Springer-Lehrbuch
N. Maass B. Schiessl
Gynäkologie und Geburtshilfe IN 5 TAGEN Unter Mitarbeit von D. Bauerschlag, U...
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Springer-Lehrbuch
N. Maass B. Schiessl
Gynäkologie und Geburtshilfe IN 5 TAGEN Unter Mitarbeit von D. Bauerschlag, U. Heindrichs, R. Kirschner-Hermanns, I. Meinhold-Heerlein, L. Najjari, J. Neulen, T. Papathemelis, V. Perlitz, D. Piroth, B. Rösing, S. Trepels-Kottek, M. Wölfler
123
Prof. Dr. med. Nicolai Maass Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Barbara Schiessl Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
ISBN 978-3-642-20409-8 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Christine Ströhla, Heidelberg Projektmanagement: Axel Treiber, Heidelberg Lektorat: Susanne Meinrenken, Bremen Titelbild: Sonja Werner, Köln Layout und Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH – Reinhold Schöberl, Würzburg SPIN 80011415 Gedruckt auf säurefreiem Papier
15/2117 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort Eine optimale Prüfungsvorbereitung in den Fächern Gynäkologie und Geburtshilfe in 5 Tagen erscheint auf den ersten Blick fast unmöglich. Nach dem Vorbild anderer in dieser Reihe bereits erschienener Werke behandelt das vorliegende Buch in komprimierter Form sämtliche prüfungsrelevanten Themen der Frauenheilkunde, die es in 5 Tagen zu erlernen gilt. Dieses Buch dient als Ergänzung zu umfassenden Standardwerken, kann jedoch neben einer kurzfristigen Prüfungsvorbereitung auch im Rahmen von Praktika und Famulaturen als übersichtliches und informatives Nachschlagewerk genutzt werden. Die einzelnen Kapitel wurden größtenteils von Spezialisten ihres jeweiligen Fachgebiets verfasst. Die Beiträge fügen sich jedoch zu einem einheitlichen und kohärenten Werk zusammen. Unser Dank gilt deshalb allen an diesem Buch beteiligten Beitragsautoren sowie den Mitarbeitern des Springer Verlages. Aachen, im Sommer 2011
N. Maass B. Schiessl
VII
Inhaltsverzeichnis 6
Gynäkologische Erkrankungen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Adoleszenten mit Handlungsbedarf . . . . . . . . . . . .
84
6.1 6.2
Erkrankungen in verschiedenen Altersgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Pubertät . . . . . . . . . . . .
85 86
7
Kontrazeption . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
7.1 7.2 7.3
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hormonelle Wirkstoffe . . . . . . . . . . . . Andere Kontrazeptiva . . . . . . . . . . . . .
90 90 91
8
Hormonersatztherapie . . . . . . . . . . .
93
8.1 8.2
Menopause . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klimakterische Beschwerden . . . . . . . .
94 94
Tag 1 – Allgemeine Gynäkologie 1
Allgemeine Gynäkologie . . . . . . . . .
1.1 1.2 1.3
Entzündliche Erkrankungen . . . . . . Erkrankungen der Brust . . . . . . . . . Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva und der Vagina . . . . . . . . . . . . . . Endometriose . . . . . . . . . . . . . . .
1.4
. . . . . .
. . . . . .
1 2 10
17 24
Tag 2 – Gynäkologische Onkologie, Lageveränderung des Genitals und Harninkontinenz, Gynäkologische Endokrinologie 2
Gynäkologische Onkologie . . . . . . . .
27
9
Gynäkologische Psychosomatik . . . .
96
2.1 2.2 2.3 2.4
Maligne Tumore des Uterus . . . . . . . . . Maligne Tumore der Eileiter und Eierstöcke Das Vulvakarzinom und seine Vorstufen . Maligne Tumore der Mamma . . . . . . . .
28 36 40 44
9.1 9.2 9.3 9.4
97 97 98
3
Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2
Descensus genitalis . . . . . . . . . . . . . . Funktionsstörungen des unteren Harntrakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
9.6 9.7
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . Ausgangssituation . . . . . . . . . . Ätiopathogenese – Entstehungszusammenhänge . . . . . . . . . . . Psychosomatisch-gynäkologische Simultandiagnostik . . . . . . . . . Abwehranalyse . . . . . . . . . . . . Traumatisierung . . . . . . . . . . . .
10
Notfälle in der Gynäkologie . . . . . . . 105
4
Gynäkologische Endokrinologie . . . .
68
4.1 4.2 4.3 4.4
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Initiale Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . Ovarialinsuffizienz . . . . . . . . . . . . . . Störungen der Menstruationsblutungen
69 69 70 74
10.1 10.2 10.3 10.4 10.5
Extrauterine Gravidität . . . . Ovarialtorsion (Stieldrehung) Ovarialzystenruptur . . . . . . Tuboovarialabszess . . . . . . Genitale Blutungen . . . . . .
11
Frühschwangerschaft . . . . . . . . . . . . 115
. . . .
9.5 55
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . 101 . . . . . 101 . . . . . 102 . . . . . 103
62
Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
106 107 108 109 111
11.1 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 11.2 Schwangerschaftsdauer . . . . . . . . . . . 118 11.3 Pathologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
5
Prinzipien der Kinderwunschbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
12
5.1 5.2 5.3
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Basisdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 79
12.1 Mutterschaftsrichtlinien . . . . . . . . . . . . 121 12.2 Durchführung der Schwangerenvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
Schwangerenvorsorge . . . . . . . . . . . 120
VIII
Inhaltsverzeichnis
12.3 Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 12.4 Invasive Pränataldiagnostik . . . . . . . . . 128 12.5 Gemini (Mo-Mo, Mo-Di, Di-Di) . . . . . . . . 130
Tag 4 – Schwangerschaftspathologien 13
Schwangerschaftspathologien . . . . . 133
13.1 Schwangerschaft und Diabetes . . . . . . . 13.2 Venöse Thromboembolie und Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/ Präeklampsie/HELLP . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Intrauteriner Fruchttod . . . . . . . . . . . . 13.6 Intrauterine Wachstumsrestriktion, »small for gestational age« . . . . . . . . . . 13.7 Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.8 Maternale Erkrankungen . . . . . . . . . . .
Tag 5 – Geburt 14
Geburt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
14.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3 Wochenbett . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Das Neugeborene . . . . . . . . . . . . .
. . 200 . . 211 . . 216 . . 225
135 139 141 147 153 156 158 181
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . 233
IX
Autorenverzeichnis Dr. med. Dirk Bauerschlag
Dr. med. Volker Perlitz
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Uwe Heindrichs
Dr. med. Daniela Piroth
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
PD Dr. med. Ruth Kirschner-Hermanns
Dr. med. Benjamin Rösing
Interdisziplinärer Bereich Urologie, Gynäkologie und Allgemeinchirurgie RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
PD Dr. med. Ivo Meinold-Heerlein
Prof. Dr. med. Barbara Schiessl
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Laila Najjari
Dr. med. Sonja Trepels-Kottek
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Sektion Neonatologie und Kinderintensivmedizin RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Prof. Dr. med. Joseph Neulen
Dr. med. Monika Wölfler
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
Dr. med. Thomas Papathemelis
Universitäts-Frauenklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe RWTH Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen
1 Tag 1 –Allgemeine Gynäkologie
1 Allgemeine Gynäkologie 1.1
Entzündliche Erkrankungen – 2 T. Papathemelis
1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4
Erkrankungen der Vulva – 2 Erkrankungen der Vagina – 6 Erkrankungen des Uterus – 8 Erkrankungen der Adnexe – 9
1.2
Erkrankungen der Brust – 10 U. Heindrichs
1.2.1 Entzündliche Erkrankungen der Brust – 10 1.2.2 Gutartige Erkrankungen der Mamma – 12 1.2.3 Gutartige Tumore – 15
1.3
Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva und der Vagina – 17 D. Bauerschlag
1.3.1 Gutartige Erkrankungen des Uterus – 17 1.3.2 Gutartige Erkrankungen der Eileiter und der Eierstöcke – 20 1.3.3 Gutartige Erkrankungen der Vulva und der Vagina – 22
1.4
Endometriose – 24 M. Wölfer
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_1, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
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1
Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Eigene Notizen
1.1
Entzündliche Erkrankungen T. Papathemelis
Infektionskrankheiten des weiblichen Genitale sind aufgrund der Häufigkeit des Auftretens ein wichtiger Bestandteil jeder gynäkologischen Sprechstunde. Nahezu jede Frau erleidet im Laufe ihres Lebens zumindest einmal Beschwerden, die auf eine genitale Infektion zurückzuführen sind, wobei diverse Einteilungen existieren. So kann man zum einen diese Erkrankungen nach anatomischer Lokalisation klassifizieren: 4 Vulvitis 4 Kolpitis 4 Zervizitis 4 Endo(myo)metritis 4 Salpingitis/Oophoritis 4 Pelveoperitonitis bis zur Perihepatitis (Fitz-Hughes-Curtis-Syndrom) 4 Sepsis Entzündliche Veränderungen des weiblichen Genitale können eine Teilerscheinung einer dermatologischen oder einer systemischen Erkrankung sein. Des Weiteren unterscheidet man entzündliche weibliche Erkrankungen je nach Ätiologie und Pathogenese in aszendierende und deszendierende Infektionen, je nach Primäraffektion in endogen (Östrogenmangel, Diabetes mellitus, Allergie) und exogen (Medikamente, Noxen, mangelnde Hygiene, IUD [intrauterine device], frühzeitige Kohabitarche und Promiskuität) verursacht. In Abhängigkeit von der Zeitachse kann der Verlauf akut, subakut oder chronisch sein. In den letzten Jahrzehnten ist eine Verschiebung der Prävalenz bestimmter gynäkologischer Infektionen eingetreten. So gehören der auf eine Syphilis zurückzuführende Primäraffekt oder die Genitaltuberkulose mittlerweile zu Raritäten im europäischen Raum. Außerdem bestimmen lokoregionale Unterschiede die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Erkrankungen, so treten z.B. das Lymphogranuloma venereum und das Granuloma inguinale selten in unseren Breitengraden auf. 1.1.1
Erkrankungen der Vulva
Entzündliche Erkrankungen der Vulva und des Introitus bezeichnet man als Vulvitis. Trotz multifaktorieller Genese, auf die wir im weiteren Verlauf eingehen werden, existiert eine nahezu einheitliche klinische Manifestation mit Pruritus, brennenden Schmerzen, Schwellung, Rötung, Fluor, Dysurie, Dyspareunie, gelegentlich auch in Kombination mit schmerzhafter Schwellung der inguinalen Lymphknoten.
Mykotische Vulvitis Unter einer mykotischen Vulvitis versteht man eine Infektion mit Sprosspilzen der Gattung Candida. Überwiegend wird eine mykotische Vulvitis durch Candida albicans ausgelöst, seltener wird Candida glabrata nachgewiesen.
3 1.1 · Entzündliche Erkrankungen
Diagnostik Zur Diagnostik ist die Inspektion des äußeren Genitale essenziell. Charakteristisch sind ein weiß-krümeliger Ausfluss, rasenartige Beläge am Introitus und oft eine erythematös veränderte, mit weißlichen Auflagerungen versehene Scheidenhaut. Im Nativpräparat sind bei ausgeprägter Pilzbesiedlung Sprosszellen und Pilzhyphen nachweisbar, allerdings berechtigt ein negatives Ergebnis im Nativpräparat nicht zur Annahme, dass keine Pilzinfektion vorliegt. Diesbezüglich sollte bei entsprechendem klinischem Verdacht eine Pilzkultur mit selektiven Nährböden angelegt werden.
Therapie Die Therapie der mykotischen Vulvitis erfolgt zunächst lokal mit Imidazolcremes und Vaginaltabletten oder Ovulae. Bei Nichtansprechen, Rezidiv oder nachgewiesener Darmbesiedlung sollte eine systemische Behandlung mit oralen Triazolen, Fluconazol, Itraconazol oder Nystatin in Erwägung gezogen werden. Oft wird eine Partnerbehandlung simultan durchgeführt, allerdings konnten Studienergebnisse bezüglich Partnerbehandlung keine verbesserte Heilungsrate bezeugen. Es ist zu betonen, dass ein Candida-Nachweis ohne entsprechende klinische Symptomatik nicht behandlungsbedürftig ist; es handelt sich in diesem Falle um eine Kolonisation und nicht um eine Infektion. In der gesunden weiblichen Population geht man von einer Kolonisationsrate zwischen 5 und 30% aus. Candida glabrata ist ein typischer Kolonisationskeim.
Tinea inguinalis Zu den mykotisch entzündlichen weiblichen Erkrankungen gehört, wenn auch selten auftretend, eine durch Fadenpilze (Dermatophyten) hervorgerufene Infektion.
Klinik Die Tinea inguinalis befällt die Außenseite der Labia majora, den Mons pubis, die Genitokruralfalten und die angrenzende Haut. Leitsymptom ist der Pruritus. Die infizierte Haut weist Rötung und Schuppung auf mit zentrifugaler Ausbreitung und scheinbar zentralen Abheilung.
Therapie Die Therapie erfolgt durch lokal oder systemisch anwendbare Antimykotika.
Bakterielle Vulvitis Erysipel (Wundrose) Die Erysipel Infektion wird durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A ausgelöst.
Klinik Es zeigt sich eine flächenhafte umschriebene, überwärmte, schnell fortschreitende Rötung. Eintrittspforte sind kaum sichtbare Rhagaden oder
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Eigene Notizen
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1
Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Eigene Notizen
Mikrotraumen. Die Infektion geht mit einem ausgeprägten Krankheitsgefühl einher; die Patientinnen weisen Schüttelfrost, hohes Fieber und eine Entzündungskonstellation im Blut auf.
Therapie Therapie der Wahl ist die intravenöse Gabe von Penicillin G über 7–10 Tage. Alternativ kommen Cephalosporine, Erythromycin oder Makrolide in Betracht.
Bartholinitis Die Bartholinitis ist eine isolierte Entzündung des Ausführungsgangs der Bartholin-Drüse.
Klinik Es zeigt sich eine Rötung und Schwellung des Ausführungsgangs der Drüse. Dies führt zu hühnereigroßen, zystischen Veränderungen im hinteren Bereich des Vestibulums. Der Introitus kann eingeengt werden, Sitzen und das Allgemeinempfinden werden zunehmend beeinträchtigt.
Therapie Therapie der Wahl ist die Inzision, Entlastung und Marsupialisation der Zyste. Postoperativ können der Patientin Kamillenextrakt-Sitzbäder empfohlen werden. Bei bakterieller Superinfektion mit Scheiden- oder Darmbakterien sollte eine Antibiotikagabe in Erwägung gezogen werden.
Furunkel/Karbunkel Furunkel sind Entzündungen eines Haarfollikels oder einer Talgdrüse, sie werden durch eine Infektion mit koagulase-positiven Staphylokokken (Staph. aureus) hervorgerufen. Wenn Furunkel flächenartig konfluierend verschmelzen, dann spricht man von Karbunkel.
Klinik Es zeigt sich eine flächenhafte Entzündung mit zentraler Einschmelzung an den Haarfollikeln um die Vulva herum.
Therapie Das therapeutische Vorgehen beinhaltet eine lokale antiseptische Behandlung, bei Fluktuation ist eine lokale Inzision und Drainage des Abszesses indiziert. In diesem Falle sollte eine systemische antibiotische Therapie in Erwägung gezogen werden. ! Cave Vorsicht ist geboten bei der Wahl des geeigneten Antibiotikums; viele Staph.-aureus-Stämme sind oft resistent gegenüber Penicillin. In diesem Falle kann die Gabe von Cephalosporinen oder Aminopenicillinen in Kombination mit β-Laktamase-Hemmern empfohlen werden.
Erythrasma Unter dem Begriff Erythrasma fallen Hautinfektionen perivulvär, die durch das Corynebacterium minutissimum hervorgerufen werden.
5 1.1 · Entzündliche Erkrankungen
Klinik Die Infektion ähnelt klinisch einer Pilzinfektion, deswegen auch als Pseudomykose bezeichnet; es kommt zum Auftreten von rosafarbenen Flecken, bedingt durch die Porphyrinbildung der Korynebakterien, welche im Verlauf eine Braunfärbung annehmen. Die Infektion verläuft relativ asymptomatisch und tritt häufiger bei älteren Frauen auf. Feuchtwarme Verhältnisse, Adipositas, Diabetes mellitus sowie ein schlechter Hygienestatus begünstigen diese bakterielle Infektion.
Therapie Die Therapie erfolgt durch Imidazolpräparate.
Virale Vulvitis Herpes simplex der Vulva Übertragen durch Geschlechtsverkehr wird diese Erkrankung durch persistierende Viren in den Spinalganglien hervorgerufen. HSV-Typ-1 verursacht Herpes labialis, selten Herpes genitalis; HSV-Typ-2 verursacht überwiegend Herpes genitalis.
Klinik Klinisch zeigen sich zunächst unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Abgeschlagenheit, Kopf- und Muskelschmerzen. Lokal bestimmen Juckreiz, Schmerz, Fluor und Dysurie das Beschwerdebild.
Diagnostik Pathognomonisch sind schmerzhafte ulzerierende Bläschen im Genitalbereich. Zellkulturen, Fluoreszenztests vom Bläscheninhalt oder ELISA können die virale Erkrankung nachweisen.
Differenzialdiagnostik Abzugrenzen ist der Herpes zoster der Vulva; ausgelöst durch das VarizellaZoster-Virus beschränkt sich die Erkrankung auf bestimmte Dermatome und weist ein dem Herpes simplex sehr ähnliches Krankheitsbild vor.
Therapie Valaciclovir oder Aciclovir als systemische antivirale Therapie, lokale antiseptische Maßnahmen um bakterielle Superinfektionen vorzubeugen, Schmerztherapie.
Condylomata acuminata Genotypen des Humanen Papillomavirus (HPV) induzieren Proliferationen des Hautepithels. Einige der so genannten High-Risk-Genotypen (16,18, 31, 33, 39, 45,59 u.a.) sind an der Entstehung von Anogenitalkarzinomen beteiligt und aus diesem Grunde auch von besonderer Bedeutung.
Klinik Die meisten HPV-Infektionen verlaufen asymptomatisch oder subklinisch. Kommt es zur Entstehung von genitoanalen Warzen, so handelt es sich hier
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Eigene Notizen
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Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Eigene Notizen
um variabel ringförmig angeordnete, blasse bis rötliche blumenkohlartige Kondylome, bevorzugt im Bereich der hinteren Kommissur. Juckreiz oder Brennen können begleitende Symptome sein, allerdings sind Kondylome meist störend durch Aussehen und Größe.
Diagnostik Die Diagnostik erfolgt durch Inspektion, kolposkopische Untersuchung und Essigsäureprobe (3%ig). Bei subklinischer Infektion und entsprechendem Verdacht ist auch ein alleiniger DNA-Nachweis der HPV-Typen mit Hybridisierung oder PCR möglich.
Differenzialdiagnostik Differenzialdiagnostisch ist die Entstehung einer intraepithelialen Neoplasie der Vulva (VIN) auszuschließen.
Therapie In ca. 30% der Fälle kann es zu einer spontanen Remission kommen, sodass ein abwartendes Verhalten durchaus gerechtfertigt sein kann. Alternativ stehen sowohl operative als auch diverse sonstige Maßnahmen zur Verfügung, z.B. elektrochirurgische Maßnahmen, Lasertherapie, Kryotherapie, Podophyllotoxin, Interferon-β-Gel, Imiquimod oder Trichloressigsäure.
1.1.2
Erkrankungen der Vagina
Bakterielle Vaginose/Aminkolpitis Essenzieller Bestandteil der bakteriellen Kolpitis ist eine Störung der physiologischen Vaginalflora; Gardnerella vaginalis, anaerobe Bakterien, Mykoplasmen und Ureaplasmen kommen gehäuft vor, während der Anteil der milchsäurebildenden Döderlein-Bakterien reduziert ist.
Klinik Rötung des Vaginalepithels, »fischig« riechender Ausfluss, Brennen, Pruritus, Nässegefühl durch vermehrten Ausfluss. Im Rahmen einer Schwangerschaft kann eine bakterielle Kolpitis zu einer peripartalen Infektion führen. Die Frühgeburtlichkeitsrate ist erhöht.
Diagnostik pH-Wert des Vaginalsekrets >5,0. Die Zugabe einer KOH-Lösung zum Vaginalsekret verstärkt den charakteristischen »fischigen« Geruch (Amintest). Die vermehrte Bakterienzahl ist in einem Kochsalzpräparat des Vaginalsekrets bei adäquater Vergrößerung sichtbar. Nachweis von so genannten »Clue Cells« (mit Bakterien besetzte Epithelzellen).
Therapie Metronidazol, Clindamycin.
7 1.1 · Entzündliche Erkrankungen
Soorkolpitis Die Candidainfektion der Vagina kann auf den Partner übertragen werden und wird in der Mehrheit der Fälle durch Candida albicans verursacht.
Klinik Juckreiz und ein meistens dickflüssiger weißkrümeliger Ausfluss sind charakteristisch für eine Candidainfektion der Vagina.
Diagnostik Grau-weißliche Beläge an Introitus und Vagina, Ausfluss, erythematöse Schwellung der Vagina, Nachweis von Pilzmyzelen im Nativausstrich.
Therapie Lokale antimykotische Therapie mit z.B. Clotrimazol, Miconazol, Tioconazol; bei rezidivierender Vaginalmykose systemische Therapie mit Fluconazol oder Itraconazol.
Trichomonaden-Kolpitis Die Trichomoniasis ist bei Weitem die häufigste sexuell übertragbare Erkrankung weltweit.
Klinik Gelblich schaumiger übel riechender Fluor, Juckreiz, Dyspareunie.
Diagnostik Typische klinische Symptomatik im Sinne des charakteristischen Fluors, lokale Infektionszeichen, Scheiden-pH >4,5. Bei adäquater Vergrößerung unter dem Mikroskop Nachweis der Trichomonaden-Flagellaten im Nativpräparat.
Therapie Metronidazol systemisch; eine Partnertherapie und vorübergehend sexuelle Abstinenz tragen zum Erfolg der Therapie bei.
Streptokokken-Kolpitis Streptokokken gehören zu den seltenen Kolpitis-Ursachen und sind oft Kolonisationskeime. Sowohl A- als auch B-Streptokokken können allerdings zu schwerwiegenden systemischen Erkrankungen führen (Erysipel, Phlegmone, nekrotisierende Fasziitis, Streptokokken-Toxic-Schock-Syndrom). B-Streptokokken können im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft zu peripartalen Komplikationen führen. So zählen die akute Chorioamnionitis, der vorzeitige Blasensprung, eine erhöhte Frühgeburtlichkeitsrate und potenzielle schwere Neugeborenen-Infektionen zu möglichen Folgen einer B-Streptokokken Besiedlung der Vagina.
Klinik Unspezifische lokale Beschwerdesymptomatik im Sinne von Fluor, Juckreiz, Brennen, Rötung.
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Eigene Notizen
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Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
Eigene Notizen
Diagnostik Mikrobiologischer kultureller Nachweis, ein Schwangeren-Screening im letzten Trimenon auf B-Streptokokken wäre zu empfehlen.
Therapie Penicilline, Cephalosporine, Lincosamide, Gyrasehemmer, Makrolide.
1.1.3
Erkrankungen des Uterus
Endo(myo)metritis Entzündliche Erkrankungen des Uterus können Zervix, Endometrium oder Myometrium einbeziehen; dementsprechend unterscheidet man (eine Parametritis kann im Rahmen einer Endomyometritis ebenfalls auftreten): 4 die Zervizitis 4 die akute oder chronische Endometritis 4 die Endo(myo)metritis 4 die Endometritis puerperalis 4 die Pyometra Die häufigste Infektion des Uterus ist mit dem Wochenbett assoziiert (Endometritis puerperalis) und entsteht durch eine mangelhafte Rückbildung des Uterus postpartum. Die Endometritis ist eine meist aufsteigende genitale Infektion bedingt durch Chlamydien, Anaerobier, Gonokokken oder E.-coli-Bakterien. Als Risikofaktoren gelten die Mens, Aborte oder Entbindungen, invasive Eingriffe (Hysteroskopie, Abrasio, Myomenukleation, Polypentfernung) und natürlich ein meist seit längerer Zeit platziertes IUD.
Klinik 4 Uterine Blutungsstörung 4 Unterbauchschmerz 4 Druckempfindlichkeit und Auflockerung des Uterus (»Uteruskantenschmerz«) 4 zervikaler Fluor 4 Fieber 4 Entzündungskonstellation im Blut Bleibt die lokale inflammatorische Reaktion unerkannt und unbehandelt, kann es bis zur generalisierten septischen lebensbedrohlichen Schocksymptomatik kommen.
Diagnostik Anamnese, Risikofaktoren, die gynäkologische Tastuntersuchung, eine Ultraschalluntersuchung (Verifizierung einer Sero- oder Pyometra z.B.) und die mikrobiologische Abstrichentnahme aus Vagina und Zervix können zur Diagnosestellung führen.
9 1.1 · Entzündliche Erkrankungen
Therapie Gabe von Breitspektrumantibiotika und Uterotonika (Methylergometrin), falls notwendig IUD-Entfernung. Bei Endometritis puerperalis ist an Plazentareste zu denken, sodass eine instrumentelle Nachtastung im Intervall indiziert sein kann. Bei häufig älteren Patientinnen mit einer Zervikalkanalstenose und konsekutiver Sero- oder Pyometra sollte eine Dilatation des Zervikalkanals zur Pusentleerung erfolgen.
1.1.4
Erkrankungen der Adnexe
Adnexitis Der Begriff Adnexitis beschreibt die infektiöse meist aszendierende Erkrankung des oberen weiblichen Genitaltrakts (Tube, Ovarien). In schweren Fällen kann sich die Infektion entlang des Peritoneums bis zur Leberkapsel ausbreiten und zu perihepatischen Adhäsionen führen (Fitz-HughCurtis-Syndrom). Im angloamerikanischen Raum wird die Erkrankung auch als »pelvic inflammatory disease« (PID) bezeichnet. Eine PID entsteht überwiegend durch sexuell übertragbare Erreger, z.B. Chlamydia trachomatis und Neisseria gonorrhoe. Auch Streptokokken, Staphylokokken, E. coli und Anaerobier können das klinische Bild einer Adnexitis hervorrufen. Prädisponierende Faktoren sind, ähnlich wie bei den uterinen entzündlichen Erkrankungen: 4 IUD 4 diagnostische bzw. operative Eingriffe 4 frühe Aufnahme sexueller Aktivität Bei amenorrhoeischen Frauen kommt eine Adnexitis viel seltener vor; das Menstruationsblut ist ein gutes Kulturmedium für die Erreger, zusätzlich können aufsteigende Erreger die Zervixbarriere während der Mens leichter durchbrechen.
Klinik Das entzündliche Geschehen führt zur ödematösen Schwellung des Gewebes, die Tuben inklusive Fimbrientrichter können verkleben, das Tubenlumen wird verlegt. Pyosalpinx kann eine mögliche Folge sein, Eiter kann über die Fimbrienenden auch in den Douglas-Raum gelangen und dort eine Pelveoperitonitis auslösen, sekundär kann dies zu einem ausgedehnten Adhäsionssitus führen. Bei eitriger Beteiligung der Ovarien spricht man auch vom Tuboovarialabszess. Das klinische Erscheinungsbild kann von symptomarm und verkannt bis zu akut und lebensbedrohlich sein. Mögliche Symptome sind: 4 akuter Unterbauchschmerz 4 Abwehrspannung 4 Fieber oder subfebrile Temperaturen 4 Nausea 4 Meteorismus
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10 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Eigene Notizen
4 Brechreiz 4 übel riechender Fluor vaginalis Bei der klinischen Untersuchung ist das so gennante »chandelier sign« oder der Portioschiebeschmerz richtungsweisend für die Diagnosestellung.
Diagnostik Die bimanuelle gynäkologische Tastuntersuchung, die mikrobiologische Abstrichentnahme, das Nativpräparat aus der Vagina oder dem Zervikalkanal und eine entsprechende Entzündungskonstellation im Blut können erste diagnostische Hinweise liefern; mehr diagnostische Sicherheit erlangt man allerdings durch Ultraschall und Laparoskopie.
Differenzialdiagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Eileiterschwangerschaft Septischer Abort Endometriose Ovarialzystenruptur Ovarialtorsion Nekrotische Myome Appendizitis, Divertikulitis Harnweginfektionen Entzündliche Darmerkrankungen
Therapie Gabe einer antibiotischen und antiphlogistischen Therapie, z.B. mit Ampicillin/Sulbactam, Cephalosporinen, Clindamycin, Metronidazol, Doxycyclin. Die operative Therapie ist bei sonografisch nachweisbaren Tastbefunden im kleinen Becken essenziell. Die operative Laparoskopie dient simultan nicht nur der Diagnosestellung, sondern ermöglicht in einer Sitzung auch die Sanierung eitriger Befunde, im Sinne einer Salpingotomie, Peritoneallavage, Salpingektomie oder Salpingoovarektomie, falls notwendig.
1.2
Erkrankungen der Brust U. Heindrichs
1.2.1
Entzündliche Erkrankungen der Brust
Thelitis Es handelt sich um eine Mamillenentzündung, die in der Regel im Rahmen des Stillens auftritt durch eine mechanische Gewebeläsion.
11 1.2 · Erkrankungen der Brust
Therapie 4 4 4 4
desinfizierende und kühlende Maßnahmen evtl. Antiphlogistika bei Bedarf Antibiotika und Abstillen (ultima ratio) prinzipiell trockene Wundbehandlung
Prophylaxe 4 Stillen mit Anleitung (korrekte Stilltechnik) 4 Beachtung von allgemeiner Hygiene (Asepsis) ! Cave Infolge einer lymphogenen Erregerausbreitung kann eine Mastitis resultieren.
Mastitis Synonym für entzündliche Erkrankung der Brustdrüse, die in rund 90% der Fälle im Wochenbett auftritt (Mastitis puerpuralis) mit einer Häufigkeit von bis zu 2% der Wöchnerinnen (Kap. 14). Ursächlich sind meist bakterielle Infektionen, in erster Linie Staphylokokken, aber auch Streptokokken, Echerichia coli oder Proteus-Stämme. Sehr selten kommt in unseren Breiten eine tuberkulöse Mastitis vor, die dann im Zusammenhang mit einer pulmonalen Tuberkulose auftritt.
Klinik An erster Stelle steht die lokalisierte Rötung und Überwärmung der Brust mit entsprechender Schmerzsymptomatik. Je nach Ausprägungsgrad kommt es zur Auffieberung mit Schüttelfrost sowie Druckschmerzhaftigkeit der gesamten Brust. Im Verlauf ist dann eine Abszedierung mit zentraler Nekrosenbildung möglich.
Diagnostik Die beschriebene klinische Symptomatik ist in der Regel pathognomonisch; die Hinzuziehung serologischer Parameter zur Bestätigung des Entzündungsprozesses (Leukozytose und CRP-Wert-Erhöhung) wie auch der Bestimmung der Körpertemperatur können zum einen die Verdachtsdiagnose bestätigen, zum anderen als Verlaufsbeurteilung dienen. Zum Nachweis bzw. Klärung der Ausdehnung sowie Bestimmung der Konsistenz einer möglichen Abszedierung ist die Ultraschalldiagnostik hilfreich. Im Rahmen dieser kann eine zusätzlich durchgeführte Stanzbiopsie hilfreich sein, und zwar zum einen um in Zweifelsfällen die Diagnose histopathologisch zu klären, zum anderen um über einen Probeversand in die Mikrobiologie zu einem Erregernachweis zu führen.
Differenzialdiagnostik ! Cave Insbesondere bei atypischem Verlauf ist rechtzeitig an ein inflamm-
atorisches, ggf. superinfiziertes Mammakarzinom zu denken. Hierzu gehört auch die Röntgenmammografie, die jedoch in der Akutphase aufgrund der Schmerzhaftigkeit nicht suffizient durchzuführen und daher ggf. nachzuholen ist.
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Eigene Notizen
12 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Therapie Diese ist abhängig vom Ausprägungsgrad, d.h. bei kleinen Entzündungsherden bis hin zu kleinen Abszedierungen kann ein konservatives Management durchgeführt werden mit physikalischen Maßnahmen, wie lokaler Kühlung, Abpunktieren des Abszesses (Entlastung und Erregernachweis), ggf. antibiotische Therapie. Bei chronischen bzw. ausgeprägten Befunden, ggf. bei der Puerpuralmastitis, ist auf sorgfältiges Entleeren der Brust zu achten, ggf. wird Abstillen erforderlich. Ultima ratio ist die operative Sanierung des Abszesses mit Nekrosenabtragung, Drainagen- bzw. Lascheneinlage zur konsekutiven Spülung/Reinigung des Wundgebiets. Bei der nonpuerpuralen Mastitis, bei der überwiegend Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren erkranken, liegt häufig eine Mischinfektion vor; nicht selten gelingt ein Erregernachweis nicht, sodass eine symptomatische Therapie indiziert ist. Bei der nonpuerpuralen Mastitis werden hormonelle Schwankungen als auslösende Faktoren vermutet, wie auch ein Vitamin-A-Mangel und stattgehabte Schwangerschaften. Ebenso stellt der Nikotinabusus einen Risikofaktor dar, insbesondere für eine fistelnde Mastitis auf dem Boden einer bakteriellen Infektion. Solche Erkrankungen neigen zu chronischer Rezidivierung (Notwendigkeit der Fistelgangexstirpation). Rezidivierende Mastitiden, ggf. Abszessneigung anderer Körperregionen (Haut, Genitalbereich), sind manchmal mit förderlichen Begleiterkrankungen vergesellschaftet, z.B. einem Diabetes mellitus oder einer Hyperprolaktinämie.
1.2.2
Gutartige Erkrankungen der Mamma
Mastopathie Die Bezeichnung »mastopathische Brustdrüsenerkrankung« umfasst sowohl fibröse als auch zystische Veränderungen des Brustdrüsengewebes in Abhängigkeit von der Lokalisation der Veränderung: so können Milchgänge erweitert sein mit oder ohne papillärer Gangepithelwucherung wie auch der Ausbildung von Mikro- oder Makrozysten; im Falle der bindegewebigen (fibrösen) Proliferation kommt es zur typischen lokalen Konsistenzvermehrung mit entsprechendem Tastbefund. Nicht selten liegt eine Kombination zystischer und fibröser Veränderungen vor, dementsprechend fibrozystische Mastopathie genannt. Grundsätzlich ist die einfache (chronisch) fibrös-zystische Mastopathie eine gutartige Erkrankung, allerdings ist der Übergang zu einer atypisch duktalen Hyperplasie (ADH) möglich (Kap. 2.4). Als Oberbegriff bezeichnet man die feingeweblichen Abweichungen des Brustdrüsengewebes auch als Mammadysplasie, wobei der Zusatz »atypisch« anzeigt, dass hier der Übergang zu einer Präkanzerose erfolgt.
13 1.2 · Erkrankungen der Brust
Ätiologie Am ehesten wird von einer hormonellen Dysregulation ausgegangen, zumal Frauen mit anovulatorischen Zyklen häufiger betroffen sind; außerdem findet man die Mastopathie im Kontext einer Hyperprolaktinämie.
Klinik und Diagnostik Die Mastopathie kann sowohl schmerzlos als auch schmerzhaft empfunden werden, aus den genannten Gründen durchaus auch zyklusabhängig mit einem Maximum prämenstruell. Zur Diagnose führen Anamnese und klinischer Untersuchungsbefund in Korrelation zur Bildgebung (Sonografie, Mammografie); in Zweifelsfällen ist eine stanzbioptische Klärung erforderlich.
Therapie Symptomorientiert, ggf. hormonelle Regulation nach entsprechender Diagnostik. Im Falle einer tastbaren Resistenz mit lokaler Beschwerdesymptomatik ist selten eine Exstirpation indiziert.
Mastodynie Dieser Begriff beschreibt die einseitige oder beidseitige Schmerzhaftigkeit (auch Berührungsempfindlichkeit) der Mammae. Sie tritt nicht selten zyklisch auf, insbesondere prämenstruell im Zusammenhang mit der ovariellen Lutealphase; jedoch ist auch eine zyklusunabhängige Symptomatik möglich, ebenso eine Korrelation mit einer Mastopathie (s. oben). Dementsprechend sind sowohl Mastopathie als auch -dynie eher die Symptome der prämenopausalen Frau.
Diagnostik Anamnese, insbesondere auch den Zyklus betreffend, ggf. zyklische Hormonanalyse, Bildgebung (Sonografie, ggf. Mammografie).
Therapie Zyklusregulation, manchmal sind lokale Progesterongele wirksam, ggf. Einleitung von Entspannungsverfahren zur Dämpfung bzw. Balancierung der hormonellen Dysregulation (auch Prolaktin) über die Stresshormone.
Angeborene Fehlentwicklungen Es können sowohl eine oder beide Brustwarzen fehlen (Athelie) als auch eine oder beide Brustdrüsen, ggf. auch der Brustmuskel (Aplasie, PolandSyndrom). Therapeutisch sind plastisch-chirurgische Maßnahmen indiziert, wobei sowohl autologe wie auch heterologe Verfahren zum Einsatz kommen. Da der Mensch zu den Säugern gehört, sind entlang der ehemaligen Milchleiste auch zusätzliche Anlagen von Brustwarzen (Polythelie) oder auch Brustdrüsen (Polymastie) möglich. Sollten diese kosmetisch oder funktionell störend sein, kommt eine chirurgische Entfernung in Betracht.
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14 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Fehlentwicklungen im Rahmen des Brustwachstums Es kann sowohl zu Minderentwicklungen der Mammae (Mikromastie bzw. Mammahypoplasie) kommen als auch zu einer überschießenden Brustentwicklung (Mammahyperplasie oder Makromastie), wobei die Übergänge fließend sind und der entsprechende Leidensdruck im Einzelfall schwer objektivierbar ist. Zur Therapie der Mammahypoplasie kommen Augmentationsplastiken, in der Regel mit Implantaten, in Betracht, die in aller Regel in den Formenkreis der kosmetischen Operationen gehören. Im Gegensatz dazu führt die ausgeprägte Makromastie häufig auch zu körperlichen Beschwerden, wie Schulter-/Nackenbeschwerden, Einschneiden der BH-Träger sowie Einschränkungen bei bestimmten körperlichen oder sportlichen Betätigungen. Zur Korrektur gibt es diverse Techniken zur Volumenverkleinerung (Mammareduktionsplastik). In Abhängigkeit vom Kausalzusammenhang zur körperlichen Symptomatik stellt diese Maßnahme eine Leistung der Krankenversicherung dar.
Ptosis mammae (Hängebrust) Die Ptosis mammae sei hier der Vollständigkeit halber aufgeführt, da sie nicht selten zu hohem Leidensdruck bei den betroffenen Frauen führt. Letztlich resultiert eine Hängebrust aus einem Missverhältnis zwischen gegebenem (zu großem) Hautmantel und Brustvolumen. Dies kann gewissermaßen physiologisch gegeben oder auch erworben sein (z. B. nach starker Gewichtsschwankung oder Schwangerschaften), aber auch bei einer so genannten Involutionsmamma, d.h. im Falle einer meist altersbedingten Brustdrüsenrückbildung. Die Behandlungsmöglichkeiten bestehen in der operativ kosmetischen Korrektur in der alleinigen Mastopexie (straffende Operation) oder ggf. bei Volumenmangel unter Zuhilfenahme von Implantaten.
Tubuläre (tuberöse) Fehlbildung der Mamma Bei dieser Fehlentwicklung, die sich in der Regel schon früh in der Brustentwicklung abzeichnet, kommt es bei einer oder beiden Mammae zu einer Hypoplasie der unteren Quadranten, häufig mit übergroßen Areolae vergesellschaftet, sowie einer zu weit kranial positionierten Unterbrustfalte (konstruktive Submammarfalte); nicht selten kommt dazu eine deutlich asymmetrische Entwicklung beider Mammae. Als Therapie kommen hier nur chirurgische Korrekturen mit plastischer Neuformierung der Drüsenkörper, der Areolae sowie ggf. Implantateinlage infrage.
Gynäkomastie Gynäkomastie bezeichnet die ein- oder beidseitige Vergrößerung der männlichen Brust. Bei der Gynäkomastia vera ist das Brustdrüsengewebe proliferiert, während bei der Pseudogynäkomastie die Brust durch Vermehrung des Fettgewebes (Lipomastie, z.B. bei allgemeiner Adipositas) an Volumen zunimmt.
15 1.2 · Erkrankungen der Brust
Ätiologie Eine mögliche Ursache findet sich im Rahmen hormoneller Veränderungen: so gibt es die Neugeborenengynäkomastie, die Pubertätsgynäkomastie und die Altersgynäkomastie, bei denen entsprechende Verschiebungen hin zu einer mehr östrogenhaltigen Stoffwechsellage stattfinden können. Aber auch Erkrankungen der Gonaden, chronische Stoffwechselerkrankungen (Niere, Leber), Alkoholmissbrauch und verschiedene Medikamente können den Hormonhaushalt zugunsten einer Gynäkomastie verschieben. Manchmal findet sich keine fassbare Ursache, sodass in solchen Fällen von einer höheren relativen Empfindlichkeit der Hormonrezeptoren des Brustdrüsengewebes ausgegangen wird. Je nach anamnestischer Konstellation gewinnt man zudem den Eindruck, dass auch diverse Stressoren – wiederum durch ihren Einfluss auf hormonelle Kreisläufe (z.B. Kortison, Prolaktin) eine Gynäkomastie begünstigen.
Klinik und Therapie Bei der Gynäkomastia vera findet man häufig eine einseitige schmerzhafte Resistenz in der Brust, was neben kosmetischen Aspekten mit den häufigsten Grund für die ärztliche Konsultation darstellt. Hier muss differenzialdiagnostisch auch an das seltene männliche Mammakarzinom gedacht werden mit der entsprechenden weiterführenden Diagnostik (vgl. Kap.2.4). Ist eine maligne Erkrankung ausgeschlossen, richtet sich die Therapie nach der Ursache, wobei sich eine manifeste, d.h. tumoröse bzw. fettgewebsbedingte Gynäkomastie meistens nur operativ entfernen lässt.
1.2.3
Gutartige Tumore
Meist sind die selbst getasteten Mammatumoren benigne (ca. 75%).
Fibroadenom Dieser stellt neben den Zysten (s. unten) den häufigsten gutartigen Tumor in der Mamma dar. Gemäß seiner Bezeichnung besteht er aus Binde- und Drüsengewebe, ggf. multilokulär bzw. bilateral auftretend. Das häufig schubweise Wachstum gilt als hormonabhängig, weshalb Fibroadenome v.a. bei jungen Frauen (15.–30. Lebensjahr) und prämenopausalen Frauen (45–55 Jahre) bemerkt werden, z.B. nach schubweisem Wachstum in der Schwangerschaft bzw. hormonellen Inbalancen (Östrogen/Gestagen).
Diagnostik Häufig neu aufgetretener Tastbefund mit Nachweis eines prall elastischen, am ehesten glatt begrenzten und verschieblichen Tumors. In der Sonografie ebenso relativ homogen glatt und mobil, in der Regel mit quer verlaufender Längsachse mit so genannter bilateraler Schallauslöschung und dorsaler Schallverstärkung bei ansonsten eher hypodensem Binnenecho.
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16 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Therapie Da Fibroadenome harmlos sind, müssen sie in der Regel nicht entfernt werden; nur solche mit ausgeprägter Wachstumsneigung und entsprechender Druckproblematik sollten in Absprache mit der Patientin rechtzeitig entfernt werden. Nach der Menopause kommt es regelmäßig zum Sistieren der Symptome. ! Cave Mammakarzinome auf dem Boden einer genetischen Mutation (BRCA-Mutation) sehen in der Bildgebung häufig Fibroadenomen sehr ähnlich, weshalb neu aufgetretene vermeintliche Fibroadenome entsprechend engmaschig zu kontrollieren sind, insbesondere bei Patientinnen aus entsprechend betroffenen Familien, ggf. frühzeitige stanzbioptische Klärung.
Zysten Eine Mammazyste stellt eine aufgrund der Verlegung eines Ausführungsgangs mit Flüssigkeit gefüllte Erweiterung eines Drüsenläppchens dar. Symptomatisch häufig bei Frauen im Alter von 30–50 Jahren bzw. zu Beginn der Wechseljahre. Mikro- oder Makrozysten stehen häufig im Zusammenhang mit einer chronisch zystisch-fibrösen Mastopathie (s. oben).
Klinik Zysten werden als prall-elastischer Tumor in der Brust wahrgenommen und können aufgrund der Verdrängung des umgebenden Brustgewebes mit Druckgefühl und Schmerzen einhergehen, wiederum auch zyklusabhängig. Aufgrund des flüssigen Inhalts können sie in einigen Fällen gewissermaßen über Nacht entstehen und führen dann zu entsprechender Besorgnis bei den Patientinnen.
Diagnostik Neben dem typischen Tastbefund stellt die Zyste eine ideale Domäne für den Ultraschall dar: In der Regel sind Zysten rund, glatt berandet mit entsprechendem bilateralem Schallschatten und dorsaler deutlicher Schallverstärkung, während der Inhalt echoleer ist. Es gibt jedoch auch so genannte komplexe Zysten mit abweichendem Schallverhalten, z.B. einer Entrundung, einer Septierung oder mit inhomogenen Binnenechos. Letztere bedürfen zumindest der engmaschigen Kontrolle (zweizeitiger Vergleich), bei soliden Binnenechos, evtl. mit Durchblutung, sollten diese weitergehend abgeklärt werden (z.B. bioptisch). Eine rein zytologische Abklärung mittels Punktion ist zum einen eher problematisch, da meist keine eindeutige Diagnose für den Pathologen zu treffen ist, zum anderen die vermeintliche Malignität in der Zystenwand bzw. deren Wucherung zu finden wäre. Die weitere Abklärung mittels Biopsie beinhaltet daher bei größerem solidem Zysteninhalt entweder die gezielte Stanzbiopsie oder – falls nicht vorhanden oder möglich – am ehesten die komplette Zystenexstirpation. Blande Zysten können in ihrer Größe mit der Zeit variieren, sich ggf. auch spontan zurückbilden; insbesondere nach der Menopause stellen sie nur noch selten ein Problem dar.
17 1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
Milchgangspapillom Milchgangspapillome sind primär gutartige Wucherungen in den Milchgängen; sie können mikroskopisch klein und quasi rasenförmig auftreten, aber auch mehrere Millimeter bis wenige Zentimeter groß werden. Da sie eher kleinvolumig sind, sind sie oft und lange asymptomatisch. Sie können zur Sekretion des betroffenen Milchgangs führen, z.T. auch blutig; ihre Entartungstendenz wird statistisch mit 2–5% angegeben. ! Cave Somit sollte insbesondere jede einseitige Mamillensekretion, erst recht wenn sie blutig ist, weiter abgeklärt werden.
Diagnostik Das Mamillensekret kann zytologisch auf Blut und entartete Zellen untersucht werden. Bei entsprechendem Verdacht sollte eine weitergehende Bildgebung angeschlossen werden (Ultraschall, Mammografie, ggf. Galaktografie bzw. MRT). In einzelnen Zentren werden auch so genannte Duktuskopien durchgeführt.
