zeugnisse im Falle Wimpfens versagen, kann die Datierung nur aufgrund des kunstgeschichtlichen Befundes erfolgen; doch ergeben sich für den Stilvergleich wenig Anhalte, da die erhaltene Ausschmückung sich auf Friese, Basen, Säulchen und Kapitelle beschränkt. Immerhin vermag der Bearbeiter manche Parallelen namhaft zu machen, von denen er die wichtigsten abbildet; dazu kommt dann noch die Art der Steinbehandlung und der Bautechnik. Natürlich hat die Gesamtanlage längere Jahre erfordert; jedoch sind zwischen den einzelnen Bauten keine längeren Zeitabstände anzunehmen; die letzten werden um I23o anzusetzen sein; ob die ältesten bereitsamEnde des I2. Jahrhunderts entstanden sind, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden - auch bei den anderen Staufischen Pfalzen fehlt es durchweg an festen Daten. Nicht nur die Kunsthistoriker sind am Fortgang dieser vom »Deutschen Verein für Kunstwissenschaft« wieder aufgenommenen Forschungen interessiert, sondern auch die Historiker. Durch die Pfalzenforschung haben sie neue Einsichten in die Art, wie unsere Herrscher bei ihren Reisen durch Deutschland wohnten, gewonnen, und weitere dürfen sie sich versprechen; wir möchten auch wissen, wie es damit im hohen Mittelalter bestellt war - auf diesem Wege sind wir jetzt abermals wieder einen Schritt vorangekommen.
Staufische Bauten in Deutschland und Italien
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Über staufisehe Bauten in Deutschland und Italien* I.-2.
Wer in wissenschaftlicher Weise an Friedrich II. herangeführt werden und dabei zugleich seine Augen erfreuen will, greife zu der Neubearbeitung des 1944 erschienenen und deshalb nicht ausreichend beachteten Apulien-Buches, die C. A. WILLEMSEN vorlegt1• Die Zahl der Abbildungen ist von 275 auf 23 I herabgemindert, aber die Tafeln haben jetzt ein größeres Format. Vor allem: die meisten Aufnahmen sind durch neue ersetzt, die nicht nur viel besser reproduziert sind, als es in der Kriegszeit möglich war, sondern der Verf. erweist sich hier- im Bunde mit seiner Mitarbeiterin - als ein Photograph, der sein Können inzwischen noch gesteigert hat. Die Kunsthistoriker werden ihm dankbar sein für viele Aufnahmen von schwer zugänglichen Details, und dem Historiker, der auch noch die ersetzten, vielfach Großansichten festhaltenden Bilder der r. Fassung heranziehen wird, steht jetzt die normannischstaufisehe Welt wirklich zum Greifen nahe gegenüber. Vermutlich werden viele, denen dieser vom Verlag vorbildlich betreute Band in die Hand fällt, sich als Ziel setzen, an Ort und Stelle zu besehen, was der Band vor ihnen ausbreitet. Es gibt heute viele schöne Tafelwerke; aber wie oft handelt es sich nur um die Wiedergabe leicht zusammengesuchter und dürftig kommentierter Photographien I Daß - wie in diesem Fall - der Verfasser Historiker, Kunstfreund und Photograph von Rang zugleich ist, dürfte ziemlich vereinzelt dastehen 2 • Wir vermerken in diesem Zusammenhang, daß in der Reihe der altbewährten »Blauen Bücher« ihr schon in 5oooo Exemplaren verbreiteter Band »Hohenstaufenschlösser in Deutschland und Italien« neu herausgekommen ist3 • Auch in ihm sind viele Aufnahmen durch bessere ersetzt, darunter solche, die von C. A. WILLEMSEN stammen. Der Verfasser Leo BRUHNS, der 1934-45 die Bibliotheca Hertziana in Rom leitete, kann sich nicht mehr über den auch drucktechnisch verbesserten Band freuen: ihn ereilte inzwischen der Tod.
*
Zuerst in Geschichte in Wissenschaft u. Unterricht. I u. 2 in Jg. X, I959, S. 66; 3 in XII, I964, S. 263. I Carl Arnold WILLEMSEN - Dagmar ÜDENTHAL: Apulien, Land der Normannen- Land der Staufer. (M. Du Mont Schauberg) Köln I95 8 (272 Seiten in Großquart mit 23 I Tafeln). 2 Vgl. auch das Buch von C. A. WrLLEMSEN: Kaiser Friedrichs II. Triumphtor zu Capua. Ein Denkmal hohenstaunscher Kunst in
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Sduamm, Aufsätze II!
Süditalien. Wiesbaden (Insel-Verlag) I953 (rro S. u. Io8 Abb.). Meine Besprechung in der Histor. Zeitschr. I87, I959 S. 64of. wird in Bd. V wiederholt werden. Leo BRUHNS: Hohenstaufenschlösser in Deutschland und Italien (Königstein im Taunus (K. R. Langewiesehe Nachf.: Hans Köster) 51.-65. Tausend, I959 (Izo Seiten, davon r 8 Seiten Texte).
A 4: Hofkapelle und Pfalzen
3· An den Apulien-Band C. A. WrLLEMSENS (195 8) und das bescheidenere, im Rahmen der »Blauen Bücher« erschienene Buch von L. BRUHNS über die» Hohenstaufenschlösser in Deutschland und Italien« ( 19 59) schließt ein Werk über die »Hohenstaufenburgen in Süditalien«4 an, das in so würdiger Weise nicht hätte erscheinen können, wenn nicht die durch ihr Mäzenatentum bekannte Firma »C. H. Boehringer Sohn« in Ingelheim die Herausgabe in die Hand genommen hätte. Die 95 vorbildlich reproduzierten Tafeln wurden nach Aufnahmen angefertigt, die dem seit langem als Meister in diesem Bereich anerkannten A. RENGER-PATZSCH verdankt werden: er bietet typische Landschaften, Städtebilder, einzelne Bauten, genaue Detailaufnahmen. Der Reisende, der sich lockende Ziele aussuchen will, kommt ebenso auf seine Kosten wie der Gelehrte, der sich für die Architekturgeschichte interessiert. Vorausgeschickt ist dem Abbildungsteil eine durch Abbildungen und Planskizzen unterstützte Einleitung, die durch ihre gute Lesbarkeit die Laien anspricht und zugleich von einer solchen Kennerschaft beherrscht ist, daß sie auf eine Geschichte der mittelalterlichen Profanarchitektur Süditaliens hinausläuft. Werke mit guten Abbildungen, berechnet auf einen kaufkräftigen Abnehmerkreis, gibt es heute viele; aber so schöne und zugleich so gediegene sind selten - dabei ist der Preis dank der Bachringersehen Munifizenz heute als gering zu bezeichnen. So beglückt der Betrachter beim Lesen und Beschauen ist, der Band ist- was nicht verschwiegen werden darf - auch ein Monument der Trauer. Die Erforschung der Kaiserschlösser in Süditalien war bereits vor dem I. Weltkrieg von deutscher Seite eingeleitet, aber sie geriet dann begreiflicherweise ins Stocken. Nach dem II. Weltkrieg packte die lohnende Aufgabe im Auftrag der Bibliotheca Hertziana, des deutschen Kunsthistorischen Instituts in Rom, Dr. Heinrich Matthias ScHwARZ an - ein Autounfall machte seinem Leben ein Ende. An seine Stelle trat Dr. Hanno HAHN, der einzige Sohn des großen Physikers, der sich trotz des Verlustes eines Arms im letzten Kriege mit Begeisterung daran machte, die Arbeit zu Ende zu führen - auch er wurde uns zusammen mit seiner Gattin vor·der Zeit entrissen, da er mit dem ihm verbliebenen Arm des durch Platzen eines Reifens aus der Richtung geworfenen Autos nicht wieder Herr wurde. Hanno HAHN ist der Verfasser der eben gepriesenen Einleitung; sie läßt ahnen, was er noch zu leisten imstande gewesen wäre - aber das Schicksal hat ihm die Feder aus der Hand genommen. Wer tritt nun an seine Stelle? V gl. jetzt auch C. A. WrLLEMSEN, Die Bauten der Hohenstaufen in Süditalien. Neue Grabungs- und Forschungsergebnisse, Köln-Opladen 1968 (Arbeitsgemein-
4 Hohenstaufenburgen in Süditalien. Texte und Abbildungen Hanno HAHN, Bildtafeln Albert RENGER-PATZSCH. Ingelheim a. Rh. (C.
H. Boehringer Sohn) r96r (48 S. mit 36 Abb. und 95 Tafeln in Quart).
Staufische Bauten - Gastungs- und Herbergsrecht
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schaftfür Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswiss. Heft 149; 64 S. mit 30 Fig. im Text und 65 Abb.). Der Verf. bietet hier einen Überblick über den Gang der Forschung, über die neu eingeleiteten Freilegungen sowie Grabungen und erörtert die Verwandtschaften bzw. Unterschiede zwischen den Grundrissen süditalienischer, arabischer, deutscher und englischer Kastelle und Jagdschlösser. Die -noch vor zwei Jahrzehnten vertretene- Ableitung der Bauten Friedrichs II. von orientalischen Vorbildern hat sich als zu gradlinig erwiesen. Den Grundtyp bot das römische castrum mit seinen vier Flügeln um einen Hof an: nach diesem Modell bauten nicht nur die Moslims, sondern auch die Normannen in Sizilien und England. Die Verwandtschaft besteht darin, »daß alle Bauten letztlich auf den gleichen Grundtyp des castrum zurückgehen« (S. 45). In der Zeit des letzten Staufenkaisers wurde durch die Benutzung von zisterziensischen Wölbungsformen »eine absolute Regelmäßigkeit nicht nur des äußeren Grundrisses, sondern auch der inneren Aufteilung« erreicht (S. 48): »Aperc,:uhaft überspitzt kann man hinzufügen, daß in ihnen (d. h. Friedrichs Bauten) Klosterhallen und Kapitelsäle ins Militärische verweltlicht und soldatische Unterkünfte und fortifikatorische Einrichtungen ins Monastische verkirchlicht wurden« (S. 48). So betrachtet, bleibt Castel del Monte »die schlechthin vollendete Schöpfung« (S. 49). Über die bedeutendste der landesherrlichen Burgen, die in der Staufischen Zeit errichtet "'urde,
vgl. S. AscHE, Die Wartburg. Gesch. u. Gestalt, Berlin 1962 (236 S. mit zahlreichen Abb. und Plänen). Über die Erbauer, die Landgrafen von Thüringens. H. PATZE, Die Entstehung der Landesherrschaft Thüringen I, Köln-Graz 1962 (Mitteldeutsche Forsch. 22; 692 S.) (vgl. mein Referat in: Gesch. in Wiss. u. Unterricht XIII, 1962 S. 66of.).
Über das Castungs- und Herbergsrecht der mittelalterlichen Herrscher* Wo und wie kamen die Herrscher unter, wenn auf ihren Reisen keine Pfalz am Wege lag? Auf diese Frage haben wir jetzt eine sehr ausführliche Antwort erhalten. Auch der Spezialforscher wird mit Zagen das in zwei Jahrzehnten von C. BRÜHL (Professor in Gießen) verfaßte, zweibändige Werk über das Gastungs- und Herbergsrecht des Herrschers im frühen Mittelalter in die Hand nehmen, da es über 900 Seiten stark ist1 . Beim näheren Zuschauen wird er dem Verf. zubilligen, daß seine Darlegungen von der ersten bis zur letzten Seite sehr gediegen gearbeitet, mit sehr präzisen Anmerkungen begleitet sind und (in dem Begleitband) durch Verzeichnisse der
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Zuerst in: Geschichte in Wissenschaft u. Unterricht (im Druck). r BRÜHL, Carlrichard: Fodrum, Gistum, Servitium regis. Studien zu den wirtschaftl. Grundlagen des Königtums im Frankenreich u. in den fränkischen Nachfolgestaaten Deutschro*
land, Frankreich u. Italien vom 6. bis zur Mitte des q. Jahrh.s I: Text und II: Register und Karten (Kölner Histor. Abhandlungen 14, I-II), Köln-Graz (Böhlau) 1968 XIV + 778 Seiten mit 2 Beilagen: IV+ 153 S. mit 7 Karten und Rückentasche.
A 4: Hofkapelle und Pfalzen
Literatur sowie der benutzten Urkunden, durch ein sehr sorgfältiges Register und übersichtliche Karten abgerundet werden. Vertieft man sich dann in den Inhalt, gesteht man dem Verf. schrittweise zu, daß der starke Umfang seiner Darstellung aus dreifachem Grund berechtigt ist. 1. C. BRÜHL setzt im 6.-7. Jahrh. ein und führt seine Leser bis in das späte Mittelalter. Seine Darlegungen umfassen das Fränkische Reich und alle seine »Nachfolgestaaten«, also Italien (einschl. Sizilien), Deutschland und Frankreich. 2. Der Verfasser sah sich durch das Fehlen ausreichender Zeugnisse, die unmittelbar Auskunft geben, gezwungen, auf Probleme einzugehen, die in der letzten Zeit viel erörtert worden sind, z. B.: Was läßt sich aus den Itineraren der Herrscher erschließen? Welche Funktionen hatten die königlichen Pfalzen? Von wann an und in welchen Fällen darf man von Hauptstädten sprechen 2 ? Wie entwickelte sich das königliche Recht zur Besteuerung? 3. Vor allem: C. BRÜHL behandelt ein Thema, das noch nie im großen Zusammenhang erörtert und auch in der Rechtsgeschichte der einzelnen Länder meist unzureichend behandelt worden ist. Als eine solide Ausgangsbasis fand C. BRÜHL die vom 2 I jährigen Bruno Heusirrger bei Karl Brandi angefertigte Dissertation über das »Servitium regis in der deutschen Kaiserzeit« vor (gedruckt im Archiv für Urkundenforschung VIII, 1923 S. 26-1 59)ich habe es immer bedauert, daß ihr V erfass er nicht Professor der Geschichte geworden ist (er ging jetzt als hochverdienter Präsident des Bundesgerichtshofs in den Ruhestand). In Frankreich erscheint dieses »Herbergsrecht« (auch: »Gastungsrecht«) als: gistum (--+ gite), in Sizilien als: corredum, in Italien als: fodrum. Dieser Ausdruck, der sich ursprünglich auf die Futterabgabe für den fränkischen König und sein Heer bezog, läßt erkennen, daß die zugrunde liegende Leistung bereits im Römischen Reich vorgebildet war, um den cursus publicus zu gewährleisten; doch hatten auch schon die germanischen Könige ein solches »Herbergsrecht« - »Gastungsrecht« ist nur ein anderer Name - verlangt, so daß der Verf. das fränkische Herbergsrecht »als germanisch in der Sache, aber weitgehend römisch in der Form« (S. 8) bezeichnen kann. Im frühen Mittelalter handelt es sich um die Befriedigung aller Bedürfnisse des Herrschers und seiner Begleitung durch Dienste und Naturalleistungen, im hohen Mittelalter auch schon um Geldzahlungen, mit denen jene Verpflichtungen abgegolten wurden, also um außerordentliche Steuern (»Beisteuern«). Aus den Ergebnissen der Untersuchung sei dies hervorgehoben: Im mittelalterlichen Reich hat dieses Recht des Herrschers eine ganz große Bedeutung besessen, da es die Voraussetzung für deren lange und weitreichende Reisen 2
V gl. hier auch den Aufsatz des Verfassers: Remarques sur les notions de »Capitale« et de
»Residence« pendant le haut m.a., im Journal des Savants 1967, S. 193-215.
Gastungs- und Herbergsrecht
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bildete. In Frankreich hatte es als fränkisches Reliktrecht dagegen nur eine geringfügige, da der König es sich nicht leisten konnte, die Grenzen des »domaine royal« für längere Zeit zu überschreiten. Der mir zur Verfügung stehende Raum macht es unmöglich, auch noch andere Feststellungen von Belang, zu denen C. BRÜHL gelangt ist, zu würdigen. Aber meine Hinweise reichen wohl aus, um zu begründen, daß dieses umfangreiche Werk studiert und fortan ständig herangezogen zu werden verdient.
B. DIE DEUTSCHEN HERRSCHER AUS DEM SACHSISCHEN HAUSE (9r9-ro24) ALS KAISER
I.
Die Kaiser aus dein Sächsischen Hause im Lichte der Staatssymbolik* Am 2. Februar 962 ließ sich Otto I., der König der Deutschen, in Rom durch den Papst zum Kaiser der Römer salben und krönen. Er begründete damit eine Tradition, die erst ihr Ende fand, als Franz II., der Habsburger, in Wien am 6. August I 8o6 die Kaiserwürde niederlegte.
* Vortrag im Anschluß an die- mit dem
Vortrag der »Kaiserlaudes« einsetzende - Feier in der Aula der Wiener Universität am 2. Febr. 1962, zu der aus der Weltlichen Schatzkammer die »Reichskrone« herbeigeholt war. Ich behalte die Vortragsform bei und kürze auch - obwohl Ottos I. Königskrönung (936) in den vorausgehenden Abschnitten bereits gewürdigt wurde - die sie betreffenden Abschnitte nicht, da sie für das Folgende erforderlich sind. Gedruckt wurde dieser Vortrag in den Mitteilungen des Instituts für Österr. Geschichtsforschung, Ergänzungsband XX Heft r, Graz-Köln 1962 S. 31-52 (französisch: La renovatio imperii Romanorum des Ottoniens et les symboles d'etat, im Bulletin de Ia Faculte des Lettres de Strasbourg, 41 No. 2, 1962 S. 179-213; italienisch: Gli imperatori della casa di Sassonia alla luce della simbolistica dello stato, in: »Renovatio Imperii«. Atti della Giornata Internazianale di Studio per il Millenade (Ravenna, 4·-5· Nov. r96r], Faenza 1963 S. 15-50). Vor der Wiener Feier habe ich diesen Vortrag im Okt. 1961 in Ravenna, im Jan. 1962 in Straßburg, Nancy und Dijon gehalten. Außer in Ravenna wurde des Tausendjahrtages auch in Rom gedacht. In Deutschland hat am Erinnerungstag Hermann AuBrN in Mainz das Wort ergriffen, und- nachdem sich herausgestellt hatte, daß das Echo jenseits der Grenzen größer als erwartet wurde - habe ich
den Vortrag noch in München als Gast der Monumenta Germaniae historica und des Zentralinstituts für Kunstgeschichte, die sich zusammengetan hatten, sowie im Göttinger Max-Planck-Institut für Geschichte wiederholt. Wer die Ansicht vertritt, die deutschen Historiker hätten sich stärker dafür einsetzen müssen, daß dieses einzigartigen Tages lauter hätte gedacht werden sollen, lasse sich entgegenhalten, daß die Gefahr einer Fehlauslegung im Ausland allzu groß, Zurückhaltung also geboten war. Das ist nun einmal unser derzeitiges Schicksal: wenn wir uns auf unsere Tradition besinnen wollen, dann schmerzt allzuviel, oder es vermögen nicht alle einzustimmen, und wenn die Erinnerung doch einmal auf einen Tag stößt, den alle - auch die hinter Mauer und Drahtzaun - bejahen können, dann müssen wir uns zurückhalten, weil der Argwohn gegen die Deutschen als unverbesserliche »Imperialisten« oder zum mindesten als unentwegte Romantiker wach ist oder doch wieder aufbrechen könnte - wie wir leider, leider zugeben müssen: ein nach unserer jüngsten Vergangenheit begreifbarer Argwohn. Aus den Beiträgen, die sonst noch zur Tausendjahr-Feier erschienen, nenne ich: H. AuBIN, Otto d. Gr. und die Erneuerung des abendländ. Kaisertums im Jahre 962. Göttingen 1962 (Histor.-polit. Hefte der
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B I: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
844 Jahre, das ist eine Tradition, mit der sich in der Weltgeschichte nur wenig messen kann, in der neueren Geschichte am ehesten noch das französische Königtum, das - de facto begründet durch Karl den Kahlen - beendet wurde durch den Sturz des Königs Louis Philippe im Jahre I 848, also - rund gerechnet - ein ganzes Jahrtausend umfaßte, das heißt: dreißig Generationen. Wenn man noch hi=unimmt, daß seit 962 für Jahrhunderte die Geschicke Deutschlands und Italiens aneinandergekoppelt blieben, darf man sagen, daß es seit der »Anerkennung« Karls des Großen als Kaiser (Weihn. 8oo) kaum ein Ereignis gibt, das so stark Geschichte gemacht hat wie eben die Krönung Ottos I. zum Kaiser. Man sollte annehmen, daß die Chronisten ihr gebührend Rechnung getragen haben. In der Tat findet sich das Faktum verzeichnet, aber doch nicht mit dem Nachdruck, wie wir es erwarten. Die Historiographie dieser Zeit ist auch sonst nicht allzu beredt, und es ist ja nicht der einzige Fall, daß die Bedeutung eines säkularen Ereignisses den Zeitgenossen noch entging. Da die Wortzeugnisse nicht viel mehr als die nüchternen Tatsachen verdeutlichen, müssen wir uns nach anderen Zeugnissen umsehen, um zu erkennen, worum es sich bei dem Vorgang am 2. Februar 962 handelte. Wir versuchen die Antwort zu finden, indem wir die »Herrschaftszeichen« und die »Staatssymbolik« befragen.
Ranke-Gesellsch. IX; 25 Seiten). H. BEUMAl'-'N, Das Kaisertum Ottos d. Gr., in der Histor. Zeitschr. 195, 1962 S. 529-73. H. BüTTNER, Der Weg Ottos d. Gr. zum Kaisertum, im Archiv für Mittelrhein. Kirchengesch. 14, 1962 S. 44-62. (Diese beiden Aufsätze zusammengefaßt: Das Kaisertum Ottos d. Gr., hrsg. vom Konstanzer Arbeitskreis für ma.liche Gesch., Konstanz o. J.; So Seiten). H. GRUNDMANN, Betrachtungen zur Kaiserkrönung Ottos I., in den Sitzungsberichten der Bayer. Akad., Phil.-Hist. Kl. 1962 Heft 2 (19 S.). H. LöwE, Kaisertum und Abendland in ottonisch-frühsalischer Zeit, in der Histor. Zeitschr. 196, 1963 S. 529-62. Die Vorträge der auf das Jubiläum ausgerichteten Tagung in Ravenna vereinigt der Band: »Renovatio Imperii«. Atti della Giornata Internazianale di Studio per il Millenaroi (Ravenna, 4.-5. Nov. 1961), Faenza 1963. Die in Wien in der Jubiläumswoche gehal-
tenen Vorträge brachte der Band: Festschrift zur Jahrtausendfeier der Kaiserkrönung Ottos d. Gr., I. Teil: Festbericht- Vorträge - Abhandlungen, Graz-Köln 196z (Mitteil. des Österr. Inst. für Gesch.forsch., Ergänzungsband XX, 1); 190 Seiten. - II. Teil, ebd. XX, 2 enthält Odilos »Epitaphium domine Adelheide Auguste«, hrsg. von H. PAULHART. III. Teil, ebd. XX, 3 bietet eine Geschichte des Begriffs »Splendor imperii«, verfaßt von H. WoLFRAM, ebd. 1963. Die wichtige, aber nicht zu unserem Thema gehörende Frage, welche Rolle im Rechtsleben der König im 1o.j1 r. Jahrh. spielte, behandelt umfassend HERMANN KRAUSE, Königtum u. Rechtsordnung in der Zeit der sächs. u. salischen Kaiser, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 82, Germ. Abt., 1965 S. 1-98. Kritisch zu U. JÄsCHKE, Königskanzlei u. imperiales Königtum im 10. Jh., in: Histor. Jahrb. 84, 1964 S. 288- 333, E. H. STENGELin: Deutsches Archiv zz, 1966 S. 277 f.
Zur Methode- Otto I. als König
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Ich verzichte darauf, eine Begriffsbestimmung für diese beiden Begriffe zu bieten; denn ich hoffe, daß sich im Laufe meines Vortrages von selbst ergeben wird, was gemeint ist. Das bedeutet, daß ich die Ereignisse aus dem Geist ihrer Zeit heraus zu begreifen trachte, also darauf bedacht (S. p:) bleibe, das 10. Jahrhundert aus dem Geist des Io. Jahrhunderts heraus zu interpretieren, d. h. ernst zu nehmen, was diese Zeit ernst nahm, und nicht etwa spätere Anschauungen mitsprechen zu lassen. Ich gehe zunächst auf das Ereignis ein, das als Vorform der Feier des Jahres 962 betrachtet werden darf, auf die Krönung Ottos I. zum König im Jahre 936.
a) Otto I. als Kiinig Wir müssen uns zunächst vergegenwärtigen, daß beim Tode Heinrichs I. keine feste Tradition bestand. Der Herzog der Sachsen war ja als erster seines Geschlechts auf den Thron gelangt und hatte die Unzulänglichkeit seiner »Wahl«- zunächst konnte er sich nur auf die Zustimmung der Sachsen und Franken berufen - schrittweise heilen müssen: Erst als er die Schwaben auf gütlichem Wege und dann auch noch mit Einsatz seiner Macht die Bayern dazu gebracht hatte, der »Wahl« beizutreten, war seine Position als rechtlich gesichert anzusehen. Die im Jahre 92 5 vollzogene Eingliederung Lothringens in das Ostreich1 hatte keine Rechtsprobleme aufgeworfen, und durch die Verheiratung des Herzogs Giselbert mit Heinrichs ältester Tochter, Gerberga (928 oder 929), wurde- wie sich zeigen wird- ein Weg angebahnt, den die Dynastie konsequent weiter verfolgte: die kleine Gruppe der Herzöge wurde zu einer familia zusammengeschlossen. Aber im Jahre 936 hatte die grundsätzliche Frage, wie das Verhältnis des Königs zu den Stammesherzögen und ihr Verhältnis zum König eigentlich beschaffen war, noch keine Klärung gefunden. Ungeklärt war auch die rechtliche Stellung des Königs zur K.irche. Um nicht von vornherein von ihr abhängig zu werden, hatte Heinrich I. es ja im Gegensatz zu seinem Vorgänger, dem Franken Konrad I., abgelehnt, sich salben und krönen zu lassen. Ungeklärt war schließlich die Frage der Nachfolge. Denn in dieser Zeit bildeten die beiden Prinzipien »Wahl« und »Erbrecht« nicht- wie es das für uns geworden ist - einen Gegensatz, sondern zwei sich gegenseitig stützende Methoden, um einen geeigneten Herrscher auf den Thron zu setzen. Denn der Grundsatz der Primogenitur war noch nicht ausgebildet; andererseits war das Teilungsrecht noch nicht eindeutig überwunden. »Wahl« bedeutete »Auswahl« aus den in Betracht kommenden Anwärtern, unter denen der erste vollbürtige Sohn - falls er bereits mannbar war - das
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V gl. dazu auch Th. ScHIEFFER, Die rheinischen Lande an der Schwelle der deutschen
Geschichte, in der Festgabe für Peter RAssow, Wiesbaden 196r.
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B r : Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
virtuell beste Anrecht besaß, unter denen aber auch - falls die »Stirps regia« nicht würdig vertreten wurde - die angesehensten der »Principes« in Betracht kamen. Heinrich hatte als Nachfolger seinen Sohn Otto ausersehen, vermutlich bereits lange Jahre vor seinem Tod; denn bereits 929 wurde ihm in einer Reicherrauer Handschrift der Titel »rex« eingeräumt. In aller Form jedoch hatte Heinrich diesen Sohn erst kurz vor seinem Tode mit Zustimmung jener, die gerade zur Stelle waren, zu seinem Nachfolger bestimmt: Er hatte ihn, um den Rechtsausdruck zu gebrauchen, »designiert«- ähnlich wie der sterbende Konrad im Jahre 919 den Sachsenherzog durch das Übersenden ( S. 33 .') seiner Herrschaftszeichen zum nächsten König designiert hatte. Doch ging Heinrich nicht so weit wie der Herzog von Bayern, der im Vorjahre in Erwartung seines Todes den Sohn nicht nur zum Nachfolger bestimmte, sondern ihm auch gleich hatte huldigen lassen; Heinrich ging erst recht nicht so weit wie die italienischen Könige, die ihre Söhne bereits vor ihrem Tode zu »Mitkönigen« erhoben, um den Wahlvorgang seines Inhalts zu entleeren. Die Designation Ottos lief darauf hinaus, daß ein älterer, jedoch nicht vollbürtiger Halbbruder, Thankmar, beiseite geschoben wurde. Dieser nahm diese Entscheidung nicht hin, empörte sich gegen Otto und wurde 9 38 von seinen Verfolgern in der Erisburg gestellt. Er floh in die Kirche und legte auf deren Altar seinen goldenen Halsring sowie seine Waffen nieder. Das war ein »staatssymbolischer« Akt mit eindeutigem Sinn: er entkleidete sich als Königssproß sowie als Krieger. Aber seine Verfolger achteten weder dieses Aktes, den wir eine »Devestitur« (als Gegenstück zur »Investitur«) nennen dürfen, noch der Heiligkeit des Ortes und töteten Thankmar durch einen von hinten geführten Lanzenwurf 2 • Auch Ottos I. anderer Bruder, der von ihm zum Herzog von Bayern erhobene Heinrich, vollbürtig wie dieser, aber jünger, nahm die Designation des Vaters nicht an und berief sich darauf, daß Otto vor, er jedoch nach der Wahl des Vaters zum König geboren, also nur er ein wahrer »Königssohn« sei. So konnte man nur argumentieren auf Grund der Vererblichkeit des Königsheils, aber es war in diesem Falle so eingeengt, daß Heinrichs Gedankenfolge nicht überzeugen konnte. Die Entscheidung führten die Waffen herbei: Heinrich mußte sich unterwerfen. Wir haben zeitlich vorgegriffen, um deutlich zu machen, daß Ottos I. Lage im Augenblick von Heinrichs Tod rechtlich noch ungeklärt war, weil es noch keine gefestigte, eindeutige Herrschertradition gab. Denn dadurch wird verständlich, daß der Erbe alles tat, um eine unangreifbare Grundlage für seine Herrschaft zu gewinnen. Gern wüßte man, ob er die Einzelheiten, vor allem die Auswahl des Krönungsortes, bereits mit seinem Vater abgesprochen hatte; alles greift so schlüssig ineinander, daß
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K. HAUCK bei P. E. S., Herrschaftszeichen und Staatsymbolik I, Stuttgart 1954 S.r8o.
Ottos I. Königsweihe (936)
diese Annahme naheliegt - aber kein Chronist vermeldet etwas darüber. ÜberOttos Wahl, Salbung und Krönung, die am 7· April 936 im Aachener Dom vollzogen wurde, besitzen wir den eingehenden, Sachkenntnis sowie Verständnis für Staatssymbolik erkennen lassenden Bericht Widukinds von Corvey- dieser ist so oft erörtert worden, daß wir aus ihm nur die Fakten herauslösen wollen, die in unserem Zusammenhang von Wichtigkeit sind. Zu scheiden haben wir die weltlichen und die kirchlichen Akte, die Otto staatssymbolisch in die Herrschaft einführten oder - um einen Ausdruck der Urkundensprache zu benutzen- die ihm die »Corroboratio« in der Herrschaft erteilten. Bei den kirchlichen Vorgängen handelt es sich um drei3 :
( S. J4·'J 1. Otto wurde gesalbt- im Gegensatz zu seinem Vater, aber in Einklang mit der karolingischen Tradition, für die den leitenden Erzbischöfen ein - nicht bestimmbarer- Ordo zur Verfügung gestanden haben muß. Der gesalbte König gehörte daher fortan als einziger Laie zu den »christi Domini«, den Gesalbten des Herrn. 2. Otto wurde - gleichfalls gemäß karolingischem Herkommen - mit den Herrschaftszeichen bekleidet oder - um den sowohl in der Liturgik als auch im Recht benutzten Terminus zu gebrauchen - er erhielt die »Investitur« mit Schwert, Armspangen, Mantel, Szepter, Stab und Krone, so wie Bischof und Abt bei ihrer Weihe mit ihren Amtszeichen »investiert« wurden- die Nähe dieser Akte war im ro. Jahrhundert so groß, daß die für die Übergabe des Königs- sowie des Abtstabes benutzten Formeln sich im Wortlaut berühren. 3. Schließlich wurde der König im Schmucke seines Ornats von den Erzbischöfen auf die Empore des Aachener Münsters hinaufgeleitet und hier feierlich auf den Steinthron Karls des Großen gesetzt. Das war eine der drei Formen der Einweisung, die im germanischen Reich entwickelt worden waren: Erhebung auf einen Schild, Übergabe einer Lanze und Stuhlsetzung- doch ist zu beachten, daß diese ähnlich von den Römern geübt und daher auch bei der Papst- und Bischofsweihe Brauch geworden war. Diesen in der Kirche vollzogenen Akten gingen weltliche voraus, deren Schauplatz der Raum vor dem Münster war: Die Herzöge und Fürsten setzten Otto auf einen hier errichteten Thron, gaben ihm - so drückt sich Widukind aus - die Hand und versprachen ihm Treue, d. h. sie vollzogen - um uns der Rechtssprache zu bedienen- die »Manumissio«, mit der sich die Lehnsleute in den Schutz (»Munt«) ihres »Senior« begaben. Daß zwei Thronsetzungen stattfanden, erklärt sich durch das Bemühen, zwischen den weltlichen Wahlansprüchen und den geistlichen Weihe-
3 Ausführlicher oben S. 39ff. - Da die hier angeführten Fakten für das Folgende wichtig
sind, sind sie beim Neudruck stehengelassen.
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B r : Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
ansprüchen auszugleichen; in der Folgezeit fand immer nur eine statt, und zwar die auf dem Throne Karls. Den in der K.irche vollzogenen Akten folgte wiederum ein weltlicher: ein feierliches Mahl. Den Schauplatz gab der (in den Fundamenten des heutigen Aachener Rathauses noch erhaltene) Palast Karls des Großen ab. Es handelte sich hier jedoch nicht um etwas, was man in späterer Zeit mit »Staatsbankett« bezeichnet hätte. Im germanischen Bereich bestand vielmehr die letzte »Corroboratio« bei der Übergabe eines Bauernhofes und daher auch bei der eines Königreiches in dem feierlich abgehaltenen »Erbbier«, bei dem der Erbe auf den verwaisten Sitz des Vorfahren gesetzt wurde und dann den Teilnehmern zutrank. Aber jenes Festmahl im Aachener Palast wäre zu einfach gesehen, wenn man es allein auf die germanische Tradition zurückführen wollte. Notker, der Mönch von St. Gallen, erzählt nämlich von Karl dem Großen, er sei von Herzögen, Fürsten und Königen verschiedener Völker »bedient« worden, diese von Grafen, diese von Rittern usw.: d. h., Karls Mahl hatte laut dieser die Wirklichkeit steigernden, aber im Kern sicherlich nicht falschen Darstellung die Amtshierarchie sichtbar ge- ( S. 3 J :) macht, die inzwischen entstanden war. Ottos Mahl war in dieser Hinsicht noch konkreter: Vier namentlich angeführte Herzöge - wohlniemals vorher hatten gleichzeitig so viele am Königshof geweilt! diese Herzöge amtierten bei ihm als Seneschall, Kämmerer, Truchseß und Mundschenk. Sie amtierten als solche- aber sind sie es auch? Um sich im Alltag diese Dienste leisten zu lassen, hatte Otto I., wie jeder König, ja wie jeder »Senior« von Ansehen, seine Hofbeamten, die er dafür mit Lehen ausstattete. Bereits aus dem 10. Jahrhundert kennen wir einige von ihnen mit Namen, und wir können dann verfolgen, wie diese Ämter die Tendenz haben, sich zu vererben. Die Herzöge sind dagegen nicht Hofbeamte, sondern treten nur bei dem festlichen Anlaß an deren Stelle, um noch sinnfälliger als am Morgen bei der Huldigung vor der Kirche zu machen, wie ihr Verhältnis zum König vorzustellen war. Es handelt sich hier also - so könnte man sagen - um den abschließenden Akt eines politischen Schauspiels, in dem den Anwesenden die Struktur des unsichtbaren »regnum Teutonicorum« vor Augen geführt wird. Ein Schauspiel im Sinne dieser Zeit: man gewahrt menschliches Agieren, durch das man hindurchschauen muß genauso wie bei den Mysterienspielen, von denen wir ja zuerst im 10. Jahrhundert hören. So, wie in der Kirche fromme Menschen Teile der einst abgelaufenen Heilsgeschichte aufführen, um die Zuschauer die für sie alle lebenswichtige, sonst nur gehörte Erlösung sehen zu lassen, so wurde in Aachen vor dem Münster und in der Pfalz allen Anwesenden in der Analogie konkreten Geschehens vor Augen geführt, was eigentlich an diesem Tage vor sich ging: Thronwechsel und Erneuerung der Verpflichtungen gegenüber dem neuen Herrscher. In diesem »politischen Schauspiel« - so darf ich wohl sagen - stellte sich den Zuschauern das »regnum Teutonicorum« dar, als wenn es ein Lehnsverband mit einem »Senior« an der Spitze sei,
Ottos I. Königsweihe (936)
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als wenn es konstruiert sei nach Art der »Curia« eines »Senior«, der Anspruch auf die Dienste seiner Hofbeamten hat. Der Ton liegt auf diesem »als wenn«. Zu sagen: das »regnum« war ein Lehnsstaat, wäre im Hinblick auf die Zeit Ottos I. falsch; erst in der Folgezeit ist es so begriffen und ausgestaltet worden. In bezug auf die Zeit Ottos I. ist zudem im Auge zu behalten, daß das Abstraktum »Staat« den Anwesenden im Jahre 936 zwar bewußt war, aber von ihnen nicht »begriffen« wurde, d. h. mit einem Namen dingfest gemacht werden konnte- das Wort »Staat« und seine romanischen Entsprechungen gehören ja erst dem späten Mittelalter an. Es waren- so dürfen wir, diesen ersten Abschnitt abschließend, sagen- sehr kluge, sehr erfahrene Männer, die die Abfolge der Otto in die Herrschaft einweisenden Akte festlegten und die weltlichen Akte mit den geistlichen verzahnten. Für alle, die sich in der Staatssymbolik auskannten - und dazu dürfen wir sowohl die führenden Laien als auch die Bischöfe und Erzbischöfe rechnen -, handelte es sich um den Ablauf einer Reihe von ( S. ;6:) Handlungen, die im Gesamt das Wesen von Ottos Königtum nach allen Seiten hin sinnfällig machten. Wer aber auch den neuen König beraten haben mag, das entscheidende Wort muß er selbst gesprochen haben. \Vie er gewählt, wie er gesalbt, wie er auf den Thron gesetzt und wie er beim Mahl bedient wurde, alles das verlief so, wie es Otto I. recht war. Vor allem muß des Königs Wort bei der Auswahl des Krönungsortes die Entscheidung gefällt haben: Weihe in Aachen, das bedeutete ein eindeutiges Programm. Nicht nur dieses: Otto legte bei der Krönung fränkische Kleidung an, d. h., er »devestierte« sich als Sachse und machte sich zum Mitglied des Stammes, aus dem die Karolinger hervorgegangen waren. Er »Setzte sich« auf Karls Thron, bald nach den Sachsenkaisern zu Recht als »archisolium«, Erzthron des Reiches, bezeichnet, und »besaß« dadurch hinfort das Reich. Er, der Sproß der Sachsen Brun und Wittekind, die die Selbständigkeit der Sachsen gegen Karl den Großen zu verteidigen gesucht hatten, annektierte- so möchte man sagen- den Thron des Sachsenbezwingers. Aber dieser lange zurückliegende Streit war bereits in Vergessenheit geraten. Als im Jahre 936 der Sachse Otto, gesalbt und investiert nach karolingischem Ritus, auf dem Thron des Frankenkaisers Platz nahm, da »besaß« er dadurch nicht nur das »regnum Teutonicorum«, sondern er wurde gleichzeitig ergriffen von der karolingischen Tradition. Im französischen Mittelalter galt in bezug auf die Übernahme der Herrschaft der Satz »Le mort saisit le vif« - der Tote ergreift den lebenden Nachfolger; in bezug auf Otto darf man ihn abwandeln zu dem Satz: Als Otto den Thron Karls »besaß«, da ergriffen die in diesem Steinsitz verkörperten Traditionen ihn und verpflichteten ihn, auf die Bahn Karls des Großen einzuschwenken und die Einheit der von ihm beherrschten Länder zu sichern durch den Erwerb der Kaiserkrone, die Karl als erster Herrscher des Abendlandes auf dem Haupt getragen hatte.
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Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
b) Die Schlacht auf dem Lechfelde und ihre Folgen: »lmitatio sacerdotii« in S taats!)lmbolik und Liturgie~ Da es hier nicht um einen chronologischen Bericht geht, dürfen wir springen. Wir vermerken, daß Otto seinen Sohn Liudolf zum König designieren ließ, die Nachfolge also bereits im Vollbesitz der Kraft regelte, aber ihm den Königstitel vorenthielt.5 Seine Tochter, die verwitwete Herzogin von Lothringen, oder ihre Tochter hatte Otto dem eben von ihm eingesetzten bayerischen Herzog Berthold als Gemahlin angeboten. Aus dieser Ehe wurde nichts, aber 948 konnte Ottos Bruder Heinrich, der in die bayerische Herzogsfamilie eingeheiratet hatte, auf dem Herzogsstuhl Platz nehmen. Bereits seit 944 war Ottos Schwiegersohn Konrad der Rote Herzog von Lothringen, und als er starb, folgte ihm Ottos Bruder, der Erzbischof Brun von Köln, in der Herzogswürde. Ottos Sohn Liudolf wurde 945/50 Herzog von Schwaben, Franken hatte nach 95 5 keinen eigenen Herzog mehr; Sachsen behielt der König in seiner Hand. Man darf - worauf wir bereits hindeuteten - die zunächst zufällig zusammengesetzte Gruppe der Herzöge nunmehr als eine familia unter dem König als pater familias bezeichnen - das lief auf eine weitere Verdichtung des regnum hinaus, die die Analogie zur Curia noch übertraf. Wir übergehen die Frage, wie Otto die Beziehungen zu den Slawen im Osten ausbaute, welche Ziele er bei der Einmischung in die Angelegenheiten Frankreichs verfolgte. Wir erinnern kurz daran, daß der König von seinem ersten Italienzug (95 1/952) an seine Macht auf das südliche Nachbarland konzentrierte. Kraft des errungenen Sieges nannte er sich vorübergehend genau wie Karl der Große rex
4 Für das Folgende vgl. Hagen KELLER, Das Kaisertum Ottos d. Gr. im Verständnis seiner Zeit, im Deutschen Archiv XX, 1964, S. 325-88. - Ich sehe von allen hier vorgebrachten Belegen ab, in denen Otto nach 962 zurückschauend auf die Zeit schon vorher imperator oder augustus genannt wird; sie sind für die Anschauungen der fünfziger Jahre nicht schlüssig. S. ferner K. ScHMID, Die Thronfolge Ottos d. Gr., in der Zeitschr. f. Rechtsgesch., 81 Germ. Abt., 1964 S. 85 ff., Nr. S. 93 mit Anm. pb. Die Schlacht auf dem Lechfeld (95 5) hat (von der ungarischen Seite aus gesehen) Th.
voN BocYAY in einem kleinen Heft dargestellt, in dem er verwertet, was die im letzten Menschenalter sehr rührige ungarische Archäologie im Bunde mit der Geschichtsforschung über den Wandel dieses Schrecken verbreitenden Steppenvolkes zu einer seßhaften, der abendländischen Völkerfamilie eingegliederten Nation festzustellen vermochte: Lechfeld. Ende und Anfang. Ein ungarischer Beitrag zur Tausendjahrfeier des Sieges am Lechfeld. München 195 5 (64 Seiten). In einigen Annalen wird Liudolf rex genannt; s. Jahrbücher Kaiser Ottos d. Gr., von R. KöPKE und E. DüMMLER, Lpz. 1876 S. pzf.
Ereignisse zwischen 936 und 955
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Franeorum et Langobardorum (bzw. Italicorum) 6 und benutzte wohl auch - wie die
byzantinischen Kaiser und seine karolingischen Vorgänger - eine Bulle7. Die durch Huldigung bekräftigte »Personalunion« - diesen modernen Ausdruck dürfen wir sowohl ( S. 37 :) auf ihn wie schon auf Karl beziehen 8 - verstärkte Otto noch, indem er Adelheid, die Witwe des verdrängten Königs, heiratete, was auf die Rechtsfiktion einer zusätzlichen »Matrimonialunion« hinauslief. Aber der König gab den vollen Titel wieder preis und nahm auch von der Absicht Abstand, Rom aufzusuchen, da der Papst, dem Druck des römischen Stadtherrn Alberich gehorchend, sich ihm versagte. Otto steckte die Pflöcke wieder zurück und nahm den gegen seinen Willen zum König gewählten und gekrönten Bereugar (in den 936 bei den deutschen Herzögen beobachteten Formen) als Lehnsmann an, wodurch dieser in eine den karolingischen Unterkönigen entsprechende Stellung gelangte. Als Zeichen der Investitur mit der Herrschaft über Italien händigte Otto dem König Bereugar im August 952 auf einem Reichstag in Augsburg ein goldenes Szepter aus - mit einem Szepter hatte bereits Kaiser Arnulf den Sohn Bosos von Burgund investiert 9 ; mit einem Szepter wird später Heinrich VI. Amalrich von Zypern zu seinem Lehnskönig machen. Aus dem weiteren Hin und Her der Ereignisse10 hebt sich der Sieg heraus, den Otto im August 95 5 auf dem Lechfelde über die Ungarn errang. Er ist in unserem Zusammenhang in dreifacher Hinsicht wichtig. 6 In einer Urkunde, die Otto in Pavia am 10. Okt. 9 51 ausstellte, führt er den - sich an Karls d. Gr. Brauch anlehnenden - Titel rex Franeorum et Langobardorum; in zwei weiteren Urkunden, vom 15. Okt. und vom 21. Jan. 952, die gleichfalls in Pavia ausgefertigt und wie die voraufgehende von Wigfrid verfaßt wurden, heißt er: rex Italicorttm (DD. 0. I Nr. 138, 139, 14o). In den vorausgehenden und anschließenden Urkunden führt Otto nur den traditionellen, schlichten Titel: rex. 7 Über diese vgl. im Anschluß an H. BRESSLAU W. ÜHNSORGE, Byzanz und das Abendland im 9· und 10. Jhr., in: Saeculum V (1954) 213 (wieder abgedruckt in dessen Aufsatzsammlung: Abendland und Byzanz, Darmstadt 1958, S. 36). Die Annahme, daß Otto bereits 95 I eine Bulle benutzt habe, beruht auf der Angabe im D.O.I. 135, ausgestellt in Pavia am 23. 9· iussimus . . . hoc preceptum . . . bulla nostra sigilIari. Wilh. SMIDT, Deutsches Königtum u. II
Schramm, Aufsätze li!
deutscher Staat des Hochma.s während u. unter dem Einfluß der ital. Heerfahrten, Wiesbaden 1964 S. 102f. greift auf Th. SICKELS Annahme zurück, daß es sich hier nur um das Versehen eines italienischen Kanzleischreibers handele, der aushilfsweise herangezogen wurde und sich- vom Kanzler nicht ausreichend kontrolliert- im Ausdruck vergriff. Dieser Einwand kann nicht einfach beiseite geschoben werden, ist aber doch nicht überzeugend. 8 Vgl. Bd. I S. 2oof. 9 Vgl. Bd. II S. z68. 10 Über die Gründe des Aufstands, den Liudolf, Ottos erstgeborener Sohn, nach dessen Rückkehr aus Italien unternahm, vgl. G. WoLF in der Zeitschr. für Rechtsgesch. So Germ. Abt., 1963 S. 315-23. Er sieht den Grund in den rivalisierenden Ansprüchen Liudolfs und seines Oheims Heinrich in Italien. Über Otto I. in den Jahren 95 3/4 vgl. H.
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B r: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
Fortan war nicht nur die Ungarngefahr beschworen, sondern es wurde möglich, die christliche Mission nach Ungarn hineinzutragen. Ottos Name gewann dadurch Klang über die Grenzen seines Reiches hinaus; die von ihm geförderte, ja gesteuerte Mission stärkte das Ansehen des Königs. 2.. Im Jahre 936 waren die wichtigsten Herzöge zum erstenmal zu gemeinsamem Handeln angetreten, jetzt hatten zum erstenmal alle Stämme bei der Abwehr einer Deutschland drohenden Gefahr mitgewirkt; fortan gab es in der Erinnerung aller Stämme ein Ereignis, das ihre Herzen höher schlagen ließ. 3· Nach Widukind wurde Otto auf dem Schlachtfeld zum Vater des Vaterlands und Kaiser ausgerufen: pater patriae imperatorque appellatus est11 • Was meinte der Corveyer Mönch mit dieser antikisierenden Ausdrucksweise? Von einer Kaiserwahl oder -erhebung kann natürlich keine Rede sein: Otto führte nach der Schlacht genau den Titel weiter, den er vorher geführt hatte, also den KönigstiteL Aber sicherlich hat auf dem Schlachtfeld eine Siegesfeier stattgefunden; denn solcher Brauch war üblich. Er hatte auch - wie uns Karl Hauck gezeigt hat12 - ein bestimmtes, aus der germanischen Tradition herausgewachsenes Ritual, bei dem der siegende Fürst und Feldherr im Mittelpunkt stand. Mag sein, daß der eine oder andere oder auch viele in der Begeisterung dieser Stunde Otto als Kaiser zugejubelt haben- Folgen hatte das jedenfalls nicht. Aber Otto hatte nun die Gewißheit erlangt, nicht ein König wie andere zu sein, sondern von Gott mehr als seinesgleichen gefördert zu werden. Dei Gratia, von Gottes Gnaden, titulierte er sich gemäß der von Karl dem Großen begründeten Tradition13 ; diese Gnade Gottes hatte ihm bereits viele Erfolge und jetzt einen ganz großen Sieg eingebracht: wozu mochte sie ihn noch weiter ausersehen haben? So der Hof I Wie aber sah sich Otto aus der Ferne an? I.
II
NAUMANN, Rätsel des letzten Aufstandes gegen Otto I., im Archiv für Kulturgesch. 46, 1964 S. 133-84 (die Empörer zielten auf einen Pakt mit dem König; dieser empfand sich ihnen gegenüber jedoch als der Übergeordnete). Zu Widukind vgl. E. E. STENGEL: Den Kaiser macht das Heer (jetzt: Der Heerkaiser), in der Festschrift: Histor. Aufsätze für K. ZEUMER, Weimar 1915,starkerweitert wieder abgedruckt in: Abhandl. u. Untersuchungen zur Gesch. des Kaisergedankens im Ma., Köln-Graz 1965 S. rff., bes. S. 57ff. (vgl. S. 68 ff. den hinzugefügten Nachweis, daß W. von der »Vita Columbae« abhängig ist). Stenge], der zu Widukind noch weitere,
allerdings in jedem Einzelfalle anfechtbare Belege fügen konnte, kommt zu dem von ihm als wahrscheinlich bezeichneten Ergebnis, »daß man seit jenem 10. August (95 5) Otto d. Gr. wenigstens vorübergehend kaiserliches oder kaisergleiches Ansehen zuerkannt, ja ihn >offiziös< sogar schon Kaiser genannt hat«. Für unleugbar sieht er an, daß es die Vorstellung »seines zum Kaisertum ausgestalteten und gesteigerten, d. h. imperialen Königtums« gab (S. 65). 12 Auf die Frage der »Siegesfeier« ist Karl HAUCK an verschiedenen Stellen eingegangen; eine zusammenfassende Darstellung dürfen wir wohl erwarten. 13 Vgl. Bd. I S. 198f.
Die Schlacht auf dem Lechfeld (955) und ihre Folgen
Im byzantinischen Zeremonienbuch war Otto bereits 949 mit dem Titel fliyar; Qij; registriert worden14 • Die Bezeichnung magnus rexist in den fünfziger Jahren nachgewiesen15. In einem Briefe Rathers von Verona aus dem Jahre 951 heißt Otto cuncto orbe celebratissimus16 , und auf der Gesandtschaft zum Chalifen Abdurrahman, mit der 9 52 J ohann von Gorze beauftragt wurde, benutzte dieser offensichtlich für seinen Herrn den Titel imperator, um ihn, den hohen Herrn des christlichen Abendlandes, gegenüber dem Moslem herauszustreichen17 • Zusammenfassend darf man sagen, daß von der Mitte des Jahrhunderts an der aus dem sächsischen Stamm hervorgegangene Herrscher für seine Zeitgenossen nicht mehr ein König wie die übrigen Träger dieses Titels war, sondern mehr- in welche Formel man dieses »mehr« fassen sollte, darüber bestand allerdings keine Einhelligkeit. ( S. ;8:) Das Problem, das sich Otto aufdrängte, war, sich klarzuwerden und den anderen deutlich zu machen, welchen Auftrag er von Gott und Christus besaß. Er hatte das Glück, sich auf diesem Wege von einem Manne beraten lassen zu können, der in Deutschland von diesen Dingen am meisten verstand, nämlich von seinem Bruder Brun, dem Erzbischof von Köln und von 9 53 an auch Herzog von Lothringen -aus den Forschungen Josef Fleckensteins 18 ergibt sich, daß bei dem Ausbau der Kapelle Ottos in den fünfzigerJahrender Erzbischof-Herzog Anreger und Leiter war. Das Resultat, zu dem die Überlegungen der beiden Brüder kamen, liegt versteinert vor in der Reichskrone: »versteinert« können wir - wenn auch in nicht üblicher Weise - sagen, ~eitdem uns Hansmartin Decker-Hauff gelehrt hat, daß bei ihr die Zahl, die Farbe und die Art der Steine auf das gerraueste überlegt sind, und »Reichskrone« dürfen wir sie nennen, obwohl der Ausdruck erst in der Staufischen Zeit belegt ist, da es sich bei ihr weder um eine Königs- noch um eine Kaiserkrone handelte, sondern eben um die Krone, die die Nachfolger - mochten sie Könige oder Kaiser sein- als rechtmäßige Erben Ottos auswies 19 • Ist die Krone wirklich so alt? Auf ihrem Bügel steht der Name Konrads II., aber es läßt sich zeigen, daß er einen älteren, gleichgeformten ersetzt hat. Der V ergleich I4 W. 0HNSORGE, Byzanz u. das Abendland im 9· u. 10. Jahrh., in: Saeculum V, I954 S. 213 (wiederabgedruckt in: Abendland und Byzanz; Darmstadt I958 S. 35f.). I 5 KELLER, a. a. 0. S. 344 (vgl. dort auch zum Folgenden). I 6 Die Briefe Rathers, hrsg. von Fr. WEIGLE, Weimar 1949 (Mon. Germ., Die Briefe der deutschen Kaiserzeit I) S. 50. I7 KELLER, a. a. 0. S. 343 ff. (Ich stimme dem Verf. bei der Annahme zu, daß man in Bezug auf den Titel aus der »Vita« auf Johanns II*
Gesandtschaftsbericht zurückschließen darf). IB Vgl. oben S. 135ff. 19 Vgl. Bansmartirr DECKER-HAUFF (in Zusammenarbeit mit P. E. S.) in: Herrschaftszeichen a. a. 0. II, Stuttgart 195 5 (Schriften 13, 2) S. 56o-637 (s. auch III S. 8o3ff. zum Namen »Reichskrone«). Zur Bügelkrone vgl. P. E. S., Die B., ein karolingisches Herrschaftszeichen, in der Festschrift für K. G. Rugelmann zum Bo. Geburtstag, II (Aalen 1959) S. 561-578 (jetzt Bd. II S. 99ff.)
B
1:
Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
der originalen acht Platten mit anderen Goldschmiedearbeiten der Zeit, den Hermann Fillitz durchführte, kam zu dem Ergebnis, daß der Kronreif bereits mit den ältesten Werken des Essener Domschatzes korrespondiert, also bis mindestens in die Jahre um 970 heraufdatiert werden muß. Da aus denfünfzigerund sechziger Jahren Arbeiten ähnlicher Qualität leider fehlen, ist es nicht möglich, auf kunsthistorischem Wege zu einer noch gerraueren Datierung zu gelangen. Jedenfalls bestehen von dieser Seite keine Bedenken gegen eine Datierung der Krone um 96o. Sicher ist, daß die Anfertigung lange Zeit in Anspruch nahm und wohl noch längere das Sammeln der zahlreichen, so verschiedenartigen Edelsteine - man wird mit Jahren zu rechnen haben. Einen Hinweis darauf, wann der Auftrag erteilt wurde, gibt eines der vier Emailbildchen: Dargestellt ist, wie der Prophet Jesaja dem erkrankten König Hiskias dreimal fünf Lebensjahre zulegt - ikonographisch eine ganz ungewöhnliche Szene. Nun wissen wir, daß Otto 957 längere Zeit sehr schwer erkrankt war und seine Errettung auf die Hilfe des in Corvey verehrten heiligen V eit zurückführte. Es drängt sich daher der Schluß auf, daß jenes Email mit dieser Krankheit zusammenhängt, der König die »Reichskrone« also kurz vorher oder kurz nachher in Auftrag gab. Die Vermutung führt dann zu dem weiteren Schluß, daß sie zwischen dem Sieg auf dem Lechfelde und der Kaiserkrönung angefertigt wurde. Was soll die Krone besagen? Die Frage, die viel erörtert worden ist und dem Betrachter durch die seltsame, noch dazu völlig einmalige Form ja geradezu aufgedrängt wird, können wir jetzt auf Grund der Unter-( S. 39 .') suchungen DeckerHauffs beantworten, ohne uns dem Vorwurf des Hineindeutens auszusetzen: Die Vorderseite bezieht sich auf die zwölf Apostel, die Rückseite auf die zwölf Söhne Jakobs, d. h. die zwölf Stämme Israels, die beiden Seitenflächen auf die Apokalypse- zwei also auf die Vergangenheit, zwei auf die Zukunft. Zwischen die vier Platten mit Steinen sind Platten mit Emails eingefügt: Die auf der rechten Seite beziehen sich auf das Prophetentum, die auf der linken Seite auf das alttestamentliche Königtum. Der Träger einer solchen Krone war also in vielfacher Weise in Beziehung zur Heilslehre, zur göttlichen Ordnung der Welt und zum Ablauf der Geschichte gesetzt - nie vorher war das bei einer Krone versucht worden. Das verblüffendste an der Krone ist der Bügel, der hahnenkammartig von der Vorderseite zum Nacken gespannt ist. Denn Bügel hatte es in karolingischer Zeit zwar schon gegeben, jedoch immer nur zwei flach über den Kopf verlaufende, die sich auf dem Scheitelpunkt überkreuzten. Es stellt sich somit eine Doppelfrage: I. Weshalb wurde auf den Querbügel verzichtet? 2. Weshalb wurde der Stirnbügel senkrecht aufgerichtet? Die Antwort auf beide Fragen lautet: Das mußte so sein, damit unter der Krone eine Mitra getragen werden konnte, eine niedere Mitra mit zwei »cornua«, d. h. stumpfen Buckeln an den Seiten und einem Sattel in der Mitte. Das ist keine herbeigeholte Erklärung: wir wissen vielmehr, daß zur Reichskrone im ganzen Mittelalter
Die »Reichskrone«
Abb. 1. Der ursprüngliche Zustand der »Reichskrone«. Der Bügel ersetzt durch Konrad II., einstiges Vorhandensein gesichert durch Tüllen an der Rückseite der Front- und Nackenplatten, die Zierate ergänzt nach einer (verlorenen) Krone Ottos II., die Pendilien (deren Ösen noch vorhanden) nach dem Medaillonbild Karls d. K. Das ursprünglich vorhandene Kreuz gemäß den Konturen des unter Konrad II. angebrachten. Zeichnung nach den Angaben des Verfassers von Herbett Werfels.
eine solche Mitra gehörte, und können aus der Folgezeit sogar Bilder von der Reichskrone namhaft machen, auf denen aus der Krone die »Cornua« der Mitra herausragen. Krone und Mitra vereinigt? Hatte es das vorher schon gegeben? Ja, nur einmal, und zwar im alten Israel: im Alten Testament ist vermerkt, daß eine corona aurea super mitram vom Hohenpriester getragen wurde! Schon diese Feststellung mag überraschen; an sie hängen sich noch zwei weitere:
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B r : Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
Abb. z. Die »Reichskrone« mit Mitra (deren Kontur entnommen der Darstellung eines Regensburger Bischofs in hohenpriesterlicher Gewandung im Uta-Codex, Anfang des rr. Jahrhunderts).
Als der bisher in Nürnberg verwahrte Reichshort am Ende des 18. Jahrhunderts vor den Franzosen nach Wien in Sicherheit gebracht werden mußte, ging ein Gürtel verloren; aber dieser ist uns noch durch einen sehr genauen Stich aus eben diesem Jahrhundert bekannt. Der Gürtel war damals bereits beschädigt, doch die verletzte Inschrift ist neuerdings durch Norbert Fickermann 20 in überzeugender Weise etgänzt worden. Danach handelt es sich um das Geschenk eines Sicco an einen der
20
Deutsches Archiv XIII, 1957 S. 529-33.
»Reichskrone« - Glöckchen - Himmelsmantel
Ottonen - wir kennen ihn als Vertrauten Ottos II. : er oder sein gleichnamiger Sohn haben demnach diesem Kaiser oder Otto III. den Gürtel als Geschenk dargebracht. Zu erwähnen ist der Gürtel hier, weil an ihm an blauen und roten Schnüren- das sind die beim Ornat des Hohenpriesters vorwaltenden Farben - vier Glöckchen hingen 21 • Dadurch wird ein Zeugnis aus dem r I. Jahrhundert verständlich, das in übertreibender Weise behauptet, alle Gewänder des Kaisers seien mit einer Unzahl solcher Glöckchen besetzt gewesen 22 • Wieso konnte man auf den seltsam anmutenden Gedanken ver-(S. 40.')fallen, am Herrscherornat »tintinnabula« anzubringen? Die Antwort lautet wiederum: Weil das nach dem Zeugnis des Alten Testaments bei der Gewandung des Hohenpriesters der Fall gewesen war! Deshalb hatten bereits im 9· Jahrhundert Geistliche ihre liturgischen Gewänder so verzieren lassen; für Laien ist solcher Brauch jedoch erst durch den verlorenen Gürtel bezeugt. Wir sind noch nicht am Ende mit den Fakten, die in diesen Problemkreis gehören. Im Bamberger Domschatz hat sich ein - neuerdings von Frau Müller-Christensen meisterhaft wieder in seiner alten Pracht hergestellter - Mantel erhalten, auf dessen blauem Grund in Gold die Figuren des Zodiakus und Gestalten der Apokalypse eingestickt sind. Nach der Inschrift wurde er Heinrich II. von einem süditalienischen Großen verehrt 23 • Wir wissen aber, ( S. 41 :) daß auch Otto III. und sein Zeitgenosse, der König Hugo Capet von Frankreich, solche »Himmelsmäntel« besessen haben 24 • Die Deutung, daß die Träger dadurch einen Anspruch auf die Weltherrschaft hatten sichtbar machen wollen, liegt nahe, da Mäntel solcher Art im Alten Orient und im hellenistischen Bereich diese Funktion in der Tat ausgeübt hatten; aber eine solche Auslegung paßt nicht zum ro. Jahrhundert. Die Lösung findet sich wiederum im Alten Testament: nach der Weisheit Salomonis war auf dem Mantel des Hohenpriesters Iotus orbis terrarum, der ganze Weltkreis, abgebildet! Wer hat zuerst einen solchen hohepriesterliehen Mantel auf seinen Schultern getragen? In karolingischer Zeit fehlt jeder Beleg; andererseits ist zu beachten, daß Heinrich II. der Großneffe, Otto III. der Enkel und Hugo der Schwestersohn Ottos I. waren, also jenes Herrschers, der ( S. 42 :) zuerst wie der Hohepriester unter der Krone eine Mitra trug. Führen wir auf ihn den Himmelsmantel zurück, dann dürfen wir das auch mit den hohepriesterliehen Glöckchen tun. Denn in der karolingischen Zeit sind Mitra,
21 Vgl. P. E. S., Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 554-559: Kap. 24 »Tintinnabula am geistlichen und am weltlichen Gewande«; dazu Nachträge in Bd. VI. 22 In der »Graphia aureae urbis Romae«, neugedruckt unten S. 344ff. 23 P. E. S. - Florentine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser,
München 1962 S. 163 mit Abb. 130. 24 Über Himmelsmäntel s. Herrschaftszeichen II S. 378. Über den byzantinischen Ornat in dieser Zeit vgl. G. P. GALAVARES, The Symbolism of the Imperial Costum as displayed on Byzantine Coins, in: Museum Notes. The Amer. Numismatic Society, New York 1958 S. 99-rr7.
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B r: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
Himmelsmantel, Glöckchen als Teile des Herrscherornats noch nicht zu belegen; sie alle drei gehören ja auch als »Zeichen« so eng zusammen, daß sie als Teile eines und desselben Ornats angesprochen werden dürfen. Diesen wird Otto aller Wahrscheinlichkeit nach - ebenso wie die Reichskrone - bereits vor der Kaiserkrönung getragen haben 25 • Sind unsere Folgerungen zu kühn? Wir können sie nachkontrollieren an Hand eines weiteren Belegs aus dem Bereich der Staatssymbolik. Seit langem hat die Forschung ein offensichtlich sehr alter Ordo für die Krönung beschäftigt. Aus den Studien des uns durch den Tod entrissenen, aber in dankbarer Erinnerung behaltenen Mons. Michel Andrieu, dem wir die Vorbereitung der Edition verdanken, hat sich ergeben, daß der Ordo zu einem Pontifikale gehört, das um 96o im Mainzer Kloster St. Alban entstand - also unter den Augen des Erzbischofs Wilhelm, eines nichtvollbürtigen Sohnes König Ottos. Wie bei den anderen Teilen des Pontifikale, wurde auch in dem Königsordo auf ältere Vorlagen zurückgegriffen; aber bei der Zusammenfassung und Ausbalancierung der Krönungsakte tritt Eigenes heraus. Offenbleiben muß die Frage, ob der Ordo im Hinblick auf die im Jahre 961 vollzogene Krönung Ottos II. zum Mitkönig oder rückschauend unter deren Eindruck aufgesetzt wurde - so oder so spiegelt der Ordo die Auffassung wider, die sowohl der König als auch die Kirche von den Aufgaben des Herrschers hegten 26 • Natürlich liegt diesem Ordo die vom Papste Gelasius I. im Jahre 494 klassisch formulierte Zweigewaltenlehre zugrunde: Wer hätte es wagen können, das Nebeneinander von geistlicher und weltlicher Gewalt, von sacerdotium und regnum, in Frage zu stellen! Aber in einer der Weiheformeln wird gesagt, daß der König teilhaftig werde des bischöflichen Ministeriums (per hanc, scil. coronam, te participem ministerii nostri non ignores), und entsprechend ist die Königsweihe der Bischofs weihe, soweit nur angängig, angeglichen. Am deutlichsten spricht, daß der König zweimal als derbezeichnet wird, der den »Namen«, den» Typus« Christi »trage«. Diese aus den Kirchenvätern entlehnte Formulierung knüpft an die Bedeutung: Christus = der Gesalbte an, ist aber nur im Rahmen des im Frühmittelalter so sehr gepflegten allegorischen Denkens zu verstehen, das darauf aus war, überall Entsprechungen, Gleichheiten, Ähnlichkeiten aufzudecken. So gesehen, »entspricht« der gesalbte König auf Erden
25 Ich habe in »Herrschaftszeichen« a. a. 0. II S. 385 ff. die Angabe Liudprands von Cremona, Otto I. sei 962 miro ornatu novoque apparatu nach Rom gekommen, als Stüze meiner These angeführt und dafür zahlreiche Parallelstellen angeführt. Da J. DEER meine Beweisführung bestritten hat, führe ich
diesen Beleg im Texte nicht an, halte jedoch an meiner Interpretation fest (im folgenden Anhang 2 sind jetzt sowohl für ornatus als auch apparatus so viele Zeugnisse vereinigt, daß ich meine Auslegung nunmehr als sicher abgestützt betrachten kann). 26 Vgl. oben S. 8rff.
»lmitatio sacerdotii«
Christus im Himmel und kann daher- so heißt es an einer anderen Stelle des Ordo der »Mittler« ( mediator) zwischen Klerus und Volk sein. Hier ist also im Bereich der Kultsprache der Herrscher ebenso wie in der Staatssymbolik weit in den priesterlichen Bereich hineingeschoben- weiter als je seit Karl dem Großen. ( S. 43-') Anknüpfend an die in der Konstantinischen Fälschung benutzte Formel imitatio imperii, die dort die entgegengesetzte Tendenz kennzeichnet, dürfen wir sagen: Es handelt sich hier um eine imitatio sacerdotii, die sich zugleich an Augen und Ohren der Zeitgenossen richtete und von ihnen sicherlich wie gewollt verstanden wurde. Diese imitatio sacerdotii dürfen wir das Hauptkennzeichen der Jahre zwischen dem Sieg auf dem Lechfelde und der Krönung Ottos I. zum Kaiser nennen 27 •
c) Otto I. als Kaiser (962): Krö'nung- Vorbilder- Ansprüche. Otto 11. als Erbe seines Vaters Um zu ermessen, was Ottos Erhebung zum Kaiser bedeutete, muß man sich folgende Fakten vor Augen halten: Von 877 bis zum Tode Berengars I. (924) waren elf Prätendenten aufgetreten; sechs von ihnen hatten eine Krönung erlangt. Das Ansehen der Kaiserwürde war dadurch gemindert worden; dann war eine Zwischenzeit gefolgt, in der es überhaupt keinen Kaiser gab. Sie dauerte länger als ein Menschenleben und führte wohl dazu, daß die Existenz dieser Schein- und Kleinkaiser in der Erinnerung der Zeitgenossen schwand und beim Blick zurück sich die Augen wieder auf Karl den Großen und die beiden auf ihn folgenden Generationen richteten, in denen die Kaiserwürde noch geachtet worden war. Aus der Vorgeschichte der Kaiserkrönung des Jahres 962 heben wir noch einmal zwei bereits gestreifte Fakten heraus: bereits 951 hatte Otto I. die Hand nach Rom ausgestreckt, war dann aber vor der Ablehnung des Papstes und des diesen lenkenden Stadtherrn Alberieb zurückgewichen. Ferner: im Jahre 961 hatte der König an Stelle des zum Nachfolger designierten, aber vorzeitig verstorbenen Liudolf seinen Sohn Otto trotz dessen jugendlichem Alter zum Mitkönig wählen, salben und krönen lassen - er war also schrittweise vom Vorbild seines Vaters abgewichen und hatte sich, das »Wahl«-Prinzip einengend, der Nachfolgeregelung angeglichen, die in Frankreich und Italien, aber auch in Byzanz üblich war 28 • 27 Über die »lmitatio imperii« und »lmitatio sacerdotii« vgl. P. E. S., Sacerdotium und Regnum im Austausch ihrer Vorrechte, in den Studi Gregoriani II, Rom 1947 S. 403
bis 4)6 (wieder abgedruckt in Bd. IV). z8 Die These von Hans HrRSCH, Der ma.liche Kaisergedanke in den liturgischen Gebeten, in den Mitteil. des Österr. Inst.s f. Gesch.-
B I: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
In Italien hatte sich inzwischen eine ganz neue Konstellation ergeben. Diesmal war es der Papst, der den König zu Hilfe rief! Nach Alberichs Tod war nämlich dessen Sohn auf die Cathedra Petri gesetzt worden; im Besitz sowohl der geistlichen als auch der weltlichen Macht hatte er sich mit dem König Berengar verfeindet. Wer anders als Otto hätte ihm Hilfe lei&ten können? Dieser schob seinen Lehnskönig beiseite und sah daher den Weg nach Rom offen. Aber noch beherrschte Mißtrauen beide Parteien: Papst Johann XII. ließ den König erst in die Stadt hinein, nachdem er durch Eide Sicherheit erlangt hatte, und während seiner Krönung stand Ottos Schwertträger bereit, um - sollte ein heimtückischer Überfall erfolgen - diesen abzuwehren; er könne später seine Gebete nachholen, hatte ihm sein Herr bedeutet. Die am 2. Februar 962 nach dem Herkommen vollzogene Krönung hat also keine gute Vorgeschichte, und auch der Nachklang der Feier wurde getrübt, da sich Johann XII. gegen Otto mit Berengars Sohn verbündete: Otto konnte jedoch die Entthronung des Papstes durchsetzen und Berengar mit seiner Sippe gefangennehmen. Erst nach zwei Jahren war er wirklich Herr in Italien. In diesem Rahmen ist Ottos Kaiserkrönung zu betrachten. Wie schön wäre es, wenn Widukind, gestützt auf den Bericht eines Augenzeugen, in seine Chronik auch über Ottos Erhebung zum Kaiser einen ähnlich ausführlichen Bericht wie über die Königskrönung eingefügt hätte, oder ein anderer Geschichtsschreiber, der nicht dessen Abneigung ( S. 44:) gegen die neue Kaiserwürde teilte, ausführlicher gewesen wäre. So beschränkt sich unser Wissen auf die Grundtatsachen. Wir zählen die wichtigsten der Reihe nach auf: I. Otto wurde - wie seit Ludwig dem Frommen üblich - gesalbt. Bei Karl dem Großen war das noch unterblieben: offenbar in Würdigung der Tatsache, daß das Sakrament der Herrscherweihe nur einmal gespendet werden könne. Dann hatte sich jedoch die Anschauung durchgesetzt, daß das Kaisertum einen höheren »Gradus« darstelle als das Königtum, daß also der gesalbte König als Kaiser noch einmal gesalbt werden müsse- so wie der zum Bischof gewählte Presbyter eine weitere Weihe zu empfangen hatte. 2. Otto wurde durch den Papst gekrönt und sicherlich auch mit den anderen Herrschaftszeichen investiert, wie der Papst das Schritt für Schritt von der Zeit Ludwigs des Frommen an durchgesetzt hatte. Karl dem Großen hätte diese Entwicklung sehr mißfallen; denn dadurch gewann der Papst bei jeder Krönung von neuem Einwirkung auf die Erhebung zum Kaiser. forsch. 44, I 930 S. I-zo, der aus diesen folgerte, der Missionsgedanke habe einen wichtigen Anstoß bei der Erneuerung der Kaiserwürde gespielt, hat C. ERDMANN mit beachtlichen Gründen wieder eingeengt
(Der Heidenkrieg in der Liturgie u. die Kaiserkrönung Ottos I.; ebd. 46, I932 S. 129-42). Die Aufgabe der Mission kam ja auch dem König zu.
Ottos I. Kaiserkrönung (Rom 962)
Das war sehr folgenschwer; denn im Mittelalter bildete das, was einmal rechtens geschehen war, den Präzedenzfall für das Kommende. Durch seine Kaiserkrönung begründete Otto das hinfort gültige, bis zum Untergang des Reiches nie ernstlich in Frage gestellte Gewohnheitsrecht, daß nur der deutsche König als Kandidat für die Kaiserwürde in Frage komme; andererseits ergab sich aus der vom Papst vollzogenen Krönung für diesen die einleuchtende Argumentation, daß er nicht gezwungen werden könne, gegebenenfalls einen König zum Kaiser zu krönen, der im Sinne der Kirche non idoneus, d. h. nicht geeignet war; er müsse also das Recht haben, den zum König Gewählten zu »approbieren« und im Falle einer Doppelwahl zu entscheiden, welcher von den beiden Königskandidaten der besser geeignete sei. Der Streit hierüber durchzieht die ganze mittelalterliche Geschichte Deutschlands wie ein roter Faden 29 • Wer rückschauend diese Entwicklung beurteilt, mag geneigt sein, zu folgern, es sei ein »Fehler« gewesen, daß Otto als Krönungsort Rom und den Papst als Krönenden anerkannte; jedoch war beides durch Gewohnheitsrecht gesichert, und was im Mittelalter rechtens war, vermochte selbst der mächtigste Herrscher nicht abzuändern. Für Otto bestand daher nur die Alternative: Kaiser in Rom mit Hilfe des Papstes werden oder König bleiben. Aber Deutschland und Italien auf die Dauer allein durch eine Personalunion zusammenzuhalten - wer hätte das wohl für möglich gehalten? Um beideReiche zusammenzuklammern, hatte ja auch Karl der Große die Kaiserwürde angenommen. 3· Noch ein drittes Faktum ist aus dem Ablauf der Krönungshandlung herauszuheben: seit Karl dem Großen war es üblich, daß die Anerkennung des gekrönten Kaisers abschließend durch die Darbringung des »Laudes« bekräftigt wurde, die ihm in festgesetzter Form Sieg und Heil wünschten30 • Auch dieser Brauch trat 962 wieder in Kraft und wurde fortan ( S. 4J .-) beibehalten. Nie ist jedoch der V ersuch gemacht worden, zu klären, wer denn eigentlich nach Salbung und Krönung dem Neugekrönten diese weltliche »Corroboratio« erteilte: Waren es die Stadtrömer, war es der Klerus als Vertreter der römischen oder sogar der Gesamtkirche, oder waren es alle Anwesenden gemeinsam als Vertreter des Reichsvolkes? Daß - ähnlich wie der Papst- auch die Stadtrömer nicht einfach gewillt waren, sich mit einer ausführenden Rolle zu begnügen, zeigte sich in ihrem später angemeldeten Anspruch, den Kaiser »wählen« zu dürfen. Ihnen kam zwar die antike Tradition zugute, aber die Stadt29 Zur »Approbatio« gibt es eine umfangreiche Literatur. Zu einem benachbarten Problem vgl. auch W. GoEZ, Translatio imperii, Tübingen 1958. 30 E. H. KANTOROW1CZ, Laudes regiae. A Study in Liturgical Acclamations and Mediacval Ruler Worship, Berkeley 1946 (2.
Aufl. 195 8); B. ÜPFERM&"'N, Die liturgischen Herrscherakklamationen im Sacrum Imperium des Ma.s, Weimar 195 3; R. ELZE, Die Herrscherlaudes im Ma., in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 71, Kanon. Abt. 40, 1954 S. 201-224. - S. dazu auch Bd. I S. 238f.
B I: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
römer hatten im Gegensatz zum Papst nicht die Macht, ihren Anspruch zu verwirklichen: Friedrich Barbarossa hat ihn mit schneidenden Worten zurückgewiesen. Leider ist - im Gegensatz zu den um 96o aufgesetzten Königsordo 31 - aus den Kaiserordines für den Verlauf der Krönung Ottos I. und seiner Nachfolger nicht viel zu entnehmen: Für den Vollzug der Kaiserkrönung standen zwei Ordines zur Verfügung, beide enthalten in dem um 96o in Mainz redigierten »Pontificale Romano-Germanicum« (auch: Ottonisches Pontifikale) 32 • Der eine trägt die Überschrift: Ordo Romanus ad benedicendutJJ imperatorem, quando coronam accipit; der andere, der in den Handschriften folgt und die abschließende Missa pro imperatore im Wortlaut anführt, heißt: Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum Occidentales. Für den Ordo Romanus ist als Vorlage der älteste der erhaltenen Ordines für die Papstweihe benutzt; die Benedictio beruht auf einem Königsordo, der vielleicht bereits aus dem 9· Jahrhundert stammt und im Wort- und Sachbestand kaum abgeändert worden istaa. Vom Ordo Romanus sind - der Vorlage entsprechend - die beiden ersten Gebete den Bischöfen von Albano und Porto zugewiesen, die Litanei dem Archidiaconus. Die Salbung vollzieht der Bischof von Ostia, die Krönung der Papst. Die Formeln I und 2 sowie die »Missa« entsprechen wörtlich dem Ordo für die Königskrönung; die beiden dem Ordo Romanus eigenen Formeln (7 und 9) enthalten keine Gedanken, die sich von den zeitüblichen Vorstellungen abheben. Beachtlich, weil Anlaß zu Streit in der Folgezeit, ist dagegen die (im Ordo II fehlende) Anweisung, daß hernach der Bischof von Ostia den Kaiser mit oleum exorcizatum (d. h. Katechumenöl) am rechten Arm und zwischen den Schulterblättern salbe -und zwar am Hauptaltar der Peterskirche. In der Folgezeit war die Kirche nämlich darauf bedacht, die Salbung an einen Nebenaltar, den des Heiligen Mauritius, zu verlegen, wodurch der Unterschied zwischen Papst- und Kaiserweihe sinnfällig wurde 34 • Andererseits forderten die Kaiser die ihnen schon im 9· Jahrhundert eingeräumte Salbung mit dem höher geachteten Chrisma35 , und zwar auf der Stirn, wie das bei den Geistlichen üblich wat3 6 - Streitfragen, die auch andere Länder beschäftigt haben 37 • In der Benedictio ist über die Durchführung der Salbung gar nichts gesagt. Im Text wird auf die alttestamentlichen Könige als Vorbilder hingewiesen; die Kenn3I S. oben S. 92ff. 32 Vgl. den Wortlaut beider Ordines im Anhang I, der sich auf die Editionen von R. ELZE (Kaiserordines, 196o) und C. VoGELR. ELZE (Pontificale, 1963) stützt, aber von der Wiederholung des kritischen Apparats dieser Ausgaben absieht. 33 Genauere Angaben im Anhang I.
34 P. E. ScHRAMM, Die Ordincs der ma.lichen Kaiserkrönung, im Archiv f. Urkundenforschung XI, 1930 S. 332ff. 35 A. a. 0. S. 353 Anm. 4· 36 Ebd.; s. dazu oben S. 73. 37 Vgl. meine Bücher über England und Frankreich.
Ottos I. Kaiserkrönung (Rom 962)
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zeichnungen des Gesalbten als protector patriae et consolator ecclesiarum atque coenobiorum sanetarum, als triumphator hostium bewegen sich ganz im Kurialstil des 9· J ahrhunderts 38 • Ähnliches gilt auch für die Missa, die ganz aus älteren liturgischen Formeln besteht und gleichfalls das Andenken der alttestamentlichen Vorbilder beschwört. Beide Ordines ließen, wenn man sie gebrauchen wollte, so viele Fragen offen, daß der Gedanke nahelag, ihre Formeln aneinanderzufügen39 und die dann noch verbleibenden Lücken durch Zusätze zu schließen. Aber kräftige Eingriffe sind erst im rz. Jahrhundert gewagt worden40 ; sie tragen nun auch der Tatsache Rechnung, daß der Kaiser bei seiner Krönung außer der Krone auch andere Herrschaftszeichen erhielt. Bis dahin muß es jedesmal wieder gerrauer Absprachen zwischen der Kurie und dem kaiserlichen Hof bedurft haben, um einen Ablauf der Feier zu sichern, der für beide annehmbar war41 • Was läßt sich über die »Kaiseridee« aussagen, die Otto der Große42 von seiner Kaiserkrönung an vertrat? Wir müssen im Sinne behalten, daß das eine durch und durch moderne Formulierung ist. Mittelalterlich gefaßt, muß die Frage lauten: Auf welches Vorbild hin richtete sich der neue Kaiser aus? Die Antwort lautet: vornehmlich auf das karolingische43 • Ottos Kaiserbulle ist nicht erhalten, aber es läßt sich wahrscheinlich machen, daß sie die von Ludwig dem Frommen an benutzte Inschrift: »Renovatio regni Francorum« trug. Otto führte auch normalerweise den von jenem Kaiser an üblich gewordenen TitelImperator Augustus- nur ausnahmsweise begegnet der Zusatz Romanorum. Aus der Anknüpfung an die karolingische Tradition zog Otto ferner die - seine Machtstellung in Italien einengende- Folgerung, daß er dem Papste das zuerst von Pippin ausgestellte und dann mehrfach erweiterte Faktum, die Rechtsgrundlage für dessen weltlichen Ansprüche, bestätigte44 • 38 Vgl. Bd. II S. 88f. usw. 39 Vgl. ELZE: Ordo VIII. 40 Aus dem 1r. Jahrhundert liegt der von Laienhand verfaßte, außerhalb der liturgischen Tradition stehende »Salische Kaiserordo« vor (wieder abgedruckt unten S. 38off.). 41 ELZE, a. a. 0. S. Xllff. und Ordo XIV bis XVII. 42 In den Signumzeilen seiner Urkunden ist Otto öfters magnus genannt; daß dies im Hinblick auf die Nachfolge Karls d. Gr. geschah, führt aus W. KrENAST, Magnus = der Altere, in der Histor. Zeitschr. 205, 1967 S. wff.; doch hat in anderen Fällen magnus die Funktion, Otto gegenüber Otto
II. als den Alteren zu kennzeichnen. 43 Über die byz. Reichstheorie vgl. P. J. ALEXANDER, The Strength of Empire and Capital as seen through Byzantine Eyes, in Speculum 37, 1962 S. 339-57. 44 Die Veränderungen, die im 9· Jahrhundert am Pactum vorgenommen wurden, klärte E. E. STENGEL, Die Entwicklung des Kaiserprivilegs für die röm. Kirche, in der Histor. Zeitschr. 134, 1926 S. 216-4r. S. jetzt auch W. ULLMANN, The Origins of the Ottonianum, im Cambridge Historical Journal XI, 1953 S. 114-28; er vertritt die These, daß es sich bei der (allein erhaltenen) Prunkabschrift (Mon. Germ., Const. I S. 23 ff. = Dip!., D. 0. I. Nr. 235) um eine den Origi-
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B I: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
Dagegen wies der Kaiser die damals wieder ans Licht gezogene Konstantirrische Fälschung von sich45 • Die Ausrichtung auf das karolingische Vorbild bedingte- wie schon zur Zeit Karls des Großen und seiner Nachfolger - die Tendenz, daß die abendländischen Kaiser nicht hinter den byzantinischen zurückstehen dürften. Zeugnis dafür legt das von 962 an benutzte Siegel ab, das ein bescheideneres ersetzte und den Herrscher nicht mehr im Profil, sondern- wie in Byzanz- frontal darstellte. Vor allem kommt diese Tendenz in Ottos Bestreben zum Ausdruck, eine byzantinische Prinzessin als Gattin für seinen Sohn zu gewinnen. Der Kaiser kam bekanntlich erst zum Ziel, als in Konstantinopel ein Usurpator den Thron eingenommen hatte, dem daran liegen mußte, in Italien nicht durch einen Feind bedroht zu sein. Um seinen Sohn und Erben, dem Otto ja bereits die Stellung eines Mitkönigs eingeräumt hatte, in den Augen der Byzantiner so ansehnlich wie möglich zu machen, bewirkte er beim Papst, daß Otto II. - wie in Byzanz - zum Mitkaiser erhoben wurde. Dies war das fünfte und letzte Mitkaisertum46 , das es im Abendland gegeben hatdas erste hatte Karl der Große einige Monate vor seinem Tode in Aachen ohne Mitwirkung des Papstes herbeigeführt. Damals hatte noch keine Rechtstradition bestanden; Otto war jedoch durch die mittlerweile gefestigte ( S. 46:) Tradition gebunden und war daher gezwungen, - im modernen Sinn - abermals einen »Fehler« zu begehen. Im Okt. 968 erscheint in Ottos I. Urkunden zum ersten Mal für den Sohn dernicht-byzantinische- Titel coimperator; er wurde auch noch in den folgenden Jahren benutzt, jedoch nicht regelmäßig47 • naltext erweiternde, im Dez. 963 von der kaiserlichen Partei an der Kurie vorgenommene Verfälschung handele, um dem Papsttum Fesseln anzulegen (eingeschoben: §§ I5-I9)· Dafür zitiert er den Ludwig d. Fr. und Lotbar I. geleisteten, als »Sacramentum Romanorum« überlieferten Treueid der Römer (Mon. Germ., Capit. I S. 324). Denn die Fälscher hätten im Kaiser nicht das brachium, sondern den protector der Kirche gesehen (S. I27f.). - Diese These ist m. W. bisher nicht beachtet worden: H. E. FEINE in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 7I, Kan. Abt. 40, I954 S. 366 berichtete nur, ohne Stellung zu nehmen; W. HoLTZMANN im Deutschen Archiv X, I953/54 S. 52If. meldete Zweifel an. Sonstige Rezensionen, die weiterführen, sind mir nicht bekannt geworden. 45 Ich hatte angenommen, daß für die angeh-
liehe Originalurkunde ein pseudo-isidorischer Text benutzt worden sei (Kaiser, Rom u. Renovatio S. 72, I64f.); H. FUHRMANN, Pseudoisidor in Rom, in der Zeitschr. f. Kirchengesch. I 967 S. 37 hat jetzt geklärt, daß ein Text benutzt wurde, der älter als Pseudo-Isidor ist (s. auch DERS., Konstant, Schenkung und Abend!. Kaisertum, im Deutschen Archiv XXII, I966 S. I28ff.). 46 Kar! d. Gr. und Ludwig d. Fr. (813-4); Ludwig d. Fr. und Lothar I. (824-42); Lotbar I. und Ludwig II. (8 50-55); Wido und Lambert (891-94). 47 Vgl. Mathilde UHLIRZ, Zu dem Mitkaisertum der Ottonen: Theophanu coimperatrix, in der Byzant. Zeitschr. 50, 1957 S. 383-9 (kurz auch: Neue Forschungen über Th., in den Atti del III. Congresso Internat. di studi sull'alto medioevo, Spoleto 1959). Der Titel coimperator wird in Ottos II. Ur-
Die »Kaiseridee« in der Zeit Ottos I.
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Die Verständigung mit Byzanz dauerte nur so lange, als sich dort die neue Dynastie auf dem Thron behauptete. Als die angestammte ihn wieder einnahm, trat die unausweichliche, seit Karl dem Großen immer nur vorübergehend ausgeglichene Rivalität wieder heraus, und als die Byzantiner Otto II. nicht gegen die Moslime geholfen hatten, fügte dieser voll Empörung über solches Verhalten seinem Titel als ständig benutzte Formel das ominöse Wort Romanorum hinzu: Es besagte, daß der Imperator Augustus Romanomm des Abendlandes, nicht aber der Basileus kai Aufokrator Rhomaion in Konstantinopel der einzig berechtigte Kaiser sei48 • Der Gedanke, daß Karl der Große das alte römische Reich wieder erneuert habe, spielte für Otto I. keine Rolle von Belang. Aber aufhorchen läßt doch das Lob, das 967 der Papst Johann XIII. dem Kaiser spendete: Otto habe Rom als Haupt der Welt und der universalen Kirche wiederhergestellt und sei als Dritter nach Konstantirr der kaiserliebste Kaiser ( omnium augustorum augustissimus tertius post Constantinum). Auf den ersten christlichen Kaiser hatte bereits Karl der Franke sein Kaisertum bezogen; jetzt verlängerte der Papst diese Linie bis zu dem Sachsenkais er. Das wird seinem Selbstbewußtsein wohlgetan haben, paßte auch insofern zu ihm, als er die Verbreitung und Förderung des Glaubens ja gleichfalls als seine Lebensaufgabe ansah; aber man gewahrt nicht, daß irgendwelche Folgerungen aus dieser - für alle Zeitgenossen sicherlich einleuchtenden - Geschichtssicht gezogen worden sind. Ließ der Kaiser sich irgendwo durch die Tatsache bestimmen, daß zu seinem Reich Länder nicht gehörten, die einmal Karl, womöglich Konstantirr botmäßig gewesen waren? Nichts spricht dafür. Wo aber sah er die Grenzen seines Machtbereichs? Diese Frage drängt sich jedem modernen Betrachter auf; denn wir denken in fest gezogenen Grenzen und werden in unseren staatlichen Vorstellungen durch den Begriff der Souveränität geleitet. Das frühe Mittelalter dachte ganz anders, nämlich wie auch sonst- gradualistisch und kannte daher gleitende Übergänge von dem unmittelbar beherrschten Raum über die den Herzögen anvertrauten Bereiche, über die in Lehens- oder Zinsabhängigkeit stehenden Länder bis zum Anspruch eines nicht mit konkreten Rechten ausgestatteten Vorranges über die übrigen Nachbarländer.
kunden nicht nur ihm, sondern gelegentlich seltsamerweise auch dem Vater beigelegt. Theophanu erscheint in einer Urkunde Ottos II. vom 29. April 974 (D. 0. II. 76) als coimperatrix augusta necnon imperii regnorumque consors. Obwohl dieser Titel nicht ständig
festgehalten wurde, wollte Frau UHLIRZ aus ihm ableiten, daß die Kaiserin sich als Regentin zu Rechtshandlungen in Italien berechtigt ansah: dazu bedurfte es jedoch dieses Titels nicht (vgl. auch ebd. über die
zweite der beiden von Th. erhaltenen Urkunden, in der sie - auch in der Datierungszeile - genannt wird. Theophanius ... imperator augustus. Da sie nur in Abschrift erhalten ist, braucht man sich über diese groteske Abweichung nicht den Kopf zu zerbrechen). 48 Der Zusatz Romanorum fehlt in der Inschrift auf Ottos II. Sarkophag und auf der Grabtafel der Abtissirr Theophanu in Essen; vgl. W. ÜHNSORGE, Konstantinopel u. d. Okzident, Darmstadt 1966 S. 251 Anm. 23.
B r : Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
Otto I. im besonderen war - das zeigt sein ganzes Leben - als Politiker ein Realist, der sich durch utopische Ansprüche nicht verlocken ließ, und in seiner Denkweise Spekulationen abgeneigt. Auch stand ihm nach dem im Jahre 965 erfolgten Tode seines Bruders Brun ja nicht mehr wie in der Königszeit ein theologischer und politischer Berater von gleichem Rang zur Seite. Zu einer ausgeprägten »Kaisertheorie« wird es in Ottos Zeit und auch in der seines Sohnes gar nicht gekommen sein49 • Festgehalten wurde die erhöhte Stellung, die in der Königszeit auf Grund der imitatio sacerdotii errungen war, und den Kern des Kaisergedankens ( S. 47 :) bildete die bereits aus früheren Schichten stammende Vorstellung, Kaiser sei, wer mehrere nationes beherrsche - auf den bekannten Bildern Ottos III. mit den ihrem Herrscher Gaben darbringenden Personifikationen der beherrschten Völker hat dieser Gedanke großartigen Ausdruck gefunden. Das Ansehen, dessen sich der schon von den Zeitgenossen mit dem Beinamen der Große geehrte Kaiser weit über die Grenzen seiner nationes hinaus erfreute, kam am Ende seines Lebens in den zahlreichen Gesandtschaften zum Ausdruck, die sich an seinem Hofe einfanden. Mit Stolz und Genugtuung verzeichnen die Annalen solche aus Böhmen, aus Polen, aus Ungarn, aus Bulgarien, aus Benevent sowie aus Dänemark- aber sie knüpfen daran nicht die Folgerung, daß die fremden Gesandten zum Kaiser Otto als ihrem Oberherrscher gekommen seien. Ein Jahrzehnt vorher hatte Widukind den König Heinrich als rerttm dominus et regum maximtts Europae gerühmt- auf Otto I. bezogen, wäre diese Formel wohl allen Zeitgenossen angemessen erschienen.
d) Otto 111. ( 98;-roo2) In bezug auf den dritten Ottonen will ich mich kurz fassen, obwohl unter dem Gesichtswinkel der Staatssymbolik gerade aus seiner Regierungszeit sehr viel zu vermerken wäre. Denn ich möchte nicht wiederholen, was bereits vor langen Jahren von mir vorgebracht und seither - soviel ich sehe - im großen und ganzen von der Forschung angenommen worden ist5 o. Otto III. unterschied sich von seinem Großvater durch die gediegene Bildung, die ihm in seinen jungen Jahren vermittelt worden war und die er noch zu verbreitern trachtete; aber er hatte mit ihm gemeinsam, daß auch ihm ein den Zeitgenossen überlegener Mann zur Seite stand: sein Lehrer Gerbert, der mit Hilfe seines Schülers 49 Anzeichen dafür, daß Otto die ihm zugefallene Kaiserwürde als Lohn für den im Namen des christlichen Glaubens 955 erstrittenen Sieg betrachtete, stellte SrENGEL a. a. 0. S. 89f. zusammen.
50 P. E. S., Kaiser, Rom und Renovatio, I-II,
Leipzig-Berlin 1929 (Studien der Bibl. Warburg q, r-2) =Neudruck Darmstadt 1957 (eine ital. Übersetzung in Vorbereitung).
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schließlich zur »Cathedra Petri« aufgestiegene Papst Silvester II. Nicht nur das: Otto verfügte auch noch über weitere Berater von Rang. Kein Wunder, daß die bisher vertretenen Gedanken jetzt schärfere Konturen annahmen. Da der junge Kaiser jedoch für das religiöse Leben seiner Zeit so aufgeschlossen war wie noch keiner seiner Vorfahren, konnte alles, was er unternahm - von ihm aus gesehen - nur zum Nutzen der Kirche gemeint sein. Nirgends ergibt sich, daß der dritte Ottone sich in Gegensatz zu seinen Vorgängern setzen wollte. Sein Hauptgedanke war vielmehr, das Ansehen zu steigern, das sie ihm hinterlassen hatten. Er begnügte sich nicht damit, die Tradition der Karolinger zu pflegen, sondern knüpfte unmittelbar wieder an Karl den Großen an, dessen heimlich gesuchte Gebeine er neu beisetzte. Seine Bulle zierte der junge Kaiser nicht nur mit der Inschrift von Karls Kaiserbulle: Renovatio Imperii Romanorum, sondern er eignete sich auch- so dürfen wir in dieser die Ähnlichkeitsfrage leicht nehmenden Zeit sagen - das Gesicht seines Vorbildes an, indem er auf seiner Bulle ( S. 4 S:) dort, wo laut Umschrift sein Kopf zu sehen sein sollte, den Kopf von Karls Königsbulle anbringen ließ. Über Karl den Großen hatten ja auch Ottos Vorgänger in loser Beziehung zu Konstantirr und damit zu den Kaisern des Altertums gestanden. Dem dritten Ottonen genügte das nicht. Er machte Ernst mit der römischen Renovatio, bezog eine Residenz am Tiber, vergab Titel, die altrömisch klangen oder der byzantinischen Amtshierarchie als Fortsetzerirr der römischen entnommen waren, und saß -was als ungewöhnlich angesehen wurde-, nach Thietmars Worten »allein an einer erhöhten Tafel zu Tisch, der wie ein Halbkreis gemacht war«, also die Form eines antiken Sigma hatte. Am deutlichsten spricht - wie Josef Deer gezeigt hat - eine herrliche AugustusKamee, die ihren Platz auf dem von Otto gestifteten Lothar-Kreuz dort fand, wo üblicherweise das Bild des Stifters angebracht wurde: d. h. der Kaiser eignete sich nicht nur das Gesicht Karls, sondern auch das des Augustus an. Diese Feststellung bestätigt, daß für Otto und seine Zeitgenossen die Antike und die karolingische Tradition nicht im Gegensatz standen, sondern sich aneinanderschlossen51 • Im weltlichen Bereich durfte sich also Otto als den V ollender einer vom Altertum bis zu ihm reichenden, gelegentlich getrübten, aber durch renovationes wiederhergestellten Tradition empfinden. Dagegen mußten sich, wenn das alte Problem der zwei Gewalten, der auctoritas sacrata pontificum und der regalis potestas, genauer als bisher durchdacht wurde, Schwierigkeiten über Schwierigkeiten herausstellen. Otto gab die Imitatio sacerdotii nicht preis, wie der von ihm getragene Himmelsmantel bezeugt. Er wies wie der Großvater die Konstantirrische Fälschung zurück, aber er lehnte 5 I V gl. die Neubearbeitung meiner Edition der Herrscherbilder (in Vorbereitung) und die Nachträge in Bd. V sowie P. E. S.- Floren12
Sduamm, Aufsätze III
tine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser I, München I962 S. I 55 mit Abb. Io6.
B r: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
auch die Bestätigung des karolingischen Paktum ab. Statt dessen suchte er im Verein mit Silvester II. nach einer neuen Rechtsgrundlage für die Beziehung der zwei Gewalten, die die Möglichkeit schuf, die sich immer wieder ergebenden Konflikte zwischen kaiserlichen und päpstlichen Ansprüchen auf italienischem Boden zu beenden. Daß der Papst dem Kaiser auf diesem Wege entgegenkam, zeigt bereits der von ihm gewählte Papstname: Silvester I. war der Zeitgenosse Konstantins gewesen. Mit seinem neuen Namen wies Silvester II. Otto die Rolle des vierten Konstantirr zu. Das erste Stadium der neuen Doktrin hängt mit der Reise des Kaisers nach Gnesen (999/rooo) zusammen, auf der er im Einverständnis mit dem Papst den Ausbau der polnischen Kirche in Kraft setzte und die Beziehung des Herzogs zum Reiche neu regelte. Otto legte sich dafür den von Paulus in seinen Briefen benutzten Titel Servus Jesu Christi bei, sprach sich also die Funktion eines Apostels zu. In der zweiten Phase, die mit der Eingliederung der Ungarn in Kirche und weltliche Ordnung des Westens zusammenhängt, nannte Otto sich dagegen Servus apostolorum- das klingt wie ein Herabsteigen. Aber gemeint war »Diener Petri und Pauli«, also der beiden Hauptheiligen der römischen Kirche. Als solcher sah sich der Kaiser - die V orstellung, daß er der Vogt ( advocatus) der Kirche sei, zuspitzend- betreut mit der ( S. 49 :) Verwaltung von deren weltlichen Angelegenheiten; dem Papst verblieb als dem Vicarus s. Petri die Betreuung des geistlichen Bereiches. Es ist bei einem Anlauf geblieben. Denn Otto III. wurde vor der Zeit vom Tode ereilt, und Silvester II. folgte ihm ein Jahr später ins Grab. Aber beider Bemühung, aus dem Geist der vorscholastischen, durch »Entsprechungen« geleiteten Zeit heraus geboren, geläutert durch das schärfere Denken des ausgehenden ro. Jahrhunderts, bleibt denkwürdig als Versuch, ein Problem zu regeln, dessen Unlösbarkeit sich in der Folgezeit mehr und mehr herausstellte.
e) Heinrich!!. ( roo2-24) Der letzte Kaiser aus dem Sächsischen Hause fühlte sich nicht im Gegensatz zu seinem Vorgänger; er hat es sich vielmehr angelegen sein lassen, für das Andenken seines Vetters zu sorgen. Aber er hat doch die Pflöcke wieder dorthin zurückgesetzt, wo sie in der Zeit Ottos I. und Ottos II. eingepflanzt waren. Heinrich nahm die Bulleninschrift des ersten Ottonen: Renovatio regni Franeorum wieder auf, versuchte nicht mehr unmittelbar in die Angelegenheiten Roms einzugreifen, und setzte an die Spitze einer für den Papst ausgestellten Urkunde jenen Satz des Papstes Gelasius, in dem die Zweigewaltenlehre ihre klassische Formulierung erhalten hatte. Aber auch Heinrich trug einen hohepriesterliehen Sternenmantel, und um seinen Einfluß auf die deutsche Kirche zu sichern, bediente er sich des von Otto III. ver-
Heinrich II. (roo2-24)
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breiteten Mittels, daß er als weltlicher Ehrenkanoniker in die Kapitel bevorzugter Kirchen eintrat52 • Er brach also nicht als Herrscher in den geistlichen Bereich ein, sondern verband - was nicht zu beanstanden war - in einer Art Personalunion sein weltliches mit einem geistlichen Amt und schuf dadurch eine Institution, die noch den Investiturstreit überdauert hat. Aus den staatspolitischen Fakten, die sonst noch zu verzeichnen wären, seien nur zwei herausgegriffen: Auf einem anderen Mantel, den Heinrich getragen hat, waren zweiundsiebzig Mal die Bilder thronender Herrscher wiederholt (gesichert ist jetzt, daß er nicht in Byzanz, sondern in einer deutschen Werkstatt hergerichtet wurde). In den Chroniken wurde Heinrich als der 87. Kaiser nach Augustus gezählt: dargestellt sind also seine Vorgänger von den Tagen der Römer an (wenn die Werkstatt sich mit »72« begnügte, tat sie das im Hinblick auf die Bedeutung, die dieser Zahl die Bibel zugewiesen hatte). Auch Heinrich II. empfand sich also als Fortsetzer der römischen Tradition53 • Ferner ist zu vermerken, daß von der Zeit dieses Kaisers an zu den Herrschaftszeichen des Kaisers auch der seit dem Altertum mit der Kaiseridee verbundene Reichsapfel gehörte, mit dem bereits Karl der Kahle und die Ottonen abgebildet worden waren, den sie aber in Wirklichkeit noch nicht in der Hand gehalten hatten. Seltsamerweise war es nicht der Kaiser, sondern der Papst, der den ersten Reichsapfel anfertigen ließ: Benedikt VIII. bändigte ihn Heinrich bei dessen Kaiserkrönung im Jahre 1014 aus 54 • Man muß wissen, daß er aus dem Geschlecht der Grafen von Tuskulum stammte, das tätigen Anteil an Ottos III. römischer »Renovatio« genommen hatte. Aber es handelte sich nicht einfach um einen Akt des Römischen »Renovatio«. Die Erklärung ist vielmehr in anderer Richtung zu suchen: In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts war es üblich geworden, Christus als den »König der Könige« mit einer solchen Kugel abzubilden. Da laut Krönungsordo der Herrscher ja dessen »Typus trug«, schien es angemessen, ( S. J o:) nun auch ihn mit diesem Herrschaftszeichen auszustatten. Der Reichsapfel gehörte also nicht nur 5z Grundlegend bleibt Aloys ScHULTE, Dtsche Könige, Kaiser, Päpste als Kanoniker an deutschen und römischen Kirchen, im Histor. Jb. 54 (1934) 137-177; vgl. ferner H.-W. KLEWITZ, Königtum, Hofkapelle und Domkapitel im ro. und rr. Jh., im Archiv für Urkundenforschung r6 (1939) ro2-r 56 (Separater Neudruck: Darmstadt r 960); vgl. vor allem J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige, I-II (Stutegart 1959/1966 = Schriften der Mon. Germ. Hist. r6); dazu Bd. I S. 349f. und oben
S. 135 ff. Über Otto Ill. als Vorläufer DERS., Rex canonicus, in der Festschrift P. E. ScHRAMM, I, Wiesbaden 1964 S. 57-7r. 53 Abb. bei P. E. S., Florentine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, I, München 1962 S. r63 f. mit Abb. 132, dazu den Nachtrag in Bd. V. 54 Vgl. P. E. S., Sphaira-Globus-Reichsapf e!, Wanderung und Wandlung eines Herrschaftszeichen von Caesar bis zu Elisabeth Il., Stutegart 1958 S. 6rff.
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B I: Die Sächsischen Kaiser im Lichte der Staatssymbolik
zur imitatio Romanorum, sondern auch in den Bereich jener imitatio Christi, von der früher die Rede war - wenige Jahrzehnte später hätte kein Papst mehr die Hand zu einer solchen Neuerung geboten. Schluß Ich breche ab, obwohl noch manches anzuführen wäre, und stelle nur noch die Frage: Weshalb wurde Deutschland so viel schwerer durch den Investiturstreit erschüttert als Frankreich und England? Sicherlich nicht deshalb, weil hier Simonie, Priesterehe und andere Scandala ärger wucherten als in den Nachbarländern. Eine schwere Belastung für das Verhältnis der römischen Kirche zu den deutschen Herrschern bedeutete es natürlich, daß die weltlichen Rechte in Italien sich überschnittenaber auch dieses Faktum reicht trotz seiner Gewichtigkeit als Antwort auf die gestellte Frage noch nicht aus. Aus unseren Darlegungen ist herausgetreten, wie weit die den »Typus Christi tragenden« Ottonen auf dem Wege der imitatio sacerdotii gegangen waren. Wenn Otto III. den in den Herrschaftszeichen nach Art des Hohenpriesters verdinglichten Anspruch modifiziert hatte zu der Doktrin, daß der Kaiser der »Diener der Apostel« sei, wenn Heinrich II. sich mit der Stellung eines Ehrenkanonikus begnügt hatte, so war immer noch mehr geblieben, als je ein König von Frankreich oder England beanspruchte. Humbert von Silva Candida urteilte rückschauend völlig richtig, wenn er von den Ottonen sagte, sie hätten sich mehr als alle Könige vor ihnen das priesterliche Amt angemaßt55 • Dieses »Mehr« konnte die Kirche nicht mehr hinnehmen, nachdem im Jahre 1046 der Geist der Reform sie ergriffen hatte und nun das kanonische Recht, im Bunde rnit der Scholastik, aus bisher unausgeglichenen »auctoritates« verschiedenster Herkunft ein schlüssiges System mit scharf geschliffenen, sich mit »Entsprechungen« nicht begnügenden Begriffen aufbaute. Jenes »Mehr« mußte bekämpft werden, wenn die deutschen Herrscher es nicht von sich aus fahren ließen. Das aber vermochten sie nicht, da die Salischen Kaiser nicht nur dem Rechte nach, sondern auch ideell die Nachfolge der Sachsen antraten und die Staufer sich wiederum in solcher Weise an die Salier anschlossen. Sie konnten ihre Ansprüche einschränken, konnten sie modifizieren, konnten sie verharmlosen- und sie haben das getan; aber sie konnten nicht freiwillig von der Höhe herabsteigen, auf die Otto I. sie hinaufgeführt hatte56 •
55
HuMBERT, Adversus Simoniacos lib. III cap. Ij (Mon. Germ., Lib. de lite I S. 217 Z. 4f.) nannte die Sächsischen Kaiser:
Ottones, prae omnibus ante se regibus sacerdota!is
officii praesumptores.
56 Zum Vergleichs. A. BECKER, Studien zum Investiturproblem in Frankreich, Saarbrükken 195 5 (Schriften der Univ. des Saarlandes).
Schluß
181
In dem unvermeidbaren , unausweichliche n Kampf aber waren die Kaiser die Unterlegenen, weil die entscheidenden geistigen Kräfte der Zeit, die Reform, die Kanonistik, die Scholastik, nicht ihnen, sondern den Päpsten zugute kamen. Ja, von Gregor VII. an konnten diese es wagen, durch eine imitatio imperii 57 den Kaisern auch im weltlichen Bereich entgegenzutrete n. Fortan waren die Kaiser in der Verteidigung, die Päpste im Angriff. Nach dem Tode Friedrichs II. (1250) durfte sich Rom schließlich als Sieger betrachten - aber es war ein Scheinsieg. Mit der neuen Kraft, die während des Kampfes zwischen den Päpsten und den Kaisern erstarkt war, den (S. JI:) Nationalstaaten, vermochte die Kurie, geschwächt durch die ein Jahrhundert andauernde »Gefangenschaft« in A vignon, nur fertig zu werden auf dem Wege des Kompromisses. Ja- nach der Erhebung Karls des Großen zum Kaiser am Weihnachtstage des Jahres 8oo gibt es kaum ein Ereignis, das für die Geschichte Deutschlands und Italiens, ja Europas, gleich einschneidend und folgenschwer war wie der jetzt tausend Jahre zurückliegende 2. Februar 962, an dem der sächsische Otto als Kaiser gesalbt, investiert, gekrönt und akklamiert wurde. 57 Vgl. in Bd. IV einen Aufsatz zu diesem Thema.
ANHANG I DIE
BEIDEN FÜR DIE KAISERKRÖNUN G DES JAHRES STEHENDEN ÜRDINES.
962
ZUR VERFÜGUNG
Die Texte sind gedruckt von: I. Michel ANDRIEU, Les Ordines Romani du haut moyen age, IV: Les textes (suites) Louvain 1956 (Spicilegium Sacrum Lovaniense, Etudes et Documents, Fase. 28) S. 459-62 (dazu S. 445-56): Ordo XLV (s. auch AnhangS. 463ff.: Le ms. de Florence) = Ordo A; S. 503-5 (dazu S. 495-99); Ordo XLVII= Ordo B nebst Ordo XLVIII, S. 517-19 mit S. 511-14). 2. Reinhard ELZE, Ordines coronationis imperialis (Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin), Hannover 196o (Mon. Germ., Fontes iuris Germanici antiqui IX) S. r-6 (Ordo A und B). 3· Cyrille VOGEL-Reinhard ELZE, Le Pontifical Romano-Germa nique du xe siede. Le Texte I, Citta del Vaticano 1963 (Studie Testi 226) S. 263-4 (LXXV= ELZE: Ordo A), S. 265-7 (LXXVI/LXX VII= ELZE: Ordo B).
Anhang I: Die Kaiserordines
182
Durch diese Editionen sind alle vorausgehenden (aufgezählt bei ELZE S. 1 und 4) überholt. Das gilt auch für meinen Abdruck: Die Ordines der ma.lichen Kaiserkrönung, im Archiv für Urkundenforschung XI, 1930 S. 369-71 (Königsordo benutzt für ELZE: Ordo Ill), S. 371-2 (= ELZE; Ordo I). Auch der dazugehörende Text hat der weiteren Forschung inzwischen Platz gemacht (s. dazu ELZE S. IX); doch ist es bei meiner Feststellung geblieben, daß für den Ordo I als Vorlage der älteste Ordo für die Papstweihe benutzt wurde. Dem Ordo II ist eine Missa pro imperatore angehängt (ANDRIEU XLVIII = ELZE S. 5f. = VoGEL-ELZE S. 266 f.: LXXVII); im Ordo I ist abschließend auf die »Missa« des Königsordo verwiesen. Zu beiden Ordines gehört auch: Benediclio reginae (ELZE S. 6-9: Ordo III =VoGELELZE S. 267-9: LXXVIII; fehlt bei ANDRIEU), die in dem »Pontifikale« dem Ordo für die Königsweihe und den beiden Königsordines folgt (daher bereits oben S. I 02 f. abgedruckt). Die Redaktoren haben sich nicht die Mühe gemacht, einen besonderen Text für die Krönung einer Kaiserin herzustellen. Bei ELZE folgen als Ordo IV usw. Varianten und Abänderungen der Grundordines, die hier unberücksichtigt bleiben können, da sie keine Einschnitte in die Geschichte der Kaiserkrönung kennzeichnen. Auf die umfangreichen Nachweise von Varianten, die den grundlegenden Editionen beigegeben sind, kann hier verzichtet werden, ebenso auf deren Kommentare und Anmerkungen, da es in unserem Zusammenhang - genauso wie bei dem deutschen Königsordo (s. oben S. 87ff.) -nur darauf ankommt, dem Leser ein bequemes Hilfsmittel an die Hand zu geben 2 •
A. Incipit ordo romanus coronam accipit. I.
ad benedicendum imperatorem,
quando
Promissio imperatoris 3 •
In nomine Christi promitto spondeo atque pol!iceor ego N. imperator coram Deo et beato Petro apostolo, me protectorem ac defensorem esse huius sanctae romanae ecclesiae in ottmibus utilitatibus, in quantum divino fultus fuero adiutorio, secundum scire meum ac posse. 2.
I
2
Orationem primam det episcopus de castello Albanensi ante portam argenteam:
Meine durch die zu frühe Datierung der Mailänder Hs. veranlaGte, viel zu frühe Datierung habe ich bereits in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 1935 (Krönung in DeutschlandS. 184f.) widerrufen. R. ELZE empfahl mir, den »Ürdo A« auf den
»Ordo B« folgen zu lassen. Doch möchte ich die Schwierigkeiten, die durch Umbenennungen und verschiedenartige Bezifferungen entstanden sind, nicht noch vermehren. Zu dieser Promissio vgl. Bd. I S. 149-76.
Kaiserordo I
3· Deus in euius manu eorda sunt regum, sicut in sacramenta rio habetur4. 4· Orationem secundam det episcopus Portuensis intra ecclesiam beati Petri apostoli in medio rotae: 5. Deus inenarrabilis auetor mundi, ut supra in ordinatione regis 5 • 6. Deinde vadant ante confession em beati Petri apostoli, et prosternat se pronus in terram, et archidiacon us fadat letaniam. Qua finita episcopus Ostiensis ungat ei de oleo exorcizato brachium dextrum et inter scapulas 6 et dicat orationem istam: 7. Domine Deus omnipotens, euius est omnis potestas et dignitas, te strpplici devotione atque humillima preee deposeimus, ut huieJamulo tuo prosperum imperatoriae dignitatis eoneedas effeetum, ut in tua dispositione eonstituto ad regendam eeclesiam tuam sanetam nihil ei praesentia offteiant,futuraque non obsistant, sed inspirante sancti spiritus tui dono populum sibi subditum aequo iustitiae libramine regere valeat, et in omnibus operibus suis te semper timeat, tibi iugiter plaeere eontendat. Per dominum. in unitate eiusdem.
8. Pontifex vero stet sursum ante altare et imponat ei diadema in capite dicens: 9· Aeeipe signum g!oriae, in nomine Patris et Filii et Spiritus saneti, ut spreto antiquo haste, spretisque eontagiis omnium vitiorum, sie iudicium et iustitiam diligas et miserieorditer vivas, ut ab ipso domino nostro lesu Christo in eonsortio sanetarum aeterni regni eoronam pereipias. Qui eum Patre et Spiritu saneto vivit et regnat Deusper injinita saeeula saeeulorum. Amen.
Io. Item missapro eodem imperatore : Deus regnorum omnium. B.
Item benedicti o ad ordinand um imperato rem secundum Occidentales. I. Exaudi, Domine, preces nostras, et famulum tuum N. ad regendum ill. imperium eonstitue, ut per te regere incipiat, et per te jideliter regnum eustodiat. Per. 2.
Consecrati o:
Prospiee, omnipotens Deus, serenis obtutibus hune gloriosum famulum tuum N., et, sieut benedixisti Abraham lsaae et laeob, sie illi largiaris benedietiones spiritualis gratiae, eumque omni plenitudine tuae potentiae irrigare atque perfundere digneris, ut tribuas ei de rore eaeli et de pinguedine terrae abundantiam frumenti et vini et olei, et omnium frugum opulentiam, ex largitate divini muneris longa per tempora, ut illo regnante sit sanitas eorporis in patria, pax inviolata sit in regno, et dignitas gloriosa regalis palatii maximo splendore regiae potestatis 4 Vgl. H. A. WrLsoN, The Gelasian Sacramentary, Oxford r 894 S. 2 76 f. Getzt ed. K. MaHLBERG S. zr8 Nr. 1506); dazu P. E. S. im Archiv für Urkundenfor schung XI., 1930
s. 350. 5 Vgl. oben S. 97; dazu P. E. S. a. a. 0. S. 351. 6 Zu dieser Stelle s. oben S. 73·
Anhang I: Die Kaiserordines
ocu!is omnium luce clarissima coruscare atque splendescere qua splendidissimi julguris maximo perfusa lumine videatur. Tribue ei, omnipotens Deus, ut sit fortissimus protector patriae et consolator ecclesiarum atque coenobiorum sanctorum, maxima pietate regalis muniftcentiae; atque ut sit fortissimus regum, triumphator hostium, ad opprimendas rebelies et paganas nationes. Sitque suis ittimicis satis terribilis, proxima fortitudine regalis potentiae, optimatibus quoque atque praecelsis proceribus ac ftdelibus sui regni sit muniftcus et amabi!is et pius et ab omnibus timeatur atque diligatur. Reges quoque de lumbis eius per successiones temporum futurarum egrediantur regnum regere ill., et post gloriosa tempora atque felicia praesentis vitae gaudia in perpetua beatitudine habitare mereatur. Per. 3. Et mittat pontifex coronam auream super caput eius his verbis: 4· Accipe coronam a domino Deo tibi praedestinatam; habeas teneas atque possideas, et
ft!iis tuis post te in futurum ad honorem Deo auxiliante derelinquas. 5. Sequitur oratio: Deuspater aeternae gloriae sit adiutor tuus 7 , et omnipotens benedicat tibi; preces tuas in cunctis exaudiat, et vitam tuam longitudine dierum adimpleat; thronum regni tui iugiter firmet, et gentem populumque tuum in aeternum conservet; inimicos tuos conjusione induat, et super te Christi sanctiftcatio jloreat, ut qui tibi tribuit in terris imperium, ipse in caelis conferat praemium. Qui vivit. Missa pro imperatore. 6. Deus regnorum omnium et christiani maxime protector imperii, da servo tuo imperatori nostro triumphum virtutis tuae scienter excolere, ut qui tua constitutione est princeps, tuo semper munere sit potens. Per. 7· Secreta: Suscipe, Domine, preces et hostias ecclesiae tuae pro salute famuli tui N. supplicantis, et in protectione ftde!ium popuforum antiqua brachii tui operare miracula, ut superatis pacis inimicis secura tibi serviat christiana libertas. Per.
8. Benedictio episcopalis: a) Deus qui congregatis in tuo nomine famu!is medium te dixisti assistere, corona valentem imperatorem; da gratiam sacerdotibus, quam Abraham in holocausto, Moyses in exercitu, E!ias in eremo, Samuel meruit crinitus in templo. Concede concordiam, quam inspirasti patriarchis, praedicasti prophetis, tradidisti apostolis, mandasti evangelistis, largitus es marryrum triumphis. Resp. Amen. b) Benedic, Domine, hunc principem nostrum N., quem ad salutem populi nobis cognoscimus fuisse concessum. Fac annis esse multiplicem, salubri corporis robore vigentem, ad senectutem optatam pervenire felicem. Sit nobis ftducia obtinere gratiam pro populo, quam Aaron in 7 In den C-Handschriften: tuus et protector. Zu dieser Formel im 9.-12. Jahrh. vgl. Bd. I
Kaiserordo II
tabernaculo, Eliseus in f!uvio, Ezechias in lecto, Zacharias vetulus impetravit tn templo. Resp. Amen. c) Sit nobis regendi auctoritas, qualem Iosue in castris, Gedeon sumpsit in proeliis, Petrus accepit in clave, Paulus est usus in dogmate. Et ita pastorum cura tuum proftciat ovile, sicut Isaac in fmge, Iacob est dilatatus in grege. Resp. Amen. Quod ipse praestare dignetur. 9· Ad complendum: Deus qui ad praedicandum aeterni regis evangelium romanum imperium praeparasti,praetende Jamulo tuo imperatori nostro arma caelestia, ut pax ecclesiarum nulla turbetur tempestate bellorum. Per.
ANHANG II
Orro I. 96z IN RoM: miro ornatu novoque apparatu susceptusdas erste Wortzeugnis für die »Reichskrone«? Was bedeuten die Wörter ornatus und apparatus in Liudprands »Historia Ottonis«?1 In Band II der »Herrschaftszeichen« (S. 578) bezeichnete ich ornatus und apparatus als zwei Fachausdrücke, »die in dieser Zeit für die geistliche sowie für die weltliche Gewandung und die zu ihr gehörenden Würdezeichen gebraucht wurden«. In einem Anhang (S. 635-7) führte ich aus, der Bischof benutze »hier zwei ihm aus dem geistlichen Bereich vertraute Worte; denn ornatus und apparatus sind im frühen Mittelalter Termini technici für die geistliche Gewandung. Sie wurden aber schon lange vor Liudprand auch für den weltlichen Ornat benutzt«. Für ornatus brachte ich anschließend ein halbes Dutzend, für apparatus ein ganzes Dutzend Belege bei. Dieser Auslegung widersprach Josef DE:ER, Kaiser Otto d. Gr. u. die Reichskrone, in: Beiträge zur Kunstgesch. u. Archäologie des Frühmittelalters, Akten zum VII. Internat. Kongreß für FrühmaL Forschung, Sept. 195 8, hrsg. von H. FrLLITZ, Wien 1962 s. 261-77. Der Verf., der hier abermals seine Belesenheit und Findigkeit bewies, machte darauf aufmerksam, daß meine Deutung - was mir entgangen war - bereits vorgebracht wurde von Fr. SPRATER, »Die Reichskleinodien in der Pfalz« in einem 1942 erschienenen Heft, jedoch ohne genaue Begründung. DEER bietet eine Reihe von Belegen, die nach seiner Auffassung beweisen, daß apparatus die Bedeutung von »Aufwand«, »Prachtentfaltung«, »festliche Schmückung I
Die Stelle lautet: Romam similia Jacturus adivit. (c. 3) Ubi miro ornatu novoque apparatu susceptus ab eodem pontifice et universa!i papa Johanne
unctionem suscepit imperii (Werke, ed. ]. S. r6o; Script. in us. schal.).
BECKER 1915,
r86
Anhang II: Miro ornatu novoque apparatu
der Stadt« gehabt habe. Er übersetzt daher die strittige Stelle zunächst so: »wo er (Otto ), mit wunderbarem ornatus und neuem apparatus ( = Prachtentfaltung) aufgenommen, von demselben. . . Papst Johannes die Salbung zum Kaiser empfing« (S. 264). Und da er apparatus zu: »aufgenommen (durch den Papst)« zieht, gehört nach ihm der novus apparatus »eindeutig« zum apostolicus apparatus, für den er vorher Belege gebracht hat. Zur Erläuterung von ornatus führt der Verf. Belege für ornare - exornare = »die Prozession zieren« an (so bereits im spätantiken Sprachbrauch). Gemäß dieser Tradition bedeute ornatus im Mittelalter »unter anderem, freilich keineswegs ausschließlich, eine bestimmte Art der Schmückung der Straßen einer Stadt bei der Einholung des Herrschers usw.«. Für ornare bietet DEJ~.R viele- in unserem Zusammenhang nichts besagende - Belege, aber für ornatus nur zwei aus dem 12. Jahrhundert stammende. Trotzdem ist es für ihn »kaum fraglich«, daß auch miro ornatu bei Liudprand auf den Empfang durch den Papst zu beziehen ist. Zum Adjektiv mirus sammelte DEJ~.R Belege, die zeigen, daß Liudprand es gern benutzte in der abgeblaßten Bedeutung von »wunderbar«. Er kommt daher anschließend zu dieser Übersetzung der fraglichen Stelle (S. 270): »Wo (in Rom) er, in wunderbarer Pracht und mit neuartigem Aufwand aufgenommen von demselben höchsten Bischof und allgemeinen Papst die Salbung zum Kaiser empfing.« Weiterführen kann hier nur die Wortgeschichte. Ich habe mir in der Zwischenzeit weitere Zeugnisse notiert. In den folgenden Listen vereinige ich sie mit den r 9 55 von mir vorgebrachten und schiebe in die beiden Reihen DEERS Belege ein. Außerdem kann ich hier die von der Redaktion des »Mittellateinischen Wörterbuchs« gesammelten Belege ausnutzen.
A. Ornatus Die Redaktion des »Mittellateinischen Wörterbuchs«, München, teilte mir aus ihrem noch nicht für die Drucklegung verwandten Material einschlägige Belege mit, die die von mir gesammelten abrunden. Dafür schulde ich dem Generalredaktor, Herrn Dr. Otto PRINZ, lebhaften Dank. Verwendungen des Wortes in weiterer Bedeutung können hier beiseitegelassen werden: so z. B. ornatus als Begriff im Bereich der Rhetorik; vgl. auch ornatus et iucunditas als Charaktereigenschaften, würdig auch imperatorie dignitati; vgl. RuOTGER: Vita Brunonis cap. 19, ed. Irene ÜTT, Weimar 1951 S. r8 (Script. in us. schol.) 2 • z ALBERTUS MAGNUS hat in seiner Summa de creaturis I (r245/5o) folgende Begriffsbestimmung geboten: Ornatus autem dicitur ex concursu
optimarum habituum ad proprium actum officii exsequendum (A. BoRGNET, Opera omnia 33, I895 S. 580).
OrnatuJ
Ganz des Inhalts entleert begegnet ornatus in den Adressen der Formulae saec. VIII/IX (Mon. Germ., Formulae. I886 S. Io8, 173): Domino ... procerumque palatii rega!is omatum; an den König necnon et ornatui domue suae, reginae illae. r. Im ALTEN TESTAMENT (das Neue T. benutzt das Wort nicht) wird ornatus verwandt in der Bedeutung »Schmuck« (4. Reg. 2 5, 7 bezogen auf eine der Säulen vor dem Tempel; Esra 3,Io auf die vestimenta der Priester; 2. Macc. 55/6 auf den Tempelschmuck; im BuchEsther passim auf Frauenschmuck). BEDA benutzt das Verbum ornare für den Geistlichen (in omnibus ornatum antistitem) sowie für die Kirche (summum vero culmen auro ornatum); vgl. MIGNE Patr. lat. 95 Sp. I69C und 257B (dazu P. F. JoNES, A Concordance to the Hist. Eccl. of Bede, CambridgejMass. I929). In der Karolingischen Zeit wird ornatus im kirchlichen Bereich gemäß der biblischen Sprachtradition viel verwendet: MoN. GERM., CAPIT. I-II (s. Register): - ecclesiae, - sacerdotalis. MoN. GERM., Concil. I-II (s. Register): - cttltus divini, - ecclesiae, - ministrorum, -
sacerdotalis, - vestium.
Die weiteren Belege teilen wir auf; doch ließe sich mancher auch anders einordnen, da die Bedeutungen sich berühren. 2.
Ornatus
=
Kirchenausstattung
=
Schmuck.
TRANSLATIO s. VITI (Mitte 9· Jahrh.) cap. 7: afferentes reliqttias cttm crucibus et cereis, omnique ornatu ecclesie (F. STENTRUP, Die Transl. ... , Diss. Münster I9o6). Traditiones Frisingenses (887-95): .. . tradidit .. . , hoc est ecclesiam cum omni ornatu suo (T. BITTERAUF: Die Trad. des Hochstifts Freising, I, I9o5).
GERHARDUS AuGUSTANus: Vita s. Udalrici (983/93) cap. 3: de aecclesia, quam undique dilapsam invenit, vel de eius ornatu (Mon. Germ., Script. IV S. 390). THANGMAR: Vita St. Bernardi (Io15j23) cap. 49 betr. Gandersheim (1022): (monasterium) multiplicique ... ornatu perfectum (Mon. Germ., Script. II S. 779).
Ct
I o I 8) über seine Nichte Mathilde: ecclesiam sibi commissam diversis decoransornatibus (VII,3; ed. R. HoLTZMANN, 1935 S. 402; Mon. Germ., Script. N. S. IX). DERS. über den Erzbischof von Kiew, der seine Gäste empfängt cum reliquiis sanetarum et ceteris ornati bus diversis (VIII, 32; S. 530). Thietmar verwendet ornatus also in der Bedeutung von »liturgische Ausstattung«. THIETMAR
VITA MEINWERCI episc. Patherb. (t 1036) cap. 16I (ed. F. TENCKHOFF, 1921 S. 84; Script. in us. schol.): thesaurum ecclesiasticum et ornatum (dreimal); cap. 2II (S. 123): ornatus, quem eodem monasterio tradidit.
LAMBERT voN HERSFELD: vestes pontiftcales et caeterum ecclesiasticum ornatum (ed. 0. HOLDER-EGGER, I894 S. 289 Z. I6; Script. in us. schol.).