Therapie In vielen Fällen, d.h. bei Verdacht auf Papillom, wird eine Operation zur histologischen Sicherung nötig sein, je nach Bildgebung stanzbioptisch oder durch offene Biopsie bzw. Milchgangsresektion. In einigen Fällen lässt sich kein Papillom verifizieren, sodass bei blutiger Sekretion die Differenzialdiagnose eines duktalen In-situ-Karzinoms besteht (Kap. 2.4). Daher ist die sorgfältige Abklärung einer pathologischen Mamillensekretion begründet, selbst wenn Tast- und Ultraschallbefund ohne pathologischen Befund sind.
Lipom Sehr seltener Tumor, der auch aus dem Fettgewebe der Mammae hervorgehen kann und dementsprechend weich und verschieblich imponiert. Ultrasonografisch findet man das typische Echomuster des meist umgebenden Fettgewebes, ggf. mit Kapselbildung. Ggf. Beweis durch stanzbioptische Sicherung. Eine Exstirpation sollte bei lokalen Beschwerden erfolgen.
1.3
Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva und der Vagina D. Bauerschlag
1.3.1
Gutartige Erkrankungen des Uterus
Bei den gutartigen Erkrankungen des Uterus unterscheidet man zunächst den Entstehungsort der Veränderung, hierzu sei der dreischichtige Aufbau des Uterus rekapituliert:
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Eigene Notizen
18 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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4 Perimetrium/Serosaüberzug des Uterus 4 Myometrium 4 Endometrium mit der Unterteilung in: 5 Stratum functionale und Stratum basale
Gutartige Erkrankungen des Myometriums Häufigster gutartiger Tumor des Uterus ist das Leiomyom, dieser tritt bei ca. jeder 3. Frau oberhalb des 35. Lebensjahrs auf. Hierbei handelt es sich um einen klonalen, östrogenabhängigen Tumor, der während der fertilen Phase der Frau ein Wachstumspotenzial besitzt. In der Postmenopause, unter Östrogenentzug, zeigen sich die meisten Myome regredient. Sollte es in der Postmenopause zu einem raschen Wachstum von Myomen kommen, so sollte differenzialdiagnostisch an das Vorliegen eines Leiomyosarkoms gedacht werden.
Klinik Generell unterscheidet man symptomatische und asymptomatische Myome, nur letztere stellen häufig eine Indikation zur Operation dar. Mögliche Symptome eines Uterus myomatosus sind: 4 Sterilität 4 Blutungsanomalien 4 Dysmenorrhoe 4 Verdrängungserscheinungen/Kompression von Blase und Darm, ggf. auch Inkontinenz Die Symptomatik hängt entscheidend von der Lokalisation der Myome in Bezug auf das Myo- und Endometrium ab. Man unterscheidet: 4 Submuköse Myome: Blutungsanomalien und Sterilität 4 Intramurale/transmurale Myome: Blutungsanomalien, Sterilität, Verdrängungssymptome 4 Subseröse und gestielte Myome: Unterbauchschmerzen, Verdrängungssymptome 4 Intraligamentäre/zervikale Myome: Verdrängungssymptome, z.B. Kompression des Ureters, Geburtshindernis
Diagnostik Wegweisende Diagnostik besteht aus folgenden Schritten: 4 Bimanuelle vaginale Untersuchung: mehrknolliger vergrößerter Uterus 4 Vaginaler Ultraschall: Darstellung der Myome im Bezug zur Uteruswand 4 Abdominaler Ultraschall mit Darstellung der Nieren
Therapie Prinzipiell stehen drei etablierte Therapieverfahren zur Verfügung, die sich stark unterscheiden: 4 Endokrine Therapie mit Unterdrückung der Östrogenproduktion 4 Operative Therapie zur Myomresektion 4 Embolisation der zuführenden Gefäße
19 1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
Die endokrine Therapie, z.B. mittels GnRH-Analoga, nutzt die Östrogenabhängigkeit des Myoms aus. Durch Suppression der hypophysär-gonadalen Achse kommt es zum Absinken des peripheren Östrogenspiegels und konsekutiv zum Wachstumsstillstand oder zur Größenminderung des Myoms. Dieser Effekt ist jedoch nur temporär und wird z.T. genutzt, um eine Operation vorzubereiten. Die klassische operative Therapie des Uterus myomatosus nach abgeschlossener Familienplanung ist die Hysterektomie. Diese erfolgt in Abhängigkeit von der Uterus/Myomgröße per Laparotomie, per vaginam oder laparoskopisch. Bei Patientinnen mit Kinderwunsch oder mit Wunsch nach Organerhalt erfolgt die Entfernung der Myome wie folgt: 4 Per Laparoskopie, wenn das Myom subserös (gestielt) oder intramural liegt 4 Per Hysteroskopie, wenn das Myom submukös liegt; hierbei sollte das Myom das Endometriumniveau um mindestens die Hälfte überragen. Entscheidend für den Organerhalt und die folgende Schwangerschaft ist der suffiziente Nahtverschluss des Myombetts, um das Risiko einer Uterusruptur im Narbenbereich zu senken. Häufig wird Patientinnen nach Myomenukleation eine Re-Laparoskopie empfohlen, um die Situation am Uterus vor der Konzeption zu evaluieren. Liegt bei einer Schwangeren ein Uterus myomatosus vor, so kann es zur »Konkurrenz« um die Blutversorgung zwischen sich entwickelnder Schwangerschaft und dem Myom kommen. Da sich operative Eingriffe am schwangeren Uterus verbieten, bleibt nur die konservative Therapie mit Analgetika und Kühlung des Myoms. ! Cave Auch im Falle einer Sectio caesarea sollte eine simultane Myomenukleation vermieden werden, da es in diesen Fällen zu komplizierten Blutungen kommen kann, die schlussendlich die Hysterektomie nach sich ziehen können. Wünscht die Patientin keine Operation des Uterus myomatosus und liegt keine diffuse Myomatose vor, so kann eine Embolisation des Myoms erfolgen. Über eine arterielle Schleuse im Bereich der A. femoralis wird unter radiologischer Kontrolle mittels Kontrastmittel ein Katheter bis in die A. uterina vorgeschoben. Von dort aus werden Polymer-Mikropartikel appliziert, die die zuführenden Gefäßäste des Myoms verschließen. Durch den Verschluss kommt es zur Nekrose des Myoms, was häufig zu starken bis stärksten Schmerzen führen kann und eine suffiziente Schmerztherapie, wenn möglich über eine patientinnenkontrollierte Schmerzpumpe, nötig macht. In seltenen Fällen kann es im Rahmen der Nekrose zu Keimbesiedlungen kommen, die einer chirurgischen Sanierung bedürfen.
Gutartige Erkrankungen des Endometriums Ätiologie und Klassifikation Veränderungen des Endometriums liegt häufig eine hormonelle Imbalance zugrunde, z.B. Persistenz eines Corpus luteum des Ovars. Aber auch Medikamente können zu Veränderungen am Endometrium führen, so kann das
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20 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Eigene Notizen
Tamoxifen über seine partielle Östrogenrezeptor-agonistische Wirkung zu einer Endometriumhyperplasie führen. Nach WHO unterteilt man: 4 die einfache (glandulär-zystische) Hyperplasie 4 die komplexe Hyperplasie 4 die einfache Hyperplasie mit Atypien 4 die komplexe (adenomatöse) Hyperplasie mit Atypien Die Varianten mit Atypien weisen ein hohes Entartungsrisiko auf und gelten als Vorstufen des Endometriumkarzinoms. Kommt es, während der Menses, nicht zur ausreichenden Abstoßung des Stratum functionale, können sich Endometriumpolypen bilden.
Klinik Klinisch äußern sich krankhafte Veränderungen in Blutungsstörungen, z.B. Dauerblutungen. Blutungen ex utero, die in der Postmenopause auftreten, sollten bis zum Ausschluss als malignomverdächtig betrachtet werden (weiteres s. Endometriumkarzinom, Kap. 2).
Diagnostik 4 Bimanuelle gynäkologische Untersuchung 4 Rektovaginale Untersuchung 4 Vaginal-Ultraschall
Therapie Die operative Therapie umfasst folgende Möglichkeiten: 4 Fraktionierte Abrasio (getrennte Gewinnung und Untersuchung von Zervix- und Corpus-Abradat) 4 Operative Hysteroskopie 4 Endometriumablation bei ausgeschlossener Malignität und abgeschlossener Familienplanung 4 Hysterektomie als ultima ratio Zur endokrinen/hormonellen Therapie kommen folgende Substanzen infrage: 4 Einsatz von oralen Kontrazeptive zur Zyklusregulation 4 Einsatz von Progesteron oder hormontragende Spirale 1.3.2
Gutartige Erkrankungen der Eileiter und der Eierstöcke
Zystische Veränderungen unterschiedlicher Genese stellen die häufigste gutartige Veränderung der Ovarien dar. Hierbei reichen die Differenzialdiagnosen von einfacher funktioneller Ovarialzyste bis hin zum Ovarialkarzinom.
Klinik Die Erkrankungen treten häufig als Zufallsbefund bei Routineuntersuchung auf. Ansonsten können dumpfer, ansteigender Schmerz bei Torsion des
21 1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
Ovars sowie Verdrängungsbeschwerden bei großen Ovarprozessen auftreten.
Diagnostik Diagnostisch wichtig sind: 4 Bimanuelle gynäkologische Untersuchung 4 Rektovaginale Untersuchung 4 Vaginal-Ultraschall 4 Labordiagnostik mit ggf. CA 125 und CEA 4 Regelanamnese/Dyspareunie Ultraschallbefunde umfassen: 4 Zystengröße 4 Echogenität (»echoleer«, »echoreich«, gemischt) 4 Abgrenzung (glatt berandet, unscharft) 4 Kammerung (einkammerig, mehrkammerig mit Septen unterschiedlicher Dicke) 4 Aszitesdarstellung
Therapie Abwartendes Vorgehen bei beschwerdefreier Patientin: 4 Prämenopausal: <5–7 cm im Durchmesser → Zysten-Kontrolle in 8–12 Wochen 4 Postmenopausal: <3 cm im Durchmesser → Zysten-Kontrolle in 8 Wochen Ein operatives Vorgehen ist angezeigt in folgenden Situationen: 4 Notfallindikation: Stielgedrehtes Ovar oder persistierende Blutung aus rupturierter Zyste 4 Beschwerden 4 Persistenz und/oder Größenzunahme nach Kontrollintervall 4 Suspekter Befund 4 Sonografisches Bild wie bei Endometriose oder Dermoid Im Rahmen der Operation erfolgt in Abhängigkeit von der klinischen Einschätzung des Malignitätspotenzials und der Befundgröße: 4 die Laparoskopie bei benigner Befundkonstellation oder kleinen Adnexzysten <5–7 cm im Durchmesser 4 die Laparotomie bei maligner Befundkonstellation oder großen Andexzysten >7 cm im Durchmesser Für das intraoperative Vorgehen gilt: 4 Gewinnung von Douglaszytologie 4 Zyste möglichst immer intakt lassen und mittels Bergebeutel entfernen 4 Bei benignen Befunden Zystenenukleation oder Adnektomie 4 Bei suspekten Befunden zystischen Befund intakt lassen, ggf. PE vom Peritoneum, Zuführung zur Laparotomie
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22 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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1.3.3
Gutartige Erkrankungen der Vulva und der Vagina
Condylomata accuminata Ausgelöst durch die venerisch übertragenen Humanen Papillomaviren, inzwischen >70 Typen charakterisiert. 4 Low Risk: z.B. 6 und 11: Condylomata accuminata 4 High Risk: z.B. 16 und 18: Cervicale Intraepitheliale Neoplasie (CIN), Zervixkarzinom Übertragung bei Spontangeburt im Geburtskanal möglich. Die genaue Prävalenz ist unbekannt, jedoch steigt sie bis zum 30. Lebensjahr an und nimmt danach wieder ab. Die Infektion ist zu meist transient und bereits nach 7–10 Monaten nicht mehr nachweisbar.
Klinik 4 Pruritus vulvae 4 Vulvodynie/Dyspareunie 4 Fremdkörpergefühl
Diagnostik 4 Anamnese (Sexualanamnese: Frage nach Analverkehr, da auch intraanal Condylome auftreten können) 4 Inspektion von Vulva, Vagina und Portio 4 PAP-Abstriche auch von Vulva (feuchter Tupfer) 4 Kolposkopie nativ und unter Betupfung mit 3% Essigsäure 4 PE-Entnahme
Therapie Lokaltherapie mit: 4 Podophyllotoxin (Condylox, Wartec) 4 Imiquimodcreme (Aldara) Chirurgisch kommen die Laservaporisation mittels CO2-Laser unter kolposkopischer Kontrolle (erzielt die besten kosmetischen Ergebnisse) sowie die elektrochirurgische Abtragung in Betracht.
Lichen sclerosus et atrophicus Wahrscheinlich durch immunoloigsche Prozesse ausgelöste Dermatose, die sowohl junge als auch Frauen im Senium betrifft.
Klinik 4 Ausgeprägter Pruritus 4 Dyspareunie bis hin zur Unmöglichkeit des Geschlechtsverkehrs durch z.T. ausgeprägte Synechien der Labien 4 Vulnerable Haut der Vulva mit Rhagaden 4 Porzellanweiße Hyperkeratosen 4 Vagina nicht betroffen
23 1.3 · Gutartige Erkrankungen des Uterus, der Eileiter und Eierstöcke, der Vulva
Diagnostik 4 Anamnese 4 Inspektion mit Kolposkop 4 PE-Entnahme
Therapie Lokale Steroidtherapie z.B. Dermatop, initial täglich, dann Reduktion bis auf minimale Erhaltungsdosis (langfristige lokale Steroidtherapie kann atrophisierend auf die Haut wirken).
Vulvaatrophie Neben dem Lichen sclerosus et atrophicus zeigt die Vulvaatrophie aufgrund von Östrogenmangel sehr ähnliche Symptome.
Therapie Lokale Östrogenisierung mit Salben oder vaginal Ovula, zunächst täglich für ca. 10 Tage, danach erfolgt die Absenkung auf die niedrigste mögliche Erhaltungsdosis.
Chronische Schmerzen der Vulva, Vulvodynie, Vestibulitis-Syndrom Ausgeprägte Schmerzen und Überempfindlichkeit im Bereich des Perineums unklarer Ätiologie.
Klinik 4 Ausgeprägte Schmerzen im Bereich des Damms und/oder der Labien 4 Lokal zumeist unauffälliger Befund
Diagnostik 4 Ausschluss von bakterieller oder mykotischer Vulvitis 4 Positiver Wattetupfertest (Patientin verspürt schon bei der leichtesten Berührung mit einem Tupfer Schmerzen) 4 Lokale Inspektion mit Kolposkop 4 Ggf. PE-Entnahme
Therapie Weite Kleidung aus Baumwolle. Folgende Medikamente kommen infrage: 4 Lokale Therapie: 5 Lokalanästhetika haltige Salben 5 Östrogenhaltige Salben 5 Steroidhaltige Salben 4 Systemische Therapie: 5 Antihistaminikum (Cetirizin) 5 Trizyklische Antidepressiva (Amitryptilin) 5 Antiepileptika (Gabapentin) Operativ ist ggf. eine Vestibuloektomie indiziert.
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Eigene Notizen
24 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Eigene Notizen
1.4
Endometriose M. Wölfler
Definition und Einteilung Die Endometriose ist nach Myomen die zweithäufigste gutartige gynäkologische Erkrankung; sie ist definiert und charakterisiert durch das Vorhandensein von endometrialen Epithel- und Stromazellen außerhalb des Cavum uteri. Die Prävalenz beträgt 10–16% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter. Man unterscheidet drei Entitäten: 4 Endometriosis genitalis externa mit Endometrioseherden an Peritoneum viscerale, Ovar, Septum rectovaginale, Vagina 4 Endometriosis genitalis interna mit endometrialen Epithel- und Stromazellen im Myometrium = Adenomyosis uteri 4 Endometriosis extragenitalis mit Endometrioseherden am Darm, Zwerchfell, Pleura, an Laparotomienarben etc. Die Einteilung der Endometriosis genitalis externa erfolgt in 4 Stadien (nach der American Society for Reproductive Medicine, ASRM): 4 Stadium I: minimale Endometriose (oberflächliche Herde) 4 Stadium II: milde Endometriose (oberflächliche und tief infiltrierende Herde, Adhäsionen) 4 Stadium III: moderate Endometriose (tief infiltrierende Herde, ovarielle Endometriosezysten, Adhäsionen) 4 Stadium IV: schwere Endometriose (alle Veränderungen und partielle/ komplette Obliteration des Cavum Douglasii)
Ätiologie 4 Transplantationstheorie: Der vermutete Mechanismus besteht in einer Verschleppung von endometrialen Zellen in die Peritonealhöhle während der Menstruation (retrograde Menstruation). Allerdings wurde retrograde Menstruation bei bis zu 90% aller Frauen nachgewiesen. Die viel geringere Prävalenz der Endometriose lässt darauf schließen, das auch andere Faktoren, wie veränderte peritoneale Clearance und veränderte humorale Immunität sowie Veränderungen der verschleppten endometrialen Zellen (möglicherweise endometriale Stammzellen) eine Rolle in der Entstehung der Erkrankung spielen. 4 Metaplasietheorie: Der vermutete Mechanismus besteht hier in der Metaplasie aus embryonalem Zölomepithel. Nach dieser Theorie können sich aus Zölomzellen unter dem Einfluss verschiedener Stimuli (Inflammationsreize, Hormonschwankungen, Wachstumsfaktoren und mechanische Umwandlungen) Zellen mit endometriumähnlicher Differenzierung entwickeln – diese Theorie ist bis heute nicht gesichert.
Klinik Das typische klinische Bild der Endometriose gibt es nicht, sondern häufig sind unterschiedliche Beschwerden in unterschiedlich starker Ausprägung
25 1.4 · Endometriose
vorhanden, die meist auch unabhängig vom Stadium der Endometriose sind. Häufige Symptome sind: 4 Schmerzhafte, analgetikapflichtige Menstruation (Dysmenorrhoe) 4 Chronische Unterbauchschmerzen 4 Kohabitationsbeschwerden (tiefe Dyspareunie) 4 Subfertilität 4 Defäkationsbeschwerden (zyklusabhängig) 4 Darmblutungen (zyklusabhängig) 4 Miktionsbeschwerden (zyklusabhängig, selten: Hämaturie, Harnstau) > Memo Analgetikapflichtige Dysmenorrhoe sowie zyklusabhängige Beschwerden bei Miktion oder Defäkation sind verdächtig für Endometriose und sollten durch spezialisierte Zentren abgeklärt werden.
Diagnostik 4 Anamnese mit gezielten Fragen nach den oben genannten Symptomen 4 Gynäkologische Untersuchung: 5 Inspektion (Abdomen: Laparotomienarben; bei Spekulumeinstellung: Vaginalepithel, insbesondere Fornix posterior vaginae) 5 Palpation (bimanuell, tief, rektal) 5 Sonografie (transabdominal, transvaginal, transrektal, Nierensonografie) 4 Erweiterte Diagnostik: 5 Chirurgische Darmabklärung (Rektoendosonografie, Rektoskopie, Sigmoidokoloskopie) 5 Urologische Diagnostik: Zystoskopie, Darstellung der ableitenden Harnwege (i.v.-Pyelografie), Nierensonografie 5 Magnetresonanztomografie (Computertomografie nicht äquieffektiv) > Memo Die sichere Diagnosestellung von Endometriose ist nur invasiv mittels Laparoskopie (oder Laparotomie) möglich, idealerweise erfolgt die Diagnosesicherung durch histomorphologische Untersuchungen.
Therapie Die operative Therapie der Endometriose sollte gut geplant und an die Befunde und Ausgangssituation der Patientin angepasst erfolgen. Ziel der operativen Therapie ist die möglichst vollständige Resektion aller Endometrioseherde. Mittlerweile ist die operative Laparoskopie Standardtherapie und nur selten ist eine Laparotomie erforderlich: 4 Oberflächliche Endometriose: Koagulation oder Exzision 4 Tief infiltrierende Endometriose: vollständige Exzision 4 Ovarielle Endometriosezysten: vollständige Exzision des Zystenbalgs, Schonen des gesunden Ovargewebes (Fertilitätserhalt!) 4 Darmendometriose: bei Symptomatik ggf. Darmteilresektion 4 Adenomyosis uteri: bei abgeschlossener Familienplanung Hysterektomie
1
Eigene Notizen
26 Kapitel 1 · Allgemeine Gynäkologie
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Eigene Notizen
> Memo Zur Rezidivprophylaxe nach operativer Therapie soll bei
symptomatischer Endometriose oder Endometriose ab Stadium II immer eine hormonelle Therapie (s.u.) angeschlossen werden. Nach operativer Diagnosesicherung und Therapie stellt die medikamentöse Therapie – im Rahmen der hormonellen Therapie langfristig auch als Rezidivprophylaxe – eine wichtige Therapieoption dar. Die hormonelle Therapie beinhaltet folgende Optionen: 4 Orale Therapie: Kontrazeptiva, »Pille«. Die Kombinationen aus niedrig dosierten Östrogen- und Progesteronderivaten haben eine antigonadotrope Wirkung durch negative Rückkopplung und wirken dazu weitgehend antiproliferativ durch das Überwiegen der zugeführten Gestagene gegenüber den Östrogenen. Grundsätzlich können alle oralen Kontrazeptiva bei Endometriose eingesetzt werden; gestagenbetonte Pillen erwiesen sich jedoch effektiver in der Langzeitprophylaxe. 5 Progesteronderivate (Gestagene) verringern die Östrogenkonzentration durch zentrale Hemmung der Ovarialfunktion und vermindern zusätzlich die Ausbildung von Östrogenrezeptoren im Endometrium und in den Endometrioseherden. 5 GnRH-Agonisten führen durch kontinuierlich hohe GnRH-Spiegel im Blut zu einer Downregulation der GnRH-Rezeptoren in der Hypophyse und verringern so die Sekretion von LH und FSH und verursachen dadurch einen Menopause-ähnlichen Hormonmangel, insbesondere von Östrogenen. Um Nebenwirkungen durch diesen Östrogenmangel (Hitzewallungen, Schlafstörungen, Osteoporose) zu vermeiden, werden niedrig dosierte Östrogen-Gestagen-Präparate als so genannte »add-back-Therapie« hinzugegeben. GnRHAgonisten werden bei besonders schwerer Endometriose und als Vorbereitung für eine Kinderwunschbehandlung eingesetzt. Im Rahmen der medikamentösen Schmerztherapie werden v.a. nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) eingesetzt, die die Prostaglandinsynthese hemmen und somit die Schmerzentstehung auch kausal beeinflussen. Bei chronischen Schmerzen wird nach dem Stufenmodell der Schmerztherapie vorgegangen und in der unten genannten Reihenfolge Medikamente der verschiedenen Wirkstoffklassen eingesetzt: 4 Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) 4 Schwache Opioide ggf. in Kombination mit NSAIDs 4 Antidepressiva (additiv bei chronischen Schmerzzuständen)
2 Tag 2 – Gynäkologische Onkologie, Lageveränderung des Genitals und Harninkontinenz, Gynäkologische Endokrinologie
2 Gynäkologische Onkologie 2.1
Maligne Tumore des Uterus – 28 T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2.1.1 Endometriumkarzinom – 28 2.1.2 Gemischt mesenchymale Uterusneoplasien 2.1.3 Zervixkarzinom – 32
– 31
2.2
Maligne Tumore der Eileiter und Eierstöcke – 36 T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4
Allgemeines – 36 Borderline-Tumore des Ovars – 39 Maligne Keimzelltumore – 40 Keimstrangstromatumore – 40
2.3
Das Vulvakarzinom und seine Vorstufen – 40 T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2.3.1 Vulväre intraepitheliale Neoplasie – 40 2.3.2 Vulvakarzinom – 41 2.3.3 Vaginalkarzinom – 43
2.4
Maligne Tumore der Mamma – 44 U. Heindrichs
2.4.1 Grundlagen – 44 2.4.2 Läsionen mit unsicherem biologischem Potenzial (B3 der B-Klassifikation der Stanzbiopsien) – 46 2.4.3 Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS bzw. CLIS) – 47 2.4.4 Duktales in situ Karzinom (DCIS) – 47 2.4.5 Invasives Mammakarzinom – 48 2.4.6 Mammakarzinom des Mannes – 53 2.4.7 Interdisziplinäre Tumorkonferenz – 54
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_2, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
28 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
2.1
Maligne Tumore des Uterus T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2 2.1.1
Endometriumkarzinom
Epidemiologie und Definition Das Endometriumkarzinom ist der häufigste maligne Tumor des inneren Genitales der Frau in der westlichen Welt. Die Inzidenz dieser Erkrankung variiert zwischen 9 und 25 pro 100000 Frauen pro Jahr. Die Erkrankungshäufigkeit nimmt mit steigendem Alter zu. Das mittlere Erkrankungsalter liegt in der 7. Lebensdekade der Frau, über zwei Drittel der Patientinnen sind zum Zeitpunkt der Erstdiagnose postmenopausal. Der Begriff Endometriumkarzinom umfasst eine heterogene Gruppe von Tumoren; grundsätzlich unterscheiden wir 2 Typen von Endometriumkarzinomen: 4 Östrogenabhängiges Typ-I-Karzinom 4 Östrogenunabhängiges Typ-II-Karzinom Die 2 Gruppen unterscheiden sich in Tumorbiologie, Entstehung, Risikoprofil, Prognose und therapeutischem Ansatz.
Pathogenese 90% aller Endometriumkarzinome sind dem Typ I zuzuordnen. Es besteht ein langjähriger östrogener Stimulus, dieser hormonelle Überschuss führt über eine Endometriumhyperplasie mit zunehmender Atypie zur Tumorentstehung. Risikofaktoren für die Entstehung des Typ I endometrioiden Karzinoms sind: 4 Frühe Menarche 4 Späte Menopause 4 Nicht opponierte, reine Östrogen-Hormonersatztherapie 4 Östrogen produzierende Tumoren 4 Metabolisches Syndrom 4 Infertilität und Nulliparität 4 Daneben sind ansteigendes Lebensalter, hoher sozioökonomischer Status und die Einnahme von Tamoxifen weitere Risikofaktoren. Das hormonunabhängige prognostisch ungünstigere Endometriumkarzinom Typ II macht ca. 10% der Fälle aus. Bei diesem Typ II ist das Endometrium meist atrophisch, es finden sich aggressive High-grade-Zellkerne oder eine seröse und klarzellige Histologie. Die lymphogene und peritoneale Metastasierungstendenz ist höher beim Typ-II-Karzinom, das Ausbreitungsmuster der Erkrankung entspricht dem Verlauf des Ovarialkarzinoms. So sollte in diesem Fall die operative Therapie aggressiver sein und die adjuvante systemische Therapie einen höheren Stellenwert haben. Die Familienanamnese kann in diesem Patientinnenkollektiv auf ein Risiko für genetisch bedingte Krebserkrankungen hinweisen, wie das
29 2.1 · Maligne Tumore des Uterus
hereditäre nichtpolypöse kolorektale Karzinom (HNPLCC). Das Endometriumkarzinom ist in diesem genetisch prädisponierten Kollektiv sogar das zuerst auftretende Karzinom (Lebenszeitrisiko zwischen 40 und 60%).
Diagnostik Früherkennungsmaßnahmen, die ein adäquates Screening leisten würden, gibt es nicht. So ist die Einleitung diagnostischer Maßnahmen bei möglichen ersten klinischen Anzeichen der Erkrankung von großer Bedeutung. Hauptsymptom ist die Postmenopausenblutung. Es sollte eine vaginale Untersuchung zusammen mit einer Vaginalsonografie klären, wo sich die Blutungsquelle befindet. Auffälligkeiten im Bereich des Endometriums, des Myometrium bzw. der Zervix oder organübergreifend des Beckens sollten ausgeschlossen werden. So müssen auch diverse Differenzialdiagnosen erwogen werden, z.B. der Uterus myomatosus, Endometriumhyperplasien und Polypen wie auch funktionelle hormonell bedingte Blutungen. Auch andere Tumorentitäten kommen infrage, z.B. das Zervixkarzinom. Ausreichend für die Diagnosestellung Endometriumkarzinom sind letztlich die Vaginalsonografie und eine Endometriumbiopsie, entweder mittels Pipelle, hysteroskopisch oder mit Kürette entnommen. Weitere Bildgebung ist nicht notwendig. Bei histologisch nachgewiesenem Karzinom kann präoperativ zum Ausschluss von Fernmetastasen ein RöntgenThorax und eine Oberbauchsonografie durchgeführt werden.
Therapie Das Staging der Erkrankung erfolgt operativ, so ist die komplette systematische Operation der Patientin entscheidend für die Notwendigkeit einer adjuvanten Therapie. Die chirurgische Klassifikation erfolgt nach den Vorgaben der FIGO (Féderation Internationale de Gynécologie et Obstétrique Mai 2009): 4 Tx: unklarer Primärtumor 4 T0: Primärtumor nicht darstellbar 4 Tis: Carcinoma in situ 4 FIGO I: Tumor auf Corpus uteri begrenzt 5 IA: Keine oder <50% Invasion des Myometriums 5 IB: Tumor infiltriert genau oder >50% des Myometriums 4 FIGO II: Tumor infiltriert das Stroma der Cervix uteri, ist aber nicht organüberschreitend 5 T2a – Endozervikaler Drüsenbefall 5 T2b – Infiltration des Zervixstromas 4 FIGO III: Lokale oder regionale Ausbreitung 5 IIIA: Tumor infiltriert die Serosa oder die Adnexe 5 IIIB: Infiltration der Vagina und/oder Parametrien 5 N1 IIIC Pelvine und/oder paraaortale Lymphknotenmetastasen J IIIC1 Positive pelvine Lymphknoten J IIIC2 Positive paraaortale Lymphknoten mit oder ohne pelvine Lymphknotenmetastasen
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Eigene Notizen
30 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
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4 FIGO IV: Tumor infiltriert Blase/Darm und/oder Fernmetastasen 5 IVA: Tumor infiltriert Blasenmukosa oder Darmmukosa 5 M1 IVB: Fernmetastasen, exkl. Vaginalmetastasen, peritonealen Metastasen oder Adnexen, inkl. intraabdominale Lymphknotenmetastasen, außer pelvin/paraaortal und/oder inguinale Lymphknotenmetastasen Die systematische Staging-Operation umfasst die Spülzytologie aus dem intraperitonealen Raum, die Hysterektomie mit beidseitiger Adnektomie und bei Stadien höher als FIGO IB auch die systematische pelvine und paraaortale Lymphonodektomie. Komplettiert wird das Staging durch Biopsien an suspekten Stellen und zytoreduktivem Vorgehen bei uterusüberschreitendem Tumorwachstum. Insbesondere adipöse mulitmorbide Patientinnen mit Typ-I-Endometriumkarzinom profitieren von der minimal-invasiven Chirurgie. Die vorhandenen Daten weisen für die endoskopische oder Roboter-assistierte Operation eine dem offenen Vorgehen ebenbürtige onkologische Sicherheit vor. Bei seröser oder klarzelliger Histologie sollten zusätzlich die Omentektomie sowie die Entnahme multipler Peritonealbiopsien erfolgen. Für die alleinige nichtchirurgische Therapie besteht nur selten eine Indikation. Die operative Primärtherapie sollte angestrebt werden. Für Radiotherapie, Chemotherapie oder Hormontherapie bestehen v.a. adjuvante und palliative Therapieindikationen. Der Einsatz der jeweiligen Option wird im Wesentlichen vom Tumorstadium bestimmt.
Radiotherapie Die Indikationsstellung zur Radiatio ist an die Einschätzung des Lokalrezidivrisikos als auch an die Lymphknotenmetastasierung gekoppelt. Patientinnen mit niedrigem Risiko, z.B. mit FIGO Ia G1/G2 Tumoren, bedürfen keiner weiteren adjuvanten Behandlung. Ab FIGO Ib G2 wird eine vaginale Brachytherapie adjuvant durchgeführt; diese Maßnahme scheint das Rezidivrisiko zu senken, hat allerdings keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben der Patientin. Patientinnen mit einer extrauterinen Erkrankung (FIGO Stadium III, IV) und oder nachgewiesener Lymphknotenmetastasierung haben ein erhöhtes Rezidivrisiko und sollten nach Möglichkeit eine adjuvante Radiatio erhalten in der Form der kombinierten Therapie, sowohl von vaginal aus als auch perkutan. In der palliativen Situation ist die Radiotherapie zur Schmerzkontrolle und lokaler Begrenzung des Tumorprogresses indiziert.
Chemotherapie Bei Endometriumkarzinomen ab FIGO II oder bei aggressiven Typ-IITumoren kann alternativ zur Radiatio die Indikation zur adjuvanten Chemotherapie gestellt werden. Substanzen im Einsatz sind aktuell Carboplatin/Paclitaxel oder Doxorubicin kombiniert mit Cisplatin. Diese Kombinationstherapien können Vorteile im rezidivfreien Überleben erzielen, deren genauer Stellenwert im Vergleich zur Radiatio wird noch erforscht.
31 2.1 · Maligne Tumore des Uterus
Hormontherapie Die Indikation für eine Hormontherapie ist hauptsächlich der Palliativsituation vorbehalten. Gestagene wie das Medroxyprogesteronacetat können gegen gut differenzierte Hormonrezeptor-positive Endometriumkarzinome eingesetzt werden; die Ansprechrate ist allerdings mit knapp 30% moderat. Eine weitere spezielle therapeutische Indikation für die Hormontherapie besteht im Falle des Wunschs nach Fertilitätserhalt. So kann bei gut differenziertem (G1) endometrioidem Adenokarzinom im Stadium FIGO IA eine konservative Therapie in Erwägung gezogen werden. Die orale Gabe von Megesterolacetat bzw. Medroxyprogesteronacetat über mindestens 3 Monate ist die Therapie der Wahl. Ein engmaschiges Followup mit erneuten Endometriumbiopsien im Intervall sollte erfolgen; nach Abschluss der Familienplanung sollte die operative Therapie nachgeholt werden.
Nachsorge Eine symptomorientierte Nachsorge ist nach Abschluss der Behandlung üblich, mit dem Ziel frühzeitig ein Lokalrezidiv zu erkennen. Etwa 25% der Patientinnen erleiden ein Rezidiv, die Mehrheit der Rezidive treten in den ersten 2 Jahren nach Primärtherapie auf. Die Tumorreduktion in der Rezidivsituation bringt einen Überlebensvorteil, falls keine operative Intervention mehr möglich ist, sollte insbesondere beim Beckenwandrezidiv eine erneute Radiotherapie favorisiert werden. Bei distanter Metastasierung ist die zytostatische Systemtherapie eine Alternative.
2.1.2
Gemischt mesenchymale Uterusneoplasien
Einteilung Die histologische Heterogenität und die Seltenheit dieser Tumore (Inzidenz <1/100000) erschwert standardisierte Angaben zu Ätiologie, Diagnose und Therapie. Je nach Tumortyp bzw. Ursprung der Neoplasie unterscheiden wir u.a. endometriale Stromasarkome, Leiomyosarkome, Adenosarkome und mesodermale Mischtumore (Karzinosarkom oder Müller-Mischtumor).
Klinik Die klinische Symptomatik ist unspezifisch; sie umfasst hauptsächlich uterine Blutungsstörungen. Frühsymptome existieren selten, im frühen Stadium handelt es sich meist um eine Zufallsdiagnose nach Hysterektomie. Es existiert keine effektive Vorsorge asymptomatischer Patientinnen. Späte Symptome insbesondere bei stattgefundener Fernmetastasierung sind Unter- und Oberbauchschmerzen, Husten oder Atemnot.
Diagnostik Frauen mit persistierenden Blutungsstörungen sollten einer histologischen Abklärung des Cavum uteri unterzogen werden. Endometriale Stromasarkome weisen ein inhomogenes Endometrium auf, welches gegenüber dem Myometrium schlecht abgegrenzt ist. Leiomyosarkome imponieren in der
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Eigene Notizen
32 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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Bildgebung als unscharfe, schnell wachsende myomatöse Raumforderungen des Uterus. Folgende Klassifikation nach FIGO ist gültig: 4 FIGO I: Tumor beschränkt auf Corpus uteri 4 FIGO II: Tumorausdehnung auf Cervix uteri 4 FIGO III: Tumorausdehnung über den Uterus hinaus, allerdings nicht jenseits des kleinen Beckens 4 FIGO IV: Tumormanifestation außerhalb des Beckens
Therapie Die Operation hat einen hohen Stellenwert in der Therapie der Sarkome, zumal die meisten Tumore dieser Art schlecht auf eine Strahlen- und Chemotherapie ansprechen. In den Grundsätzen unterscheidet sich die Therapie nicht vom Vorgehen bei Endometriumkarzinom. Hysterektomie, bilaterale Adnektomie, Omentektomie und optional auch die Lymphadenektomie pelvin/paraaortal sollten durchgeführt werden. Der therapeutische Benefit der Lymphadenektomie wird kontrovers diskutiert. Gemischt mesenchymale Uterusneoplasien sind aufgrund ihrer aggressiven Wachstumspotenz selten kurativ behandelbar. Beckenrezidive sollten einer Radiotherapie unterzogen werden, bei frühzeitiger extrapelviner Metastasierung sollte eine systemische Therapie erfolgen. Wirksame Substanzen sind Cisplatin, Doxorubicin, Gemcitabine, Taxane und Ifosfamid.
2.1.3
Zervixkarzinom
Epidemiologie Die Inzidenz des Zervixkarzinoms in Deutschland liegt bei etwa 13 pro 100000 Frauen. Es gibt 2 Altersgipfel der Erkrankung. Der erste liegt im Lebensalter von 35–55 Jahren und der zweite ab 60 Jahre. Die Inzidenz zervikaler Präkanzerosen liegt um das 100-Fache höher. Das verhornende (squamöse) oder nichtverhornende Plattenepithelkarzinom sowie das Adenokarzinom sind die häufigsten histologischen Typen. Bei ca. 80% der Fälle liegt ein Plattenepithelkarzinom vor. Ätiologisch ist für die Krebsentstehung eine chronische Infektion mit high-risk humanen Papillomviren (hauptsächlich die HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 51, 52 und 56) in Kombination mit weiteren Konditionalfaktoren unabdingbar. Als Risikofaktoren werden der Nikotinabusus, Promiskuität, die Langzeiteinnahme oraler Kontrazeptiva, eine mögliche Immunschwäche und persistierende Genitalinfektionen diskutiert.
Prävention Die Vermeidung genitaler Infektionen und auch die Verwendung von Kondomen vermindert das Übertragungsrisiko einer HPV-Infektion. Die primäre Prävention des Zervixkarzinoms und seiner dysplastischen Vorstufen ist mittels Impfung gegen einzelne HPV-Typen möglich. Die prophylaktische Vakzinierung mit einem bivalenten Impfstoff gegen HPV 16/18 bzw. einem tetravalenten Impfstoff gegen HPV 16/18 sowie den Genitalwarzen
33 2.1 · Maligne Tumore des Uterus
verursachenden HPV-Typen 6/11 zeigte eine gute Verträglichkeit, eine 100%ige Serokonversion, und eine fast vollständige Verhinderung von persistierenden Infektionen, Zervixdysplasien und Genitalwarzen. Aus diesem Grunde propagiert die Ständige Impfkommission (STIKO) in Deutschland seit kurzer Zeit die prophylaktische Vakzinierung gegen die HPV-Typen 16/18 bei Mädchen im Alter von 12–17 Jahren. Im Falle einer breiten Teilnahme der Bevölkerung am Impfprogramm ist von einem deutlichen Rückgang der Neuerkrankungsrate prospektiv auszugehen. Die Vakzinierung ersetzt allerdings nicht regelmäßige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen, zumal die Impfung nicht alle HPV-Typen erfasst. Die Früherkennbarkeit der Erkrankung ist durch die Vorsorgeuntersuchungen (Portio-Zytologie, HPV-Testung) hoch.
Diagnostik Die Spiegeleinstellung und die gezielte zytologische Abstrichentnahme aus Portio und Zervikalkanal, nach Möglichkeit kolposkopisch kontrolliert, gehören sowohl zu den Vorsorgeuntersuchungen als auch zu den grundlegenden diagnostischen Erstmaßnahmen bei Zervixkarzinomverdacht. Von Bedeutung kann auch der Nachweis einer persistierenden risikohaften HPV-Infektion mittels PCR oder Hybrid-Capture-II-Assay sein. Bei symptomatischen Patientinnen und hochgradigem Verdacht auf ein Karzinom werden diese Erstmaßnahmen ergänzt durch die bimanuelle rektovaginale Untersuchung, (ggf. in Narkose) und gezielte Gewebeentnahmen zur histologischen Sicherung (bei intrazervikalen Läsionen durch eine Zervixkürettage). Durchgeführt werden sollten auch eine Zystoskopie und Rektoskopie zum Ausschluss eines Tumoreinbruchs in Harnblase oder Rektum. Bildgebende Untersuchungen wie CT und MRT geben einen Anhalt sowohl über die potenzielle Tumorausdehnung im Becken als auch Hinweise über den Lymphknotenstatus pelvin/paraaortal. Röntgen des Thorax, Ober- und Unterbauchsonografie und die Bestimmung der Tumormarker (SCC beim Plattenepithelkarzinom, CEA bzw. CA 125 beim Adenokarzinom) komplettieren die präoperativen diagnostischen Maßnahmen.
Klinik Die klinische Symptomatik umfasst initial vaginale Blutungen (in der Regel Kontaktblutungen) und verstärkt übel riechenden Fluor; mit Fortschreiten der Erkrankung sind Lymphstau der unteren Extremität, Hämaturie/Hämatochezie bis zur Anurie bei beidseitiger Ureterummauerung möglich. Die prätherapeutische Stadieneinteilung des Zervixkarzinoms nach der FIGO-Klassifikation ist an die klinische Erfahrung des Untersuchers gekoppelt, zumal das Staging der Erkrankung »klinisch« erfolgt: 4 FIGO I: Karzinom ist streng auf die Cervix uteri begrenzt 5 FIGO IA: Invasives Karzinom, das mikroskopisch identifiziert wird. Die Invasion ist begrenzt auf eine gemessene Stromainvasion mit einer maximalen Tiefe von 5 mm und einer Oberflächenausdehnung von nicht mehr als 7 mm.
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Eigene Notizen
34 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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J FIGO IA1: Gemessene Stromainvasion von nicht mehr als 3 mm in der Tiefe und einer Oberflächenausdehnung von nicht mehr als 7 mm. J FIGO IA2: Gemessene Stromainvasionstiefe von mehr als 3 mm und nicht mehr als 5 mm bei einer Oberflächenausdehnung von nicht mehr als 7 mm. 5 FIGO IB: Klinisch erkennbare Läsionen, begrenzt auf die Cervix uteri oder subklinische Läsionen mit größeren Maßen als Stadium IA. J FIGO IB1: Klinisch erkennbare Läsionen <4 cm. J FIGO IB2: Klinisch erkennbare Läsionen >4 cm. 4 FIGO II: Zervixkarzinom infiltriert jenseits des Uterus, aber nicht bis zur Beckenwand und nicht bis zum unteren Drittel der Vagina 5 FIGO IIA: Ohne Infiltration des Parametriums. Infiltration der oberen zwei Drittel der Vagina. 5 FIGO IIB: Mit Infiltration des Parametriums aber keine Ausbreitung zur Beckenwand. 4 FIGO III: Zervixkarzinom breitet sich bis zur Beckenwand aus und befällt das untere Drittel der Vagina und verursacht Hydronephrose oder stumme Niere. 5 FIGO IIIA: Tumor befällt unteres Drittel der Vagina, keine Ausbreitung zur Beckenwand. 5 FIGO IIIB: Tumor breitet sich bis zur Beckenwand aus oder verursacht Hydronephrose oder stumme Niere. 4 FIGO IV: Tumor infiltriert Schleimhaut von Blase oder Rektum und/ oder überschreitet die Grenzen des kleinen Beckens. 5 FIGO IVA: Ausbreitung auf angrenzende Organe des Beckens. 5 FIGO IVB: Ausbreitung auf entfernte Organe (Fernmetastasen).
Therapie Die Therapie des Zervixkarzinoms besteht heute in einer stadienadaptierten, individuell ausgerichteten therapeutischen Strategie; sie umfasst diverse Operationsverfahren, die Strahlentherapie sowie die systemische Zytostatika-Gabe.
Operation Primärziel der operativen Strategie ist die komplette Resektion des Tumors inklusiver tumoröser Absiedlungen in die drainierenden Lymphgefäße. Die Radikalität der Operation richtet sich je nach FIGO-Stadium nach der Wahrscheinlichkeit eines Lymphknotenbefalls. In frühen Stadien wird angestrebt, die Radikalität der Operation zurückzunehmen und die perioperative Morbidität zu reduzieren. Bei jungen Frauen mit nicht abgeschlossener Familienplanung kann in frühen Stadien (FIGO IA1 und IA2) eine uteruserhaltende Operation erwogen werden. Im Stadium FIGO IA1 G1 erscheint bei Wunsch nach Erhalt der Fertilität die Konisation ausreichend. Sie sollte mit der elektrischen Schlinge oder als Laserkonisation erfolgen. Durch die Konisation können prämaligne oder mikroinvasive Veränderungen in sano entfernt werden. In einer
35 2.1 · Maligne Tumore des Uterus
darauffolgenden Schwangerschaft sollte das höher Risiko für Zervixinsuffizienz und möglicher Zervixstenose beachtet werden. Ebenfalls fertilitätserhaltend ist die radikale Trachealektomie. Bei G1und G2-Plattenepithelkarzinomen, fehlender Lymphangiosis und Hämangiosis sowie einer Tumorgröße bis 2 cm kann diese Operation durchgeführt werden; die dazugehörige pelvine Lymphadenektomie ist offen abdominal oder endoskopisch möglich. Die operative Therapie des Zervixkarzinoms im Stadium FIGO IB bis IIA umfasst primär die radikale Hysterektomie nach Wertheim-Meigs und Okabayashi. Die Grundprinzipien der Operation bestehen aus folgenden Schritten: 4 Hysterektomie mit Scheidenmanschettenentfernung und Parakolpienresektion 4 Resektion von Parametrien mit Ligamenta sacrouterina und Ligamenta vesicouterina 4 Pelvine Lymphadenektomie Die Nähe der Resektionsränder zur Beckenwand hin ist abhängig von der Tumorgröße. Ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Tumor sollte gewährleistet sein. Die Adenektomie ist bei prämenopausalen Frauen nicht obligatorisch, allerdings sollte man diese insbesondere beim Adenokarzinom der Zervix in Erwägung ziehen. Die Operation nach Wertheim-Meigs kann sowohl offen abdominal als auch minimal-invasiv durchgeführt werden. Der Fortschritt der minimalinvasiven Chirurgie ermöglicht eine der Abdominalchirurgie ebenbürtige onkologische Sicherheit. Varianten der Operation nach Wertheim-Meigs sind die vaginale Radikaloperation nach Schauta-Amreich und die totale mesometriale Resektion als Weiterentwicklung der Präparationstechnik in anatomisch-embryonalen Entwicklungsgrenzen.
Radiochemotherapie Ab dem Stadium FIGO IIB umfasst die Therapie der Wahl die primäre simultane kombinierte Radiochemotherapie, bestehend aus Cisplatin wöchentlich 40 mg/m2, externer Beckenradiatio und intrakavitärer Brachytherapie. Bei Kontraindikationen, z.B. Vorliegen einer schweren Niereninsuffizienz, entfällt die Chemotherapie und es wird kombiniert bestrahlt. Die Radiochemotherapie kommt zusätzlich in der adjuvanten Situation zum Einsatz, wenn bestimmte Risikofaktoren vorliegen, z.B. das Adenokarzinom, entdifferenzierte Tumore (G3), Lymph- oder Hämangiosis und der positive Lymphknotenstatus.
Chemotherapie Cisplatin, Carboplatin, Ifosfamid und Topotecan, evtl. auch in Kombination mit Anthrazyklinen, Mitomycin, Bleomycin oder Taxanen, sind eine Therapieoption beim fortgeschrittenen, insbesondere fernmetastasierten Zervixkarzinom (FIGO IVB). Als neoadjuvante Wahl kann eine intervallverkürzte platinhaltige Therapie die Operabilität verbessern. Insbesondere in
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Eigene Notizen
36 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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der Rezidivsituation und bei fehlender Bestrahlungsmöglichkeit bietet die systemische Therapie eine Alternative. 2.2
Maligne Tumore der Eileiter und Eierstöcke T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2.2.1
Allgemeines
Epidemiologie und Klassifikation Der Begriff Ovarialkarzinom umfasst mehrere histologische Typen, in der Mehrzahl der Fälle ist der Tumor epithelialen Ursprungs (>70%), andere histologische Typen umfassen Keimzell- (ca. 10%), Keimstrang-/Stroma(10%) und in das Ovar metastasierende Tumoren (5%). Die primär tumoröse Entartung der Eileiter gehört mit einem Anteil von knapp 0,5% in der Gesamtheit der Malignome des weiblichen Genitaltrakts zu den seltenen malignen Erkrankungen der Frau. Die Inzidenz für das Ovarialkarzinom beträgt in Deutschland 15,6 pro 100000 Frauen pro Jahr; nach dem Bronchialkarzinom hat das Ovarialkarzinom die zweitschlechteste Prognose, zu einem wesentlichen Teil bedingt durch die Unspezifität und relative Symptomfreiheit der Erkrankung in den frühen Stadien. Etwa zwei Drittel der Patientinnen befinden sich zum Zeitpunkt der Diagnose bereits im Stadium III nach der FIGO-Klassifikation. Die Stadieneinteilung/Staging der Erkrankung erfolgt chirurgisch, gängig ist die Klassifikation nach FIGO: 4 Stadium I: beschränkt auf das Ovar 5 IA: beschränkt auf ein Ovar, kein Aszites (Kapsel intakt) 5 IB: beschränkt auf beide Ovarien, kein Aszites 5 IC: beschränkt auf ein oder beide Ovarien; Kapseldurchbruch und/ oder Aszites mit Tumorzellen 4 Stadium II: Befall eines oder beider Ovarien und Ausdehnung in das kleine Becken 5 IIA: Ausdehnung oder Metastasen auf oder in den Uterus und/oder die Tuben 5 IIB: Ausdehnung auf andere Organe des kleinen Beckens 5 IIC: Wie IIB, zusätzlich Aszites mit Tumorzellen 4 Stadium III: Befall eines oder beider Ovarien mit intraperitonealer Metastasierung außerhalb des kleinen Beckens oder Befall retroperitonealer Lymphknoten 5 IIIA: mikroskopische peritoneale Metastasen 5 IIIB: makroskopische peritoneale Metastasen <2 cm 5 IIIC: Metastasen >2 cm und/oder regionäre Lymphknotenmetastasen 4 Stadium IV: Befall eines oder beider Ovarien mit Fernmetastasen außerhalb der Peritonealhöhle > Memo Pleuraerguss wird nur als IV gewertet, wenn Tumorzellen nachweisbar; Leber: oberflächliche Kapselmetastasen gelten nicht, intrahepatische Herde immer als IV.
37 2.2 · Maligne Tumore der Eileiter und Eierstöcke
Klinik Die klinische Symptomatik umfasst: 4 Bauchumfangzunahme, meist durch Aszitesbildung bedingt 4 Gastrointestinale Beschwerden 4 Druckgefühl 4 Schmerz im Unterbauch und/oder Oberbauch 4 Obstipation 4 Gewichtsabnahme 4 Miktionsprobleme 4 Vaginale Blutung
Diagnostik Die gynäkologische bimanuelle Untersuchung und die Inspektion durch Spiegeleinstellung gehören zu den grundlegenden und ersten diagnostischen Maßnahmen. Der Nachweis von blutigem Fluor, das mögliche Verdrängen von Scheidenwand und Portio durch tumoröse Raumforderungen im kleinen Becken oder der palpatorische Nachweis von knotigen Auflagerungen im Sinne einer Douglasperitonealkarzinose können auf ein mögliches Ovarialkarzinom hinweisen. Die transvaginale Sonografie hat den höchsten Stellenwert in der Diagnostik des Ovarialkarzinoms. Sonomorphologische Kriterien zur Beschreibung und letztlich Einschätzung des malignen Potenzials von Ovarialtumoren sind die Tumorgröße, Aszitesnachweis, Binnenstrukturen innerhalb der zystischen Raumforderung, Septendicke, solide Anteile, papilläre und echogene Randstrukturen, Inhomogenität und Perfusionsmuster. Es existiert kein einzelnes sonografisches Kriterium, welches pathognomonisch ist für die Dignität einer ovariellen Raumforderung. Nimmt allerdings der erfahrene Untersucher alle Teilaspekte in Betracht, so kann er eine gute Einschätzung hinsichtlich Dignität erbringen. Weitere apparative Diagnostik im Sinne von CT des Beckens/Abdomens oder MRT ist nicht obligat und verbessert nicht die diagnostische Sicherheit; letztlich ist die Operation mit histologischer Sicherung nicht nur Teil des therapeutischen Konzepts, sondern auch beweisend für das Ovarialkarzinom.
Differenzialdiagnostik Differenzialdiagnostisch kommen alle tumorösen Raumforderungen des Abdomens in Betracht, diese können gutartige Veränderungen sein, z.B. funktionelle Zysten der prämenopausalen Frau, Kystome, Fibrome, Dermoidzysten oder Endometrioseläsionen. Maligne Neoplasien sind differenzialdiagnostisch alle kolorektalen Tumoren, Gallenblasenkarzinome, Magenkarzinome, das Pankreaskarzinom sowie Metastasen anderer Tumorentitäten.
Therapie Etablierte Prognosefaktoren der Erkrankung sind: 4 das Tumorstadium 4 der postoperative Tumorrest
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38 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
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4 das Alter der Patientin 4 der Allgemeinzustand 4 der histologische Typ des Tumors inklusive Tumorbiologie Diese Faktoren sind maßgebend für ein differenziertes alters- und stadienabhängiges therapeutisches Vorgehen. Die operative Exploration/Staging bis zum maximal möglichen Tumordebulking und die adjuvante zytostatische Therapie sind die zwei wesentlichen therapeutischen Pfeiler des Ovarialkarzinoms. Bei unilateralem Tumor im Stadium FIGO I ist ein fertilitätserhaltendes operatives Vorgehen nach entsprechender Aufklärung und Risikoabwägung möglich. Stadiumunabhängig ist die makroskopisch vollständige Tumorresektion mit einem längeren Überleben und einer höheren Heilungsrate assoziiert. Das operative Vorgehen umfasst folgende Schritte: 4 Längslaparotomie 4 Inspektion und Palpation des gesamten Bauchraums 4 Peritonealzytologie 4 Biopsien aus auffälligen Stellen inklusive Peritonealbiopsien aus unauffälligen Regionen 4 Hysterektomie mit hoher Adnexexstirpation 4 Omentektomie mindestens infrakolisch, besser sogar infragastrisch 4 Appendektomie bei muzinösem oder unklarem Tumortyp 4 die systematische pelvine und paraortale Lymphonodektomie bis hoch zu den Nierengefäßabgängen. Auch wenn der prospektive Überlebensvorteil für die Lymphonodektomie noch aussteht, weisen retrospektive Daten darauf hin. Die Patientin profitiert möglicherweise am meisten von einer systematischen Lymphonodektomie, wenn eine komplette Tumorresektion geleistet wurde, bei Tumorresten postoperativ >1 cm erscheint die Lymphonodektomie nicht von Vorteil für die Patientin. Das operative Vorgehen kann in den FIGO-Stadien III und IV Resektion von infiltrierten Dünn- und Dickdarmanteilen, Zwerchfelldeperitonealisierung, Splenektomie und eine Leberteilresektion umfassen, sollte eben das Ziel der makroskopischen Tumorfreiheit möglich erscheinen. Die Kombination aus der bestmöglichen Operation und einer platinhaltigen adjuvanten zytostatischen Therapie hat den besten Überlebensvorteil für die Patientin. Carboplatin AUC 5 und Paclitaxel 175 mg/m2 über 3 h intravenös für insgesamt 6 Zyklen alle 3 Wochen ist aktuell der Standard. Ausnahme stellen die Patientinnen im Stadium FIGO IA G1 dar; sie benötigen keine adjuvante Chemotherapie – vorausgesetzt ein adäquates operatives Staging ist erfolgt. Trotz optimaler primär operativer und adjuvanter Systemtherapie erleidet ca. die Hälfte der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom innerhalb der ersten 2 Jahre ein Rezidiv. Bei der Therapie des Rezidivs sollte die Erhaltung der Lebensqualität gegenüber anderen Therapiezielen im Vordergrund stehen. Die Länge des progressionsfreien Überlebens ist
39 2.2 · Maligne Tumore der Eileiter und Eierstöcke
ein wichtiger prognostischer Parameter, der zudem auch prädiktive Bedeutung für das erneute Ansprechen einer platinbasierten Chemotherapie hat. Platinresistente Rezidive haben kein Ansprechen im Sinne einer Remission auf die Primärtherapie gezeigt und/oder die Patientinnen erleiden bereits nach weniger als 6 Monaten nach Ersttherapie ein Rezidiv. Diese Untergruppe der Patientinnen hat eine besonders eingeschränkte Prognose, es besteht eine umfassende Zytostatikaresistenz. In dieser Gruppe bietet eine Kombinationstherapie bisher keinen Vorteil gegenüber einer Monotherapie. Einzusetzende Zytostatika sind in diesem Falle das pegylierte liposomale Doxorubicin, Topotecan, Gemcitabine, Treosulfan, Etoposid, Vinorelbin. Die Ansprechrate sämtlicher Substanzen liegt im besten Falle zwischen 20 und 25%, das progressionsfreie Intervall ist kurz. Davon ist die Gruppe der so genannten platinsensiblen Rezidive abzugrenzen; diese Gruppe umfasst Patientinnen, welche auf eine platinbasierte Primärtherapie mit einer objektiven Remission angesprochen haben und ein rezidivfreies Intervall von mehr als 6 Monaten nach Abschluss der Therapie aufweisen. In dieser Gruppe ist eine platinhaltige Reinduktionstherapie möglich; die Kombinationstherapie ist hier der Platinmonotherapie überlegen. So zeigen die Kombination von Carboplatin/ pegyliertes liposomales Doxorubicin, Carboplatin/Paclitaxel, Carboplatin/ Gemcitabin ein erneutes gutes Ansprechen in bis zu 50% der Fälle. Wenn eine platinhaltige Therapie bei einem rezidivfreien Intervall von 6–12 Monaten nicht geeignet erscheint, ist pegyliertes liposomales Doxorubicin in Kombination mit Trabectedin effektiv.
2.2.2
Borderline-Tumore des Ovars
Borderline-Läsionen des Ovars umfassen Tumore mit niedrigem malignen Potenzial (»low malignant potential«). Im Großteil der Fälle kommt es zu einem benignen klinischen Verlauf, die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt etwa 97%, über 90% der Fälle werden im Stadium I nach FIGO diagnostiziert. Borderline-Tumore treten im Vergleich zum Ovarialkarzinom etwa 10 Jahre früher auf. Für die Diagnose des Borderline-Tumors sind mindestens zwei der folgenden Kriterien erforderlich: 4 (Mikro)papilläres Wachstumsmuster, erhöhte Mitoserate 4 Mehrschichtiges Epithel 4 Zellkernatypien Histologisch werden seröse, muzinöse, endometrioide und klarzellige Borderline-Tumore unterschieden, wobei die serösen und muzinösen Tumore zusammen >90% ausmachen. Peritoneale Implantate können eine invasive Morphologie aufweisen; invasive Implantate stellen eine der wichtigsten Prognosefaktoren für das Gesamtüberleben und das Rezidiv dar. So ist eine adäquate histologische Diagnosesicherung und Subtypisierung essenziell. Dies schließt die Charakterisierung evtl. vorhandener Implantate (invasiv/ nichtinvasiv) sowie Angaben zur Mikroinvasion ein.
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Eigene Notizen
40 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
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Die klassische chirurgische Therapie besteht aus einer zytoreduktiven Operation mit beidseitiger Adenektomie, Hysterektomie, Omentektomie und Entnahme multipler peritonealer Biopsien. Bei muzinöser Differenzierung ist zusätzlich die Appendektomie zum Ausschluss einer primären Appendixneoplasie erforderlich. Ein sorgfältiges chirurgisches Staging sollte durchgeführt werden. Der Lymphknotenstatus hat keine gesicherte prognostische oder therapeutische Konsequenz. Demnach ist die Lymphonodektomie kein Bestandteil der Operation. ! Cave Im Falle von noch bestehenden Kinderwunschs bzw. Wunschs nach Erhalt der ovariellen Funktion ist ein fertilitätserhaltendes Vorgehen möglich, allerdings muss die Patientinnen über das erhöhte Rezidivrisiko aufgeklärt werden. Der Nutzen einer adjuvanten Therapie wurde bislang für Tumore von niedrigem malignem Potenzial nicht gezeigt. Die Nachbeobachtung muss den langwierigen zeitlichen Verlauf der Erkrankung berücksichtigen und sollte deshalb über mindestens 10–15 Jahre erfolgen.
2.2.3
Maligne Keimzelltumore
Ziel der chirurgischen Therapie ist die komplette Tumorresektion und adäquate Stadieneinteilung unter Erhalt der Fertilität bei unauffälligem verbleibendem Genitale. Adjuvant ist bei malignen Keimzelltumoren ab Stadium FIGO IA eine cisplatinhaltige Chemotherapie erforderlich, die aus 2–3 Substanzen besteht. Platin und Etoposid sind die Substanzen der ersten Wahl, als dritte Substanz kommen Bleomycin oder Ifosfamid in Betracht.
2.2.4
Keimstrangstromatumore
Auch diese Tumorentität erfordert ein adäquates chirurgisches Staging analog der chirurgischen Therapie der Keimzelltumore. Der Nutzen der systematischen Lymphonodektomie ist ebenfalls nicht belegt. Adjuvante Strahlen-, Chemo- oder endokrine Therapiekonzepte werden kontrovers diskutiert; sie sind allerdings nicht Teil der aktuellen Therapieempfehlungen.
2.3
Das Vulvakarzinom und seine Vorstufen T. Papathemelis, I. Meinhold-Heerlein
2.3.1
Vulväre intraepitheliale Neoplasie
Epidemiologie und Ätiologie Die vulväre intraepitheliale Neoplasie ist die häufigste präinvasive Erkrankung der Vulva, aktuell geht man von einer Inzidenz von 7 pro 100000 Frauen aus. Die Inzidenz der vulvären intraepithelialen Neoplasie und auch
41 2.3 · Das Vulvakarzinom und seine Vorstufen
konsekutiv die des Vulvakarzinoms hat über die letzten Jahrzehnte zugenommen. Die Ursachen sind nicht gänzlich geklärt, es wird u.a. postuliert, dass eine verbesserte Diagnostik und die Teilnahme der Frauen an den Vorsorgeuntersuchungen zu den Gründen gehören. Sowohl die Zunahme der HPV-Neuinfektionsrate, insbesondere in den jüngeren Altersklassen, als auch möglicherweise unbekannte lokale Faktoren tragen ebenso dazu bei.
Klassifikation Die vulväre intraepitheliale Neoplasie (VIN) wird je nach Schweregrad histomorphologisch in VIN 1–3 unterteilt. Eine neuere Klassifikation (International Society for the Study of Vulvovaginal Disease) unterscheidet zwischen kondylomatösen reaktiven Veränderungen (alt VIN 1) und zwischen differenzierten bzw. undifferenzierten intraepithelialen Neoplasien (alt VIN 2 und 3). 4 Die differenzierte VIN betrifft eher die ältere Patientin, ist meist unifokal, hat eine hohe maligne Potenz und kann z.B. auf Basis eines Lichen sclerosus entstehen. 4 Die undifferenzierte VIN ist in der Regel die Erkrankung der jüngeren Patientin, HPV-assoziiert (z.B. HPV Typ 16, 33), multilokulär und mit einer moderaten malignen Potenz.
Therapie VIN-2- und -3-Läsionen sollten durch chirurgische Exzision und/oder Laservaporisation im Gesunden entfernt werden. Ziel der operativen Therapie ist die Prävention des invasiven Vulvakarzinoms bzw. die Entfernung okkulter Frühkarzinome. In der operativen Therapie der Vorstufen sollten die Rezidivvermeidung und der Erhalt der normalen Anatomie und Funktion gleichmäßig berücksichtigt werden.
Prävention Ein Großteil der vulvären intraepithelialen Neoplasien und Karzinome der jungen Frauen können durch die HPV-Impfung verhindert werden. Mädchen vor Aufnahme des ersten Geschlechtsverkehrs haben nach 3-facher Impfung einen hohen Impfschutz gegen durch HPV (6,11) 16, 18 induzierte Läsionen.
2.3.2
Vulvakarzinom
Epidemiologie und Ätiologie Das Vulvakarzinom ist das vierthäufigste Genitalkarzinom mit einer gegenwärtigen Inzidenz von etwa 2,5 pro 100000 Frauen. Als Risikofaktoren gelten: 4 Persistierende HPV-High-risk-Infektionen 4 Assoziierte vulväre/zervikale/vaginale/anale intraepitheliale Neoplasien oder Karzinome 4 Nikotinabusus
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42 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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4 4 4 4 4
Herpes genitalis Lues Immunschwächesyndrome (z.B. AIDS) Lichen sclerosus et atrophicans Squamöse Hyperplasie
Klinik Frühsymptome des Vulvakarzinoms sind entweder in ca. der Hälfte der Patientinnen nicht vorhanden oder sehr unspezifisch. In vielen Fällen vergeht oft >1 Jahr zwischen Symptombeginn und Diagnosestellung. Hauptsymptome dieser Erkrankung, wenn vorhanden, sind: 4 Pruritus 4 Vulvodynie 4 Dysurie 4 Perinealer Schmerz 4 Lokales Brenngefühl 4 Die Symptomatik wird durch das subjektive Erfassen palpabler oder sichtbarer Veränderungen im Bereich der Vulva begleitet.
Diagnostik Inspektion, Palpation, Vulvoskopie und Applikation von Essigsäure gehören zu den primären diagnostischen Maßnahmen. Lokalisation, Anzahl, Verteilung, Größe, Begrenzung und Farbe von vulvären Veränderungen sind zu beschreiben. Die häufigsten Lokalisationen sind die Labia majora, gefolgt von der Klitoris, den Labia minora, dem Perineum, der Periurethralregion und der Bartholin-Drüse. Hinweise für Malignität sind: 4 Rasche Größenprogredienz 4 Bildung eines Ulkus 4 Farbveränderung 4 Unscharfe Begrenzung 4 Asymmetrie Jede unklare vulväre Läsion gehört bioptisch abgeklärt.
Klassifikation Das Staging der Erkrankung erfolgt operativ nach folgender FIGO-Klassifikation: 4 FIGO I: Tumor beschränkt auf die Vulva oder Vulva und den Damm, größter Durchmesser <2 cm; ohne Lymphknotenmetastasen (T1N0) 5 FIGO IA: Stromainvasion ≤1,0 mm 5 FIGO IB: Invasionstiefe >1,0 mm 4 FIGO II: Tumor beschränkt auf die Vulva oder Vulva und den Damm; >2 cm ohne Lymphknotenmetastasen (T2N0) 4 FIGO III: Tumor jeglicher Größe mit Ausdehnung auf die distale Urethra, Vagina oder den Anus und/oder unilaterale inguinale Lymphknotenmetastasen 4 FIGO IV: Tumorinvasion in Nachbarorgane, bilaterale inguinofemorale Lymphknotenmetastasen
43 2.3 · Das Vulvakarzinom und seine Vorstufen
5 FIGO IVa: Tumor jeglicher Größe mit Infiltration der proximalen Urethra, der Blasenmukosa, der Rektummukosa, des Beckenknochens, bilaterale inguinofemorale Lymphknotenmetastasen 5 FIGO IVb: Fernmetastasen, inklusive pelviner Lymphknotenmetastasen
Therapie Die lokale Therapie des Vulvakarzinoms umfasst stadienadaptiert die lokale radikale Exzision, die Vulvektomie und die primäre Radiochemotherapie. Ziel der operativen Therapie ist die Resektion des Tumors in sano mit einem 10 mm gesunden Randsaum. Die operative Lokaltherapie hat in den letzten Jahren eine Reduzierung der Radikalität zugunsten der Verminderung von Komplikationen erfahren. So ist die 3-Schnitt-Technik, d.h. Vulvektomie und inguinofemorale Lymphonodektomie von separaten Schnitten aus, der En-bloc-Technik vorzuziehen. Weiterhin versucht man den vollständigen Verlust der Vulva dann zu vermeiden, wenn eine radikale Exzision im makroskopisch Gesunden möglich ist. Therapie der Wahl beim Vulvakarzinom FIGO IA–II ist die lokale radikale Exzision. Im Stadium III kann die radikale Vulvektomie indiziert werden, ab FIGO IV kommt die Radiochemotherapie primär in Betracht. Ab einer Infiltrationstiefe von >1,0 mm (≥FIGO IB) ist die inguinofemorale Lymphonodektomie obligat. Bei lateralem FIGO-I-Karzinom und freien ipsilateralen Lymphknoten kann auf eine kontralaterale Lymphonodektomie verzichtet werden. Die Behandlung der pelvinen Lymphknoten ist indiziert bei 3 oder mehr positiven unilateralen Leistenlymphknoten, Kapseldurchbruch oder dem Vorliegen von Makrometastasen >10 mm. Ungeklärt ist, ob in diesem Fall die Patientin von der pelvinen Lymphadenektomie oder der Radiatio des Beckens mehr profitiert.
Prävention Die Prävention dieser Erkrankung, bestehend aus primären und sekundären Maßnahmen, beinhaltet die prophylaktische HPV-Impfung (primäre Prävention) und frühzeitige diagnostische und therapeutische Maßnahmen (sekundäre Prävention).
2.3.3
Vaginalkarzinom
Epidemiologie Primäre Vaginalkarzinome sind Plattenepithelkarzinome und mit einer Inzidenz von 0,3–0,4 pro 100000 Frauen im Jahr sehr selten. Häufiger ist ein sekundärer Befall der Vagina durch kontinuierliche Ausbreitung anderer lokaler Tumore. Analog zum Vulvakarzinom werden Vorstufen dieser Erkrankung als vaginale intraepitheliale Neoplasien Grad I–III bezeichnet. Je nach Schweregrad der intraepithelialen Neoplasie ist die Beobachtung (VAIN I) oder die Destruktion und lokale Exzision (VAIN II und III) das Mittel der Wahl.
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Eigene Notizen
44 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
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Klinik Fleischwasserfarbener Fluor, Blutungen, Schmerzen und Druckgefühl gehören zu den Hauptsymptomen des Vaginalkarzinoms.
Diagnostik Inspektion, Palpation, Spekulumeinstellung, Kolposkopie und gezielte bioptische Sicherung umfassen die Hauptmaßnahmen, die zur Diagnose des Vaginalkarzinoms führen. Das Staging der Erkrankung erfolgt nach FIGO wie folgt: 4 FIGO I: Tumor begrenzt auf Vagina 4 FIGO II: Tumor infiltriert paravaginales Gewebe aber nicht bis zur Beckenwand 4 FIGO III: Tumor erreicht die Beckenwand und/oder Lymphknotenmetastasen 4 FIGO IV 5 FIGO IVA: Tumor infiltriert die Mukosa von Blase/Rektum und/ oder überschreitet das kleine Becken 5 FIGO IVB: Fernmetastasierung
Therapie Beim Vaginalkarzinom wird häufig die primäre Strahlentherapie der Operation vorgezogen. Die Entscheidung, ob Operation oder (primäre) Strahlentherapie indiziert ist, richtet sich nach der primären Ausdehnung und der Lokalisation des Tumors, der Erfahrung des Operateurs, dem Allgemeinzustand der Patientin und der Abwägung möglicher Nebenwirkungen/ Komplikationen. Nebenwirkungen sind: 4 Strahlentherapie: Spätfolgen an Darm und Blase, trockene, verklebte Vagina, Fistelbildungen 4 Operation: Verlust der Vagina, Neovagina nötig, sehr großer Eingriff, häufig lokoregionäre Rezidive Der operative Aufwand variiert je nach Größe und Lokalisation des Tumors von einer Exzision im Gesunden, einer Kolpektomie mit Parakolpienentfernung, einer radikalen Kolpohysterektomie bis zur Exenteration. Alternativ ist stadienübergreifend die primäre Radiotherapie möglich.
2.4
Maligne Tumore der Mamma U. Heindrichs
2.4.1
Grundlagen
Epidemiologie und Ätiologie Das Mammakarzinom stellt die häufigste Krebserkrankung der Frau mit rund 60000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland dar. Die Inzidenz ist damit mehrfach höher als z.B. in Asien oder Südamerika. Epidemiologisch
45 2.4 · Maligne Tumore der Mamma
können verschiedene Risikofaktoren benannt werden, die im Sinne einer Prävention mehr oder weniger beeinflussbar sind: So gilt die Nulliparität bzw. Schwangerschaft jenseits des 35. Lebensjahres, nicht stillen, ledig sein oder familiär mit der Erkrankung vorbelastet zu sein als risikobehaftet; ebenso der frühe Eintritt in die Menarche bzw. eine späte Menopause wie auch bestimmte Hormonsubstitutionsschemata in der Postmenopause. Somit erscheinen hormonelle Einflüsse das Brustkrebsrisiko maßgeblich zu steuern, daneben spielen Faktoren der Lebensführung, z.B. Übergewicht, Bewegungsmangel und schädliche Genussmittel (Alkohol, Nikotin) ebenfalls eine erhebliche Rolle. Das nachgewiesenermaßen erbliche Mammakarzinom (BRCA-Mutation) macht derzeit <10% aller Mammakarzinomfälle aus, ist aber gerade für betroffene Familien entsprechend bedeutsam. Hinsichtlich der Therapie des Mammakarzinoms kommt der Früherkennung die bedeutendste Rolle hinsichtlich der möglichen Heilungschancen zu. Demzufolge sollte die entsprechende Diagnostik möglichst zielgerichtet und effizient eingesetzt werden. Im Folgenden werden die verschiedenen Diagnostika vorgestellt und hinsichtlich ihrer Möglichkeiten bewertet.
Anamnese Mithilfe der Krankengeschichte kann erfragt werden, inwieweit eine familiäre Vorbelastung oder weitere Risikofaktoren bestehen. Sollte die Patientin selber einen Tumor getastet haben, führt die Erfragung der Dynamik und der Begleitfaktoren (Schmerzhaftigkeit, Rötung, Fieber) der Erkrankung schon zu Rückschlüssen hinsichtlich der Differenzialdiagnosen.
Palpation Es ist noch relativ häufig, dass Frauen mit selbst neu getasteten Herdbefunden der Mammae in die Sprechstunde kommen; in solchen Fällen können anhand der Konsistenz und Verschieblichkeit von Tumoren Rückschlüsse auf deren Dignität (benigne oder maligne) gemacht werden. Dabei sollten die lokoregionären Lymphabflusswege einbezogen werden. Danach schließt sich die weiterführende Bildgebung mit evtl. Biopsie an (s. unten). Grundsätzlich ist zur Palpation festzustellen, dass hier die Detektionsrate für Mammakarzinome häufig erst bei einem T1c- bis T2-Stadium beginnt (vgl. TNM-Klassifikation), d.h. Tumoren ab einer Größe von 1,5 cm und größer. Dabei findet man in rund 30% bereits axilläre Lymphknotenmetastasen. Vergleicht man diese Daten mit Kollektiven aus ScreeningMammografien, so findet man dort Tumoren vielfach im Stadium T1b–c, also mit einer Größe von 1–1,5 cm, manchmal auch kleiner, selten größer. In solchen Fällen geht der axilläre Lymphknotenbefall auf etwa 6% zurück. Man geht von einer früheren Mammakarzinomdetektion von etwa 1 Jahr aus im Vergleich zur Palpationsmethode. Ein solches Mammografie-Screening steht in Deutschland zurzeit für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren zur Verfügung. Nichtsdestotrotz kann auch die regelmäßige Selbstuntersuchung befürwortet werden, wenn auch in großen Metaanalysen kein signifikanter
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Eigene Notizen
46 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
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Benefit festzustellen war, was am ehesten der Ungenauigkeit der Methode zuzuschreiben ist (T2-Stadium = 2–5 cm). Zum einen führt die Methode in einzelnen Fällen dennoch zu einer früheren Erkennung eines Karzinoms und zum anderen, so die Studien, führt die regelmäßige Selbstuntersuchung zu einer größeren Achtsamkeit hinsichtlich der eigenen Gesundheit und damit auch zur besseren Nutzung der Früherkennungsprogramme. Es gilt also, das Mammakarzinom unterhalb der Tastbarkeit erfassen zu können, evtl. sogar vor seinem »Ausbruch«. Histopathologisch gesprochen ist dieses denkbar und z.T. möglich. Daher sollen für das bessere Verstehen der Karzinomerkrankung zunächst die so genannten Vorläuferläsionen und Präkanzerosen besprochen werden:
2.4.2
Läsionen mit unsicherem biologischem Potenzial (B3 der B-Klassifikation der Stanzbiopsien)
Anatomisch betrachtet besteht die Brust aus Läppchen und Gängen, mikroskopisch spricht man von der tubulo-duktulo-lobulären Einheit. Kommt es nun zur Adenose, also zunächst gutartigen proliferativen Veränderung der Läppchen mit Hyperplasie der Epithel- und Myepithelzellen (klinisch der Mastopathie entsprechend), so findet man histomorphologisch die so genannte Blunt-duct-Adenose (BDA). Bei fortschreitender Proliferation können hieraus Mikrozysten oder die so genannte einfache duktale Hyperplasie entstehen. Dieses könnte unter Umständen bereits eine klinische Symptomatik im Sinne einer Mastodynie hervorrufen, wäre im Übrigen jedoch harmlos. Bei weiterem Proliferationsanreiz könnte jedoch eine flache epitheliale Atypie (FEA) erwachsen oder auch eine atypische duktale Hyperplasie (ADH); Läsionen können nicht selten gemeinsam vorkommen, ebenso die lobuläre Neoplasie (Vorläuferläsion in einem Lobulus). Die besagten Veränderungen haben das Risiko eines assoziierten duktalen In-situ-Karzinoms oder gar invasiven Karzinoms, gelten somit als Risikomarker bzw. sind bereits vergesellschaftet mit höhergradigen Läsionen.
Diagnostik Die beschriebenen Precursor-Läsionen sind in der Regel nicht tastbar und auch in der Sonografie nicht abzugrenzen. Nicht selten bilden sie jedoch so genannten gruppierten Mikrokalk, der wiederum in der Mammografie – auch bei höherer Gewebedichte – gut abgrenzbar ist. Im Falle eines solchen suspekten Mikrokalks sollte eine histologische Sicherung am ehesten durch Vakuumbiopsate erfolgen mit anschließender Besprechung in einer multidisziplinären Tumorkonferenz, wo geklärt wird, ob die Bildgebung konkordant zum histopathologischen Befund ist (Treffgenauigkeit, Übereinstimmung zwischen Erwartung und Ergebnis). Sollte dies nicht der Fall sein, muss sich eine weitere Abklärungsdiagnostik, z.B. mittels MRT der Mammae, anschließen bzw. ggf. die Vakuumbiopsie wiederholt werden oder der Herdbefund per Drahtmarkierung markiert und mittels offener Biopsie komplett entfernt werden.
47 2.4 · Maligne Tumore der Mamma
Im Falle der suffizienten Gewebesicherung mit der erstmaligen Biopsie erfolgt das weitere Vorgehen gemäß dem histologischen Typ der Läsion; 4 Bei der FEA sind laut der aktuellen Empfehlungen keine weiteren Maßnahmen erforderlich, vorausgesetzt, der wegweisende Mikrokalk wurde komplett entfernt. 4 Im Falle der ADH (in Stanze oder Vakuumbiopsie) ist außer bei niedriggradigen Hyperplasien und sehr kleinen Läsionen in der Regel die offene Exzisionsbiopsie erforderlich; Ausnahme ist wiederum, falls die ADH den Randbefund eines In-situ- oder invasiven Karzinoms darstellt: In dieser Konstellation bedarf es keiner weiteren Abklärung wegen mangelnder prognostischer Relevanz bzw., weil die Patientin sowieso weiter therapiert bzw. überwacht wird.
2.4.3
Lobuläres Carcinoma in situ (LCIS bzw. CLIS)
Die einfache lobuläre intraepitheliale Neoplasie ist synonym zu betrachten mit der atypischen lobulären Hyperplasie (ALH) und dem lobulären Carcinoma in situ. Sie gilt ebenfalls als Indikator bzw. Vorläuferläsion mit einem ipsi- und kontralateral erhöhten Brustkrebsrisiko (etwa 7-fach nach 10 Jahren bzw. ca. 1% pro Jahr). Entsprechend sollten engmaschige Verlaufsmammografien erfolgen (so genannte kurative Mammografie, jährlich). Davon zu unterscheiden ist das so genannte pleomorphe CLIS, welches mit Nekrosen und extensiver Beteiligung und Konfluens der Lobuli einhergeht: Diese Form der lobulären Neoplasie wird als echtes In-situ-Karzinom betrachtet und auch so behandelt (wie ein duktales In-situ-Karzinom = DCIS, s. unten).
Therapie Das pleomorphe CLIS sollte in sano reseziert werden (analog DCIS). Abweichend hiervon wird eine Nachbestrahlungsindikation bei Vorliegen eines CLIS nicht gesehen (u.a. unzureichender Datenlage geschuldet).
2.4.4
Duktales in situ Karzinom (DCIS)
Auch diese Form der Präkanzerose zeigt sich am ehesten durch den Nachweis von gruppierten Mikroverkalkungen in der Mammografie (ca. 70% der DCIS-Fälle mit Mikrokalk), nur selten findet sich ein Tastbefund und gelegentlich eine blutige Mamillensekretion.
Diagnostik Sicherung der stereotaktische Stanzbiopsie bzw. Vakuumbiopsie. Es sollte eine Präparateradiografie der Biopsate durchgeführt werden zum Nachweis, dass die Mikrokalkareale erfasst wurden. Außerdem können die Proben nach solchen mit und ohne Kalk separiert werden; in der abschließenden histopathologischen Begutachtung kann dann abgeschätzt werden, ob auch in den kalkfreien Gewebebereichen In-situ-Karzinomverbände vorliegen.
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Eigene Notizen
48 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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Zur präoperativen Größenabschätzung des DCIS kann eine Magnetresonanztomografie herangezogen werden, wobei das DCIS Grad 1 (low-grade) sich entsprechend schwer erfassen lässt, während die In-situ-Karzinome des intermediate grade (G2) und high grade (G3) besser darstellbar sind.
Therapie Operative Therapie Es wird eine weite Exzision angestrebt, wobei in der Regel eine radiologische Drahtmarkierung bei fehlender Tastbarkeit erforderlich ist. Das Exzidat sollte wiederum präparateradiografiert werden und im Falle einer knappen Randsituation (bezogen auf den Mikrokalk) sollte eine entsprechende Nachresektion erfolgen. In der späteren histopathologischen Auswertung gilt eine Resektionsrandsicherheit von <1 mm als zu knapp, während ein Sicherheitssaum von 10 mm als sicher ausreichend gilt. Sicherheitsabstände zwischen 1 und 10 mm sind somit diskutabel (aktuelle Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie: Sicherheitsabstand von 2–5 mm anstreben). Sollten nach ggf. mehrfachen Nachresektionen keine sicheren Ränder erzielbar sein bzw. auch bei initial großen Läsionen, kommt nur eine Mastektomie in Betracht. In solchen Fällen sollte zusätzlich die Abklärung der zugehörigen axillären Lymphknoten über die Wächterlymphknotendiagnostik erfolgen (s. unten).
Strahlentherapie Nach brusterhaltender Operation ist regelmäßig die Nachbestrahlung der betroffenen Brust indiziert (Senkung des Lokalrezidivrisikos um etwa 75%).
Antihormontherapie Bei hormonrezeptorpositiven duktalen In-situ-Karzinomen sollte die Therapie mit einem Antiöstrogen (Tamoxifen) mit der Patientin individuell besprochen werden im Sinne einer Risiko-Nutzen-Abwägung (Restrisiko kann nochmals annähernd halbiert werden, wobei dieses Restrisiko oftmals <10% zu veranschlagen ist).
2.4.5
Invasives Mammakarzinom
Am häufigsten findet man das invasiv-duktale Mammakarzinom (knapp 80% der Fälle), seltener den invasiv-lobulären Typ (etwa 15%), weitere Subtypen sind entsprechend selten oder es liegen Mischtypen vor. In etwa 13% der Fälle liegt eine Multizentrizität vor (Befall mehr als eines Mammaquadranten), seltener ein bilaterales Karzinom. Hinsichtlich der Tumorgröße, des Lymphknotenstatus und einer möglichen Metastasierung wird die eine TNM-Klassifizierung vorgenommen (. Tabelle) (alternativ die internationale UICC-Stadieneinteilung, bei der bestimmte Cluster der verschiedenen TNM-Konstellationen in prognostisch relevante Gruppen zusammengefasst werden).
49 2.4 · Maligne Tumore der Mamma
. Tab. 2.1 TNM-Klassifikation des Mammakarzinoms (vereinfacht) T0
Keine Evidenz für Tumor
Tis
Tumor in situ
T1
Tumordurchmesser bis 2 cm ohne oder mit Fixierung an der Haut bzw. Pektoralisfaszie T1a = 1–5 mm T1b = 6–10 mm T1c = 11–20 mm
T2
Tumordurchmesser 2–5 cm ohne oder mit Fixierung an der Pektoralisfaszie oder am Muskel
T3
Tumordurchmesser >5 cm ohne oder mit Fixierung an der Pektoralisfaszie oder am Muskel
T4
Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf Brustwand oder Haut
N0
Kein palpabler Lymphknoten
N1
Palpabler, nicht fixierter Lymphknoten
N2
Palpabler Lymphknoten, fixiert u.a. auch an anderen Strukturen
N3
Befall der supra- oder infraklavikulären Lymphknoten
M0
Keine Fernmetastasen
M1
Nachweisbare Fernmetastasen
Diagnostik Hier gilt Ähnliches wie für die Vorläuferläsionen, d.h. Ziel sollte es sein, einen Tumor vor seiner Tastbarkeit zu erfassen, was heutzutage mithilfe des Mammografie-Screenings gelingt, im Rahmen dessen Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren alle 2 Jahre zu einer Mammografie eingeladen werden (Durchschnittsalter für das Mammakarzinom etwa 62 Jahre). Natürlich haben jüngere und erst recht ältere Frauen ein statistisch ähnliches oder sogar höheres Risiko. Das gewählte Screeningalter beruht auf zugrunde liegenden Studiendaten und ist der Praktikabilität (Röntgentransparenz der Mammae steigt mit dem Alter) wie auch der möglichen Finanzierbarkeit geschuldet. Außerhalb solcher Programme spricht man von einer so genannten kurativen Mammografie, nicht selten tasten die Betroffenen in dieser Zeit ihre Tumoren selber; man schätzt, die Erkrankung außerhalb von Screeningprogrammen 1 Jahr später zu entdecken. Selten führen auch ein- oder beidseitige Mamillensekretionen die Frauen zum Arzt; insbesondere die einseitige und blutige Sekretion gehen mit malignen Brusterkrankungen einher. Neben der zytologischen Abklärung stehen hier die Galaktografie (Mammografie mit Kontrastmittel, welches in den betroffenen Gang injiziert wird) oder eine Magnetresonanztomografie zur Verfügung. Einen hohen Stellenwert in der Mammadiagnostik hat bei der Beurteilung von röntgenologisch auffälligen oder getasteten Herdbefunden auch
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Eigene Notizen
50 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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die Sonografie: Mittlerweile stehen Schallköpfe mit deutlich mehr als 10 MHZ zur Verfügung, sodass wenige Millimeter kleine Tumore (ca. >3 mm) gesehen werden, insbesondere im dichten Brustdrüsengewebe kann die Sonografie gewissermaßen Licht in die Schattenseiten der Mammografie bringen, während diese insbesondere hinsichtlich der Detektion von Mikrokalk oder kleinen Herden außerhalb des Hauptdrüsengewebes ihre Stärken hat; somit sollte man die Verfahren als komplementär verstehen. Die Sonografie ist zeitintensiver und schwerer reproduzierbar als die Röntgenmammografie, ein weiterer Grund, weshalb sie sich nicht als Screeningmethode durchgesetzt hat. Die Magnetresonanztomografie (MRT) stellt die Methode mit der höchsten Sensitivität (>99%) hinsichtlich der Detektierbarkeit von Malignomen der Brust dar, sie beruht auf der Erfassung unterschiedlich stark durchbluteter Gewebeareale, benötigt Kontrastmittel, jedoch keine Röntgenstrahlen. Auch mittel- bis schnellwachsende Vorläuferläsionen können erfasst werden. Um die Rate an falsch positiven Befunden niedrig zu halten, ist eine hohe Expertise hinsichtlich der Handhabung der Methode erforderlich. Die Kostenträger stehen der Mamma-MRT sehr restriktiv gegenüber (s. Indikationskatalog). Vor jeder Therapieplanung sollte die suspekte Läsion histopathologisch geklärt werden, um eine optimale Therapieplanung zu gewährleisten. Dieses kann mithilfe alle genannten bildgebenden Methoden erfolgen, wobei die einfachste mögliche Methode gewählt wird. Zur Untersuchung gelangen mittels der Stanzbiopsie (Core-Biopsie) wenigstens 3–5 Stanzzylinder von 2 mm Durchmesser und ca. 15–22 mm Länge. Durch so genannte Vakuumstanzen kann die Gewebemenge erhöht werden. Ziel ist die repräsentative Histologie. Bereits an der Stanzbiopsie können Aussagen zur minimalen Tumorgröße, dem Tumorgrading und dem Rezeptorstatus (Östrogen-, Progesteron- und Her-2-neu) gemacht werden.
Therapie Grundsätzlich stehen folgende Behandlungssäulen zur Verfügung: 4 Operation 4 Chemotherapie 4 Strahlentherapie 4 Antihormontherapie 4 Antikörpertherapie 4 Psychoonkologie
Operation Ziel der Operation ist es, sämtliches Tumorgewebe zu entfernen und den axillären Lymphknotenstatus zu erfassen. Etwa bis 25% (ein Quadrant) der Brust können entfernt werden, sodass noch ein kosmetisch akzeptables Ergebnis rekonstruierbar ist, ggf. mit speziellen onkoplastischen Techniken oder solchen, die aus der plastisch-ästhetischen Chirurgie bekannt sind (Lifting, Reduktionsplastik). In gut 70% der Fälle gelingt dieses (wenigstens
51 2.4 · Maligne Tumore der Mamma
80% der T1-Stadien). In den anderen Fällen wird eine Amputation der Brust notwendig; auf Wunsch stehen dann rekonstruktive Verfahren (Eigengewebe oder Implantate) zur Verfügung, wobei in der Zeitabfolge (sofort versus später) der Gesamtbehandlungsplan zu berücksichtigen ist: So ist es z.B. deutlich günstiger, eine Brust zunächst mit Implantat zu rekonstruieren und anschließend zu bestrahlen, während das Vorgehen bei Verwendung von Eigengewebe gerade andersherum erfolgen sollte. Der Lymphknotenstatus wird durch die so genannte Wächtermethode (Sentinel-Methode) durchgeführt. Durch Injektion von radioaktiven Technetiums und/oder von Patentblau (subareolär) wird/werden der oder die vordersten Lymphknoten, die das Brustdrüsengewebe drainieren, radioaktiv bzw. farblich markiert und können so gezielt entfernt werden. Da die Axilla in mehr als 70% der Fälle metastasenfrei ist, stellt dies ein schonendes Verfahren zur Erhebung des Lymphknotenstatus dar. Im Falle der Metastasierung sollte derzeit noch eine komplettierende (klassische) Axilladissektion erfolgen.
Chemotherapie Die Chemotherapie dient dazu, okkulte Tumorzellen außerhalb des operierten Bereichs zu eliminieren. Dazu haben sich v.a. anthrazyklin- und taxanhaltige Kombinationstherapien als besonders wirksam gezeigt. Es handelt sich in der Regel um Infusionsschemata, die meist dreiwöchentlich (seltener wöchentlich) über einen Zeitraum von wenigstens 18 Wochen appliziert werden. Um die Wirksamkeit in vivo zu verfolgen, kann auch eine neoadjuvante (primäre) Chemotherapie erfolgen, d.h. bei gegebener Indikation vor der Operation des Primarius. Gemäß der bisherigen Studienlage hierzu konnte die Rate an brusterhaltenden Operationen durch die primäre Chemotherapie erhöht werden. Hinsichtlich der Mortalität und des krankheitsfreien Überlebens ergaben sich keine Unterschiede. Hier könnten neue Studiendesigns mit stärkerer Anpassung der Chemotherapie an das Tumorverhalten unter der laufenden Therapie weitere Vorteile bringen. Der Mehrzahl der Frauen mit Brustkrebs wird eine adjuvante (=M0Status) Chemotherapie empfohlen, obwohl bekannt ist, dass insbesondere bei so genanntem mittlerem Risiko gut zwei Drittel der Betroffenen nicht profitieren werden. Daher steht im Fokus der heutigen Forschung, Verfahren zu entwickeln, das Risiko für eine okkulte Metastasierung besser abschätzen zu können. Hier haben sich molekularbiologische Verfahren etabliert bzw. werden aktuell in Studien überprüft. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass Tumore ein spezielles genetisches Profil brauchen, um z.B. hämatogen zu metastasieren. Im Falle eines »Niedrigrisikoprofils« wird dann auf eine zusätzliche Chemotherapie verzichtet.
Strahlentherapie Ziel der Strahlentherapie ist die Erhöhung der lokalen Sicherheit. Sie ist indiziert nach brusterhaltender Therapie eines DCIS (s.o.) oder invasiven Mammakarzinoms. Dadurch wird die lokale Rezidivgefahr um etwa 75% reduziert. In der Regel brauchen die operierte Axilla oder die Brustwand
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Eigene Notizen
52 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
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nach Brustamputation nicht nachbestrahlt zu werden, jedoch in bestimmten Fällen kann auch dieses einen zusätzlichen Nutzen für die Patientin darstellen. Die Strahlentherapie erfolgt fraktioniert über mehrere Wochen (50,4 Gray), in einigen Fällen wird der betroffene Mammaquadrant verstärkt bestrahlt (so genannter Boost), da hier das höchste Rezidivrisiko von etwa 80% besteht. In den letzten Jahren wurden zunehmend intraoperative Bestrahlungsverfahren in Studien überprüft, um die Bestrahlungsdauer kürzer und effektiver zu gestalten. Der so genannte intraoperative Boost ist bereits leitlinienkonform. Inwieweit die alleinige intraoperative Bestrahlung (Teilbrustbestrahlung) ausreichend ist, wird derzeit in Studien überprüft.