I88
Anhang II: Miro ornau novoque apparatu
Chartularium archiep. Magdeb. (u82): predictus ornatus (sei!. duo candelabra argentea, duo calices aurei) restituatur (Urk.buch des Erzstifts Magdeburg, hrsg. von F. IsRAEL u. w. MöLLENBERG, I937 s. 35I). Smo AD GozwrNUM (u95/6): Ornatus ecclesie nostre in libris et scriniis et reliquiis (Helmolds Slavenchronik, hrsg. von B. ScHMEIDLER, I937 S. 239 Z. 27; Script. in us. schol.). CRON. REINHARDSBRUNN. ad a. u98: suppellectilem monasterii scilicet ornatum et burgensium pecunias (Mon. Germ., Script. XXX,I S. 65I). In diesem Bande S. 39I, 6I4, 675 und 2. TeilS. I37o: ornatus ecclesiae. 3· Ornatus
= Teil der Architektur, Kunstwerke:
a. weltlich: P AULUS DrACONUS in Bezug auf die Beute, die Kaiser Konstans aus Rom abtransportieren ließ: abstuferat ornatum in aere et diversis speciebus (V cap. I 3; ed. G. WArTZ, I878=I930 S. I5o; Script. in us. schol.); dazu L. ]. ENGELS, Observations sur le vocabulaire de Paul Diacre, Nijmegen r96I S. 89 (über ornatus- ornatum und das Vordringen von ornamentum). KaiserLudwig II. im Kapitularvon Pavia (85o) gegen den Verfall derpublicae domus, quae in singulis civitatibus ad ornatum rei publicae constructae fuerant (Mon. Germ., Capit. II S. 87). b. kirchlich: WALAFRIDUS STRABO: Visio Wettini (um 826) Vers 530: arcubus effulgens variisque ornatibus aureis (vgl. auch Vers 7I6). (Mon.Germ., Poet. Lat. II S. 32I, 326). PoETA SAXo (um 888) V, Vers 44I über die von Karl d. Gr. aus Rom und Ravenna herbeigeschafften Säulen: de tam Ionginqua potuit regione potestas illius ornatum, Francia, ferre tibi (Mon. Germ., Poet. lat. IV S. 65); s. auch S. 65: V, Vers 428: ornatus operum varios. TRANSLATIO s. MARCI IN AuGIAM (um 93o): dum innumerabilibus decoraret ornatibus ( cellulam), auro et argento lapidibusque pretiosis vestibusque variis (ed. F. J. Mo NE, I 948 ; Auszüge: Mon. Germ., Script. IV, I84I S. 450). URKUNDE ÜTTOS III. (D. 68: a. 99I für das Kloster Vitzenburg) omnes areas, quas abbatissa . .. aliaeque sanctimoniales. . . intra et extra civitatem . .. or n a tu aediftciorum comprehensas haben!. (s. auch D. 0. III. 387 von IOOI: über die Wiederherstellung der durch Feuer cum ornatu et corroborationum paginis abgebrannten Bischofskirche in Paderborn.
Ornatus
4· Ornatus = allgemein: Zubehör des christlichen Gottesdienstes. Liber diurnus (7.j8. Jahrh.): .. .pontificis .. . , in cuius potestate omniumecclesiarum consistant ornatus (Gesamtausgabe der drei HSS. von H. FoERSTER, Bern 195 8).
FoRMULAE MARCULFI (um 7oo): quod ad ornatum divini cultus pertinet. (Mon. Germ., Formulae I S. 40). ÜRDO RoMANUS VI, 5 (2. Hälfte 9· Jahrh.): Die Bischöfe usw. erwarten den Papst cum bis, qui praeparant ornatum ecclesiasticum atque vasa ecclesie (ed. M. Andrieu, Louvain 1948 S. 242). HRABANUS MAuRus: ep. 9 (822/29): ecclesiae mirabilis orn a tus et spiritalium sacrificiorum ritus (Mon. Germ., Epp. V, S. 395). CANDIDUS FuLDENsrs: Vita Eigilis (um 84o) I cap. 15 : Processit pontifex cum omni ornatu ecc!esiae et dedicavit templum (Mon. Germ., Script. XV S. 230). PoETA SAxo (um 888) V, Vers 473f.: Eius et omne ministerium cum vestibus atque Vasis ornatu composuit nimio (Mon. Germ., Poet IV S. 66). HROTSV1TH (Maria, Vers 5oo; Opera, ed. P. v. WrNTERFELD, Berlin 1902-1965 S. 19; Script. in us. schol.) über Kirchenausstattung, hergestellt von Frauen: Traditur ornatum studiose perjiciendum Purpura cum lijsso, linum cum vellere Serum. THIETMAR: Chron. (ror2jr8) VIII cap. 32: Archiepiscopus ( ....... ) cum reliquiis sanctorum et ceteris ornatibus diversis hos advenientes, honoravit (ed. R. HoLTZMANN, 1935 S. 530; Script. rer. Germ., N. S. IX). 5· Ornatus =Gewandung und Gewandzubehör. a. ornatus =Gewandung usw. des Bischofs usw. 9· Jahrhundert: TRANSLATIO s. Vrn (Mitte 9· Jahrh.): abbas ... cum summa veneracione et ornatu atque omni decore ecclesie exiit (F. STENTRUP, Die Transl. s. Viti, Diss. Münster 19o6). HRABANUS MAuRus: Carm. 33 (ad exulem presbiterum) Quis tegumenta parat, ornatum quaerit et aptum, quis clipeum ad pugnam, quis-rogo-tela rapit? (Mon. Germ., Poet. lat. II S. 191).
v. 9f.:
rr. Jahrhundert: EPrsT. MoGUNTINAE Nr. 2 3 ( 1024): apostolicus mihi interdixit o rna tus primos dignitatis meae (ed. P. Jaffe, Bibl. rer. Germ. III, 1886).
Anhang II: Miro ornatu novoque apparatu
Vita Meinwerci episc. Patherbr. Ct ro36) cap. r67: ornatus sacer (dreimal); ed. F. TENCKHOF, 1921 S. 93; Script. in us. schal.); vgl. ebd. S. 84, 123: ornatus ecclesiasticus sowie S. 124 über den ornatus calicis. In Bezug auf Geistliche ist von einem incongruus ornatus in einer der VISIONEN ÜTLOHS (sechziger Jahre des r r. Jahrhunderts) die Rede (Mon. Germ., Script. XI;
s.
379)· In der Dichtung konnte daher das Wort auch auf den Frühling bezogen werden; zum Beispiel im r r. Jahrhundert: Ver purpuratum exiit ornatus suos induit
(Mon. Germ., Carmina Cantabrigiensia, ed. K. STRECKER 1926-195 5 S. 95 Nr. 40 Mon. Germ., Script. in us. schal.). 12. Jahrhundert: Vorbereitung zum Empfang des Papstes INNOCENZ II. in ST. DENIS (I I 31): die Geistlichen seiner Umgebung: more Romano seipsos preparantes, multo et mirabili ornatu circumdantes (Suger, Vita Lud. Grossi regis, ed. H. WAQUET, Paris 1929 S. 262; Les classiques de l'hist. de France au m. a. XI). Papst BuGEN III. in Trier (1 147) am r. Advent zum Dom geleitet cum inconsuetae processionis ornatu atque recordabili sollempnitate (Balderich: Gesta Alberonis cap. 24; Mon. Germ., Script. VIII S. 254). b. ornatus =Gewandung und Schmuck von Laien. 8. Jahr h. (2. Hälfte): HuGEBURC: Vita Willibaldi Eichstetensis episc., cap. 4 (Mon. Germ., Script. XV S. 94). iuvenes et decori et vestium ornatu induti erant bene.
9· Jahrhundert: NoTKER BALBULUS beschreibt (im Anschluß an Einhard): antiquarum ornatus et paratura Franeorum (I cap. 34, ed. H. F. HAEFELE, Berlin 1959 S. 46; Script. rer. Germ., N. S. XII); entsprechend sagt er von den bei Ludwig d. Fr. eingetroffenen, die Taufe empfangenden dänischen Gesandten: habitum Franeorum in vestibus preciosis et armiJ ceterisque ornatibus acceperunt (II Cap. r9; ebd. S. 9o). 13. Jahrhundert: ADELHEID, Gattin des Anno von Heimburg, vermachte dem Halberstädter Predigerkloster ornatum suum, quem habuit in auro (Urkundenbuch der Stadt Halberstadt, hrsg. von Gustav ScHMIDT, Halle r878 S. 62: a. I247). c. ornatus =Gewandung, Herrschaftszeichen, Schmuck des Königs.
Ornatus
6. Jahrhundert (ornatus =Krone): Vita des Bischofs CAESARIUS VON ARLES (t 542), bald nach dem Tode verfaßt: (Der Bischof geht in den Palast und begrüßt den König Theuderich; dieser erhebt sich und begrüßt Caesarius) deposito ornatu de capite (Mon. Germ., Script. rer. Merov. III, I896 s. 47I). 8. Jahrhundert: P AULUS DrACONUS über die Öffnung des Grabes König Albains durch den Herzog Giselpert (78o): spatham eius et si quid in ornatu ipsius inventum juerat, abstulit (II cap. 28; ed. G. WAITZ I 878 S. 106, in Mon. Germ., Script. Lang.). 9· Jahrhundert: Im »Testament« KARLS DES GROSSEN (Einhard cap. 33, ed. G. WAITZ, Neudruck I947 S. 38; Script. rer. Germ.) wird u. a. verfügt über suppellectilem suam, quaein auro et argento gemmisque et ornatu regio ... in camera eius poterat inveniri. KARL DEM KAHLEN brachten 84I Gesandte aus Aquitanien in Troyes coronam et omnem ornatum tam regium quam et quicquid ad cultum divinum perfinebat (Nithard II cap. 8; ed. E. MüLLER I907=I956 S. 2I; Scriptin us. schal.). Zu beachten ist hier die Gleichstellung des königlichen und des kirchlichen ornatus. Die beiden Bedeutungen fließen bei den beiden folgenden Belegen ineinander: Auf dem vom Kaiser Arnulf dem Kloster St. Emmeramin Regensburg gestifteten Tragaltar besagt die Inschrift, daß er das getan habe, ut ftat ornatus sanctis (par)tibus istis, quem Christus cum discipulis componat ubique (A. BoECKLER, Das Erhardbild im Utacodex, in den Studies in Art and Literature for Belle da Costa Greene, Princeton 1954, S. 226 und Mon. Germ., Poet. lat. IV S. I054). -Dieses Faktum erwähnt I o 36/37 der Prior dieses Klosters Arnold: er sagt, der Kaiser habe gestiftet totum palatii ornatum, darunter den Tragaltar und den (jetzt in München verwahrten) Codex aureus (De s. Emmerammo I cap. 5; Mon. Germ., Script. IV S. 55 Ia). Diese Zitate angeführt auch bei P. E. S.-Florentine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Kge. u. Kaiser, München I 962 S. 13 8 f. Io. Jahrhundert: Nach Liudprand, Antap. III cap. 35 (Opera ed. ]. BECKER, I9I 5 S. 9of.; Script. in us. schal.) will der Kaiser Romanos I. Lekapenos ausgestattet werden: imperialis ornatus inditio. HROTSVITH (Gesta Ottonis), Vers I48of. (Opera, ed. P. v. WrNTERFELD, Berlin I902-1965, Script. in us. schal.) über den »Ornat« Orros I. im Jahre 962: Ornatus sed maioris suscepit honoris
Anhang II: Miro ornatu novoque apparatu
Augusto summo pariter mox conbenedicta; entsprechend bereits III, Vers 49 (S. zr8; dazu EinleitungS. X Anm. 30) über den »Ornat« der Königin ADELHErD: Ornatus nec particulam miserat ullam (über ornatus = Kirchenausschmückung bei Hrotsvith s. oben. Ahnlieh auch: Agnes Vers 94, S. 95 über die Ausstattung einer königlichen Frau: praetens ornatus varii claros mihi cultt1s) .
rr. Jahrhundert: GREGOR VII. entzieht Heinrich IV. das Recht auf den Ornat: Apostolicus ... praecepit ei, ut regalem o r n a tu m, donec permitteret, sibi non imponeret (Bruno Magdeburgensis: De bello Saxonico cap. 90; ed. W. WATTENBACH I 88o S. 66; Script. in us. schal.; s. auch: ed. H. E. LOHMANN, in Mon. Germ., Deutsches Ma. II, 1937). 12. Jahrhundert: CosMAS PRAGENSIS: Chron. Boemorum (um rno/25) I cap. 37 (ed. B. BRETHOLZ, Berlin 1923 S. 66; Script., N. S. II) über Heinrich II. als Begründer Bambergs und den Erbauer des Doms: adauxit dotalibus ecclesie et ornatibt1s auri et argenti et ceteris regalibus apparatibus (von unbeschreibbarer Pracht). In diesem Zeugnis sind- genau wie bei Liudprand- die beiden in Frage stehenden Ausdrücke gekoppelt; außerdem wissen wir ja, daß Heinrich und seine Gemahlin außer liturgischen Gaben der Baroberger K:irche Herrschaftszeichen und Gewänder hinterließen. Zum Einzug HEINRICHS VI. in Palermo (1194) vermerkt OrTo VON Sr. BLASIEN: Ipse autem cum principibus gloria et ornatu subsemtus, civitatem ingreditt~r (cap. 4o; ed. A. HoFMEISTER 1912 S. 63; Script. in us. schal.). 13. Jahrhundert: GERVASIUS VON TILBURY: Otia imperialia I cap. ro (Mon. Germ., Script. 27 S. 367): De origine mundi et ornatu (bezogen auf den Reichsapfel). Den Abschnitt über die Brautausstattung der englischen Gemahlin Kaiser Friedrichs II. überschrieb RoGER VON WENDOWER: De ornatu mtpciali imperatricis et nobili apparatu (Mon. Germ., Script. XXVIII S. 71). Die »Annales Erfordenses« (ebd. XVI S. 38) berichten, daß 12 52 bei der Hochzeit des Gegenkönigs WrLHELM (voN HoLLAND) in der Burg Dankwarderode ein Brand ausgebrochen sei: multo ibidem apparatu regio vel ornatu exusto (s. auch: ed. HoLDEREGGER 1899 S. no; Script. in us. schal.). In den beiden zuletzt beigebrachten Zitaten finden wir die beiden von Liudprand benutzten Wörter genau wie bei ihm und bei Cosmas (s. oben) zusammen angeführt:3. 3 Vermerkt sei, daß die -
I
9 I 8 abgeschaffte -
Amtstracht der Harnburgischen Senatoren
Ornatu.r
193
Das verwandte (der Bibelsprache vertraute) Wort: ornamentumhat-soviel ich sehe - gleichfalls die Bedeutung von: königliche bzw. geistliche Bekleidungt. WmuKIND I c. 29 über Heinrich I.: Huic Oda et diadema et sceptrum et cetera regalia ornamenta obtulit (ed. P. HrRSCH-H. E. LoHMANN, 1935 S. 42; Script. in us. schol.). LIUDPRAND: Antap. II cap. 20: Konrad zu den Seinen vor seinem Tod: »Heredem . .. regalibus bis ornamentis Heinricum constituo« (ed. J. BECKER, 1915 S. 46; Script. in us. schol.). ÜTTO III. schenkte dem Grafen Eckhard, dem Stifter der Abtei Helmarshausen, regalia quaedam ornamenta, die das Kloster noch im 12. Jahrhundert besaß. Vgl. die I 107/12 verfaßte »Translatio Modoaldi«, in der dieser Eckhard mit dem Markgrafen dieses Namens verwechselt wird (Mon. Germ., Script. XII S. 290 Z. 42); dazu W. HEINEMEYER, Abtei H., im Archiv für Diplomatik IXJX, 1963/4 S. 3 52, dessen Angabe, daß es sich um Paramente gehandelt habe, so zu verstehen ist: der Kaiser gab weltliche Gewänder, die - wie auch sonst nachweisbar- als geistliche weiterbenutzt wurden. Vgl. die Bestätigung der Klosterstiftung am 8. 10. 997 in D. 0. III. 256; dazu Regesten Ottos III., neubearb. von Mathilde UHLIRZ, GrazKöln 1956 Nr. 1238 und Dies., Jahrbücher Ottos III., Berlin 1954 S. 242 Anm. 57· Die MAGDEBURGER ANNALEN sprechen bei dem V erzieht des Polenherzogs auf die Königswürde von regale ornamentum (Mon. Germ., Script. XVI S. 170). LAMBERT VON HERSFELD
S.
unten zu apparatus.
B. Apparatus Ich brauche die von J. DEER und mir zusammengebrachten Belege - es sind zwei Dutzend- hier nicht im einzelnen auszubreiten; denn der dieses Wort behandelnde ganz allgemein mit »Ornat« bezeichnet wurde. Das Wort hat sich also in seiner alten Bedeutung bis in das 20. Jahrhundert behauptet. 4 Für sich steht der auf Judith IO, 3f. (omnia ornamenta sua) fußende Bezug auf die weibliche Kleidung, ausgesponnen von ALDHELM (Mon. Germ., Auct. ant. XV S. 3I 7), der den ornatus (sie!) feminarum dem o. meretricio gegenüberstellt. V gl. auch Cosmas Pra gensis: Chron. Boem., ed. B. BRETHOLZ, Berlin I923 S. I 89 (Script. in us. schal.) S. I 87: ornamenta muliebria. 13 Schramm, Aufsätze III
Wie ornatu.r wurde ornamentum auch für den seelischen Bereich benutzt; vgl. Carmina Cantabrigiensia, ed. K. STRECKER I926 = 195 5 (Mon. Germ., Script. in us. schal.) S. 23: ornamenta virtutum und S. 69: ( cor) ornamentis cunctis ornatum.
In diesem Zusammenhang kann auch die Totenklage auf einen Wilhelm (wohl W. I., Herzog von Aquitanien, t 9I8) angeführt werden: 0 Vvi!lelme, decus pulchrum aspectu ornabile (ebd. S. I02: Nr. 43).
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Anhang II: Miro ornatu novoque apparatu
Artikel ist bereits erschienen: Mittellateinisches Wörterbuch bis zum ausgehenden I3· Jahrh. I: A-B, München I967 Sp. 77I-3. Es sondert folgende Verwendungen: I. De rebus praeparatis: A. speziell: I. Gerät(schaft), Ausstattung, Zubehör (a. generell, b. speziell: militärisch, kirchlich, Herrschaftszeichen s. unten); 2. Essen, Mahl (a, b); 3· Besitz; 4· Kommentar, Erklärung. B. allgemein: Prunk, Aufwand, glänzende Ausstattung. II. A: Zurüstung, Anstrengung; B. Haltung; C. Neigung (mediz.); D. Unterkunft; hier nachzutragen: Karl d. Gr., in Not bei Befahren des Rheines: quod a commoditate itineris et ap p a r a tu regiae mansionis sit longissime disparatus (Wandalbert von Prüm z. Z. Ludwigs d. Fr. in seiner »Vita S. Goaris« cap. I I ; Mon. Germ., Script. XV s. 367)· Die Belege für meine Auslegung des Wortes apparatus stehen im Abschnitt I A, die Belege, auf die sich ]. DEER berufen kann, in I B. 5). I.
Apparatus
= Herrschaftsze ichen
9· Jahrhundert: (Hincmar:) Ann. Bertiniani ad a. 879: LuuwrG DER STAMMLER schickt sterbend dem Sohne coronam et spatam ac reliquum regium apparatum (ed. G. WArTZ I88 3 S. I 3 5; Script. in us. schol.). REGINO: Chron. ad a. 86o (ed. F. KuRZE, I 89o; Script. in us. schol.): Carolus (Calvus) .. . aufugit, dere!icto papilione, tentoriis et omni regio apparatu. IO.
Jahrhundert:
LruDPRAND: Antap. II cap. 62 (Opera ed. J. BECKER, I 915 S. 6 5; Script. in us.schol.): ba!teum armillasque aureas omnemque preciosum ap p a r a tu m. II.
Jahrhundert:
THIETMAR: (über Otto III.) Chron. IV cap. 50 (ed. R. HoLTZMANN, 193 5-195 5 S. I 88; Mon. Germ., Script. N. S. IX): corpus imperatoris cum ap paratu imperiali, lancea dumtaxat excepta (vgl. das Register S. 586 über apparatus episcopalis bzw. sacerdotalis und VI cap. 41, S. 324: der für die Reform eintretende Bischof GEBHARD I. VON STRASSBURG habe niemand seines Gleichen gehabt moribus et raris ap paratibus).
Für sich steht folgender Beleg: LUDWIG DER DEUTSCHE wird bei seinem Tode (876) gerühmt von REGINO VON PRüM
(t 91 5): armorttm qttam conviviorum ap parat i btts stttdiosior (ed. Fr. KuRZE, r89o S. rro; Script. in us. schol.).
Apparatus
2. Apparatus = ornatus In einer Reihe von Belegen hätten die Autoren statt des untersuchten Wortes auch das vorher geprüfte einsetzen können, und zwar in dessen - noch konkret gefaßten Bedeutung: S eh muck, festlicher Zubehiir. ÜRDO RoMANUS XXXVI (früher: IX) (Ende 9· Jahrh.) über die Prozession des Papstes: pergit unacum populo, praecedente solito apparatu, id est cruces, turribula vel tale, usque ad s. Mariam ad presepem (M. ANDRIEU, Les Ordines Romani IV, Louvain I956 S. I96: cap. 5; ähnlich cap. 5I, S. 204); dazu DEER a. a. 0. S. 266, wonach hier apparatus keineswegs nur die aufgezählten Geräte, sondern auch das Personal, von dem diese in der Prozession getragen werden, ja den päpstlichen Hofstaat in der Prozession als ganzen bedeutet- eine solche Ausweitung ist im Hinblick auf die ganz konkrete Aussage: id est nicht zulässig: apparatus ist hier synonym mit ornatus (s. oben) verwandt. In der gleichen Bedeutung, in der uns das Wort ornatus begegnet ist, erscheint apparatus ferner in folgenden Zeugnissen: ÜTTO I. nach seiner Krönung (936) accedens ad mensam marmoream regio apparatu ornatam, um an ihm das Krönungsmahl einzunehmen (Widukind II cap. 2, ed. P. HIRSCH- H. E. LoHMANN I93 5, S. 66f.; Script. in us. schol.). Ahnlieh zur gleichen Situation WIPO (über Konrad II.): Inde ad mensam regali apparatu receptus (Gesta Chuonradi cap. III; Opera, ed. H. BRESSLAU, 3· Aufl. I9I 5 S. 24; Script. in us. schol.). Als ÜTTO II. 978 in Aachen vom König von Frankreich überfallen wird, flieht er relicto palatio atque regio apparatu (Richer III cap. 7I; ed. G. WArTZ 2. Aufl. I877 S. I I I; Script. in us. schol. ). Gleiches gilt für den sogenannten MARTINUS GALLUS: Chron. Polonorum (XII./ XIII. Jahrh.) I cap. 5 (Mon. Germ., Script. IX S. 428): illa domina (Gattin des Herzogs Mieszko) cum magno secularis et ecclesiasticae religionis ap p ar a tu Poloniam introivit; vgl. ebd. II cap. I8 (S. 452, Schwertgürtung des Boleslaw, I099) apparatum ... magniftcum in civitate Plocensipraeparavit (rex).
Der Leichnam der Io63 gestorbenen Königin Richeza, Witwe des Königs Mieszko II. von Polen, wurde congruo apparatu nach Brauweiler überführt (Brunswic. monast. fund. actus; Mon. Germ., Script. XIV S. I4o). Im Ir. Jahrhundert vermerkt LAMBERT voN HERSFELD (der an anderer Stelle die Wendung: cultus regius bzw. regii cultus ornamenta verwendet) zu Io66, Heinrich IV. habe sich regio apparatu vermählt, und zu ro76, dieser solle nunmehr nullam regii apparatus pompam, nulla regiae dignitatis insignia führen (ed. 0. HoLDER-EGGER, I894 S. Io3, 282; Script. in us. schol.). Entsprechend heißt es in dem unter GREGOR VII. aufgesetzten DICTATUS VON AvRANCHES auf Grund der Konstantinischen Schenkung: Soli papae licet ... regnum portare cum reliquo paratu imperiali (Neues Archiv XVI, 1891, S. zoo).
Anhang II: Miro ornatu novoque apparatu
12. Jahrhundert: a. apparattts = Königsausstattung RYCCARDUS DES. GERMANO: Chron. ad a. 1194 (Mon. Germ., Script. XIX S. 328): ( Henrims VI.) cttnctum palatii diripuit apparatum.
b. apparatus = glänzende Ausstattung Bericht RArNALDS VON DASSEL an den Kaiser Friedrich I. über seinen Empfang in Ravenna ( r r 58): (er wird eingeholt vom Erzbischof mit 14 Bischöfen) cum tanto honore et reverentia nos suscepit, quod apparatus eiusdem susceptionis vestre persone sufftcire videretur (H. SunENDORF, Registrum II, Berlin 1857 S. 131, Nr. 54). MATHILDE voN ENGLAND, Braut Heinrichs des Löwen, kam II68 nach Braunschweig cum magno apparatttr et divitiis (Ann. Egmundani; Mon. Germ., Script. XVI S. 466), bzw. cum inftnita pecunia et apparatu maximo (Robert de Monte; ebd. VI S. 546). Helmold: Chron. Slav. (ebd. XXI S. 95 = Script.in us. schal. 1937 S. 209) vermerkt nur: cum argento et auro et divitiis magnis. 3· apparatus = Kriegsausrüstung Da mihi apparatum armorum tuorum; Paulus Diac. V Cap. 40 (Mon. Germ., Script. Langob. S. r6o = Script. in us. schol, r878 S. 205). Zwei reichere Ministeriale wollen ro63 dem Bischof von Bamberg privato apparatu Folge leisten; vgl. C. ERDMANN, Die Briefe MEINHARDS VON BAMBERG, im Neuen Archiv 49, 1932 S. 408: Nr. r8 und DERS., Briefsammlungen der Zeit Heinrichs IV., Weimar 1950 (Briefe der deutschen Kaiserzeit) S. 212. Zu Kämpfen im Jahre ro8o bemerken in der Mitte des 12. Jahrh.s die Annales Pegavienses (Mon. Germ., Script. XVI S. 237): cum sexaginta suorum militum et eorum apparatu bellico. FRIEDRICH I. empfängt die Nachricht, daß die Mailänder gegen Lodi ziehen: cum magno ap paratu magnisque tam militum quam peditum turmis (Burchard von Ursperg, ed. 0. HOLDER-EGGER u. B. v. SrMSON, 2. Aufl. 1916 S. 33; Script. in us. schol.). Nach den Annalen von St. Rudpert in Salzburg fielen dem Kaiser Heinrich VI. in die Hände: der Palast in Palermo, die Schätze der alten Könige und terrestris et navalis apparatus. 4· An diese Verwendung des Wortes schließt sich eine weitere an, deren Bedeutungsinhalt weniger konkret ist: Apparatus =Prunk, Aufwand, glänzende Ausstattungs. Ich führe dafür folgende Belege an:
6 Im Französischen hat apparat die Bedeutung behalten vom »Pomp, Prunk, Gala, große
Vorbereitung, Zurüstung«.
Apparatus
9· Jahrhundert: LuDWIG DER FROMME nach der »Vita Hludowici imp.« (Mon. Germ., Script. II S. 6I 3 Z. 3I f.): cum so!lempni apparatu et !audibus fymnidicis portam civitatis ingressus. KARL DER KAHLE in Compiegne (877) läßt dort die von ihm erbaute Kirche cum mu!to apparatu in sua et nunciorum aposto!icae sedis praesentia weihen (Ann. Bertiniani auct. Hincmaro ad a. 877; ed. G. WAITZ I883 S. I35; Script. in us. schol.). KöNIG Bosos Heirat mit Irmgard, Tochter des Kaisers Ludwig II.: tanto apparatu tantaque !udorum magnificentia ce!ebratus est, ut huius ce!ebritatis gaudia modum excessisse jerantur (Regino ad a. 877; a. a. 0. S. II3)· IO. Jahrhundert: Das Chron. Salernitanum (Io. Jahrh.) c. I2 (Mon. Germ., Script. III S. 479 = ed. U. WESTERBERGH, Stockholm I95 6 S. r8; Studia lat. Stockholmensia III) über den Empfang des Gesandten Karls d. Gr. in Salerno (787): ipse ... Ariehis cum magno apparatu eum suscipiens. Ir. Jahrhundert: Dem König Konrad II. kommt auf seinem ersten Romzug (Io26l27) der Papst entgegen: mm summo apparatu (Rodulfus Glaber IV int.; Mon. Germ., Script. VII S. 66; diese Nachricht an sich falsch). I 2. Jahrhundert: Heinrichs V. Einzug in das verlassene Rom (III7): magnus apparatus parvag!oria ... Fit ei processio empta potius quam indicta (Vita Paschalls II., im Lib. pontif. II S. 303). Einzug des PAPSTES CALIXT II. in Rom (I I 20) nach dem überschwenglich en Augenzeugenbericht in der »Narratio« des Abtes EGINO: .. .]am enim quis i!!ius terrae concursus II Quantus omnis sexus et aetatis apparatus ... (Migne, Patr. lat. 170 Sp. 86o). Den inedicibilem apparatum des Mainzer Hoftages (II84) erwähnt ARNOLD voN LüBECK (Cron. Slav. III cap. 9; Mon. Germ., Script. XXI S. 152). Daß der Ausdruck aber auch jetzt noch auf die geistliche Ausstattung bezogen werden konnte, zeigt die KöLNER KöNIGSCHRONIK: als PHILIPP zur Krönung nach Aachen kommt, eilt ihm der Erzbischof von Köln maximo apparatu et obsequio entgegen (Chron. reg. Colon., ed. G. WAITZ, I88o, S. 2I9; Script. in us. schol.).
c. Schlußfolger ung I. Zunächst ist festzustellen, daß Liudprand von Cremona das Wort: apparatus noch an drei anderen Stellen verwendet:
Anhang II: Miro ornatu novoque apparatu
a. Empfang des KAISERS LuDWIG III. in Lucca (9o6): ubi decenter miroque apparatu ab Adalberto suscipitur (Antap. II, 38; a. a. 0. S. 54).
b. Der Markgraf Adalbert, aufgeschreckt durch die Ungarn: balteum, armillas aureas omnemque preciosum apparatum proiecit (Antap. II, 62; a. a. 0. S. 65). c. König Hugo gibt den Befehl zur Verfolgung des Markgrafen Boso: >> .. .falerarum eius omnem apparatum ... evertite« (ebd. IV, 12; a. a. 0. S. no). Die erste Stelle übersetzt DEER a. a. 0. S. 265 mit: ))neuartiger« oder ))erstaunlicher Aufwand«, die beiden anderen mit: ))Schmuck, Gerät, Ausstattung«. Das ist eine gezwungene Auslegung: an allen drei Stellen hätte Liudprand auch das ihm gleichfalls vertraute Wort: ornatus (s. Abschnitt A) benutzen können. Daß - was in unserem Zusammenhang nichts besagt - das Partizip: ornatus, ornati bei Liudprand auch die Bedeutung hat von: ))angetan - bekleidet - geschmückt - gerüstet - prächtig«, belegt DEER a. a. 0. S. 264f. Anm. 26 mit einschlägigen Zitaten; dort auch Belege aus Liudprands Werken zu: ornamentum = Herrscherornat. Das Wort ornatus, das Liudprand gleichfalls noch an anderer Stelle benutzt (s. oben A), hat an dieser eindeutig die Bedeutung >>Herrschaftszeichen«. An der entscheidenden Stelle verwendet der Bischof beide Wörter nebeneinander. Für diese Doppelung konnten wir noch ein Zeugnis aus dem Anfang des 12. Jahrhunderts (Cosmas Pragensis) und zwei aus dem 13. Jahrhundert beibringen: in diesen drei Fällen ist eindeutig, daß damit Herrschaftszeichen und Königsschmuck bezeichnet werden sollten (s. oben S. 192). Gewichtig ist die Tatsache, daß HROTSVITH das Wort ornatus in der Bedeutung ))Herrscherschmuck« sowohl für die Königin Adelheid als auch für Otto I. selbst verwendet - bei ihm sogar im Zusammenhang mit der Erwerbung der Kaiserwürde. 2. Der Ausdruck apparatus hat zwar eine Ausweitung seiner Bedeutung erfahren, so daß in manchen Fällen sein konkreter Sinn nicht eindeutig ist. Der Ausdruck ornatus, der gleichfalls mannigfach abgewandelt benutzt wird, bleibt dagegen ein ))terminus technicus« des kirchlichen Lebens, der da, wo er auch für weltliche Personen benutzt wird, den konkreten Sinn: Gewand und Zubehör behält (also im Falle des Königs: Gewandung, Herrschaftszeichen). 3· Ich halte daher an meiner These fest: Liudprand hatte bei der angeführten Stelle im Sinne: ))Ottos Herrschaftszeichen, Gewänder und alles, was damit zusammenhing, was - um den von uns herausgestellten Begriff zu benutzen- >staatssymbolische< Bedeutung besaß. Als er dafür die Wörter ornatus und apparatus benutzte, konnte er sich für seine Zeit gar nicht treffender und prägnanter ausdrücken.«
Schlußfolgerung
4· Zu dem Ergebnis, daß die Mitra unter der Krone, der Weltenmantel und die Glöckchen am Königsornat auf Otto I. zurückgehen, bin ich auf anderem Wege gelangt. Selbst, wenn J. DEER mit seiner Auslegung Liudprands Recht gehabt haben sollte, wäre dadurch also jene Feststellung nicht erschüttert. Doch ist es natürlich sehr zu begrüßen, daß auch ein Wortzeugnis für die Tatsache vorliegt, daß Otto I. bei seiner Kaiserkrönung in Rom (962) vom Papst Johann XII. empfangen und gesalbt wurde, geschmückt miro ornatu novoque apparatu, d. h. »mit einem staunenerregenden, neuen Herrscherornat« (das ist die Übersetzung, die sich aus den beigebrachten Belegen ergibt).
2. Kaiser, Basileus und Papst in der Zeit der Ottonen* »Unser, unser ist das Römische Reich.« Gerbert an Otto III. Vorbemerkung: Für die Anbahnung der Beziehungen zwischen den beiden Kaiserreichen haben wir in Liudprands lebendigem Gesandtschaftsbericht von 968 (Opera, ed. J. BECKER, 3· Auf!. 1915; Script. in us. schal., S. 175 ff.) ein Zeugnis ersten Ranges. Die Beziehungen zwischen Osten und Westen während des I I. Jahrhunderts erhalten durch den von Cornelius WrLL gesammelten Briefwechsel der Päpste mit den Byzantinern ihre Beleuchtung. Belege der verschiedensten Art ergänzen das Bild, das jedoch bei der Dürftigkeit der sonstigen Zeugnisse, besonders der byzantinischen, lückenhaft bleiben muß. Für das ro. Jahrhundert haben wir eine Zusammenfassung alles Vorhandenen bei B. A. MYSTAKIDES, Byzant.-deutsche Beziehungen zur Zeit der Ottonen, Stuttgart r89r (dazu die Rezension von F. HIRSCH in: Byzant. Zeitschr. I, 1892, S. 153/55), für das I I. Jahrhundert bei Alois JoERGER, Byzant.-deutsche Beziehungen vom Ausgang der Ottonen bis zum Beginn der Kreuzzüge (ungedruckte Diss. Beideiberg 1922). Diese Werke und Platzmangel entheben den Verfasser der Verpflicbtung, allgemeinere Werke zu zitieren. In die um die Jahrtausendwende besonders fühlbare Lücke in den Quellen treten »Zwölf Briefe des byzant. Gesandten Leon von seiner Reise zu Otto III. aus den Jahren 997/98« (vgl. den folgenden Abschnitt).
Der Verf. zitiert die Briefe hier nach der von ihm eingeführten (chronologischen) Numerierung. Zur leichteren Lesbarkeit des Textes führt er die einzelnen Stellen deutsch an, wobei (neben der dunklen Ausdrucksweise) -wie auch bei den Briefen Gerberts -der nicht genau wiederzugebende Stil zwingt, öfters nach dem Sinn zu übersetzen; dabei ist versucht worden, die Briefstellen möglichst selbst anzuführen, um auf ihren Wert aufmerksam zu machen und ein Urteil über ihre Auslegung zu ermöglichen. Deutlich wird der Zusammenhang der deutschen, italienischen und byzantinischen Entwicklungen, durch den Leons Briefe erst chronologisch eingeordnet werden können, nur durch die Feststellung der Reihenfolge, in der die Ereignisse in dem hier vor allem wichtigen Jahre 997 sich abgespielt haben; diese hat der Verfasser festzulegen versucht in: »Die Briefe Kaiser Ottos III. und Gerbetts von Reims aus dem Jahre 997« (Archiv für Urkundenforschung IX, 1924 S. 87-!22; in diese Sammlung nicht aufgenommen, da durch die neue Edition der Gerbert-Briefe und die Werke von Frau M. UHLIRZ, s. unten, überholt). Der Verf. benutzt die Ergebnisse dieses Aufsatzes, ohne im speziellen besonders kenntlich zu machen, wo er sich von den bisherigen Annahmen unterscheidet. Leons Briefe sind geeignet, mit der bisherigen Auffassung, daß Otto III. sich der byzantinischen Einwirkung hingegeben und deshalb im Abendland phantastisch wirkende Neuerungen eingeführt habe, aufzuräumen. Im Zusammenhang mit den abendländischen Zeugnissen beweisen sie vielmehr, daß gerade aus der im Jahre 997 wieder sichtbar gewordenen Rivalität der beiden »Kaiser der Römer«
*
Zuerst in der Historischen Zeitschrift 129, 1924 S. 424-75 (hier berichtigt und ergänzt).
Die vorliegende Literatur
20I
die Hinwendung Ottos zur Aurea Roma, der wahren Kaiserstadt, zu verstehen ist. Die Auffassung hat der Verf. ausgeführt in seinem Buch: Kaiser, Rom u. Renovatio, I-II, Lpz. 1929 (Neudruck von Bd. I: Darmstadt 1957). Dort behandelte er die Hauptbelege für die Byzantinisierung des Hofes: die Graphia aureae urbi.s Romae (verfaßt um ro3o; vgl. jetzt neuen Abdruck unten S. 319ff.), die beiden Listen der römischen Pfalzrichter (a) aus der zweiten Hälfte des 9· Jahrhunderts, b) aus der ersten Hälfte des rr. Jahrhunderts (vgl. Bd. I S. r3off.), die viel besprochene Schenkung Ottos (D. 0. III. 389), sowie die von ihm neu geschaffenen Ämter (vgl. jetzt unten S. z8zff.). Bei der Darstellung der Zeit Ottos I. und Ottos II. beschränkt sich dieser Aufsatz vor allem auf die Tatsachen, die anders beurteilt werden. Durch die »Geschichte Italiens im Mittelalter« von L. M. HARTMA-"'N erübrigt es sich, auf die italienischen Verhältnisse näher einzugehen. Zu den römischen Ereignissen vgl. G. B. BoRrNo über G. Rossr, I Crescenzi in: Arch. d. R. Soc. Romana 38 (Roma 1915) S. 389ff. und Fedor ScHNEIDER, Papst Johannes XV. und Ottos III. Romfahrt in: Mitt. d. Inst. f. öst. Geschichtsf. 39 (1923) S. 193 ff.; für die Bedeutung von Byzanz C. NEUMANN, Die Weltstellung des byz. Reiches vor den Kreuzzügen (Leipzig r894, Hab.-Schr.)- Warmen Dank schuldet der Verfasser Herrn Prof. Richard SALOMON (Zusatz: nach 1933 zur Emigration gezwungen, t 1966 in den USA). Seit dem Erscheinen dieses Aufsatzes ist das Thema viel behandelt oder doch berührt worden (vgl. die Hinweise im voraufgehenden Abschnitt). Ich gehe- soweit möglich- auf die Literatur ein. Aus ihr seien wegen der Beziehungen zu Byzanz herausgehoben: r. Fr. DöLGER, Byzanz und die europäische Staatenweit, Ettal 195 3, und DERS., IIAPAJ:IIOPA, ebd. 196r. Aus dieser Aufsatzsammlung seien hier vermerkt: Byzanz und das Abendland vor den Kreuzzügen (Rom 195 5) S. 73-106 und: Die Ottonenkaiser u. Byzanz (Aachen 1957) S. 140-p. 2. W. OHNSORGE, Abendland und Byzanz, Darmstadt 1958 und DERS., Konstantinopel u. der Okzident, ebd. 1966. Aus diesen Sammlungen von Aufsätzen sind einzelne mit speziellem Inhalt weiter unten zitiert. Hier sind zu nennen (195 8): Byzanz u. das Abendland im 9· und ro. Jahrh. Zur Entwicklung des Kaiserbegriffs u. der Staatsideologie (zuerst in: Saeculum V, 1954 S. 194ff.); (r966): Die Anerkennung des Kaisertums durch Byzanz (zuerst: Byzant. Zeitschr. 54, 1961 S. 28ff.) und: Otto I. und Byzanz (zuerst: Mitteil. des Inst. f. österr. Gesch.forsch., Erg. bd. 20, 1962 S. ro7ff.) 1 . Über Rom und Byzanz vgl. den Überblick von FR. DvoRNrK, Byzance et la primaute romaine, Paris 1964 = Byzantium and the Roman Primacy, New York 1966 (kürzer: Constantinople and Rome in: The Cambridge Medieval Hist. IV, r, 2. Auf!., S. 431-72).
a) Die Lage im allgemeinen In der zweiten Hälfte des ro. Jahrhunderts gab es in Buropa zwei Großmächte: im Osten - nach Asien übergreifend - das byzantinische Reich unter dem »Basileus I
Zu den Zeugnissen für die Beziehungen zum Osten in der spätkarolingischen Zeit kommt noch ein längerer Brief des Papstes Stephan VI. (V.) (885-91) hinzu, der ein vom Basi-
leus an Hadrian III. (884/5) gerichtetes Schreiben beantwortet. Der Papst, der Basileios I. als »neuen Konstantin« ehrt, beschränkt sich jedoch auf kirchenrechtliche Fragen. Vgl. V.
202
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
tön Rhömaiön«, das sich in ununterbrochener Tradition auf das Reich der Römer zurückführen konnte, und im Westen ( S. 425 :) das abendländische Kaiserreich, das von Otto I. aus den Trümmern des Karolingerreiches neu zusammengeschweißt war und sich eine Tradition erst zurechtlegen mußte. Die Stellung der übrigen europäischen Staaten bestimmte sich ( S. 426:) danach, wie sie zu diesen standen. Das gilt seit der Kaiserkrönung von 962 auch für das Papsttum, das sich dem Kaiser fügen mußte, wenn es sich auch immer wieder dagegen aufzulehnen suchte und dadurch zum Werkzeug stadtrömischer und auch byzantinischer Tendenzen gemacht wurde. Die beiden V armächte traten seit der Jahrhundertmitte - nach einer Periode, die beide Staaten durch innere Fragen so weit beschäftigte, daß sie sich nicht umeinander kümmern konnten- in eine Zeit der Auswirkung über die Grenzen hinaus ein. Nach den Jahren der Schwäche brachten Feldherrnnaturen wie Nikephoros Phokas, Johannes Tzimiskes und Basileios II. der Bulgarentötet dem byzantinischen Namen neue Ehre, und durch die Kaiserkrönung fand Otto I. die Anerkennung, der regum maximus Europae (so hat Widukind bereits den Vater genannt) zu sein. Bezeichnete der neue Titel Otto für den Okzident als Nachfolger Karls des Großen, so machte er andererseits eine Auseinandersetzung mit Byzanz notwendig, die ja schon durch die Existenz zweier solcher Mächte nebeneinander vorgezeichnet war. Durch diesen von den byzantinischen Kaisern allein beanspruchten Titel erwachte wieder der Konflikt auf ideellem Boden, der schon in karolingischer Zeit seine Rolle gespielt hatte 2 • In diesem so gar nicht »real«-politischen Streit kämpfte die Vorstellung, daß es nur einen Kaiser, nur einen Nachfolger der Cäsaren geben könne, gegen die Tatsache, daß Osten und Westen unwiderruflich auseinandergebrochen waren, daß die griechisch-slawische und die romanisch-germanische Welt um ihre eigenen Schwerpunkte kreisten, die ideell - nicht immer tatsächlich - in Konstantinopel und Rom lagen. Hatte der eine Herrscher die lückenlose Tradition, so besaß der andere Rom, die alte, eigentliche Kaiserstadt, womit jede Partei ihre ( S. 427 :) Berechtigung zur Führung des Titels »Kaiser der Römer« verfechten konnte. Hinter diesem Streit um das Kaisertum, der nur aus den Vorstellungen der Zeit heraus zu begreifen ist, stand nicht nur die Rivalität zweier führender Mächte, die Abneigung zweier sprachlich und kulturell geschiedenen, auch kirchlich nur noch locker zusammengehörigen Welten, sondern auch der Kampf um die Gebiete, die auf der Grenzscheide der beiden Reiche lagen. Die ungarische Frage hat in der Ottonischen Zeit keine wesentliche Rolle gespielt. Bezeichnete Konstantirr VII. die Petscherregen im heutigen Rumänien als geeignet, GRUMEL, La lettre du Pape Etienne V a l'empereur Basile Ier, in: Melanges M. Jugie = Revue des Etudes Byzantines XI, 1953
S. rz8-55 (vgl. dazuByzant. Zeitschr. 45,1952 S. 204 und 47, 1954 S. 245 f.). z Vgl. Bd. I S. 29off.
Die Lage im allgemeinen
um gegebenenfalls die Ungarn in Schach zu halten3 , so machten diese doch bald den Byzantinern selbst zu schaffen, &o daß bei der Anknüpfung der ersten Beziehungen zu den Sachsen in den Vierziger und fünfzigerJahrendes ro. Jahrhunderts vielleicht die gemeinsame Feindschaft mitgespielt hat4. Der Sieg auf dem Lechfeld (95 5) nahm dieser Gefahr ihre Bedeutung, und kaum ein halbes Jahrhundert später konnte Ungarn dem Reich und der Kirche des Abendlandes angegliedert werden, weil damals das bulgarische Reich die Byzantiner beschäftigte und ihnen die Möglichkeit nahm, auf diese Entwicklung, die ihrer Sphäre nach Nordwesten Grenzen setzte, einzuwirken. Auch Venedig, das beiden Reichen gegenüber Verpflichtungen hatte, spielte in der Auseinandersetzung zwischen beiden keine große Rolle. Durch Natur, Handelsbeziehungen, den Besitz einer Flotte und die Führung geschickter Dogen gleich begünstigt, konnte sich die Stadt ihre eigenartige Stellung bewahren. Die wichtigste Konfliktssphäre lag in Süditalien. Während die Araber in Sizilien saßen und von da das Festland bedrohten, gehörte der Süden noch immer den Byzantinern. Der nördlich angrenzende Staatengürtel - Amalfi, Salerno, Neapel, Capua, Gaeta, Benevent - zerfiel in eine byzantinische und eine abendländische Einflußsphäre5. In der Konsequenz von Ottos nach Süden hin zunehmender Macht lag die Vertreibung der Byzantiner und die Einigung der ganzen Halbinsel unter einem Szepter. Nur Vorteile auf anderem Gebiete konnten noch veranlassen, diesen Vorstoß zu hemmen. Die Alternative: Eroberung von Apulien und Kalabrien oder gütliche Verständigung mit Byzanz hat Otto I. im Januar 968 selbst ausgesprochen6 • Als deren Unterpfand aber kam eine byzantinische Prinzessin als Braut des Thronerben in Betracht: auf diesem Wege war ja auch in karolingischer Zeit die Verständigung versucht, aber bei den großen Gegensätzen nie verwirklicht worden7 , da die Byzantiner sich dadurch allzu sichtbar mit dem westlichen Rivalen abgefunden hätten. 3 De adm. c. 4 (Bann I 84o, S. 70); I 949 in Budapest mit englischer Übersetzung nun ediert von Gg. MoRAVCSIK). 4 MYSTAKIDES a. a. 0. S. I6, I8, 21. Grundlegend dafür J. GAY, L'Italie merid. et l'empire byz. 867-I07I, Paris I904. Vgl. jetzt die von mir betreute Diss. von H. Kuss, Byzant. u. latein. Kultur in Süditalien (900-I 2 5o), Göttingen I 964 (daraus bisher nur gedruckt: Die Anfänge der volkssprachl. Lit. in Italien, in: Dieneueren Sprachen, I966 S, 5I3-25 und: Orient u. Okzident im geistigen Leben des maLen Süditalien, in: Gesch. in Wiss. u. Unterricht XVIII, I967 S. Iz9 bis 46).
6 Widukind III cap. 70 (ed. P. HIRSCH- H. E. LOHMANN, I935 S. I46f.; Script. in us. schal.) = D. 0. I. 355· Anna NüRNBERGER, Die Glaubwürdigkeit der bei Widukind überlieferten Briefe, Innsbruck I9I3 (Quellenstudien aus dem hist. Sem. d. Univ. Innsbruck V, 2 S. 55-86) zeigt, daß Widukinds Stil auch in Ottos Brief festzustellen ist. A. HoFMEISTER betonte dazu im Neuen Archiv 43, I922 S. 647 mit Recht, daß es sich nur um eine den Quellenwert nicht berührende Retusche Widukinds handeln kann. 7 Über die einzelnen V ersuche s. K. BRANDI im Arch. f. Urkundenforschung I, I907 S. 58f.
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
b) 0 ttos I. Werbung um eine byzantinische Prinzessin für seinen Sohn Otto I. ließ für seinen Sohn um eine Tochter des Kaisers Romanos II. und der Theophanu, die nach dem Tode ihres Gatten den Nachfolger Nikephoros Phokas geheiratet hatte, werben 8 • Neben Basileios II. und Konstantin VIII., erst Mitkaisern, dann zusammen Herrschern des byzantinischen Reiches, kennen wir von Kindern des Romanos und Stiefkindern des Nikephoros nur noch Anna, die 988 an den Großfürsten Wladimir von Rußland verheiratet wurde. Diese Tatsache erwähnt Thietmar und fügt dabei hinzu, daß diese von ihm Helena genannte Prinzessin »mit Otto III. verlobt gewesen, ihm aber mit betrügerischer Schlauheit entzogen .:vorden« sei 9 • Thietmar ist hier offensichtlich ein Versehen unterlaufen10 , als er bei der Schilderung der Ereignisse des Jahres 1017 auf frühere Ereignisse zurückgriff. Da erst im Jahre 995 daran gedacht wurde, Otto III. mit einer byzantinischen ( S. 429 :) Prinzessin zu verheiraten, und da ihm diese nach mehrjährigen Verhandlungen tatsächlich bewilligt wurde, kommt dieser Herrscher nicht in Betracht. Deshalb kann Thietmar nur an Otto II. gedacht haben, der sich ja tatsächlich um eine Tochter des Romanos- und da wir keine andere kennen - gerade um diese Anna beworben hat. Ja, auch das ist richtig, daß die Gattin Ottos II., Theophanu, eine andere Prinzessin war als die im Jahre 968 erbetene Prinzessin. Nur hat sich die Forschung hier auf Irrwege locken lassen, indem sie Theophanu zu einer Tochter des Romanos und einer Schwester der Anna machte11 • 8 Über die Kontroverse, wie Theophanu in die Gerrealogien der großen byzantinischen Geschlechter einzureihen sei, s. unten S. 24off. den diesem Abschnitt beigefügten Anhang I. Es ergibt sich dort, daß die vorgebrachten Thesen teils fragwürdig, teils nachweisbar falsch sind, daß also der Stand unseres gesicherten Wissens noch genau der gleiche ist, wie er auf den folgenden Seiten von mir im Jahre 1924 fixiert wurde. 9 1. VIIc ap. 72, ed. R. HoLTZMANN 1935-I955 S. 486 (Mon. Germ., Script. N. S. IX). ro Oder auch demSchreiberD des Autographs, der tercia Ottonem statt tercio Ottoni niederschrieb. I I Zur Verdeutlichung diene die beigefügte Stammtafel. Ohne Grund bezeichnete K. UHLIRZ in der Byzant. Zeitschr. IV, I895 S. 470 A. I den
Bericht der Vita posterior c. I des Abtes Gregor von Buttscheid (Mon. Germ., Script. XV S. II9I), wonach dieser ein Bruder der Theophanu gewesen sein soll, als seltsam. Statt dieser späteren Ausschmükkung (saec. XII. ex.) kommt nur die Vita prior c. I (ebd. S. I187) in Betracht, wonach Gregor aus Süditalien stammte - außerdem auch D. 0. III. 348, das ihn nur als venerandus confessor bezeichnet; vgl. HARTMANN a. a. 0. IV, S. Io8; GAY a. a. 0. S. 382. Frau Mathilde UHLIRZ, Studien über Theophanu, II: Die beiden Lebensbeschreibungen des Abtes Gregor von Burtscheid, im Deutschen Archiv VI, 1943 S. 442-74 hielt -noch weitergehend als ihr Vater- diesen für einen Bruder der Theophanu; doch ist diese Auslegung der von ihr benutzten Zeugnisse unhaltbar.
Ottos I. Werbung für seinen Sohn in Byzanz
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Diese Annahme ist unhaltbar; denn dann müßte Theophanu auch eine Schwester Konstantins VIII. gewesen sein. Als daher Otto III. eine von den Töchtern dieses Kaisers zur Frau begehrte, müßte er sich demnach um eine Kusine ersten Grades bemüht haben. Ein solches Unterfangen ist aber gerade in dieser Zeit völlig ausgeschlossen. Eben in den Jahren, in welchen Otto III. unterhandelte, betrieb Papst Gregor V. unter dem Schutze des Kaisers die Auflösung der Ehe Roberts von Frankreich, weil dieser eine entfernte Verwandte geheiratet hatte. Dieser Streit wäre mit der Tatsache völlig unvereinbar, daß Gregor in derselben Zeit dem Plane des Kaisers zugesehen und Otto ihn im Westen bei einem Unternehmen gestützt hätte, welches für seine eigene Ehe verhängnisvoll werden mußte. Aber auch für die Byzantiner wäre das Ansinnen einer so unkanonischen ( S. 4JI :) Verbindung völlig undiskutierbar gewesen12 . Gerade im Jahre 997 verschärfte der Patriarch die Verordnungen seines Vorgängers über die unerlaubten Ehen noch durch weitere Bestimmungen13. Da Otto III. nicht um eine Kusine geworben haben kann, ist es also ausgeschlossen, daß Theophanu die Tochter des Romanos war14, (S. 432:) und
12 Über die Verbote solcher Ehen mit dem Hindernis des vierten Grades siehe J. ZrsHMAN. Das Eherecht der orientalischen Kirche, Wien r864 S. 235/7. 13 G. ScHLUMBERGER, L'epopee byz. II: Basi!e II, Paris 1900 S. 119. 14 So K. DHLIRZ, Über die Herkunft der Theophanu, Gemahlin Kaiser Ottos II. in: Byzant. Zeitschr. IV, r895 S. 467/77, dem man seither allgemein folgte. Die richtige Auffassung vertrat auf Grund der Zeugnisse ohne das obengenannte Argument schon J. MoLTMANN, Theophano, die Gemahlin Ottos II., in ihrer Bedeutung für die Politik Ottos I. und Ottos II., Diss., Göttingen r 878 Kap. II, dem (neben GIESEBRECHT, HERTZBERG, v. ÜTTENTHAL) auch H. BRESSLAU, Otto I.,in:Allg. Deutsche Biogr. XXIV, r887 S. 593 f., unter Hinweis auf die analogen Vorgänge zur Zeit Konrads II. zugestimmt hatte. Die übrigen Belege, die in den beiden Arbeiten zusammengetragen wurden, sind außer Thietmar- wie die Kontroverse zeigtnicht präzise genug, zumal Anna und ihre vermeintliche Schwester 971 durch die Ehe des Johannes Tzimiskes Nichten dieses Kaisers wurden. Den Zeugnissen über »die Herkunft der Theophanu aus kaiserlichem
Hause« ist entgegen K. DHLIRZ kein Gewicht beizumessen, da eine solche Angabe auch auf eine Nichte des Kaisers paßt - auf die späteren Stellen, an denen Theophanu als Kaisertochter bezeichnet wird, hat er sich ja selbst nur vorsichtig berufen. Unrichtig ist der Hinweis auf Thietm. III cap. 21 (a. a. 0. S. 124), wo Otto II.Basileios II. als seinen Bruder bezeichnet, da nach Constantin Porphyr.: Libri de cerim. II 48 (Bonn 1829, I S. 689) der Basileus den deutschen König offiziell ebenfalls mit Bruder anredete, wie es umgekehrt auch Ludwigii. tat (Mon. Germ., Script.IIIS. pr). Thietmars Angabe (s. u.) hinwegzuinterpretieren ist unmöglich, sobald man erkannt hat, daß sich auch die obige Bemerkung auf Otto II. bezieht, Thietmar also an zwei Stellen dasselbe sagt. Dabei ist gerade das wichtig, was er über den von ihm benutzten Widukind hinaus angibt; denn als der Sohn eines sächsischen Grafen, der dem Kaiserhause in der Zeit der Theophanu domi miliciaeque treu gedient hatte (IV r6, S. 150), mußte er bei dem genealogischen Interesse der Zeit besonders gut über die Abstammung der Kaiserin orientiert sein. Als Tochter des Johannes wird Theophanu
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B z: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
damit bekommen Thietmars Angaben, die man als Mißverständnisse und Unrichtigkeiten mit Unrecht leichthin abgetan hat, unter den dürftigen Zeugnissen wieder das Hauptgewicht. Die Verhandlungen haben sich demnach so abgespielt, daß Otto I. im Jahre 967 ein byzantinisches Freundschaftsanerbieten durch die Absendung des Venetianers Dominicus beantwortete, der den Vorschlag einer Ehe zwischen Otto II. und der »purpurgeborenen« Stieftochter des Nikephoros überbrachte15 • Dieser leistete- ohne durch Instruktionen ermächtigt zu sein - einen Eid, daß Otto dem byzantinischen Reich niemals in irgend etwas Unruhe bereiten werde16 • Dafür bekam er die Prinzessin in Aussicht gestellt17 • Die ihm bald nach Italien folgende byzantinische Gesandtschaft zeigt18 , daß die Verhandlungen vom Osten aus günstig angesehen wurden. Etikettenschwierigkeiten bestanden nicht für den byzantinischen Kaiser, da bei dem Verbot, eine »Purpurgeborene« aus dem Lande zu geben, die Franken ausdrücklich ausgenommen waren19 • Die Verständigung verzögerte sich jedoch, weil sich Otto über das Zugeständnis seines Gesandten hinwegsetzte. Die griechischen Anerbieten dürften ihn nicht befriedigt haben, so daß er lieber versuchte, sich durch die Eroberung Süditaliens ein wertvolles Pfand zu schaffen, das er im Falle des Scheiterns der Verhandlungen in eigenem Besitz behalten konnte 20 • Er ( S. 433:) brachte bei seinem Vorstoß Capua und Benevent unter seine Botmäßigkeit, aber der Gewinn des ganzen Südens der Halbinsel gelang nicht. Otto versuchte deshalb die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen und zum Abschluß des geplanten Ehebündnisses zu gelangen 21 • bezeichnet in der Brunswil. Mon. Fund. cap. 5 (Mon. Germ., Script. XIV S. I27, I28) aus der 2. Hälfte des Ir. Jahrhunderts, die nicht zuverlässig ist. Die Stellen, an denen sie als Kaisertochter ohne Vatersnamen erscheint, bei K. UHLIRZ: keine von ihnen kann es an Wert mit Thietmar aufnehmen. I5 Cont. Regin. zu 967 (ed. Fr. KuRZE I89o S. I78; Script. in us. schol.): ... domnus imperator nuntium suum eidem Grecorum imperatori pro coniungendo in matrimonium suo filio regi Ottoni privigna ipsius Nichofori, filia scilicet Romani imperatoris, Constantinopolim dirigit; Liudprand: Legatio c. 2 5 u. 3 I ( ed. J. BECKER, I9I5 S. I88, I92; Script. in us. schol.). r6 Liudpr. a. a. 0. I7 Nach Liudpr. c. 6 (S. 179) sagt ihm 968 Nikephoros rückblickend: Amici eramus societatemque indisso!ubi!em nuptiis interpositis facere cogitabamus; auch c. 57 (S. 207):
r8 I9
20
2I
Nurum promisit Grecia mendax ... , Nicephore ... , Privignam prohibes, qui nato iungere heri!i. Siehe den in A. 6 genannten Brief bei Widukind vom Januar 968. Constant. Porphyr.: De admin. imp. c. I3 (Opera III, Bonn I 840 S. 86); natürlich strichen die Byzantiner in den Verhandlungen die Bedeutung einer solchen Bewilligung gehörig heraus, s. Liudprand. Widukind a. a. 0.: Apuliam et Calabriam provintias, quas hactenus tenuere, nisi conveniamus, dabunt. Liudprand c. 7 (S. r8o), wo L. sich rühmt, den Umschwung in Ottos Plänen herbeigeführt zu haben. Hieraus und aus der folgenden Thietmar-Stelle erkennt man, daß sich an Ottos Hof verschiedene Strömungen geltend machten, zu denen der Kaiser je nach der Situation Stellung nahm.
Stammtafel der byzantinisch en Kaiserdynas tien
Nikephoros oo 2) Theophanu Phokas, Kaiser 96 3- 969, t 10, 12. 969
I
oo 1) um 956
.............. aus der armenischen Familie Gurgen (Literatur über diese: W. H. Graf Rüdt v. Collenberg im Genealog. Jahrbuch IV, 1964 S. 53)
Konstantin VII. Porphyrogenne tos t 959, Kaiser 913-959
oo Tochter des Bardas Phokas, Verwandte des Kaisers Nikeph. Phokas
I
I
Romanos II.
Theodora oo Nov. 971
Johannes Tzimiskes, Kaiser 969-976 oo 1) Maria, Schwester des Bardos Skieros
t
963 Kaiser 959-963
00
...... .
(oder Schwester der Gattin)
I
Theophanu
I
Basileios II. *um 958, t 1025, regiert selbständig seit 976
Konstantin VIII. *um 96o, t 1028, regiert allein 1025-1028 oo Helena
Eudokia, pockennarbig, ging ins Kloster
Zoe, *um 980, t 1050 sie oder ihre Schwester 1001-02 Braut Ottos III. 1) oo 1028 Romanos III. Argyros, Kaiser 1025-1034 2) oo 1040 Michael IV. der Paphlagonier, Kaiser 1034-1041 3) oo 1042 Konstantin IX. Monomachos, Kaiser 1042-105 5
I
Anna, * 963, 968 von Otto II. begehrt, oo 988 [angeblich Wladimir von Rußland Theophanu] (Alleinherrsche r 980-101 5)
Theodora, t 1056, Kaiserin 105 5-1056
19. 4· 972 Otto II., Kaiser 967, Alleinherrscher 00
973-983
I
Otto III. * 980, t 1002, verlobt mit einer Tochter Konstantins VIII. -<-------
208
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Um sich gegen Eigenmächtigke iten seines Gesandten zu sichern, gab er dem nun nach Konstantinopel geschickten Bischof Liudprand von Cremona eine schriftliche Aufzeichnung mit 22 . Die diesem übertragene Aufgabe war von vornherein ohne gute Aussichten. Der Eid des Dominicus war durch den Vorstoß gebrochen, und dieser Vorstoß hatte seinen Zweck nicht erfüllt; denn er reizte die Byzantiner nur, ja ließ sie noch überOttos militärisches Versagen spotten 23 , ohne sie durch einen wirklich empfindlichen Verlust zum Nachgeben zu zwingen. So bekam Liudprand auf seine Bitte sofort Vorwürfe und Gegenforderung en zu hören, die jetzt so hoch geschraubt wurden, daß ihre gutwillige Annahme von vornherein ausgeschlossen war~1 • Der eingehende Bericht Liudprands, das lebendigste und in seiner Art fast einzige Zeugnis des 10. Jahrhunderts, schildert neben diesem rein politischen Streit noch die Gegensätze, die in der verschiedenen Kultur und den beiderseitigen Ansprüchen auf das Kaisertum wurzelten und sich in Prahlereien und Sticheleien Luft machten. Die Gesandtschaft hatte also nur den Erfolg, die gegenseitige Abneigung zu verschärfen und den Gegensatz bestimmter zu umgrenzen, wenn auch von byzantinischer Seite die Tür nicht zugeschlagen wurde. Am abendländischen Hof fühlte man sich um die zugesicherte Braut betrogen 25 , und Otto I. ( S. 434 .') zögerte deshalb nicht, von neuem die Entscheidung durch die Waffen anzurufen. Dabei erschien ihm die Eroberung des byzantinischen Besitzes als 6 eine Wiedereinverlei hung des von den Griechen geraubten Apuliens in das Reich2 • Griff sein Gegner- den Besitz von Rom und Ravenna heischend- auf J ustinian zurück, so fühlte Otto sich als Nachfolger eines Ludwigs II. Aber wie dieser erfuhr auch Otto die Schwierigkeiten, in diesem Lande mit dem gefährlichen Klima und schwer einzunehmenden Städten zum Siege zu gelangen. Er durfte im Jahre 969 die Kalabresen wohl als seine Getreuen, also als seine Untertanen bezeichnen 27 , aber von einer Eroberung und Beherrschung des Südens konnte keine Rede sein. Da kam ihm ein günstiges Ereignis zu Hilfe, durch das der abgerissene Faden nach Byzanz wieder zusammengespo nnen wurde.
22 Ebenda c. 26 (S. I89): dominus ... , ne termi-
nos, quos constituit mihi, transcenderem ... , praeceptum conscripsit ... , ne secus facerem. 23 Ebenda c. II (S. I 82). 24 Liudpr. c. I 5 (S. I 84), sein Urteil darüber c. 7 (S. I8o). 25 Außer Liudpr. c. 57 (S. 207) Thietmar an der oben genannten und der folgenden Stelle; ferner Widukind c. 71 (ed. P. HIRSCH -
H.-E. LoHMANN I935 S. I48), der c. 7If73 von den folgenden Kämpfen handelt. 26 D. 0. I. 367 vom 2. Nov. 968: dum in Apu!iam expeditionem ageremus, ut ipsam sublatam a Grecis nostro I talico regno redintegrare Iaboraremus; nähere Begründung dieser Theorie bei Liudpr. c. 7 (S. I79). 27 D. 0. I. 37I vom I8. April 969.
Scheitern der ersten, Erfolg der zweiten Werbung
c) Theophanu, die BrautOttos 11. Nikephoros Phokas wurde Ende des Jahres ermordet, und sein Mörder J ohannes Tzimiskes, der von mütterlicher Seite her mit ihm verwandt war und wie er in das Haus der Makedonen einheiratete, bestieg den Thron. Otto benutzte diese Erschütterung des Gegners, um sich von neuem auf den Süden zu werfen. Nunmehr genügte statt des Pfandes schon die Drohung, um den neuen Basileus, der sich seine Stellung erst ausbauen mußte und wegen der Hartnäckigkeit Ottos jetzt auch ernstlich um Süditalien besorgt sein mochte, zum Einlenken zu bringen. Der von ihm gefangen gehaltene Herzog von Benevent wurde freigelassen und erschien im Sommer 970 bei Otto mit freundschaftlichen Vorschlägen 28 • Im nächsten Jahre erwiderte Otto diese ,Botschaft, nachdem er auf die Fortführung des Kampfes verzichtet hatte. Eine Gesandtschaft unter dem Erzbischof von Köln, an die noch heute die Kirche des damals aus dem Osten nach Köln überführten S. Gereon erinnert, hatte Erfolg und ( S. 43 J :) konnte im Jahre 972 mit der Prinzessin Theophanu nach Italien zurückkehren. In der feierlichen Urkunde über die Ausstattung der Braut wurde sie als »Nichte des Kaisers Johann von Konstantinopel« bezeichnet 29 • Darin liegt ein klarer Beweis, daß sie nicht die Tochter des Kaisers gewesen ist; denn für die Ausstellung dieses Diploms wurde jene Urkunde benutzt, durch welche die Schwiegermutter, die Kaiserin Adelheid, bei ihrer ersten Verheiratung von ihrem damaligen Bräutigam, dem König Lotbar von Italien, die Verbriefung des Brautgeschenkes empfing. In dieser wurde sie als ft!ia divae memoriae Rodulft regis bezeichnet30 • Wenn die kaiserliche Kanzlei im Jahre 972 diese Vorlage benutzte, an dieser Stelle aber von ihr abwich, so ist das ein untrügliches Zeichen, daß von dem Vater der Theophanu nichts zu rühmen war, daß ihre Stellung vielmehr allein durch den Rang ihres Oheims bestimmt wurde. Ausdrücklich sagt Thietmar bei der Schilderung der Ereignisse dieses Jahres, daß Johannes »nicht die erbetene Jungfrau, sondern seine Nichte namens Theophanu« geschickt habe 31 • Ja, er fügt sogar noch hinzu: »Es gab manche, die beim Kaiser den z8 Chron. Salern. c. 174 (Mon. Germ., Script. III S. 556) (vgl. jetzt ed. U. WESTERBERGH, Stockholm 1956 S. 177). und D. 0. I. 399 vom September 970. 29 D. 0. II. 21. 30 Codex diplom. Langobard., Turin 1873 (Mon. Hist. patriae iussu Caroli Alberd XIII) Nr. DLII S. 942f. vom 12. Dezember 938. Herr Professor Dr. H. BRESSLAU (dem ich zur Zeit der Abfassung dieses Aufsatzes als Mitarbeiter der Mon. Germ. Hist. zur Seite stand) hatte die Güte, mich hierauf r4 Schramm, Aufsätze !li
aufmerksam zu machen. Für die Aufforderung, einer von ihm hierüber in Aussicht genommenen Publikation durch diesen Hinweis zuvorzukommen, gebührt ihm mein aufrichtiger Dank. Schon J. MoLTMAJ-..'N hatte -ohne den Zusammenhang mit der Vorurkunde zu erkennen- auf das für eine Tochter des Romanos auffällige Fehlen der Angabe des Vaters hingewiesen, was K. U HLIRZ dann vergeblich wegzuinterpretieren suchte. 3I II I 5 (a. a. 0. S. 54f.) - Ihr Name läßt vermuten, daß sie erst nach der Verheiratung
210
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Abschluß dieser Verbindung zu hintertreiben suchten und rieten, dieselbe (S. 436:) zurückzuschicken. Er aber hörte nicht auf diese, sondern gab sie seinem Sohn zum Weibe.« Man kann sich gut vorstellen, daß manche Stimmen gegen eine V ersippung mit der neuen, durch eine Greueltat zum Thron gekommenen Dynastie ohne große Vergangenheit laut geworden sind und daß man nur in einer echten »Purpurgeborenen« eine würdige Gattin für den Thronfolger sah; aber für Otto I. lagen die Dinge so, daß seine Gesandten die Einholung der Theophanu übernommen, also in die Ersetzung der Anna durch eine Nichte des neuen Kaisers eingewilligt hatten. Er konnte sich nun nicht mehr selbst verleugnen - ganz abgesehen davon, daß er den Basileus auf das allergröbste durch eine Heimsendung seiner Nichte herausgefordert hätte. Denn die Zustimmung seiner Gesandten ist nur so zu verstehen, daß er ihnen eine so weitmaschige Instruktion mitgegeben hatte, daß sie sich zum Abschluß berechtigt halten konnten. Von J ohannes Tzimiskes durfte man andererseits kaum erwarten, daß er selbst die Hand dazu bieten würde, eine Prinzessin aus dem von ihm verdrängten Hause zur Herrin des Abendlandes zu machen. Da er auf die Sicherung seiner süditalienischen Besitzungen vor der Macht des Sachsen bedacht sein mußte, konnte für ihn, den Emporkömmling, die Aufstellung von übertriebenen Gegenforderungen nicht in Betracht kommen. Der Abschluß bedeutete also für beide Seiten ein sich Anbequemen an die neu entstandenen Verhältnisse, wobei der eine den Stolz eindämmte und die Forderungen zurückschraubte, während der andere, der inzwischen seiner Verkennung der süditalienischen Schwierigkeiten gewahr geworden war, statt der aus dynastischen Bedenken nicht erlangbaren Kaisertochter sich mit Theophanu begnügte, die ihm dafür die Verwandtschaft mit dem regierenden Basileus zubrachte. Die italienischen Angelegenheiten hatten Otto jetzt schon jahrelang von der Heimat ferngehalten. Durch Theophanus Ankunft löste sich für ihn zugleich die byzantinische und die süditalienische Frage, so daß der Kaiser an seinem Lebensabend wieder freie Hände bekam. Daß man die Bedeutung der Regelung zwischen den ( S. 437 .) beiden christlichen Großmächten nicht überschätzen darf, wurde schon zwei Jahre später durch den Umstand beleuchtet, daß der Gegenpapst Bonifaz VII. nach seiner Vertreibung ein Asyl in Konstantinopel fand- dem natürlichen Rückhalt für jeden, der einen Schutz gegen den von Norden kommenden Druck brauchte, wie schon 962 König Hugo
des Romanos mit der berüchtigten Theophanu geboren ist. Diese fand zwischen 950/ 56 statt (UHLIRZ a. a. 0. S. 477), wodurch ein Anlaß zur Schätzung des Namens in den Hofkreisen gegeben war.- Da Ottos Töchter
Adelheid und Mathilde nach der Großmutter und Urgroßmutter väterlicherseits hießen, so deutet der Name der dritten Tochter Sophia vielleicht auf Theophanus Mutter hin.
Theophanu, Ottos II. Braut
211
von Italien gegenüber dem von Otto I. gestützten Berengar und 963 Papst Johann XII. gegenüber Otto selbst erkannt hatten 32 •
d) Nette Rivalität zwischen Basiletts ttnd Kaiser Schon bald darauf offenbarten die Verhältnisse, daß es ein Risiko gewesen war, sich ' entgegen den Ahmahnern mit dem Thronräuber statt mit dem Haus der Makedonen selbst zu verbinden. Im Jahre 976 starb Johannes Tzimiskes, und nun fi.el die Regierung an die schon in frühester Jugend gekrönten Söhne des Kaisers Romanos, Basileios II. und Konstantirr VIII., zurück. Nach kurzen Jahren hatte der ältere die Zügel der Regierung fest in der Hand und schickte sich nun an, seinem Reiche durch eine Reihe mühseliger, aber erfolgreicher Kriege ungeahnte Kraft einzuhauchen. Wie sich in diesen Anfangsjahren des Kaisers Basileios die Beziehungen zwischen ihm und Otto II., dem Gatten der aus dem feindlichen Hause stammenden Theophanu, gestaltet haben, lassen die Zeugnisse kaum erkennen 33 • (S. 439.) Die entscheidende Frage war jetzt, ob der Makedone sich dazu herbeiließ, dem Ottonen den Kaisertitel zuzubilligen. Mußten wir bei der Regelung von 972 annehmen, daß sie zum mindesten in einer Form geschehen ist, die Ottos Stolz nicht verletzte, so ist es sehr fraglich, ob Baseleios sich durch solche Bindungen verpflichtet gefühlt hat - spricht er doch von seinen Untertanen als von den »Römern« gemäß der alten, stolzen Auffassung. Auch das Verhalten Ottos II. in den nächsten Jahren setzt die wiedererwachte Rivalität voraus. Auf die Nachricht von den Gefahren, die in Süditalien von den "'\rabern drohten, zog er Ende 98 r nach Süden. Er betrat den byzantinischen Bereich und benahm sich dort ganz wie auf feindlichem Boden. Die Nachricht, daß dagegen von byzantinischer Seite Verwahrung eingelegt worden ist, klingt - wenn sie auch von der Forschung angezweifelt worden ist- fast selbstverständlich34 • Ob die Byzantiner ( S. 440:) dagegen soweit gegangen sind, sich mit den Arabern gegen Otto in Verbindung zu setzen, wie dasselbe Zeugnis will35 , wird man nicht zu entscheiden 32 Liudprand: Antap. V I 3 f. und Hist. Ottonis c. 6 (Script in us. schol., 3· Auf!. I9I 5 S. I 36f., I63). 33 S. 437-9 jetzt herausgenommen; s. unten Anhang 2: »Gehörte der Spatbar Petros, ein Neffe des Königs der Germanen, zur Sippe der Ottonen?« 34 Ann. SangalL zu 982 (Mon. Germ., Script. I S. 8o), wobei man sich nicht an den dort als Urheber des Einspruchs genannten Kaiser klammern muß. Dazu K. UHLIRZ, Jahrbücher
des Deutschen Reiches unter Otto II., Leipzig I9o2 S. I69f., der schon auf die Arbeit von G. MüLLER-MANN, Die ausw. Politik Kaiser Ottos II., Diss., Basel I 898, eingehen konnte; L. M. HARTMAc'lN, Gesch. Italiens im Ma. IV, I, Gotha I9I 5 S. 77f. 35 Ann. Sangall a. a. 0., auch die Brunswil. Monast. Fund. c. 5 (Mon. Germ., Script. XIV S. I27) aus der 2. Hälfte des Ir. Jahrhunderts, deren Nachrichten oft sehr ausgeschmückt sind.
2I2
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
wagen; denn nach dem plötzlichen, unglücklichen Ausgang mußte diese Vermutung für einen Abendländer ebenso nahe liegen wie ihre Nachprüfung schwer sein. Sei dem, wie es wolle- das Ergebnis dieser Zuspitzung der Lage ist eindeutig: während Ottos Belagerung von Tarent im März 982 erweiterte die italienische Kanzlei des Kaisers den bisher allein üblichen Titelimperator durch den Zusatz Romanorum, so daß damit die bisher vermiedene Gleichheit des abendländischen Titels mit dem des byzantinischen »Kaisers der Römer« hergestellt war. Sicherlich mit Recht hat man darin eine gegen Byza= gerichtete Geste gesehen36 • Der drohende Konflikt löste sich von selbst durch die Niederlage, die Otto II. am Cap Colonne bei Rossano davontrug. Er hatte den Byzantinern für längere Zeit Ruhe vor den nach Süditalien drängenden Arabern verschafft, aber er war genötigt, diese Gegenden wieder aufzugeben, um ein neues Heer zu sammeln. Es kam jedoch nicht mehr zu einem neuen Feldzug, der auch Ottos Verhältnis zu Byzanz in irgendeiner Form hätte klären müssen: ein plötzlicher Tod raffte ihn schon im Jahre 98 3 dahin. Damit war nicht nur die süditalienische Reibungsfläche ausgeschaltet; das abendländische Reich besaß während der zwölfjährigen Vormundschaftsregierung für Ottos II. minderjährigen Sohn und Erben keine Stoßkraft nach außen, und das byzantinische war mit anderen ( S. 44I :) Aufgaben beschäftigt, so daß die beiden Mächte gleichsam voneinander abgerückt waren. In diesem Vakuum der Kräfte konnte es 984 der Gegenpapst Bonifaz VII. wagen, von Konstantinopel nach Rom zurückzukehretP. Er traf Ostern ein und riß die Herrschaft wieder an sich. Falls die Byzantiner damals weitgehende Hoffnungen auf ihn als ihr Werkzeug gesetzt haben sollten, so sind diese jedenfalls bald enttäuscht worden. Schon im nächsten Jahr wurde sein brutales Regiment durch seinen gewaltsamen Tod beendet. Mit Johann XV. bestieg ein Römer den Stuhl Petri, während Crescentius, das Haupt der mächtigsten Familie der Stadt, unter dem Titel eines Patricius Romanorum die politische Macht an sich nahm.
36 Zuerst D. 0. II. 272, dazu A. FA"'TA in Mitt. d. Inst. f. öst. Geschsf., Ergbd. II, I 888 S. 553f., bes. 562f., 566f. Auch die Münzen Benedikts VII. (974-98 3) haben die Legende: Otto Impe. Rom.; s. F. GREGOROVIUS, Gesch. d. Stadt Rom 2 III S. 420 A. 3 - vorher Imp. Rom. schon (außer Widukind a. a. 0. III c. 76) sechsmal unter Otto I., s. D. 0. I. 318 bis 329, nach der Vorbemerkung Th. v. SICKELS zu D. 318 und H. BRESSLAU (im Arch. f. Urkf. VI, I9I6 S. 25 A. 2) wohl Willkür eines Kanzleibeamten, und zweimal
unter Otto II., s. D. 0. II. 142, r 50, die jedoch nur abschriftlich erhalten sind. Als Grund des zusatzlosen Imperatortitels unter den Karolingern vermutete H. BRESSLAU (a. a. 0. S. 24f.) Schonung der byz. Eifersucht; vgl. auch K. BRANDI im Archiv für Urkundenforschung I, I907, S. 32 A. I, 57, Go A. 3 (vgl. jetzt ausgewählte Aufsätze, Oldenburg I938 S. rr5fl); s. dazu jetzt Bd. I-II passim. 37 Lib. pont. ed. L. DucHESNE II S. 2 57.
Neue politische Rivalität - Kulturelle Beziehungen
2I3
e) Die Einwirkung der byzantinischen Kultur atif das Abendland Die Entfernung der beiden Reiche voneinander schloß nicht aus, daß byzantinische Kultur auf den Westen weiter einwirkte. Das lag in der Zeit begründet, kann man doch bis zum Ende des IO. Jahrhunderts geradezu von einem byzantinischen Zeitalter in bezug auf die kulturelle Vormachtstellung sprechen. In Italien, wo die Byzantiner im Norden bis in das 8. Jahrhundert, im Süden bis in das I I. Jahrhundert ihre Herrschaft ausübten, war die Einwirkung naturgemäß am stärksten. Die römische Liturgie bewahrte griechische Texte, eine Kolonie griechischer Mönche saß in Rom, man prunkte mit griechischen Kenntnissen und Ausdrücken. Nördlich der Alpen, wo diese unmittelbare Einwirkung fehlte, griff man mit Begier nach den Erzeugnissen byzantinischer Kunst, den Elfenbeinen, Emails, Gläsern, Stoffen, die vielfach den eigenen Erzeugnissen schon technisch weit überlegen waren. Für die Herrscher aber war Byzanz das Versailles des Mittelalters, der vorbildliche Hof, dessen Einfluß sich schon die Karolinger nicht hatten entziehen können. Hier ist Theophanu eine rege Vermittlerirr gewesen. Das drückt sich in der naivmoralischen Vision des I I. Jahrhunderts aus, wonach die Kaiserin in der Hölle als den Grund ihrer Folterung gesteht: »weil ich vielen überflüssigen Luxus und ( S. 442 :) Frauenschmuck, wie er in Griechenland üblich ist und bisher in Deutschland und Frankreich unbekannt war, hier zuerst eingeführt . . . und andere Frauen dadurch zur Sünde verleitet habe, daß sie gleiches haben wollten !38 « Unter den Besitzstücken des Ottonischen Hauses, die in Bamberg und München verwahrt werden, ist mehr als eines byzantinischen Ursprungs 39 , und ebenso mag der seit Ende des Io. Jahrhunderts sich in Deutschland verbreitende Kult des in Byzanz hochverehrten Hlg. Nikolaus mit dem Wirken der Kaiserin zusammenhängen40 • Aber auch da, wo es sich darum handelte, das Kaisertum in seiner Macht und Ehre sichtbar zu machen, hat das Vorbild des Ostens eingewirkt. Auf den Herrscherbildern der abendländischen Kaiser und besonders in der Zeit der Ottonen stoßen wir vielfach auf solche Einwirkungen. Daß die Kaiserin Theophanu auf dem Elfenbeinrelief des Musee Cluny mit dem Epiloricum, dem Hals- und Brustschmuck der byzantinischen Herrscherinnen, dargestellt ist41 , mag man darauf zurückführen, daß ihr Bild sich an byzan38 Zusatz zur Vita Bernw. (Mon. Germ., Script. IV S. 888). 39 E. BASSERMANN-}ORDAN und W. M. ScHMID, Der Baroberger Domschatz (München 1914, Bayer. Kirchenschätze) Abb. 7, 6o, T. V, XII, XV, S. 8f., 15, 21, 46f., 55· (P. E. S.Florentine MüTHER1CH, Denkmale der deutschen Könige u. Kaiser, München 1962 passim).
40 Die bei J. DoRN, Beitr. z. Patrozinienforschung in: Arch. f. Kulrurgesch. XIII, Leipzig 1917 S. 243 f., genannten Nik.Stiftungen stehen meist in deutlichem Zusammenhang mit dem Ottonischen Hause. Vgl. auch G. ANRICH, Hagios Nikolaos II., Teubner 1917 S. 477ff. 41 P. E. S., Herrscherbilder Abb. 65 und: Denkmale Abb. 73·
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B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
tinische Vorlagen hielt; aber zu dem »Hort der Kaiserinnen«, der durch Zufall in Mainz entdeckt wurde, gehörte ein solches Epiloricum: die abendländischen Herrseherinnen haben es also tatsächlich getragen42 •
j) Politische Beziehungen in den Jahren der Regentschaft TheophanusDer Aufstieg des Johannes Philagathos 43
( S. 443 :) In der Ecke des Reliefs im Musee Cluny ist unter dem Kaiser noch ein als Doulos Joannes bezeichneter Mann in der Haltung der Proskynese abgebildet, der das Kunstwerk vermutlich bestellt und dem Kaiserpaar geschenkt hat. Viel Wahrscheinlichkeit hat die Annahme44 , daß es sich um den süditalienischen Griechen Johannes Philagathos aus Rossano 45 handelt, der als Vermittler zwischen der abendländischen und der byzantinischen Welt eine wichtige Rolle unter Otto II., Theophanu und Otto III. gespielt hat. Dieser Johannes wurde 98o italienischer Kanzler und 982 Abt von Nonantola46 ; er war sogar Pate Ottos IIIY. Seine Herkunft von der Grenzscheide byzantinischer und lateinischer Kultur mußte ja auch eine vorzügliche Empfehlung bei der landfremden Kaiserin sein, und durch seine griechischen Sprachkenntnisse nahm er sicherlich am Hofe eine sehr vereinzelte Stellung ein. In einer für ihn von Otto II. ausgestellten Urkunde48 heißt es in ungewöhnlicher Weise von ihm, er sei »keusch, nüchtern, fähig guten Rat zu erteilen, ( S. 444 :) in den griechischen Wissenschaften bewandert, berühmt wegen seiner ausgebreiteten Wissenschaft und seiner Heiligkeit«. Seine Bildung wird hier nicht ohne Grund gerühmt; denn die Überreste seiner Bibliothek, die über Otto III. durch Heinrich II. nach Bamberg kamen 49 , zeigen ihn als einen in der Gelehrsamkeit seiner Zeit bewanderten Mann. Vielleicht 42 Denkmale Abb. 144. 43 Vgl. zum folgenden Mathilde UHLIRZ, Jahrbücher Ottos III., Berlin 1954 und Dms., Die Regesten des Kaiserreiches unter Otto III., 1-2, Graz-Köln I956-7. 44 K. UHLIRZ, Jahrb. d. Deutschen Reiches unter Otto II., Leipzig 1902 S. 209 A. 6I; s. auch S. I27 A. 28, I82. 45 Über diesen Orts. P. BATIFFOL, L'abbaye de Rossano, Paris I89I, bes. S. XXIf.; Ch. DIEHL in: Me! d'arch. et d'hist. X, I89o s. 285/92. 46 Die Lit. über ihn: Realencykl. f. prot. Theol. IX, 3 I90I, S. 265 und Liber pontificalis ed. L. DucHESNE I1 S. 261. 47 Amulf: Gesta arch. Medio!. I, II (Mon.
Germ., Script. VIII S. 9) nennt ihn Kapellan der Theophanu. Ob er ein solches Amt wirklich hatte, ist fraglich. Seine Patenschaft s. Vita S. Nili c. 90 (Mon. Germ., Script. IV S. 6r6). Daß er dagegen Lehrer Ottos III. war, wie noch L. M. HARTMANN a. a. 0. S. I03 sagt, hat schon L. TRAUBE (in Abh. der Bayer. Akad. d. Wiss., bist. Kl. XXIV, I, I9o6 S. I 3) als unbelegbar bezeichnet. Wenn er den Thronerben vielleicht im Griechischen unterwies, so ist Otto doch von Sachsen erzogen worden: erst von dem Grafen Hoico, dann von Bemward von Hildesheim. 48 D. 0. II. 283. 49 Außer TRAUBE a. a. 0. s. H. FrscHER in: Zentralbl. f. Bibi.-Wesen 24 (I907) S. 373f.;
Theophanu als Regentin - ] ohannes Philagathos
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sind auch die beiden Reliquiare von byzantinischer Arbeit in Nonantola durch ihn an dieses Kloster gekommen50 • Jedenfalls hat er den Urkundenfälschungen, die gerade hier besonders zahlreich hergestellt und auch in seiner Zeit vermehrt wurden, nicht ferngestanden51 • Aber das Eigentümliche an dem Lobe ist, daß er die Urkunde als Kanzler52 rekognosziert, es sich also selbst ausgesprochen hat. Außerdem bezeichnet er sich nicht als Abt, sondern mit dem entsprechenden griechischen Titel als »Archimandrit« und nannte sich auch Consecretalis des Kaisers Ottos II. Da die a secretis in Konstantinopel die Funktion von kaiserlichen Notaren hatten53 , soll dieser völlig ungewöhnliche Titel wohl auf seine Kanzlerschaft hindeuten. Diese byzantinisierenden Bezeichnungen in kaiserlichen Urkunden sind ein schwacher Nachklang von dem Geiste, den Theophanu aus ihrer Heimat mitgebracht hatte. Wie während Theophanus Regentschaft die Beziehungen zwischen den beiden Reichen sich gestaltet haben, können wir nur indirekt erschließen. Sprechen schon die Abstammung der Theophanu aus der Gegendynastie und der Rückfall der Macht an das Makedonenhaus (982) dafür, daß sie nicht eng gewesen sein werden, so bestätigt uns dies ein Brief an Basileios II. und seinen Bruder, den Gerbert, der spätere Freund Ottos III., für den König Hugo Capet von Frankreich im Jahre 987 ( S. 445 :) aufsetzte, bei dem jedoch zweifelhaft bleibt, ob er abgeschickt wurde. Auch wenn das nicht der Fall war, bleiben die in ihm vorgebrachten Überlegungen aufschlußreich; denn Hugo bot dem Basileus, dessen Reich er entgegenkommend Imperium Romanum nannte, ohne eigennützige Forderungen Freundschaft an und schlug deren Bekräftigung durch die Verheiratung seines Sohnes und Mitkönigs Robert mit einer »Tochter des Heiligen Reiches« vor. Durch politische Erwägungen suchte er dieses Bündnisangebot, das die traditionelle französische Bosporuspolitik vorwegnahm, als vorteilhaft hinzustellen: »Im Falle der Annahme wird unsere Verbindung von großem Nutzen sein, und sie wird große Früchte zeitigen. Denn wenn wir uns dagegenstellen, wird weder Gallier noch Germane (d. h. der linksund rechtsrheinische Deutsche54 ) die Grenzen des Römischen Reiches bedrohen55 .« jetzt: Denkmale S. 150 mit Abb. 88 (Liste von zwölf Handschriften, die mit Johannes Philagathos zusammenhängen). 50 GAY a. a. 0. S. 392 A. 4 nach G. SCHLUMBERGER in: Oeuvre d'art, 15. August r897. 5 r A. GAuDENZI im Bull. dell' Ist. stor. ital. XXII, r9or S. r6zf., XXXV, r9r6 S. 10, rz, 68 f. Ein tempore quoque Johannis abbatis greci dort vorgefallenes Wunder in der Trans!. SS. Senesii et Theopompi (P. BoRTOLOTTr, Antica Vita di S. Anselmo, Modena r892 S. 170).
52 Über diese Rolle S. jetzt ]. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige, II, Stuttgart 1966 S. 71 ff. 53 BuRY a. a. 0. S. 97f.; E. STEIN, Unters. über das officium der Prätorianerpräfektur seit Diokletian, Wien 1922 S. 48f. 54 So die richtige Auslegung, s. P. E. SCHRAMM, Zur Gesch. der Buchmalerei i. d. Z. der Sächs. Kaiser in: Jahrb. f. Kunstwiss. 1923 S. 69, 75; P. KEHR in Abh. d. Berl. Ak., Phi!. Kl. 1920 Nr. r S. zr.
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B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Über den Fortgang dieses Planes wissen wir nichts, jedenfalls ist es nicht zu der Heirat gekommen, und Robert hat bald eine andere Gattin gewählt. Auf alle Fälle hat dieser Brief solche Beziehungen zwischen den beiden Kaiserreichen zur Voraussetzung, daß Hugo sich Hoffnung machen konnte, die Byzantiner zu einer das abendländische Reich umklammernden Verbindung zu bringen. Bei dem Hinweis auf die Bedrohung durch dasselbe kann er nur Süditalien im Auge gehabt haben, wodurch die von uns vertretene Auffassung über das Vorgehen Ottos II. im Jahre 982 ihre Bestätigung findet; Theophanu hat nicht die erwünschte Verständigung gebracht, sondern mit dem Herrscherwechsel auf beiden Thronen ist die alte Rivalität wieder zum Ausbruch gekommen. Über irgendwelche Gesandtschaften in diesen Jahren wissen wir nichts; wir sehen nur, wie Philagathos durch ( S. 446:) die Gunst der Kaiserin immer höher stieg56 • Er erhielt 988 das Bistum Piacenza, das seinetwegen der Obedienz des Erzbischofs von Ravenna entzogen und zu einem eigenen Erzbistum erhoben wurde. Er war in der Umgebung Theophanus, als diese im Winter 989/90 in Italien weilte57 und den kaiserlichen Einfluß dadurch wieder zu einiger Geltung brachte, daß sie sich mit den inzwischen eingetretenen Veränderungen, vor allem dem Patriziat des Crescentius, abfand. Hier war es Philagathos, durch den der Gesandte des Herzog& von Neapel bei ihr Eingang erlangte58 und der als ihr Missus Gerichtstage abhielt. Seine Verwendung am Hofe führte ihn auch wiederholt nach Deutschland. Selbst nach dem Tode der Theophanu im Jahre 991, als die greise Witwe Ottos I., die Kaiserin Adelheid, die Zügel der Regierung für ihren Enkel übernehmen mußte, verstand er es, 55 Ep. I I I; vgl. jetzt: Die Briefsammlung Gerberts von Reims, bearb. von Fr. WEIGLE, Weimar I966 (Mon. Germ.: Die Briefe der Deutschen Kaiserzeit II). Durch diese Edition ist überholt die (von mir im Erstabdruck benutzte) Ausgabe von J. HAVET, Lettres du Gerbert, Paris I889 (Coll. de Textes VI) (die Numerierung der Briefe ist die gleiche); vgl. auch: The Letters of Gerbert with his Papal Privileges as Sylvester II, translated with an Introduction by Barriet Pratt LATTIN, New York (Columbia Univ. Press) I96I (4I 2 S.). Nach A. V ASILIEV, Hugh Capet of France and Byzantium, in den Dumbarton Oaks Papers VI, I95I S. 227-51 handelt es sich (so bereits J. HAVET) wohl nicht um einen Brief, der abgesandt wurde (s. vorher F. LoT, 'Etudes sur le regne de Hugues Capet, Paris 1903 S. 4; DERS., Les derniers Caro-
lingiens, ebd. I89I S. 218). Aus Nr. 40 ersieht man, wie G. sich über Rom Nachrichten aus Byzanz besorgte. 56 Noch SrcKEL (s. u.) hat den von Petrus Damiani festgehaltenen Klatsch, der beide in unerlaubte Beziehungen setzte, gelten lassen wollen, obwohl schon MaLTMANN a. a. 0. S. 67/69 den Unwert dieses tendenziösen und späten Zeugnisses dargelegt hat. - Die Schilderung seines Aufstieges in denAnn. Quedl. zu 997 (Mon. Germ., Script. III S. 74). 57 Th. v. Sr eKEL in Mitt. des Inst. f. oest. Geschsf. XII, I89r S. 231 ff., bes. S. 244f. S. 22 5 f. das Itinerar des Ph. in diesen Jahren. 58 Orestes: S. Sabae Romana itinera et obitus (J. B. PrTRA, Analeeta sacra, Paris I876, I s. 3Ir), der Ph. als ä.v{}ew:nov ovra :newrov TOV e1'JYO~ bezeichnet; über die Zeit s. 310 Anm.
Aufstieg des Johannes Philagathos
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seinen Einfluß zu behalten. Die beiden Fürstinnen hatten sich nicht gut gestanden; das mag das Urteil Odilos, des verdienten Abtes von Cluny und geistlichen Beraters Adelheids, mitbeeinfl.ußt haben, als er Philagathos einen Schmeichler nannte; aber er hatte im Kern sicher nicht unrecht59 • Das Streberturn des Griechen beleuchtet wiederum eine von ihm ausgefertigte Urkunde König Ottos III., in der er sich als Erzbischof, Primicerins der Hlg. Römischen I<::irche, Proto a secretis und Protovestiar des Königs bezeichnete60 , also einen Titelreichtum vorbrachte, wie er im Abendland völlig ungewöhnlich war. Päpstlicher Primicerius kann er in Wirklichkeit ( S. 447 :) gar nicht gewesen sein, da wir den tatsächlichen Inhaber dieses wichtigen Amtes in jenen Jahren kennen61 • Der Prolo a secretis war in Konstantinopel der Chef der beiden Klassen der a secretis, also der kaiserlichen Sekretäre62 • Wie Philagathos schon im Jahre 982 seine Kanzlerwürde durch den Ausdruck Consecretalis wiedergab, so soll diese ähnliche, diesmal korrekt byzantinische Bezeichnung wohl dasselbe ausdrücken, da er in den Jahren 991/92 wieder die italienische Kanzlei geleitet hat63 • Den Protovestiar gab es ebenfalls nicht im Abendland, sondern nur in Konstantinopel, wo dieser Beamte - überdies ein Eunuch - die kaiserliche Privatgarderobe und den Schatz verwaltete, aus dem er bei Feierlichkeiten die Gratifikationen an die Würdenträger austeilte64 • Diese byzantinischen Titel kommen übrigens nur in dieser einen Urkunde vor; an die tatsächliche Einführung dieser Ämter am königlichen Hof ist daher nicht zu denken. Philagathos hat vielmehr für seine Ämter die griechischen Bezeichnungen gesetzt und hat sich dann noch andere Würden zugeschrieben, deren Verleihung er sich wohl selbst verdankte 65 •
59 Epit. Adelh. c. 8 (Mon. Germ., Script. IV S. 64o); die Ann. Quedl. a. a. 0. sprechen unter dem Eindruck von 997 von seiner »Fuchsenschlauheit«; Thietmar nennt ihn IV c. 30 (Script. S. 167) di!ectum comitem der Theophanu. 6o D. 0. III. 69 vom r8. April 99r. 6r L. HALPHEN in Bibl. de l'ecole des h. etudes r66, Paris 1907, S. 358f. 62 BuRY a. a. 0., STEIN a. a. 0. Schon im D. 0. II. z 55 unterfertigt der Erzkanzler auch als Proto; ebenfalls inoffiziell ist die Bezeichnung von Ottos III. Kanzler Heribert in seiner »Vita« als primtts sui (Ottonis) secreti (Mon. Germ., Script. IV S. 742). 63 SICKEL a. a. 0. S. 229 und jetzt FLECKENSTEIN a. a. 0. Ph. übergeht in D. 67 den italienischen Erzkanzler, nennt ihn aber in D. 97 wieder. Nach SICKEL soll er dann das
Kanzleramt verschmäht haben. Wahrscheinlicher ist, daß er nach dem Tode Theophanus zurückgedrängt wurde. Ebenso ist die Annahme, daß er das Amt nur interimistisch führte, bei den lockeren Beziehungen zu Italien in dieser Zeit, die den Charakter der italienischen Kanzlei bestimmen mußten, fraglich. »Sicheres ist darüber nicht auszumachen«, urteilte H. BRESSLAU, Handb. d. Urkundenlehre I (Leipzig 2 1912, Neudruck) S. 469 A. 3· 64 BuRY a. a. 0. S. 125, E. STEIN in: Zeitschr. f. Rechtsgesch. 54, Rom. Abt. 41, 1920, S. 249 -nicht zu verwechseln mit dem päpstlichen Vestarar; über diesen P. GALETTI, Del vestario della S. Rom. Chiesa, Rom I758. 65 So auch SICKEL a. a. 0. S. 228; P. KEHR, Die Urkunden Otto III., Innsbruck r89o, S. 56.
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B z: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Vielleicht darf man aus der Tatsache, daß der Grieche das ( S. 44S:) Kanzleramt für Italien nicht lange führte, schließen, daß sein Einfluß unter der neuen Regierung nicht ganz mehr der alte blieb. Aber ein neuer Plan kam ihm zu Hilfe, der ihn wieder unentbehrlich machte.
g) Ottos III. Werbung um eine byzantinische Prinzessin - Die Ereignisse in Rom Im Herbst 994 trat in Anwesenheit Ottos und Adelheids eine Versammlung der Großen zusammen, an der auch Philagathos teilnahm66 • Otto war jetzt so weit herangewachsen, daß die Übernahme der Regierung durch ihn selbst bevorstand und die Frage seiner Verheiratung akut wurde. Da die nötigen Schritte für diese im folgenden Jahre eingeleitet wurden, wird die Reichsversammlung diese Frage behandelt haben. Man ersah als Braut eine Tochter des byzantinischen Kaisers aus, deren Vorname uns nicht überliefert ist. Doch kann nur über die Töchter Konstantins VIII., Zoe und Theodora - die dritte ist in ein Kloster gegangen - verhandelt worden sein. Erst die späteren Verhandlungen werden dann zu der Entscheidung für eine der beiden geführt haben, wobei uns die Chronisten nicht verraten, ob es sich um die ältere oder die jüngere gehandelt hat6 7 • Dieser Plan, der in einer Zeit gefaßt wurde, als Theophanu schon tot und Otto noch ein Kind von vierzehn Jahren war, hinter dem wir uns neben der Kaiserin Adelheid die Großen des Reiches zu denken haben, ist also nicht einer persönlichen Vorliebe für Byzanz entsprungen. Er bewegte sich in den schon von Otto I. eingeschlagenen Bahnen, aber er beleuchtet auch die Bedeutung, die dem byzantinischen Reiche noch immer im Abendlande zugesprochen wurde; wiederum und trotz aller Reibungen verlangte man die künftige Kaiserin aus Konstantinopel. Der Gedanke ist nicht abzuweisen, daß hinter diesem Wunsche nach einer Verbindung mit dem söhnelosen Hause der Makedonen, durch dessen Regierung de& Erbfolgeprinzip in Byzanz festeren Fuß gefaßt hatte, der Gedanke auf Erwartung eines Erbanspruches, d. h. also die alte Hoffnung auf Wiedervereinigung von Ost und West unter einem Szepter gestanden haben kann. ( S. 449 .) Der geeignetste Unterhändler war wegen seiner griechischen Sprachkenntnisse naturgemäß Philagathos. Ihm wurde der Bischof Bernward von Würzburg beigeordnet; doch ereilte diesen mit vielen Begleitern schon auf der Hinreise der Tod. Philagathos erreichte dagegen wohlbehalten sein Ziel und konnte bei dem im Winter 995/96 aus Syrien erfolgreich zurückgekehrten Basileios II. seinen Auftrag ausrichten. Ohne zuzusagen, kam der Basileus Otto III. doch durch eine Gegengesandtschaft zur Fortführung der Verhandlungen entgegen, zu deren Führer ein 66 SrCKEL a. a. 0. S. zz6. 67 Ann. Quedl. zu 997 (Mon. Germ., Script.
III S. 74): ob Graeci imperatoris ft!iam sibi matrimonio adquirendam.
Ottos III. Werbung- Die Ereignisse in Rom
ihm sehr ergebener Mann namens Leon, der Geistlicher war und später zum Metropoliten von Synada bestellt wurde. In seinen zwölf Briefen- einige sind nur fragmentarisch erhalten- äußerte sich dieser Leon in der wegwerfendsten Weise über Philagathos, mit dem er gemeinsam zu reisen gezwungen war. Er nannte ihn einen »anmaßenden und hochmütigen Menschen«, dessen Mund voll sei »von Fluch und Bitternis, von Lästerung, Hinterlist und Schmähung« (6) 68 • Hinter dieser massiven Abneigung spürt man, in welchem Geiste diese Unterhandlungen verlaufen sein müssen. Da sich Philagathos als Gesandter gehütet haben wird, durch persönliche Schmähungen sich Feinde zu machen, so müssen wir an solche »Lästerungen« denken, wie sie Liudprands Verteidigungen der Ansprüche Ottos I. für den Stolz der Byzantiner darstellten. Neben dem gegenseitigen Herausstreichen der eigenen Macht, Frömmigkeit, Bildung, des Heeres und Reichtums muß es vor allem der Streit um den Titel »Kaiser der Römer« gewesen sein, der ja durch die offizielle Annahme desselben unter Otto II. seit den Tagen Liudprands noch verschärft war. Die im Laufe des Jahres 996 nach Konstantinopel gedrungenen Nachrichten aus Italien können diese Reibungen nur verstärkt haben. Im Frühjahr war Otto III. in stattlicher Begleitung über die Alpen gezogen, wo ihn die Nachricht von dem Tode des Papstes J ohann XV. erwartete, ( S. 4; o:) dessen letzte Jahre wieder einmal gezeigt hatten, daß Papsttum und Römerturn aus ihren verschiedenen Ambitionen heraus notwendigerweise immer von neuem in Konflikt geraten mußten. Als der Schwächere hatte J ohannes XV. dem Drucke des Patricius Crescentius weichen müssen. Er hatte sich nach Toskana zurückgezogen, von wo aus er mit dem für ihn gegebenen Beschützer, dem jungen König, in Verhandlungen getreten war. Diese Geneigtheit des Papstes mußte Otto sehr willkommen sein, da ihm nach der Tradition seines Hauses, vor allem aber, um beim Basileus als Werber von gleichem Rang auftreten zu können, an dem baldigen Vollzug der Kaiserkrönung viel gelegen sein mußte. Die Vorbereitung einer engen Beziehung zwischen Papst und König bedeutete zugleich eine Bedrohung des Patricius. Deshalb hatte dieser nachgegeben und dadurch Johannes den Weg nach Rom zurück freigegeben69 • Diese Verständigung kam
68 Diese Nummer bezieht sich wie die folgenden auf die Briefe des Gesandten Leon; s. den folgenden Abschnit. - Sie wurden in diesem Aufsatz zum ersten Mal für die Forschung ausgewertet, obwohl sie bereits seit I 892 gedruckt vorlagen. 69 Diese Ereignisse sind in dem oben S. 2oi genannten Aufsatz von Fedor SCHNEIDER sichergestellt, der jedoch zu eng in ihnen
den Anlaß zur Romfahrt Ottos sieht. Für das folgende verweise ich noch einmal auf: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto II. und Otto III., II: Otto III. von Mathilde UHLIRZ, Berlin I954 S. I94ff. und: Regesten des Kaiserreiches unter Otto III., nach J. Fr. BöHMER neubearbeitet von M. UHLIRZ, Graz-Köln I956/7 S. 6o9ff.
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B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
jedoch durch den Tod des Papstes nicht mehr zur rechten Auswirkung. Der Patricius war jedenfalls in eine anti-ottonische Stellung gerückt. Auf den Rat seiner Großen machte Otto nun von der einzigartigen Gelegenheit, das Papsttum dem Einfluß der römischen Herren zu entziehen und ihm das schwer beeinträchtigte moralische Ansehen wieder zu geben, vollen Gebrauch. Zum Stuhle Petri verhalf er seinem Vetter Bruno, dem Sohn des Herzogs von Kärnten, der durch die Annahme des Namens Gregor V. den neuen, in die Kurie eingezogenen Geist zum Ausdruck brachte. Im Mai empfing Otto III. aus der Hand seines Papstes die Kaiserkrone und ließ sich - das Vorbild seines Vaters konsequent durchführend - von nun an Kaiser »der Römer« nennen. Der Wunsch, dem schnellen Erfolg die dunkle Seite eines Strafgerichts zu ersparen, ließ ihn verkennen, daß die glückliche Lösung die Schwierigkeiten überrannt, aber nicht ausgerottet hatte. Der Kaiser verzichtete nämlich darauf, Crescentius, den bisherigen Herrn der Stadt, unschädlich zu machen; auf die Bitte Gregors begnadigte er ihn und ( S. 451.") stellte den Papst unter den Schutz der benachbarten, ihm sicher ergebenen Territorialherren von Toskana und Spoleto. Da das ungewohnte Klima die Gesundheit des Kaisers angriff, reiste er im Herbst trotz Gregors Bitten über die Alpen zurück - offensichtlich voll Vertrauen auf den sicheren Bestand der neuen Regelung. Die Nachricht, daß ein Papst deutscher Abstammung in Rom herrsche und Otto sich »Kaiser der Römer« nenne, muß in Konstantinopel eine höchst ungünstige Wirkung hervorgebracht haben. Das konnte aber nicht verhindern, daß Philagathos in Begleitung des Gesandten Leon Ende des Jahres die Heimreise antrat. Gleich nach der Abfahrt gerieten sie in Gefahr: »Kaum hatten wir die Anker gelichtet und den Hafen bei der Hagia Sophia verlassen, da wurde das Schiff hin- und hergerissen und wäre beinahe gekentert« (7; vgl. auch 2). Nach Besteigen eines anderen Schiffes setzten die beiden Gesandten die Reise nach Italien fort; sie trafen dort im Januar 997 ein und erreichten um die Monatswende Rom.
h) Leon, der byzantinische Gesandte, und Johannes Philagathos, der Gegenpapst Leon betrat im Westen eine andere Welt. Zwar konnte auch er sich nicht dem Eindruck der aurea Roma entziehen: »Ich sah ... Rom, eine gewaltige Sache«, so berichtete er nach Haus (6), aber er war viel zu sehr Gesandter seines »Kaisers der Römer«, um nicht mit Schmerz die Herrschaft des anderen Kaisers zu betrachten und auf die Rückführung des eigenen zu sinnen. Er deutete einem Freunde seine Zukunftshoffnungen ganz deutlich an: »Rom bedarf der Stärke eines kräftigen, mächtigen Mannes und bedeutenden V erstarrdes. Diesen besitzt, wie Du weißt, unser großer und hoher (Kaiser) in höherem Maße als seine Vorgänger - wie Du selbst mehr als die anderen weißt, da Du mit den Kaisern (d. h. Basileios II. und Konstantirr VIII.)
Leon, der byzantinische Gesandte, und sein Gegenpapst
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mehr sprichst und Teil hast an ihren Geheimnissen« (3). Das war der Wunsch nach einer Politik gemäß der alten, byzantinischen Tradition, die nur ein rechtmäßiges Kaisertum der Römer kannte, auch wenn Rom vor den Grenzen des Reiches lag. Das hinderte aber nicht, daß dem Byzantiner Leon die Römer selbst ebenso verhaßt wie Philagathos waren (5) und daß er schon bald nach seiner Ankunft seinem Freunde gestand, er sei lieber bei ihm in der Heimat als unfreiwillig und voll Widerwillen in Rom (4). ( S. 452:) Das Eintreffen des Gesandten Leon und seines Reisegefährten Philagathos brachte in dieser Stadt einen Stein ins Rollen, der nur noch eines Anstoßes bedurfte. Unversehens standen beide im Vordergrund der Ereignisse. Gregor V. hatte im Januar Rom verlassen, um auf einer Synode zu Pavia die ihn besonders beschäftigenden französischen Fragen zu regeln. Denn war er durch seine Abstammung und seinen engen Rückhalt am Kaiser den Byzantinern unerwünscht, so galt das aus ähnlichen Gründen auch für den französischen König und seine Geistlichkeit: sie blieben trotzLadungder Synode fern. Es zeigte sich, daß Gregor allein gar nicht in der Lage war, sich durchzusetzen: in demselben Augenblick, als er die Absage der Franzosen bekam, verlor er die Herrschaft über das im Augenblick sich selbst überlassene Rom. Ungehindert durch den abwesenden Papst und den noch weiter entfernten Kaiser, konnte Crescentius von neuem die Zügel der Herrschaft an sich reißen. Er brauchte aber, um sich Otto gegenüber behaupten zu können, den Rückhalt an einem starken Bundesgenossen, und- um Gregor die Machtmittel der I
nene griechische »Vita S. Nili« spricht c. 89 (Mon. Germ., Script. IV S. 6r6) von seiner
unersättlichen Habgier, die ihn noch über seine in beiden Kaiserreichen geachtete Stellung hinausgedrängt habe.
2.2.2.
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Hof, durch dessen Schutz allein er es so weit gebracht hatte, bedenkenlos hinweg. Als sein Ziel gibt eine Chronik an, »daß er die Ehre des Römischen Reiches voll List auf die Griechen zu übertragen versucht habe« 71 • Darauf mußte sein Treiben ja in der Tat hinauslaufen, und vielleicht hat gerade die Aussicht, dem Basileus durch ein byzantinisiertes Papsttum den Weg nach dem Westen zu ebnen und damit die allgemeine Idee der Einheit des orbis terrarum wieder verwirklichen zu helfen, seiner Eitelkeit besonders geschmeichelt. Auf Grund seiner Herkunft von der lateinischgriechischen Grenzscheide mochte er sich zu einer solchen welthistorischen Rolle besonders bestimmt glauben. Und Leon? Ihm waren die Römer und Philagathos zwar persönlich verhaßt, aber für die Politik seines Herrschers zeichneten sich viel konkreter als dreizehn Jahre vorher, als Bonifaz VII. von Konstantinopel nach Rom zurückkehrte, große Möglichkeiten ab. Auf jeden Fall wurde ja der Rivale seines Herrschers durch die Verstärkung der Empörung geschädigt; dann aber konnte bei günstiger Fortentwicklung, wenn sich erst einmal das »verwaiste« Rom von dem Sachsen losgesagt hatte, der allein berechtigte und durch seine Macht und Klugheit persönlich noch besonders zum Herrscher Roms legitimierte Basileios II. daran denken, das Regiment wieder an sich zu nehmen, das seine Vorgänger besessen hatten. Für die Sicherung dieser Ausgangsposition mußte dem Gesandten lieber als ein Römer ein Grieche als Papst sein. Da aber war Philagathos der einzige gerade in Betracht kommende Kandidat, so sehr Leon auch persönlich Widerwillen gegen ihn empfinden mochte. So wuchs aus drei verschiedenen Tendenzen ein Bund zwischen Patricius, Gegenpapst und dem sich im Hintergrund haltenden Byzantiner zusammen. Was Leon tat und was er dabei empfand, lassen seine Briefe erkennen. Seine »amtlichen« Berichte gingen offensichtlich an den mehrmals erwähnten »Herrn Kalokyros«, in dem wir jenen Logotheten zu vermuten haben, der mit den »außenpolitischen« Geschäften betraut war und über deren Fortgang den Basileus informierte. Die erhaltenen Briefe stellen- um noch einen zweiten modernen Ausdruck zu gebrauchen - Leons Privatkorrespondenz dar: sie konnte daher subjektiv zugespitzt und mit einer teilweise geradezu skurrilen Rhetorik aufgeputzt sein, versorgt uns aber doch mit Nachrichten über viele Einzelheiten, von denen wir sonst nichts wüßten. In einem Schreiben an den Patriarchen Sisinnios von Konstantinopel, dem für Leon nach dem Basileus wichtigsten Manne, heißt es triumphierend( r )72 : »Rom ist unter den Händen und Füßen unseres großen und hohen Kaisers (Basileios II.). Gott
71 Arnult: Gesta archiep. Mediol. I, r r (Mon. Germ., Script. VIII S. 9f.). 72 Bei diesem und dem folgenden Schreiben (Nr. r-2) handelt es sich um Briefe, die mir
bei dem Erstabdruck noch nicht bekannt waren (das gleiche gilt für das weiter unten eingebaute Schreiben Nr. 7).
Johannes
Philagathos als Gegenpapst
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wollte und fügte es und wollte mit meiner Hilfe dies bewerkstelligen; ich wurde nämlich Diakon (d. h. Diener), das Herz des mächtigen Crescentier lenkte Gott.« Das war ein vermessenes, ja geradezu blasphemisches Hineinziehen Gottes in irdische Händel - aber das hat es zu allen Zeiten gegeben. Sachlich ergibt sich, daß Leon ein Schreiben des Patriarchen mitgebracht hatte, bei dessen Abfassung noch an den Papst Johann XV. gedacht worden war. Inzwischen war ihm Gregor V. gefolgt, den Leon nicht mehr in Rom antraf, da er die Macht über die Stadt verloren hatte. Das Schreiben des Patriarchen dem Gegenpapst auszuhändigen, war Leon nicht gewillt- sicherlich nicht nur aus der in seinem Brief deutlich zum Ausdruck kommenden persönlichen Abneigung, sondern um seinen Auftraggeber nicht vorzeitig festzulegen: der Patriarch wäre dann im Kirchengebet des Gegenpapstes angeführt worden. Leon deponierte deshalb das Schreiben des Patriarchen auf der Confessio St. Petri, die auch sonst für das Niederlegen wichtiger Schriftstücke benutzt wurde, und riet ihm, des Gegenpapstes nirgendwo in der IGrche Erwähnung zu tun und auch nicht erkennen zu lassen, daß er über den Umschwung in Rom orientiert sei. Noch ausführlicher, zugleich noch subjektiver ist ein gleichzeitiges Schreiben an den Metropoliten Leon von Sardes (Nr. 2), demja-im Gegensatz zum Patriarchendie unmittelbare Orientierung fehlte. In diesem Brief brüstete sich Leon unverhohlen, daß er den - von ihm in seiner Schlechtigkeit erkannten - Philagathos zum Papst gemacht habe: »der Kerl aus Kalabrien oder Sizilien oder gar vom Aetna, der verdiente, von ihm ausgespien oder in ihn hineingeworfen zu werden« (natürlich wußte der Schreiber, daß Philagathos aus Kalabrien stammte, stellte sich aber unwissend, um die Pointe mit dem Aetna anbringen zu können). Es folgt darauf eine Kaskade von Beschimpfungen, die in der ganzen griechi!;chen und lateinischen Literatur des Mittelalters ihresgleichen sucht, besprenkelt mit Wendungen, die nur gebildete Leser verstanden, im wesentlichen aber gebildet aus gängigen Schimpfwörtern, von denen manche bei einem Streit in der Gosse besser am Orte wären als in einem Schreiben an einen hohen Geistlichen - der Absender durfte jedoch offensichtlich darauf rechnen, daß seine Beschimpfungen ihm beim Empfänger Lob wegen seines rhetorischen Wortreichtums eintragen würden. Da heißt Philagathos »Vater und Sack der Lüger«, »Verleumder«, »Hund«, »Abenteurer«, »Gottesleugner«, »verkörperter Neid und List in Person«, »Rasier- und Küchenmesser«, »diese Schlange, diese listige Zunge«, »dieser Dreck in Vollendung, dieser Bauch; dieser, der alles, was unterhalb des Bauches ist, für einen Gott hält«, »dieser Häretiker, dieser Heide«, »dieser Feind Gottes und der Heiligen« - es lohnt nicht, den ganzen Katalog der Schmähungen hier zu wiederholen. Leon berichtete dem Metropoliten, daß er - nachdem er die Lage erkundet hatte Feuer und Flamme dafür war, Philagathos »auf den großen apostolischen Thron zu setzen, der nicht verwaist war«.
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B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
In weiteren Schreiben, die der Gesandte nach Hause sandte, faßte er sich kürzer; aber der Grundton war derselbe. Einem befreundeten Mönche wartete er - das Lukaswort profanierend - mit der Neuigkeit auf: »Siehe, ich verkündige Dir als Papst ... den Philagathos« (5 ). EinemBeamten schrieb er in der Vorahnung, welche Wirkung diese unerwartete Nachricht hervorrufen müßte: »Ich weiß zwar, daß Du gern lachst; ich vermute aber, daß Du Dich jetzt vor Lachen schüttelst, wenn Du hörst, daß ich den Philagathos zum Papst gemacht habe« (3). Einem hohen Geistlichen gegenüber rühmte sich Leon gleichfalls der Tatsache, daß die Kandidatur des Philagathos auf ihn zurückgehe: »Ich gab ihr (d. h. der Roma) als Mann den Erzbischof vom Frankenreich, der im Juli (?) deinen Segen erhalten hat« (6). Zugleich rechtfertigte Leon sein Vorgehen: »Wenn ich auch den Anschein erwecke ... , säumig gewesen zu sein, so war ich es doch nicht . . . Es war nötig, so vorzugehen; andernfalls hätte man einen Schritt zurück machen müssen« (6). Damit hatte der byzantinische Gesandte ja ganz recht, da er durch das Abschlagen einer Mithilfe dem abendländischen Kaiser in die Hand gearbeitet hätte. Deshalb konnte er gleich die sich ergebenden Perspektiven ausmalen: »nämlich, was keine sichere Grundlage hat, ist völlig leicht und mühelos einzureißen« (6). Ein Spatenstich zur Unterhöhlung des rivalisierenden Kaisertums war ja auf jeden Fall getan. Dabei mußte sich Leon nach dem Vollzug der Intrige selbst wundern, »wer die Dinge ... völlig verkehrt durcheinander brachte und wer Unvermischbares mischte, so daß die alte (Roma) einen überaus jungen Mann bekommt, der von Wollust strotzt und über die Jungen herfällt« (hier ist dem alten Gedanken, daß der Bischof mit seiner Kirche eine Ehe eingehe, ein obszöne Note gegeben). Leon blieb also nichts anderes übrig, als mit den Wölfen zu heulen (5). Leon hatte die nach Entladung drängenden Kräfte vorgefunden, hatte ihnen nur die ihm dienliche Richtung zu geben. Er konnte ja auch gar nicht persönlich hervortreten, solange ihn nicht Instruktionen seines Herrschers vorwärts wiesen. Noch galt ja sein Auftrag, mit Otto III. zu unterhandeln, bei dem er sich nicht durch eine sichtbare Unterstützung der Gegner unmöglich machen durfte. So konnte er dieses Lavieren schließlich in die Worte zusammenfassen: »Es sollte nicht mein Geschick sein ... , daß ich zu diesem oder jenem eilte, sondern ich folgte dem, was geschah« (I2). In einem anderen Brief sah er die Gefahr, die ihn bei dem Verlassen Konstantinopels bedroht hatte, nunmehr als ein schlechtes Vorzeichen an: den Übergang aus dem Lager des Philagathos in das des Kaisers stellte er daher metaphorisch als das Umsteigen aus einem Schiff in ein anderes dar (7). Der Verlauf seiner Aktion aber befriedigte ihn: (S. 4JJ.") »Was den Augenblick betrifft, freue Dich, lache« (3). Leon war sich dabei vollkommen über die Unrechtmäßigkeit des Gegenpapsttums und über die ihm entgegenwirkenden Widerstände im klaren. Abermals das Bild benutzend, nach dem der Priester mit der Kirche eine Ehe eingeht, schrieb er: »Rom hat . . . seinen eigenen Papst, der zwar im Augenblick durch Gewalt und
Die Haltung des Gesandten Leon
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Zwang vertrieben ist, der jedoch den Ehebrecher finden und sich auch mit Eifer an ihm rächen wird« (6, auch schon 2). Ja, er verglich Philagathos sogar mit dem unheildrohenden Engel der Apokalypse (5). Daß der Gegenpapst sich nicht werde durchsetzen können, wurde Leon bald klar. Im Brief an den Metropoliten von Sardes heißt es über Philagathos: »Er stöhnt nämlich schon jetzt und erwartet, daß die Strafe von Gott, von den Menschen, von Otto (III.) und vom Papst (Gregor V.) über ihn kommen wird. Jener Papst ist nämlich gerüstet und voller Eifer. Ich glaube aber, daß er keine Schonung kennen wird, daß er sich nicht ändern und daß er durch Geschenke nicht erweicht wird. Er (Philagathos) aber duckt sich, fürchtet sich und ist schreckhaft in der Erwähnung des Endlosen« (2). Für Leon war nun die Hauptfrage, wie der byzantinische Hof auf seine eigenmächtigen Unternehmungen eingehen werde. »Wenn ... der Kaiserunsern Dienst gut aufnimmt«, so wog er seine Aussichten ab, »dann mag es gut sein. Wenn er ihn aber verwirft, ... und alle Menschen, die Unterscheidung~gabe besitzen, dann sieh selbst zul Was aber könnte ich sagen, wenn er einen fände, der nicht annimmt?« (6). Wie er diesen Vertrauten aufforderte, zu sehen, wie er in seinem Interesse wirken könnte, so bat er einen anderen: »Kämpfe für mich, glätte das Rauhe, hilf mir l« (12). Von einem dritten wollte er wissen, ob seine Auffassung durchdringe oder unterliege, ob man mit den »verwitweten« Gebieten Italiens übereinstimme oder nicht (5). Auf jeden Fall sei ihm- so betonte er- in seiner Verlassenheit der Briefwechsel eine Erholung, selbst wenn er dadurch Ungünstiges erfahren sollte (5 ). Auf seine Eigenmächtigkeit zielte es wohl auch, wenn er sagte: »Ich bin gezwungen, sowohl bei den Freunden als auch bei meinen Herren Anstoß zu erregen« (4). Leons geschicktes Spiel hinter den Kulissen ist ihm sehr gut gelungen. Die zeitgenössischen Zeugnisse schieben die Schuld auf Crescentius, Philagathos oder die Römer, und außer dem schon genannten Mailänder Arnulf erzählt nur noch Benzo von Alba in der Zeit Heinrichs IV., daß die Empörer »mit den Griechen unerlaubte Beziehungen ( 5. 456:) gepflegt« hätten73 • Als Italiener konnten sich diese beiden natürlich ein klareres Bild von den Vorgängen machen als die übrigen Chronisten. Die Zusammenkunft des Gesandten mit Otto III. mußte noch hinausgeschoben werden, weil der Kaiser an der Eibe mit den Slawen im Kampfe lag. Gesandte, die er nach Rom geschickt hatte, wurden von Crescentius gefangen gesetzt74 • Da der Kaiser sich wohl kaum herbeigelassen hatte, mit dem Empörer zu unterhandeln, dieser sich auch schwerlich über das Gesandtenrecht hinwegsetzen konnte75 , waren sie 73 I cap. 13 (Mon. Germ., Script. XI S. 6o4). 74 Ann. Quedlinb. zu 997 (ebd. III S. 74); Thietmar IV, 30 (21), ed. R. HoLTZMANN, Berlin 1935 S. 167f. (Mon. Germ., Script. I
5 Schramm, Aufsätze Ill
N. S. IX). 75 V. MENZEL, Deutsches Gesandtschaftswesen im Mittelalter, Hannover 1892 S. 192f.
B z: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
vielleicht zum Empfange Leons abgesandt, so daß Crescentius sie als Gesandte an einen Dritten abfing. Bei der vorsichtigen Haltung des Gesandten ist es fraglich, ob er noch lange in Rom geblieben ist; denn nach dem ersten Überraschungserfolg der Empörer zeigte sich, daß ihre Lage nicht hoffnungserweckend war, daß sie sich vor allem nicht verbessern ließ. Crescentius vermochte seinen Machtbereich nicht über das römische Gebiet auszudehnen76 - ob er nach Süden hin einigen Einfluß gewann, läßt sich nicht mehr klären. Philagathos aber konnte sich dem rechtmäßigen Papste gegenüber in keiner Weise durchsetzen; denn selbst für Gregors Gegner, die Franzosen, war ein Zusammengehen mit dem durch griechische Abstammung und Illegitimität gleich belasteten Manne nicht möglich. Auf Rom begrenzt, mußte daher ein so gewitzigter Mann wie Philagathos das auf die Dauer Aussichtslose seiner Position einsehen und zum Nachgeben berC"it sein. Sein Angebot, sich zu unterwerfen und - vermutlich in ein Kloster zu gehen77 , muß schon spätestens im Juni 997 abgegangen sein; denn im Juli, als die Slawengefahr siegreich überstanden war, (.1'. 4!1·) konnte der an Ottos Hof geflüchtete und von nun an vom Kaiser hochgeschätzte Erzbischof Gerbert von Reims nach Frankreich melden: »Weil nämlich die meisten Stämme der Skythen78 danach trachten, sich dem Befehl unseres Cäsars zu unterwerfen und jener J ohannes der Grieche verspricht, daß er tun würde, was uns gefallen wird, so ist bisher noch unentschieden, wohin wir die erprobten Heere wenden sollen 79 .« So ist es verständlich, daß sich Gregor V. zur Zeit des Herbstes im Gebiet von Spoleto aufhalten konnte, dessen Graf also den ihm von Otto im Vorjahre übertragenen Schutz des Papstes ausübte - wenn auch nicht in der ihm aufgetragenen, durch die Zwischenfälle in Rom unmöglich gemachten Weise. Ja, vielleicht hat Gregor sich noch näher an Rom herangewagt; denn Abt Abbo von St. Benoit-sur-Loire (Fleury), der als französischer Gesandter die Beziehungen zwischen Robert von Frankreich und Gregor ordnen sollte, suchte im Oktober den Papst erst in Rom, ehe er ihn in Spoleto fand 80 - demnach muß er die \'Viedereinsetzung Gregors als bereits erfolgt angesehen haben. Vielleicht hat der Papst, der bei Otto nicht die Zusicherung eines
76 HARTMANN a. a. 0. IV, S. 1II nach den Datierungen der Urkunden. 77 Vita S. Nili c. 89 (Mon. Germ., Script. IV S. 6r6), wonach er den Rat des Nilus, in ein Kloster zu gehen, annahm, wobei fraglich bleibt, ob sich diese Nachricht schon auf den Sommer 997 bezieht. 78 Nach Mathilde UHLIRZ, Die »Scythae« in den Briefen Gerberts von Aurillac, in den Mitteil. des Inst. f. österr. Geschichtsforsch. 59, 1951 S. 411-5 versteht Gerbertunterden
»Skythen« die Ungarn; doch ist an dieser Stelle an die aufständischen Slawen zu denken. 79 Nr. zzo; über das Datum des bisher an das Jahresende gesetzten Briefes vgl. ScHRAMM, Briefe a. a. 0. - vielleicht war Gerbert nicht Absender, sondern Empfänger dieses Briefes (vgl. die Edition der Mon. Germ. Hist. S. 261). So Aimo: Vita S. Abbonis c. XI (MrG;.;rE, Patrol. lat. 139 Sp. 401).
Leon- Papst Gregor V. - Otto III.