Antihormontherapie Etwa zwei Drittel aller Mammakarzinome sind hormonrezeptorpositiv, d.h. haben entweder Östrogen- und/oder Progesteron-Rezeptoren. Das Antiöstrogen Tamoxifen wurde vor mehr als 20 Jahren bis heute erfolgreich eingesetzt, um entsprechende Brustkrebszellen zu blockieren. Die mittlerweile langjährige Erfolgsstory zeigte, dass damit das Rezidivrisiko nahezu halbiert werden konnte. Es handelt sich – ähnlich der Chemotherapie – auch um eine Systemtherapie, um okkulte Tumorzellen zu vernichten. Es ist eine jahrelange Therapie, meist fünfjährig, erforderlich. Ergänzt werden kann die antihormonelle Therapie durch die zusätzliche Verabreichung eines GnRH-(Gonadotropin-Releasing-Hormon-) Analogons. Dadurch wird ein künstlicher Postmenopausenstatus hergestellt, sodass die ovarielle Hormonproduktion sistiert. Seit mehr als 10 Jahren werden in zunehmenden Maße Aromatasehemmer eingesetzt; diese Medikamentengruppe blockiert die Aromatase, die in den extraovariellen Geweben (Nebenniere, Fettgewebe), aus Hormonvorstufen die wirksamen Formen synthetisiert. Daher dürfen diese Medikamente nur bei sicherem Postmenopausenstatus angewendet werden. Gemäß vergleichender Studien sind Aromatasehemmer der alleinigen Tamoxifenbehandlung etwas überlegen, weshalb sie entweder alleine oder in sequenzieller Kombination mit dem Antiöstrogen zum Einsatz kommen (5 bzw. 10 Jahre).
Antikörpertherapie Etwa bei jedem fünften Mammakarzinom ist der Her-2-neu-Rezeptor überexprimmiert. Bei Stimulation dieses Rezeptors wird ein Wachstumsreiz ausgelöst. In den 1990er Jahren wurde ein entsprechender monoklonaler Antikörper für diesen Rezeptor entwickelt und erfolgreich bei metastasierten Krankheitsverläufen eingesetzt. Es folgten Studien in der adjuvanten Situation, die zur Zulassung des Medikaments beim frühen Brustkrebs im Jahr 2006 führten. Die Applikation erfolgt intravenös, in der Regel dreiwöchentlich für 1 Jahr.
53 2.4 · Maligne Tumore der Mamma
Psychoonkologie Die Diagnose Brustkrebs führt neben den körperlichen Belastungen durch die multimodale Behandlung auch zu psychosozialem Stress, dem frühestmöglich Rechnung zu tragen ist. An erster Stelle der potenziellen Begleitdiagnosen findet man Angst und Depression, gefolgt von anderen Psychopathologien, die sowohl vorübergehend (im Sinne der »Reaktion«), aber auch chronisch verlaufen können. Man schätzt, dass etwa ein Drittel der Patientinnen dringend, ein weiteres Drittel deutlich und ein Drittel kaum von einer psychoonkologischen Therapie profitieren. Zur bestmöglichen Erfassung der entsprechenden Subgruppe wurden spezielle Fragebögen entwickelt (mindestens HADS = Hospital Anxiety and Depression Scale und so genannte Checkliste, gemäß Anforderungskatalog für zertifizierte Brustzentren NRW). Es hat relativ lange gedauert, bis die Psychoonkologie ihren Stellenwert als fester Bestandteil in der Behandlung an Brustkrebs erkrankter Frauen erhalten hat, evtl. bedingt durch Studiendaten aus der metastasierten Situation, in der nach Erfolgen (Senkung der Mortalität) Ende der 1980er Jahre eine Reevaluation um die Jahrtausendwende keinen solchen Benefit mehr zeigen konnte. In neueren Untersuchungen, die den Lifestyle (Bewegung, Ernährung) berücksichtigten oder ihn mit psychologischen Faktoren (Stimmung, Compliance, Motivation) kombinierten, konnten in der adjuvanten Situation hervorragende Ergebnisse erzielt werden (Halbierung von Rezidivgefahr bzw. der Mortalität).
2.4.6
Mammakarzinom des Mannes
Das Mammakarzinom des Mannes ist selten und macht <1% aller Brustkrebsfälle aus (rund 550 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr).
Therapie Grundsätzlich erfolgt die Behandlungsstrategie wie bei der Frau, wobei die spezielle Datenlage aufgrund der geringen Inzidenz entsprechend gering ist. Bei der Erstdiagnose sind die Fälle meist fortgeschrittener, sodass meist (auch wegen der kleineren Brust) eine Mastektomie erfolgt. Die Lymphknotenabklärung kann analog zum weiblichen Mammakarzinom auch mit der Wächtermethode erfolgen (falls klinisch nicht suspekt); ebenso Chemo- und Strahlentherapieindikation. Bei der Antihormontherapie stellt die Therapie mit Tamoxifen den Standard dar, da zu den Aromatasehemmern keine ausreichende Datenlage existiert. In der metastasierten Situation gilt die Erkrankung als chronisch und somit palliativ. Die Therapie zielt auf Symptom- bzw. Tumorkontrolle ab. Aus sämtlichen genannten Disziplinen (zusätzlich nuklearmedizinische Verfahren wie SIRT oder radiologisch unterstütze Maßnahmen wie Hochfrequenzablation) können Therapieformen (auch Kombinationen) herangezogen werden, wobei die resultierende Lebensqualität an erster Stelle
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Eigene Notizen
54 Kapitel 2 · Gynäkologische Onkologie
Eigene Notizen
steht. Nur bei höherem Remissionsdruck wird ein aggressiveres Verfahren gewählt.
2 2.4.7
Interdisziplinäre Tumorkonferenz
Wegen der multidisziplinären und damit komplexen Behandlungsoptionen beim Mammakarzinom (neoadjuvant, adjuvant, metastasiert) wird die Behandlungsstrategie sowohl prä- als auch postoperativ in einem interdisziplinären Team besprochen werden, um ein Optimum für die betroffene Patientin bzw. den betroffenen Patienten zu erzielen.
3 Tag 2 – Gynäkologische Onkologie, Lageveränderung des Genitals und Harninkontinenz, Gynäkologische Endokrinologie
3 Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz 3.1
Descensus genitalis – 56 L. Najjari
3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6
Allgemeines – 56 Inkontinenz und Descensus genitalis Einteilung – 57 Klinik – 58 Diagnostik – 59 Therapie – 60
3.2
Funktionsstörungen des unteren Harntrakts – 62 R. Kirschner-Hermanns
– 57
3.2.1 Speicherstörungen der Blase – 62 3.2.2 Blasenentleerungsstörungen – 63 3.2.3 Inkontinenz im Alter – 66
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_3, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
56 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen
3.1
Descensus genitalis L. Najjari
3
3.1.1
Allgemeines
Definition nach der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): 4 Descensus genitalis: Verlagerung von Uterus und Vagina nach kaudal bis zum Hymenalsaum. 4 Prolaps: Tiefertreten von Uterus und Vagina über den Hymenalsaum hinaus. ! Cave Im englischsprachigen Raum wird jede Art von Deszensus als »prolapse« bezeichnet! Die Prävalenz von Senkungsproblemen beträgt 30–50% der weiblichen Bevölkerung. Anatomische Grundlage sind tonische Kontraktion des M. levator ani und Sicherung durch stabile Bandstrukturen (z.B. Arcus tendineus) und festes Bindegewebe → Hiatus urogenitalis geschlossen → stabile Grundlage für die Beckenorgane. Pathophysiologisch kommt es zum Deszensus durch Verletzung des Plexus sacralis/direktes Muskeltrauma/Bandabriss/Nachgeben des Bindegewebes → Öffnung des Hiatus urogenitalis → Deszensus von Beckenorganen. Prädisponierende bzw. Risikofaktoren sind: 4 Prädisponierende Faktoren: traumatische Veränderungen der Beckenbodenarchitektur, erhöhte intraabdominelle Druckverhältnisse, konstitutionelle Schwäche der Beckenbodenstrukturen (siehe Kasten) 4 Gesicherte Risikofaktoren: 5 Vaginale Geburten (Traumatische Veränderungen des Beckenbodens) 5 Alter und damit verbundener Hormonmangel (zunehmende Schwäche des Bindegewebes) 5 Adipositas (erhöhter intraabdomineller Druck) 4 Mögliche Risikofaktoren: 5 Traumatische Veränderungen der Beckenbodenarchitektur: J Gynäkologische Faktoren: Schwangerschaften, niedriges Alter bei der ersten Geburt, verlängerte zweite Wehenphase, Geburtsgewicht eines Kindes >4500 g J Hysterektomien 5 Erhöhte intraabdominelle Druckverhältnisse: J Häufiges Heben schwere Lasten J Verstopfung 5 Konstitutionelle Schwäche der Beckenbodenstrukturen: J Positive Familienanamnese J Form und Orientierung des knöchernen Beckens J Bindegewebsschwächen (z.B. Marfansyndrom)
57 3.1 · Descensus genitalis
3.1.2
Inkontinenz und Descensus genitalis
Unterschieden werden: 4 Harninkontinenz: Jeder unwillkürliche Harnabgang 5 Belastungsinkontinenz = Stressinkontinenz: unwillkürlicher Harnabgang bei körperlicher Betätigung (50%) 5 Dranginkontinenz: Auftreten starken Harndrangs mit unmittelbarem, unwillkürlichem Harnabgang (25%) 5 Weitere, seltenere Formen und Details s. entsprechendes Kapitel 3.2
Belastungsinkontinenz bei Deszensus 4 70–75% der Deszensus-Patientinnen leiden gleichzeitig an einer Belastungsinkontinenz. 4 Ursache: 5 Defekter Aufhängeapparat von Blasenhals, Urethra und Vagina im Rahmen eines Deszensus 5 → überhöhter Druck auf die Urethra bei körperlicher Belastung → Belastungsinkontinenz
Dranginkontinenz bei Deszensus 4 Bedingt durch den Druck von deszendierten Organen (Uterus, Rektum) auf die Harnblase
3.1.3
Einteilung
4 Nach Lokalisation: 5 Anteriorer Deszensus: J Erschlaffen der medianen vorderen Vaginalwand → Deszensus der vorderen Vaginalwand → Harnblase drückt sich nach (Pulsionszystozele) J Abriss des lateral gelegenen Arcus tendineus → Einfallen der seitlichen vorderen Vaginalwände → Harnblase wird nachgezogen (Traktionszystozele) 5 Apikaler Deszensus: Erschlaffen der Aufhängung von Uterus und Vagina im Becken → Deszensus von Vagina, Uterus, Blase, Dünndarm (Enterozele) und Sigmoideum (Sigmoidozele) möglich 5 Posteriorer Deszensus: Erschlaffen der posterioren Vaginalwand durch Riss in der Fascia rectovaginalis → Deszensus von Rektum (Rektozele), Dünndarm und Dickdarm möglich. 4 Nach Schweregrad: . Tabelle
3
Eigene Notizen
58 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen
3
. Tab. 3.1 Deszensusklassifikation nach POP-Q (Pelvic organ prolapse Quantification) der ICS (Internationale Continence Society)
Stadium
Definition
0
Kein Prolaps
I
Die größte distale Prolapsausdehnung befindet sich mehr als 1 cm proximal des Hymenalsaums
II
Die größte Prolapsausdehnung befindet sich weniger als 1 cm proximal oder distal des Hymenalsaums
III
Die größte Prolapsausdehnung befindet sich mehr als 1 cm distal des Hymenalsaums, überschreitet ihn aber um nicht mehr als 2 cm weniger als die Gesamtlänge der Vagina
IV
Kompletter Prolaps der gesamten Vaginallänge
3.1.4
Klinik
Anamnese Befragung nach: 4 Symptomen (s.u.) 4 Bisherigen Therapien 4 Geburten (Spontangeburt/Sectio) 4 Früheren chirurgischen Eingriffen, v.a. im kleinen Becken 4 Beruflicher Tätigkeit (schweres Heben?) 4 Mobilität 4 Leidensdruck 4 Komorbiditäten (Inkontinenz/Blasenentleerungsstörungen) 4 Medikamenten (Hormone?) 4 Miktions- und/oder Stuhlbeschwerden 4 Harn- und Stuhlinkontinenz Häufige Symptome bei Deszensus- und Prolapspatientinnen sind: 4 Allgemeine Symptome bei allen Deszensus-Formen: 5 Fremdkörper- und Druckgefühl 5 Fühlen einer Organvorwölbung 5 Blasenentleerungsstörung 4 Symptome bei Descensus uteri: 5 Dyspareunie 5 Rückenschmerzen 4 Symptome bei Zystozele: 5 Deszensus Grad I–II → Absinken der Blase: Inkontinenz und/oder häufiger Harndrang 5 Deszensus Grad III–IV → Abknicken der Urethra: Schwacher Harnstrahl, verzögerte/verlängerte Miktion, Gefühl der unvollständigen Entleerung bis hin zum Harnverhalt, Miktion nur nach manueller Reposition des Prolaps möglich, rezidivierende Harnweginfekte
59 3.1 · Descensus genitalis
4 Symptome bei Rektozele: 5 Obstruktionsgefühl 5 Defäkation nur bei starkem Pressen möglich 5 Defäkation nur nach manueller Reposition des Prolaps möglich 5 Stuhldrang
3.1.5
Diagnostik
4 Gründliche Inspektion von Vulva, Introitus und Anus: 5 Zustand nach Dammriss oder -schnitt, Atrophien? 5 Falls vorhanden, Deszensus/Prolaps inspizieren: Erosionen? Ulzerationen? 5 Andere Auffälligkeiten: karzinomverdächtige Läsion → Biopsie 4 Palpation des Beckens: 5 Vaginal 5 Bimanuell = vaginal und rektal gleichzeitig 5 In Ruhe und beim Pressen 5 Beckenbodenevalutation: Stärke, Ausdauer und Symmetrie der Beckenbodenmuskulatur in Ruhe und Kontraktion 4 Rektale Untersuchung: 5 Tonus des Analsphinkters in Ruhe und Kontraktion 5 Rektozele? 4 Neurologische Basisuntersuchung: 5 Bulbokavernosus-Reflex: Leichter Druck auf Klitoris führt zu Zuckungen des Introitus 5 Sphinkter-ani-Reflex: Kontraktion des Sphinkters nach Berührung der Perianalhaut 5 Symmetrie der Reflexe? 4 Spekulumeinstellung: 5 Charakterisierung des Deszensus nach ICS: anterior, posterior oder apikal? 5 Fixierung der anterioren Vaginalwand mithilfe eines Spekulums → Patientin pressen lassen → Vorwölbung des Rektums oder des Sigmoids von posterior → posteriorer Deszensus (Rektozele/Sigmoidozele) 5 Fixierung der posterioren Vaginalwand: J → Vorwölbung der Vaginalwand und Harnblase von anterior → anteriorer Deszensus (Pulsionszystozele) J → Einfallen der seitlichen Vaginalwände und der Harnblase von anterolateral → anteriorer Deszensus (Traktionszystozele) 5 Fixierung der anterioren und posterioren Vaginalwand → Absenkung von Vagina, Apex, Uterus, Darm → apikaler Deszensus (bei Darm-Prolaps Enterozele) 4 Quantifizierung des Deszensus nach POP-Q . Tabelle 5 International anerkannte, standardisierte Messung von neun verschiedenen anatomischen Punkten, die das Ausmaß des Deszensus recht präzise wiedergeben
3
Eigene Notizen
60 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen
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5 Orientiert sich stets an einer anatomisch fixen Struktur, dem Hymen → bessere Reproduzierbarkeit der Untersuchung 5 Vorgehen: J Vorsichtiges Fixieren der Portio mithilfe eines Entenschnabelspekulums → Patientin pressen lassen → Spekulum langsam, dem Deszensus folgend herausziehen → maximales Ausmaß der Absenkung notieren 4 Urologische Untersuchungen: Harninkontinenz/Harnverhalt = häufige Komorbidität 5 Harnweginfekt ausschließen! 5 Restharn-Bestimmung: <100 ml 5 Stress-Test: Harnhaltevermögen unter Belastung (Husten) J Patientin mit gefüllter Blase und reponiertem Deszensus stehend und liegend husten lassen → Abgang von Urin notieren 5 Pad-Test: Quantifizierung von Harnabgang im Alltag J Wiegen einer Damenbinde → Patientin legt Binde ein und führt alltägliche Bewegungen durch, die den Abgang von Harn verursachen können (Treppenlaufen, Heben, Laufen) → nochmaliges Wiegen der Binde 5 Urethrozystoskopie: Abklären unklarer Befunde 5 Urodynamik: J Detaillierte Darstellung des Druck- und Flussverlaufs während der Blasenfüllung und der Miktion J Keine Routineuntersuchung: zur weitergehenden Diagnostik der Harninkontinenz und nach Expertenmeinung obligat zur präoperativen Vorbereitung J Ausführlichere Beschreibung im Abschnitt 3.2 4 Bildgebende Untersuchungen: 5 Vaginalsonografie: J Zur präoperativen Abklärung und Ausschluss weiterer Befunde J Sonografische Hinweise auf Endometrialkarzinom oder Ovarialkarzinom? 5 Perinealsonografie: J Beurteilung von Urethralage und –verlauf (z.B. Abknicken), von Harnblase J Ausschluss von Pathologien der unteren Harnwege (Tumore, Zysten, Abszesse, …). J Kostengünstig, nicht invasiv und gut akzeptiert 5 MRT und Röntgen: kaum Relevanz in der klinischen Routine
3.1.6
Therapie
Konservative Therapie Beobachtung und Physiotherapie 4 Bei Frauen mit geringgradigem Deszensus (POP-Q Grade I–II) ohne Einschränkung im Alltag.
61 3.1 · Descensus genitalis
4 Regelmäßiges Beckenbodentraining: 5 Nur bei geringgradigem Deszensus indiziert, da bei höhergradigen Zuständen kein Nutzen 5 Einteilung der Beckenbodenfunktionalität in akontraktil, hypokontraktil und gut kontraktil 5 Beckenbodentraining kann J dem Deszensus prophylaktisch entgegenwirken J die Progression des Deszensus hinauszögern J zum Erhalt der Harn- und Stuhlinkontinenz beitragen ! Cave Ein hoher Leidensdruck, Komplikationen wie Obstruktion, Harn-
verhalt und Hydronephrose sowie Erosionen von Vagina und prolabierten Organen stellen in jedem Fall eine Indikation zur Behandlung dar.
Lokale Östrogenisierung 4 Vaginale Applikation östrogenhaltiger Salbe 4 Indiziert bei allen postmenopausalen Frauen (außer bei vorhandener systemischer Hormontherapie) 4 Wirkung: Wiederaufbau der atrophierten Schleimhaut → trägt zur Festigkeit des Bindegewebes bei und kann die Deszensus- und Inkontinenzsymptomatik mildern
Pessare 4 Einzige nichtinvasive Therapie 4 Therapieziel: 5 Reduktion der Deszensusbeschwerden durch: J Unterstützung der Beckenstrukturen J Druckentlastung von Harnblase und Darm 4 Plastik- oder Silikonprodukte unterschiedlicher Form 4 Indikation: 5 Bei Patientinnen, die eine Operation ablehnen 5 Zur Überbrückung des Intervalls bis zur Operation 5 Bei Patientinnen, die wegen Komorbiditäten für eine Operation nicht infrage kommen 5 Bei Schwangerschaftsbedingtem Deszensus mit Harninkontinenz 4 Passender Sitz des Pessars: ein Finger Platz zur Vaginalwand 4 Patientin sollte selbst in der Lage sein, den Pessar einzulegen und zu entfernen 4 Applikation immer gemeinsam mit vaginaler Östrogensalbe (vereinfachtes Einlegen des Pessars und gleichzeitige lokale Östrogenisierung → Verhinderung von Erosionen) 4 Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: 5 Ausschluss von pessarbedingten Erosionen und Ulzerationen 5 Auftreten neuer Symptome ?
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Eigene Notizen
62 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen
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Operative Therapie 4 Ziel: 5 Reposition und Fixierung der prolabierten Organe 5 Beheben der Symptome 5 Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Sexualfunktion 4 Begleitende Hysterektomie? 5 Je nach Alter und Familienplanung der Patientin 5 Bei Beschwerden (perimenopausale Blutungen, Malignome) 4 Zugangswege: Vaginaler (80–90%) und abdomineller (10–20%) Zugang 4 Korrektur eines anterioren Deszensus: 5 Pulsationszystozele: Anteriore Kolporrhaphie: mediane Kolpotomie → Raffung der endopelvinen Faszie → Naht in der Medianlinie 5 Traktionszystozele: Kolpotomie → Darstellung des Abriss am Arcus tendineus → Fixation an der endopelvinen Faszie und der Fascia obturatoria → Naht in der Medianlinie 5 Ergebnisse: bei 75–97% dauerhafte Fixation 4 Korrektur eines apikalen Deszensus: 5 Abdominale sakrale Kolpopexie: Aufhängung der oberen Vagina in Höhe des Promontorium mit oder ohne Netzinterponat 5 Vaginale sakrospinale Fixation nach Amreich-Richter: Aufhängung der oberen Vagina/Zervix am Ligamentum sacrospinale 5 Ergebnisse: 97% dauerhafte Suspension 4 Korrektur eines posterioren Deszensus: 5 Spaltung der hinteren Scheidenwand → Raffung und Vernähung des Fasziendefekts → Raffung des rektovaginalen Bindegewebes → Raffung des abgesenkten Perinealgewebes und Aufbau einer neuen posterioren Kommissur 4 Rezidivquote: je nach Operationsmethode 20–40% (nach 3–5 Jahren) 4 Komplikationen: 5 Verengung der Scheide 5 Blasenläsionen 5 Darmläsionen 5 Harninkontinenz 5 Kohabitationsbeschwerden 5 Vesikovaginale Fisteln 3.2
Funktionsstörungen des unteren Harntrakts R. Kirschner-Hermanns
3.2.1
Speicherstörungen der Blase
4 Instabile oder kleinkapazitäre Blase: 5 Syndrom der überaktiven Blase (ÜAB) mit oder ohne Urinverlust – häufig im Alter und bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen, z.B. bei Diabetes mellitus, Parkinson-Krankheit, Multiple Sklerose, nach Apoplex und bei diversen Demenzformen
63 3.2 · Funktionsstörungen des unteren Harntrakts
4 Insuffizienter Blasenverschluss: 5 Beckenbodeninsuffizienz – Deszensus der Blase und/oder Harnröhre insbesondere bei Frauen 5 Extraurethrale Inkontinenz bei dystop angelegten Harnleitern oder Epispadie (angeboren) oder bei Fisteln
3.2.2
Blasenentleerungsstörungen
Pathogenese 4 Atone Blase, Detrusorhypotonie: 5 z.B. bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen, aber auch im Alter, bei Diabetes mellitus etc. 5 Überlaufinkontinenz 4 Infravesikale Obstruktion: 5 Funktionell bei Detrusor/Sphinkterdyssynergie bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen 5 Organisch bei Frauen bei ausgeprägtem Prolaps
Klinik 4 Urinverlust bei körperlicher Bewegung, beim Husten, Niesen und Lachen: Belastungsinkontinenz 4 Pollakisurie (häufiges Wasserlassen – definiert als >8 Miktionen am Tag bei einer Trinkmenge von 1,5–2 l), Drangsymptomatik: überfallartiger, nicht oder nur schwer unterdrückbarer Harndrang, Nykturie: nächtliches Wasserlassen ≥2-mal, Überaktives Blasensyndrom (ÜAB) ohne oder mit Urinverlust (Dranginkontinenz)) 4 Bei zentraler oder peripherer Nervenläsion Blasenspeicher- und Entleerungsstörungen möglich: neurogene Blasenstörung 4 Ständiger Urinverlust ohne Sensorik: extraurethrale Inkontinenz
Diagnostik Einfache Diagnostik umfasst: 4 Anamnese einschließlich Erfassung von Komorbidität, Trink- und Miktionsverhalten (Blasen- oder Miktionstagebuch), Medikamentenanamnese 4 Körperliche Untersuchung bei Frauen rektovaginale Untersuchung (u.a. Identifizierung verschiedener Formen eines Prolapses: Zystozele, Enterozele, Rektozele, Gebärmuttervorfall) 4 Ultraschall von Blase (RH), ggf. Nierensonografie 4 Vorlagenwiegetest (Padtest) 4 Freier Uroflow ist eine sensitive, aber wenig spezifische Screeningmethode (nichtinvasive Bestimmung der Harnflussrate während der Miktion [Menge pro Zeiteinheit gemessen in ml/s]) 4 Grob neurologische Abklärung (Sensorik, Auslösbarkeit von Sphinkterund Bulbus-cavernosus-Reflex)
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Eigene Notizen
64 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen
3
Weiterführende Diagnostik 4 (Video) Urodynamik (Blasendruckmessung): Kontinuierliche Füllung der Blase mit physiologischer, möglichst auf Körpertemperatur angewärmter, Natriumchloridlösung über einen doppellumigen Blasenkatheter. Dabei Messung des Blasendrucks über einen Kanal des Katheters, sowie zeitgleiche Messung des abdominalen Drucks über einen rektal eingelegten Messkatheter. Vesikaler und rektaler Druck werden gemessen. Der Detrusordruck ist ein errechneter Druck aus der Differenz von vesikalem und rektalem Druck: pDet = pAbd – pVes. 5 Zystometrie: Beurteilung der Speicherfunktion der Harnblase und der Funktion der Detrusormuskeln (insbesondere Beurteilung von Detrusorüberaktivitäten, Blasenkapazität, Compliance und Einschätzung der Blasensensorik) 5 Druckflussmessung: Beurteilung einer infravesikalen Obstruktion durch Evaluation von dem Detrusordruck bei maximalem Flow in Bezug zum maximalen Flow 5 Urethradruckprofilmessung: Beurteilung der Kompetenz der Harnröhre (in seiner Aussagekraft umstritten) 4 Miktionszystourethrogramm – radiologische Darstellung der Blase und der Harnröhre während der Miktion: 5 Darstellung der Blasenkonfiguration (z.B. neurogene Konfiguration) 5 Grobe Beurteilung der Blasenwand (Trabekulierung, Divertikel) 5 Insbesondere bei Detrusor/Sphinkter-Urethrae-Externum-Dyssynergie, Beurteilung der hinteren Harnröhre 5 Beurteilung der Öffnung des Blasenhalses 5 Detektion eines Refluxes 5 Identifizierung von Blasen/Darm- oder Blasen/Scheidenfisteln 4 Perinealer oder intravaginaler Ultraschall 5 Identifikation von Zystozele, Enterozele und Rektozele 5 Beurteilung der Mobilität der Harnröhre 5 Pathologie der Urethra – Urethraldivertikel, paraurethrale Zyste (Skenedrüse) 5 Gynäkologische Begleitpathologie an Uterus und Parametrien 4 Doppelballonurethrogramm (Identifizierung von Harnröhrendivertikeln bei der Frau) 4 Zystoskopie: 5 Ausschluss von Blasentumor, Blasenstein, Fisteln, in die Blase infiltrierende Tumoren, Zystitiden (z.B. Blutungsneigung bei Dehnung und/oder Hunner-Ulzera bei Interstitieller Zystitis) 5 Beurteilung der Ureterostien (bei Verdacht auf Reflux, Ureterdoppelanlage)
65 3.2 · Funktionsstörungen des unteren Harntrakts
Therapie 4 Belastungsinkontinenz: 5 Konservativ: J Beckenbodentraining J Biofeedback zur besseren Wahrnehmung der Beckenbodenmuskulatur J Duloxitin (Serotonin-Reuptake-Hemmer) 5 Operativ: J Suburethral eingelegte Schlingen (tension free vaginal tape [TVT], oder – falls transobturatorisch eingelegt: TVT-O bei Frauen) J Bei nicht feststehendem Vaginalstumpf Sacrovaginopexie ggf. mit Einlage einer suburethralen Schlinge, bei Prolaps diese korrigierende Operation mit oder ohne alloplastisches Material. J Blasenhalssuspension (wird heute seltener durchgeführt) J Unterspritzung des externen urethralen Sphinkters bei intrinsischer Sphinkterschwäche (in seiner Wirksamkeit umstritten) J Implantation eines künstlichen Schließmuskels (wird bei Frauen selten durchgeführt) 4 ÜAB (Dranginkontinenz): 5 Konservativ: J Miktions- und Blasentraining, bei dementen Patienten Miktion nach Aufforderung J Pharmakologische Therapie (insbesondere antimuskarinerg wirkende Medikamente) J Umstellung der Lebensweise (Anpassung von Trinkmenge, Umgebungsmodifikation, Medikamentenumstellung etc.) J Infravesikale Medikamentengabe in ausgesuchten Fällen (Oxybutenin, Hyaluronsäure, etc.) J Botulinumtoxin-A-Injektion (Off-Label-Therapie) J Elektrostimulationstherapie (vaginale oder rektale Elektrostimulation, Magnetstimulationstherapie, TENS, tibiale Elektrostimulation) 5 Operativ: J Invasive Elektrostimulationstherapie (Implantation einer Sacromodulationssonde) J Blasenaugmentation mit Darm als ultimo ratio bei Patienten mit ausgeprägtem Befund, hohem Leidensdruck und längerer Lebenserwartung 4 Neurogene Inkontinenz: 5 In Abhängigkeit der Blasenfunktionsstörung, vorrangiges Ziel ist der Schutz des oberen Harntrakts, sollte in Zusammenarbeit mit der Urologie diagnostiziert und behandelt werden 5 Bei Detrusorhypo- oder -atonie: J Sauberer Einmalkatheterismus J In ausgesuchten Fällen Sakromodulationsbehandlung oder Implantation eines Vorderwurzelstimulators
3
Eigene Notizen
66 Kapitel 3 · Lageveränderungen des Genitals und Harninkontinenz
Eigene Notizen
3
5 Bei Detrusorüberaktivität J Antimuskarinerge Therapie J Instillationstherapie mit Botulinumtoxin A (noch off label) J In ausgesuchten Fällen Blasenaugmentation ggf. mit Anlage eines kontinenten Stomas 4 Extraurethrale Inkontinenz: 5 Operativ: In Abhängigkeit von der Ursache: Neuimplantation des Harnleiters oder Fistelverschluss je nach Größe und Lage über einen transvaginalen oder abdominalen Zugang.
3.2.3
Inkontinenz im Alter
Epidemiologie 4 Die deutsche Kontinenzgesellschaft schätzt die Anzahl der Betroffenen auf 6–7 Mio. in Deutschland. Die Dranginkontinenz (ÜAB) ist dabei die häufigste Inkontinenzform im Alter. (>60 Jahre 11% und bei >80-Jährigen nahezu 30%) 4 Hohe Bedeutung für Lebensqualität (z.B. Depression, Stürze, Hautkomplikationen, soziale Isolierung, Krankenhauseinweisungen, Pflegeheimaufnahmen und höhere Mortalität)
Pathophysiologie Im Alter gilt: 4 Die Blasenkapazität nimmt ab. 4 Die Kontraktilität des Detrusors nimmt ab und die Restharnmengen nehmen zu. 4 Bei Frauen nehmen der Harnröhrenverschlussdruck und die Harnröhrenlänge ab. 4 Die Hauptflüssigkeitsmenge wird in der Nacht ausgeschieden. 4 Ein bis zwei Episoden von Nykturie bei leichterem Schlaf sind normal. Folgende Faktoren beeinflussen insbesondere im Alter die Harninkontinenz: 4 Verschiedene Medikamente: 5 Anticholinerge Medikamente (Detrusorhypotonie) 5 α-Blocker (Verminderung des Harnröhrenwiderstandes) 5 Antiepileptika (Verwirrung, Ataxie) 5 Antihypertonika (Müdigkeit/ Einschränkung der Mobilität) 5 Antiarrhythmika (Disopyramide) Tachykardie 5 Schleifendiuretika (Steigerung der Drangsymptomatik) 5 Schlaf-/Beruhigungsmittel (Reduktion der Vigilanz) 5 Narkosemedikamente, Spinalanästhesie (Detrusorhypotonie) 5 ACE-Hemmer (induzieren Husten) 5 Alkohol, Koffein (fördern Diurese und steigern Drangsymptomatik) 4 Harnweginfekte 4 Lokale Faktoren des unteren Genitale insbesondere bei Frauen
67 3.2 · Funktionsstörungen des unteren Harntrakts
4 4 4 4 4 4 4
Polyurie Eingeschränkte Mobilität Obstipation Zentralnervöse Störungen Verwirrung Psychische Erkrankungen Komorbidität, insbesondere Diabetes mellitus
Therapie 4 Konservativ: 5 Blasen- und Miktionstraining – insbesondere Miktion nach der Uhr oder nach Aufforderung 5 Beckenbodentraining zur besseren Wahrnehmung und zur Unterstützung des Blasentrainings 5 Anpassung der Trinkgewohnheit 5 Anpassung der häuslichen Umgebung (Toilettenstuhl, barrierefreier Zugang zur Toilette, angemessene Kleidung) 4 Pharmakologische Therapie: 5 ! Cave Bei einer antimuskarinergen Therapie im Alter muss ins Besondere auf zentralnervöse und kardiale Nebenwirkungen geachtet werden. 5 Es sind möglichst Medikamente zu wählen, die die Blut/Hirnschranke weniger leicht passieren und/oder in der Rezeptorselektivität Vorteile bieten. 5 Grundsätzlich ist bei der antimuskarinergen Therapie im Alter Folgendes zu beachten: J Die Blut-Hirn-Schranke wird durchlässig J Altersbedingte Defizite bei den Neurotransmittern J Metabolismus und Elimination von Arzneimitteln sind verlangsamt J Kumulative Effekte durch Einnahme mehrerer anticholinerger Substanzen (Polypharmazie) J Gefahr der Missdeutung medikamentös bedingter Nebenwirkungen als altersbedingte Veränderungen 5 Mögliche Nebenwirkungen einer antimuskarinergen Therapie: J Auge: Mydriasis, Augeninnendruckerhöhung J Gastrointestinaltrakt: Mundtrockenheit, Übelkeit, Obstipation J Herzkreislaufsystem: Tachykardien J Urogenitaltrakt: Restharnbildung J Zentrales Nervensystem: Unruhe, Verwirrtheit, Delir 4 Operative Therapie: 5 Bei entsprechender Indikation auch im Alter gerechtfertigt. 5 ! Cave Operative Therapie bei Patienten mit neurogenen Erkrankungen, insbesondere Parkinson-Krankheit und Multiple Sklerose.
3
Eigene Notizen
4 Tag 2 – Gynäkologische Onkologie, Lageveränderung des Genitals und Harninkontinenz, Gynäkologische Endokrinologie
4 Gynäkologische Endokrinologie B. Rösing und J. Neulen
4.1
Allgemeines – 69
4.2
Initiale Diagnostik – 69
4.3
Ovarialinsuffizienz – 70
4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz – 70 Hypothalamisch-hypogonadale Ovarialinsuffizienz Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz – 73 Primäre Ovarialinsuffizienz – 73
4.4
Störungen der Menstruationsblutungen – 74
– 72
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_4, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
69 4.2 · Initiale Diagnostik
4.1
Allgemeines
Die hormonelle Steuerung des weiblichen Zyklus stellt eine komplizierte Abfolge von endokrinen Ereignissen dar. Zunächst muss die Follikelreifung durch das hypothalamisch/hypophysäre System so gesteuert werden, dass in der Regel ein Follikel bis zur Ovulation ausreift und anschließend eine fertilisierbare Eizelle freisetzt. Das hypothalamische Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) wird in pulsatiler Weise während der ersten Zyklusphase alle 90 min ausgeschüttet. Es gelangt über ein Pfortadersystem in die Hypophyse und regt hier die Produktion und Sekretion von Follikel-stimulierendem Hormon (FSH) und luteinisierendem Hormon (LH) an. Bei der Frequenz von 90 min werden beide gonadotropen Hormone in etwa gleicher Menge sezerniert. Wegen der längeren Halbwertszeit von FSH überwiegt FSH zu Beginn des Zyklus. Mit der finalen Reifung des Follikels steigt die Produktion von Östradiol in den Granulosazellen. Dies führt zu einer Verkürzung der Frequenz von GnRH. Daher nimmt die Produktion und Sekretion von LH zu. Mittzyklisch wird dann eine große LH-Menge sezerniert, welche durch Induktion von Eikosanoiden und Matrix-Metalloproteinasen die Ovulation hervorruft. In der zweiten Zyklusphase wird die GnRH-Pulsfrequenz langsamer (ca. alle 120–240 min). Dies ist wichtig, damit die Corpus-luteum-Funktion nicht vorzeitig versiegt. Zahlreiche endokrine Störungen können diese Steuerung des weiblichen Zyklusgeschehens kompromittieren. Dazu gehören: 4 Hyperprolaktinämie 4 Hyperandrogenämie 4 Hypo- und Hyperthyreose 4 Störungen des Glukosestoffwechsels
4.2
Initiale Diagnostik
Diagnostisch wichtig sind: 4 Zyklusanamnese 4 Messung von BMI, Bauchumfang, waist to hip ratio (W/H) 4 Basishormonuntersuchung der Parameter Follikel-stimulierendes Hormon (FSH), Estradiol (E2), Prolaktin (PRL), und Thyroidea-stimulierendes Hormon (TSH) am 3., 4. oder 5. Zyklustag. Beginn der Menstruationsblutung ist der 1. Zyklustag 4 Progesteronbestimmung am 21.–23. Zyklustag 4 Funktionstests: 5 Gestagentest: J Täglich Medroxyprogesteronacetat 10 mg oder Dydrogesteron 20 mg über 10 Tage J Anschließende Blutung zeigt vorherige Östrogenisierung des Endometrium
4
Eigene Notizen
70 Kapitel 4 · Gynäkologische Endokrinologie
5 Clomifentest: J Clomifencitrat Gabe 50–100 mg/Tag vom 4.–9. Zyklustag nach induzierter Menstruationsblutung. Anschließende Blutung nach 2–3 Wochen zeigt Stimulierbarkeit des Ovars. 5 GnRH-Test: J Bestimmung des Gonadotropinanstiegs nach GnRH i.v.-Gabe. LH- und FSH-Bestimmung nach 0 min, 30 min und 60 min. Das Sekretionsmuster zeigt das Ausmaß der hypothalamisch-hypophysären Störung. 5 ACTH-Test: J Bestimmung des 17α-OH Progesteron nach ACTH i.v.-Gabe zum Zeitpunkt 0 min, 30 min und 60 min. Bei überschießendem Anstieg besteht Verdacht auf ein heterozygotes Adrenogenitales Syndrom (late onset AGS). Sicherung der Diagnose molekulardiagnostisch (21-Hydroxylasemangel, 3-β-Hydroxysteroid-Dehydrogenasemangel, 11-β-Hydroxylasemangel) 5 Oraler Glukosetoleranztest (OGTT) mit Insulinbestimmung: J Bestimmung der Glukose und Insulinkonzentration im Serum zum Zeitpunkt 0 min, 60 min und 120 min nach oraler Glukoseapplikation (75 g). Diagnostik einer verminderten Glukosetoleranz oder eines Diabetes mellitus. 5 Homeostasis Model Assessment (HOMA) Index: Berechnung des Quotienten aus nüchtern Glukose-Wert zu nüchtern InsulinWert: J Insulin (nüchtern, μU/ml) × Blutzucker (nüchtern, mg/dl)/405 J Diagnostik einer Insulinresistenz
Eigene Notizen
4
4.3
Ovarialinsuffizienz
Störung der Eizellreifung und der endokrinen Funktion. Pathophysiologisches Kontinuum von Corpus-luteum-Insuffizienz über Anovulation mit regulären Blutungsintervallen oder Oligomenorrhoe bis zur Amenorrhoe.
4.3.1
Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz
Pathophysiologie 4 Häufigste Ursache der Ovarialinsuffizienz 4 Erhöhte Androgenwerte mit Dysbalance der Gonadotropinauschüttung (LH > FSH) 4 Erhöhte LH-Konzentration stimuliert Androgensynthese in ovariellen Thekazellen 4 Relativer FSH-Mangel mindert Aromatisierung der Androgene zu Östrogenen in ovariellen Granulosazellen 4 Circulus vitiosus mit follikulärem Wachstumsarrest und Oligo-/Anovulation
71 4.3 · Ovarialinsuffizienz
4 Eine Insulinresistenz mit konsekutiver Hyperinsulinämie kann die Androgenproduktion steigern. Insulin und Insulin like Growth Factor (IGF) können als Co-Gonadotropine LH-artig wirken. 4 Androgene (Testosteron, Androstendion und DHEA) werden etwa zu gleichen Anteilen ovariell und adrenal freigesetzt. DHEAS ist fast ausschließlich adrenaler Herkunft. Das hepatische Sexualhormonbindende Globulin (SHBG) bindet freies Testosteron und vermindert dessen Androgenisierungseffekte.
Klinik Das klinische Ausmaß der Symptomatik ist sowohl von der Serumkonzentration der Androgene als auch der Dauer der Hyperandrogenämie geprägt. Klinische Symptome sind: 4 Oligo- und Amenorhoe 4 Seborrhoe, Effluvium, Hirsutismus – Umwandlung von Velushaar in Terminalhaar mit männlichem Verteilungsmuster (Oberlippe, Kinn/ Wangen, Brust, Schulter, oberes Abdomen, unteres Abdomen, Rücken, Oberschenkel, Glutealbereich) 4 Virilisierungserscheinungen sind irreversibel (Absinken der Stimmfrequenz, Klitorishypertrophie, Zunahme der Muskulatur, Vermännlichung der Körperkontur) und zeigen eine ausgeprägte Hyperandrogenämie an. 4 Acanthosis nigricans findet sich bei Insulinresistenz
Diagnostik Diagnostisch wichtig sind: 4 Zyklusanamnese 4 Gewicht, Größe, BMI, waist to hip ratio (W/H) 4 Ferriman-Gallwey-Score zur Beurteilung des Hirsutismus. Bewertung der Intensität der Terminalbehaarung in 9 Körperregionen (Oberlippe, Kinn/Wangen, Brust, Schulter, oberes Abdomen, unteres Abdomen, Rücken, Oberschenkel, Glutealbereich) jeweils von Grad 0–4 4 Hormonuntersuchung am 3.–5. Zyklustag (LH, FSH, Androgene, SHBG) 4 Sonografische Beurteilung der Ovarien, polyzystische Ovarien nach Rotterdam-Kriterien = mehr als 12 Follikel <11 mm, Ovarvolumen (h × b × t × 0,5) >10 mm3 4 Zyklusbeobachtung mittels Ultraschall und Hormonbestimmung (Zyklusmonitoring) 4 ACTH-Test, GnRH-Test, oGTT, HOMA
Therapie 4 Ausdauersport, kohlenhydratarme Ernährung und Gewichtsreduktion senken die Hyperinsulinämie. 4 Bei adrenal bedingter Hyperandrogenämie niedrig dosiert Dexamethason
4
Eigene Notizen
72 Kapitel 4 · Gynäkologische Endokrinologie
Eigene Notizen
4
4 Bei Kinderwunsch ovarielle Stimulation mit Clomifencitrat, ggf. zusätzliche Metformingabe (off-label use) Gonadotropinbehandlung s.c. ! Cave Geringe therapeutische Breite der Medikamente. Engmaschige Überwachung der Stimulationsbehandlung zur Vermeidung einer ovariellen Überreaktion ist obligat. 4 Ohne Kinderwunsch: 5 Erste Wahl ist ein Ovulationshemmer mit antiandrogen wirksamem Gestagen 5 Alternativ antiandrogen wirksame Medikamente: Spironolacton, Finasterid, Flutamid
4.3.2
Hypothalamisch-hypogonadale Ovarialinsuffizienz
Pathophysiologie 4 Verminderte hypothalamische GnRH-Pulsatilität in Frequenz und Amplitude 4 Konsekutiv reduzierte Gonadotropinausschüttung in variablem Ausmaß 4 Ursächlich sind starker Gewichtsverlust, Anorexie, Kachexie, starker Stress, Leistungssport, Allgemeinerkrankungen (Hämochromatose, Trypanomosiasis, Thalassämie, Multiple Sklerose, Histiozytose), Raumforderungen im Hypothalamus-Hypophysen-System, Kallmann-Syndrom
Klinik Abhängig vom Schweregrad der Störung entwickeln sich Corpus-luteumInsuffizienz, Anovulation und Oligo-/Amenorrhoe.
Diagnostik 4 4 4 4
Zyklusanamnese Gewichtsmessung Gestagentest GnRH-Test
Therapie 4 Korrektur des Körpergewichts auf BMI >20 4 Bei Kinderwunsch ovarielle Stimulation mit: 5 Pulsatiler GnRH-Therapie mit GnRH-Pumpe 5 Clomifenstimulation 50–100 mg/Tag an Zyklustag 4–9 nur bei gering reduzierter GnRH-Sekretion möglich 5 Gonadotropinbehandlung s.c. 4 Ohne Kinderwunsch: 5 Ovulationshemmer/Hormonersatztherapie mit Östrogen-Gestagenkombination
73 4.3 · Ovarialinsuffizienz
4.3.3
Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz
Pathophysiologie 4 Pharmakologisch (Psychopharmaka, Antimemetika, Antihypertensiva) oder tumorbedingt gestörte hypothalamische Dopaminsekretion in das Portalvenensystem 4 Verminderte Hemmung der hypophysären Prolaktinfreisetzung 4 Stress, Hypothyreose, physiologisch in der Schwangerschaft und Stillzeit 4 Sehr selten renale und hepatische Insuffizienz, Thoraxwandtrauma 4 Entwicklung eines Mikro- oder Makroprolaktinoms (>1 cm)
Klinik 4 4 4 4 4 4
Hypogonadismus Amenorrhoe Infertilität Galaktorrhoe Hyperandrogenämie Bitemporale Hemianopsie durch Druck eines Makroprolaktinoms auf das Chiasma opticum
Diagnostik 4 Prolaktinmessung im Serum 4 Kovalent gebundene Prolaktinpolymere (big-big prolactin) haben geringere biologische Aktivität und können durch Polyethylenglukol (PEG)-Fällung erkannt werden 4 MRT der Hypophyse bei hohen Prolaktinwerten zum Ausschluss eines Makroprolaktinoms
Therapie 4 Behandlung mit Dopaminagonisten (Cabergolin, Bromocriptin, Quinagolid, Lisurid) ! Cave Risiko einer Herzklappenveränderung unter Cabergolintherapie berichtet. 4 Neurochirurgische Therapie bei pharmakoresistentem Makroprolaktinom 4 Kontraindikation gegen Dopaminagonisten bei durch Psychopharmaka bedingter Hyperprolaktinämie
4.3.4
Primäre Ovarialinsuffizienz
Pathophysiologie 4 Fehlende Follikelreifung mit verminderter Östrogenproduktion 4 Erschöpfung des Follikelpools durch Gonadendysgenesie, chromosomale Störungen, Galaktosämie, Virusinfektionen, Noxen, Chemo-Radiotherapie bei onkologischer Erkrankung 4 Follikelresistenz gegen Gonadotropine (Resistent-Ovary-Syndrom)
4
Eigene Notizen
74 Kapitel 4 · Gynäkologische Endokrinologie
Eigene Notizen
4
4 Enzymdefekte (17α-Hydroxylase, 17-20-Lyase, Desmolase) mit Androgenmangel 4 Autoimmunerkrankungen 4 Climacterium praecox, prämature Ovarialinsuffizienz (POF) bei primärer Ovarialinsuffizienz vor 40. Lebensjahr 4 Durchschnittliches Menopausealter 52. Lebensjahr
Klinik 4 Klimakterische Ausfallserscheinungen, Hitzewallungen nur nach vorheriger Östrogenisierung 4 Symptomatik nach ursächlicher Begleiterkrankung
Diagnostik 4 Klinische Untersuchung des äußeren Genitale 4 Gonadotropinerhöhung, verminderte Östrogene, Oligo- und Amenorrhoe, Anti-Müller-Hormon (AMH) unterhalb der Nachweisgrenze 4 Sonografisch stark reduzierter ovarieller »antral follicle count« (AFC) 4 Karyotypisierung 4 Bildgebung und Laparoskopie zur Überprüfung des inneren Genitale 4 Funktionsuntersuchung Nebenniere, Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Pankreas bei Verdacht auf ein polyglanduläres Autoimmunsyndrom
Therapie 4 Bei Kinderwunsch ovarielle Stimulation mit: 5 Bei residualer ovarieller Aktivität Östrogen-Gestagenkombination vor hochdosierter Gonadotropingabe s.c. 5 Kryokonservierung von Eizellen, befruchteten Eizellen, Ovargewebe vor onkologischer Behandlung 5 Embryonen- oder Eizellspende 4 Ohne Kinderwunsch: Nach Ausschluss therapiebedürftiger Begleiterkrankungen Behandlung mit Ovulationshemmer/Hormonersatztherapie mit Östrogen-Gestagenkombination
4.4
Störungen der Menstruationsblutungen
Definitionen 4 Amenorrhoe, primär: Patientin hat nie eine Menarche erlebt. 4 Amenorrhoe, sekundär: Patientin hat früher normale Periodenblutungen gehabt, seit 3 Monaten ist die Periode ausgeblieben. 4 Oligomenorrhoe: Die Abstände zwischen den Menstruation betragen >32 Tagen 4 Polymenorrhoe: Die Abstände zwischen den Menstruationen betragen <24 Tagen 4 Hypomenorrhoe: es gibt nur eine kurze (z.B. 1 Tag dauernde Schmierblutung) 4 Hypermenorrhoe: Der Blutverlust ist hoch (>80 ml); die Blutung stark und/oder länger als 7 Tage.
75 4.4 · Störungen der Menstruationsblutungen
4 Menorrhagie: Die Blutung dauert >7 Tage 4 Metrorrhagie: Es treten Zwischenblutungen auf, die >1 Tag dauern. 4 Dysmenorrhoe: schmerzhafte Menstruation (meist krampfartige Unterbauchschmerzen) 4 Dyspareunie: Schmerzen, ausgelöst durch Geschlechtsverkehr Störungen des Regeltempos sind zurückzuführen auf die genannten endokrinen Störungen. Veränderungen der Blutungsstärke und Beschwerden während der Menstruation haben uterine Ursachen: 4 Myome (gutartige Muskelknoten), Adenomyosis (Endometriosis uteri interna): Dysmenorrhoe, Hypermenorrhoe, Meno-Metrorrhagien, Dyspareunie
4
Eigene Notizen
5 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
5 Prinzipien der Kinderwunschbehandlung R. Rösing und B. Neulen
5.1
Allgemeines – 78
5.2
Basisdiagnostik – 78
5.3
Therapie – 79
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4
Verwendete Medikamente – 79 Therapieformen – 80 Risiken der Fertilitätsbehandlung – 82 Kontraindikationen gegen eine reproduktionsmedizinische Therapie – 83
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_5, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
78 Kapitel 5 · Prinzipien der Kinderwunschbehandlung
Eigene Notizen
5
5.1
Allgemeines
Die Bedeutung der Reproduktionsmedizin nimmt stetig zu. Die Behandlung der Infertilität hat neben der individuellen psychologischen Relevanz für die betroffenen Paare eine demografische und wirtschaftliche Implikation. Fruchtbarkeit ist altersabhängig und nimmt mit zunehmendem Lebensalter ab. Bei normaler Fruchtbarkeit und regelmäßigem Verkehr (2–3 Kohabitationen pro Woche ohne Kontrazeption) beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft pro Menstruationszyklus 0,25 in den ersten 3 Monaten, danach fällt sie auf 0,15 ab. Die kumulative Schwangerschaftsrate in 1 Jahr beträgt dann 0,8–0,9. Definition: 4 Primäre Sterilität: bislang keine Schwangerschaft eingetreten 4 Sekundäre Sterilität: nach vorangegangenen Schwangerschaften keine erneute Schwangerschaft eingetreten Paare, die nach 1 Jahr keine Schwangerschaft erzielen, sollten weiterführende reproduktionsmedizinische Diagnostik erhalten. Da die Fruchtbarkeit altersabhängig sinkt, sollte die diagnostische Klärung der Infertilitätsursache bei Frauen über 35 Jahren bereits nach 6 Monaten begonnen werden, da die Wahrscheinlichkeit für eine natürliche, wie für eine medizinisch assistierte Konzeption abnimmt. Sterilitätsursachen sind: 4 Ovarialinsuffizienz 20% 4 Tubarer oder uteriner Faktor 20% 4 Endometriose 6% 4 Männlicher Faktor 28% 4 Kohabitationsprobleme 5% 4 Idiopathisch 21%
5.2
Basisdiagnostik
Neben den bereits in Kap. 4 erwähnten endokrinen Parametern werden weitere für die Fertilität relevante Befunde erhoben: 4 Spermiogramm 4 Tubarer und uteriner Faktor mittels Hysterosalpingokontrastsonografie (HyCoSy), Hysteroskopie, Laparoskopie und Chromopertubation bei normalen Werten im Spermiogramm
79 5.3 · Therapie
5.3
Therapie
5.3.1
Verwendete Medikamente
Medikamente zur ovariellen Stimulation 4 Clomifencitrat (CC) ist ein kompetitiver Estrogenrezeptorantagonist 4 Reaktive FSH-Freisetzung mit stimulierendem Effekt auf den Follikel 4 Aromataseinhibitor (off-label use) 5 Niedrige Serum-Estrogenkonzentration durch gehemmte Aromatisierung von Androgenen 5 Reaktive FSH-Freisetzung mit stimulierendem Effekt auf den Follikel 4 FSH rekombinant (rFSH) oder urinär (uFSH) 5 Tägliche subkutane Injektion zur Stimulation des Follikelwachstums 4 GnRH-Pumpe 5 Pulsatile GnRH-Injektion als Dauerbehandlung bei hypothalamischem Hypogonadismus
Medikamente zur Unterdrückung des LH-peak und einer vorzeitigen Ovulation 4 GnRH-Agonist 5 Dauerstimulation der hypophysären GnRH-Rezeptoren überdeckt die pulsatile hypothalamische GnRH-Freisetzung 5 Dem initialen (ca. 10 Tage) »flare-up« der Gonadotropine mit vermehrter Gonadotropinfreisetzung folgt »down-regulation« der GnRH-Rezeptoren 4 GnRH-Antagonist 5 Sofortiger antagonistischer Effekt am hypophysären GnRH-Rezeptor überdeckt die pulsatile hypothalamische GnRH-Freisetzung
Medikamente zur Ovulationsinduktion Die Gabe von humanem Choriogonadotropin (hCG) stimuliert den follikulären LH Rezeptor und imitiert den LH-peak. Im physiologischen Verlauf reaktiviert der mittzyklische LH Anstieg (LH-peak) die Meiose der Eizelle, die bis dahin in der Prophase arretiert ist. Parallel kommt es zur Follikelruptur und Freisetzung der Eizelle. Die Ovulation folgt zeitlich präzise 36–40 h nach einmaliger Gabe eines urinären oder rekombinanten hCG-Präparats (5000–10000 IE s.c.)
Medikamente zur Lutealphasensubstitution 4 600 mg Progesteron vaginal 4 hCG stimuliert das Corpus luteum
5
Eigene Notizen
80 Kapitel 5 · Prinzipien der Kinderwunschbehandlung
Eigene Notizen
5.3.2
Therapieformen
Zyklusoptimierung/Ovulationsinduktion
5
4 Zyklusoptimierung mit Verkehr zum Ovulationszeitpunkt (VZO) (alternative Bezeichnung optimierter Geschlechtsverkehr opt. GV): 5 Sonografisch und laborchemisch begleitete Zyklusbeobachtung in der Follikelphase. 5 Zeitlich präzisierte Vorhersage der Ovulation und gezielte Wahl des Zeitpunkts für den Verkehr in den vorangehenden 24 h 4 Insemination: 5 Wie opt. GV. Eingabe eines aus dem Nativejakulat aufgearbeiteten Spermienkonzentrats, mit höherem Anteil progressiv motiler Spermien Beide Therapieformen erfolgen im Spontanzyklus oder im monofollikulär stimulierten Zyklus und mit spontaner oder exogen induzierter Ovulation. 4 Stimulation mit Clomifencitrat: 5 Einnahme von Clomifencitrat 50 mg/Tag vom 5.–9. Zyklustag und anschließender sonografischer Kontrolle sowie Hormonbestimmung 5 Bei ausbleibender ovarieller Reaktion wird im »stair-step« Protokoll die Clomifencitrat-Dosis nach 4–7 Tagen um 25 mg/Tag in weiteren Stimulationszyklen gesteigert, bis das Follikelwachstum einsetzt. 4 Monofollikuläre Stimulation mit Gonadotropinen: 5 Tägliche, niedrig dosierte Gonadotropininjektion s.c. ab dem 2–3. Zyklustag führt zu Rekrutierung und Wachstum von 1–2 Follikeln 5 Polyfollikuläre Stimulation mit Gonadotropinen 5 Tägliche, überschwellige Gonadotropininjektion s.c. ab dem 2–3. Zyklustag führt zu Rekrutierung und Wachstum mehrerer Follikel 5 Long Protokoll: J Gabe eines GnRH-Agonisten am 20. Zyklustag des Vorzyklus. Nach initialem »flare-up« und meist zyklusgerecht eintretender Blutung erfolgt eine Kontrolle der erfolgreichen »down-regulation« durch Bestimmung der Serumkonzentration von FSH, LH und Estradiol, sowie eine transvaginale Sonografie zum Ausschluss einer Ovarialzyste J Beginn der polyfollikulären Stimulation mit Gonadotropinen J Ovulationsinduktion bei einer Follikelgröße von 18–20 mm (meist zwischen 10. und 14. Zyklustag). Follikelpunktion 34–37 h nach hCG-Gabe. 5 Ultralong Protokoll: J Bei Endometriose ist eine zeitlich ausgedehnte Vorbehandlung mit GnRH-Agonisten über 6–8 Wochen indiziert. Die Endometriose stört die Eizellreifung. Eine verlängerte Phase der Downregulation führt zu einer Verbesserung der Befruchtungsraten der Eizellen und zu einer Steigerung der Schwangerschaftsraten.
81 5.3 · Therapie
5 Short Protokoll: J Zeitgleiche Applikation des GnRH-Agonisten und der Gonadotropine J Ausnutzen des initialen Gonadotropin »flare up«, z.B. bei ovariellen »low respondern« J Risiko der vorzeitigen Ovulation durch GnRH-induzierten LHpeak 4 Antagonistenprotokoll: 5 Stimulationsbeginn mit täglicher Gabe von FSH s.c. ab dem 2. oder 3. Zyklustag. Ab einem Leitfollikeldurchmesser von 13–14 mm (meist zwischen 6.und 8. Zyklustag) zusätzliche Gabe eines GnRHAntagonisten. Dadurch wird der vorzeitige LH-peak vermieden. Ovulationsinduktion bei einer Follikelgröße von 18–20 mm (meist zwischen 10. und 14. Zyklustag). Follikelpunktion 34–37 h nach hCG-Gabe.
ART (artificial reproductive Technique) IVF (in vitro Fertilisation)/ICSI (intra-cytoplasmatische SpermienInjektion) Follikelpunktion, Fertilisation, Embryotransfer
Nach einer etwa 2 Wochen dauernden Stimulationsbehandlung mit Gonadotropinen s.c. werden die Eizellen zur extrakorporalen Befruchtung durch IVF oder ICSI aus dem Eierstock entnommen. Dazu wird bei der Frau eine ultraschall-gesteuerte, vaginale Follikelpunktion durchgeführt. Der Eingriff kann in Kurznarkose oder Analgosedierung erfolgen. Nach Absaugen der Follikelflüssigkeit werden die Eizellen sofort unter einem Mikroskop aufgesucht und in einer Schale mit den aufbereiteten Spermien inseminiert (IVF) oder einzelne Spermien werden in die Eizelle injiziert (ICSI). Bei erfolgreicher Befruchtung entstehen 24 h später Embryonen nach der Fusion der beiden Vorkerne (Pronuklei) aus Eizelle und Spermium. Die entstandenen Embryonen werden im Mittel für weitere 1–4 Tage kultiviert und anschließend über einen Katheter intrauterin transferiert (Embryotransfer, ET). Der Transfer von maximal zwei Embryonen reduziert das Risiko einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft. Überzählig entstandene befruchtete Eizellen können kryo-konserviert (Gefrierlagerung in Stickstoff) werden und zu einem späteren Zeitpunkt aufgetaut und zu einem Embryo gereift in die Gebärmutterhöhle transferiert werden. Zwei Wochen nach der Follikelpunktion erfolgt eine hCG-Bestimmung im Serum. Die Schwangerschaftsraten liegen durchschnittlich bei etwa 25–30% pro Behandlungszyklus, mit altersabhängiger Variabilität. Die gesamte Behandlung erfolgt ambulant. TESE
Bei der testikulären Spermienextraktion erfolgt eine Hodenbiopsie zur Spermiengewinnung bei Verschluss oder Aplasie des Vas deferens.
5
Eigene Notizen
82 Kapitel 5 · Prinzipien der Kinderwunschbehandlung
Eigene Notizen
5.3.3
Risiken der Fertilitätsbehandlung
Ovarielles Überstimulationssyndrom (ovarian hyperstimulation syndrome: OHSS)
5
4 Exzessive ovarielle Reaktion auf Stimulationsbehandlung mit Gonadotropinen 4 Risiko bei jungen Frauen und PCOS 4 Early onset 1–5 Tage nach Ovulationsinduktion mit hCG 4 Late onset 7–14 Tage nach Embryotransfer durch endogenes hCG bei Schwangerschaft ! Cave Das OHSS ist potenziell lebensbedrohlich.
Klinik 4 Das milde OHSS ist Ergebnis der Stimulation und nicht behandlungsbedürftig: 5 Abdominale Spannung 5 Ovarielle Vergrößerung 5–10 cm 4 Moderates OHSS (wie mildes OHSS mit): 5 Übelkeit, Erbrechen, Durchfall 5 Dyspnoe 5 Hämatokriterhöhung 5 Sonografisch Aszites 4 Schweres OHSS (wie moderates OHSS mit): 5 Perihepatischem Aszites 5 Pleuraergüssen, Perikardergüssen 5 Thrombembolischen Ereignissen 5 Elektrolytverschiebung 5 Renaler und hepatischer Insuffizienz
Diagnostik 4 Klinische Untersuchung 4 Sonografie 4 Serumbestimmung, Blutbild, Elektrolyte, CRP, Nierenretentionswerte, Leberwerte, Gerinnungsparameter, Serumeiweiß
Therapie 4 4 4 4 4 4 4
Stationäre Aufnahme ab moderatem OHSS Rehydratation, Albumingabe, Plasmaexpander Thromboseprophylaxe Schmerztherapie Aszites und Pleurapuktion Korrektur der Elektrolytverschiebung ggf. intensivmedizinische Therapie
83 5.3 · Therapie
Mehrlingsschwangerschaft 4 Risiko der Frühgeburtlichkeit 4 Senken des Risikos durch Stimulationsüberwachung und Behandlungsabbruch bei polyfollikulärer Reaktion in geplant monofollikulärem Behandlungszyklus 4 Transfer von maximal 2 Embryonen im ART-Zyklus
5.3.4
Kontraindikationen gegen eine reproduktionsmedizinische Therapie
Kontraindikationen bestehen bei: 4 Kontraindikationen gegen eine Schwangerschaft 4 Kontraindikationen gegen die verwendeten Medikamente
5
Eigene Notizen
6 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
6 Gynäkologische Erkrankungen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Adoleszenten mit Handlungsbedarf J. Neulen, B. Rösing
6.1
Erkrankungen in verschiedenen Altersgruppen – 85
6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4
Ovarialzysten bei Neugeborenen – 85 Vaginale Blutung bei Kleinkindern – 85 Labiensynechie – 85 Veränderungen im Klitorisbereich – 86
6.2
Störungen der Pubertät – 86
6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4
Definitionen – 86 Kompletter Verlust der Follikel vor der Pubertät Dysmenorrhoe – 88 Juvenile Meno-Metrorrhagien – 88
– 87
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_6, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
85 6.1 · Erkrankungen in verschiedenen Altersgruppen
6.1
Erkrankungen in verschiedenen Altersgruppen
6.1.1
Ovarialzysten bei Neugeborenen
Häufigkeit ca. 1:2500, meist bereits per Ultraschall in der Schwangerschaftsüberwachung diagnostiziert.
Diagnostik 4 Postpartal: Ultraschall 4 Klinische Abklärung: abdominale Abwehrspannung
Therapie 4 Operative Zystenentfernung, wenn klinische Symptome vorhanden sind. 4 Ohne klinische Symptome (kleine Zysten <2 cm) abwartendes Vorgehen; mit Ultraschall Verlaufskontrolle.
6.1.2
Vaginale Blutung bei Kleinkindern
Meistens durch Kratzverletzungen der Haut im Vulvabereich verursacht.
Differenzialdiagnose 4 Infektionen: Bei Kindern immer bakteriell; Pilzinfektion sind extrem selten. 4 Diagnostik: mikrobiologischer Abstrich der Vulvaregion. Keimspektrum: meist Darmkeime; weitere relevante Keime: Streptokokken besonders problematisch Gruppe A und G. 5 Therapie: Antibiose systemisch und lokal nach Sensibilität. 4 Fremdkörper, die akzidentell in die Vagina eingeführt wurden. 5 Diagnostik und Therapie: operative Vaginoskopie, ggf. mit Fremdkörperentfernung. 4 Selten Rhabdomyosarkom der Vagina. 5 Diagnostik: Vaginoskopie. Therapie: operative Entfernung des Tumors 4 Missbrauch: Häufig wiederholte Verletzungen im Genitalbereich mit frischen und älteren Verletzungen. Prellmarken an anderen Körperstellen. Analinspektion. 5 Diagnostik: Bilddokumentation der sichtbaren Verletzungen; Abstrichentnahme für mikrobiologische Untersuchungen, genetische Untersuchungen
6.1.3
Labiensynechie
Ursache sind Infektionen oder übertriebene hygienische Maßnahmen mit Kleinstverletzungen der Vulva.
6
Eigene Notizen
86 Kapitel 6 · Gynäkologische Erkrankungen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Adoleszenten
Eigene Notizen
Klinik Urin sammelt sich in der Vagina und läuft unkontrolliert später ab: Einnässen nach Miktio. Dadurch sekundäre Hautekzeme, Infektionen.
Diagnostik 4 Vulva-Inspektion
Therapie 4 Zunächst konservativ mit Östriol-haltiger Creme und Gerbsäure-Sitzbädern 4 Bei Therapieversagen: operative Lösung der Synechie (immer in Kurznarkose, da sehr schmerzhaft)
6
Differenzialdiagnose 4 Beim Hymen altus ist in der Regel der hintere Hymenalsaum bis unter die Urethralmündung hochgewachsen. 4 Symptome wie bei Labiensynechie 4 Diagnose: Vulvainspektion 4 Therapie: operative Hymenalspaltung (immer in Kurznarkose, da sehr schmerzhaft) Nach beiden Eingriffen ist eine Nachbehandlung mit Östriol-haltiger Creme und Gerbsäure-Sitzbädern für ca. 3–4 Wochen zur Rezidivprophylaxe erforderlich.
6.1.4
Veränderungen im Klitorisbereich
4 Karbunkel (Schwellung) Diagnostik: Inspektion. Therapie: Konservativ mit Gerbsäure-Sitzbädern. 4 Zysten: Diagnostik: Inspektion; Verhalten abwartend. In seltenen Fällen: operative Entfernung
6.2
Störungen der Pubertät
6.2.1
Definitionen
Bei normalen weiblichen Chromosomensatz (46, XX) wandern in der 8. Embryonalwoche ca. 10 Mio. Keimzellen in die undifferenzierte Gonadenanlage aus dem Dottersack ein. Verlust von Keimzellen bis zur Geburt: 9 Mio. Zahl der Follikelapparate bei Einsetzen der Pubertät 100.000. Zahl der Eizellen, die während des Lebens ovuliert werden: ca. 450. 4 Normales Pubertätsalter: 9–15 Jahre. Beurteilung der pubertären Entwicklung nach Tannerstadien: Entwicklung der Mammae, Ausprägung der Pubes- und Achselbehaarung (T1–T5) 4 Menarche: erste Regelblutung
87 6.2 · Störungen der Pubertät
4 Pubertät vor dem 9. Lebensjahr: Pubertas präcox; zusammen mit anderen Erkrankungen (McCune-Albright-Syndrom); hormonproduzierende Tumore (NNR; Gonaden; Hypophyse) 4 Pubertät nach dem 15. Lebensjahr: Pubertas tarda
6.2.2
Kompletter Verlust der Follikel vor der Pubertät
Klinik 4 Ausbleiben der Pubertät
Hypergonadotrope Gonadeninsuffizienz Genetische Diagnostik 4 46, X0: Turner-Syndrom: 100% Kleinwuchs, bis zu 40% Pterygium colli, ca. 20% Organfehlbildungen: Herz, Niere. 5 Therapie: Wachstumshormonsubstitution; Sexualsteroide 4 46, XX: (selten), Verlust der Follikel durch fehlende FSH-Wirkung im Kindesalter (z.B. FSH-Rezeptordefekt), fehlende nächtlich FSH-Sekretion im Kindesalter. 5 Bei operativer Abklärung finden sich histologisch leere Streakgonaden. Übrige Genitalanlage unauffällig. 4 46, XY: 5 1. Androgen-Insensitivität durch Mutation des Androgenrezeptors auf dem X-Chromosom. Pubertäre Brustentwicklung vorhanden. Keine Menarche, keine oder extrem spärliche Pubes- und Achselbehaarung. Genitalanlage: Vagina vorhanden, kein Uterus, Gonaden histologisch Testes. Entartungsrisiko der Gonaden möglich. J Empfehlung Gonadenentfernung im Erwachsenenalter; anschließend Sexualhormonersatz (Östrogene) nötig. 5 2. Swyer-Syndrom: Störung des SRY-Gens auf dem Y-Chromosom. Fehlen des Anti-Müller-Hormons. Genitalanlage: phänotypisch weiblich. Gonaden: histologisch undifferenziert, z.T. testikulär. Entartungsrisiko der Gonaden sehr hoch. J Entfernung der Gonaden sobald Diagnose gesichert. Sexualhormonersatz (Östrogene/Gestagene) nötig.
Normogonadotrope Ovarialinsuffizienz Differenzialdiagnose 4 Anorektische Reaktion, Malabsorptionssyndrome, zystische Fibrose
Therapie 4 Änderung des Essverhaltens, Behandlung der Grundkrankheit
6
Eigene Notizen
88 Kapitel 6 · Gynäkologische Erkrankungen bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Adoleszenten
Eigene Notizen
Hypogonadotrope Ovarialinsuffizienz Differenzialdiagnose 4 Manifeste Anorexia nervosa, Hochleistungssport, Abklärung der hypothalamisch/hypophysären Achse: destruierende Tumore mit Ausfall der gonadotropen Achse
Therapie 4 Behandlung der Grunderkrankung; bei Ausfall der Steuerungsachse Sexualhormonersatz (Östrogene/Gestagene); bei Kinderwunsch: Gonadotropine
6
6.2.3
Dysmenorrhoe
Diagnostik 4 Symptomatisch; ggf. operativ bei Verdacht auf Endometriose (Symptomatik zunehmend)
Therapie 4 Hormonale Ovulationshemmer
6.2.4
Juvenile Meno-Metrorrhagien
Vaginale Dauerblutung mit Hb-wirksamem Blutverlust.
Diagnostik 4 Ultraschall der Genitalregion. Zystische Struktur in Ovarien: Follikelpersistenz, Östrogenabfall (Labor), Durchbruchsblutung (klinisch)
Therapie 4 Östrogenersatz ca. 5 Tage, anschließend Gestagene zur Transformation des Endometriums 4 Therapieversager oder Hb <10 g/l: Tranexamsäure, Cyclo-OxygenaseHemmer (z.B. Ibuprofen; kein ASS); Blutung weiter persistierend oder Hb< 7 g/l Sulproston-Infusionen (nur stationäre Behandlung) 4 Abklärung der Gerinnungsfunktion
7 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
7 Kontrazeption J. Neulen, B. Rösing
7.1
Grundlagen – 90
7.2
Hormonelle Wirkstoffe – 90
7.2.1 Risiken/Nebenwirkungen der hormonellen Kontrazeption
7.3
Andere Kontrazeptiva – 91
7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5
Intrauterinpessar (IUD, intrauterine device) – 91 Kupferspirale (PI 3) – 92 Hormonspirale (PI 0,5) – 92 Mechanische Kontrazeptiva (PI 3 bis >10) – 92 Operatives Verfahren – 92
– 91
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_7, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
90 Kapitel 7 · Kontrazeption
Eigene Notizen
7.1
Grundlagen
Zur Kontrazeption stehen hormonelle und mechanische Methoden zur Verfügung. Die Effektivität eines Kontrazeptivums wird im Pearl-Index (PI) festgehalten: PI =
100 × Anzahl der Schwangerschaften × 12 Zahl der Frauen × Zahl der Anwendungsmonate
Ein PI von 5 bedeutet, dass von 100 Frauen, die mit einer bestimmten Methode ein Jahr (12 Zyklen) lang verhüten, 5 schwanger werden. Es werden PI im »perfect use« und »typical use« unterschieden. »Typical use« beschreibt die übliche Anwendung mit Einnahmefehlern und hat daher einen höheren PI.
7 7.2
Hormonelle Wirkstoffe
Systemische hormonelle Kontrazeptiva sind als Pille, Pflaster, Vaginalring, Implantat und Depotinjektion verfügbar. Bei guter Verträglichkeit bieten sie hohe Sicherheit (PI 0,5–3) und einen reversiblen Empfängnisschutz.
Östrogen (Ethinylestradiol) 4 Hemmung des Follikelwachstums durch FSH-Suppression 4 Zyklusstabilisierung durch Endometriumstimulation
Gestagene (Progesteron- und Testosteronderivate) 4 LH-Hemmung mit Suppression des ovulatorischen LH-peak 4 Lokale Wirkung, die der Spermienaszension entgegenwirkt Die systemische Hormongabe als Kombinationspräparate (Östrogen und Gestagen oral oder als Pflaster) führt zur partiellen Hemmung der pulsatilen Freisetzung von GnRH und LH und FSH. Es resultiert eine Suppression der ovariellen Aktivität, einschließlich der ovariellen Androgenproduktion. Die Minipille ist nur gestagenhaltig, mit lokalen Wirkmechanismen im Vordergrund: 4 Keine Ovulationshemmung
Depotpräparate (Depotspritze, Implantat) 4 Gestagenpräparat mit großer Sicherheit und Hemmung des Eisprungs 4 Anwendungsfehler sind kaum möglich 4 Es wurde über einen Östrogenmangel mit resultierender reversibler Osteoporose berichtet 4 Blutungsstörungen können auftreten
91 7.3 · Andere Kontrazeptiva
7.2.1
Risiken/Nebenwirkungen der hormonellen Kontrazeption
Unerwünschte Wirkungen 4 4 4 4 4 4 4
Thrombembolische Ereignisse Stimmungsschwankungen Libidoverlust Übelkeit Kopfschmerzen Brustspannen Chloasmabildung
Nichtkontrazeptive, erwünschte Effekte 4 4 4 4
Zyklusregulation Vermindertes Risiko für Endometriumkarzinom Vermindertes Risiko für Adnexitiden Antiandrogen wirksame Effekte: 5 Die ovarielle Suppression durch die »Pille« führt zur Reduktion des ovariellen Androgenanteils in der Serumkonzentration. 5 Die peripher-gewebliche Androgenwirkung kann bei Bedarf durch ein kontrazeptives Kombinationspräparat mit einem antiandrogen wirksamen Gestagen abgeschirmt werden. 5 Gestagene mit antiandrogener Wirkung sind Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat, Dienogest und Drospirenon. 5 Ein weiterer anti-androgener Effekt ergibt sich durch die östrogeninduzierte hepatische SHBG-Synthese und die konsekutive Verminderung des freien Testosterons. 4 Behandlung zyklusgebundener (katamenialer) Erkrankungen
Kontraindikationen 4 4 4 4 4 4 4
Thrombembolisches Geschehen in der Vorgeschichte Thromophilie Vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen Migräne Nikotinabusus bei Frauen >35 Jahre Nicht therapierter Diabetes mellitus, Hypertonus, Hypertriglyzeridämie Hormonrezeptor-positive onkologische Erkrankung
7.3
Andere Kontrazeptiva
7.3.1
Intrauterinpessar (IUD, intrauterine device)
4 Ein IUD kann auch bei einer Nullipara eingesetzt werden. Vor dem Einsetzen der Spirale muss ein vaginaler Infekt ausgeschlossen bzw. behandelt werden. Das Adnexitisrisiko ist bei entsprechender Vorbereitung nicht erhöht. Pillenanwenderin hat ein reduziertes Adnexitisrisiko (Schutzeffekt der Pille).
7
Eigene Notizen
92 Kapitel 7 · Kontrazeption
Eigene Notizen
4 Einsetzen der Spirale auch als Notfallkontrazeptivum innerhalb von 5 Tagen nach dem Eisprung.
7.3.2
Kupferspirale (PI 3)
4 Intrauterinpessar mit Kupfer lokal wirksam, hemmt v.a. die Spermienfunktion und Eizellbefruchtung, (sehr selten eine Embryoimplantation) 4 Bei einer verstärkten Blutung (Meno-Metrorrhagie) ist der Einsatz einer Hormonspirale empfehlenswert.
7.3.3
7
Hormonspirale (PI 0,5)
4 Intrauterinpessar mit Levonorgesterel ist lokal wirksam, hemmt v.a. die Spermienfunktion und Eizellbefruchtung, (sehr selten eine Embryoimplantation) 4 Die lokal freigesetzten Gestagene führen zu einer dauerhaften, aber reversiblen Transformation des Endometriums 4 Die systemischen Hormonspiegel sind kaum beeinflusst 4 Die ovarielle Aktivität ist nicht unterdrückt
7.3.4
Mechanische Kontrazeptiva (PI 3 bis >10)
4 Kondome haben neben der Kontrazeptiven auch eine Schutzfunktion gegen sexuell übertragbare Erkrankungen (STD). 4 Portiokappen werden vor dem Verkehr vaginal auf die Portio angebracht. 4 Spermizide Cremes erhöhen Sicherheit, aber können gleichzeitig eingesetzte Kondome schädigen, kein Schutz gegen STD.
7.3.5
Operatives Verfahren
4 Sterilisation ist ein potenziell irreversibler Eingriff 4 Nur bei abgeschlossener Familienplanung indiziert 4 Bei der Frau (PI 0,5–1) mittels Laparoskopie und Tubenverödung oder -durchtrennung 4 Beim Mann (PI 0,2) lokaler Eingriff mit Durchtrennung des Vas deferens
8 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
8 Hormonersatztherapie J. Neulen, B. Rösing
8.1
Menopause – 94
8.2
Klimakterische Beschwerden – 94
8.2.1 Behandlungsmöglichkeiten – 95 8.2.2 Kontraindikationen/Risiken/Nutzen der HRT – 95
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_8, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
94 Kapitel 8 · Hormonersatztherapie
Eigene Notizen
8.1
Menopause
Menopause bezeichnet das permanente Sistieren der Menstruationsblutung mit einer Amenorrhoedauer >1 Jahr. Der Menopauseeintritt ist retrospektiv zu diagnostizieren und tritt im Mittel mit 52 Jahren ein. »Menopausal transition« meint den Zeitraum mit zunehmenden ovariellen Funktionsstörungen, begleitet von sinkenden Östrogenwerten, verkürzten und auch anovulatorischen Zyklen und steigenden Gonadotropinwerten als Ausdruck der zentralen Gegenregulation. Die »Menopausal transition« geht der Menopause um ca. 5 Jahre voraus. Die Östrogenbildung verlagert sich in periphere Organe (Aromataseaktivität im Fettgewebe) und sistiert schließlich auf niedrigem Niveau, ohne zyklische Schwankungen.
8.2
8
Klimakterische Beschwerden
Die hormonelle Wechselsituation kann mit deutlichen Beschwerden einhergehen: 4 Vegetative Beschwerden, wie Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Erkältungen, Schlafstörungen 4 Neuropsychologische Beschwerden, wie Stimmungsschwankungen, Nervosität, Gereiztheit, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen, Abgeschlagenheit 4 Organische Östrogenmangelsymptome, wie Trockenheit der Augen und Vaginalschleimhaut, Blasenentleerungsstörungen, Harninkontinenz, rezidivierende urogenitale Infekte Folgende langfristige Effekte des Hormonmangels können auftreten: 4 Osteoporose 4 Arteriosklerose 4 Dyslipidämie 4 Kardiovaskuläre Erkrankungen 4 Demenz
8.2.1
Behandlungsmöglichkeiten
Hormonersatztherapie (HRT) 4 Ersatz der ovariellen endokrinen Funktion 4 Hormonpräparationen mit Östrogen und Gestagenanteil sowie Östrogen-Monopräparate 4 Östrogen-Monotherapie nur nach Hysterektomie 4 Präparate zur oralen und transdermalen (Pflaster, Gel, Vaginalring) Applikation
95 8.2 · Klimakterische Beschwerden
Hormonfreie Therapie 4 Bei Kontraindikationen gegen HRT sind Venlafaxin (SSRI), Gabapentin, Veraliprid bei klimakterischen Beschwerden wirksamer als Placebo. 4 Phytoöstrogene und andere pflanzliche Produkte sind so wirksam wie Placebo.
8.2.2
Kontraindikationen/Risiken/Nutzen der HRT
Kontraindikationen 4 4 4 4 4
Thrombembolisches Geschehen in der Vorgeschichte Thromophilie Vorbestehende kardiovaskuläre Erkrankungen Nicht therapierter Diabetes mellitus, Hypertonus, Hypertriglyzeridämie Hormonrezeptor-positive onkologische Erkrankung
Risiken 4 Thromboembolische Erkrankungen besonders bei spätem Beginn (>10 Jahre nach Menopause) einer HRT 4 Das Thromboembolierisiko ist deutlich geringer bei transdermaler gegenüber oraler Applikation 4 Das Brustkrebsrisiko ist mit einer zunehmenden Einnahmedauer der HRT-Kombinationstherapie (Östrogen und Gestagen) erhöht, bei Östrogen-Monotherapie unverändert gegenüber Nichtanwenderinnen 4 Irreguläre vaginale Blutungen und Endometriumkarzinom bei Östrogen-Monotherapie
Nutzen 4 Osteoporoserisiko sinkt 4 Kardiales Erkrankungsrisiko sinkt bei frühem Behandlungsbeginn in den ersten Einnahmejahren
Fazit zur HRT 4 HRT ist die effektivste Therapie klimakterischer Beschwerden 4 HRT in möglichst niedriger Dosierung und nur so lange wie notwendig (Auslassversuche) 4 Das Gesamtüberleben ist durch die HRT nicht verkürzt, die Lebensqualität ggf. deutlich verbessert
8
Eigene Notizen
9 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
9 Gynäkologische Psychosomatik V. Perlitz
9.1
Einleitung – 97
9.2
Epidemiologie – 97
9.3
Ausgangssituation – 98
9.3.1 Weiterbildung – 98 9.3.2 Wie »geht« Psychotherapie? – 99 9.3.3 Welchen Beitrag kann Psychotherapie in der Behandlung körperlich kranker Frauen leisten? – 100
9.4
Ätiopathogenese – Entstehungszusammenhänge – 101
9.5
Psychosomatisch-gynäkologische Simultandiagnostik – 101
9.6
Abwehranalyse – 102
9.7
Traumatisierung – 103
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_9, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
97 9.2 · Epidemiologie
9.1
Einleitung
Im Rahmen der gynäkologischen Psychosomatik werden psychosomatisch erkrankte Frauen (und Männer, die Frauen werden wollen) untersucht und behandelt. Die Aufgabengebiete der gynäkologischen Psychosomatik umfassen folgende diagnostische und therapeutische Bereiche: 4 Somatopsychische Symptome bei Reaktionen auf schwere körperliche Erkrankungen 4 Psychosomatische Störungen unabhängig von somatischer Erkrankung 4 Körperliche Beschwerden, Symptome und Erkrankungen im Zusammenhang mit psychosomatischen Störungen 4 Sexualphysiologische und sexualpsychologische Probleme und Störungen 4 Reproduktionsmedizinische Interventionen (z.B. Schwangerschaftsabbruch, In-vitro-Fertilisation) Obwohl der klinisch in der Gynäkologie tätige Arzt vorrangig körperliche Erkrankungen unter Kautelen der Evidence based Medicine zu behandeln hat, soll ein Bewusstsein entstehen, dass ein reduktionistisch biologisches Paradigma der Krankheitsentstehung durch ein »bio-psycho-soziales« Konzept in der gegenwärtigen Medizin auch aus pragmatischen Gründen abgelöst werden sollte. Bezüglich des Wissens von der Leib-Seele-Verbundenheit nimmt die gynäkologische Psychosomatik historisch eine Pionierrolle ein. Erste wissenschaftliche Schriften zur Deutung seelischer Einflüsse bei prämenstruellem Syndrom, chronisch funktionellen Unterleibsbeschwerden, Fluor genitalis und Pruritus vulvae wurden schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts vorgelegt.
9.2
Epidemiologie
In der Gynäkologie zeigen Schätzungen, dass 30–50% der Patientinnen psychosomatische Beschwerden äußern. In anderen Untersuchungen blieben in 17% der Fälle körperliche Symptome in der Gynäkologie organisch ungeklärt. Diese Zahlen konnten in der ehemaligen DDR in einer internistischen Universitätsambulanz zwar bestätigt werden, doch brauchten letztlich nur 1,54% eine fachpsychotherapeutische Behandlung. In den meisten Fällen halfen bei diesen Patienten primärärztliche Interventionen: Zuspruch, Zuhören, Entlastung schaffen (Arbeitsunfähigkeit) oder Milieuwechsel (Rehabilitationen). Klinisch wichtig sind so genannte somatoforme Störungen. Diese werden weltweit bei etwa 7% aller Patienten diagnostiziert. Im Mittelpunkt stehen körperlich geäußerte Beschwerden: Schmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung. Da diese Patienten diese Beschwerden nur organisch erklären, beharren sie oft auf einer umfangreichen Organdiagnostik. Eine psychische Genese von Schmerzen wird häufig heftig abgewehrt. Die biologische Sicht
9
Eigene Notizen
98 Kapitel 9 · Gynäkologische Psychosomatik
Eigene Notizen
des Problems entspricht der, die viele Ärzte aufgrund ihrer Ausbildung und des Primärauftrags teilen. Diese Dynamik dieser Arzt-Patienten-Beziehung zeigt im Negativen, wie machtvoll ein von Patient und Arzt geteiltes »Krankheitsmodell« sein kann, denn die Behandlungskosten dieser Störungen liegen weit höher als gemäß deren Prävalenz zu erwarten wäre. Bagatellbefunde erhärten die biologische Sichtweise des Patienten und iatrogene Schäden entsprechender organpathologischer Behandlungsversuche liefern den anfangs noch fehlenden organpathologischen Auslöser. Gelingt der Zugang zu diesen Patientinnen und Patienten, kann in den meisten Fällen eine zufrieden stellende psychotherapeutische Behandlung erfolgen.
9.3
9
Ausgangssituation
Dieser Buchbeitrag möchte die somatische, somatopsychische und psychosomatische Behandlungskompetenz junger Ärzte verbessern. Zwei von Studierenden der Medizin im Praktikum der Psychosomatik häufig gestellte Fragen sollen dazu beleuchtet werden. 1. Wie »geht« Psychotherapie? 2. Welchen Beitrag kann Psychotherapie in der Behandlung körperlich kranker Frauen leisten? Beide Fragen sind nicht ohne Weiteres zu beantworten. Die Antwort auf die Frage, wie Psychotherapie »geht«, ist in der umfangreichen Fachliteratur nicht leicht zu finden. Verweise in Lehrbüchern auf die großen Psychotherapieverfahren (verbale Psychotherapien: Psychoanalyse, Verhaltens-, Gesprächs-, Gestalttherapie; non-verbale Psychotherapien: Musiktherapie, Kunsttherapie, etc.) helfen zum Verständnis von deren Wirkungen nur wenig. Die zweite Frage ist wesentlich: Wenn kein greifbarer Nutzen vorläge, gäbe es keine Rechtfertigung für den zeitlichen Aufwand, den Psychotherapie oft erfordert.
9.3.1
Weiterbildung
Wenngleich grundlegende zwischenmenschliche Umgangsformen den Grundstein für Psychotherapie bilden, kann eine externe Weiterbildung in einer so genannten »Balint-Gruppe« einen wichtigen Beitrag zur individuellen und ärztlichen Weiterbildung und zum lebenslangen Lernen leisten. Die Balint-Gruppen bzw. Junior-Balint-Gruppen, nach dem ungarischen Psychoanalytiker Michael Balint (1896-1970) benannt, helfen abseits des klinischen Alltags problematische oder belastende Arzt-Patienten-Beziehungen intensiv zu durchleuchten. Denn folgende Faktoren können erheblich belasten und den Behandlungserfolg gefährden: 4 zu viel Nähe, 4 zu große Distanz oder 4 zu intensive Emotionen.
99 9.3 · Ausgangssituation
Da es nicht immer Defizite der Patientin sind, die die Arzt-Patient-Beziehung beeinträchtigen, ist ein externer Reflexionsraum erforderlich. Dort können frühere Beziehungserfahrungen der Ärztin oder des Arztes erkannt werden. Eigene Untersuchungen zeigen, dass dadurch gerade junge Ärzte freier und unbelasteter arbeiten und lernen können.
9.3.2
Wie »geht« Psychotherapie?
Wissenschaftliche Befunde über die allgemeine Wirkungsweise der Psychotherapie zeigen, dass diese nicht schulen- oder verfahrensspezifisch ist. Wesentlich für die psychotherapeutische Arzt-Patienten-Beziehung ist, dass die Beziehung primär nicht über »objektive« Befundgrößen (Blutdruck, EKG, Laborchemie oder Bildgebung) verläuft. Zwischen dem subjektiven »Beobachter« und »Teilnehmer« Arzt und der Patientin besteht viel mehr ein doppelter Dialog: Während der Arzt mit der Patientin spricht, reflektiert er parallel intern als Beobachter seine eigene Gegenübertragung (seine durch die Patientin ausgelösten Assoziationen, Gedanken und Gefühle). Gefühle der Stimmigkeit, des Verschweigens, Aggressionen u.v.m. weisen auf mögliche Problembereiche hin, die hinter körperlichen Befunden stehen. Das bedeutet nicht, dass die einen die anderen ursächlich auslösen, sondern nur, dass parallele Interventionen erforderlich sein können. Entsprechende Untersuchungen zeigen, dass die Gegenübertragungsanalyse in über 90% erfolgreich bei der Erkenntnis (= Diagnose) psychischer Probleme ist. An dieser Stelle besteht im Zeitalter der Evidence based Medicine daher völlig unberechtigt Angst vor Objektivitätsverlust (= Unwissenschaftlichkeit). Darüber hinaus können subjektive Phänomene mittlerweile durchaus objektiviert werden. Die dazu notwendigen Methoden sind jedoch von denen der anatomisch-physiologisch-biochemischen Diagnostik völlig verschieden. Sie entsprechen ihrem Untersuchungsgegenstand. Psychotherapie wird daher unnötig mit Misstrauen begegnet. Folgende Wirkfaktoren sind allen Psychotherapieformen mehr oder weniger gemein: 4 Hilfe beim Aufbau einer vertieften Beziehung (so genannter Rapport): Das bedarf weniger Vorbedingungen. Ein geschützter Raum für Vertrautheit; non-verbale Signale des Arztes (am Bett der Patientin sitzen anstatt stehen); die zur Verfügung stehende Zeit benennen; erste allgemeine Fragen oder Aufmunterungen offen formulieren; abwarten und die Patientin ins Gespräch kommen lassen. 4 Nicht-Intentionalität: Dies erscheint paradox, soll das Gespräch zwischen Arzt und Patientin doch therapeutisch relevante Informationen erbringen oder das Befinden der Patientin verbessern. Nicht-intentional bedeutet, dem Gespräch kein Thema von oben herab vorzugeben, wie: »Heute müssen wir einmal über Ihre sexuellen Probleme sprechen!« Psychotherapie funktioniert am besten, wenn sie nicht intendiert und nicht als solche deklariert wird! 4 Empathisches Zuhören: Aussagen der Patientin mit den Worten des Arztes zusammenfassen. Dies zeigt der Patientin, dass der Arzt aktiv
9
Eigene Notizen
100
Kapitel 9 · Gynäkologische Psychosomatik
Eigene Notizen
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zuhört und sich in ihr Erleben hineinversetzen möchte. Einfaches Nachfragen, ob Aussagen richtig verstanden wurden. Zuhören ist mitnichten passiv! 4 Die Klage entgegen nehmen (»containing«): Die Patientin hat das Recht zu klagen. Wenn nicht beim Arzt, bei wem sonst kann die Patientin »ihr Herz ausschütten«? Während eines psychosomatischen Blockpraktikums »gesteht« eine 60-jährige Patientin einem 23-jährigen (männlichen) Studierenden: »Zum ersten Mal in meinem Leben hat mir einmal jemand eine Stunde zugehört!« Unvoreingenommenheit kann schwer fallen, wenn die Wertesysteme von Arzt und Patientin aufgrund soziokultureller Unterschiede sehr verschieden sind. Starke Affekte, wie Angst vor Schuldzuweisungen und Verurteilungen und Scham als Angst vor Bloßstellung, können die therapeutische Arbeitsbeziehung vereiteln. 4 Fördern der Kommunikation: Der Patientin Worte verleihen, wenn sie angesichts ihres Schicksals sprachlos ist: »Sie haben eine Katastrophe überlebt!« kann schon Entlastung sein. 4 Reflexion und Deutung: Das Gehörte und das im Gespräch Erlebte neu deuten. Dieser Schritt erfordert Vertrauen, um fremde Interpretationen des (traumatisch) Erlebens ohne Abwehr annehmen zu können. Diese allgemeinen Wirkmechanismen der Psychotherapie können körperliche Symptome positiv verändern. Daher sollte sie der somatisch arbeitende Arzt gezielt nutzen, um seinen Handlungsspielraum zu erweitern. Deswegen werden zur Weiterbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Kenntnisse der psychosomatischen Grundversorgung mittlerweile gefordert. Deswegen werden zur Weiterbildung zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Kenntnisse der psychosomatischen Grundversorgung gefordert.