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schnellen Beistandes hatte durchsetzen können, schon aus eigener Kraft einen Versuch gemacht, Rom zurückzugewinnen, so daß Abbo erwarten konnte, ihn dort anzutreffen. Wenn die Zwischenzeit auch gerade lang genug ist, um den Entschluß des Philagathos zum Rücktritt durch Nachrichten aus Byzanz zu motivieren, die ihm die Hoffnungslosigkeit seiner Pläne hätten klarlegen können, so scheint das doch nicht der Fall gewesen zu sein; vielmehr haben laut Leons Briefen seine Landsleute die von ihm gehegten Hoffnungen geteilt. Rückblickend schrieb er über diesen Abschnitt seiner Tätigkeit: »Unsere Angelegenheiten haben sich nicht in dem Sinn, wie die Unsrigen hofften, entwickelt, sondern wie der gute, allwissende und starke Gott es leitete, und auch in einem Sinn - sage ich-, wie weder ich noch jemand sonst es erwartete« 1 r). Hiernach ( S. 458:) scheint seine Besorgnis über das Urteil der Überkritischen nicht begründet gewesen zu sein. Jedenfalls mußte er sich eingestehen, daß der Lauf der Dinge seine Hoffnungen schnell erledigte: er hatte wohl die Abneigung gegen die Griechen und das Rechtsgefühl des Abendlandes, die nun als Bundesgenossen des Reiches wirkten, nicht hoch genug in Rechnung gestellt. Die Gründung Ottos des Großen war in sich zu sehr gefestigt und stand als einzige Großmacht Westeuropas zu überlegen da, um durch eine noch so klug eingefädelte Intrige auf die Dauer mattgesetzt werden zu können. Leon mußte daher seinen Freunden schreiben, daß er diese Angelegenheit als für die Byzantiner leidvoll und unerfreulich ausgelaufen erkannt habe (ro). In der Lage, sowohl nach Italien ziehen als auch den Slawenkrieg fortsetzen zu können, entschied sich Otto III. wieder für die Lösung, die er schon im April in der damals ungünstigeren, aber in der Alternative gleichen Lage gefunden hatte: er vollendete das Werk der Unterwerfung und wandte sich nach siegreichem Ende des Kampfes im September nach Aachen. Hier muß er endlich mit dem Gesandten Leon zusammengetroffen sein, der sich im August aus Italien aufgemacht hatte und im Oktober beim Kaiser eintraf. Die dreimonatliche Reisedauer zeigt, daß er sich nicht beeilt hatte, seinen Auftrag auszuführen. Einem Freunde konnte er berichten, daß er die Angelegenheit der Werbung besprochen habe; dabei deutete er ihm zugleich an, in welchem Geiste er die Unterhandlungen geführt habe: »\Venn wir uns nicht dagegengestellt hätten, würde nichts gehindert haben, daß die Werbung sofort einen leichten Fortgang genommen hätte« (ro). Also großes Zuvorkommen von Ottos Seite und eine wohlüberlegte V erschleppungspolitik auf der anderen, wie sie sich schon in Leons langsamer Reise ausdrückte- jetzt war er schon ein Jahr unterwegs! Man kann sich denken, daß die Byzantiner die Möglichkeit gehörig ausnutzen wollten, sich den abendländischen Kaiser durch ein Hinausschieben der Entscheidung recht lange gefügig zu halten, dadurch die Bedingungen für die Gewährung der Bitte zu verbessern und in der Zwischenzeit vor jeder ihnen unangenehmen
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B z: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
(S. 459.') Maßnahme des kraftbewußten Rivalen sicher zu sein. Man kann sich aber auch vorstellen, daß dieses Verschleppen auf den abendländischen Hof, der gerade einen Sieg errungen und in Italien nicht mehr viel zu fürchten hatte, den ungünstigsten Eindruck machen mußte. Wir können beobachten, wie die Verhandlungen mit Leon bei Otto und seiner Umgebung einen völligen Umschwung der Stimmung gegenüber den Griechen bewirkten.
i) Otto III., beraten von Gerbert,jetzt gegen Byzanz Im Jahre 984 hatte der als Kunstfreund bekannte Erzbischof Egbert von Trier in einem Briefe an Gerbert von Reims Otto III. schlechtweg als Griechen bezeichnet81 • Wenn er es auch als damaliger Parteigänger des nach der Krone greifenden Bayernherzogs getan hatte, so muß doch der Einfluß der Theophanu auf den vaterlosen Otto sehr bestimmend gewesen sein. Mit der Kenntnis der griechischen Sprache, deren sich nördlich der Alpen kaum einer rühmen konnte 82 , muß sie ihm auch ein Sr Nr. z6: Gerbett greift hier Egberts Ausdruck auf. Sz Ebenda Nr. r87 schreibt Gerbett an Otto: »Nicht verschwiegen aber ist (neben der Bescheidenheit) die feine Veranlagung des Geistes, der sich selbst genau kennt - Otto hatte ihm von seiner Veranlagung geschrieben -, zumal Ihr ja die Möglichkeit, ihm sozusagen durch die Sprache zum Ausdruck zu verhelfen, die sowohl aus der angeborenen als aus der griechischen Quelle fließt, durch Eure Sprachkunst gezeigt habt« (Gerbert hatte schon 996 Otto in Italien sprechen hören können). Die Literatur über griech. Sprachkenntnisse bei L. TRAUBE, 0 Roma Nobilis, in Abh. der bayer.Akad.,ph.-ph. Kl. I9,2, I89I, S. 353f., E. PERELS, P. Nikolaus I., Berlin 1920, S. I92f. A. 4· Wie sehr das Einfließenlassen von griechischen Worten, womöglich das Zitieren eines ganzen Satzes zum Nachweis der Bildung gehörte, ist aus Liudprand für Italien bekannt; daß dasselbe auch nördlich der Alpen galt, zeigt die Zusammenstellung von J. EGLI aus dem von ihm herausgegebenen Liber benedictionum des Ekkehard IV. von St. Gallen (Mitt. z. Vater!. Gesch. XXXI, 4· F. r, I909), S. XXXVIf. Für diese
Kenntnisse gilt das Wort des Purckard aus den Casus St. Galli (Mon. Germ., Script. II S. I 2 5): Esse ve!im Grecus, cttm sim vix, domna, Latinus! - Auch die Buchmaler prunken vielfach mit griechischen Buchstaben, z. B. W. VoEGE im Rep. f. Kunstgesch. XIX S. I 32, G. SwARZENSKI, Regensburger BuchmaL s. 74, 8rf., zz6, H. EHL, Otton. Kölner Buchmalerei S. 49, 75, I45, 238. Daß nicht nur in Italien, sondern selbst in Böhmen griechische Worte in der Liturgie beliebt waren, vgl. Cosmas III I 3 (Script. rer. Germ., N. S. II, I923, S. I74f. bes. A. 6). Zu dieser Mode gehört auch, daß italienische Juristen usw. ihre Namen mit griech. Buchstaben schreiben, vgl. D. 0. III. 41 r, D. H. II, 299; L. A. MuRATORr, Antiqu. Ital. I, Mailand 1738, S. 411; G. TrRABOSCHI, Storia dell'aug. badia di S. Silv. die Nonantola, Modena 1785, II, S. 152; Arch. d. R. Soc. Romana XXI (Rom r898), S. 534; dazu J. FrcKER, Forsch. z. Reichs- u. Rechtsgesch. III, Innsbruck r87o, S. 422. -Darin haben F. GREGOROVIUS und ihm folgend L. M. HARTMANN einen Beweis für die Byzantinisierung von Ottos Hof sehen wollen: es handelt sich dagegen um eine allgemeine, weit verbreitete Zeiterscheinung. - V gl.
Otto III., beraten von Gerbert, jetzt gegen Byzanz
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Bewußtsein von der ( S. 46 o:) byzantinischen Kultur und Bildung, deren Überlegenheit über das Abendland des ro. Jahrhunderts sich nicht bestreiten läßt, vermittelt haben. Das drückt sich in dem Briefe aus, mit dem Otto III. im Frühjahr 997 Gerbert an seinen Hof lud, um von ihm unterrichtet zu werden. »Wir wollen«, so fordert er ihn eindringlich auf, »daß Ihr Euch durch die sächsische Rauheit nicht abschrecken laßt, daß Ihr vielmehr unsere Veranlagung zu griechischer Feinheit in einen Zustand des Wissens läutert, da ja, wenn nur ein Anbläser kommt, bei uns ein Funke des griechischen Eifers für die Wissenschaft gefunden werden möchte 83 .« Man hat diesen Satz oft als eine Absage an die sächsische Heimat aufgefaßt. In Wirklichkeit stand Otto wenige Wochen nach der Absendung des Briefes vor der Alternative, dem in Italien bedrängten Papste Hilfe zu bringen oder erst die über die Elbe eingedrungenen Slawen zurückzuwerfen. Er entschied sich für die Verteidigung Sachsens und entschied sich noch einmal im Juli für sie, als er wiederum vor die Wahl zwischen Italien und Sachsen gestellt war: in der Fürsorge für die Heimat seiner Dynastie sah er also gerade in der Zeit des Briefes die Hauptaufgabe seines Amtes. Um dem Sinn des Schreibens gerecht zu werden, muß man gerrau seinen Stil beachten, der die Wirkung durch mehrfache Antithesen zu steigern sucht - so auch bei der »sächsischen Rauheit«, jener der subti!itas entgegengesetzten rusticitas, die eine ständige Bescheidenheitsfloskel mittelalterlicher Autoren darstellt 84 • Pries man die griechische Feinheit, so ergab sich nach Stil und Schema ( S. 46I :) die sächsische Rauheit ja von selbst - ganz abgesehen davon, daß ja auch in der Wirklichkeit diese Gegenüberstellung sachlich zu rechtfertigen war. Nicht hierin, sondern in der Hochachtung für die griechische Kultur, Bildung, Wissenschaft und in dem Stolz, durch Abstammung zu ihr in Beziehung zu stehen, der Otto am Schluß des Briefes noch einmal von dem in ihm zu erweckenden »lebhaften Geist der Griechen« sprechen läßt, ist das Wesentliche zu sehen. Politisches Wirken für Sachsen vertrug sich sehr gut mit einer Hinneigung zu byzantinischer Geisteskultur. Gerbert griff in seiner Antwort diese Bemerkungen auf und rückte sie dabei in eine größere Perspektive. Er rühmte Ottos geistige Veranlagung, die durch Kenntnis der römischen und griechischen Sprache so bevorteilt sei und nahm das zum Anlaß, um Otto auf die großen, seiner harrenden Aufgaben hinzuweisen: »Dabei weiß ich nicht, was Gott damit ausdrücken will, daß ein Mensch- nach der Abstammung ein Grieche, nach der Herrschaft ein Römer - gleichsam auf Grund des Erbrechts sich um die Schätze Griechenlands und Roms zugleich bewirbt« 85 • Der Gedanke, daß Gott mit dieser seit Karl dem Großen immer wieder vergeblich versuchten, in
jetzt B. B1SCHOFF, Das griechische Element im abendländ. MA, in dessen »Mittelalterlichen Studien« II, Stuttgart 1967 S. 246-75. 83 Nr. 186 = D. 0. III. 24r.
84 F. v. BEZOLD, Das Fortleben der antiken Götter im mittelalterlichen Humanismus, Bonn und Leipzig 1922, S. 19. 85 Nr. 187.
2)0
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Otto lebendig gewordenen Verbindung der beiden Kaiserreiche ganz besondere Dinge vorbereite, lag ja nahe; er führte dazu, neben dem Griechentum Ottos sein im Reich begründetes Römerturn zu betonen. Gerbert hatte bald Gelegenheit, dem Kaiser seine Ideen persönlich nahezu bringen. Er weilte von April-Juli 997 bei ihm und konnte sich damals den großen, bis zu Ottos Tod bewährten Einfluß auf seinen dankbaren Schüler erwerben. Er begleitete dann Otto - ebenso, wie wir es von Leon annehmen dürfen - auf dem Marsche nach Italien im Winter 997/98. Gerbert muß also den Byzantiner nicht nur gekannt, er muß als wichtiger Berater des Kaisers auch Anteil an den Verhandlungen gehabt haben. Daher sind seine Äußerungen über die Griechen aus dieser Zeit für die kaiserliche ( S. 462 .") Seite ein ebenso unmittelbares Zeugnis wie die Leons für die byzantinische. Auf der Reise nach Süden schrieb er - wohl im November-Dezember - eine philosophische Schrift nieder, als deren Zweck er in der Widmung 86 an Otto erklärte, »daß sich Griechenland nicht allein mit einer vom Kaiser gepflegten Philosophie und mit römischer Macht brüsten solle«. »Unser, unser ist das Römische Reich!«, ruft er fortfahrend aus, ein Virgilzitat für seine Zwecke umändernd, »Kräfte spendet das früchtereiche Italien, das männerreiche Gallien und Germanien, und nicht fehlen uns die tapferen Reiche der Skythen. Unser Kaiser der Römer bist Du, o Cäsar, der Du aus dem edelsten Blut der Griechen stammst, der Du die Griechen an Macht überragst, den Römern kraft Erbrechts befiehlst und beide durch Geist und Beredsamkeit überragst«. Dieselben Gedanken klingen auch in seinen Versen auf den Philosophen Boethius an, die er für Otto III. dichtete: »Roma, die mächtige, gibt ihrem Erdkreis Gesetze. Du aber glänzt durch Wissen; der Klugheit der Griechen gibst du nicht nach ... «s? Die Goten vernichteten einst die römische Freiheit, aber Otto gab Boethius seinen durch sie mitvernichteten Ehrenplatz zurück. Die Gedanken, die gleichsam keimhaft in Gerberts Antwortschreiben lagen, sind nun erweitert, abgerundet und enthalten eine deutliche Polemik gegen die griechische Anmaßung. Hatte Otto sich früher seines Griechentums gerühmt und Gerbett ihm beigestimmt, so wird zwar jetzt noch die in der Abstammung von den Griechen begründete ( S. 463:) Ehre hervorgehoben; aber statt der griechischen Bildung wird
86
HAVET a. a. 0. S. 237. Aus: in hoc ipso itinere Italico positus, comesque individuus geht seine Begleitung Ottos hervor. Ferventioris anni tempore bezieht sich auf April-Juli 997 und läßt darauf schließen, daß der Jahreswechsel noch nicht eingetreten war; quae de hac
questione concepi, breviter describo sagt wohl, daß er die Vorarbeiten schon vor der Reise begonnen hatte und auf dieser nur noch die Niederschrift erledigte. 87 MrGNE, Patrol. lat. 139 Sp. z87; jetzt: Mon. Germ., Poet. V, S. 474f.
Otto III. und Rom
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nunmehr betont, was das Abendland selbst vermochte, und herausgekehrt wird, daß es den Griechen gewachsen sei. Vor allem polemisierte Gerbert politisch gegen die Byzantiner so, wie in den Zeiten des Großvaters sich Liudprand mit dem Kaiser Nikephoros Phokas herumgestritten hatte. Die Kernfrage lautete: Wer hatte das bessere Recht, sich »Kaiser der Römer« zu nennen. Schon Papst Nikolaus I. hatte ja dem Basileus geschrieben: »Es ist lächerlich, daß Ihr Euch Kaiser der Römer nennt«, Gerbert führte als Legitimation Ottos, des wahren, echten Kaisers der Römer neben dem Blut der Mutter die Macht, die Persönlichkeit Ottos und vor allem die ererbte Herrschaft an, die nicht Griechen, sondern wirkliche Römer zu Untertanen hatte und die alte Kaiserstadt Rom besaß 88 • Mußte sich schon in der Zeit dieser Verhandlungen immer deutlicher abzeichnen, daß Leons römische Intrigen darauf hinausliefen, Otto IIl. einen besonders sichtbaren Triumph über die Empörer zu verschaffen, so hatte auch der zweite Teil seiner Mission einen Erfolg in einer ebenso unerwarteten Richtung.
k) Otto !I!. und Rom- Sturz des Johannes Philagathos Durch die Ansprüche des Byzantiners war Rom für Otto und seine Berater in eine ganz neue Perspektive gerückt. Die Stadt war der sichtbarste Beweis seines Kaisertums; ja, als die ältereRomawar sie gegenüber der »Nova Roma« (Konstantinopel) der Beweis, daß das abendländische Kaisertum das ältere und damit das besser berechtigte war 89 • Wohl hatte Rom lange des Kaisertums entbehrt, oder dies war schwach gewesen: dann mußte man es so wieder herstellen, wie es gewesen war, um als der Inhaber des älteren, echten Kaisertums der Römer die rivalisierenden Ansprüche widerlegen zu können. Diese Gedanken haben sich aus Gerberts Widmungsschreiben entwickelt und dazu geführt, daß im Mai die alte karolingische Inschrift der Bullen: Renovatio Imperii Romanorum wieder aufgegriffen wurde. Und in dieser Zeit muß auch das berühmte Evangeliar Ottos III. hergestellt sein, auf dessen Widmungsbild unter (S. 464.) den huldigenden Nationen die Italia der Vorlage durch die Roma ersetzt wurde 90 • Durch diese Rivalität, die dazu führte, das Römische gegen das Griechische auszuspielen, bekam Ottos Regierung von nun an ihre Richtung. Mit dem Gedanken der Renovatio verschmolzen noch andere Ideen, religiöse, politische, wirtschaftliche: aber die Betonung der Bedeutung Roms blieb ihm als besonderer Gehalt. 88 Vgl. Bd. II, S. 8rf. 89 Ebenso wurde im ro. Jahrhundert in dem Streit der abbasidischen und filtimidischen Kalifen der Besitz der heiligen Städte Mekka und Medina als Legitimation des wahren, echten Kalifats angeführt; s. A. MEZ, Die
Renaissance des Islams, Beideiberg 1922 S. 3· 90 ScHRAMM, Kaiserbildnisse a. a. 0. Abb. 69 und 74 (vgl. dazu die Nachträge in Bd. V und die Neubearbeitung, die ich vorbereite) sowie: Kaiser, Rom u. Renovatio I S. rr7ff.
B z: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Indem der byzantinische Gesandte die Werbung hinhielt, belebte er also die Energie der kaiserlichen Regierung in einer Weise, die ihm denkbar unerwünscht sein mußte. Er vermied es aber, sich der Fortführung der Verhandlungen durch den Kaiser in den Weg zu stellen und Otto so zu einem Feinde seines Herrn zu machen, der sich dann ja nur allzu leicht auf die süditalienischen Provinzen der Byzantiner stürzen konnte. So kam man schließlich - wohl erst um Ostern 998 - zu der Lösung, an Basileios II. als neuen Gesandten Ottos den Erzbischof Arnulf von Mailand abzuschicken, der gerade zu dieser hohen Ehrenstellung erhoben worden war (8). Bei der langwierigen Hin- und Herreise waren damit wieder viele Monate gewonnen. Otto III. legte den Weg von Aachen nach Rom in den Monaten November 997 bis Mitte Februar 998 zurück. Da Leon in gerade demselben Zeitraum nach Italien reiste, hat er zweifellos wie Gerbett den Marsch in der Umgebung des Kaisers mitgemacht. Rückschauend deutete er einem Freunde an, daß er »im Winter mit Schlamm, mit Pfützen, mit Flüssen von unten her und von oben her mit Regen, mit Schnee und mit fortwährenden heftigen Wolkenbrüchen bedrängt« worden sei (7). In Rom war Leon dann Zeuge der schnellen Erfolge, die Otto über seine Gegner davontrug. Philagathos war beim Herannahen des Kaisers aus Rom in einen festen Turm geflohen. Doch es nutzte ihm nichts: eine Schar unter dem Grafen Birthilo, dem Ahnherrn der Zähringer, spürte ihn auf, nahm den Turm ein, fing ihn und verstümmelte ihn im Gesicht aus Furcht, daß der Kaiser ihn begnadigen könne, auf das gräßlichste. So wurde er nach Rom geschleppt, wo der Kaiser nur durch den in der Engelsburg verschanzten Crescentius Widerstand fand. Im April gelang es nach einer Woche scharfer Belagerung, auch dieses Bollwerk zu nehmen, worauf der Empörer mit seinen ( S. 46J :) Parteigängern getötet und aufgehängt wurde. Ein Anfang Mai 998 zusammengetretenes Konzil übernahm es, seinem päpstlichen Mitschuldigen das Urteil zu sprechen. Vergeblich war der Landsmann des Philagathos, der ehrwürdige Nilus, trotzseines Alters herbeigeeilt, um Gnade zu erwirken. Wenn er auch auf Otto Eindruck machte, so entschloß man sich- wohl unter dem Drängen Gregors, der seine Milde von 996 bereuen mochte und ja auch als Papst in diesem Falle der Angegriffene sowie der zuständige Hüter des kanonischen Rechts war -, über Philagathos die gegen Usurpatoren des päpstlichen Stuhles üblichen Strafen und Demütigungen zu verhängen. Leon sah diese in Rom nicht zum erstenmal geschehenden Vorgänge mit an; er verfolgte - mitschuldig, aber ganz unangefochten - den Sturz des Mannes, den er persönlich haßte, den er aber zum päpstlichen Stuhl gedrängt hatte. Über seine Empfindungen berichtete er, die Vorgänge seit der Bannung des Philagathos zusammenfassend, einem Freunde in die Heimat: »Du lachst eben Dein breites Lachen, o schönes Haupt, o schöne Seele, der Du Dich keinem gegenüber einer Sünde schuldig gemacht, vielmehr vielen zahlreiche W obitaten gespendet hast und sozusagen dazu veranlagt bist, allen wohlzutun. Jener
Der Sturz des Johannes Philagathos
Philagathos, der - um es kurz zu sagen - keinen seinesgleichen hatte, dessen Mund voll war von Fluch und Bitternis, von Lästerung, Hinterlist und Schmähung, dem keiner ähnlich ist, dem - soweit wir wissen - niemand vergleichbar ist, eben dieser blutbefleckte Papst, dieser anmaßende und hochmütige Mensch - o Gott, o Gerechtigkeit, o Sonne! - er stürzte völlig zu Boden. Und warum soll ich dem Bruder nicht auch die Art seines Sturzes vor allem schildern? Er wurde von der westlichen Kirche mit dem Bann belegt; dann wurden ihm die Augen ausgerissen; drittens wurde ihm die Nase abgeschnitten und viertens die Lippe, fünftens die Zunge, die viele Geheimnisse ausgeschwatzt hatte. Darauf hielt er, ohne überhaupt gekämpft zu haben, seinen Triumphzug ab im Sattel eines elenden und jammervollen Esels, dessen Schweif er festhielt. Über sein Haupt war ein Stück alten Tierfells mit dem Kopf nach oben gestülpt. ( S. 466:) Siebtens kam er vor Gericht, wurde verurteilt; man zog ihm das Priestergewand verkehrt herum an und wieder aus; dann schleppte man ihn durch die Kirche, die Vorhalle und den Brunnenhof und zuletzt wurde er ins Gefängnis - als Ruhestätte geworfen. Ich erzähle Dir, mein gleichgesinnter Bruder, was jenem demütigen Philagathos zugestoßen ist; dabei habe ich weder etwas hinzugefügt, noch etwas verborgen, aber allen rate ich, nicht zu wagen, was jener tat. Die Gerechtigkeit schläft nicht, Du aber freue dich mit mir, laß es Dir gut gehen, bete immer für mich und gedenke meiner. Ichmöchte dich ganz schnell voll Freude und glücklich sehen« (8). Dieser Brief ist nicht nur als eines der spärlichen Beispiele eines politischen Schreibens aus dem Io. Jahrhundert wichtig, er bereichert auch und stützt unsere Kenntnisse von diesen Vorgängen. Durch ihn wird außerdem Leons Wesen noch einmal scharf beleuchtet. Er hatte ja schon im Vorjahre die Rache Gregors V. gegen den kirchlichen »Ehebrecher« vorausgesehen, so daß er jetzt über den Sieg der Gerechtigkeit frohlocken konnte; aber er dachte wohl nicht mehr daran, daß er sich noch vor einem Jahr gerühmt hatte, den Philagathos zum Papst gemacht zu haben. Mit großer Geschicklichkeit hatte er sein Schicksal von dem des Philagathos getrennt gehalten, so daß er nun pharisäisch frohlocken durfte. Aber so ga= geheuer ist es ihm damals doch nicht in Rom gewesen, wo doch noch der eine oder andere Mitwisser seiner Intrigen zur Stelle sein mußte. Rückblickend schrieb er über diese Zeit: »Gott wachte über uns, daß wir unversehrt und unverdächtigt blieben in den Dingen, über die wir früher sowohl Ratschläge gegeben als auch geschrieben haben (9).« Leons gestürzter Feind und Verbündeter, der unglückliche Gegenpapst, war von nun ein lebendig Toter. Noch im Jahre IOOI verbrachte er seine Tage in Rom. Hier suchte ihn eine Gesandtschaft aus seiner ehemaligen Diözese Piacenza auf, um von ihm die Reliquien der Hlg. Justina zu erbitten, die er einst für Piacenza erworben, an deren Überführung ihn aber anscheinend die römischen Ereignisse gehindert hatten. Die Gesandten fanden ihn (S. 467:) blind und in der Sprache behindert.
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Er war verwundert, daß sie noch einen so verstümmelten und entstellten Menschen aufsuchten und händigte ihnen die Reliquien unter heftigen Tränen laut klagend aus: »Das, was ich immer zu tun trachtete, muß ich einem andern zur Ausführung überlassen. Ich wünschte, mein Körper erlitte den Schmerz des bitteren Todes, da ich nun sehen muß, wie das Volk von Piacenza ohne mich solche Ehre erlangt.« Es war ein völlig gebrochener Mann, der sich von der ihm teuren Reliquie trennte. In Rom wird es wohl auch gewesen sein, wo er am 26. August - wohl im Jahre 1001 -gestorben ist 91 • Damit ist in Vergessenheit und kümmerlichem Elend ein Leben zu Ende gegangen, das Philagathos aus unbekanntem Dunkel in langem Aufstieg zu immer höheren Ehren geführt hatte, bis ein falscher Schritt ihn um allen Gewinnst brachte. Er war durch die besondere Lage der Zeit Ottos II. hochgekommen, als am kaiserlichen Hofe Byzanz viel bedeutete und man Männer brauchte, die das Griechische beherrschten. Als die Herrschaft an Theophanu fiel, wurde er noch wichtiger, und als unter Otto III. die alten Fäden nach dem Osten wieder aufgenommen wurden, war er abermals der gegebene Vermittler. In den Verhandlungen zwischen den beiden Kaiserreichen war er emporgestiegen; als er aber selbst es unternahm, diese nach seinen eigenen Zielen zu gestalten, da bemühte er sich nicht nur vergeblich um byzantinische Hilfe, sondern brachte neben dem treulos verratenen Sachsenkaiser auch noch den dritten Faktor auf der politischen Bühne, das ( S. 468:) Papsttum, gegen sich auf. Sobald sich der Rückhalt an den erinnerungsstolzen Römern als völlig unzulänglich erwies, wurde er zwischen den großen Gegensätzen seiner Zeit zerrieben. Er war das Opfer, durch dessen Vernichtung die Gefahr einer byzantinischabendländischen Auseinandersetzung vermieden wurde - die provozierende Tatsache seiner griechischen Abstammung mag der römischen Idee, in der sich nach seinem Sturz Kaiser und Römer fanden, auch in Rom neue Kräfte erweckt haben. Philagathos hat sich sein Schicksal selbst bereitet; sein Ehrgeiz hatte ihn verführt. Die Zeugnisse sind in seiner Verurteilung einig, und wenn auch fast nur die Stimmen seiner Gegner zu Worte kommen, so bewahren wir doch aus allem den Eindruck eines in der Tat eitlen und unangenehmen Strebers, den seine Klugheit, Geschicklichkeit und Beredsamkeit nach vielen Erfolgen zuletzt ins Verderben stürzten.
91 Mon. Germ., Script. rer. Lang. S. 573: Abtskatalog von Nonantola. Schon G. ScHWARTZ, Die Besetzung der Bistümer Reichsitaliens, Lpz. 1913 S. r89 hat die Unmöglichkeit betont, ihn mit dem am 2. April ror3 gestorbenen, im Fuldaer Nekrolog genannten Grecus johannes (Mon. Germ., Script. XIII S. zro) zu identifizieren, wie es
mit andern von J AFFE-W ATTENBACH, Reg. pont. Rom., Leipzig 2 r 88 5 S. 496, vorgeschlagen wurde. Die Ansicht von SCHWARTZ wird bestätigt durch die für das Voraufgehende benutzte »Translatio beatae Justinae« (Acta Sanetarum 26. September VII, Antwerpen r76o, bes. S. 259), die Philagathos noch roor in Rom nachweist.
Das Ende des Gegenpapstes - Otto III. und Rom
235
l) Die Ereignisse bis zum Tode Ottos III. (roo2) Der Gesandte Leon hatte nicht nur Gelegenheit, die Unterwerfung des Gegenpapstes mit anzusehen; er konnte noch die vollständige Wiederherstellung der Herrschaft Ottos III. in Rom und Italien beobachten. Bis Mai-Juni blieb er in Rom und wandte sich dann nach dem byzantinischen Süditalien, von wo er in die Heimat berichtete und um Instruktionen bat, wie Basileios über seine Abreise bestimmte. Vermutlich hielt er sich in Otranto auf, wo er im September 998 die Rückkehr Arnulfs mit der Entscheidung seines Herrschers erwartete. Er rechnete hier mit der Möglichkeit, daß der Erzbischof von Mailand dann noch einmal mit einer neuen Antwort Ottos nach Byzanz zurückgesandt und daß er in seiner Begleitung zurückreisen werde (ro). Leons Abneigung gegen den Westen hatte sich in den langen Monaten seines Aufenthaltes nicht vermindert. »Dein Brief«, so dankte er einem Freunde, » ... hat mich jene leidvollen und unerfreulichen Begebenheiten, an denen wir schon zwei Jahre lang teilgenommen haben, vergessen lassen«, und er schloß mit dem Wunsch, wieder bei ihm zu sein (ro) -man kann sich ja leicht ausmalen, daß mit den fortschreitenden ( S. 4 69 .') Erfolgen Ottos seine Stellung stetig schwieriger werden mußte. Am kaiserlichen Hofe wurden sich Otto und seine Berater der Kraft des Abendlandes immer stärker bewußt. Diese gehobene Stimmung kommt am deutlichsten in den Versen zum Ausdruck, die Leo von Vercelli dem wiedereingesetzten Gregor V. darbrachte. Hatte Gerbert die Überlegenheit und das größere Anrecht des abendländischen Kaisers der Römer gegenüber dem Byzantiner verfochten, hatten die Herrscherbilder die Nationen des Reiches vor Otto III. huldigend dargestellt, so machte nun Leo sogar das byzantinische Reich mit dem fernen Babylonien zu Untertanen des Kaisers, die ihm, wie auf den Bildern die Nationen, mit gebeugtem Nacken dienen sollten: Babilonia jerrea et aurata Grecia J Ottonem magnum metuunt, collis ßexis serviun/ 92 •
Vom Mai 998 an richtete sich Otto III. in seinem Palast auf dem Palatin ein und begann die Verwirklichung der Pläne, die aus den Verhandlungen des Winters herausgewachsen waren und durch die Umschrift seiner Bulle: Renovatio lmperii Romanorum verkündet wurden. Beraten vor allem von Gerbert, seit 998 Erzbischof von Ravenna, seit 999 als Silvester II. sogar Papst, sowie von Leo, seit 999 Bischof von Vercelli, räumte er Rom eine gesteigerte Bedeutung ein. Wie sehr das mit den Beziehungen zu Byzanz zusammenhing, gewahrt man auch noch an der Folgezeit. Als Leo im Januar roor für den Kaiser die vielbesprochene 92 Neues Archiv XXII, r897 S. II5 (jetzt: Mon. Germ., Poet. lat. V, 2 S. 482).
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Schenkung an Silvester II. aufsetzte 93, konnte er Rom nicht nur als Ottos Stadt bezeichnen; er nannte sie auch urbs regia und gab ihr damit die Benennung, mit der von Griechen und Lateinern Konstantinopel ausgezeichnet wurde. Rom sollte die wahre Kaiserstadt sein! Dazu gehört auch, daß in derselben Urkunde die Echtheit der Konstantirrischen Schenkung auf das schärfste bestritten wurde - war doch durch sie ( S. 470 .) der Sitz des Kaisertums angeblich von Rom nach Konstantinopel übertragen worden! Vom Herbst 998 an lassen uns die Briefe des Gesandten Leon im Stich- vermutlich wird ihn der ersehnte Rückberufungsbefehl wieder nach Osten zu seinen Freunden geführt haben. Da Erzbischof Arnulf sich im März, Juni und November des folgenden Jahres in Mailand nachweisen läßt9\ ist kaum anzunehmen, daß er Leon begleitet hat, da Gesandtschaften damals gewöhnlich länger als sechs Monate dauerten95. Eher könnte man annehmen, daß er im Jahre rooo eine Reise gemacht habe; aber - abgesehen davon, daß wir gar keinen Anhalt dafür haben - wäre diese Zeit höchst ungünstig gewesen, da Basileios II. vom Frühjahr 999 bis zum Frühjahr wor fern von Konstantinopel weilte 96 . Nachdem es sich für ihn erst darum gehandelt hatte, die syrische Südgrenze zu schützen, riefen ihn neue Ereignisse nach Armenien, wo es ihm gelang, seine Herrschaft auszudehnen und zu sichern. Als er dann nach langer Abwesenheit nach Konstantinopel zurückkehrte, erwartete ihn hier eine fadmidisehe Gesandtschaft, durch die es endlich gelang, einen längeren Waffenstillstand für die Südgrenze zu schließen. Man sieht, daß diese Ereignisse eine schnelle Vereinbarung, wie sie Otto III. sicherlich wünschte, unmöglich machen mußten. Vermutlich werden in der Zwischenzeit Briefe die Verbindung aufrechterhalten und die nachher so schnell erfolgte Einigung weiter vorbereitet haben, aber an eine neue Gesandtschaft wird wohl nicht zu denken sein. In der Zwischenzeit (d. h. imJ. 999) wandte sich Otto III. nach Süditalien und suchte Benevent und Gaeta auf; aber er hütete sich, die üblicherweise dem römischen Gebot unterworfene Sphäre zu überschreiten. In diesem Verzicht, die ( S. 47 I:) Politik seines Vaters wieder aufzunehmen, spricht sich der Wunsch aus, keine Reibung zu schaffen, welche die Einigung hätte gefährden können. In den nächsten Monaten beschäftigte den abendländischen Kaiser - neben der festeren Verknüpfung Polens mit dem Imperium Romanum - die Aufnahme Ungarns in Reich und Kirche. Dieses Land lag auf der Scheide von Abendland und 93 H. BwcH, ebd. S. 68f. und D. 0. III. 389 (Mon. Germ., Dip!. II); dazu P. E. S., Kaiser, Rom und Renovatio I S. 161ff. 94 Gli antichi vescovi d'Italia. La Lombardia I: F. SAvm: Milano, Firenze 1913 S. 378f. 95 ScHRAMM, Briefe, s. unten S. 253.
96 G. ScHLUMBERGER, L'epopee byz. II, Paris 1900 S. 150, 199; er entscheidet sich S. 158f. A. r mit dem Chronisten Yadia (ed. V. de Rosen, A. 277) gegen den Chronisten Acogh'ig, der schon von einem Feldzug im Jahre 998 spricht.
Die Ereignisse von 998 bis roor
Byzanz, es verarbeitete Einwirkungen von beiden Reichen und hat im Laufe des ro. und r r. Jahrhunderts wechselseitig bei beiden Reichen Anhalt gesucht. In dieser Zeit aber lag das Bulgarenreich des Zaren Samuel zwischen Ungarn und Byzanz 97 • Zu seiner Vernichtung führte Basileios immer wieder Truppen ins Feld, und deshalb mag er, durch näher liegende Aufgaben gefesselt, der Erweiterung des abendlichen Machtbereiches nach Südosten ohne besondere Bedenken zugeschaut haben. Jedenfalls ergab sich aus dieser Konstellation für das Reich der Vorteil, daß für Ungarn- wenn es sich einem Kulturkreis anschließen wollte- damals nur das Abendland in Frage kam. Im Januar roor hatte Otto die Situation noch völlig beherrscht und eine Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kaiser und Papst vorbereitet. Aber schon im Februar nötigte ihn eine überraschende Empörung der Römer, unter denen die Eingriffe Ottos in die inneren Verhältnisse der Stadt eine ihm feindliche Schichtung der Parteien zuwege gebracht hatten, Rom zu räumen und von Ravenna aus Hilfskräfte für eine Wiedereroberung zu sammeln. Diese Zeit benutzte Otto, der damals den Eremiten sein Ohr leihend - unter dem Eindruck der plötzlichen Mißerfolge vorübergehend daran dachte, nach der Eroberung Roms als Eremit die Gnade Gottes wieder zu erringen, um dem ihm befreundeten Dogen von Venedig einen heimlichen Besuch abzustatten. Diese Form mußte gewählt werden, um die Stellung des geschickt zwischen Kaiser und Basileus lavierenden Dogen nicht zu erschweren. Hier, wo man in dauernden Verhandlungen mit Byzanz stand, die zu der Verheiratung des Dogensohnes mit der Tochter des späteren Kaisers Romanos III. ( S. 472 .) führten, hat Otto möglicherweise schon die Rückkehr des Kaisers Basileios nach Konstantinopel erfahren; jedenfalls ging im Sommer eine neue Gesandtschaft nach dem Osten ab, deren Führer der schon 998 tätige Arnulf von Mailand war. Zugleich zeigt das Wiederaufgreifen der alten Politik, daß Otto die religiöse Erschütterung des Frühjahrs überwunden hatte und sich wieder auf ein dauerndes Leben in dieser Welt einstellte. Arnulf wurde mit Ehren in Konstantinopel empfangen 98 •
97 Der erste König Stephan hat noch mit Basileios gegen die Bulgaren gekämpft; s. H. BRESSLAU in: Neues Archiv VIII S. 593f. 98 Um den stolzen Byzantinern den Reichtum seines Herrn recht deutlich vor Augen zu führen, ritt er auf einem mit goldenen Hufeisen beschlagenen Pferde ein, so daß seinem nächsten Nachfolger in solcher Sendung, dem Gesandten Konrads II., nur übrig blieb, auch goldene Hufeisen zu benutzen: drei aus Messing, eins aus echtem Gold, das mit
Absicht so locker aufgeschlagen wurde, daß es verloren gehen und den Byzantinern zum handgreiflichen Beweis für den märchenhaften Reichtum des abendländischen Kaisers werden mußte. - Die beiden Zeugnisse, Landulf von Mailand (Mon. Germ., Script. VIII S. 55) und eine Reliquiengesch. (Rer. Boic. Script. I, q68, S. 332/36), sind an sich nicht besonders glaubwürdig, stützen sich aber in diesem Fall gegenseitig - oder handelt es sich um eine »Wanderanekdote«?
B 2: Kaiser, Basileus und Papst in ottonischer Zeit
Trotz der durch die Erfolge der letzten Jahre gesteigerten Macht des Basileus, trotz der den Byzantinern sicherlich bekannten Schlappe Ottos in Rom, aus der man doch wieder neue Hoffnungen für die Rückgewinnung des Westens wie im Jahre 997 hätte schöpfen können, kam Arnulf diesmal überraschend schnell ans Ziel. Er erhielt nicht nur die Einwilligung zu einer neuen Verschwägerung der beiden Kaiserreiche, sondern auch den Auftrag, die Braut, eine Tochter des Mitkaisers Konstantirr VIII., nach Italien zu führen. Nach dreimonatigem Aufenthalt in Konstantinopel waren alle Schwierigkeiten behoben. Arnulf und die Prinzessin stachen in See und landeten Anfang 1002 in Bari auf griechisch-italienischem Boden. Damit hatte das Reich nach sechsjährigen Verhandlungen einen wichtigen und weithin sichtbaren Erfolg errungen: der Basileus hatte sich bereit gefunden, seine Politik des Hinhaltens aufzugeben und den Glanz des rivalisierenden Kaisertums durch Bewilligung einer Prinzessin aus dem Hause der »Purpurgeborenen« noch zu erhöhen. ( S. 473:) Diese Vereinbarung der Menschen wurde im letzten Augenblick durch das Schicksal zerstört. Von einer plötzlichen Krankheit ergriffen, starb Otto III. Ende Januar 1002, als er gerade ein Heer beisammen hatte, um Rom wie im Jahre 998 zu unterwerfen. Die Nachricht traf die Braut schon in Bari. Sie wartete noch die Bestätigung ab und kehrte dann von Italien, wo ihr eine Kaiserkrone entgangen war, in die Heimat zurück, in der sie später noch den Thron ihres Geschlechtes besteigen sollte.
m) Basi!eus und Kaiser in der Zeit Heinrichs ll. und Konrads !!. Durch die Stellung zum abendländischen Kaiser wird die Politik des Kaisers Basileios II. scharf beleuchtet. Er nutzte seine Lage, eine Bitte gewähren zu können, aus; aber er gab doch nach, weil er in seinem Kampf gegen Norden und Süden seine westlichen Besitzungen abschirmen mußte, also Otto nicht zum Feind machen durfte. Er ließ sich durch Titelstreitigkeiten nicht bestimmen. Verlockend genug waren für ihn die Versuchungen, die römischen Unruhen zum Ausgangspunkt einer neuen Westpolitik zu machen; aber er verzettelte seine Kräfte nicht, ließ vielmehr den Sachsen gewähren und konzentrierte sich auf den dringenden Kampf gegen die eigentlich gefährlichen Gegner seines Reiches. Erst im Jahre I02j, als die Lage sich völlig verschoben hatte, plante er, persönlich den Oberbefehl in Süditalien zu übernehmen99- aber wieder trat der Tod zwischen Osten und \X'esten; schon in demselben Jahre starb Basileios II. der Bulgarentöter. Die Lage hatte sich dadurch verschoben, daß der Basileus am Ende seines Lebens
99 Skylitzes bei Kedrenos II, Bonner Ausg. 1839 S. 479; Zonaras XVII 9, 33, ebd. r897,
Tod Ottos III. - Heinrich II. und Konrad II.
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die Hände frei hatte, um sich nach dem siegreichen Ausgang des Bulgarenkampfe s lebhafter um den Westen zu kümmern. Sie hatte sich auch dadurch geändert, daß Heinrich II. nicht um eine byzantinische Prinzessin warb, daß er nicht mehr tiefgreifende Einwirkung auf die italienischen Verhältnisse anstrebte, und vor allem hatten die Dinge dadurch ein anderes Gesicht bekommen, daß die sich gegen die griechische Herrschaft empörenden Apulier durch das Heranziehen der Normannen ( S. 414.') den Grundstein zu einem neuen Staate legten. Ihnen lieh Heinrich Il.1° 0, dem die Byzantiner nichts bieten konnten, seinen Schutz. Die Konstellation der Ottonenzeit tauchte wieder auf, als Konrad II. in den Jahren 1027 bi~ 1029 für seinen erst zehnjährigen Sohn, den späteren Kaiser Heinrich III.,
in Konstantinopel um eine Prinzessin werben ließ101 • Wenn er wieder wie Otto III. eine der Töchter Konstantins VIII. ins Auge faßte und sich darüber hinwegsetzte, daß diese inzwischen zu gereiften Frauen erwachsen waren, so zeigt das, daß die Wertschätzung einer Verwandtschaft mit den byzantinischen Kaisern nicht nur den Sachsenkaisern eigentümlich war, sondern daß ihre Nachfolger dieselbe Hochachtung für Byzanz, ja wohl auch die alten Hoffnungen auf eine Wiedervereinigu ng von Osten und Westen hegten. Ekkehard IV., berühmt durch seine von]. V. v. Scheffel zu Leben erweckten »Casus S. Galli«, hat in einem anderen Werk- zweifellos unter dem Eindruck dieser neuen Werbung - die Schätzung einer griechischen Verwandtschaft getadelt, welche die Frauen des eigenen Volkes zurückstellte102 : Ecce mudernus Adam, siforte novam petit Ael'am, Spernit gente paris getter amplexus mulieris. Teutonus afftnis sordet, studet ergo Latinis E:x:tolli soceris seu, quod map,e nobile, Grecis.
Das sind die Einwände eines auf sein Volk stolzen Mannes, die aber bei einem Kaiser hinter dem Gewinn an Ansehen und Macht zurücktreten mußten. Auch diesmal scheiterten die Verhandlungen durch den Tod: Konstantin VIII. starb, und sein Nachfolger schlug - ähnlich wie im Jahre 972 - eine andere Prinzessin vor, die Konrad II. jedoch nicht genehm war. (S. 47!·') In diesen Jahren tauschte König Robert von Frankreich gleichfalls Ge-
roo Daß auch er für die Byzantiner nur ein Rex blieb, zeigt die Urkunde TRINCHERA, Syllabus Graec. membranarum, Neapel r865 Nr. 20 S. 2I, die nach F. CHALANDON, Hist. de Ia domination normande I, Paris I 897 S. 58 A. 2, zwar nicht zweifellos echt, aber jedenfalls fast zeitgenössisch ist, also in dieser Hinsicht auf jeden Fall ihren Wert
hat. ror H. BRESSLAU in: Forsch. z. Deutsch. Gesch. X, S. 6o6fro. 102 Lib. benedict., hrsg. von J. EGLI, XXXIII: In decoll. s. Johannis S. 93/96 (Mitt. z. vaterl. Gesch. XXXI, 4· Folge r, St. Gallen 1909, S. 175). Nach S. II ist der »terminus a quo« des Werkes vermutlich: 1027.
Anhang I: Abstammung der Kaiserin Theophanu
schenke mit Konstantin VIII. aus103, die einen daran erinnern, daß auch für ihn schon einmal an diese Prinzessinnen gedacht worden war. In Roberts Aufmerksamkeit wird man wiederum einen V ersuch zu sehen haben, daran zu erinnern, daß die Byzantiner neben dem eine Verständigung anstrebenden Kaiser noch andere Verbindungen im Westen eingehen könnten. Auch von Rom aus hat man die Lage, daß der Kaiser nicht mehr Herr der Stadt, sondern gleichsam nur Verbündeter war, nach Ottos III. Tode wahrgenommen und wiederholt eine Fühlung mit Byzanz angestrebt. Erst durch das 1046 durch Heinrich III. ans Ruder gebrachte Reformpapsttum rückte die kirchliche Frage in den Vordergrund, die immer entscheidender das Verhältnis von Osten und \Vesten bestimmte104. Neben dem Erstarken der Normannen und der Machteinbuße des byzantinischen Reiches unter den Nachfolgern des Bulgarentäters ist sie es gewesen, die das alte Mittelmeersystem aus den Tagen der Ottonen grundlegend umwandelte und die lateinische und griechische Welt so auseinanderwachsen ließ, daß wir bis heute die Folgen spüren.
ANHANG I: DIE ABSTAMMUNG DER K.AISERIN THEOPHANU (zu S. 209ff. = 1924 S. 429ff.) Nach meiner (1924 veröffentlichten) Darlegung, daß Theophanu nicht dem kaiserlichen Hause der Makedonen angehört haben könne, hat die Frage ihrer Abstammung das Thema für eine Reihe von Veröffentlichungen abgegeben, in denen sie einmal dieser, dann jener Familie von Rang zugewiesen wurde. Aber jede neue These ist stets auf Widerspruch gestoßen. Ein guter, alle Zeugnisse und alle Stellungnahmen kritisch würdigender Überblick wurde jetzt von W. H. Graf RünT v. CoLLENBERG1 vorgelegt, der sich das Verdienst erworben hat, auch Stammtafeln aller in Betracht kommenden Familien zu bieten (auch der Curcuas- Gourgen, denen Theophanus Oheim, der Kaiser Johannes Tzimiskes entstammte, sowie der Skleroi, zu ro3 RoduHus Glaber IV 6 (2o) ed. M. PRou, Paris r 886 (Coll. de textes) S. raS, dazu Ch. PFISTER, Etudes sur Je regne de Robert Je Pieux, Paris r885 S. 353· 104 V gl. dazu in Bd. IV den Wiederabdruck von; »Die beiden Fragmente )De sancta Romana ecclesia( des Kardinals Humbert von Silva
Candida (um 105 3)«, zuerst in: Renovatio II s. 20-36. r Wer war Theophanu?, im Genealogischen Jahrbuch, hrsg. von der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengesch. zu Berlin IV, 1964 S. 49-7r.
Thesen über die Abstammung
denen dessen erste Gemahlin gehörte). Ich kann mich daher mit einer knappen Zusammenfassung begnügen. Im Jahre 1932 wiesen Georg ÜSTROGORSKY und Ernst STEIN in einem Aufsatz, der mit unserer Streitfrage nichts zu tun hatte, nach, daß der Kaiser Romanos II. bereits 957 eine- sonst nicht bezeugte- Tochter besaß, die schon zu sitzen vermochte, also mindestens ein Jahr alt war 2 • Danach könnte seine Ehe mit Theophanu um 9 54/56 angesetzt werden. A. RAUCH, der 1941 unter dem Decknamen »Henry BENRATH« einen Roman »Die Kaiserin Theophanu« erscheinen ließ, hatte bereits 1939 einen- ganz sachlich gehaltenen- Lebensabriß herausgehen lassen (den er auch mir zuschickte). Er war begleitet von einem Sonderdruck, in dem er - wiederum sachlich, aber ohne Anmerkungen- seine These begründete, Theophanu sei die Tochter des Konstantin Skieros gewesen. Dieser war verheiratet mit Sophia Rhocas, deren Schwester Johannes Tzimiskes geheiratet hatte 3 • Diese These trug also der Tatsache Rechnung, daß Theophanu als dessen Nichte bezeichnet wird, und vermochte auch zu erklären, weshalb die zweite Tochter der Kaiserin den Namen Sophia erhielt (deren Schwester Adelheid erbte ihren Namen von der Großmutter väterlicherseits). Zu einer anderen Einreihung kam 1939 H. MoRITZ4 • Er identifizierte Theophanu mit der gleichnamigen Schwester des Makedonenkaisers Romanos II. Da der Vater, der Kaiser Konstantin VII. Porphyrogennetos, bereits 919 heiratete, ergeben sich chronologische Schwierigkeiten. Auch bleibt ungeklärt, wieso Theophanu offiziell als neptis des J ohannes Tzimiskes bezeichnet werden konnte: wäre diese These richtig, hätte es »Schwägerin« heißen müssen. Eine dritte These verteidigte 1943 Frau Mathilde UHLIRZ, die verdiente Bearbeiterinder »Jahrbücher Ottos Ill.«5 : sie akzeptierte mein Argument, daß Theophanu nicht aus dem Makedonischen Hause stammen könne, und suchte sie daher in der Familie der Lekapenoi unterzubringen, die ja mehrfach Mitkaiser gestellt hat -
z Die Krönungsurkunden des Zeremonienbuches. Chronologische und verfassungsgeschichtliche Bemerkungen, in: Byzantion VII, Brüssel 1932 S. r85-233. Die Kaiserin Theophano (956-991), Vortrag von Henry BENRATH. Veröffentlichung der Gesellsch. zur Förderung kulturellen Lebens, Zürich 1939 (22 S.). Diese Schrift ist dem Grafen RüDT v. CoLLENBERG unbekannt geblieben. Dazu 4 Seiten in Folio: Wer war die Kaiserin Th.? von Henry BENRATH. Der Univ.bibl. Basel in Dank gewidmet (ohne Ort, Jahr und weitere Kennzeichnung). 16 Sduamm, Aufsätze Ill
4 Die Herkunft der Theophanu, in der Byzant. Zeitschr. 39, 1939 S. 387-92. (Diese These lehnte - allerdings ohne Begründung - ab Robert HoLTZMANN, Gesch. der sächsischen Kaiser, München 1941 S. 5 38). Für die Tatsache, daß Theophanu nicht aus dem Makedonenhause stammte, beruft sich der Verf. auf die Dissertation von J. MaLTMANN (r878) und meinen Aufsatz. Studien über Theophano I: Die Herkunft der Kaiserin Theophano, im Deutschen Archiv VI, I943 s. 442-62.
Anhang I: Abstammung der Kaiserin Theophanu
auch hier widersprechen der These die Jahreszahlen, da der letzte Lekapenos, der noch eine Rolle spielte, 944 ins Kloster geschickt wurde. Gegen die von Frau Uhlirz vorgebrachten Argumente wandte sich 1949 Franz DöLGER6 • Der nächste, der sich zu Wort meldete, war der in hohemAnsehen stehende Exilrusse A. A. VASS1LIEV7 : er identifizierte 1951 die Kaiserin Theophanu mit jener (von G. Ostrogorsky nachgewiesenen) Tochter des Kaisers Romanos II., die 957 schon »sitzen« konnte - mein Einwand, daß Otto III. - wider das Kirchenrecht - um eine richtige Kusine geworben haben müßte, ist nicht beachtet. Im folgenden Jahre erwähnte Fr. DöLGER in seinem Forschungsbericht die Möglichkeit, daß Theophanu der armenischen, genealogisch schlecht erhellten Familie der Taroniten angehört haben könne, in der ihr Vorname nachweisbar ist 8 • Ihre 1943 angemeldete These glaubte Frau M. UHLIRZ 1957 durch eine n9o aufgeschriebene Notiz stützen zu können; denn in ihr wird Theophanu ftlia Constantini Greci imperatoris genannt. Diesen identifizierte sie mit Konstantirr Lekapenos, dessen Gattin Theophanu hieß - dieser kam jedoch bereits im Jahre 946 um; Ottos II. Gattin wäre dann wesentlich älter als er gewesen 9 • Dieser These widersprach Fr. DöLGER: es müsse »Constantinopolitani« heißen10 • Seine Auffassung, daß Theophanu nicht der herrschenden Familie angehört haben könne, machte sich 1961 W. ÜHNSORGE ZU eigenll. Im gleichen Jahre hat dann noch die Amerikanerin Harriet Prat LETTIN12 Stellung genommen. Sie referiert Vassiliev's und meine Feststellungen und kommt zu dem Schluß: »it appears that Theophanu was not Romanus II's daughter, not was she closely related to his family«. Was ist das Ergebnis dieser Kontroverse? Die vorgebrachten Thesen sind entweder nicht beweisbar oder nachweislich falsch. Als gewichtige Zeugnisse haben wir 6 Wer war Theophanu?, im Histor. Jahrbuch 62, I949 S. 646-;8 und: Nochmals: Wer war Theophanu?, in der Byzant. Zeitschr. 43, I950 S. 338f. Zustimmend G. ÜsTROGORSKY, ebd. 46, 1953 S. I)6 und W. ÜHNSORGE, in: Saeculum V, I954 S. 2I6. Fr. DöLGER klärte, daß: de Romano sanguine (so in einer Chronik des I5. Jahrh. auf Grund älterer Vorlagen) nicht »aus dem Haus des Romanos« heiße, sondern aus »romäischem Blute«. 7 Hugh Capet and Byzantium, in den Dumbarton Oaks Papers VI, Harvard Univ. Press I95 I. 8 Byzanz (hrsg. zus. mit A. M. SCHNEIDER), in den Wissensch. Forschungsberichten V,
9 IO II
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I9)2 S. 8o. Zu den Tararriten vgl. V. LAURENT in: Echos d'Orient 37, I938 S. 127-37, dazu N. ABORITZ im Byzantion XIV, I939 S. 407-I3. Studien zu Theophanu IV, im Deutschen Archiv XIII, I957 S. 369-93. Byzant. Zeitschr. ;o, I957 S. )28 und )2, I959 S. I82f. Die Anerkennung des Kaisertums Ottos I. durch Byzanz, in der Byzant. Zeitschr. 54, I96I. V gl. den Anhang A zu ihrer Übersetzung: The Letters of Gerbert with his Papal Privileges as Sylvester II, New York I96I (Records of Civilization, Records and Studies 6o) S. 375-8.
Bisher kein gesichertes Ergebnis
243
nach wie vor nur die Urkunde für Theophanu, in der sie als »Nichte« des Kaisers J ohannes Tzimiskes bezeichnet wird, und die Angabe in der »Vita Mathildis reginae«, daß siede palatio gekommen sei. Nicht aus dem Wege räumen läßt sich das von mir vorgebrachte und in der Kontroverse mehrfach aufgegriffene Argument, daß die geplante Verheiratung einer Tochter des Kaisers Konstantin VIII. mit Otto III. es unmöglich macht, in Theophanu eine Angehörige der Makedonendynastie zu sehen, da sonst eine zu enge Verwandtschaft bestanden hätte. Eine geringe Rolle hat, so viel ich sehe, mein weiteres, negatives Argument, das ich H. BRESSLAU verdankte, gespielt: die für Theophanu ausgestellte Urkunde benutzte als Vorurkunde die ihrer Schwiegermutter, der Kaiserin Adelheid, über ihre Morgengabe ausgestellte Urkunde. In dieser war Adelheid als Tochter des Königs Rudolf bezeichnet; wäre auch Theophanus Vater ein Herrscher gewesen, wäre demnach eine entsprechende Angabe in der 972 ausgestellten Urkunde zu erwarten. Die Diskussion ist also wieder auf dem Punkt angelangt, bis zu dem ich sie 1924 geführt hatte: wir wissen nur, daß Theophanu eine Nichte des Kaisers Johannes Tzimiskes war; aber schon die Frage, ob sie die Tochter eines Bruders oder einer Schwester war oder ob sie zur Sippe der ersten Gemahlin dieses Kaisers, also zu den Skleroi gehörte, ist bisher nicht in überzeugender Weise beanwortet worden13 •
ANHANG
II:
GEHÖRTE DER SPATRAR PETROS, EIN NEFFE DES »KÖNIGS DER GERMANEN«, ZUR SIPPE DER ÜTTONEN?
Hier ist die Bedeutung einer Nachricht zu klären, die der im Alter seine Lebenserfahrungen aufzeichnende General KATAKALON KEKAUMENOS um ro8o in seinen »Fürstenspiegel« aufnahm'. I 3 Falls man annimmt, daß Theophanu ihren Namen - vielleicht als Patenkind - von der Gemahlin des Kaisers Romanos II., der (s. oben) um 9 54/56 heiratete, erhielt, ergäbe sich ein Terminus post für ihre Geburt. Aber vielleicht kommt als solcher erst das Jahr 959, in dem Romanos II. Kaiser wurde, in Betracht. Für dieses Jahr spricht, daß Widukind (II cap. I 6) die Braut des (9 55 geborenen) Otto II. zweimal puella nennt. Dazu paßt, daß sie nach Frau M. UHLIRZ ihr erstes Kind
I
erst im Jahre 977 bekam (nach A. HoFMEISTER allerdings schon früher). Sie war demnach bei dieser Geburt vermutlich erst I 7 Jahre alt. A6yot; vovfhrYjTtXOt; neor; ßacuAia c. IO; s. Cecaumeni Strategicon et incerti scriptoris de offtciis regiis Libe//us, ed. B. W ASSILIEWSKY et V. JERNSTEDT, Petersburg I886 S. 96: ... IIheo<; 6 yv~atot; a'l!c1p!Ot; TOV eYJYOt; rsef!a'VÖJ'I! (vorher: -z:ov ßaa!ABWt; (/)eayy{at;) ... ; s. auch G. ScHLUMBERGER, L'epopee byz. a la fin du Xme siede, Paris 1896 S. 635. Angekündigt wurde,
Anhang II: Petros, ein Neffe des »Königs der Germanen«
Er fügte in ihn einen Erlaß ein, den im Jahre 98o an seinen Großvater der Kaiser Basileios II. gerichtet hatte. Aus diesem geht hervor, daß »Petros, der eheliche Geschwistersohn des Königs der Germanen« in byzantinische Dienste getreten und zum Spathar des Chrysotriclinium 2 ernannt worden war. Da er als Fremder nicht das Amt eines Strategen bekommen sollte, ernannte ihn der Kaiser zum Domesticus der Excubitoren in Hellas. In den diesen Erlaß einführenden Worten wird der Inhalt kurz angegeben und Petros als Neffe des »Kaisers des Frankenreiches« bezeichnet3 • Auf den Unterschied von Kaiser und König ist hier kein großer Wert zu legen; denn gegen Ende des I I. Jahrhunderts bequemte sich das stolze Byzanz zu einem gewissen Sichabfinden mit dem Rivalen, während man das von einem Makedonen im 10. Jahrhundert kaum erwarten kann. Hiernach soll also ein Verwandter des Sachsenhauses in byzantinischen Diensten zu Amt und Würden gekommen sein. Wie war das in dieser Zeit möglich? Petros läßt sich in der Genealogie der Ottonen, die uns genau bekannt ist, nirgends unterbringen. Schon sein im Io. Jahrhundert nördlich der Alpen noch ungewohnter Vorname macht Schwierigkeiten. Es kann sich nicht um einen NeffenOttos II. gehandelt haben! Beachten wir, daß nur Kekaumenos vom Kaiser des Frankenreiches, der Erlaß aber vom »König« der »Germanen« spricht. Hierunter konnte man- und so hat es aber nicht erschienen ist: The Strategikon of Cecaumenos and Counsels to an Emperor. New Edition, with Translation and Notes, by Geo:rgina BuCKLER, Brüssel, für 1938 angezeigt (Corpus Bruxellense historiae byzant. IV). An den in vieler Hinsicht aufschlußreichen Text führt jetzt heran: Vademecum des byzantinischen Aristokraten. Das sogenannte Strategikon des Kekaumenos, übersetzt, eingeleitet und erklärt von H.-G. BECK, Graz usw. 1956 (Byzant. Geschichtsschreiber, hrsg. vonE. v. Iv.tl"JKA, V) (ebd. S. rzAnm. 2 die Lit. über die Autorschaft: sowohl das »Strategikon« als auch die »Mahnrede« stammen von demselben Verfasser, nämlich dem als General oft genannten General Katakalon Kekaumenos, t nach ro8r, der 1056/7 beinahe zum Kaiser gewählt worden wäre; ebd. S. rzff. seine Biographie). Über Petras s. dort S. 139f.: cap. 244. 2 Über diese Würde s. J. B. BuRY, The Imperial Administrative System of the Ninth Century, London I9II (Brit. Acad. Suppl. Papers I)
S. I2I; G. SCHLUMBERGER, Sigillographie byzant., Paris r884 S. 468. In einer anonymen griechischen Höllenbeschreibung (Anonymi Byz. de caelo et infernis cpistula, ed. L. RADERMACHER, Leipzig 1898 (Stud. z. Gesch. d. Theol. u. d. Kirche III, z) c. X S. 23 wird ein IIh:eor; d.no udareov Koetvffov, rfi d.!;tq. newroana-ßaewr;als großer Übeltäter genannt. Da sonst nur der gleichfalls wegen Mordes in der Hölle sitzende J ohannes Tzimiskes den einzigen Anhalt zur Datierung gibt, hat R. den Brief bald nach 976 setzen wollen, was K. KRUMBACHER in: Byzant. Zcitschr. VII, r898 S. 63 5f. nur zugeben wollte, falls sich Petras mit einem Mann des ro. Jahrhunderts identifizieren ließe, wofür RADERMACHER a. a. 0. S. rrf. lose Vermutungen vorbrachte. Die Zeugnisse zur byzantinischen Verwaltung Griechenlands im ro. Jahrhundert sind zu lückenhaft, um mehr als den Hinweis auf den Königsneffen Petras wagen zu dürfen. BEcK a. a. 0. S. 139 übersetzt: »der Deutschen.«
Petros, ein Königssproß aus dem Norden
245
Kekaumenos getan - den deutschen Herrscher verstehen, wenn dieser auch von den Byzantinern offiziell nach denFranken tituliert wurde4 • Basileios aber muß einen anderen germanischen Fürsten im Auge gehabt haben; denn aus deren Reihen sind ja oft genug die jugendlichen Sprossen nach Konstantinopel gezogen, um Ehre und Reichtum in fremdem Kriegsdienst zu suchen. Das muß auch Petras getan haben, der in der neuen Heimat wie andere auch einen neuen Namen angenommen haben wird und deshalb bei den dürftigen Zeugnissen nicht mehr als Mitglied eines bestimmten Herrschergeschl echtes identifiziert werden kann5 • 4 Constantin Porphyrog.: De themat. II, I I ... Ludwig II. rov (jfjya Wgayy{ar;, ähnlich: De adm. c. 29; De adm. c. 30 ... ~Drcp [I] rrp p.eyd).cp erJyi Wgayyfa~ ual I:a~fa~ (Opera III, Banner Ausg. I83I, S. 62, I33, I44). De adm. c. 25 (S. III) nennt er imAnschluß an Prokop: Bell. Vand. I 3, I als Bundesgenossen der Vandalen die Tegp.avov~ rav~ vvv uaAovp.evov~ Wgdyyov~. Daß daraus später Gegensätze wurden, erhellt aus dessen Libd de cer. II 48 (Opera I, Banner Ausg. I829, S. 689) bei der Aufzählung der Anschriften: ekrov (jfjya I:a~wv{a~ · sl~ rov (jfjya BaioverJ { lauv öe avrij ij xwea ol Aey6p.evot Nep.fr~wt) · el~ rov {jfjya Ta).).{a~. sl~ rov (jfjya Tegp.av{a~ · Daß auch vornehme Deutsche ihr Heil in Byzanz suchten, zeigt der in der ersten Hälfte des Ir. Jahrhunderts wirkende Otto, der älteste Bruder des im Raume Stendal-Tanger-
'*
münde ansässigen Wiprecht I., der nach Graecia, d. h. Byzanz ging und einen Bruder Hermann besaß, der sich nach Ruscia (d. h. Kiew) wandte. Es handelt sich um ein- sich königlicher Abstammung rühmendes, dazu allerdings nicht berechtigtes - edelfreies Geschlecht, dessen bekanntestes Mitglied Ottos Neffe, Wiprecht II. von Groitzsch, bei der Erhebung des Herzogs von Böhmen zum König (w86) tatkräftig mitwirkte und dafür dessen Tochter zur Gemahlin erhielt. Diese Nachrichten entstammen den Annales Pegavienses, in den Mon. Germ., Script. XVI S. 232ff. (Mitte des I2. Jahrh.); vgl. dazu H. PATZE, Die Pegauer Annalen usw., im Jahrbuch für die Gesch. Mittel- und Ostdeutschlands XII, Berlin I963 S. 7f. Anm. 3I. (Vgl. auch Band IV, Abschn. 2 über Wiprecht
II.).
NACHTRAG: Während der Drucklegung erschien: J. F. BöHMER, Regesta imperii II, 5: Papstregesten, 9II-I025, bearb. von HARALD ZIMMERMANN, Wien-Köln-Graz I969, wo von Nr. 967 an die Briefe Leons von Synada ausgewertet werden (benutzt ist außer meinem Erstdruck auch schon DARRouz:Es). Dieses Werk ist jetzt auch für alle Ereignisse der Jahre 996-Ioo2 heranzuziehen. (Vgl. Nr. 952 über das Todesjahr des Johannes Philagathos.)
3. Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon von semer Reise zu Otto III. aus den Jahren 997-998 (Überarbeitet mit Hilfe von Fräulein Dr. phil. Ursula Victoria BoscH)*
a) Die Überlieferung Als ich im Jahre 1925 die hier abgedruckten Briefe veröffentlichte; ließ sich die Handschrift, in der sie überliefert sind, nicht feststellen. Ich schickte daher meiner Edition folgende (heute nur noch zum Teil nützlichen) Feststellungen voraus: Alkibiades J. SAKKELION, der Sohn und Nachfolger des als Forscher bekannten Leiters der Handschriftenabteilung in der Athener Nationalbibliothek, hat im ».Ewr~e«, einer Monatszeitschrift für verschiedene Wissenschaften, die in der Staatsbibliothek Berlin vorhanden ist (Jahrgg. I 5, Athen I 892, Heft 7, S. 2I7-222), neun Briefe vom Ende des IO. Jahrhunderts veröffentlicht, über welche die Byzantinische Zeitschrift III, r894, S. 194-195 eine kurze Mitteilung brachte. Auf diesem Wege 2 sind Hinweise auf die Briefe in die Werke von K. KRUMBACHER 1 und W. WATTENBACH sowie in die 3 Realenzyklopädie für protest. Theologie gelangt, ohne daß diese Forscher den Text selbst zu Gesicht bekommen konnten. Soviel ich sehe, hat nur G. ScHLUMBERGER4 die Briefe benutzt; er bot die Übersetzung des sechsten Schreibens und machte Andeutungen über die anderen, wobei aus der fehlerhaften Form des Zitats wahrscheinlich wird, daß er die Ausgabe Sakkelions nicht selbst einsah. Der griechische Forscher gab in seinem Vorwort an, daß die Briefe aus einem von ihm nicht kenntlich gemachten Manuskript stammen, über das er in einer späteren Arbeit genauer zu berichten gedachte. Nach seiner Mitteilung sind in diesem auf Blatt 43 3 a bis 463 b 93 Briefe eingetragen, die alle bis auf drei der Überschrift entbehren und von denen er die bisher unpublizierten Nr. 85 bis 93
*
Zuerst in der Byzantinischen Zeitschrift 25, 1925 S. 89-105 (noch mit dem Titel: »Neun Briefe des. . . Leo usw.; seine Abänderung ergibt sich aus der neuen Einleitung, die die alte zum größten Teil ersetzt). Für den Wiederabdruck bot mir der Professor der Byzantinistik an der Universität Münster, Dr. phil. Joachim ScHARF, einst mein Schüler, dann mir in Freundschaft verbunden, seine Hilfe an; doch wurde er uns I965 durch einen frühzeitigen Tod entrissen. An seine Stelle trat bereitwillig seine Assistentin, Fräulein Dr. U. V. BoscH. Sie revidierte die von mir einst angefertigte Übersetzung, die jetzt anzuhängen mir ratsam scheint, da dem Brief-
schreiher ein verschnörkelter, daher schwer verständlicher Stil eigen war; sie half auch bei der notwendig gewordenen Überarbeitung und Ergänzung. Für diese Hilfsbereitschaft, die sich auch noch auf die Korrektur erstreckte, sei der freundlichen Mitarbeiterin nachdrücklich gedankt. I Gesch. d. Byzant. Lit., München, 2. Aufl.. r897 S. 46r Nr. 4· 2 Deutschlands Geschichtsquellen im Ma. I, 7· Aufl.., Stuttgart u. Berlin 1904 S. 488 Anm. 2. H. BöHMER im Art.: Johann XVI. (Bd IX, 3. Aufl.. Leipzig r9or S. 265). 4 L'Epopee byzantine, 2. partie: Basile II, Paris I900 S. 282 Anm. r.
Die wiederentdeckte Handschrift
247
veröffentlichte. Sakkelion unterließ es, den Codex näher zu bezeichnen- die Byzantinische Zeitschrift brachte hierüber eine irreführende Notiz•.
Die im Jahre I925 ausgedrückte Hoffnung, die von A. J. Sakkelion benutzte Handschrift möchte sich eines Tages auffinden lassen, hat sich mittlerweile erfüllt. Jean DARRouz:Es, A. A., membre de ]'Institut Frans:ais d'Etudes Byzantines, hat den Codex gefunden und alle in ihm enthaltenen Briefe ediertß. Es ergibt sich, daß Sakkelion ein Manuskript benutzte, das seinem Vater gehört hatte und heute in der Athener Nationalbibliothek verwahrt wird (Ms. I896)7. Bei ihm handelt es sich um eine Abschrift des Cod. 706 in der Bibliothek von Patmos, der auf über 300 Blatt eine Reihe von Briefsammlungen des Io. und rr. Jahrhunderts enthält. Er wurde bereits im Ir. Jahrhundert geschrieben und wird I20I in einem Katalog der Bibliothek erwähnt. Sie verdankt ihn vermutlich ihrem Gründer Christodulos, der I079 vor den Seldschuken nach Patmos fliehen mußte. Der Cod. 706 enthält auf f. I 99c2 I 7v von Leon 3 I Briefe, also mehr als Sakkelion (dessen Abschrift nunmehr bedeutungslos geworden ist) seinen Lesern bot 8 • Die Mehrzahl der Briefe hängt jedoch nicht mit der Gesandtschaft zusammen, stammt vielmehr teils aus der Zeit vorher, teils aus der Zeit nachher (Nr. 43 und 54 an den Kaiser, die anderen an geistliche und weltliche Würdenträger sowie Freunde gerichtet). Diese Briefe enthalten wenig konkrete Angaben, runden aber das Charakterbild des Verfassers ab. Dieser Codex enthält noch drei weitere Briefe, die mit den von A. J. Sakkelion veröffentlichten Schreiben aus der Zeit der Gesandtschaft zusammenhängen, aber von ihm nicht berücksichtigt wurden 9 • Da sie chronologisch nicht an den Schluß 5 Byzant. Zeitschr. 3, 1903 S. 194f. (danachsollte es sich um den Cod. Athen. 1379 handeln). 6 Epistoliers Byzantins du Xe siecle, Paris r96o (Archives de !'Orient Chretien 6; 431 S.); vgl. S. 165 ff. 7 ]. DARROUZES, Notes d'hist. des textes, in der Rev. des Etudes byzant. 15, 1957 S. 171 und DERS., Inventaire des epistoliers byzant. du Xe siede, in der Revue des Etudes byzant. rS, r96o S. rz2. 8 Die weiteren 23 Briefe edierten Sp. LAMPROS und DYOBUNIOTES nach dem Cod. Vindob. phil. gr. 342 in: Neos Hellenomnemon 20(21, 1926/7 S. 324-42 (dazu die Analyse ebd. 19, 1925 S. r-29) als Briefe des Metropoliten von Synada (daß es sich um Leon handelt, klärte DARROUZES, Epist. a. a. 0. S. 39f.). In seinem Notenapparat hat J. DARROUZES die Lesarten dieser Hs. berücksichtigt.
9 Vermutlich gehört auch der Brief Darrouzes Nr. r 3 zu den Briefen, die Leon auf seiner Gesandtschaft schrieb. Er beglückwünscht den »bewundernswerten Feldherrn« (Strategos, Überschrift: Trp KavtuAslov) zu seinen Erfolgen, von denen man nicht nur in Italien, sondern auch in Gallien und Spanien erfahren habe (rds TaJ.A{ac;, 'Ianavlas)· Aber der Schreiber erwähnt nichts von eignen Erlebnissen, so daß sich der Abdruck dieses Briefes hier erübrigt. Wichtig ist nur, daß er sich als einen Sechzigjährigen kennzeichnet (Ti rov-
rov f.ke'i!;ov S~'YJUOVTOVT'Y}S' syw Tvyxdvwv fj slr5ov fj rjuovr5a. Der an den Patriarchen von Antiochia gerichtete Brief Nr. 14, der auf alte Vertrautheit hindeutet, ist scherzhaft gehalten und hängt offensichtlich mit der Gesandtschaft nicht mehr zusammen.
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
der Reihe gehören, müssen wir bei dem - durch drei Briefe erweiterten - Wiederabdruck für alle Schreiben eine neue Numerierung einführen (wir werden sie im folgenden begründen, benutzen sie aber schon jetzt, damit Verwechselungen vorgebeugt wird). Beim Abdruck der Texte fügen wir in Klammern die Nummern der französischen Edition hinzu. Den Überblick erleichtere folgende Konkordanz der Editionen: meine Bezifferung jetzt:
III
2
3
2
4
3 4 5
5 6
Darrouzes:
II
9
10 11 12
11 12 6 7 8 9 10
7 8
Sakkelion:
früher:
6 2
7 8
I
3 4
9
90 91 92 93 85 86 87 88 89
b) Absender, Empfänger und Datum der Briefe I.
J.
Allgemeine Vorbemerkung:
Darrouzes hat die Briefe in der Reihenfolge der Handschriften belassen (S. 165176; Nr. 1-12), schließt sich aber meiner chronologischen Bestimmung an (S. 165 Anm 1). Er hat ihnen sowie den übrigen Briefen nur karge Inhaltsangaben vorausgeschickt; die nachfolgende Übersetzung bleibt also ein Erfordernis. Ich wiederhole die von J. Darrouzes sachkundig zubereitete Edition mit deren Notenapparat (P = Patmensis 706) und füge ihr meine Anmerkungen bei (die der Editor als »indispensables a qui voudra etudier ces lettres« bezeichnet); einige Hinweise, die er bietet, füge ich ein; weitere Anmerkungen setze ich hinzu. Bei der Wiederherstellung der ursprünglichen Anordnung und Datierung leiten mich folgende Überlegungen:
Konkordanz der Editionen - Leon von Synada
2
49
Leons Briefsammlungen müssen seine Konzepte oder Abschriften der abgesandten Schreiben zugrunde liegen. Daß diese beim Ordnen für die Reinschrift durcheinander geraten sind, nimmt nicht wunder- wir kennen ähnliche Fälle. Läßt man sie so aufeinander folgen, wir wir das nunmehr tun, sind jedoch nur zwei Umstellungen erforderlich- das spricht für ihre Richtigkeit (I: Darrouzes Nr. 1-5; II: Nr. 6-1o; III: Nr. 11-12, umzustellen: III, II, I). Bei der Datierung ist andererseits im Auge zu behalten, daß Leon nur von Zeit zu Zeit Gelegenheit gehabt haben wird, Briefe in die Heimat zu befördern; dabei mußte er darauf bedacht sein, daß sie nicht in fremde Hände fielen. Solche Gelegenheiten wird er dann benutzt haben, um gleich mehrere Briefe zu expedieren. Lassen sich Briefe nach dem Inhalt nicht gerrauer datieren, ergeben sich Anhalte aus ihrer - wiederhergestellten - Abfolge.
2.
Der Absender:
Nunmehr ist geklärt, um welchen der vielen Träger des Namens Leon es sich handelt10: um den späteren Metropoliten von Synada, der vorher den Titel eines »Synkellos«11 erhalten hatte (unklar bleibt, ob er ihn erhielt, um ihm für seine Gesandtschaft einen Rang zu geben, oder ob der Titel eine Belohnung für diese darstellte). Sonst ist aus seinem Leben nur wenig bekannt (in dem bei Darrouzes S. 176 abgedruckten Brief erwähnt Leo, daß er 6o Jahre alt sei; in dem- einer anderen Zeit angehörenden- Brief Darrouzes Nr. 31 gibt er sein Alter mit 66 Jahren an). Aus den Briefen erschließt]. Darrouzes, daß Leon von Stolz beseelt war und den Scherz, selbst den groben, liebte, was in den Schriften seiner Zeitgenossen sonst keinen Ausdruck findet: »Il donne l'impression d'un bonvivant mais son ironie peut atteindre jusqu'a Ja ferocite, par exemple a l'egard de Philagathos«.
10 Ich hatte 1925 darauf hingewiesen, daß es sich um den Geschichtsschreiber Leon Diakonos handeln könne. Über dessen Leben ist kaum etwas bekannt: er begleitete 986 Basileios II. in den Krieg gegen die Bulgaren und schrieb nach dem Jahre 992 die Geschichte der Jahre 959-975. Daß er dies Werk nicht bis zur Abfassungszeit herabgeführt hat, wird durch die Annahme von Leons Tod, der ihn an der Vollendung gehindert haben soll, erklärt. Jetzt stellt sich die Frage so: war er mit dem späteren Metropoliten von Synada identisch oder nicht? Vielleicht erlaubt eine Stilanalyse, sie mit ja
oder nein zu beantworten.- Vgl. jetzt N. M Aewv 6 (luixovoc;;, in: 'E:rceT'Y}[!t<;; 'ETat[!. BvsavT . .Enov(lwv 34, 1965 S. 1-138, bes. S. 38ff., der die Identität für fraglich hält. Nach. H.-G. BECK, Kirche u. theolog. Lit., München 1959 passim ist der Synkellos der Zellengefährte des Patriarchen, der durch diese Stellung als sein Nachfolger designiert sein kann. Dann dient Synkellos als höfische Bezeichnung für Bischöfe (S. 68); in der mittelbyzantinischen Zeit wird daraus ein Titel, der Platz und Rang im Senat verleiht (S. II9)· P&'
1I
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997{8)
250
Da die Schreiben ein Licht auf die Beziehungen zwischen dem byzantinischen und dem abendländischen Kaiserreich in einer Zeit werfen, in der wir unsere - nur auf wenige chronikalische Notizen gestützte - ganz dürftige Kenntnis als peinliche Lücke empfinden, so hat es seine Berechtigung, die Briefe aus ihrem Versteck zu holen und sie im vollen Wortlaut wiederzugeben, obwohl viele Sätze für die Ereignisse nichts abwerfen. Sie reihen sich zwischen die Schilderungen Liudprands von Cremona und die Schriftstücke zum Schisma des I 1. Jahrhunderts als die einzigen längeren Texte ein und lassen die Stellung des angeblich so stark unter byzantinischem Einfluß stehenden Kaisers Otto III. in deutlichem Licht erscheinen.
3. Die Empfänger: Bei dem ersten Abdruck mußte ich noch nachweisen, daß die von J. Sakkelion ohne Kennzeichnung abgedruckten Briefe von einem und demselben Manne verfaßt sind (gelegentlich fast gleiche Sätze, ähnliche Wendungen, Anspielungen und Beurteilungen usw.). Nachdem nun geklärt ist, daß alle Schreiben aus dem Briefbuch des Leon von Synada stammen, braucht dieser Nachweis nicht wiederholt zu werden. Auch meine Vermutungen über die Empfänger sind jetzt überholt, da im Codex von Patmos deren Namen oder Titel die Überschrift bilden. Nr.
I
(D n): an den Patriarchen (Sisinnios II.) von Konstantinopel
2 (D 12): an den Metropoliten von Sardes
3 (D 6): an den Ostiarios J ohannes (Sohn des Protovestiarios; vgl. auch Nr. 8) 4 (D 7): an »den Genikos« 5 (D 8): an den Mönch Stephanos (Vorsteher von Leons Haus in Konstantinopel) 6 (D 9): an einen Metropoliten (?)12 7 (D I o): an den Magistras und Sakellarios ... 8 (D I): an den Ostiarios Johannes (vgl. oben Nr. 3) 9 (D 2): an den Magistras Michael IO (D 3): an den Hagiozacharites I I (D 4) : an den Patrikios Methoclias I 2 (D 5): an M yron (einen »geistlichen Bruder«). Nur zwei Briefe (Nr. 3 und 8) sind an denselben Empfänger gerichtet; sie gehören also verschiedenen Sendungen an.
rz Da der Brief gegenüber Nr. I keine neuen Fakten bringt, kommt als Empfänger der
(von DARROUZES in Betracht gezogene) Patriarch nicht in Betracht.
Die Empfänger der Briefe - Deren Datum
In Nr. 6, 7 und 8 wird auf einen »Herrn Kalokyros«13 als von Leon orientiert verwiesen; in ihm wird man den Beamten vermuten dürfen, über den Leon an den Basileus berichtete (etwa den Logotheten rov CJ(!Dftov). Denn in sein Briefbuch hat er seine »amtliche« Korrespondenz ja nicht aufgenommen.
4· Das Datum der Briefe: Die Reihenfolge der Briefe in der Handschrift ist - wie schon A. J. SAKKELION bemerkte- nicht die chronologisch richtige, da im ersten die Absetzung und im letzten die Erhebung des Philagathos erzählt wird. Nr. 3, 5 und 6 erwähnen die Einsetzung des Johannes Philagathos; dazu gehört noch Nr. 4, da dieser Brief zu gleicher Zeit wie Nr. 5 geschrieben sein muß. Da die Erhebung des Gegenpapstes in der ersten Februarhälfte 997 stattfand und Leon dies als Neuigkeit mitteilt, müssen die Schriftstücke Nr. 3-6 im Februar 997 oder kurz danach abgefaßt worden sein. Nr. 8 berichtet über das Schicksal des Philagathos, von seiner Verstümmelung bis zur Absetzung in einem Konzil, das kaum noch im April, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach erst Anfang Mai 998 abgehalten worden ist14 . Nr. 8 ist also über ein Jahr später -um den Mai 998 - geschrieben. Nr. 9-1 I gehören ebenfalls zusammen. Wir haben also drei Postsendungen zu unterscheiden: Nr. 3-6: etwa Februar 997, 13 DARROUZES a. a. 0. S. 169 Anm. 3 verweist auf eine chersonitische Familie dieses Namens, die Cedrenus II cap. 372 (MIGNE, Patrol. Graeca 122 Sp. 105) erwähnt, und auf einen Kalokyros in Eucha!ta (bei ihm angeführt S. 355f. in Brief IX, q). Ich wies bereits auf den Patrikios K. (Kalokyres) hin, der 967 als Gesandter zu den Russen ging und mit diesen hochverräterische Pläne verfolgte; vgl. Leo Diaconus: Hist. IV Kap. VI; V Kap. I und III; VIII Kap. V (Banner Ausgabe 1828 S. 63, 77, 134, 157); Zonaras: Annales XVI Kap. XXVII 16; XVII Kap. I 18, II 20 (Banner Ausgabe III, I 897 S. j i 3, 523, 5z8) sowie Cedrenus vgl. dazu GFRÖRER (s. unten) S. 530-5 31; G. ScHLUMBERGER, Un Empereur Byzantin: Nicephore Phocas, Paris 1890 S. 56off.; E. A. SrüCKELBERG, Der Constantinische Patriziat, Basel-Genf 1891 S. 99f. Der Patrikios Kalokyros genannt Delphinas war 982-85 Katepan der süditalienischen Themen, schlug sich 987 auf die Seite des Gegenkaisers Bardas Phokas, wurde aber
nach einem Jahre von Basileios II. gefangen genommen und gepfählt. V gl. die Annalen des Lupus Protospatharius zu 982 u. 983 (Mon. Germ., Script. V S. 55); J. GAY, L'Italie meridionale et l'empire byz., Paris 1904 S. 331 pass. bis S. 367 u. die dort genannten Urkundenwerke - Leo Diac.: Historiae X Kap. IX (Banner Ausg. 1828 S. 173) und Zonaras: Annales XVII Kap. VII 15 (ebd. 1897: III S. 552f.), auch der später schreibende Cedrenus II 443· - Vgl. dazu A. Fr. GFRÖRER, Byz. Gesch. I, Graz 1873 S. 589, 6o2, 6q-615; E. A. STÜCKELEERG a. a. 0. S. 99f. 14 Für die Datierung der Ereignisse im Jahre 997 s. P. E. SCHRAMM; Die Briefe Kaiser Ottos III. und Gerberts von Reims aus dem Jahre 997, im Archiv f. Urkundenforschung 9, 1924 121 ff. (in dieser Sammlung nicht wiederholt) - Otto III. urkundet am 9· z. 998 noch in Ravenna, am 22. 2. in Rom, wo er also um die Monatsmitte eintraf (DD. 0. III. 275-276). Philagathos wurde von Deutschen ergriffen, die erst sein Versteck,
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997 /8) Nr. 8: etwa Mai 998, Nr. 9-rr, für die es noch das Datum zu bestimmen gilt. Nr. IO und rr erwähnen als Auftrag das Verhandeln über die av{lnsv{}sela: ein Ausdruck, der die Verwandtschaft bezeichnet, die auf der Ehe der Kinder beruht. Damit ist natürlich die Werbung Ottos III. um eine byzantinische Prinzessin gemeint. Die zu diesem Zwecke im Jahre 995 abgeschickte Gesandtschaft unter Führung des Johannes Philagathos kehrte im Januar-Februar 997 nach Rom zurück. Über die Gesandtschaft Leons ergibt sich aus den Briefen folgendes: er berichtet, daß er in den Monaten August bis Oktober nach dem Frankenreiche gereist sei. Aus der Reisedauer wird klar, daß Deutschland sein Ziel war15 • Da die Verhandlungen erst 995 eingeleitet wurden und Otto III. 998-1001 in dieser Jahreszeit in Italien weilte, bleiben nur 996 und 997· Aber auch 996 scheidet aus, einen Turm fern von Rom, aufstöbern und einnehmen mußten. Die Angabe, daß Ph. in ihm non diu vento imperatore zu bleiben gestattet worden sei (Chron. Ven.; Mon. Germ., Script. IV S. 3r), führt also wohl noch über die zweite Februarhälfte in den März hinein; vgl. auch Ann. Quedlinb. (ebd. III S. 74), danach Thietmar IV 30, ed. W. HoLTZMANN, Berlin 1935 S. r67f. (Mon. Germ., Script. N. S. IX); Liber pontificalis ed. L. DucHESNE II S. z6r. Ph. wurde gefangen von Birthilo (Berthold, Bezelin), Grafen im Breisgau und Ahnherrn des Zähringer Hauses, erwähnt 999-1004; über ihn E. HEYCK, Gesch. d. Herzöge v. Z., Freib. i. B. 1901 S. 6f. Nach zwei Papstkatalogen (Lib. pont. a. a. 0.) hat Ph. zehn Monate regiert. Von Februar 997, seiner Erhebung (SCHRAMM a. a. 0.), an gerechnet, ergibt sich als Ende seines Regiments die Zeit um die Jahreswende, also die Wochen, als Otto III. die Alpen passierte. Vielleicht sahen die Kataloge damit das Ende seiner Regierung gekommen; vielleicht ist Ph. schon damals in seinen Turm geflohen, zumal er seit Juni 997 zur Unterwerfung (ScHRAMM a. a. 0.) und zum Eintritt in ein Kloster (Vita S. Nili, Mon. Germ., Script. IV S. 6r6) bereit war. Der Hlg. Nilus machte sich auf die Kunde von Ph.s Verstümmelung nach verbrachten Fasten - die QuadragesimaHasten gingen 998 am IO. April zu Ende; s. ]AFFE (s. u.) S. 495 -nach Rom auf (Mon. Germ., Script. IV S. 6q). Da dies sehr gut zu dem Märzdatum paßt, so kann Nilus nicht vor Mitte April in Rom gewesen sein. Vom 24.-29. April wurde die Engelsburg
I
belagert. Das den Ph. verurteilende Konzil kann also kaum vorher stattgefunden haben; da wir vielmehr von einem Anfang Mai abgehaltenen, reich besuchten Konzil wissen, muß diese Versammlung es auch gewesen sein, welche die Aburteilung vornahm (JAFFE-WATTENBACH, Reg. pont. Rom. Leipz. 2 r885 Nr. 3888, wo S. 495-496 die weiteren Zeugnisse zu diesen Wochen; MANsr, Coll. conc. XIX S. 227-230; MrGNE, Patr.lat. 137 Sp. 928-931). - Leons Brief Nr. 6 handelt also noch von Ereignissen, die erst im Mai 998 stattfanden. Zum Ablauf der Ereignisse vgl. jetzt: Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Otto II. und Otto III., Bd. II: Otto III., von Mathilde UHLIRZ, Berlin 1954 S. 23off. und J. F. BöHMER, Regesta Imperii, II: Sächsisches Haus, 3. Abt.: Die Regesten des Kaiserreiches unter Otto III., r.-2. Lieferung: bis 997, neubearbeitet von Mathilde UHLIRZ, Graz-Köln 1956/7 S. 646ff. 5 Ein einfacher Pilger wie der heilige Adalbert brauchte 996 für die Strecke Rom-Mainz knapp zwei Monate (Vita S. Adalberti episc. Kap. 23; Mon. Germ., Script. IV S. szr). Vgl. auch Fr. LunwrG, Untersuchungen über die Reise- und Marschgeschwindigkeit im r 2. und 13. Jahrh., Berlin r897.- Für die Reisedauer Konstantinopel-Italien vgl. 0. KöRBS, Untersuch. z. ostgot. Gesch., Diss. Jena 1913 S. zzf. A. zr, der die Möglichkeit der kurzen Zeit von 3-4 Wochen für das 6. Jahrh. dartut. Agnellus: Lib. pont. eccl. Ravenn. c. 132 (Mon. Germ., Script. rer. Langob. S. 365) gibt als Minimum für Hinund Rückreise drei Monate an. Über die
Chronologie der Gesandtschaft
253
da Otto erst zwischen dem rr. September und 21. Oktober die Alpen überschritt16, so daß Leon ibn vorher hätte einholen müssen. Im Jahre 997 aber weilte der Herrscher während des ganzen Oktobers in Aachen. Zwei weitere Erwägungen stützen die Entscheidung für 997· In Nr. ro wird der auf den Oktober folgende September erwähnt- es muß sich also um das Jahr 998 handeln. Leon klagt in diesem Brief, daß er nun schon el<; t5u:rfi xe6vov in derFremde unter widrigenMenschen weile. Danach fällt seine Ankunft zwischen September 996 und September 997 (nach Nr. 3-6 genauer: vor die Februar-Erhebung). Nähme man 996 als Jahr der Gesandtschaft an, so daß Nr. 2-6 erst nach der Reise zu Otto geschrieben wären, so bekäme man als spätesten Termin der Ankunft die erste Hälfte des Jahres 996. Dann müßte Basileios II. vor der Rücksendung des kaiserlichen Gesandten einen eigenen Boten abgesandt haben, was sehrunwahrscheinlich ist. Außerdem ist in Nr. 9 von der Absendung des »Bischofs« von Mailand nach Konstantinopel die Rede. Da im Jahre roor der Erzbischof Arnulf von Mailand tatsächlich Führer von Ottos zweiter Gesandtschaft nach Konstantinopel wurde, so wird er mit dem für 998 in Aussicht genommenen Gesandten identisch sein. Weil er erst in diesem Jahre Erzbischof wurde 17, kann also nur der September 998 gemeint sein. Die Reise Leons zu Otto gehört, wie schon die anderen Erwägungen zeigten, also in das Jahr 997·
Da Leon demnach zwischen September 996 und der Erhebung des Philagathos (Februar 997) angekommen ist, können wir jetzt noch mehr von ihm aussagen. Nach den Annales Quedlinburgenses z. ]. 997 (Mon. Germ., Script. III S. 74) ist Philagathos cum . .. Graecorum . . . legatis zurückgekehrt. Ebenso berichtet das Chronicon Veneturn (ebd., VII S. 30) über die Ankunft des Erzbischofs Johannes cum Graecorum imperatoris legato. Der Unterschied von Mehrzahl und Einzahl läßt sich sehr gut mit Leons Briefen vereinigen, wonach er noch Personal bei sich hatte. Denn da wir sonst von keinem anderen byzantinischen Gesandten wissen und Leon den Johannes Philagathos ja sehr genau kannte, kann kein Zweifel herrschen, daß die Chroniken sich auf den Schreiber der Briefe beziehen. Wir können jetzt die Daten für Leons Reise festlegen: Ende 9 9 6: Abreise von Konstantinopel zusammen mit J ohannes Philagathos. Januar 997: Ankunft in Süditalien. r. Hälfte Februar: Leon nimmt Anteil an der Erhebung des Gegenpapstes und berichtet darauf über dieses Ereignis in die Heimat (Nr. z-6). Februar bis Juli bleibt er in Italien. August bis Oktober: Leon reist zu Otto III. nach Aachen und richtet seinen Auftrag aus (vgl. Nr. 9-u). längere Dauer der Gesandtschaften in karol. Zeit K. BRANDI im Arch. f. Urkforsch. I, Leipzig 1907 S. 62 A. r. Liudprand legte 949 die Strecke Venedig-Konstantinopel in 24 Tagen zurück; Antapod. VI, 4 (Opera, Script. in us. schal. 3 1915, S. 154); 968-969 brauchte er zwei, bzw. drei Monate; vgl.
auch V. MENZEL, Dtsches Gesandtschaftswesen im M.-A., Hannover 1892 S. 199f. r6 Mon. Germ., DD. 0. III. 225 ff., dazu Th. v. SrcKEL in den Mitteil. des Inst. f. österr. Gesch. XII, r89r S. 225 ff. 17 G. ScHWARTZ, Die Besetzung der Bistümer Reichsitaliens, Lpz. r 9 r 3 S. 77.
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B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997 /8)
November 997 bis Januar 998: Er reist nach Italien zurück, und zwar (da Otto in diesen Monaten denselben Weg zurücklegt) vermutlich in der Umgebung des Herrschers (vgl. Nr. 9). 998 Februar bis Mai/Juni: Leon bleibt vier Monate in Rom (vgl. Nr. 9). Hier erlebt er das Schicksal des Philagathos mit, worüber er in die Heimat berichtet (Nr. 8). Diesen Brief wird der in Nr. 9-10 erwähnte, von Leon an den Kaiser von Süditalien aus abgeschickte Bote mitgenommen haben. Juni bis September: Leon wartet auf Antwort von Kaiser Basileios II. (vgl. Nr. 9-10). Er sagt in Nr. 10, daß er sich nach Süditalien18 begeben habe, sitzt also vermutlich in oder bei Otranto, das in Nr. 9 genannt wird. Von hier aus und in dieser Zeit wurden Nr. 9-11 abgesandt. Da Nr. ro ein Antwortschreiben ist und Nr. rr den Empfang einer Todesnachricht voraussetzt, hat Leon in dieser Zeit auch Mitteilungen aus der Heimat erhalten. Bei dem Wiederabdruck ergibt sich die zusätzliche Aufgabe, die drei bisher noch nicht herangezogenen Briefe in den beim Erstabdruck festgestellten Zusammenhang einzugliedern: Im Brief Darrouzes Nr. IO erwähnt der Autor die nach der Abreise auf See bestandene Gefahr und das schlimme Winterwetter, das er überstanden habe. Wir beziehen diese Angabe auf den Winter 997/8 und verstehen das im Brief erwähnte Umsteigen auf ein anderes Schiff als metaphorischen Hinweis auf die Abwendung von Philagathos und die Hinwendung zu Gregor V. Die Wendung »in den Hades geschickt« verbinden wir mit dem in einem anderen Brief erwähnten Tod seines Sekretärs; wir belassen dem Schreiben deshalb seinen Platz nach Darrouzes Nr. 9, reihen es also nach Nr. 6 ein. Die Schreiben Darrouzes Nr. I I und I 2 stehen dagegen in der Handschrift offensichtlich an ganz falschem Platz; denn sie berichten über die Erhebung des Philagathos zum Gegenpapst als eben geschehen, gehören also in die Nähe der Schreiben mit ähnlichem Inhalt. Wir weisen ihnen deshalb einen Platz vor diesen an und lassen dabei die Frage offen, ob sie alle auf einmal abgesandt wurden oder Leon mehr als eine Gelegenheit hatte, sie in die Heimat zu expedieren. Der erste der beiden Briefe ist an den Patriarchen von Konstantinopel gerichtet, der ja beanspruchen konnte, gleich nach dem Basileus orientiert zu werden. Wir setzen die beiden Schreiben deshalb als Nr. I und 2 an den Anfang der Briefreihe. Dem Brief Darrouzes Nr. 5 hatten wir im Erstabdruck die Nr. I gegeben. Beließen wir ihm diese Stellung, stünde er, nachdem Nr. II und I2 an den Anfang gerückt sind, isoliert. Wir belassen ihm daher seinen Platz hinter Darrouzes Nr. 4 (was sich mit dem unsubstantiellen Inhalt verträgt) und geben ihm die Nummer I 2.
J. Leon als Briefschreiber:
Man muß dem Briefschreiber zugute halten, daß er sich des öfteren offensichtlich I8
e~ljJ..{}of!8V clr; Aoyylßaeotav; vgl. dazu Const. Porph. op. II, Banner Ausgabe I83o S. 353ff., Anm. von]. J. REISKE: Quando
thema Langobardiae nominant Graeci, inte!ligunt eam regni ltalici seu Langobardiae partem, quae ad ipsos adhuc tum spectabat.
Chronologie - Leon als Briefschreiber
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hütete, die Dinge beim rechten Namen zu nennen und sich auf Andeutungen beschränkte, die den Eingeweihten verständlich waren, aber ihn vor ungewünschten Lesern nicht bloßstellte: »Du weißt, o überaus scharfer Verstand, was ich sage«, heißt es in Nr. Io im Hinblick auf die Verhandlungen, die ja streng geheim bleiben mußten. Gern wüßte man, wie Leon sich in den - nicht erhaltenen - Berichten ausdrückte, die den Basileus orientierten; ganz diskrete Angelegenheiten mögen ihm nur mündlich durch den Überbringer mitgeteilt worden sein. Aber auch in den Teilen der Briefe, in denen nichts geheim zu halten war, ist Leon nicht leicht zu verstehen. Denn er schreibt einen mit biblischen Wendungen durchsetzten, rhetorisch gespreizten, kasuistisch die Möglichkeiten durchsprechenden und immer wieder Antithesen herauskehrenden Stil. Daß er stolz auf seine Leistungen als »homme de lettre« war, zeigt, daß er sie in einem Briefbuch zusammenfaßte. Als Dokumente des Stilgeschmacks seiner Zeit sind sie aufschlußreich - der moderne Leser wird ihn allerdings als skurril abwerten. Der Umstand, daß nur literarisches Interesse für die Erhaltung der Briefe sorgte, hat wohl zur Folge gehabt, daß die Briefanfänge und -schlüsse mehrfach unvollständig sind; vielleicht hat auch die Beschaffenheit des Konzeptbuches mitgesprochen. Nr. I I bricht plötzlich in dem Reisebericht ab, dessen Fortgang wir uns nach Nr. Io ungefähr ergänzen können. Bei Nr. 5 fehlt der Anfang, da mit Kal übergeleitet wird. Die sonst vorhandene Anrede vermissen wir hier sowie in Nr. 4, was gleichfalls auf Unvollständigkeit hinweisen wird. Der Verfasser verrät eine genaue Kenntnis der Bibel; daneben bringt er Zitate aus Euripides (Nr. 9) und aus Homer (Nr. 9). Seine sonstigen Anspielungen nachzuforschen, sehen wir nicht als unsere Aufgabe an, da uns an den Briefen ja nur der sachliche Inhalt fesselt. Verdienen Leons Schreiben Beachtung als Zeugnis für die Art des byzantinischen Privatbriefes in einer an Zeugnissen armen Zeit, so ist ihr historischer Wert trotz der vagen Ausdrucksweise nicht zu unterschätzen. Denn einmal runden sie die chronikalischen Notizen ab und ergänzen das chronologische Gerüst, und daneben zeigen uns Leons persönliche Urteile und Hoffnungen, seine Intrigen in Rom und sein Hinhalten Ottos III., wie sich der Gegensatz der beiden Kaiserreiche am Ende des X. Jahrhunderts auswirkte. Ich habe an anderer Stelle versucht, mit Hilfe dessen, was die Briefe bieten, ein Bild von dem Verhältnis zwischen Basileus und Kaiser in der Zeit von Otto I. bis zum Anfang des XI. Jahrhunderts zu entwerfen19 • 19 Kaiser, Basileus und Papst in der Zeit der Ottonen, in der Historischen Zeitschrift r 29, 1924, S. 424-75 (jetzt oben S. 2ooff.). V gl. dazu W. ÜHNSORGE, Ottos III. Legation an Basi-
leios II. vom Jahre 998, in seiner Aufsatzsammlung: Abendland und Byzanz, Bad Hornburg a. d. H. 1963 S. 288-99. Beim ersten Abdruck hatte ich Prof. Dr.
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B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
c) Der Text der Briefe Nr.
1
(D
Rom?, 997 Frühjahr
11)
Leon empfiehlt sich dem Patriarchen (Sisinnios II. von Konstantinopel) mit Schmeicheleien und berichtet ihm über die Flucht Gregors V., die Machtergreifung des Crescentius und die Erhebung des Johannes Philagathos zum Gegenpapst. Da er diesen verachte, habe er ihm das Schreiben des Patriarchen nicht ausgehändigt, sondern auf dem Petrusgrab befestigt. Leon schlägt ihm vor, den Namen des Philagathos in keiner (byzantinischen) Kirche anzubringen und über seine Mitteilungen vorerst zu schweigen, da sich möglicherweise aus dem Wechsel in Rom für den Basileus Günstiges entwickeln könne. Tö) naTeul.exn
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2 J ohannes Crescentius. 3 Leon war 6o Jahre alt; s. oben S. 247 Anm. 9 4 Papst Johannes XV. (t 996). 5 Papst Gregor V. (996-99).
Brief
r-2
2 57
Kew'){,lvCov ovvapst, Toii 'i8 Be6vov ua/, Tfj~ Mla~ andaBsk 0 o' vnstafjAesv 0 f-l'Y)OS Cijv a~w~, 0 Sf-lO~ q;lAtaTo~, 0 Beaav~ fPtAayaBo~, 0 naYTOAf-lO~, ij pwela, 0 lOOlf-ll, 25 evno~, ij X'Y)Al~, O'V w~ sloov STllbalvovTa - uat av ys pa'){,eoBvpsZ~ Xetad, '){,at aTlObalvona. Toii TOlOVTOV T~'V a(!BT~Y, TOV TOO'OVTOV T~'V o6~av, TOV aYVTlB(!bA~Tov, TOV aavy'){,ehov, aoii, TOV Bsouoov~, TOV bBsov, yeaq;~y emoovvat, 'iaoy ev6ptaa «xolerp Xat XV'Vt paeyaeha~)) xa/, äyw neoaehpat. Ileoafj~a TOiYV'V TO O'BbUO'f-llO'V exsivo yeappa uat neoasnanaAwaa TfP Taq;rp TOV Koevq;alov 6 xa/, olxstq. XBl(!t TO 30 ·dpwv aov O'VOf-la neosyempa,ava~lO'V xetva~ f-l'V'Y)f-lO'VBVWBat as Xat avaq;sesaBat nae' exslvov TOV potxov,? Toii ßodveov, TOV f-lW'Y)TOV, TOV BsoaTvyov~. Ta oi3v exstvov naeaww anOT(!6nalOY O'VOf-la f-l'Y)OS S'V TfP Tl(!OYarp, f-l'Y)OS S'V TO z~ neoBveot~, f-l'Y)OS S'V Toi~ neoavAslot~, f-l'Y)OS eaw TBlXWY, aAA' e~w Xat sl~ afno TO S~W'iB(!O'V anoyeaq;fjvat ax6To~· TlA~'V olxovopta~ i!vsxsv, d)y ey(!a'ljJaf-lBY, O'bWBfjvat Xat xawatyaaBfjvat 35 Tl(!O~ TO nagov eyw O'Vf-lbOVABVW, Tij'V TOV xaAov Xat psyaAOV ijpwv ßaatASW~ svoo~{ay ngaypauv6psvo~, fi Xat avvseysiv ooxsi uat xataTlBwBat 0 aAlT~(!lO~, OV'iB ixwv, aAA' axon{ ys Bvprp, YBWf-lBT(!lXai~, 8 q;aa{y avayxw~, ij paAAO'V KewxsYTlXfP uaux6psvo~ q;6brp, 'Eepov ifYBXB'V Cwv. IIeoauBsl'Y) aot Yv' 'iow as Xat nl T* anOO'Y)f-lla~ e~stnw aot Xat Ta Tfj~ psyaAoo6- 40 ~ov 'Pwp'Y)~ avayyslAw aot, w~ Uat avTo~ VTlS(! epov BV~'fl· 14 xcigar; n6oar;: vel xa/ addendum vel altera vox de6 Ps. 41, 3 4-6 Ps. 68, 3; 30, rr 31 dvarpa[gsa()w P 29 Matth. 7, 6 25 yc I. dubia 24 rplkwwr; lectio dubia lenda 39 proverbium quis dixerit non invenit Darrouzes ßi5e)).vgov P
Nr.
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(D
Rom?, 997 Frühjahr
12)
Leon, der einen Schiffbruch hinter sich hat und auf dem Lande mit Hindernissen ringen muß, bittet den Metropoliten (Leon) von Sardes um Gebetshilfe und berichtet ihm, daß er Philagathos zum Papst gemacht habe (den er mit rhetorischem Aufwand herabsetzt). Dieser befürchte bereits, daß Otto (III.) und der Papst (Gregor V.) ihn vernichten werden.
Trp Iaeaswv Ta f-lS'V aAAa f-lOl xovq;a Xat w~ slnsiv svq;oea, T6 'i8 Tfj~ ooov pfjuo~ Xat Ta evBaAaama vav6.yw 1 xa/, Ta S'V rfj xsearp XWAvpaw· TO o' avT* TOO'OVTO'V owaTfj'Vat Tfj~ xaA* aov 01p8W~ xa/, Bsa~ Xat Of-llAia~, Tl~ evsyxol 1fJVX~; Ttvt qJO(!'Y)TO'V TO aq;6(!'Y)TO'V; Ovu olpat nae'Y)yoeiav slvat 'il'Va TOV TOO'OVTOV xaxov, ovo' ay avT~'V 6 D. h. die Confessio St. Petri in der Peterskirche, auf der z. B. Kar! d. Gr. im Jahre 774 seine »Promissio« niedergelegt hatte. 7 Da das Verhältnis des Bischofs zu seiner Kirche als geistige Ehe ausgelegt wurde, konnte 17 Schcamm, Aufsätze III
ein Geistlicher, der ihre Rechte verletzte, als »Ehebrecher« bezeichnet werden (Leon bezog diese Bezeichnung auf Philagathos auch noch in anderen Briefen). r Zu dem Schiffbruch vgl. auch Nr. 7·
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
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Wortspiel, vielleicht mit Anklang an Caesars Wort: Veni, vidi, vici. 3 Basileios II. 4 Philagathos stammte aus Rossano, also aus Kalabrien. Wenn Leon offenläßt, ob er nicht 2
ein Sizilianer sei, tut er das wohl nur, um auf diese Weise den Ätna einbeziehen zu können. Vgl. dazu DARRouzts a. a. 0. Anm. IO, der diese Stelle nicht zu heilen wußte.
Brief 2-3
259
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Rom?, 997 Frühjahr
Leon berichtet dem Ostiar J ohannes, dem Sohn des Protovestiarios, daß er trotz seiner persönlichen Feindschaft den Philagathos zum Papst gemacht habe eine Lage, die zur Zeit Anlaß zur Freude gebe und in der Rom eines starken und klugen Mannes bedürfe, wie es der seine Vorgänger überragende Kaiser Basileios sei.
'Iwavvn oanaelcp Tip TOV ngwTObWnaelov FsAriv flEV olt5a as, xawyc:Aav !58 vvv vnovow as auovaana, Oil nanav TOV WtA.aya8ov neosxstgwaprJV\ OV l&t flS xat anonvi~at xat neoasnsmsiv 7:0 a~l0~ 2 , TOV ftVelwv CJX'YjJriWV a$wv. "Oew as TOVTOl~ emysA.wvTa uat xalew uat svxopal ast yc:Aav as. JlavTw~ r} ovt5sv asavTip avvOLt5a~ r} noAAa avvott5a~ xat t5t' vnsgbOA~V 8rhieov 3 ysA.q.~ flOVOV' sl TOVTO uat p6vov, A.iyw !51} 7:0 yc:Aav, &pagTavst~, ovt5' o{hw flaY.-aew~ - Ot yae nsv8ovvTS~ 4 , TOVTO - JT,A~V avyyvwa7:6~, sl ys ent Tip yc:Aav noTS uat uA.avasta~ SKWV shs Kat aKWV' 7:0 t5' oi5v naeov Kat xaies Kat yiA.a Kat si5 neans Kat leewao xat f-lSfLVrJGO ijpwv. "H "PWfl'Yj r}Wf-l'Yj~ t5sirat 5 Kat r}wflaAiov Kat CJUbaeov avt5eo~ Kat Eflbet8ov~ rpgov?]paio~, anse, oloa, 0 !JtLhseo~ 6 Über Philagathos als »Ehebrecher« s. Brief Nr. r. 7 Otto III. 8 Gregor V. 9 D. h. Philagathos. I V gl. den ähnlichen Briefanfang Nr. 5. 2 Für den Kaiser intoniert; vgl. 0. TREITINGER, Die oströmische Reichsidee, Neudruck Darm-
stadt r956 S. r4f., 48 Anm. zr. Die unmäßigen Ansprüche des Philagathos? Oder die unmäßige politische Tätigkeit des Absenders? 4 Matth. 5, 4· 5 Zu diesem bekannten Wortspiel vgl. W. GERNENTZ, Laudes Romae, Diss. Rostock I9I9 S. 27.
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B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
fleyar; ~a~ V'ljJ'YJAO~ ßaatAcV~ ~eWC'YjTal TW'V nqoAab6VTOJV 6 nAiov, w~ ~al avTo~ nAeov TW'V aAAOJ'V oloa~ nAiov ~a~ CJVVOfllAW'V ~a~ TW'V anoee~TOJV 7 ~Ol'VOJVW'V TOl~ ßaatJ..svat 8 • Ev os fl~ o6;n~ natCsw, all' rl.AnBsvsw TavTa flc yqacpov-ra. Nr. 4 (D 7)
Rom, 997 Frühjahr
Leon klagt über sein Verweilen in Rom fern von der Heimat, verweist den Empfänger auf seine Berichte an Kalokyros und teilt den Tod seines Sekretärs mit.
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El naqaoo;ov s'tnw Tl, fl'YjOUflWc; amaT~an~· ~UflOl yae, onse s'tnw, naqaoo;ov cpalVcTal. Elfll flSV ev 'PWfl?J, nA~V ~al aot CJVVclfU ~al fli.lAAO'V aot CJVVclfll 1jneq clfl~ ev 'Pwfln, TO flS'V yae B~W'V ~al cptAwv, TO OS a~wv ~al anoaTqccp6flcVOc;. El ovv fl6.8w ~al ~aAa clval Ta ~aTa as ~al w~ eyw ()O,w, T6-re flOl ~al ij anOO'Yjflla cvc; entO'Yjflla Aoyta8?]acTal ~al ~ovcpa Ta ovaxseif ~al OflaAa Ta aVWflUAa ~al ovMv, cl ~al BavOlfll, a~v8qwn6v flOl vnoActcpB~acTal. Ll~lov TavTa ~at sv nqi.ins ~at lieewao, Twv avvsTwv avvsTw-reqs. Ta ~aB' !Jfli.ic; ano TOV ~veofi Ka},o~veov2 yvwan aacpea-reeov, ~al ev ol~ SCJflcV ~at ola enqa;aflcV ~al ola eqya'ljJUflcV. 'Q yqacpsvc; ~al cl~ Ta TOWVTa VJT:'Yj(!cTWV /jfllV dAcl TOV ß[ov exe?]aaTO ~al avay~acoflal ~al TOl~ cp[lotc; neoa~eovwv ~at TOl~ ~velotc; flOV 3 • "JoOlfll (JE w~ eyw Büw ~al ßovAOflal' Büw OS Cf.lvnov, avoaov, vytfj, cV'Yjflc(!OVVTa ~at svnqayofivra. Nr. 5 (D 8)
Rom?, 997 Frühjahr
Leon teilt dem Mönche Stephanos die Erhebung des Philagathos zum Papst mit und fragt, wem man die zu diesem Ereignis führende Entwicklung zuschreiben müsse, welche den ihm verhaßten Philagathos mit den ihm auch verhaßten Römern zusammengebracht habe. Er sieht die alteRomamit dem neuen Streber verkuppelt, dem er jetzt den Papsttitel geben muß, und betrachtet es als Warnung für die neue Roma, wenn man auch guten Mutes sein müsse. Nach moralischen Ermahnungen verweist Leon den Empfänger für Genaueres an Kalokyros, fordert von ihm Nachricht, wie in der Heimat seine eigenmächtige Politik aufgenommen wird, und bittet selbst im ungünstigen Falle um Briefe, die ihm ein Mittel der Erholung sein werden.
6 Twv ngoJ..aß6vr:wv hier in der mittelgriechischen Bedeutung »die früheren«. 7 Teilhabend an den Geheimnissen, also nichtwie ich früher annahm - eine Anspielung auf das Amt des Adressaten ( a secretis). 8 Basileios II. und sein Bruder und Mitregent
Konstantirr VIII. Nach yevtx6c; (Adj.) ist wohl noch ein Titel anzunehmen. 2 Vgl. den ähnlichen Satz in Nr. i und Nr. 6. 3 Vgl. Nr. 3 Anm. 8. I
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Luc. 2, Io. Leons Papst wird dem Empfänger Freude machen; die Person des Jobarmes Philagathos wird ihn jedoch vor übergroßer Freude bewahren. Der Leon persönlich verhaßte Philagathos und die dem Byzantiner verhaßten Römer hatten sich verbunden. sc. 'PW[.t1J=Rom. SC. nanav: Philagathos im Gegensatz zu dem bisherigen Papst Gregor V. Der V erfass er muß dem neuen Papste von jetzt an seine neue Amtsbezeichnung zukommen lassen. sc. 'PW[.t1]=Konstantinopel. Apoc. 7, 2: Der Engel am Tag des Zorns, der auf die Stirnen der Gläubigen ein Siegel setzt. Apoc. 8, I 3: Der das dreifache Wehe verkündende Engel. DARROUZES a. a. 0. Anm. 4 bestreitet diesen Bezug: »Lcon veut dire preci-
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DARROUZES sement que l'ambassadeur byzantin a brise !es sceaux et jait la proclamation, c'est-a-dire qu'il a agi comme ayant pouvoir de confirrner I' election du nouveau pape au nom dela nouvelle Rome. Ainsi finirait le privilege de l'ancienne Rome d'etre Afj.;Lv (d'etre au-dessus du sort ou de ne pas tomher en desherence); d' ou l'embarras et Ia gene de Leon devant ce renversement et cette confusion, car il n'ignore pas Ia tradition et il admet Ia possibilite que l'empereur n'approuve pas son geste« (Hinweis auf Brief 12, jetzt: z). ro Mutlos sein heißt hier guten Mutes sein; denn - wie Leo in Nr. 6 ausführt - es ergeben sich aus dem zwangsläufig eingetretenen Ereignis doch für die Byzantiner gute Hoffnungen für die Zukunft. II Vgl. Luc. 22, 30 und Apoc. 3, 21. 12 Vgl. den ähnlichen Satz in Nr. 3 und 5· I3 D. h. den verwitweten Provinzen Süditaliens. Leon will wissen, ob die von ihm einge-
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B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
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Nr. 6 (D 9)
Rom?, 997 Frühjahr
Leon rechtfertigt sich vor dem mit »Vater und Herr« angeredeten Empfänger (einem Metropoliten?), daß er entgegen dem Anschein etwas geleistet habe; denn er habe der eindrucksvollen, aber führerlosen Stadt Rom den Philagathos zum Führer gegeben, der früher den Segen des Empfängers empfangen habe. Leon gibt sein Vorgehen als notwendig aus, um einen Rückschritt zu vermeiden und meint, daß der Erfolg nachher um so sicherer sei; denn Gregor V. werde sich schon an Philagathos rächen. Für das Nähere verweist er ihn auf Kalokyros und hofft auf die Zustimmung des Kaisers, dessen Mißbilligung ihn niederschlagen würde.
El xa~ l!.oo~a dl]yi)aw, esorptABO'WU :naUI] xa~ oia:nm:a1 , (i).).' ovx fii2YTJO'U' i~Y PW[l'r}Y sloov, :TCI]fiy[la flBya, O'O(j!OY Xal V:TCBI]Oyxoy xa~ aYOI]a fl~ l!.yovaaY' aYOI]a avrfj oiowxa TOY aexts:nlaxo:noy t:Peayy[ac; 2 TOY rtp rvAlcp 3 T~Y BVX~Y O'OV Aab6Yra. Tovro fl~ eav{laanc;· fOsl yal] OVTW :Tli]ObijYat, aAAwc; o' a:nobi]Yat' ra yal] E~ aexiJc; avv:n6m;ara e4ota :navrwc; xa~ svxseiJ :neoc; xa8alesaw.
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Nr. 7 (D 10)
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Rom?, 998 etwa Mai
Leon berichtet dem (nicht mit Namen angeführten) Magister und Sakellarios mit Anspielung auf die- ein schlechtes Omen abgebende- Seenot, in die er bei der
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leitete Politik am Hof auf Schwierigkeiten stößt, ob sie stärker als die die dort vorherrschende ist oder ob sie dieser unterliegt; er will aber auch dann Nachricht haben, wenn die entgegengesetzte, die Übereinstimmung mit den Römern ablehnende Meinung obsiegt, da der Briefwechsel ihm auf jeden Fall eine Erholung bedeutet. »Despotes« ist hier in der Bedeutung von verwendet. Das heißt: als Gegenpapst den Philagathos, der Erzbischof von Piacenza war. Die Bezeichnung als »fränkisch« z. B. auch Constantin Porphyr.: Lib. decerim. I, Bonner Ausg. I 829 S. 74o: oZ cf>eayywv neeaßstr; und
r.vew;
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o6 er.
die Byzantiner zu Liudprand (Legatio c. XIX) über einen episcopus Francorum. So P; lovAtcp konjizierte F. DöLGER: Ort? Juli (996)? Auch DARROUZES vermochte dieses -vielleicht entstellte- Wort nicht zu erklären. 4 Den rechtmäßigen Papst Gregor V., der im Februar, als die Empörung in Rom ausbrach, die Synode in Pavia leitete und bis zur Ankunft Ottos III. sich in Nord- und Mittelitalien aufhielt; s. ScHRAMM a. a. 0. Philagathos, weil er seine nach einem beliebten Bilde als Ehe gefaßten Beziehungen zu seinem Bistum und zur Kirche verletzt hatte. 6 V gl. den ähnlichen Satz in Nr. 3 und 4·
Brief 6-8
Fahrt nach Italien im Vorjahr geraten war, metaphorisch von seinem »Umsteigen« auf ein anderes Schiff (d. h. seinen Übergang von Johannes Philagathos zu Gregor V.). Tii) 1-wyEareq; uat aaue'A).a(!lq; Ta X(]ÜUf-la f-ln avr6esv inupa{vcaeat naAalOV B(]Tl naeayycAf-la, ([> xa/, (]V nd()ov, avvsnk iv avvsroir:; xat (Jlmpsewv iv rpeovlf-lotr:;· xat aAAot aov .Myovror:; insteovr:o wr:; iyw l!f-laeov. Ta yovv lf-la wr:; slnsiv arp' earlar:; ud ano ßa).btoor:; xat ano rfjr:; arpsrr;etar:; avrfjr:; USX(]lTal . äf-la yae i).vaaf-lBV ix TOV Eorplar:; Alf1BVOr:;1 uat ~ vavr:; 'ncf.llc(](]ayr; Ual f-llX(]OV 'nc(]lBT(]anr; . 2 EOO~BV oi3v uaxor:; olwvor:; TO ycVOf-lBVOV, (z).).' ovu i]v Bf-lOV anobifvat, f-lOVOV oe f-lcTabfjVal r-f)v vavv Xat r-f)v BKclvr;r:;, 0 rpam, rvxr;v rjnse ixstvr;r:; (z).).a~aaeat. Ta o' oi3v oaa ivavayrjCJaf-lBV Kat ixwovvsvaaf-lcV xat ha).amwe~aaf-lBV xat ivoa~aaf-lBV Kat OtBf-lB(]fa()r;f-lcV, ot f-lBV rii) ßlq; KaTaAstrp()ßvrcr:;, Ol OS rii) "Aon naeancf-lrp()ßvrcr:;, Ol o' clr:; •pWf-lrJV owawesvrcr:;, M.aew. Ta o' in' BKdvou;, oaa BXBlf-laO'er;f-lcV 3 nr;Aii) uat TBAf-laCJl xa/, nOTaf-lOtr:; xarwesv Kat rii) avwesv verii) xat XlOVl Kat Of-lb(]Olr:; eayoafotr:; OlrJVCKSO'l ßaAAOf-lBVOl 3 , myfj XBKevrpew neor:; TO nae6v, l'va f-ln o6~w awestr:; axaewrcZv xa/, r-Yjv ne6vowv iesetcsw rj blvnvtCsw 1ff-lc(]OV, varceov ß).6.1pOV(]aV . Ta oe BV(/!rJf-lOTC(]a ).syßa()w xat anayysUaew rii) xvefq; f-lOV.
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Empfängerzeile: »Kai P«. in P am Rande nachgetragen. 7 aliquid simile tribuitur Aristidi in Thesauro H. Stephani sub. v. aAAa'iTof..lat 13 ßAd1povaav correxit Darrouzes: -1pdaav P
Nr. 8 (D r)
Rom?, 998 etwa Mai
Leon teilt dem Ostiar Johannes (vgl. Nr. 3), dessen Lachen er vermutet, mit, daß (Johannes) Philagathos, für den er nicht genug Worte des Abscheus habe, gestürzt sei, und zählt die einzelnen an ihm vollstreckten Strafen auf. Leon warnt alle, dem Beispiel des Philagathos zu folgen, da die Gerechtigkeit nicht schlafe, fordert den Empfänger auf, sich mit ihm zu freuen, und wünscht sich, ihn bald wiederzusehen. 'Iwavvr; oanaetq; rii) TOV n(]WTObWTlaetov Asovror:;
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Fe'A{j.r:; Iien rov nAarvv yüwra, ib xa).-Yj Kcrpa).~, ib KaA-Yj 'lfJVX~, f-lrJOcVt nwnors xaKOV ysyovwr:; ahwr:;, noAAoir:; 08 f-läAAOV noAAa ayaea neo~sv~aar:; xat clr:; TOVTO, wr:; clns'iv, TO si3 notsiv näm 'n(]OKcff-lcVOr:;. r:J>t).6.yaeor:; ixsZvor:; or:;, 'lva avvüw, ovoiva slxs TOV laoaraawv, o15 aeär:; TO (]TOf-la Kat novr;etar:; l!ycf-lc 2 Kat ß).aarpr;f-ltar:; t Xat novr;efar:; t Xat }mooefar:;, cp na(]Of-lOWr:; ovodr:;, ov TfVt avnrMOf-lBV OV ywwa1
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r Der Hafen bei der Hagia Sophia in Konstantinopel; zu dem Unglück auf Sees. auch Nr. 2. 2 Auch in Nr. 2 erwähnt. 3 Wie DARRouz:Es a. a. 0. Anm. 6 beziehen wir
die Angaben auf den Winter 997/98; en' euctvou; meint also die "Franken". r Vgl. den ähnlichen Briefanfang Nr. 3· 2 Rom. 3; 14. Vgl. auch Apoc. 17, 3·
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B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997 /8)
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I4 xara add. Schramm Süditalien, 998 Herbst
Nr. 9 (D 2)
Leon rühmt den Empfänger, den Magistros Michael, als einen zweiten Nestor, weil er ihn mit Rat und Tat unterstützt habe, schätzt sich glücklich, ihn zum Vorsteher seines Hauses gemacht zu haben, und bittet ihn, seiner weiter zu gedenken. V gl. über diese Ereignisse: Ann. Hild. zu 997f. (Mon. Germ., Script. III S. 9I); Ann. Lamberti (ebd.); Ann. Quedl. zu 998 (ebd. S. 74); Vita S. Nili Kap. 89f. (ebd. IV S. 616); Arnulfi Gesta Archiep. Medio!. I Kap. XII (ebd. VIII S. 9); Chron. Veneturn (ebd. VII S. 3r); Thietmar IV 30 (zi) (ed. Robert HoLTZMANN; Script. rer. Germ., N. S. IX S. r67ff.); Petrus Damiani an Honorius II. (Epist. I Nr. 21; MIGNE: Patrol. Lat. I44 Sp. 25 3-4); Augsburger Papstkatalog (Lib. pont., ed. L. DucHESNE II S. 26 I); Bonizo: Decretum IV c. 108 (Nova Patrum Bibi., herausg. v. Kard. MAI VII 3, Rom I854, S. 46). 4 Ann. Hild.: unde ab universis episcopis Ita/iae,
6 7 8 9
Germaniae, Franciae et Gal!iae excommunicatur.
Gregor wird den Bann noch von Pavia aus im Februar 997 gleich nach Empfang der Nachricht aus Rom ausgesprochen haben, worauf die übrigen Bischöfe - einer Aufforderung des Papstes folgend - dies in ihren Diözesen wiederholt haben werden; vgl.
IO rI
ScHRAMM im Archiv f. Urkundenforsch. I924 IX, I 924 S. 9 I ff. (hier nicht wiederholt). Ann. Hild., Ann. Lamb., Ann. Quedl., Thietm., Chron. Ven., Lib. pont., Damiani, Vita S. Nili (wohl März 998). Dieselben (außer Ann. Lamb.). Chron. Ven. statt dessen: . . . auribusque praecisis; so auch Petrus Damiani. Ann. Quedl., Thietm., Chron. Ven., Lib. pont., Vita S. Nili. Chron. Ven. und Vita S. Nili setzen den Umzug nach der als siebentes berichteten Synode; vgl. auchLib. pont.,Arnulf, Bonizo, Damiani. Der schimpflicheUmritt auf einem Esel wurde außer in Rom auch in Süditalien und Byzanz als Strafe verwandt. Chron. Ven., Vita S. Nili (wohl Mai 998). Auch die Vita S. Nili spricht von einem Kerker, während Chron. Ven. ein Kloster angibt. Beides läßt sich wohl vereinen: Ph. wird nach schwererer Haft in ein Kloster verwiesen worden sein.
Brief 8-Io
Er macht ihm Mitteilung über seine Reisen und die abgesandten Boten und verweist ihn für Näheres an den Überbringer. (5. 103:) "Ovrw~
(( aorpov SV ßovAcVfla ra~ noAAa~ xsiea~ Vl'!dp;;, iydJ OS uat YVWfla~, JJ EvemioTj, Uyw Xal O(!flU~ xat nea~cl~ avra~ uat ov flciafleAOflal rovro Asywv . .Eov BV8X8V, JJ eavfla(Jl8 xat uaAe [l6.ywres, neo~ ixsivov rov aorpov anci8l'Vafl7JV . av yae uaA6~ cl xat neoboVAsv6ftcVO~ uat roi~ xauw~ ßovAsv6si(Jl uaAw~ imßovAcVOflcVO~ . ovu av apaerol il~ uat (( Tsef)vwv Ual nadea Aaov )) (]8 uaAsaa~ 2 uat naaav ayaenv uAfjatv imrp1Jfllaa~ (JOl. 'EydJ yovv rovro flOVOV oloa aorpov ßovAsvaaflcVO~ ro ae neoara7:1]V rov i[lOV OlUOV notryaaa6al Ual avra~ ra~ 1pVXlUa~ xwf)acl~ flOV. E'L il~ oi5v lAso~, cl il~ rptAaveewnia, c'L il~ xenar6r1J~, cl il~ ayan7J, (( el il~ naeauATj(Jl~ iv Xewrcp 3 , )) ansvaov fln (( usvw6fjval ro xavxnfla flOV )) 4 , aAAa rov aov Asovro~ in' aya6oi~ flV1JflOVCV8 uat marcvw rtp Bstp, w~ ovoev ovaxsee~ anmnryacl flOl. "Iva Oe ra ifflsiCea yvtp~ nw~ 0 @so~ (/JxovOfl1](J8V, loov uaxsiva yearpw (JOl. "HA60[l8V iv Weayy{q. &' OAOV rov avyovarov xat rov aeniCflbeiov xat rov OUiWbeiov5 . i~f)Aeo[lcV Ola rwv sdewv i(!lWV rov VOcflbeiov xat rov 08X8flb(!iov Ual rov lavvovaefov 6 uat inotf)aaflcV iv rfj 'Pwwn flfJVa~ reaaaea~ 7 xat clOOflcV, a clOOfl8V 8 &_}.}.' 0 Bso~ nsetsrpvAa~cV iffla~ UbAabci~ Ual avvnovof)rov~, irp' ol~ ne6rceov uat ibOVAcvaaflcea uat iy(!6.1pafl8V 9 • Ual i~f)A60fl8V10 anouewla(!lOV AabOVU~, iAcirrova flSV neo~ ro nae6v, [ldCova Oe erseov ixosx6flcVOl cl~
10
(D 3)
Süditalien, 998 Herbst
Leon dankt dem Hagiozacharites für seinen Brief als ein Labsal in dem Widrigen, unter dem er ins zweite Jahr lebe. Er bezeichnet den ersten Teil seiner Aufgabe als unerfreulich ausgelaufen, während er in der Angelegenheit der Werbung auf seiner Tragicorum Graec. Fragmenta: Euripides Nr. 200 aus: »Antiope«. 2 Ilias B 336, P4r1. 3 Phil. 2, I. 4 I. Kor. 9, 15; vgl. 2. Kor. 9, 3· Vgl. den ähnlichen Satz Nr. ro und Nr. I I es handelt sich um das J. 997· Da Otto damals in Aachen weilte, muß Leon dort den Kaiser getroffen haben. 6 Nov. 997 bis Jan. 998, wohl im Gefolge I
Ottos III.; vgl. Einleitung (oben S. 2 54). 7 Also von Mitte Febr. bis Mai-Juni. 8 Das in Nr. 8 beschriebene Schicksal des Jabannes Philagathos. 9 Die von Leo mitbewirkte, gegen Otto gerichtete Erhebung des Gegenpapstes; vgl. Nr. rff. ro Vgl. den ähnlichen Satz Nr. ro. rr Otranto. r 2 Sept. 998.