9.3.3
Welchen Beitrag kann Psychotherapie in der Behandlung körperlich kranker Frauen leisten?
Psychotherapie wird heute weltweit eingesetzt, um Änderungsprozesse folgender Parameter einzuleiten: 4 Verhalten (behaviorale Änderungsprozesse) 4 Denken (kognitive Änderungsprozesse) 4 Empfinden und Erleben (emotionale Änderungsprozesse) Dazu werden unterschiedliche Psychotherapieformen eingesetzt (kognitive Verhaltenstherapie [VT] zur Änderung z.B. automatisierter Denkmuster; tiefenpsychologische [psychodynamische] Psychotherapieformen [z.B. Psychoanalyse] zur Änderung verdrängter traumatisierender Affekte). Dabei werden vorrangig zwei Strategien verfolgt: Entweder werden durch gezielte Destabilisierung dysfunktionale behavioral-kognitiv-emotionale Muster verändert oder destabilisierte behavioral-kognitiv-emotionale Muster restabilisiert.
101 9.5 · Psychosomatisch-gynäkologische Simultandiagnostik
Damit wird eine Behandlung seelischer und körperlicher Symptome möglich, da zahlreiche seelische Leiden mit körperlicher Symptomatik einhergehen (z.B. Zittern, Schwitzen, Obstipation, Diarrhoe).
9.4
Ätiopathogenese – Entstehungszusammenhänge
Die Frage, wie psychische oder soziale Störungen somatische Störungen und Krankheiten, z.B. Blutungen, Sterilität, Fluor u. ä. »verursachen« können, ist nahe liegend. Sie kann in dieser Form aber nicht beantwortet werden, denn wissenschaftstheoretisch sind kausale Zusammenhänge zwischen zwei unterschiedlichen und nur lose gekoppelten Systemen nicht aufzuklären. Beweise sind hier und andernorts in der Medizin unmöglich, sie bleiben wenigen Gebieten der Mathematik vorbehalten. Möglich ist aber die Beschreibung so genannter kontingenter Kopplungen, also von zeitlich mehr oder weniger engen Zusammenhängen. Dies ist relevant, da der Versuch Kausalzusammenhänge nachzuweisen die Entwicklung einseitiger Sicht- und Behandlungsweisen verstärkt, ohne immer positive therapeutische Konsequenzen zu bewirken. Ein Verständnis von Entstehungszusammenhängen ist der Komplexität (Ursache-Wirkungsketten) weit angemessener und erklärt zahlreiche multifaktorielle Krankheiten. Diese Zusammenhänge in den Kontext der Biografie zu stellen, ist Ziel des psychosomatischen diagnostischen Gesprächs.
9.5
Psychosomatisch-gynäkologische Simultandiagnostik
Psychosomatisches Denken und Handeln in der klinischen Medizin realisiert das Konzept oder das Modell einer »bio-psycho-sozialen« Medizin. Dies bedeutet konkret die Erhebung nicht nur biologischer Fakten, sondern auch psychischer Fakten und Eindrücke und sozial relevanter Größen in einer bio-psycho-sozialen Anamnese. Thure von Uexküll, einer der großen Psychosomatiker des vergangenen Jahrhunderts, fasste die Subjektivität in folgender Aussage zusammen: Wir behandeln keine Krankheiten, sondern kranke Menschen. Die in der psychosomatisch-gynäkologischen Forschung zur Objektivierung subjektiver Phänomene entwickelten Methoden dienen der Erhebung exakter subjektiver wissenschaftlicher Daten. Im Klinik- und Praxisalltag bedarf es dagegen pragmatischer Herangehensweisen. Pathobiologische Befunde können anamnestisch erfragt und durch eine gründliche körperliche Untersuchung zuverlässig erfasst werden. Britische Untersuchungen zeigen, dass in bis zu 70% die sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte zur richtigen Diagnose führen kann. Der voreilige Einsatz apparativer Diagnostik im modernen Klinikbetrieb führt zu höheren Fehlerraten als operative Eingriffe und Medikationen. Neben o.g.
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Eigene Notizen
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Kapitel 9 · Gynäkologische Psychosomatik
Eigene Notizen
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vegetativen Beschwerden werden folgende Symptome v.a. von Angehörigen zu erfragen sein: 4 Schlaflosigkeit 4 Gereiztheit 4 Krankheiten von Familienmitgliedern 4 Irrationale Sorgen 4 Schuldgefühle 4 Gewaltereignisse 4 Zwischenmenschliche Konflikte 4 Chronische Vereinsamung 4 Verluste durch Todesfälle Diese oft beiläufig erwähnten Veränderungen des Verhaltens und Empfindens werden bei zu kurzen oder standardisierten Kontakten mit der Patientin »übersehen«, nicht erfragt oder es wird ihnen keine gebührende Bedeutung beigemessen. Auch die Einbindung relevanter Dritter, z.B. Ehepartner, in diagnostische Gespräche, kann überaus aufschlussreich sein. Während diese Ereignisse interindividuell vergleichbar sind, ist es deren subjektive Bedeutung keinesfalls. Arbeitsplatzverlust kann für eine 25-jährige Jungakademikerin eine berufliche Chance bilden, eine 45-jährige ungelernte Alleinerziehende kann das gleiche Ereignis finanziell in ihrer Existenz maximal bedrohen. Eine schwere Erkrankung ist für eine sozial gut eingebundene Patientin weniger bedrohlich als für eine allein stehende Witwe. Diese individuelle Bedeutung muss erfragt werden. Wie in der Schmerzdiagnostik kann mit so genannten »nummerischen« Analogskalen die subjektive Schwere eines Ereignisses quantifiziert werden (0 = keine negative Bedeutung; 10 = größte vorstellbare Bedeutung). Prozessuale Fragen geben Aufschluss über die Prognose psychosomatischer Interventionen. Fragen nach dem Überweiser zeigen, welche Grundhaltung gegenüber der sprechenden Medizin besteht. Eine beste Freundin, die eine Psychotherapie erfolgreich abgeschlossen hat, kann mit ihrer Empfehlung »innere Türen« öffnen, die sich dem Arzt erst mit Mühen auftun. Allerdings sollen unrealistische Erwartungen im Vorfeld erkannt und korrigiert werden. Am Ende des diagnostischen Prozesses soll eine Aussage über folgende Faktoren möglich sein, die in je eigener Weise zur Dekompensation beitragen können: 4 pathophysiologische oder pathobiologische, 4 psychische (emotionale) und 4 soziale Faktoren.
9.6
Abwehranalyse
Abwehrphänomene dienen der Regulation innerer Gefühle, Bedürfnisse und Handlungsimpulse. Unlust wird vermieden, Sicherheit gesucht. Psychische Abwehr ist dem Abwehrenden immer unbewusst.
103 9.7 · Traumatisierung
Psychische Abwehr sollte als Schutzmechanismus verstanden werden, der vor Reaktivierung früherer Traumata schützt. Abwehrmechanismen sind entsprechend der Persönlichkeit, die sie schützen, unreif oder reif. Unreife Abwehrmechanismen sind: 4 Projektive Identifizierung 4 Primitive Idealisierung 4 Entwertung, Spaltung 4 Manische Verleugnung Reife Abwehrmechanismen sind: 4 Verdrängung 4 Reaktionsbildung 4 Verleugnung 4 Isolierung 4 Projektion Diese Unterscheidungen können Aufschluss über die Struktur der Persönlichkeit und damit auch Aufschluss über die Indikation der zu wählenden Psychotherapie und der Prognose geben. Denn mit einem Verständnis psychischer Abwehr als Schutzfunktion bedeutet das Vorhandensein unreifer Abwehrmechanismen einen unzureichenderen Schutz des Individuums vor Traumatisierung. Konkreter soll daher auf die Rolle der Traumatisierung und der posttraumatischen Erkrankungen eingegangen werden.
9.7
Traumatisierung
Fünf von 10 Frauen werden in ihrem Leben einem traumatischen Ereignis ausgesetzt. Nicht jedes Trauma aber führt zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Insgesamt erleiden 7–8% der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben eine PTBS. Traumatisierung führt in 10% der Frauen zu einer PTBS, gegenüber 5% bei den Männern. Typische PTBSSymptome (Hyperarousal, Flashbacks [Alpträume], Vermeidung und Abgestumpftheit) treten bei beiden Geschlechtern mit unterschiedlicher Häufigkeit auf. Das Risiko an einer PTBS zu erkranken, steigt bei: 4 Anamnese psychischer Erkrankungen 4 Schweren oder lebensbedrohlichen Traumata 4 Sexueller Gewalt 4 Körperlichen Verletzungen während des Ereignisses 4 Nachfolgenden stressreichen Ereignissen 4 Fehlen eines tragfähigen sozialen Netzes In einer eigenen Untersuchung beobachteten wir bei akut an Brustkrebs erkrankten Frauen chronische, durch lang zurückliegende Ereignisse ausgelöste PTBS. Da die Brustkrebserkrankung selbst ein traumatogenes Ereignis ist, bedeutet das, dass bei akut an Brustkrebs erkrankten Frauen ein er-
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Eigene Notizen
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Kapitel 9 · Gynäkologische Psychosomatik
Eigene Notizen
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höhtes Risiko für eine neuerliche akute PTBS besteht. Daher ist eine psychoonkologische Therapie zur Behandlung der alten PTBS sinnvoll, um eine Stressreduktion herzustellen. Hochrangige Studien konnten zeigen, dass Stressreduktionsmaßnahmen wesentlich zur Verbesserung der Tumorabwehr beitragen. Dazu stehen heute spezialisierte psychotherapeutische Verfahren aus dem Bereich der imaginativen Verhaltenstherapie zur Verfügung. Dabei erfolgt die Behandlung traumatisierter Patientinnen nach Reddemann in 6 Stufen: 1. stabilisieren, 2. stabilisieren, 3. stabilisieren, 4. stabilisieren, 5. verarbeiten, 6. neu starten.
10 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
10
Notfälle in der Gynäkologie D. Piroth
10.1
Extrauterine Gravidität – 106
10.2
Ovarialtorsion (Stieldrehung) – 107
10.3
Ovarialzystenruptur – 108
10.4
Tuboovarialabszess – 109
10.5
Genitale Blutungen – 111
10.5.1 10.5.2
Prämenopausale genitale Blutungen – 111 Postmenopausale genitale Blutungen – 112
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_10, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
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Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Eigene Notizen
10.1
Extrauterine Gravidität
Definition und Epidemiologie 4 4 4 4
Einnistung (Nidation) der Blastozyste außerhalb des Cavum uteri 1–2% aller Schwangerschaften Zunehmende Häufung in den letzten Jahren Unterschiedliche Nidationslokalisationen möglich: 5 Tube (Tubargravidität) 5 Ovar (Ovarialgravidität) 5 Bauchhöhle (Abdominalgravidität) 5 Uteruswand (Zervikalgravidität und intramurale Gravidität)
Ätiologie
10
4 Vorausgegangene aszendierende Entzündungen der Adnexe: 5 Mit sexuell übertragbaren Erregern (Chlamydien oder Gonorrhoe) 5 Fieberhafte Aborte 5 Kürettagen 5 nach Extrauteringravidität (EUG) 4 Vorausgegangene Operationen des Bauchraums (Adhäsionsbildung) 4 Endometriose 4 Sterilitätsbehandlung 4 IUP-Trägerinnen 4 Nach Sterilisation 4 Funktionelle Störungen des Eitransports
Klinik 4 4 4 4
Sekundäre Amenorrhoe über 6–8 Wochen Subjektives Schwangerschaftsgefühl mit Brustspannung und Übelkeit Basaltemperaturerhöhung Unterbauchschmerzen, krampfartig, häufig einseitig oder seitenbetont mit und ohne vaginale Blutung 4 Bei Ruptur des Eileiters in fortgeschrittener Schwangerschaftswoche Abwehrspannung im Unterbauch, Schocksymptomatik, intraabdominelle Blutung
Diagnostik 4 Gynäkologische Untersuchung mit Spekulumeinstellung und bimanuelle Untersuchung 4 Vaginalsonografie: freie Flüssigkeit im Douglas? Uterus cavum leer oder mit Pseudogestationssack? Endometriumhöhe? Adnexe mit oder ohne Raumforderung? Ringstruktur? 4 Labordiagnostik: β-HCG im Serum (ca. 9 Tage nach Konzeption nachweisbar), Blutbild (Anämie bei intraabdomineller Blutung), Gerinnung, CRP (Ausschluss Entzündung), Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein), Blutgruppe, Kreuzblut für Erythrozytenkonserven bereitstellen
107 10.2 · Ovarialtorsion (Stieldrehung)
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4 4
Abortus completus oder incompletus Intrauterine Frühgravidität mit Unterbauchschmerzen Adnexitis, Tuboovarialabszess Ovarialzystenruptur Stieldrehung des Ovars Appendizitis Peritonitis anderer Ursache
Therapie 4 Diagnostisch-operative Laparoskopie mit Salpingotomie oder Salpingektomie je nach Sitz der extrauterinen Gravidität, Ausmelken der Tube bei unklarem Befund (Ziel ist der Tubenerhalt) 4 Selten expektatives Vorgehen unter β-HCG und Sonografiekontrolle 4 Laparotomie nur bei laparoskopisch nicht operablem Befund oder Schock 4 Bei Rhesus negativer Patientin Anti-D-Prophylaxe 4 Bei persistierenden β-HCG-Werten Gabe von Methotrexat i.v. oder i.m. (0,4–0,5 mg/kg KG, max. 30 mg)
10.2
Ovarialtorsion (Stieldrehung)
Definition, Ätiologie und Pathogenese 4 Stieldrehung des Ovars oder einer großen Ovarialzyste (funktionelle Zysten, Endometriosezysten, Zystadenome) um die eigene Achse 4 Auslöser kann eine körperliche Anstrengung oder plötzliche vorausgegangene Bewegung sein 4 Unterbrechung der Gefäßversorgung des Ovars 4 Bei Behinderung des venösen Abflusses können Gefäßrupturen auftreten 4 Arterielles Versorgungsdefizit führt zur Nekrose des Ovars
Klinik 4 Bei plötzlichen Ereignissen akutes Schmerzereignis aus Wohlbefinden heraus 4 Diffuse bis akut einsetzende stärkste Unterbauchschmerzen (Vernichtungsschmerz) 4 Peritoneale Reizzeichen mit Abwehrspannung, Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, Schweißausbrüchen (akutes Abdomen) 4 Schocksymptomatik
Diagnostik 4 Bimanuelle Untersuchung mit Beurteilung der Adnexregion (häufig wegen akuter Schmerzen oder Adipositas der Patientin von eingeschränkter Beurteilbarkeit) 4 Vaginalsonografie und Doppleruntersuchung der Ovarien 4 Selten CT, MRT, Röntgen
10
Eigene Notizen
108
Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Eigene Notizen
4 Labordiagnostik: Blutbild (Anämie bei intraabdomineller Blutung), Gerinnung, CRP (Ausschluss Entzündung), β-HCG im Serum (ca. 9 Tage nach Konzeption nachweisbar), Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein), Tumormarker (CA 12-5)
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4
Ovarialzystenruptur Ovarialabszess Ovarialkarzinom Extrauteringravidität Akute Appendizitis
Therapie 4 Kreislaufstabilisierung und Schmerzmittelgabe 4 Diagnostisch operative Laparoskopie mit Detorquierung des Ovars, ggf. Entfernung des Ovars bei Nekrotisierung, Zystenausschälung 4 Laparotomie, bei laparoskopisch nicht operablem Befund
10.3
10
Ovarialzystenruptur
Allgemeines 4 Zerreißen der Oberfläche einer Zyste mit Ergießen des Inhalts in die Bauchhöhle 4 Häufig bedingt durch gutartige Ovarveränderungen 4 Rupturen können in jeder Zyklusphase auftreten 4 Bei postmenopausalen Patientinnen an ein Ovarialkarzinom denken 4 Bei Ruptur von Gefäßen der Oberfläche können intraabdominelle Blutungen auftreten
Klinik 4 Unterschiedliche Schweregrade der Schmerzen möglich 4 Akute bis schleichende Schmerzen, teilweise mit Vernichtungsschmerz 4 Einseitig und oder diffus 4 Vaginale Schmierblutung 4 Kohabitationsschmerzen 4 Peritoneale Reizzeichen mit Abwehrspannung, Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, Schweißausbrüchen (akutes Abdomen) 4 Hämodynamische Instabilität bei intraabdomineller Blutung und Schock
Diagnostik 4 Bimanuelle Untersuchung mit Beurteilung der Adnexregion (häufig wegen akuter Schmerzen oder Adipositas der Patientin von eingeschränkter Beurteilbarkeit) 4 Vaginalsonografie und Doppleruntersuchung der Ovarien 4 Selten CT, MRT, Röntgen
109 10.4 · Tuboovarialabszess
4 Labordiagnostik: β-HCG im Serum (ca. 9 Tage nach Konzeption nachweisbar), Blutbild (Anämie bei intraabdomineller Blutung), Gerinnung, CRP (Ausschluss Entzündung), Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein), Tumormarker (CA 12-5), Kreuzblut für Erythrozytenkonserven bereitstellen
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4
Stieldrehung des Ovars Adnexitis, Ovarialabszess Ovarialkarzinom Extrauteringravidität Akute Appendizitis
Therapie 4 Subakute Ereignisse mit Kreislaufstabilität können z.T. konservativ behandelt werden mit Schmerzmitteln und sonografischen Kontrollen 4 Ggf. Kreislaufstabilisierung bei akuten Volumenschock und Schmerzmittelgabe 4 Diagnostisch operative Laparoskopie mit Ovarialzystenausschälung, Stillen der Blutung, ggf. Entfernung des Ovars und Entfernung von Zysteninhalt und Blut aus der Bauchhöhle 4 Laparotomie bei laparoskopisch nicht operablem Befund
10.4
Tuboovarialabszess
Definition und Ätiologie 4 Entzündung von Tube und Ovar als Konglomerattumor mit gemeinsamer Abszesshöhle 4 Meist polymikrobielle Besiedelung oder bakterielle Vaginose 4 Seltener als hämatogene Komplikation einer Tuberkulose 4 Kann Folge einer akuten oder chronischen Adnexitis, Endometritis, Divertikulitis (per continuitatem) oder Appendizitis (per continuitatem) sein 4 IUP-Trägerinnen und HIV-positive Frauen haben ein erhöhtes Risiko für Tuboovarialabszesse 4 Begünstigend können operative transzervikale oder abdominelle Eingriffe sein
Komplikationen 4 4 4 4 4 4 4
Peritonitis Eitrige Thrombophlebitis Gerinnungsstörung Ruptur des Konglomerattumors in die Bauchhöhle Adhäsionen Sterilität Eileiterschwangerschaft
10
Eigene Notizen
110
Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Eigene Notizen
Klinik 4 4 4 4 4 4 4 4
Fieber (manchmal subfebril) Einseitiger oder chronischer Unterbauchschmerz Übel riechender Fluor vaginalis Defäkationsschmerzen Subileussymptomatik Peritoneale Reizzeichen mit Übelkeit und Erbrechen Vaginale Schmierblutung Kohabitationsschmerzen
Diagnostik 4 Vitalparameter 4 Bimanuelle Untersuchung mit Beurteilung der Adnexregion (häufig wegen akuter Schmerzen oder Adipositas der Patientin von eingeschränkter Beurteilbarkeit) 4 Vaginalabstrich für Mikrobiologie und Nativpräparat 4 pH-Messung 4 Vaginalsonografie 4 Selten CT, MRT, Röntgen 4 Labordiagnostik: Blutbild (Leukozytose), CRP, BSG, Gerinnung, Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein)
10
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4
Akute Adnexitis Stieldrehung des Ovars Ovarialzystenruptur Ovarialkarzinom Extrauteringravidität Akute Appendizitis
Therapie 4 Sofortiger Beginn einer antibiotischen intravenösen 2- oder 3-fachTherapie (Cephalosporin, Doxycyclin und Metronidazol) unter stationären Bedingungen 4 Schmerzmittelgabe und Antiphlogistika 4 Bettruhe 4 Antikoagulation 4 Evtl. Entfernung des IUP, falls vorhanden 4 Diagnostisch operative Laparoskopie mit Abszessspaltung, ggf. Entfernung des Konglomerattumors, Spülung der Bauchhöhle und Drainageneinlage 4 Laparotomie bei laparoskopisch nicht operablem Befund
111 10.5 · Genitale Blutungen
10.5
Genitale Blutungen
10.5.1
Prämenopausale genitale Blutungen
4 Blutungen, die bei prämenopausalen Frauen außerhalb des regulären Zyklus vorkommen 4 Aufschluss über die Ursache ergibt eine korrekte Zyklusanamnese 4 Operationen oder Stressfaktoren können Grund für die Blutung sein 4 Trotz angegebener Verhütung kann eine Schwangerschaft vorliegen 4 Wichtig ist das Erfragen des letzten Frauenarztbesuchs 4 Internistische Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme eruieren 4 Blutungen können mit und ohne Schmerzen vorkommen 4 Die Dauer und Intensität ist variabel 4 Genitale Blutungen können zu Anämien führen 4 Abklärung der Ursache immer zwingend notwendig
Gynäkologische Ursachen 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Ektopie der Zervix uteri Dysfunktionell bei Hormonschwankungen Uterus myomatosus Polypen der Zervix oder des Corpus uteri Rupturierte Ovarialzyste Entzündungen des inneren Genitale Abort oder Eileiterschwangerschaft Endometriumhyperplasie Endometriose Zervixkarzinom Endometriumkarzinom Uterussarkom Verletzungen des Inneren Genitale Fremdkörper
Klinik 4 Blutungsstärke und Dauer variabel 4 Seltener mit Schmerzen einhergehend 4 Bei akuter Blutung mit Anämie Schocksymptomatik möglich
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Inspektion des äußeren Genitale und Suchen nach Verletzungen Spekulumeinstellung Bimanuelle und rektale Untersuchung Vaginalabstrich für Mikrobiologie und Nativpräparat PAP-Abstrich Vaginalsonografie Kolposkopie Ggf. Knipsbiopsie und Probeentnahme Selten CT, MRT, Röntgen
10
Eigene Notizen
112
Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Eigene Notizen
4 Labordiagnostik: Blutbild (Leukozytose), CRP, BSG, Gerinnung, Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein), β-HCG im Serum (ca. 9 Tage nach Konzeption nachweisbar), Blutgruppe und Kreuzblut
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Makrohämaturie bei Blaseninfektion Harnblasentumoren Hämorrhoiden Darmtumoren Gerinnungsstörung Herz-Kreislauf-Erkrankungen Lebererkrankungen Nierenerkrankungen Medikamente (Gerinnungshemmer) Tumoreinbruch aus Rektum oder Harnblase Metastasen
Therapie in Abhängigkeit der möglichen Ursache
10
4 Allgemeine Maßnahmen: Kreislaufstabilisation 4 Verletzungen müssen operativ versorgt werden 4 Aborte können je nach Schweregrad der Blutung und positiven Herzaktionen zunächst konservativ mit Bettruhe behandelt werden, bei inkomplettem Abort oder fehlenden Herzaktionen ist eine Ausschabung notwendig. 4 Dysfunktionelle Blutungen ohne organische Ursache (Ovarialzysten) können medikamentös behandelt werden. 4 Karzinome müssen histologisch gesichert und stadienadaptiert therapiert werden, in der akuten Blutungsphase zunächst Scheidentamponade. 4 Operative Therapie mit Hysteroskopie und fraktionierter Abrasio bei Polypen, Endometriumhyperplasie und Uterus myomatosus 4 Absetzen von Medikamenten 4 Antibiotische Therapie bei Entzündungen 4 Lokale Östrogentherapie
10.5.2
4 4 4 4 4 4
Postmenopausale genitale Blutungen
Blutungen nach der Menopause 35% der Blutungsursachen sind Malignome Wichtig ist das Erfragen des letzten Frauenarztbesuchs Tumorerkrankung in der Vorgeschichte Abdominelle Voroperationen Internistische Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme eruieren 4 Genitale Blutungen können zu Anämien führen 4 Abklärung der Ursache immer zwingend notwendig
113 10.5 · Genitale Blutungen
Gynäkologische Ursachen 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Ektopie der Zervix uteri Dysfunktionell bei Hormonschwankungen Uterus myomatosus Deszensus uteri Polypen der Zervix oder des Corpus uteri Entzündungen des inneren Genitale (Kolpitis senilis) Endometriumhyperplasie Endometriose Zervixkarzinom Endometriumkarzinom Uterussarkom Verletzungen des Inneren Genitale Fremdkörper
Klinik 4 Blutungsstärke und Dauer variabel 4 Seltener mit Schmerzen einhergehend 4 Bei akuter Blutung mit Anämie Schocksymptomatik möglich
Diagnostik 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Inspektion des äußeren Genitale und Suchen nach Verletzungen Spekulumeinstellung Bimanuelle und rektale Untersuchung Vaginalabstrich für Mikrobiologie und Nativpräparat PAP-Abstrich Vaginalsonografie Kolposkopie Ggf. Knipsbiopsie und Probeentnahme Selten CT, MRT, Röntgen Labordiagnostik: Blutbild (Leukozytose), CRP, BSG, Gerinnung, Urinsediment (Ausschluss Zystitis, Nierenstein, Tumormarker, Blutgruppe und Kreuzblut
Differenzialdiagnose 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4 4
Makrohämaturie bei Blaseninfektion Harnblasentumoren Hämorrhoiden Darmtumoren Gerinnungsstörung Herz-Kreislauf-Erkrankungen Lebererkrankungen Nierenerkrankungen Medikamente (Gerinnungshemmer) Tumoreinbruch aus Rektum oder Harnblase Metastasen
10
Eigene Notizen
114
Kapitel 10 · Notfälle in der Gynäkologie
Eigene Notizen
Therapie in Abhängigkeit der möglichen Ursache 4 Allgemeine Maßnahmen: Kreislaufstabilisation 4 Verletzungen müssen operativ versorgt werden 4 Dysfunktionelle Blutungen ohne organische Ursache (Ovarialzysten) können medikamentös behandelt werden 4 Karzinome müssen histologisch gesichert und stadienadaptiert therapiert werden, in der akuten Blutungsphase zunächst Scheidentamponade 4 Operative Therapie mit Hysteroskopie und fraktionierter Abrasio bei Polypen, Endometriumhyperplasie und Uterus myomatosus 4 Antibiotische Therapie bei Entzündungen 4 Lokale Östrogentherapie 4 Absetzen von Medikamenten
10
11 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
11
Frühschwangerschaft B. Schiessl
11.1
Physiologie – 116
11.1.1
Embryologie – 116
11.2
Schwangerschaftsdauer – 118
11.3
Pathologien – 118
11.3.1 11.3.2
Aborte – 118 Extrauteringravidität – 119
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_11, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
116
Kapitel 11 · Frühschwangerschaft
Eigene Notizen
11
11.1
Physiologie
11.1.1
Embryologie
Die Befruchtung der Eizelle erfolgt nach Ovulation durch ein Spermium im Eileiter. Nach Imprägnation erfolgt die 2. Reifeteilung, die beiden haploiden Chromosomensätze verschmelzen in der Konjugation: die Zygote ist entstanden. Unter Zellteilung über Morula zur Blastozyste erfolgt die Wanderung in das Cavum uteri, wo der Synzytiotrophoblast mit dem Endometrium Kontakt aufnimmt. Die Nidation beginnt 5 Tage nach der Befruchtung und ist nach bis zu 14 Tagen abgeschlossen (ggf. Auftreten einer Nidationsblutung). Der aus der Blastozyste hervorgehende Trophoblast differenziert weiter zum Chorion frondosum bzw. der Plazenta, der Embryoblast entwickelt sich zum Embryo. Es kommt zur Einbettung der Chorionblase in die Zona compacta, woraufhin die 1. Trophoblastinvasion mit Absiedlung von »plugs« in mütterlichen Gefäßen bis zur 12. SSW folgt. Die 2. Trophoblastinvasion beschreibt das Invadieren der extravillösen Trophoblasten in das innere Myometrium und der endovaskulären Trophoblasten in die Spiralarterien, wo die Muscularis-Schicht der arteriellen Gefäßwände durch Trophoblasten ersetzt wird. Aus dieser Trophoblastinvasion resultiert eine Transformation der zuvor niedrigvolumigen Hochwiderstandsgefäße in hochvolumige Niedrigwiderstandsgefäße. Hierdurch wird die ausreichende Versorgung der fetoplazentaren Einheit gesichert. Mit der Dopplersonografie der maternalen Aa. uterinae kann dieses physiologische Phänomen nachvollzogen werden: ab 22–24 SSW ist das Widerstandsprofil mit hohen Widerstandsindizes (wie PI und RI) sowie die postsystolische Inzisur durch ein niedriges Widerstandprofil mit verstrichener Inzisur ersetzt. Wichtig zu beachten ist die oft vorhandene Lateralisierung der Plazenta: physiologisch ist ein niedriger Widerstand auf der Seite der A. uterina mit erhöhter Trophblastinvasion.
Plazenta 4 Funktionseinheit: Kotyledon, Basalplatte, Chorionplatte 4 Größe der reifen Plazenta am Entbindungstermin: 20 cm Durchmesser, 2–3 cm Dicke 4 Doppelte Gefäßversorgung: 5 Fetale Durchblutung Aa. umbilicales, V. umbilicalis 5 Maternale Durchblutung: Spiralarterien aus den beidseitigen Aa. uterinae, Venen 4 Zottenreifung: Ankernde Stammzotten und aussprossende Zotten. Ziel ist die Vergrößerung der maternofetalen Austauschfläche und Verkürzung der »Austauschstrecke«, Zottenoberfläche der reifen Plazenta 10–15 m2 4 Endokrine Funktion: Produktion von Gonadotropin-Releasing-Hormonen (CRH, TRH, PRL, MSH), Proteohormonen, Steroidhormonen zum Erhalt der Gravidität, Induktion maternaler genitaler und extragenitaler SS-Veränderungen. Bildungsorte: Trophoblasten, Synzytiotrophoblast.
117 11.1 · Physiologie
5 Östrogene: Großteil in maternale Blutbahn ausgeschüttet 5 Progesteron: anfangs parallel zur Corpus-Luteum-Produktion: Ziel ist SS-Erhalt mit lokaler Wirkung durch Kontraktilitätshemmung. 5 Proteohormone: Humanes Choriongonadotropin (Nachweis der Untereinheit β-HCG): Erhalt der Corpus-luteum-Funktion im ersten Trimenon mit raschem Anstieg in der Früh-SS. In der Schwangerenbetreuung wird die Bestimmung bzw. Verlaufskontrollen bei der Diagnostik von Abort, Extrauteringravidität, Molen und Chorionkarzinomen eingesetzt. 5 Humanes Chorionsomatomammotropin (Plazentalaktogen/HPL): kontinuierlicher Anstieg, Wirkung: proliferativ/anabol
Eihäute 4 Doppelte Wandung (Chorion/Amnion) 5 Chorion: verzahnt mit Dezidua, Bruchspannung 10 kg/cm3 (Paraplazenta) 5 Intermediärschicht 5 Amnion fetalseitig mit Bruchspannung von 50 kg/cm3 4 Nabelschnur: 2 Arterien, 1 Vene, durchschnittliche Länge am Entbindungstermin 50 cm, Wharton-Sulze, spiraliger Verlauf, Reißfestigkeit 5 kg 4 Amnionflüssigkeit: Sicherstellung des ungehemmten Wachstums des Feten, v.a. der Lungenentwicklung, der aktiven und passiven Beweglichkeit 4 Fetale Urinausscheidung: 5 etwa 40 ml/Tag ab 12 SSW, 5 Gesamtmenge mit 20 SSW = 500 ml, 38 SSW = 1000–1500 ml, ab 40 (+) SSW = 800 ml, Menge abnehmend. 4 Wichtige Entwicklungen des Embryo/Feten: 5 20.–23. Tag post conceptionem = 34.–37. Tag post menstruationem (entsprechend 4+6 bis 5+2 SSW) misst die embryonale ScheitelSteiß-Länge (SSL) 1,5–2 mm 5 5+3 bis 5+6 = SSL 4 mm 5 6+0 SSW: ventraler Herzwulst: embryonales Herz beginnt zu schlagen, Größe des Embryo: 4–5 mm 5 9+0 SSW = SSL 30 mm, Differenzierung der Extremitäten 5 Gehirnentwicklung: 28. SSW, Phase der Neuronenteilung abgeschlossen, postnatale Differenzierung der Neuronen bis zum 4. Lebensjahr 5 Lungenreife ab 24+0 SSW durch Bildung des Antiatelektasenfaktors, ab 34 SSW physiologischerweise ausreichend zur Verfügung stehend. Induktion der Bildung ab 24+0 SSW durch Betamethason möglich (s.a. Frühgeburtsbestrebungen).
11
Eigene Notizen
118
Kapitel 11 · Frühschwangerschaft
Eigene Notizen
11.2
Schwangerschaftsdauer
Bei der Standard-Zykluslänge von 28 Tagen errechnet sich der Geburtstermin nach Naegele wie folgt: 4 Errechneter Geburtstermin = 1. Tag der letzten Regelblutung + 7 Tage – 3 Monate + 1 Jahr 4 oder: 1. Tag der letzten Regelblutung + 9 Monate + 7 Tage Da von einer stabilen 2. Zyklushälfte ausgegangen wird, also 14 Tage nach der Ovulation, ändert sich bei kürzerem oder längerem Zyklus die Berechnung wie folgt: 4 Errechneter Geburtstermin = 1. Tag der letzten Regel + 7 Tage – 3 Monate + 1 Jahr ± Abweichung in Tagen
11.3
Pathologien
11.3.1
Aborte
Definition
11
4 Abort/Fehlgeburt des Feten bis 23 SSW, der Übergang zur sehr frühen Frühgeburt ist fließend. 4 Frühabort: bis 12 SSW 4 Spätabort: bis 23 SSW 4 Habituelle Aborte: ab 3 Aborten in Serie auftretende Spontanaborte (laut WHO)
Klassifikation 4 Abortus imminens: drohender Abort, vaginale Blutung ohne Muttermunderöffnung bei intakter Schwangerschaft 4 Abortus incipiens: beginnender Abort, vaginale Blutung mit Muttermunderöffnung bei intakter Schwangerschaft (positive Herzaktion des Feten) 4 Abortus incompletus: Schwangerschaftsmaterial ist bereits abgegangen, die Schwangerschaft ist nicht mehr intakt, jedoch ist im Cavum uteri noch Schwangerschaftsgewebe vorhanden 4 Abortus completus: die gesamte Schwangerschaftsanlage ist vaginal abgegangen, das Cavum uteri ist leer 4 Missed abortion: verhaltener Abort, abgestorbener Embryo ohne Gewebeabgang oder vaginale Blutung 4 Molenschwangerschaft: Abortivei, leere Chorionhöhle ohne sonografisch darstellbaren Embryonalanteil 4 Blasenmole: proliferative Molenschwangerschaft mit degenerativer blasiger Wachstumsverstärkung des Trophoblasten. Sehr hohe SerumHCG-Werte (>200000 IU/l) komplette und inkomplette Form, typisches sonografisches Bild (»Schneegestöber«) 4 Metastasierende gestationsbedingte Trophoblasterkrankungen: Invasive Mole und Chorionkarzinom
119 11.3 · Pathologien
5 Sensitivster Tumormarker: Serum-hCG 5 Diagnostik und Therapie: s.a. unter Malignome (Kap 2) 4 Febriler Abort: auf den Uterus begrenzte Infektion im Rahmen des Abortgeschehens 4 Septischer Abort: Schwere Komplikation mit den typischen Zeichen einer Pelveoperitonitis und Kreislaufschock durch die Endotoxinfreisetzung bei Bakteriämie.
Klinik Das Beschwerdebild kann von einer schmerzlosen vaginalen Blutung bis hin zu starken krampfartigen, oft als wehenartig beschriebenen Unterbauchschmerzen reichen, bei septischem Abort bis hin zu Schockzeichen und Kreislaufversagen.
Diagnostik 4 Sonografie: Herzaktion, Koagel, Restgewebe beurteilen 4 Spekulumuntersuchung: Vaginale Blutung und Muttermunderöffnung beurteilen
Therapie Eine Therapie des Abortus imminens und incipiens gibt es praktisch nicht. Das Angebot der stationären Überwachung insbesondere bei vaginaler Blutung wird von den Patientinnen meist gerne angenommen. Von höchster Wichtigkeit ist die Kontrolle des Rhesusfaktors, um bei negativem Rhesusstatus eine Sensibilisierungsprophylaxe zu verabreichen. Die Therapie des Abortus incipiens, Abortus incompletus und completus kann in konservativem Zuwarten bestehen, meist aber wird aufgrund der vaginalen Blutungsstärke eine instrumentelle Nachtastung erfolgen – bei noch geschlossenem Muttermund nach erfolgtem priming mit einem Prostaglandinpräparat.
11.3.2
Extrauteringravidität
S. Kap. 10 Notfälle.
11
Eigene Notizen
12 Tag 3 – Reproduktionsmedizin bis Schwangerenvorsorge
12
Schwangerenvorsorge B. Schiessl
12.1
Mutterschaftsrichtlinien – 121
12.2
Durchführung der Schwangerenvorsorge – 121
12.2.1
Ultraschalldiagnostik in der Schwangerenvorsorge – 122
12.3
Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen – 123
12.3.1 12.3.2 12.3.3 12.3.4 12.3.5 12.3.6 12.3.7
Fallot-Tetralogie – 123 Atrioventrikulärer Septumdefekt – 124 Hypoplastisches Linksherzsyndrom – 124 Fehlbildungen der Nieren und ableitender Harnwege Gastroschisis – 125 Omphalozele – 126 Skelettdysplasien – 127
12.4
Invasive Pränataldiagnostik – 128
12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5
Chorionzottenbiopsie – 128 Amniozentese – 129 Cordozentese – 129 Intrauterine Transfusion – 130 Punktionen – 130
– 125
12.5
Gemini (Mo-Mo, Mo-Di, Di-Di) – 130
12.5.1 12.5.2 12.5.3
Allgemeines – 130 Fetofetales Transfusionsyndrom (FFTX) – 131 Schwangerenvorsorge bei Mehrlingsschwangerschaften
– 132
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_12, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
121 12.2 · Durchführung der Schwangerenvorsorge
12.1
Mutterschaftsrichtlinien
Gesetzliche Grundlage sind die Mutterschaftsrichtlinien (MSRL) des gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen: Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung vom 10.12.1985, letzte Änderung 12.05.2011.
12.2
Durchführung der Schwangerenvorsorge
4 Erstvorstellung: in der Regel in den ersten Wochen einer Schwangerschaft (6–10 SSW) mit: 5 Labor (Blutgruppe, Antikörper-Suchtest (AK-Suchtest), Infektionsserologie: Lues, Röteln, Toxoplasmose fakultativ, HIV nach vorheriger Pflichtberatung, Hämoglobin [Hb]) 5 Sonografie zur Feststellung der SS (fakultativ) 5 Anamnese (eigene, geburtshilfliche, familiäre). ! Cave Bei jeder Vorstellung Blutdruck und Urinstix. 4 Folgetermin in der Regel in Kombination mit folgenden Schritten: 5 Ultraschalluntersuchung nach MSRL zwischen 9 und 11 (13) SSW (Festlegung des Gestationsalters, Überprüfung intrauteriner Sitz der SS, Einling?, Mehrlinge?) 5 Beratung über mögliche pränatale invasive und nichtinvasive Diagnostik 5 Vaginale Untersuchung 5 Zytologischer Abstrich (PAP, Krebsvorsorge), Chlamydien (UrinPCR, früher Zervixabstrich) 5 Anlegen des Mutterpasses mit Eintragung der vorliegenden Laborergebnisse 4 4-wöchige Intervalle bis 34 SSW: 5 Wichtig mit 20 SSW: die nach MSRL vorgeschriebene Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung des fetalen Wachstums und der Morphologie (Herz, Körperoberfläche, Gastrointestinaltrakt, Urogenitaltrakt, Extremitäten, Fruchtwasser, Plazenta) 5 ggf. Doppleruntersuchung der Aa. uterinae und weiterführende differenzierte Ultraschalldiagnostik (DEGUM II/III [Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin]) 5 2. AK-Suchtest, Hb-Kontrolle, bei Risiken oraler Glukosetoleranztest (OGTT), Rh-Prophylaxe mit 24–28 SSW 5 Mit 30 SSW der dritte nach MSRL festgelegte Ultraschall mit Kontrolle von Wachstum, fetaler Lage und Plazentasitz, Fruchtwasser 5 Mit 34 SSW Hb-Kontrolle, Hepatitis-B-Serologie, ab 35 SSW ggf. Zervixabstrich (B-Streptokokken), 38 SSW Hb-Kontrolle 4 CTG ab Entbindungstermin, falls nicht durch Risiken früher indiziert. Am Entbindungstermin Fruchtwasserkontrolle, ggf. Wachstumskontrolle, ab ET+7 Vorstellung in der Entbindungsklinik, Angebot Einleitung/Entbindung.
12
Eigene Notizen
122
Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen
4 Wochenbett: Abschlussuntersuchung 4–6 Wochen nach Geburt, mit Eintragung in den Mutterpass (Blutdruck, Urinkontrolle, gynäkologischer Befund). Kostendruck und Veränderungen im Gesundheitssystem führten in den letzen Jahren zu Hinterfragung bisheriger (z.B. Chlamydien, Zeitpunkte, Inhalte) und potenziell zukünftiger (z.B. OGTT, CMV, HIV) Inhalte der Mutterschaftsrichtlinien, bis dahin ohne Änderung derselben.
12.2.1
Ultraschalldiagnostik in der Schwangerenvorsorge
Laut Mutterschaftsrichtlinien sind 3 Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerenvorsorge Pflicht, daneben haben sich erweiterte risikoadaptierte Ultraschall- und Doppleruntersuchungen etabliert.
Nichtinvasive pränatale Diagnostik: Ersttrimester-Screening
12
Neben der in den MSRL vorgesehenen Ultraschallkontrolle hat sich in den letzten Jahren das Ersttrimester-Screening weit verbreitet. Hier werden in einem Zeitfenster von 11+0 bis 13+6 SSW die Parameter Scheitel-SteißLänge, Nackentransparenz und evtl. weitere Parameter (Nasenbein, Ductus venosus, Trikuspidalklappenfluss) untersucht. Untersuchungen zeigen ein erhöhtes Risiko für Organfehlbildungen und chromosomale Erkrankungen des Feten bei über der 95. Perzentile messbarer Nackentransparenz. In einem Algorithmus können diese Parameter und das mütterliche Alter zu einem individuellen Risiko für die Chromosomen 13, 18, 21 verrechnet werden. Vorteil dieser Methode ist die nichtinvasive Risikoeinschätzung, was insbesondere nach vielen Aborten oder Fertilitätsmaßnahmen (IVF, ICSI) die Eltern von invasiver Diagnostik Abstand nehmen lässt. Eine weitere Risikoevaluierung ist die Kombination der Ultraschallparameter mit den mütterlichen Serumkonzentrationen von PAPP-A und β-HCG. Wichtig ist die Aufklärung und Erörterung der Untersuchung und der Methodik vor Durchführung derselben.
Nichtinvasive pränatale Diagnostik: Organscreening Bei Vorliegen verschiedener Risiken (maternaler Herzfehler, Diabetes, Medikamenteneinnahme, früheres Kind mit Fehlbildung, Zustand nach intrauterinem Fruchttod [IUFT] etc.) ist die detaillierte Organsonografie indiziert. Hier werden die einzelnen Organabschnitte nach Vorgaben der DEGUM untersucht. Wichtig ist die Dokumentation der Untersuchung (sowohl Parameter wie Bilder). Im Detail werden Biometrie des Kopfs, Abdomens, der Röhrenknochen, des Kleinhirns, einzelner Organe und Proportionen erhoben. Untersucht wird die Morphologie von: 4 Gehirn (Gyrierung, Balken, Ventrikel, Plexus, Raumforderungen, Gefäßanomalien) 4 Herz (4 Kammern, Ausflusstrakt, venöser Einfluss rechts und links, Rhythmus, Lage und Größe, Kontraktilität, Dopplersonografie)
123 12.3 · Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen
4 Lungen (Größe, Zysten, Ergüsse, Raumforderungen bei Zwerchfellhernie) 4 Gastrointestinaltrakt (Magenblasenfüllung, Darmechogenität, Flüssigkeit intraabdominell, Dilatationen) 4 Urogenitaltrakt (2 Nieren, Echogenität, zystische Veränderungen, Nebennieren, Ureteren, Blase, Ureter, Fruchtwassermenge normal) 4 Genitale (eindeutig zuzuordnen) 4 Körperoberfläche (Spina bifida, Gastroschisis, Omphalozele, Enzephalozele, Exenzephalus) 4 Extremitäten (4-mal 3 Segmente jeweils mit Ober-/Unterarmen, Ober/Unterschenkel, Händen, Füßen mit allen Knochen und 5 Fingern bzw. Zehen, Beweglichkeit). Dopplersonografisch können Flussmessungen kardial, aber auch gastrointestinal und zerebral durchgeführt werden. Zum Ausschluss einer fetalen Anämie wird die maximale Geschwindigkeit der A. cerebri media gemessen. Meist wird die fetale Untersuchung durch die Dopplersonografie der Aa. uterinae ergänzt, um Risiken für die Entwicklung einer Präeklampsie und/oder intrauterinen Wachstumsrestriktion zu erfassen.
12.3
Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen
12.3.1
Fallot-Tetralogie
Definition und Epidemiologie Häufigster zyanotischer angeborener Herzfehler (9–11% aller angeborenen Herzfehler). Inzidenz beträgt 2–2,6:10000 Lebendgeborene. 3 Hauptformen: 4 klassische (und häufigste) Form mit Pulmonalstenose 4 Fallot-Tetralogie (TOF) mit kompletter Pulmonalatresie 4 TOF mit so genanntem »Absent-pulmonary-valve-Syndrom«
Diagnostik Sonografisch fällt ein abnormer 4-Kammerblick im Fall rechtsventrikulärer Dilatation, eines AVSD (atrioventrikulärer Septumdefekt) oder einer »absent-pulmonary-valve« auf. Typisch sind der Malalignement-VSD (VSD: Ventrikelseptumdefekt) und die darüber reitende Aorta mit farbdopplersonografisch darstellbarer Füllung aus beiden Ventrikeln. Eine progrediente Pulmonalstenose bewirkt eine retrograde Lungenperfusion über den Ductus arteriosus botalli. In 20% liegt ein rechter Aortenbogen vor, ASD (atrialer Septumdefekt) sowie multiple VSDs und/oder Mitralstenose können vorliegen. Bei Pulmonalatresie ist typischerweise ein reverse flow im Ductus arteriosus zu sehen ohne antegrade Füllung der Pulmonalarterie, wohingegen bei dem »Absent-pulmonary-valve-Syndrom« eine Regurgitation in die Pulmonalarterie darstellbar ist.
12
Eigene Notizen
124
Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen
In 25% liegen chromosomale Anomalien wie Trisomie 21, Trisomie 18 und Triploidien, insbesondere aber Mikrodeletion am Chromosom 22 (catch 22) im Fall einer Fallot-Tetralogie vor. Um die Progression der Pulmonalstenose bis hin zur Pulmonalatresie zu erfassen, sollten Verlaufskontrollen durchgeführt werden. Die Prognose hängt stark von Begleitfehlbildungen oder chromosomalen Anomalien ab, was die streuende postnatale Mortalität zwischen 35 und 75% erklärt. Postnatales Ziel ist die korrigierende Operation.
12.3.2
Atrioventrikulärer Septumdefekt
Definition und Epidemiologie Merkmal ist eine gemeinsame AV-Klappe mit 5 Segeln, häufigste Form ist der »komplette« AVSD mit ASD und VSD, mit 3–7,3% aller angeborenen Herzfehler relativ häufig, oft mit Heterotaxie-Syndromen assoziiert. In über 60% liegt ein Down-Syndrom vor.
Diagnostik
12
Im Rahmen der fetalen Echokardiografie auffällig sind die gemeinsame AV-Klappe, ein ASD und VSD unterschiedlicher Größe mit teils verschobener Aorta-/Pulmonalarterienrelation zuungunsten der Aorta; nach weiteren Auffälligkeiten, z.B. einer persistierenden linken V. cava superior mit einem dilatierten Sinus coronarius sollte gefahndet werden. Falls sich intrauterin keine kardialen Dekompensationszeichen entwickeln, kann die vaginale Geburt mit neonatologischem Standby erfolgen. Die betroffenen Kinder entwickeln meist 4–8 Wochen postnatal eine Herzinsuffizienz.
12.3.3
Hypoplastisches Linksherzsyndrom
Definition und Epidemiologie 22% der kardial bedingten Mortalität in der ersten Lebenswoche gehen zu Lasten des hypoplastischen Linksherzsyndroms (HLHS), die Inzidenz liegt bei 1–2,7 auf 10000 Lebendgeborene. Es gibt 4 Gruppen der Ausprägung des HLHS mit variabler Ausprägung einer Aortenatresie und Mitralatresie. Die Größe des linken Ventrikels ist abhängig von der Intaktheit des Ventrikelseptums: 4 Ein nur rudimentärer linker Ventrikel findet sich bei kompletter Aorten- und Mitralklappenatresie. 4 Ein hypoplastischer linker Ventrikel findet sich bei durchgängiger Mitralklappe.
Diagnostik In der fetalen Echokardiografie typisch ist der asymmetrische bzw. nicht darstellbare Vierkammerblick und die oft retrograde Perfusion des Aortenbogens über den Ductus arteriosus botalli.
125 12.3 · Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen
Therapie Das postnatale Management besteht meist in medikamentöser Therapie mit Prostaglandinen bis zum herzchirurgischen Eingriff (Norwood-Operation oder Herztransplantation), die Option der palliativen Betreuung ohne Entscheidung zur Operation wird in Einzelfällen gewählt, insbesondere bei zusätzlichen Komplikationen (Frühgeburt, syndromale Fehlbildungen). Die frühe Diagnosestellung erleichtert es, mit interdisziplinärem Konsil die Therapieoptionen und postnatalen Prognosen zu erörtern. Die vaginale Geburt ist möglich, sollte aber im Perinatalzentrum mit neonatologischem Standby geplant werden.
12.3.4
Fehlbildungen der Nieren und ableitender Harnwege
Nierenagenesie Die Nichtanlage der Nieren wird als Nierenagenesie definiert, aufgrund fehlender Fruchtwasserproduktion und konsekutiver Lungenhypoplasie ist die Prognose bei beidseitiger Agenesie infaust, wohingegen die einseitige Nierenagenesie eine gute Prognose aufweist.
Multizystische Nierendysplasie Bei der Multizystischen Nierendysplasie (MCKD) unterscheidet man unilaterale und bilaterale multizystische Nierenveränderungen, in 25% sind beide Nieren betroffen. Assoziierte Fehlbildungen zeigen sich bei bilateralem Auftreten deutlich häufiger (67% versus 29%) als bei unilateralem Auftreten. Sehr gute Prognose, falls keine weiteren Fehlbildungen vorliegen. Die Funktion des Restgewebes ist entscheidend für die Prognose. Polyzystische beidseitige Nieren (autosomal-rezessiver Erbgang) imponieren durch ein überdimensionales Wachstum und ein typisch echoreiches Bild des Nierenparenchyms, in aller Regel entwickelt sich ein Anhydramnion, die Prognose ist aufgrund der konsekutiven Lungenhypoplasie infaust.
Prune-belly-Megacystis Eine meist männliche Feten betreffende Abflussbehinderung (als Urethralklappe bezeichnete Schleimhautfalte der Urethra) aus der Blase bewirkt durch unzureichende Entleerung eine Megacystis mit Aufstau in Ureteren und Nieren. Die Prognose ist sehr ungünstig bzw. abhängig von Restentleerungsfunktion oder externen Entlastungsmaßnahmen, die eine Restmenge an Fruchtwasser zur Ausbildung der Lungen sichern müssen. Häufig finden sich begleitend eine Hypoplasie der Bauchdeckenmuskulatur und ein Mikrokolon.
Hydronephrose Milde Nierenbeckendilatation bis massiver Nierenstau, ein- oder beidseitig, keine frühzeitige Entbindung erforderlich, da kein Einfluss auf Entwicklung des Nierenparenchyms, postnatale Sonografie.
12
Eigene Notizen
126
Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen
12.3.5
Gastroschisis
Definition Bauchwanddefekt auf Höhe der Nabelschnurinsertion, mit Austritt von Darm- und auch Leberanteilen in das Fruchtwasser.
Diagnostik Die typischen sonografischen Merkmale können schon früh im ersten Trimenon dargestellt werden. Typisch ist die Raumforderung vor dem Abdomen mit flottierendem Eindruck, Austrittspforte meist rechtslateral der Nabelschnurinsertion. Risikofaktoren sind Rauchen, niedriges mütterliches Alter und die Einnahme vasoaktiver Substanzen, ein genetischer Faktor scheint zu existieren. ! Cave Sonografisch müssen weitere Fehlbildungen ausgeschlossen werden, erhöhtes Risiko insbesondere für Herzfehler besteht (bei 15% zusätzlich vorliegender Herzfehler). Trotz fehlendem erhöhtem Risiko für chromosomale Aberrationen wird die Karyotypisierung bei Vorliegen einer Gastroschisis im Rahmen der pränatalen Diagnosestellung und Beratung angesprochen und von den Eltern die Durchführung gewünscht.
Beratung/Therapie
12
Zur pränatalen Beratung gehören das kinderchirurgische und neonatologische Konsil, die das postnatale Vorgehen erörtern. Auch wenn statistisch kein evidenter Benefit für das Kind bei Durchführung eine Kaiserschnitts gesichert ist, wird aus organisatorischen Gründen und Sicherheitsbedürfnis der Eltern die elektive Schnittentbindung geplant und das Neugeborene unmittelbar postnatal in die Kinderchirurgie innerhalb des Perinatalzentrums verlegt.
Verlauf, Prognose Feten mit Gastroschisis haben ein erhöhtes Risiko für eine intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR) und intrauterinen Fruchttod (IUFT) (10– 15%), daher werden regelmäßige sonografische, dopplersonografische und Kardiotokografie-Verlaufskontrollen (CTG) durchgeführt. Die Prognose ist abhängig von begleitenden vorliegenden Atresien oder Infarzierungen des Darms sehr gut.
12.3.6
Omphalozele
Definition und Epidemiologie Relativ häufige Fehlbildung mit 1:4000 bis 10000 Lebendgeborenen. Je nach Ausprägung sind abdominale Muskeln, Faszien und Haut hypoplastisch. Der Bruchsack besteht aus Peritoneum innen und Amnion außen. Der Inhalt sind viszerale Organe, je nach Ausdehnung kann ein kleiner Leber- bis großer Leberanteil mit oder ohne Magen- und Darmanteile hinzukommen. Die Nabelschnur setzt sich aus dem Bruchsack fort.
127 12.3 · Auswahl pränatal diagnostizierbarer Fehlbildungen
Diagnostik Sonografisch typisch ist die extraabdominale an der vorderen Bauchwand lokalisierbare Raumforderung mit glatter Begrenzung durch den Bruchsack (im Vergleich dazu die unregelmäßige Begrenzung der extraabdominal gelegenen Organe bei Gastroschisis). Aufgrund des erhöhten Risikos chromosomaler Aberrationen (4-mal höher, falls Darm im Bruchsack enthalten ist) muss eine Karyotypisierung besprochen und angeboten werden, der Anteil an Trisomie 13, 18 oder Triploidien ist mit 61% bei Diagnostik zwischen 12–20 SSW sehr hoch. Begleitfehlbildungen, insbesondere Herzfehler, müssen deshalb ausgeschlossen werden. Ein pränatales kinderchirurgisches und neonatologisches Konsil informiert die Eltern über das peri- und postnatale Procedere.
Therapie In der Regel erfolgt die elektive Schnittentbindung und unmittelbare Verlegung des Neugeborenen aus dem Operationssaal in die Kinderchirurgie. Postnatale und postoperative Prognose sind in Abhängigkeit von Begleitfehlbildungen relativ gut, die perinatale Mortalität wird aber dennoch mit 19% angegeben, die neonatale Morbidität mit 25%.
12.3.7
Skelettdysplasien
Epidemiologie und Klassifikation Diese große Gruppe umfasst über 100 Krankheitsbilder mit einer Gesamthäufigkeit von 2,4:10000 Geburten. Die Klassifikation erfolgte früher anhand radiologischer, histologischer und klinischer Befunde, in den letzten Jahren hat sich durch die molekulargenetische Diagnostik eine ätiologische Klassifikation (Defekte von Strukturproteinen, Stoffwechseldefekte, Störung von Faltung und Abbau von Makromolekülen, DNA-, RNA-, Zellkernprotein-, Transkriptionsfaktorstörungen etc.) etabliert. Entscheidend ist die embryonale Skelettentwicklung.
Diagnostik Sonografie mit abweichender Entwicklung des Skeletts (Dreigliedrigkeit der Extremitäten, Länge, Dichte, Krümmung der Röhrenknochen, Achsenskelett, Thoraxform). Meist fallen verkürzte und/oder verkrümmte Röhrenknochen, ein auffälliger Thorax oder eine auffällige Schädelform auf. Auf weitere Fehlbildungen (Organe, Herz) ist zu achten. Die meisten letalen Skelettdysplasien zeigen bereits im 2. Trimenon einen unter die 5. Perzentile verkürzten Röhrenknochen. Ein großer Anteil der nicht letalen Skelettdysplasien wird jedoch erst spät im Schwangerschaftsverlauf oder postnatal diagnostiziert. Häufige Skelettdysplasien: 4 Achondrogenesie Typ I: autosomal-rezessiver Erbgang, seltene Skeletterkrankung mit massiv verkürzten langen Röhrenknochen, schlechter Prognose mit intrauterinem IUFT oder postnatalem Versterben.
12
Eigene Notizen
128
Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen
4 Achondrogenesie Typ II: sehr selten, De-novo-Mutationen, Prognose wie Typ I. 4 Achondroplasie: 1:10000 Geburten, fehlerhafte Knorpelbildung, mit steigender SSW zunehmend kürzere proximale Röhrenknochen, typisch sind die eingesunkene Nasenwurzel und eine vorgewölbte Stirn, die Intelligenzentwicklung ist normal, Prognose von orthopädischen Problemen abhängig. 4 Ellis-van-Crefeldt-Syndrom: selten, autosomal-rezessiv, Verkürzung der langen, v.a. distalen Röhrenknochen, Herzfehler, Spaltbildung. Prognose von Begleitfehlbildungen und Thoraxentwicklung abhängig. 4 Osteogenesis imperfecta: 4:100.000 Geburten, autosomal-dominant unterschiedlicher Expressivität, meist De-novo-Mutationen, gestörte Kollagensynthese. Pränatal bereits frakturierte verkürzte lange Röhrenknochen darstellbar, Prognose abhängig vom Manifestationszeitpunkt: 5 Letale Form vor 20 SSW 5 Bei Manifestationen jenseits des 2. Trimenons Überlebensfähigkeit gegeben.
12.4
Invasive Pränataldiagnostik
Durch eine invasive Technik (Punktion) wird fetales Material (Fruchtwasser, Chorionzotten, Blut, Urin, Pleurapunktat) zur genetischen, molekulargenetischen, infektiologischen oder hämatologischen Diagnostik gewonnen. Die verschiedenen Eingriffe werden kurz skizziert.
12 12.4.1
Chorionzottenbiopsie
Durchführung der Chorionzottenbiopsie (chorionic villous sampling, CVS) ab 12+0 SSW. Unter sterilen Bedingungen wird mit einer Nadel in der Regel transabdominell unter Ultraschallsicht das Chorion punktiert und 15–20 mg Zottengewebe in eine Spritze mit Nährmedium aspiriert. Dieses wird zur genetischen Diagnostik verbracht. Nach meist weniger als 48 h ergibt die Direktpräparation ein Karyogramm, das in der Langzeitkultur bestätigt wird. Gezielte Gen-Diagnostik erfolgt bei Erkrankungssuche, wie Muskeldystrophie, Mukoviszidose, Stoffwechselerkrankungen. ! Cave Hier wird etwas mehr Gewebe benötigt, was bei der Entnahme bedacht werden muss und es können die spezifischen Analysezeiten länger sein. Vor Durchführung des Eingriffs muss von der Patientin eine schriftliche Einwilligung mit Bestätigung über das Aufklärungsgespräch gegeben werden. Risiken der Chorionzottenbiopsie sind: 4 Blutung 4 Blasensprung 4 Infektion 4 Abort
129 12.4 · Invasive Pränataldiagnostik
Das Gesamtrisiko wird in der Literatur mit 0,5 bis <1,0% angegeben. Risikoerhöhend sind Myome, Blutung in der Frühschwangerschaft, Uterusfehlbildungen. Indikationen sind: 4 Karyotypisierung 4 Molekulardiagnostik 4 Selten Infektionsdiagnostik (Rötelninfektion der Mutter)
12.4.2
Amniozentese
Zeitpunkt ab 15+0 SSW. Unter sterilen Bedingungen werden transabdominell unter Ultraschallkontrolle 15–20 ml Fruchtwasser entnommen. In einer Schnellanalyse kann binnen weniger Stunden bereits das Vorhandensein bestimmter überzähliger (Chromosom 13, 18, 21) oder fehlender Chromosomen (X) diagnostiziert werden. Von Eltern wird diese Untersuchung meist gewünscht und bei fehlender medizinischer Notwendigkeit als Eigenleistung gezahlt, um zeitnah eine Diagnose zu den am häufigsten (90%) betroffenen Chromosomen zu erhalten. Die Langzeitkultur ergibt nach bis zu 2 Wochen ein komplettes Karyogramm, das typischerweise in Parallelkulturen erstellt wird. Aufklärung und Dokumentation wie bei CVS. Das Eingriffsrisiko (vorzeitiger Blasensprung [premature rupture of membranes: PROM], Blutung, Wehen, Abort) liegt bei 0,6%, höher bei Uterus myomatosus, Blutung in der Frühschwangerschaft. Indikationen: 4 Meist Karyotypisierung 4 Infektionsdiagnostik: Erregernachweis (Toxoplasmose, CMV) 4 Interleukinbestimmung aus dem Fruchtwasser bei Verdacht auf Amnioninfektionssyndrom
12.4.3
Cordozentese
Unter sterilen Bedingungen ultraschall-gesteuerte Punktion der Nabelschnur, bevorzugt wird die Vene punktiert, da das Lumen größer und die fetalen kardialen Komplikationen (Bradykardie) seltener sind. Punktiert wird der plazentare Ansatz (evtl. transplazentar), eine freie Schlinge oder der fetale Nabelschnuransatz. Risiko schwankt durch SSW und Indikation (Karyotypisierung, Anämie, Hydrops) und wird bei 1–5% angegeben. Komplikationen sind die fetale Bradykardie, Blutung aus der Punktionsstelle ins Fruchtwasser, Tamponade der Nabelschnur, Blasensprung, Wehen. Ab Erreichen der Lebensfähigkeit des Feten muss eine Cordozentese in Sectiomöglichkeit (Anästhesie, Neonatologie, ggf. OP-Einwilligung vorhanden) durchgeführt werden. Indikationen: 4 Karyotypisierung bei unklarem CVS- oder AC-Befund in fortgeschrittenem Gestationsalter, 4 Anämieabklärung, ggf. in einem Eingriff auch intrauterine Transfusion
12
Eigene Notizen
130
Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen
12.4.4
Intrauterine Transfusion
In einem Eingriff sind Anämiediagnostik (Rh-Inkompatibilität, Infektion mit z.B. CMV oder Parvovirus B19) und bei Bestätigung Transfusion über dieselbe Nadel möglich, daher sollte bei Verdacht auf Anämie vor Punktion die Transfusionsbereitschaft hergestellt werden (Konserve: 0 neg, CMVnegativ, gefiltert, bestrahlt).
12.4.5
Punktionen
Punktionen fetaler Strukturen sind individuellen Indikationen zugeordnet, wie die Entlastung einer Megacystis und anschließende Urinanalyse zur Abschätzung der fetalen Nierenfunktion, Shunt-Einlage zur Drainage einer Megacystis oder eines Pleuraergusses. Komplikationen wie beschrieben (PROM, Blutung, Wehen), ggf. Lungenreifeinduktion bei zu erwartender Frühgeburtlichkeit und antibiotische Abschirmung bei länger dauernder Prozedur.
12
12.5
Gemini (Mo-Mo, Mo-Di, Di-Di)
12.5.1
Allgemeines
Eine Zwillingsschwangerschaft entsteht entweder aus der Befruchtung einer Eizelle mit nachfolgender Teilung (monozygot) oder aus der Befruchtung zweier Eizellen (dizygot). Je nach Teilungszeitpunkt entsteht aus einer monozygoten Anlage eine Monochoriote (eine gemeinsame Plazenta) oder eine Dichoriote (zwei getrennte Plazenten) Zwillingsschwangerschaft. > Memo Man unterscheidet: Dichoriot – Diamniot, Monochoriot – Diamniot, Monochoriot – Monoamniot. Dass eine Schwangerschaft zweieiig ist, kann pränatal mit Sicherheit nur bei unterschiedlichem Geschlecht der Feten ausgesagt werden.
Epidemiologie/Häufigkeit 4 Zwillinge: 1:85 (1,18%) 4 Drillinge: 1:852 (0,014%) 4 Vierlinge: 1:853 (0,0000016%) Durch Reproduktionsmedizin höhere Inzidenz von 2–3% (11–14 SSW). Zwillingsschwangerschaften haben eine 3- bis 6-fach erhöhte Rate an Schwangerschaftskomplikationen, z.B. 3-mal häufiger eine vorzeitige Plazentalösung, fetale Entwicklungsstörungen und perinatale und maternale Entwicklungsstörungen sollten so früh wie möglich diagnostiziert werden.
131 12.5 · Gemini (Mo-Mo, Mo-Di, Di-Di)
Risiken Maternale Risiken: 4 Zervixinsuffizienz 4 Vorzeitige Wehentätigkeit 4 pre-PROM 4 Gestatonsdiabetes (18,4%) 4 Thromobose 4 Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH) (16,7%) 4 Präeklampsie 4 Abruptio placentae 4 Anämie (16,7%) 4 Cholestase (9,7%) 4 Thrombopenie (20,2%) Neonatale Risiken: 4 Frühgeburtlichkeit: <28 SSW (8,8%), <32 SSW (42,1%) 4 54,4% Beatmung/Sauerstoffgabe 4 Sepsis/Pneumonie (25%) 4 Intraventrikuläre Hämorrhagie (IVH) (4,3%) 4 Ikterus (11,3%) 4 38,0% der Neugeborenen wiegen <1500 g 4 Erhöhte perinatale Mortalität (PNM) 2,74%
12.5.2
Fetofetales Transfusionsyndrom (FFTX)
Definition und Epidemiologie Betroffen sind 10–20% der monochorioten Geminigraviditäten, ohne Therapie beträgt die perinatale Mortalität (PNM) 90% (<26 SSW), pathophysiologisch liegt eine Imbalance der fetalen Herzzeitvolumina durch Gefäßanastomosen in der Plazenta zugrunde. 4 Donor-Zwilling: Oligohydramnion, Anhydramnion, leere Magenblase, leere Harnblase, Anämie, »stuck twin«. 4 Akzeptor-Zwilling: Polyhydramnion, große Magenblase, große Harnblase, Hypervolämie, Hydrops.
Diagnostik 4 Ultraschall, Dopplersonografie.
Therapie 4 Lasertherapie mit Koagulation der Anastomosen, bestes outcome (neurologische Langzeitmorbidität der überlebenden Kinder) im Vergleich zur Entlastungspunktion oder Septostomie. 4 Überwachung der Schwangerschaft: 5 Ultraschall: Fruchtwassermengen beider Kinder, HB, MB, Biometrie und Wachstumsverlauf (Größendiskrepanz), Dopplersonografie (A. umbilicalis, A. cerebri media, Ductus venosus), Echokardiografie zur Einschätzung der fetalen Kreislaufsituation, CTG.
12
Eigene Notizen
132
Kapitel 12 · Schwangerenvorsorge
Eigene Notizen
TAPS (Twin-anemia polycythemia sequence) 4 2% der monochoriot-diamnioten Graviditäten! Zur Früherkennung einer fetalen Anämie regelmäßig Messung der Vmax der A. cerebri media
TRAP-Sequenz (Twin reversed arterial perfusion) 4 Acardius-Geminus ohne eigenes pumpendes Herz, evtl. zusätzlich Acranius ohne oder mit nur rudimentärer Kopfanlage mit reverser Perfusion über (meist) eine Nabelarterie aus dem Herzminutenvolumen des vitalen Geminus, schweres FFTS möglich mit Dekompensation des kardialen pumpenden Geminus. Therapie: Clip, Laserung.
12.5.3
Schwangerenvorsorge bei Mehrlingsschwangerschaften
Diese erfolgt prinzipiell entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien. Bei monochorionalen Zwillingsschwangerschaften ist insbesondere zwischen 16 und 24 SSW eine engmaschige, mindestens 2-wöchige sonografische Kontrolle indiziert, mit 20 SSW die Beurteilung der Zervixlänge und zum Ausschluss einer bakteriologischen Fehlbesiedelung ein mikrobiologischer Abstrich der Zervix. Frühzeitiges Erkennen und Informieren der Patientin über mehrlingsspezifische Risiken und Befunde ist angezeigt.
12
13 Tag 4 – Schwangerschaftspathologien
13
Schwangerschaftspathologien B. Schiessl
13.1
Schwangerschaft und Diabetes – 135
13.1.1 13.1.2
Gestationsdiabetes – 135 Betreuung von Schwangerschaften mit Diabetes mellitus Typ I und Typ II – 138
13.2
Venöse Thromboembolie und Schwangerschaft – 139
13.3
Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/ HELLP – 141
13.3.1 13.3.2
Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH, Gestationshypertonie) – 141 Präeklampsie (Gestose/HELLP) – 142
13.4
Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung – 147
13.4.1 13.4.2
Frühgeburt – 147 Vorzeitiger Blasensprung
13.5
Intrauteriner Fruchttod – 153
13.6
Intrauterine Wachstumsrestriktion, »small for gestational age« – 156
13.7
Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal – 158
13.7.1 13.7.2 13.7.3 13.7.4 13.7.5 13.7.6 13.7.7 13.7.8 13.7.9 13.7.10 13.7.11
Amnioninfektionssyndrom (Chorioamnionitis) – 158 Infektionen mit Streptokokken der Gruppe B – 160 HIV – 166 Parvovirus-B-19-Infektion (Ringelröteln) – 169 CMV – Zytomegalieinfektion – 170 Varizella-Zoster-Virus-Infektion – 172 HSV: Herpes-Simplex-Virus-Infektion (Typ 1 und Typ 2) – 174 Röteln-Infektion – 175 Toxoplasmose-Infektion – 177 Listerieninfektion – 179 Malariainfektion – 180
– 150
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_13, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
13.8
Maternale Erkrankungen – 181
13.8.1 13.8.2 13.8.3 13.8.4 13.8.5
Schilddrüsenerkrankungen – 181 Nierenerkrankungen – 182 Herz – 187 Autoimmunerkrankungen – 192 Myome – 197
135 13.1 · Schwangerschaft und Diabetes
13.1
Schwangerschaft und Diabetes
Ein erstmalig in der Schwangerschaft diagnostizierter Diabetes wird als Gestationsdiabetes bezeichnet. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um einen präexistenten Diabetes handelt, der nach der Schwangerschaft persistiert, ob es ein sich in der SS manifestierender Typ I oder Typ II Diabetes ist oder ein »reiner« Gestationsdiabetes, der nach der Schwangerschaft wieder »verschwindet«.
13.1.1
Gestationsdiabetes
Epidemiologie Die Inzidenz des Gestationsdiabetes steigt in den letzten Jahren stark an, wahrscheinlich bedingt durch eine Mixtur aus steigender Diagnostik und steigendem Anteil des Risikokollektivs. Derzeit geht man von 5% aus.
Ätiologie Durch hormonelle Veränderungen in der SS (Produktion plazentarer Hormone) kommt es zu einer maternalen Insulinresistenz, die durch Mehrausschüttung von Insulin kompensiert wird. Wenn diese Mehrproduktion erschöpft ist, kommt es durch den Insulinmangel zur gestörten Glukosetoleranz bzw. Gestationsdiabetes. Risikofaktoren sind: 4 Erhöhtes Alter 4 Adipositas 4 Familiäre Belastung mit Diabetes 4 Zustand nach Geburt eines Kindes >4000 g 4 Zustand nach schweren kindlichen Fehlbildungen in früherer SS 4 Zustand nach Aborten bzw. intrauterinem Fruchttod (IUFT) 4 Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen (Pima-Indianer, Hispanier, etc.) 4 Aktuelle SS: Makrosomie des Feten, Polyhydramnion Erhöhte Glukosespiegel im maternalen Organismus führen zu einer vermehrten Diffusion der Glukose über die Plazentaschranke zum Feten, der darauf mit gesteigerter Insulinproduktion reagiert. Bei Fortbestehen kommt es zu einer Fehlprogrammierung des fetalen Stoffwechsels, mit der Folge der Hyperinsulinämie und vermehrter Fetteinlagerung, das Wachstum nimmt zu. Individuelle Ansprechbarkeit des fetalen Pankreas lassen das fetale klinische Bild unterschiedlich ausgeprägt erscheinen. Trotz Wachstumsschub sind sowohl Plazenta wie auch fetale Organe unreifer.
Klinik Der Gestationsdiabetes verläuft ohne maternale klinische Symptome, häufig fehlen anamnestische oder konstitutionelle Risikofaktoren, sodass es eines Screeningtests bedarf, um einen Gestationsdiabetes auszuschließen.
13
Eigene Notizen
136
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Diagnostik: Das GDM-Screening ist nicht Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinien, sollte aber entsprechend den AWMF-Leitlinien durchgeführt werden. Das Screening mit 50 g Glukose (unauffällig, wenn nach 1 h <140 mg%) ist umstritten, da es ohne standardisierte Vorbedingungen durchgeführt wird. Der standardisierte orale Glukosetoleranztest (OGTT) mit 75 g wird wie folgt durchgeführt: 4 Zeitpunkt 24–28 SSW 4 Nach nächtlicher 8-stündiger Nüchternheit wird morgens nach Messung des Nüchternwerts eine Glukosebelastung mit 75 g Glukose-Testlösung durchgeführt, die Patientin muss Ruhe einhalten, nach 1 und 2 h werden die Blutzuckerwerte erneut gemessen. 4 Grenzwerte: nüchtern <90 mg%, 1-h-Wert <180 mg%, 2-h-Wert 155 mg% 4 Bei einem erhöhten Wert liegt eine gestörte Glukosetoleranz vor, ab 2 erhöhten Werten ein Gestationsdiabetes.
Therapie Die Konsequenz aus einem auffälligen OGTT besteht zunächst in der Erstellung eines Blutzuckertagesprofils. Normwerte sind: 4 Nüchtern <90 mg% 4 1 h nach dem Essen <140 mg% 4 2 h nach dem Essen <120 mg%
13
Ferner erfolgt eine Ernährungsberatung und ggf. Ernährungsumstellung, die Schwangere sollte sich sportlich betätigen (Ausdauer: Fahrradergometer, Schwimmen, Walken etc.), sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Falls mit diesen Maßnahmen keine ausreichende Blutzuckereinstellung erreicht wird, besteht eine maternale Indikation zur Insulintherapie. Fetale Diagnostik und Überwachung: Bei (Verdacht auf) GDM: die Makrosomie zeigt die Manifestation der fetalen Hyperinsulinämie an, der wichtigste Parameter ist die Zunahme des fetalen Abdomenumfangs (AU) >75. Perzentile, ferner das verdickte subkutane Fettgewebe (Wange, Oberschenkel, Abdomen), sowie die erhöhte Fruchtwassermenge. Ebenso muss eine fetale Wachstumsrestriktion ausgeschlossen werden (ursächlich ist hier die unreife Plazenta mit sklerosiertem und ödematösem Zottenstroma, verdickten Basalmembranen), diese Feten sind erhöhter perinataler Morbidität und Mortalität ausgesetzt! Die Dopplersonografie der uterinen Arterien hilft, das erhöhte Präeklampsierisiko von Diabetikerinnen zu erfassen, die Messung der fetalen Dopplerindizes dient nicht zur Überwachung des Gestationsdiabetes, jedoch wird sie im klinischen Alltag eingesetzt und hat insbesondere in der Überwachung der IUGR-Feten ihren Stellenwert (IUGR: intrauterine growth restriction). Eine fetale Indikation zur Insulintherapie besteht unabhängig von den mütterlichen BZ-Werten bei einem fetalen Abdomenumfang >75. Perzentile. Ab 32 SSW wird die zusätzliche fetale Überwachung mittels CTG (Kardiotokografie) empfohlen.
137 13.1 · Schwangerschaft und Diabetes
Die Ernährungsberatung umfasst allgemeine und schwangerschaftsspezifische Punkte: 4 6 Mahlzeiten/Tag 4 Energiebedarf 30–40 kcal/kg Körpergewicht 4 Keine Gewichtsreduktion bei Adipositas in der Schwangerschaft, jedoch adaptierte Kalorienzufuhr (geringer!) 4 Kohlenhydratanteil 50–60% mit niedrigem glykämischem Index (Vollkorn etc.). Der Beginn einer Insulintherapie kann bei guter Compliance und engmaschiger Überwachung auch ambulant erfolgen, typischerweise werden bei pathologischen Nüchternwerten Verzögerungsinsuline zur Nacht und bei pathologischen postprandialen Werten Altinsulin zu den Mahlzeiten gegeben. Ziel: 4 Präprandial 60–90 mg% 4 Postprandial nach 1 h <140mg%, nach 2 h <120 mg% 4 Nächtliche Werte 60–90 mg% > Memo Die Gabe von oralen Antidiabetika ist kontraindiziert. Die Schwangerenvorsorge erfolgt nach den Mutterschutzrichtlinien, jedoch intensiviert bei zusätzlichen Risiken und bei Insulintherapie. Risiken und Komplikationen insbesondere bei nicht erkanntem bzw. nicht adäquat behandeltem GDM sind: 4 Fetale Fehlbildungen 4 Erhöhtes Hypoxierisiko subpartal 4 Geburtstrauma (Schulterdystokie) 4 Postnatal: 5 ZNS-Schädigung durch Hypoglykämie 5 Atemnotsyndrom (Unreife der Lunge) 5 Hyperbilirubinämie (Unreife der Leber) 5 Adipositas im Kleinkind- und Schulalter Maternale Risiken bestehen in: 4 Erhöhter Abortneigung 4 Harnweginfektionen 4 Vorzeitiger Wehentätigkeit 4 Präeklampsie 4 Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ II nach 20 Jahren bei 60% Die Entbindung sollte auch bei fehlenden weiteren Risiken am errechneten Termin stattfinden, früher bei maternalen Komplikationen (Präeklampsie, HELLP-Syndrom, nicht einstellbare BZ-Werte), bei fetalen Komplikationen (IUGR, auffälliges CTG, Makrosomie). Das Risiko der Schulterdystokie steigt mit dem fetalen Gewicht, eine exakte Aufklärung hierüber und entsprechende Dokumentation in der Krankenakte ist Pflicht und Dokumentation ist Pflicht, ab 4500 g geschätztem Gewicht wird die primäre SectioEntbindung besprochen und meist indiziert.
13
Eigene Notizen
138
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Mit Beginn der Wehentätigkeit wird die Insulintherapie beendet. Im Wochenbett erfolgt an Tag 2 oder 3 ein Blutzuckertagesprofil; wenn die Werte im Normbereich liegen, wird ein OGTT nach 6–8 Wochen sowie einmal jährlich durchgeführt.
Nachsorge/Prävention Eine internistische/diabetologische Anbindung wird dringend angeraten, da das Risiko eines Typ-II-Diabetes insbesondere bei zusätzlichen Risikofaktoren stark erhöht ist (60% nach 20 Jahren), hohes Wiederholungsrisiko in den Folgeschwangerschaften.
13.1.2
Betreuung von Schwangerschaften mit Diabetes mellitus Typ I und Typ II
Patientinnen mit Kinderwunsch sollten einer präkonzeptionellen Beratung und Stoffwechseloptimierung zugeführt werden. Das Fehbildungsrisiko korreliert mit der BZ-Einstellung im 1. Trimester. Eine Umstellung auf eine Pumpe kann hilfreich sein, ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Während der SS müssen folgende Aspekte bedacht bzw. überwacht werden: 4 Retinopathie (Befund bei Konzeption und im SS-Verlauf) 4 Medikation eines präexistenten Hypertonus auf α-Methyldopa umstellen 4 Hypertonieentwicklung in der SS (SIH) 4 Nierenbefunde (Kreatininwert, Kreatininclearance, Nephropathie, Mikroalbuminurie)
13
Die Intensität der Schwangerschaftsvorsorge richtet sich nach bestehenden Begleiterkrankungen und der Stoffwechseleinstellung. Die Blutzuckerwerte sollten bei folgenden Werten liegen: 4 Präprandial <90 mg% 4 Postprandial nach 1 h < 140 mg% 4 Nach 2 h <120 mg% ! Cave Zu beachten sind die großen BZ-Schwankungen im 1. Trimenon mit der Gefahr der Hypoglykämie, dies noch verstärkt bei Hyperemesis. Ab 16 SSW kommt es zur zunehmenden antiinsulinären Wirkung der Plazentahormone mit erheblichem Anstieg des Insulinbedarfs im 2. Trimenon, Stabilisierung im 3. Trimenon. Nachlassende antiinsulinäre Wirkung besteht in den letzten Schwangerschaftswochen (abnehmender Insulinbedarf!). Im Fall einer Stoffwechselentgleisung (pH <7,1, BE < -5 mmol/l), BZ >250 mg%) ( ! Cave Junge Patientin, hier oft niedrigere BZ-Werte, Hyperkaliämie, erhöhtes Kreatinin und Harnstoff) muss die Therapie internistisch, ggf. intensivmedizinisch erfolgen (ketoazidotisches Koma, erfordert nicht zwingend Bewusstseinsverlust), die Schwangere muss vor einem operativen Eingriff stabilisiert werden!
139 13.2 · Venöse Thromboembolie und Schwangerschaft
4 4 4 4 4
Fetale Risiken bei maternalem Typ-I- oder Typ-II-Diabetes: Fehlbildungen Wachstumsbeschleunigung (Perzentilensprung nach oben) Wachstumsrestriktion (entsprechend Pathomechanismus bei GDM) Erhöhte perinatale Mortalität und Morbidität Gefahr der Minderperfusion des uteroplazentaren Stromgebiets besonders bei maternalen Begleit-/Folgeerkrankungen des DM
Überwachung in der SS durch Detailsonografie im 1. und 2. Trimenon, Wachstumskontrolle, ggf. Dopplersonografie. Zuwarten mit Entbindung bis zum errechneten Termin möglich. Sub partu ist die Indikation zur sekundären Sectio früher und großzügiger zu stellen, da der Sauerstoffbedarf bei fetalem Hyperinsulinismus erhöht ist und eine Plazentainsuffizienz vorliegen kann. Die angestrebten Blutglukosewerte subpartal liegen bei 70–110 mg%, ggf. mittels Infusion (Glukose 5%) und Insulinperfusor titrieren. Das Neugeborene muss zur Vermeidung neonataler Hypoglykämien entsprechend der AWMF-Leitlinie überwacht werden. Unmittelbar postpartal (Zielwerte in den ersten 5 Tagen 100–200 mg%) und weiter im Wochenbett muss die Insulindosis reduziert werden, der BZ zunächst engmaschiger kontrolliert werden (idealerweise 2. Pumpe mit entsprechender Programmierung mitbringen lassen). Stillen wird befürwortet und sollte gefördert werden. ! Cave Zu beachten ist der BZ-Abfall während des Stillens.
13.2
Venöse Thromboembolie und Schwangerschaft
Epidemiologie und Ätiologie Venöse Thromboembolien gehören zu den Haupttodesursachen während Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Der Anteil an der mütterlichen Sterblichkeit beträgt weltweit 11%. Ein großer Teil der Betroffenen weist Risikofaktoren auf und wäre einer Thromboembolieprophylaxe zugänglich. Trotz Verfügbarkeit der medikamentösen Thromboseprophylaxe steigt die Inzidenz an Thromboembolien, was durch ein verändertes Schwangerenkollektiv (höheres Alter, höherer BMI, höherer Anteil diabetischer Schwangerschaften, höhere Sectioraten als postpartales Risiko) bedingt wird. Die bekannte Virchow-Trias aus Stase, Hyperkoagulabilität und traumatischer Endothelschädigung ist in Schwangerschaft und Wochenbett gegeben und erhöht somit das Risiko bis zu 6-fach. Das Verhältnis tiefe Beinvenenthrombosen zu Lungenembolie liegt bei etwa 5:1 in Schwangerschaft und Wochenbett.
Vorgehen und Risikofaktoren 3 Leitlinien prägen das aktuelle Vorgehen: 4 Leitlinie des American College of Chest Physicians 2008 4 AWMF-S3-Leitlinie 2009 4 Leitlinie des Royal College of Obstetricians and Gynecologists 2009
13
Eigene Notizen
140
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Wesentlich ist die individuelle Erfassung und Einschätzung von Risiken für das Auftreten einer Thromboembollie in der Schwangerschaft, unter der Geburt und im Wochenbett, wobei präexistente und neu auftretende bzw. vorübergehende Faktoren in die Evaluierung einfließen. Zu präexistenten Risiken zählen: 4 Alter >35 Jahre 4 Parität >3 4 Nikotinabusus 4 Immobilität (Plegien) 4 Varikosis höheren Grades 4 Internistische Erkrankungen aus dem Autoimmun-/Kollagenosenkreis 4 Thrombophilien 4 Zustand nach kardialen Operationen (v.a. Klappenersatz) Neu auftretende, ggf. vorübergehende Risikofaktoren sind in der Schwangerschaft: 4 Dehydratation (Hyperemesis!) 4 Überstimulationssyndrom nach ART (Kap. 5) 4 Immobilität (Reisen) 4 Infektionen systemischer Art (Pneumonie, Pyelonephritis) 4 Operationen, insbesondere notfallmäßig indizierte Eingriffe (vaginal operative Geburt, sekundäre Sectio) 4 Protrahierte Geburt 4 Postpartale Hämorrhagie (PPH) >1000 ml 4 Transfusionen
13
Anamnestisch ist der Zustand nach Thrombose/Embolie mit einem erheblichen Wiederholungsrisiko verbunden. Die Erfassung der Risikofaktoren muss aufgrund der Dynamik zu Beginn und im Verlauf der Schwangerschaft bei jeder sich ändernden Konstellation erfolgen (z.B. bei stationärer Aufnahme). Je mehr vorhandene oder hinzutretende Risiken vorliegen, desto höher die Einstufung in ein Risikoprofil, aus dem heraus sich die Empfehlung für Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft und postpartum ergibt. Diese erfolgt gewichtsadaptiert mittels subkutan appliziertem niedermolekularem Heparin (NMH).
Klinik Das klinische Bild einer tiefen Venenthrombose (TVT) wird nicht selten durch die schwangerschaftstypischen Symptome geschwollene Beine, Beinschmerzen und Dyspnoe verschleiert.
Diagnostik Bei Verdacht auf eine TVT sollte als erste diagnostische Maßnahme eine Duplexsonografie der Beinvenen erfolgen. Da dies nicht zwingend eine Unterschenkelvenenthrombose ausschließt, wird die Wiederholung nach 1–2 Tagen zum Ausschluss des Thrombuswachstums empfohlen. Bei unzuverlässigen Befunden oder nicht zuverlässiger Auswertung kann in Einzel-
141 13.3 · Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
fällen eine Venografie oder ein MRT durchgeführt werden. Bei Verdacht auf eine Lungenembolie steht die Szintigrafie bei geringer Strahlenbelastung an erster Stelle, die Diagnose Lungenembolie gilt als gesichert, wenn ein segmentaler Perfusionsdefekt besteht. Die Bestimmung der D-Dimere hat in der Schwangerschaft eine eingeschränkte Aussagekraft.
Therapie Standard ist die intravenöse Applikation von Heparin bei einer TVT, die Überwachung erfolgt über Messung der aPPT, was in der Schwangerschaft erheblich komplizierter ist. Daher hat sich die Gabe niedermolekularer Heparine als praktikabler erwiesen, wobei die Dosierung sich an der nicht schwangerer Patienten anlehnt. Neben der Kontrolle des Anti-Xa-Spiegels sollten Thrombozytenkontrollen erfolgen. Die früher empfohlene Immobilisation hat sich im Sinne reduzierter Lungenembolien nicht bewährt, sodass von dieser wieder Abstand genommen wurde. Die Therapie einer Unterschenkelthrombose wird kontrovers diskutiert, aufgrund der potenziellen Weiterentwicklung in eine TVT wird die adäquate Therapie von vielen Autoren empfohlen. Die Applikation von Thrombosestrümpfen unterstützt das Abschwellen und beugt dem postthrombotischen Syndrom vor. Die Indikation zur chirurgischen Thrombektomie ist wenigen ausgedehnten Einzelfällen vorbehalten und wird dann meist zeitgleich mit einer Sectio durchgeführt. Eine thrombolytische Therapie wird in der Schwangerschaft nicht routinemäßig durchgeführt und bleibt vital bedrohlichen Indikationen vorbehalten.
13.3
Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
Etwa 6–8% aller Schwangerschaften werden durch hypertensive Erkrankungen kompliziert. Etwa ein Viertel der perinatalen und ein Drittel der maternalen Mortalität geht zu Lasten der hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen. Weltweit ist die Präeklampsie für mindestens 50000 maternale Todesfälle pro Jahr verantwortlich. In Anlehnung an amerikanische und australische Fachgesellschaften sowie der International Society for the Study of Hypertension in Pregnancy (ISSHP) werden im folgenden Abschnitt Definitionen und Empfehlungen zu Management und Therapie erörtert.
13.3.1
Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH, Gestationshypertonie)
Jenseits abgeschlossenen 20 SSW gemessene Blutdruckwerte ≥140/90 mmHg ohne Proteinurie, zuvor normotensive Schwangere, 12 Wochen postpartal normale Blutdruckwerte.
13
Eigene Notizen
142
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
13.3.2
Präeklampsie (Gestose/HELLP)
Diese ist definiert durch Zusammentreffen einer Gestationshypertonie und Proteinurie ≥300 mg/24 h, die nach abgeschlossenen 20 SSW auftritt. Eine Präeklampsie liegt auch dann vor, wenn die Hypertonie in Kombination mit einer fetalen Wachstumsrestriktion (IUGR), Nierenfunktionsstörung, Leberbeteiligung, neurologischen oder hämatologischen Störungen kombiniert auftritt. Eine schwere Präeklampsie liegt vor, wenn zusätzlich einer der folgenden maternalen Befunde vorliegt: 4 Nierenfunktionseinschränkung (Kreatinin ≥0,9 g/l oder Oligurie <500 ml/24 h) 4 Leberbeteiligung mit erhöhten Transaminasen 4 Schwere Oberbauchschmerzen 4 Lungenödem oder Zyanose 4 Hämatologische Störungen (Thrombozytopenie, Hämolyse) 4 Neurologische Symptome mit schweren Kopfschmerzen oder Sehstörungen 4 Blutdruck ≥170/110 mmHg 4 Proteinurie ≥5 g/24 h 4 Fetale Wachstumsrestriktion
13
Die Eklampsie beschreibt die im Rahmen einer Präeklampsie auftretenden tonisch-klonische Krampfanfälle ohne anderen Ursache (z.B. Epilepsie), dennoch sind nur etwa 50% der eklamptischen Anfälle mit einer schwere Hypertonie assoziiert und treten in bis zu einem Drittel ohne Hypertonie oder Proteinurie auf. Das HELLP-Syndrom definiert sich aus der Trias der Hämolyse (H=Hemolysis), erhöhte Leberenzyme (EL=elevated liver enzymes) und erniedrigter Thrombozytenzahl <100000/μl (LP=low platelets). In 5–15% liegt keine signifikante Proteinurie und in bis zu 20% der Fälle keine Hypertonie vor, in 15% fehlen sowohl Hypertonie als auch Proteinurie. Chronische (präexistente) Hypertonie: vor der Schwangerschaft oder vor 20 SSW bestehende Hypertonie mit o.g. Grenzwerten von ≥140/90 mmHg mit Persistenz auch länger als 12 Wochen postpartal. Pfropfpräeklampsie: kombiniert chronische Hypertonie mit Gestationsproteinurie oder chronische Hypertonie mit vor der 20. SSW bestehender Proteinurie, dies ist auch mit den Kriterien der schweren Präeklampsie kombinierbar.
Klinik 4 SIH/Präeklapsie: Reproduzierbar erhöhte Blutdruckwerte systolisch >140 mmHg und/oder diastolisch >90 mmHg, Proteinurie >300 mg/ 24 h, Gewichtszunahme ≥1 kg/Woche während des 3. Trimesters mit Ödembildung, von besonderer Bedeutung im Gesicht. 4 Prodromi einer imminenten Eklampsie: 5 Oberbauchschmerzen 5 Übelkeit
143 13.3 · Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
5 Erbrechen 5 Zentralnervöse Symptome: Augenflimmern, Kopfschmerzen, Hyperreflexie 4 HELLP-Syndrom: Klinisches Leitsymptom ist der Oberbauchschmerz/ Schmerzen im Epigastrium. 4 Ödeme: Von Bedeutung nur bei rascher Zunahme, korrelierend mit Gewichtszunahme >1 kg/Woche oder bei ausgeprägtem Gesichtsödem.