10
15
20
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
Reise ins Frankenreich leicht zum Ergebnis gekommen wäre, wenn er gewollt hätte. Er berichtet wiederum über die Reise nach Süditalien und die abgesandten Boten; er erwartet bestimmte Instruktionen vom Kaiser (Basileios II.) und wünscht sich, den Empfänger bald wiederzusehen. Ttp
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5 ,usrixo pcv Sakkelion rv:ruiJrrt:t Sakkelion.
14 rvnwCJEtE ( ... neorrrd;st anacoluthon, ut saepe apud Byzantinos):
I Vgl. Hiob 29, 33·
Ankunft Jan. 997 bis Herbst 998. sc. Konstantinopel. Leon spielt auf das von Otto III. wider Erwarten schnell erledigte Gegenpapsttum an. - Über die »Dativmanie« dieser Zeit s. K. KRuMBACHER, Gesch. der byzant. Lit., München 2 1897 S. 268 und J. HuMBERT, La disparition du datif en Grec., Paris 1930. 4 Vgl. den ähnlichen Satz Nr. 7, wonach es sich um August bis Oktober [997] handelt; vgl. auch Nr. 9· Otto III. hatte im Jahre 995 Johannes Phila2
gathos abgesandt, um für ihn um eine byzantinische Prinzessin zu werben, worauf also Leon die Antwort überbringt; s. oben S. 218. 6 Vgl. den ähnlichen Satz Nr. 9· 7 Das byzantinische Süditalien, vgl. oben S. 254 mitAnm. r8: Sommer 998, dazu Nr. 9 (oben S. 265 Z. r6f.). 8 Basileios II. 9 998 nach Otranto; s. Nr. 9· ro Arnulf, Erzbischof von Mailand; vgl. oben II
s. 253· Basileios II.
Brief ro-rz Nr.
II
(D 4)
Süditalien, 998 Herbst
Leon spricht dem Patrikios Methodios sein Beileid zum Tode ihres gemeinsamen Vaters aus und teilt ihm mit, daß seine Geschäfte sich nicht nach Wunsch entwickelt haben, daß er erst in den dem Empfänger bekannten Angelegenheiten gewirkt habe und dann wegen der Werbung ins Frankenreich gereist sei. Me6o0fcp JWT(!tx,[cp M~ VOfllanr;, l!voo~e XV(!l8 xa/, 'll'V8Vflail%B aoeAq:Jif\ i}n6v (JOV AVn'Yj6ijva[ fl8 en/, Tfj TOV 'XOl'VOV naTeor;1 (Jie(!~CJet, d).).' el fl1l n).ßov' dwr; l(JOV ll:A'Yj(!Of{J0(!~6'Yj-rt. Lltoaa%8l'V oiJv ae f} na(!aflv6eia6at OVX ol6r; elfll x,a/, 0Aty6vovr; xa/, an60'YjflOr; x,a/, TOCJOVTOV S I L) \ S\ < I \ I I uteCJT'YjXWr;, oeor; ue o fleyar; xat\ axenaaTr;r; x,at\ ßO'YJ 6'or; yevotTo aot naeaflV 61ta xm\ av-riA1J1plr; xa/, naT~(! a6dvaTor; aVTl naTeor; ex,elvov TOV flaxaelov flBV, 6v'YjTOV aß.
Ta 1]pheea ovx wr; Ol ~flSTe(!Ol 1jAmCov ll:(!0Bb'Yj 2 , d).).' wr; 0 fJeor; 0 %aAor; x,a/, ndvaocpor; x,a/, laxveor; ([mov6fl'YjCJ8 x,a/, OVTWr; eyw Aßyw wr; OV'X eyo) ll:(!OCJ'Yj06X'YjCJa r) (lJ.Aor; nr; . xa/, yae Jl(!WTOV flEV ex,eiva div 1)-x,ovaar; Efl8A8T~6'Yjaav xa/. eax,evda6'Yjaav3, lnetTa Weayy[q. avvd66v-rer; Ta Ti)r; CJVflll:8V6eelar; Ev'YJ(!Y~CJafl8V 4 •
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8 wv: ä Sakkelion
Nr.
12
(D 5)
wohl: Süditalien, 998 Herbst
Leon berichtet seinem geistlichen Bruder My r o n, um dessen Schutz und Fürsorge er bittet, über sein Neutralbleiben zwischen den Parteien. T6) Mvewvt Ovx, EflOV eyßveTo, Jl'V8Vflail'XE aoeAcps, TO TOVTqJ f} ex,elvrp1 Jl(!OCJ(!Vi)vat d).).' OVTW CJVflba'VTl eyo) ~'XOAOV6'Yjaa . TO o'oi5v EflOV ne66VflO'V elxe xa[ ae x,a/, ij6eA8 ae ngo{awa6a{ flOV x,a/, ll:(!OSCJT'Yjr; x,a/, Eb0~6'Yjaar; • OflOAoyw TOVTO xa/, an' avTi)r; Ti)r; 'Pwfl'Yjr;. I:v oi5v fl~ ßu eyw xax6r;, d},).' ßn av aya6or; axonwv, vneeftdxov flOl xa/, 'C 11 r \ ßO'YJ16 et ftOt x,at\ oeov L) \ < ßO'Y) 6ov\ xat\ avvaywvtaT'YJV \ er;OflaAt~e Ta T(!axea xm eve'YJaetr; ua/, avAA~nTO(!a. I
\
reaxea P: ßeaxea corr. Schramm
2
<Je: re Sakkclion
I
Aus dem Brief 41 (ed. DARROUzES mit Anm. 23) ergibt sich, daß es sich um den leiblichen Vater des Patrikios handelt, den Leon als seinen Adaptivvater ansah. Wegen der Bezeichnung »pneumatikos« denkt DARRouz:Es a. a. 0. Anm. 2 daran, daß der Vater in ein Kloster eingetreten war.
5
I
2 Vgl. Nr. ro. 3 Die Erhebung des Johannes Philagathos; vgl. Nr. r ff. 4 Vgl. den ähnlichen Satz in Nr. 9, Nr. ro. I Also den beiden Parteien: Papst und Kaiser, Crescentius und Philagathos.
z68
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
d) Übersetzung der Briefe bearbeitet von Fräulein Dr. phil. Ursula Victoria Bosch (Ergänzte Wörter sind in Klammern gesetzt, die außerdem benutzt sind, um den Text verständlicher zu machen). Zum Inhalt vgl. die Anmerkungen zum griechischen Text. Nr. r
Rom?, 997 Frühjahr
An den Patriarchen (Sisinnios II. von Konstantinopel). Ob auch einem anderen dies geschehen ist, einen so guten Menschen (ich spreche von Deinem göttlichen Haupt) gleichzeitig zu sehen und verlassen zu müssen, und zwar genossen zu haben, aber noch nicht erfüllt, aber doch immerhin so weit zu sein, daß man einen Vorgeschmack hat und (gleichsam) dadurch sich aufrecht hält, gottseliger Herr, das weiß ich nicht. Allerdings glaube ich nicht, daß irgendeiner so unglücklich ist wie ich, der ich wegen meines Schicksals weinte und stöhnte: »Es erlöschen meine Augen, es erlosch mein Leben im Schmerz« (Psalm 68,3) und der ich überlegte: »Wann werde ich kommen und von Deinem Angesicht erblickt werden?« (Psalm 41,3). Wenn ich Dich also nicht gesehen hätte, mich Deiner nicht erinnern, Dich nicht in meinem Herzen ganz und körperhaft herumtragen würde, das wäre vielleicht schöner und schmerzloser für mich. Nachdem es nun einmal geschehen ist, warum verhindertest Du nicht diese weite und lange Reise? Warum ebnetest Du nicht den Weg? Warum fördertest Du nicht die schnelle Rückkehr? Wie, wußtest Du es nicht? Warum sagtest Du es nicht voraus? Oder wußtest Du es zwar sehr wohl voraus, ließest mich aber ziehen, um mich zu erziehen? So ändere jetzt wenigstens Deinen Sinn und fordere dies (d. h. meine Rückkehr) und bitte für Deinen Leon, damit er Dich erblickt, Dir zu Füßen fällt, damit er Dir, der ihm den Segen spendet, gehorcht, Deine Rechte ergreift, und sei ihm im Alter eine Stütze. Rom ist unter den Händen und Füßen unseres großen und hohen Kaisers (Basileios II.). Gott wollte und fügte es und wollte mit meiner Hilfe dies bewerkstelligen; ich wurde nämlich Diakon (d. h. Diener), das Herz des mächtigen Crescentier lenkte Gott. Das, was im einzelnen geschehen ist, und die gewissen Feinheiten, die wirst Du von dem Abgesandten genauer erfahren; weil ich nämlich über keinen Schreiber verfüge, laufe ich Gefahr bei Freunden und Herren anzustoßen, ein Greis wie ich, der dem Zaudern und dem Leichtsinn nachgibt. Jenes heilige und wunderbare Schreiben (die Säule gleichsam der Orthodoxie) würdig zu empfangen und zu ehren, fand sich kein würdiger Papst, schließlich war es Johannes (XV.), den der Brief erreichte. Dessen Nachfolger Gregorios (Gregor V.), der nicht einmal den Segen spenden durfte, wich der Macht des Crescentiers, des Herrschers in Rom, und wurde von Thron und Amt vertrieben. Danach stieg einer von unten herauf,
Brief r -2 (Übersetzung)
der zu leben nicht verdient, mein überaus lieber Freund, der Grieche Philagathos, der ganz Verwegene, diese Ruchlosigkeit, dieser Schmutz, dieser Schandfleck, den ich gerrau so, wie ich ihn aufsteigen sah-, du bist zwar langmütig, Christus! -wieder heruntersteigen sehen möchte. Das Schreiben jedoch eines so hervorragenden Mannes, eines so ruhmreichen, unübertrefflichen, unvergleichlichen, Dein (Schreiben), das eines göttlich gestalteten und gotterfüllten Menschen (an einen solchen) zu überreichen, das hielt ich für das gleiche, wie einem Schwein und einem Hund Perlen und das Allerheiligste zuzuwerfen (vgl. Matth. 7,6). Ich brachte also jenes verehrungswürdige Schreiben und nagelte es auf das Grab des Apostelfürsten und schrieb mit eigener Hand Deinen ehrwürdigen Namen obenauf, da ich es für unwürdig erachtete, daß Du von jenem Ehebrecher, von jenem ekelhaften, verhaßten und gottverfluchten Kerl im Kirchengebet erwähnt und angeführt wirst. Ich schlage nun vor, daß der abschreckende Name jenes Menschen weder im Vorhof einer Kirche, weder in anderen Vorhallen und Eingängen noch innerhalb der Mauern, aber in der äußersten Höllenfinsternis aufgeschrieben werden soll. Indessen schon aus politischen Erwägungen heraus rate ich Dir, im Hinblick auf die gegenwärtige Lage, daß das, wovon wir geschrieben haben, getilgt und ganz verschwiegen werde, da ich ja für den Ruhm unseres guten und großen Kaisers besorgt bin, an dem auch dieser Verfluchte mitzuwirken und zu arbeiten scheint (nicht freiwillig, sondern unfreiwillig, durch »geometrischen Zwang« - wie man so sagt - oder mehr noch aus Furcht vor dem Crescentier, da er »um des Hermes willen« lebt). Es sei noch hinzugefügt, daß ich (den Wunsch habe), Dich zu sehen, Dir ausführlich von den Ereignissen in der Fremde zu erzählen und Dir zu künden, was im ruhmsüchtigen Rom geschieht, damit auch Du für mich betest.
Nr.
2
Rom?, 997 Frühjahr
An den Metropoliten (Leon) von Sardes. Das Übrige ist leicht für mich und sozusagen gut zu ertragen, sowohl die Länge des Weges als auch der Schiffbruch mitten auf dem Meer wie die Hindernisse auf dem Festland. Dagegen welche Seele hielte es aus, so weit vom guten Anblick Deiner Person und Deiner Gesellschaft entfernt zu sein. Wem wäre das Unerträgliche erträglich? Ich glaube nicht, daß es irgendeinen Trost gibt für soviel Leid; nicht einmal den Gipfel der Seligkeit könnte man dafür nennen. Es bedarf nun der Gebete: der Gebete, die selbst das Ohr des Herrn Zebaoth erreichen, die ganz und gar wie die Deinen, meines gottgeehrten Herrn, sind. Wenn Du also gesund bist und Dich wohl befindest, wie ich es selbst erflehe, bitte auch Du für uns und die Rückkehr nach Hause. Wenn Dich also noch die Dinge, die Folgen der Enthaltsamkeit sind,
270
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
betrüben, dann laß uns beide, Deinetwegen beten; denn wir sollten von Dir in jeder Beziehung vorgezogen werden. Ich sah Rom und nahm es ein; und ich wollte so vieles wagen und wagte so vieles, wie es einem anderen nicht einmal in den Sinn gekommen wäre. Wenn also einerseits der große Kaiser (Basileios II.) das erfassen könnte, dann hätten wir Gutes zu gutem Zweck mühsam erkämpft. Wenn er im Gegensatz dazu dies seines Kaisertums für unwürdig erachtet, dann überlasse ich es Dir, weiter zu sehen. Was könnte ich auch sagen? Den, den ich in seiner Schlechtigkeit erkannt habe und der sich mir eng anschloß, habe ich zum V erderben seines eigenen Kopfes zum Papst gemacht, den Kerl aus Kalabrien oder Sizilien oder gar vom Aetna, der verdiente, von ihm ausgespien oder in ihn hineingeworfen zu werden: ihn den Unbeständigen, der ohne Freund ist; den Anführer, Vater und Sack der Lüge; den Draufgänger; den Schmählichen; den Verleumder; den Hund; den Fürchterlichen; den Verwegenen; den Abenteurer; den Gottesleugner; den Laien im Mönchsgewand; den, der Kutte und Mönchsnamen als zu schwer abgeschüttelt hat; den, der Schändliches duldet, Schmutziges redet; den unsauberen Burschen; den verkörperten Neid und die List in Person; dieses Rasier- und Küchenmesser; diesen ganz Unreinen; diesen Ungeweihten; diese aus sich entstandene Schändlichkeit und dieser Unrat; diese Schlange; diese listige Zunge; diesen unbeständigen Charakter; diesen Schlund; diesen Abgrund; diesen Dreck in Vollendung; diesen Bauch; diesen, der alles, was unterhalb des Bauches ist, für einen Gott hält; diesen, der jede Schmähung, jede Strafe, jede Rache verdient; diesen Schmutz; diesen Witzbold; diesen Schwätzer; den Sohn der Verderbnis; diesen elenden Mörder; diesen Schadenfrohen; diesen Häretiker; diesen Heiden, der vom widrigen Geist strotzt; diesen Betrug; diesen Spott; diesen Schmerz für die Zunge; diesen Feind Gottes und der Heiligen, der damit noch aufschneidet, unaussprechliche Verführung und Gewalttat von Zwölfen erlitten zu haben und als dreizehnte die von Seiten seines Lehrers hinzufügt, diesen, der selbst lehrte, was er gelernt hatte; diesen Unseligen (denn unselig ist, der das tut und lehrt); diesen Burschen da, der heute noch mit denselben Dingen fortfährt .......... von früher Jugend an . . . . . . . . . . (Lücken im Text); diesen Gesetzgeber schlechter Dinge, die er sich nicht scheut, naturgegeben zu nennen, der auch jetzt noch dem alten Übel anhängt, der nichts als Essen und Trinken und die Dinge, um die er weiß, für gut und süß hält - um es zusammenzufassen, diesen Satanssohn (habe ich zum Papst gemacht). Nachdem ich also aus all den Dingen, die ihn betrafen, in genaue Erfahrung gebracht hatte, daß er ein solcher ist, war ich Feuer und Flamme, ihn auf den großen apostolischen Thron zu setzen, der nicht verwaist war- denn dann wäre (die Nachfolge) von einem Guten auf einen Ruchlosen gefallen -, sondern dessen Besitzer noch lebte. Ich beabsichtigte also diesen Ehebrecher einzusetzen. Ich glaube nämlich nicht, daß jener besser für das, was ihm nützt, gesorgt hat, als ich dafür sorgte,
Brief 2-4 (Übersetzung)
271
wie jener für die vielen gottlosen Taten bestraft werden kann. Er stöhnt nämlich schon jetzt und erwartet, daß die Strafe von Gott, von den Menschen, von Otto und vom Papst über ihn kommen wird. jener Papst nämlich ist gerüstet und voller Eifer. Ich glaube, daß er keine Schonung kennen wird, daß er sich nicht ändern und daß er durch Geschenke nicht erweicht wird. Er aber (Philagathos) duckt sich, fürchtet sich und ist schreckhaft in der Erwähnung des Endlosen. Die Lüge blieb ihm; auf Gott zu hoffen, ist ihm gar nicht erst eingefallen. Der Unvernünftige sagt, daß es keinen Gott gibt, und verharrt im Ehebruch. Was wird er auch beten können? Welche Reue könnte er für seine Zügellosigkeit aufbringen, von der man überhaupt nicht sagen kann, daß er von ihr Abstand genommen hat. Betet für mich, wunderbarer Herr, daß ich Dich möglichst schnell sehen kann und daß ich noch vor dir sein V erderben sehe. Das nämlich beschleunige ich, und ich bete und werde selbst mein Leben nicht scheuen, daß ich schön den vernichten kann, den ich schlecht errichtet habe. Nr. 3
An den Ostiarios
Rom?, 997 Frühjahr
J ohannes,
den Sohn des Protovestiari os Ich weiß zwar, daß du gerne lachst; ich vermute aber, daß du dich jetzt vor Lachen schüttelst, wenn du hörst, daß ich den Philagathos zum Papst gemacht habe, den ich doch hätte erdrosseln sollen und das »würdig« dem zurufen, der unzählige Schläge verdiente. Ich sehe dich darüber lachen und freue mich und wünsche, daß du es immer tun mögest. Du bist über die Angelegenheit gar nicht oder völlig im Bilde, und du lachst nur wegen des Übermaßes des Widersprüchlich en. Wenn du nur im Hinblick auf dieses, ich meine das Lachen, sündigst, bist du nicht geradezu selig, denn nur »die, die Leid tragen« sind es (vgl. Matth. 5,4); jedoch wird dir verziehen, wenn du zum Lachen etwa auch weinst, sei es freiwillig oder auch unfreiwillig. Was den Augenblick betrifft, freue dich, lache, laß es dir wohlergehen, leb wohl und gedenke unser. Rom bedarf der Stärke, eines kräftigen, mächtigen Mannes und ein.es bedeutenden Verstandes, (alles) was, wie ich weiß, unser großer und hoher Kaiser in höherem Maße als seine Vorgänger besitzt - wie du selbst mehr als die anderen weißt, da du mit den Kaisern mehr verkehrst und teil hast an ihren Geheimnissen. Glaube nicht, daß ich scherze, sondern, daß ich die Wahrheit sage, wenn ich dieses schreibe. Nr. 4
Rom?, 997 Frühjahr
An den Genikos ... Wenn ich etwas Widersprüchlich es sage, sei keineswegs mißtrauisch; denn auch mir scheint, was ich sage, paradox. Ich bin zwar in Rom, außerdem bin ich auch mit dir zusammen und ich bin mehr mit dir zusammen, als ich in Rom bin. Das eine
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
nämlich bin ich freiwillig und von Herzen gern, das andere unfreiwillig und widerwillig. Wenn ich nun erfahre, daß es dir gut geht, so wie ich will, dann läßt sich für mich auch die Fremde als Heimat auffassen und leicht das Widerwärtige und eben das Unebene, und selbst, wenn ich den Tod erleide, wird nichts Finsteres bleiben. Mache Dir dies klar, laß es dir gut gehen und sei gesund, du Verständigster der Verständigen. Über unsere Angelegenheiten wirst du vom Herrn Kalokyros Genaueres erfahren, sowohl in welchem Zustand wir uns befinden, als auch was wir ausgerichtet und was wir geschrieben haben. Der Schreiber, der uns auch bei diesen Dingen behilflich war, segnete das Zeitliche, und ich bin gezwungen, sowohl bei den Freunden als auch bei meinen Herren Anstoß zu erregen. Ich möchte dich so sehen, wie ich es dringend wünsche. Ich will nämlich, daß du frei von Kummer und Krankheit, gesund, heiter und glücklich seiest.
Nr. 5
Rom?, 997 Frühjahr
An den Herrn Stephanos, den unvergleichlichen unter den Mönchen Siehe, ich verkündige dir (vgl. Luc. 2, ro) als Papst, damit du dich nicht überaus freust oder auch sehr freust, den Philagathos. Sieh auch selbst zu, wem du den Anstoß zu solchen Dingen geben willst, Gott oder dem Augenblick? Wer, sag doch gleich, hat die Dinge völlig verkehrt durcheinandergebracht, und wer mischte Unvermischbares, so daß die alte (Roma) über ihr Los hinaus einen jungen Mann bekam, der von Wollust strotzt und über die Jungen herfällt?- Ich muß nämlich mit dem Papst Neuerungen einführen, wenigstens hinsichtlich meiner Wortwahl, und damit die neue Roma (d. h. Konstantinopel) einen erhält (um es ein wenig lässig zu sagen), der das Siegel zerbrochen und das laut verkündet hat. Wenn das nun vernünftig ist, sei mutlos. Denn eine solche Mutlosigkeit bedeutet, guten Mutes sein. Wenn es aber unvernünftig ist, dann lache; denn das kommt der Klage gleich. Wenn es aber über die Vernunft hinausgeht, dann staune und seufze über das Wunder und weine über das Seufzen, damit du weißt, daß du ein Mensch bist und doch Menschliches nicht verstehst. Dies soll dich veranlassen, an der Tugend festzuhalten, mit der du aufgezogen worden bist, mit der du aufgewachsen, durch die du gefördert worden bist und mit der du auch scheiden möge~t. Nimm den Thron: wenn mit Gott, dann schmücke ihn, wenn aber nicht mit Gott, fliehe und entferne dich, damit dir zweifach der himmlische Thron gegeben wird. Von dem Herrn Kalokyros wirst du, was uns betrifft, erfahren (sowohl, was wir ausgerichtet, wie auch, was wir geschrieben haben). Wer die Gewählten sind, weiß ich immer noch nicht. Wenn sie gleich gut sind wie ihre Vorgänger, was du niemals sagen mögest, dann verkündige es. Wenn sie aber nicht gleich sind, so verschweige es; wenn sie aber stärker sind, so melde es. Wenn jene aber unverträglich sind und nicht mit den verwitweten (Kirchenprovinzen Süditaliens) harmonieren, sage es trotzdem frei heraus
Brief 4-7 (Übersetzung)
(auch wenn du betrübt bist) im Bewußtsein, daß für uns, die wir ohnmächtig sind, der Brief ein erfrischendes Heilmittel sein wird. Ich wünsche, daß du stets rüstig und frei von Leiden (für mich) betest. Nr. 6
Rom?, 997 Frühjahr
An einen Metropoliten (?) Wenn ich auch den Anschein erweckte, o gottgeliebter Vater und Herr, säumig gewesen zu sein, so war ich es doch nicht. Ich sah nämlich die Roma, eine gewaltige Sache, (aber) ohne einen weisen, ohne einen hervorragenden, kurz ohne einen Mann. Als Mann gab ich ihr den Erzbischof vom Frankenreich, der (im Juli?) deinen Segen erhalten hat. Wundere dich darüber nicht, es war nötig so vorzugehen; andernfalls hätte man einen Schritt zurück machen müssen. Das nämlich, was von Anfang an keine Grundlage hat, ist völlig leicht und mühelos einzureißen. Rom hat ja seinen eigenen Papst, der zwar im Augenblick durch Gewalt und Zwang vertrieben ist, der jedoch den Ehebrecher finden und sich mit Eifer an ihm rächen wird. Wie das Einzelne verwirrt wurde, das und mehr wirst du vom Herrn Kalokyros erfahren. Wenn also der Kaiser unseren Dienst gut aufnimmt, dann mag es gut sein. Wenn er ihn aber verwirft, er und alle Menschen, die die Unterscheidungsgabe rein besitzen, dann sieh selbst zu. Was aber könnte ich sagen, wenn ich einen fände, der das nicht hinnimmt? In Gesundheit und frohen Mutes bete für unsere Niedrigkeit. Nr. 7
Rom?, 998 etwa Mai
An den Magistras und Sakellarios ... (Name nicht genannt) Daß das Entscheidende nicht unmittelbar in Erscheinung tritt, ist ein altes Wort, von dem sowohl Du überzeugt bist (da Du verständig bist unter den Verständigen und hervorragst unter den Vernünftigen) als auch andere, als Du es ihnen sagtest, wie ich weiß. Meine Dinge jedenfalls haben sich gewissermaßen an der Schwelle des Hauses und noch am Startplatz entschieden. Kaum hatten wir Anker gelichtet und den Sophienhafen verlassen, da wurde das Schiff hin- und hergerissen und wäre beinahe gekentert. Was da geschah, schien ein übles Vorzeichen, aber es war nun nicht mehr möglich auszusteigen, sondern nur noch auf ein anderes Schiff umzusteigen und die Tyche (wie man so sagt) des einen mit der des anderen zu vertauschen. Wie wir Schiffbruch, Gefahren und Kümmernisse erlitten, wie wir erkrankten und auseinandergerissen wurden, die einen dem Leben zurückgelassen, die anderen in den Hades geschickt, wieder andere nach Rom gerettet, das möge auf sich beruhen. Wie wir wiederum bei jenen im Winter mit Schlamm, mit Pfützen, mit Flüssen von unten her und von oben her mit Regen, mit Schnee und mit fortwährenden heftigen Wolkenbrüchen bedrängt wurden, das sei im Augenblick mit Schweigen bedeckt, I
8 Schramm, Aufsätze III
274
B 3: Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997/8)
damit ich, der ich doch gerettet bin, nicht undankbar erscheine und die Vorsehung reize oder die sanfte aus dem Schlaf reiße, die mir dann später schaden wird. Das, was mehr des Lobes wert erscheint, soll gesagt und meinem Herrn verkündet werden. Nr. 8
Rom?, 998 etwa Mai
An den Ostiarios ] ohannes, den Sohn des Protovestiarios Leon (vgl. Nr. 3). Du lachst jetzt dein breites Lachen, o schönes Haupt, o schöne Seele, der du dich keinem gegenüber je einer Sünde schuldig gemacht, vielmehr vielen zahlreiche Wohltaten gespendet hast und sozusagen dazu veranlagt bist, allen wohlzutun. Jener Philagathos, der, um es kurz zu sagen, keinen seinesgleichen hatte, dessen Mund voll war von Fluch und Bosheit, von Lästerung und Schmähung, dem keiner ähnlich ist, dem- soweit wir wissen- niemand vergleichbar ist, eben dieser blutbefleckte Papst, dieser anmaßende und hochmütige Mensch, o Gott, o Gerechtigkeit, o Sonne, er stürzte ganz verstrickt zu Boden. Und warum soll ich dem Bruder nicht auch die Art seines Sturzes schildern? Vor allem wurde er von der westlichen Kirche mit dem Bann belegt; dann wurden ihm die Augen ausgerissen; drittens wurde ihm die Nase abgeschnitten und viertens die Lippen, fünftens die Zunge, die viele Geheimnisse ausgeschwatzt hatte, die wirklich unverschämte; sechstens schließlich hielt er prunkend auf einem elenden und jammervollen Esel, dessen Schweif er festhielt, seinen Triumphzug. Über sein Haupt war ein Stück von einem alten Tierbalg gestülpt, das oben die Stelle des abgeschnittenen Kopfes aufwies. Siebtens kam er vor Gericht, wurde verurteilt; man zog ihm das Priestergewand (noch einmal) an und wieder aus; dann schleppte man ihn rückwärts durch die Kirche, die Vorhalle und den Brunnenhof und zuletzt wurde er in den Kerker - als Ruhestätte - geworfen. Ich erzähle dir, mein gleichgesinnter Bruder, was jenem demütigen Philagathos zugestoßen ist, dabei habe ich wedf:'r etwas hinzugefügt, noch etwas verborgen; aber allen rate ich, nicht zu wagen, was jener tat. Denn die Gerechtigkeit schläft nicht; du aber freue dich mit mir, laß es dir gutgehen, bete imml:r für mich und gedenke meiner. Ich möchte dich ganz schnell voll Freude und glücklich sehen. Nr. 9
Süditalien, 998 Herbst
An den Magistros Michael Wahrlich ))ein einziger weiser Rat überwiegt viele Hände«. Ich aber, o Euripides, sage: auch Meinungen und Bestrebungen und selbst Taten. Und es reut mich nicht, dies zu sagen. Deinetwegen, o wunderbarer und guter Magistros, spielte ich auf jenen Weisen an; denn du bist gut und selbst von vorneherein gut beraten und verfolgst die unüberlegten gut. Man ginge wohl nicht fehl, wenn man dich den Gerenier (Nestor) und Vater des Volkes nennen wollte und dir jedes gute Prädikat gäbe.
Brief 8-ro (Übersetzung)
275
Ich jedenfalls weiß nur das, daß es weise war, als ich beschlossen hatte, dich zum Vorsteher meines Hauses zu machen und zu meinem Seelenführer. Wenn es nun irgendein Erbarmen, wenn es irgendeine Philanthropia gibt, wenn es irgendeine Rechtlichkeit, wenn es irgendeine Liebe, wenn es irgendeine Fürbitte bei Christus gibt, so beeile dich, daß mein Rühmen nicht eitel &ei, sondern erinnere dich deines Leon im guten, und ich vertraue auf Gott, daß mir nichts Widriges begegnen wird. Damit du aber über unsere Geschicke erfährst, wie Gott sie lenkte, sieh auch das schreibe ich dir. Wir reisten in das Frankenreich den ganzen August, September und Oktober hindurch, reisten wieder heraus in drei weiteren Monaten, November, Dezember und Januar, und verbrachten vier Monate in Rom. Und wir sahen, was wir sahen. Aber Gott wachte über uns, daß wir unversehrt und unverdächtigt blieben in den Dingen, über die wir früher sowohl Ratschläge gegeben als auch geschrieben haben. Und wir gingen mit einem, für den Augenblick, geringeren Apokrisiar weg nach Otranto; doch erwarteten wir dort den ganzen September hindurch einen anderen größeren. So weißt du alles, was sich als Begleiterscheinung des Vertrages ereignete. Frage den Mann, der dir unsere Briefe überbringt, und du wirst von ihm alles erfahren. Wenn du irgendwie kannst, so hilf uns, du dem von Gott geholfen wird und der von ihm Hilfe und Stütze empfängst. Nr.
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Süditalien, 998 Herbst
An den Hagiozacharites Dein Brief, überaus herrlicher und wunderbarer Mensch, kam wie Regen auf dürstende Erde in mein Herz, sättigte es, erfüllte es mit Süßigkeit, erfreute es und hat es jene leidvollen und unerfreulichen Begebenheiten, an denen wir schon zwei Jahre lang teilnehmen, vergessen lassen. Obgleich wir wußten, daß die erste Kostprobe, die wir in die Stadt schickten, euch unangenehm erscheinen wird- du weißt, o überaus scharfer Verstand, was ich sage - ließen wir noch eine andere nachfolgen, die nämlich der V erschwägerung; denn wir sind in drei Monaten von Rom nach dem Frankenreich gereist und besprachen die Angelegenheiten der Heirat. Und wenn wir uns nicht dagegen gestellt hätten, würde nichts gehindert haben, daß die Werbung sofort einen leichten Fortschritt genommen hätte. Während nun Gott unsere Geschäfte gut und menschenfreundlich lenkte, kamen wir auf der Rückreise nach Langobardien (d. h. Süditalien) und schickten an unseren heiligen Kaiser einen Gesandten (und zwar den geringeren) ab. Den anderen nämlich, den Herrn und Bischof von Mailand, erwarten wir (schon) den ganzen September hindurch. Vielleicht werden wir diesen mit uns nehmen, vielleicht ihn auch allein senden, wie es der überaus urteilsfähige V erstand unseres hohen und heiligen Kaisers befehlen und anordnen wird. Du aber, verständigster und guter Freund und Beschützer, denke an deinen Leon, den zwar unglücklichen, aber geraden und aufrichtigen Freund, der dir mehr geneigt ist als sich selbst. Möchte ich doch gewürdigt werden, dich zu t8•
B 3; Zwölf Briefe des byzantinischen Gesandten Leon (997{8)
sehen, dir zu Füßen zu fallen, dich zu umarmen, mit dir mich zu freuen und so dem augenblicklichen Leben entfliehen. Nr.
12
Süditalien, 998 Herbst
An den Patrikios Methodios Glaube nicht, ruhmvoller Herr und geistlicher Bruder, daß ich weniger betrübt bin als du über den Verlust des gemeinsamen Vaters, sondern wenn nicht mehr, so doch, sei überzeugt, in gleichem Maße wie du. Ich bin nicht imstande, dich zu belehren oder zu trösten. Denn ich besitze wenig Einsicht, weile in der Fremde und bin so weit entfernt. Gott aber, der große Beschützer und Helfer, möge dir Trost und Beistand werden und ein unsterblicher Vater anstelle jenes Vaters, der zwar selig ist, aber auch tot. Unsere Angelegenheiten haben sich nicht in dem Sinn, wie die Unsrigen es hofften, entwickelt, sondern wie der gute, allwissende und starke Gott sie leitete und in einem Sinn, meine ich, wie weder ich es erwartete noch irgendjemand sonst. Zuerst nämlich wurden jene Dinge, von denen du härtest, behandelt und ins Werk gesetzt. Dann reisten wir zusammen ins Frankenreich und widmeten uns dem Heiratsprojekt. Nr.
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wohl: Süditalien, 998 Herbst
An Myron (seinen »geistlichen Bruder«) Es sollte nicht mein Geschick sein, geistlicher Bruder, daß ich (meinerseits) zu diesem oder zu jenem eilte, sondern ich folgte dem, was sich so ereignete. Ich war dir nämlich geneigt und wollte, daß du mir beistehst, und du warst mir Schutz und Hilfe; auch noch von Rom aus gebe ich das zu. Du also achte nicht darauf, daß ich schlecht bin, sondern, daß du gut bist; kämpfe für mich, glätte das Rauhe, hilf mir und du wirst Gott als Helfer, Mitkämpfer und Beistand finden.
4. Kaiser Otto III. (*980, troo2), seine Persönlichkeit und sein »byzantinischer Hofstaat« a) Otto III.: sein Lebm tmd seine Ziele* Otto III. (98o-10oz) hat ein Alter von nur einundzwanzig Jahren erreicht. Er starb, als seine Politik in eine Krise getreten war; sein Tod löste weitere Schwierigkeiten ( S. 9 :) aus, so daß Heinrich II., des Kaisers Vetter, eine stark gefährdete Erbschaft antrat. So ist von Ottos politischem Werk nichts übriggeblieben als das, was Polen und Ungarn zugute gekommen war und sich in der Folgezeit zu Ungunsten des Reiches auswirkte. Trotzdem wird die Betrachtung mittelalterlicher Geschichte immer wieder von ihm angezogen werden. Denn Otto III. verkörperte wie kaum einer der Kaiser alle geistigen Tendenzen seiner Zeit, und er öffnete die Welt für Ideen und Hoffnungen, an denen sich Jahrhunderte entzündet haben. Dem Sohne Ottos II., dem Enkel Ottos des Großen, in dessen Adern sich sächsisches und burgundisches Blut mit byzantinischem mischte, fiel schon im vierten Lebensjahre die Krone zu. Daß sie ihm-trotzdes 984 zum Gegenkönig erhobenen Herzogs Heinrich von Baiern- erhalten wurde, verdankte er den beiden Kaiserinnen, seiner Mutter Theophanu und seiner Großmutter Adelheid, die nacheinander für ihn die Regentschaft führten. Sie verstanden es beide, die drängenden Fragen zu vertagen und dadurch den Status quo zu bewahren. Als aber Otto, mündig geworden, 995 die Herrschaft antrat, war die Lage so gespannt geworden, daß sie nach kräfti-
*
Zuerst in: Menschen, die Geschichte machten, hrsg. von P. R. RoHDEN und G. ÜSTROGORSKY, II, Wien I93 I S. 8-I4 (in diesem Beitrag faßte ich die - gegenüber der bisherigen Meinung über Otto III. - stark abgewandelte Auffassung zusammen, die sich mir auf Grund meines I929 erschienenen Buches: »Kaiser, Rom und Renovatio« ergeben hatte. Über Otto III. sowie über Otto I. und Otto II. steuerte ich kurze Abrisse bei zu der Enciclopedia Italiana XXV, I935 S. 8oo-8o4. W. Ülli'JSORGE, Waren die Salier Sachsenkaiser?, im Niedersächs. Jahrbuch f. Landes-
gesch. 30, I95 8 S. 28-5 3 (wieder abgedruckt in: Konstantinopel und der Okzident, Darmstadt I966 S. 227-51) sieht - Hinweise von Mathilde UHLIRZ ausbauend - in Konrad II. einen unehelichen Sohn Ottos III. (gestützt auf ADAM VON BREMEN III cap. 3I und HuGo voN FLAVIGNY). Klatsch und unbegründete Behauptungen hat es in Bezug auf fürstliche Abstammungen zu allen Zeiten gegeben; der Forscher mag sie registrieren, soll sich aber nicht auf sie einlassen. Ich halte mich an die Zeugnisse, nach denen Konrad der eheliche Sohn Heinrichs von Speyer war.
B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
gem Zugriff verlangte. Otto faßte zu, und nach zwei Jahren sah er auf überraschenden Erfolg. Das war das Verdienst erfahrener Berater wie des Erzbischofs Willigis von Mainz, aber auch des Kaisers selbst, den seltsame Frühreife über seine Jahre hinaushob. Der Ansatzpunkt der neuen Politik war Rom, wohin den König die Kaiserkrone lockte und wo ihn Papst Johann XV. als Schützer gegen den weltlichen Herrn der Stadt, den Patricius Johannes Crescentius, sehnlich erwartete. Auf dem Marsche durch Italien erreichte Otto die Nachricht vom Tode des Papstes. Sofort ergriff man im kaiserlichen Lager die unvermutete Gelegenheit, das außerhalb Italiens seit langem mit Argwohn betrachtete Papsttum zu reformieren. ( S. I o.') Ein Deutscher, Vetter Ottos und Oheim des späteren Kaisers Konrad II., bestieg als Gregor V. den Stuhl Petri - seit über zwei Jahrhunderten der erste ausländische Papst, der als solcher Gewähr für eine nicht in innerrömische Streitigkeiten versinkende Politik bot und überdies den Reformgedanken des 10. Jahrhunderts ergeben war. Vor dem Bunde zwischen König und Kurie wich auch der Patricius zurück: im Mai 996 konnte Papst Gregor seinen Vetter zum Kaiser krönen. Der Erfolg war allerdings nicht von langer Dauer. Ein Jahr später benützte der Patricius die Abwesenheit von Papst und Kaiser, um die Herrschaft in Rom wieder an sich zu reißen. Er setzte sogar einen Gegenpapst von griechischer Abstammung ein, um Rückhalt am byzantinischen Hof zu erlangen. Otto erfuhr davon in Aachen, der Stadt Karls des Großen, der ihm zum politischenVorbild geworden war. Gleichzeitig erreichte ihn die Nachricht von Einfällen der Slawen in das Heimatland seines Geschlechts. Das VerhaltenOttos in einer solchen Zwangslage kennzeichnet ihn in dieser ersten Phase seines Wirkens. Der Hilferuf der Sachsen zog ihn nach Osten, wo er durch Vorstöße in das rechtselbische Gebiet die Sicherheit der Grenze wiederherstellte. Dann erst schenkte er Gregor und den Italienern Gehör. Im Frühjahr 998 erschien er im Süden, wo sich die Lage inzwischen entspannt hatte: der byzantinische Kaiser hatte in Rom nicht eingegriffen, die Kirche hielt zu Gregor, der Gegenpapst gab sich selbst verloren. Nur der Patricius versuchte noch Widerstand, den er mit dem Leben büßte. Im Mai war Otto wieder Herr von Rom, Gregor Herr der Kirche. Als ein Gewandelter betrat der Kaiser bei seiner Rückkehr die Tiberstadt. Inzwischen waren seine Bemühungen um eine byzantinische Prinzessin ohne Erfolg geblieben, was für Ottos Selbstgefühl eine Kränkung bedeutete und ihn drängte, sich mit den Rechtstiteln des Westens näher auseinanderzusetzen. Gleichzeitig war er durch den Franzosen Gerbett ( S. I I:) von Reims, den größten Gelehrten seiner Zeit, und den Italiener Leo von Vercelli für den Adel antiker Bildung und römischer Herrschaft entzündet worden Der Gedanke einer »Erneuerung« des Römischen Reichs, der seit dem Altertum nie ganz vergessen worden war, den Karl der Große wieder aufgegriffen hatte und den die Römer des 10. Jahrhunderts in ihrer Weise sich zu eigen machten - er erregte nun auch Otto III. Durch die Verwirklichung der
Otto III. : sein Leben und seine Ziele
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»Renovatio« vermeinte er das Werk Karls zu erfüllen, sah er den Westen wieder den überheblichen Byzantinern ebenbürtig gemacht, glaubte er auch den religiösen Forderungen seiner Zeit zu entsprechen. Denn die Erneuerung war ebenso politisch wie kirchlich gedacht. Der Kaiser wieder in Rom residierend, Italien wieder das Kernland des Reiches, in dem Deutschland nur noch die zweite Stelle zufallen konnte, das war die weltliche Konsequenz dieser Gedanken, engstes Zusammenwirken mit dem Papst zur Beseitigung der geistlichen Schäden die kirchliche. In Gerbert, der seit 999 als Silvester II. den Stuhl Petri einnahm, fand Otto den Papst, der gewillt war, die beiden bisher so oft gegeneinander gestellten Gewalten in gemeinsamem Wirken emporzuführen. Kaum je war der Augenblick so günstig wie gerade damals; denn die noch ganz oder halb heidnischen Staaten des Ostens verlangten nach christlicher Kirchenverfassung. In Anwesenheit Ottos wurde im Frühjahr rooo in Gnesen ein polnisches Erzbistum mit drei Suffraganbistümern errichtet. Kurz darauf erhielt Ungarn, dessen Herrscher zum König aufstieg, eine analoge Ordnung. Damit nicht genug: Im Norden, tief im Osten und auch in Dalmatien begannen sich weitere Möglichkeiten der Mission abzuzeichnen. Der Eindruck dieses Siegeszuges, der alle Erfolge der römischen K.irche in den letzten Jahrhunderten hinter sich ließ, führte Otto über die im Jahre 998 verkündeten Ziele hinaus. Als neuer Apostel begriff er sich. So traten in ( S. I 2 :) seinem Ideenkreis die geistlichen Elemente in den Vordergrund und das um so mehr, als sich eine grundsätzliche Klärung des Verhältnisses von Papsttum und Kaisertum als notwendig erwies, weil auch der Kaiser sich in Rom eine Residenz einrichtete. Auch hierfür schien der Augenblick geeignet wie noch nie seit dem legendären Zusammenwirken des ersten Silvester mit Konstantirr dem Großen. Eine Schenkung an den Papst, die zur Voraussetzung den Bruch mit dem seit Pippin gültigen System der immer wieder bestätigten und erweiterten Schenkungen hatte, läßt in ungefähren Umrissen erkennen, wohin die Bahn des Kaisers ging: sie führte zu dem Anspruch, als »servus apostolorum« weltlicher Sachwalter des Heiligen Petrus, also auch seiner Stadt und seines Patrimoniums, zu sein. Bevor dieser neue Plan, der die Stellung des Papstes in Rom und im Kirchenstaat von Grund aus gewandelt und daher im Falle seines Gelingens den folgenden Jahrhunderten ein anderes Gesicht gegeben hätte, in die Wirklichkeit umgesetzt werden konnte, warf eine jener in Rom häufigen Empörungen alle Entwürfe über den Haufen. Kaiser und Papst mußten sich nach Ravenna zurückziehen. Hier zeigte sich, daß der Aufstand im wesentlichen auf Rom selbst beschränkt blieb; aber Otto mußte doch erst Hilfskräfte aus Deutschland herbeirufen, um zum Schlage ausholen zu können. Darüber vergingen Monate, die Otto auch innerlich auf sich selbst stellten. Der Rückschlag hatte den Kaiser menschlich auf das tiefste erschüttert. Durch ihn war ihm nicht nur der Angelpunkt seines Systems, sondern auch das Vertrauen in die Gottgefälligkeit seines Wirkens geraubt worden. Vom Beginn seiner Herrschaft
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B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
geistlicher Einwirkung weit geöffnet, befreundet mit Missionaren wie Adalbert von Frag und Brun von Querfurt, beraten von Asketen wie dem Griechen Nilus und Reformern wie Odilo von Cluny, beugte er sich jetzt ( S. I 3:) dem Rate des weitab gewandten, rigorosen Romuald von Camaldoli, der ihn für den Gedanken des Übertritts in das Eremitenturn gewann. Nur so glaubte der an seinem Werke Irregewordene die Gnade Gottes wiedererringen zu können- doch einen Kaiser halten besondere Gewichte an dieser Welt fest. Otto hatte die Kutte nur nehmen wollen, nachdem er seine Rache an Rom vollzogen hatte; anderes kam hinzu, was ihn wieder zur Welt herunterzog, so daß es sich fragt, ob nicht ein errungener Erfolg dem Kaiser die Selbstsicherheit zurückgegeben und ihn zur Ablösung seines Gelübdes geführt hätte. Da raffte eine plötzliche Krankheit den Einundzwanzigjährigen in dem Augenblick dahin, als die Hilfstruppen endlich zur Stelle waren und die seit Jahren umworbene Nichte des byzantinischen Kaisers in Italien landete. Der Tod, der Otto III. ein Grab in Aachen neben Karl dem Großen einräumte, hat ihn der Entscheidung enthoben, ob er als Heiliger oder als Kaiser weiterwirken · wollte. Kein Zweifel, daß im Falle seiner Rückwendung zur Welt die veränderte Lage in Rom und ebenso die in Deutschland gegen die Zurücksetzung aufgekeimte Stimmung eine Wiederaufnahme des Planes vom Jahre roor unmöglich gemacht hätten. Wäre Otto III. dieser neuen Lage gewachsen gewesen? Sein Leben schließt mit unbeantwortbaren Fragen: nur soviel ist gewiß, daß die nachfolgenden Geschlechter in dem Urteil übereinkamen, mit dem jungen Kaiser sei aus dieser Welt ein ungewöhnlicher Mensch geschieden. Die Geschichte hat nur gegen die konkreten Pläne Ottos III., nicht gegen die ihnen zugrunde liegenden Gedanken gesprochen. Die Reform der Kirche ist ro46 vollzogen worden, und die »Renovatio imperii« ist von der Salischen Zeit an die Formel, in der die Kaiser bis zu Friedrich II., die Römer bis zu Rienzo hin ihre Ziele zusammengefaSt haben. Ja, der Erneuerungsgedanke war eine der Kräfte, die das ( S. I 4:) hohe Mittelalter zu seiner intensiven Beschäftigung mit der Antike triebeneine Auseinandersetzung, deren Bedeutung für die V argeschichte der Renaissance immer klarer heraustritt.
b) Der »lryzantinische Hofstaat« Ottos 111., sein historischer Kern und dessen Bedetttung. * I.
Die bisherige Attjjassung
In den Darstellungen der Geschichte Ottos III. war früher viel Merkwürdiges von
*
Zuerst: Kaiser, Rom u. Renovatio II, Lpz.Berlin S. 17-33 (nicht in die 2. Auf!. über-
nommen).
Ottos III. »byzantinischer Hofstaat«: bisherige Auffassung
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diesem Kaiser zu lesen; das Seltsamste aber, was ihre Verfasser berichten konnten, war immer der Hofstaat, mit dem sich Otto umgeben haben soll. Gewöhnlich standen diese Berichte unter dem unmittelbaren oder mittelbaren Eindruck des phantasievollen Bildes, das F. GREGOROVIUS in seiner »Geschichte Roms im Mittelalter« vom Hofe dieses Kaisers entworfen hat. Seiner im Grunde wohlwollenden Schilderung entspricht in W. v. GIESEBRECHTS »Geschichte der deutschen Kaiserzeit« der Bericht über einen »byzantinischen Hofstaat«, durch den »der sächsische Hof wie zu einem Maskenfest aufgeputzt war.« Im Laufe der Zeit wurden die Urteile immer schärfer. Bezeichnend für den Stand der Forschung am Anfang des I. Weltkrieges war die Darstellung L. M. HARTMANNS in seiner »Geschichte Italiens im Mittelalter« (I 9 I 5). Er sprach von »Scheinämtern«, von den »Gebilden einer Luftschlösser bauenden Phantasie« und benutzte sie, um Ottos »Lust an Titeln und Spielerei« zu beleuchten. Man sieht daran, welche Wichtigkeit die Frage der Ämter für die Einschätzung der Persönlichkeit Ottos hat: sie vor allem sind es gewesen, die ihm den Vorwurf der byzantinischen Nachäfferei, der Romantik, wenn nicht der Phantastik eingetragen haben. Den Weg zu einer Kritik hatte schon L. HALPHEN gebahnt, der im Jahre I905 in einem Aufsatz über den »Hof Ottos III. in Rom«1 daraufhinwies, daß die angeblichen Reformen des Kaisers in den Römischen ( S. I 8:) Urkunden aus seiner Regierungszeit nicht nachzuweisen seien. Selbst dort, wo sie unbedingt feststellbar sein müßten, wie im Gerichtswesen, fand er keine Spuren kaiserlicher Eingriffe. HALPHEN hat außerdem das Verdienst, daß er gegen die Überschätzung von »Graphia« und »Richterliste« als historischen Zeugnissen Front machte. HALPHENS Thesen hat Fedor ScHNEIDER 1918 gegen Hartmann zur Geltung gebracht 2, und auch in seinem Buch über Rom hat er diese Auffassung vertreten3 • Auf diesem Wege gilt es fortzuschreiten. Texte wie die »Graphia« u. a. m., auf denen GREGOROVIUS und seine Nachfolger ihre Thesen aufgebaut hatten, scheiden jetzt aus 4 • Damit ist aber noch nicht genug getan; denn unter dem Eindruck dieser Aufzeichnungen sind andere Angaben interpretiert worden, die nun eine neue und unvoreingenommene Prüfung verlangen. Es
r La cour d'Otton III a Rome in: Melanges d'archeol. et d'hist. 25, Paris-Rom 1905 S. 349-63, dessen Ergebnis lautet: Ȇtton III, instaUe a Rome en son palais de l'Aventin, chercha a faire revivre quelques anciens usages et meme quelques anciens titres romains comme celui de magister militiae; il se plut aussi parfois a parer ses fonctionnaires de noms byzantins. Mais de Ia a avoir transforme sa cour en cette mascarade ridicule que nous depeignent !es historiens modernes, il y
avait loin.« Anzeige von L. M. HARTMANN's Geschichte, 4· Band in: Vierteljahrschr. f. Sozial- u. Wirtschaftsgesch. XIV, Stuttgart r9r8 S. 498 ff., bes. S. 500: »von Phantasterei merkt man nicht viel«. Rom und Romgedanke im Ma., Münch. 1926 S, 197ff. 4 Vgl. über die »Graphia« s. unten S. 313ff.; über die Richterliste vgl. Bd. I S. I3ü--45· 2
B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
bleibt daher nichts anderes übrig, als alle Neuerungen im Titel- und Amterwesen, die Otto III. eingeführt haben soll, der Reihe nach durchzusprechen. 2.
Die irregulären Titel
Vorweg müssen alle die Titel ausgeschieden werden, deren Vorkommen sich durch anomale Verhältnisse oder Ungenauigkeit im Sprachgebrauch erklärt. So hat sich z. B. im Jahre 991 der ehrgeizige JoHANNES PHILAGATHOS, der spätere Gegenpapst, die Würde eines proto a secretis ac proto vestiarius Ottonis regis beigelegt, ohne daß dabei an die Einrichtung neuer Hofämter zu denken wäre5 ; ebensowenig war der Bischof Leo von Vercelli tatsächlich episcopus palatii, wie er gelegentlich genannt worden ist6 • Garnichts hat es auch zu bedeuten, wenn hier und da von Cubicularii, Consiliarii, Secreti, lvfi?;istri, Primicerii die Rede ist - es handelt sich einfach um ungenaue Ausdrucksweise oder um Verwendung von nicht-alltäglichen Worten, wie der literarische Geschmack der Zeit (nicht nur dieser Generation) sie liebte. Einzeluntersuchung verlangen erst diejenigen Amter, die tatsächlich in offiziellen Dokumenten erwähnt sind und die nicht auf abnorme Zustände zurückgeführt werden können.
}· Das angebliche Consulat des Kaisers (S. I9:) Den Anfang muß die Consulwürde machen, die Otto III. in Verbindung mit einer Wiederherstellung des Römischen Senats angenommen haben soll. Diese überraschende Behauptung beruht allein auf der Intitulatio des im Jahre 998 von Otto erlassenen Gesetzes gegen die Entfremdung von I<.irchengut, das Leo von Vercelli aufgesetzt hat7 • Sie lautet: Otto dei gratia Romanorum imperator augustus Cos.
s. p. q. r. archiepiscopis, episcopis, abbatibus, marchionibus, comitibus et cunctis iudicibus in Hitaliam constitutis8 • Die Auflösung und Auslegung dieser durch zwei, anscheinend Darüber P. E. ScHRAMM in: Histor. Zeitschr. 129, 1924 S. 444, 446f. (jetzt: oben S. 215, 2!7)· 6 H. (REmcKE-) BLOCH im Neuen Archiv XXII, r 897 S. 79· - Die übrigen irregulären Titel bedürfen keines Gegenbeweises. 7 (REINCKE-) BLOCH a. a. Ü. S. 67ff.; gegen die Zweifel von L. M. HARTMANN, Gesch. Italiens im Ma. IV, r, Gotha 1915 S. 156 A. 16 vgl. F. SCHNEIDER in: Vierteljahrschr. f. Soz. u. Wirtschaftsgesch. XIV, 1918 S. 5ozf. Mon. Germ., Const. I Nr. 23 S. 49ff nach a) Cod. Laur. (Florenz) plut. XVI Nr. 21 f. 244< aus Camaldoli (Dekret Burchards v.
W orms) : am Schluß das Gesetz von einer zweiten, dem XI. Jahrh. angehörigen Hand; b) Cod. Bibi. Vitt. Eman. (Rom) Cod. Farf. I f. 197 A-B (Chronicon Farfense des Gregor v. Catino, Autogr. saec. XL ex., gedruckt von U. BALZANI, I! Chron. Farf. II, Rom 1903, S. 9f. (wo zwischen »Cos.« und »s.« ohne Begründung eine Lücke markiert ist). Nicht berücksichtigt ist in den Mon. Germ.: c) Cod. Vat. 8487 (Registrum Farfense des Gregor v. Catino, Autogr. saec. XL ex., Vorlage des Chronicon, gedruckt von J. GIORGI e U. BALZANr, I! Regesto di Farfa II, Rom 1879, Nr. 226, früher 244 S. 187f.;
Ottos angebliches Consulat
selbständige Überlieferungen relativ gut gesicherten Abkürzungen ist eine alte Streitfrage. Unter dem Einfluß K. HEGELS haben sich die meisten Forscher für: Consul, senatus populusque Romanus entschieden, woraus dann geschlossen wurde, daß Otto III. sich zum Römischen Consul gemacht und einen Senat eingesetzt habe; daran sind dann noch die kühnsten Folgerungen über den Erlaß einer Römischen Verfassung, über die »Renaissance« am Hofe und das phantastische Treiben des Kaisers geknüpft worden 9 • Diese Hypothesen lassen sich leicht umstürzen. Zuerst ist festzustellen, daß Senat und Volk von Rom als Adressaten, nicht als Mitaussteller des Gesetzes gemeint sein müssen, da dieses in Pavia erlassen ist. Das aber hat nichts Auffallendes. Schon in zwei Urkunden Ottos III. vom Jahre 996 werden die Römer an erster Stelle genannt10. Zwei Jahre später kann man erst recht erwarten, daß ihnen ein Ehrenplatz vor allen anderen Untertanen des Kaisers eingeräumt wird. Daß für sie die Abkürzung »S. P. Q. R.« benutzt wird, hat auch keine geheimnisvolle Be-( S. 20.) deutung: es entsprach dem damals in Rom herrschenden Geist, solche altehrwürdigen Formeln ans Licht zu ziehen. Dadurch wird nicht einmal Ottos Zeit charakterisiert; denn schon Papst Johann VIII. (t 88z) hat von der Zustimmung senatus totiusque Romani populi gentisque togatae gesprochen11 • Auch in den Zeiten, in denen es in Rom keinen Senat als feste Körperschaft gab, war die Erinnerung an ihn und die altrömischen Amter nie erloschen, und man liebte es, die alten Titel wieder hervorzusuchen. Die Möglichkeit schließlich, daß das Gesetz zwar an Senat und Volk von Rom gerichtet, »Cos.« aber als »Consul« aufzulösen sei und demnach einen von Otto angenommenen Titel darstelle, ist gleichfalls abzulehnen. In der Zeit dieses Kaisers ist tatsächlich ein Herrscher als Consul bezeichnet worden, nur handelt es sich dabei um den König von Frankreich! K. HAMPE hat aus einer Pariser Handschrift ein Epitaph auf den im Jahre 986 verstorbenen Lotbar ans Licht gezogen, worin es von ihm heißt: Caesare; stirpis generosae nobi!itatis Consu! augustus hic iacet expositus
über dass. H. BRUNNER in Mitt. d. Irrst. f. Oest. Gesch. II, I88I S. I bis q). In dieser Ausgabe sind die Abkürzungen im Dativ aufgelöst, doch versichert F. GREGOROVIUS, Gesch. der Stadt Rom 3 III S. 46of. A. I nach eigenem Augenschein, daß in der Handschrift »s. p. q. r.« stehe, was wesentlich kleiner als »Imp. Aug. Cos.« geschrieben sei. - Danach können die Abkürzungen schon im Original gestanden haben. 9 K. HEGEL, Gesch. d. Städteverfassung in Italien I, Leipz. I847 S. 307 A. 3, ihm folgend
G. W AITZ, Deutsche V erfassungsgesch. V, Berl. 2 I893 S. Io7f., VI, 2 I896 S. I5I; F. GREGOROVJUS a. a. 0.; WEILAND in Mon. Germ. a. a. 0. S. 50 A. I; W. v. GmsEBRECHT, Gesch. d. Deutschen Kaiserzeit 51 S. 876; usw. -zuletzt F. ScHNEIDER a. a. 0. S. 502, der die Frage offen läßt. ro DD. 0. III. I97, zo8, dazu P. E. S., Kaiser, Rom und Renovatio S. 91. I I MANsi, Concil. Co!!. XVII app. S. 172; vgl. dazu: K. R. u. Renovatio S. 49 (s. auch Bd. II S. I23).
B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
und am Ende: Aurea S§Cla tulit, quo consul tempore fu!sit.l2
Jeder wird hierin eine gelehrte Floskel und nichts weiter sehen. Der Titel Consul sollte eine Ehrung des französischen Königs sein, die vielleicht durch Gregors von Tours Erzählung über die Verleihung des Consulats an Chlodwig durch den Kaiser bedingt war13 . In Italien lagen die Verhältnisse dagegen ganz anders. »Consul« und »Dux« waren die üblichen Titel der Römischen Großen und der Grundherren in der Umgebung der Stadt14 • Die Bezeichnung war hier viel zu weit verbreitet, um für den Kaiser eine Auszeichnung zu bilden. Deshalb kann nur »consulibus« aufgelöst werden: zusammen mit den Römern sind ihre Herren, die Consuln, mit dem für siegebräuchlichen Titel als erste in Ottos Gesetz angeredet. Leo von Vercelli hat also die altbekannte Römerformel auch in einem kaiserlichen Gesetz benutzt, und er hat den Römern vor allen andern Adressaten den Ehrenplatz gegeben. Das ist alles, was sich aus dem Gesetz von Pavia ergibt.
4· Der Rdmische Praefectus urbi ttnd Comes palatii
( S.
2I :) Nach dem »kaiserlichen Consulat« und dem »Römischen Senat« muß sich die Aufmerksamkeit dem Praefectus urbi zuwenden, von dem man früher gemutmaßt hat, daß Otto III. ihn zu seinem Beamten gemacht habe. Doch kennen wir jetzt die Geschichte dieses Amtes so genau, daß wir das Gegenteil behaupten können15. Mindestens seit 993 amtierte als Stadtpräfekt ein Johannes, der Otto III. noch überlebte 16, so daß die Frage der Besetzung dieses Amtes durch den Kaiser in der
I2 Neues Archiv XXIII S. 642. Ob hierin die tatsächlich benutzte Grabschrift vorliegt, muß zweifelhaft bleiben, da auch GERBERT voN REIMS eine solche verfaßte; vgl. Briefe Nr. 75· - Ahnlieh werden bei Richer von Reims I 34,45 usw. (Script. rer. Germ. 2 I877, S. 23, 28 und: Les Classiques de l'hist. de France XII, ed. R. LATOUCHE I, Paris I930 S. 72, 86f.) französische Große Consulare genannt, während in einer von L. HALPHEN herausgegebenen »Lamentatio« der Graf Kar! von Flandern (t rr27) Consul heißt (vgl. Melanges d'arch. et d'hist. XXV, I905 S. 123 Vers Io9, usw.). 13 II c. 38 (Mon. Germ. SS. Merov. I, I, 2. Auf!. 1951 S. roz = ed. H. ÜMONT, Paris I 886, S. 68).
I4 L. HALPHEN, Etudes sur l'administration de Rome au m. ä., Paris 1907 (Bibi. de l'ecole d. h. etudes r66) s. 28 ff. 15 HALPHEN a. a. 0. S. I6ff., I47ff.; R. HIRSCHFELD, Das Gerichtswesen der Stadt Rom in: Archiv f. Urk.forsch. IV, 1913, S. 473ff.; Fed. ScHNEIDER in: Quellen u. Forsch. aus ital. Arch. XVII, 2, 1924 S. 217 (A. z weitere Lit.) -vgl. auch: K., R. u. Renovatio I S. 57f. I6 HALPHEN a. a. 0. S. I47, wo nur der Beiname Glosa nach P. FEDELE in: Arch. d. Soc. Romana 34 S. 3 53 A. r zu streichen ist; vgl. dazu DD. 0. III. 278 und 339, auch Mon. Germ., Script. IV S. 589 (Vita S. Adalb. c. q), wo ein an seiner Tochter vollzogenes Wunder berichtet ist.
Praefectus urbi und Comes palatii
Zeit Ottos überhaupt nicht aufgeworfen worden ist. Da der Präfekt zudem auf einem Hofgericht im Namen des Papstes erscheint, liegt auch kein Grund zu der Annahme vor, daß die Stellung des Stadtpräfekten vom Kaiser umgewandelt worden sei. Vielmehr bleibt nur die Frage, ob sich diese durch die tatsächlichen Machtverhältnisse verschoben hat, wie man es nach der Lage der Dinge in der Zeit Ottos III. annehmen möchte. Das scheint sich durch eine Gerichtsurkunde zu bestätigen, wonach dieser Präfekt Johannes zweimal als kaiserlicher Bote an den Abt eines römischen Klosters die Vorladung vor ein kaiserliches Gericht überbracht hat17 • Diese Amtshandlung im Dienste des Kaisers kann aber auch darauf beruhen, daß diesem Johannes mit einem besonderen Titel kaiserliche Rechtsfunktionen übertragen worden sind. Der Präfekt Johannes unterschreibt nämlich zwei Urkunden vom April und Mai 998 18 - das sind die einzigen Belege- als prefectus, (et) comes palatii atque dativus iudex. Da der erste und dritte Titel aus der päpstlichen Verwaltung herrühren, könnte man veranlaßt sein, auch den zweiten19 für päpstlich anzusehen, zumal es in dieser Zeit einen päpstlichen Comes sancti ( Lateranensis) pa!atii gab 20 • Nach dem Ordo der Kaiserkrönung 21 aus dem XII. Jahrh. (S. 22:) bildet dieser mit dem Stadtpräfekten das Ehrengeleite des Kaisers -im Unterschied von dem höchsten weltlichen Beamten der Stadt haben wir in ihm also wohl den höchsten Beamten für die Verwaltung des päpstlichen Palastes zu sehen, wie sie später dem Praefectus palatii zukommt 22 • Der Annahme, daß J ohannes die beiden im Ordo gegenübergestellten Ämter auf seine Person vereinigt habe, steht jedoch die Tatsache entgegen, daß ein im Jahre 983 angeführter päpstlicher Pfalzgraf Sergius noch im August 998, also einige Monate nach der Erwähnung des Johannes, in dieser Würde erwähnt wird 23 • Da die Be-
I7 D. 0. III. 339 vom 2. 12. 999· 18 D. 0. III. 278 = Ital. pontif. ed. P. KEHR I1 S. 61 Nr. I I sowie ]AFFE-LÖWENFELD Nr. 3888, abgebildet bei P. KEHR, Die ältesten Papsturkunden Spaniens in: Berl. Abh., phil.-hist. Kl. Nr. 2 (1926) T. VII, dazu S. 19f. 19 Frühere Äußerungen über ihn bei R. WrLMANs, Jahrb. Ottos III., 1840 S. 103; W. v. GmsEBRECHT, Gesch. der dtschen Kaiserzeit 5 I S. 876; GREGORovrus a. a. 0. 3 III S. 446; J. FrcKER, Forsch. z. Reichs- u. Rechtsgesch. Italiens II, Innsbruck r869 S.r12f. zo FrcKER a. a. 0.; E. MAYER, Ital. Verfassungsgesch. 1909 II S. 42f., 192; DucANGE,
Gloss. lat. unter: comes s. p. Lat. (N. E. II s. 429). 21 Lib. censuum ed. P. FABRE et P. DucHESNE S. r* u. 6*: »Ordo Cencius li«; vgl. jetzt: Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers u. der Kaiserin, hrsg. von R. ELZE, Hannover 1960 (Mon. Germ., Fontes iuris Germ. antiqui IX) S. 36 Z. 30 und S. 46 Z. 27 (dort S. 35 zum Datum). 22 A. V. MüLLER-RoM, Papst u. Kurie, Gotha 1921 S. 25. 23 L. A. MuRATORI, Antiquitates Ital. I, Mailand 1738 S. 379ff. zu 983; G. MARINI, I papiri diplomatici, Rom r8o5 Nr. ro6 S. r66 und r68 vom 13. 8. 998. - Am 4· 4· roor wird ein Nachfolgernamens Petrus im D. 0.
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B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
setzung des päpstlichen Pfalzgrafenamtes durch zwei Männer zu gleicher Zeit dem Aufbau der päpstlichen Verwaltung widerspricht, wird man dazu geführt, in dem Titel des J ohannes etwas anderes zu sehen. Man wird ihn daher in Parallele zu dem kaiserlichen Comes pa!atii für Italien rücken müssen, dessen Aufgabe es war, den Kaiser im Gericht zu vertreten, dessen Kompetenz sich aber nicht bis nach Rom erstreckte. Nun ist ja die Ausführung kaiserlicher Gerichtsbefehle durch Johannes belegt. Daher wird die Annahme erlaubt sein, daß Otto den Stadtpräfekten in Analogie zu seinem italienischen Pfalzgrafen unter dem Titel »Comes palatÜ« von sich aus mit Gerichtsbefugnissen ausstattete, so daß der Stadtpräfekt nun sowohl durch den Papst als auch durch den Kaiser bestellt war, ohne daß die Grenze zwischen der kaiserlichen und der päpstlichen Sphäre verwischt wurde. Wenn diese Folgerung richtig ist, dann klärt sich auch die Frage, wie Kaiser und Papst praktisch nebeneinander in Rom ohne Kollision in ihren Ansprüchen residieren konnten 24 • Neben den Stadtpräfekten stellt sich in Ottos III. Zeit ein vorher nicht nachweisbarer »Seepräfekt~<, von dem wir allein durch ein kaiserliches Diplom (S. 2}.') vom 2. 12. 999 Kunde haben. Die Beisitzerliste dieser Urkunde ist zugleich das wichtigste Zeugnis für die anderen Amtet des Kaisers und erfordert deshalb gerraue Prüfung. Hier heißt es: Gerardo gratia Dei inc!ito comite atque imperia!is militi{! magistro, Gregorio excellentissimo viro qui vocatur de Tusculana atque prf!]ecto navali, Gregorio viro c!arissimo, qui vocatur Miccinus, atque vestarario sacri palatii, A/berico fi!io Gregorii atque imperia!is palatii magistro 25 •
f· Der Vestarar
Von diesen vier Würdenträgern ist der V es tarar als Beamter des Papstes auszuscheiden, wie schon das »sacri palatii« statt des sonst zweimal benutzten »imperialis
III. 396 (Mon. Germ. DD. II S. 8z8 Z. 13-14) genannt; über die Anführung des Pfalzgrafen in der »Graphia« (um 1030) vgl. P. E. S., K., R. und Renovatio I S. 198. 24 HARTM&'lN a. a. 0. S. 140 meint, daß in Ottos Zeit »Präfekt und iudices ordinarii . .. unzweifelhaft in starke Abhängigkeit von der kaiserlichen Regierung gerieten, so daß sie geradezu als deren Organe angesehen wurden« - wofür er sich auf die »Graphia« und die »jüngere Richterliste« beruft; dagegen schon F. ScHNEIDER in: Vierteljahrsehr. f. Soz. u. Wirtsch. Gesch. 14, 1918 S.
503; vgl. auch HALPHEN, La cour d'Otton a. a. 0. S. 359f. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß im April roo1 ein Graf als kaiserlicher Missus sich in einem Ravennatischem Placitum: Comes sacri palacii nennt (M. FANTUZZI: Mon. Ravenn. I, Venedig 1801, Nr. 72 S. 227f.). In ihm vermutet MAYER a. a. 0. II S. 191 einen kaiserlichen Pfalzgrafen für den Exarchat, der also neben dem italienischen und dem Römischen der dritte wäre. 25 D. 0. III. 339 (a. a. 0. S. 768 Z. 37-40).
Comes palatii - V estarar
palatii« zeigt. Das entspricht auch den historischen Tatsachen. Nie kann der Vestarar in kaiserlichem Dienst nachgewiesen werden 26 , während der päpstliche Vestarar seit langem eine wichtige Rolle spielte 27 , in der er wie die anderen päpstlichen Beamten durch den Zusatz »sacri palatii« gekennzeichnet wurde. Vermutlich war er an der Verwaltung der päpstlichen Finanzen beteiligt 28 • Als die Päpste im IX. Jahrhundert gegen die Macht der Feudalherren zu kämpfen hatten, war das Amt in der Hand eines ihrer Parteigänger 29 • Am Anfang des X. Jahrhunderts führte ihr damaliges Haupt Theophylact, der Stammvater der Alberiche, den Titel noch vor dem des magister militum30 • Auch in den Kämpfen zur Zeit Ottos I. trat der Vestarar hervor 31, und als nach der Regierung Ottos III. die Gewalt in Rom wieder in die Hand der Tuskulaneu fiel, kam auch das Amt in ihren Besitz32 • In diese Reihe33 gehört also jener im Jahre 999 genannte Gregorius Miccinus hinein, der einem Römischen, auch in der Umgebung der Stadt begüterten Geschlechte angehörte34 • ( S. 24.") Der Vestarar ist also aus der Liste der von Otto III. eingeführten Ämter zu streichen.
z6 Über den Titel Prolo vestiarius des J ohann Philagathos vgl. oben S. 282 (S. I 8). 27 Pierluigi GALLETTI, Dei Vestarario della S. Romana Chiesa, Rom 175 8, der S. 55 f. Gregor unter falscher Jahreszahl anführt; P. F. KEHR, Italia Pontificia I, Berl. 1906 S. r8f.; G. PHILLIPS, Kirchenrecht VI, r864 S. 359; E. MAYER, Ital. Verfassungsgesch. II, Leipz. I909 S. 39f., der dem V. fälschlich den Vorsitz im Senat zuschreibt (s. auch ebd. S. 95, Io3f.; ebd. S. I79f. über den V. bei den Langobarden, S. 319 in Salerno). 28 L. DucHESNE, Les premiers temps de l'etat pont., Paris 2 I904 S. IOO, 310; Lib. pont. hrsg. von dems. I S. CCXLIIIf., II S. I69 A. 32 (danach hatte der V. außerdem noch die Verwaltung von Ravenna und den benachbarten Provinzen); HIRSCHFELD a. a. 0. S. 470 über die selbständige Gerichtsbarkeit desselben. 29 L. M. HARTMANN, Grundherrschaft und Bürokratie, in: Vierteljahrschr. f. Soz. u. Wirtschaftsgesch. VII, Stuttgart I909 S. I 5o, I 55; DERS., Gesch. Italiens a. a. 0. III, 2 S. 9, 23, passim. 30 Neues Archiv IX S. 517; dazu 0. VEHSE, Das Bündnis gegen die Sarazenen vom Jahre 915, in: Quell. u. Forsch. aus ital. Arch.
XIX, Rom 1927 S. I85, auch S. 202. 31 Lib. pont. ed. L. DucHESNE II S. 252. 32 J. MABILLON, Analeeta ord. S. Bened., IV app. S. 729; über die Anführung des Vestarars unter der Bezeichnung Cymeliarch in der »Graphia« um Io3o vgl. P. E. S., K., R. u. Renovatio I S. zoof. 33 D. 0. III. 209 vom Jahre 996 erwähnt einen Pefrtts Vestararius; weitere Vestarare der Zeit s. GALLETTI a. a. 0. S. 48ff. 34 Der Name de Mitcina begegnet im X. Jahrh. in Röm. Gerichtsurkunden; HIRSCHFELD a. a. 0. S. 548; L. M. HARTMANN, Eccl. S. Mariae in Via Lata Tabu!. I, I895 Nr. Xa S. I4 v. J. 98I: Gregorius ft!ius foannis de Miccina unter den nobiliores viri genannt, Nr. XX S. 25 vom Jahre 99I: die Erben des verst. Johannes Micinus; dieselben in: Il Regesto di Farfa a. a. 0. IV Nr. 6o8, 6I8 vom Jahre Ioro-I I; Chron. Farfense a. a. 0. II S. 88, 9of.; Bulle Benedikts VIII. vom Jahre Ioi8, }AFFE Nr. 4024, MIGNE, Patrol. lat. I39 Sp. I6I8, I6I9.- Johannes ist wohl verwandt, wenn nicht identisch mit ]ohannes cognomento Mizina, 963 unter den Römischen Primates angeführt von Liudprand, Hist. Ottonis c. 9 (Script. rer. Germ. 3 1915 S. r66).
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B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
6. Der »Seepräfekt« Die Frage, ob es sich nicht um einen päpstlichen Beamten handelt, muß auch bei dem »Seepräfekten« gestellt werden, der vor allem das Interesse oder den Spott der Forscher auf sich gezogen hat. R. WrLMANS35 wollte aus seinem Titel auf die Existenz oder wenigstens auf den Plan der Begründung einer kaiserlichen Flotte schließen, während F. GREGOROVIUS 36 sogar meinte, daß »Ütto III., kühne Pläne gegen Sizilien im Geiste tragend, an die Erschaffung einer Römischen Marine« gedacht habe. Zuletzt hat L. M. HARTMANN37 den Titel einfach lächerlich gefunden, weil auch nicht ein kaiserliches Schiff auf irgendeinem Meere schwamm. Demgegenüber hat sich schon L. HALPHEN 38 bemüht, durch den Nachweis der Fortdauer des Amtes gegen solche Phantasien eine Schranke zu errichten. Bei diesem späteren Stadium des Amtes müssen wir einsetzen, wenn wir nach seiner Bedeutung fragen; denn bis etwa r 140 fehlt außer der genannten Urkunde vom Jahre 999" 9 anscheinend jeder weitere Beleg. So bleiben alle Fragen, ob das Amt mit den Kämpfen des Papstes gegen die Sarazenen zusammenhängen könnte, ob es etwa in die byzantinische Zeit zurückweist40 oder ob es von den Römern schon vor der Ankunft Ottos III. im Zusammenhang mit ihren sonstigen Reformen eingerichtet sei, unbeantwortet. Ja, der Umstand, daß das Amt später gerade wieder in der Zeit der Einsetzung des Römischen Senats erscheint, läßt die Möglichkeit zu, daß es nicht durch das ganze XI. Jahrhundert hindurch bestanden, sondern damals erst wieder neubegründet sei. Seit dieser Zeit aber haben wir eine ganze Reihe von Belegen für den Seepräfekten, der nun jedesmal als päpstlicher Würdenträger auftritt41. ( S. 25 .') Die seit der Mitte des XII. Jahrh. genannten Praefecti navales werden auch dirungarii ( dilungarii, delungarii) genannt, worin man leicht den byzantinischen, von Liudprand mit delongaris 42 wiedergegebenen Titel r5eovyyaewq wiedererkennt.
35 36 37 38
a. a. 0. S. I35· a. a. 0. 3 III S. 464. a. a. 0. IV I S. 140.
La cour d'Otton III a Rome, in: Melanges d'arch. et d'hist. 25 S. 355 A. 2. 39 DO. III. 339· 40 In Ravenna scheint sich der Curator aus dem Praefectus classis Ravennatium cum curis eiusdem civitatis herausgebildet zu haben; vgl. L. M.
HARTMANN, Untersuch. z. Gesch. der Byz. Verwalt., Leipz. I889 S. 47, I 50. 4I Ordo des Benedikt um II4o: Lib. censuum, ed. P. FABRE et L. DucHESNE II S. q6, IJZ;
I I 56 der Seepräfekt Astaidus in einer Römischen Urkunde, s. Tabular. S. Mariae Novae, ed. P. FEDELE in: Arch. d. Soc. Romana XXV, I9o2 S. I93; gegen Ende des Jahrhunderts s. Albinus im Lib. cens. a. a. 0. II S. I24, I25 und Cencius ebd. I S. 292, 3 Iz.- Zur Datierung P. FABRE, Etude sur le lib. cens., Paris I892 S. 10ff. und J. KösTERS, Studien zu Mabillons röm. Ordines, Diss. Freiburg Münster I905 S. 46ff., 6I ff. 42 Antap. III 26, VI Io; Leg. c. 3 5 (Opera, Script. rer. Germ. 3 I9I5, S. 85, I 58, I93).
»Seepräfekt« - »Palastmagister«
Tatsächlich war ja auch der o. rwv 'JT).. w[p,evy ein hoher Seeoffiziet43. Zugleich sehen wir, daß es in Rom damals zwei Praefecti navales gab, die aber nach der Höhe der ihnen zufallenden Presbyterien nur noch eine geringe Stellung innehatten. In dieser haben sie sich bis in das späte Mittelalter erhalten können44 • Allein in dem Ordo Cencius Il45 aus dem XII. Jahrh. 48 kommt dem Seepräfekten, der hier nur in der Einzahl genannt ist, eine höhere Bedeutung zu: mit den beiden höchsten geistlichen Verwaltungsbeamten des Papstes und dem Stadtpräfekten soll er das Herrscherpaar geleiten. Wenn der Seepräfekt hier dem Stadtpräfekten gegenübergestellt wird, so muß ja immer irgendwie eine Relation zwischen diesen Amtern bestanden haben; doch fehlt ein Anhalt dafür, wo man die Grenze zwischen ihren Kompetenzen zu suchen hätte. Für die Zeit Ottos III. haben wir demnach nur folgende Anhalte: die Stadtpräfektur bleibt unter ihm päpstlich, und der Seepräfekt erscheint 999 in einem Hofgericht, an dem auch päpstliche Beamte und Iudices dativi teilnehmen; einige Monate später hat der Papst den Inhaber dieses Amtes als seinen Gesandten zu Otto III. geschickt47 • Man muß also damit rechnen, daß die Seepräfektur auch damals schon wie in späterer Zeit ein päpstliches Amt war. Über Vermutungen ist nicht hinauszukommen48. 1· Der »Palastmagister«
Von den vier Würdenträgern in der Römischen Urkunde des Jahres 999 49 bleiben noch der »imperialis militie magister« und der »imperialis (S. 26:) palatii magister« als Inhaber von Amtern übrig, die im Gegensatz zum Vestarar und möglicherweise auch zum Praefectus navalis dem Dienste des Kaisers angehören. Handelt es sich dabei aber wirklich um Neuschöpfungen? In der Tat muß man in dem Amte eines Palas/magisters, über das sich die Zeugnisse 43 J. B. BuRY, The Imperial Administr. System; London I9II (The British Acad.: Suppl. Papers I) S. Io8-Io; A. Fr. GFRÖRER, Byz. Gesch. II, Graz I 873 S. 40I ff., bes. 426, 43 I f.; C. NEUMANN in: Histor. Zeitschr. 8I, I898 S. 5 usw.; E. MAYER a. a. 0. I S. 375, 406. 44 Kaiserordo vom Anf. des XIII. Jahrh., s. Ordines, ed. R. ELZE a. a. 0. S. 45, zzrf. Jacobus Gaietani Stephaneschi, De elect. et coron. Bonif. VIII lib. II, 8 (MuRATORI, Rer. Ital. Script. lila S. 649a mit Hinweis auf das »Pontificale Romanum«, Venet. I56I, in dem die Vertretung der Seepräfekten vorgesehen ist (vgl. die neue Edition des Ste'9 Schramm, Aufsätze !li
45 46 47
48
49
faneschi bei F. X. SEPPELT, Monumenta Coelestiniana, Faderborn I92I, S. Ioo). Lib. cens. a. a. 0. S. 5*. V gl. Ordines, ed. R. ELZE a. a. 0. S. 35. Brief Silvesters II. an Otto III.: }AFFE-L. Nr. 39I3, Druck bei C. HöFLER, Die deutschen Päpste I, Regensburg I839 S. 330; vgl. dazu P. E. S., K., R. und Renovatio I S. I49· Da navalia die Schiffswerften sind (so z. B. auch Isidor: Orig. XIV 8, 38), fragt es sich auch, ob die Übersetzung mit »Seepräfekt« sinngemäß ist. D. 0. III. 339·
B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
sonst ausschweigen, eine erst von Otto III. begründete Einrichtung sehen, da in der Zeit vor Otto III. keine Spur von ihr zu entdecken ist. Es ist auch im altrömischen, byzantinischen und päpstlichen Bereich keine Institution zu finden 5°, die das V arbild zu diesem Amte abgegeben haben könnte. Man muß daher annehmen, daß es aus einem praktischen Bedürfnis herausgewachsen ist, und man bekommt daher ein Recht, den imperialis palatii magistervom Jahre 999 mit dem kaiserlichen Palast zusammenzubringen, der seit Mai 998 erwähnt wird51 • Wenn man die Frage aufwirft, wer denn die Aufgaben, die durch die Begründung einer neuen Residenz auftauchen mußten, ausgeführt haben mag, wem vor allem bei den häufigen Reisen des Kaisers die Fürsorge für den verlassenen Palast zugefallen sei, dann wird man sie dahin beantworten, daß die Einsetzung eines Palastmagisters die notwendige Konsequenz aus der Einrichtung einer Römischen Residenz ist. Dabei ist die Persönlichkeit zu beachten, auf die Ottos Wahl für dies Amt gefallen ist: der »Alberich, Sohn des Gregor«, war der Sohn des Grafen von Tuskulum! 8. Der »Heeresmagister«
Anders müssen die Dinge bei dem imperialis mi!itie magister gelegen haben, dessen Zusammenhang mit dem Römischen magister mi!itum in der Zeit vor Otto III. aus dem Titel deutlich genug hervortritt. Inhaber des Amtes war ein Gerardus, der sich in der Unterschrift »consul et dux« nennt und wohl sicher mit dem gleichnamigen und in derselben Zeit mehrfach genannten Grafen der Sabina identisch ist52 • Er wird erst durch Otto III. seine Stellung in der Sabina bekommen und wie die Tuskulaneu zu den Römischen Stützen des Kaisers gehört haben. 50 Altrömisch: 0. HrRSCHFELD, Die kais. Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian, Berlin 2 1905 S. 317/f. über die kais. Hofverwaltung; byzan t.: es gab am Hof von Konstantinopel wohl eine ganze Reihe von Magistri, aber keinen Palastmagister, den man zu dem Römischen in Beziehung setzen könnte- vgl. außer BuRY a. a. 0. auch Const. PoRPHYR.; Liber der caerim., ed. J. J. RErSKE II S. 66/f., 86r f. und die Nachrichten bei Liudprand (Opera 1. c., Register); päpstl.: Der magister sacri palatii taucht erst im Anfang des XIII. Jahrh. auf; vgl. G. PHILLIPS, Kirchenrecht VI, Regensburg r864 S. 541 lf., J. FrCKER, Forsch. a. a. 0. II S. IIz, E. MAYER a. a. 0. II S. 79 A. 143. - Wenn Benzo, Paneg. II 3 zu ro6r (Mon. Germ.,
Script. XI S. 6r3) einen päpstl. Beamten Nicolaus als Magister palatii bezeichnet, so gibt das bei Benzos Ausdrucksweise kein Recht, auf die tatsächliche Existenz eines solchen Amtes zu schließen. Viel eher könnte man darin noch eine der bei Benzo üblichen, in: K., R. u. Renovatio Kap. VII zusammengestellten Reminiszensen an die Zeit Ottos III. sehen. 51 S. ebd. I S. ro81f.; vgl. dazu jetzt: C. R. BRÜHL, Die Kaiserpfalz bei St. Peter u. d. Pfalz Ottos III. auf dem Palatin, in: Quellen u. Forsch. aus ital. Archiven u. Bibi. 34, 1954 S. r-30 (vgl. auch den Nachtrag ebd. 38, 1958 s. 267-9)· 52 S. Renovatio a. a. 0. I S. 104.
»Palastmagister«, »Heeresmagister« - Der Patricius
( 5. 27.") Gerards zweites Amt war der Heeresmagistrat, der in Rom eine lange und inhaltreiche Geschichte hinter sich hatte53 • Das altrömische Amt des magister mi!itum war in den verschiedensten Städten Italiens erhalten geblieben. In Rom bekam es dadurch eine besondere Bedeutung, daß die adligen Herren sich seiner bedienten, um Einfluß auf die päpstliche Verwaltung zu bekommen. So war es schon in der Zeit des Papstes Johann VIII., so auch in der des Theophylact, der neben dem kirchlichen Titel eines Vestarars noch den weltlichen eines magister militum führte 54 • Die vielfach dunkle Verfassungsgeschichte Roms läßt nicht erkennen, wie diese Römische militia im einzelnen organisiert war, wie sie mit der Einteilung der Stadt in zwölf Regionen zusammenhing55 ; vor allem bleibt undeutlich, welche Kompetenzen ihrem Magister zukamen und welche Wandlungen dieses Amt gerade im X. Jahrhundert durchgemacht hat; aber aus dem Titel des Grafen Gerardus wird soviel deutlich, daß Otto III. die Römische militia unter dem Römischen Magister militum bestehen ließ, sie aber zu einer kaiserlichen militia unter einem kaiserlichen Amtsträger erhob! Dabei mag man daran gedacht haben, daß auf diese Weise der ursprüngliche, altrömische Charakter wiederhergestellt worden sei - der politische Kern dieser Maßnahme war jedenfalls, daß der Kaiser an die Spitze einer Organisation rückte, in der sich der weltliche Ehrgeiz der Römer besonders regte. Otto nahm Rechte in Anspruch, die seine Vorgänger in Rom nicht geübt hatten; aber durch das antike Gewand mußte den Römern das Neue als eine Erhöhung, nicht als eine Einengung ihrer Freiheit erscheinen. g. Der Patricius
Diese Tendenz tritt bei dem von Otto eingeführten Amte eines kaiserlichen Patrici u s noch deutlicher hervor, weil hier die Zeugnisse nicht ganz so spärlich sind. Auch hier handelt es sich um ein Anknüpfen an die bestehenden Verhältnisse. Wir erinnern daran, daß der Patriciustitel im X. Jahrhundert zum Titel des Römischen Stadtherrn wurde und die Crescentier ihn bis zu ihrem Sturz durch Otto III. im Jahre 998 führten. Zugleich wiederholen wir, daß neben der Theorie, die im Patriziat ein Amt des Papstes sah, die andere vertreten wurde, nach welcher der Patriziat
53 Vgl. dazu Fedor ScHNEIDER, Rom u. Romgedanke, München 1926 S. 18f. und die in: K., R. u. Renovatio I, S. 235 angeführte Lit., aus der vor allem L. M. HARTMANN zu vergleichen ist; ferner W. SrcKEL in Mitt. des Inst. f. Österr. Gesch.forsch. 23, 1902, S. z8f., Anm. z. 54 Neues Archiv IX S. 517; dazu 0. VEHSE,
Das Bündnis gegen die Sarazenen vom Jahre 915, in: Quellen u. Forsch. aus ital. Arch. XIX, Rom 1927 S. 185, auch 202. 55 L. DuCHESNE, Les regions de Rome in: Melanges d'arch. et d'hist, X, 1890 S. 126ff. - Über die Stadtmiliz in Konstantinopel sind wir besser unterrichtet, vgl. BuRY a. a. 0. S. 165f.
B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
eine Erneuerung des altrömischen Patriziats sein sollte und demgemäß als »Statthalterschaft« für den Kaiser zu deuten war56 . (S. 28:) Dieser Auffassung hat Otto III. entsprochen, als er dem Johannes Crescentius einen Nachfolger gab. Er setzte einen Patricius Romanorum ein, den er in einer Urkunde »seinen lieben Getreuen« nennt und den auch ein Zeitgenosse als »seinen Patricius« bezeichnet57 • Bedauerlicherweise haben wir keine Zeugnisse darüber, wie seine Kompetenz im einzelnen abgegrenzt war, vor allem wie er neben oder zusammen mit dem Präfekten amtierte. Vielleicht darf aus dem Umstande, daß er erst im Jahre 1ooo auftaucht, geschlossen werden, daß die Einsetzung dieses Würdenträgers noch nicht zu den ersten Maßnahmen Ottos III. in Rom gehörte. Merkwürdig ist jedenfalls, daß der Kaiser ihn mit nach Gnesen nahm, wo man doch gerade erwarten sollte, daß bei einer Abwesenheit des Herrschers von Rom der Patricius hätte in Funktion treten müssen. Vielmehr diente er auf dieser Reise offensichtlich dazu, neben dem päpstlichen Oblationar das weltliche Rom zu repräsentieren. Daß er dann im Jahre roo1 als Heerführer gegen das aufrührerische Rom verwandt wurde, zeigt ihn in der Ausübung eines durch besondere Umstände bedingten Auftrages, gibt aber keinen Aufschluß darüber, wie sein Amt gedacht war. Das Bemerkenswerte an diesem kaiserlichen Patricius, der den Namen Ziazo (Zazo, Zazzus) führte, ist, daß er wohl zweifellos nicht aus einem römischen Geschlecht stammte. Vielmehr läßt sein Name die Vermutung zu, daß er nicht einmal Italiener5 8 , sondern Deutscher war59 • Also ein Nichtrömer als Nachfolger eines Crescentius60! Das ist ein Hinweis auf die Absichten des Kaisers, der zu denken geben muß. Den bisher besprochenen Amtern ist gemeinsam, daß sie sich auf Rom bezogen. Dadurch unterscheiden sich von ihnen die unter Otto auftauchenden ( S. 29.") Titel 56 Vgl. P. E. S., K., R. u. Renovatio I S. 62. 57 D. 0. III. 346 (Regensburg 3r. r. rooo), D. 0. III. 406 (bei Albano 19. 7· roor, hier: nostri di!ecti ftde!is), beidesmal als Intervenient; Chron. Veneturn (Mon. Germ., Script. VII S. 34 = Cron. Venez. ed. G. MONTICOLO, Fonti per Ia Storia d'Italia: Scritt. sec. X bis XI, S. r 64): patricium suum; über seine Reise nach Gnesen Thietm. IV cap. 44, ed. R. HoLTZMANN S. 129 (Mon. Germ. Script. rer. Germ., N. S. IX). 58 Um IIOO kommt der Name Zaccio, Zaczo, Zazo mehrfach in Verbindung mit Farfa vor (Chronicon Farfense ed. U. BALZANI II, Rom 1903 S. 210, 211, 260, 273, 285. 59 THIETMAR IV, cap. 2 (von einem anderen Schreiber als IV, cap. 44 geschrieben, wodurch sich die orthographische Differenz
erklärt): Frithericus et Ciazo confratres. Für die deutsche Abstammun~ des Patricius mag noch angeführt sein, daß er im Jahre rooo für einen deutschen Kämmerer interveniert und daß Thietmar zu roor von Ziazone tune patricio spricht, also anscheinend noch mehr von ihm weiß. 6o Vgl. P. E. S., K., R. u. Renovatio, 2. AufL Darmstadt 1957 S. 349 über die Versuche, Ziazo in die Stammtafeln deutscher Geschlechter einzugliedern. Ebd. S. 349 über die durch die Entdeckung des Bleisarges der Abtissin Mathilde von Quedlinburg ermöglichte Feststellung, daß Otto III. sie - laut Inschrift auf dem Deckel - als matricia in Sachsen einsetzte. Ebd. S. 349f. über den angeblichen Patriziat des Herzogs Boleslaw Chrobry von Polen.
Der Patricius - Der Protospathar
Logothet und Protospathar. Diese nehmen auch dadurch eine Sonderstellung ein, daß sie nicht aus römischer, sondern aus byzantinischer Tradition stammen. Es fragt sich also, ob hier tatsächlich eine »Byzantinisierung« der kaiserlichen Verwaltung vorliegt.
I
o. Der Prolospatbar
Der von spatha (Schwert) abgeleitete Spathar-Titel bezeichnete in Byzanz kein Amt, sondern einen Rang, der drei Klassen umfaßte. Eine derselben war die der Protospatbare61. In Italien war sie dadurch bekannt, daß es in den byzantinischen Provinzen des Südens Beamte dieses Ranges gab 62 , aber auch dadurch, daß sie ehrenhalber an Fremde wie etwa an den Sohn eines venezianischen Dogen verliehen wurde63 • Mit irgendeinem Waffendienst hatte dieser Rang gar nichts zu tun, selbst nicht mit irgendeiner an das Schwert des Basileus geknüpften Obliegenheit; denn dafür hatte dieser besondere Beamte wie den flEyac; OOflerrr:cxoc; oder den Protostrator64 • Welcher Sinn verband sich nun mit dem gleichnamigen Titel, der in der Zeit Ottos auftaucht? Außer in einer zweifelhaften deutschen Urkunde65 begegnet er mehrere Mal in italienischen Urkunden, in denen er jedesmal Otto, dem Grafen von Lomello und Pfalzgrafen für Italien, zugeteilt wird66 • Das abendländische Protospathariat ist also kein Rang wie in Byzanz, sondern ein einmalig besetztes Amt, wie es dem V erfassungsaufbau im Abendland entsprach. Sein Inhaber entstammte einer
6I BuRY a. a. 0. S. I I I f.; Const. Porph. Lib. de caer. ed. J. J. REISKE li, S. 47, I29f.; Liudprand, Opera (Script. rer. Germ. 3 19I5) S.86, 15 8; E. STEIN, Untersuch. zur spätbyzant. Verfass.- u. Wirtschaftsgesch., in: Mitt. zur Osmanischen Gesch. II, 1923-25 S. 29f., 46 für die spätere Zeit; für den Exarchat s. HARTMANN, Unters. a. a. 0. S. 141, 15 3; Ch. DmHL, Emdes sur l'administr. byz. dans l'exarchat de Ravenne, Paris I888 (Bibi. des ecoles Franc. d'Athenes et de Rome 53) S. 147· 62 HARTMANN, Gesch. a. a. 0. IV S. I39· 63 G. ScHLUMBERGER, L'epopee byz. II, Paris 1900 S. 3JO. 64 A. HEISENBERG, Aus der Gesch. u. Lit. der Palaiologenzeit (Münch. Sitz.ber., phil.-hist. Kl. 192.0 Nr. 10) S. 58. 65 D. 0. III. 325 vom 20. 5. 999 betr. Altdorf i. Eis., um 1200 stark verfälscht und mit einer
falschen Zeugenreihe versehen, in der ein Marguuardus noster fidelis protospatarius und der im April 999 tatsächlich bei Otto III. nachweisbare Bischof Heinrich von Würzburg neben andern (nicht identifizierbaren) Persönlichkeiten genannt sind; demnach werden wohl Heinrich und der Protospathar, den der Fälscher sich nicht ausgedacht haben kann, ursprünglich in dem Interventionspassus gestanden haben. Ist auch der Vorname authentisch? Gab es also vor oder neben Otto noch einen andern Protospathar? Diese Fragen lassen sich nicht mehr entscheiden. 66 D. 0. III. 4II (Pavia 14. ro. 1001): Otto protospatarius et comes palacii seu comes buius comitatus; nicht aber D. 0. III. 398 (20. 4· 1001); auch M. FANTUZZI, Monum. Ravenn. I., Venedig I8or S. 225 und L. A. MuRATORI, Antiqu. Estens. I, Modena 1707 S. 125.
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B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
der führenden Familien Norditaliens 67 und stand dem Kaiser auch persönlich ( S. 30:) nahe, wie aus seiner Teilnahme an der Öffnung des Grabes Karls d. Gr. hervorgeht6 8 • Welche Obliegenheiten mögen Otto mit der Protospatharwürde übertragen sein? Sicherlich solche, die irgendwie mit dem Schwert zusammenhingen; denn die folgenden Belege zeigen, daß man sich der etymologischen Bedeutung des byzantinischen Titels in dieser Zeit bewußt war. Die Stellung des Amtsinhabers macht es jedoch unmöglich, das Protospathariat mit einem wirklichen Waffentragen zu verbinden, wie es Aufgabe des königlichen Waffenträgers 69 war, für den gerade in der in Betracht kommenden Zeit die Bezeichnung Spataferiusverwandtworden ist70 • Dann kann es sich nur um ein Tragen des Schwertes in seiner Bedeutung als Rechts- und Herrschaftszeichen handeln. So sitzt der Herzog von Kärnten 1027 als »spatarius imperatoris« bei einem Konzil ZU Füßen Komacis II. 71 , so tragen der Herzog von Polen72 und der König von Dänemark73 als Zeichen ihrer Anerkennung der Lehnsabhängigkeit das Schwert vor dem Kaiser oder König einher. Gerade für den italienischen Pfalzgrafen muß eine analoge Verbindung mit dem Schwertsymbol sehr plausibel erscheinen, und wir möchten daher aus dem ihm zugeteilten Titel schließen, daß er das Vorrecht hatte, in seinem Machtbereich das Schwert vor dem Kaiser zu führen. Wir müssen uns dabei vergegenwärtigen, daß wir es mit jener Zeit zu tun haben, in der sich aus der symbolischen Ausübung der Hofämter durch die höchsten Würdenträger die Erzämter zu entwickeln begannen74 • Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß dieses Amt mit dem byzantinischen Protospathariat nichts als den Namen gemein hat. Da zudem die Sprache um die Wende 67 FICKER, Forsch. a. a. 0. I S. 3 I4f.; S. HIRSCH - H. BRESSLAU, Jahrbücher Heinrichs II. Bd. III, Leipz. I 875 S. 403 unter: Otto Pfalzgr. von Lomello; G. ScHWARTZ, Die Besetzung der Bistümer Reichsitaliens, Leipz. I9I3 S. 47· 68 Chron. Nova!. c. 32 (Mon. Germ., Script. VII S. Io6). 69 P. E. ScHRA_M:M, Das Herrscherbild in der Kunst des frühen Ma.s in: Vorträge der Bibi. Warburg I922-23 I, Leipz. I924 S. I95 usw. (s. jetzt Bd. V); DERS., Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern ihrer Zeit, Leipz. I928 S. 234 unter: Schwertträger (Neubearbeitung wird vorbereitet). 70 THIETMAR a. a. 0. IV 32 (S. I69). 7 I W olfherü vita Godehardi c. 3 I (Mon. Germ., Script. XI S. I9o). 72 Zu IOI3 Thietm. a. a. 0. VI 9I (S. 282), zu I I 35 K. HAMPE, Deutsche Kaisergesch.
(Leipz. 9 I945) S. I2I. 73 Chron. Co!. reg. zu II34 (Script. rer. Germ., I88o S. 7I); auf dem Reichstag von Besan~on trug Otto von Wittelsbach das Reichsschwert, vgl. H. SIMONSFELD, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Friedr. I., I S. 571. - Vgl. auch die Geschichte bei Richer III c. 85 (Script. rer. Germ., 2 I877, S. n7; s. a. die zitierte Ausg. von R. LATOUCHE), wonach Hugo Capetaus Höflichkeit Ottos I. Schwert ergreift, das ihm jedoch der Bischof von Orleans zur Verhütung einer falschen symbolischen Interpretation aus der Hand nimmt. Betengar trug 894 Zwentibolds Schild als Zeichen der Unterwerfung; vgl. Liudprand, Antap. I 22 (Opera, Script. rer. Germ., 3 I9I 5, S. zo). 74 R. ScHRÖDER-E. Frhr. v. KüNSSBERG, Lehrb. d. deutschen Rechtsgesch. I, Leipz. 6 I9I9 S. 530 und oben S. 49, 57·
Protospathar - Logothet und Archilogothet
des Jahrtausends ganz allgemein seltene und nicht-lateinische Ausdrücke mit Vorliebe verwendet75 , so gibt der Titel auf keinen Fall die Berechtigung, aus ihm irgend( S. J I:) einen Schluß auf eine für Otto III. selbst oder seinen Hof charakteristische Vorliebe für Byzanz zu schließen. I I.
Logothet und Archilogothet
Diese Feststellung gilt auch für das zweite Amt mit byzantinischer Benennung, das in der Zeit Ottos III. auftaucht, nämlich für das Amt des Logotheten. In Konstantinopel war unter den verschiedenen Logotheten der bei weitem wichtigsteund bekannteste der Aoyof}Ü'YJ~ ?:OV f5(!6f-lOV oder piya~ Aoyo/}Ü'YJ~, der auch schlechthin der Logothet genannt wurde. Er führte die Korrespondenz mit den fremden Staaten, leitete den Empfang ihrer Gesandten und beriet den Basileus in den hiermit zusammenhängenden Fragen76 • Von seiner Bedeutung und von seinen Obliegenheiten hatte man im Abendland mehr oder minder gerraue Kunde. In der »älteren Pfalzrichterliste« aus der zweiten Hälfte des IX. J ahrh. wurde er mit dem päpstlichen Bibliothecarius, dem Kanzleichef, gleichgesetzt. Hier heißt es von ihm, daß er dem Kaiser den ganzen Schriftverkehr vorzulegen habe. Diese Angabe war mit der ganzen Liste in einen Codex von Bamberg eingetragen, der durch Heinrich II. dorthin geschenkt wurde, aber schon aus dem Besitz eines der Ottonen stammen wird77 • Sie ist richtiger als die Aussage des Ratherius von Verona (t 974): locotheta, quem nos comitem dicimus palatii78 , zu der eine irrtümliche Ableitung von locus den Anlaß gegeben haben mag. Eine klare Auffassung von dem Charakter des byzantinischen Logothetenamtes hat dagegen Liudprand79 , der es ja aus eigner Anschauung kannte. Was hat man sich nun aber unter dem Logotheten Ottos III. vorzustellen? Der Kanzler für Italien, Heribert 80 , der schon seit 994 in dieser Stellung fungierte, übernahm nach dem am 4· August 998 erfolgten Tode des deutschen Kanzlers, des Bischofs Hildibald von Worms, auch dessen Amtsgeschäfte, so daß die beiden Kanzleien wider das Herkommen jetzt zusammengeschlossen waren. Diese Maßnahme 75 P. E. ScHRAMM in: Histor. Zeitschr. I29, I924 S. 459f. Anm. 2 (jetzt oben S. 228 Anm. 82). 76 DERS., Studien zu frühmittelalterl. Aufzeichnungen über Staat u. Verfassung in: Zeitschr. f. Rechtsgesch. 49 (6z) Germ. Abt. (Weimar I929) S. 2I I und die dort genannte Literatur (jetzt Bd. I S. I 35 f.). 77 S. ebd. S. 2ooff. (jetzt verkürzt: S. I3off.) die Liste und ihre Überlieferung. 78 Praeloquia I 7, I6 (MrGNE, Patr. Iat. I36
Sp. I6I), worauf MAYER a. a. 0. II S. 187 Anm. 65 aufmerksam machte. 79 Opera a. a. 0. S. 239 unter: logotheta. So Zum Folgenden vgl. P. F. KEHR, Die Urkunden Ottos III., Innsbruck 1890 S. 64 Anm. 2 und: Zur Gesch. Ottos III., in: Hist. Zeitschr. 66, 1890 S. 399ff.; W. ERBEN, Exkurse zu den Diplomen Ottos III., in: Mitt. d. Inst. f. Österr. Gesch.forsch. XIII, 1892 S. 579ff.; HARTMAc'lN, Gesch. a. a. 0. S. 137f.; Mon. Germ., DD. li S. 387; H.
B 4: Kaiser Otto III. und sein »byzantinischer Hofstaat«
beweist das außerordentliche , auch durch die Erhebung zum Erzbischof bewiesene ( S. J2 :) Vertrauen, das Otto diesem wichtigsten seiner deutschen Berater entgegenbrachte81. Als Kanzler für Deutschland ist Heribert zuerst am 3. Januar 999 nachweisbar, so daß die Erweiterung seiner Befugnisse in die Zeit zwischen August und Ende 998 gefallen sein muß. Während dieser Zeitspanne -im Oktober - erhält er nun in einer Urkunde die Bezeichnung: cancellarius et logotheta 82 • Im Sommer 999 legt ihm Otto III. in einem eigenhändigen Schreiben, in dem er ihm seine Erhebung zum Erzbischof von Köln mitteilt, als einzigen Titel den des archilogotheta bei 83, der in einer Urkunde vom 23. November 999 mit »logotheta principalis et cancellarius« wiedergegeben ist 84 • Demnach ist der im Oktober 998 erkennbare Zustand bis zum folgenden Sommer dahin abgeändert worden, daß der Logothet zum Archilogotheten erhoben und ein zweiter Logothet unter ihn gestellt wurde - eine Maßnahme, die sich durch kein byzantinisches Vorbild erklären läßt und daher besonderen Bedürfnissen entsprungen sein muß. Dieser zweite Logothet war nun niemand anders als der oftgenannte Archidiakon Leo, der in der Zeit zwischen dem Sommer 998 und dem Sommer 999 zum Bischof von Vercelli aufrückte und sich selbst als episcopus . .. et Iogotheta palatii bezeichnet hat 85 • Von ihm wissen wir, daß er nicht nur die für ihn ausgestellten Kaiserurkunden verfaßte, sondern auch besonders wichtige Gesetze und Diplome Ottos III. redigiertess. Die Auflösung der Frage, die der Logothetentitel stellt, ergibt sich demnach von selbst: als Heribert zu seinem italienischen Kanzleramt noch das deutsche empfing, ist die Trennung der beiden Behörden nicht aufgehoben worden, sondern man hat für das italienische Kanzleramt den entsprechenden byzantinischen Titel eingeführt, so daß jetzt den bisher gleichnamigen Amtern zwei verschiedene Titel entsprachen. Da Heribert jedoch in der Folgezeit längere Zeit abwesend war, wurde BRESSLAU, Handbuch der Urkundenlehre I, Leipz. 2 1912 (neugedruckt) S. 454, 469f.; vor allem H. [REINCKE-]BLOCH in: Neues Archiv XXII, 1897 S. 83 ff., dazu Fedor ScHNEIDER in: Vierteljahresschr. f. Soz. u. Wirtschaftsgesch. XIV, 1918 S. 501. Sr S. jetzt J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige II, Stuttgart 1966 (vgl. meine Besprechung oben S. 135ff.) S. 93 (Leo), 105 (Heribert war nicht nur wie ich es in: Renovatio a. a. 0. I S. II4f. vertrat - in Personalunion Kanzler für Deutschland und Italien, sondern Chef einer aus beiden Kanzleien zusammengefügten Behörde), S. 107-9 (über Logotheta und Archilogotheta).
82 D. 0. III. 304 (Mon. Germ., Dip!. II S. 731 Z. 22f.). 83 Vita Heriberti c. 5 (Mon. Germ., Script. IV S. 743), dazu P. E. S., K., R. u. Renovatio I S. r 34 und unten S. 300; vgl. auch Vita c. 4, S. 742: archicance!!arium et secreti sui vo!uit esse primum.
84 D. 0. III. 334· 85 D. 0. III. 396 und FANTuzzr, Mon. Ravenn. a a. 0. I S. 227. 86 Vgl. den Aufsatz von H. [REINCKE-]BLOCH a. a. 0. Der Logothetentitel taucht später in der Kanzlei Heinrichs II. (FLECKENSTEIN a. a. 0. II S. r7of.), bei Petrus Diaconus von Monte Cassino und am Hofe Friedrichs II. wieder auf.
Logothet und Archilogothet - Das Ergebnis
seine Funktion durch Leo von Vercelli ausgeübt- wobei zu fragen ist, ob Leo nur für den italienischen Teil zuständig war. Jedenfalls ist seine Anteilnahme nur bei Italien betreffenden Geschäften nachzuweisen. Heribert ist deswegen jedoch die Leitung der Kanzlei nicht abgenommen worden; vielmehr wurde sein und Leos Anteil an dieser dadurch getrennt, daß der eine zum Archilogotheten, der andere zum Logotheten gemacht wurde. Leo ( S. 33:) hatte also eine Stellung, die wir als Unterkanzlerschaft- wahrscheinlich nur: Unterkanzlerschaft für Italien- bezeichnen können 87 • Daß das sehr gut mit seiner tatsächlichen Stellung am Hofe und seinem Einfluß auf die Politik übereinstimmt, wird sich nicht bestreiten lassen. Für Otto III. aber ergibt sich daraus, daß aus der Geschichte der Kanzlei keine Aufschlüsse über die Intentionen seiner Politik zu gewinnen sind: keine Aufhebung der Tradition, keine Romanisierung - vielmehr eine durch die Personalverhältnisse bedingte, auch von andern Herrschern vorgenommene Zusammenfassung der Kanzleien, bei der jedoch durch einen zu diesem Zweck aufgegriffenen byzantinischen Titel zum Ausdruck gebracht wurde, daß es sich nur um eine Personal-, keine Behördenunion handele. Hat also diese Einrichtung mit dem byzantinischen Logotheten gleichfalls nur den Namen gemein, so zeigt die ganz unbyzantinische Scheidung von Archilogotheta und Logotheta erst recht, daß die Entlehnung des Titels einem praktischen Bedürfnis, nicht einer besonderen Vorliebe entsprach. Es bleibt hier von der »Byzantinisierung« des Hofes gleichfalls nichts übrig. I 2.
Das Ergebnis
Aus diesen Feststellungen, deren Endergebnis ich im I. Band meines Buches »Kaiser, Rom und Renovatio« verwertete (S. ro4ff.), zog ich den Schluß, daß nunmehr von einem »Römischen Hofstaat«, von »Scheinämtern«, von Ottos III. »Lust an Titeln und Spielerei« nicht mehr die Rede sein könne: »Was übrig bleibt, erklärt sich durch die besondere Lage, daß seit langer Zeit zum erstenmal ein Kaiser in Rom seine Residenz aufgeschlagen hatte und daß sich dadurch Eingriffe in den bisherigen Zustand von selbst ergaben; was dann noch eine Begründung verlangt, ist aus einem Geiste entstanden, der seit langem in Rom zu Hause war. Er war in den Römern lebendig, die sich auf die Seite des Kaisers geschlagen hatten; ihm kam dann die geistige Richtung entgegen, in denen sich die Gedanken Ottos III. bewegten« (S. II4)· 87 Daß Logothet »nicht einfach Kanzler, sondern ein besonderes Amt« oder eine besondere Würde bedeutete, ist die Auffassung von J. FLECKENSTEIN. Nach ihm war dieses Amt als »eine Art Konkurrenzbildung« zu dem byzantinischen eingeführt, »geschaffen
als Erneuerung eines römischen Amtes, das mit einem klangvollen Titel den vornehmsten politischen Beratern des Kaisers in Rom und in Italien vorbehalten war« (a. a. 0. S. 107ff.).
5· »Bonmots« mittelalterlicher Kaiser (Karl der Große, Otto III. und Heinrich IV.) Aus einer Glückwunschsamm lung für Wolfram von den Steinen zum 70. Geburtstag ( 1962)* Das Rundschreiben Ihrer Freunde legt uns nahe, den Glückwunsch mit Wissenschaft zu verbinden; aber es verlangt, daß wir uns ganz kurz fassen. Das fällt jedem Forscher schwer, ganz besonders mir, dem die Kollegen immer wieder diskret zu verstehen geben, ich schriebe nicht nur zu viele, sondern auch zu dicke Bücher. Als rettender Ausweg kommt mir der Gedanke, Sie an - Ihnen sicherlich bekannte - »Bonmots« mittelalterlicher Kaiser zu erinnern, die mir zu einem Fest wie dem Ihren zu passen scheinen und außerdem geeignet sind, uns daran zu erinnern, daß die Träger der Krone nicht nur Herrscher von Gottes Gnaden, sondern auch Menschen mit Zu- und Abneigungen waren. Ich füge ein »Bonmot« Karls des Großen hinzu, auf das ich erst kürzlich gestoßen bin. Es ist überliefert in den »Gesta Karoli Magni irnperatoris« des NoTKER BALBULUS, den wir jetzt - WoLFRAM VON DEN STEINEN1 folgend- besser »Notker den Dichter« nennen (Bd. II S. 319ff.), also in einem Werk, das zwar erst zwei Menschenalter nach Karls des Großen Tod, nämlich in den Jahren 884/8 aufgezeichnet wurde, aber gute mündliche Tradition verwertete.
a) Karl der Große Notker, der »Mönch von St. Gallen«, hat in seinen »Gesta« die noch umlaufenden Anekdoten über Karl den Großen in einer so anschaulichen und prägnanten Weise zusammengefaßt, daß ihm noch heute Dank gebührt. In seinem zweiten Buch, in dem er sich auf seinen Lehrer Adalbert, einen Kriegsgefährten des mit Karl verschwägerten Grafen Gerold beruft, erzählt er, daß der byzantinische Kaiser Karls Gesandten gefragt habe, ob dessen Reich durch Angriffe benachbarter Völkerschaften zu leiden habe, worauf dieser die Sachsen namhaft machte. Darauf habe der Basileus, der Karl als seinen Sohn bezeichnete, geantwortet: »Ach, warum hat mein Sohn
*
Meinern Qetzt durch den Abschnitt a erweiterten) Beitrag zu der (ungedruckt gebliebenen) Sammlung schickte ich folgende Widmung voraus: I Zu WoLFRAM VON DEN STEINEN (t Basel 20.
Nov. 1967) vgl. meine Besprechungen seiner Bücher in Bd. II und IV sowie meinen für die Histor. Zeitschrift verfaßten Nachruf: Bd. 207, 1968 s. 783-87.
Kar! der Große
solche Schwierigkeiten mit den wenigen Sachsen, die sich durch keinen Namen und keine Tüchtigkeit auszeichnen? Du sollst den ganzen Stamm mit allem Zubehör haben 2 !« Dieser Geschichte liegt - was Zutrauen zu ihr erweckt - der von den Basileis vertretene Anspruch zu Grunde, sie seien das Haupt der »Familie der Könige« 3 • In den Einzelheiten wird sie zugespitzt und zurechtgefeilt sein, wie das immer bei Anekdoten, die von Mund zu Mund weitergegeben werden, der Fall ist. Uns geht hier der Schluß der Geschichte an: Nach Notkers Erzählung berichtete der Gesandte dieses Gespräch nach der Rückkehr seinem kaiserlichen Herrn, der sich über solche Anmaßung nicht erboste, sondern lachte und sagte: »Dieser König hätte viel besser getan, wenn er dir für eine so weite Reise einen Lendenschurz geschenkt hätte«. Ein lineum femorale, also das einfachste Kleidungsstück, das auch der Geringste trug, das man selbst Jesus gelassen hatte, als um seine Kleidungsstücke gewürfelt wurde! Diese Antwort paßt so gut zu dem in Karls Zeit zwischen dem abendländischen und dem byzantinischen Kaiser bestehenden Gegensatz\ daß wir die Pointe für authentisch halten- erdichtete Geschichtchen klingen anders. Nur wer so souverän dachte und dabei mit beiden Füßen auf der Erde stehenblieb, war imstande, die Anmaßung der Byzantiner mit einem solchen gesalzenen »Bonmot« lächerlich zu machen. Im Abendland hatte der Basileus weder etwas zu verbieten noch zu verschenken: ein Schurz aus seiner Hand wog immer noch mehr als politische Anrechte, die er in Gegenden verschenkte, in denen er garnichts zu sagen hatte! z NoTKERl BALBULI Gesta Karoli Magni imp., ed. Hans F. HAEFELE, Berlin 1959 (Mon. Germ. Script. rer. Germ., N. S. XII S. 53: II cap. 5: »Cum igitur de sede Saxonici be!li !egatos ad regem Constantinopo!eos destinaret, interrogat'it i!!e, utrum pacatum esset regnum ft!ii sui Karo!i ve! si a ftnitimis gentibus incursaretur. Cumque minorum primus alias omnia pacata referret, nisi quod gens quedam, qui Saxones vocitantur, creberrimis !atroniciis Franeorum ftnes inquietarent, dixit homo torpens otio nec uti!is be!!i negotio: >Heu, quare laboral ftlitts meus contra hostes paucissimos mil!ius hominis nulliusque virtutis? Habeas tu gentem illam cum omnibus ad eam pertinentibus. lvfu!to melius tibi rex i!le consu!ttisset, si unum lineum femorale ad !an/um iter tibi tribuisset. <« Die Bezeichnung ft!ius benutzt Notker auch II cap. z6 (S. 37). Daß er dem Basileus nur
den Titel rex einräumt, ist als eine ihm eigene Zuspitzung der geschilderten Szene anzusehen. Über das Datum dieser Gesandtschaft vgl. W. ÜHNSORGE, Die Auswirkung der byzant. Siedlungsmethode auf die Sachsenpolitik Karls d. Gr., im Niedersächsischen Jahrbuch 39, 1967 S. 95, der auf die des Jahres 8oz schließt und übersetzt: »Unterhose«. Dieses pejorative \Vort paßt zwar zu dem von Kar! gemeinten Sinn, verträgt sich jedoch nicht mit der Tracht der Zeit. In der Bibel sind nur einmal femora!ia (von Luther mit »Niederwand« übersetzt) erwähnt, und zwar als Teil von Aarans Priesterornat (Eccli. = Sirach 45, 9f.). Hier besteht also keine Beziehung. Fr. DöLGER, Byzanz u. die europ. Staatenwelt, Darmstadt 1964 S. 43 ff. 4 Vgl. Bd. I S. 29off.
B 5: »Bonmots« mittelalterlicher Kaiser
b) OttoiJI. Das zweite »Bonmot« habe ich bereits I929 in meinem Buch »Kaiser, Rom und Renovatio« S. I 34 analysiert. LANTBERTUS berichtet in seiner Vita Heriberts von Köln (cap. 5; Mon. Germ., Script. IV S. 743), Otto III. habe 998 dem bisherigen Kanzler (»Archilogotheta«; vgl. dazu oben S. 295 ff.) seine Erhebung zum Erzbischof von Köln in einem Brief mitgeteilt, den er »mit eigener Hand« geschrieben habe zufällig ist Otto III. der einzige Kaiser des frühen Mittelalters, von dem wir eine eigenhändige Unterschrift besitzen: wir sind gewiß, daß LANTBERTUS beim Wort genommen werden darf. Der Biograph teilt den Wortlaut dieses Briefes mit, den man typographisch so wiedergeben muß: Otto imperator sola Dei gratia Heriberto archilogotetae gratiam et Coloniam - et pallii cubitum unum.
Das ist nicht- wie man gemeint hat- ein Briefanfang, sondern der ganze Brief. Hat man das verstanden, dann ergibt sich, daß der Kaiser die für Heriberts ferneres Leben entscheidende Mitteilung in die Form eines fein geschliffenen Witzes kleidete. Die erste und zweite Zeile, die den feierlichen Stil der Urkundensprache parodieren, sind beide I 3 Silben lang; um das zu erreichen, ist das in der Devotionsformel ungewöhnliche Wort sola eingefügt. Man erwartet, nach so hochtrabendem Anfang eine würdevolle Mitteilung, daß der Kanzler nunmehr die zweithöchste Stelle in der deutschen Kirche einnehmen solle. Nichts davon: dafür genügten zwei \V'orte: et Coloniam. Und daran hängt sich ein Sonderscherz: Heribert soll ein Pallium von einer Elle Länge erhalten: et pallii cubitum unum (hier ist die Kadenz der Silben zu beachten). Man muß wissen, daß diese erzbischöfliche Binde, die kreisförmig auf den Schultern lag und vorn sowie hinten in zwei langen Enden herabfiel, viele Ellen lang war. Ein Pallium von nur einer Elle hätte dem Beliehenen also ein höchst lächerliches Aussehen gegeben. Das war kein Alltagswitz, sondern das geschliffene Bonmot eines in den »artes liberales« bewanderten Briefschreibers. Hatte der Scherz einen konkreten Inhalt? WoLFRAM VON DEN STEINEN wies mich in seinem Dankesbrief daraufhin, daß der Kaiser seine Mitteilung vermutlich mit einem Geldgeschenk verknüpft habe: erster Beitrag zu den Kosten, die Heribert durch die Reise nach Rom und das dem Papst zu zahlende Palliumgeld in Kürze erwachsen mußten. Für die übrigen »Ellen« hatte dann Köln aufzukommen. Diese Deutung scheint mir schlagend. Durch das, was der Angeschriebene beitrug, »verbessert« sich Ottos III. Scherz noch, so daß er noch »pointierter« ist, als ich ausführte.
Otto III. und Heinrich IV.
301
c) Heinrich IV. Das dritte »Bonmot« stammt von HEINRICH IV. Überliefert hat es sein Enkel, der Bischof Otto von Freising, in seinen »Gesta Friderici« (I cap. 7, rec. G. WAITZ, 3· Aufl. 1912 S. 23 Script. in us. schol.). Einer aus Heinrichs Umgebung - so berichtet Otto - hatte daran Anstoß genommen, daß der Herzog Rudolf von Schwaben, der es gewagt hatte, sich gegen seinen Lehnsherrn und Schwager zum Gegenkönig wählen und krönen zu lassen, in Merseburg ein stattliches Grab gefunden hatte, auf dem er mit den königlichen Herrschaftszeichen abgebildet war - die Platte, die Rudolf in ganzer Figur darstellt, ist ja erhalten und wurde unzählige Male abgebildet, weil dieses Meisterwerk der Gußtechnik die figürliche Sepulkralplastik des Mittelalters einleitet. Wie könne - so wurde Heinrich vorgehalten- der wahre König erlauben, daß sein Gegner, der nicht König gewesen sei, dergestalt abgebildet sei! Darauf Heinrich IV.: »Ich wollte, alle meine Gegner lägen so begraben« (Utinam omnes inimici mei tam honoriftce iacerent). Dieses Wort ist so geschliffen, so königlich, daß es nicht erfunden sein kann. Es muß von Mund zu Mund weitergetragen worden sein, so daß der Enkel es aufzeichnen konnte. Heinrichs IV. Bild ist verzerrt durch die Schmähungen seiner Gegner und üble Gerüchte, die über ihn umliefen. Wir wissen nicht, wieviel man von ihnen glauben darf und wieviel nicht. Aber dieses königliche Dictum genügt, um zu beweisen, daß der dritte Salier der Krone wert war, die er trug.
C. DIE ZEIT DER DEUTS CHEN HERRS CHER AUS DEM SALISC HEN HAUSE (1024-I 125):
KAISE R- ROM- RENOV ATIO
I.
Ein oft benutztes Lobwort: spes imperii, verwandt auf einer Bulle Kaiser Konrads II. * In dem Teil, der der karolingischen Zeit gewidmet ist, haben wir uns mit einem ähnlich oft benutzten Lobwort befaßt, weil es auf der Bulle des Kaisers Ludwig II. Ct 85 5) »offiziell« verwandt worden ist: decus imperii (s. Bd. II S. 71ff.). Hier fassen wir ein anderes Lobwort ins Auge, das eine ähnliche Geschichte gehabt hat und auch einmal, nämlich in der Zeit Konrads II., seinen Platz auf einer Kaiserbulle angewiesen bekam: spes imperii (S. 576)1 • Es stammt gleichfalls aus dem antiken Sprachschatz und gehört daher auch schon zu den von der karolingischen Zeit benutzten Epitheta. Wir stellen zunächst die Belege zusammen und nehmen auch solche auf, bei denen es sich um die Verwendung von spes in ähnlicher Bedeutung handelt. Wie bereits 0. PossE feststellte, stammt die Wendung spes imperii aus dem Schatz antiker Münzumschriften; aber sie gehört auch zur literarischen Panegyrik: 6. Jahrhundert: (Kaiser Justin) spes urbis et orbis (Corippus: In laudem Justini III v. 79, ed. M. PETSCHENIG, Berlin r886 S. 194 =Mon. Germ., Auct. ant. III, r S. 139). 9· Jahrhundert: Karl d. Gr. in der Divisio regni von 8o6 über seine drei Söhne: spem nostram de regno conftrmavit (Deus) (Mon. Germ., Capit. I S. I27). (Sohn Lotbars I. im Jahre 829) spes optima regni (Walafrid Strabo: De Hlothario imp. v. I5 8; Mon. Germ., Poet. lat. II S. 3 75). (Karl der Kahle) nova stella . .. , laus orbis, spes quoque Romae (Sedulius Scottus, ebd. III S. I 89). (Karolingisch oder I I. J ahrh.) (Begrüßung eines Bischofs) aurea spes patriae (ebd. VI s. I 84)·
*
20
Zuerst im Anhang (S. 576-8) zu: Die Bügelkrone, ein karolingisches Herrschaftszeichen, in: Festschrift für K. G. RuGELMANN zum 8o. Geburtstag, II, Aalen 1959 S. 561-78 (jetzt ohne den Anhang Bd. II S. 99ff.); hier durchgefeilt. Schramm, Aufsätze III
r Abgebildet bei 0. PossE, Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige, I, Dresden 1909, Tafel 13, 5-6; danach P. E. ScHRAMM, Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern ihrer Zeit, Lpz.-Berlin 1928 Abb. 95 a-b, dazu S. 203.
C I: Ein oft benutztes Lobwort: spes imperii ro. Jahrhundert:
(Otto I.) spes populi (Brief eines Brun an einen Kaiser, jetzt identifiziert mit Erzbischof Brun an seinen Bruder Otto; Mon. Germ., Poet. lat. V S. 377). (Otto II. beim Antritt der Alleinherrschaft, 973) designatus in imperatorem, spes unice totius ecclesiae (Widukind III cap. 76, ed. P. HIRSCH u. H. E. LOHMANN, 193 5 S. 15 3; Script. in us. schol.); vgl. auch III cap. r 2 (S. I I I): quem iam post patrem dominum ac imperatorem universus sperat orbis. Ir. Jahrhundert: Die wichtigsten Belege für spes i. stammen von Wipo, dem Kapellan Konrads II. und Lehrer Heinrichs III. In seiner »Vita Chuonradi« beschließt er die Nachricht von dessen Erhebung zum Mitkönig (Io28) mit dem Vers: Spes pacis crevit, quam rex cum caesarefecit (cap. 23, ed. H. BRESSLAU, I915 S. 42; Script. in us. schol.). Im Zusammenhang mit dem Tode Konrads sagt er, dieser habe seinem Sohn regni rem, imperii autem spem bene !ocatam anvertraut (ebd. cap. 39; S. 59). Außerdem bezeichnet er Heinrich im Epilog zu seinem »Tetralogus« als spes orbis (Vers 220, ebd. S. 82). Mit den angeführten Wendungen spielt Wipo wohl nicht nur auf die Inschrift der Bulle an, sondern auf Grund seiner Stellung und Bildung ist zu ( S. 577 :) vermuten, daß er bei deren Festlegung ein Wort mitgesprochen hat. Bei ihr handelte es sich nämlich um ein Stück gewandter Diplomatie. Ich habe früher darauf hingewiesen, daß Konrads Bulle, von der nur ein Abdruck bekannt ist (23. Aug. Io28), mit seinen Bemühungen zusammenhängen wird, für seinen Sohn eine byzantinische Gemahlin zu erlangen 2 • Inzwischen hat W. ÜHNSORGE diese Vermutung ausgebaut3 • Er nimmt an, daß die Bulle für das kaiserliche Schreiben angefertigt wurde, mit dem Konrad im Herbst Io27 eine Gesandtschaft nach Konstantinopel entsandte. Da Heinrich erst am 14· April Io28 zum König gekrönt wurde, also noch keinen Titel führte, der den Byzantinern etwas besagte, ließ der Vater wenigstens dessen Bild auf seine Bulle setzen, und die Titelschwierigkeit wurde in eleganter Weise umgangen, indem jenes vielbenutzte Lobwort, um das es hier geht, hinzugesetzt wurde, als wenn es sich um einen Titel handelte- eine bestechende These.
Auf der zweiten, 1033 (Io3I?)-38 nachweisbaren Kaiserbulle Konrads 4 wurde die Rückseite - wieder wie unter Otto III. und Heinrich II. - dem Bild der als Kirche im Mauerring wiedergegebenen Roma vorbehalten. Heinrich erhielt seinen Platz auf
Kaiser, Basileus und Papst in der Zeit der Ottonen, in: Histor. Zeitschr. Iz9, I924 S. 474 (jetzt: oben S. 239). 3 Die Byzanzreise des Erzbischofs Gebhard von Salzburg, in: Histor. Jahrbuch 75, I956 2
S. I 6z ff. (wiederholt in: Abendland u. Byzanz. Gesammelte Aufsätze, Darmstadt I958, S. 357ff.). 4 PossE a. a. 0. Tafel I 3, 7-8; danach ScHRAMM a. a. 0. Abb. 95 c-d.
Belege aus dem
10.
und
11.
Jahrhundert
der Vorderseite links neben dem Vater zugewiesen: sie sind beide gekennzeichnet durch Krone, Reichsapfel und Szepter. Ihre Gestalten sind getrennt durch die senkrechte Beischrift: HE!NR!CUS REX. W. ÜHNSORGE nimmt an, daß diese Bulle bereits 1029 angefertigt wurde, als abermals eine Gesandtschaft nach Konstantinopel abging. Da Heinrich ja inzwischen gekrönt war, bestand wegen des Titels keine Schwierigkeit mehr, und das Bild des Sohnes neben dem Vater mit den gleichen Herrschaftszeichen, von ihm nur - seiner Jugend entsprechend - durch eine geringere Körperlänge unterschieden, machte den Byzantinern eindeutig sinnfällig, daß der Brautwerber jetzt nicht nur die »Hoffnung« auf die Nachfolge im Reich, sondern ein Anrecht auf sie besaß. Natürlich sind diese Vermutungen nicht beweisbar; aber sie erklären in plausibler Weise, weshalb Konrads Bullen die bisherige Tradition nicht fortsetzten•. Auf den Bullen der Nachfolger begegnet spes imperii, da ein Anlaß dazu fehlte, nicht wieder; aber als Lobwort wurde dieser Ausdruck auch noch in der Folgezeit benutzt: (Heinrich IV.) certa spes imperii (Benzo von Alba V, 3; Mon. Germ., Script. XI S. 65o; s. auch V, I ebd. S. 648). (Ders.) spes nostrae vitae (Petrus Crassus; Mon. Germ., Lib. de lite I S. 453). In dem angeführten Brief des Erzbischofs Brun von Köln begegnet auch das Lobwort: decus imperii. Die beiden Formeln, deren Geschichte wir im II. Band und hier skizzierten, gehören also eng zusammen. Ich verweise hier noch einmal darauf, daß die Ehrennamen, die für die mittelalterlichen Herrscher benutzt wurden, und weitere Lobwörter in ähnlicher Weise durch die Geschichte verfolgt werden sollten (Bd. I S. 38). 5 Wieweit Berührungen zwischen Konrad II. und der römischen Gedankenwelt festzu-
stellen sind, ist in: »Kaiser, Rom u. Renovato« I S. 227 dargelegt.
2.
Eine Echternacher Prunkhandschrift, wohl aus dem Besitz Kaiser Konrads II. * Als im Mai 1955 das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg in den Besitz des »Echternacher Codex« gelangte, haben viele aufgeatmet. Denn durch die Presse war die Öffentlichkeit auf die Gefahr aufmerksam gemacht worden, daß dieses einzigartige, durch seinen Stil als »echternachisch« erwiesene Kunstwerk, das die vor der Französischen Revolution aus Echternach nach Erfurt geflüchteten Mönche dem Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha verkauft hatten, ins Ausland abwandern könnte. Unter denen, die das verhüteten, steht LunwrG GROTE, der Direktor des Museums, obenan. Er erwirkte die Erlaubnis, ein in dessen Sammlung einen Fremdkörper darstellendes ( S. 377.) holländisches Bild von hohem Wert zu verkaufen; die andere Hälfte der über der Millionengrenze liegenden Kaufsumme haben öffentliche Stellen und private Mäzene aufgebracht. Damit ist die Handschrift nicht nur gesichert, sondern auch an einer Stelle verwahrt, wo mehr Menschen als bisher in Gotha sie bewundern können 1 • Durch die von L. GROTE veranlaßte, vom Prestel-Verlag herausgebrachte Veröffentlichung, die hier anzuzeigen ist, wird die Möglichkeit geschaffen, sich ständig mit der Handschrift auseinanderzusetzen und immer von neuem sich von ihrer Pracht einfangen zu lassen 2 • Den Textteil hat der seinerzeit am Nürnberger und jetzt am Dahlemer Museum tätige PETER METZ übernommen. Die farbigen und die Schwarz-weiß-Tafeln, die von der Münchner Firma Brend'amour geliefert wurden, geben das Original in 2 / 3 Größe wieder. Sie reichen bis zum Buchrande, so daß man beim Blättern sich der Illusion hingeben kann, das Original selbst in der Hand zu halten. Der Vergleich zwischen den Farb- und den Normaltafeln stößt den Betrachter
*
Zuerst: Hist. Zeitschrift I85, I958 S. 376-8o (ergänzt). I Verdienste envarb sich auch bei dieser Aktion unser verehrter THEODOR HEuss, der die ihm als Bundespräsident zukommende Autorität einsetzte. Ich durfte durch ein Gutachten mithelfen. 2 Das Goldene Evangelienbuch von Echternach im Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg. Beschrieben von PETER METZ
(Vorwort von LuDWIG GROTE). München, Prestel-V erlag I 9 56. 64 S. mit I 2 farbigen und 92 Schwarzweißtafeln (Folio). Der Band wurde I964 neu gedruckt (mit einigen Anderungen in der Bibliographie versehen). Eine kleine Ausgabe (96 S. mit 6z Abb.) besorgte E. VERHEYEN in der Sammlung: »Bilder aus Deutscher Vergangenheit« (Nr. 22; Prestelverlag, München, I964).
Stand der Forschung
darauf, wieviel Miniaturen einbüßen, wenn man sie nur schwarz-weiß betrachten kann. Die Farbtafeln sind durch alles technische Raffinement ausgezeichnet, das heute möglich ist. Man spürt also z. B. den Purpurgrund dort, wo die Farbe abgeschabt ist, durch das Deckweiß hindurch. Das Gold glänzt allerdings nicht mit jenem metallenen, je nach Beleuchtung wechselnden Schimmer, der mittelalterlichen Prunkhandschriften eigen bleibt, weil in ihnen ja tatsächlich Blattgold auf das Pergament aufgetragen ist - dieser einzigartige Reiz wird sich wohl nie technisch reproduzieren lassen. Was sagt der vom Nationalmuseum erworbene Schatz dem Historiker? Ein einzigartiges Kunstwerk durfte ich den Codex nennen, weil der Band, der erhalten ist, als wenn er eben die Werkstatt verlassen hätte, nicht nur mit größter Prachtentfaltung ausgemalt und auf mehr Blättern als sonst illustriert ist, sondern auch von einem Einband umschlossen wird, der zu den Spitzenleistungen ottonischer Goldschmiedekunst gehört. Auf seiner Vorderseite ist er außerdem noch mit einer der schönsten Elfenbeinplatten dieser Zeit geschmückt. Sie stammt von einem durch die Kühnheit der Bewegung und den Verismus in der Wiedergabe von Gesichtern und Körpern gekennzeichneten Meister, dem noch einige andere Schnitzwerke zugeschrieben werden, der also als Individualität greifbar ist3 • Was den Historiker vor allem anzieht, sind die das Relief umgebenden Goldbleche mit herausgepreßten Figuren; zu ihnen gehören die Kaiserin Theophanu und der jugendliche Otto III. 4 • Durch sie ist die Entstehungszeit des Deckels gerrau eingegrenzt: 983-991. Die früher gültige Annahme, daß dieses Datum auch für die Handschrift gelte, hat bereits (S. 378:) der Schwede C. NüRDENFALK, der sich in dieser Zeit sehr gut auskennt, als Kurzschluß erwiesen; sie ist erst im I I. Jahrhundert an Stelle einer anderen Handschrift in ihn eingebunden worden. Wieviel jünger ist sie? Der uns durch den Tod entrissene ALBERT BoECKLER setzte die Handschrift in die zwanziger Jahre. Sein Urteil ist deshalb besonders gewichtig, weil wir ihm die
3 K. ÜETTINGER, Der Elfenbeinschnitzer des Echtemacher Codex aureus und die Skulptur unter Heinrich III. (1039-56), im Jahrbuch der Berliner Museen, N. F. II, r96o S. 34-54 will das Elfenbeinrelief erst kurz nach ro5o ansetzen (was zu der Datierung der Handschrift von P. METZ paßt). Doch treten andere Sachkenner für die voraufgehenden Jahrzehnte ein; vgl. zur Kontroverse V. E. ELBERN, Zum Verständnis und zur Datierung der Aachener Elfenbeinsitula, in: Das erste Jahrtausend, Textband II, Düsseldorf 1965
S. ro68 ff. - Daß nach der Feststellung von P. METZ das Relief nicht genau in den goldenen Deckel paßt, also nicht für ihn angefertigt wurde, ist für die Datierung in unserem Zusammenhang ohne Bedeutung. 4 Vgl. die Abbildungen in meiner Ausgabe: Die deutschen Kaiser u. Könige in Bildern ihrer Zeit, Lpz.-Berlin 1929 Abb. 71 a-b und (besser) bei P. E. S.-FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München r962 Abb. 85 mit S. I49·
310
C 2: Der »Codex Epternacensis«, wohl aus Konrads II. Besitz
gleich aufwendige Edition einer anderen Prachthandschrift aus der Echtemacher Schule verdanken, nämlich des durch Karl V. in den Escorial gelangten, für Heinrich III. gemalten »Codex aureus« (Das goldene Evangelienbuch Heinrichs III., Berlin 1933). Hat BoECKLER recht, dann gehört der Nürnberger Codex an die Spitze einer Gruppe von Handschriften, von denen außer dem »Codex aureus« (1045/6) auch die aus Goslar nach Uppsala verschleppte Parallelhandschrift (ro5o/56) und das geringer wertige Bremer Perikopenbuch (1039/43) mit Bildern Heinrichs III. geschmückt sind5 • Da die Nürnberger Handschrift durch kein Herrscherbild, auch nicht durch Widmungsverse oder sonstige Einträge gekennzeichnet ist, muß die Einordnung in die Geschichte der Buchmalerei allein auf Grund stilistischer Beobachtungen erfolgen. P. METZ kündigt einen Ergänzungsband an, in dem er die erforderliche Untersuchung durchzuführen gedenkt:S, und begnügt sich daher in seinem Begleittext zunächst mit knapp formulierten Thesen. Nach ihm weist der Nürnberger Codex bereits stärker »romanische« Züge auf als der Bremer, so daß er dessen Hauptteil später ansetzen möchte. Doch hält er ein paar Seiten für gleichzeitig und mutmaßt, daß die Handschrift zunächst unvollendet liegengeblieben sei. Da METZ ferner meint, daß der Nürnberger Codex den Escorialensis bereits voraussetzt, andererseits den durch den Upsalensis repräsentierten Zustand der Stilentwicklung noch nicht erreicht, ordnet er ihn zwischen diesen ein- was eine Datierung »um 1050« ergibt, also zwei bis drei Jahrzehnte später, als A. BoECKLER annahm. Durch diese Umdatierung ergibt sich eine neue Schwierigkeit: Bei aller Verwandtschaft im Stil und auch in den Einzelheiten steht der Nürnberger Codex isoliert neben jenen drei Handschriften; keine der an ihnen beteiligten Hände ist in ihm nachweisbar. Wie ist es zu erklären, daß das Kloster Echternach neben den drei Heinrichshandschriften mit ihrem einheitlichen Stil gleichzeitig auch noch eine mit einem etwas abweichenden hervorbringen konnte? METZ erwägt deshalb die Möglichkeit, daß sie in Echternachs Mutterkloster St. Maximin oder sonstwo in Trier gemacht sein könnte, bringt für diese Vermutung jedoch noch keine Stütze. Vom Methodischen aus ist hier der - auch in anderen Fällen anzumeldende Einwand zu erheben, daß diesen Darlegungen ein Entwicklungsbegriff zugrunde liegt, der die Unterschiede zwischen alt ( S. 379:) und jung, zwischen aufgeschlossen für Anregungen und in sich beharrend nicht ausreichend in Rechnung stellt, weil erzugespitzt formuliert - von der Vorstellung beherrscht ist, die Kunstschule X befinde sich in der Entwicklung von A nach D, müsse also dann B, dann C »passiert« haben. In einer Kunstschule mit mehreren Meistern sind jedoch solche vorauszusetzen, die noch so weitermalten, wie sie das vor zwei, drei Jahrzehnten gelernt
5 Denkmale a. a. 0. Abb. r53-5 mit S. r73f.
6 Bisher nicht erschienen.
Die Frage der Datierung
hatten, und ihre Gehilfen entsprechend anlernten, während andere - Junge, aber womöglich auch bereits Gereifte - bereitwillig Anregungen verarbeiteten, die sich ihnen anboten. Denkbar ist daher, daß- um im Bilde zu bleiben- Werke der Stadien B, C und D tatsächlich gleichzeitig entstanden. Beweiskräftig sind daher nur Nachweise, daß eine Handschrift tatsächlich von einer anderen abhängig ist; das ermöglicht dann die Aufstellung einer relativen Chronologie, die durch die Heinrichshandschriften gesicherte Fixpunkte erhält, er kann in unserem Falle nicht erbracht werden. Seine stilistische Analyse verbindet P. METZ mit einer Feststellung, bei der wieder der Historiker zuständig ist. Auf f. 8o finden sich nämlich im Rahmenwerk Medaillons mit leichthändig skizzierten münzähnlichen Köpfen, wie das seit Karl dem Kahlen üblich war - auch aus der Zeit Ottos III. und Heinrichs II. gibt es dafür Belege?. Im Nürnberger Falle ist zwei der Medaillons in griechischen Buchstaben die Umschrift »Konstantin« beigefügt; in den beiden anderen steht »Konstantius«. Darin sieht METZ zweifellos mit Recht - ähnliche Fälle kennen wir aus der Sächsischen Kaiserzeit - eine Anspielung darauf, daß es zur Zeit der Ausmalung zwei Herrscher gab. Das trifft nicht nur auf die Jahre zu, als Heinrich IV. Mitkönig seines Vaters war (1053-56), für die METZ sich entscheidet, sondern auch auf die Jahre 1028-39, in denen sich Konrad II. auf Heinrich III. als Mitkönig stützte. Dieses Argument könnte also auch für die BoECKLERsche These angeführt werden. Auf alle Fälle ergibt sich aus ihm ein klares Entweder-Oder : 1028-39 oder 105 3-5 6. Vor dem Erscheinen des angekündigten Ergänzungsband es werden wohl auch die Kunsthistoriker kein schlüssiges Urteil abzugeben vermögen; aber auf Grund der bisher vorgebrachten Argumente scheinen mir die Jahre 1028-39 die wahrscheinlicheren zu sein. Bewahrheitet sich diese Annahme, dann fällt ein neues Licht auf Konrad II.: Aus seiner Zeit haben sich Goldschmiedear beiten ersten Ranges erhalten; aber bisher hat sich nur eine Handschrift feststellen lassen, die mit ihm in Beziehung gesetzt werden kann: ein Evangeliar aus dem von ihm 1025 begründeten Kloster Limburg an der Hardt 8 • Daß die Echtemacher Prunkhandschri ft, deren Deckel ja aus kaiserlich-ottonischem Besitz stammte und deren Schmuck auf Kaiser und Sohn hinwies, einst gleichfalls in kaiserlichem Besitz war, wird man wohl ohne weiteres annehmen dürfen. War Konrad II.- wie wir glauben- der Eigentümer, dann dokumentiert der Codex, daß dieser Kaiser - im letzten Jahrzehnt wohl bereits durch seinen Sohn und Erben
7 Denkmale a. a. 0., Register S. 48o s. v.: Medaillonbilder.
8 Ebd. Abb. r48 mit S. r7of.
C 2: Der »Codex Epternacensis«, wohl aus Konrads II. Besitz
unterstützt- schnell in die Tradition der Kunstpflege hineingewachsen ist, durch die sich seine Vorgänger ausgezeichnet hatten 9 • 9 Aus eigenem hat P. METZ einen langen Abschnitt »Idee und Gestalt« beigesteuert (S. 14-74). Er bietet hier etwas, was man einen historisch-liturgischen Kommentar zum Einband und zu den einzelnen Miniaturen der Handschrift nennen könnte, der von einem sehr gläubigen, im Fühlen und Trachten sich dem Mittelalter nahefühlenden Manne geschrieben ist, aber sich bev;;ußt bleibt, daß es »bei mittelalterlichen Kunstwerken nur selten >eindeutige< Deutungen gibt« (S. 108, Anm.
35 a). Jeder Leser wird diesen Teil anders aufnehmen: die einen bejahend, andere angeregt, aber zweifelnd, wieder andere skeptisch. Vielleicht wäre es gut gewesen, diesen Teil in einer Zeitschrift zu ( S. ;8o:) veröffentlichten, in der er diskutiert werden kann. Denn in dieser auf lange Geltungsdauer berechneten Veröffentlichung erwartet man einen Text, der nicht an den Augenblick der Niederschrift und die Persönlichkeit des Vf.s gebunden ist.
3· »Graphia Aureae Urbis Romae« (Kern von etwa Io3o, mit den »Mirabilia urbis Romae« verbunden um I I 55) Mit einem Anhang: Die Redaktionen der »Mirabilia Urbis Romae« und ihre Datierung*
a) Anmerkungen zum Text I.
Die Datierung
Ich kann mich hier begnügen mit einem Hinweis auf mein Buch, in dem ich bewiesen zu haben glaube, daß der dritte Teil (von mir Libellus de ceremoniis aule imperatoris benannt; unten S. 338ff.), dem das Interesse der Historiker vor allem gilt\ um Io3o von einem Römer verfaßt wurde, der noch etwas von Ottos III. Renovatio imperii Romani wußte, Roms Zustand kannte und auch gewisse Kenntnisse in der schriftlichen Überlieferung besaß 2 •
2.
Die Überlieferung
(S. 68:) Der Libellus de ceremoniis aule imperatoris, bildet den Schlußteil der Graphia aureae urbis Romae (Iz. Jahrh.). Da von dieser nur ein unzulänglicher Druck vorlag,
mußte ich den ganzen Text edieren, um eine verläßliche Grundlage für die Geschichte der Renovatio-Vorstellungen zu gewinnen. Diese Aufgabe wurde mir dadurch erleichtert, daß von dem vollständigen Text der »Graphia« bisher nur eine einzige Handschrift bekannt geworden ist.
* Zuerst: Kaiser, Rom und Renovatio II, Lpz.Berlin 1929 S. 68-I I I (hier durchgefeilt). I Ausgewertet ebd. in Bd. I (Neudruck: Darmstadt I957) S. I93-217. 2 Ebd. s. 20Zff. In seiner Anzeige meines Buches hat Ernst
MAYER in Zeitschr. f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 50, 1930, S. 426-32 den Beweis zu führen gesucht, daß dieser Text bereits in den Jahren 966-72 entstanden sei. Er hat mich nicht überzeugt.
314
C 3 : »Graphia aureae urbis Romae«
G = Cod. Laurent. (Florenz) Plut. LXXXIX Inf. XLI, membr. in folio, I 9 Blatt mit je zwei Kolumnen. Die von Ang. Mar. BANDINI 2• schon I n6 genau beschriebene Handschrift stammt nach Schrift und Inhalt aus der zweiten Hälfte des XIII. J ahrh. und enthält u. a. historische Aufzeichnungen, die bis in das Interregnum reichen und von anderer Hand bis I 378 fortgeführt sind, ferner die »Historia Troiana« des DARES PHRYGIUS, Eutrop, die Kirchengeschichte der HuGo VON FLEURY3, PAULUS DrACONUS, den »liber Alexandri regis«, Joachimitische Weissagungen, BEDAS »Liber Sibyllae«, Schriften von ARISTOTELES, CrcERO, VEGETIUS, SALLUST u. a. m., verrät also einen bestimmten literarischen Geschmack, der auch die Aufnahme der »Graphia« verständlich macht, da diese sicher als literarisches Denkmal des antiken Kaisertums aufgefaßt worden ist. Sie findet sich auf f. 33b_3 7b eingetragen, die auf Veranlassung der Bibliothek Warburg für mich photographiert wurden. Für Druckerlaubnis und Auskunft bin ich Herrn Prof. Dr. E. RosTAGNO zu wärmstem Dank verpflichtet. Außer diesem vollständigen Text liegt vom Libelltts, dem 3. Teil der «Graphia,« noch der Schluß - die drei Formeln - in gesonderter Überlieferung vor, von denen ich gezeigt habe4, daß sie gleichfalls auf den »Libellus« der »Graphia« zurückgehen. Es handelt sich um folgende Handschriften: (S. 69.") V I = Cod. Vatic. (Rom) lat. 49I7, membr. in quarto, saec. XI.: Paulus Diaconus, in der Ausgabe von G. W AITZ5 als A 2 bezeichnet, der aus dem Eintrag der Formeln auf römische Herkunft der Handschrift schloß. V 2 = Cod. Vatic. (Rom) lat. I983, membr. in folio, saec. XV.: Paulus Diaconus, ebd. 6 als A 2 a bezeichnet, Abschrift der vorigen Handschrift. Die Formeln sind aus diesen Codices, die G. H. PERTZ aufgespürt hatte, von F. BLUHME (Blume) I8327 publiziert und von ihm I868 noch einmal in den Monumenta Germaniae 8 wiederholt worden. Schließlich hat noch W. v. GIESEBRECHT 9 unter Be2
z• Catalogus cod. lat. bibl. Mediceae Laurentianae III, Florenz r776 S. 402-8. Herr Prof. Dr. RosTAGNO verbessert brieflich BANDINI a. a. 0. S. 406 betr. Chronik des Eutrop: desinit imperjecta in verbis »Contra Wanda/os movit« (lib. XIII. c. r 5). Sequitur sine titulo j. 50: »Historia ecclesiastica Hugonis Floriacensis«,prout edidit Pertz, quae desinit f. 95 v: reliquens ftlio suo ... obtinuit solus - vgl. dazu Mon. Germ., Script. IX S. 349ff. 4 S. Renovatio I S. 2I I ff. 5 Script. rer. Germ.: Pauli Hist. Langob.; 1878 s. 23f. 6 a. a. 0. S. 24. 7 Neues Rhein. Museum f. Jurisprudenz, I = Rhein. Mus. f. Jurispr., V, Göttingen r833
s. !2.3-26. 8 LegesiVS.66rf. 9 Gesch. der deutschen Kaiserzeit 51 S. 892 bis 93· - Die »Patricius«-Formel des GraphiaLibellus (cap. 20) ist für sich gedruckt in den Annales ordinis S. Benedicti ed. J. MABILLO:>r II, Paris 1704lib. XXIII, 2 S. r67, von deren Text J. MABILLON, De re diplomatica, Paris 1709 Suppl. cap. IX 3 S. 39 eine freie Nacherzählung aufgenommen hat. Für die Annales wurde ein Codex der jetzt der Vaticana einverleibten Bibliotheca Ottoboniana benutzt, wo sich die Formel an die Langobardengeschichte des PAULUS DIACONUS angehängt fand. Es handelt sich wohl um Cod. Vat. Ottob. 941, chart. saec. XVII. = WArrz
Die Überlieferung
nutzung dieser und der Florentiner Überlieferung die Formeln für sich ediert. Auf diese Drucke ist bei der vorliegenden Ausgabe zurückgegriffen. Über das Verhältnis des Mittelteils, der Mirabilia urbis Romae, zu den zahlreichen anderen Handschriften, die es von diesem Text gibt, wird in einem Anhang zu diesem Abschnitt gesprochen. Aus ihm ist zu ersehen, daß der erste Teil der »Graphia«, die kurze Aufzeichnung über die römische Vorgeschichte, einen Zusatz darstellt, der in einem bestimmten Augenblick der Fortbildung des Mirabilientextes zu der eigentlichen Stadtbeschreibung hinzugekommen ist. Der zweite Teil dagegen, der den Ur-Mirabilien entspricht, bietet diese in einer schon durch Zusätze und Umstellungen entwickelten Fassung, die uns auch in anderer, engverwandter Überlieferung vorliegt. Was die »Graphia« in diesen beiden ersten Teilen an Eigengut bietet, ist kaum nennenswert. Aus dieser Sachlage müssen die Grundsätze für eine Edition der »Graphia« entwickelt werden. Sie können, da es sich um drei nur lose an-(5. 70.")einander geknüpfte und in verschiedenem Grade bekannte Texte handelt, nicht einheitlich sein. Teil I, ein Zusatz zu den Ur-Mirabilien, ist noch durch MARTIN voN TROPPAU bekannt, der einen Mirabilientext desselben Reifestadiums seiner Chronik einverleibte10. Die Sachlage ist hier so, daß das beiden Überlieferungen Gemeinsame nicht a. a. 0. S. 24: A 2 b, der gleichfalls aus A 2 (s. oben) abgeschrieben ist. Auf eine PaulusHandschrift geht auch der bei Du CANGE, Gloss. med. et inf. Lat., N. E. V, Paris 1845 S. 141 gedruckte Text zurück. In neuerer Zeit hat diese vielbeachtete Formel z. B. auch G. MAGLIARI in: Studie documenti di storia e diritto XVIII, Rom 1897 S. r8I aufgenommen. Nirgends zeigt sich jedoch die Spur einer bisher nicht beachteten Überlieferung des Graphia-Textes; nur im 14. Jahrh. wird er von einem Mailänder zitiert, und zwar (wie bereits ÜZANAM, s. unten, feststellte) von GALVANEUS (Gualvaneus) FLAMMA (de la Fl.) in seinem Manipu!tts florum (auch: Historia l.J.edio!anensis; s. Rer. Ital. Script., ed. L. A. MuRATORI XI, Mailand 1727 Sp. 540 D). Dieser beruft sich zweimal auf die Graphia aureae Urbis (ohne: Romae) wegen der am Eingang stehenden Angaben über Noah und Cameses, für die man sich auch im I 5. Jahrh. noch interessiert hat (s. den folgenden Anhang). Doch setzt Galvaneus hinzu: S ed hodie stmt multi, qui dictis i!!is
contradicunt. Ob er auch dem »Graphia-Libellus« seine Aufmerksamkeit schenkte, steht dahin. ro Mit MARTINS Mirabilienfassung hängt der gleichfalls die »Historia Romana« aufweisende Text dieser Schrift in der Chronik des Paulinus, Bischofs von Pozzuoli (t 1344) zusammen, den W. HoLTZMANN in: Jahrb. d. Dtschen Archäol. Inst. XI, I4r, Berlin 1926 S. 56ff., bes. 6o nachgewiesen hat; s. dazu unten S. 358f. ( S. ro9f).- C. L. URLICHS, Codex urbis Romae topogr., Würzburg r87I S. rr3 deutet auf Cod. Neapel. 135 fol., saec. XV., hin, in dem er nach seiner Erinnerung ein dem Graphia-Anfang ähnliches Stück gelesen habe; außerdem erwähnt er einen nicht näher bezeichneten Codex vom Jahre 1347, der »post historiam casus Troiae et varia excerpta capite >de miraculis< inscripto has de Jano et Saturno fabellas, turn mirabilia quae appellantur continet, nulla inscriptione praemissa«. Der von URLICHS a. a. 0. in diesem Zusammenhang angeführte Cod. Vat. Ottob. 2257 (Papier-Hs. vom
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
einfach mit der Stammfassung der historischen Kompilation gleichgesetzt werden kann. Denn der Stammtext bei Martin ist an einzelnen Stellen offensichtlich gekürzt11; andererseits ist ein bei MARTIN fehlender Passus12 anscheinend Zusatz der »Graphia«. Eine Wiedergabe des den beiden Überlieferungen Gemeinsamen durch Kleindruck würde also einen falschen Eindruck erwecken; deshalb ist der ganze Abschnitt in gesperrtem Kleindruck gesetzt, um das Verhältnis der »Graphia« zu ihrer verlorenen, daher nur erschließbaren Vorlage nicht bis in alle Einzelheiten hinein zu präzisieren. Stattdessen sind in die Noten die Varianten MARTINS mit aufgenommen, so daß sich der Leser sein Urteil im einzelnen selbst bilden kann. Bei Teil II, der einen in reicher Überlieferung vorliegenden und oft gedruckten, aber für dies Buch nur mittelbar wichtigen Text enthält, handelt es sich allein darum, seine Stellung in der »Graphia«-Überlieferung zu verdeutlichen. Damit kann die Aufgabe verbunden werden, für die längst notwendige kritische Mirabilien-Edition praktische Vorarbeit zu leisten13 • Diese aber benötigt einen buchstabengetreuen Abdruck des Florentiner Textes, dessen Besonderheiten und Fehler einmal in den Varianten der abschließenden Ausgabe ersichtlich werden müssen. Unser Abdruck bietet deshalb Teil II so, wie er in der Handschrift steht. Nur grobe ( S. 7 I:) Schnitzer, die dem Abschreiber oder schon seinerVorlagezur Last fallen, sind richtiggestellt. Dagegen sind die vielfachen Abweichungen des »Graphia«-Textes in den Namen belassen, auch wenn der Verdacht vorliegt, daß es sich gleichfalls nur um Schreib- oder Leseversehen handelt. Denn was von diesen Abweichungen einfach als Fehler abzutun ist und was literarische Verballhornung oder sprachliche Fortbildung darstellt, läßt sich in dieser Ausgabe noch nicht scheiden.
Jahre 1478) mit einem Mir.-Text ist notiert von G. PARTHEY, Mirabilia Romae, Berl. 1869 S. XIV. - Außerdem gibt es eine italienische Übersetzung, nach dem Cod. Turin Bibi. Naz. N. I, 5 von 1437 (Kommentar des Guglielmo Capello zum Dittamondo des Fazio degli Uberti) veröffentlicht von A. GRAF, Roma nella memoria e nelle immaginazioni del m. e., I, Turin 1882 S. 84f. A. 14. Die Übersetzung ist zu frei, um entscheiden zu können, ob sie auf die »Graphia« oder auf Martin zurückgeht. Ob neben diesen beiden Werken noch eine selbständige Ableitung der »Historia Romana« vorhanden ist, kann erst eine für die Edition der Mirabilien unumgängliche Prüfung aller in Betracht kommenden Handschriften ergeben. 11 Vgl. S. 319 Anm. 28 (S. 73 Anm. 4), S. 320
Anm. 32 (S. 74 Anm. 4). 12 Vgl. S. 320 Anm. 30 (S. 74 Anm. 2). I 3 Nachzutragen sind folgende Titel: Istituto Storico Italiano. Fonti par Ja storia italiana: Codice topografico della citta di Roma a cura di R. V ALENT1N1 e G. ZucCHETTI I-IV, Rom 1940-53 (in III S. 67ff. über die »Graphia«). A. WEISSTHANNER, Mittelalter!. Rompilgerführer. Zur Überlieferung der Mirabilia und der Indulgentiae urbis Romae, in der Archivalischen Zeitschr. 49, 1954 S. 39-64. Über die Einwirkung römischer Ruinen auf die Vorstellungen der Artbursagen vgl. R. Sh. LoOM1S, From Segontium to Sinadon - The Legencis of a Cite Gaste, in Speculum 22, 1947, S. po-533.
Die Überlieferung
Im übrigen ist zu der Druckanordnung zu bemerken, daß zur Erleichterung der textkritischen Übersicht Randverweise auf die Kapitelzählung des Haupt-Mirabilientextes beigesetzt sind14 • Die Anwendung des Kleindruckes für die benutzte Vorlage, durch den sich die für unsere Ausführungen notwendige Klärung der Beziehung zwischen »Graphia« und »Mirabilia« ergeben soll, begegnet der Schwierigkeit, daß der am nächsten stehende Mirabilientext nur in einer italienischen Übersetzung vorliegt. Diese ist zwar wortgetreu, und ihr Originaltext15 läßt sich mit Hilfe der älteren Mirabilienfassungen fast ganz rekonstruieren, aber einen Vergleich von Wort zu Wort ermöglicht die Übersetzung doch nicht. Deshalb kann das Prinzip, wie es etwa bei den Diplomata-Ausgaben der Monumenta Germaniae angewandt wird, hier nicht mit der dort üblichen Schärfe16 durchgeführt werden 17 • Ich lasse deshalb kleinere Abweichungen und einzelne Worte unberücksichtigt und beschränke mich darauf, nur die wichtigen Zusätze und Abweichungen der »Graphia« im Großdruck herauszuheben. Wie ein flüchtiger Blick zeigt, handelt es sich nur um wenige Stellen, aus denen sich ergibt, daß die antiquarische Gelehrsamkeit weiter am Werke ist, um alte Angaben über die Topographie der Stadt ans Licht zu ziehen18 • Die endgültige Mirabilienausgabe wird die Aufgabe haben, auch über diese Fragen der Textentwicklung volles Licht zu verbreiten. Während es bei Teil I und II durch Inhalt und Vergleich mit der Mirabilienüberlieferung leicht ist, die vielen Entstellungen der Florentiner Handschrift zu erkennen, fehlt dieses sichere Kriterium für große Partien des III. Teils. Nur wo wir (wie bei den Formeln) noch eine zweite Überlieferung haben oder wo wir wie bei den Isidorstellen und der »Richterliste« 19 ( S. 7 2 :) die benutzten Quellen kennen, läßt sich feststellen, was im Originaltext stand. Dabei muß damit gerechnet werden, daß mehr Richtigstellungen als tatsächlich berechtigt vorgenommen sind. Denn abgesehen von den Schreib- und Lesefehlern, die schon dem Verfasser des »Libellus« unterlaufen sein mögen, wird sein Werk ja Spuren jenes italienischen Lateins aufgewiesen haben, dessen Unkorrektheit durch die in Italien geschriebenen gleichzeitigen Urkunden bekannt genug ist. Mißlich wird diese Frage bei jenen Abschnitten des III. Teils, die durch keine Vorlagen und keine Sonderüberlieferung kontrollierbar sind. Es bleibt nichts anderes übrig, als auch hier die durch den Sinn geforderten Wiederherstellungen in dem Umfang vorzunehmen, wie er sich aus den übrigen Abschnitten ergibt. 14 Cenc. c. 31 = Mirabilientext im Liber censuum des Cencius ed. L. DucHESNE S. z6zff.: c. XXXI. und (Ital. c. 31) = italienische Übersetzung der Mirabilia ed. E. MoNACI (Arch. della Soc. Romana 38 S. 562ff.): c. 31. r 5 Er ergibt sich aus dem Vergleich der ebengenannten Ausgaben von DuCHESNE und MoNAcr.
r6 Sperrdruck für ähnliche Silben und Worte, Großdruck auch für einzelne abweichende Worte, Sternchen für Auslassungen. 17 Ich verweise dafür z. B. auf die Erzählung in cap. 24. r8 Vgl. die betr. Anmerkungen. 19 Vgl. Bd. I S. I3Dff.
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
Doch muß eingeräumt werden, daß der eine oder andere Eingriff in den Text der Florentiner Handschrift unberechtigt sein mag. Die »Graphia« war bis I928 erst einmal vollständig gedruckt worden. Im Jahre r85o machte sie A. F. ÜZANAM 20 nach der Florentiner Hs. bekannt. Größere Teile publizierte I871 C. L. URLICHS 21 nach einer mit Ozanam kollationierten Abschrift F. PAPENCORDTS, doch sind von dem Libellus nur ein paar Sätze aufgenommen 22 • Außerdem ist Ozanams Druck in den Varianten der Mirabilienausgaben von G. PARTHEY 23 und H. JoRDAN 24 berücksichtigt. Nach meiner Edition (I929) ist der ganze Text der Graphia aureae urbis Romae abgedruckt worden von R. V ALENTINI und G. ZucCHETTI: Codice topografico della Citta di Roma III, Rom I946, S. 67-I Io. Den Herausgebern ist es nicht gelungen, meine handschriftlichen Grundlagen zu verbreitern. In ihren sehr sorgfältigen Noten ist an Textvarianten mehr vermerkt, als ich für erforderlich hielt. Aus den Anmerkungen zu Teil A entnehme ich einige Hinweise. Die zu Teil B, die mit denen zu der vorangehenden Edition der »Mirabilia« zusammenzufassen sind, führen - was nicht meine Absicht war- in die Topographie Roms ein. Die Anmerkungen zu Teil C beruhen im wesentlichen auf meinem Apparat. Die Abschnitte aller drei Teile sind durchnumeriert (Libellus cap. I = 41, cap. 22 = 52). Die Edition ist vorbildlich; da sie jedoch den deutschen Forschern nicht zur Hand und meine Edition seit langem vom Büchermarkt verschwunden ist, drucke ich meinen Text hier wieder ab. Wenn die sachliche Erschließung des Mirabilienteils auch nicht Aufgabe dieser Edition sein kann, so sind doch durch Hinweise auf den wertvollen Kommentar L. DucHESNE's 25 (Duch. A. I usw.) und auf die Schrift des englischen Magisters Gregorius »De Mirabilibus urbis Romae« 26 (Greg. § r usw.), die jünger als die Mirabilien ist und eigene Angaben bietet, dem Leser zur bequemeren Orientierung einige Fingerzeige gegeben. Zur Erleichterung der Verweise ist eine Kapitelzählung eingeführt. Der Zusatz von Überschriften zum I. und III. Teil soll zum einfacheren Zitieren dienlich sein. Sie sind ebenso wie die Kapiteltitel, die in der Handschrift fehlen und für 20
2I 22 23 24 25
Documents inedits pour servir a l'histoire litteraire de l'Italie, Paris I85o S. I55-83, dazu S. 83-93 mit einem Facs. S. VII. Codex urbis Romae topogr., Würzburg I87I S. II3ff. a. a. 0. S. I24. Mirabilia Romae, Berl. I869. Topographie der Stadt Rom im Altertum II, Berlin I 87I S. 6o5 ff. P. FABRE et L. DucHESNE, Le Liber censuum
de l'eglise Romaine I, I889ff. (Bibl. des ecoles fran<;. d'Athenes et de Rome 2. Serie VI) S. 262 ff. 26 Hrsg. und fortlaufend kommentiert von G. McN.RusHFORTH in: The Journal of Roman Studies IX, I, I9I9, London I92I S. I 5 ff., vorher gedruckt von M. R. ]AMES in der English Bist. Review 32, I9I7 S. 543 ff.
Grundsätze der Edition
die sich in den Mirabilien oder bei Isidor kein Anhalt findet, kursiv ( S. 73:) gesetzt. Die Orthograph ie der Florentine r Hs. ist belassen 27 ; die Interpunkt ion ist nach modernen Grundsätze n gestaltet. Die Zusätze, die zwei Hände in ihr zum Text gemacht haben - eine etwas jüngere »A«, die meist zwischen den Zeilen, sowie eine wesentlich jüngere »B«, die meist am Rande schreibt-, sind in den Noten berücksichtigt.
b) Der Text
INCIPIT GRAPHIA AUREE URBIS ROME A) Historia Romana a Noe usque ad Romulum I. Postquam 28 filii Noe edificaueru nt confusioni s• turrem•, Noe cum filiisb suisb ratem ingressus, utc Hescodius 29 scribitc, uenitd Ytaliam, et non longee ab eo1 , ubi nunc Romag estg, ciuitatem nominish sui construxith , in qua eti laboris et uite terminum dedit. A. a turrum conf. Mart(in v. Troppau, vg!. Anm. 28) b aliquibus statt filiis suis Mari. c ut H. scr. fehlt Mari. vgl. Anm. 28. d venit in Mari. e longo G. f eo loco Mari. g est Roma Mari. h constr. nom. sui Mari. i fehlt Mart. 27 Also auch die für das I3. Jahrh. typische Schreibweise: Yta/ia usw.; nur sind i und j gleich behandelt. Da die Hs. e, f und ae unterscheidet , ist auch diese Eigenart beibehalten; tt für v ist belassen. 28 Zum Folgenden vgl. den Paralleltext bei Martin v. Troppau, Chronicon (Mon. Germ., Script. XXII S. 399f.); über das Verhältnis der Graphia zu diesem s. unten S. 3 58 (S. Io9), über die Druckanordn ung und die Varianten der Graphia s. oben S. 3 r6 (S. 70). - In der »Historia« ist, wie auch Fedor E. ScHNEIDER, Rom u. Romgedanke im Ma., Münch. I 926 S. 266 festgestellt hat, der Vergilkomm entar des Servius benutzt: vgl. Aen. I 273, III 5oo, VII 796, bes. VIII 330 usw. Der Satz über Janus und Camese, anscheinend auch der über Nimroth gehen auf Macrobius zurück (Sat. I 7, I9ff.). Die Wendung: ex suo nomine Romam vocavit zu Romulus findet sich bei Isidor (Etym. XV I, 55),
auch bei Eutrop, zitiert auch vom Papias; s. unten S. 395 ff. Die am Schluß genannten Stämme sind vielleicht mittelbar, aber kaum über Paulus Diac., wie ScHNEIDER, a. a. 0. S. 173 Z. z4f. anzunehmen scheint- aus Livius (bes. I 33, dazu VI 26, ferner V 24 u. 27, dazu VII 38, VIII I9 usw.) entnommen, der von ihnen ungefähr in derselben Reihenfolge erzählt. Eine genauere Quellenanalyse wäre erwünscht. 29 Diese Form - aber ohne H - auch bei MARTIN, vielleicht entstellt aus Hesiodus, von dem bis in das Mittelalter hinein fingierte oder aus Dritten übernommen e Zitate zu finden sind, z. B. bei Solinus, Festus, Mythogr. Vatic. III, Ekloge des Theodul, Papias. Die in Abschnitt V folgende Berufung auf Varro, der u. a. in dem für die »Historia Romana« ausgeschrieb enen Kommentar des Servius (z. B. ad VIII 330, vgl.
f. ;; b
po
C 3: »Graphia aureae ur bis Rornae«
II. Ianus uero filius una curn Iano filio Iaphet nepote suo et Carnese indigena ink rnonte Palatinok ciuitatern Ianiculurn1 construens, regnum accepit. Camesem uero carnis uniuerse uiam ingresso, ad Ianum solum regnum relatum estm
30 •
Hicn
cum iam dicto Carnese apud Transtiberim palatium construxit, quod Ianiculum appellauit, in eo sciliceti loco, ubi ( S. 74 :) nunc ecclesia Sancti Johannis ad Ianiculurn sita est 31 • Ipse 0 uero in palatio a se in Palatino monte constructoP regni seclern habebat, in quo omnes postea irnperatores et cesares feliciter habita uerun t 032 • III. Eoq etiarnq ternpore Nemroth, qui et Saturnus, a Ioue filio eunuchizatus ad iam< dictum< Iani regnum deuenit', eiusque iuuamine fultus construxit ciuitatem in' Capitolio, quam ex suo nomine Saturnam appellauit' 33 • IV. Illisqueu diebus
Italus rex cumv Siracusanisv ad Ianum etw Saturnumv
ueniens construxit ciuitatem iuxta Albulam flumenx, eamqueY ex suo nomine uocauit; et Albulam flumen ad imaginern fasse Siracusane, que Tibris appellabaur, Tibrirnz nominaueruntY• 34 • V. Herculesb quoque filiusc post hecd cum Argiuise, ut Uarro 35 describit1 , adg regnum Ianig ueniense, fecit ciuitatem Ualentiamh sub Capitolioi. m Camese- estfehlt Mari., 1 scilicet von A über Jan. nachgetragen G. k in --Pa!. fehlt Mari. P cono ipse - habit. fehlt Mart., vgl. Anm. 32. n so Mart., hinc G. vgl. Anm. JO. t ubi nunc s pervenit Mart. r predicti Mart. q Eodem Mart. structio, i getilgt G. u Italus rex Siracusanus est Capitoliurn statt in Capit. - appellavit Mart., vgl. unten Anm. 34· w et ad Mari. v cum Sir. hinter Saturnum gerückt Mari. von B an den Rand geschrieben G. Y qui post Tyberis dictus est statt eamque - nominav. Mart., vgl. Anm. 32· x fluvium Mari. z scilicet Siracusani dahinter von A übergeschrieben G. c fil. ipsius Mart.; zu verbessern b Hemiles G. a In Tyberi nomen von B am Rande G. g ad1 scribit Mart. e Arg. veniens Mart. d hoc Mart. ist wohl Iouis filius. i Valentia ciuitas sub Capitolio condita von B am Rande G. h Valeriam Mari. Janifehlt Mari. oben Anm. 28) benutzt ist, zeigt denselben Charakter. Martin hat den »Escodius« für den Verfasser des ganzen Textes gehalten und ilin als solchen zweimal genannt, vgl. a. a. 0. S. 399 Z. 47 und 408 Z. 4· 30 Dieser bei MARTIN fehlende Satz stammt wie das Voraufgehende z. T. aus Macrobius (vgl. oben Anm. II-12), gehört also zweifellos schon der ursprünglichen Fassung an. 3 I Schon im 9· Jahrh. erwähnt, vgl. URLICHS a. a. 0. S. 65 und VALENTINI. 32 Der Schluß dieses bei Martin fehlenden Satzes erinnert an den »Libellus« cap. I 9; er ist daher vielleicht erst bei der Verbindung von Mirabilien und Libellus aus diesem
hierher übernommen. Das gleiche gilt möglicherweise von der in der folgenden Anm. bezeichneten Stelle, da im Libellus vom Capitolium Saturni die Rede ist. 33 V gl. die voraufgehende Anm. und V ALENTINI, der auf Servius: Ad Aen. VIII, B 19 verweist. 34 Die längere, auf Serv. ad Aen. III 500 beruhende Fassung der Graphia verdient den Vorzug, vgl. Anm. 30 (S. 73 Anm. 4) 35 Vgl. Anm. 29 (S. 73 Anm. 3) und VARRO: De ling. lat. V, 45, dazu Servius: Ad Aen. VIII, 72 und 33of. der auch für die folgenden Absätze heranzuziehen ist.
A. Historia Romana a Noe usque ad Romulum VI. Post hunc Tibrisk rexk Aboriginum1 cum gente sua ueniens edificauit ciuitatem iuxta Tiberim, iuxtam quam occisus est ab Itala rege in pugna, quam cum eo habuitm. VII. Demum ueron Euander 0 rex ArchadieP cum suis fecit ciuitatem in monte Palatino. VIII. Similiter etn rex Coribansq cum Sacranorumn exercitu ueniens construxit ciuitatem iuxta in ualle. IX. Glaucus etiamr, filius Minois' filii Iouis, cum' suis illuc adueniens' ciuitatem et menia struxitu. X. Post quemv ueniens Romew filia
Ene~"
cum multitudine Troianorum ciuita-
tem inY palatio urbisY construxit. ( S. 75 :) XI. Auentinus quoque Siluiusz, rex Albanorum, in Auentino• monte•
palatiumb et mausoleumc sibi extruxitd. XII. Anno autem CCCC.XXX.III.< 36 destructionis Troiane1 urbisz expletoz, Romulus, Priami Troianorum regis sanguine natusg, XXII.h anno etatis sueh, XV. kl. Maias 37 omnes ciuitates iami dictasi muro cinxitk et ex suo nomine Romam uocauitl, Et in ea Etruriensesmss, Sabinenses, Albanenses, Tusculanin, Politanenses, Telenenses 0 , FicanesP, Ianiculenses 0 , Camerinenses, Capenatiq, Falisci0 , Lucani, Ytali0 et omnes feret nobiles de toto' orbe terrarum' cum uxoribus et filiis habitaturi' conueniunt'.
m iuxta - habuit I ab origine (ab oriente) Mart. k rex Tyberis (Tybris, Tibris) Mart. P aus arehabe o aus euaderunt vom Schreiber selbst verbessert G. n fehlt Mart. fehlt Mart. s minor, r quoque Mart. q Coribam G, so und - ban Mart. von dems. verbessert G. u construxit t veniens statt cum - adven. Mart. danach eius getilgt G; minor Mart. x ein h davor ausgelöscht oder w Rome G, Rome Mart. v postquam G. ibidem Mart. z fehlt Mari. Y ibidem statt in - urbis Mart. radiert G; Enee Mart. d construxit Mari. c mansoleuro G. b civitatem Mart. a monte A ventino Mari. h 22 hinter sue g natus, fratre suo iam mortuo Mart. f Troie Mari. e 454· Mart. I Quomodo ex suo k cingere cepit et perfecit Mari. i predictas Mart. Mart. m id est Tuscos von A übergeschrieben G; nomine Romam Romulus dixerit von B am Rande G. P Ficanenses o Fehlt Mart. n So auch Livius; Tusculanenses Mart. fehlt Mart. q Campennati Mari.; Capenatem populum Liv. V 24. Mart.; Ficana (urbs) Liv. I}}· t conv. ibi hab. Mart. s Ytalia statt toto- terr. Mart. r Ein z1veites r getilgt G; pene Mart.
36 Zu dieser Zahl vgl. 0. LEuZE, Die römische Jahrzählung, Tübingen 1909 S. 85 usw. und V ALENTINI. 37 Entstellt aus: XII. Kai. = 21. April; vgl. 21
Schramm, Aufsätze III
z. B. Ovid: Fasten IV 721 ff. 38 Zu der folgenden Aufzählung vgl. oben S. 319 Anm. 28 (S. 73 Anm. 2) und VALENTINI.
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
[B. MIRABILIA URBIS ROMAE39} Cenc. c. 3'
(Ital. c. 42/43)
r. [De muro urbis 4 D.] Habet 41 autem turres CCCLXII", caste!Iab XLVIIIc, arcus principales VII 4 2, propugnacula VIMDCCCC, portasd XXXVI0 , posternlas V, in circuitud miliaria XLII1• B. x. a CCCLXI Cenc.; CCCLXX Ital.; 360 Mart. b so und turres castella Cenc. c so auch Ita/.; XLVIII! Cenc. d gekürzt gegenüber Cenc.-Ital.-Mart. e XII sine Transtiberim Cenc.; entsprechend Ital., wo noch ein Zusatz; fehlt Mari. f XXII excepto Transtiberim et civitas Leoniana Cenc.; ähnlich Mart.; fehlt Ital.
(Ital. c. 44)
[De portis urbis. •43 ] Principalesb porte sunt isteb : porta Capena, que appellaturc Sancti Pauli, iuxta sepulcbrum Remi, porta Appia extrad quam, utc dicitur, Ihesus apparuit beato Petrod; porta 2.
Latina, iuxtaf quam Sanctus Iohannes apostolus in feruentis olei dolium missus est1; porta Metroniig, porta Asinariah Lateranensisi; ( S. 76:) porta Lauicana, que Maior dicitur; porta Caurinak uel Tiburtinal, que dicitur Sancti Laurentii; porta Montanam, porta Salaria, porta Pinciana, porta Flaminean, porta Collina ad templum0 Adriani. TranstiberimP44 porte sunt tresP: septem Naydesq iuncte Iano, porta Aurelia' vel Aurea, porta Portuensis.
2, a so Cenc.; De Je porte principale de Roma Ital. b princ. p. s. istae auch Mart. (aber hec) u. Ital. c vocatur Cenc.; dicitur Mart. d ad la quale apparse Cristo ad lo beato Petro lta!.; in Cenc. steht diese Angabe erst in c. 32: ubi Dominus apparuit Petro. e übergeschrieben (von A?) G. f der Zusatz iuxta- est nur Mari. (aber in oleo coctus fuit) und ltal.: Ia dove santo Janni fo messo ne Ia Conca plena de olio buliente. g so auch Mart.; Metroniltal.; Mitrovi Cenc. h Asynaria Mart.; Asinarica Cenc. -lta!. i so auch Mart.; so und Lateranis Cenc. k Taurina Cenc.-Mart.; Tarina ltal. I Tiburcina (oder -rina) G. m Numantina (-entana) Cenc.ltai.-Mart. n Flamminea Cenc.-ltai.-Mart. o so auch Mart.; castellum (-iello) Cmc.-ltal. P Porte Transtiberim III Cenc.; Queste sonno le porte de Trastebere ltal.; Trans Tiberim sunt porte tres et in civitate Leonina tres Mart.; hinter tres der Rest der Zeile (etwa I 2 Buchstaben) frei gelassen G. q Porta Septimiana: septem Naiades (Nades, Naidas) Cenc.; Porta Septenniana ltal.;fehlt Mari. r aureua G.
39 Dieser Titel und die eingeklammerten Kapitelüberschriften sind unter Benutzung der Mirabilien ebenso wie die Kapitelzählung zugesetzt. 40 Duch. A. I (zu den Abkürzungen s. oben). 4 I Hier ist murus civitatis Romae weggefallen, autem zugesetzt. 42 Diese Angabe fehlt Cenc.; et Je arcora principale sonno V in Ital.; vgl. unten Kap. 3 über
arcus trittmpha!es, wo zehn Bogen aufgezählt werden. 43 Duch. A. 2 und 4· Der Graphia-Text steht in diesem Kapitel zwischen Cenc. (wo der Zusatz zur Porta Appia erst in c. 32 folgt) und Ital. (wo sich allein der Zusatz zur Porta Latina findet, aber noch weitere, der Graphia fehlende Erklärungen folgen). 44 Duch. A. 5.
B. Mirabilia urbis Romae (cap. r-5)
323
3. [De arcubus.• 45 ) Istib sunt arcus triumphales: arcus aureus Alexandri ad Sanctum Celsum<; arcus Theodosü, Valentiniani et Graciani imperatorum ad Sanctum Ursum; arcus triumphaUs foris portad Appiad, ete ad templum Martis; arcus Vespasiani et Titi in circa; arcus Constantini iuxta
(Ital.
c.
3s)
ampitheatro; arcus Septern lucernarum, Vespasiani et Titi ad Sanctam Mariam Nouam inter Pallanteum1 et templum Romuli; arcus Iuliig Cesaris et senatorum inter edem Concordiae et templum FataJeh; arcus triumphalisi Octauiani iuxta Sanctum Laurentium in Lucinak; deinde prope est1 arcus, qui nunc uocatur Antoninusm; arcus, qui uocatur Manus 0 carnea ad Sanctum Marcum. Tempore46 , quo Dioclitianus imperator sanctam Luciam matronam pro fide Christi in urbe Roma cruciabat, iussit eam extendi ad verbera, ut fustibus mactaretur. Et ecce, qui eam cedebat, factus lapideus, manus autem eius carnea remansit usque nunc. Propter hoc uocatur nomen loci illius >ad Manum carneam< usque in VII. cliem. 46 Arcus aureus in Capitello. 3•
so Cenc.; De le arcora triumphale de Roma Ita!.; das ganze Kap. fehlt Mart. b Hü Cenc.; c so und Celtium Cenc.; Celso et Iuliano Ita!. d so und partarn Appiam, aber vorausgestellt Cenc. e fehlt Cmc.-Ita!. Pallantem G, vgl. aber c. J; Paliara Ital. g so nur eine Hs., fehlt sonst Cenc. h Sitale G. i triumph'at G. k bicina G. I fehlt Cenc.-Ita!. m Antonini (-nii) Cenc.-Ital. n ad Manus G. a
Queste Ita!.
4· [De thermis.• 47 ] Therme Antonianeh, Tyberiane, Nepotiane<, Domitiane, Maximiane, Licinianed, Dioclitiane, Olipiadise, Agrippiane1, Alexandrine.
(Ital. c. 39 )
4· a so Cenc.; De Ii termini de Roma Ital. b Anroniane G, wo die Reihenfolge verändert ist. c Nepociane Mari.; Novatiane Cenc., Novatiane uoi Nepotiane Ital. d Licinii Cenc.; Luciane Ital.; Luciniane Mari. e Olimpiadis (Olym.) Cenc.-Ital.-Mart. I Agrippine Cenc.-Ita!.Mari.
5· De palatiis48 • Palatium magnum• monarehieb orbis, in quo sedes et caput totins mundi est, et palatium Cesarianum• in Pallanteo. Palatium Romu!i< juxta tugu- ( S. 77:) rium Faostuli49 • Palatium Lateranense fuit Neronis 50 , dieturn a latere septemtrionalis plagt,:, in quo situm 5· a magn.- Cesarianum nur in Ital.: maiure de tutto lo munno, ne lo quale ene Ia sede et lo capo de tutto lo munno; maius erat in medio Urbis in signum monarchie orbis Mart. b menarchie G. 45 Duch. A. 6, vgl. Greg. § 22-4, 26. 46 Diese bei Cenc. fehlende Geschichte ( Tempore - diem) lautet in der ital. Übersetzung (c. 38, S. 579f.): et in quello tempo Dyoclitianus commanao ke Santa Luciaforse menata et martoriata pro Ja Jede de Christo, et quello ke Ii feria incontenente fo admarmorito, senni'J solo Je mane, ke remasero de carne, et inperzo que!lo loco ene vocato ad Manus carneas. Vgl. dazu den Zusatz einer Martin-Handschrift, a. a. 0. S. 450
N.t. 47 Duch. A. 8.
.,.
48 Duch. A. 9, Greg. § 20; bei Cenc. einiges mehr. 49 Gemeint ist der Tempel der Pietas und Concordia, s. den gleich folgenden Satz und dazu Duch. S. 275. Über das tugurium Faustu!i s. PAULY-WrssowA, Real-Encycl. der dass. Altertumswiss., 2. Reihe I, Stuttgart 1914 S. ro89 Z. 62, wo die antike Lit. verzeichnet ist. 50 Vatikan und Lateran als PalästeNeros s. den drittfolgenden Palast, c. r 2 und 24, wo die eine Namensdeutung gleichfalls eingefügt
(Ital.
c. 4o)
C 3: »Graphia aureae urbis Romae«
324
Cenc. c. 31 (Ital. c. 40)
est, veld ae lata ranae, quam Nero peperit: in quo palatio nunc est magna ecclesia sita51 • Palatium Susurrianum est modo ecclesia Sancte crucis 52 • In palatio Romuli' sunt due hedes, Pietatis et Concordie, ubi Romulus posuit statuam suam auream, dicens: »Non cadet, donec uirgo pariat«. Statim, ut uirgo Mariag peperit, illa corruit. Palatium Traiani et Adriani, ubi est columpna. Palatium Antonini, ubi est aliag columpna. Palatium Neronis, inh quo requiescunt corpora Apostolorum Petri et Pauli, Symonis et Iudeh. Palatium Camilli. Palatium Julü Cesarish, ubii ipse
!.
34•
Palatium Eufimiani 53 • Palatium Titi et Vespasianik foris Romam Palatium Domitiani in Transtibiri ad Micam auream55 •
requiesciti. Palatium / Cromatii. ad
Catacumbas 154•
c de Romulo Ital.; Romulianum Cenc.; dahinter quod erat iuxta t. F. Mari. d ut G. e alaterrana G. f de Romulo Ital.; Romuliano Cenc.; Pacis Mart. g so auch Mari.; fehlt Cenc.-Ital. h in quo - Caesaris nur in Cod. Val!. F. 7J (dort aber ubi statt in quo); Pa!. - Cesaris auch Mart.-Ital. i ubi- requ. nur Mari. (ohne ipse) und Ital.: Ia dov' e lo sepolcro de Iulio Cesare. k Vespesiani G. 1 so auch Afart. (Cathac.) und Ita!. (Catec.); Catacumbis Cenc. (ltal. c. 41)
Item de theatris• 56 • Theatrum Pompeiib ad Sanctum Laurentium. Theatrum Antonini iuxta Judeorumc. Theatrum Alexandri iuxta Sanctam Mariam Rotundam. Theatrum Neronsi iuxta monumentumd Adriani imperatoris.d 6.
pontem
6. • De theatris am Rande von B nachgetragen G; das Kap.fehlt Mart. b Ponpeii G. c Antonini Cenc., vg!. unten c. 7 letzte Zeile. d castellum Crescendi Cenc.; Castiello de ponte S. Petri Ital., vgl. unten S. 8 I Note I 5 f. Cenc. c. 32
7• [De Iods, que inueniuntur in Sanctorum passionibus • 57 ]. Foris pertarn Appiam adb templum
Martis decollatus est Sanctusc Systus 58 • Intus pertarn arcus Stelle59
•
Regio ( S. 78:) Fasciole60 ad
7· a so Cenc., wo die Angaben teils reicher, teils anders gestellt sind {im folgenden nicht kenntlich gemacht); das Kap. fehlt ltal.-Mart. b fehlt Cenc. c beatus Cenc. d so G und Mirabilia im Cod. Vat. 3973 { Romuald v. Salerno), sonst Stille.
ist, ferner Greg. § I9. Der Zusatz bis peperit auch fast wörtlich gleich bei Martin. 5 I Der Zusatz stammt, worauf schon SCHNEIDER a. a. 0. S. I68, 266 hinwies, aus der Glossensammlung des Papias (G. GoETZ, Papias und seine Quellen in: Münch. Sitz.Ber. Phil.-phil.-hist. Kl. I903 S. 285, dazu Corpus Gloss. lat., ed. G. GoETZ V, Lpz. I894, S. 65 5);vgl.auchunten S. 335 Anm. I6IS. 87 Anm. 2); über den Papias unten AbschnittE 6. 52 Diese Gleichsetzung liegt schon der Stammfassung zugrunde; vgl. Duch. S. 275. Der Zusatz (fast wörtlich gleich) auch bei MARTIN.
53 Für palatium Pompei (Cenc.-Ital.) gesetzt;
54 55
56 57 58 59 6o
Item palacium Eufemiani in monte Aventino bei MARTIN. Duch. S. 275, anders Greg. § 31. Für palatium Octaviani (Cenc.-Ital.) gesetzt. Der Zusatz auch bei Martin (ohne in und Tiberim). Gemeint ist die Kirche SS. Cosmae et Damiani trans Tiberim, die schon in den Mirabilien den Namen in mica aurea führt; vgl. Ch. Huelsen, Le chiese di Roma nel m. e., Florenz I927 S. 240. Duch. A. ro; bei Cenc. ausführlicher. Dieses Kapitel ist in Ital.-Mart. ausgelassen. Duch. A. rr. Duch. A. 12. Duch. A. 13.
B. Mirabilia urbis Romae (cap. 5-8)
325
Sanctum Neronume. Uicus Carnarius161 ad Sanctum Georgium, ubi estg domus Lucilli, et est ibi Uelum aureum. Aqua Saluia62 ad Sanctum Anastasium, ubi decollatus estg Sanctusc Paulus. Ortus Lucine68, ubi est ecclesia Sancti Pauli, in qua ipse requiescit. Inter Lude 64h, id est inter duos ludos, id est cliuus Scauri6 <, qui est inter ampitheatrum et stadium, ante Septasolisi est cloaca, ubi iactatus fuit Sanctus Sebastianus, ink qua inuentum est corpusl eiusk pendens in gaiphom 65 , id est in uncino 66 • Gradus Eliogabali 067 in introitu palatü. In° insula CatenutaP 68 post Sanctam Trinitatem. Arcus Stillans 69 post Septasolisq. Arcus Auentinus70 inter Auentinum et Albistonr, qui locus ideo
nominatur Albisto, quia albe stole ibi fiebant pro imperatore71 • In Tellure72 , id est in Cannapara', fuit domus Telluris. Priuata Mamertini'8 est ante simulacrum Martis 74 • Uia Cornelia75 per pontem Miluium et exit in stratam'. Uia Aurelia76 iuxta Giro] um. Uicus Latericiu 77 ad Sanctam Praxidem. Uicus Patricii" ad Sanctam Pudentianam. Basilica Iouis 78 ad Sanctum Quiricum. Therme Olimpiadis 79 , ubi assatus est Sanctus Laurentius in Panispernav. Circus Flammineus 80 ad pontem Iudeorum. In Transtiberim templum Rauinnatium81, ubi Saneta Maria effundens oleum. e Nereum Cenc. f Canarius Cenc. g fuit Cmc. h Lude G. i so G, vgl. auch Note q; Septasolio Mirabi!ia im Cod. Val!. F 73; sonst Septern solium. k statt in-eius in Cenc.: qui revelavit corpus suum Lucine dicens: Invenies corpus meum. I cor' G. m s. Anm. 66. n Eliogabili G. o et Cenc. P Catenuta G; Catenata Cenc. q vg!. Note i. r Abbiston G, wo gleich darauf die richtige Form folgt. s Canapara G; Canapara t so Cenc.; strata G. Cenc. u so Cenc.; Latericii G. v so Cenc.; impanis perna G. 8. De archa Testamenti•••.
In templo Pacis iuxta Lateranum a Uespasiano imperatore et Tito filio eius recondita est archa Testamenti. ( S. 79 :) In qua sunt hec 83 : ani
v:rs. 6r 6z 63 64 65 66
67 68 69 70 71
a
Reliquie, que sunt in Saneta Johanne Lateranensi sub altare am Rande von A zugesetzt G.
Duch. A. 14. Duch. A. 15. Duch. A. r6. Duch. A. q. Vgl. die Legende Acta Sanct. mens Jan. II s. 642. Richtige Interpretation, da gaipho entstellt ist aus gumfo (Cenc.) = gompho (Acta S. Sebastiani, s. Duch. A. 17) = y6/f-rpcp. Duch. A. 20. Duch. A. 2r. Duch. A. 22, dazu Nachtrag Lib. cens. II S. r82f. Arcus Romanus ante. . . bei Cenc. ; dazu Duch. A. 23. Dieser Zusatz begegnet auch im c. 23; dort ist er mit zwei weiteren Sätzen, die auch in ltal. nachweisbar sind, eingeschoben; vgl. unten S. 324 Anm. 157 (S. 86 Anm. 5).
72 Duch. A. 24. 73 Duch. A. 25. 74 ante Martem, sub Capitolium bei Cenc., dazu Duch. a. a. 0.: Le Mars nomme ici est Ja stattte de Marforio. 75 Duch. A. r8. 76 Duch. A. 19. 77 Duch. A. 26. 78 Duch. A. 27. 79 Duch. A. 28. 8o Duch. A. 30. 8r Duch. A. 31. 82 Sehr ahnliehe Aufzählungen dieser Reliquien finden sich: a) in Johannis Diaconi Liber de ecclesia Lateranensi I c. 3 (Ph. LAUER, Le Palais de Latran, Paris I9II, S. 397; gegen die Datierung I073-II59 der ursprünglichen Schrift, S. 391, s. Ing. ScHNACK, Richard v. Cluny, Hist. Studien
(Ital. c. 18)
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae« aureib 84, mures< aureiS4, tabule Testamenti, uirgad Aarone, urna aurea habens manna, uestes et ornamenta Aaron 8\ candelabrum aureum cum septem lucernis, tabernaculum, septem candelabral, septem cathedreg argentee 8 4, mensa, propositioh 85 , Sanctum turibulum aureum, uirga Moysi, cum qua percussit mare 86 , mensa aurea 87 , panes ordeacei, uestis inconsutilisi, circumcisio, sandalia8 4, uestimentum Sancti Iohannis Baptiste, forcipes, unde fuit tonsus Sanctus Iohannes Euangelista. aurea G. g cath' G.
b
Cenc. c. 33 (Ital. c. 36)
c
so G.
h proposita G.
d
vga, i übergeschrieben G. i inconsutitis G.
e anum G.
f
candelebra G.
9· [De pontibus.as 8 ] Pons Miluius, Adrianus, Neronianus ad Sassiam 89 , Antonini in Arenula 90 , Fabricü in ponte Iudeorum 91 ; Felicis Graciani pons inter insulam et Transtiberim 92 ; pons Senatorum Sancte Marie 93 ; pons Theodosii in Ripa Romeab 94 ; pons Ualentiniani. Tria sunt priuata publica: unum sub Capitolio, alterum priuata Mamercini, tercium foris portam Appiam iuxta templum Martis 95 • 9·
a
(Ital. c. 45) 10.
De pontibus vonA am Rande zugesetzt G;soauch Cenc.; das Kap.fehlt Mari.
b Riparmea G.
De cimiteriis•••. Cymiterium Calepodüb ad Saueturn Pancratium. Cimiterium Sancte Agathe
ad Girolum<. Cimiterium Ursi ad Portesamd. Cimiterium S ancti Felicis. ( S. So:) [Cimiteriume] Calisti iuxta Catacumbas 1• Cimiterium Pretextati intusg portam Appiam, ad Sanctum Appollinarem. 10. a De cimiteriis von B am Rande nachgetragen G; das Kap. fehlt }lfart. b so Cenc.-ltal.; Calopodii G. c so Cenc.-ltal.; egrolum G. d Portesan Cenc.; porte San ltal. e so Cenc.ltal.; fehlt G. f caracumbas G. g iuxta Cenc.; ad lato ad lta!.
q6, Berl. r92r, S. ro7: danach wohl für rr23 verfaßt); b) Mosaikinschrift bei der Sakristeitür des Laterans (LAUER a. a. 0. S. 292 ff., danach vielleicht schon aus dem XIII. Jahrh.) ; c) französischer Reisebericht von 1424 (ebd. s. 275 f.). 83 Vgl. die vorhergehende Anmerkung. 84 Fehlt in den obengen. Aufzählungen. 85 sc. panum. 86 Nach Joh. Diac.: si!icem. 87 Nach den anderen Berichten: Tisch des Herrn vom Abendmahl. 88 Duch. A. 32. 89 Gemeint ist die verschwundene Brücke gegenüber dem Hospital von S. Spirito. 90 Antoninus bei Cenc.,pons de l'onna in Ital.; gemeint ist der Ponte Sisto zwischen Tiber-
insel und Trastevere. 91 Fabricius bei Cenc., pons de Iudeis in Ital. 9 z Gratianus bei Cenc., pons de !'iso/a in Ital. 93 Senatorum bei Cenc., pons Sante Marie in Ital. 94 marmoreus Theodosiibei Cenc.,pons de lo marmo in Ital.; Ripa Romea = Ripa Grande. 95 Der Einschub ist aus Angaben des cap. 7
kombiniert, die auf die Stammfassung zurückgehen. Dieser kommt der Einschub wörtlich näher, doch sind aus foris portam Appiam . .. templum Martis und privata Mamertini, ante Martem, sub capitolio drei privata publica erschlossen. In der ital. Übersetzung heißt es auf Grund des »Curiosum« in c. 25: ... Et /e private pub/ike ne !o muro de Roma foro CLIII.
96 Duch. A. 33·
B. Mirabilia urbis Romae (cap. 8-r3)
327
Cimiterium inter duash lauros, adi Sanctam Helenam. Adk Ursum pileatum ad Sanctam Bibianam1. In agrum [Veranum]m ad Sanctum Laurentium. Cimiterium Sancte Agnetis. [Cimiteriumn] fontis Sancti Petri. Cimiterium Priscille ad
pontem 97 Sallarium
0
•
h duos Cenc. i ato G. k so gänzlich mißverstanden G; cimiterium Cenc.-Ital. und Ita!.; Vivianam (auch Bivianam) Cenc. m so Cenc.-ltal.; kleine Lücke in G. tal.; fehlt G. o hier fehlen wie schon vorher einige Angaben.
I so G n so Cenc.-
II. [De columpna Antonii et Traiani• 98 .] Columpna Antonini coclidis habet in 7 altum pedes Centalc. (I . c.c. 2l6-27 CLXXV, gradus CCIII, fenestras XLV. Columpna Traiani coclidis habet in altum pedes CXXXh, gradus CLXXc, fenestras XLV. Colossusd ampitheatrid habet in altum pedes submissalese CVIII.
u. a so Cenc. und entsprechend Ital., wo die zweite Säule Adriana benannt ist; das Kap. fehlt Mart.; de columpnis von A am Rande nachgetragen G. b CXXXVIII Cenc.-Ital. c CLXXXV Cenc.Ital. d Coliseum (-o) amphiteatrum (-o) Cenc.-Ital. e so Cenc.-Ital.; sumissales G. 12. [De Uaticano.•••] Infra100 palatium Neronianum est templum Apollinis10', quod dicitur Saneta ~~~·c\)' Petronilla, ante quod est basilica, que Uaticanum uocatur, mirifico musiuo laqueata, auro et uitro. Ideo dicitur Uaticanum, quia uates, id est sacerdotes, canebant ibi sua offitia ante templum Apollinis.
Idcirco tota illa pars dicitur Uaticanum. 12. a De Vaticano et Agulio Cenc.; das Kap. fehlt Mart.; De temple Apollin ... De Vaticano von A am Rande in zwei Zeilen nachgetragen, später beschnitten G.
13, [De Agulio.a] Est ibi aliud templum, quod fuit uestiarium Neronis 102, quod nunc uocatur Sanctus Andreas. Iuxta quod est memoria103 ulli Cesaris, id est agulia, ubi splendide cinis eius in suo sarcofagoh requiescit, ut, sicut eo uiuente totus mundus ei subiectus fuit, ita eo mortuo usque in
J
finem seculi subicietur. Cuius memoria inferius ornata fuit tabulis ereis et deauratis, litteris decenter depicta. Superius uero ad malum, ubi requiescit, auro et pretiosis lapidibus decoratur, ubi scripturn estc: »Cesar tantus erat quantus et orbis; Sed nunc in modico clauderis antro.« 13. a vgl. Note I 2a betr. Cenc.; de acu von A am Rande nachgetragen G; das Kap. fehlt Mari. cofogo G. c Versus de Cesare von B am Rande nachgetragen G.
97 Es handelt sich in Wirklichkeit um das Cimiterium S. Priscillae = S. Marcelli an der Via Salaria Nova; vgl. Duch. a. a. 0. In Cenc.-Ital. heißt es richtiger ad Salarium. 98 Duch. A. 37, vgl. Greg. § 25. 99 Duch. A. 41.
roo ror ro2 ro3
b
sar-
Duch. A. 42. Duch. A. 43· Duch. A. 44· Duch. A. 45, vgl. Greg. § 29, GRAF a. a. 0. II S. 295.
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae« (Ital. c.
•l
14. [De cantaro S. Petri•.] In paradiso Sancti Petriest cantarum104, quod fecit Simachush papah, columpnis porphireticis ornatumque< tabulis marmoreis cum grifonibusd ereis 1 •• et connexee, precioso colore1 cooperteg, cum floribus et delfinis ( S. 8I:) ereis et deauratis aquas fundentibus. In medio cantari est pinea erea106, que fuit coopertorium cum sinioh ereoi et deauratok super statuam Cybeles matris Deorum in foramine Pantheon. In qua1 pinea1 subterranea fistula plumbeam subministrabat aquam10 7 ex fotman Sabbatina0 , que toto tempore plena prebebat aquas per foramina nucum ornnibus indigentibus, et per subterraneam fistulam quedam pars fluebat ad balneum imperatoris108 iuxta mausoleuro Cesaris 109 • 14. a fehlt Cenc.; De lo Cantaro de Santo Petro Ital.; das Kap. fehlt Mart. b Simacus (-chus) papa Cenc.-Ita!.; Sirnechias et G. c so Cenc.; et fo adhornato de ... Ita!.; ornatu queque G. d gafonibus G. e cenexe G. f celo ereo Cenc.; Et lo celo era de rame Ital. f coaperte G. h so Cenc., vgl. awlov; sim ne C. i eres G. k deauratis G. I quam pineam Cenc. m so Mirabilia in Cod. Vat. 3973 ( Romua!d), entsprechend auch Ital.; fehlt sonst. n fora G. o so Cenc.; Sablatina G; fehlt Ital.
(Ital. c. 3)
15. [De Meta et de Terebinta•.] In Naumachia110 est sepulcrum Romuli, quod uocatur Metah, que fuit miro lapide tabulata, ex quibus factum est pauirnentum paradisi et graduum Sancti Petri. Habuit circa se plateam Tiburtinamc XX pedum cum cloaca et floialid suo.
(Ital. c. 4)
Circa se habuit Terebintae111 Nerouis tante altitudinis, quantum monumentum1 Adriani, miro lapide tabulata, ex quibus opus graduum et paradisi peractum fuit. Quod edificium rotundum fuit duobus gironibus sicut et monumentum1, quorurn Iabia erant cooperta tabulis lapideisg pro stillicidiis, iuxta quod fuit crucifixus beatus Petrus Apostolus112• 15. • fehlt Cenc.; De Ia Meta et de lo Castiello sowie De lo Terrebinto de Nero Ital.; das Kap. fehlt b so Cenc.-Ital.; Mete! G. c so Cenc.; Tiburtinum G; tebertina Ital. d so und Mart. florali Cenc.; flarali G; dazu vgl. Monaci A. 3 zu Ital. c. 3· e so G; Terebintho Ital., dazu Monaci A. 2, der den Vorzug dieser Form gegenüber den übrigen bei Cenc. usw. (Tyburtinum etc.) begründet; dazu auch E. EICHMANN in: Histor. Jahrb. 45 (I925) S. 34· f statt castellum, bzw. castrum = Cag Iapides G. stiello Cenc.-Ital., ebenso Note r6b. 16. [De castello Adriani.•] Est ibi et mefmoriab Adriani113 imperatoris, mire magnitudinis et
pulcritudinis templum constructum, quod totum114 lapidibus coopertum et diuersis historiis 16. a fehlt Cenc.; de lo Castiello Adriano Ital.; das Kap.fehlt Mari.
I04 Duch. A. 46. 105 Über die beiden Pfauen von S. Peter s. H. GRISAR, Analeeta Romana I, Rom I899 s. 473ff. Io6 Ebd. S. 502ff. I07 Duch. A. 47· Io8 Duch. A. 48. 109 iuxta aguleam Cenc. ; ad lo banio de Nero imperatore Ital. Die Gleichsetzung mit Caesars
b
vg!. Note
I
5!
Mausoleum ergibt sich aus c. I3. IIO Duch. A. 49, vgl. Greg. § 27. III Duch. A. 50, vgl. dazu oben Note I5 e. I I 2 Über den hier folgenden Zusatz in Ital. vgl. ebd. MoNACI A. 3 zu c. 4, wo als Beleg noch Lib. cens. I S. I* nachzutragen ist. II3 Duch. A. 51; dahinter ist der Verweis auf eine Predigt weggefallen. II4 Duch. A. 53·
B. Mirabilia urbis Romae (cap. I4-I7)
329
perornatum est. In circuitu uero can~ellis ereis est circumseptum cum pauonibus aureis et tauro; ex quibus fuere duo, qui sunt in cantaroc paradisi. In quattuor partes templi fuere quattuor equid erei deaurati. In unaquaque fronte porte eree; in medio giro sepulcrum Adriani porphireticu m, quod nunc est Lateranis, ine quo sepultus est Innocentius papa secunduse115 ; cuius coopertorium116 in paradiso beati1 Petri super sepulcrum Prefectig. Inferius autem porte eree, sicut117 nunc apparent. In
monument o ( S. 82 .") uero porfiretico beate Helene sepultus est Anastasius quartus papa118 • Hec monumenta, que diximus, omnia pro templis dedicata erant. Ad queh confluebant Romane uirgines cum uotis, sicut scribit Ouidius in librisi Faustorumk119 • c cantario G. d statt caballi Cenc.-Ita!. e quod nunc est Lateranis sepulchrum pape Innocentii Cenc. (so nur die Hss.jüngerer Fassung); lo quale stao in Laterani et iaceve Innocentio papa IIor Ita!. f sancti-santo Cenc.-Ital. g prefacti G. h atque Cenc.; jedoch ad lo dicto templo Ital. i so G sachlich richtiger als libro Cenc.-Ital. k so G, Cenc., Ital.
17. [De Augusto•.] Ad portam Flamineam fecit Octauianus imperator quoddam templumb, quod vocaturc Augustumdlzo, ubi sepelirentur Romanie imperatores, quod tabulatumf fuit diuersis lapidi-
bus. Intus in girum est concauum per occultas uias. In inferiori giro sunt sepulture imperatorum . In unaquaque sepultura sunt littere ita dicentes: »Hec sunt [ossa]g et cinis Nerueh imperatoris et uictoriai, quam fecit.« Ante quos stabat statua dei sui, sicut in aliisk sepulcris. In medio sepultoruml est absida, ubim sedebat Octauianus. Ibique erant sacerdotes, suas cerimonias facientes. De omnibus namque prouinciisn orbis 0 terrarumP iussitq uenire unumr cyrothecam plenum de terra, quam' posuit super templum, ut esset in memoriam omnibus gentibus Romam uenturis'. 17. a fehlt Cenc.; De lo Agoste Ita!.; das Kap. fehlt Mart. b castellum Cenc.; castiello Jtal. c uetau G. d so Cenc.; Agoste Ita!.; Augustor(um ) G. e fehlt Cenc.; jedoch imp. de Roma Ita!. f so Cenc., -olato Ital.; tabularium G. g so Cenc.-Ita!.; fehlt G. h so Cenc.; de Nerva Ita!.; enim G. i so Cenc.-Ita!.; victoriam G. k so entsprechend Itaf.; aliis omnibus Cenc. I sepulcrorum Cenc. m ubi sepe (molte volte) Cenc.-Ita!. n so entsprechend Ita!.; regnis Cenc. o orbi G. P totius orbis Cenc. q iussu G. r unam G. s qua G. t ke vennissero Ita!.; venientibus Cenc.
II 5
Duch. A. 54, dazu unten im Anhang, wo diese Angabe wie die folgende (vgl. unten A. I I 8) für die Datierung der verschiedene n Mirabilienfassungen benutzt ist. rr6 Duch. A. 55· II7 Duch. A. 56. rr8 Papst seit Iz. 7· II53, t 3· I2. II54· Nach Johannes Diaconus: Liber de eccl. Lateranensi hat A. den Sarkophag noch bei seinen
Lebzeiten nach dem Lateran schaffen lassen, wo er in ihm vor dem Altar b. Mariae de Reposo im linken Seitenschiff seine letzte Ruhe fand (J. MABILLON, Iter Italicum II, Paris I68g, S. 569 = LAUER a. a. 0. S. 40I); vgl. den Anhang. rrg Duch. A. 57· Izo Duch. A. 58.
(Ital.
c. 6)
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
Cenc. c. 39 (ltal. c. 30)
18.
De templo Pantheonm1 : Tempore, quob Marcus Agrippa prefectus Rarnano imperioc
Sueuiosd, Sassones et alias occidentales populos subiugauit cum quattuor legionibus, in reuersione eius• tintinabulum statue regni1 Persarurn1, que erat in Capitolio, sonuit in templo Iouis et Monete. Nam uniuscuiusque gentisg statuab erati in Capitolio cum tintinnabulo ad collum. Et si forte aliqua
gens rebellionem meditasset, confestim tintinnabulum statue gentis illius commouebatur et122 sonabat, cognoscebantque illam gentemg esse rebellem. Cuius tintinnabulum audiens sacerdos, qui erat in speculo in ebdomada uicis sue, nuntlauit senatoribus. Senatares autem hanc Iegationern Marco Agrippe prefecto inposuerunt. Quik renuens non se passe pati tantum negotium, tandem conuictus petit consilium trium dierum. In quorum1 termino quadam nocte ex nimio cogitatu obdorrniuit, et apparuit eim quedamm femina, que ( S.
83:) ait ein: »Agrippa, quid agis? In magno cogitatu
es.« Respondit 0 : »EtiamP, domina.« Etq illa responditq: »Confortare, et promitte< mihi templum te esse facturum, quale tibi ostendo; et dico tibi, si eris uicturus.« Qui ait: »Faclam, domina!« Que in illa uisione ostendit ei templum in hunc modum. Et' dixit ei': »Domina, que es tu?« Que ait: »Ego sum Cybeles, mater deorum. Fer libamina Neptuno, qui est deus marinusu, ut te adiuuet. Hoc templum fac dedicari ad honorem Neptuni et meum, qula tecum erimus, et uinces.« Agrippa letus exsurgens recitauit hoc in senatu, et cum magno apparatu nauium et quinque legionibus iuit et uicit omnes Persas et sub tributo Romanov redegitw. Regrediensquex Romam, fecit hoc templum et dedicari
eum fecit ad honorem Cybeles matris deorum et NeptuniY et omnium demoniorum, et inposuit templo nomen Pantheon. Ad honorem cuius Cybeles fecit statuam deauratam, quam posuit in fastigio templi super foramen et cooperuit eam mirifico tegumento 2 ereo deaurato. 18. a so G, dazu Templum Pantheon von A am Rande nachgetragen; ausführlicher Cenc.; anders Ital. b Temporibus Diefolgende Gesch. ist von Martinfrei gekürzt bei Domitian eingereiht ( a. a. o. S. 445). c senatui Cenc.; ad Ii Romani et ad Ii consulum et senatorum Cenc.; Ne lo tempo de etc. Ital. senatori Ital. d Succinos G. e cuius Cenc., vgl. Note b. f Perside (-a) Cenc.-Ital. g regni (-um), bzw. provincie (-a) Cenc.-Ital. h davor totius orbis (de lo munno) ausgefallen. i aus statuerat wohl von andrer Hand verbessert G. k qui (quello) Cenc.-Ital.; quod G. I quo (quale) Cenc.-Ital. m so Cenc.; a quadam G. n entsprechend Ital.;fehlt Cenc. o Qui (et P sum Cenc.; penso Ital. q Que dixit (La quale Ii quello) resp. ei (fehlt I.) Cenc.-Ital. dixe) Cenc.-Ital. r aus promittite verbessert G. s Qui (Lo quale) Cenc.-Ital. t ad essa Ital.; fehlt Cenc. u magnus Cenc.; vgl. Note y. v Romani senatus (ad li senatori di Roma) Cenc.-Ital. w posuit eos annualiter Cenc. x rediens Cenc. Y dahinter dei marini (dio marino) Cenc.-Ital., vgl. Note u. z tegmine Cenc.
Cenc. c. 41
In huius autem templi fastigio stabant duo tauri erei deaurati.
(ltal. c. 7)
19,
De diuersis locis•. Ante
palatium Alexandri123, ubib nunc est conca, fuit templum Bellone,
ubi fuit scripturn: 19. a fehlt Cenc.-Ital.; das Kap.fehlt in Mari.
121 122
Duch. A. 39, Greg. § 8 und 21. Zusatz zwecks besserer Motivierung des
b davor sind versehentlich anderthalb Zeilen ausgefallen G.
123
Folgenden. Duch. A. 59·
B. Mirabilia urbis Romae (cap. r8-2o)
33!
»Roma uetusta fui, sed nunc noua Roma vocabor. Eruta ruderibus, culmen ad astra fero.«1 24 Ad concam Parrionis 126 fuit templum Gnei Pompei, mire magnitudinis etpulcritudinis. Monurnenturn quoquec illius, quod dicitur Maurentumd, decenter omatum, fuit oraculum Apollinis. Ecclesia Sancti Ursi 126 fuit secretarium Neronis. Ante0 Sanctam Madam in Aquiref 127 fuit templum Helii Adriani. In° campo Martioß 128 templum Martis, ubi eligebantur consules, dieh kal. Iulü et morabantur usque in kal. Ianuarias. Si purus erat a crimine ille, qui electus erat consul, firmabaturi ink consulatuk. In hoc templo Romani uictores ponebant rostra nauium, ex1 quibus efficiebantur opera ad spectaculum omnium gentium. Iuxta Pantheon estm templum Minerue 129 Calcidie. In Cami lianon 130, ubi nunc est Sanctus Cyriacus 0 , fuit templum Ueste; post Sanctum MarcumP 13 r"temp-
• !um Apollinis; in Calcerariq 132 templum Venerisr; inmonasterio 133 domineRoseCaste llumaureum, quod fuit oraculum Iunonis. cvero Cenc. d Maiarenturn (-ti) Cenc.-Ital., dazu Monaci ebd. A. 2. ~· e Davor Ausfall (im folgenden nicht mehr kenntlich gemacht) G. ! Aquiro Cenc.; Nazuli Ital. g martyrio C. h in Cenc.-Ital. i confirm. Cenc.-Ita!. k ei consulatus Cenc.; entsprechend Ita!. 1 sed C. m fehlt Cenc.; fo Ital. n so auch Ita!.; Camillano Cenc. o Cypiacus C. P Märü C. q Calcarari Cenc.-Ital. r Venerius C.
( S. 84.) 20. [De Capitolioa.] In Capitolio134 fuerunt imagines fusiles omnium regum Troianorum et imperatorum136 • Capitolium erat caput mundi, ubi consules et senatores morabantur ad gubemandum orbemb. Cuius fades cooperta erat muris altis et firmis, superc fastigium montis, uitro et auro undique coopertis et miris operibus laqueatisd, ut esset speculum omnibus gentibus. In summitate arcis super portieuro Crinorum fuit templum Iouis et Monete, in qua erat 20. a fehlt Cenc.-Mart.; so Ital. Zeilen übersprungen G.
b orben C.
124 H. \Y!ALTHER, Initia Carminum, Göttingen 1959 Nr. r688o weist noch vier weitere Belege für diese Verse auf: Wiener Studien IX S. 79; Neues Archiv XXIII S. 264; Cod. Kremsmünster 149f. 6z (15. Jahrh.; vgl. Zeitschr. für Bibl.wesen 49, 1932 S. 328); Cod. Wien 6o9f. 38 (13. Jahrh.). Brieflich macht der verehrte Kollege mich noch aufmerksam auf den Cod. Leiden, Vulc. 48 f. 126 (14. Jahrh.). 125 Duch. A. Go, Monaci c. 7 A. 2. 126 Duch. A. 6r, Monaci c. 7 A. 3· 127 Duch. A. 63. 128 Duch. A. 64.
c diu super Cenc.
129 130 I 31 132 133 134 I 35
d
dahinter sind zwei
Duch. A. 65. Duch. A. 67. Duch. A. 66. Duch. A. 68. Duch. A. 69. Duch. A. 70. V gl. oben c. I 8 über die uniuscuiusque gentis statue in Capito!io; dazu A. GRAF, Roma nella memoria ... del m. e. I, Turin r88z S. 196f. über die verschiedenen Deutungen der Statuen auf dem Kapitol, auch F. ScHNEIDER, Rom u. Romgedanke im Ma., Münch. 1926 S. 165 f., 265 f.
(Ital.
c. S)
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
332
aurea statua Iouis, sedens in aureo trono136 • In Tarpeioe templum Asilumf, ubi interfectus estg Iulius Cesar ah senatuh. e so auch Cenc.; perso Ita!., dazu Monaci A. 2. Mart.; fuit (fo) Cenc.-Ital. h fehlt Mart. 21.
f so auch Mart.; Asilis Cenc.-Ital.
g
so auch
[De iussione Octauiani irnperatoris et responsione Sibillear37.] Senatoresb uidentes Octauia-
numb taute pulcritudinis, quod nemo
f
oculosc eins intueri poterat, et taute prosperitatis et pads,
quod totum mundum sibi tributarium fecerat, dicunt eid: »Tee adorare uolumus, quia deitas est in tef.« Qui renuensg, indudas postulauit. Eth ad se Sibillam Tiburtinami euocansk ea, quek senatores dixerant, redtauit. Que spatium trium dierum petiit, in quibus ieiuniisl et uigiliis uacansm, tertio die di..--dtm imperatorirr : »Hoc pro certo erit, domine imperator, quod 0 tibi uaticinot 0 • Iuditii signum, telins sudore madescet. E celo rex adueniet per secla futurus 1; et cetera, que secuntur. Itaque 0 , dum Octauianus Sibillam attentiusP audiret 0 , ilico aperturn est Cenc. c.54 (Ital. c. 33)
f. 3l•
celum, et splendar intolerabilisq corruitr super eum. Et' uidit in celo uirginem' inestimabilisu pulcritudinisu, stantem super altare, tenentem puerum in bracchiis, et' miratus est nimis, uocemque de
celo audiuitv dicentem: »Hec0 uirgo conceptura estw saluatorem mundi.« Rursumque aliam uocem de celo audiuit 0 : »Hec ara filii Dei est.« Etx statim proddens in terram adorauit. Quam uisionem dumY senatoribus retulissetz, mirati sunt nimis. Alia uero die, dum populus dominum ( S. 85 :) illum uocare decreuisset, statim manu et vultu repressit. Nec etiam a filiis suis dominum se appellari permisit, dicens : »Cum sim mortalis, dominum me dicere nolo«138 • 21. a so Cenc.; Quauno vide Ia visione Octabiano in celo Ita!.; Quando Octavianus imperator uidet cum sibilla dominum Iesum Christum von A am Rande nachgetragen G; Mart. a. a. 0. S. 443· b Tempore Octaviani imperatoris sen. vid. eum Cenc., entsprechend Ita!. c davor in getilgt G. d fehlt Cenc.-Ital. e übergeschrieben über getilgtes etiam G. f dahinter ein Satz mehr Cenc.-Ital.Mart. g renitens Cenc. h so Mart.-Ital.; fehlt Cenc. i que phitonissa erat von A am k vocavit, cui quod Rande zugesetzt, darunter Weisungszeichen und Betonungslinie längs c. 2I G. Cenc.-Mart. 1 artum ieiunium Cenc. m operata est. Post tertium diem respondit Cenc.; n - torii G. o Diese Worte nur in Cod. Val!. F 73 von Cenc. P libenter gekürzt Mart. ebd. (s. N. o). q nirnius (molto) spl. Cenc. -Ital.-Mart. r irruit Cenc.-Mart. s so Mart.-Ita!.;feh!t Cenc. t dahinter Lücke von etwa IO Buchstaben G; quandam virginem Cenc.-Mart. v audiui G. w concepit u pulcerrimam Cenc.-Mart.; coronata molto belledissima Ital. Y fehlt Cenc.-Ital.-Mart. Cod. Val!. F. 73 (s. Note o) x so auch Ital.; qui Cenc.-Mart. z retulit et Cenc.-Mart., entsprechend Ital.
r36 Dieser Zusatzauch beiMartin; in Cenc. statt dessen ein Hinweis auf das marthirologium Ovidii de Pausfis = Fasti I 637-50 (s. Duch. A. 7I). I 37 Duch. A. 34·
r 38 Der von den Mirabilien abweichende Schluß dieser Erzählung ist ein gekürztes Zitat aus Orosius: Hist. VI c. 22, der diese Stelle aus Sueton, Oct. Aug. c. 53 entnommen hat (Nachweis bei GRAF a. a. 0. I S. 313 A. r2,
B. Mirabilia urbis Romae (cap. 20-23) 22,
333
De diuersis locis•. Ante priuatam Mamertini139 templum Martis, ubi nunc iacet simulacrum
Cenc. c. 41 (ltal. c. II)
eius. Ubi esth Saneta Martina, templum Fatale140 , Ade Sanctum Adrianum templum Refugü. Add Sanctum Sergium141 templum Concordie. In Canaparae142 templum Cereris et Telluris. Palatium Catilinel43 , ubi estf ecclesia Sancti Antoninig;
(Ital. c. u)
iuxta quam est locus14', qui dicitur Infernus, eo quod antiquo tempore ibi ernetabat eth magnam pernitiem Rome inferebat; ubi Marcus Circius145, ut liberaretur ciuitas, responso suorumi armatus proiecit se, et clausa est terra. Sie ciuitas liberata est146 • Ibi est templum Ueste, ubi dicitur inferius draco cubare147 • Ink ecclesia Sancti Cosmatis 0148 estm templum Asilumn. Retro149 fuit templum Pacis et Latone, superius 0150 templum Romuli. Post151 Sanctam Madam Nouam templumP Concordie et Pietatis. Cartularium15 2 ideo dicitur, quia ibiq fuit bibliotheca publica, exr quibus XXVIII fuerunt in urbe. 22. a fehlt Cenc.-ltal. b so auch Mart.; iuxta eum t. Fat., id est S. Mar. Cenc. c so auch lvfart.; id est S. A. (nachgestellt) Cenc. d so auch Mart.; Post Cenc. e so auch Mart.; Cannapara Cenc.-ltal. I so auch Mart.; fuit (fo) Cenc.-lta!. g so auch Mart. (s. Note ebd.); Antonii (-io) Cenc.-Ital. h über der Zeile nachgetragen G; vor- und nachher Abweichungen bei Mart. i suorum deorum Cenc., entsprechend Ital.; deorum Mari. k so auch Mart.; Iuxta eum Cenc., dessen Text auch in diesem Kapitel mehrfach gekürzt ist. 1 Comatis G. m que fuit Cenc.; fuit Mari. n so auch Mari.; Axilum Ita!.; Asili Cenc. o so auch Mart.; super idem Cenc.; dereto ene ltal. P so auch Mart.; duo (doi) templa Cenc.-Ital. q über der Zeile nachgetragen G. r so auch Mart.; de Cenc.-ltal.
( S. 86:) 23. De regiom Colosei•. Ante Coloseum 153 templum Solis, ubi fiebant cerimonie simulacro, quod stabat in fastigio Colossei, habensbin capite coronam aureamb gemmis ornatam, 23. a fehlt Cenc.-Ital.-Mart. una corona de auro in capo.
I
39
140 141 142 143
b
habens-Lat. auch Mart.; habens-auream gleich Ital.: et avea
der weitere Belege zu dieser Geschichte zusammenstellt). Orosius erzählt, daß das Volk in einem Schauspiel das Wort 0 dominum aeqtmm et bonum auf Augustus bezogen und laut gebilligt habe; statim quidem manu vu!tuque indecoras adu!ationes repressit, et insequenti die gravissimo corripuit edicto, dominumque se posthac appe!lari ne a !iberis quidem .... passus es!. Vgl. auch Greg. § 17. Du eh. A. 77; im folgenden Kürzungen und Umstellungen. Duch. A. 78. Duch. A. 79· Duch. A. 8 I. Duch. A. 82.
144 Duch. A. 83. 145 Bei MARTIN: Martinus Circius, d. h. Marcus
146 147 148 149 150 I
51
152 153
Curtius, dessen Name bei Cenc.-Ital. fehlt. Dort heißt es: quidam nobi!is mi/es ( uno cava!ieri). Ausführlicher bei Greg. § 5. Duch. A. 84; dahinter ist ein Verweis auf die Silvesterlegende weggefallen. Duch. A. 87, Greg. § 31. Duch. A. 88. Duch. A. 89. Duch. A. 90. Duch. A. 91. Duch. A. 94, Greg. § 31·
(Ital. c. •J)
334
C 3: »Graphia aureae urhis Romae«
cuius caput et manus nunc sunt ante Lateranumh154). Septisoliumc155 fuit templum Solis et Lune. (Ital. c. 14)
Saneta Balbinadl56 ine Albistone fuit mutatorium Cesarism. Ibi1 fuit candelabrum factum de lapide albeston, qui semel accensus et sub diuo positus, nunquam aliqua ratione extinguebatur. Ibi etiam ymago Domini post altare diuinitus depicta iuxta eam figuram, qua Dominus fuit in carne. Qui locus ideo dicitur Albesta, quia ibi fiebant albe stole imperatorumf.
(Ital. c.
lj)
Circusg:L 58 Prisci Tarquinii fuit mire pulcritudinis, qui ita erat gradatush, quod nemo Romanorumi offendebat alterum in uisionek Iudi. In summitatG erant duo arcus per circuitum uitro et fuluom auro laqueati. Quando 0 fiebat 0 Iudus, in medio erant duo agulieP: minor habebat pedes LXXXVII, maior CXXII. In sumitate triumphalis arcus, qui est in capite, stabat equesq ereus et deauratus, qui uidebatur facere impetumr, ac si' miles' velle currere equum. In alio arcu, qui est in fine, stabat alius eques ereus et deauratus similiter.
(Ital. c. x6)
Hi159 portati sunt a Constantino imperatore cum omni ornatu facto ex ere in Constantinopolim Damasco et Alexandria. c verbessert aus Septizolium G; dahinter Zusatz bei Mart. d Daor Überschrift: De Santa Balbina Ita!. e so auch Mart.; in A. fehlt Cenc.; da Ii antiqui se clamava Albeston, inperzo .. .Ita!. f Ibiimperatorum vg!. Anm. Ifl· g Davor Überschrift De lo ioco de Circo Ita!.; hinter Tarquinii Zusatz in Mart. h gradatus (-o) Cenc.-Ita!.; grabatus G.; dispositus Mart. i so auch Mart.; Romanus (-o) Cenc.-Ital. k so auch Mart., wo dahinter Zusatz; visu Cenc. m saluo G. n davor ein Satz aus Cenc.-Ital. in G. ausgefallen; bei Mart. die zwei folgenden Sätze umgestaltet, der vorausgehende ausgelassen. o fiebant G. P agalie G. q quidam eques Cenc. r impetu G. s similes G.
154 Greg. § 6 vom caput und der manus dextera cum spera des Coloseus : que mmc ante palatium domini pape duabus marmoreis erecta columpnis mirandum spectaculum cunctis spectantibus exibent. 155 Duch. A. 95, Greg. § 19. 156 Duch. A. 96. I 57 Bei Cenc. folgt hier nur: ibi fuere therme Severiane et Commodiane. Dagegen begegnet der folgende Passus - nur in sich umgestellt und ohne die großgedruckten Worte auch in Ital., wo es heißt: inperzo (vgl. Note 23 e) ke kello se faceano le blanke stole de Ii imperatori. Et kello era facto lo candelabro de Ia preta Albeston, et inperzo ke una ftata ardea, magi non stutava. Et in quello loco, dereto ad Ia a!tare, era penta Ia ftgura de Dio sl come forse in carne, et fo lo mutatorio de Cesare; dazu Monaci A. 2. Bei Martin lautet der Passus: Ibi ... albiston (einige Hss.: albeston)
... positus nuflo arte extinguitur. Qui locus ..• Albiston .... imperatorum. Ibi post a!tare est y. Salvatoris div. picta. Der Schlußsatz dieses Abschnittes ist auch in Kap. 7 eingeschoben, s. oben S. 324 Anm. 71 (S. 78 Anm. 12). 158 Duch. A. 97· 159 Der folgende Abschnitt bis zum Absatz, der in Cenc. fehlt und bei Mart. zusammengezogen ist, lautet in Ital.: Et Iutte que!!e cose foro portate da Gonstante imperatore, ft!io Eurachii [sc. Heraclii}, con tutto hornamento facto de rame, !e quale portao seco in Sicilia !o tempo de papa Iu!iano [a. 337-p!j, et demorao keile III amzi, et poi fo da Ii soi occiso. Et quelle cose ke tulze ad Roma, Ii Saracini ke vennero de Alexandria et de Damasco, quelle cose senne portaro !e quali foro de Roma; dazu Monaci
A. 3·
B. Mirabilia urbis Romae (cap. 23-24)
335
( S. 87 :) 24. [Quare factus sit equus, qui dicitur Constantinusa160 .] In palatio Neronis, quod (Ital. c. r ) 7 ex latere et rana diciturb161 Lateranum, sunt quedam miranda sed non scribenda. In campo Lateranensi< est quidam cabal!us ereus, qui dicitur Constantini, sed non est ita. Quid Cenc. c. s 3 d autem uoluerit ueritatem cognoscere, hoc relegat. Tempore, quoe consules et senatores (Ital. c. J2) rempublicam aministrabante, quidam rex potentissimus contra auream urbem ueniens 1, ex parte Lateranis illamg obsedit, multa strage et bellis Romanosh affligens. Tune quidam armiger magne forme et uirtutis, audax et prudens, surrexit eti dixi t senatoribus et consulibus: »Si esset, qui de hac tribulatione nosk liberaret, quid a senatu promereretur?« Quirespondentes dixeruntei: »Quicquid ipse poposcerit, mox obtinebit.« Qui ait: »Date rnihi XXX sexternosl et memoriam meim facitis 0 post peractum bellum et equum0 ereum deauratum0 .« Qui promiserunt se facturos, sicut 0 ipse pecierat. Qui ait: »Media nocte surgite, et armatiP superP muros urbis state in specula, et, quecumqueq dixerimq, facietis.« Quod cum fecissentr, equum sine sella conscendenss, tulit falcem. Nam' per plurimas noctes uiderat regem adu requisita natureu ad pedem cuiusdam arboris uenientemv, in cuius aduentum cocobaia, que eratw in arbore, statimx cantabat. ArrnigerY autem urbem egressusY fecit herbam, quam in fascez religatam ritu• scutiferi ante se portabat; etb statim, ut auemc cantantem audiuit, accessit propius: cognoueratd enim 0 regeml ad secessumg uenisse. Iuith contra eum, qui iam peregerati necessarium. Hiik autem qui cum rege erant, putantesm illum0 esse de suis, ceperunt clamare, ut 0 de uia recederetP. Armiger autem, illorum uerba producensq, irruit super regem, 24. a so Cenc.; De lo caballo Constantino ltal.; ystoria equi herei Constantini von A am Rande nachgetragen G.; bei Mart. ist die flg. Geschichte stark zus. gezogen. b dicis G. c Lateranis (Ad L-ni) Cenc.-ltal. d quia quicumque Cenc. e so auch Mart., nur: Urbem regebant; consulum et senaterum Cenc., entsprechend ltal. I gekürzt gegenüber Cenc.-ltal. g Romam (-a) Cenc.ltal. h populum (-o) Romanum (-o) Cenc.-Ital. i qui (lo quale) Cenc.-ltal. k vos Cenc. I milia sextertias Cenc.; sextarnas oncie de argento ltal. m victorie rnichi Cenc. n facietis Cenc. o so Cenc. ( 2 Hss.). P armatos s. G., omnes armamini et state iuxta Cenc. ( ltal.). q quicquid vobis dixero Cenc. r anders Cenc.-ltal. s ascendit. .. et Cenc. t enim (nachgestellt) Cenc. u pro necessario Cenc., ad fare suo ascio Ital. v venire Cenc. w sedebat Cenc.; stava ltal. x semper (-pre) Cenc.-ltal. Y Ille vero exivit urbem et Cenc.; Et quello gessio de Roma et ltal. z fascem Cenc. a more Cenc.; ad custume ltal. b qui (lo quale) Cenc.-ltal. c cocovaiam (cucubaia) Cenc.-ltal. d cognovit (conube) Cenc.-ltal. e illum Cenc. I iiber der Zeile nachgetragen G. g arborem (-re) Cenc.-lta!. h Ivit ergo Cenc. verbessert aus pergerat G. k Socii Cenc.; companioni lta!. m putabant Cenc.; credeano ltal. n verbessert aus illud C. o Der folgende Abschnitt in Cenc. (entsprechend in lta!.): ut ipse auferret se de via ante regem. Sed ille non dimittens propter eos, fingens se de loco abire, iuncxit se regi et pre fortitudine sua illis omnibus spretis vi arripuit regem et portavit eum. Mox cum venisset ad muros civitatis cepit clamare: »Exite foras et interficite omnem exercitum regis, qui ecce ipsum teneo captivum«. Qui exeuntes alios interfccerunt, alios in fugam etc. (s. oben) P re übergeschrieben G. q pro paruo ducens verbessert Ozanam a. a. 0. S. I6!l A. e. 160 Duch. A. 38; Greg. § 4, sowie § 5, wo noch eine zweite Geschichte folgt; vgl. zu diesen Sagen P. E. SCHRAMM, Das Herrscherbild in der Kunst des frühen Mittelalters in:
Vorträge der Bibi. Warburg 1922{23 I, Lpz. 1924 S. 152ff. (z. T. übernommen in Bd. V). 161 V gl. oben S. 324 Anm. 5I (S. 77 Anm. 3).
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
eumque apprehendens per ( S. 8 8:) capillos, portauit usque ad muros ciultatis. Romani uero, fortune euentum uidentes, urbem egressi, alios occiderunt, alios in fugam miserunt etr spolia eorum ceperunt. Sicque• ad urbem regressi', quod armigero promiserant, perso!.31 b
luerunt, scilicet XXX sexternosu et equum ereum deauratum pro memoria,
f
sinev sella, ipso
desuper residente, extenta manu dextra, qua ceperat regem. Ipsumw quoque regem, qui parue persone fuerat, retro ligatis manibus, sicuti eum ceperat, sub ungula equi memorialiter destinaueruntx, et inw capite equl memoriaY cocobaie, ad cuius cantum ceperatz regemz. r Der folgende Satz in Cenc. ( Ital.): unde Romani innumerabile pondus auri et argenti habuertun. s Sie gloriosi Cenc. t redierunt et Cenc. u vgl. oben Note!. v et sine Cenc. w Die letzten beiden Sätze sind umgestellt gegenüber Cenc.-Ital. x so auch eine Hs. Cenc. Y memoriam Cenc. z victoriam fecerat Cenc. Cenc. c. 41 (Ital. c. '7)
25. [De temp!is•.J In Exquilino monte fuit 162 templum [Marii]h, quod< nunc uocatur Cimbrum, eo
quod Cimbros deiecitd. Ubi nunc est Saneta Mariae ad Presepe163, fuit templum Cybeles. Templuml Ueneris ad Sanctum Petrum ad Uincula 1• Ad Sanctam Mariamin Fontana164 templum Faunig, quod simulacrum locutum est Iuliano et decepit eum. In ciJioh montis 165 templum Ioulsi et Diane, quod nunc uocatur Mensa imperatoris, super palatii Constantiik. Ibi in palatio fuit templum Saturni et Bachi, ubi nunc iacent simulacra eorum166 • c qui G. 25. a so Ital.; fehlt Cenc. b so Cenc.-Ital.; Lücke G.; zwei Zusätze Mart. d deiecerat, davor Zusatz Mart.; vicit (-cque) Cenc.-Ital.; dahinter in G wie im folgenden noch öfters Auslassungen gegenüber Cenc.-Ital. e Maria maior (-iure) Cenc.-Ital.-Mart. f so attch l'vfart.; Ubi est S. P. ad V. fuit t.V. Cenc.; Ad S. Petro ad V. t. Veneris Ital. g so Cenc.; Fauny Ita!.; Fauan G. h cilio, ilio (celio) Cenc.-Ital.; ulio G; monte Ulio Mari. i Ionis G. k Constantini bzw. -anti (-antio) Cenc.-ltal. Cenc. c. 3 5 (!tal. c. 34)
26, [Quare facti sunt caballi marmorei•.J Ibi iuxta sunt caballi marmorei167• Ad quid autem hornirres et caballi facti sunt nudi, audib; et quld sit<, audi, quod< ante caballosd quedam femina serpentibus circumdata sedet, habense concam ante se. Temporibusf Tyberii imperatoris uenerunt Romam duo philosophi iuuenes Praxitelusg et Fidiah. Quos imperavit ad se, euocans de eisi: »Cur nudi inceditis?« Qui respondentes dixerunt: »Quia omnia nobis nuda et aperta sunt, et pro 26. a so Cenc.; De li caballi marmorei Ital.; die folgende Geschichte ist bei Mari. stark zusammengezogen. b ergänzt zur Oberleitung in das bei Cenc. selbständige Kapitel (homines dort nur in 2 Hss.); vg!. auch Ital. c sint, audi. Quod G. d caballi Ital.; caballum Cenc. e habitis G. I [Quando] philosophi uaticina[ti sunt] secretum, quid erat de Roma am Rande von A nachgetragen, durch Beschneiden verstümmelt, dahinter Nachtrag über Inhalt von dritter Hand G. g so und -elis Cenc.; -sitellus Ital. h Fidia (Fida, Fydia) Cenc.-Ital.; Fibia G. i im folgenden G = Mirabilia in Cod. Val/. F. 73·
r6z Duch. A. 99· r63 Duch. A. rar; Basilica S. Dei Genetricis ad Praesepe ist die alte Bezeichnung für S. Maria Maggiore (vgl. Note 25 e).
r64 r65 166 167
Duch. A. roz. Duch. A. ro6. Vgl. Greg. § 13. Duch. A. 35; Greg. § 12.
B. Mirabilia urbis Romae (cap. 24-27)
337
nichilo mundurn tenemus. Idcirco nudi incedimus, et nichil possidemus. Quia quicquid tu in
( S. 89:) secreto dixeris, nobisk apertuml estk usque ad unum uerburn.« Quibus imperator ait: »Sim, quod dixistis, impleueritis, quodcumque pecieritis, tribuam.« Turn illim: »Nullam pecuniam, sed nostram memoriam postulamus.« Alteran autem die adueniente0 , per ordinem retulerunt imperatori, quicquid in illa preterita nocte consiliatus est. ObP quam remP fecit eis promissamq prelibatam memoriam eorum, sicut postulauerant; equos uidelicet nudos, qui calcant terram, id est potentes huius seculi principes, qui dominantut in' hominibus' huius mundi. Ueniet rex potentissimus, qui aseendet super equos, id est super potentiam principum huius seculi. In hoc seminudi, quod' stant iuxta equos et altis bracchiis et replicatis digitis nurnerant ea, que futura sunt'. Et sicut ipsi nudi sunt, ita omnis mundialis scientia nuda et aperta situ mentibus eorum. Femina circumdata serpentibus sedetv habens concam ante se, signat predicatores, qui predicabunt eam, ut quicumque ad eam ire uoluerit, nequaquamw possitw, nisi prius lauetur in conca illa. m Si facitis, quod dixistis, dabo vobis I aperta G. k dicemus (-eremo) Cenc.-Ital. o veniente n altero Cenc. quicquid vultis. Qui respondentes dixerunt Cenc., entsprechend Ital. s qui r homines bzw. -inibus Cenc., JJJO infehlt. q promissa G. P Unde Cenc. Cenc. v sedens Cenc. u est Cenc. t erant Cenc. Cenc. (bzw. hoc quod sem. quidem) w non poterit Cenc.
27.! De diversis templis.• Iuxta Scolam Grecam palatiurn LentuJih. Ad168 Gradeilase templmu Solis. Ubi est Sanctus Stephanus1 69 rotundus, fuit templurn Fauni. In Elephantod170 templurn Sibille et templum Ciceronise, ubi nunc est domus filiorum Petri Leonis171 • Ibi est carcer Tullianus, ubi est ecclesia Sancti Nicholai; ibi juxta templume Iouis, ubi fuit pergula aurea. Ad1 Sanctum Angeluml templum Seuerianum. Ad Uelumg aureum172 templum Minerue. In ponte Iudeorum173 templurn Fauni. Ad Sanctum Stephanum174 in Piscina palatiurn Cromatiih prefecti et templurn, quod dicebatur Olouitreum, totum factum dei cristallo et aurok per artem mechanicaml, ubi erat astronomia curn omnibus signis celi, quod destruxit Sanctus Sebastianus cum Tiburtio filio Cromatii. c gdellas G. b Lentis G; dahinter, 1vie auch sonst noch, Auslassung. 27. a fehlt Cenc.-Ital. e Cic.-templum auch Mart.; statt Cic.- templum d so auch Mart.; Alephanto (-fanto) Cenc.-Ital. nur Cic. in Tulliano, et templum Cenc.; Cic. In Tulliano, Ia dov'eSantoNicolao de Ja carcera, templum I so auch Mart.; ubi est S. Angelus Cenc. (nachgestellt), entsprechend Ital. (vorgestellt). ltal. i so h reromatii, das erste r getilgt, G; fehlt Mart. g Uellus G; so auch mehrere Hss. Mari. I mathematicam Cenc.-Ital.; fehlt Mart. k verbessert aus aureo G. auch Mart.-Ital.; ex Cenc.
r68 r6g 170 qr
22
Duch. A. 113. Duch. A. rr4. Duch. A. rr5. Petrus Leonis gestorben rr28, Vater des Papstes Anaklet II.; über seinen Wohnsitz F. GREGOROvrus, Gesch. der Stadt Rom
Schramm,
Aufsätze III
im Ma. IV, Stuttgart 3 r877, bes. S. 346f.; dazu unten Anhang (S. 355). 172 Duch. A. rr6. 173 Duch. A. rr7. 174 Duch. A. 120.
Cenc.c. 4 r (Ital. c. 17)
C 3 : »Graphia aureae ur bis Romae« Cenc. c. 42. (Ital. c. 18)
28. [Quot sunt templa Trans Tiberirn•.] Trans Tiberim, [ubi]b nunc est Saneta Maria176, fuit templum Rauennatium, ubi terra manauit oleum tempore Octauiani im-(S. 90:)peratoris; quod< fuit domus meritoria, ubi merebantur milites, qui gratis seruiebant in senatu. Sub Ianiculo 176 templum Gorgonis. In InsuJad177 templum Iouis et Hesculapü et corpus Sancti Bartholomei Apo-
stoli17S. 28. a so Cenc.; Quando resorse l'olio Itaf. auch Mart.; Insula Licaonia Cenc.-Itaf.
(Ital. c. 19)
b
fehlt G.
c et Cenc.; et kello Ital.
d
so
29. Hec et alia multa templa• et palatia irnperatorum, consulum, senatorum, prefectorumque tempore dictatorum179 in hac aurea179 urbe fuerunt, sicut in priscis annalibush legimus et oculis nostris uidimus et ab antiquis audiuirnus. Quante< essent pulcritudinis, auri, argenti, erisd, heboris ac
preciosorumd lapidum•, scriptis ad posterorum memoriam, [quanto] 1 melius [potuimus]f, reducere curauimus.
e
29. a templum G. b aialibus G. lapideum G. f so Cenc.; Lücke G.
c Quanto G.
d eris et eboris pr.-que Cenc.
C. LIBELLUS DE CERIMONIIS AULE IMPERA TORIS Const. Const.
Vegetius II 6
x. De offtciis imperialibus180 • His itaque prelibatis, nomina et dignitates illorum, qui in excubiis irnperialibus 181 perseuerant, describamus. Comes cesariani palatü, qui est supra comites, qui sunt in mundo, et cui palatii cura commissa est, habet sub se duos comites, comitem prime et comitem secunde cohortis•. Prima cohors1B2 habetmilites DLV, qui debent uigilare et custodire imperatorem usque ad mediam noctem. Secunda cohors similiter habet milites DLV, qui similiter I. a
cohors (sauf Rasur?) G.
I75 Duch. A. I2I. I76 Duch. A. I22. I77 Duch. A. I23.
178 Dorthin von Otto III. überführt. I79 Statt paganorum (MARTIN: civium), wohl im Hinblick auf das folgende Kap., das vom dictator handelt, eingesetzt ebenso wie das folgende aurea statt Romana (MARTIN: Roma), das gleichfalls dem Sprachgebrauch des Libellus entspricht. I8o Vgl. zu diesem Kap. Renovatio I S. I98ff. I 8 I Konstant. Schenkung § I 5 : quemadmodum imperialis potentia offtciis diversis, cubicu-
lariorum nempe et ostiariorum atque omnium excubiorum ornatu, ita et Sanctam Romanam ecc!esiam decorari volumus. I82 Vgl. Vegetius II c. 6 (ed. C. Lang, Leipz. 2 r885, S. 39): Sciendum ... est, in una fegione decem cohortes esse debere. Sed prima cohors reliquas et numero mi!itum et dignitate praecedit. Nam etc . ... Secunda cohors habet pedites DL V, equites LXVI, et appellatur cohors quingentaria. Tertia cohors similiter habet pedites DL V, equites LXVI, sed ... Cohors quarta habet pedites DL V, equites LXVI, sed ... etc.
B. Mirabilia (cap. z8-z9) - C. Libellus de cerimoniis (cap. r)
339
uigilan tb et custodiantb imperatorem usque ad diem. Comes autem cesariani palatii dictator Tusculanensis estlsa. Primicerius 1 B4 palatii habet curam de clauibus totius palatü et [debet] cesse honorabilis apud impera- >>Altere Röm · Richterliste.«
torem, et die noctuque debet existere in palatio. Primicerius, id est prima manus; chera enim greced, latinee manus dicitur, qui 1 apud Grecos papiag uocatur.
( S. 9 I.) Secundicerius, id est secunda manus, apud Grecos uocatur depterosh. In palatio honorabilis est et ibi debet esse die noctequeh. Corone et omnium uestimentorum, que per festiuitates induunturi, debet habere curam. Nunculatork, id est questor, debet habere curam de uiduis et orphanis et omnibus xenodochüs, et apud eum debet disputari de testamentis. Primus defensorl debet habere homines sub se, qui defendant sedemm imperii. Archarius, qui ab archano dicitur, debet scire secreta consilia imperatoris et colligere censumn de prouintüs. Sacellarius debet habere curam monasteriorum et ancillarum Dei et in festiuitatibus introducit honores apud 0 imperatorem. Protoscriniarius, id est primus scriniariorum. Bibliothecarius apud Grecos dicitur logothetaP. Referendarius debet renuntiare, quodq irrscripturn est, ad imperatorem.
Kymiliarchus dicitur custos et conseruator omnium uasorum imperialium185 • Consules in unaquaque prouincia ab imperatoribus constituti sunt, ut subditos f. 36a suos consilio186 / regant, et non amplius nisi per annum' consulatum teneant'. Isid.IX 3. 6 u. 7 b so G. c fehlt G, nach der Richterliste ergänzt. d gco G. e latine prima C, falscher Zusatz zur Richterliste. f quod C. g d. h. papias; die Entstellungen der byzantinischen Titel in diesem Abschnitt fallen z. T. schon der Vorlage zur Last. h d. h. deuteras; deprereu C. i miluuntur (oder uul.) C. k d. h. nomenculator. I dahinter noch einmal: defensor C. o aut C. P logothera C. m sedere C. n ocasum C. q fehlt G. r peranum C. s über der Zeile nachgetragen G.
183 Über den historischen Hintergrund dieser Angabe s. Renovatio I S. 198f. 184 Vgl. P. E. ScHRAMM, Studien zu frühmittelalterl. Aufzeichnungen über Staat und Verfassung in: Zeitschr. f. Rechtsgesch. 49 (6z) Germ. Abt., Weimar 1929 S. 203 f., wo zu dem Abdruck des Stammtextes die Lesarten der verschiedenen Fassungen, u. a. auch der Graphia, angemerkt sind (in Bd. I nicht wiederholt). 185 Über den historischen Hintergrund dieser Angabe s. Renovatio I S. zoof. 186 Vgl. zum folgenden Isidori Hispalensis ep. Etymologiarum sive Originum libri XX rec. W. M. LrNDSAY, 2 Bde, Oxford 1910, n*
wo die Lesarten der Familia II (Italica sive Contracta) zu beachten sind. -IX (3, 6) ... Hinc igitur consules appellati, vel a consulendo civibus, vel a regendo cuncta consi/io. (3,7) Quos tamen ideo mutandos per annos singulos elegerunt, ut nec inso/ens diu maneret, et moderatior cito succureret . . . (3, 8) Proconsu/es suffecti erant consulibus et dicti proconsules eo quod vicem consulis fimgerentur, sicut procurator curatori, id es! actori ... (3, ro) Dictatores ... (3, u). Hi quingennii temporis imperio utebantur. Plus enim erant honore quam consu/es ... Et dicti dictatores, quasi principes et praeceptores. Unde et magistri populi nominabantur ...
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae« ebd. 3, 8 ebd. 3,
II
ebd. 3, 25
Procons u 1 uicem consulis agatt et procuratoru uicem curatoris exequatur. Dictatorper quinque annos imperium tenet, maior quam consul, et secundus post imperatorem. Dicti autem dictatores, quasi principes et preceptores et magistri populi. Patricü ita prouideant reipublice sicut patres filüs. Pater autem et custos imperü patricius et dictator est. t
ebd. XVIII 43, ebd. 44·
agant G.
u procuratam G.
2. De scena et orcistra. In scena, que fit infra• theatrum in modum domush cum pulpito, quod orcistra< uoca tur, cantan t [comici, tragici atque saltan t]d histriones ~t mimi. In orcistra uero< saltator sal ta tf etf duog inter se disputan t. Inh eah poete, comedi et tragedii ad certarnen conscen-
dunt, hisque canentibus alü gestus edunt uirorum et feminarum. 2. a intra G. b damus G. c arcistra G. d so Isidor (jedoch: saltabant); Lücke von etwa IJ-20 Buchstaben G. e autem Is. f agere posset aut Is. g due G. h Ibi enim Is. i trigedi G.
ebd. 47 .
( S. 92.') 3· De offitiis scene. Offitia scenica: tragedi, comedi, theme!ici•, histriones et saltatores. Tragedih antiqua [gesta]< etd facinora seeleraterum regum populo expectanti< luctuoso1 carmine cantantg. Comedi uanorumh acta dictis aut gestu cantant, etd uirginumi moresi et meretricum in
ebd. 48.
suis fabulis exprim un t. Themelicik in organis et liris 1 exprimunt ad cithar as. Themelicik uero in orcistra stantes cantan t super pulpitumm, quod temelan uoca tur. Histriones muliebri indumento
Isid XVIII 45· ebd. 46.
ebd.49· ebd. 5of. ebd. Jz.
amicti gestus inpudicarum et pudicarum feminarum exprimebant187 et saltando res gestas et historias demonstrabant. Mimires 0 humanas imitanturP, et0 habentq suum auctorem. Saltatores in scena ludunt et gestu et corporis fluxu dissoluti, vocibus, modis, organis et liris transigunt'. In 3· a themedici G; neben thymelici auch temelici, themelici Is. b traiedi G. c fehlt G. d atque Is. e neben spectante auch exspectante Is. f neben luctuosa auch so Is. g coneinebarrt Is. h neben privaterum auch so Is. i stupra virginum et amores Is. k Thomelici G; vgl. Note a 1 lires G. pulpitans G. n neben thymele auch temele Is. o rerum humanarum ... imitatores; nam Is. P mutantur G. q habuit G; habebarrt Is. r transibunt G; transiguntur Is. (3, 25) Patricii inde vocati sunt, pro eo quod sicut patres filiis ita provideant reipublicae. 187 In dem wichtigen Cod. Sessorianus (Lueea), saec. VIII, LXIII, e. 72 findet sich derselbe Isidor-Satz als Glosse: Histriones sunt, qui muliebri indumento gestus impudicarum feminarum exprimebant; dazu A. GAUDENZI, I! monastero di Nonantula, il dueato di Persieeta e Ia chiesa di Bologna in: Bull. dell' ist. stor. 37, 1916 S. 473, der das Zitat nicht erkannt hat und die Stelle mit Stu-
dentenkostümierungen zusammenbringen will. - Andere Stellen über das frühmittelalterl. Theater bei F. GREGORovrus, Gesch. der Stadt Rom im Ma. 3 III S. 495ff. (wo die Graphia jetzt jedoch zu streichen ist); über die voraufgehende Zeit s. A. MüLLER, Das Bühnenwesen in der Zeit von Konstantirr d. Gr. bis Justinian in: Neue Jahrb. f. d. klass. Alt. XXIII, 1909 S. 36ff. -Die c. 2-3 sind in: Renovatio I S. 205 f. erwähnt.
C. Libellus de cerimoniis (cap. 2-4) ampitheatrum' pugnant gladiatores; ibi armorum' usum diuerso modo condiscun tu. Ibi uero intra se aut gladiis aut pugnis certantesv, nuncw contra bestias incedentes, ubi non odio, sed premio illectix subeuntY feralez certamen. s apitheitrum G; der falsche Akkusativ durch Zusammenziehen des Isidor- Textes verursacht. trän G. u contradiscunt G; condiscant Is. v otantes G. w modols. x illiciti, das dritte i getilgt G; inlecti Is. Y subeant G. z fetale G.
4· De coronis imperatorum188 • Sicut cesar a cesarie dicitur et augustus ab augendo . di d · et consules a consulendo, et d1ctatores a ctan 0 189 , Slc et imperator dicitur ab imperando,
rx 3 , §§ rz, r6, 6 u. 14.
Isid.
et ycumenicos• ab uniuersalitate190, et monocrator191 appellatur a singularitate. Monos namque grece, latine dicitur unus et singularis, cratorh grece, latine princeps.
( S. 93 .') De coronis autem imperatorum, que et quales quanteque antiquitus fuerint uel a quibus inuente, et quid significent, uideamus. ' . app1um . Isid.XV!In,I. P nma corona est de h er b a appiic, de qua Hercules coronatus est. s·1cut erum 192 resistit uenenis , ita imperator de orbe uenena malicie et nequitie debet expellere et eradicare. Serv. Aen. Secunda de oleastro. Oleon grece, latine misericordia interpretatur 193• Ostendit, VIII12Bsuppl. quia semper imperator debet superexaltare misericordiam iuditio. Et si quando in 4· a ycumenicon G ( y durch die byzantinische Aussprache von o t motiviert); vgl. unten Note 4!. - Die zehn Kronen sind von später Hand am Rande durchnumeriert G. b cratos G. c appi G.
188 Zu dem Kap. vgl. ebd. I S. 202f., 205. 189 Vgl. Isidor IX 3, II: Et dicti dictatores, quasi principes et praeceptores. Unde et magistri popufi nominabantur. Unde et edicta dicunturs. dazu die in Kap. I des »Libellus« genannten Würdenträger. 190 Vgl. zu dieser Angabe: Renovatio I S. 196 A. 3· 191 Belege für das Vorkommen dieses vom Anonymus auch sonst verwandten Ausdrucks s. Thesaurus ling. graec. V S. 1174; der offizielle byz. Titel war Autokrator, vgl. K. BRAND I in: Arch. f. Urkundenforsch. I, Leipz. 1908 S. 36f. Liudprand, Leg. c. 12 u. 17 (Opera, Script. rer. Germ. 8 1915 S. 182, 184) redet inkorrekt von Kosmocratores. 192 Hier und im folgenden ist Isidor zusammengezogen: Apium dictum quod eo apex, id est caput, antiquarum triumphantium coronaba-
tur. Hercufes autem hanc herbam primus capiti circumtulit: nam nunc populum [vgl. die 3· I<:rone] capite praeferebat, nunc oieastrum [vgl. die 2. Krone], nunc apium (vgl. die I. Krone]. Cuius radices efftcaciter pugnant contra insidias venenorum. 193 Vgl. den Zusatz (Ausgabe von A. LION, Göttingen 1826, im Text; Ausgabe von G. THILO, Leipz. 1878, nach Cod. Dresd. bibl. publ. D. 136, saec. XV, als Note) zu Serv. ad Aen. VIII 128: est etiam o!iua per er:vf..lOÄoytav ab SJ.ata id est olea dicta quae a misericordia dicitur id est liJ.eo~; ähnlich zu VI 22 5 : [ oleum ab olea dicitur) vef dno r:ij~ eJ.atar; Jj eJ.dar;, was die Graphia erst verständlich macht. -Vgl. dazu THILO a. a. 0. I 2 S. XCI über diese von ihm (laut der vorliegenden Graphia-Stelle) viel zu spät datierten Zusätze.
342
Isid. XVII u,x u. 7. 45
id.
II, I.
Serv. Aen. VI 772
Isid. XVII 7. 2.
C 3 : »Graphia aureae ur bis Romae«
aliquem mortis sententiam intorserit, sicut Theodosius imperator constituit19\ usque ad quinquagesimumd debet differri sententia et prestolad eius clementia. Quod si in aliquem dampnatum imperator aciem oculorum suorum uerterit, ab imminentie statim periculo liberabitur. Tertia populea: quia sicut folia eius ab una parte sunt alba, ab altera uiridia, ita imperator nocte dieque pro Romaniorbis statu inuigilat1195 ; hanc similiter Hercules adinuenit. Quarta est quercea, de qua Romulus coronabatur: quia sicut quercus glandes gignit, unde hornirres primum uixerunt, ita imperator omnium hominum curam ac si filiorum suorum agere debet, et ob id pater patriae appellatur196 • Quinta corona est laurea, de qua senatores cum laudibus uictorum imperatorum capita coronant; que nunquam deponit uiriditatem; de qua semper imperatores197 coronabantur. ( S. 94.") Sexta est mitra198 , qua Ianus199 et reges Troianorum 2 oo usi sunt, per quam innuitur, quod monocratorg 201 , que ante et que retro sunt, sollicita mente aduertere debet. Septima est frigium 202 ad imitationem regni Troiani, de quo Romanum imperium processit; nam frigium reges Troiani ferre soliti erantzoa. Octaua ferrea, quia [Scipioh], Pompeius, Iulius, Octauianus atque Traianus cum Romanisper ferrum subiugauerant totumi orbem terrarum 2o4 • Nona de pennis pauonum 205 , quam qui fert primus omnium est. Sicut enim auis d -gessimum G. e imineti G. f so oder ähnlich zu verbessern aus inuigilare G. g Monocreator G. h Lücke von etwa 6 Buchstaben G. Ergänzung nach Schluß von c. I9, wo Scipio mit Romulus, Julius und Octavianus zusammen aufgeführt wird. i totam G.
I94 Gemeint ist wohl die von THEODOSIUS nach dem Blutbad von Saloniki erlassene »Lex de dilatione vindictae«; vgl. z. B. CASSIODOR, Histor. eccl. tripart. IX, 30 (MrGNE, Patrol. lat. 69 Sp. II44ff.), Landulfus Sagax (Mon. Germ., Auct. ant. II S. 35I) u. a. m. (dort ist aber von dreißig Tagen die Rede). I95 Diese Auslegung folgt aus derselben Isid.Stelle: Haec ergo bico!or, habens quasi noctis et diei notas, quae tempora ortu solis occasuque constant. I96 Serv. a. a. 0.: querceam autem coronam accipiebant qui in bello civem !iberassent, ideo quia ante causa vitae in hac arbore hominibus juit, qui glandibus vescebantur (vgl. auch: ad Buc. I I 7). I97 IsmoR a. a. 0. hat statt dessen: victores.
I98 Zur Mitra vgl. Renovatio I S. 203 und: Herrschaftszeichen u. Staatssymbolik I, Stuttgart I954 S. 52-98 (diese Stelle S. 7I).
r 99 J anus erscheint auf klassischen Darstellungen mit dem Petasos, einem runden, flachspitzigen Hut, der seine beiden Häupter bedeckt, vgl. W. H. RascHER, Lex. d. griech. u. röm. Mythologie II, Leipz. I89off. S. 5off. 200 Serv. Aen. IX 6I3 schreibt die Mitra den Lydern zu: quem habitum imitati sunt Trojani; vgl. auch Is. XIX 31, 4: Mitra est pi!leum Phrygium ...
20I Vgl. oben Anm. I9I zu cap. 4· 202 Zum Phrygium s. Renovatio I S. I96, 202f. 203 Serv. Aen. IV 2 I 6: utebantur et Phryges et Lydi mitra, hoc est incurvo pi!leo; dazu Is. XIX 3I, 4-5. 204 V gl. die ähnliche Begründung in c. I 3: quia per sanguinem Romani subiugauerunt orbem terrarum.
205 Zur Federkrone vgl.: Renovatio I S. I96, zo6 Anm. 4 und Bd. IV, Anhang zu Abschnitt 2.
C. Libellus de cerimoniis (cap. 4- 5)
343
ad alta substoliturk, ita Romanus imperator superiorem, qui sub celo est, obtinet principatum. Hanc pontifex ycumenicosl 206 ferre solitus est auctoritate imperiali 207 • Decima corona est aurea, gemmis et margaritis ornata20B; quia sicut aurum2o9 Isid.xvr,s,,. reliquis metallis spendidius est, et quo plus aere repercutitur, plus fulget, ita imperator omnibus hominibus, qui sub celo sunt, clarissimus, illustrissimus et splendidissimus. Hier.ada.•99· Hanc Dioclicianus imperator, uisam aurea corona regis Persarum, primus Romanis imperatoribus tradidit; et primus aurum et genunas in uestimen tis e t calciamentis inserui t210 Habet autem corona in circuitu suo scripturn :
»Roma caput mundi regit orbis frena rotundi.«m kso G.
I ycumenicon G, vgl. Note 4a.
m
vgl. Bulle K.
Konrads II.
ursa G.
( S. 9J :) 5. De uestibus imperatorum. Ad indumenta imperialia 212 ueniamus, et primo ~~~:!:.:. de clamide. Clamis est uestis, que ex una parte induitur neque consuitur, sed aureis :fibulis Isid. XIX 24, 2-4 infrenatur. Toga forma est rotunda• et effusioreb et quasi inundantec sinu et sub dextro ueniens super humerum sinistrum ponitur, cuius similitudinem in operimentis simulacrorum uel picturarum aspicimus; easque statuas togatas uocamus. Toga autem imperator et Romani in pace utuntur, belli 5·
a
rotundum G.
b effusione G.
zoG V gl. dazu die etymologische Erklärung am Kapitelanfang. 207 D. h. durch die Konstantinische Schenkung, s. dazu: Renovatio I S. 196. 208 Vgl. die ähnlichen, an die Vulgata angelehnten Wendungen in cap. 5· 209 V gl. Is. a. a. 0.: Aurum ab aura dictum, id est ab splendore, eo quod repercusso aere plus fu/geat. 210 Vgl. M1GNE 27 Sp. 659. Die Angabe: Primus Diocletianus adorari ut Deum se iussit fehlt bezeichnender Weise. Die Stelle, die auf eine (1884 von ENMANN nachgewiesene) verlorene Kaisergeschichte zurückgeht, wurde benutzt von AMM1ANUS (15, 5, 18), von AuRELIUS V1CTOR (39, 2-4), von CASSIODOR (Chron. zu 298; Mon. Germ., Auct. ant. XI S. 149), von EuTROP (IX 26; ebd. II S. 166) und von JoRDANES (Rom. § 299; ebd. V S. 38). H1ERONYMUS ist also vielleicht nicht unmittelbar herangezogen. Zu diesem Zitat und seiner Benutzung vgl. A. ALFÖLDI, The Helmet of Constantine with the Christian Monogram, im Journal of Roman
c inundate G.
Studies 22, 1932 S. 12 mit Anm. 3 und Ders., Die Ausgestaltung des monarch. Zeremoniells am römischen Kaiserhof, in den Mitteil. des Deutschen Archäol. Inst.s, Röm. Abt., 49, 1934 S. 6, 8. 2rr Zu diesem Vers, der in cap. 5 noch einmal beim Gürtel des Kaisers erwähnt wird, vgl.: Renovatio I S. 203 f. 212 Vgl. Konstant. Schenkung § 14: ... concedimus ipsis sanctis apostolis ... diadema vide/icet coronam capitis nostri (vgl. cap. 4) simufque fry g i um (vgl. ebd.) necnon et superhumeralem, vide/icet lorum, qui imperiale circumdare adso/et co//um (vgl. cap. 6) verum etiam et clamidem purpuream atque tunicam coccineam et omnia imperialia indumenta (vgl. cap. 5 Zeile 1) ... , conferentes etiam et imperialia sceptra (vgl. cap. 12), simu!que et conta atque signa, banda etiam et diversa ornamenta imperia/ia et omnem processionem imperialis culminis (vgl. cap. 1o) et g/oriam potestatis nostrae. - Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I s. 205 f.
C 3: »Graphia aureae urbis Romae«
344 ebd.
8-10.
autem tempore paludamentisd. Mensura autem toge juste sex ulnase habet. Trabea imperatoris est toge species ex purpura et cocco, qua opertiimperatores 213 procedere debent. Hanc primum Romulus adinuenit ad discretionem regum habitus. Trabea autem dicta, quod in maiorem gloriam imperatorem 214 transfera t et ex tune et in posterum amplioris honoris dignitate beatum faciat, et monocratorem omnium designat. Paludamentumimperatoris est insigne pallium, cocco, purpura et auro dilstinctum. Est autem pallium bellicum, quod eo indutus imperator manifestat bellum futurum; paludamentum uero cyclas1 circumtextum est et rotundum215 •
vgl.
Imperator ferat camisum, ex subtilissimo et candidissimo
Vulgata.
Constitutio Constantiul. Isid. XIX zr, 4
bisso contextum 216 , cum
aurea bulla, ornatum a pedibus ad mensuram bracchü in circuitu de auro frigio 217 . Habeat et tunicam coccineam218 auro, gemmis et margaritis pretiosis ornatam, a scapulis, collo, pedibus et manibus habens ad pedes LXXII tintinabula, totidemque mala punica aurea 219 .
(S. g6:) Balteum22u, id est strophlum 221 imperatoris, sit factum ex auro et lapidibus preciosis, habensg LXXII tintinabula ad similitudinem floris mali punici facta 222 et semicinthla 223 aurea eodem modo facta et in utroque capite baltei rotam auream, d
g
paluda mentis G. habent C.
e
Lücke von etwa J Buchstaben G; ergänzt nach Is.
3 Statt: Romanorum reges bei Isidor. 2I4 Statt: hominem bei Isidor. 2I5 Zusammengezogen aus: Circumtextum est, quod Graece uvxll.d, dicitur ... Circumtextum autem dictum, quia est rotundum pallium. Auch sonst ist Isidors Text gekürzt worden. 216 Vgl. Is. XIX 27, 4: Byssusgenus est quoddam lini nimium candidi et mollissimi. - Der folgende Abschnitt zeigt eine weitgehende, durch kursiven Druck verdeutlichte Wortverwandtschaft mit der Vulgata, bes. mit den Exodus-Angaben über das hohepriesterliche Gewand, ohne daß bestimmte Stellen ausgeschrieben sind. Vielleicht stammen außer den seltenen Wörtern und der ständigen, bibelähnlichen Wendung: auro, gemmis et margaritis pretiosis noch weitere Ausdrücke wie: in circuitu, ante et retro aus dieser Quelle. 2I7 Aurum Phrygium, Aurifrisium war die Bezeichnung für die Verzierungen aus Goldborte, Stickerei oder Gewebe an den geistlichen Gewändern wie Amikt und Albe und an der Mitra, welche schon vor der Zeit des 2I
2I
8
2I
9
220 22I
222
223
1
ciclada G.
Libellus nachzuweisen sind; vgl. J. BRAUN, Die liturg. Gewandung im Okzident und Orient, Freiburg i. B. I907 S. 36, 79ff., 470. V gl. die in A. 2 I 2 zitierte Stelle der Konstant. Schenkung. Isidors Angabe bezieht sich auf das Gewand »Mahil« des Hohenpriesters, dem schon vor dem Libellus der Herrschermantel angeglichen worden ist. - V gl. hierzu und zum Folgenden die Bemerkungen: Renovario I S. 205 A. 4 und: Herrschaftszeichen a. a. 0. II S. 554-9 ( tintinuabula) und S. 578 ff. (Hohepriestermantel des Kaisers). Balteum als Gürtel des Hohenpriesters in Exodus usw. Is. XIX 33, 2-3 scheidet: Balteum cingulum militare est . . . und: S trophium est cingulum aureum cum gemmis. Vgl. Exodus 39, 5f. (s. auch 28, 8): et balteum ex eisdem coloribus, sicut praeceperat Dominus Moysi (sc. de auro, hyacintho et purpura). Paravif et duos Iapides ... ; s. auch 39, 28 (vgl. 28, 39-40). Vgl. ebd. 28, 33-4 = 39, 23-4.
C. Libellus de cerimoniis (cap. 5-6)
345
lapidibus preciosis et margaritis ornatam, habens in circuitu rote scripturn: »Roma caput mundi regit orbis frena rotundi.« 224
cf. Bulle K. Konrads I!.
In medio uero rote sit sculptah triphariai thema orbis: Asia, Africa, Europa. Dalmatica225 imperatoris est diarodina 226 ex auro frigio cum aquilis aureis et margaritis compactis ante et retro, habens in se CCCLXV tintinabu!a aurea. Hepyloricum 227 imperatoris oxydeauxitumk 228 sit factum cum aquilis et margaritis fabrefactis ante et retro. Manturn aureum imperatoris habeat zodiacum aureum 229 , ex margaritis et lapidibus preciosis compactum; in cuius ftmbria sint CCCLXV1 tintinabula aurea, ad sirnilitudinem jloris mali punici facta, totidemquem mt~la punica. Habeat et zancas aureas cum aquilis IIIIor ex margaritis compactis, quarum cinctorian sint de auro et preciosis lapidibus et t:/!argaritis, habentes XXIIIIor tintinabula aurea ad sirnilitudinem jloris ma!i punici facta. Calcei imperatoris 230 sint de auro frigio et Margaritis ac lapidibus preciosis, de quibus inibi sint facte aquile et leones et dracones 231 • so G statt sculptum, da thema wohl für ein Femininum gehalten ist. i triphara G; vgl. dazu die vorige Note. k oxy deauxitum G. 1 CCCLV G, aber vgl. fünf Zeilen vorher die richtige Zahl. m teti deque G. n cintoria G.
h
(S. 97:) 6. De loro• et frigioimperatoris 232 • Habeat autem imperator lotum in collo et frigium in capite, nec non torquem auream, armillas, brachialia et dextralia 233 • 6. a loco G.
224 Vgl. oben S. 343 Anm. ZII. 22 5 V gl. Is. XIX 22, 9 als tunica sacerdotalis aufgeführt. 226 Vgl. unten cap. I3. 227 Zum Epiloricum s.: Renovatio I S. 205 A. 4· 228 S. DucANGE: Gloss. lat. VI S. 82. 229 Vgl. zu dieser Angabe: Renovatio I S. 206. 230 Vgl. Isidot XIX 34, 4 übet die kaisetlichen calcei, wo andere Angaben gemacht sind. 23 I Aus Adler, Löwe und Drachen setzte sich das Feldzeichen der alten Sachsen zusammen: signum . . . sacrum, leonis atque draconis et desuper aquilae volantis insignitum effigie (Widu-
kind I cap. X, ed. P. HIRSCH- H. E. LoHHannover I935 S. I8; Script. in us. schol.). Daß der Verfasset des »Libellus« davon etwas gewußt hat, ist wohl ausgeschlossen. 232 Zu diesem Kap. s.: Renovatio I S. 205 A. 4; vgl. dazu aus der S. 343 Anm. 2I2 zitierten Stelle der Konst. Schenkung: frygium necnon et superhumeralem videlicet lorum, qui imperiale circumdare adsolet collum und die Bibel, in der die am Schluß aufgezählten Königsabzeichen wiederholt genannt sind. Dazu: Herrschaftszeichen a. a. 0. I S. 32· 233 Vgl. c. I5: armillas, torqueset dextralia ... MANN,
Constitutio Constantini.
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
7· De anabulo 234 imperatoris. Habeat autem• supra omnia vestimenta sub mantu anabulum aureum, gemmis et margaritis pretiosis ornatum, quod summum est omnium indumentorum, sirre quo nunquam aliquando debet proferre sententiam, alioquin irrita erit. 7· Isid.XVIII2,;.
a
autem omnia G.
8. De tropheo et triumpho, et quid distat inter tropheum et triumphum235 , Si hostem imperator fugauerit, habebit• tropheum; si occiderit, habebit triumphum. Plene enim uictorie debetur triumphus, semiplene tropheum, quia nondumb plenam uictoriam est consecutus. Non enim optinuit, sed fugauit exercitum. 8.
hebebit G.
a
b so Is.; nundum G.
9· De tranquillo triumpho imperatoris 236 • Tranquillum autem triumphum appellatur, quando imperatortriumphans auream urbern ingreditur [tripertito•] iuditio honoratur. 9· Constitutio Constantini.
a
so Is.; Lücke für etwa 8 Buchstaben G.
Io. De triumphali processione imperatoris 237 , Triumphans imperator, coronatus lauro et arnictus purpura, ante senatum populumque ... a ex eo, quod soliti erant reges Troianorum, unde Romani originem ducunt2 3 B. Io.
Isid.XVII!z,4. ebd.xVII7,,,
a
Lücke für etwa
IO
Buchstaben G, zu ergänzen etwa: Romanum procedat.
II. De aurea palma 239 • Si autem imperator conflictu uicerit, aurea palma coronari debet, quia palma stirnulos habet. Ideo enim palmam portat in manibus ob insigne uictorie, et quia obpansis• est ramisb inc modumc palme hominis, procero et decoro uirguJtod, diuturnisque uestitae frondibus, et folia sua sine ulla successione conseruans. II, a
ob pausis G.
b nimis G.
c imodum G.
234 Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 205 A. 4; s. auch Isidor XIX 25, 7: Anaboladiwn, der hierzu andere Erklärungen bietet. Die Anweisung: supra omnia vestimenta sub mantu weist auf den geistlichen Amikt hin, der in Rom bis in das XI. Jahrh. Anabolagium ( Anagolaium, -agium) genannt wurde; s. BRAUN, a. a.O. S. 48. Dies liturgische Gewandstück wurde in der Form eines Halstuches so angezogen, daß sein oberer Rand erst hoch geklappt und zuletzt nach dem Anlegen der Obergewänder über diese ausgebreitet wurde; vgl. ebd. S. 35· Die Ausdeutung des Anonymus bewegt sich in den
d uirgultu G.
e uetusta G.
Bahnen der mittelalterlichen Liturgiker, deren Angaben BRAUN a. a. 0. S. 7rof. zusammengestellt hat. 235 Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 207. Die Überschrift nach der Isidors zu XVIII 2: De triumphis; vgl. ebd. § 3 die irn Libellus frei nachgebildeten Angaben: Nam ab eo quod hostem quis fugasset, merebatur tropeum; qui occidisset, triumphum.
236 Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 207. 237 Zu diesem Kap. vgl. ebd. I S. 207. 238 Vgl. c. 4 zur 7· Krone: .. . regni Troiani, de quo Romanum imperium processit.
239 Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 207.
C. Libellus de cerimoniis (cap. 7-r 3)
(S. 9S:)
12.
347
De purpura et palma et toga et scipione et aquila imperatoris 240 . Si Isid.xvrrr.,<~o
sine conflictu fugientem prostrauerit, lauro coronatur, eo quod arbor sine spinis est. Nam et purpuream et palmatam togam triumphans Augustus utitur 241 ferens sceptrum• in manub ebd. 5• ad imitationem uictorie Scipionis. Super scipionem aquilam auream euro gemmis oculis ferre debet ob inditium, quia sicut aquilac omnibus auibus [pre]uolatd, ita imperator per uictoriam omnium ore ad superna extollitur 242 . 12.
a sceptram G.
b manum G.
c aquilä G.
d
uolat G.
13. De diarodino imperatoris et laberintho aureo facto• in eob 243 . Unde diarodino
utitur ad irnitandum diuini ignis effigiem, qui semper ad alta extollitur, et quia per sanguinem Romani subiugauerunt orbem terrarum 244 . Habeat et in diarodino laberinthum245 fabrefactum ex auro et margaritis, in quo sit Minotauros 246 digitum ad os 13.
a
facta G.
b
ea G.
240 Zu cap. r2 vgl.: Renovatio I S. 207. 241 Statt IsmoR: induebantur, wodurch der falsche Akkusativ erklärt wird. 242 Über den historischen Hintergrund dieser Angabe s. ebd. I S. 203; bei Isidor lautet die Begründung für den Adler: ob indicium quod per victoriam quasi ad supernam magnitudinem accederent.
243 Zu cap. r 3 vgl.: Renovatio I S. 205 A. r. 244 V gl. cap. 4 zur 8. Krone: qttia . .. cum Romanisper ferrum subiugatterant totum orbem terrartlln.
245 Über das Labyrinth und seine Auslegung im Mittelalter vgl. E. C[AETANI]-L[ORATELLI ], I labirinti e il Ioro simbolismo nell' eta di mezzo in: Nuova Antologia di scienze, lettere ed arti Jahrg. rr 2: 3. Serie vol. 28, Rom r89o S. 709-13, auch in: Miscellan. archeol., Rom r89r S. r99ff.; E. MüNTZ, Etudes iconograph. et archeol. sur Je m. a. I. Ser., Paris r887 s. I4-20; Jos. SAUER, Symbolik des Kirchengebäudes u. seiner Ausstattung in der Auffassung des Ma.s, Freiburg i. B. 2 1924 S. 324, 350, 452f. Vgl. ferner: Miniature sacre e profane dell' anno roz3 illustranti l'enciclopedia mediovale di Rabano Maure, Montecassino r896. Tav. 87 eine Abb. des Labyrinths, neben dem der Minotaurus als Mann mit einer Keule steht, sowie: Inventaire des mosaiques de Ia Gaule et de l'Afrique I, Paris
I9II ff. Nr. 47, 952, rop über französische Minotaurus- u. Labyrinthdarstellungen. 246 Auf dem Kaisermantel Heinrichs II. in Bamberg befand sich ursprünglich auch ein Bild des Minotaurus, wie sich aus der Beischrift zur Figur des Persens ergibt; nur bildet er hier ein Teilstück in einem astrologischen Zyklus - vgl. dazu jetzt: (Sigrid MüLLER-CHRISTENSEN) Sakrale Gewänder des Ma.s, Ausstellungskatalog, München 195 5 und P. E. S.- Florentine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige u. Kaiser, ebd. r962 S. r63 mit Abb. 130 (dort die neuere Lit.). Gegen Darstellungen des Minotaurus polemisieren im Anschluß an Fulgentius die Libri Carolini III c. 23 (Mon. Germ., Conc. II Suppl. S. r 52): Minotaurum semibovem semivirttmque. Solche Gestalten begegnen trotzdem in der mittelalt. Kunst (auch als Evangelist Lukas, Faun usw.). In der antiken Kunst kommt der Minotaurus beim Mahl mit zum Maul geführter Hand vor; vgl. z. B. S. REmACH, Repertoire de la statuaire III, Paris 1912 S. 467b; das könnte möglicherweise Anlaß zu der Angabe: digitum ad os tenens gegeben haben. Zu der Deutung des Anonymus ist Sextus Pompeins Festus: De verbarum significatu, Leipzig 1913 S. 135: Minotaurus zu vergleichen, da nach diesem die Pläne der Füh-
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
Isid.XVIII 3,4.
tenens, ex smaragdoc factus 247 , quia, sicut non ualet quis laberinthum scrutare, ita non debet consilium dominatoris propalare. ( S. 99 :) Habet autem imperator cum aquila et pallam248 auream in manibus suis, sicut constituit Octauianus imperator propter nationes sibi in cunctod orbe subiectas, ut malurne figuram orbis designet. c
ebd. 4, 1-2. u. 5
maragdo G.
d cuncta G.
e so ital. Hs. des lsidor statt maius.
De bucinis et diuersis generibus musicorum 249 imperatorem comitantium•. Sint autem in expeditione eius bucine, tube, classica, cornua, timpana 250 et omnia genera musicarum et omnia genera armorum. q.
14.
a
comitatum G.
15. De ordinatione militum 251 • Milites calcaria accipiunt a tribuno, loricam a dictatote, lanceam et scutum a capidoctore, caligas ferreas a magistro militie, galeam cristatam 252 a cesare, cingulum militare cum signis, gladium, anulum, armillas•, torques et dextralia 253 ab imperatore. I
Isid. xvnr u, 1-J.
5.
ebd.
1,
'· j6.
l7·
armilas G, doch vgl. c. 6.
Differentia [clipeorum]• 254 .Clipei sunt maiores scuti; scuta sunt, que in medio habent umbonem, id est umbilicumb. Equites ferunt scuta, pedites autem clipeos. Ancilia sunt breuia et rotunda scuta. Pelta sunt brevia scuta in modum lune medie facta. x6.
16.
ebd. xn
a
17.
a
fehlt G, wo Lücke für etwa 7 Buchstaben.
b ubilicum G.
De equis 255 • Equorurn tria sunt genera: unum generosum, preliis et oneribus• aptum, alterum
gregarium ad vehendum, non ad equitandum aptum, tertium ex permixtione diversi generis ortum ut mulus, qui iugo pistorum subactus molendo tardusb duci t in giro molas. 17. a omnibus G.
247 248
249
250
b so und tardas ls.
rer den andern ebenso dunkel sein sollen wie das Labyrinth des Minotaurus. Vgl. dazu IsmoR XVI 7, r. Statt IsmoR: pilam, entsprechend dem mittelalterlichen Ausdruck pa/Ja für den Reichsapfel; vgl. P. E. S., Sphaira - Globus Reichsapfel, Stuttgart 1958 S. 2f. (zu dieser Stelle S. 78). V gl. cap. 19: augustus diuersis musicorum generibus se comitantibus, ähnlich auch in cap. 14 selbst. - Vgl. zu diesem Abschnitt: Renovatio I S. 207. Daß im Vorausgehenden tatsächlich IsmoR benutzt ist, ergibt die gleiche Reihenfolge
der Instrumente und der Anschluß an das Zitat in cap. I 3. Die Tympana sind bei Isidor III 22, ro, aber auch häufig in der Bibel erwähnt. 251 V gl. zu diesem Kap.: Renovario I S. 20 7 f. 252 Bei IsmoR XVIII 14, 2, also in der Nachbarschaft der voraufgehenden Stellen im Zusammenhang mit der Rüstung besprochen, aber doch wohl selbständig angeführt. 253 Vgl. cap. 6: ... torquem auream, armillas, brachialia et dextralia.
254 Zu diesem Kap. vgl.: Renovario I S. 207. 255 Zu diesem Kap. vgl. ebd. I S. 207.
C. Libellus de cerimoniis (cap. I3-I8)
349
Colares autem eorum diuersi sunt: vadiusc, aureus, roseus, mirteus, ceruleusd, gelbus•, ebd. r, 4 s. \glaucus, scutulatus, canus, candidus, albus 1, guttatusg, niger. f.;p. c badius ls. ratus G.
d so und cervinus ls.
c
so und gilvus ls.
f
albius, i getilgt G.
g gut-
r8. De eunuehis 256 • Eunuehorum multa sunt genera. Alii dieunter falcati, quibus falce aurea uel argentea uirilia abscinduntur•, alii inguinariib 257 , (S. IOO:) alii spadonesc, alii thomii. Eunuehus 258 dicitur eubicularius, latine eamerarius: a greeo, quod est eune, et latine sonat leetus siue eubiculum, ab eune et echod, id est habeo: ut sit eunuehus, qui leeturn habet uel eubile, id est prepositus leeti uel eubilis• sicut elidueos 1, qui claues habet. Cum itaque integrig uirig tale amministrarent offitium, postmodum principes metuentes uxorum eorruptiones exeogitauerunt euirationis diuersa genera, eunuehi nomine remanente. Et quidam dieuntur spadonesh, quibus testes abrupti sunt vel auulsi, a greeo verbo, quod est span', quod est abrumpere uel auellere. Alii dieuntur thomii, quibus testieuli euro eadureok abscisi sunt, a uerbo tempnol, quod est secom, unde 259 thomen, id est themesis 0260 , id est diuisio. Hee uero Isid. IV 9 , , omnes speeies eesionis cirurgia dieuntur, quod est propie manus operatio: cheyr, id estmanus; ergon greee, latine opus. Thomii autem sunt principes eunuchorum. Si 261 quis ciuem Roman um uel aliquem liberum eunuehizare presumpserit, capite puniatur. Eunuchos licet faeere de Senonibus Gallis 262 , de seruis et de his, qui mares sue libidiniP aptant. r8. a absciduntur G.; vgl. unten Note a. b ynguanarii G; vgl. unten Note Ill z. c sudones G; vgl. Note Ill h. d etho G. e cubili G. g integrituri G. f vgl. u?.eu5ovxo<; h spadanes G; vgl. Note IIJ c. i vgl. anav k cardudo G; s. unten I 8 b; 1 vgl. Tefi:vo m cebo G. n thomo G; thomum in vielen Hss. ls. (s. dazu unten Anm. 2J9). vgf. TOfi.TJ P libidinis G. o vgl. T flfiat<; 256 Zu diesem Kap. vgl. ebd. I S. 21of. 257 In dem Glossar des Papias (vgl. unten S. 395 ff. auch: Renovatio I S. I97 A. 2,
26o Papias: Temesis est ttnius compositi vel simplicis verbi sectio etc. 26I Zu den beiden folgenden Sätzen vgl. s.:
danach jünger als der »Libellus«) heißt es:
Renov. I S. 2IO A. I; der erste von ihnen folgt unten noch einmal in fast gleichem Wortlaut, vgl. unten S. 35off. A. 26r. 262 Hier ist der Volksstamm der Ga!!i S enones (Senones Galli, auch Senones allein, fälschlich Semnones), über den zu vergleichen sind A. HoLDER, Alt-Cehiseher Sprachschatz II, Lpz. I904 S. I485 ff. und PAuLYWrssowA, Realencycl. der dass. Alt. wiss. 2. Reihe II 2 S. 147 4ff.) zusammengeworfen mit den Ga!!i, den entmannten Priestern der Cybele. Papias behandelt die Galli Senones und die Galli(Gali) hintereinander. Es liegt daher nahe, das Mißverständnis auf
I nguina partes sttnt corporis iuxta pudenda, Iatinum est; inde inguinaria. - Nicht weiter hilft
hier E. MAASS, Eunuchos u. Verwandtes in: Rhein. Museum f. Phi!. N. F. 74, I925 S. 432ff. 258 Vgl. Is. X 93: Ettnttchtts Graecumnomen est, quod est spado; so auch PAPIAS (unten Abschnitt EG), wo es weiter heißt: Horum qttidam coeunt, sed tantttm virus emitttmt, sed ad gignendum vanum; ferner: Spado eunuchus castratus; und: Cubicularius custos cubilis. 2 59 Vgl. Is. IV I I, 2: nam incisio Graece TOfi.TJ dicitur, vgl. dazu oben Note I8 n.
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
Super omnes uero eunuchos eunuchi falcati principatum tenentq; ipsi enim filias monocratoris custodiunt decoris< forma et sine ulla macula. Eos oportet esse eruditos omni scientia et doctrina. Isti presunt omnibus eunuchis; vescantur' ergo cibo imperiali' et de vino augustali potentu et ad obsequium suum alias eunuchos, non tarnen falcatos, habeant. Qui vero deliquerint, nudi verberentur. Nullam aliam curam eunuchi debent habere nisi illarum tantum, que ad palatiumv monocratoris attinent et ad obsequium basilissew et imperatricis et filiarum eius. Et hanc curam falcati tantum habere debent. Sunt ( 5. IOI :) enim eunuchi falcati, qui uricesx, id est testiculi, et columY precisum habent. Sunt et eunuchi inguinariiz 263 , quibus uricesx ab inguine 263 abscinduntur•. Hii in obsequio et seruicio matronarum sunt. Si 264 quis autem aliquem ingenuum eunuchizare presumpserit, iuxta diui Octauiani 265 edictum capite puniatur. Hii autem, qui eunuchizandi sunt, extra urbem a ganeis, id est meretricibus 266 , deponantur in balneum calidum, et duabus uel tribus ganeis cheonb et cadurcumc fomententur, usque qua nerui uricum bene extendantur, et sie opiato uino soporati cum falce aurea vel argentea, ignita et acutissima [eunuchizentur]d ... q Vier Zeilen vorher dieselbe Angabe zu thomii. r decori G. s vesciti G. t inperali G. u petentur G. v palatiam G. w balilisse G. x vgl. o'Ö!]1J7:1JI] usw. Y vgl. uwAov, bei Is. XI I, IOI jedoch = longao. z inguinati G; vgl. Note I8 b: ynguanarii. a absciduntur G; vgl. oben Note a. b so G. c cadurdum G; so oben I8 k. d eliva 25 leere Zeilen, d. h. ein Stück von der Länge wie etwa c. 20. Es fehlt außer dem Schluß von c. I8 auch der Anfang des neuen Abschnittes, in dem ein Datum zu vermuten ist, worauf similiter im nächstfolgenden Absatz hindeutet- über die sich daraus ergebenden Folgerungen s.; Renovatio I S. 208 A. I.
I9.
De processione imperatoris 267.
•
•
primus scriniarius, archarii, sacellarii, proto scriniarii•, bibliothecarii, cymiliarche, principes, comites templorum 268 et omnes maiores et minores ... b et liliis adornati ad cesarianum palatium monarchie incedant; ibique fausta, id est laudem, omnium dominatori acclamantes prestolentur monocratorem. Ad quos idem augustus diuersis I9. a proto scrin. G.
263 264 265
266 267
b
Lücke für et1va I J Buchstaben G.
die Benutzung eines Glossars zurückzuführen. Vgl. oben S. 349 Anm. 257. Vgl. oben S. 349 Anm. 26r. Von einem solchen Gesetz des Augustus ist nichts bekannt; S. PAULY-WISSOWA a. a. 0. r. Reihe III S. 177 2f. sub: castratio. Papias; ganeae: meretrices, quae morantur in occultis et subterraneis locis a.no rry~ YYJ~, a terra. Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 208 f.
268 Von diesen Würdenträgern erscheinen die archarii, sacellarii, protoscriniarii, bibliothecarii, cymiliarche in cap. r - und zwar in derselben Reihenfolge. Da im Text ursprünglich kaum prim1u scriniarius gestanden haben kann, weil gleich danach die protoscriniarii genannt werden, ist hier vielleicht entsprechend cap. r der primus dejensor anzunehmen.
C. Libellus de cerimoniis (cap. r8-r9)
351
musicarum generibus se comitantibus 269 egrediens salutat ornnes et usque ad terram resalutatur ab eis. Sicque (Capitolium]c aureumd conscendens, roseam coronam in capite accipiat, sicque per urbem trabeatus incedens aduesperascente ad cesarianum palatium redeat. Ine kalendis autem iunii similiter faciant1• (5. 102.') In militiam ascripti ad exercitum mittantur; et monocrator precelsus ex corona liliorum coronabatur; et puluis mortuorum cum ossibus ante eum ponebatur, et btuppag ad figuram iuditii ante eum incendebaturh. Ornnes 270 munitiones, ornnes artes, ornnes portus aquarum, pontes, fortitudinesi, luppanaria, burgi, clibana, aque molendina, vene metallorum ornnium sunt ... k monocratoris. Nulla dignitas, nulla potestas, nullus uiuens in orbe Romano, nec ipse etiam precelsus monocrator Capitoliuml Saturni, qui caput urbis est, conscendere ualeat nisi alba ueste indutus. Quando autem omnium dominator Capitolium Saturni et ] ouis ... m conscendere uoluerit, imitatorn Iulii Cesaris purpuram albam accipiat et omnibus generibus musicarum uallatus, hebraice, grece, et latine fau Ista acclamanti' bus, Capitolium aureum conscendat. Ibique ab omnibus usque ad terram tribus uicibus salutatus, pro salute monocratoris Deum ... o, qui illum orbi Romano prefecit; descendens uero de Capitolio ... P cesariano purpuramq albam deponat et prioribus uestimentis rursumr amictus ad cesarianum palatium redeat. Nullus in aureo Capitolio absque ramo oliue conscendere audeat, quod est pacis insigne, et semperintra urbem togis utantur. Cyrothece 271 monocratoris sint ex auro frigio candidissimo facte, habentes ex auro et gemmis' ac lapidibus preciosis in una cyrotheca Romulum cum Scipione, in alia Iulium cum Octauiano. Solus 272 imperator est, qui per' Deum omnium obtinet potestatem et omnium iura c Lücke fiir etwa 8 Buchstaben; zur Ergänzung vgl. den drittfolgenden Abschnitt. d auream C. darunter war erst et1vas anderes geschrieben. l dahinter Sch!t1ß der Reihe frei gelassen; Absatz oder Lücke von etwa 20 Buchstaben G. g stupa G. h incedebatur G. i fortitudine G. k Lücke für etwa 8 Buchstaben G. I Capitalium G. m Lücke fiir etwa 6 Buchstaben G; vielleicht templum zu ergänzen. n imitatorii G. o Lücke für etwa I J Buchstaben G; es fehlt ein Prädikat wie orat. P Lücke für etwa I o Buchstaben G; vielleicht ist zu ergänzen cap. Saturni more ces. q pulpam G. r cursum G. s genmis G. t p' G. e
269 Vgl. cap. 14: De ... diuersis generibus musicarum imperatorem comitantium. 270 Zu dem folgenden Satz vgl. Renovatio I s. 209f. 271 Zu dem folgenden Satz vgl. Renovatio I S. 205 A. r. Die Ausdrücke ex auro frigio usw. entsprechen c. 5 ; zu den Eigennamen
vgl. c. 4: Octavianus statt Augustus und der Titel Monocrator sind für den Sprachgebrauch des Anonymus bezeichnend. 272 Zu dem folgenden Satz vgl. Renovatio I S. 209f.; vgl. Ovid, Metam. VI v. 223: ( equos) gravidis moderan/ur habenis.
·37 b.
sid. XVII 7,62
C 3: »Graphia aureae ur bis Romae«
35 2
legesque clispensat et omnium moderatur habenas 271 et qui ab omnibus usque ad terram est salutandus. Eunuduu 273 au die deuirationis sue ita aurisv monilibus, gemmis et indumentis ornenturw sicut uirgines, et semper locusx absci,ioni& balsamo perungaturY. u Eunuchia G. Zeilen G.
v
aurum G.
w
orrietur G.
x locum G.
Y
dahinter fünf freie
(S. IOJ.") 2o. Qualiter patricius sit faciendus2 74 . Patricü ergo clignitas taliter clisponenda est, quatinus illa clignitas non uili persone nec alicui concedatur ignoto. Sit enim ualde notus imperatori, sit fidelis et prudens, non elatus. Protospatharius ueniens ante imperatorem osculetur suum humerum et clicat: »Maxime imperatorum, adest, quem uocasti.« Tune stet ad sinistram imperatoris illius• yparchus•, quem nos dicimus prefectumh, et clicat ei imperator: »Cum protospathario futurum patricium adducitoc.« Dum autem uenerit patricius, in prinlis osculetur pedes imperatoris, deinde genu, ad extremum osculetur ipsum. Tune osculetur omnes Romanos circumstantes, et clicant omnes: »Beneueniatis.« »No bis nimis laboriosum esse uidetur, concessum nobis a Deo nlinisterium med solumd procurare. Quo circa te nobis acliutorem facimus, et hunc honorem conceclimus, ut ecclesüs Dei et pauperibus legem facias et ut inde apud altissimum iudicem rationem reddas.« Tune induat eie manturn et ponat ei in dextra1 inclice anulum et det ei bambacinum 275 propia manu scriptum, ubi taliter contineatur inscriptum :" »Esto patricius nlisericors et iustus.« Tune ponat ei in caput aureum circulum et dinlittat eum. 20. a yparchus illius Cod. Vat. 49I7(= Cod. Vat. I98J); vgl. Vorwort, hier mit V I und V 2 bezeichnet. b perfeeturn G. c abducito G. d nos solos außerdem darübergeschrieben G. e eum imperator V 2. I dextre V 2.
Qualiter iudex constituendus sit276 • Quando iudex constitui debet, ueniat autem• ad imperatorem, et ducatb eum
21.
21. a
fehlt V
2.
b
inducat V
2.
273 Der folgende Satz gehört zu c. r8. 274 Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 213f. 275 Vgl. dazu G. PrcCARD, Carta bombycina etc. - ein Beitrag zur Gesch. der Beschreibstoffe im Ma., in der Archiv. Zeitschrift 6r, !965 s. 46-75· 276 Vgl. dazu: Renovatio I S. 212f. Die dort genannte päpstliche Formel für die Einsetzung des Richters lautet: Qualiter iudex et scriniarius a Romano pontiftce insti-
tuantur. Cum presentatur domno pape i/Je, qu judex est ordinandus, examina/ur prius a cardinalibus, qualiter se in fegum doctrina intelligat, et si legitime natttS fuerit et laudabiliter conversatus. Qui, si idoneus repertus fuerit omnium, et fidelitatem secundum consuetudinem Romanorum domno pape humiliter exhibet. Sed in ejus Juramenta hoc additur: »Causas, quas judicandas suscepero, post plenam cognitionem malitiose non protraham, sed secundum Ieges et bonos mores,
C. Libellus de cerimoniis (cap. 19-22)
353
primicherius. Tune dicat imperator: »Primicheric, uide, ut non sit seruus alicuiusd neque ita pauper, ut meame perdat animam in acquirendam sibi pecuniam.«1· Tune dicat imperator iudici: »Caue, ne aliqua occasione Iustiniani sanctissimi antecessoris nostri legem subuertas.« Et ille econtra: »Perpetuis maledictionibus percuciar, si hoc fa-(5. 104.)ciam!« Tuneimperator faciat eum iurare, quod nullag occasioneg subuertat legem. Tune induat eumh imperator manturn et conuertat fibulam ad dextram partem et clausuram manti ad sinistram significans, quod lex: ei debeat esse aperta et falsum testimonium clausum; et det ei in manum librum codicum et dicat: »Secundum hunc librum iudica Romam et Leonianam orbemquei uniuersum,« et det ei osculum et dimittat eum. c
f
Primicherie V pecunia G.
2.
g
d aliucuius, das erste u getilgt, G. nunquam occasionem V I.
h
e inea (sc. meam) V so alle.; ei in c. 20.
I;
i
mea G;jeh!t V orbeque G.
2.
Qualiter Romanus fieri debeat 277 • Si quis Romanus fieri desiderat, humiliter ad imperatorem fideles suos mittat postulans•, ut liceat eum legi Romane succedere Romanumque ciuem ascribi. Et si hoc libitum imperatori fuerit, taliter faciendum est. Sedeat cum optimatibus suis, iudicibus atque magistris; et duo ex iudicibus eant inclinatis capitibus ante imperatorem dicentes: »Cesar noster, quid precepitb summum imperium tuum?« Imperator econtra: »Ut amplificetur numerus Romanorum, illum, quem uos hodie michi renunciastis, Romane legis iubemus ... c. 22.
22.
a postulens V
I,
qui postulent V
2.
b
precipit V
2.
c
Schluß fehlt in allen Hss.
ANHANG: Dm REDAKTIONEN DER »MIRABILIA URBIS RoMAE« UND IHRE DATIERUNG*
( S. 10 5 :) Wir haben der Untersuchung des Zeremonienbuches ( Libellus), des Schlußteils der Graphia aureae urbis Romae, als Tatsache zugrunde gelegt, daß die Schlußredaktion der »Graphia«, bei der die ».Mirabilia urbis Romae«, der »Libellus« und die Aufzeichnung über die Römische Frühgeschichte zu einer Einheit zusammengefaßt wurden, in die fünfziger Jahre des XII. Jahrhunderts zu setzen sei. Darin ist die siczlf me/ius cognovero, judicabo. Instrumenttim quoque fa!sum, si in placito ad manus meas ]orte devmerit, nisi exinde pericu!um mihi immineat, cancellabo.« Tune pontijex codicem /egiJ· eius manibw porrigens dicit: »Accipe potestatem jttdicandi sectmdum Ieges et bonos mores.« (Cencius 23 Schramm, Aufsätze III
Nr. CLVI, Lib. cens. I S. 419, entnommen aus Albinus XI 17, ebd. II S. 125.) 277 Zu diesem Kap. vgl.: Renovatio I S. 213. * Zuerst: Kaiser, Rom und Renovatio II, Lpz.Berlin 1929 S. IOj-II r (hier durchgefeilt).
354
Anhang: Redaktionen der »Mirabilia urbis Romae«
weitere These enthalten, daß der Mirabilientext der »Graphia« eine jüngere Redaktion jenes Mirabilientextes darstellt, der selbständig erhalten ist. Diese beiden Fragen bedürfen also noch einer besonderen Erörterung, die möglichst begrenzt werden soll. Eine Edition der Mirabilien mit Heranziehung aller Handschriften und späteren Erweiterungen ist eine so notwendige Aufgabe, daß wir ihre Erfüllung wohl erhoffen dürfen, zumal sie durch viele Vorarbeiten erleichtert ist1 • Wir stehen bei unserer Frage auf dem sicheren Fundament, das L. DucHESNE gelegt hat. Er hat nicht nur in seiner Ausgabe des »Liber censuum« (I889ff.) den bisher besten Text der Mirabilien 2, für den er fünf Handschriften der ältesten Fassung heranzog, ediert, sondern auch in einem wichtigen Aufsatz 3 die Frage der Autorschaft so weit geklärt, wie ( S. I o6:) es mit dem bis jetzt bekannten Material möglich ist. Er hat darauf hingewiesen, daß keine Handschrift und kein Zitat über jenen Kanoniker Benedikt zurückführt, der die »Mirabi/ia« sowohl in seinen »Liber polypticus« aufnahm, als sie auch in seinem »Ordo Romanus« 4 benutzte. DucHESNE's These, daß Benedikt selbst der Verfasser sei, läßt sich nicht geradezu beweisen; aber alles, was wir von diesem Manne wissen, spricht dafür. Jedenfalls sind die Mirabilien um I I4o oder etwas später anzusetzen. DucHESNE hat geglaubt, einen noch gerraueren Ansatz durch die Beobachtung gefunden zu haben, daß bei der Beschreibung des Kapitols noch kein Bezug auf die I I44 erfolgte Einsetzung des Senats genommen sei. So plausibel dies klingt, so erweist sich diese Datierung doch als nicht völlig gesichert, da die jüngeren Redaktionen zwar auf andere Veränderungen in Rom aus der ihnen unmittelbar voraufgegangenen Zeit Bezug nehmen, es aber doch nicht für nötig gehalten haben, die Fassung des Abschnitts über das Kapitol zu ändern. So erwünscht auch die Fixierung eines festen Terminus post quem für die r E. MoNACI hatte bereits 1916 eine Neuausgabe angekündigt; Landsleute legten sie 1946 vor (Vgl. S. 354 Anm. ro). z Über die älteren Ausgaben, von denen die handlichste, die G. PARTHEY's (r869), zwar viele Hss. heranzieht, aber die jüngeren Erweiterungen nicht deutlich absondert, vgl. PoTTHAST, Bibl. hist. I S. 788 (unvollständig!); zu der dort genannten Lit. sei noch angeführt 0. RICHTER, Topographie der Stadt Rom, Münch. 2 1901 S. r3f.; G. B. DE Rossr, La Roma sotteranea cristiana I, r864 S. r 58. Über die ältere Kontroverse, ob Graphia oder Mirabilien früher seien, besonders A. GRAF, Roma nella memoria del m. e. I, Turin r88z S. 59ff. Außerdem hat Fedor SCHNEIDER, Rom und Romgedanke im Ma., Münch. 1926 (neugedruckt) S. 174ff. die Mirabilien behandelt
(ebd. S. 267 unter »q8, 7« Literaturangaben); s. auch unten Abschnitt 9· Einen guten Überblick über die Fakten sowie die Literatur bot C. CECCHELLI, Mir. Romae, in der Enciclopedia Italiana 23, Rom 1934 S. 4zzf.- Vgl. auch die Vorrede von P. FEDELE zu Codice topografico della citta di Roma, a cura di R. VALENTINI e G. ZucCHETTI, Rom 1940 (Fonti per Ia storia d'ltalia; 374 S.). L'auteur des Mirabilia in: Melanges d'arch. et d'hist. 24, Paris-Rom 1904 S. 479-489, auch Einleitung zum Liber censuum publ. par P. FABRE et L. DucHESNE I (Bibl. des ecoles frans;. d'Athenes et de Rome 2. Ser. VI; r889ff.) S. 97-104, der Text selbst S. 262-73 mit inhaltsreichem Kommentar. 4 Druck im Lib. cens. a. a. 0. II, 1905 ff. S. 141 ff.
Anhalte für die Sonderung
3 55
Datierung der einzelnen Rezensionen der Mirabilien wäre, so läßt sich mit Bestimmtheit doch nur sagen, daß die Mirabilien, diese gelehrte Beschreibung des antiken Rom, auf demselben geistigen Boden entstanden sind, aus dem auch die politische Erneuerung des antiken Rom durch die Wiedereinsetzung des Senats hervorgegangen ist. L. DucHESNE hat außerdem darauf hingewiesen, daß eine Reihe von Handschriften die Benutzung eines Sarkophags für die Beisetzung des Papstes Innocenz II. (t I I43) anmerken, während andere nur von seiner Bewahrung an dem bisherigen Platze wissen. Damit ist nicht nur ein Anhalt für die Datierung, sondern auch ein Kriterium für die Gruppierung der Handschriften gewonnen, die bestätigt wird, wenn man die Texte im einzelnen vergleicht. Wie haben wir die Graphia in diesen Zusammenhang einzuordnen? 5 Daß die in der Graphia bewahrte Fassung der Mirabilien nicht, wie man früher gemeint hat, die ursprüngliche sein kann, ergibt schon die Tatsache, daß in ihr Zitate ohne Quellenangabe enthalten sind, bei denen in anderen Handschriften der Autor zitiert wird6 • Da die Annahme einer nachträglichen Verifizierung dieser Stellen durch einen gelehrten Leser denkbar unwahrscheinlich ( S. I o7 :) ist, so haben wir in der Graphia den Text demnach nur in einer abgeleiteten Form, und es kommt nun darauf an, diese in der Stammtafel der verschiedenen Rezensionen unterzubringen. Die Graphia enthält nicht nur die Innocenz-Stelle, sondern noch den weiteren Zusatz, daß in einem anderen Sarkophag der am 3. Dezember I I 54 verstorbene Papst Anastasius IV. beigesetzt sei. Ein Terminus ante ergibt sich aus einem weiteren Zusatz, in dem die Söhne des I I28 verstorbenen Pierleone, die in den Römischen Kämpfen zur Zeit Konrads III. auf der Adels- und auch auf der Volksseite kämpften, erwähnt werden. Sie sind offensichtlich als noch lebend gedacht. Es ist also nicht möglich, weit unter das Todesjahr des Papstes Anastasius herunter zu gehen. Wir müssen also fragen, wie sich die besondere Tendenz der Graphia am besten in die dem Dezember I I 54 folgende Zeit einfügt. In den Mirabilien selbst spielt die altrömische Kaiserherrlichkeit nur eine nebensächliche Rolle: sie sind das Denkmal des selbstbewußten Römertums, nicht des Kaisertums. Die Graphia dagegen hat einen anderen Charakter durch die Verbindung dieser .Mirabilia mit dem Libellus des XI. Jahrh. bekommen. Diese Schrift enthielt das Als Beispiel sei genannt: templum lovis et Monetae, dazu Lib. cens. a. a. 0. S. 270: sicut repperitur in marthirologio Ovidii de Faustis; dieser Hinweis fehlt an der betreffenden Stelle der »Graphia« (c. 20, s. oben S. 332 mit A. I 36), wo er durch eine andere Angabe ersetzt ist; s. auch S. 329 A. I I 8, 337 A. I 71.- Ein Blick auf die Noten wird bestätigen, daß der Text der
»Graphia« aus den »Mirabilien«- nicht umgekehrt - abzuleiten ist. 6 Es bleibt z. B. noch zu prüfen, auf welche Fassung der Mirabilien die »Chronica apostolicorum et imperatorum Basiliensia (oder: -eensia)« und »Aiberti Milioli Notarii Regini chronica imperatorum« zurückgehen; vgl. Mon. Germ., Script. XXXI S. 296f., 583ff.
Anhang: Redaktionen der »Mirabilia ur bis Romae«
Idealbild der altrömischen Kaiserherrlichkeit. Die Tendenz des Gesamtwerkes läuft also auf den Versuch hinaus, die Erinnerungen an das alte Rom mit denen an das antike Kaisertum zu verbinden: Römer und Kaiser werden auf dieselbe große Tradition festgelegt. Solche Ziele waren aber nur bis zur Kaiserkrönung Friedrichs I. am I 8. Juni I I 55 vertretbar; denn seit dieser Zeit war offensichtlich, daß Friedrich nicht gewillt war, den ihm angetragenen Bund mit den Römern einzugehen und seine Kaiserwürde dem Ehrgeiz der Römer dienstbar zu machen. Aus der berühmten Schilderung Ottos von Freising7 kennen wir die scharfe Ablehnung, die Friedrich dem Ansinnen der Römer zuteil werden ließ. Diese klare Stellungnahme mußte allen Versuchen von der Art der Graphia den Boden entziehen. Daraus ergibt sich die Vermutung, daß diese Schrift noch vor der Krönung, d. h. in der ersten Hälfte des Jahres I I 55 kompiliert sei. In diese Zeit paßt sie mit ihrer Römisch-kaiserlichen Tendenz vorzüglich hinein. Aus Ottos Schilderungs kennen wir die Ziele der Römer, die bei ihm in eine Ansprache der Roma an den neuen Kaiser eingekleidet sind. Hier fordert sie: »Revertantur, opto, pristina tempora; redeant, rogo, inclitae Ur bis privilegia; orbis Urbs sub hoc principe recipiat gubernacula, r~frenetur hoc imperatore ac ad Urbis reducatur monarc!Jiam orbis insolentia!« Der Geist dieser Rede ist auch der Geist, aus dem heraus Mirabilien und Libellus zusammengefaßt worden sind. ( S. Io8:) Die Feststellung, daß der Mirabilientext der »Graphia« eine neue von uns in das Jahr I I 55 gesetzte- Phase in der Entwicklung des Urtextes und nicht etwa eine ältere, nur durch Interpolationen erweiterte Fassung darstellt, bestätigt sich, wenn man diesen Text mit den übrigen konfrontiert 9 • Dabei ergibt sich zugleich, daß der Graphia-Text nicht unmittelbar aus der Redaktion mit dem Innocenz-Zusatz abzuleiten ist, sondern erst aus einerZ wischenstufe, die noch durch andere Mirabilientexte bekannt ist. Wir versuchen eine vorläufige Gruppierung der Mirabilia-Handschriften, die sich nur mit den für die Anfangsstadien der Textgeschichte markantesten Codices beschäftigt - für das weitere verweisen wir auf die kritische Edition, die jetzt vorliegt10 (abgekürzt: Valentini). Dem Original (0) stehen am nächsten jene Hss., die den Innocenz-Zusatz noch nicht haben, nämlich: I. a) (= Valentini R) Cod. Vat. 3973 aus dem XII. Jahrh. mit der Chronik des Romuald von Salerno (t II8I); über die Hs. vgl. Mon. Germ., Script. XIX S. 396ff. Dieser Mirabilientext ist veröffentlicht von J. G. Th. GRAESSE, Beiträge zur Literatur 7 Gesta Friderici II c. 30 (Script. rer. Germ. 3 r9rz, S. r36ff.). 8 Ebd.IIc. 29 (S. 135f.). 9 V gl. die Noten des vorstehenden Abdrucks und die durch Großdruck kenntlich gemach-
ten Zusätze. ro Sie liegt jetzt vor: Codice topografico della citta di Roma a cura di R. V ALENTINI e G. ZucCHETTI, III, Rom 1946 S. 3-65.
Gruppierung der Mirabilia-Handschriften
3 57
und alter Sage des Ma.s, Dresden r8 50 S. r-26; er ist außerdem für die Noten herangezogen von L. DucHESNE: Lib. cens. a.a.O. I S. 262ff. b) (= Valentini L) Cod. im Nachlaß des Conte Carlo Lochis in Bergamo aus dem XII. Jahrh. mit provenzalischen Dichtungen, Schriften zur Römischen Geschichte und den Mirabilien, dessen Text E. MoNACI in den Rendieanti della R. Accad. dei Lincei, CL di scienze morali etc. Ser. V Vol. XIV, Rom 1905 S. 347-64 gedruckt hat. II. Durch die Einfügung der »älteren Richterliste« erweitert: Liber polypticus des Benedikt, bekannt nur durch Abschriften: a) (= Valentini Br) Cod. Cambr. 554 (512) aus der zweiten Hälfte des XII. Jahrh., s. DucHESNE a.a.O. Die Hs. ist beschrieben im Catal. general des mss. des bibl. publ. de France-Departem. XVII, Paris r89r S. 211 und von P. FABRE in: Travaux et mem. des Facultes de Lille I, 3, Lille r889. III. und mit dem Innocenz-Zusatz: b) (= Valentini B2) Cod. Vallic. F. 73 aus dem XV. Jahrh.; s. DucHESNE a.a.O. Die Hs. hat P. FABRE behandelt in: Melanges d' arch. et d'hist. X, r89o S. 384ff. Dazu kommen die aus Benedikt abgeleiteten Werke, die die Mirabilia mitübernehmen: c) (= Valentini A) Albinus (rr89-9o) im Cod. Vat. Ottob. 3057 vom Ende des XII. Jahrh.; s. DucHESNE a.a.O., dazu P. FABRE, Etude sur le Liber censuum, Paris 1892 S. ro. Anm. 2. (S. 109.) d) (= Valentini C) Cencius (1192), der Albinus benutzt, im Cod. Vat. 8486 (Autograph), von DucHESNE a.a.O. zugrunde gelegt. Hierher gehört auch e) die von B. de MoNTFAUCON, Diarium Italicum (Paris 1702) S. 283 bis 295 benutzte Hs. von S. Isidoro in Rom mit den Collectaneen des Kardinals Nikolaus von Aragon ( r 3 56-62). Der Abdruck ist wiederholt in dem gleich zu nennenden Werke PAPENCORDTS S. 35ff. Von III abhängig, aber durch einen Zusatz über die Archa im Lateran charakterisiert (S. 325f.) ist eine weitere Gruppe, die durch folgende Hss. vertreten ist: IV. a) Lateinische Vorlage einer italienischen Übersetzung aus der Mitte des XIII. Jahrh. im Cod. Laurent. Gaddianus Rel. CXLVIII, gedruckt von E. MoNAcr,LemiracoledeRomain: Arch. dellaR. SocietaRomana 38, Rom 1915 S. 55190, dazu Nachtrag 39, 1916 S. 577-79· Wenn Monaci, durch dessen Tod die Erforschung der Mirabilien einen schweren Schlag empfangen hat, a.a.O. S. 55 9f. annehmen zu können meinte, daß diese Vorlage dem Original näher gestanden habe als die übrigen Texte, so glaube ich, dem widersprechen zu müssen. b) Graphia aureae urbis Romae.
Anhang: Redaktionen der »Mirabilia urbis Romae«
Zu dieser Gruppe oder doch in ihre Nähe gehören noch folgende Fassungen: V. a) der Mirabilientext, den Martin von Troppau in sein bis 1277 reichendes Chronicon aufgenommen hat; vgl. Mon. Germ., Script. XXII S. 399ff. Er zitiert seine Quelle als Chronik des Escodius, was sich durch ein Mißverständnis des Anfangs der Römischen Vorgeschichte erklärt (S. 399, 408); vgl. dazu oben S. 3 r 9 Anm. 29. b) der Römische Stadtplan in der Chronik des Paulinus, Bischofs von Pozzuoli (t 1344), dessen Exemplar in der dritten Rezension dieses Werkes (nach I334) (erhalten im Cod. Vat. I96o und daraus abgebildet bei G. B. de Rossr, Piante cnografiche ... di Roma, Rom I 879, T. I mit S. 8 I ff., I 39ff.) bisher als ältester aus dem Mittelalter erhaltener Plan Roms galt. Doch hat W. HoLTZMANN, Der älteste mittelalterliche Stadtplan von Rom in: Jahrbuch des Deutschen Archäol. Instituts 4 I, Berlin I926 S. 56ff. von der zweiten Rezension (zw. Ipo-28) ein etwas älteres und zuverlässigeres Exemplar aus dem Cod. Mare. Zan. lat. 399 (schematische Kopie im Cod. Paris Bibl. Nat. 4939) bekannt gemacht und festgestellt, daß der Plan in dieser Form nicht älter als I28o sein kann. Doch ist eine ältere Vorlage anzunehmen, die nach Holtzmanns ansprechender Vermutung mit einer Redaktion der Mirabilien verbunden war. Zugleich hat er beobachtet, daß die von Paulinus und Martin benutzte ( S. I I o:) Redaktion wegen der Erwähnung des Hospitals S. Spirito jünger als I 200 gewesen sein muß. Durch das Straßenverzeichnis am Rande des Plans steht dieser Plan, bzw. die für ihn benutzte Version der Mirabilien, dem cap. 24 der italienischen Übersetzung nahe. Ob Vb etwa aus Va unmittelbar abzuleiten ist, steht noch dahin. Ferner seien hier noch angeführt: c) Cod. Brünn Stadtarchiv, Wiesenherger Sammlung A IOI, Mitte des XV. Jahrh., dervon B. BRETHOLZ im Neuen Archiv 35, I9Io S. 693ff. und in: Mon. Germ., Script. Nov. Ser. II (Cosmas, I923) S. Lff. beschrieben ist; er enthält einige Kapitel, die sonst nur in der italienischen Übersetzung begegnen. Der Text selbst ist anscheinend noch nicht herangezogen worden. d) Cod. Univ. Pragens. XIV H. 33 aus dem XIII. Jahrh., dessen Mir.-Text zusammen mit IIIe gedruckt ist von C. HöFLER in F. PAPENCORDT, Gesch. der Stadt Rom im Ma., Faderborn I857 S. 35 ff. Wie die Handschriften der letzten Klasse im einzelnen zu ordnen sind, braucht hier nicht näher geprüft zu werden. Es genügt die Feststellung, daß die eine Handschrift das einemal mit dieser und das anderemal mit jener näher zusammengeht. Das kann nicht weiter wundernehmen, wenn man sich überlegt, daß der Text schon in den ersten fünfzehn Jahren durchgreifende Veränderungen durch Zusätze, Weglassungen und Umstellungen erfahren hat. Es ist wohl dieselbe Werkstatt, wenn nicht sogar derselbe Mann, der das Bedürfnis des Publikums nach Abschriften deckt und sich dabei einmal mehr an diese, dann an jene Ableitung hält, so daß die einzelnen Redak-
Gruppierung der Mirabilia-Handschriften
359
tionen sich wieder verwischen. Bestehen bleibt dabei das schon Benedikt eigene Bestreben, alte Texte verwandten Inhalts in die Mirabilien einzuschmelzen oder ihnen anzuhängen. Die »ältere Richterliste« ist solch ein Zusatz, der über die »Arche Noah« ein weiterer; andere läßt der vorstehende Druck erkennen. Bei Martin von Troppau und in der Graphia findet sich als neue Erweiterung die Aufzeichnung über die Römische Vorgeschichte. In diesem Werk haben dann die Mirabilien den umfangreichsten Zusatz erfahren: sie wurden mit dem Libellus verkoppelt, was sogar eine Änderung des Titels zur Folge hatte. Der Herausgeber der Mirabilien, der vermutlich noch weitere Handschriften wird heranziehen können 10•, wird an dieser Stelle der Textentwicklung erst die Hälfte seines Weges zurückgelegt haben; denn er steht noch vor der Aufgabe, die einzelnen Phasen zu sondern, in denen der Text durch die folgenden Jahrhunderte erweitert worden ist. Da die späteren Kopisten immer freier mit dem Texte schalten, so daß sich die Grenze zwischen Benutzern und Ausschreibern verwischt, wird sich eine ( S. I I I:) erschöpfende Textgeschichte11 wohl zu einer Geschichte des archäologischen Studiums in Rom auswachsen, die einen interessanten Beitrag zur Genesis und Entwicklung der Renaissance darstellen würde - denn welcher Autor, der sich mit Rom und seinen Altertümern beschäftigt hat, steht nicht in irgendeiner Beziehung zu den Mirabilien und ihren Ableitungen?12
wa V ALENTINI-ZucCHETTI (s. Anm. Io) ziehen noch heran: die Handschriften B 3 = Cod. Vat. lat. 5 348 (I5. Jahrh., verwandt mit B 2) und B 4 = Cod. Vat. lat. 636 (Iz./I3. Jahrh., nur Fragment). Es folgt ein Abdruck der »Graphia aureae urbis Romae« (s. oben S. 338ff.). II Aus der umfangreichen Literatur über Fortsetzungen und Benutzer der Mirabilia vgl. außer A. ro noch G. PARTHEY, Mirabilia Romae, Berlin I 869, GRAF a. a. 0. I S. 44ff. ( = Turin 2 I923 S. 34ff.), 0. RICHTER, Topogr. d. Stadt Rom, Münch. 2 I90I S. r4ff. -Als Beispiele des XV. Jahrh. vgl. die Beschreibung Roms aus dem J. 1452 von Nikolaus MuFFEL (hrsg. v. W. VoGT in: Bibl. d. Stuttg. Litt.-Vereins rz8, Tübingen 1876; vgl. dazu A. MICHAELIS in: Mitt. d. Röm. Arch. Inst. III, r888 S. 254-76), Mirabilia Romae, Blockdruck aus d. Jahre 1471-84, Neudruck hrsg. v. R. EHWALD, Gotha I904 und Mirabilia Romae. Ein römisches Pil-
gerbuch des I 5. J ahrh. in deutscher Sprache, Faksimile des Druckes von 1489, besorgt von C. HüLSEN, I925: zum XVI. Jahrh. vgl. FRANCISCI ALBERTINI opusculum de mirabi!ibus novae urbis Romae hrsg. von A. ScHMARsow, Heilbronn r886. Der »Ritratto di Roma antica« des PoMPILIO ToTTI, Rom I627, 2 I633, in dem der Städtebeschreibung die Genealogie des Romulus - darin noch die Erzählung vom entmannten Saturn, von Evander usw. - auf S. r-4 vorausgeschickt wird, zeigt, wie lange der Mirabilientyp sich in der Gunst der Leser erhalten konnte. 12 Vieles schon bei H. JoRDAN, Topographie der Stadt Rom im Altertum II, Berlin 1871 S. 387ff., C. L. URLICHS, Codex urbis Romae topographicus, Würzburg r 871 S. 91-r 75 u. a. Die neuere Lit. verzeichnet M. AnRIA.NI, Paganesimo e Cristianesimo nei »Mirabilia Urbis Romae«, in den Studi Romani VIII, rg6o S. 535-52 (s. bes. S. 535f. A. r).
+ Die Schilderung der Krönung eines römischen Kaisers aus dem hebräischen Geschichtswerk des Josippon (Wohl
I.
Hälfte des XI. Jahrhunderts)*
a) Einführung in den Text Um zu zeigen, daß die bisherige Datierung dieses Krönungsberichtes in die Zeit Ottos I. unmöglich ist, müssen einige Bemerkungen über das Buch, in dem dieser Bericht erhalten ist, vorausgeschickt werden. Der Krönungsbericht findet sich in dem hebräischen Geschichtsbuch des Josippon (Josef ben Gorion, Gorionides, arabisch: Kariun, auch »kleiner Josippus« genannt), der in Anlehnung an Flavius Josephus und andere Autoren eine mit vielen Sagen ausgeschmückte Geschichte von den ersten Anfängen der Menschheit an bietet1 • Die Sprache, in der es ursprünglich abgefaßt wurde, war umstritten, da es eine hebräische und eine arabische Version gibt, die ihrerseits wieder ins Athiopische übertragen ist. H. GRAETZ 2 glaubte, daß der Originaltext arabisch gewesen sei.
* Zuerst:
Kaiser, Rom und Renovatio II, Lpz.Berlin I929 S. II2-I9 (überarbeitet und ergänzt). I Für die unten folgende neue Übersetzung ist der hebräische Druck: Frankfurt a. M. I689 (bes. S. 77ff.) herangezogen. Der Text des Josippon ist sehr oft ediert worden, auch in anderen Sprachen; vgl. die Iatein. Übersetzungen: Josippon sive Josephi ben-Gorionis Historiae Jud. Libr. sex, ed. Joh. GAGNIER, Oxonü I 706 (bes. VI c. 77, S. 34I-44); J osephus Hebraicus videlicet Rerum memorabilium in populo Judaico ... Libri VI hebraici, ed. J. F. BREITHAUPT, Gotha und Leipz. I7IO (bes. VI 30, S. 667-73). In der deutschen Übersetzung: Josippus, ein kurtzer
Auszug und Begriff Josephi übers. von G. WoLFF, Frankfurt a. M. I6I3 ist S. 178f. der Krönungsbericht ausgelassen. - V gl. die Orientierung in der Jewish Encyclopedia VII, I904 S. 259-60, sowie British Museum, Catal. of printed books: Iong-Irelan, London I 889 S. 83 f. Ohne meine Ausführungen zu kennen, bot eine französische Übersetzung an H. E. DEL MEDICO, Le couronnement d'un empereur byzantin vu par un juif de Constantinople, in: Byzantinoslavica XVI, I95 5 S. 43-75. Der Inhalt ist völlig verkannt, der Zeitansatz viel zu früh. 2 Gesch. d. Juden V, Leipz. I86I (jetzt neugedruckt) S. 28 r.
Bisherige Thesen
H. VoGELSTEIN hielt mit P. RIEGER3 den arabischen Text, dessen Verfasser Sacharja (Zakharija) ben Sa'id (Saadia) al-Jamani (aus Jemen) al-Israili ist, für eine Übersetzung des hebräischen J osippon. Da er dieses Werk schon im XI. J ahrh. angeführt ( S. I I 3 :) sein ließ, glaubte er daraus einen terminus post feststellen zu können4 • Moritz STEINSCHNEIDER begnügte sich jedoch im Gegensatz zu VoGELSTEIN für Sacharja mit dem viel weiteren Zeitansatz »X. bis XIII. Jahrh.?«5 , so daß die Folgerung Vogelsteins damit hinfällig ist. Untersucht wurde das Verhältnis der Versionen noch durch]. WELLHAUSEN6 , der eine Übersetzung in die arabische Sprache vorlegte und die benutzten Quellen prüfte. STEINSCHNEIDER hat sich schließlich beschieden und die Beziehung als noch fraglich bezeichnet7, wenn er auch die Meinung von GRAETZ über den arabischen Text als Original für völlig unbegründet erklärtes. Nach dem von mir eingeholten Urteil des Herrn Dr. ÜBERMANN (Hamburg) ist der in Frage stehende Abschnitt zweifellos hebräisch abgefaßt worden - und zwar in einem für die zu diskutierende Zeit interessanten, weil alten und reinen Hebräisch. VoGELSTEINS sprachlich gestützte Vermutung, daß der V erfass er jüdischitalienischer Herkunft gewesen sei, wird daher zu Recht bestehen 9 (s. dazu jetzt S. 367f., daß beide Annahmen jetzt abgestützt werden konnten). Für ganz unsicher müssen die für die Datierung des Krönungsberichts vorgebrachten Argumente bezeichnet werden. F. GREGOROvrus erklärte ihn vage für etwa aus karolingischer Zeit stammend10 . L. ZuNZ11 machte als Entstehungszeit etwa 940 aus, da sich ein Zitat aus ihm in dem Jezira-Kommentar des um 95 5 lebenden Sah! Dunasch ben Tamim (hebr.: Adonim ha-Babli) befinden soll. Nach STEINSCHNEIDER 12 ist jedoch die Autorschaft des Abu Sah! Dunasch überhaupt zweifelhaft, da der Kommentar auch zwei anderen Gelehrten zugeschrieben ist. Außerdem fehlt das Zitat in anderen Bearbeitungen. S. CASSEL brachte dann die Version auf, daß der Krönungsbericht sich auf die Krönung Ottos I. bezöge, das Werk also bald nach 962 verfaßt sei. VoGELSTEIN hat diesen Ansatz zu stützen versucht13 • Denterminus ante wollte er mit dem von ihm um 955 angesetzten Brief des Chazarenkönigs J oseph ben Aaron, der vom Josippon benützt ist, abgrenzen. Die Echtheit dieses Schreibens wird von der Je-
3 Gesch. d. Juden in Rom I, Berl. 1896 S. 192 A.7, S. 485f. 4 Ebd. S. zoo. 5 Die arab. Lit. d. Juden, Frankfurt a. M. 1902 § 71 S. II4. 6 Gött. Gelehrte Anzeigen Abh. N. F. I Nr. 4, 1897: Der Arabische Josippus. 7 Die Geschichtslit. der Juden, I. Abt., Frankfurt a. M. 1905 § 19 S. 28ff., bes. 3rf. 8 Arab. Lit. a. a. 0. 9 R. E1sLER, frwovt; ßanAsvt; ov ßaatAsvaat;, I-li, Beideiberg 19z8/3o (Religionswiss. Bibi. IX) zieht Josippon wiederholt heran
10 11
12 13
(s. II S. 845: Register). Er sah in dessen Schrift »das selbständige hebräische Geschichtswerk eines ungenannten Verfassers« (I S. 462). Gesch. d. Stadt Rom im Ma. 3 IV S. 636 A. r. Die gottesdienstl. Vortr. d. Juden, Berl. 1832 S. 1pff.; Ders., Zur Gesch. u. Lit. I, Berl. 1845 S. 593 sub: Josippon; Ders., Gesamm. Schriften I, Berl. 1875 S. 159ff. Arab. Lit. a. a. 0. § 36 S. 72f.; Ders., Geschichtslit. a. a. 0. I. Abt. § 19 S. 33· A. a. 0. S. 193·
C 4: J osippons Schilderung der Römischen Krönung wish Encyclopedia14, die es näher zu 96o, aber vor den Sturz des Chazarenreiches im ( S. Jahre 96 5 setzt, verteidigt; es ist trotzdem sehr verdächtig15 •
I I 4:)
Weiter, aber in anderer als gewollter Richtung, führt der Hinweis VoGELSTEINs1 s, daß der Josippon die »Vita Alexandri Magni« des im X. Jahrh. lebenden süditalienischen Archipresbyter Leo benutzt hat; denn nach der seitdem erschienenen Neuausgabe dieser Schrift17 ist im Josippon die wohl erst im XII. Jahrh. entstandene Redaktion» J z« der Vita herangezogen! Danach müßte also der Josippon zwei Jahrhunderte später angesetzt werden. Auch von unserem Krönungsbericht wird sich ergeben, daß sein Original erst dem XI. Jahrh. angehören kann, so daß gleich zwei der im Josippon benutzten Quellen für die Umdatierung bis mindestens in die Salierzeit sprechen. Eine untere Grenze für das Werk des Josippon ist dadurch gegeben, daß BENJAMIN VON TuDELA18 , ein spanischer Jude, der einen Bericht über seine weiten Reisen aufzeichnete, seinen Volksgenossen schon benutzt hat. Dieser Autor aber schrieb vor II73· Bei ihm findet sich dieselbe Vermischung von Persönlichkeiten der jüdischen und der römischen Frühgeschichte, die auch das Werk des Josippon auszeichnet. Ähnliche Angaben bietet schon der kurze historische Bericht, der der »Graphia aureae urbis Romae« vorgesetzt, also wohl Ir 55 oder noch früher entstanden ist19 • Der Terminus post für den J osippon darf vielleicht noch etwas hinaufgerückt werden. Bei allem Vorbehalt, den ich bei einem Urteil über eine Frage der hebräischen Literatur machen muß, scheint sich mir die erste Hälfte des XII. Jahrh. als Abfassungszeit des Pseudo- J osephischen Geschichtswerkes zu ergeben. Im Erstabdruck schloß ich hier den Wunsch an, daß einmal ein Hebraist meine Annahme nachprüfen möge. Sie ist- worüber der Anhang zu diesem Abschnitt Auskunft gibt- mittler1veile erfolgt durch Herrn Prof Dr. David FwssER (jerusalem). Danach sind zu unterI4 Art. Chazars (H. RosENTHAL) in: IV, I9D3 S. I-7· I 5 Wiederum nach gütiger Auskunft von Herrn Dr. ÜBERMANN (seither ist diese Frage viel erörtert worden; für unseren Zusammenhang ist sie jetzt unwesentlich). r6 A. a. 0. S. I93· I7 F. PFISTER, Der Alexanderroman des Archipresbiters Leo, Beideiberg I9I3 (Samml. mittelalt. Texte, hrsg. v. A. HrLKA Nr. 6) S. 39· Die Entstehung von J 2 kann (nach S. I 6) frühestens in das XI. J ahrh. gesetzt werden, da J I schon aus diesem Jahrh. stammt; S. 41 wird J 2 daher auch dem
XII. Jahrh. zugewiesen. Über J 3 vgl. Ch. }OHNSON in: Speculum II, 1927 S. I45f. r8 Voyages de Rabbi B. fils de Jona de Tudele ... traduits ... par J. B. BARATIER, Amsterdam 1734; The Itinerary of Rabbi B. ofT., translated and ed. by A. AsHER, London u. Berl. I84o-41, hier über das Verhältnis zu Josippon (vgl. auch GREGORovrus a. a. 0. S. 633 f.) und andere Übersetzungen. Über sie orientiert uns Ignacio GoNZALEZ LLuBERA, Viajes de B. de T. II6o-73 ... traducidos al castellano, Madrid 1918 S. 38ff. 19 Vgl. oben S. 319ff. (S. 73ff.).
Die Datierung
scheiden: 1. die im Jahre 9 J3 von einem unbekannten, in Süditalien wirkenden Autor verfaßte Stammfassung, und 2. die-auch in Italien hergestellte-ver sio longa, die in der I. Hälfte des I 2. Jahrhunderts abgefaßt wurde.- Meine Einordnung des Josippon-Textes, der zur ver sio longa gehört, braucht also nicht korrigiert zu werden.
Auch eine Übersetzung des J osippon läßt erkennen, daß es sich bei dem Krönungsbericht um ein eingeflicktes Stück handelt. Der angebliche Josippon = Flavius Josephus gibt nämlich vor, daß er nach der Eroberung Jerusalems durch Titus als Gefangener nach Rom geschafft sei und dort das Schauspiel einer Krönung des Kaisers durch den Papst gesehen habe! Abgesehen von der Fadenscheinigkeit dieser Motivierung ist dieser Krönungsbericht gar nicht die »Erzählung« eines historischen Vorgangs; denn er hält sich ganz im Praesens und beginnt mit den Worten: »Nach dem Römischen Brauch« ... Es handelt sich also um ein »Programm«, das sich mit den »Ürdines« der historischen Kaiserkrönungen- bei allem Unterschied des Wirklichkeitsgehalts - vergleichen läßt. Wenn also der Josippon eine ihm vorliegende Aufzeichnung in sein Geschichtsbuch eingefügt hat, dann kann deren Entstehungszeit nur aus inneren Gründen erschlossen werden- eine Arbeit, die zu dem Ergebnis geführt hat 20 , daß der Krönungsbericht der r. Hälfte des XL Jahrhunderts zuzuweisen sein wird. Die bei VOGELSTEIN und RIEGER 21 abgedruckte Übersetzung des in Betracht kommenden Abschnittes läßt sich öfters wörtlicher fassen und ist auch deshalb für eine Beurteilung des Textes nicht geeignet, weil die hebräischen, ganz vage gehaltenen Amtsbezeichnungen mit bestimmten römischen Titeln wiedergegeben sind, so daß ein falscher Eindruck erweckt wird. Es folgt daher ein neuer Abdruck 22 , der nach den Angaben des Herrn Dr. ÜBERMANN bereinigt ist. Ihm bei dieser Gelegenheit für seine freundlich gewährte Hilfe zu danken, ist mir ein Bedürfnis.
b) Der Text I. Nach dem Römischen Brauch führte der Rat von Rom den zu Krönenden aus
dem Palast seines Gottes 23 • Vor ihm ziehen Trommler und alle Arten von Musikanten mit klingendem Spiele 24 bis hin auf rooo Ellen 25 vom Haus des Königreichs 26 , 20 Renovatio I S. 217-20. 21 A. a. 0. I S. 196-200. 22 Vgl. dazu oben S. 36o 'A. r (S. II2 A. r). - Die Kapitelzahlen sind zugesetzt. 23 Über den tatsächlichen Weg des Kaisers s. E. ErcHMANN, Studien zur Gesch. der abendl. Kaiserkrönung II, im Histor. Jahrb. 45, Münch. 1925 S. 2rff.; dann: Die Kaiser-
krönung im Abendland II, Würzburg 1942 s. 3 ff. 24 V gl. den »Libellus« der »Graphia« c. 14 u. 19 (oben S. 348 u. 3 5of.). 25 Am Pons Neronianus war eine Station des Krönungszuges. 26 St. Peter.
C 4: Josippons Schilderung der Römischen Krönung
welches auf der einen Seite der Stadt am Wasser an das Ende der eigentlichen Stadt stößt. Es bildet dort (S. n6:) einen eigenen kleinen Stadtteil 27 , der in sich 1ooooo Reiter aufnehmen kann. II. Sobald man dort anlangt, treten die sieben vom Kaiser gekrönten und vom Rat 2 B ausgewählten Könige (Boten?) 29 an den Kaiser heran. Zwei von ihnen führen ihm ein weißes Roß zu, das der eine von rechts, der andere von links an Zaum und Zügel führt. Zwei andere bringen ihm eine ganz vergoldete, siebeasprossige Leiter, auf welche er tritt, um das Roß zu besteigen, und zwar so, daß ihr Rücken dem Roß, ihr Antlitz dem Reiter zugewendet ist. Der eine steht rechts, der andere links, bis er das Roß bestiegen hat. Zwei weitere stellen sich dann, sobald er aufgesessen ist, zu beiden Seiten des Rosses auf. Auf sie stützt sich der Reitende mit seiner Hand und mit seinem Fuße. III. So zieht er bis zu dem Haus des Königreiches 30 , indem die beiden ersten Könige das Roß Schritt für Schritt führen. Der siebente aber schreitet zu Fuß mit gezücktem Schwerte31 voran, vor ihm noch 1ooo Kriegsmänner32 mit entblößten Schwertern und schweigend; die Sänger verstummen auch. Der voranschreitende König aber ruft mit lauter Stimme: »Sehet den Mann, den der Weltengott bestimmt hat, die Bewohner seines Landes zu beherrschen und mit kaiserlicher Vollmacht die Welt zu regieren! Ihn ehrt und erhebt, denn von Gottes Gnaden besitzt er Herrschaft und Würde. Der Gott, der seinen Herzenswunsch erfüllt hat, ihn zur Würde des Kaisers zu erheben, der leite seinen Willen, die Könige des Landes und seine Bewohner in der rechten Weise zu regieren, sie nach Recht und Gerechtigkeit zu richten, Unrecht und Unbill aus der Welt zu tilgen, kraft seiner Macht, die Bösen und die Frevler zu strafen und zu vernichten, daß sie nicht im Lande herumziehen, die Reiche und die Menschen zu verderben und Erpressung und Raub zu üben. Da Gottes Reich über alle Reiche so erhaben ist, daß kein Sterblicher seine Größe ermessen kann, möge er in seiner Gnade Kaisertum und Königtum bestätigen, erhalten, festigen und stützen; möge er unsern Fürsten, der heute die Kaiser- und die Königskrone empfangen soll, zu Ruhm und Ehre erheben und ihm ein ruhiges Leben schenken. Sagt darauf Amen!« Nachdem der König so gesprochen, sagen seine sechs Amtsgenossen zuerst Amen, worauf das ganze Volk Amen sagt. 27 Die Leo-Vorstadt jenseits des Tiber. 28 Der »Senat« von Rom. 29 Ist statt meläkhim = König mal'•khim =
Bote zu lesen? - V gl. die sieben «iudices s. palatii nach dem »Libellus« cap. I (S. 338f.) und nach den einleitenden Worten der »jüngeren Richterliste« (vgl. Bd. I S. I4off.). 30 St. Peter. 3 I In Wirklichkeit taten das nach dem Ordo
XIV (Cencius II) (rz. Jahrh.) der Stadtpräfekt und der päpstliche Pfalzgraf; vgl. Die Ordines für die Weihe u. Krönung des Kaisers u. der Kaiserin, hrsg. v. R. ELZE, Hannover I96o (Mon. Germ., Fantes iuris Germ. antiqui IX) S. 36. 32 Vgl. den Libellus c. I (oben S. 358) über die beiden, je 5 50 Mann starken Palastkohorten.
Der Text (cap. I-VII)
(S. IIJ.) IV. Dann werfen die beiden, die zu Seiten des zu krönenden Kaisers reiten, siebenmal Blümchen aus Gold unter das arme V olk33, das weiter hinter dem Zuge läuft, um nicht unter die Pferdehufe zu kommen. Das Volk liest die Blümchen von Gold auf, so viel ein jeder nur erreichen kann. Die Reiter, welche die Blümchen von Gold natürlich mit voller Kraft werfen, sind vom Rate Roms 34 erkoren, damit der rechts Reitende nach der Krönung Stellvertreter35 des Kaisers, der links Reitende Heerführer des ganzen Römischen Reiches 36 wird, der den militärischen Würdenträgern zu befehlen hat, wenn die Römer ein Heer auszusenden haben sollten. V. Der mit dem entblößten Schwerte vorausschreitende König ruft diese \V"orte siebenmal aus - das siebente Mal, sobald der zu Krönende am Tore des Bezirkes 37 angelangt ist, in welchem das Haus des Königtums 38 liegt. Dort wird der zu Krönende vom Rosse auf die Schultern der sieben Könige gehoben, die ihn auf einen Thron, der aus trockener Erde gemacht ist, absetzen, worauf sie ihm ein dünnes Holzszepter reichen. Hierauf treten die Räte Roms mit ihrem Privilegienbuch heran und bitten ihn zu beschwören, daß er nach Erlangung seiner Würde keines jener privilegierten Rechte brechen oder aufheben werde. Der Kaiser nimmt dann das Buch, küßt dessen einzelne Seiten, legt es auf seinen Kopf und schwört, daß er es vollinhaltlich bestätige, und fügt neue Privilegien zu den alten nach dem Gutdünken des Rates von Rom hinzu3 9. VI. Dann geruht er, an den verschlossenen Bezirk40 heranzugehen, auf dessen Türmen die Pförtner stehen, die ebenfalls von ihm eine eidliche Bestätigung der Rechte des Bezirks und der Pförtner verlangen41 • Sobald er diese gegeben, heben die Pförtner seine Fahne und seine Banner und stellen sie auf dem zum Tor zunächst liegenden Turme auf und öffnen das Tor, durch das der zu Krönende den Hof des Bezirks betritt.
( S. I I t:) VII. Die dorthin berufenen sämtlichen Könige und Räte 42 Roms sprechen darauf: »Möchte der König aller Könige diesen Kaiser nach seinem Rat und 33 Daß schon beim Zug zur Krönung Geld gestreut wurde, berichten auch Donizo II cap. I8 (Mon. Germ., Script. XII S. 402) und spätere Autoren (s. EICHMANN a. a. 0. S. 34 und: Kaiserkrönung a. a. 0. II S. 310 s. v.: Geldstreuen), während die Ordines es erst zum Rückweg erwähnen; vgl. ELZE a. a. 0. passim. 34 Der Römische »Senat«. 35 MiJne = Vice; vgl. den Patricius nach Libellus und Benzo v. Alba usw.; s. dazu: Renovatio I S. 62 usw. 36 Vgl. den Magister militum bzw. Magister imperia!is militiae; s. dazu: Renovatio, oben
Seite 289f. 37 Die Mauer der Leostadt; s. dazu auch das cap. I der Mir. (S. 322). 38 St. Peter. 39 Gemeint ist der erste Schwur am Ponticellus an der Valle dell' Inferno oder der zweite vor der in die Leostadt führenden Porta Collina, vgl. EICHMANN a. a. 0. S. 3off. und: Kaiserkrönung a. a. 0. II S. I I ff. 40 Die Leostadt. 4I Der Kaiser schwört noch einmal an den Stufen von St. Peter. 42 V gl. die Consules, Duces und Senatoren.
C 4: J osippons Schilderung der Römischen Krönung
Willen im Himmel billigen, wie wir ihn hier auf Erden krönen.« Alle die Könige und Räte ziehen hierauf zu Fuße voran in das Haus des Königtums 43 ein, in dem der Kaiserthron steht. Es sind dort zwei Throne. Der eine ist der Kaiserthron, welcher dort beständig steht, der andere wird nur gelegentlich als Sitz für den zu Krönenden vor der Krönung aufgestellt. Auf diesen letzteren setzt sich also der zu Krönende im Haus des Königtums. VIII. Die Könige treten heran - es sind nie weniger als sieben -, küssen seine Füße und den Boden vor ihm. Dann kommen sieben von den königlichen Führern44 seines Reiches- unter jedem von ihnen stehen 24 Führer zweiten Ranges, unter jedem von diesen stehen 120 Führer dritten Ranges, von denen wieder ein jeder über 500 Führern vierten Ranges steht - mit dem Oberführer, der alle beherrscht und der Führer von Rom ist, der nach der Herrschaft der Vater aller Führer in der Welt ist: in Rom heißt er Pater, in Griechenland Ilar:ewv 45 • IX. Der Patron gibt dem Kaiserkandidaten ein zum Teil46 mit Gold überzogenes Holzszepter in die Rechte, an dessen Spitze sich ein Säckchen mit Erde befindet, und steckt ihm einen Ring aus Menschenknochen an den kleinen Finger47 • In die linke Hand gibt er ihm einen langen Goldbecher, auf dem sich der Reichsapfel als Symbol des Erdenrundes befindet4 8 • Hierauf setzt er ihm die Königskrone aufs Haupt und macht ihn zum König, worauf ihm der König die Hände küßt49 • Der Patron setzt dann die Kaiserkrone auf sein Haupt zur Königskrone hin und ruft mit lauter Stimme: »Es lebe unser Herr, der Kaiser, zum Frieden ( S. I I 9 :) , zum Segen, zur Größe über alle Könige der Erde,« worauf das ganze anwesende Volk einmütig Amen sagtso.
43 St. Peter. 44 hegmön (von ijye;.unv) ist auch im Hebr. für geistliche Würdenträger belegt; gemeint könnten die sieben Kardinalbischöfe sein vgl. weiter die Erzbischöfe, Bischöfe usw. 45 Der Papst, der den Kaiser in Wirklichkeit schon im Hofe empfängt; vgl. EICHMANN a. a. 0. S. 33 und: Kaiserkrönung a. a. 0. II S. 18f. 46 Ein vielleicht verderbtes Wort, bei VoGELSTEIN a. a. 0. S. 199 mit: »teilweise« übersetzt; BREITHAUPT a. a. 0. S. 671: sceptrum ligneum, ex parte tantum inauratum.
47 Der Ring wurde seit dem XII. Jahrh. nicht mehr übergeben, s. ELZE a. a. 0. S. I93 s. v. anu!us.
Zu dem Säckchen mit Erde und dem Knochenring sind die in: Renovatio I S. zo8f. genannten, sehr ähnlichen Vergänglichkeitssymbole zu vergleichen; vgl. dazu P. E. S., Sphaira-Globus-Reichsapfel, Stuttgart 195 8 S. 86, 9748 Vgl. Benzo v. Alba I c. 9 (Mon. Germ., Script. XI S. 6oz): Portans in sinistra aureum pomum, Quod signiftcat monarchiam regnorum.
Vorher werden Ring und Scepter erwähnt. 49 Nach dem Ordo XIV (Cencius II) küßt der Kaiser dem Papst den Fuß; s. ELZE a. a. 0.
s. 36. 50 Gloria des Papstes und Laudes.
Der Text (cap. VII-XII)- Entstehungszeit
X. Nachdem der Patron ihn auf den Mund geküßt hat5\ setzt er sich an seine rechte Seite, worauf sich der erwähnte Stellvertreter des Kaisers 52 ihm zur Linken niedersetzt, während der oben erwähnte Oberheerführer53 vor ihm mit entblößtem Schwerte steht. Der Kaiser verkündet dann eine allgemeine Amnestie für die wegen Schulden Gefangenen, indem er die Schulden aus seinen Schätzen deckt. XL An diesem Tage geht der Kaiser in das Haus des Patrons 54 und nimmt dort mit den sieben Königen und den sieben königlichen Führern, die bei dem Krönungsakte waren, das Frühmahl und das Abendessen ein55 • XII. Am Abend zieht er zum Königspalaste, wo er übernachtet. Dort richtet und urteilt er auch kraft seiner Würde. Er verläßt den Palast nur einmal im Monat am Tage, nachdem er den Neumond sah.
ANHANG Dm
ENTSTEHUNGSZEIT DES PsEuno-J osrPPON
Über »)osippons« Wert und die Zeit der Abfassung mußte ich mich- obwohl von sachkundigen Hebraisten beraten - vorsichtig ausdrücken, erfahre aber jetzt, daß meine Datierung und Einordnung das Richtige trafen. Aus der- von Prof. Dr. Martin PLESSNER (Jerusalem) bereitwillig vermitteltenAuskunft des Professors Dr. David FwssER (Jerusalem), dem ich mit Nachdruck meinen Dank abstatte, entnehme ich folgendes: Zu scheiden sind eine - bisher ungedruckte - Stammfassung (drei Handschriften) und eine versio longa. Eine wissenschaftliche Edition, die in Jerusalem erscheinen wird, ist im Druck. Klarheit über den Verfasser schuf Prof. FLUSSER in einem hebräisch abgefaßten Aufsatz (Der V erfass er des Buches J osippon, seine Gestalt und seine Zeit, in: Zion XVIII, 195 3 S. 109-26). a. Die Stammfassung wurde auf hebräisch in Süditalien, also im byzantinischen Kulturbereich (wahrscheinlich in Neapel) verfaßt, und zwar laut Angabe des Autors, im Jahre 885 nach der Zerstörung des Tempels, d. h. 953 n. Chr. (was durch seine Angaben über die Ungarn, Bulgaren, Petscheuegen usw. bestätigt wird). Der Verfasser benutzte nur Quellen in lateinischer Sprache (Apokryphen der Vulgata, die 5 I Der Friedenskuß nach dem Ordo XIV (Cencius II); s. ELZE a. a. 0. S. 49· 52 Der Patricius, s. dazu oben S. 365 A. 35 (S. I I 7 A. 3). 53 Der Magister Militum, s. S. 365 A. 36 (S. II7
Anm. 4). 54 Der Lateran. 55 Es fand nur ein Krönungsmahl im Lateran statt.
C 4: Josippons Schilderung der Römischen Krönung
»Antiquitates« des Josephus, jedoch bloß Buch r-r6, dessen »Bellum Judaicum«, Hegesipp usw.). Er legte Josephus irrtümlicherweise den Vaternamen »Gorion« zu, und da sein eigener Name vergessen wurde, bürgerte sich für sein Werk die Benennung josippon ( Gorionis) ein. b. Die» Versio longa«, die die Stammfassung bearbeitete und phantasievoll ausschmückte (aus italienischen Namensformen ergibt sich, daß auch ihr Verfasser in Italien lebte). Sie wurde II6ofr benutzt von dem Historiker ABRAHAM IBN DAvm, der u. a. auf die Kaiserkrönung anspielt. Als terminus post sieht Prof. FwssER den ersten Kreuzzug an. Damit ist die von mir vermutete Abfassung in der »ersten Hälfte des XII. Jahrhunderts« (S. 362) bestätigt.
5· Heinrich III.: I 046 zum Kaiser gekrönt und investiert als Patricius Romanorum* Heinrich, 1028 zum König gekrönt und seit 1039 Alleinherrscher, hat zunächst Jahre lang anderen Angelegenheiten des Reiches sein Augenmerk zugewandt, bevor er Anstalten traf, um sich in Rom die Kaiserkrone zu holen. Als er endlich im Jahre 1046 dazu kam, auch in den Römischen Angelegenheiten nach dem Rechten zu sehen, da war nicht die Krönungsfrage das Hauptmotiv seines Italienzuges, sondern der unhaltbare Zustand, in den die Römische Kirche während der letzten Jahre hineingeraten war. Nicht nur Kämpfe zwischen Römischen Parteien, sondern auch das Nebeneinander dreier Päpste auf einmal, von denen zwei noch Ansprüche auf den Stuhl Petri geltend machten, verlangten gebieterisch den Eingriff einer ordnenden Hand. Der allgemeinen, besonders aber in der cluniazensischen Reformpartei vertretenen Forderung nach einer »Erneuerung« der Römischen Kirche entsprach Heinrich III., der zukünftige Kaiser und als solcher »Vogt« der I<:irche, als er auf der Synode von Sutri I 046 die Neuordnung in die Wege leitete, die für das Papsttum eine neue Epoche eröffnete. Die beiden noch Ansprüche erhebenden Päpste wurden beiseite geschoben, und ein neuer Papst bestieg den Stuhl Petri. Es war ein Deutscher, der am Weihnachtsabend 1046 von Heinrich den Anwesenden vorgeschlagen und sofort inthronisiert wurde. Im Anschluß an seine Erhebung krönte der neue Nachfolger Petri, Clemens II., Heinrich zum Kaiser. Man fühlt sich bei diesem Ereignis nicht nur an die Krönung Karls des Großen erinnert, die gleichfalls an einem Weihnachtstage stattfand, sondern auch an den ersten Romzug Ottos III. Als dieser im Jahre 996 über die Alpen kam, hatte er einen ähnlich zerrütteten Zustand der Römischen I<:irche vorgefunden wie Heinrich. Er und seine Großen hatten damals geglaubt, nur durch die Erhebung eines Kandidaten, der in keiner Weise mit dem Römischen Parteiinteressen verknüpft war, einer abermaligen Gefährdung des päpstlichen ( S. 229 :) Ansehens vorbeugen zu können.
*
Ich wiederhole hier die Seiten 228-38 aus meinem Buch: »Kaiser, Rom und Renovatio«, Band I, Lpz. 1929 (Neudruck: Darm-
24 Schramm, Aufsätze III
stadt 1957), da sie zum Verständnis der voraufgehenden und der nachfolgenden Abschnitte erforderlich sind.
C 5: Heinrich III.: 1046 Kaiser und Patricius
So war der erste Deutsche auf den päpstlichen Thron gelangt. Hat dieses Ereignis Heinrich III. vor Augen gestanden, als er dem zweiten Deutschen den Weg zur Cathedra S. Petri öffnete? Und nun die Römer! Sie, die seit fast einem halben Jahrhundert zum ersten Mal wieder die Hand eines Kaisers in die Zustände ihrer Stadt eingreifen sahen- auch sie spielten bei der Neuordnung der zerrütteten Verhältnisse eine Rolle; denn an demselben feierlichen Tage, an dem der neue Papst seinen Pontifikat und Heinrich sein Kaisertum antrat, da erlebte ihr Patriziat eine Auferstehung, und es war niemand anders als der Kaiser selbst, der die Würde eines »Patricius« der Römer annahm! Der Patriziat Heinrichs III., der auch noch auf seinen Sohn übertragen worden ist, hat in der wissenschaftlichen Literatur1 eine große Rolle gespielt. Aus dieser Würde des Kaisers ergab sich ja sein Recht auf die Beeinflussung der Papstwahl, und die Beseitigung dieses Rechtes führte zum Investiturstreit. Deshalb ist der kaiserliche Patriziat schon kurz nach seiner Begründung von den einzelnen an der Papstwahl interessierten Parteien verschieden ausgelegt worden, und nicht nur das: da es sich um eine Zeit schnellen Wandels handelte, in der sich der Inhalt der einzelnen Rechtsbegriffe verschob, erweiterte oder präzisierte, so stellt fast jede Aussage aus zeitgenössischem Munde ein kritisches Problem dar. Es ist in jedem Fall zu erwägen, ob nicht eine erst später ausgebildete Rechtsanschauung in die Anfänge der Reform zurückprojiziert worden ist. Durch diese doppelte Schwierigkeit erklärt es sich, daß der Patriziat Heinrichs III. so lange Gegenstand des Streites hat sein können. Die neuere Forschung hat sich auf manchen Irrweg locken lassen, vor allem ist oft eine zu große Begriffsschärfe für diese Zeit des Übergangs vorausgesetzt worden. Nachdem nun die kirchengeschichtliche und rechtshistorische Betrachtung die notwendige Ergänzung ( S. 2JO.') nach der begriffsgeschichtlichen
r Aus der Lit. seien hier genanntE. STE1NDORFF, Jahrbücher d. Dtschen. Reiches unter Heinrich III. Bd. I, Leipz. 1874 Exkurs III 6: S. 506-ro; W. MARTENS, Die Besetzung des päpstl. Stuhles unter den Kaisern Heim. III. und Heinr. IV, Freib. i. B. r887 (auch: Zeitsehr. f. Kirchenrecht 20-22); C. A. FETZER, Voruntersuchungen zu einer Gesch. des Pontificats Alexanders II., Diss. Straßburg 1887; L. v. HE1NEMANN, Der Patriziat der dtschen Könige (Hab.schrift) Halle 1888; B. N1EHUES, Der römische Patriziat Kaiser Heinrichs III., 2 Teile (Index lectionum) Münster 1897; J. v. PFLUGK-HARTTUNG, Die
Papstwahlen und das Kaisertum (1046-1328), in: Zeitschr. f. Kirchengesch. 27-8, 19o6-o7; ]. DREHMANN, Papst Leo IX. und die Simonie (Diss.), Tübingen 1907 (Beitr. z. Kulturgeschichte d. Ma. u. d. Renaiss. 2); E. FrscHER, Der Patriziat Heinrichs III. und Heinrichs IV. (Diss. Berl.) Tübingen 1908; G. ScHOBER, Das Wahldekret vom Jahre 1059 (Diss.) Breslau 1914; dazu E. BERNHEIM in: Histor. Zeitschr. IIj, 1916 S. 130-p.- Damit ist nur ein Teil der Forscher namhaft gemacht, die zu der Frage des Patriziats Stellung (bis 1929) genommen haben. -Die »Jahrbücher« inzwischen unverändert neu gedruckt.
Geschichte des Römischen Patriziats
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Seite hin erfahren hat 2, ist die Einsicht in die 1046 eingeleitete Entwicklung wesentlich gefördert worden. Dadurch ist auch die kirchliche Seite des kaiserlichen Patriziats besser verständlich, und es ist ein Weg gefunden, die verschiedenen Aussagen der den Ereignissen mehr oder minder nahestehenden Autoren in Einklang zu bringen. Was noch der Aufhellung bedarf, sind der weltliche Inhalt des Patriziats, seine Herkunft aus der römischen Tradition, seine Formen und seine Bedeutung für Rom. Zu diesen Fragen können noch einige bisher weniger beachtete Tatsachen und zeitgenössische Äußerungen herangezogen werden. Wir müssen uns daran erinnern, daß der Patriziat in spätrömisch-byzantinischer Zeit eine der höchsten Würden darstellte, die dann langsam von ihrer Bedeutung verlor, so daß sie auch an italienische Fürsten verliehen werden konnte. Etwas ganz Neues hatte es bedeutet, daß die Päpste die fränkischen Könige zu »Patriziern der Römer« gemacht hatten. Durch diesen Titel wurden die Karolinger mit Rom verknüpft, aber sie waren durch ihn auch verpflichtet, den Papst mit weltlichem Arm zu schützen. Ein dritter Patriziat entstand endlich dadurch, daß sich im X. Jahrhundert der römische Stadtherr diesen Titel beilegte, der als die Erneuerung einer altrömischen Würde gedacht war3 • Dieser Patriziat war von Otto III. beseitigt, aber dann in der Form wiederhergestellt worden, daß ein vom Kaiser ernannter und in seinem Dienst verwendeter »Patricius der Römer« eingesetzt wurde4 • In den Zusammenbruch der Herrschaft Ottos wurde auch dieser kaiserliche Würdenträger hineingezogen. Als die Crescentier abermals zur Macht gelangten, nahmen sie wieder wie die früheren Stadtherren den römischen Patriciustitel an5 • Dieser verschwand erst 1012, als die Tuskulaneu ihre Rivalen in der Herrschaft über Rom ablösten6 •
2 Ich verweise hier für die kirchliche Seite des Patriziats auf P. ScHMID, Der Begriff der kanonischen Wahl in den Anfängen des Investiturstreites (Stuttgart 1926), bes. S. 6zff. Ich habe meine Auffassung über die Verdienste dieses Buches schon in der Histor. Zeitschr. 137, 1928 S. 368f. zum Ausdruck gebracht und halte daran trotz der anders gearteten Einschätzung fest, die A. ScHAru'JAGL in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 47 (6o) Kan. Abt. r6, 1927 S. 443 ff. zu begründen gesucht hat. Vgl. auch die Anzeige von R. HoLTZMANN in: Neues Archiv 47, 1928 S. 35 5f. Vgl. ferner K. ScHNITH, Recht und Friede. Zum Königsgedanken im Umkreis Heinrichs III., im Histor. Jahrbuch 81, 1962 S. 22ff. Zum Voraufgehenden vgl. Bd. I S. 195 (bes. Anm. 4) und oben S. z8off. (Hofstaat Ottos
III.) aus: Renovatio a. a. G. S. 58 ff. 4 S. Renovatio I S. rr3. 5 S. ebd. S. r 89. 6 Zum Folgenden vgl. G. B. BoRINO, L'elezione e Ia deposizione di Gregorio VI, in: Arch. della R. Soc. Romana 39, Rom r9r6 S. 141-25 2, 295-410, bes. S. 36r ff. Dieser gründlichen Arbeit, die weit mehr bietet, als der Titel verheißt, kommt das in den letzten Jahrzehnten publizierte Römische Urkundenmaterial sehr zugute. Außerdem leistet sie durch die kritische Behandlung des zusammengetragenen Materials förderliche Dienste. Mit den anschließenden Ereignissen befaßt sich DERS., »Invitus ultra montes cum domno papa Gregorio abii«, in den von ihm herausgegebenen Studi Gregoriani I, Rom 1947 s. 3-46.
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C 5: Heinrich III.: 1046 Kaiser und Patricius
Von da an bis zum Jahre ro46 gab es keinen »Patricius der Römer« 7 • ( S. 23 I:) Wie schlägt sich nun die Brücke von diesen älteren Patriziaten zu dem Heinrichs III.? In die bisher klaffende Lücke treten Texte ein, die in diesem Zusammenhang noch nicht zur Geltung gekommen sind. Vor allem kommt hier der »Graphia-Libellus« in Betracht, in dem eine klare Theorie über den Römischen Patriziat entwickelt ist. Sie schafft ein Verständnis für das, was sich im Jahre ro46 in Rom ereignet hat. Diese römische, auf die Tuskulanen zugeschnittene Schrift, die wir um ro3o angesetzt haben, vertritt folgende Ansichten über den »Patricius Romanorum«: Der Inhaber dieses Amtes, der ein Mann von Rang sein soll, ist der zweite Würdenträger des Reiches nach dem Kaiser, der ihn zu seinem »Adjutor« macht, weil das ihm von Gott überlieferte Herrscheramt für einen allein zu schwer ist. Die Aufgabe des Patricius, des »Wächters des Reiches«, ist es, für den Staat zu sorgen. Er hat die Pflicht, den Kirchen Gottes und den Armen Rechtsschutz zu gewähren, wofür er einmal bei Gott Rechenschaft abzulegen haben wird. Seine Einsetzung erfolgt durch den Kaiser, der ihm ein »bambacinum«, ein Ernennungsschreiben, ausstellt und ihm als Abzeichen seines Amtes einen Mantel, einen Ring und einen goldenen Circulus, einen Stirnreifen, übergibt. So sei es schon im römischen Altertum gewesen, und 7 Wenn man dem 1085-86 verfaßten »Liber ad amicum« des Bonizo von Sutri (Mon. Germ., Lib. de lite I S. 584) trauen könnte, dann hätte es doch einen Tuskulanischen Patriziat gegeben. Nach seinen Ausführungen, die durch eine streng papalistische Einstellung bestimmt sind, zerstörten die Römischen Herren, vor allem die Tuskulanen, »unter dem eitlen Namen des Patriziats« die Römische Kirche. Die entscheidende Angabe macht Bonizo im Anschluß an den Wechsel auf dem päpstlichen Thron, der im Jahre 1032 Benedikt IX. die Nachfolge seines Oheims, Johanns XIX., verschaffte: Gregorius frater eius nomen sibi vendicabat patriciatus. Hac occasione - so leitet Bonizo über - verkauft der Papst sein Amt. Durch Silvester III. vertrieben, wird er bald wieder durch seine weltlichen Brüder Gregorius patricius et Petrus eingesetzt. Wörtlich genommen würde die Annahme des Titels also erst in die Zeit kurz vor Sutri zu setzen sein; aber bei der Zusammendrängung dieser anderthalb Jahrzehnte umfassenden Ereignisse in drei Sätze ist (wie auch Borino a. a. 0. S. 361 f. A. 4 betont)
eine so genaue Interpretation nicht möglich. Voraussetzung für das Ereignis wäre jedenfalls der Tod des bisherigen Familienhauptes Alberieb III., der zw. 1033-45 gestorben sein muß. Nun zeigen die Urkunden- und Gregor wird in solchen gerade in den Jahren 1043 und 1045 genannt-, daß von einer offiziellen Führung nicht die Rede ist: kein Beleg kann dafür beigebracht werden, daß die Tuskulanen vor Sutri den Patriziat besessen haben. Borinos Ausführungen (a. a. 0. S. 363 f.), in denen das Material gut zusammengestellt ist, laufen deshalb mit Recht darauf hinaus, daß Bonizos Angaben als unpräzise abzulehnen sind. Im Hinblick auf das Abfassungsdatum seiner Schrift, auf seinen Parteistandpunkt und seine sonstige Unzuverlässigkeit kann man sie ohne Bedenken übergehen; vgl. dazu R. BocK, Die Glaubwürdigkeit der Nachrichten Bonithos v. S. im »Liber ad amicum«, Berlin 1909 (Histor. Studien 73) bes. S. 24, wo die genannte Stelle beleuchtet ist. - Zum Folgenden s. auch: Renovatio a. a. 0. S. 201 f., 213 f.
Heinrichs III. Patriziat
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so solle es auch noch jetzt sein. Dabei vermeidet es der Verfasser, den Tuskulaneu unmittelbar den Titel »Patricius« zu geben, den diese ja nicht führen konnten, weil er unter der Herrschaft der Crescentier einen zu ausgesprochen antikaiserlichen Charakter bekommen hatte. Aber indirekt sagt der Autor doch, ( S. 2 p:) daß die Macht der Tuskulaneu im Grunde eine patrizische sei. Da die Anlage seines Werkes es ihm unmöglich machte, vom Papst zu sprechen, so ließ er den Leser leider .über einen Punkt im unklaren, den man gerade von ihm erhellt haben möchte: er sagte garnichts über die Rechte, die der Patricius bei einer Papstwahl beanspruchen könne. Ganz verwandte Anschauungen treffen wir in dem Krönungsberich t aus der ersten Hälfte des XI. Jahrhunderts, der sich in dem hebräischen Werk des Josippon erhalten hat 8 • Hier ist die Rede von einem Begleiter des Kaisers auf dem Krönungszug, dessen Titel der hebräische Text nicht mitteilt. Er ist »vom Rate Roms erkoren« (also nicht vom Kaiser ernannt) und wird nach der Krönung der Stellvertreter (Misne = Vice) des Kaisers 9 • Seine Stellung kommt darin zum Ausdruck, daß er am Schluß der Zeremonie zur Linken des Kaisers Platz nimmt, während der Papst sich zu seiner Rechten setzt. Denkt man an die Theorien zurück, die im X. Jahrhundert über den Patriziat in Rom aufgestellt worden sind10 , und vergegenwärtig t man sich dann noch, daß Otto III. ja tatsächlich einen kaiserlichen »Patricius Romanorum« eingesetzt hat11, so erkennt man, daß die Anschauungen der beiden Texte sich folgerichtig aus der Geschichte entwickelt haben. Es kann nun kein Zweifel sein, daß diese Anschauungen noch im Jahre 1046 lebendig waren und der Patriziat Heinrichs III. durch sie mitbestimmt worden ist. Dafür können zwei Tatsachen namhaft gemacht werden 8 : der Kaiser ließ sich den Patriziat von den Römern übertragen12 - das ist die schon im X. Jahrhundert feststellbare, von Otto III. und dem »Libellus« abweichende Auffassung, die noch im »Krönungsberic ht« und in einer Fälschung aus der Zeit Heinrichs IV.l 3 zum Ausdruck kommt; 2. die Abzeichen dieses kaiserlichen Patriziats waren Mantel, Ring und goldener Zirkel14 ( S. 2 J J .') also jene Würdezeichen, die im 8 V gl. den voraufgehenden Abschnitt. 9 S.: Renovatio a. a. 0. S. 2I8. IO S. ebd. S. 62 f. I I S. ebd. S. I I 3. 12 Darin stimmen die Annales Rom. (Mon. Germ., Script. V S. 469 = Lib. pontif. ed. L. DucHESNE II S. 332) und Leo von Monte Cassino (ebd. Script., VII S. 683) überein. 13 Vergleiche dazu: Renovatio a. a. 0. S. 28rf. 14 Bezeugt vor allem durch Benzo VII c. 2 (Mon. Germ., Script. XI S. 671 u. 672):
Indutus igitur rex [sc. Heinricus IV.] viridissima c!amide desponsatur patriciafi anulo, coronatur eiusdem prelature aureo circulo . . . Itaque [ Romani} mittunt ei clamidem, mitram, anulum et patricialem circulum. Nach Benzos Auffassung
ist der Zirkel schon das Abzeichen der altrömischen Patricii; vgl. I c. 9 (S. 6oz), wo von quinque viri . .. patricialibus circulis redimiti die Rede ist. Daß er an dieser Stelle, die sich auf die Kaiserkrönung bezieht, an altrömische Zustände denkt, v;rurde in: Renovatio a. a. 0. S. 258ff. gezeigt. Auch in den
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C 5 : Heinrich III.: I 046 Kaiser und Patricius
»Graphia-Libellus« namhaft gemacht sind (Das hier außerdem noch angeführte Ernennungsschreiben, das der Autor wohl unter dem Eindruck der byzantinischen Zustände eingefügt hatte15 , darf man nicht erwarten, da der Kaiser ja selbst der Patricius ist). Heinrich erhielt jedoch ein Würdezeichen mehr als der Patricius des »Libellus«, nämlich die Mitra. Sie ist jedoch in dieser Schrift unter den Kronen des Kaisers aufgezählt16 • Außerdem erfahren wir von dem Patricius-Mantel des Kaisers, daß er eine grüne Farbe hatte - eine Einzelheit, die auch einmal von stadtrömischer Seite festgelegt sein muß; denn die Entscheidung für das nicht gewöhnliche Grün, das auch Benzo von Alba vermerkt 17 , ist wohl so zu erklären, daß am byzantinischen Hof grüne Mäntel von besonderen Würdenträgern getragen wurden 18 • Mochte der Patriziat Heinrichs III. auch an den der römischen Stadtherren anknüpfen, so entsprach er ihm allerdings nur zum Teil. Nach römischer Auffassung sollte der Patricius ja der Stellvertreter des Kaisers sein, der ihm einen Teil seiner Bürde abnahm; nach ihr wäre also der Kaiser sein eigener Stellvertreter geworden! Nun kann ja gar kein Zweifel sein, daß Heinrich nicht gesonnen war, die Nachfolge der Crescentier anzutreten, sondern daß er höhere Ziele verfolgte, als er sich entschloß, von den Römern die Würde des Patriziats anzunehmen. Wichtiger war, was er selbst sich unter diesem Amte vorstellte! Annales Romani (Lib. pontif. ed. L. DuCHESNE II S. 332 = Mon. Germ., Script. V S. 469) heißt es: circu/um, quod ab antiquitus Romani coronabant patricios. Die Auffassung deckt sich mit der, die hinter dem c. 20 des »Graphia-Libellus« (S. oben S. 3 52) steht. Der Zirkel wird auch von Leo von Monte Cassino (Mon. Germ., Script. VII S. 682) erwähnt. Berthold: Ann. ad a. Io6I (ebd. V S. 271) = Bernold: Ann. (ebd. S. 427f.) = Cont. chron. Herrn. (ebd. XIII S. 73d.) sprechen von corona - vgl. hierzu auch G. MEYER V. KNONAU, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinr. IV. u. Heinr. V., I, Leipz. I89o (jetzt neugedruckt) S. 217f. 15 Vgl.: Renovatio a. a. 0. S. 2I3f. r6 Vgl. dazu die Ausführungen ebd. S. 203. Weitere Belege für die mitra im I I. J ahrh. bei P. E. S., Herrschaftszeichen I S. 71 ff. Mit einem Mantel investierte - wie für Innocenz III. bezeugt ist - der Papst den Stadtpräfekten (Migne, Patr. lat. 214 Sp. 18 = Die Register Innocenz' III. I, I, bearb. von 0. HAGENEDER u. A. HAIDACHER,
Graz-Köln 1964 S. 34f.). I7 S. oben S. 342. 18 J. EBERSOLT, Me!anges d'hist. et d'arch. byzantines, Paris I9I7 (Auszug aus: Revue de l'hist. des religions LXXVI) S. 54 mit Hinweis auf Const. Porph., Lib. de caer. I c. I7 und 44 (Banner Ausg. S. I05, 106, 227). Das an zweiter Stelle genannte Kapitel, das sich auf den Nobilissimat bezieht, stammt schon aus dem VIII. Jahrh., das erste dagegen erst aus dem X. Jahrh.; es betrifft den Demokrates und den Demarchos. Zu beachten ist, daß auch das Gewand des Dogen Ordelaffo Falier (dieses Email wohl hergestellt aus dem Bild des Kaisers Alexander Komnenos bzw. Johannes II. Komnenos) auf der Pala d'oro von San Marco (Anf. I2. Jahrh.) eine grüne Farbe zeigt; doch mag diese durch ästhetische oder technische Gründe bedingt gewesen sein. V gl. G. LORENZONI, La Pala d'oro di San Marco, o. 0. u. ]. (Forma e Colore, Sadea/Sansoni Editori, Folio, T. 2).
Heinrich III. - Benzo von Alba
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In der bisherigen Diskussion über den kaiserlichen Patriziat ist zu sehr zurückgetreten, daß diese Würde eine außerordentlich verwickelte V argeschichte hatte, so daß man sehr verschiedener Meinung über ihren Charakter sein konnte. Es ist auch nicht genügend betont worden, daß der Patriziat von ro46 aus einer Vereinbarung des Kaisers und der Römer, also zweier sehr verschieden eingestellter Parteien, hervorgegangen ist. Die Römer haben ihre Auffassung vom Patriziat gehegt, und ihr hat sich der Kaiser zum Teil anbequemt; aber auch der Kaiser hat seine Auffassung über das Amt gehabt, die gleichfalls historisch gestützt war: es bedarf ja keiner Beweise, daß man sich damals darauf besonnen hat, daß ( S. 2 3 4:) auch Karl der Große einstmals den Patricius-Titel geführt hatte. Nur so ist zu erklären, daß nach römischen Parteihäuptern von lokaler Bedeutung ihn wieder der Herr des Reichs trug. Es verschlägt nichts, daß Karl den Patriziat bei der Kaiserkrönung niedergelegt hatte, während Heinrich ihn gerade an diesem Tage annahm - auf der stadtrömischen Seite war es mit der historischen Genauigkeit nicht besser bestellt. Man darf demnach Heinrichs Patriziat als eine Erneuerung des karolingischen in den Formen des stadtrömischen bezeichnen, wenn man nur bedenkt, daß es für die damals Handelnden immer derselbe Patriziat war, der von den alten Römern über die Karolinger und die Crescentier nun zu dem Salier gewandert war. Sie mochten wähnen, daß nun ein alter Zustand »richtig« wiederhergestellt, »erneuert« worden seil9, Das Durcheinander in Vorstellungen verschiedener Herkunft, aus denen der kaiserliche Patriziat entsprang, tritt klar in dem Bericht heraus, den der gut informierte BENZO VON ALBA von diesen Ereignissen hinterlassen hat 20 • BENZO schickt seiner Schilderung der Ereignisse von 1046 einige Angaben über die Geschichte des Römischen Patriziats voraus 21 • Ihm zufolge hat Konstantin nach seiner Taufe zum Schutze des Staates in Rom einen Patricius eingesetzt, wofür der Papst nach Konstantinopel als seinen Vertreter den Apocrisiar entsandte. Dieser sollte in Glaubensfragen einzuschreiten haben; dem Patricius kam die Verteidigung der Kirche gegen Unrecht zu. Außerdem hatte er den Kaiser im Falle seiner Abwesenheit bei der Papstwahl zu vertreten. Dabei konnte er jedoch nur für den ordnungsgemäßen Vollzug der Wahl durch Klerus, Senat und Volk sorgen; denn die Konsekration war in jedem Falle an die ausdrückliche Genehmigung des Kaisers gebunden. Bis hierher entspricht die Darlegung in ihrem Kern genau der im »GraphiaLibellus« entwickelten Stellvertreter-Theorie, die den Patriziat auf das Altertum 19 Hinter dem von Amarcius (Sermones III, r 54) genannten »Patricius« vermutet W. BuLST Heinrich III. (Histor. Vierteljahrschrift 1933 S. 830 A. ro).
zo Über ihn ausführlich: Renovatio a. a. 0. S. 258ff.; s. a. unten S. 38rff. 21 Panegyr. VII c. 2 (Mon. Germ., Script. XI S. 67o).
C 5: Heinrich III.: 1046 Kaiser und Patricius
zurückgeführt wissen wollte und in dem Patricius einen vom Kaiser ernannten Beamten sah. Wie findet BENZO von hier die Brücke zu dem Modus des Jahres 1046? Er versucht die Abänderung des bisherigen Patriziats durch folgende Erzählung zu motivieren: Heinrich III. forderte die Römer feierlich auf, frei nach gewohnter Weise einen neuen ( S. 2 3 J:) Papst zu wählen. Diese aber belehrten ihn, daß in Anwesenheit des Kaisers die Wahl nicht in ihr Belieben gestellt sei. Im Falle seiner Abwesenheit werde er durch den Patricius, seinen »Vicarius«, vertreten: »Denn der Patricius ist nicht der Patricius des Papstes, sondern er ist der Patricius des Kaisers zur Verwaltung der Geschäfte des Staates«. Der Schluß dieses Satzes kommt den Angaben des Libellus sehr nahe, aber im ganzen ist er doch schon durch den erst später hervorgetretenen Gegensatz zwischen Kaisertum und Papsttum bestimmt. Auch in der Art, wie sich Heinrich um eine »electio canonica« bemühte, spürt man, daß der Autor erst nach den Ereignissen unter dem Eindruck der Fragen seiner Zeit schreibt. Man wird daher seine Angaben über diese Verhandlungen, die ja in irgendeiner Weise stattgefunden haben müssen, die aber sonst nicht erwähnt werden, mit größter Skepsis aufnehmen. Es war unmöglich, aus der Römischen Stellvertreter-Theorie, die BENZO den Römern noch unmittelbar vor Errichtung des kaiserlichen Patriziats in den Mund legt, diesen selbst zu entwickeln. Benzo weiß daher auch nur zu erzählen, daß nach der zitierten Erklärung der Römer ein von der Synode gebilligter Entschluß zustande kam, wonach Heinrich mit allen seinen Nachkommen Patricius sein sollte, »so wie wir lesen, daß es mit Karl geschehen sei« - ein Hinweis, der die Situation von 1046 richtig beleuchtet. Es sei hier erwähnt, daß die Anschauung von der angeblich schon altrömischen Übertragung des Patriziats durch die Römer auch in der Folgezeit noch ihre Wirkung ausgeübt hat. Auf diese Weise ist 1061 Heinrich IV. als Erbe seines Vaters zum »Patricius Romanorum« erhoben worden, dessen Würdezeichen er anlegte 22, und dem entsprechen auch die Ausführungen in einer Fälschung, die um die achtziger Jahre Heinrichs Parteigänger Petrus Crassus von Ravenna oder doch ein ihm sehr nahestehender Mann angefertigt hat 23 • Indem er die damals wieder auftauchende 22 Die Nachrichten über die Patricius-Würde seiner Nachfolger bedürfen einmal einer sehr kritischen Nachprüfung. 23 Fedor ScHNEIDER, Eine antipäpstl. Fälschung des Investiturstreites in: Abband!. aus d. Gebiet der mittl. u. neueren Gesch. für H. Finke, Münster 1925 S. 84ff., bes. S. II9 und K. JoRDAN, Ravennater Fälschungen, im Archiv f. Urkundenforschung XV, 1938 S. 436 sowie sein Aufsatz: Der Kaisetgedanke in Ravenna z. Z. Heinrichs IV.,
im Deutschen Archiv II, 1938 S. 85-128. In einer Fortsetzung der Hildesheimer Annalen (Mon. Germ., Script. III S. 91 = Script. in us. schal., ed. G. WArTz, 1878 S. 27) heißt es über Ottos III. Kaiserkrönung: ... imperator et patricitts consecratur; vgl. dazu H. APPELT in den Mitteil. des Inst. f. Österr. Gesch. 66, 1958 S. 377, der daraus schließt, daß dieser Text erst nach 1o6o so gefaßt sein kann.
Heinrichs IV. Patriziat- Motive Heinrichs III.
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Theorie von der Übertragung der Herrschaft durch das Volk auf den Herrscher benutzte, führte er aus, daß das Römische Volk seine Macht nicht nur dem Kaiser übertragen habe, sondern auch einem Patricius. Die Begründung dieser Maßnahme erinnert an den »Graphia-Libellus«; denn es heißt in der Fälschung: »Weil es schwer war, ein so großes Volk zu versammeln und auf alle Stimmen der Großen und Kleinen Rücksicht zu nehmen, haben sie ihre Gewalt einem Einzigen allein übertragen, den sie Patricius nannten, ( S. 236:) und dem sie zur Seite über alle andern zwölf, ,senatus consulti' betitelte Männer setzten« 24 • Zwei Menschenalter später haben sich die Römer tatsächlich wieder einen Patricius eingesetzt: ein Zeichen, daß sie ihre alte Theorie nicht vergessen hatten. Fragt man sich, welche Gründe Heinrich III. bewogen haben mögen, sich den Römischen Patriziat übertragen zu lassen, dann kann im Hinblick auf die Folgezeit die Antwort nicht zweifelhaft sein. Er erhielt durch diese Würde den Prinzipat bei der Papstwahl: in electione semper ordinandi pontificis principatum, um den Ausdruck des Petrus Damiani zu gebrauchen 25 • Kein Papst konnte mehr auf den Thron Petri erhoben werden, ohne daß der Kaiser seinen Willen kundgetan hätte. Es war ein alter Anspruch des Kaisertums, den Heinrich hier zu neuer Anerkennung brachte 26 • Dieser Anspruch war aber in den letzten Jahrzehnten, in denen Kaiser und Papst nebeneinanderher gelebt hatten, zurückgetreten, so daß er sich nicht mehr ohne weiteres aus der kaiserlichen Würde ableiten ließ. Um ihn wieder aufzunehmen, bedurfte es eines neuen Rechtstitels, und dieser wurde in der Würde des »Patricius Romanorum« gefunden, da seit Menschengedenken die Päpste immer nur durch die Macht des Patricius und eines Stadtherrn, der einem Patricius gleichstand, die Cathedra S. Petri bestiegen hatten. Der Rechtsinhalt des stadtrömischen Patriziats war es also, der Heinrich III. anzog und der ihn bewog, den goldenen Zirkel auf seinen Scheitel zu setzen 27 ; die schnell aufeinander folgenden Sedisvakanzen der nächsten Jahre haben ihn bald die Früchte dieses Entschlusses ernten lassen. Was bedeutete das Jahr 1046 nun für den Römischen Erneuerungsgedanken 28 ? 24 Mon. Germ., Const. I S. 667f.: Quia difftci!e erat in unum semper tantum populum congregare ttniversasque voces adultorum et parvulorum exspectare, idcirco uni tantum persone suum ius ac potestatem tradidertmt, quem patricium nuncupaverunt, iuxta vero quem XIIcim super a!ios universos constituerunt, quos senatus consu!tos nominaveruni (nach Inst. de iure I 5); s. auch S. 669 Z. 42, 673 Z. 26. 25 Mon. Germ., Lib. de lite I S. 8o, dazu ScHMID a. a. 0. S. 63 f., dem ich in der Interpretation der viel umstrittenen Stelle ganz
zustimme; vgl. auch H. v. ScHUBERT, Petrus Dam. als Kirchenpolitiker in: Festgabe für Kar! MüLLER, Tübingen 1922 S. 94ff. 26 Fedor SCIL"lEIDER, Rom u. Romgedanke im Ma., Münch. 1926 S. r89 mit S. 268 Anm. und Borino a. a. 0. S. 15f. (S. 21 eine Kritik an Benzos Angaben). 27 Das schließt nicht aus, daß man damals diesen Rechtsinhalt auch in den Patriziat Karls d. Gr. hinein interpretiert hat. 28 Zur Illustration dieser Zeit vgl. auch den Brief Odilos von Cluny an Heinrich III., in
C 5: Heinrich III.: 1046 Kaiser und Patricius
Wieder einmal war ein - vermeintlich - altrömisches Amt erneuert, ( S. 2 J 7:) und der Kaiser selbst trug nun den Zirkel, der nach römischer Annahme schon den Patriziern der alten Kaiserzeit als Abzeichen zugekommen war. Ein neues Band verknüpfte den Kaiser mit Rom und den Römern; man mochte hoffen, daß weitere Schritte Heinrichs erfolgen würden, um dem Idealbild des von Rom aus wieder die Welt beherrschenden, des den Alten ebenbürtigen Kaisers näher zu kommen: so, wie es im »Graphia-Libellus« und den verwandten Texten seinen Ausdruck gefunden hatte. Diese Erwartung hatte vorerst keine praktischen Aussichten. Denn das bisherige Verhältnis zwischen Römern, Papst und Kaiser, das dem Erneuerungsgedanken günstig gewesen war, hatte eine gründliche Veränderung erfahren. Kaiser und Papst waren wieder in engste Beziehungen getreten; und so lange der Papst die Wiederaufrichtung des Ansehens der Römischen Kirche im Bunde mit dem Kaiser unternahm, solange standen sie auch zusammen gegen die 1046 mattgesetzten Römischen Herren, nämlich die Tuskulanen und ihren noch immer mächtigen Anhang. Deren Einwirkung war nicht nur das Papsttum entzogen, sondern ihrem Ehrgeiz war unmittelbar ein Riegel vorgeschoben; denn jetzt war ja der »Patricius Romanorum« der Kaiser selbst. Kein Feudalherr konnte es mehr wagen, nach dieser Würde seine Hände auszustrecken. Es muß für Heinrich III. eine günstige Nebenerscheinung bei der Annahme des Patriziats bedeutet haben, daß er dadurch die Möglichkeit einer Stadtherrschaft im alten Stil, durch die die Reform des Papsttums sofort wieder gefährdet worden wäre, ausschloß oder ihr zum mindesten jeden Anschein von Legitimität nahm 29 • Gern sähe man klarer über die Römer, die sich Heinrich damals anschlossen und ihm den Patriziat übertrugen 30 • Sie handelten offensichtlich gegen die bisherigen Herren Roms, wenn auch nicht gegen den Römischen Erneuerungsgedanken. Waren es - abgesehen von den Mitläufern und Gewinnsuchern, die nach jedem Umschwung bei der Hand sind- adlige Gegner der Tuskulanen, waren es mehr die unteren Klassen, die die Gelegenheit benutzten, um ihren Einfluß zu stärken? Einiges scheint hierauf hinzudeuten. Aber wie dem auch sei, in Rom wechselten die Verhältnisse oft schnell. Gerade die 1046 mattgesetzten Herren waren es, die Heinrich IV. 1061 den Patriziat übertrugen. Dieser überraschende Wechsel erklärt sich dadurch, dem eine Verherrlichung Ottos II. benutzt ist (Renovatio a. a. 0. II S. 6r, dazu I S. 76f.). Während Odilo an die Ottonischen Vorstellungen anknüpft, feiert Petrus Damiani den Kaiser Heinrich, weil unter ihm iam saeculi ftne aureum David saecttlttm renovatur (Migne, Patrol. lat. 144 Sp. 436). Dieses Zitat zeigt, daß damals der Erneue-
rungsgedanke auch in anderen Formen als der Römischen wirksam war. 29 Eine historische Parallele bildet der Titel »Prince of Wales«, den Eduard I. von England 1301 auf seinem Sohn übertrug- womit dem Auftreten eines Walisischen Prätendenten ein Riegel vorgeschoben war. 30 Vgl. dazu BoRINO a. a. 0., bes. S. 364f.
Ergebnis
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daß damals schon der Gegensatz zwischen Kaisertum und Papsttum offenbar geworden war, der - an sich von alters her gegeben - wieder hervortreten mußte, sobald das Reformpapsttum an die ( 5. 238:) Verwirklichung seiner durch die Tradition vorgezeichneten Aufgaben heranging. Die Tatsache, daß der Kaiser sich unter dem Titel des Patricius Rechte bei der Papstwahl gesichert hatte, die dem Reformgeist widersprachen, mußte diese Entwicklung noch beschleunigen31 • 31 Vgl. zur folgender Zeit: »Heinrich IV. und Rom«, unten S. 4o8ff.
6. Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba Ein neues Zeugnis des Graphia-Kreise s* Das großartigste Schauspiel, das sich der mittelalterlichen Christenheit bot, war die Krönung des Kaisers durch den Papst. Sie machte die politische Hierarchie des Abendlandes in ihrer geistlich-weltlic hen Doppelheit und in ihrer unlösbaren Verschränkung sichtbar -in der Stadt der Imperatoren, die zugleich die Stadt Petri war.
a) Die Ordines des IO.-I2.]ahrhunderts Außer den Angaben der Zeitgenossen, die erst im hohen Mittelalter ausführlicher werden, liegen die »Ürdines« vor, nach denen die kirchliche Feier abgehalten wurde. Aus dem ro. (oder 9.) Jahrh. stammen zwei Texte, dieaußer den benutzten Gebetennur wenige Vorschriften enthalten. Diese Ordines sind in das Mainzer Pontiftcale RomanoGermanicum aufgenommen und dadurch weit verbreitet worden1 • Sie wurden durch Zusätze usw. verbessert, hielten aber mit der Entwicklung nicht Schritt 2 • Es ist daher
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Zuerst: Deutsches Archiv I, I937 S. 389-407 (durchgefeilt und - wo erforderlich - abgeändert). Diesen Ordo hat jetzt R. ELZE als »Modus der Kaiserkrönung aus der Salierzeit (Oberitalien Mitte oder 2. Hälfte des Ir. Jh.s)« in seine Ausgabe aufgenommen: Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin, Hannover I96o (Mon. Germ., Fontes iuris Germ. antiqui IX) S. 34-5 (dazu
S. XII). Ich berichtige meinen (auf einen Druck gestützten) Text des Ordo nach R. ELZE, der auf die Handschrift zurückgriff, und übernehme auch seine Noten. Da er sich auf die Edition beschränkt, halte ich den vollständigen
Wiederabdruck meines Aufsatzes für gerechtfertigt. I ELZE a. a. 0.; S. I-6: Ordo I und II (beide bezeichnet: »Mainz?, ver 96o«). Ich hatte den einen - irregeführt durch die zu frühe Datierung einer Handschrift - zunächst zu früh angesetzt (Archiv für Urkundenforschun g XI, 1930 S. 354ff.); diesen Fehler habe ich berichtigt in der Zeitschr. für Rechtsgesch. 55, Kanon. Abt. 24, 1935 S. r84f. Anm. I. Aber ich hielt noch daran fest, daß die beiden Ordines bereits im 9· Jahrh. entstanden seien. Leider bringt keiner der beiden Ordines einen festen Anhalt. - S. jetzt oben S. r8rf[ 2 Gedruckt bei ELZE a. a. 0. S. r 2 ff.: Ordo V-VIII.
Die Ordines- Benzo von Alba und seine Vorlage
verständlich, daß die Kurie um I Ioo die Aufgabe, einen zeitgemäßen Ordo aufzustellen, in die Hand nahm3 • Auch dieser ließ noch viele Fragen offen; deshalb wurde (wohl in der I. Hälfte des I2. Jahrhunderts) von einem gediegenen Sachkenner ein umfangreiches Formular hergerichtet, das ein halbes Dutzend älterer Texte zu Rate zog4 •
b) Die Kaiserkrönung in der Geschichtsschreibung- Benzo von Alba und seine Vorlage: der »Salische Kaiserordo« Die genannten Ordines berücksichtigen, soweit sie nicht von schriftlichen Vorlagen abhängig sind, den Brauch, wie er sich seit der karolingischen Zeit herausgebildet hatte. Über ihn, besonders über seine weltliche Seite ist auch aus den Geschichtsschreibern des I2. Jahrhunderts allerlei zu erfahren. Aber zwischen ihnen und den Gesta Berengarii, die den einzigen etwas ausführlicheren Bericht über eine Krönung in der spätkarolingischen Zeit enthalten 5 , klafft eine Lücke. Über den Kaiserkrönungen der Sächsischen und der Salischen Zeit, die liturgisch zwar am Herkommen festhielt, sonst aber manches Neue gebracht haben wird, liegt daher ein Dunkel, das nur an einzelnen Stellen aufgelichtet ist. Das wesentlichste Zeugnis aus dieser Zwischenzeit enthält der Panegyricus des Bischofs Benzo von Alba (t nach 108 5). Er hat diesem Sammelwerk, das für Heinrich IV. bestimmt war, eine Beschreibung eingefügt, wie nach seiner Auffassung eine Kaiserkrönung abgehalten werden müsse. Man hat ihr nicht viel Vertrauen entgegengebracht; denn Benzo ist ja als leidenschaftlicher Publizist bekannt, der alles im kaiserlichen Sinne zurechtzurücken wußte. Auch hat sich ergeben, daß seine Vorstellungen vom Kaisertum und von Rom durch die Ideen bestimmt sind, die um Io3o in der Graphia aureae urbis Romae ihren deutlichsten Ausdruck gefunden hatten, die aber auch in manchen andern Texten des I I. Jahrhunderts anklingen, so daß man von einem »Graphia- Kreise« ( 5. 392 .") sprechen kann6 • Seine geistige Heimat war Rom, aber er blieb nicht auf die aurea Roma beschränkt. Manche Gedanken, besonders die Erwartung einer Renovatio imperii Romanorum, wurden von der Juristenschule in Ravenna und von den kaiserlich Gesinnten in der Lombardei geteilt. Andere trugen sie in die Welt hinaus; selbst die päpstliche Partei griff sie auf, bog sie dann allerdings in ihrem Sinne um. In vielfach abgewandelter Form erfüllen daher diese Gedanken und Hoffnungen die Welt des I I. Jahrhunderts. Als neues Faktum ergibt sich jetzt, daß Benzo für seine Schilderung der Kaiserkrönung eine Vorlage benutzte, die ihrerseits schon durch den Geist des Graphia3 Ordo X (»Cencius I«); vgl. ELZE a. a. 0. S. 22-5. 4 Ordo XIV (»Cencius Il«); vgl. ELZE a. a. 0. s. 3 5-47·
5 IV v. 89ff.;Mon. Germ., Poet.lat. IV S. 398ff. 6 Vgl. P. E. S., Kaiser, Rom und Renovatio I, Lpz.-Berlin 1929; Neudruck: Darmstadt 1957 S. 259ff. über Benzo; dazu Kap. V-VIII.
C 6 : Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
Kreises berührt war. Dadurch fällt neues Licht nicht nur auf ihn, sondern auch auf die Krönung in der Zeit, in der wir mehr als sonst die Zeugnisse vermissen. Die Entdeckung des neuen Ordo wird wiederum Carl ERDMANN verdankt, der schon einmal der Ordines-Forschung über einen toten Punkt hinweggeholfen hat, indem er einen verschollenerr Text ans Licht zog 7 • Und abermals bin ich ihm zu Dank verpflichtet, weil er mir seinen Fund zur Bearbeitung überließ. Er fand den Ordo in dem Chronicon maius des Galvaneus FLAMMA (Galvagno Fiamma), eines Mailänder Predigermönches, der im zweiten Viertel des 14· Jahrhunderts mehrere Geschichtswerke verfaßte 8 • Nachdem der Verfasser von der Krönung des Kaisers in Mailand gehandelt hat, berichtet er über den Modus coronationis imperatoris in Roma 9 • Er leitet diesen Abschnitt mit den ( S. 3 93 .) Worten ein: Ordo coronationis in Roma es! talis, prout habetur in cronica kalendaria. Dieses Werk, das Galvaneus in der Bibliothek von S. Nazarius in Mailand gefunden hatte10 , war halb liturgisch, halb historisch; Spuren dieses »Kalenders« sind auch sonst in der mailändischen Geschichtsschreibung des 13. Jahrhunderts erkennbar11 • Diese Chronik, die bereits von Benzo benutzt worden ist, also bereits dem rr. Jahrhundert angehört, kann nichts anderes getan haben, als daß sie einen fertigen Text einfach übernahm. Daß der Ordo coronationis die unmittelbare Vorlage Benzos, nicht etwa einen Auszug oder einen Seitenverwandten darstellt, macht der folgende Abdruck beider Texte so gewiß, daß nähere Begründung sich erübrigt: der ganze Ordo ist von Benzo wortgetreu übernommen, dabei aber in einer Weise ausgestaltet worden, die für ihn 7 Über den »Erdmannschen Ordo« vgl. P. E. S., Die Krönung bei den Westfranken und Angelsachsen, in Zeitschr. f. Rechtsgesch. 54, Kan. Abt. 23, 1934 S. 141 ff. (vgl. jetzt Bd. II S. 2r6ff.). Daß Otto III. Kaiserkrönung sich über 7 Tage hinzog, suchte Frau Mathilde UHLIRZ, Zur Kaiserkrönung Ottos III., in der E. E. Stengel-Festschrift, Weimar 1952 S. 263-71 zu zeigen. Auch sonst glaubte sie in unserem Ordo den Widerschein dieses Ereignisses zu gewahren und schätzte ihn daher höher ein als ich; sie warf sogar die Frage auf, ob er nicht bis in die Zeit Ottos hinaufzudatieren sei. Ich sehe jedoch keinen durchschlagenden Grund, eine andere Einschätzung und daher auch eine frühere Datierung vorzunehmen als im Text dargelegt. 8 L. A. FERRAI, Le cronache di Galvagno Fiamma, im Btt!!etino del!'Ist. di Stor. Ital. w, r 891
S. 93-128; kurz; Enciclopedia Italiana 15, 1932 s. 192. 9 Galvaneus FLAMMA, Chronicon extravagans et chronicon maitts, ed. Antonio CERUTI, in Miscellanea di Storia Ita{iana 7, Turin I869, S. 439 bis 784 (der Ordo S. 525). IO Er zählt es (S. 509) unter den von ihm benutzten Schriften auf. r I A. FERRAI, Gli ( Ann. Medio!.) e i cronisti Lombardi de! sec. XIV, im Archivio storico Lombardo I7 (ser. 2, 7), I89o S. 279; vorher W. von GIESEBRECHT, Zur Mailänclischen Geschichtsschreibung im I2. und I3. Jh., in den Forschungen zur Deutschen Gesch. 2I, r88I, Ph. ]AFFE in Mon. Germ., Script. XVII S. 383ff., Gicv. Dozro, Opuscoli liturgico-ambrosiani II: Seconda appendice all' esposizione delle cerimonie etc. giusta il rito ambrosiano, Mailand I 8 55 S. I 29.
Der »Modus coronationis imperatoris in Roma«
ungemein charakteristisch ist. Dadurch ergibt sich als untere Grenze für die Entstehungszeit des Ordo die Zeit um ro86 - wieviel Jahre früher Benzo seine Schilderung ausarbeitete, läßt sich leider nicht genau erschließen: Teile des Panegyricus sind viel älter12 • Andererseits ist als obere Zeitgrenze für unsern Text das Weihnachtsfest 1046 gesichert, da er bereits voraussetzt, daß der Kaiser bei seiner Krönung auch Patricius wurde13 • Der Ordo ist also um die Mitte des r r. Jahrhunderts oder in den folgenden Jahrzehnten verfaßt. Man darf ihm daher den Namen des »Salischen Kaiserordo« geben- eine Bezeichnung, die sich auch dadurch empfiehlt, daß sie die Sonderstellung dieses Textes unter den »Römischen« Kaiserordines zum Ausdruck bringt. Um sie ins Auge fassen zu können, lassen wir erst einmal den Wortlaut folgen. Wir wiederholen R. ELZES Ausgabe, die auf der Handschrift des Galvaneus Flamma beruht(Cod.MailandAmbros. =A275 inf. f.r54v). Vondiesemstammen wohl die in den Noten vermerkten Randnotizen und die Überschrift: Ordo coronacionis imperatoris in Roma est talis,prout habetur in cronica kalendaria (über dieses. oben S. 382).
c) Der Text des >>Salischen Kaiserordo« Modus coronationis imperatoris in Roma. r. lnstante• tempore coronationis imperatoris in Roma, imperator vestitur veste bisina
intesta auro et gemmis pretiosis, et habe! in manu duas ryrothecas de lino bisino, aceintus ense, cum calcaribus aureis. In capite portat dyademam, in dextra portat sceptrum, et in digito habet unum anmtlum episcopalem, in sinistra habet pillam auream. Tuncb pappa sustentat imperatorem in dextra, et archiepiscopus .Afediolanensis in sinistra, et tune imperatorem ante portatur crux plma ligno dominico et lancea sancti lvfauritii, et sie imperator vadit versus ecclexiam, ubi debet coronari 14 ; et incipitur missa, et ante evangelium imperator consecratur et benedicitur. 2.
•) Am Rand: Indumenta imperia!ia in Roma. b) Am Rand: Archiepiscopw Medio!. assotiat imperatorem usque Romam (zu ergänzen: et) Rome in processione, quando coronatur.
12
H. LEHMGRÜBNER, B. v. A., ein Verfechter der kaiserl. Staatsidee unter Heinrich IV., Berlin I887 (Histor. Untersuchungen 6) S. 23 ff.; auch M. MANITIUS, Gesch. der lat. Lit. des Mittelalters III, München I 9 3 I (Handbuch der klass. Alt.wiss. 9, z) S. 454-7. -
Der Ordo steht im r. Buch, das Benzo I085 redigierte. 13 Über die Vereinigung der beiden Amter im J. Io46 s. SCHRAMM, Renovatio a. a. 0. I, zz9ff. (s. jetzt oben S. 369ff.). 14 d. h. S. Peter.
C 6: Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
3· Finita missa imperator vadit versus paliatium suum, et prandet; post prandium zmperator induitur veste viridi, et in capite eius ponitur mitrac alba habens eiesuper circulum patritialem, et vadit ad ecclexiam ad vesperas. 4· Alterod die pappa de altari beati Petri summit romanam coronam et ponit super capud imperatoris, et vadit 15 ad scallarum gradus16 , ubi est senatus. 5. Postea ascendit equm et equitat per omnes plateas, et ab omnibus alta voce salutatur; et cttm pervenerit ad jores ecclexie Constantiane17 , ibi sedecim scolle suscipiunt imperatorem, et cum mirabili letitia intra! ecclexiam et audit missam.
6. Tertio die coronatus pergit ad Sanctum Paulum 18 • 7· Quarto die coronatus vadit de ecclexia Bethleem19 ad ecclexiam Yerusalem 20 • 8. Aliis tribus diebus celebrat cum pappa sinodum pro emendandis negligentiis sacrorum ordinum; deinde cum sapientibus tractat de dispositione rei publice. c) Am Rand: Alia vestis imperialis. d) Am Rand: Papa coronat imperatorem.
d) Prüfung des Textes: sein historischer Gehalt (S. 39 J :) Der Ordo ist, wie schon eine flüchtige Prüfung erkennen läßt, von zwiespältiger Natur. Einige Angaben entsprechen genau den Zuständen, wie sie sich in der Zeit des Verfassers herausgebildet hatten; andere beruhen offensichtlich auf Konstruktion 21 • Diecrux plena ligno dominico ist das noch heute erhaltene »Reichskreuz«, das Konrad II. hatte anfertigen lassen, um das Stück vom Kreuze Christi aufzunehmen, das sich seit langem im Besitz der Kaiser befand. Richtig ist auch, daß zu ihm als die damals gleich hochgeschätzte Reichsreliquie die Lanze des Hlg. Mauritius gehörte - sie heißt hier schon nach dem ritterlichen Heiligen, nicht mehr wie in den Tagen Ottos I. nach Kaiser Konstantin dem Großen, ist auch bereits von ihrem Schaft gelöst, also I5 I6 I7 I 8 I9 20 2I
sc. imperator (Benzo setzt caesar hinzu).
d. h. vorS. Peter. d. h. S. Giovanni in Laterano. d. h. S. Paolo fuori le mura. d. h. S. "Uaria 1>1aggiore. d. h. S. Croce in Gerusa!emme. Zum Folgenden vgl. J. v. ScHLOSSER, Die Schatzkammer des Allerhöchsten Kaiserhauses in Wien, ebd. 1918; DERS., Die deutschen Reichskleinodien, Wien I 920; A. WEIXLGÄRTNER, Die Weltl. Schatzkammer in
Wien, im Jahrbuch der kunsthist. Sammlungen in Wien, N. F. I-2, 1926-8; Kunsthistor. Museum, Katalog der weltl. u. der geist!. Schatzkammer von H. FILLITZ, Wien I954 (inzw. neu gedruckt): DERS., Die Insignien u. Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, Wien-München I954; DERS. Die Schatzkammer in Wien, ebd. I964; P. E. S.FLORENTINE MüTHERICH, Denkmale der Deutschen Könige u. Kaiser I, München I962 S. 139, 170 mit Abb. 62, I45·
Prüfung des Textes : sein historischer Gehalt
zur reinen Reliquie geworden 22 • Von gleichem Wert ist die Angabe, daß der Kaiser rechts vom Papst, links vom Erzbischof von Mailand geleitet werden soll; denn so war bei der Krönung Konrads II. trotz des Ravennatischen Einspruches die Regelung getroffen worden 23 • Bestätigt wird ferner, daß im Ir. Jahrhundert die Krönung noch vor dem Altar des Hlg. Petrus, nicht ( S. 396:) vor dem des Hlg. Mauritius stattfand 2\ weiter: daß die Kaiserweihe vor dem Evangelium, also noch vor dem Abschluß der Katechumenenmesse, in die Meßliturgie eingeordnet war. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß dem Sieben-Schema zuliebe die Krönungshandlungen auf die Tage einer Woche auseinandergezerrt sind. Am ersten wird der Kaiser daher nur gesalbt und gesegnet; erst am zweiten wird er gekrönt- kein Zeugnis deutet darauf hin, daß diese seit karolingischer Zeit zusammengehörenden Akte jemals zeitlich getrennt worden sind. Der zweite, dritte und vierte Tag sollen dann mit Umritten des Kaisers ausgefüllt sein, die ihn nacheinander zu den Hauptkirchen Roms führen 25 • Die drei Schlußtage der Woche sind schließlich für eine Synode vorgesehen, die der Kaiser mit dem Papste abhält - dies ist eine der drei Stellen, an denen das Oberhaupt der Kirche erwähnt wird: sonst ist alles vom Standpunkt des Kaisers, seiner Macht und seines Glanzes aus gesehen. Diese Triumphzüge des Kaisers spielen in den Texten des genauso kaiserlich eingestellten Graphia-Kreises, besonders in der »Graphia« selbst und in der Vorlage des J osippon, eine große Rolle. Auch andere Vorschriften erinnern an deren V orstellungen: der Kaiser hat einen Palast in Rom, er wird mit der »Römischen Krone« gekrönt und nachher auf den Stufen von S. Peter vom Senatus, in den Gassen der Stadt
22 Vgl. A. HoFMEISTER, Die hl. Lanze, ein Abzeichen des alten Reichs, Breslau r 908 (GrERKES Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgesch. 96), bes. S. 65 f. Die oben genannte Stelle ist der erste sichere Nachweis der Benennung nach dem Hl. Mauritius, vgl. P. E. ScHRAMM, Herrschaftszeichen II, Stuttgart 195 5 S. 501 ff. 23 Vgl. die »Commemoratio superbiae Ravennatis archiepiscopi« in Mon. Germ., Script. VIII S. r2f. u. 70; dazu H. BRESSLAU, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Konrad II., I, Lpz. r 879 S. 143 f. und L. DuCHESNE, Saint Barnabe, in: Melanges G. B. de Rossr = Mel. d'arch. et d'hist. de l'ecole franse. de Rome 12, Suppl. 1892 S. 63. 24 Über die Frage, wann die Krönung vom Hauptaltar weg verlegt wurde, s. P. E. 25 Schramm, Aufsätze lll
ScHRAMM, Die Ordines der maLen Kaiserkrönung, im Archiv f. Urkundenforsch. XI, I93o S. 3Fff. 2 5 \1Velche Orte der Kaiser tatsächlich aufsuchte, s. bei E. ErcHMANN, Zur Topographie der Kaiserkrönung, im Histor. Jahrbuch der Görresgesellsch. 39, 1919 S. 714ff. (auch: Die Kaiserkrönung im Abendland II, Würzburg 1942 S. 3-42). Der Ordo denkt an einen Besuch der vier Patriarchalkirchen (S. Peter, Lateran, S. Paul, S. Maria) und der Kirche S. Croce, die zum Bereich der fünften, S. Lorenzo, gehörte; s. dazu H.-W. KLEwnz, Die Entstehung des Kardinalkollegiums, in der Zeitschr. f. Rechtsgesch. 56, Kan. Abt. 25, 1936 S. 156f. Getzt: Reformpapsttum u. Kardinalskolleg, Darmstadt, 1957)·
C 6: Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
vom Volke begrüßt; am Lateran erwarten ihn die sechzehn Schalen 26 ; schließlich ver-(S. 397 :)handelt er nach dem Abschluß der Krönungswoche mit den sapientes über die dispositio rei pub!icae - Angaben, die in Wirklichkeit ihre Voraussetzungen hatten, aber durch ihre Stilisierung den Verfasser doch als Geistesverwandten des »Graphia-Kreises« erkennen lassen. Daß dieser nicht festgeschlossen war, daß seine Vorstellungen recht verschiedenen Ausdruck gefunden haben, wurde schon betont; der Verfasser des »Salischen Ordo« gehört in ihm zu jenen, die sich seinen Wünschen hingaben, ohne den Boden der Tatsachen unter den Füßen zu verlieren. Dadurch sind Anhalte gewonnen, um die übrigen Angaben, die nicht durch Parallelzeugnisse gesichert sind, bewerten zu können. Einiges fällt für die Geschichte der Kaisersymbolik ab. Das mit Gold und Steinen besetzte Seidengewand, Schwert und Szepter verstehen sich von selbst. Geschieden werden das Diadem, das der Kaiser schon beim Kommen trägt, und die Romana corona, mit der er gekrönt wird. Soll hier etwa ein Unterschied zwischen Kaiserund Königskrone angedeutet sein? Der Kaiser faßt in der Linken den Reichsapfel 27 , den Heinrich II. vom Papste erhielt, aber ablehnte. Die »Graphia« sprach von ihm, indem sie sich an die antike Tradition hielt. Erst unter Heinrich III. hat die pi!!a ihren festen Platz im Kaiserornat gewonnen: als sein Königssiegel nach der Kaiserkrönung umgeändert wurde, machte man aus dem einen Stabzeichen einen Reichsapfel28, und als er starb, legte man ihm eine Nachbildung dieses kaiserlichen Zeichens ins Grab 29 . (S. 398:) Während die »Graphia« sich bemüht hatte, den Kaiserornat auf die Antike zurückzuführen, ist der Ordo noch durch die seit karolingischer Zeit einsetzende, in der Zeit Ottos I. zugespitzte Anschauung beherrscht, daß Königs- und
z6 Die Zahl I6, die durch Benzos Text gesichert ist, gibt ein Rätsel auf. Die klassische Einteilung Roms in I4, die kirchliche in 7 Bezirke, die I2 Milizscholen, die auf I4 stiegen, als man die Transtiberini und Insulani hinzuzählte, die I8 Diakonien, die angeblichen I5 Regionen in den Ravennatischen Fälschungen des II. Jh.s (vgl. Fedor ScHNEIDER in den Abhandl. aus dem Gebiete der mittl. und neuern Gesch., Festgabe H. PINKE, Münster I925 S. 9of.), die 26, von denen im I2. Jahrh. die Mirabilien sprechen, also alle Gliederungen Roms älteren, gleichzeitigen und jüngeren Datums führen nicht auf die Zahl des Ordo. Ein Lokalhistoriker weiß vielleicht zu erklären, welche Kon-
struktion den Verfasser auf sie führte. Vgl. hierzu L. DUCHESNE, Les regions de Rome au JnO)'e!Z age, in den ]\,fefanges d'archßof. et d'hist. X., I890 s. I27-49· 27 pi//a, wie !SIDOR VON SEVILLA; die »Graphia« schreibt: palla; vgl. den Abdruck oben S. 348 Anm. 248 (S. 99 Anm. r). 28 P. E. ScHRAMM, Die Deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit I (Lpz.-Berlin I928) I28 mit S. ro4b-c. Dazu DERS., Sphaira-Globus-Reichsap fel, Stuttgart I95 8 s. 76, 78. 29 Ebd. Abb. 6r und P. E. S.-Florentine MüTHERICH, Denkmale der deutschen Könige und Kaiser, München I962 S. 175 mit Abb. 158.
Prüfung des Textes: sein historischer Gehalt
Priesterkleidung sich entsprächen 30 • Er sieht daher in dem Kaiserring einen anulus episcopalis und vermerkt, daß die Kaiserhandschuhe de lino bisino seien; das war beim Bischofshandschuh üblich. Die »Graphia« hatte bezeichnenderweise rein weltliche Handschuhe im Auge gehabt31 • Diese Angaben haben den Verfasser nicht gehindert, auch von goldenen Sporen zu sprechen- es ist wohl das älteste Zeugnis dafür, daß der Kaiser bei seiner Krönung die Zeichen des Rittertums truga 2 • Besonders wichtig sind die Angaben über Würdezeichen des Patrizius 33 • Der Kaiser selbst legt sie sich zwischen Salbung und Krönung nach dem Mahl, also im kaiserlichen Palast an. Soll man daraus schließen, daß an Heinrich IV. gedacht ist, dem die Römer w61 in Basel die Abzeichen des Patrizius überbrachten, und der sich daher bei seiner Krönung nicht mehr mit ihnen feierlich investieren zu lassen brauchte? Diese Folgerung, die das Datum des Ordo noch genauer eingrenzen würde, liegt nahe, reicht aber doch nicht aus, da wir über die im Jahre 1046 beachteten Formen zu wenig wissen. Abzeichen des Patrizius sind der grüne Mantel, dessen Farbe bisher nur durch Benzos Bericht gesichert war, und die mitra alba habens desuper circulum patritialem. Der Ring, den die »Graphia« und Benzo erwähnen, fehlt; der Kaiser trägt ja den »bischöflichen« Kaiserring. Die Mitra kennt die »Graphia« dagegen nur als eine der zehn Kaiserkronen und -kränze; sie denkt dabei an die antike Mitra34 • (S. 399:) Der Schlüssel ist in der Angabe des Ecclesiasticus 45, 14 zu suchen, der vom Hauptschmuck des Hohenpriesters sagt: Corona aurea super mitram eius expressa signo sanctitatis et gloria honoris, opus virtutis et desideria oculorum ornata. Demnach gehört die Kaisermitra zu den Angleichungen des Kaiserornats an die hohepriesterlich-bischöfliche Gewandung35. Diese Mitra ist auch - wie der »Salische Ordo« und Benzo zeigen - für den Patrizius in Anspruch genommen und mit dem Zirkel, der in der »Graphia« allein genannt ist, verbunden worden. Daß die Verwandtschaft mit der geistlichen Mitra, die in eben diesen Jahrzehnten aufkam, gewollt war, zeigt die weiße Farbe, die der Ordo und ihm folgend Benzo erwähnen. Denn von ihr ist weder in der Bibel noch in der »Graphia« die Rede; dagegen war sie das hervorstechende Merkmal der bischöflichen Mitra.
30 SCHRAMM, Renovatio a. a. 0. I, 205 ff. und DERS., Herrschaftszeichen u. Staatssymbolik II, Stuttgart I95 5 S. 578 ff. 3I S. oben S. 3 5I (S. roz). 32 Erwähnt im Kaiserordo XIV (»Cencius ll«); s. ELZE a. a. 0. 46 Z. 28: calcaria s. Jvfauricii; vgl. dazu Denkmale a. a. 0. S. 482 s. v.:
Sporen. 33 Dazu P. E. S., Renovatio a. a. 0. I S. 232ff. 34 Ebd. I S. 202f.; dazu oben S. 342 (S. 94) und Herrschaftszeichen a. a. 0. I, Stuttgart I954 S. 51-98 (bes. S. 73). 35 Herrschaftszeichen II S. 58off.
C 6: Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
Ein seltsames Ineinanderfließen der verschiedensten Traditionen, aber bei der Patrizius-Würde selbst war es 1046 ja nicht anders gewesen! Diese Zeit konnte noch unbefangen ineinandersehen, was durch Herkunft und Bedeutung getrennt war, und dadurch neue Herrschaftszeichen schaffen. In die Gedanken und Hoffnungen des Graphla-Kreises lassen nur noch trümmerhafte Zeugnisse hineinsehen - um so wichtiger, daß wir ihnen nun ein neues angliedern können, in dem die Verbindung der mit Kaiser und Rom verknüpften Ideen wiederum in eigener Weise hergestellt ist.
e) Benzo von Alba über die KaiserkriJnung Die Erörterung über die Zuverlässigkeit BENZOS VON ALBA ist hin- und hergeschwankt36. Die einen meldeten viele Zweifel an; die anderen waren geneigt, ihm weitgehend Glauben zu schenken und nahmen daher auch die von BENZO mitgeteilten Schreiben Dritter als authentische, wenn auch überarbeitete Zeugnisse hin. Bei seiner Schilderung der Kaiserweihe gelangen wir nun zum erstenmal auf festen Grund, da wir durch die (5. 400.') Entdeckung ihrer Vorlage die Möglichkeit erhalten, Benzo bei der Benutzung eines andern Textes zu beobachten. Aus dem »Salischen Ordo« ist bei ihm der folgende Bericht geworden 37 (Sperrdruck= Vorlage):
Cap. 9· Roma minoratur, prohelempsis 38 ni celebratur, Junctis quinque viris, capitum gestamine miris 3 9. Processio vero Romani imperatoris celebratur talibus modis: Portatur ante eum sancta crux gravida lz'gni dominici et lancea sancti Mauricii. Deinde sequitur venerabilis ordo episcoporum, abbatum et sacerdotum et innumerabilium clericorum. Tune rex indutus bysino podere40 , auro et gemmis inserto, mirabili opere, terribilis calcaribus aureis, accinctus ense, adopertusfrisia clamide, imperiali veste, habens manus involutas cyrotecis lineis cum anulo pontificali, gloriftcatus insuper diademate imperiali, Portans in sinistra aureum pomum, Quod signiftcat monarchiam regnorum 4 \ In dextera vero sceptrum imperii
36 Vgl. die Lit. bei MAI'HTIUS a. a. 0. III S. 454ff. 37 Wiederholt nach dem Druck in Mon. Germ., Script. XI S. 6ozf.: lib. I c. 9-rz (nach dem Autograph, jetzt in Upsala). Sperrdruck kennzeichnet die wörtlich entlehnten Teile.
38 p. = neo8Acvatc; (so schon Script. a. a. 0.). 39 Vgl. zu dieser Stelle ScHRAMM, Renovatio a. a. 0. I S. z66. 40 Vgl. die Bibel; Vorlage: veste. 41 Ahnlieh die »Graphia« (nach Isidor), aber auch andere Autoren; s. oben S. 348 (S. 99).
Benzo von Alba über die Kaiserkrönung
De more Julii, Octaviani et Tiberii 42 ; Quem sustentant ex una parte papa Romanus, Ex alteraparte archipontifex Ambrosianus. Hinc et inde duces, marchiones et comites, Et diversorum procerum ordines. Sie imperator incedit ad processionem; nulla humana lingua potest explicare talem gloriam tantumque honorem. Retro vero secuntur quinque viri, diversa clamide et patricialibus circulis redimiti. 0 Domine, quid est homo, quia magniftcas eum, et apponis erga eum cor tuum 43 , tribuens ei regere totum mundum? Custodi ergo opera miscericordiae ( S. 40I .') tuae, domine Deus noster, ne in eo praevaleant boreas, nothus et auster. Tu es Deus, qui facis mirabilia44 , quia imperatore gressum movente, tollitur clamor omnium ad rydera. Clerici incipiunt: »]am bone pastor«45 , Teutonici: »Kyrrie eleyson, helfo/46 Sancte Petre heleysonf« Singule quidem nationes secundum ritum patriae prorumpunt in suas vociferationes47 • Tot igitur innumerabilium vocum clamoribus exterrita tellus tremit, et coelum desuper ad laudem tanti imperatoris faciem aeris serenissimam reddit, ut in die tantae festivitatis sit gloria in excelsis, et in terra pax hominibus bone voluntatis 48 • Finita processione mis sa inci pi tur, et secundum sita49 canonum ante evangelium imperator consecratur et benedicitur. Expleta missa ad palacium redeuni et ad mensam accedunt. Resultat Roma gaudiis, Iaudes refert apostolis, Per quorum sanctum meritum Roma tenet imperium50 ; Una est vox leticiae51 civium et miliciae, Frequentat universitas Alleluia per semitas.
42 Die »Graphia« führt - Isidor folgend - das Szepter auf Scipio zurück; vgl. ebd. S. 347 (S. 98). 43 Hiob 7, I7. 44 Psalm 76, I 5. 45 Es handelt sich, wie P. BILDEBRAND BEcK 0. S. B. an E. EICHMANN mitteilte, um den Hymnus auf Petrus und Paulus: Aurea luce et decore roseo, der bereits in Hss. des ro. Jh.s belegt ist. Die dritte und vierte Strophe (Jam bone pastor, Petre, clemens accipe und: Doctor egregie, Pau!e, mores instrue) wurden auch für sich gebraucht oder mit anderen Versen verknüpft, um an den Peter- und Faulfesten benutzt zu werden. Noch heute sind sie im Breviarium Romanum angeführt. Vgl. den Druck bei J. W. DREVES, Analeeta hymnica 5 I, hg. von Cl. BLUME, Leipzig I9o8
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47
48 49 50 51
S. 2I6 und F. J. MoNE, Lateinische Hymnen des Mittelalters III, Freiberg I 853 S. 90, dazu auch Wetzer und Welte's Kirchenlexikon 2 VI, Freiburg I889 S. 539· Zu der Frage, um welche grammatische Form es sich handelt, vgl. A. HüBNER, Die deutschen Geißlerlieder. Studien zum geistlichen Volksliede des Mittelalters, BerlinLeipzig I93I S. 229f., der von einem Pilgerruf spricht. Vgl. »Graphia« (oben S. 351 = S. 102): (imperator) hebraice, grece et latine fausta acclamantibus, Capitolium aureum conscendat. Bibel = Missale. s. = scita (so schon Script. a. a. 0.). Zur Geschichte dieses Gedankens s. ScHRAMM, Renovatio a. a. 0. I S. 243· vox laetitiae bei J erernias passim.
C 6: Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
(S. 402:) Postquam autem cum modestia sumpserint cibum, hymno dicto, si fuerit aestivum tempus, vadunt parumper dormitum; et Jacto modico intervallo revestit se imperator viridissima c!amide, cum nivea mitra, cui superponit patricialem circulum, et sie itur ad vesperum. Iterum pulsant coelum voces eorum, ad laudem et gloriam viventis in secula seculorum52 • Cap. IO. Altera autem die domnus papa summit Romanam coronam de altario apostolorum principis, et ponit eam in capite cesaris; cesar vero per voluntatem Dei et per orationem sancti Petri coronatus, venit usque ad scalarum gradus, ubi eum praestolatur Romanus senatus; ascendensque equum cum equitibus Romanis, Teutonicis et Longobardis, pergit per viam triumphalem. In omnibus quidem plateis salutatur Romanis cantilenis. Ante fores igitur Constantinianae aecclesiae, quae est caput omnium aecclesiarum per universum orbem terrarum53 , congregatae sedecim regionum scolae suscipiunt imperatore m cum magna processione. I ntrante vero cesare aecclesi a m cum multitudine diversarum gentium, salutat eum consistens iuxta altare chorus psallentium: »Benedictus sit cum Patre et Spiritu sancto Christus Dei ftlius, qui talem concedit laeticiam ange!is et hominibus.« Quid plura? Missa celebratur et per omnes vicos Alleluia cantatur, ubique iubilatio, ubique gaudium et exultatio. Cap. II. Tercia vero feria similiter cum eodem exercitu equitans usque ad sanctum Paulum, coronatus sollempniter recipitur, atque in eius laude Deus gloriftcatur et benedicitur. Cap. I2. Quarta denique feria quasi rediens de Bethleem, coronatus vadit ad sanctam Hyerusalem. Expletis attfem mysteriis tam insignis diei commendat se Deo et dicit: »Salvator mundi, miserere mei«. Reliquis vero tribus eiusdem ebdomade diebus ce!ebrat synodum, et simul cum domno apostolico emendat negligentias sacrorum ordinum. (S. 403.) Deinceps pertractat cum sapientibus de dispositione rei pub!icae mu!tiphariam multisque modis 54 • Tu autem, Domine, miserere nobis55 •
In BENZOS Überarbeitung ist kaum eine Angabe hinzugekommen, die uns etwas Neues sagte. Andererseits ist nichts aus der Vorlage verloren gegangen; auch das ihr zugrunde liegende Schema der 7 Tage und der 5 Kirchen ist bewahrt geblieben. Aber was ist aus ihr geworden! Statt einer sachlich gehaltenen Beschreibung haben wir nun einen mit allen rhetorischen Mitteln aufgeputzten Text vor uns. Man muß 52 V gl. die Liturgie. 53 So wird der Lateran oft bezeichnet; vgl. bes. die Konstantmische Fälschung § r 3: quat;z sacrosanctam ecc!esiam caput et verticem omnium ecclesiarum in universo orbe terrarum dici ... sancimus.
54 Hebr. r, r. 55 Mit diesen Kapiteln stehen andere Abschnitte von BENzos »Panegyricus« in Be-
ziehung; vgl. z. B. a. a. 0. S. 6o2: duo episcope!!i sustentant manus unitts provinciae regu!e!li; S. 671 (VII c. z) über Heinrichs Einkleidung als Patrizius viridissima c!amide (nicht: veste viridi, wie im Salischen Ordo); bes. S. 657f. (VI Praef.) über die seltsame Krönungsfeier, die Heinrich IV. ro8r vor den Mauern Roms abhielt, dazu ScHRAMM, Renovatio a. a. 0. I S. Sr Anm. 2 und S. 274.
Benzos Bearbeitungsweise der Vorlage
im einzelnen beobachten, was BENZO gemacht hat: Er steigert die Ausdrücke, macht sie gewichtiger (poderes statt vestis, pontificalis statt episcopalis anulus, viridissima statt viridis vestis usw.); er korrigiert und trägt nach (Patrizius-Man tel statt Kleid, Einfügung der Kaiserchlamys). Er malt aus, indem er Nebensächlicheres zufügt (geistliches und weltliches Gefolge, Laudes der Bevölkerung, Abhalten des Mahls nebst kaiserlichem Mittagsschlaf usw.). Er durchsetzt das Ganze mit Ausrufen, in denen sich biblischer und antiker Sprachbrauch vermischen, und steigert seinen Text durch Verse, in denen die Versmaße wechseln. Er zieht Verbindungsfäden zum Brauch der alten Römer, auf die das kaiserliche Szepter zurückgeführt wird und die wohl auch Pate bei den für das 1 I. Jahrhundert nicht belegbaren quinque viri mit den Patrizius-Zirkeln gestanden haben. Er macht die Krönung zu einer Feier, bei der nicht nur ihr römischer Charakter, sondern auch die Freude der Römer unterstrichen wird. So tritt auch hier seine so stark kaiserlich-römisch-antikisch gefärbte Gedankenwelt, die schon an anderer Stelle charakterisiert wurde56 , anschaulich heraus. ( S. 404.) Außerdem dürfen wir BENZO einmal ganz genau bei der Arbeit verfolgen. Es läßt sich nachprüfen, wie souverän er mit seiner Vorlage umgeht, indem er die Sätze umstellt oder sie auseinanderreißt, damit für seine eigenen Platz wird. Diese Methode darf man nun auch dort annehmen, wo er sich auf nicht erhaltenes Material stützt, so etwa bei den Briefen, die er seinen geschichtlichen Abschnitten einverleibte. Diese haben ja schon das ihnen früher entgegengebrachte Vertrauen verloren57 ; wir werden jetzt noch skeptischer sein müssen. Hat BENZO Originale gekannt oder sogar benutzt, dann ist seine Fähigkeit, um- und auszugestalten, so groß, daß unter den Zusätzen das Echte kaum noch herauszufinden sein dürfte. Wer würde aus seinem Krönungsformular einen Text wie den Salischen Ordo herausgespürt haben? Diese negative Feststellung hat nun aber auch ihre Gegenseite. Was BENZO vorlag, war eine Zusammenstellung nüchterner Angaben; was er daraus gemacht hat, ist überall auf Sinneseindrücke abgestellt: der Kaiser trägt nicht nur Sporen, sondern er sieht durch sie furchterregend aus; er wird nicht nur laut von allen gegrüßt, sondern die vom Lärm unzähliger Stimmen erschreckte Erde zittert, während der Himmel schönstes »Kaiserwetter« spendet. Und nicht nur ein Rufen zum Kaiser, ein Preisen und Hymnensingen zu Gott durch Geistlichkeit, Nationen, Schalen, Bürgerschaft und Miliz, sondern auch ein unmittelbares Dazwischenreden des Autors selbst, derfür die Allgemeinheit sprechend- Gott für das preist, was laut Ordo geschehen soll, aber doch nur fingiert ist. BENZO ist wirklich ein Meister der mise en scene, des Ab56 ScHRAMM, Renovatio a. a. 0. I S. 258-74; zu der dort genannten Lit. beachte auch noch die Storia letteraria d'Italia II: F. NovATI, Le origini, cont. da A. MONTEVERDI, Mailand 1926 S. 613-15. 57 Im Sinne von J. GAY und F. DöLGER gegen
LEHMGRÜBNER und G. MEYER VON KNONAU zuletzt A. HoFMEISTER, Der Übersetzer Johannes und das Geschlecht Comitis Mauronis in Amalfi, in der Histor. Vierteljahrsschrift 27, 1932 S. 254 mit der Lit. in Anm. 85.
C 6: Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
stellens auf die Sinne; man möchte ihn den ersten Journalisten des Mittelalters nennen, wenn der Anachronismus nicht zu groß wäre. Aber das eine Gute hat diese Bezeichnung; denn sie weist darauf hin, daß man sich BENZO von einer falschen Seite nähert, wenn man ihn als Geschichtsschreiber oder als Dichter nimmt. Ein Nebengewinn des »Salischen Ordo« liegt darin, daß er erlaubt, diese Tatsache einmal durch Einzelbeobachtungen zu verdeutlichen.
f) Galvaneus Flatnma, Überlieferer des »Salischen Käiserordo« ( S. 40 5 :) Der »Salische Ordo«, der ja einen wichtigen Hinweis auf die Rechtsstellung des Mailänder Erzbischofs enthielt, ist- wie wir bereits sahen- nicht nur von BENZO VON ALBA, sondern auch über die Mailänder Cronica calendaria (II. Jahrh.) von Galvaneus Flamma (14. Jahrh.) übernommen worden. Es lohnt sich, noch einen Blick auf das Material zu werfen, mit dem dieser Zeitgenosse Ludwigs des Bayern und Johanns XXII. den Salischen Text verbunden hat. GALVANEUS (1283-nach 1342) steht unter dem Eindruck der bekannten Theorie, daß der Kaiser in Aachen, Mailand und Rom mit drei verschiedenen Kronen gekrönt wurde. Er beruft sich dafür auf den Liber provincialis und auf die Glossa Ordinaria des Johannes ANDREAE (t 1348)58 , ändert aber dessen Angaben dahin um, daß der Kaiser in Aachen eine silberne, in Mailand die eiserne Krone empfange59 - die damals aufkommende Tradition der »Eisernen Krone« in Monza hat ihn also schon gefangen genommen60 • Dabei setzte er sich leicht über die Belege hinweg, die Monzas Anspruch bekundeten. Er konnte das, da er an Ottos I. Krönung in Mailand glaubte61 ; er durfte das, da er sie nicht nur in einem Fabelwerk wie der »Chronik der GRAFEN 58 Über dessen Angabe und die von ihm abhängigen Autoren s. H. BRESSLAU in seiner Ausgabe der Chronik Heinrichs Taube von Selbach, Berlin I922 (Mon. Germ., Script. N. S. I S. 37 Anm. 4). Ich kenne keinen Druck des Provincia!e Romanttm mit dieser Angabe; aber die Überlieferung ist reich und vielfach ausgestaltet; vgl. H. BöRSTING, Das Provinciale Romanum mit bes. Berücksichtigung seiner handschriftl. Überlieferung, Diss. Münster I937 S. 24. 59 A. a. 0. S. 6oi; vgl. auch S. 588, wo die dreifache Krönung schon für Otto II. angenommen ist. - Nicht gedruckt ist bisher die Galvagnana des Galvaneus, die handschriftlich erhalten ist (FERRAI, Fiamma a. a. 0. S. II5 und DERS., Chronisti a. a. 0. S. 304ff.).
In c. r 5I handelt diese um I 333 verfaßte Schrift de IV coronis comitis Ang!eriae, in c. I 6o: de IV coronis imperatoris. Nachzuprüfen wäre auch, was in c. I94 steht: Qttod Karo!tts Magntts coronatttr in Roma, et de offttio Ambrosiano. 6o Überholt sind A. KROENER, Wahl und Krönung der deutschen Kaiser in Italien (Lombardei), Freiburg I90I (Studien aus dem Collegium Sapientiae 6); K. BAASE, Die Königskrönungen in Oberitalien und die eiserne Krone, Straßburg I90I (Diss.) durch R. ELZE, Die »Eiserne Krone« von Monza, in P. E. S., Herrschaftszeichen a. a. 0. II, I95 5 s. 450-79· 6r A. a. 0. S. 524f.
Galvaneus Flamma, Überlieferet des »Salischen Kaiserordo«
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voN ANGLERIA«62 erwähnt fand, sondern auch in der Mai-( 5. 406:)länder Geschichte des LANDULPH 63 • An die Auszüge aus diesen beiden Werken hing er den »Salischen Ordo« an, um daneben die Art der Römischen Krönung zu illustrieren. Er vermochte ihn noch zu ergänzen, da er in dem Traktat des Alexander de S. Elpidio (t I326): De iurisdictione imperii64 die Formel für die Übergabe des Schwertes fand, die dieser Autor dem Kaiserordo entlehnt hatte. Was er über die Rechte des Kaisers zu sagen hat65 , geht über das Dekret bzw. über seine Glosse auf die Fälschungen zurück, die in der Schule von Ravenna, also einer Verwandten des Graphia-Kreises 66 , zur Zeit Heinrichs IV. auf den Namen Leos VIII. gefälscht worden waren67 • Über die sonst von GALVANEUS befragten Autoren gibt er selbst die beste Auskunft; denn er hat seinem Chronicon J11aius ein Verzeichnis der benutzten Schriften vorangestellt" 8 • Aus ihm springt in unserm Zusammenhang die Graphia aureae urbis Romae heraus, diese bereits mehrfach genannte Schrift des I I. Jahrhunderts, die im I2. Jahrhundert mit den li1irabilia urbis Romae vereinigt worden war. Offensichtlich hat GALVANEUS nach dem Vorbild dieser Schrift sein Chronicon extravagans angelegt, das in ähnlicher Weise das antike und das zeitgenössische Mailand verherrlichte69 • In einem andern Werk hat er die »Graphia« wegen des ihr zugesetzten Prologs über die Römische Vorgeschichte befragt7o. ( 5. 407.) »Man denkt- so ist geurteilt worden- bei den geistigen Grundlagen in dem Kampf Ludwigs (des Bayern) zu stark an die Minoriten und unterschätzt den hohen Bildungsstand der Ghibellinen, mit denen Ludwig seit I 322 dauernd in Verbindung blieb 71 .« Ihm gegenüber hatten sich die Gegner von Neapel bis nach Frank62 Über sie vgl. W. v. GIESEBRECHT, Zur Mailändischen Geschichtsschreibung im I2. und I3. Jh., 2, in den Forsch. z. deutschen Gesch. 2I, I88I S. 317ff.; dazu KROENER a. a. 0. S. 17rf. Anm. 4· 63 II cap. I6 (Mon. Germ., Script. VIII S. 53); über die Unrichtigkeit s. KROENER a. a. 0. s. 39f. 64 A. a. 0. 525 und 509, wo als Verfasser »Aiexanden< genannt ist; über ihn R. SCHOLZ, Unbekannte Streitschriften aus der Zeit Ludwigs des Bayern I, Rom I 9 I I (Bibi. des Kgl. Preuß. Instituts in Rom 9) S. 232f., dazu noch J. A. F ABRrcrus, Bibi. !atina mediae et infimae aetatis I, 2, Florenz I858 S. Go. 65 A. a. 0. S. 588ff. 66 ScHRAMM, Renovatio a. a. 0. I S. 282, 287f. 67 Gedruckt in Mon. Germ., Const. I S. 665 ff. 68 A. a. 0. S. 507-9. 69 Gedruckt bei CERUTI a. a. 0. S. 439-505. 70 Vgl. in Bd. IV den Anhang zu Abschnitt 2
(bisher S. 43 Anm. 2) nach dem »Manipulus florum«. 7I Fr. BocK, Studien zum politischen Inquisitionsprozeß Johannes XXII., in Quell. u. Forsch. a. ital. Arch. u. Bibi. 26, I936 S. 54 Anm. 4· Über die geistigen Grundlagen der Gegenpartei in Neapel, A vignon und Paris DERS., Kaisertum, Kurie und Nationalstaat im I4. Jh., in Röm. Quartalschrift 44, I937 S. I05-22. Der Aufsatz von A. NELso;-;r, Benzo A!bensis och ]ohannes Tritbemius. Handskriftshistoriska anteckningar, in Nordisk Tidskrift Jör Bokoch Bib!ioteksväsen XX (I93 3) S. I 3-30, auf den mich C. ERDMANN aufmerksam machte, berührt diese Studie nur insofern, als in ihm festgestellt ist, daß GALVAG;-;ro FrAMMA unter den von ihm benutzten Autoren einm~l auch die chronica Benzonis episcopi A!banensis aufzählt (S. r4).
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C 6: Der »Salische Kaiserordo« und Benzo von Alba
reich hin bereits zu Abwehr und Angriff zusammengefunden. Unter dieser Schicht, die bei aller ihrer Gegensätzlichkeit durch Schulung und Bildung zusammengeschlossen war, erhielt sich eine populäre Gelehrsamkeit, die sich ihr Geschichtsbild auf ihre Weise zusammensetzte. Unter den mancherlei Lösungen, die das 14. Jahrhundert gezeitigt hat, verdient die des GALVANEUS FLAMMA Beachtung, weil hier ein Bettelmönch und Mailänder bei der Schilderung des Kaisertums sich die PseudoGelehrsamkeit zu eigen macht, die der Romgedanke im 11. und 12. Jahrhundert ins Leben gerufen hatte.
7· Der Abschnitt über »Roma«, »Romani« usw. aus dem Glossarium des Papias Abgeschlossen vielleicht ro53 *
a) Das Glossariu!JJ Um die Erschließung des Glossarium des Papias, das bis in das späte Mittelalter, ja noch über dies hinaus geschätzt worden ist, hat sich vor allem G. GoETZ1 verdient gemacht. Eine durch eigene Feststellungen bereicherte Übersicht unseres heutigen Wissens bietet M. MANITIUS 2 • Danach steht fest, daß der Verfasser ein Italiener war; alte Überlieferung nennt ihn einen Lombarden. Nach eigener Angabe hat er zehn Jahre an seinem Glossar gearbeitet, das er selbst E!ementarium doctrinae rudimentum betitelt hat. Die Festlegung dieser Zeitspanne macht verschiedene Schwierigkeiten, die Manitius gegeneinander abgewogen hat. Eine Entscheidung bringt vielleicht einmal eine kritische Ausgabe; denn bis jetzt sind wir für die Beurteilung des Glossars immer noch auf sehr zahlreiche und auf ihre Unterschiede noch nicht geprüfte Handschriften 3 sowie auf Inkunabeldrucke angewiesen. Bis dahin wird man das Jahr ro5 3, auf das eine die Regierungsjahre Heinrichs III. betreffende Angabe hinweist, als ungefähren Anhalt ins Auge fassen müssen.
b) Grundlage des Textes Ich lege für den folgenden Abschnitt den auch von G. GoETZ 4 zu Rate gezogenen Cod. Darmstadt Landes bibl. 909 (früher S. Jacob in Lüttich5) perg., saec. XII: Papias, f. ro4v = D zugrunde, den ich dank dem Entgegenkommen der Bibliotheksverwaltung in Beideiberg benutzen konnte, und kontrolliere ihn durch die beiden Inkunabeldrucke der Heidelberger Universitätsbibliothek ))\"enetiis per Andream deBonetis de Papia anno Domini MCCCCLXXXV« = Jr und »Venetiis per
*
Zuerst: Kaiser, Rom und Renovatio, II, Lpz.-Berlin 1929 S. 137-140 (unverändert). r Papias und seine Quellen, in den Sitz.-Berichten der Bayer. Akad. der Wiss., Phil.Hist. Kl. 1903 S. 267-86. z Gesch. der lat. Lit. des Ma.s II, Münch. 1923,
(Handbuch der klass. Altertumswiss.) S. 717 bis 724. GoETZ a. a. 0. hat 89 Hss. zusammengestellt. 4 Ebd. S. 269 Nr. 7, dazu S. 272. 5 Mit Bleistift paginiert; f. z a: Liber ecc!esie sancti Jacobi in Leodio.
C 7: »Roma«, »Romani« usw. beim Papias (ro53 ?) Philippum de Pincis Mantuanum anno Domini MCCCCXCVI« = Jz, die nach der Feststellung von G. GoETZ 6 auf einen Mailänder Druck von 1476 zurückgehen. Unter Berücksichtigung der benutzten Vorlagen ist ( S. 138:) es möglich, aus den drei Texten die mannigfachen Verderbnisse auszumerzen.
c) Die Unterlagen des Papias
Aus welchen Quellen der Papias geschöpft hat, ergründete schon G. GoETZ. Aus der von ihm ermittelten Reihe benützter Autoren kommt für den folgenden Abschnitt vor allem der Liber Glossarum (Glossarium Ansileubi) in Betracht. Von diesem Werk liegt eine kritische Ausgabe vor, die jedoch nicht den vollständigen, außerordentlich umfangreichen Text wiedergibt, sondern sich bei entlehnten Glossen auf den Nachweis ihrer Herkunft beschränkt (Glossaria latina iussu Academiae Britannicae edita I: Gloss. Ansileubi sive libr. gloss. ed. W.-M. LrNDSAY, J.-F. MouNTFORD, ]. WHATMOUGH etc., Paris 1926). Deshalb ist es nicht möglich, bei dem folgenden Abschnitt das Abhängigkeitsverhältnis Wort für Wort festzustellen. Es muß also - was zur Verdeutlichung der Unselbständigkeit des Autors am besten wäre - davon abgesehen werden, Kleindruck zu verwenden.
d) Der Text Roma 7 : a Romulo condita est siue nominata. Nam cum interfecto idem Romulus post• Albam Amuliob auumc suum Numitoremd in regnum restituisset, in eum locum, ubi nunc est Roma, deuenit; ibiquee menia construxit, quam Romam nominavitc. Hanc antea Euander1 dicitur condidisse. I.
Sola Roma 8 : urbs, cetera oppida dicuntur; unde, qui ibi habitant, olim urbani dicebanturg, in ceteris oppidani. 2.
3. Ro ma 9 : post excidium Troie anno CCCCXXVIII condita est. 4· De hac multi a so D, J I, 2; apud Is(idor). b a mulio J 2. d Munitorern D. c aurum J I. e grammatisch falsch zusammengezogen aw: ibique sedes posuit, moenia construxit, urbemque ex nomine suo Romam vocavitls. f Euandum D. g dicebatur J 2. 6 Ebd. S. z68. 7 = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. 108) = Isidor, Etymologiae (Is.) ed. W. M. Lr).JDSAY, Oxford I 9 I I, XV I, 55 ( Romulus cum interfecto apud Albam etc.). = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. Io8) = Is. IX 4, 42, dessen Sätze umgestellt sind: Urbani vocabantur, qui Romae habitabant. Qui vero in ceteris locis, oppidani. Nam sola urbs Roma,
cetera oppida. 9 = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. Io6) = Orosius II 4, I (ed. C. ZANGEMEISTER, Lpz. r 889 S. 38): Anno post eversionem Troiae CCCCXIIII... w·bs Roma... condita est; vgl. auch Placidus (G. GoETZ, Corp. Gloss. Lat. V S. I44 Nr. 47): Roma post excidium Troie post CCC et XXX annos condita est.
Unterlagen- Der Text
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dissentiunt. Nam Salustiush Troianosi ab Enea hanc condidisse dicit, qui sedibus incertis uagabantur. Alii ab Euandro sicut Uirgilius ibik: At pater Euandrus Romane conditor arcisk, ( S. I 39 .') alii a Romulo. 5. Eutropius 10 quoque in libro hystoriarum siclloquitur: Romulus, cum inter pastores latrocinaretur, XVIIIm annosn natus urbem exiguam in Palatino monte constituit, quam ex suo nomine Romam uocauit. Post hunc Tullius 0 OstiliusP ampliauitq adiecto Celior monte. Demums Ancus Marcius Auentinum' montem adiecit et Ianiculum. Post hunc Seruiusu Tullius montesv tres, Quirinalem, Uiminalem et Esquilinum, urbi adiecit et fossasw circa murum duxit. Adx extremum uero Aurelianus imperator eamx muris firmioribus cinxit ac templum Soli edificauit.
6. Roma11 urbs Italie et nunc princeps gentium, aRemo etRomulo geminis condita fertur. Itaque Romulus - interfecto prius auo NumitoreY, dehinc Remo fratre arripuit regnum urbemque constituit. Regnum aui, muros fratris, templum soceri sanguine dedicauit. 7· Roma12 VII sedet montibus, qui sunt Tarpeiusz, Aduentinus, Uiminalis, Quirinalis, Celius, Esquilinus, Palatinus. 8. Romani13 : a Romulo uel• Roma dicti; hi antea a Saturno Saturnib, a Latino Latini nominati sunt, hi et Quirites. h so alle. i Troianus J 2. k ibi-arcis fehlt D, aber schon bei Is. vorhanden. 1 sie sie] 2. m so auch Eutropius, XIX D. n so auch Eutropitts, annis D. o Tullus J I, beide F onnen in den Eutropius-Hss. p Hostilius] I, 2. q urbem ampliavit Eutropius. r Coelioj I, Caelo] 2. s Deinde j I, 2; Post hunc, darauf: Deinde Eutropius. t Aduen. D, Auen. auch Eutropius. u Seruus D, Seruius auch Eutropius. v fehlt D, aber bei Eutropius. w fossam D, fossas J I, 2 = Eutropius. x Ad-eamfreie Überleitung zur Verbindungzweier Zitate aus Eutropius. y Mumtore D, Numitorem J I. z Trapeius D. a uel a J I, 2; ucl Romafehlt bei Is. b so alle; Saturnii Is. ro De hac- Romufo = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. ro7) = gekürzt nach Is. XV r, r: De auctoribtts conditarztm ztrbium pferumqzte dissensio invenitur, adeo ztt nec ttrbis qttidem Romae origo possit diligenter agnosci. Nam ... Im folgenden ist bei Is. das Zitat aus Sallust, Bellum Catilinae 6, I genau wiedergegeben, ebenso wie das Vergil-Zitat (Aen. 8, 313) mit richtigem Anfang (Tune rex E.) angeführt ist. Das von Isidor für Romulus gebrachte Vergil-Zitat ist vom Papias weggelassen. - V gl. auch GOETZ a. a. 0. V S. 578 Nr. 3: Cod. Cass. 90; zur Geschichte dieser Glosse vgl. G. LA-"'DGRAF in: Archiv f. lat. Lexikographie IX, lpz. I896 S. I70.
Eutropius - ediftcauit = Lib. gloss. (a. a. 0, S. 500 Nr. Io7) = Auszug aus Eutropius. Breviarium ab urbe condita I I, 2 u. 2, r (dazwischen Ausfall); 4; 5 ; 7; IX r 5 (Mon. Germ., Auct. ant. II S. 8, ro, 12, 158). 12 = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. ro6) = Orosius II 4, I u. 3 (a. a. 0. S. 38 f.): ... ztrbs Roma in Italia a Romufo et Remo geminis auctoribus condita est . . . Itaque etc. (jedoch imperittm statt: regnum). I 3 Die anscheinend nicht unter den Glossaren zu suchende Quelle dieses Absatzes, der allgemein bekannte, möglicherweise auch erst vom Autor zusammengestellte Angaben enthält, vermag ich nicht nachzuweisen. I I
C 7: »Roma«, »Romani« usw. beim Papias (1053 ?)
9· Romanicu: interpretanturd sublimes uel tonantes.
(S. I40:)
10.
Rom& 6 :
ewt-trr robur, uirtuse; grecum est.
11.
Romulide15 : Romani.
12.
Romulea16 : Romana.
13· Romanif17 reges ita successerunt: Romulus, Tatiusg, Numa, Tullush Ostiliusi, Ancus Marcius, Tarquiniusk, Seruius Tulliusl, Tarquiniusm Superbus. 14. Rom u s1 s : inde Romulus, unden Roma, hinco Romanus, a quo: romanizo, - as; componitur RomipetaP; Romuleus,-aq, -umq. c ... omani, mit Lückefür Nachtragung eines farbigen R, D. d interpretatur D; fehlt in Lib. Gloss. etc. e uirtutis uel magna statt r}WflrJ - uirtus D; Lücke statt r}Wfl'YJ J 2. f Vg/. die voratifgehende Note c. g Stacius D. h Tullius D. i Hostilius ] I, 2. k Tarquinus ] I, 2. I Tullus J I, 2; dahinter: Esquilinus D, was wohl zu tilgen ist. m Tarquinus D, J I; vgl.auch Note k, also vielleicht so schon im Stammtext. n inde] 2. o hic D. p fehlt] I, 2, q ausgedruckt J I. 14 = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. 109) = Is. IX 2, 84 (gekürzt mit geringer Wortänderung). 15 = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. no) = Placidus (GoETZ a. a. 0. V S. 144 Nr. 45) = Liber secundus Eucherii instructionum ed. WoTKE (1894) S. 144, 16-q; vgl. auch Cod. Vat. 1469 (GoETZ a. a. 0. V S. 525 Nr. 34). IO-II fehlen im Lib. Gloss.; Rom= r}WflrJ in verschiedenen anderen Glossaren, s. GoETZ a. a. 0. VII S. 2II; Roma: uirtus und Romuli-
dae: Romani in Glossae cod. S. Gall. 912 (ebd. IV S. 280 Nr. 28 und 30, dazu VII S. 212). 16 = Lib. Gloss. (a. a. 0. S. 500 Nr. 119) = Placidus (GoETz a. a. 0. V S. 144 Nr. 48; auch ebd. IV S. rG4 Nr. 40). 17 Vgl. § 7· 18 Vgl. § 7· - Zu: Romipeta vgl. DuCANGE, Gloss. med. et inf. Lat. VII S. 212 und E. Du M:ERrL, Ebrard de Bethune 1847 S. 143 Anm.
8. »Laus Caesaris Heinrici« des Azelin von Reims = Atto von Monte Cassino (Zwischen 1047-1056)*
a) Die Überlieferung Ernst DüMMLER, dem wir die Kenntnis so mancher mittellateinischer Dichtung verdanken, hat mehrere Strophen bekannt gemacht, die unter der Überschrift Laus caesaris Harynrici von einer Hand des XI. Jahrhunderts in dem Cod. Paris. Bibi. Nat. II632 (olim S. Germani 219) saec. X.: S. Hieronymi epistolae, eingetragen sind. Nach einer Abschrift von G. H. PERTZ hat DüMMLER das Gedicht r879 im Neuen Archiv IV S. 399-400 in einer Miszelle »Aus Handschrifte n« veröffentlicht; dieser Druck ist im folgenden wiederholt. Zu bemerken bleibt, daß das Gedicht mit Neumen versehen ist und am Schluß der ersten vier Strophen (Verse?) ein aufweist; die letzte, auch inhaltlich sich abhebende Strophe steht etwas getrennt von den übrigen, was im Druck kenntlich gemacht ist. Die erste Strophe ist rhythmisch gebaut (zweimal 8~ x 7 x ~ ; kein Reim); sie wird deshalb gleichfalls durch einen Strich abgehoben. Die übrigen Strophen sind metrisch (viermal v '-' L v v L v v L v = Versus paroemiacus ; Reimstellung aa bb).
+
+
b) Beziehungen zu Azelins Bearbeitung der »Cma Cypriani« E. DüMMLER hat die Strophen auf Kaiser Heinrich II. bezogen, ohne dafür eine nähere Begründung zu geben. In den Versen selbst finde ich keinen Anhalt, der diese Zuschreibung rechtfertigt. Dagegen hat DüMMLER mit Recht darauf hingewiesen, daß sich die letzte Strophe »auf Überreichun g der unter dem Namen Cena Cypriani bekannten Schrift an den Herrscher« bezieht1 • Die alte Parodie, deren Abfassungsz eit
* I
Zuerst: Kaiser, Rom und Renovatio, II, Lpz.-Berlin 1929 S. 141-47 (durchgefeilt und ergänzt). Vgl. zur Cena Cypriani die bei Fedor SCHNEI-
DER,
Rom u. Romgedanke im Ma., Münch.
1926 S. 261 zusammengeste llte Literatur, bes.
K. STRECKER in: Mon. Germ., Poet. lat. IV S. 857ff. (ebd. die Fassung des Johannes
400
C 8: Azelin von Reims
=
Atto von Monte Cassino
umstritten und deren eigentlicher V erfass er nicht feststellbar ist, hat im Laufe der Jahrhunderte mehrere Bearbeitungen erlebt- so im IX. Jahrh. in Deutschland durch Hrabanus Maurus und in Italien durch J ohannes Diaconus, einen Vertreter des Römischen, päpstlich gefaßten Erneuerungsgedankens 2 , so aber auch noch im XII. Jahrhundert von französischer Seite. Zwischen diesen Bearbeitungen steht nun eine ( 5. I 42 :) weitere, von der sich nur geringe Spuren erhalten haben. Was bekannt ist, genügt jedoch, um sie mit der Laus caesaris Heinrici zu verbinden. Schon E. Du MERIL 3 und ihm folgend dann K. STRECKER\ der sich um die Aufhellung der Geschichte des Cena- Textes besonders verdient gemacht und die Bearbeitung des J ohannes Diaconus ediert hat, zogen eine Angabe des Claudius SALMASIUS (Saumaise, Seigneur de Tailly, Bouze, Saint-Loup, q88-r653) 5 heran, wonach »Azelinus quidam Remensis monachus« die Cena Cjrpriani bearbeitet und einem nicht näher bezeichneten Kaiser Heinrich gewidmet habe6 • Diese Fassung der Cena hatworauf K. STRECKER7 hinwies - ein weiterer Bearbeiter der beliebten Schrift, dessen Werk in einer Handschrift des XII. J ahrh. vorliegt, als seine Vorlage bezeichnet: Hos subsecutus Azelin Plura dilatans addidit, Unaque cena principem Henricum pavit cesarem.
Von dem Text des Azelin bietet Salmasius zwei auch von DU MERIL und STRECKER wiedergegebene Proben 8 , die dem Widmungsgedicht nicht ( 5. I 43 .') entsprechen.
2
4 5 6 7
Diac.); M. MANITIUS, Gesch. der lat. Lit. des Ma.s I, Münch. 1912 (1959) S. 692f.; P. LEBMAN~, Die Parodie im Ma., Münch. 1922 S. 25ff., 2.Aufl. Stuttgart 1963 S. 8, r2ff. (Azelin ist hier immer berücksichtigt); V. de BARTHOLOMAEIS, Guillari Farfensi, in: Nuovi Studi medievali, N. F. I, Bologna 1928 S. 45 ff. P. E. S., K., R. u. Renovatio I, S. 49· Pm'sies populaires latines anterieures au XIIe siecle, Paris r843 S. 193f. A. 4 und: Poesies populaires latines du m. :1.., Paris r 84 7 S. 93 A. 2. a. a. 0. S. 868 A. r. Über ihn vgl. G. LAUBMANN in: Realencykl. der Protest. Theol. 3 XVII, Lpz. 1906 S. 397ff. .Hist. Augustae Scriptores, Paris r6zo S. 396f. und 410. a. a. 0. S. 868 A. 2.
8 joseph ta!ari tunica Vestitur imzocentia;
Infectam capri sanguine Tol!it pro pulchro munere. (Salmasius S. 397) und: Helciae p!l!chra jilia, S ecura per pomoeria, Susannafert castaneam. (ebd. S. 410).
Der Klärung bedarf noch das Verhältnis Azelins zu der Bearbeitung der »Cena Cypriani«, die sich in dem - was zu beachten ist - ehemaligen Reimser Cod. Bibl. Nat. lat. 56o9 (olim Colb. 5445) findet. Nach dem Catal. cod. mss. bibl. reg. IV, Paris 1744 S. 140, ferner nach Du M.ERrL a. a. 0. (r847) S. 93 A. 2, der ebd. S. 93-102 diese leider nur verstümmelt erhaltene Bearbeitung abdruckt, weiter nach Mon. Germ., Script. XV, I S. 234, wo derselbe Codex für die »Vita et Translatio S. Huberti ep. Leodiensis auct. Iona« herangezogen ist, schließlich nach dem von STRECKER a. a. 0. S. 868 A. r. zittierten H.
Beziehungen zu Azelin und Arnulf
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Daß die Dedikation feierlicher gestaltet ist, kann nicht wundernehmen - sind doch auch sonst Unterschiede zwischen Widmungen und den ihnen folgenden Texten feststellbar. Jedenfalls kann kein Zweifel sein, daß diese Verse von AZELIN herrühren und die Widmung seiner Bearbeitung der Cena Cypriani darstellen, zumal die Laus caesaris Heinrici in einer Handschrift von französischer Herkunft überliefert ist.
c) Beziehungen zu Arnttljs » Delieie cleri«
Wann war nun aber dieser AZELIN an der Arbeit, und welchen der Heinriche hat er mit seinem Geschenk bedacht? Die Schlußstrophe der Widmung, die uns bisher den Weg wies, bietet noch einen weiteren Anhalt. Hier malt der Dichter nämlich das durch den Titel seiner Schrift gegebene Bild aus, indem er empfiehlt, statt sich durch lange Vorlesung ermüden zu lassen, täglich neue Kost vom »Mahle« des Cyprian zu nehmen. Er schließt: Meditataque fercula patrum Ferimus tibi per Cyprianum. Ganz das gleiche Bild, selbst der Einzelzug: fercula ferre, finden wir am Schluß einer Widmung, mit der ein wohl aus Frankreich stammender Geistlicher namens ARNULF seine Schrift Delieie cleri dem Kaiser Heinrich III. und seiner Gattin Agnes überreicht hat 9 • Hier heißt es: Hoc manuale tui cubitans in sede pugilli Fercula prima cibi more jeret jamuli. ,Cleri delicie' codex sie dicitur ipse, Orbis delicie, tu quoque, Cesar, ave!
LEBEGUE gehört die Handschrift dem IX. Jahrh. an; STRECKER selbst neigt an der vermerkten Stelle dazu, sie dem X. Jahrh. zuzuweisen. An dieser Datierung scheitert Du M:hiL's Vermutung, daß die Bearbeitung des Reimser Codex mit der Azelins identisch sei. Beziehungen sind nicht nur durch Reims, sondern auch durch die formale Gleichheit gegeben; aber das beweist nichts. Als Probe sei nach Du MERIL a. a. 0. S. 94 die dritte Strophe abgedruckt: Cum ]ohel facit nuptias, Vocat personas congruas. Disponuntur sedi!ia 26 Sduamm, Aufsätze III
Per palatina spatia.
9 Zuerst vollständig ediert von J. HUEMER, Zur Gesch. der mittellat. Dichtung: Arnulfi delicie cleri in: Roman. Forschungen II, Erlangen r886 S. 2roff. (ebd. S. 216 diezitierte Stelle); ebd. S. 383 ff. ein wichtiger Nachtrag von E. VorGT, »Beiträge zur Textkritik und Quellenkunde von Arnulfs Delieie cleri«. Über Arnulf orientiert gut, durch eigene Feststellungen weiterführend, M. MANrnus, Gesch. der lat. Lit. des Ma.s II, Münch. 1923 (Hdbuch der klass. Altertumswiss.) S. 588-92 (ebd. S. 588 und 59of. über die Heimat des Dichters).
C 8: Azelin von Reims
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Atto von Monte Cassino
Wie man sieht, hat das Bild hier keine innere Berechtigung - es ist mit Gewalt herbeigezogen. Da es nun schlecht vorstellbar ist, daß zwei Hofdichter des XI. Jahrhunderts zur Verherrlichung eines Kaisers Heinrich selbständig zu dieser so ähnlichen Einkleidung ihrer Dedikation gekommen seien, so ist nur zu fragen, wer von ihnen der Gebende war. Die Antwort ist in dem Gesagten schon enthalten. ARNULF muß das Werk des AzELIN gekannt haben. Ja, man darf weiter schließen, daß er das Bild vom Mahl gerade deswegen übernommen hat, weil es dem Hof durch AZELINS Widmung bekannt war. Daraus ergibt sich der Schluß, daß die Laus cesaris Heinrici gleichfalls an Heinrich III. gerichtet war. Da nach dem Inhalt dieser Verse nur die Kaiserzeit in Betracht kommt, ist die ( S. I 44 :) Abfassung auf die Jahre 104 7105 6 begrenzt. Innerhalb dieses Jahrzehnts wird vor allem die zweite Hälfte ins Auge zu fassen sein, da die Delieie cleri schon die Krönung Heinrichs IV. voraussetzen, also erst zwischen 1054-56 abgefaßt sein können10 • Die Beziehung zwischen AZELIN und ARNULF wird nicht aus einer zufälligen, durch den Hof vermittelten Verbindung herrühren. Von AZELIN steht fest, daß er aus Reims kam11 , also ein Franzose war, und von ARNULF behauptet eine alte Überlieferung, daß er gleichfalls aus Frankreich stammte. Diese Tatsache, die in anderen Jahrzehnten höchst auffällig wäre, hat gerade in der Zeit Heinrichs III. nichts Überraschendes- stammte doch seine Gattin Agnes aus Aquitanien! In ihrer Umgebung, vielleicht als Kaplan, wird ARNULF zu suchen sein, der seinem Gedicht auch eine Salutatio ad reginam voraufgeschickt hat12, und in dieser Stellung mag er die stofflich verwandten, gleichfalls gereimten »Hundert Sprichworte«, die Wipo - auch ein Kaplan- Heinrich noch zu Lebzeiten seines Vaters überreicht hatte13 , kennengelernt und daraus die Anregung geschöpft haben, nun seinerseits etwas zur lehrhaften Unterhaltung der Hofkreise beizutragen.
10 HUEMER a. a. 0. S. 212; MANITIUS a. a. 0. s. 588, 591. I I Er ist nicht zu verwechseln mit dem Kapellan Azelin, der einem bayerischen Adelsgeschlecht entstammte und zum Bischof von Bildesheim aufstieg, sowie mit dessen Neffen Azelin, der Bischof von Merseburg wurde; vgl. J. FLECKENSTEIN, Die Hofkapelle der deutschen Könige II, Stuttgart 1966 (Schriften der Mon. Germ. hist. r6) S. 2 55, 200 f. (Dieser wird in Bd. III. Azelin = Atto behandeln). 12 HUEMER a. a. 0. S. 216f.
13 Wiponis opera (Script. rer. Germ. 3 1915) S. 66ff. Auf diese Beziehung hat schon HuEMER a. a. 0. S. 212f. hingewiesen; jetzt kommt noch die zu Azelin hinzu, so daß wohl kaum mehr an einer Verwendung Arnulfs im Hofdienst zu zweifeln ist. V gl. dazu Marie Luise BuLsT-THIELE, Kaiserin Agnes, Lpz.-Berlin 1933 (Beiträge zur Kulturgesch. des Ma.s u. d. Renaiss. 5z) S. r 5 über das geistige Leben am Hof Heinrichs III. (dort sind auch Arnulf und Azelin angeführt).
Azelin von Reims
=
Atto von Monte Cassino
d) Azelin von Reims = Atto von Monte Cassino Auch unseren AzELIN von Reims dürfen wir in der gleichen Umgebung vermuten; denn eine solche Verherrlichung des Kaisers, also nicht des Landesherrn, ist doch nur denkbar, wenn der Verfasser das Brot des Kaisers aß, so daß er ihn als seinen Herrn betrachten konnte. Sucht man unter den Trägern des Namens AZELIN, die während des XI. Jahrhunderts in Beziehungen zum Kaiserhof gestanden haben, dann findet sich - soviel ich sehe - keiner, der mit dem Reimser identifizierbar wäre14 • Aber wenn man sich darauf besinnt, daß AZELIN eine Koseform von Atto (Azo, Adso usw.), abgeleitet von Adalbert (Adalbero), ist, so scheint sich eine Möglichkeit zu ergeben, AZELIN VON REIMS in einer anderweitig bekannten Persönlichkeit namens ATTO wiederzufinden. Von ihr spricht der in der »Renovatio« erwähnte PETRUS DrACONUS von Monte Cassino15 in seinem Liber illustrium virorum archisterii Casinensis16 • Danach hatte (S. I4J·) dieser ATTO die Stellung eines Kaplans der Kaiserin Agnes inne und überarbeitete die Schriften des Montecassiner Gelehrten Constantinus Africanus Ct ro8r)1 7 , der sich durch weite Reisen in den Orient und durch eine lange Reihe von Schriften, meist Übersetzungen aus dem Arabischen, in der Geschichte der mittelalterlichen Wissenschaft einen ansehnlichen Namen erworben hat18 • ATTOS Leistung bestand darin, daß er das Latein des Constantinus durchfeilte und den Stil verbesserte. Dieser Montecassiner Mönch, dessen Herrin ron starb und der vielleicht durch dieses Ereignis veranlaßt worden ist, sich in das süditalienische Kloster zurückzuziehen, ist im XVIII. Jahrhundert durch unbegründete Vermutungen zu einer Bedeutung gekommen, die ihm nicht gebührt. Er soll die Schriften CoNSTANTINS in das Französische übersetzt haben, was ihm 14 An Azelin, den späteren Bischof von Bildesheim (1044-56) (s. Anm. II), ist nicht zu denken, da er dies Amt schon vor Heinrichs Kaiserkrönung antrat. 15 S. bes.: Renovatio II S. 37ff., 54f. usw. 16 Über dieses Werk vgl. E. CAsPAR, Petrus Diac. u. die Monte Cassineser Fälschungen, Berl. 1909 S. 3d.; Druck bei MuRATORI Rer. Ital. Script. VI S. 9ff. (danach wiederholt bei MrGNE, Patrol. lat. 173 Sp. I009 ff.). I7 C. 24 (Migne 1. c. Sp. 1035) De Attone: Atto Constantini Africani auditor et Agnetis imperatricis capellantts, ea, quae supradictus (cf. c. 23) Constantintts de diversis linguis transtulerat, cothurnato sermone in Romanam linguam descripsit. - Auf dieser Stelle beruhen auch 26*
die Angaben bei dem früheren Herausgeber des Lib. ill. vir., J. A. FABRICIUS, Bibl. lat. mediae et infimae aetatis I-II, Neudruck Florenz I858 S. I7 unter: Adto. V gl. dazu: R. CREUTZ, Additamenta zu Konst. Afric. u. seinen Schülern Johannes und Otto, in den Studien u. Mitteil. zur Gesch. des Benediktinerordens, 5o, I 9 32 S. 420-42 (S. 428-33 über Atto und Constantinus). Neuere Lit. zu C. verzeichnet H. Kuss, Orient und Okzident im geistigen Leben des ma.lichen Süditalien, in: Gesch. in Wiss. u. Unterricht XVIII, I967 S. I4I f. I 8 L. THORNDIKE, A History of Magie and Experimental Science I, London I923 S. 742 I I.
C 8: Azelin von Reims = Atto von Monte Cassino
in der Geschichte des altfranzösischen Schrifttums einen Platz einräumen würde, und er soll außerdem eine süditalienische Chronik übertragen haben, die man mit der des GAUFREDUS MALATERRA identifizierte, die aber in Wirklichkeit von AMATUS VON MoNTE CASSINO stammt19 • Anlaß gab einerseits eine mißverständliche Angabe P. LE LoNG's (1719) über eine Handschrift20 , die sich auf GAUFREDUS beziehen ließ, andererseits die falsche Auslegung des PETRUS DrACONUS, der von der lingua Romana sprach, was als Iangue Romance, d. h. französisch, aufgefaßt worden ist. Daß Arro nichts mit GAUFREDUS zu tun haben kann, hat bereits Dom REMY CEILLIER (1757) gespürt 21 ; die neue Ausgabe dieses Autors durch E. PoNTIERI schaffte endgültige Gewißheit 22 • Daß die Übertragung des Amatus nicht von ihm stimmt, hat schon ihr erster Herausgeber, M. CHAMPOLLION FrGEAC, im Jahre r 8 35 nachgewiesen: der wirkliche Übersetzer der »Ystoire de li Normant« gehörte erst der Angiovinischen Zeit an 23 • Die These endlich, daß Arro Constantins Werke auf französisch bekannt gemacht hat, gründet sich allein auf die schon angeführte Angabe des Petrus; ihre Haltlosigkeit bedarf keiner Worte. So bleibt es also dabei, daß bisher keine (S. 146:) weitere Nachricht über diesen nach Monte Cassino verschlagenen Kaplan der Kaiserin Agnes aufgedeckt worden ist 24 • Mit der »Histoire llteraire de France« auf eine französische Herkunft zu schließen, ist- nachdem ihr Hauptargument wegfallen mußte- eine ganz vage Vermutung; denn für sie kann jetzt nur noch angeführt werden, daß die Kaiserin Agnes aus Frankreich stammte, also sehr gut Landsleute in ihrem Dienst gehabt haben kann, und daß andererseits Constantins Werke sehr schnell in Frankreich bekannt geworden sind 25 , was sich bei der Unterstützung seiner Arbeit durch einen Franzosen sehr gut erklären würde, was aber natürlich auch auf andere Weise geschehen sein kann. I9 Vgl. Bist. Iiteraire de France VII, Paris I746 S. IIof., dazu ebd. Avertissement S. LVI. zo Bibi. historique de la France (Paris I7I9) S. 748 Nr. I4643 ( = III, Paris 2 I77I, Nr. 34995) über den jetzigen Cod. Bibi. Nat. lat. 7I 35: Amatus. 2 r Hist. generale des auteurs sacres et ecclesiastiques XXI, Paris I757 S. 95 und II6f., wo die Irrtümer der Hist. literaire übernommen sind. 22 Rer. Ital. Script. Nov. Ed. V, I, Bologna I926. 23 L'Ystoire de Ii Normant . . . par Aime, moine du Mont-Cassin (Paris I835) S. LVIf., XCf. Den Verfasser hat E. STHAMER, Der Mönch Azzo von Montecassino, in den Sitzungsberichten der Berliner Akad. der
Wiss., Phil.-Hist. Kl. I9F Nr. 25 als Propst in St. Angelo in Formis (r284) nachgewiesen und mit dem Bischof Azzo von Caserta identifiziert. 24 E. GATTULA (sie!), Historia abbatiae Cassinensis per saeculorum seriem distributa I und II, Venedig 1733 und DERS. (E. Gattola!), Ad historiam abb. Cass. accessiones I, ebd. 1734 und II, o. J. weiß nichts von diesem Atto. Die mehrbändige, noch nicht abgeschlossene Bibliotheca Casinensis entbehrt bisher eines Registers (zuletzt Bd. V: I 894). 2 5 H. LIEBESCHÜTz, Kosmologische Motive in der Bildungswelt der Frühscholastik, in: Vorträge der Bibi. Warburg I923/4 S. r2rff., wo in Anm. 82 weitere Lit. zu Constantinus genannt ist.
Falsche Thesen- Der Text
Nachdem nun das Bild dieses Arro VON MoNTE CASSINO von seinen späteren Übermalungen befreit ist, besinnen wir uns auf das, was oben über AZELIN voN REIMS gesagt wurde: jener stand sicher, dieser vermutlich im Dienst der Kaiserin Agnes; jener könnte ein Franzose gewesen sein, dieser war es; jener offenbart durch die Tatsache, daß ihm die Schriften Constantins zur Überarbeitung anvertraut wurden, eine gediegene Schulung in der lateinischen Sprache, dieser beweist durch die Anklänge an klassische Autoren und durch den Bau seiner Verse, daß er sich im Lateinischen auskannte. Solange also nicht eine andere Persönlichkeit aus der Umgebung der Kaiserin Agnes namhaft gemacht werden kann, für die gewichtigere Gründe sprechen, darf man die Vermutung aufstellen, daß AZELIN VON REIMS und Arro voN MoNTE CASSINO identisch sind 26 •
e) Der Text Versus: Laus caesaris Heinrici.
(S. I47·"J
1.
Sume, caesar, sceptra regni, Bellatolle gentium; Protegat pax orbis urbes, Enses fiant vomeres.
2.
Pietas tua dum regit orbem, Novagloria possidet Urbem! Africae reprimendo furores Tua dextera spargit honores.
3. Modulor decus ante tribunal: Tibi pallida Roma triumphat; V eterum renovando decorem Superas quasi Iulius hostem.
26 Hingewiesen sei auch auf einen aus Compiegne stammenden Azelin, der von Leo IX. 1049 zum Bischof von Sutri erhoben wurde und vor 1059 gestorben sein muß. Er gehörte zur Reformpartei; von Beziehungen zum Hof scheint nichts bekannt zu sein - vgl. }AFFE-L. I S. 538; Bonizo, Liber ad amicum V (Mon. Germ. Lib. de lite. I S. 588); E. SrEINDORFF, Jahrb. d. Deutschen Reiches unter Heinr. III., II, Lpz. r88r S. 78; E.
SACKUR, Die Cluniacenser II, Halle r894 S. 315, 324; G. ScHWARTZ, Die Besetzung der Bistümer Reichsitaliens, Lpz. u. Berl. 1913 S. 264; A. HAUCK, Kirchengesch. Deutschlands III, Lpz. 3-4 1920 S. 6ro A. 3· Ferner weihte Papst Leo IX. (t 1054) einen Azolin zum ersten Bischof von Caserta; s. Italia pontificia, ed. P. F. KEHR VIII, Berlin 1935 (Neudruck: ebd. r96r) S. 28r.
C 8: Azelin von Reims
=
Atto von Monte Cassino
4· Placet imperialis honestas, V aluit speciosa potestas. Repetat modulatio Musas; Pueri, revocate Camenas. 5. Soli um sapientia firmat, Simul excolit, erigit, ornat; Nitidansque negotia regum Decorat diadema priorum. 6. Quia Caesaris erigis actus, Dabitur tibi poilleis ictus. Fydibus cytharizo triumphos Hylares modulando trochaeos. 7· Studium michi congratulandi, In amore viresco canendi. Data sunt mala castra stupori, Arabes superantur et Indi. 8. Tolerabilis est labor omnis Nimium tua iussa sequentis. Mora contulit annua luctum, Sine te duce non praecor annum. 9· Quia lectio longa fatigat, Nova caena diaria donat, Meditataque fercula patrum Ferimus tibi per Cyprianum 27 •
Hinweis: Über eine Briefsammlung, die Heinrich III. um I 043/44 überreicht wurde, habe ich berichtet in: »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« XV, I964 S. 238 f: »Die 3 I Briefe des Abtes Bern von Reichenau (10o8-Io48), die Fr.-J. ScHMALE edierte, ge-
27 Die Formen des Hs. Haeynrici (Überschrift) und !frimus (9, 4) sind normalisiert. - Zu I, 4 vgl. Is. z, 4: conflabunt g!adios suos in vomeres und Micha 4, 3 : concidunt gladios suos
in vomeres. Die metrischen Strophen sind
auch in ihrer Diktion stark an die antike Poesie angelehnt.
Der Text- Hinweis auf Bern von Reicherrau
hören in die mittelalterliche Bildungsgeschichte 28 • Aber dieser von Heinrich II. im Zuge der Reform zum Abt gemachte Prümer Mönch stand nicht nur diesem Kaiser, sondern auch noch Heinrich III. nahe, so daß auch auf die Reichsgeschichte Lichter fallen. Wichtig sind die Briefe vor allem für die vom Pater Kassius HALLINGER 0. S. B. neu zur Erörterung gestellte Frage, wie sich die von Cluny und Lothringen ausgehenden Reformbestrebungen zu den einheimischen, vornehmlich vom Kloster Gorze (bei Metz) getragenen, verhielten. Bern hatte Konzepte seiner Briefe verwahrt, die es ihm erlaubten, aus ihnen eine -um I043/44 Heinrich III. überreichte- Briefsammlung zusammenzustellen. Deren Original ist verschollen, lag jedoch im 16. Jahrhundert noch den Magdeburger Centuriatoren vor. Abschriften sind fragmentarisch erhalten; bei anderen Briefen hilft die Empfängerüberlieferung weiter; der Herausgeber hatte also keine einfache Aufgabe.« 28 SCHMALE, Franz-Josef: Die Briefe des Abtes
Bern von Reicherrau (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe A: Quellen, 6. Bd.). Stuttgart (W. Kohlham-
mer) 1961. 78 S. Zur Überlieferung der Briefe hat der Herausgeber bereits 1957 im Bd. 68 der Zeitschrift für Kirchengeschichte einen vorbereitenden Aufsatz vorgelegt.
9.
Zu Heinrich IV. (ro56-r ro6), dem vorletzten Salier In meinem Bericht über die vier ersten Bände der »Studi Gregoriani raccolti da G. B. BoRINO«, Rom 1947-52 (Das Zeitalter Gregors VII., in den Göttingisehen Gelehrten Anzeigen 207, 195 3 S. 62-140) habe ich die Aufsätze genauer besprochen, die sich mit der Geschichte Heinrichs IV. befassen (vgl. bes. S. 93 ff. zu Canossa). Ich wiederhole hier die- den Abschnitt 5 (S. 369ff.) ergänzenden- Seiten 87-92.
Heinrich IV. und Rom (Besprechungen von Aufsätzen)
( S. S7.) Von denfünfzigerbis in die siebziger Jahre führt uns W. BERGES (Göttingen, jetzt Berlin). Er hat »Gregor VII. und das deutsche Designationsrecht« behandelt (II S. 189-209). Der Angelpunkt seiner Ausführungen ist eine Nachricht über die Vorgänge nach dem Tode Heinrichs III., die schon von Georg WAITZ als sehr merkwürdig bezeichnet worden ist, bisher jedoch noch keine Erklärung gefunden hat. Sie steht in Gregors VII. Manifest an die Deutschen vom 3. September ro76 (Reg. IV, 3), ist also unbestreitbar. V er gegenwärtigen wir uns die Situation. Heinrich IV. war auf Veranlassung seines Vaters bereits 1053 »gewählt«, 1054 gekrönt worden. Als Heinrich III. im Sterben lag, wurde er erneut als Erbe der Krone bestätigt, noch einmal »gewählt« - ein Akt, dem in der Folgezeit weitere »Wähler« beitraten, die nicht zur Stelle gewesen waren. Dies bewirkte Papst Victor II., der sein Bistum Eichstätt beibehalten hatte und daher noch zum Reichsepiskopat gehörte. Er bewirkte vor allem, daß die noch vor kurzem mit dem Vater verfeindeten Bayern und Lothringer den Sohn anerkannten. Er wird es daher auch gewesen sein, der veranlaßte, daß damals der Kaiserin Agnes ein Eid geleistet wurde für den Fall, si jilius eius ex hac vita ante ipsam migraret - das ist die merkwürdige Nachricht, die Gregor 1076 anführte, weil er diesen Eid als 1076 noch rechtsverbindlich ansah. Dessen Inhalt lief darauf hinaus, daß Agnes im Falle der Vakanz des Reiches das Recht haben sollte, den Nachfolger zu designieren. BERGES prägte für diese Regelung den Ausdruck »Reichsordnung von 1056«- wie
Der 1054 der Kaiserin Agnes geleistete Eid
er anschließend zeigt, mit Recht. Denn sie wirkte, was der Forschung bisher entgangen ist, zwei Jahrzehnte nach. Sie lief darauf hinaus, daß die Stirps regia gegen die Laien, »Kleinkönige, aber auch Raubvögel sie alle«, welche die Königsmacht von sich abhängig machen wollten, durch die Bischöfe in einer schweren Krise gestützt wurde. Daß diese Regelung in der Folgezeit umgedeutet wurde, tritt zuerst 1073 in Gregors Brief an Herzog Rudolf von Rheinfelden hervor (Reg. I, 19): hier ist Victors persönliche Vormundschaft als eine der Romana ecclesia interpretiert (die Wendung, ipsum in regem elegimus legt B. überzeugend dahin aus, daß gemeint ist: wir, die Päpste, also Victor; eine Anteilnahme Bildebrands an den Vorgängen des Jahres 1056 kann also daraus nicht geschlossen werden). Als nach der Absetzung Heinrichs auf der Fastensynode des Jahres 1076 seine Gegner auf eine Neuwahl drängten, kam Gregor auf die Frage zurück (Reg. IV, 3). Er wünschte den Versuch einer Versöhnung, nicht die Wahl eines Gegners; sollte jene scheitern und diese daher notwendig werden, behielt er sich deren .ftrmatio vor. BERGES zeigt, wie das von Gregor beanspruchte ius examinandi personam an die Stelle der Designation Heinrichs III., des »bindenden Wahlvorschlags« von 105 3, getreten ist und das Eintreten Victors II. im Jahre 1056 die Brücke zwischen 1053 und 1076 schlägt. Daneben zeichnet sich bei Gregor auch schon ein Anspruch auf das ius examinandi electionem ab. Es wird 1077 durch die (S. 88:) Anwesenheit von Legaten bei der Wahl Rudolfs ausgeübt und hat zur Konsequenz eine promissio des neuen Königs, die der Kirche Sicherung bietet. Wie weit ist da noch Platz für das 1056 der Kaiserin Agnes eingeräumte Designationsrecht? Nach Gregors Auslegung hat sie nicht darüber zu befinden, ob die Vakanz des Reiches eingetreten ist oder nicht; diese Entscheidung herbeizuführen, ist vielmehr Sache des Papstes, der - wenn er es für richtig hält - die Fürsten ihres Eides entbindet. Die dann notwendig werdende Vorwahl kann nur von Agnes und dem Papst gemeinsam ( a ea et a nobis) vorgenommen werden; das Recht der Kaiserin ist also zu einem Konsensrecht zusammengeschrumpft. Welche Folgerungen Gregor daraus zog, ist aus seinem Verhalten zur Wahl Rudolfs in Forchheim zu ersehen. Formal war sie nicht zu beanstanden, und der Gegenkönig bot alle nur möglichen Sicherungen an; politisch schien sie ganz im Interesse Gregors zu liegen. Trotzdem erkennt er sie jahrelang nicht an, behandelt er Heinrich weiter als König. Denn jene Wahl war ohne sein consilium erfolgt, d. h. ohne jenes aus der Teilnahme Victors II. abgeleitete Recht. Über das aus der gleichen Zeit stammende Designationstecht der Kaiserin, die geladen, aber nicht gekommen war, hatten sich die Wähler hinweggesetzt. Sie brachen den 10 56 geleisteten Eid, an den sie Gregor im Jahre vorher erinnert hatte. Anschließend zeigt W. BERGES, wie die oft angeführte Lehre Manegolds von Lauterbach über die »Volksautorität« nur als zugespitzte Antithese gegen die Einwände zu
4IO
C 9: Zu Heinrich IV., dem vorletzten Salier
verstehen ist, die gegen die Wahl in Forchheim vorgebracht wurden, und wie die Gegenpartei, literarisch angeführt durch die Schule von Ravenna, zum Gegenschlage ausholte, indem sie zugunsten des Königs das römische Recht mobilisierte. Sie wandte auf Io56 die Grundsätze des römischen Erbrechts an und begründete mittels Fälschungen einen historischen Anspruch des Königs auf das Designationsrecht. Damit waren zwei Positionen bezogen, zwischen denen der Kampf nun weiterging: »Die Ereignisse von I o 56 und I 077 mochten in Vergessenheit geraten, die Ideen des Streites um die Designation hier, die Approbation und die freie Wahl dort blieben lebendig.« Es handelt sich bei diesem Beitrag um das Muster einer sorgfältigen Quelleninterpretation, welche oft benutzte Begriffe schärfer faßt und dadurch zu neuenEinsichten kommt. Durch das Hervorkehren der Rolle, welche der Agnes geleistete Eid gespielt hat, hat W. BERGES außerdem ein bisher nicht beachtetes Faktum in die Erörterung hineingezogen. Wir müssen noch einmal in die Zeit vor der Erhebung Bildebrands zum Papst zurückkehren. »Die Angriffe des Cadalus von Parma (Gegenpapst Honorius II.) auf Rom in den Jahren 1062 und 1063« (II S. 477-503) behandelt Fr. HERBERHOLD (Staatsarchiv Sigmaringen), der bereits im Histor. Jahrbuch 54 (I934) S. 84ff. über »Die Beziehungen des Cadalus von Parma zu Deutschland« gehandelt hat. Durch Abwägen und Kombinieren der ( S. Sg:) Nachrichten bei Petrus Damiani, Bonizo, Benzo, Donizo und anderen ergibt sich ein deutliches Bild von dem Ablauf der Ereignisse. Unklar bleibt nur, warum Cadalus seine im April 1062 günstige Lage nicht zur Inthronisation ausnutzte; denn damals vermochte er sich vorübergehend der Leo-Stadt mit St. Peter zu bemächtigen. Diese Möglichkeit bot sich ihm noch einmal im Sommer 1063; denn wenn auch nach dem Kaiserswerther Anschlag, der Heinrich IV. in die Hand der Gegenpartei brachte, die Stimmung am königlichen Hof umgeschlagen war und dem Gegenpapste in Italien der Herzog Gottfried und die Normannen entgegentraten, hatten seine Parteigänger in Rom doch ausgehalten, so daß Cadalus noch einmal Einlaß in die Leo-Stadt fand. Aber auch diesmal unternahm er nichts, um den ihm noch fehlenden Rechtsakt nachzuholen. Daher verharrte er bis zu seinem Tode bei dem Titel electus apostolicus. Er scheiterte in Rom am Mangel an Geld, am Widerstand des Herzogs Gottfried und der Normannen, an der Gegenpartei, die in Rom seinen Parteigängern entgegentrat; er scheiterte vor allem an der zähen, durch keine Fehlschläge zu beugenden Abwehr Hildebrands. Auf die beiden Versuche Kadalos, in Rom Fuß zu fassen, ist G. B. BüRINO in seinem Beitrag zum letzten Bande zurückgekommen: »Cencio del Prefetto Stefano, l'attentatore di Gregorio VII« (IV S. 373-440). Wenn von diesem trotz der von ihm gespielten Rolle bisher immer nur nebenbei die Rede war, dann liegt das
Cadalus (Honorius II.) und Rom- Cencius
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daran, daß wir von ihm nicht viel wissen und für den Außenstehenden die stadtrömischen Urkunden schwer zu erfassen sind-zumal wenn es sich um einen so verbreiteten Namen handelt. Es bedurfte einer so gerrauen Kenntnis nicht nur des Materials, sondern auch der ganzen Zeit, wie sie der V erfass er besitzt, um sich an das Wagnis zu machen, das Bild eines solchen Mannes zu zeichnen, der nicht nur wegen seiner Rolle als gefährliche Nebenfigur, sondern auch als ein die Zeit kennzeichnender Typ Interesse verdient. Da auch Don BORINO die Zeugnisse, die über Cencius vorliegen, nicht wesentlich hat vermehren können, hat er sich so beholfen, daß er diesen Führer der Römer in seiner Umwelt dargestellt hat, und daher ist sein Beitrag zu einer Geschichte der Stadt Rom in den sechziger und siebziger Jahren geworden. Dem Aufsatz von dieser Seite gerecht zu werden, ist nicht möglich; ich müßte zu diesem Zwecke seinen Inhalt nacherzählen. Ich hebe hier nur heraus, was Cencius selbst betrifft. Das glaube ich jedoch gerrauer wiedergeben zu sollen, da - wie sich zeigen wird - die Fäden des Cencius bis zum deutschen Hofe liefen und dadurch ein neues Licht auf das Verhalten Heinrichs IV. in den Jahren I 07 5I I 076 fällt. Cencius (Cintius, Quintius usw., auch Crescentius) wird, um ihn von anderen Trägern dieses in Rom verbreiteten Vornamens zu unterscheiden, de praejecto genannt. Die Präfektenwürde, die sein Vater Stephan vor I o 5I innegehabt haben muß, zeigt, daß er der Adelsschicht angehörte. Aber sein Name und auch der Vatersname sind damals so verbreitet, daß die ( S. 9 o:) genealogische Einordnung der beiden in eines der bekannten Geschlechter nicht möglich ist. Persönliche Beziehungen des Cencius zu den Crescenzi Stefaniani in Palaestrina, den Nachkommen des Grafen Benedikt und der Senatrix Stefaniana, machen wahrscheinlich, daß er in deren Verwandtschaft gehörte - so oder so, Stephanus und Cencius werden als Nachfahren jener durch Familienhaß und Cliquenwirtschaft zerklüfteten Schicht angesehen werden dürfen, die sich seit dem ausgehenden 9· Jahrhundert die Herrschaft in und um Rom streitig machte, abertrotzder Untersuchungen von B. Bossr (I9I 5), W. KöLMEL (I 9 3 5), C. CECCHELLI (I 942) und anderen in bezug auf ihre Versippung immer noch viele Fragen offen läßt. Von Cencius wissen wir, daß er seinen compater erschlug, kennen aber dessen Namen nicht. Daß er einen Turm im Stadtviertel Parione besaß, bietet auch keine weiteren Anhalte. Als Cencius in die Geschichte eintrat, gehörte er zu jener Adelsgruppe, die hinter der Wahl Benedikts X. gestanden hatte und sich Io6I für Cadalus einsetzte. Daß Cencius an ihrer Gesandtschaft, die Heinrich IV. die Abzeichen des Patriziats nach Basel überbrachte, teilnahm, ist nicht erwähnt, aber sehr wohl möglich; in der Folgezeit wird er jedenfalls unter den fideles imperatoris aufgezählt, und als Cadalus nach Rom kam, beherbergte ihn Cencius in dem von ihm befehligten Castel S. Angelo. Bildebrand sorgte daher dafür, daß er exkommuniziert wurde. Aber Cencius überstand das und spielte seine gewalttätige Rolle an der Spitze seiner Parteigänger weiter.
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C 9: Zu Heinrich IV., dem vorletzten Salier
Ja, nach einer Nachricht aus dem antigregorianischen Lager (Mon. Germ., Lib. de lite I S. 459) wurde Gregor ro73 gerade per Chinchium, unum de nobilibus Romanis, et partem, quamiste et ille Jecerat, erhoben. Das läßt sich nicht nachprüfen; aber bekannt ist ja, daß Gregors Wahl sich in tumultuoser Form vollzog, bei der - entgegen dem Papstwahldekret von 1059 - auch die Römer mitwirkten. Lange hat sich Cencius jedoch nicht zum neuen Papst gehalten; dieser zwang ihn vielmehr 1074, einen der Kirche zugedachten Hof herauszugeben. Einige Monate später ereignete sich dann ein Vorfall, der in seinen Einzelheiten unklar bleibt, aber zum Hintergrund die Rivalität der römischen Adelscliquen hat: Cencius besaß auch neben dem Ponte di Adriano einen von ihm erbauten Turm und benutzte ihn, um von den Passanten ein Wegegeld zu erpressen. Diesen nahm der gleichfalls dem Adel entstammende Präfekt von Rom, der auch Cencius hieß, an der Spitze der Römer ein und ließ ihn schleifen. Cencius ftlius Stephani praefecti wurde gefangengesetzt und secundum Romanas Ieges zum Tode verurteilt, aber auf Drängen seiner Parteigänger gegen Geiseln und Urfehde freigelassen. Zu seinen Gunsten soll sich damals außer vielen Römern auch die Gräfin Mathilde verwandt haben. Die wiedergewonnene Freiheit benutzte Cencius, um sich in den Schutz des gebannten und daher damals gegen Gregor eingestellten Normannenherzogs Guiscard zu begeben. Siebeide spannen nun ein weitreichendes Netz zu Gleichgesinnten wie Wibert von Ravenna, Tedald von Mailand, Hugo ( S. 9 I.) Candidus, und da Heinrich von sich aus Rückhalt bei den Normannen suchte, reichten Fäden bis zum Königshof - das ist, wenn man von den Normannen absieht, die politische Gruppierung von ro6rjro6z. Diesmal ging Cencius jedoch aufs Ganze: als Gregor 1075 in der Weihnachtsnacht in S. Maria Maggiore die Messe las, überfiel er ihn- strömenden Regen ausnutzend - mit seinen Parteigängern, nahm ihn gefangen und schleppte ihn in seinen Turm im Parione-Viertel. In den Einzelheiten laufen - wie das bei solchen Gewalttaten immer der Fall ist, zumal wenn der Parteistandpunkt so stark mitspricht wie in dieser Zeit- die Nachrichten auseinander; wir lassen deshalb die Frage, wie weit der Papst körperlich bedroht und der Kirchenfriede gebrochen wurde, auf sich beruhen. Genug, die Gewalttat hatte eine von Cencius nicht berechnete Folge: Bis zum nächsten Morgen hatte die Nachricht seinerneuen Untat die Römer so in Erregung gesetzt, daß er im Nu zu dem in seinem Turm Belagerten wurde. Paul von Bernried weiß zu berichten, daß Cencius angesichts der für ihn so schnell ausweglos gewordenen Lage sich dem Papst zu Füßen geworfen und dieser ihm auferlegt habe, eine Wallfahrt nach Jerusalem anzutreten; Gregor habe dann in S. Maria Maggiore die unterbrochene Messe zu Ende geführt, Cencius aber die Gelegenheit ergriffen, mit seiner Familie zu fliehen. Der Bericht gibt, obwohl er durch kein zweites Zeugnis gestützt wird, eine plausible Erklärung für die sonst schwer begreifbare Tatsache, daß Cencius auch diesmal den Kopf aus der Schlinge zu ziehen vermochte. Er setzte sich in der Nähe von Rom fest- vermutlich in Palestrina bei seinen
Cencius, »Sohn des Präfekten«
Verwandten -, machte von hier aus die Gegend unsicher und ließ sich durch den Bann, der ihn von neuem traf, nicht behelligen. Neun seiner Gefolgsleute wurden jedoch bei der Tiberbrücke aufgehängt. Wenn man diese Verhältnisse jetzt deutlicher als bisher überschaut und gewahr wird, wie unterhöhlt der Boden war, auf dem der Papst in Rom stand, dann versteht man jenen Brief besser, der nach der von der Wormser Synode beschlossenen Absetzung Gregors im Januar r o76 an die Römer abging und das verhängnisvolle, alle Brücken abbrechende Schreiben: Heinricus Dei gratia rex Hildebrando enthielt. Aus dem Liber pontificalis, der im Anschluß an das Attentat von einer Reise des Cencius an den Hof berichtet, folgert BoRINO, daß jener sie unmittelbar nach seiner Flucht angetreten habe, und er mutmaßt, daß der Brief an die Römer Cencius und dem Kardinal Hugo Candidus (dessen Anwesenheit in Worms feststeht) nach Italien mitgegeben wurde. War also Cencius, der ja schon w6rfro6z bei der Verleihung des Patriziats an Heinrich seine Hand im Spiele gehabt hatte, der böse Geist, der ro76 hinter dem Gedanken stand, die Bewohner von Rom, cuius michi patriciatus Deo tribuente et iurato Rotnanorum assensu debetur-so heißt es im Brief an Gregor- gegen den Papst auszuspielen? Nach allem, was wir jetzt von ihm wissen, klingt das sehr plausibel. Andererseits wäre auch Heinrichs schroffes Vorgehen eher verständlich, wenn man annehmen (S. 92:) darf, daß ihm soeben einer der führenden Römer ein in dessen Sinn gefärbtes Bild der Lage in Rom entworfen und sie ihm so dargestellt hatte, daß die Römer bereit seien, als amicis nostris amici inimicis nostris inimici auf seine Seite zu treten und ihm wirkungsvolle Hilfe gegen den »Eindringling« in die Kirche und den Romanae rei publicae vel regni nostri insidiator zu leihen1 • War Cencius nun in Worms oder entwickelten sich die Dinge dort so, ohne daß er selbst in die Flammen blies, - sobald Heinrich wieder einzulenken begann, trennte sich jedenfalls sein Weg von dem des römischen Fuoriscito, der fortfuhr, die Umgegend Roms unsicher zu machen. Als aber in den Monaten nach Canossa die lombardischen Parteigänger Heinrichs sich wieder um ihn zu sammeln begannen, suchte auch Cencius noch einmal bei ihm Rückhalt zu gewinnen. Wie er eingestellt war, ist deutlich; denn er fand sich in Pavia mit dem Bischof Rainald von Corno ein, den er in der Nähe bei Rom abgefangen hatte. Aber Heinrich trug verständlicherweise Bedenken, den durch diese neue Gewalttat noch mehr als bisher Belasteten zu emp-
r Die in den Mon. Germ., Const. I S. ro9f. abgedruckten Schreiben jetzt: Die Briefe Heinrichs IV. hg. von C. ERDMAJ'.."'N, 1937 Nr. rr = Mon. Germ., Deutsches Ma. Kritische Studientexte I; dazu Ders .. Die Anfänge der staatl. Propaganda im Investiturstreit, in der Hist. Zeitschr. 154, 1936 S.
491 ff., daß die längere Fassung des Bildebrand-Briefes die abgeleitete, d. h. für die Propaganda zurechtgestutzte ist. Diese überzeugende, jedoch KARL HAMPES Meinung widersprechende Auffassung hat Fr. BAETHGEN in die Neuauflage von dessen Kaisergeschichte übernommen.
C 9: Zu Heinrich IV., dem vorletzten Salier
fangen. Als schließlich eine geheime Zusammenkunft verabredet war, starb Cencius eines plötzlichen Todes; Wibert von Ravenna leitete sein Begräbnis. Inzwischen hatte sein in Rom verbliebener Bruder, der wie der Vater Stephanus hieß, den Feind ihrer Familie, den Präfekten Cencius, umgebracht. Aber wieder entschied sich die öffentliche Meinung Roms gegen ihn. Obwohl Stephanus sich im Kastell St. Angelo festgesetzt hatte, wurde er gefaßt und getötet. Sein Leib wurde verbrannt, der Kopf mit den Händen an der Tür von St. Peter aufgehängt. Der Präfekt fand dagegen ein Marmorgrab mitten im Paradies von S. Peter 2 • Damit war die Rolle dieses unheimlichen Geschlechtes ausgespielt. Es war weder das erste noch das letzte, das durch rücksichtslosen Kampf um seine Interessen den Frieden Roms und dadurch die Sicherheit des Papstes gefährdete - was wiederum jedesmal den Feinden der Päpste Handhaben gab, um deren Schwäche in der Stadt auszunutzen, in der ihre Macht am größten hätte sein müssen. Über ein »Bonmot« Heinrichs IV., das sein Urenkel Otto von Freising überliefert hat, vgl. oben S. JOI. 2
Ein dritter Träger des Namens, Cinthius Fraiapanis, ein consul Rarnanorum und Parteigänger Hildebrands-Gregors, der in den achtziger Jahren eine wichtige Rolle spielte, erhielt als Geschenk des Abtes Desiderius von Monte Cassino (Viktor II.) eine silberne Kapsel mit Umschrift und Reliquien des hl. Mathaeus, dessen Gebeine ro8o in
Salerno wiederentdeckt worden waren. Sie wurde von Cencius der Kirche SS. Cosma e Damiano in Rom übergeben, wo sie r924 gefunden wurde; vgl. H. BLocH, Monte Cassino, Byzantium and the West, in den Dumbarton Oaks Papers Nr. 3, I946 S. zr3-r3 mit Abb. 257/8.
IO.
Eine wichtige Gestalt der späten Salierzeit: Die Gräfin Mathilde von Tuszien (trI I 5). Edition der »Notae de Mathilda Comitissa«* a) Einleitung Da meine Ausgabe an einer leicht zu übersehenden Stelle abgedruckt ist und jedes Zeugnis, das die Großgräfin Mathilde betrifft, Aufmerksamkeit verdient, wiederhole ich meine Edition hier noch einmal. Dem Leser sei in die Erinnerung gerufen, daß Mathilde (I o46- II I 5) die Tochter und Erbin des Markgrafen Bonifaz III. von Tuszien war, der durch seine Ehe mit Beatrix von Lothringen über Italien hinaus Bedeutung gewann. Die Tochter vermittelte zwischen Papst Gregor VII. und Heinrich IV., der 1077 in ihrer Burg Canossa die Lösung vom Kirchenbann erwirkte. Sie vermachte um Io78/9 der Römischen Kirche die »Mathildischen Güter«, sprach diese aber später auch Kaiser Heinrich V. zu. Die Rechtsunsicherheit, die nach ihrem Tode entstand, wurde zu
*
Zuerst in: Mon. Germ., Script. XXX, 2, Lpz. r929 S. 973--75. In diesem Halbbande, der viele ] ahre nach der r. Hälfte erschien, edierte ich ferner folgende Texte, die- da nur von begrenztem Allgemeininteresse - sich nicht zum Wiederabdruck eignen: a die Notitia dedicationis ecclesiae St. Sa!vatoris in Monte Amiata (S. 97r-z), b die Trans!atio et miracu!a sanetarum Senesii et Theopontii (S. 984-92; um die Stammhandschrift zu kollationieren, suchte ich das alte Langobardenkloster Nonantula auf und gewann dabei nicht vergessene Eindrücke der wichtigste war der V ersuch des Abtes, mich in gepflegtem Italienisch und weltmännischer Diktion für die Katholische Kirche zu gewinnen), c Vitae prima et secunda S. Bernardi episcopi Parmensis (S. I3I4-27). Diese Editionen fertigre ich als junger Doctor Heidelbergensis (r922), dann als Privatdo-
zent der Ruperto-Carola für die von Harry BRESSLAU geleitete Abteilung »Scriptores« der Mon. Germ. Historica an (er hatte aus Straßburg fliehen müssen und sich in Beideiberg niedergelassen). Außerdem half ich Harry BRESSLAU beim Band IV der »Diplomata« (Heinrich III.). Ich lernte viel bei ihm - ich gedenke seiner mit Respekt und Dankbarkeit. Nach seinem Tode (r9z6) übernahm P AUL KEHR die Edition. Der Band konnte r934 erscheinen. - Ein Neudruck erfolgte I964. Da der erste Halbband (r896) noch mit lateinischen Vorreden versehen worden war, hielt die Zentraldirektion das auch beim zweiten für angemessen, obwohl sich inzwischen in andern Abteilungen bereits die deutsche Sprache durchgesetzt hatte. - Der älteren Generation machte der alte Brauch keine Schwierigkeiten.
C ro: »Notae de Mathi!da comitissa«
einer der Hauptstreitfragen, die sich einer wirklichen Aussöhnung zwischen der Kurie und den Staufern entgegenstemmten. Über den von mir herausgegebenen Text, der 1929 gedruckt wurde (Einwände sind mir nicht bekannt geworden), führte ein Vorwort folgendes aus: Notae, quibus b. m. L. A. MuRA'I'ORI nomen »Notae Mutinenses« dedit, duabus formis, longiore et breviore, in varüs codicibus servatae sunt, quorum vetustissimus est A = Cod. Mutinensis bibl. Estensis lat. 28 (signatus IX. F. 2, 4; olim X. H.. 22, antea V. A. 28), saec. XIV. scriptus, ubi post Donizonis epitomatorem Padolironensem inter varia Notae insertae sunt. De quo codice retulerunt b. m. L. BE'I'HMANN in »Archiv« XII, 696 et Mon. Germ. SS. XII, 350 et b. m. 0. HoLDER-EGGER in »Neues Archiv« X, 228 n. r, XVII, 473, XXXIII, 117.
Recentior, sed ex fonte saec. XIV. desumptus est B 1 = Cod. Mutinensis bibl. Estensis lat. 1079 (signatus IX. I. 5, 6; olimiV. F. 25), saec. XVII, quo continetur chronica Bonifatü da Morano anno I 349· die 8. Aug. defuncti, qui initio operis Notas inseruit. Codex descriptus est a G. BER'I'ONI in Rer. Ital. SS. ed. L. A. MuRA'I'ORI, nov. edit. VI,r fase. 49 (I9o7) (Relatio transl. corp. S. Geminiani), p. XIII, et praecipue a L. VrscHil, qui codicem a CARANDINO cancellario Mutinensi transscripturn esse putat et aliud exemplar in bibliotheca Bononiensi repperit. Iterum Notae ut pars chronicae alicuius traditae sunt in B 2 = Cod. Mutinensis bibl. Estensis lat. 388 (signatus a. F. 3, 4; olim VI. F. 3), saec. XVI. scriptus, ubi autographum Alexandri T ASSONI inest, ut Vischi 1. c. p. XII sq. et BER'I'ONI 1. c. p. XI asseruerunt. Cuius historiographi »Annales veteres Mutinenses« a »Translatione S. Geminiani« et Notis supranominatis exordiuntur, quibus alia manus postea varias notitias historicas inseruit. Exemplar huius chronicae, ut VrscHr 1. c. p. XV commemorat, in Cod. Mutin. bibl. Est. lat. a. N. 7· 23 (olim X. D. 3 I), saec. XVII, continetur. Codices B1 et B 2 , quibus scriptorum Mutinensium opera conservata sunt, Notarum recensionem breviorem, sed auetarn itineris Heinrici regis per agrum Mutinensem facti adiunctione tradunt. Cum Bonifatü chronicam Alexandro T ASSONI ignotam fuisse V rscHr 1. c. p. XXVII ostenderit, non B 2 ex B1 , sed ambos ex communi fonte prodüsse constat, qui lectionibus annorum I ro9-Io. codice A recentior fuisse demonstratur. Civitatis enim Aretü expugnatio ab A recte mensi Ian. anni 11 Ir. adscripta, sed in r »Mon. di storia patria d. provincie Modenesi. Serie d. cronache« XV: »Cronache Modenesi di A. TAssoNr, di G. da BAZZANO e di B. Mo-
R&'!O .. a cura di L. VrscHr, T. SANDO:-
Überlieferung
recensione B contractione verborum falsa una cum rebus mense Dec. anni antecedentis factis narrata est. Textus ergo non in A correctus, sed in B depravatus est, ita ut forma in A data magis sequenda sit. Quae igitur in initio fineque codicis A de testibus decisionis a comitissa factae laudibusque illius relata in B desunt, iam ab ipso Notarum auctore conscripta et postea in Mutinensium operibus omissa esse nobis persuademus. Encomium comitissae auctor inseruit, quod posteris . . venturis incredibile videri putabat; inde eum non diu post mortem Mathildae anno 11 I5. defunctae scripsisse apparet. Quem (S. 974·) hostem imperatorum fuisse facile patet. Ex diplomate Nonantulano hausisse ea videtur, quae ad annum I I09· affert. Neque quicquam aliud de auctore dici potest. Loco igitur: »N otae Mutinenses«, quod nomen eis praeclarissimus ille bibliothecarius Estensis Muratori temere dedit, eis praebetur novus titulus: »Notae de Mathilda comitissa«. Primus L. A. MoRATORI in Rer. Ital. SS. VI (Mediol. I725), 9I-94 Notas ex »codicibus Estensibus« edidit, qui A et B 2 codicibus usus est. Chronicis Bonifatü da Morano et historiographi Alexandri T ASSONI curis virorum doctorum Mutinensium anno I 888. in lucem prolatis recensio etiam brevior omnibus nota facta est. Collationibus codicis A a v. cl. 0. HoLDER-EGGER b. m., codicum B1 et B 2 a v. cl. H. BRESSLAU b. m. factis usi texturn A, lectionibus ex B, et B 2 additis, secuti sumus. Millesimoa centessimo mznoa, indictioneb tertiab, dec mensec J.Vovembris juitd domina Mathilda nobilissima comitissad in castro Vigno!e 2 et ibi concordavit dominum lohannem< priorem1 sancti Silvestrig cum archypresbytero lohanneh sancti Aiichaelisi de Nonantula, testificantibusk proceribus et nobilibus viris Albricus et Tebertus de Nonantula et magister Rubertus grammaticusk3. In 1 eodem 4 annom Henricus rex qttintus intravif Italiamn, destruxit civitatem 0 NovariamP, accepit Longobardorumq fidelitatemq et cumr Mathilda' comitissa nobilissima' Mutinensi a Anno domini MCVIIJJ B. b ind. tertia om. B. c die octavo (8 B 2 ) pro de mense B. d illustrissima domina comitissa lvfathi!dis fuit B 1 ; M. c. fuit B 2 • e loannem B. f monasterii add. B. g Sylvestri B 2 ; de Nonantula add. B. h ]oannem B. i etiam add. B 2 k fest.gramm. deest. B. I In om. B 1 ; In eodem om. B 2 • m domini MCVIIII add. B 2 • n et add. B. o civ. om. B 2 • p Navariam B 1 ; et add. B 2 • q ftd. Long. B 2 • r illustrissima add. B 2 • s A1atildi B 2 • t nob. om. B 2 • 2
Vignola, castellum prope flumen, qui dicitur Panaro; cf. G. TIRABOSCHI, »Diz. topogr.stor. degli Stati Estensi« (Modena r824-5) II, 41 r sqq. Cf. A. ÜVERMANN, »Gräfin Mathilde v. Tuscien« (Innsbr. r895), qui regesta Mathildae
27 Schramm, Aufsätze 111
collegit, in quibus omnes fere supra nominati passim occurrunt. 4 Reetins sequente; cf. l'v1EYER v. &'!ONAU, »Jahrb. d. Deutsch. Reiches u. Heinr. IV. u. Heinr. V.« VI (Lpz. r9o7), r3o sqq.
1109
Nov.
(IIIo Aug.)
C ro: »Notae de Mathilda comitissa«
(Nov.) (Dez.) IIII
!an.
(Febr. 12.)
(Apr. 13.) (Mai 6.-8.)
Mai u. (Mai 24)
II15
Jul. 24•
1093. 1094-
pacem habuit ftrmissimam, que patrem eius Henrici Henricum devicerat. DeinJeu transivit ·Alpesv, intravif Tusciam, ivit perw civitates que vocantur Luca etx FlorentiaWJ. Millesimoz centessimo undecimo in• mense Ianuarii supradictusb Henricus quintusc rex destruxitd civitatem Aretiumd, ivit Romame, cepit papam Paschalem 1 cum cardinalibusg eth prope urbem Rome tenuit eos in captione, donec papa promisit ei baculum et anulum, unde lis erat inter i/los. Postea intra ecclesiam beati Petri coronavit. Inde reversus in Longobardiam venit ad supradictam comitissam Mathildam apud Bibianelum 5 • Ibi oscufoi pace ftrmata letatus et locutus cum ea plurimum die ascensionis Domini traspadivit atque ultra montes remeavit. Illo autem egrediente de Italia Mediolanenses destruxerunt urbem, que vocabatur Laude 6 , dum adhuc esset citra montes, igni civitatem incenderunt et muri Iapides Mediolanum deportarunt, licet rex illis per sous nuntios prohiberet. Anno Domini millesimo centessimo quintodecimo nono kal. Augusti obiit comitissa Mathilda nobilissimak in comitatu Mutinensi in loco, qui vocatur Bondenum de Diacono 7 , ubi ediftcavit quandam ecclesiam, dum in inftrmitate iaceret, ad honorem sancti Iacobi apostoli 8 , iuxta parietes cuius migravit de hoc seculo. Quamvis posteris nostris venturis incredibile videatur, paulisper de eius moribus prelibare curamus. Filia Juit cuiusdam Bonifacii marchionis et comitis in Longobardia et Beatricis nobilissime comitisse de terra Theotonica et regia stirpe; quae deftmctis parentibus ( S. 97 J:) ultra quadraginta annos regnavit in ltalia. Brat enim dux T uscie et Longobardie et marchie1Spoleti et marchie Camerine et totius terre, que est a mari Adriatico, ubi sunt civitates Ravenna et Venetia site, usque ad aliud mare, ubi est civitas, que vocatur Pisa, usque ad civitatem, que dicitur Sutrium, prope Romam. Hec a iuventute sua quotidie militiam deduxit. Pro Romana pugnavit ecclesia contra Henricum regem, quem papa Gregorius, qui vulgo Eldebrandus dicitur, excommunicavit. Tandemm supradictum regem de Italia militando expulit, ablata sibi coniuge regina et cum Corado ftlio regis. Preterea sermone erat Jacundissima et in consiliis astutissima, affabilis ad omnes. Clericos religiosos oppido valde honorabat, latrones minime servabatn, rusticos gubernabat, omnes principes, marchiones, comites, proceres ceteros omnesque u Deinde om. B; et ftrmata dicta pace add. B. v Albpes, b puncto subscripto del., A; per agrum M utinensem Alpes (Alpes p. a. M. B 2) et B. w Lucam et F!orentiam proper- Florentia B 2 • x et om. B1 . y segu. ivit Aretium et destruxit B 1 , et destruxit Aretium B 2, guod in A ad annum sequentem positum est. z Annodomini MCXI ( domini postea del. B 2 ) B. a de B. b suprad. om. B. c rex quintus B. d destr. civ. Ar. om. hic B (v. n. y). e et add. B. f Pasca!em B. g tredecim (tredeciln ante card. B 2 ) add. B. omnia reliqua desunt B praeter: Annodomini MCXVobiit comitissa Mathi!dis Bl> De a. d. MCXV o. }dathi!dis il!ustrissima comitissa B 2 . i obscu!o, b del., A. k nobillissima A. 1 a sequ. et A. m Tamdem A. n seq. gri tribus accentibus del. A. 5 Bianello, castrum comitissae; cf. TrRABOSCHI I. c. I, 50 sgg. 6 Lodi; cf. Meyer v. Knonau I. c. p. r8z. 7 Bondeno di Roncore; cf. TrRABOSCHI I. c. I,
6o sg.; P. KEHR, Ital. pont. V, 410. 8 Ecclesia SS. Iacobi et Zebedei; cf. Donizo V. Math., de obitu 91 sg., SS. XII, 408.
Der Text
milites tanta diligentia gubernabat, quod genu jlexo in consiliis ante illam avidissime se prosternebant. Amicitiam habebat Constantinopolitani imperatoris et Apulie principum et Francigenarum et Theotonicorum, Ungarici regis et Sardinie iudicum et aliarum insularum principum et ceterorum, quorum nomina impossibile esse videtur perscribere. In tempore autem, quo injirmata est, paululum antequam injirmaretur, in eodem mense super omnes Longobardie civitates pluit de celo sanguis usque ad eum locum prope Mutinam, qui vocatur Civitas Nova 9 • Deus dedit quoque ei spatium penitentie peragende 0 per unius anni circulum, perseverans in gravissima inftrmitate amissa valitudine omnium membrorum totiusque corporis. Sepulchrum illius, in quo est honorijice condita, manet apud venerabile monasterium ad honorem sancti Benedicti consecratum, quod est situm in quadam insula Padi fluminis, ubi vulgo Padolirone vocatur10 • Amen. o pagende sine abreviatione A. 9 Cittanuova, hodie villa cum ecclesia; cf. TIRABOSCHI 1. c. I, zo8 sq. IO S. BENEDETTO di PoJirone; cf. ÜVERMANN
I. c. p. I 90; KEHR, Italia pontificia VII, I p. 323 sqq.
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I I.
Zu Heinrich V. (r ro6-25), dem letzten der Salischen Kaiser*. Buchbesprechung WAAS, Adolf: Heinrich V. Gestalt und Verhängnis des letzten salischen Kaisers. München (Callwey) I967 (I35 Seiten). Der vorletzte Salier, Heinrich IV., von seinen Gegnern herabgesetzt, auch vielfach verleumdet, hatte nach seinem Tode das Glück, daß der (bis heute nicht mit Sicherheit bestimmte) Autor der »Vita Heinrici IV.« von ihm der Nachwelt ein günstiges Bild zeichnete. Heinrich V. hat keinen Biographen gefunden, und da auf den Thron keiner aus seinem Geschlecht folgte, riß die Tradition ab. Es mag hinzugekommen sein, daß von dem letzten Salier nicht jenes persönliche Fluidum ausstrahlte, das dem Vater selbst in größter Bedrängnis immer noch einen Anhang sicherte. Seit den Jahrbüchern der beiden Heinriche, die G. MEYER von Knonau I909 zum Abschluß brachte, ist Heinrichs V. Leben nicht mehr dargestellt worden. Dieser Aufgabe unterzieht sich jetzt Adolf WAAS, dessen Geschichte der Kreuzzüge wir im G. W. U. IX, I958 S. 246f. gewürdigt haben. Neue Ergebnisse hat der Verf. nicht anzubieten: in einer so genau durchforschten Zeit waren sie auch nicht zu erwarten. Er berichtet also, was sich in Heinrichs Zeit zugetragen hat. Aus ihr heben sich zwei dramatische Höhepunkte heraus: der Vertrag mit dem Papst vom Ponte Mammolo (I I I I), der zur I(aiserkrönung führte und Heinrich V. als einen alle Chancen rücksichtslos ausnutzenden Politiker erkennen läßt, und das Wormser Konkordat (I I 22), in dem er sich in kluger Zurückhaltung auf einen Kompromiß mit der Kurie einließ. Abschließend wägt der Verf. ab, was für, was gegen den letzten Salier angeführt werden kann. Die Rechnung geht nicht auf, und das Buch schließt mit der nicht viel besagenden Feststellung, daß Heinrich zu den wahrhaft »Großen« der deutschen Geschichte nicht gehöre. Ich mache folgende Überlegung geltend: Heinrichs »Tragik« bestand darin, daß Mathilde von England (die in zweiter Ehe einem Sohn das Leben gab) ihm keinen Erben gebar. Hätte Heinrich zwei Söhne gezeugt, wäre voraussichtlich der eine ihm in Deutschland, der andere dem Großvater in England gefolgt. An sich sind alle *Zuerst in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht XIX, rg68 S. 453f. (hier ergänzt).
Zu Heinrich V.
(t
rrz5)- Hinweise
Überlegungen, die mit einem »wenn« eingeleitet werden, müßiges GedankenspieL In diesem Fall führen sie jedoch zu der Einsicht, daß ein endgültiges Urteil über Heinrich V. nie zu fällen ist: von ihm persönlich wissen wir zu wenig, und sein Werk blieb Stückwerk, mußte Stückwerk bleiben, weil ihm ein Sohn versagt blieb und er dem Staufischen Neffen den Weg zum Thron nicht zu bahnen vermochtedem stand das im Investiturstreit wieder erstarkte Wahlrecht der weltlichen und geistlichen Fürsten im Wege. Ernst von WILDENBRUCH hat aus dem Vater-Sohn-Konflikt ein Drama gemacht (»Heinrich und Heinrichs Geschlecht«, I896)- wer wird heute noch nach ihm greifen? Für die Freudianer liegen nicht genügend Zeugnisse vor, um bei Heinrich V. einen Ödipus-Komplex herauspräparieren zu können. Belassen wir es bei den feststehenden Fakten: sie sind dramatisch genug! Wann hat je ein Erbe den Vater so gemein behandelt? Für Heinrich V. kann man geltend machen, daß Heinrich IV. sich in eine aussichtslose Lage manövriert hatte: indem Heinrich V. sich gegen ihn stellte und die Opposition auf seine Seite zog, saß er in Kürze fest auf dem Thron. Indem er dann den Papst demütigte, wie kein Kaiser das vorher getan hatte, nahm er- wie kaum je ein Sohn- Rache für den gedemütigten Vater: Stoff für ein Epos nach Art des Nibelungenliedes - aber der Boden, auf dem Epen gedeihen, war verdorrt, und für ein »Chanson de Geste« war Heinrichs V. Streit mit dem Vater zu ernst. Bereits unter den Urenkeln Karls des Großen hatte sich körperliche und geistige Abnahme bemerkbar gemacht; die letzten des Geschlechts traten ruhmlos von der politischen Bühne ab. Das Sächsische Geschlecht endete mit zwei Herrschern von Rang: es erlosch in der älteren Linie mit Otto III., in der jüngeren mit Heinrich II., da ihnen Nachkommen versagt blieben. Auch das Salische Geschlecht war -als die Männerlinie ausstarb- noch nicht von jener Gefahr bedroht, die hinter allen Herrscherfamilien lauert: Dekadenz. ANHANG: HINWEISE AUF DIE FoLGEZEIT Zu FRIEDRICH I. BARBAROSSA (I I 52-90): Vgl. Band IV: Böhmen und das Regnum, b: Die zweite Königserhebung (II58). V gl. Bd. IV: Ein Staufer (d. h. Barbarossas Sohn Konrad) als »Prinzgemahl« der Erbin von Kastilien, n88 (Buchbesprechung). Zu HEINRICH VI., PHILIPP UND ÜTTO IV.: V gl. Bd. IV in dem oben genannten Aufsatz über Böhmen: Abschnitt c. Die Vererblichung der (böhmischen) Königswürde (II98, I2o3).
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I I:
Zu Heinrich V., dem letzten Salischen Kaiser
Zu FRIEDRICH II. (I2I6-5o):
Allgemein: Kaiser Fr.s II. Herrschaftszeichen. Mit Beiträgen von J. DEER u. 0. KÄLLSTRÖM, Göttingen I95 5 (Abhandl. der Akad. der Wiss. in Göttingen, Phil.-Hist. Kl., 3· Folge Nr. 36; I 62 S. mit 96 Abb.); Zusammenfassung in: Herrschaftszeichen III, 1956 S. 884-907. Dazu Nachträge in Bd. VI. I 2 29
in Jerusalem:
Krönung, Herrschaftszeichen im Königreich J erusalem, 3 : Welche Bedeutung hatte Kaiser Friedrichs II. »Selbstkrönung« in Jerusalem (I229)? (Besprechung eines Aufsatzes von H. E. MAYER, I967, in: Göttingisehe Gelehrte Anzeigen, 221. Jahrg., 1969, im Druck (wiederholt in Bd. IV). Zu ALFONS X. EL SABIO, KöNIG voN KAsTILIEN, 1257 DEUTSCHER GEGENKÖNIG: Vgl. Bd. IV: Kastilien zwischen Frankreich-England- Deutschland und Italien und Afrika: König A. X. el Sabio (I252-82), deutscher Gegenkönig. Ein Beitrag zur spanischen »Kaiseridee«. Ich sehe davon ab, weitere Hinweise auf» Herrschaftszeichen und Staatssymbolik«, auf »Sphaira-Globus-Reichsapfel«, auf »Denkmale der deutschen Könige und Kaiser« sowie auf die Neubearbeitung und Fortsetzung von: »Die deutschen Könige und Kaiser in Bildern ihrer Zeit« anzufügen, da alle diese Bände durch Register erschlossen sind.
12.
Die Kaiseridee des Mittelalters (ein zusammenfassender Vortrag)* Mein Thema »Die Kaiseridee des Mittelalters« ist so umfangreich, daß es von vornherein eingegrenzt und zeitlich beschnitten werden muß. Die untere Grenze ergibt sich durch den Tod Friedrichs II. im Jahre 125o; denn als der Kaiser, Enkel jenes Friedrich, durch den Schwäbisch Hall über den örtlichen Bereich hinausgewachsen ist, in Palermo beigesetzt wurde, ward gleichsam- so dürfen wir sagen - das alte mittelalterliche Kaisertum begraben. Die späteren Kaiser - der nächste war der Luxemburger Heinrich VII., der nach über sechzig Jahren das Kaisertum erneuerte - waren nicht mehr wirkliche Kaiser wie die Salier und Staufer, sondern in erster Linie Könige, deren Stellung in Deutschland und in der abendländischen Welt sich dadurch bestimmte, wie groß ihre Hausmacht war, ob sie über Nebenländer wie Böhmen und Ungarn regierten, ob sie sich gegenüber den Reichsfürsten und Reichsstädten durchzusetzen vermochten. ( S. 2 .) Aber wenn auch r 2 5o das mittelalterliche Kaisertum mit Friedrich II. begraben wurde, dann geschah nicht das gleiche mit der Kaiseridee. Lassen Sie mich einige Zeugnisse anführen, und zwar solche, die nicht aus deutschem Munde stammen: Um 1270 wurde in Kastilien eine der größten Rechtskompilationen des Mittelalters fertiggestellt, die in sieben Teile aufgeteilt war und darum »Siete Partidas«
*
Vortrag beim Heimattag in Schwäbisch-Hall am q. 6. 1956, wiedergegeben nach der von mir durchkorrigierten Nachschrift der Bandaufnahme (gemäß Abrede mit dem Schriftleiter in der Form des Vortrags belassen), gedruckt in: Württembergisch Franken 41, 1957 S. 3-16 (hier überarbeitet). Ich rücke diesen Vortrag hier ein, weil ich nicht dazu gekommen bin, in einem Buch das Ergebnis aller meiner Forschungen zusammenzufassen: er läßt wenigstens erkennen, wie ich es anlegen und gliedern würde. Wenn ich Literatur anführen sollte, wüßte ich bei deren jetzigem Umfang nicht, wo einsetzen und wo aufhören. Die wichtigste (auch die vorausgehende Zeit einbeziehende) vermerkt G. WoLF, Universales Kaisertum und nationales Königtum im Zeitalter Kaiser
Friedrichs II., in Miscellanea Mediaevalia, herausgegeben von P. WrLPERT(t),Bd.V (Universalismus und Particularismus im Mittelalter), Berlin 1968 S. 243-269 (vgl. dazu ebenda S. 271-300 in dem Aufsatz von W. MoHR über Alexander von Roes die Hinweise auf Literatur für die Zeit nach dem Interregnum). Auf ähnliche Weise sind noch zwei weitere Abdrucke von Reden zustande gekommen: r. Herzogtum, Königtum, Kaisertum vor tausend Jahren. Festrede auf dem 37· Niedersachsentag im Lüneburger Rathaus, in: Niedersachsen 57, 1957 S. 169-73 (Quart). - 2. Deutsches Reich- Heiliges Reich? Vom Alten Testament zum ma.lichen Kaisertum, in: Kommunität. Vierteljahreshefte der Evangel. Akad. VI Heft 24, Berlin Okt. 1962 S. 145 bis 58.
C r 2: Die Kaiseridee des Mittelalters
benannt wird. Obwohl in dieser Sammlung ausgeführt ist, daß Kastilien nicht dem Kaiser unterstehe, wurde in der ersten dieser »Partidas« das Kaisertum mit seinen Rechten und Pflichten ausführlich behandelt. Der äußere Anlaß dafür liegt auf der Hand: der damalige König von Kastilien, Alfonso X. el Sabio (der Weise), war 1257 zum deutschen König gewählt worden. Der tiefere Grund aber war der: wenn man in dieser Zeit versuchte, sich von der Welt ein Bild zu machen, konnte man nicht davon ausgehen, daß diese Welt in nationale Königreiche sowie Fürstentümer zerfiel, die selbständig nebeneinander bestanden; man unterstellte vielmehr zunächst in hergebrachter Weise, daß es eine sinnvolle Ordnung der Welt gebe, an deren Spitze der von Gott als Garant dieser Ordnung eingesetzte Kaiser stehe. Diesen Gedanken verkündete am Anfang des 14. Jahrhunderts mit einem heute beinahe pedantisch wirkenden Aufwand scholastischer Gelehrsamkeit Dante. Er wollte seine Zeitgenossen davon überzeugen, daß es einen Weltkaiser geben müsse, wenn der Ordo der Welt, die geregelte Ordnung des irdischen Daseins, nicht durcheinander geraten solle. Dasselbe trug ein Katalane, Raimundus Lullus, in der Form eines Zukunftsromans vor. An den Universitäten Italiens vertraten die Lehrer des römischen Rechts, die Legisten, die Doktrin, daß die Welt zwar zerfallen sein möge in Staaten, die alle beanspruchten, niemand anderem zu gehorchen, daß dieses aber einstmals anders gewesen sei und daß es auch nicht immer so bleiben solle; eine sinngemäße Ordnung bestehe vielmehr nur dann, wenn es auch einen Kaiser mit einer besonderen auctoritas, mit einem Vorrang gegenüber den anderen Herrschern, ja sogar mit dem Recht, sie anzuweisen, mit einer besonderen potestas gebe. Nachdem das mittelalterliche Kaisertum mit Friedrich II. zu Ende gegangen war; lebte also die Kaiseridee nicht allein in Deutschland weiter, sondern auch in Italien und in anderen Ländern; sie fand ihre Fürsprecher sogar noch weit über die Grenzen des Reiches hinaus. Das stößt uns darauf, daß es mit dieser Kaiseridee eine ganz besondere Bewandtnis gehabt haben muß. Sie ist nicht von jener Art, wie etwa die Idee des ewigen Friedens, die über den Jahrhunderten der Neuzeit schwebt als ein Ideal, von dem die Besten träumten und die meisten sagten, sie sei leider nicht zu verwirklichen. Die Kaiseridee muß in ganz anderen Schichten gewurzelt, sie muß im tätigen Leben eine ganz andere Auswirkungskraft besessen haben; denn sonst hätte sie nicht das Begräbnis des faktischen Kaisertums überstehen und dem neuen Gedanken des selbständigen, des »nationalen« Staates so lange Widerpart bieten können. Wenn ich von der Kaiseridee und vom Kaisertum spreche, muß ich also fragen: Welche Kräfte haben diese Idee von Jahrhundert zu Jahrhundert weitergetragen und am Leben erhalten? Ich werde aber ebenso Ihr Augenmerk auf die Wandlungen der Kaiseridee lenken müssen, die ( S. ;:) von Jahrhundert zu Jahrhundert, ja von Generation zu Generation eingetreten sind.
Wesen der Kaiseridee
Überblickt man die Geschichte des Kaisertums und damit der Kaiseridee, dann gliedern sich diese Jahrhunderte von selbst in drei Akte eines gewaltigen Dramas. Der erste Akt ist erfüllt von dem, was die Karolinger erreichten und was ihnen dann wieder entglitt. Nach einer Zwischenpause allgemeiner Machtlosigkeit folgt ein zweiter Akt: die Aufrichtung und Ausprägung des Kaisertums durch die Sächsischen und Salischen Herrscher; er endet in einer großen Krise, in dem Kampf mit dem Papsttum und der Reformkirche um die rechte Ordnung der Welt. Den Abschluß bildet der dritte Akt: die Restauration des Kaisertums durch die Staufer.
a) Kar/ der Große und seine Nachkommm Den Einsatzpunkt für mein Thema muß der Weihnachtstag des Jahres 8oo bilden, an dem Karl in der Peterskirche in Rom zum Kaiser ausgerufen wurde. Wir wissen durch Einhard - und an der Zuverlässigkeit seines Berichtes ist nicht zu zweifeln-, wie unwillig Karl über die Tatsache war, daß der Papst ihm in diesem Augenblick den Kaisertitel zuschanzte. · Es ist viel und lange über die Frage gestritten worden, von welcher Art Karls Motive waren. Heute können wir diese deuten, weil wir inzwischen unsere Forschung verfeinert haben. Wir halten uns nicht mehr nur an das, was wir durch das Wort wissen, an die Proklamationen der Kaiser, an Rechtstexte, an die Annalen, sondern wir sind dabei, eine Methode zu entwickeln, wodurch wir alles das, mit dem das Mittelalter einmal verdeutlichte, was das Kaisertum sei, »dechiffrieren« können: das Kaisertum und nicht minder auch das Königtum manifestierte sich in Kronen, Szeptern und Reichsäpfeln, wurde bei der Krönung und bei Empfängen in Gesten deutlich gemacht, wurde in Titeln und Ehrennamen gleichsam verdichtet, wurde auf Siegeln, auf Münzen, auf den Wänden der Paläste und in vielen Handschriften abgebildet. Alles das dürfen wir jedoch nicht einfach so hinnehmen, wie es sich dem modernen Auge darbietet; das Ergebnis wären in jedem Falle Fehldeutungen und Mißverständnisse. Die »Herrschaftszeichen« und ebenso die gesamte »Staatssymbolik« - die beiden Bezeichnungen halten wir fortan fest - müssen vielmehr genau so sorgfältig analysiert und kritisch unter die Lupe genommen werden wie die anderen Zeugnisse unserer Vergangenheit. Je mehr wir uns in dieses Gebiet versenken, um so zuverlässiger können wir die Herrschaftszeichen und die Staatssymbolik zum Reden bringen, und zwar genau in der Sprache und im Sinn der Zeitgenossen. Mit Hilfe dieserneuen Zeugnisse können wir deutlicher als bisher begreifen, wieso es zur Kaisererhebung Karls des Großen kam und weshalb er zunächst mit diesem Vorgang nicht einverstanden war. Die Antwort lautet: In der Zeit Pippins wurde im Anschluß an das Alte Testament der Brauch der Königssalbung wieder erneuert. Die Karolinger bedurften da-
C I2: Die Kaiseridee des Mittelalters
her nicht der langen Haare der Merowinger, die dem letzten bei seinem Sturz abgeschoren worden waren. Auf dieser Bahn des Vaters ging Karl weiter. Er wurde von seiner Umgebung als der neue David gefeiert. Er fügte sogleich nach seinem Regierungsantritt seinem Königstitel die Worte an: Dei gratia, »von Gottes Gnaden«, und betrachtete ( S. 4 .) sich unter den vielerlei Königen, die es neben ihm gab, als das besondere Werkzeug Gottes, bestimmt, den einst David, Salomo und den Königen des auserwählten Volkes gewordenen Auftrag auszuführen. In diesem Sinne erweiterte und vergrößerte Karl sein Reich, führte er den Kampf gegen die Ungläubigen und sorgte dafür, daß die Kirche in seinem Reiche immer fester begründet dastand. Was hätte es ihm bedeuten können, daß er zum Kaiser ausgerufen wurde? In seinen Augen war das gar keine Erhöhung; es gefährdete vielmehr die unmittelbare Beziehung zu den alttestamentlichen Königen, die Karl mit seinen Theologen in den achtziger und neunziger Jahren herausgearbeitet hatte. Die Päpste dachten jedoch anders. Schon seit den achtziger Jahren können wir deutlich beobachten, wie auf ihre Initiative hin die alten kaiserlichen Rechte in Rom Stück für Stück dem fränkischen König zugespielt wurden: Nennung seines Namens · in den Urkunden, Abbildung seiner Gestalt an den Wänden römischer Kirchen, Erwähnung seines Namens bei den kirchlichen Feierlichkeiten. Ja, Karllegte auf das Drängen des Papstes schon vor der Kaiserkrönung einen Kaisermantel und die roten Stiefel des Kaisers an; er war also schon wie ein Kaiser anzusehen. Nach diesem Schritt hielt Karl jedoch inne, er nahm den Kaisertitel - oder mittelalterlich gesprochen den Kaiser»namen«- nicht an: eben, weil er das nicht wollte. Bei der Weihnachtsfeier des Jahres 8oo wurde Karl jedoch am Schluß akklamiert, wie das bisher üblich war, aber nun nicht mehr als König, sondern als Kaiser. Damit wurde ihm vom Papst das nomen imperatoris, der ihm noch fehlende Name »Kaiser« zugespielt. Für Karl wurde dadurch aber zugleich die unmittelbare Beziehung zu David und Salomon, auf die er so großen Wert legte, in Frage gestellt; er war deshalb begreiflicher Weise zunächst unwillig. Nach einiger Zeit besann er sich aber und führte den Kaisertitel seither auch offiziell in seinen Urkunden. Seit 8o3 ließ er außerdem noch wichtige Urkunden mit Bullen besiegeln- genau so wie der Kaiser von Byzanz, mit dem Karl der Große jetzt offen zu rivalisieren begann; er wollte nicht hinter diesem zurückstehen. So erklärt sich auch die Inschrift dieser Kaiserbulle: Renovatio I mp ( erii) Rom( ani). Karl der Große nahm also die Erneuerung des Römischen Reiches für sich in Anspruch. In welchem Sinne Karl der Große sein Kaisertum fortan ausgelegt haben wollte, läßt nicht nur die einer Münze Konstantins nachgeahmte Kaiserbulle erkennen; das zeigen auch seine Münzen. Denn von 8o5 an wurden besonders schöne Münzen mit einem Kaiserkopf, der offensichtlich einer Vorlage nachgeahmt war, geprägt. Wir wissen jetzt, daß sie einer Münze Konstantins des Großen nachgebildet wur-
Kar! der Große und seine Nachkommen
den. Karl bemühte sich also um die Erneuerung jenes römisch-christlichen Reiches, dem Konstantin seine Form und seinen Inhalt gegeben hatte. Das bedeutete ein Anknüpfen an Auffassungen, die schon vorher im fränkischen Reiche anerkannt worden waren. Denn wenn man dort mit dem Römischen Reiche selbst auch nichts hatte anfangen können, so hatte man doch vom Imperium Christianum gesprochen. Auf diese Weise wurde es möglich, in die neue, jetzt römisch-christlich gefaßte Kaiseridee auch etwas von den alttestamentlichen Vorstellungen, die in der Zeit vor 8oo maßgeblich waren, hineinzunehmen. Das bedeutet: in dem Augenblick, als Karl der Große die ( S. J :) Kaiseridee der Spätantike bejahte, wandelte er sie im Sinne • seiner eigenen Herrscheridee und der seines Vaters um. Dieses wird sehr deutlich in zwei Akten aus den letzten Jahren seiner Regierung. Es lag Karl viel daran, daß auch die Byzantiner sich mit seiner neuen Würde abfanden, da er sie ihnen ja gleichsam weggenommen hatte; denn was ein Rechtsverstoß war, konnte nicht einfach durch Machtpolitik weggewischt werden. Als die Byzantiner im Jahre 812 bereit waren, das neu geschaffene, gegen ihren Willen entstandene Kaisertum anzuerkennen, war die Grundlage der Vereinbarung, daß fortan im Westen die Beziehung des Kaisertitels auf Rom preisgegeben wurde, während die Byzantiner, die sich bis dahin gemeinhin nur »Kaiser« nannten, sich seither »Kaiser der Römer« titulieren ließen. In ihren Augen war ihr Kaisertum daher ein solches von höherer Ordnung. Karl der Große konnte ihnen dieses Zugeständnis machen; für ihn bedeutete das ja keinen wirklichen Verzicht. Für ihn war vielmehr das Wesentliche am Kaisertum, daß es christlich war und blieb. Daß es mit Rom verknüpft war, sah er als ein - nicht unumstößliches - Ergebnis der Geschichte an. Dieser Sachverhalt wurde in dem zweiten hier anzuführenden Akt noch deutlicher: Karl machte kurz vor seinem Tode seinen Sohn Ludwig noch zum Mitkaiser, und zwar in Aachen. Das bedeutete eine Absage an den Papst, der bei diesem Akt überhaupt nicht mitzusprechen hatte. Der Papst konnte sich erst nach Karls Tod wieder einschalten: er zog 816 in das Reich Ludwigs des Frommen, der sich von ihm in aller Form zum Kaiser salben und krönen ließ. Ludwig schickte dann seinerseits seinen Sohn Lotbar nach Rom, der hier vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde. Damit war der Rechtssatz herausgebildet, der bis in die Zeit Maximilians I. gültig wurde: Kaiser konnte nur der sein, der in Rom vom Papst gekrönt wurde. Aus der spätkarolingischen Zeit sind in unserem Zusammenhang drei weitere Fakten anzuführen: Das karolingische Reich wurde geteilt, aber einer von den Karolingern trug noch weiterhin den Kaisertitel und beanspruchte einen Vorrang vor den anderen Sprossen seines Geschlechtes. Allerdings wurde diese Familie immer wieder durch Uneinigkeit auseinander gerissen. Erhalten blieb die Frontstellung gegen die Byzantiner, die sich »Kaiser der Römer« nannten, aber in Italien ja kaum mehr etwas zu sagen hatten.
C r 2: Die Kaiseridee des Mittelalters
Das hielt den Byzantinern Papst Nikolaus I. im Jahre 865 in einem berühmten Brief mit einer Argumentation vor, die dann in den folgenden Jahrhunderten immer wieder aufgegriffen wurde: Was nennt Ihr Euch denn »Kaiser der Römer«, wo Ihr gar nicht mehr lateinisch sprecht, sondern griechisch, und wie könnt Ihr diesen Anspruch erheben, wo Ihr doch gar nicht die Herren von Rom seid! In dieser Zeit regierte im Westfrankenreic h Karl der Kahle, dessen Selbsteinschätzung wir noch an seinen Bildern ablesen können. Er ließ sich genau so wie die spätantiken Kaiser mit kurzem Szepter und dem Globus abbilden. Wir wissen von ihm außerdem, daß er mit langen Gewändern auftrat, wie sie die Franken nicht kannten; sie waren jedoch bei den Byzantinern üblich. Er wollte also nicht hinter ihnen, die sich als die wahren Erben der antiken Kaiser ansahen, zurückbleiben. Aus dem vergoldeten germanischen ( S. 6:) Prunkhelm hatte sich- vielleicht schon unter Karl d. Gr. -eine neue Krone ergeben: indem man die Reifen und Spangen beibehielt und zugleich mit Edelsteinen besetzte, die Zwischenflächen jedoch wegließ, kam man zu der Bügelkrone. Diese wurde genau so wie das Szepter mit Lilien geschmückt das geschah im Hinblick darauf, daß die Geräte der Stiftshütte laut dem Alten Testament mit Lilien verziert gewesen waren. In dieser Zeit ging man also, um das Kaisertum zu erhöhen, d. h. um die Kaiseridee inhaltlich auszufüllen, bis in die römische Spätantike zurück, griff man andererseits bis zum Bosporus hinüber, wo der byzantinische Kaiser zum Ärger des Westens behauptete, ein Kaiser höherer Ordnung zu sein, führte man gleichzeitig auch noch die germanische Tradition weiter und beanspruchte dazu von neuem das, was einmal die Könige des Alten Testamentes ausgezeichnet hatte. Über Karl den Kahlen ging die Geschichte hinweg, weil die Fäuste seiner Nachkommen nicht stark genug waren, das Reich festzuhalten. Dadurch kam die ostfränkische Linie zum Zuge. Kaiser Arnulf versuchte noch einmal, das Reich zusammenzufassen, indem er einen neuen Weg einschlug. Wir sind jetzt bereits in die Zeit des Lehnrechts gelangt, das ja nicht nur die einzelnen Lehnsleute an ihren Herrn, den senior, band, sondern auch Rechtsformen anbot, um Fürsten voneinander abhängig zu machen und Reiche an Reiche zu fügen. Als 888 ein König aus einem neuen Geschlecht auf den französischen Thron gelangte, sicherte er sich einen Rückhalt, indem er Lehnsmann Arnulfs wurde; das kam dadurch sichtbar zum Ausdruck, daß Arnulf ihm eine Krone schenkte. Odo von Frankreich trug also keine Krone zu eigenem Recht; sie war ihm vielmehr von Arnulf übertragen.
b) Die Sächsischen und Salischen Kaiser Als 924 der Kaiser Berengar starb, riß die Tradition ab; seither gab es durch Jahrzehnte hindurch keinen Kaiser mehr. Doch mochte die Kaiseridee nun auch in
Die Sächsischen und Salischen Kaiser
Nebel gehüllt sein, die Erinnerung an das, was Karl geschaffen hatte, war nicht ausgelöscht. Diese Erinnerung zog selbst die von Karl Besiegten in ihren Bannkreis: die Sachsen. Das trat schon 936 heraus, als der zweite Herrscher aus der neuen Königsdynastie den Thron bestieg. Ottos I. Erhebung wurde nach Aachen verlegt und kulminierte in einer denkwürdigen Szene: der Sproß eines jener Geschlechter, die mit Widukind zusammen im Kampfe gegen Karl gestanden hatten, ließ sich auf dem Steinthron Karls des Großen nieder, der heute noch auf der Empore des Aachener Münster steht. Man kann aber auch sagen, daß in diesem Augenblick die geistige Erbschaft Karls des Großen diesen Sachsen ergriff, um ihn von da an nicht wieder loszulassen. Es ist möglich, daß Otto I. schon 95 I, als er zum ersten Male nach Italien kam, daran dachte, das Kaisertum zu erneuern. Im Jahre 9 55 war es ihm beschieden, den Sieg auf dem Lechfelde gegen die Ungarn zu erringen; das hieß: mit Erfolg die Aufgabe wahrzunehmen, die Ungläubigen zu besiegen und den Glauben zu stärken. Das war jener Tag, an dem alle Herzöge sich geschlossen für eine und dieselbe Sache einsetzten. Der Jubel über diesen Erfolg war- so berichtet uns Widukind, und wir haben keinen Anlaß, daran zu zweifeln - so groß, daß Otto I. auf dem Schlachtfelde ( S. 7:) zum »Kaiser« ausgerufen wurde. Solches Tun gehörte in die Tradition germanischer Siegesfeiern, bei denen der Sieger geehrt wurde. Otto I. ließ sich die Ehrung gefallen, zog aber keine Konsequenzen daraus: er führte weiterhin den KönigstiteL Wie sehr fortan jedoch Ottos Hochgefühl gesteigert war, wie sehr er- ähnlich wie Karl der Große in den Jahren vor Soo- jetzt überzeugt war, ein besonderes Werkzeug Gottes zu sein, mehr zu bedeuten als die anderen Könige, die es damals in Europa gab, das zeigt uns die »Reichskrone«, die ein gütiges Geschick über alle Jahrhunderte hinweggerettet hat, so daß man sie noch jetzt in Wien bestaunen kann. Man hat sie lange in die Zeit kurz nach Iooo oder womöglich noch später datiert. Kunsthistorische Forschungen haben jedoch gewiß gemacht, daß sie in die Zeit um 970 gehört oder noch etwas älter ist. Auf Grund der Forschungen von Professor Hans-Martin DECKER-HAOFF dürfen wir heute erklären: Diese Kaiserkrone stammt schon aus der Zeit, als Otto I. noch König war. Wir können sie auch mit jener Methode, von der ich eingangs sprach, »dechiffrieren« und sagen, was sie in der Zeit zwischen dem Sieg auf dem Lechfelde und der Erneuerung des Kaisertums- das heißt in den Jahren 9 55 bis 962 - auszudrücken hatte. Denn diese Krone, richtig gelesen, setzt sich aus zwei Hälften zusammen: zwei Platten auf der rechten Seite deuten auf die Propheten, auf das Priestertum, und die beiden anderen mit den Bildern Davids und Salomons auf das Königtum. Der Bügel, der diese Krone auszeichnet, ist einmalig; denn sonst hatte die gewöhnliche Bügelkrone immer zwei Bügel, die sich auf dem
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Die Kaiseridee des Mittelalters
Scheitel überkreuzten; die Reichskrone besitzt jedoch nur einen, der sich von der Stirn zum Nacken wölbt und noch dazu aufgerichtet ist, um Platz zu schaffen für eine Leinenhaube, eine Mitra, wie sie die Geistlichen in dieser Zeit zwar noch nicht trugen, von der man jedoch wußte, daß die Leviten im Alten Testament sie getragen hatten. So war der König ausgezeichnet durch Krone und Mitra zugleich und glich damit dem Hohen Priester des Alten Testamentes. Er besaß eine Krone, die nicht nur als weltliche Krone prächtiger war als alle Kronen, die es bisher gegeben hatte; sie deutete zugleich an, daß dieser König den Anspruch erhob, einen Anteil am geistlichen Amte zu besitzen. Wir dürfen das mit anderen Fakten zusammenbringen, von denen wir schon etwas wußten, und können deshalb sagen, daß auch um die Schultern Ottos I. einer jener Hirnmelsmäntel, von denen wir um rooo erfahren, gelegt worden sein muß. Auf diesen Himmelsmänteln wurden der Zodiacus und andere Sternenfiguren abgebildet, aber nicht als Anspruch auf eine Weltherrschaft, sondern weil man aus dem Alten Testament wußte, daß der Hohe Priester einen solchen Mantel getragen hatte. Leider ging im Jahre 1798 ein Gürtel verloren, der von einem der Ottonen stammte: an ihm hingen kleine Schellen (tintinnabula), die gleichfalls das Gewand des Hohen Priesters ausgezeichnet hatten, und ~ie hingen an Schnüren in blauer und roter Farbe, weil das Gewand des Hohen Priesters blau und rot gefärbt gewesen war. Mit dieser seltsamen Gewandung, bei der jeder einzelne Teil ein besonderes Zeichen für die Königsidee war, kam Otto I. 962 nach Rom. Liutprand von CREMONA berichtet, Otto I. sei mit einem 1zovus ornatus mirusque apparatus erschienen, also mit einem Ornat, das neu (S. 8:) und seltsam-wunderbar war. Was diese Worte besagen sollen, können wir jetzt verstehen: zu dem neuen Ornat gehörte diese einmalige Krone, priesterlich-königlich zugleich, mit der Mitra, gehörten der hohenpriesterliche Himmelsmantel und die Glöckchen an blauroten Fäden, die gleichfalls auf den Hohen Priester hindeuteten. So ergibt sich hier seltsamerweise noch einmal, daß Otto I. wie Karl der Große die Kaiserwürde auf sich zukommen ließ, daß sie aber auch für ihn nicht mehr eine wesentliche Erhöhung bedeutete, weil er gleichfalls bereits in der Zeit seiner Königsherrschaft seine Herrscherwürde so gesteigert hatte, wie es überhaupt nur möglich war. Er war rex et sacerdos, Priester und König zugleich, wie das nach dem Alten Testament schon einmal Melchisedek gewesen war. Wenn diese Ausdtücke auf Otto I. nicht angewandt wurden, so erklärt sich das dadurch, daß beide Christus, dem dominus dominantium et rex regum der Apokalypse, dem König der Könige, vorbehalten blieben. Sehr bezeichnend ist es, daß gerade seit der Kaiserkrönung Ottos I. Christus mit dem Globus, dem Reichsapfel, in der Hand, zu dem dann noch Krone und Szepter kamen, dargestellt wurde. Dazu gehört auch, daß in den Krönungsge-
Reichskrone und Herrscherornat
beten der Zeit Ottos I. gesagt wurde, daß der König den rypus Christi trage. Mittelalterlich gesprochen, heißt das: nach Christus als dem Prototyp ist der König gebildet; er hat daher- so wie Christus- Anteil am Priestertum. Das bedeutete eine ungeheure Steigerung, die noch über jene hinausging, die Karl dem Königtum gegeben hatte; denn nunmehr wurde selbst die herkömmliche Aufteilung in die beiden Gewalten, die herrscherliehe und die geistliche, verwischt. Das Bemerkenswerte ist, daß die führenden Geistlichen der Zeit mitwirkten oder doch zustimmten: Ottos I. Bruder Brun von Köln und sein Sohn Wilhelm von Mainz. Wir erfahren nirgendwo von einem Widerspruch; ja, Ottos Krönungsgebete wurden auch von anderen Königen übernommen, da die zu Grunde liegende Auffassung voll und ganz der geistigen und politischen Lage des ro. Jahrhunderts entsprach- schaute doch die Kirche auf die staatliche Gewalt als ihren festesten Rückhalt und den Garant der öffentlichen Ordnung. In der Zeit Ottos II. warf ein neuer Konflikt mit Byzanz die Frage auf: Wer ist denn der eigentliche Kaiser? Otto I. hatte sich mit dem Titel »Imperator« begnügt und sich um einen Ausgleich bemüht. Das war auch gelungen: Otto II. wurde sogar mit einer byzantinischen Prinzessin verheiratet. Den neuen Zwist des Jahres 982 beantwortete Otto II., indem er seinem Kaisertitel den Zusatz Romanorum beifügteeine offene Herausforderun g der Byzantiner. Von nun an gab es im Abendland stets und ständig nicht nur einen Kaiser, sondern einen »Kaiser der Römer«, und seit dem r 1. Jahrhundert entsprechend nicht nur einen Kaiser, sondern auch einen rex Romanorum, einen König der Römer. In der Folgezeit achtete der Westen mit peinlicher Sorgfalt darauf, ob der byzantinische Kaiser nicht durch irgendeine äußerliche Ehre ausgezeichnet war, die über das noch hinausging, was der abendländische Herrscher beanspruchte. Nachdem die Tunika Heinrichs II., die sich in Bamberg erhalten hat, mit bewundernswür diger Fertigkeit wiederhergestellt worden ist, tritt dies heraus: den byzantinischen Kaiser zeichnete neben der Krone und anderen Herrschaftszeichen aus, daß er um den Nakken ( S. 9 :) das »Lorum«, eine Purpur binde, trug, die auf der linken Seite herunterfiel. Bei dem Halsbesatz an Heinrichs Tunika ergab sich, daß er von Anfang an unsymmetrisch geschnitten und von der linken Schulter herunter ein roter Streifen aufgenäht war; man gönnte also selbst das Vorrecht, ein Lorum zu tragen, den Byzantinern nicht. Es muß noch ein Wort gesagt werden über Otto lii., den man früher gern als Phantasten oder Utopisten abtun wollte. Wir haben mittlerweile erkannt, wie sehr seine Gedanken denen seiner Vorgänger oder doch den Vorstellungen seiner Zeit entsprachen, daß er also ein echtes Glied in jener Reihe der Kaiser bildete, die von Otto I. zu Heinrich II. führt. Am sinnfälligsten an seiner Wirksamkeit ist wohl der
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C r z : Die Kaiseridee des Mittelalters
Versuch, römische Bräuche wieder zu beleben; er verlieh antike oder doch antikisch klingende Titel und machte sich Karls des Großen Formel Renovatio imperii Romanorum wieder zu eigen. Ottos III. wahre Bedeutung besteht jedoch darin, daß er das Verhältnis zwischen Kaiser und Papst schärfer durchdachte, als das bisher geschehen war. Dabei kamen ihm die Verhältnisse entgegen, indem er zweimal nacheinander Männer seines Vertrauens zu Päpsten machen konnte, die gleichfalls gewillt waren, hier eine Lösung zu finden. Aus der Zeit des ersten Papstes, Gregors V., stammt der Vergleich, Kaiser und Papst seien cüe beiden Lichter cüeser Welt- ein gefährliches Bild; denn es spielte ja auf die Sonne und den Mond an, der sein Licht von der Sonne bekommt. Wer war die Sonne? Wer der Mond? Diese Frage wurde damals jedoch noch nicht gestellt. Der nächste Papst, Gerbett von Aurillac, nahm den Namen Silvester II. an und brachte damit zum Ausdruck, daß cüe Zeit Konstantins des Großen erneuert werden sollte, der -laut der Legende- durch Silvester I. von Krankheit geheilt und getauft worden und ja schon der patronus von Karls des Großen »Kaiserreich« gewesen war. In der Zeit Silvesters II. wallfahrtete Otto III. nach Gnesen zum Grabe des heiligen Adalbert, um Polen in das Reich einzugliedern und um cüeses sich dem Christentum zuwendende Reich fest in cüe christliche Kirche einzufügen. Diese Aufgabe führte er als Kaiser aus, empfand sich aber gleichzeitig als Knecht Jesu Christi, wie es noch seine Urkunden bezeugen, in denen der Kaiser sich Imperator et servus jesu Christi titulieren ließ. Man hat das als ein Demutsbekenntnis ausgedeutet und damit doch nur gezeigt, daß man das Neue Testament nicht genau genug kannte; denn servus jesu Christi ist die Bezeichnung, die Paulus, der der Schar der Apostel beigetreten war, sich selbst beilegte. Hinter diesem Titel verbirgt sich also ein unerhörter Anspruch; denn er bedeutet, daß Otto sich- als er mit Vertretern des Papstes gen Osten zog, um Polen dem Imperium Romanorum einzugliedern und der Kirche eine neue Provinz zugewinnen-als einen Nachfolger der Apostel betrachtete. Seltsam mutet zunächst an, daß Otto IIl. in den letzten Jahren seiner Regierung sich mit dem Titel servus apostolorum begnügte: »Knecht der Apostel«, was nur heißen kann: »Knecht Petri und Pauli«. Wenn man aber sieht, wie der Papst in Rom und in der Umgebung Roms sich nicht durchzusetzen vermochte, weil ihm die weltliche Macht fehlte, wie der Papst daher auf cüe Hilfe des Kaisers angewiesen war, wie sich außerdem zwischen ihm und dem Kaiser im übrigen Italien Konflikte ergeben ( S. I o.') hatten, weil der Papst auf Grund der Tradition dies und das beanspruchte, was Otto als sich zustehend betrachtete, dann gewahrt man, daß hier eine Lösung gesucht wurde, um Papst und Kaiser gemeinsame Anrechte an dem umstrittenen Gebiet einzuräumen. Daß Otto als »Knecht der Apostel« selbst in Rom, der Stadt des Statthalters Petri, Rechte wahrnahm, bot der Welt nunmehr keinen Anstoß, da er das ja nur nach Art eines von dem Apostelfürsten bestellten Lehnsmannes tat.
Kaiser und Papst
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Ottos Pläne gelangten nicht zur Reife, da die Römer sich empörten und der Kaiser frühzeitig starb. Als Heinrich II. die Herrschaft übernahm, da konnte er die römischen Aspirationen seines Vetters schon deshalb nicht weiter verfolgen, weil sich in Norditalien ein Gegenkönig gegen ihn erhob. Erst 1014 kam Heinrich nach Rom. Um ihn zu ehren, überreichte ihm der Papst einen Reichsapfel. Bisher hatten sich die Kaiser zwar mit solchen abbilden lassen, aber nie wirklich einen besessen. Seltsam, daß es gerade ein Papst war, der dieses Wiederanknüpfen an den antiken Herrscherbrauch bewirkte! Das wird sich dadurch erklären, daß Benedikt VIII. seine Jugend unter dem Eindruck der Renovatio lmperii Romanorum verbracht hatte. Heinrich II. unterschied sich in seiner Grundeinstellung zwar graduell von Otto III., aber dies darf doch nicht so verstanden werden, als wenn er grundsätzlich gegen seinen Vetter gewesen sei. Auch er wirkte weiter auf die Kirche ein; ferner setzte er Ottos Neuerung fort, sich von Kirchen als Ehrenkanoniker annehmen zu lassen - was ihm das Recht gab, beim Gottesdienst nicht auf einem Thron abseits von der Geistlichkeit zu sitzen, sondern zwischen den Kanonikern Platz zu nehmen. Dazu gehört, daß in den Kirchen, in denen man den Kaiser erwarten durfte, der karolingisch-ottonisc he Brauch fortgesetzt wurde: für ihn wurde gegenüber dem Hochaltar eine Empore mit einem Ehrensitz eingerichtet oder eine besondere Kirche angebaut, in der der König den Gottesdienst für sich zelebrieren lassen und anschließend- erhoben über die Masse- thronen konnte. Diesen Sitz brauchte er schon deshalb, um sich an den Festtagen, an denen er sich mit der Krone zeigte, durch bestimmte Zurufe, die Laudes, ehren zu lassen, die dem Kaiser und damit auch dem deutschen König seit alters zustanden. Wie viele solcher Bauten mit solchen Königsloggien, -lauben, -erkern (oder wie man diese für Deutschland bezeichnenden Bauteile nennen will) vorhanden waren, sehen wir erst deutlicher, seitdem die Forschung ihr Augenmerk darauf gerichtet hat und es irrfolge der Bombenschäden möglich geworden ist, zahlreiche Kirchen gerrauer als bisher zu untersuchen. Daß dies selbst im rz. Jahrhundert, also nach Abschluß des Wormser Konkordats, der Fall war, hat sich in Soest gezeigt, in Schwarzrheindorf bei Bonn, und zu meiner großen Überraschung und Freude erfahre ich nun hier, daß das zweite Geschoß Ihrer ehrwürdigen und so schönen Schwäbisch-Haller Kirche auch einen solchen Königserker zu enthalten scheint- das ist eine Feststellung, deren endgültige Klärung wir mit Spannung erwarten. Wir müssen fortan bei unserem Gang durch die Jahrhunderte der Kaiserzeit eilen und fragen jetzt: Was haben die Salier der Kaisertradition hinzugefügt? ( S. I I:) Konrad II. gelang es, Burgund als drittes Königreich seinem Imperium anzugliedern: fortan unterstanden dem einen Kaiser drei Reiche. In der Zeit der karolingischen Schwäche war der Gedanke vertreten worden, das Wesentliche des Kaisertums sei nicht, die Welt zu beherrschen, sondern Kaiser sei der, der mehr als ,g Schramm, Aufsätze Ill
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C r 2: Die Kaiseridee des Mittelalters
ein Reich beherrsche. Dieser Gedanke hat in der Zeit Ottos III. in Buchmalereien einen großartigen Ausdruck gefunden: an seinen Thron treten huldigend die vier Nationen, Personifikationen der von ihm beherrschten Reiche, heran. Seit Konrad war nun die konkrete Aufgabe gestellt, die drei Königreiche Deutschland, Italien und Burgund in ein sinnvolles Gefüge zu bringen, das jedem Reiche das Seine gab. Welche Lösung Heinrich III. anstrebte, zeigen seine Siegel: er besaß für jedes der drei Reiche ein eigenes, sah also den Zusammenschluß der drei Reiche bewirkt in der Form einer dreifachen Personalunion. Heinrich III. war gezwungen, den Zuständen, die sich in Rom entwickelt hatten, Einhalt zu gebieten. Denn es gab mehrere Päpste nebeneinander, und römische Adelscliquen bestimmten nicht nur über das Papsttum, sondern dadurch auch über das Schicksal der abendländischen Christenheit. Eine 1046 in Sutri zusammengetretene Synode wurde durch Heinrich, der als der einzige das Anrecht besaß, einmal Kaiser zu werden, dirigiert. Niemand fand in dieser Zeit etwas dabei, auch die streng kirchlichen Kreise nicht, selbst diejenigen nicht, die nicht zum Reiche gehörten. Die Welt hatte sich mit der Tatsache abgefunden, daß der Kaiser in den geistlichen Bereich hinüberlangte. Die juristische Formel dafür war, der Kaiser sei der Kirchenvogt; auch sonst benötigten ja die Kirchen in weltlichen Belangen ihre Vögte. Als advocatus ecclesiae griff also Heinrich III. ein und half, daß die Kirche aus der Verstrickung in römische Stadthändel gelöst wurde, daß wieder Männer auf den päpstlichen Thron kamen, die auf Grund ihres Ansehens in ganz Europa respektiert wurden, Männer zugleich, die von jenen neuen religiösen Ideen und Forderungen bereits ergriffen waren, die- im 10. Jahrhundert aufgesprossen-nun das ganze Abendland erfaßten. Gefordert wurden Sauberkeit im kirchlichen Leben, Beseitigung der Simonie bei der Vergabe geistlicher Amter, Verbot der Priesterehe und anderes mehr. Die Folge war der Investiturstreit, der nicht allein eine Angelegenheit Deutschlands war, sondern von den Päpsten auch in Frankreich, in England und in anderen Reichen ausgefochten wurde. Jedoch nahm dieser lange Streit nicht überall die gleiche Schärfe an wie im Reich. Man kann das damit begründen, daß jene Könige nicht mit dem Papst in Streit über Besitzungen in Italien geraten konnten; aber damit ist nicht das Entscheidende gesagt. Geht man der Sache auf den Grund, dann handelte es sich darum, daß der Kaiser und auch schon der König, der das Recht hatte, Kaiser zu werden, einen Platz in der Kirche einnahm, den ihm die Reformkirche nicht mehr zugestehen konnte und durfte. Zugespitzt könnte man sagen: letzthin ging es im Investiturstreit darum, daß der König den Platz, der ihm auf den Emporen und ir1 den Königsloggien eingeräumt war, wieder preisgeben sollte. In diesem Kampf siegten die Päpste; denn der geistige Wind, der vom I I. zum 12. Jahrhundert wehte, füllte die Segel des Schiffes Petri. Wir zielen auf das neue juristische Denken, aus dem sich ein umfangreiches ( S. I 2 :) System des Kirchen-
Die Salischen und Staufischen Kaiser
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rechts entwickelte mit einer sowohl innerhalb der Kirche als auch gegenüber der weltlichen Gewalt stabilisierten Autorität des Papstes und zielen zugleich auf den Geist der Scholastik, die die Vielfalt der Erscheinungen hineinzwang in das Schema der Pyramide, die aufsteigt zu einer Spitze - nur zu einer Spitze, die eben allein der Papst sein konnte. So mußte sich das Kaisertum I 077 in Canossa beugen und sich dann I I 22 in W orms zum Kompromiß bequemen. Ganz verzichtete das Kaisertum allerdings nicht auf die Rechte, die es seit alters im kirchlichen Raume besaß. Noch Karl IV. und Sigismund legten großen Wert darauf, daß sie im Weihnachtsgottesdienst das Evangelium verlesen durften, also die Obliegenheiten eines Diakons vollzogen aber dieses Vorrecht bedeutete damals nicht mehr viel.
c) Die Staufischen Kaiser Die Staufer verschafften der Kaiseridee noch einmal Glanz und Ruhm, der ganz Europa bestrahlte. Neue Kraft strömte der Kaiseridee aus dem römischen Recht zu, das im I2. Jahrhundert wieder zum Leben erwachte. Denn dieses römische Recht setzte ja die absolute Kaiserherrschaft eines Justinian voraus. Der Verwendung römischer Rechtssätze waren jedoch Grenzen gezogen. Bisher hatten die mittelalterlichen Kaiser nur einen Vorrang beansprucht und den Gedanken, daß der Kaiser des Abendlandes alle Reiche beherrschen soll, nie bis zum letzten verfolgt. Im römischen Recht wurde dagegen- entsprechend der Situation des 4· und 5. Jahrhundertsein Kaiser vorausgesetzt, der nicht nur eine auctoritas, d. h. Vorrang, besaß, sondern ein Kaiser, der die potestas innehatte, also wirklich die Macht, Befehle zu erteilen bis nach Gades und bis zum Taurus hin. Aber gerade dadurch waren der Benützung des römischen Rechts Schranken gesetzt; denn wenn der Kaiser sich auf dieses Recht versteift hätte, wären alle anderen Könige- bedroht in ihrer Selbständigkeit- gegen ihn gewesen. Schon in der Zeit Friedrichs I. rief ein Engländer seinem König zu, durch wen eigentlich den Deutschen das Recht zugesprochen sei, daß ihr Kaiser über die andern etwas zu sagen habe. Es gab weiter die Möglichkeit- Heinrich VI. vor allem machte von ihr Gebrauch-, Könige an sich heranzuziehen, indem der Kaiser sie als Lehnskönige an sich band. Voraus gingen Lehnsabhängigkeit Polens und Dänemarks, denen keine Dauer beschieden war; jetzt folgten Armenien und Zypern; sogar der König von England, der nur auf diese Weise sich der Gefangenschaft entziehen konnte, wurde in der Zeit Heinrichs VI. für kurze Zeit Lehnsmann des Reiches. Durch den unseligen Streit zwischen den Staufern und den \Velfen wurde alles Erreichte wieder in Frage gestellt, aber in Friedrich II. erstand der Kaiseridee noch einer ihrer größten Verfechtet. Wie machte er sie sichtbar? Wir kannten bisher nur
C r z: Die Kaiseridee des Mittelalters
eine staufisehe Krone, die noch dazu falsch bezogen war: sie liegt in Palermo und darf jetzt als Krone Friedrichs II. angesprochen werden. Sie zeigt, daß er den Anschluß an die sizilischen Könige, seine Vorfahren von Mutterseite, suchte, indem er deren geschlossene Kronhaube aufsetzte, die ihrerseits dem byzantinischen Vorbild angepaßt worden war. Jetzt kennen wir noch drei weitere staufisehe Kronen: ( S. I;:) zwei in Stockholm und eine (untergegangene) in Sevilla. An der Vielzahl der Kronen, mit und ohne Bügel und auch sonst noch verschieden, läßt sich ablesen, wie Friedrich II. alle Traditionen gleichfalls festzuhalten trachtete, in die er von Vaterseite hineingeboren war: die karolingische, die sächsisch-salische und die seines normanischen Großvaters. Viele verschiedenartige Kronen: Zeichen der Macht, aber auch der Gebundenheit. Denn es hätte sich keine Kopfzier ersinnen lassen, in der alle jene Traditionen zusammengefaßt gewesen wären. Ganz anders die Päpste, gegen die sich der letzte Staufer mit immer neuen Anstrengungen zur Wehr setzte. Sie trugen als Geistliche die Mitra und als Oberhaupt der Kirche seit alters eine Haube. Mittlerweile war sie prächtiger geworden, auch kostbarer verziert; aber es war immer noch dieselbe spitze Haube. Nur einer trug sie, eben der Papst, der sich dadurch von allen abhob, von den Geistlichen sowie von den Weltlichen. Das war für die Sinne so klar und eindeutig, wie es das Kirchenrecht für den Verstand herausgearbeitet hatte und wie das die Scholastik in ihren Systemen deutlich machte. So hatte Friedrich II. den Kampf durchzuführen mit doppelter Front: einerseits gegen die nationalen Könige, die dieses Kaisertum nicht mehr anerkennen wollten, nicht in der Form der potestas, selbst nicht in der Form der auctoritas, andererseits gegen das Papsttum, in dem er notgedrungen irgendwie auf die zweite Stelle zurückgedrängt war. Mit Friedrichs Tod im Jahre r 2 5o fand der dritte Akt seinen Abschluß: mit ihm war das Drama des Kaisertums zu seinem Ende gelangt- ein wirkliches Drama, weil der Ausgang sich, wie bei einer echten Tragödie, schon vorher ahnen läßt.
Ausblick Wir haben bereits gesehen, daß die Kaiseridee den Sturz des Kaisertums überlebte. Jetzt wird deutlich geworden sein, wie sehr diese Kaiseridee mit allen lebendigen Vorstellungen ihrer Zeit, den religiösen, den geistigen, den rechtlichen und den feudalen verbunden gewesen war, wie sie sich ständig gewandelt hatte, wie dadurch für jede Generation etwas Neues, jeweils Faszinierendes entstanden war. So konnte diese Idee weiterleben, so konnte sie sogar noch bis in die Neuzeit hineingetragen werden; aber schließlich war das Kaisertum doch nur noch Titel für solche Mächte, die über den engeren Raum hinausdrängten: das gilt für Karl V., an den sein Kanzler
Ausblick
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Gattinara die Gedanken Dantes und der Legisten herantrug; das gilt für Peter den Großen, der als Kaiser aller Reußen den Eintritt Rußlands in den Kreis der Großmächte erzwang; das gilt für Napoleon, dem es nicht mehr genügte, »Roi de France« zu sein, wie die Bourbonen es waren. Das 1871 neugegründete Kaisertum wurde als eine Fortsetzung jenes mittelalterlichen Kaisertums gesehen: das steigerte auf der einen Seite das Interesse am mittelalterlichen Kaisertum, hatte auf der anderen Seite jedoch die Gefahr in seinem Gefolge, daß wir das mittelalterliche Kaisertum als Wegbereiter des Bismarckschen Einigungswerke s betrachteten, jedoch - im Sinne der modernen Realpolitik- als eine Abirrung, weil die mittelalterlichen Kaiser um Italien kämpften, statt bereits den einstmals kommenden Nationalstaat vorzubereiten. Das hat dann zu so grotesken Verzeichnungen geführt, daß Heinrich I. gegen Otto I. oder Heinrich der Löwe ( S. I 4:) gegen Friedrich Barbarossa ausgespielt werden konnten. So läßt sich unsere Vergangenheit nicht betrachten; wir dürfen vielmehr sagen, daß der festeste Reif, der um diese anfangs so verschiedenen deutschen Stämme geschmiedet werden konnte, eben die Kaiserkrone war. Aber wir wollen diesen Gedanken gar nicht verfolgen, sondern wollen uns besinnen auf die Einsicht Rankes, der uns deutlich gemacht hat, daß jede Zeit aus sich selbst zu verstehen ist. Wenn wir uns fragen: Was hat das Mittelalter an Großem hervorgebracht, was hat es an Großem erdacht? - dann wird immer wieder zu sagen sein: dazu gehört vor allem die Kaiseridee, die vielfach mit der Antike zusammenhing, die aber ihr eigentliches Wesen erst in der Zeit Karls des Großen und seiner Nachfolger erlangt hat und auch nach dem Ende des eigentlichen Kaisertums eine lebendige Idee geblieben ist, weil viereinhalb Jahrhunderte lang jede Generation diese Kaiseridee gehegt und gepflegt hat.
ANHANG: DIE
QUINTESSENZ DER LETZTEN JAHRHUNDERTE DEUTSCHER GESCHICHTE
( Iti48-I948)* Wer sich- von den politischen Ereignissen ausgehend- die deutsche Vergangenheit vergegenwärtigt , hat es schwer. Die meisten der anderen Nationen Europas dürfen
*
Um deutlich zu machen, welches Bild sich mir von der deutschen Geschichte in der Neuzeit ergeben hat, wiederhole ich hier die Schlußseiten (S. 587-92) meines Buches:
Neun Generationen, I-II, Göttingen 1963/4, in dem es sich um das Schicksal Hamburgs in den Jahren 1648-1948 dreht.
Anhang: Die letzten Jahrhunderte
ihre Geschichte als folgerichtig ansehen und unter dem Bilde eines Baumes begreifen, der - im Laufe von Jahrhunderten heranwachsend - mit der Zeit fest und stark wurde. Wo- wie im Falle Englands und Frankreichs- Revolutionen die Tradition gefährdeten, können selbst sie als Positivum gewürdigt werden, weil sie gewaltsam herbeiführten, was doch einmal kommen mußte. I.
Wie viele Nationalgeschichten berechtigen andererseits zu nationalem Stolz, weilman denke an Italien, Irland, Norwegen, Polen, die Balkanvölker- eine Fremdherrschaft erfolgreich abgeschüttelt und die Menschen gleicher Sprache zu einer Einheit zusammengefaßt wurden! Ein Deutscher, der zurückblickt, gewahrt das Scheitern der mittelalterlichen Italienpolitik, die Ablösung der Niederländer und der Schweizer, die Aufspaltung des Reichsgebiets nicht nur in einen katholischen und einen lutherischen, sondern auch noch in einen reformierten Bereich. Er kann nicht vorbeisehen an dem Herauswachsen der Habsburgischen Monarchie aus dem deutschen Raum, an der Verkoppelung deutscher Gebiete mit den Nachbarmächten: Holstein mit Dänemark, Hannover mit England, Sachsen mit Polen, und hat mit dem Erstarken Preußens zur Großmacht fertig zu werden, was ein Jahrhundert lang auf ein Lahmlegen der Kräfte durch die Rivalität zwischen Berlin und Wien hinauslief. Sollen wir uns freuen über die mit Begeisterung und Idealismus begonnene, aber ruhmlos versandete Revolution des Jahres 1848, über die von Bismarck herbeigeführte Begründung des »Neuen Reiches«, von den Zeitgenossen als eine Zauberleistung, als ein »Wunder« empfunden? Gemessen an der bisherigen Machtlosigkeit des »Deutschen Bundes«, bedeutete das »Deutsche Reich« in der Tat einen ungeheuren Fortschritt, aber er war erkauft mit dem Verzicht auf die Deutschen in der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie. Der I. Weltkrieg preßte die beiden V ormächte, die Hohenzollernsehe und die Habsburgische, noch einmal auf Gedeih und Verderb zusammen; aber das Ergebnis von viereinhalb Jahren Kampf mit bis dahin unvorstellbaren Opfern und Leiden war das Zersplittern der Donaumonarchie in vier Nationalstaaten und die Errichtung einer deutschen Republik, der verwehrt wurde, die Deutsch-Österreicher hineinzunehmen. Sie hatte einen schlechten Beginn, da sie sich außerdem mit neuen Einbußen im \Vesten und im Osten abfinden mußte. Im Innern gefährdet, von außen bedroht, behauptete sie sich vierzehn Jahre lang, im besten Falle mit dem Verstand bejaht. Dann ein »Drittes ( S. 58J:) Reich«, das in eine Katastrophe führte, für die jede Parallele in der Weltgeschichte fehlt. Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen: Finis Germaniae? In der an »Wundern«, an »Glücksfällen« armen Geschichte der Deutschen - ich wiederhole eine bereits gebrauchte Wendung- ein Ereignis, das 1945 niemand zu hoffen wagen
Politische und kulturelle Kontinuität?
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durfte: die Konstituierung einer »Bundesrepublik Deutschland«, in der wenigstens zwei Drittel der zum Reich gehörenden Deutschen wieder ein Eigenleben beginnen durften. Man muß ein Herz von Stein haben, wenn man angesichts der politischen Geschichte der Deutschen, die so ganz anders verlaufen ist als die der anderen Völker Europas, nicht zusammenzuckt: Vae semper victis! Weh' den immer wieder Besiegten! Das ist die Quintessenz der politischen Geschichte der Deutschen ... Gibt es wenigstens in der kulturellen Geschichte Deutschlands eine Kontinuität? Ein Aufeinanderfolgen von Generation auf Generation, ein Ineinandergreifen von Gestern, Heute und Morgen, das es uns möglich macht, in diesem Bereich von einer deutschen »Geschichte« zu sprechen- im Sinne eines Vorgangs, der die Vorfahren, uns und die Nachfahren zusammenhält, wie das den anderen Nationen im politischen Raume vergönnt ist? Hier lautet die Antwort: ja und nein! In dem begrenzten Rahmen einer Stadt, ja nur eines bestimmten Sippenbereiches, habe ich zu zeigen versucht, wie jede Generation sich dem Neuen zuwandte, aber doch nicht denkbar war ohne die vorausgehende. Die Heranwachsenden traten oft genug in Gegensatz zu den Eltern; zu solcher Frontstellung gelangten sie jedoch nur, weil sie sich mit den Anschauungen auseinandersetzten, die der voraufgehenden Generation eigen gewesen waren. Hier ergibt sich ein Gegensatz zur politischen Geschichte der Deutschen. Wer sich diese vergegenwärtigt, mag das »Schicksal« anklagen - solcher Ruf verhallt ungehört - oder er mag die Kurzsichtigkeit, die Verblendung, die Anmaßung der Deutschen geißeln- das trifft vielfach zu, erschöpft jedoch das Problem nicht. Wer sich dagegen an die kulturelle Geschichte der Deutschen hält, stößt auf Folgerichtigkeit. Als Metapher bietet sich das Bild der Treppe an, auf deren Stufen der Schritt jeweils nur kurz verharrt, weiler-angetrieben durch neue Probleme- weiterhastet zur nächsten Stufe. Die neue ist der voraufgehenden nicht »überlegen«, kann nicht als »besser« verstanden werden. Vielmehr läuft jedes Emporsteigen auf eine Preisgabe, auf einen Verlust hinaus - so vollzog es sich im kulturellen Bereiche und so wird es sich weiter vollziehen. Von der Kultur, die die Deutschen, als der Dreißigjährige Krieg 1648 zu Ende ging, besaßen, trennt uns - jetzt nach dem Jahre 1948, dem Jahr der Währungsstabilisierung, die den Neubeginn einleitete - absolut genommen ein geradezu unvorstellbarer Abgrund; aber relativ, d. h. historisch gesehen, war die Kultur von 1948 eine sinnvolle Folgeerscheinung der Kultur um 1648, bei dem rückschauend die Folgerichtigkeit evident ist.
(S. ;89.) Ist diese kulturelle Kontinuität, dietrotzallen Wechsels nicht wegzuleugnende Kontinuität, das einzige, an das wir Deutschen uns klammern können?
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Anhang: Die letzten Jahrhunderte
Wer noch einmal überdenkt, was in den beiden Bänden dargestellt wurde, wird auf diese Frage mit »Nein« antworten. Weshalb? Wir gaben die Antwort bereits, aber wiederholen sie noch einmal: Zu zeigen war, wie die Hamburger nach dem Elend des Dreißigjährigen Krieges sich wieder emporarbeiteten. Sie waren dabei begünstigt durch die Tatsache, daß es ihnen besser ergangen war als der Mehrzahl der Deutschen, aber auch sie hatten ihre Sorgen gehabt, und mit den übrigen Deutschen hatten sie das gemeinsam: im wesentlichen schafften sie den Wiederaufstieg durch eigene Kraft. Die Stellung, die sich die nunmehr führende Hansestadt errang, wurde vom Ausgang des 17. Jahrhunderts an gefährdet durch die innere Auseinandersetzung, in der sich der Streit um die Verfassung mit sozialen und konfessionellen Fragen verkoppelte. Einen weisen Ausgleich führte - wie im einzelnen gezeigt wurde - der vom Kaiser delegierte Kommissar im Jahre 1712 herbei. Aber er wäre nicht zum Ziel gelangt, wenn nicht die Einsicht der Hamburger ihn gestützt hätte. So weise war dieser Kompromiß, daß er über ein Jahrhundert lang unangefochten blieb. Alles, was erreicht war, stellte Napoleon I. in Frage, als er Hamburgs Handel durch die Kontinentalsperre lahmlegte, das Gebiet der Stadt seinem Empire eingliederte und der Bank ihren Silberbestand wegnehmen ließ - Finis Hammoniae? Mitnichten! Die Hamburger standen um 1830 besser da als um 18oo, weil sie die Chance gut genutzt hatten, die der Gang der Weltgeschichte ihnen nach dem Sturz Napoleons durch Öffnung Süd- und Mittelamerikas für den internationalen Handel zuspielte. Der Aufstieg, der sich angebahnt hatte, wurde jählings durch den großen Brand von 1842 unterbrochen. Die Welt schaute voll Mitleid auf die so schwer getroffene Stadt und bot Hilfe an. Sie erholte sich jedoch im wesentlichen aus eigener Kraft. Der Brand bedeutete keinen Einschnitt in der Geschichte Hamburgs: er blieb eine Episode. Die Eingliederung Hamburgs in den »Norddeutschen Bund«, die am 1. Januar I 867 in Kraft trat, hielten die Stockhamburger für eine Katastrophe. Sie erwies sich als das Gegenteil; erst recht wurde die Stadt gefördert durch die Eingliederung Hamburgs in das neue »Deutsche Reich« (1871) und in das deutsche Zollgebiet (1888). Harnburg war nicht an das Ende seiner Glanzzeit gelangt, sondern an den Anfang einer neuen Blütephase, die alle bis dahin gewesenen Zeiten in den Schatten stellte. Jedoch wurde die Stadt, nunmehr der wichtigste Platz des deutschen Im- und Exportgeschäfts, nach einer Blüte, die ein Menschenalter währte, durch den Zusammenbruch des Reiches schwerer getroffen als das Binnenland. Aber selbst die Katastrophe von 1918, verschlimmert durch die folgenden Putsche der Linken und der Rechten, vernichtete nicht die Lebenskraft Hamburgs. (S. 590:) Die Stadt arbeitete sich abermals - wiederum wesentlich aus eigener Kraft - empor.
»Bewährung im Unglück«
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Alles Erreichte stellte der II. Weltkrieg erneut in Frage. Im Gegensatz zu dem voraufgehenden Krieg, der Harnburg mittelbar getroffen hatte, wurde die Stadt diesmal in einer Weise heimgesucht, die selbst die Schrecken des Hamburger Brandes von I 842 übertraf. Dann wurde sie ihres eigenen Willens beraubt wie in der Zeit· Napoleons I. Aber selbst die allerschwerste Katastrophe einer nunmehr mehr als tausendjährigen Geschichte hat die Freie und Hansestadt überstanden. Das »Wirtschaftswunder« - wir erinnern noch einmal daran, daß die deutsche Geschichte arm ist an »Wundern«- ist auch Harnburg zugute gekommen, undtrotzdes Verlustes des naturgegebenen Hinterlandes durch die Abtrennung eines zweiten Deutschlands jenseits der Elbe kann Harnburg heute voll Hoffnung in die Zukunft blicken. So gesehen ergibt sich eine Kontinuität durch Bewährung im Unglück. Diese »Bewährung im Unglück« dürfen die Hamburger nicht für sich allein in Anspruch nehmen. Alle Deutschen können ähnliches von sich sagen. Insofern haben wir, indem wir »Streiflichter« fallen ließen auf das Verhalten der Hamburger in und nach den beiden Kriegen, etwas behandelt, was letzthin an der deutschen Geschichte das Wichtigste ist: Politisch betrachtet, ist die deutsche Geschichte eine Leidensgeschichte, die ein Unheil nach dem andern zu verzeichnen hat und zur Zeit auf eine Zweiteilung hinausgelaufen ist; kulturell betrachtet, gibt es zwar eine Kontinuität, aber doch nur in der Weise, daß jede neue Phase sich von der vorausgehenden abhebt wie die Stufen einer Treppe. Aber dieses unglückliche, allzu wenig mit »Wundern« bedachte Deutschland, das sowohl I 8o7 als auch I 94 5 praktisch ausgelöscht war, hat sich immer wieder erholt, gelegentlich vom Ausland unterstützt, aber im wesentlichen doch durch eigene Kraft, da es nicht gewillt war, sich aufzugeben und die jetzige Teilung auf immer hinzunehmen. Das »Wunder der Wunder« bedeutet, daß die Masse der Deutschen beisammenblieb: es hätte von I648 an mehr als einmal- zuletzt I945 -ganz anders kommen können. I I. ( S. y9 I.') Angesichts der Gefahr, die Deutschland von den Türken und vom
Papste drohte, hatte Martin Luther, der im Alter sorgenvoll in die Zukunft blickte, an seinem Tische im Jahre 1538 gemeint: Deutschland sei gewesen, was es gewesen sei. Die zunehmende Schlechtigkeit werde täglich reifer zum Hinschlachten: »Germaniafuit,quae fuit! lila malitia extrema macturescit in dies ad mactationem. Es muß entweder der Turk oder ein jämmerlich Krieg tun. Ich hab mich willig drein gegeben, mitzuleiden.« Für Luther war ein solches Verhängnis noch ein Akt in dem Prozeß der Ver-
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Anhang: Die letzten Jahrhunderte
wirklichung der Kirche Christi, als dessen Widersacher er Sultan und Papst ansah. Die Säkularisierung der Bildung hat auch zu einer Verweltlichung der Geschichtsauslegung geführt. Man müßte einmal prüfen, wer sich im Laufe der Jahrhunderte ähnlich über die Zukunft der Deutschen ausgedrückt hat wie der Reformator, der sich in der Zeit seiner Kraft getraute, wie einst die Juden vor Jericho mit Trompeten unübersteigbare Mauern umzulegen - Anlaß zu solchem Pessimismus war in jedem Jahrhundert gegeben. Leichter wäre es allerdings, Stimmen zu sammeln, die umgekehrt den Deutschen für die Zukunft ein entscheidendes Wort im Ablauf der Weltgeschichte zugesprochen haben. Das ist - wenn man die Augen eingestellt hat wie wir - nur verkrampftes Beiseiterücken des Faktums, daß den Deutschen seit dem Zusammenbruch des mittelalterlichen Reiches im besten Falle noch ein Mitsprechen und in langen Zeiten nur ein Hinnehmen beschieden war. Wir müssen staunen und immer wieder staunen, daß Luthers düstere Prognose nur zum Teil richtig war, daß wir noch immer existieren, ja sogar wieder etwas gelten. Denen, die mit dem »Schicksal« hadern, weil es uns seit Luther so schlecht behandelt hat, während es andere begünstigte, ist vor Augen zu halten, daß die entscheidende Tatsache geradezu verblüffend ist: Deutschland hat alle Katastrophen überlebt und spricht in der modernen Welt, die heute fünf Kontinente als gleichberechtigte Partner umfaßt, sowohl wirtschaftlich als auch geistig noch immer bzw. wieder mit. Die Franzosen durften über den Eingang des zum Museum ausgestalteten Teils des Versailler Schlosses die Inschrift setzen: »A toutes !es gloires de Ia France.« Denn die Bourbonen, die Revolution, der erste Napoleon, die restituierten Bourbonen und die Orleans, die II. Republik, Napoleon III., die ihm folgenden Republiken, sie haben alle ihren Teil zur »Gloire« Frankreichs beigetragen. Keine Phase der an Wechseln überreichen Geschichte Frankreichs ist ohne Folgen geblieben. Jede hat etwas zu dem Frankreich beigetragen, das sich heute der Welt darbietet. Man könnte sich auf deutschem Boden ein entsprechendes Museum ausmalen, das sichtbar machte, was Deutschland von der »Großen Pest« des 14· Jahrhunderts bis zur Katastrophe von 1945 heimgesucht hat: anfangend mit Miniaturen und Holzschnitten, endend mit Photographien und den Luftaufnahmen zerbombter, die Schrecken von Herculaneum und Pompeji in den Schatten drängender Stadtruinen. Die Überschrift über dem Eingang ( S. J9 2 :) ergäbe sich von selbst: »A toutes !es miseres de l' Allemagne.« Nur wäre eine Übersetzung ins Deutsche schwierig, weil sie zu leicht dahin ausgelegt werden könnte, daß sie Mitleid erwecken wolle. Wir müßten sie beim Übertragen in unsere Sprache gleich kommentieren. Dann hieße sie so: »Den über uns vom Mittelalter bis heute verhängten Katastrophen, aus denen wir uns fast immer allein aus eigener Kraft herauswinden mußten und herausgewunden haben! Es gab dazwischen wohl Zeiten des Glücks, aber sie sind für uns immer gefährlich gewesen, weil wir - so oft zur Ohnmacht verurteilt - in ihnen das Gefühl
»Bewährung im Unglück«
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für Maß und Schicklichkeit verloren und deshalb Anstoß erregt haben. Wenn es uns schlecht ging, entfalteten sich jedoch die guten Eigenschaften, die wir haben. Schauen wir auf unsere Notzeiten zurück - und wir hatten so viele, daß wir in dieser Hinsicht in Europa bei einem Vergleich weit oben stehen-, dann können wir uns jeder Kritik stellen; dann dürfen wir, die wir im Rückblick auf unsere jüngste Vergangenheit so viel Anlaß haben, verzweifelt zu sein und uns zu schämen, doch - ohne die Stirn zu neigen - sagen: Wir sind Deutsche und wollen es bleiben.
Verzeichnis der in Band III abgedruckten Texte A.
IO. JAHRHUNDERT
Atto, Bischof von Vercelli (t vor 964): »Pofypticutn« (deutsche Inhaltswiedergabe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17- 29
2. Widukind von Corvry: Bericht überOttos I. Königskrönung (936)
4I- 42
3· Der »Frühdeutsche Ordo« (vor 96o) . .
87- 90
4· Der »Ordo der Sieben Formeln« (936?) .
90- 92
5· Der »Mainzer Ordo« (um 96o). . . .
92-I03
1.
6. »Ordo Romanus« für die Kaiserkrönung (vor 96o)
I82-I85
7· »Benedictio ad ordinandutn imperatorein secundutn occidentales« (vor
960). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Leon, kfetropolit von Synada, vom Basileus als Gesandter zu Otto III. geschickt: Zwölf Briefe (griechisch, mit deutscher Übersetzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B.
185-I86
2 56-2 76
I I. JAHRHUNDERT
9· »Graphia aureae urbis Romae« bestehend aus:
a) »Historia Romana a Noe usque ad Romulum« (vor I I 5o) b) »Mirabilia urbis Romae« (um II4o) . . . • . . c) »Libellus de cerimoniis at-tle imperatoris« (um 1030)
319-321 322-338 338-353
ro. Schilderung der Krönung eines römischen Kaisers aus dem hebräischen Geschichtswerk des J osippon (latein. Vorlage: wohl I. Hälfte des XI. Jahrh.s), übersetzt ins Deutsche . . . . . . . . . . Der »Salische Kaiserordo« (Mitte des I 1. Jahrhunderts oder etwas später . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
383-3 84
12. und seine Erweiterung durch Benzo von Alba (vor ro86) . . .
388-390
I 1.
Verzeichnis
44 5
13. Der Abschnitt über »Roma«, »Romani« usw. aus dem Glossarium des Papias (abgeschlossen I05 3?) . . . . . . . . . . . . .
396-398
I4· Laus Caesaris Heinrici des Azelin von Rei;ns = Atto von Monte Cassino (zwischen Iü47-1056)
405-406
15. Notae de Mathilda Comitissa
Ct III5)
. . . . .
417-419
Register Um das Nachschlagen zu erleichtern, sind Namen und Sachen zusammengefaßt. Die im Text erwähnten Autoren sind aufgenommen. Um den Band nicht noch mehr anschwellen zu lassen, wurden nicht ausgeschöpft: die Anmerkungen, die lateinischen Texte, die griechischen Briefe sowie die Übersetzung aus dem Hebräischen (vorstehend aufgezählt). Für die »Historia Romana a Noe usque ad Romulum« und die »Mirabilia urbis Romae« (S. 3 I 9-3 38) sei verwiesen auf das Spezialregister in: »Kaiser, Rom und Renovatio«, II, Lpz. I929 S. I82-I8j (In das dortige Hauptregister sind auch die aus diesem Band hier wieder abgedruckten Texte eingearbeitet). Aachen 33f., 38f., 4rf., 4Gf., 5rf., 54, 57, Go, G2, G9-7I, 79, III-II4, I17, 120, I25f., 128, I3of., I37, I59, I74, 227, 232, 253, 278, 280, 392,429; Münster 3G, 40, 42, 45, 5 I, 55, 68, 79, rrG, I57f.; Pfalz 5of., 55, I 58 Abba, Abt von St. Benoit-sur-Loire 226f. Abdurrahman, Chalif I63 Abrahamibn David, Geschichtsschreiber 3G8 Adalbert, Lehrer des Notker Balbulus 298 - Erzb. von Magdeburg 82 - Bischof von Prag, Heiliger 28o, 432 Adelheid, zweite Gemahlin Kaiser Otros I. So, I6I, I98, 209, 2IG, 2I8, 243, 277 Adjutor 372 Advocatus s. Kirchenvogt Amtet unter Otto III. 280-97 Agnes, Gattin Kaiser Heinrichs III. 40I, 408 Albano, Bischof von I 72 Alberich, römischer Stadtherr r6I, IG9f. - Sohn des Grafen von Tuskulum 290 Aldramiden, ital. Geschlecht I 32 Alexandri Magni vita 3G2 Alfons X. el Sabio, König von Kastilien, I 257 deutscher Gegenkönig 422, 424 Allegorese, allegorische Bibelauslegung r8, 76, 78, 84, 104, rG8 Alliteration I 33 Altäre 82 Altertum s. Antike Altes Testament s. Testament Amalfi 203 Amalrich, König von Zypern r6I Amatus von Monte Cassino 404 Ambrosiaster 83
Amt, geistliches 179 f.; Amtshierarchie r 58, 177;- szeichen I 57 Anastasius IV., Papst 3 55 Andreae, Johannes (t 1348) 392 Andrieu, Michel, Kirchenhistoriker Go, rGS, 181 Angelsachsen 33, 35; s. a. England Angiovinen in Sizilien 404 Angleria, Chronik der Grafen von 392 Anna, byzant. Prinzessin, Gemahlin Wladimirs von Rußland 204 Annalen von Lobbes 72, 106f. - Magdeburger I93 - Quedlinburger 2 53 - Salzburger 37 Antike (Altertum) r2G, I77, I79, 386; s. a. Rom u. Römer d. Altertums Antiphon 70 anu!us episcopalis 387; s. a. Ring apex I29 Apocrisiar 375 Apokalypse 164, 167 Apostel, zwölf 164 apparatus I85, 193-8 Approbation des Königs, geistliche 67 Apulien 145, 203 Araber 203, 2Irf. Aragon 133 Arche Noah 359 Archidiaconus 172 Archilogothet 295 ff., 300 Archimandrit 2 I 5 archisolium, Karls d. Gr. Steinsitz als Erzthron des Reiches I 59; s. a. Thron
Register Arduin von I vrea, Gegenkönig I I 4, I zo Aribo, Erzbischof von Mainz I22, I25, Iz8, I3J Aristoteles 3 I 4 Armenien 236, 43 5 Armspangen, Spangen(armillae) 44, 75, 77, I 57 Arnulf, Kaiser 33f., I6I, I9I, 225, 235-238, 2 53 Herzog von Bayern 37 - Erzb. von Mailand 232 - Verf. der >Delicie cleri< 40I f. Artald, Erzbischof von Reims 90 Athen, Nationalbibliothek 247 Atto, Bischof von V ercelli I 7-29 - von Monte Cassino s. Azelin auetorilas 424, 43 3 f. Augsburg, Hoftage Iz6, I6I Augustin, Kirchenvater z6 aureaRoma 3I9,38I Ausgießung des Heiligen Geistes I 33 Avignon I8I Avranches, Dictatus von I95 Azelin von Reims = Atto von Monte Cassino; Kaplan der Kaiserin Agnes 399, 40I ff., 405
bacu!us 77; s. a. Stab Baethgen, Friedrich 59 Bamberg I04, I67, 2I3f.,; Bischof von- I96 Bandini, Aug. Mar., Bibliothekar 3 I4 Banner, St. 17 ff. Bari 238 Basileios II., byzant. Kaiser zoz, 204, ZII, 2I5, 2I8, 220, 222, 232,235-238, 244f., 25I, 253f., 258, z6o, z66, z68, 270 Basileus = byzant. Kaiser I05, zoo, zo9ff., 23I, 238, zp, 255,295, 298;-tonRhomaion zoz; s. a. Einzelnamen Bayern, Herzog(tum) 55, I17, I27, I55f. Beamte,päpstliche 287,289;-,weltliche 285; Pflicht der- 58 Beatrix, Herzogin von Lothringen 4I 5 Bekleidung s. Gewandung, Ornat Benedikt VIII., Papst I04, 179, 433 -X., Papst 4II -, Kanoniker von St. Peter in Rom: Ordo Romanus 354, Liber polypticus 354, 357 Benediktionen 33, 7I, 79, 172; - reginae 6I, 8o, 102, I 82
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Benevent I76, 203, zoG, 209, 236 Benrath, Henry 24I Benzo, Bischof von Alba 225, 374ff., 38of., 383, 386ff., 39I Berengar I., Kaiser 428; s. a. »Gesta Berengarii« -, König von Italien I6I, I69f., ZII Bergen, Kloster bei Magdeburg I23 Berges, Wilhelm I39f., 4o8ff. Bern, Abt von Reicherrau 406 Bernward, Bischof von Bildesheim II6f. - Bischof von Würzburg 2 I 8 Berthold, Herzog von Bayern I6o Berufung durch Gott zo, durch das Volk zo Bibliothecarius, päpstlicher 29 5 Birthilo, Graf 232 Bischöfe passim; s. bes. 35, 64ff., 8z, Io4, II6, 120, I23, I 59, I85; - als Statthalter Christi 8zf.;- wahl I37;- weihe 63, 66f., 77ff., 8I, 86, I09, III, I57, I68;s. a. Erzbischöfe Bluhme (Blume), F. 3 I4 Blutsrecht (vererbliches Königtum, Geblütsrecht) 55, 70, I23 Bodman, Pfalz I40 Boeckler, Albert 309 ff. Böhner, K. I42 Boethius 230 Bonifaz III., Markgraf von Tuszien 4I5 - VIII., Gegenpapst zio, 2I2, 222 »Bonmots« mittelalterlicher Kaiser 299 ff. Borino, Don G. B. 4I I, 4I 3 Bosch, Dr. phil. Ursula Victoria 246, z68 Bosl, Kar! I40 Boso, König von Burgund I6I, I97 Brandi, Karl I48 Bremen, Perikopenbuch Heinrichs III. 3 Io Bresslau, Harry I22, I24, Iz8, 243, 296, 306 Brcihl, Carlrichard 14 7 ff. Bruhns, Leo I 4 5 f. Brun, Bruder Ottos I., Erzbischof von Köln 36, I07, IIO, I35f., I59f., I63, 175, 306f., 429 - von Querfurt z8o Bruno s. Gregor V., Papst Bügelkrone I63, 305, 428ff., 436; s. a. Krone Bulgaren, -reich I76, 237, 239, 367 Bullen der byzant. u. abendl. Kaiser I26, I6I, 23J, 426 Bulst, Walther I 37 Bundesrepublik Deutschland 439
Register Burchard, Bischof von \'Vorms I I 5 Burglehen I44 Burgund 33f., I32, 203, 433f. Butingen, Herren von I44 Byzanz (-tiner) 48, I28, I69, I74ff., 20I f., 203f., zo6, 2roff., 2I6, zi8, 227-3I, 235, 237f., 239ff., 244, 288, 290, 293, 295, 298f., 306, 367, 37I, 374; s. a. Basileus.- Hof I04f., 2I 3, 225, 234, 278, 289, 427; Einwirkung auf das Abendland 293, 296f.; Ämter 2I5, 2I7 (s. a. Einzeltitel) Cadalus von Parma (als Gegenpapst: Honorius II.) 410f. Calixt II., Papst I97 Canossa 4I 5, 43 5 Cap Colonne, Niederlage Ottos II. am 2I2 Capua 203, 206 Cassel, S., Hebraist 36I Cathedra Petri 170, I 77 Cecchelli, Carlo 4I I Ceillier, Dom Remy 404 »Cena Cypriani«, Versdichtung 399, 40I Cencius (Cintius, Quintius, Crescentius) de praefecto, römischer Parteiführer 4I I f., 4I4 Champollion Figeac, M. 404 Chlodwig, Merowingerkönig 284 Chrisma (Salböl) 43, 73 f., I04, 172; s. a. Öl Christus als König der Könige 179; als Mittler 84, I69 christus = der Gesalbte I 57, I68, 430 Chronicon V enetum 2 53 - maius s. Flamma, Galvaneus Cicero 314 circulus (Zirkel), goldener 372f., 377; s. a. Krone c!amis = pa!lium 44; s. a. Mantel, Pallium Classen, Peter I40, I42 Clemens II., Papst 369 - III. (Wibert von Ravenna) 4I2, 4I4 Cluny, Kloster 25, 27, I23, 407 -, Musee (Paris) 2I3f., 294 Codex aureus Kaiser Heinrichs III. 3 IO Collationes 28 Collaudatio (Vollwort) 47, 70, 120, I28, I30 Comes palatii 284, 286 Compater 4I I Consecretalis 2 I 5, 2 I 7
Consiliarii 282 Constantin s. Konstantin Constantinus Africanus 403 Consul 282, 284; - et dux 290; angeblicher Consulat des Kaisers 282 corona = diadema 44; - Romana 386; s. a. Krone cornua der Mitra I64f. Coronandus 90 Coronator des Königs s. Mainz, Wahlleiter Corroboratio I23, I 57f., I7I Corvey, Kloster I64; s. a. Veit, Widukind Crescentier, römisches Geschlecht 2I9f., 222, 373, 375 Crescentius, J ohannes, Patricius 2 rz, 2 I 6, 22of., 225f., 232, 256, 278, 292 - = Cencius, röm. Parteiführer 4I I f., 4I4 crux plena ligno dominico 384; s. a. Kreuz Cubicularii 282 curia 49, I 59f. Cypriani, Cena -, Versdichtung 399, 40I Dänemark 294, 435 Dalmatien 279 Damiani, Petrus 377, 4IO Dankgeschenke 23 Dante Alighieri 422 Dares Phrygius, Geschichtsschreiber 3 I4 Darrouzes, Jean 24I, 247ff., 254 David 426, 429 decus imperii 305-7 Decker-Hauff, Hansmartin I63f., 429 Deer, Joseph I77, I85f., I93, I98f., 422 Dei voluntas 54 - gratia s. Gratia delongaris 2 88 Demutsformeln s. DevotionsDesignation 37f., 44, 55, 67, I27, 4Io »Devestitur« I 56 Devotions(Demuts-)formeln Sr, 300 Diadem 386; s. a. corona, Krone Dictatus von Avranches I95 Diener J esu Christi, - der Apostel s. servus Dienste, »staatssymbolische« 42, 49, I 24 dirungarii- di!ungarii- delungarii 288 Dölger, Franz 20I, 242 Doge von Venedig 237, 293 Dominicus, Venetianer, Gesandter Ottos I. 206, 208 Doppeltitel I 2 I
Register
t5eovyyaew,; 288 Duchesne, Louis 3I8, 354f., 357 Dümmler, Ernst 399 Duisburg rr9 Eberhard, Herzog von Bayern 36f. -, Graf, Stifter der Abtei Helmarshausen I93 Echternach, Kloster 3 ro;- er Codex 308-312 Edith, erste Gemahlin Ottos I. 8o Egbert, Erzbischof von Trier 228 Ehre 213; - nkanoniker 137, 179f., 433; - nnamen 307; - stuhl 49 Eichmann, Eduard 59, ro8, 385 Eichstätt, Bistum 408 Eid 52; - sprache 65 Einkleidung 43 Ekkehard IV. von St. Gallen 239 electio = Anerkennung 69 f.; = Aus\vahl 69, 71; - canonica 376 Elfenbein 2 r 3, 309 Elpidio, Alexander de S. 393 Elze, Reinhard Gof., 87, 90, 92, r8r, 380, 383 Email r64, 213 Empore des Kaisers 43 3 England 34, 63, 77, 90, 128, 133, r8o, 438; s. a. Angelsachsen und Einzelnamen ensis 44; s. a. g!adius, Schwert Entfremdung von Kirchengut 282 Epiloricum 2 I 3 f. Erbanspruch 2I8;-bier 48, p, I58;-folge 2I8;- recht 20, 50, 53f., 58, 82, 85, I2rf., I55, 229,410 Erdmann, Carl 59-62, 87, 90, 92, I7o, I96, 282 Erfurt, Hoftag (9 36) 37 Erhebung auf einen Schild I 57 Erisburg I56 Erler, A. 142 Ernst II., Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha 308 Erzbischöfe 39, 43, 50, p, 7I, 76, I57, I59; s. a. Bischöfe Erzkanzler, Amt I 32 Essen, Domschatz I 64 Eugen III., Papst I90 Evangelium 63, I09; s. a. Testament Fahne II7;-lehen Lanze 19 Schramm, Aufsätze III
I25;-träger
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familia I55 Fastensynode (ro76) 409 Festmahl s. Erbbier, Krönungsmahl »Feststellungswahl, rituelle« 45 ff.; s. a. Wahl Feudalisierung des Herzogamtes 36 Fickermann, Norbert I66 Figeac, M. Champollion 404 Fillitz, Hermann I 64 Fiskalkirchen I 35 Flamma, Galvaneus (Fiamma, Galvagno) 315, 382f., 392ff. Fleckenstein, Josef 135, I37f., I63, 296f. Fleury, Hugo von 314 Flusser, David 362, 367f. Forchheim, Wahl König Rudolfs in 409 Formulare, karolingische 63 Franken, -reich 34, 37, 55, 115, 135f., q8, 155, I6o, 206, 266f., 275; s. a. Ost-, Westfranken - Herzog von 55 Frankreich (und: Franzosen) 63, nf., ro8, I28, 133, 148f., I54, r6o, r66, r69, r8o, 2I3, 221, 226, 394, 401, 43 8, 442 Pranz II., Kaiser I 53 Friedenskuß 79 Friedrich I. Barbarossa, Kaiser 65, 84, I42, 172, I96, 356, 42! - II., Kaiser I44f., I47, I8I, I92, 280, 422ff., 435f.; seine Krone 436 - ErzbischofvonMainz 82 Fürstenspiegel 27,243 Fuhrmann, Horst I42 Fulda, Sakramentar von 79, 93 Fulgentius, Dichter I 8 Fußwaschung I04 Gaeta 203, 236 Gastungsrecht I47f. Gauert, Adolf I4I Gebete, -sformeln 79, 88; s. a. Ordo Geblütsrecht s. BlutsGehorsam 70 Geistlichkeit 49, 53f., 56f., 69, 7I, 82, II5, I37; französ.- 104;- in Zwölfzahl I04 Gelasius I., Papst I68, q8 Genikos (byzant.) 250, 27I Gerardus, Graf der Sabina 290 f. Gerberga, Tochter Heinrichs I. I 55
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Register
Gerbert, Lehrer Ottos III., Erzbischof, dann Papst Silvester II. r36, q6ff., 215f., 226, 228-32, 235f., 278f., 432 Gerhardus Augustanus (ro. Jahrh.) I 87; s. a. Gerardus Gerichtsstab, königlicher 77 Germanische r Brauch usw. p, 148, 158 Gerold, Graf, Verwandter Karls d. Gr. 298 Gesandtenre cht 225 »Gesta Berengarii« 38 I - Friderici« 301 - Karoli Magni« 298 Gewandung, geistliche r85; - hohepriesterliehe 387; - weltliche r85; s. a. Ornat; symbolik 52 Gewohnheits recht Gz, ro9, rr2, r28, r3off., I7I; s. a. Recht Giesebrecht, Wilhelm v. 281, 314 Gisela, Gemahlin Kaiser Konrads II. I2I, 125, !28 Giselbert, Herzog von Lothringen 36, r 55 gladius = ensis 44; s. a. ensis, Schwert Glaubensbek enntnis 66 - feinde 86 Glöckchen an GewänJern r67f., 195, 430 Glossarium des Papias 395-8 Gnaden, sieben, des Hlg. Geistes 72 Gnesen, polnisches Erzbistum (rooo) 279, 292, 432 Goetz,G. r9,395f. Goldschmied ekunst, ottonische 309 Gorze, Kloster 407 Goslar 137 Goten 230 Gottesgnade ntum 50, 53, 70, 82f., 85 Gottfried, Herzog von Oberlothring en 410 gradu.r 170 Graetz, H. 36of. »Graphia aureae urbis Romae« 28r, 313-9, 353-7, 359, 362, 372, 374f., 377f., 381, 385ff., 393; -Kreis« 38of., 385 f., 388, 393 Gratia Dei r62, 426 Gratifikation en 217 Gregor V., Papst 136,205, zzrff., 225f., 232f., 235, 254, 256f., 259, 262f., 268, 278 -VII., Papst r8r, 192, I95,4o8,4ro f.,415,432 - eng!. Magister 3r 8 - von Tours, Geschichtssc hreiber 284
Gregorianum Sacramentari um s. Sacr. Gregorovius , Ferdinand 28r, 288, 337, 361 Grona, Pfalz r4of. Griechen, -land = Byzanz 213, 23of. Grate, Ludwig 308 Gürtel r64, r67 Guiscard, Normannenh erzog 412 Habsburgisc he Monarchie 438 Hagiozachari tes 250, 265, 275 Hahn, Hanno 146 Hallinger, Pater Kassius 407 Halphen, Louis 28r, z88 Harnburg 440 ff. Hammerstein scher Ehehandel r 25 Hampe, Kar! 283 Handsalbung 74 (s. a. Salbung) - schlag 46 - schuhe 387 Hartmann, Ludo l'vioritz 201, 281, z88 Hatheburg, Gemahlin Heinrichs I. 36 Hatto, Erzbischof von Mainz 109, r 3 r Hauck, Albert 82 - Kar! 140, r62 »Hausordnun g« König Heinrichs I. 35 f. Heeresmagis ter 290 Hege!, Kar! 283 Heilruf 56, 68 ff., 71, qr, 426,43 3; s. a. Laudes Heimpel, Hermann 139f., 143 Heinrich I., deutscher König 34f., 37f., 44, 46, 55, 76, ro9, 123,126,128 ,135,141, 155f., 176; »Heinrichsbu rgen« 141 Heinrich II., Kaiser 35, 53, 76, 104, ro8, II4f., 117-21, 123, 125, 128, 136f., 140, r67, q8ff., 2!4, 238f., 277, 295, 306, 3 II, 386, 399, 407, 43 3 ; Kaisermantel 34 7; Herrschaftszeichen 122; Tunika 431 Heinrichiii. , Kaiser 74, ro8, rz6, 129f., r3rf., 137, 239f., 310, 369f., 372, 374, 376ff., 386, 395, 4orf., 406-9, 434; Mitkönig 127; König von Burgund rp; Handschrifte n 31of. Heinrich IV., Kaiser 74, 130, 138, rGr, 192, 195 f., 225, 298, 30!, 307, 373, 376, 378, 381, 387, 393,402,408 , 41of., 414f., 42of.; Münzen 8o Heinrich V., Kaiser 197, 42of. - VI., Kaiser 192, 433 - VII., Kaiser 423
Register (Heinrich) - Herzog von Bayern, Gegenkönig 277 - Erzbischof von Trier IIO Herbergsrecht I47f. Heribert, Erzbischof von Köln II4, II7, I I9f., 295 f. Herrschaft 20, 26, 29, 35, 47, 50;-übergabe 45 Herrschaftszeichen 34, 44f., 47, 55f., 6I, 75, 77f., So, S8, I07, II7, II9f., I23, I33, I39, I 54, I56f., I70, I79f., IS5, I9S, 294, 30I, 305, 307, 422; s. a. Einzelbezeichnungen Herrscherbilder 63, 2I3, 310 Herrscherornat s. Ornat Herrscherweihe 33f., 43, 67, 73ff., 79ff., S3, 9I, I09, nS, I24, I6S, I7o Herzöge (Stammes-) 36, 39, 49f., 52, 57, I55, I57f. Heusinger, Bruno 14S Hierarchie, politische 3So Hildebert, Erzbischof von Mainz no, I31 Bildebrand s. Gregor VII. Bildesheim I 37 Hildibald, Kanzler, dann Bischof von Worms I 36, 295 Himmels-(Sternen-)mäntel I67f., I77f., I99, 430; s. a. Mantel Hinkmar, Erzbischof von Reims 90, I94 Hintersassen I4I Hirsch, Paul I95 Hiskias, König I64 »Historia Troiana« 3I4 Hofgeistliche I 35 - kapeile I 35 Hohepriester I65, I So, 430 Holtzmann, Walther 35S »Hort der Kaiserinnen« 2I4 honor 65, S2 Honorius II., Papst (Cadalus von Parma) 4Iof. Hrabanus Maurus I S9, 400 Hrotsvith S3, IS9, I9I, I9S Hugeburc: Vita Willibaldi I9o Hugo, König von Italien 2Io - Capet, König von Frankreich I67, 2I5f. - Candidus, Kardinal 2I4f. Huldigung 42, 62, I24 Humbert von Silva Candida I So idonetts, non-
I7I
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imitatio Christi I So - imperii I63, ISI; Romanorum I So; - sacerdotii I6o, I69, I76f., ISo Imperator Augustus Romanorum I63, I73, 175,
2!2, 427f., 43I imperialis militie magister 289f. ;-palatii- 286, 289 Imperium christianum 427
Ingelheim, Pfalz I4I Innocenz II., Papst I 90, 355 - III., Papst 75, 85 Insignien s. Herrschaftszeichen Interregnum 314 Inthronisation s. Thronsetzung Intitulatio 282 Investitur 43f., 50, 6I, 75ff., 82, 88, I57, I61; geistliche 43, 52 - streit 53, 62, 74, I36, 179f., 370, 42I, 434 Irmgard, Tochter Kaiser Ludwigs II. I97 Isidor von Sevilla 18, 319 Israel (Juden) I64f., 362 Italien, Land und Könige 35, 113f., 120, 127, I3o, IF, I45, I48, 154, I56, 169ff., 173f., 18of., 209, 2I3, 2I6, 219f., 227-32, 235, 238. 253, 263, 278f., 284, 286, 293, 297, 317, 4I3, 415 Iudices, römische 22; - dativi 289 iusticia 26, 65 iustus, rex - 29, 64, 85 Jakobs Söhne I64 Jankuhn, Herbett 14I Jerusalem 367, 412, 422; Königreich- 422 Johann VIII., Papst 291 - XII., Papst 170, 175, 195, 2II - XV. 2rz, 219, 223, 268, 278 - XVI., Gegenpapst, s. Philagathos, Joh. - von Gorze, Reformator 163 Johannes Tzimiskes, byzant. Kaiser 202, 209ff., 240f., 243 - Ostiarios 250, 259, 263, 27I, 274 - Philagathos s. Philagathos Jordan, H. 318 Josephus: Antiquitates 368 Josippon (Pseudo-), angeblich: Flavius Josippus 36o-8 Juden s. Israel Juristenschule in Ravenna 38I, 393, 4IO Justina, Heilige, ihre Reliquien 233f.
Register Kämmerer 57, I 58; päpstlicher- 63 Kärnten, Herzog von 294 Kaisereid 65 - idee 423-37 - krönung 63, I68, 172, 36off., 38off., 388; s. a. Krönung - krone s. Krone - Iaudes I 33 ; s. a. Heilruf - ordo 43, 6off., 64, 8o, 92, 172, 393; »Salischer-« 38o-8; s. a. Ordo - ornat 386f.; s. a. Ornat -ring 387; s. a. Ring - theorie I 76 - titel 2II (s. a. Imperator) - thron 366; s. a. Thron - wahl I62 Kaiserswerth I 37 Kalabrien 203, 223, 270 Kalokyros 222, 251, 260, 262 Kanzlei und Kanzler 209, 296; - für Italien 2I2, 214, 2I7f., 296; s. a. Einzelnamen Kapelle (-ane) s. Hofkapelle Kanonistik I 8 I Kar! der Große, Kaiser 55, I2I, I42, I58f., I6o, I62, I69f., I74f., I77, I8I, 229, 280, 298, 305, 375, 425, 432; »Anerkennung« als Kaiser I 54; Wahl I 58 ;s. a. SteinsitzinAach en; Thron Kar! der Kahle, Kaiser 90, I54, I79, 3II; Krönung Io8, I9I, I97, 428 - ITI., Kaiser 33 f. - IV., Kaiser 84, I42, 435 - V-, Kaiser 3IO - der Einfältige, W estfränk. König 53, 90 Karolinger,- ische Zeit 35, 47, 55, 83, Io8, II 8, I23, I26, I35, I59, I64, I67, I87, 2ozf., 305, 36I, 375, 38I, 385 Kastilien I33, 422f. Kasuistik 26 Katechumenenm esse 385 -öl 43, 73f., I72; s. a. Chrisma, Öl Kehr, Paul F. I37 Kekaumenos, byzant. General 243 ff. Kern, Fritz 54 Kirchenvogt ( advocatus ecclesiae) 443 f. Kleidung, fränkische I 59 Klerus (Kleriker) 56, 63, 67, 70, 79, 82, 84f., 128, I69, J7I, 375 Klewitz, Hans-Walther I38
Kölmel, W. 4II Köln, Stadt und Erzbistum 49, 56, I09, II2, II3f., I22, I3rf., 209 König passim: dejensor, exsecutor, regnator der Kirche 6 5, 83, 8 5 ; protector et defensor 6 5 ; mediator 84, 86; tutor 65; eingeholt 62; befragt 64; alttestamentliches Vorbild 172; pater familias I 6o; - der Burgundionen I32;- und Kirche I 55 Königsbitten 63 - gruß 46 - idee 88 - kanonikat s. Ehren - krone s. Krone - Iitaneien 65 - ordo s. Ordo - ornat s. Ornat - pfalzen s. Pfalzen - prozession 63 - salbung s. Salbung - schmuck I98 - schwert s. Schwert - scrutinium 66 - siege! s. Siegel - theorie 5I - titel 35 f., I26, I6o, I62 - versprechen s. Promissiones - wahl s. Wahl - weihe s. Herrscherweihe - zeichen s. Herrschaftszeichen Königin, deutsche 8o; Salbung 8I Kommendation 52 Konrad I., deutscher König 33 f., 43 f., 55, I09, I23, I35, I 55; Salbung 47 Konrad II., Kaiser 53, 72, 84, II9, I2lff., I25, I28, I32, I37, I63, I65, I95, I97, 237ff., 278, 294, 308, 384f., 433 f.; Bulle 305; König von Burgund I 3I; - von Italien I 27; Kaiserkrönung I27 - III., König 65, 355 - der Rote, Herzog von Lothringen Ioo Konsekrations . Weihe Konstantirr der Große, Kaiser 24, 76, I75, I77f., 279, 384, 426 - VII., Porphyrogenne tos 204f., 2I1, 2I8, 24I - VIII., Kaiser 220, 238ff., 243, 26o - Skieros 24I - Umschrift und Medaillon 3II
Register Konstantinische Fälschung 84, I69, I74, I77, I95, 235 Konstantinopel I27, I75, 202, 2o8, 2IO, 2I2, 2I5,2I7-20,222,235-39,2 53,307;s.a.Byzanz Kontinuität 43 8 ff. Kreuz 63; -im Reichshort I23, I25, 384 Krönung 33f., 43ff., 47ff., 52f., 55, 6z, 66, 70, 72, 75 ff., 82, 86, 88, 108 f., I 12, I I4, II6f., Izoff., I23f., I3off., I7I, 363, 387; s. a. Kaiserkrönung, Salbung, Weihe; angelsächsische 64; lombardische 69; westfränkische 90 - formeln 86, 90; s. a. Ordo - mahl 42, 47ff., 52f., 57, I24, I 58, 387 Krönungsprotokoll, französisches 66 Krone 33, 44, 52, 55, 58, 108, I57, I63, I99, 307; Eiserne - 392; s. a. circulus; Bügel-; Kaiser-(Reichs-)krone 33, 36, I53, I63f., I68, I85, 220, 366 Krumbacher, Kar! 246 Kugel So Kultsprache I 69 Kunigunde, Gemahlin Kaiser Heinrichs II. 8o, I08, II4, II9, I22 Kurie 104f., I8I, 38I, 420; - ialstil I73; s. a. Papst Laien 53 Lambert von Hersfeld I87, I93, I95 Landnahme, fränkische I42 Landulph, Mailänder Chronist 393 Langobardenreich I27 Lantbertus, Biograph Heriberts 300 Lanze I 20, 126, I 57; Heilige - 44, 76, II 5, II7f., I24, I3I, 384; bewimpelte- II7; S. a. Fahne Laudes der Römer 39I; s. a. Heilruf Laurentius, Heiliger II9 »Laus Caesaris Heinrici« des Atto von Monte Cassino (Azelin von Reims) 399-406 Lechfeld, Schlacht auf dem I6of., I64, I69, 203,
42 9 Legisten 424 Lehnrecht,- investitur,- dienst 2I, pf., 55f., 294, 433;- staat I 59; -verband I 50 Lekapenoi, byzant. Kaiserfamilie 24I f. Leo VIII., Papst 393 - Bischof von Vercelli 235, 278, 282, 284, 296f.
453
(Leo) - Verfasser der Alexandervita 362 Leon, Metropolit von Synada, byzant. Gesandter zoo, zzo-33, 235 f., 246-76 Lettin, Rarriet Prat 242 »Libellus« der »Graphia« 3I4, 3I7, 338-53, 359, 372-8 Liber censuum 354 - glossarum I 8 - polypticus s. Benedikt - pontificalis 4I 3 Limburg, Evangeliar des Klosters 3I I Liturgie, abendländische I04, I6o, 2I3 Liudolf, Sohn Ottos I., Herzog von Schwaben 67, I6o, I69 - Erzbischof von Trier n6 Liudprand, Bischof von Cremona I85, 193 f., I97, 199f., 208, 219, 23 I, 250, z88, 295, 430 Lobbes, Annalen 22, Io6f. Lobwort: Decus imperii 305-7 Logothet, byzant. u. abendl. Titel 136, 293, 295 f., 297 Lohmann, H. E. 195 Lombarden I2I, 395 Lorum 431 Lotbar III., Kaiser 65 - König von Frankreich 283 - König von Italien 209 Lotbar-Kreuz I77 Lothringen, -ger 55, II6, II8ff., 122, 126, 155, 407 Louis Philippe, König von Frankreich 154 Ludwig der Fromme, Kaiser 33, Io8, I42, 170, I73, I97· 427 - der Deutsche, König 33 - II., Kaiser I98, 208, 305 - IV., das Kind, König 33, 43 - IV. Transmarinus, westfränk. König 90 Lüttich, Bischof Wazo von 74 Lullus, Raimundus 422 Luther, Martin 44I f. Maastricht I 30 Magdeburg, Annalen I93 - Erzbischof 83 Magister imperialis mi!itie 287, 289ff.; - palatii 286, 289 Magna Charta 87
454
Register
Mahl s. Krönungsmahl Mai, Angele I 9 Mailand, Stadt und Erzbistum III, 127, 236, 385, 392; Tebald von 4I2 Mainz, Stadt und Erzbistum 33, 43, 45, 47, 49, 56, 62, 69, 7rf., ro9f., II2, rr4-22, I24, I3I, 135, I72, 214; Sakramentar 93; s. a. Pontificale und Einzelnamen Makrokosmos 26 Malaterra, Gaufredus 404 Manegold von Lauterbach 409 »Mandatum«, angelsächsisches 64 Manitius, Max 395 Mantel (Königs-, Kaiser-) 44, 47, 63, 75, 77, I23, I57, 372f., 426; grüner - des Patricius 374, 387, 39I; s. a. Himmels-; clamis, pallium Manumissio I2I, I56f. Marine, römische im MA. 288 Marschall 57 Martin von Troppau 315f., 320, 325, 333, 359 Mattinsaltar im Mainzer Dom I I6 Mathilde, Gattin König Heinrichs I. 34, 36, 79 - von England, Gemahlin Kaiser Heinrichs V. I96, 420 - Gräfin von Tuszien 4I2, 4I5-I9 Matrimonialunion I6r Mauritius, Heiliger I 72, 385 Mayer, Hans-Eberhard 422 - Theodor 140 Meinhard von Bamberg I96 Megas domestikön 293 Meißen, Markgraf von II4 Meril, E. du 4oo Merowinger I38, 426 Merseburg rr8, 30I Methodios, Patrikios 250, 267, 270 Metz, Peter 309ff., 3I2 Meyer von Knonau, G. 420 Miccinus, Gregorius, römischer Großer 287 Michael, Magister 250, 264, 274 Mikrokosmos 26 Mi!ites in Italien 2Iff., 25 Militie imperia!is magister 289 f. Ministri 282 Mirabi!ia urbis Romae 3I5, 317f., 322-38, 353, 355f., 359, 393 missi I37 Mission, christliche I 62
Mitherrschaft (-könig) 35, 69, 85, 9I, Irzf., Iz8, I3I Mitra r64f., I67, I99, 374, 387,430, 436; s. a. Hohepriester, Krone Monza 392 Moritz, H. 24I Müller-Christensen, Sigrid r 67 München 2I3 Mundschenk I58 Munt 35, 46 Myron, Geistlicher 250, 267, 276 Mystagogie 104-7 Nagel Christi 76, rr 7 Napoleon I., Kaiser 44of. nationes 176 Neapel, Stadt und Herzog 203, 216, 393 neptis 24I Nikephoros Phokas, byzant. Kaiser 202, 204, 206, 209, 23 I Nikolaus, Heiliger 213 - I., Papst 23 I, 428 Nilus, Heiliger 232 nomen imperatoris 426 Nonantola 2I5 non idoneus I 7 I Norddeutscher Bund 440 Nordenfalk, C. 309 Normannen 239f., 410 »Normannischer Anonymus« 84, 86 »Notae de Mathi!da Comitissa« 4I 5-I9 Notker Balbulus, Mönch von St. Gallen I 58, I90, 298f. Nürnberg I 66; Handschrift Konrads II. 308ff. übermann, Dr. (Hamburg) 36I, 363 Oblationar, päpstlicher 292 occupatio 2 8 Odilo, Abt von Cluny 217, 280 Odo, westfränk. König, Thronbesteigung (888) 53 - Abt von Cluny 28 Öl 43, 72ff.; s. a. Chrisma, KatechumenenÖsterreich-Ungarn 438 ojftcium 82 Ohnsorge, Werner 242, 3o6f. Oppermann, Otto I29
Register »Orb« (Reichsapfel) 78 orbisterrarum 222 Ordo (-dines) 40, 43, 47, 59f., 62, 67, 70, 76f., 79, 8If., 84f., 88, 9I, rr5, II8f., I32f., I68f., !73 f., I 79, I8z, 380, 38 3; s. a. das vorstehende Textverzeichnis - Angelsächsischer 70, So, I33 - Bur gundiseher I 33 - Cencius II 289 - coronationis (»Salischer«) 382-8, 392; s. a. Benzo - für die Kaiserkrönung 172, I8I-5, 285 - für die Königin 79, 85, Iozf. - »frühdeutscher« 44, 59, 6I, 73, 76, 78, 87-90, 92f. - »der Sieben Formeln« 44, 59, 6I, 90-3 - Fulrads 69 - Leefries 9 I - Lombardischer 9I - »Mainzer« 40,43 ff., so, 54, 59-64, 69f., 75 ff., 8of., 83, 86f., 90, 92f., Io8f., III, rr3, II6, rr8, I23, I28, I3o, Ipff. - Romanus VI I 72, I 89; s. a. Benedikt -, »Salischer« s. - coronationis -, »\1.'/estfränkischer« 44f., 59, 64, 70, 73, 75 f., So, 88, 9of., 382 Ordofio II., König von Kastilien, Krönung 108 Orient, Alter I47, I67 ornamentum I93 Ornat, weltliches und geistliches I67f., I85, I93, I95; s. a. Gewandung, Kaiserornatus I85-93, I98f. Orthodoxe Kirche I05 Ostfranken(reich) 33, 47; s. a. Franken Ostia, Bischof von I72 Ostrogorsky, Georg 241 Otranto 235 Otto I., der Große, Kaiser I<), 34-7, 42, 45, 47ff., jlff., 55ff., 6o, 62, 66ff., Szf., 87f., IIO, II2, II9, I24, Iz6, I28, I35f., Ij3, IjjL, I6off., I67, qof., I7jf., 178, I8o, I95, I98f., 20I-4, 206, 208, zrof., 216, 2I8f., 227, 287, 306, 36of., 384, 386, 429; Königskrönung 33, jO, j2, 54, 9I, Ij3, Ijj, I57, !72; Kaiserbulle I73; -krönung 87, I54, I69f., I72f., I99; Kapelle I63; magnus rex r63; Titel 173; Vorbilder 169
45 5
Otto II., Kaiser 68, 71, 79, 112, 128, I3I, 136, r67, r69, I75, I78, 201, 204, 206, 209, zrrf., 2I4ff., 2I9, 234, 242, 244, 306; coimperator 174; Krönung 40, 70, ro6, Io8, II5; Siegel 123 Otto III., Kaiser 87, rrzff., rzof., I23, Iz8, I36f., 167, I76-8o, 193, 200, 204f., 214f., 2I7-20, 224f., 227ff., 23rf., 234-40, 242f., 246, 250, 2j2f., 25 5, 257, 259, 266, 277f., 282-92, 295 ff., 298, 300, 306, 309, 3II, 313, 37I, 373, 421, 431ff.; Bulle 177,235; Evangeliar 23 r; Stab 280; »byzant.« Hofstaat 226, 277, 28of.; s. a. servus Otto, Bischof von Freising 30I, 356, 4I5 -, Graf von Lomello, Pfalzgraf 293 -· von St. Blasien, Chronist 192 »Ottonianum«, ausgestellt für den Papst 87; s. a. Pakte Ozanam,A.F. 3I5, 3I8 Pakte, karolingische 87, I73, q8; s. a. Ottonianum Palatii imperia!is magiJter 286, 289 f. pallium = clamis 44, I 22; - geld 300; s. a. Mantel Panegyrik, literarische 3o 5 Papencordt, F. 3I 8 Papias, Glossarium des 395-8 Papst(tum) 34, 85, ro4, 122, 153, 161, 17off., 179ff., 2I9, 234, 237, 259, 272, 279, 300, 363, 376ff., 38o, 385, 4I3, 436; Reform 378; Titel z6o; -wahl 370, 373, 375, 377, 379; -wahldekret 412; -weihe 157, I72; Finanzen 287 Parthey, G. 318 Patmos, Codex von 247ff. Patricius Romanerum 29rf., 369ff., 37I ff., 375 ff., 383, 387; Mantel 374, 387, 391; Rechte 379; s. a. Crescentius Paulinus, Bischof von Pozzuoli 358 Paul von Bernried 412 Paulus Diaconus, Chronist I88, 191, 314 Pavia rr4, 12of., 127, zzi, 283f., 413; Petcrskloster 121 pax 65 Pendilien an der Krone 165; s. a. Krone »Personalunion« 121, 127, 132, 161, 171, 179, 2 97
Register Personifikation I 76 Pertz, Georg Heinrich 314, 399 Peterlingen, Kloster I 32 »Petitio« 66 Petros, Spathar 243, 245 Petrus Crassus, Jurist in Ravenna 376 - Diaconus, Mönch in Monte Cassino 403 f. Petry, Ludwig I42 Petscheuegen 367 Petschenig, M. 305 Pfalzen I35, I39f., 14off., 148; Pfalzstifte
137 Pfalzgrafen in Italien und in Rom 286, 294 - richter in Rom 22, 289, 295 Philagathos, Johannes = Johann XVI., Gegenpapst 214, 216-27, 231-4, 245, 251-4, 256f., 259-63, 266, 269, 272, 282 Phrygius, Dares, Geschichtsschr eiber 314 Piacenza, Bistum 216, 2 33 Pilgrim, Erzbischof von Köln 125, 128
pilla 386 Pippin, fränkischer König 55, 42 5 Plessner, Martin 367 Pöhlde, Pfalz im Harz 141 Polen 176, q8, 236, zn, 294, 432, 435 »Polypticum« des Atto von Vercelli 18-29 Pontelungo bei Pavia I21 Pontieri, Ernesto 404 (auch Romano-Germa nicum« »Pontificale »Mainzer« P., »Ottonisches P.) 6o, 8o, u3, n6, I68, 172, 182, 38o; s. a. Ordo, Mainzer popu!us 37, 39, 45 f., so, 69; s. a, Volk Porto, Bischof von I72 Posse, Otto 305 potestas 433 f. Praejecti uava!es 28 8 f. Praejectus urbi s. Stadtpräfekt Priesterehen I 8o Primicerius 217, 282 Primogenitur 15 5 prinr:eps 62, 156 Prinz, Otto I86 professio 64f. Promissio ( nes) 64 ff. Proskynese 214 Protospathar 12I, 293 f. - vestiar 217 Prozession, geistliche und weltliche 63
Pseudo-Areopa gita 105 - J osephus s. J osippon Quedlinburg, Annalen 253 Querbügel s. Bügelkrone Rainald, Bischof von Corno 413 - von Dassel, Kanzler, Erzb. von Köln 196 Rather, Bischof von Verona 163, 295 Rauch, A. (Pseud.: Henry Benrath) 241 -, Chr. I42 Ravenna, Stadt und Erzbistum 33, 113, 196, 208, 216, 237, 279; Juristenschule 381, 393, 410 Recht passim; Besteuerungs- 148; Kirchliches82, I8o; Römisches- 83, 4Io, 433; Sächsisches- I 26; -mange! 120; -sprache I 57; -zeichen 294; s. a. GewohnheitsReform der Kirche und der Kurie I8I, 240, 369, 379 Regensburg 19I regnum 35f., 38, 56, 58, 69, 74, 76, 82, 87, I2I, I59f., I68; - Baiowariorum 37; - Italicum II3f., 12I;- Teutonicomm 33f., 36, 49, 55, 1I3, Ij8f. »Reich, Deutsches« (Neues -) 438, 440 Reichenau, Kloster 35f. Reichenhall 37 Reichsapfel 77, I23, I79, 307, 366, 386, 43of., 433; s. a. Orb »Reichsbeamte« 57 Reichsbezirk (Werla-Goslar) I4o; »-saal« (Ingelheim) 142 Reichshort I 66 - kreuz 123, I25, 384 - krone I53, I63f., I68, I85, 429; (s. a. Bügel, Mitra, Pendilien) - reliquie (Hlg. Lanze) s. Lanze - volk I7I Reimprosa I 33 Reims 7I, 91, 108, I I I; s. a. Hinkmar Reliquien(-are) Iq, I2j, 2Ij, 233f., 385 Renaissance 280, 359 Renger-Patsch, A. I46 Renovatio imperii Romanorum 86, 177, 179, 23I, 235, 279f., 313, ns, 432 - regni Franeorum I73, 178 responsio 66
Register
reve!atio = »Enthüllung« 53 f. Revolutionen 43S rex Franeorum et Langobardorum (bzw. Ita!icorum) 16 I ; - Romanorum 431 - iustus 29, 64, S5 Rhocas, Sophia, Schwägerin des Kaisers Joh. Tzimiskes 241 »Richterlisten«, römische 2Sr, 3I7, 357, 359 Rieger, P. 361, 363 Ring 44, 75, 77, So, 372f., 3S7 Robert, westfränk. Gegenkönig (922) 9I - König von Frankreich 205, 226, 239 - Erzbischof von Trier IIo Roger von Wendower, Chronist I92 Rom (politisch) passim; Haupt der Welt 175; Adel 2S4, 412; Parteien 369; Regionen 29I; Schulen 3S6; Volk 377; Verfassung 2S3 Rom (geographisch) : San Alessio 12 3 ; San Angelo, Kastell (Engelsburg) 232, 4II, 4I9; Palatin 23 5; Bibi. Hertziana I45 f.; Lateran 3S6; S. Maria Maggiare 4I2; St. Peter (und Altar) II3, 123, 172, 3S5; Ponte di Adriano 4I2;- Mammolo 420 Rom und Römer des Altertums 14S, 219, 278, 314, 356, 361, 37S; s. a. Antike Roma 23 r, 306, 395 - Nova (Konstantinopel) 23 I Romanos II., byzant. Kaiser 204, 2II, 24rf. - III., byzant. Kaiser 237 Romuald von Camaldoli 2So Rostagno, E. 314 Rudolf, westfränk. Gegenkönig (923) 19, 91,301 - von Rheinfelden, deutscher Gegenkönig 409 »Rückgabe an Gott« 123 Rüdt von Collenberg, Graf W. H. 240 Rußland, Großfürst Wladimir 204 rusticitas, sächsische 229 Ryccardus de S. Germano 196 Sacerdotium 74, S2, r6S Sacharja (Zakhariga) ben Sa'id aus dem Jemen 361 Sachsen, die Sachsen und Dynastie 3I, ;4, 37-39, 51, 76, 106, II7, 120, 126, 135f., I5J, 153, 155, I6o, 17S, rSo, 203, 2I3, 222, 29Sf., 42S ff. - spiegel 65
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Sacramentarium, Gelasianum 93 -, Gregorianum 63, 79, 93 -, Pippinisches 74 Sacrum palatium 2S6f. Sage, Walter I42 Sahl Dunaschben Tamim 36I Saint-Vaast, Kloster 69 Sakkelion, Alkibiades G. 246ff., 25of. Salbung 33, 43, 47, 50, 52f., 55 ff., 62f., 66, 7rf., 75, SS, 109ff., II6, uof., 133, qrf., 3S7, 425; - der Brust 73; - Pippins 73;- der Königin So; s. a. Herrscherweihe Salerno 203 Salier (Salische Kaiser) rSo, 303, 375, 433f.; s. a. Einzelnamen Sallust 314 Samuel, Bulgarenzar 237 St. Alban, Kloster (bei Mainz) Go, 132, r6S St. Denis (bei Paris) I90 St. Maximin (Trier) 315; s. a. Saint-V aast Sarazenen r I2, 2SS Schäfer, Dietrich S2 »Schauspiel«, politisches I 5S Scheffel, J. V. v. 239 Scheinämter 2SI, 297; -wahl 55 Schenk (Mundschenk) 57 Schiffe (Rom) 2S8 Schilderhebung I 57 Schlesinger, Walter I39 Schlumberger, Gustave 246 Schmale, Pranz-Josef 406 Schmid, Kar! 35 f., 3S Schneider, Fedor 2SI, 291, 376 Scholastik 26, 1Sof. Schuchhardt, Carl 141 Schultz, J. 19 Schutz der Witwen und Waisen 76 Schwaben 36, 55, II4f., II9, 140,155 Schwäbisch-Hall 433 Schwarz, Heinrich Matthias 146 Schwarzrheindorf 433 Schwert 44f., 75ff., S2, 121, 157, 294, 364ff., 367, 3S6; -gürtung 45, 76f.; -träger qo, 294; s. a. Spataferius (-arius) Schwur 65; -geste 46 Scrutinium 66 Secreti 2S2 »Seepräfekt« 2S6, 2SS f.
Register Seldschuken 24 7 Senat, Römischer z8z, 2S8, 354, 375 Senatoren, zwölf I04 Seneschall I 5S »Senior« I 5S f., 42S Sens, Kirche von 9I, 97 Sergius, päpstlicher Pfalzgraf 2S5 »Servus apostolorum« 17S, 279, 432; - ]esu Christi 279, 432 Sicco, Freund der Ottonen I 66 Siebenzahl 74, I07, 3S5 Siegel 36, So, 132, 36S; s. a. Bullen Sieg und Heil I7I; s. a. Heilruf »Siete Partidas«, Rechtsbuch 423 f. Sigma, antike Liegebank 177 Signifer, italienischer I 32 Silvester I., Papst 17S, 432 - TI., s. Gerbert Simonie ISo Sisinnios, Patriarch von Konstantinopel 222, 250, 256, z6S Sizilien I33, 203, 270, zSS Skleroi, byzant. Geschlecht 240, 243 »Skythen« 226 Slawen I6o, 225 ff., 229, 27S Soest 433 Solothurn, Hoftag in (Io3S) I32 Spangen s. Armspangen Spanien 77 Spataferius (-arius) 244, 293 f.; s. a. Schwertträger Spes imperii 305-7; - vitae 307 Spoleto zzo, 226 Spolium 63 Sporen, goldene 3S7 Sprater, Fr. I S5 »Staat« 55f., 12S, I59 »Staatssymbolik« 57, I 53 f., I 57-6o, I6S f., 176 Stab 44, 75, 77f., So, I 57, 3S6; Mainzer -forme! 7S; Gerichts- 77; s. a. bacu!us, Szepter Stadtplan, Römischer 35S Stadtpräfekt ( Praefectus urbi) z84ff., 2S9 Stammesherzöge s. Herzöge Staufer (Staufische Kaiser) I4I, I43, I45, r63, I So, 433 f. Steigbügeldienst 65 Stein, Ernst 24I
Steinen, Wolfram von den 29S, 300 Steinschneider, Moritz 361 Steinsitz Karls d. Gr. 49, 51, 56f., 157; s. a. Thron Stenge!, Edmund E. 40 Stephan, Vater des Cencius 4II - byzant. Mönch 250, 26o, 272 Sternenmantel s. HimmelsJ"tirpJ regia 122, I 56, 409 Strecker, Kar! 400 Stuhlsetzung s. ThronStutz, Ulrich 115, 122 Süditalien r67, zrrff., 216, 235f., 23S, 253f., z66, 367 Sutri, Synode (Io46) 369, 434 Symbolik I 34; s. a. StaatsSynkellos 249 Syrien 21S Szepter 44, 75, 77f., I 57, r6r, 307, 386, 391; Holz- 366; s. a. Stab Tarent, Belagerung von 212 Taroniten, armenische Familie 242 Taufe 73 Tedald, Erzbischof von Mailand 412 Tedeum 45, 70, 79; s. a. Heilruf Teilungen, karolingische 55, 427f.; -prinzip 36, I 55 Testament, Altes 25, 73, 164f., 167, I73, rS7, 425, 430 Teutonia 33; s. a. regnum Thangmar, Biograph Bernwards 187 Theophanu, Kaiserin 8o, 204f., 209ff., 2I3-6, zr8, 228, 234, 24o-3, 277, 309 Theophylact, Stammvater der Alberiebe 287, 291 Thietmar, Bischof von Merseburg 70, 8o, 104, rzo, Iz6, I36, 177, 187, r89, 194,204, zoG, 209, 217, 292, 294 Thron 47, 49ff., 56, 79, 82, 12of., 123, 13of., 157, 159, 209; apostolischer- 223, 370; -besteigung 33, 129; s. a. cathedra, Steinsitz Karls d. Gr. Thronsetzung (Stuhl-, Inthronisation) 42, 47ff. j1, 53, 56, 65, 68f., 75, 79, 85, I10, II6f., 124, I29, 130, 132, 157, 410; kirchliche- 79 Thüringer I I 9 Tilleda, Pfalz im Harz I4I
Register Titel I77, 202, 278, 282-7, 289, 29I-4, 296f., 3o6f., 37I, 375; byzant. - 2I7, 294, 297; irreguläre- 282; s. a. die Einzeltitel Toskana 22o; s. a. Mathilde Tracht, fränkische 47; byzantinische 428 Tradition 51, I56, 379, 392; antike (römische) - I7I, I79, 37I, 386; byzantinische zzi, 293; christlich-karolingische 34, 52, I 57, I 59, I73, I77; germanische- 53, I62; geistliche- 50 Treue 49, 70; -eid 2I, 42, 56 Trier, Stadt und Erzbistum 56, 109, II6, I90, 3IO Troppau s. Martin von T. Truchseß 57, I58 Tudela, Benjamin von 362 Tuskulanen, römisches Geschlecht 287, 372f., 378 l)'jJUs ChriJti I04, 43 I t_yrannus 29, 54 Tzimiskes s. Johannes -, Kaiser Uhlirz, Mathilde 24d. »Umritt« durch das Reich 35, I3o, 385 Ungarn 55, I6If., 176,178, 2ozf., 236f., 277,367 Unterkanzlerschaft für Italien 297 Unter könige, karolingische I 6 I urbs regia 2 36 Urkunden, stadtrömische 4I I - sprache I 29 Urlichs, C. L. 3I 8 Valentini, R. 3I8, 320 Vassiliev, A. A. 242 Vegetius, römischer Autor 3I4 Veit, Heiliger I64 Venedig 203; Doge 237, 293 Verona, Reichstag zu I I 2 V ersailles 442 Versippung 2IO, 4II Verwaltung, päpstliche 29 I; s. a. Einzeltitel Vestarar, päpstlicher 286f., 29I »Vicarius« 376; Papst als- Christi 85; Bischof als - Christi 82 f. Victor II., Papst 408 f. Virgilius Maro Grammaticus, Ire I8 Vita Alexandri Magni 362 - Brunonis Colon. 70 - Chuonradi s. Wipo - Heinrici IV. 420
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(Vita) - Heriberts von Köln 300 - Mathildis reginae 243 Vogel, Cyrille Gof., 87, I8I Vogelstein, H. 36If. Volk 25, 47, 52f., 56, 65f., 70, 84f., I69, 366, 375; Befragung 67; -autorität 409; s. a. popu!UJ Vollwort s. Collaudatio Vorhof im Aachener Münster 49 »Vorwahl« 37f. Waas, Adolf 420 Waffen 63 Wahl 34, 37, 42, 45ff., 5o, pf., 56, 58, 62, 65, 68, II4f., II7, I2I-4, I27f., I39, I55, 376; in Frankreich 7I; Kaiser- I62 - prinzip 70,128, I3I, I69 -recht 53f., 42I - ansprüche I57 - anteile 67 - hilfe II8 - Ieiter 67, 69, 7I, II6, 127 »Wählerschaft« 7I, II9 Waitz, Georg 59, 30I, 408 Walafrid Strabo I 88, 305 Wandlung, sakramentale 75 Wattenbach, Wilhelm 246 Wazo, Bischof von Lüttich 74 Weihe, kirchliche (Konsekration) 42, 47, 55, Sz, 375;- ansprüche I 58; s. a. Salbung Weihrauchfässer 63 Wellhausen, Julius 36I Weltenmantel s. Himmels»Weltspiegel« des Atto von Vercelli I7, 27 Weda, Pfalz I4I Westfranken, -reich 33, 43 ff., 55 f., 6r, 64, 77, So, 113, II8 Wibert s. Clemens III., Papst Widmungsbild 23I Widukind, Sachsenherzog 40, 159 - von Corvey, Geschichtsschreiber 37-4I,43ff., 46, 49, 52, Go, 64, 68, 70, 73,75 ff., 79, 8I, IIO, 113, I57, I62, 176, I93, 202, 243, 306,429 Wien I53, I66; Schatzkammer I23 Wildenbruch, Ernst von 42I Wilhelm, Erzbischof von Mainz 82, 107, no, I64, 431
Register Will, Cornelius 200 Willemsen, C. A. 145 f. Willigis, Erzbischof von Mainz So, II1-7, II9, 131, 136, 278 Wilmann, R. 288 Wimpfen, Pfalz 143 f. Wipo, Kaplan Konrads II. 72, 84, 122, 124, 126, 129, 306, 402 Witwen und Waisen 85; Wittum 35 Wladimir, Großfürst von Rußland 204 Worms 69, 79, II4f.; Konkordat 420, 433; Wahl in - 67f., 71, 112; Synode 413 Würdezeichen
373, 376
Zakhariga s. Sacharja Zeichen, heilige 76 Zepter s. Szepter Zerimonienbuch, byzantinisches 163 Ziazo (Zazo, Zazzus), Patricius 2.92. Zirkel s. circulus Zisterzienser, Baukunst der 147 Zodiakus 164 Zucchetti, G. 318 Zuruf bei der Königswahl 12. 5 ; s. a. Heilruf Zweigewaltenlehre 83, 168, q8 Zwentibold, Sohn Kaiser Arnulfs, König von Lotharingien 33, 37 Zypern 161, 435