Diagnostik 4 Veränderungen der Laborparameter: 5 Thrombozyten <100000/μl; ! Cave Progredienter Abfall! 5 GPT(ALT)- und GOT(AST)-Anstieg über den Normbereich 5 LDH-Anstieg über den Normbereich 5 Indirekte Bilirubinerhöhung >1,2 mg/dl 5 Ab 32 SSW Harnsäureerhöhung >5 mg/dl 5 Kreatinin >0,9 mg/dl 5 Proteinurieaggravierung 5 Haptoglobin-Abfall unter den Normbereich 4 Sonografische Erfassung einer intrauterinen Wachstumsretardierung mittels Biometrie und Dopplersonografie. 4 Reflexstatus, ! Cave Hyperreflexie! Abfragen von Prodromi (zentralnervös, abdominell) Indikationen zur Vorstellung in der Klinik sind die Hypertonie ≥160 mmHg systolisch bzw. ≥100 mmHg diastolisch sowie die manifeste Präeklampsie, eine Proteinurie und starke Gewichtszunahme im 3. Trimenon (≥1 kg/Woche) ebenso wie eine drohende Eklampsie (vgl. Prodomalsymptome). Allein der klinische Verdacht auf HELLP-Syndrom, v.a. persistierende Oberbauchschmerzen, sind Indikationen zur Klinikvorstellung. Von fetaler Seite sind ein suspektes/pathologisches CTG sowie ein suspektes/pathologisches Dopplersonogramm ebenso wie die intrauterine Wachstumsrestriktion mit einem Schätzgewicht <10. Perzentile Gründe für eine Überweisung in die Klinik. Ferner sind eine Hypertonie oder Proteinurie in Kombination mit Risikofaktoren wie vorbestehender mütterlicher Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus), Mehrlingsgravidität, frühes Gestationsalter (<34. SSW), Anoder Oligohydramnion abklärungsbedürftige Befunde. Weiteres Vorgehen bei Aufnahme in die Klinik/Kreißsaal: 4 Blutdruckmessung bei Aufnahme sowie im Verlauf kontinuierlich, ggf. 24-h-Blutdruckmonitoring 4 Proteinurie-Diagnostik mittels Teststreifen bei Aufnahme und quantitative Eiweißbestimmung 4 Tägliche Gewichtskontrolle 4 Laborkontrollen im Verlauf von evtl. mehrmals täglich bis zu minimal 2-mal/Woche 4 Klinische Verlaufskontrolle bzw. Erfassung der Symptome (Oberbauchschmerzen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Hyperreflexie (Reflexstatus!), Bewusstseinsstörungen, Dyspnoe, Blutungsneigung
13
Eigene Notizen
144
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
4 Bei schwerer Präeklampsie stündlich Urinausscheidung kontrollieren 4 Pulsoxymetrie bei respiratorischer Symptomatik 4 Fetale Kontrollen mittels 1- bis 3-mal täglichen CTG-Kontrollen, Fetometrie im Verlauf und Bestimmung der Fruchtwassermenge, Dopplersonografie wöchentlich bis täglich, RDS-Prophylaxe (24. kpl. bis 34. kpl. SSW) zur Erreichung der Lungenreife im Falle einer Entbindung.
Therapie
13
Beginn einer medikamentösen antihypertensiven Therapie erfolgt zumeist unter stationären Bedingungen, v.a. um die Indikation zur rechten Zeit zu stellen. Der fetale Nutzen ist nach wie vor nicht mittelbar gesichert, daher sollte erst ab reproduzierbaren Blutdruckwerten ≥170 mmHg systolisch und/oder ≥110 mmHg diastolisch damit begonnen werden, ggf. bei präexistenten Konstellationen (Hypertonus, Nierenerkrankung, Diabetes mellitus), früher ab Blutdruckwerten von >160/100 mmHg. Die antihypertensive Behandlung bei schwerer Hypertonie beugt maternalen zerebro-/kardiovaskulären Komplikationen (v.a. Blutung) vor, die Eklampsieprophylaxe erfolgt durch Magnesium (s.u.). Bei erforderlicher Langzeitbehandlung einer Hypertonie in der Schwangerschaft ist α-Methyldopa das Mittel der Wahl, β-Blocker haben als Nebenwirkung fetale Wachstumsrestriktion und Störung des fetalen Glukosestoffwechsels (i.S. von Hypoglykämien) und sind deshalb nur zurückhaltend einzusetzen. Auch bei akuter Hypertension besteht der Konsens zur Therapieindikation ab Blutdruckwerten ≥170/110 mmHg, auch wenn randomisierte Studien zur Notwendigkeit einer akuten Blutdrucksenkung in der Schwangerschaft fehlen. Die Wahl des Medikaments ist umstritten, in Deutschland weit verbreitet eingesetzt werden Urapidil i.v, Dihydralazin i.v. oder Nifedipin oral. Dabei zu beachten ist der Off-Label-Use von Nifedipin und Urapidil. Während der antihypertensiven Behandlung einer schweren Präeklampsie muss der Fetus durch CTG überwacht werden, da eine zu rasche maternale Blutdruckabsenkung mit akuter fetaler Gefährdung verbunden sein kann. Die Schwangeren sind ebenfalls streng zu überwachen, neben den engmaschigen Blutdruckkontrollen (diastolisch sind Werte unter den angestrebten 90–105 mmHg zu vermeiden) müssen Klinik und Labor überwacht werden. Bei schwerem HELLP-Syndrom: Methylprednisolon 32 mg/Tag i.v. wird eingesetzt zur maternalen Therapie, Leberwerte und Thrombozytenwerte zeigen günstigeren Verlauf. Therapie der Eklampsie: Magnesiumsulfat 4–6 g initial i.v. über 15– 20 min, dann 1–2 g/h bis 48 h postpartum. Bezogen auf die Prävention von Rekonvulsionen und das neonatale outcome ist Magnesium sowohl Phenytoin wie auch Diazepam überlegen. Bei Lungenödem ggf. Furosemid 10–20 mg i.v., Wiederholung bei Bedarf möglich. ! Cave maternale Hypovolämie, CTG-Kontrolle. Entbindung ist die einzige kausale Therapie einer Präeklampsie bzw. HELLP-Syndroms für die Schwangere. Der Versuch der Schwanger-
145 13.3 · Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie/Präeklampsie/HELLP
schaftsprolongation mit Induktion der fetalen Lungenreife dient der perinatalen Morbiditäts- und Mortalitätsreduktion im Rahmen der Frühgeburt. Die Indikation zur Entbindung wird wesentlich vom Schwangerschaftsalter getriggert und besteht in der Regel nach abgeschlossenen 37 SSW. Patientinnen mit schwerer Präeklampsie und bei HELLP-Syndrom jenseits vollendeten 34 SSW sollten entbunden werden. Die Betreuung einer Präeklampsie zwischen 24+0 und 33+6 SSW sollte in einem Perinatalzentrum Level I erfolgen. Primäres Ziel ist das konservative Vorgehen, um unter kontinuierlicher Überwachung die schwerwiegenden Auswirkungen auf die Mutter zu kontrollieren und dem Kind den Benefit der Schwangerschaftsverlängerung zukommen zu lassen. Auch beim HELLP-Syndrom scheint ein konservativer Therapieansatz vertretbar. Die schwere fetale Wachstumsrestriktion <5. Perzentile allein stellt noch keine Indikation zur Entbindung vor 34 SSW dar. Der hochpathologische Dopplerfluss jedoch bedeutet hier die Dekompensation der fetalen Kreislaufsituation und indiziert die Schwangerschaftsbeendigung. Daher sind tägliche Reevaluierungen der fetalen Situation erforderlich. Die abgeschlossene RDS-Prophylaxe (Betamethason 12 mg i.m. 2-malig im Abstand von 24 h induziert die Produktion des Antiatelektasenfaktors in den Alveozyten) spielt eine wichtige Rolle im Rahmen dieser Entscheidungsfindung. Maternale Indikationen zur Entbindung: 4 Therapierefraktäre schwere Hypertonie 4 Therapierefraktäre Niereninsuffizienz 4 Akutes Lungenödem 4 Disseminierte intravasale Gerinnung 4 Persistierende schwere Oberbauchschmerzen 4 Neu aufgetretene schwere zentralnervöse Symptome 4 Eklampsie Vor 24+0 SSW ist bei schwerer Präeklampsie mit einer hohen maternalen und perinatalen Morbidität und Mortalität zu rechnen, die Entscheidung über Fortsetzung der Schwangerschaft wird hier individuell getroffen, wobei hier die maternale Morbidität und Mortalität im Vordergrund stehen. Der Geburtsmodus richtet sich nach Schwangerschaftswoche, fetalem und maternalem Zustand. Je kritischer maternale und fetale Situation sind, desto eher wird die Indikation zur Sectio als zur vaginalen Geburt gestellt.
Postpartale Betreuung Bis 48 h Fortsetzung der intensivierten bis intensivmedizinischen Überwachung, da sich in 7–30% ein HELLP-Syndrom und in bis zu 28% eine Eklampsie postpartum manifestieren können. Deshalb wird auch die Eklampsie-Prophylaxe mit Magnesiumsulfat i.v. ggf. bis 48 h postpartal fortgeführt. Die postpartale Blutdruckkontrolle muss bis zur Stabilisierung bzw. Normalisierung der Werte erfolgen, Anbindung an Hochdruckambulanz und Selbstmessung! Blutdruckzielwerte bei Entlassung aus der Entbin-
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Eigene Notizen
146
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
dungsklinik liegen bei <150/100 mmHg, antihypertensive Therapie ausschleichen, ggf. umstellen. Umsetzen auf orale stillkompatible Medikation mit Metoprolol, Nifedipin, α-Methyldopa, Dihydralazin. Einschränkung: ACE-Hemmer wie Captopril, Enalapril (Empfehlungen Deutsche Hochdruckliga). Nach HELLP-Syndrom: Überweisung zur Thrombophiliediagnostik. Die Nierenfunktion ist zu kontrollieren, bei Proteinurie ist eine Anbindung an nephrologische Ambulanz wichtig. Stillen ist mit den gängigen Antihypertensiva möglich und die Patientin sollte dazu motiviert werden! Vor Entlassung aus der stationären Betreuung: Abschlussgespräch mit der Patientin und Partner über Pathophysiologie generell und individuell über den Verlauf der Erkrankung und die Geburt, Hinweis auf das internistische Risikokonstellation (Wiederholungsrisiko von PE und HELLP, kardiovaskuläres Risiko mit Entwicklung einer Hypertension in 90% nach 25 Jahren!) und ggf. weitere Nachkontrollen sind von immenser Wichtigkeit, ebenso wie das Angebot zur Beratung vor Planung/Eintritt einer erneuten Schwangerschaft mit Hinweis auf Prävention.
Prävention
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Eine sichere Vorhersage der Präeklampsie mithilfe eines Testverfahrens ist bis dato nicht möglich. Zur Risikoabschätzung können die Anamnese-Angaben und Dopplersonografie der Aa. uterinae mit 20–22 SSW herangezogen werden. Risiken sind: 4 Familiäre Belastung 4 Diabetes mellitus Typ I 4 Chronische Hypertonie 4 Chronische Nierenerkrankungen 4 Nierentransplantation 4 Vorausgegangene Präeklampsie Je früher die erste Präeklampsie in der SS aufgetreten war, umso höher ist das Wiederholungsrisiko, es liegt bei >60% bei Zustand nach PE vor der 28. SSW. Bei Vorliegen eines bilateral auffälligen Dopplersonogramms mit persistierenden »Notches« (persistierende postsystolische Inzisur) und/ oder erhöhtem Widerstandsindex ist das Risiko der Entwicklung einer Präeklampsie signifikant erhöht, insbesondere bei Vorliegen weiterer Risikofaktoren. Bei Zustand nach Präeklampsie bewirkt die Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure von 100 mg/Tag eine signifikante Reduktion des Wiederholungsfalls. Die Einnahme sollte ab Erstdiagnose der Folgeschwangerschaft bis spätestens 16. SSW begonnen werden. Weitere präventive Maßnahmen entziehen sich zur derzeitigen Studien- und Datenlage dem Nachweis der Wirksamkeit.
147 13.4 · Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung
13.4
Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung
13.4.1
Frühgeburt
Definition, Risikofaktoren, Epidemiologie Eine Entbindung vor 37+0 SSW post menstruationem wird als Frühgeburt (FG) bezeichnet. In sehr frühen Schwangerschaftswochen handelt es sich auch bei Lebenszeichen <500 g um eine Frühgeburt. Risikofaktoren sind: 4 Sozialstatus (niedriger Ausbildungsstatus, Arbeitslosigkeit, alleinstehend) 4 Ethnische Faktoren (Afroamerikanerinnen) 4 Höheres maternales Alter 4 Nikotinabusus 4 Belastete geburtshilfliche Anamnese (Zustand nach FG, Aborten, uterinen oder zervikalen Operationen) 4 Mehrlingsschwangerschaften (auch nach reproduktionsmedizinischen Maßnahmen) 4 Maternale Vorerkrankungen (Diabetes, Hypertonus, Autoimmunerkrankungen, Transplantationen etc.) 5–7% der Entbindungen in Europa erfolgen vor vollendeten 37 SSW. Die Inzidenz ist trotz Weiterentwicklung der Perinatalmedizin steigend mit Zunahme der sehr frühen Frühgeburten und daraus resultierenden Geburtsgewichten <1000 g. Ursächlich werden die zunehmenden Größen der Kollektive mit o.g. Risiken angesehen.
Ätiologie Ätiologisch werden verschiedene Prozesse akzeptiert, die sämtlich in einer Endphase mit vorzeitigen Wehen, vorzeitigem Blasensprung, Blutungen, Plazentalösung und erforderlicher Beendigung der Schwangerschaft münden. Die Diagnose »vorzeitige Wehen« ist meist nicht erste Ursache einer Frühgeburt, sondern wird durch weitere Faktoren hervorgerufen. Im Einzelnen sind dies folgende Faktoren: 4 Die Infektion: lokale oder systemische Infektionen bewirken durch vermittelte Prostaglandinfreisetzung aus Dezidua, Chorion und Amnion eine Aktivierung der uterinen Kontraktilität. In der Folge kommt es zur Zervixreifung und bei fortbestehender Wehentätigkeit zur Eröffnung des Muttermundes. 4 Eine gestörte Plazentation: Die Etablierung einer physiologischen uteroplazentaren Zirkulation durch die so genannte erste und zweite Trophoblastinvasion in die maternale Dezidua und das innere Myometrium stellt die Versorgung des Feten sicher. Dies ist messbar bzw. nachvollziehbar an der Veränderung des Strömungsprofils in der Dopplersonografie an den uterinen Arterien. Bei Persistenz eines erhöhten Widerstandes und/oder eines »Notches« ist das Risiko für die Entwicklung einer Wachstumsretardierung und/oder einer Präeklampsie deut-
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
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lich erhöht. Beide Entitäten gehen in einem hohen Prozentsatz mit Entbindungen im Frühgeburtszeitraum einher. Die pathologische Lokalisation der Plazenta im Sinne einer Plazenta praevia ist ebenso wie die vorzeitige Lösung der Plazenta von ihrer Haftfläche eine der Hauptursachen für die Frühgeburtlichkeit. 4 Pathologien aufgrund der anatomisch funktionellen Gegebenheiten: Uterusfehlbildungen wie Uterus duplex, bicornis, subseptus, arcuatus sind Risiken bzw. Ursachen von rezidivierenden Aborten, Wachstumsrestriktionen und Frühgeburtlichkeit. Myome können in einem Spektrum von komplikationsloser Schwangerschaft bis zu massiven Komplikationen mit vorzeitigen Wehen, Wachstumsrestriktion, vorzeitiger Plazentalösung bis zur Myomerweichung zudem Ursachen für eine frühzeitige Entbindung sein. Die Insuffizienz der Zervix mit Verkürzung in ihrer Länge und in der Folge Eröffnung des Muttermundes ist eine weitere funktionelle/anatomische Ursache der Frühgeburtlichkeit. Dabei ist es von nachgeordneter Bedeutung, worauf diese zurückzuführen ist (Voroperationen wie Konisationen, wiederholte intrauterine Eingriffe wie Abort- oder Interruptioeingriffe, lokale Infektionen, Uterusdehnung durch Mehrlinge, Polyhydramnion etc.). 4 Fetale Erkrankungen bzw. Mehrlinge im Sinne pathologischer Belastung der uterinen Reserven: Generell bedeutet jede fetale Erkrankung ein höheres Frühgeburtsrisiko, insbesondere Fehlbildungen oder Syndrome, die mit einer intrauterinen Wachstumsrestriktion und auffälligen Dopplerflussprofilen einhergehen, aber auch genetische Erkrankungen (Triploidie, Trisomie, Mikrodeletionen). Bei maternalem Gestationsdiabetes, der nicht erkannt oder unzureichend therapiert ist, kommt es zur Entwicklung eines Polyhdramnions. Die Atresie oder tracheal fistelnde Ösophagusanlage beim Kind führt ebenfalls häufig zu einem Polyhdramnion. Dieses bewirkt durch die Überdehnung des Uterus eine erhöhte Wehenbereitschaft.
Klinik Regelmäßige frühzeitige Wehentätigkeit (vor 37+0 SSW) mit Zervixwirksamkeit (Verkürzung, MM-Eröffnung), ziehende Schmerzen bis zur symptomlosen MM-Eröffnung bei Zervixinsuffizienz. Bei lokalen Infektionen wird zum Teil von den Schwangeren veränderter Ausfluss beklagt.
Diagnostik 4 Kardiotokografie (CTG) zur Erfassung der uterinen Aktivität und Kontrolle der fetalen Herzaktion 4 Vaginale Spekulumeinstellung mit Beurteilung des Zervixbefundes in Länge und Geschlossenheit 4 Abnahme eines bakteriologischen Abstrichs zur Identifizierung pathologischer Keime 4 ggf. palpatorische Beurteilung der Zervix und des Muttermundes 4 Unter sterilen Bedingen ggf. Messung der vaginalen Zervixlänge (entscheidend ist die Strecke des geschlossenen Anteils, Grenzwert 25 mm, ein innerer Trichter erhöht das Frühgeburtsrisiko)
149 13.4 · Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung
4 Abdominale Ultraschalluntersuchung mit Biometrie und Dopplersonografie des Feten und der uterinen Arterien zur Erkennung pathologischer Flussmuster 4 Infektionsdiagnostik: 5 Messung des vaginalen pH-Werts (normal bis 4) 5 Nativzytologie erlaubt Infektionsdiagnose, jedoch keine Erregeridentifizierung, daher ist ein mikrobiologischer Abstrich unabdingbar. ! Cave Die Entnahme der Probe muss vor allen anderen Untersuchungen erfolgen, da sonst die Ergebnisse verfälscht werden. 5 Systemischer Infektionsausschluss (CRP, Leukozyten, selten Präkalzitonin)
Therapie – Allgemeines Ziel ist die Outcome-Verbesserung des Feten ohne Morbiditätserhöhung für die Mutter. Daher kann im Einzelfall sowohl die Schwangerschaftsverlängerung oder aber die Entbindung indiziert sein. > Memo Nach 34+0 SSW werden keine schwangerschaftsverlängernden Maßnahmen ergriffen. Vor 34+0 SSW muss abgewogen werden, ob die Prolongation der Schwangerschaft mit einem Benefit für den Feten einhergeht. Je früher die SSW, desto größer ist der Gewinn. Die Verlegung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum soll vor dem Hintergrund der optimalen neonatologischen Versorgung erfolgen.
Therapiemaßnahmen 4 Fetal: Lungenreifeinduktion mit 2-malig 12 mg Betamethason i.m. im Abstand von 24 h, volle Wirksamkeit nach 48 h erreicht. Betamethason ist plazentagängig und induziert in den fetalen Alveozyten die Produktion des Antiatelektasenfaktors. Dadurch werden im Fall einer frühzeitigen Entbindung weniger lange Beatmungszeiten und niedrigere Beatmungsdrücke erforderlich, ebenso ist eine signifikante Reduktion von Hirnblutungen die Folge. Die Wirksamkeit ist ab 24+0 SSW bis 34+0 SSW gegeben. Die Nebenwirkungen einer eingeschränkten Oszillation im CTG, reduzierter Kindsbewegungen innerhalb der ersten Tage nach Applikation dürfen nicht falsch interpretiert werden. Eine Wiederholung des Zyklus ist nicht indiziert. ! Cave Eingriff in den maternalen Kohlhydratstoffwechsel, erhöhter Insulinbedarf bei Diabetikerinnen. 4 Maternal: Tokolyse mit Kalziumantagonisten (Nifedipin, Off-label-use) oral, β-Sympathomimetika (Fenoterol) intravenös (orale Gabe ohne Effekt), Oxytocinrezeptorantagonisten (Tracotile) intravenös möglich. Kontraindikationen sind die fetale oder maternale Indikation zur Schwangerschaftsbeendigung, ein nicht überlebensfähiger Fetus und das manifeste Amnioninfektionssyndrom. 4 Antibiose: Da ein beträchtlicher Anteil der vorzeitigen Wehentätigkeit auf einer Infektion beruht, muss auch bei unbekanntem Keimspektrum eine Antibiose begonnen werden. Zu den Antibiotika oberster Priorität gehören Amoxicillin ggf. in Kombination mit Clavulansäure, alternativ
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Cephalosporine oder Erythromycin. Nur in Ausnahmefällen wird das nephro- und ototoxische Gentamycin appliziert. 4 Hospitalisierung: Die Entkopplung vom Alltagstress mit eingeschränkter Bettruhe zeigt zusätzlich zu den medikamentösen Maßnahmen positive Auswirkungen auf Schwangerschaftsdauer und Reduktion der Wehentätigkeit.
Prävention
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Gewissenhafte Schwangerenvorsorge deckt anamnestische Risiken auf; im Verlauf Erfassung dynamischer Risiken wie Veränderung der Zervixlänge, des Vaginal-pH. Der Nutzen einer prophylaktischen Cerclage ist umstritten, scheint aber im »Hochrisiko-Anamnese-Kollektiv« (z.B. Zustand nach 3-fachem Abort, 2-maliger Konisation, 1-maliger Frühgeburt) individuell von schwangerschaftserhaltendem und -verlängerndem Gewinn zu sein. Cerclage: 4 In der Literatur keine einheitliche Aussage zu Nutzen in Hinblick auf fetales Outcome. 4 Methode: Operationen nach Shirodkar und McDonald, Modifikation nach Katz. Allen Techniken gemeinsam ist die Applikation eines kräftigen Bändchens im Zervixhalsbereich mit Verknotung und damit mechanischer Verschluss- und Stützkomponente. 4 Durchführung als prophylaktische Maßnahme ab 14 SSW, aktuell in abnehmender Indikationsstellung, bis etwa 24 SSW als Notfalleingriff bei bereits sich öffnendem Muttermund. In beiden Indikationsstellungen sollten negative mikrobielle Abstrichergebnisse und negative systemische Infektionsparameter vorliegen und bei notfallmäßigem Eingriff unter antibiotischem Schutz erfolgen. 4 Kontraindikationen: Amnioninfektionssyndrom, PROM (vorzeitiger Blasensprung), regelmäßige Wehentätigkeit.
13.4.2
Vorzeitiger Blasensprung
Definition und Ätiologie Premature rupture of membranes (PROM) bedeutet vorzeitiger Blasensprung vor Geburtsbeginn. Der preterm PROM (P-PROM) bezeichnet den vorzeitigen Blasensprung vor 37+0SSW. Im reifen Gestationsalter führt der vorzeitige Blasensprung meist zur Entwicklung von Wehentätigkeit und damit zur Geburt. Falls nach 8–24 h keine körpereigenen Wehen einsetzen, ist die Indikation zur Einleitung der Geburt und antibiotischem Schutz gegeben. Risikofaktoren sind ähnlich der Frühgeburtlichkeit: 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 Polyhydramnion 4 Fetale Erkrankungen 4 Lokale und systemische Infektionen 4 Cerclage 4 Amniozentese/Chorionzottenbiopsie
151 13.4 · Frühgeburtlichkeit und vorzeitiger Blasensprung
4 4 4 4 4
Intrauterine Eingriffe Maternaler Diabetes Blutungen im 1. und 2. Trimenon Niedriger Sozialstatus Nikotinabusus
Klinik Meist berichten die Schwangeren von vaginalem Flüssigkeitsabgang, der auch als verstärkter Ausfluss beschrieben wird. Nicht zwingend begleitet von Schmerzen, Blutung oder Wehentätigkeit.
Diagnostik Die Spekulumeinstellung erlaubt die klinische Verifizierung in 90% der Fälle. Falls dies nicht eindeutig gelingt, so wird mittels eines biochemischen Testverfahrens die Diagnose PROM gesichert. Hierbei werden Bestandteile des Fruchtwassers mithilfe eines Indikatortests nachgewiesen: IGFBP, Fibronektin. Sonografisch muss die Fruchtwassermenge (FW) beurteilt werden, ein Anhydramnion oder Oligohydramnion untermauern die Diagnose, eine normale FW-Menge schließt jedoch einen Blasensprung nicht aus! Die fetale Biometrie erfolgt zur Überprüfung des Gestationsalters und Dokumentation einer zeitgerechten Entwicklung bzw. der Erkennung zusätzlicher fetaler pathologischer Befunde. Der mikrobiologische Abstrich der Zervix dient dem Erregernachweis. Mütterlicherseits müssen Infektionsparameter überwacht und klinisch frühzeitig ein Amnioninfektionssyndrom erkannt werden (Fieber, Tachykardie, druckdolenter Uterus). In vereinzelten Fällen, insbesondere in sehr frühen Schwangerschaftswochen kann die Bestimmung des Interleukin aus dem Fruchtwasser (Amniozentese) bei der Entscheidungsfindung zur Entbindung wegweisend sein.
Therapie und Vorgehen Ein Spontanverschluss ist selten. Ausnahme bildet das so genannte Fruchtwasserleck nach Amniozentese, das eine Verschlusswahrscheinlichkeit von >60% hat. Unabhängig von Medikamenten und Maßnahmen entbinden 60% der PROM-Fälle zwischen 15 und 25 SSW innerhalb einiger Tage. Das Gestationsalter zum Zeitpunkt des Blasensprungs ist der entscheidende Parameter für pränatales Vorgehen und neonatales Outcome. Unterschieden wird zwischen dem konservativen schwangerschaftserhaltenden und aktivem schwangerschaftsbeendenden Vorgehen. Erstes hat zum Ziel die Vermeidung bzw. Reduzierung der Frühgeburtlichkeit, zweites nimmt sie unter Umständen auch in frühen SSW bei überwiegenden Risiken bzw. Indikationen in Kauf. Wichtig ist die Überwachung folgender Parameter: 4 Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP) 4 Maternale Temperatur 4 Herzfrequenz 4 CTG
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
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4 Ultraschall (Wachstum, Fruchtwassermenge, Zervixbefund) ! Cave Keine vaginalen Untersuchungen; falls Erhebung eines Zervixbefundes erforderlich ist, so muss dies durch eine Spekulumeinstellung erfolgen. Interdisziplinäre Konsile und Abstimmung mit Neonatologie, Psychologe, ggf. Dolmetscher sind zu organisieren. PROM vor 20 SSW: Es ist bei sehr schlechter Prognose die Beendigung der Schwangerschaft zu diskutieren, ein zunächst abwartendes Verhalten ist gerechtfertigt. Klare Aufklärung ist auch durch neonatologischen Kollegen über Risiken der extremen Unreife und Lungenhypoplasie bei zu erwartender extremer Frühgeburt wichtig, falls Lebensreife erreicht würde. Auch wenn eine antibiotische Prophylaxe nicht generell empfohlen wird, so wird sie dennoch oft durchgeführt. PROM 20+0 bis 23+5 SSW: Bei vorhandener Infektion ist die SS-Beendigung unter Antibiose indiziert. Bei fehlenden Infektionszeichen ist das Vorgehen individuell, dennoch wird die Prognose für das Kind sehr kritisch eingeschätzt. In die Entscheidungsfindung fließen der Wunsch der Mutter/Eltern, maternale und fetale Parameter (FW-Menge, Wachstum, Doppler etc.) ein und sollte im interdisziplinären Konsens mit der Neonatologie getroffen werden. Eine Antibiose zur Infektionsprophylaxe scheint von Nutzen zu sein, eine Tokolyse wird ab 23 SSW in Einzelfällen erwogen. Eine Lungenreife ist ab 23+5 SSW indiziert, sehr vereinzelt werden positive Effekte ab 23+0 SSW berichtet. PROM 23+5 bis 32+0 SSW: Die neonatale Mortalität sinkt mit jedem »gewonnenen« Tag in der Prolongation der Schwangerschaft. Auch die Morbidität sinkt, signifikant nach 28+0SSW und beinhaltet intraventrikuläre Gehirnblutungen, periventrikuläre Leukomalazie, Retinopathie, Bronchopulmonale Dysplasie, neurologische Entwicklungseinbußen und -verzögerungen etc. Eine individuelle Prognose ist aufgrund des nicht vorhersehbaren postnatalen Verlaufs nicht möglich. PROM 32+0 bis 34+0 SSW: Bei Vorliegen von Entzündungszeichen Beendigung der SS unter Antibiose. Eine Lungenreifeinduktion ist nicht mehr zwingend erforderlich. Bei Fehlen von Entzündungszeichen ist ein zuwartendes Verhalten bis 34 SSW möglich, die berichteten zunehmenden Fälle mit periventrikulärer Leukomalazie müssen gegen dieses Vorgehen abgewogen werden. PROM ab 34+0 SSW: Management entspricht dem Vorgehen am Entbindungstermin, ab 8–12 h sollte mit dem aktiven Management der Geburt begonnen werden, eine Einleitung mit dem Ziel der vaginalen Geburt ist bei fehlenden Kontraindikationen (Beckenendlage bei Frühgeburt, IUGR, pathologisches CTG etc.) möglich, antibiotische Prophylaxe. Antibiosen der Wahl bei PROM sind Penicilline oder Makrolide. Sie senken die Zahl der Chorioamniotiden (AIS: Amnioninfektionssyndrom) und die Frühgeburtsrate sowie die neonatale Infektionsmorbidität, auch eine Reduktion auffälliger postnataler sonografischer Gehirnbefunde wird beschrieben.
153 13.5 · Intrauteriner Fruchttod
Der Geburtsmodus ist von der SSW abhängig. Vor 24 SSW ist keine Verbesserung des neonatalen Outcome durch eine Sectio-Entbindung zu erzielen, dennoch wird in Einzelfällen eine Kaiserschnittentbindung durchgeführt, auch wenn weitere Indikationen hierzu fehlen. Ab 24+0 SSW soll die für den Feten schonendste Geburtsmethode gewählt werden, diese stellt meist die Sectio dar. Jenseits 32 SSW wird bei Schädellage, zeitgerechter Entwicklung und unauffälligem CTG bei reifem Muttermundsbefund auch die vaginale Geburt möglich.
13.5
Intrauteriner Fruchttod
Definition und Epidemiologie Intrauteriner Fruchttod (IUFT) definiert das Absterben eines Feten nach 24+0 SSW, betrifft bundesweit 0,44% der Schwangerschaften, die Meldung von Totgeburten ist gesetzlich vorgeschrieben ab einem Geburtsgewicht >500 g.
Ätiologie Mögliche Ursachen auf maternaler Seite umfassen: 4 Diabetes mellitus 4 Lupus erythematodes 4 Antiphosphlipid-Syndrom 4 Infektionen aus dem »TORCH-Spektrum«, insbesondere Chlamydien, Streptokokken und Lues 4 Ferner sind Alkohol- und Drogenabusus mit dem IUFT ursächlich assoziiert. Fetale Ursachen sind: 4 Fehlbildungen (Gastroschisis, Herzvitien, Skelettdysplasien, Spina bifida, Hydrozephalus etc.) 4 Chromosomenstörungen (Trisomie 21, 13, 18, XO) 4 PROM mit Infektionen 4 Schwere und frühe Wachstumsrestriktion mit pathologischen Dopplerflüssen 4 Nabelschnurknoten 4 Fetomaternale Transfusion 4 Fetofetales Transfusionssyndrom bei monochoriot-diamnioten Geminischwangerschaften (FFTX) 4 Vorzeitige Plazentalösung 4 Nabelschnurvorfall Risikofaktoren sind: 4 Fetales Gewicht (50% <1500 g, 37% <1000 g) 4 Männlich > weiblich 4 Sozialstatus der Mutter (insbesondere Alleinstehende und Sozialhilfeempfänger) 4 Alter der Mutter (<18 und >40 am riskantesten)
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
4 4 4 4 4 4
Nikotinabusus (>16 Zigaretten/Tag) Körpergewicht der Mutter (sowohl Untergewicht als auch Adipositas) Mehrlinge (Gemini 5-fach, Drillinge 10-fach erhöhtes Risiko) »Intensität« der Schwangerschaftsvorsorge (weniger ist riskanter) Bedeutung möglicher Umwelt- oder saisonalen Faktoren ist unklar Weitere Risikomarker sind das HELLP-Syndrom, Anämie der Mutter, Drogenabusus, Zustand nach Cordozentese (Nabelschnurpunktion), antenatale Fruchtwasserembolie (bis 40%), Lageanomalien (Beckenendlage!), Schulterdystokie.
Klinik 4 Subjektiv: fehlende Kindsbewegungen 4 Objektiv: Fehlende kindliche Herztöne im CTG und Ultraschall. 4 Gefahren bestehen in einer Infektion der Fruchthöhle (AIS), Gerinnungsstörungen durch Einschwemmung thromboembolischen Materials in die maternale Blutbahn.
Diagnostik
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4 CTG/Auskultation: keine Herztöne 4 Ultraschall: fehlende Herzaktion inklusive Dopplerkontrolle. 4 Todeszeitpunkt: 5 Mazerationsgrad: J Grad I (wenige Stunden): Haut grauweiß, erweicht J Grad II (wenige Tage): grauschmutzige Haut, abgehobene Blasen, Hautfetzen, Subkutis und Fruchtwasser durch Hämolyse braunrötlich, Lockerung der Gelenk- und Knochenverbindungen. J Grad III (2–3 Wochen p.m.): Haut schmutzig, vollständiger Tonusverlust, Verflüssigung innerer Organe (Kolliquationsnekrose), Flüssigkeitsansammlung in Kopf, Thorax und Abdomen. J Fetus papyraceus: Eintrocknung J Lithopädion: Inkrustation
Therapie Je früher in der SS der Fruchttod eintritt, desto länger ist die Latenzzeit zur spontanen Ausstoßung/Geburt. ! Cave Keine Maßnahmen, die zur Verletzung der Mutter führen! Beendigung der SS erfolgt nach Diagnosesicherung, wobei die Spontangeburt angestrebt wird. Die Weheninduktion erfolgt mit lokaler Prostaglandinapplikation (Cergem) zur Zervixreifung, bei reifer Zervix Weheninduktion mittels i.v.-Gabe (Nalador). Alternativ ist auch eine Wehenunterstützung mit Oxytocin möglich. 4 Überwachung: Engmaschige Kontrolle des maternalen Gerinnungsstatus. Sectio oder Sectio parva bei schwerem maternalen Gerinnungsdefekt, Plazenta praevia, vorzeitiger Lösung oder DIC. 4 Entbindung/Nachsorge: Obduktion und genetische Untersuchung des Feten nur bei vorliegender Einverständniserklärung der Eltern. 4 Thromboseprophylaxe bei protrahiertem Verlauf, bei Verdacht auf Infektion Antibiose. FFP bei Fibrinogen <100 mg/dl, Thrombopenie <20000/μl erfordert die Substitution mit Thrombozytenkonzentraten.
155 13.5 · Intrauteriner Fruchttod
4 Dead fetus syndrome: Innerhalb ersten 10 Tage selten, jedoch 5 Wochen nach IUFT in 25–40%! Bei Retention des abgestorbenen Feten schleichende Gerinnungsstörung mit Fibrinogenabfall <150 mg/dl, Verlängerung der PTT, Thrombopenie <100000. Das Akutereignis einer Fruchtwasserembolie erfordert bei sehr hoher maternaler Mortalität Intensivtherapie und unmittelbare Entbindung. 4 IUFT eines Zwillings: 5 Chorionizität überprüfen 5 30 SSW anstreben 5 Bei FFTX Lasertherapie erwägen 5 Engmaschig BB, Gerinnung, CRP 5 CTG täglich 5 US/Doppler 2-mal/Woche 5 Entbindung: Spontangeburt anstreben, oft jedoch Sectio aufgrund fehlender Einstellung des vitalen Zwillings. Unmittelbare Sectio bei beginnender Gerinnungsstörung. Die Prognose für den überlebenden Geminus ist bei monochorioter Situation mit 12% Mortalität und 26% neurologischen Defekten ernst, hingegen bei dichorioter Situation mit 4% Mortalität und 12% neurologischen Defekten deutlich besser. Der psychologischen Betreuung kommt große Bedeutung zu; wichtig ist die Anerkennung der Schwangerschaft und des abgestorbenen Kindes unabhängig von SSW. Vorsichtige Wortwahl, Zeit geben. Möglichkeit professioneller Hilfe durch Psychosomatik bzw. Psychologie und Seelsorge sollte aufgezeigt, Kind nach der Geburt im Kreißsaal/Zimmer belassen werden. Sehr hilfreich neben oder im Rahmen professioneller Hilfe in der Verarbeitung sind Rituale, z.B. Lagerung des Kindes in einem Körbchen, Segnungszeremonie durch SeelsorgerIn, Kerzen, Gebet, etc. Beerdigung ansprechen, nach Gesetz Pflicht ab 500 g Geburtsgewicht. Besondere Beachtung gilt der psychologischen Aspekte nicht nur im Akutfall und Nachbetreuung, sondern auch in der Folgeschwangerschaft.
Prävention und Schwangerenvorsorge Bei Zustand nach IUFT sind bei der nächsten Schwangerschaft angezeigt: 4 Kontrolle von Labor (BB, Gerinnung) 4 Ausschluss Anti-Phospholipid-Syndrom, Lupus erythematodes 4 Blutgruppe, Antikörpersuchtest 4 Infektionsserologie (CMV; Toxoplasmose, Listerien, Röteln etc.) 4 OGTT früh und in 24–28 SSW 4 Ggf. Internistische Kontrolle zum Ausschluss präexistenter Nierenerkrankungen und Hypertonus. ! Cave Die Folgeschwangerschaft ist eine Risiko-Schwangerschaft! Je nach SSW des ersten IUFTs wird die Einleitung der Geburt etwas früher angeboten, der errechnete Entbindungstermin sollte nicht überschritten werden.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
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Intrauterine Wachstumsrestriktion, »small for gestational age«
Definition und Epidemiologie Intrauterine Wachstumsrestriktion (intrauterine growth restriction = IUGR) bedeutet das Verlassen der perzentilengerechten Wachstumskurve in der Regel unter die 10. Perzentile der pränatalen Gewichtsschätzung, der Fetus schöpft sein Wachstumspotenzial nicht mehr aus. Davon zu trennen ist das Wachstum entlang einer Perzentile <10, aber ohne Dezeleration, bezeichnet als »small for gestational age« (SGA); vereinzelt durchläuft ein SGA-Fetus noch eine IUGR. In der Praxis werden die beiden Entitäten oft nicht getrennt, was retrospektiv eine Vermischung der Ätiologie bzw. Ursachen und eine erschwerte adäquate neonatale Betreuung bedeutet. Betroffen sind 5% aller Neonaten, die Morbidität und Mortalität von IUGR-Feten ist erhöht. Ein hoher Anteil der Frühgeborenen ist wachstumsretardiert bzw. SGA, über ein Drittel der intrauterin verstorbenen Kinder ist mangelernährt. Es besteht eine klare Assoziation zwischen intrauteriner Wachstumsrestriktion und erhöhtem Risiko kardiovaskulärer (KHK, Herzinfarkt, Hypertonie) und metabolischer (Diabetes mellitus) Erkrankungen im Erwachsenenalter (Barker-Hypothese).
Ätiologie Ätiologisch zu unterscheiden ist die frühe symmetrische (20%, vor 20 SSW beginnend) von der späten eher asymmetrischen (jenseits 20 SSW) IUGR. Typische Ursachen für die frühe IUGR sind: 4 Chromosomale Störungen (Trisomie, Monosomie, Triploidie) 4 Infektionen (CMV, Toxoplasmose, Röteln, Listeriose, Malaria, etc.)
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Für die häufige späte Form sind folgende Ursachen bekannt: 4 Mangelnde Trophoblastinvasion mit mangelhafter uteroplazentarer Durchblutung 4 Maternale Erkrankungen (Hypertonie, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Präeklampsie, HELLP-Syndrom, Thrombophilien, etc.) 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 Nikotin-, Drogen-, Medikamentenabusus etc.
Klinik Eine typische klinische Symptomatik ist nicht definiert. Auffällig kann ein der Schwangerschaftswoche nicht entsprechender Bauchumfang bzw. Symphysenfundusabstand sein, bei adipösen Bauchdecken wird dies jedoch verkannt. Gelegentlich berichten die Schwangeren über verminderte Kindsbewegungen, was bereits für Kompensations- bzw. beginnende Dekompensation des fetalen Mangelzustandes sprechen kann.
Diagnostik Vor der Diagnose IUGR/SGA steht die exakte Überprüfung und ggf. Korrektur des Gestationsalters. Überprüft werden hierbei die Regelanamnese und der in der Frühschwangerschaft durchgeführte Ultraschall. Eine Kor-
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rektur des Gestationsalters soll nur anhand von Messdaten bis zur 12. SSW erfolgen und wird meist ab einer Diskrepanz von mehr als 5 Tagen zwischen Berechnung über die letzte Periode und Ultraschalluntersuchung im 1. Trimenon durchgeführt. Eine spätere Angleichung aufgrund bereits verzögerten Wachstums ist falsch. Wichtigstes Diagnostikum ist der Ultraschall, mit dem einerseits die Biometrie vermessen und die Diskrepanz zur SSW festgestellt wird, andererseits mithilfe der morphologischen Beurteilung des Feten Hinweise auf mögliche Ursachen gibt: Häufig sind Chromosomenstörungen mit Fehlbildungen (ZNS-Fehlbildungen, Herzfehler, Skelettanomalien etc.) und/ oder IUGR/SGA verbunden. Die Durchführung einer Amniozentese oder Chorionzottenbiopsie bzw. Plazentazentese ermöglicht die Analyse der fetalen Zellen und Erstellung eines Karyogramms bzw. gezielte Suche nach Auffälligkeiten (Mikrodeletionen). Der Ausschluss einer infektiösen Ursache erfolgt über die mütterliche serologische Untersuchung, in Einzelfällen kann der Erregernachweis aus Fruchtwasser, Chorionzellen oder Fetalblut nötig sein (CMV, Röteln, Toxoplasmose). Das pathologische dopplersongrafische Flussprofil der Aa. uterinae mit erhöhtem Widerstand, persistierender postsystolischer Inzisur (»Notch«) spricht für eine unzureichende bzw. mangelnde Trophoblastinvasion in das mütterliche Deziduagewebe und Myometrium mit nachfolgend nicht adäquater Etablierung des uteroplazentaren Kreislaufs. In der Folge reicht das Plazentazeitvolumen nicht aus, den Feten entsprechend seines Wachstumspotenzials zu ernähren, schließlich kommt es zur Sauerstoffunterversorgung, die eine entsprechende Umstellung der Flussverhältnisse im fetalen Kreislauf zugunsten der Gehirndurchblutung zur Folge hat (»brain sparing«).
Therapie und Betreuung Diese richten sich nach den Ursachen bzw. der zugrunde liegenden Pathophysiologie (Genetik, Infektion, Plazentationsstörung, Noxen). Regelmäßige Kontrollen des fetalen Wachstums werden durch Dopplersongrafie der maternalen Gefäße (Aa. uterinae) und der fetalen arteriellen (A. umbilicalis, A. cerebri media, Aorta) und venösen Gefäße (Ductus venosus, V. cava inferior, V. umbilicalis) ergänzt. Ziel ist das Erkennen der fetalen Gefahrensituation, die eine Entbindung erfordert. Begleitend werden bei kritischen Befunden im Rahmen der stationären Betreuung eine Lungenreifeinduktion ab Lebensfähigkeit (24+0 SSW) durchgeführt, Laborparameter überwacht (Präeklampsie, HELLPLabor) und täglich bis zur 3-malig ein CTG geschrieben. Je früher die SSW, desto mehr Bedeutung kommt dem Ziel zu, die Schwangerschaft zum fetalen Reifegewinn zu verlängern, je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft ist, desto niedriger ist die Indikationsschwelle zur Entbindung. Die dopplersonografische Diagnostik erlaubt die Erkennung der Umverteilung zugunsten des fetalen Gehirns (»brain sparing«) mit hohem peripheren (A. umbilicalis) und niedrigem zentralen Widerstand (A. cerebri media); das Phänomen eines enddiatolischen »reverse flow« in der
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
A. umbilicalis ist ab 32 SSW eine Indikation zur Entbindung, ebenso die schweren Veränderungen im CTG mit tiefen späten Dezelerationen. Eine evidenzbasierte Therapie der IUGR gibt es nicht, Zusatzrisiken wie Stress, Noxen, schlechte Diabeteseinstellung sollen aber unbedingt reduziert werden. Bei Zustand nach Präeklampsie und/oder schwerer IUGR ist der prophylaktische Benefit einer ASS-Gabe (100 mg/Tag) ab Frühschwangerschaft erwiesen.
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Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
13.7.1
Amnioninfektionssyndrom (Chorioamnionitis)
Definition und Ätiologie Das Krankheitsbild ist durch eine Infektion des Amnion und Chorions, des Fruchtwassers, der Dezidua und des Feten charakterisiert. Die wichtigsten Risikofaktoren sind: 4 Subpartal die protrahierte Geburt 4 Präpartal die Zervixinsuffizienz, der vorzeitige Blasensprung (häufigste Ursache!!) 4 Frühgeburt
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Im Genitaltrakt befindliche bzw. durch Manipulation (Operation, Untersuchung) importierte Keime stellen die Erreger des Amnioninfektionssyndroms (AIS) dar. Je nach Typ und Virulenz entwickelt sich der klinische Verlauf. Die für Mutter und Kind potenziell lebensgefährliche Infektion muss daher so früh wie möglich erkannt und therapiert werden. Erreger: zumeist Mischinfektion aus aeroben und anaeroben Keimen, die wichtigsten sind: 4 Streptokokken der Gruppen B und A 4 Enterokokken 4 E. coli 4 Listerien 4 Mycoplasmen 4 Ureaplasma urealyticum 4 Chlamydien (trachomatis) 4 Bacteroides spp., etc. Zwei typische Infektionswege: 4 Hämatogen transplazentar durch maternale Bakteriämie 4 Aszendierend durch Keime aus Zervix und Vagina
Klinik Spektrum von subklinisch bis akutes septisches Vollbild. Meist auf der Stufe der Chorioamnionitis diagnostiziert und therapiert, Vollbild des AIS ist heute selten anzutreffen.
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Maternale Kriterien eines AIS sind: 4 Fieber >38°C 4 Tachykardie 4 Leukozytose 4 Kontraktionen/Wehen 4 Druckschmerzhafter Uterus 4 Riechendes Fruchtwasser Fetales Hauptkriterium eines AIS: 4 Tachykardie >160 bpm 4 Die neonatalen Risiken bestehen in den Infektionsfolgen (Meningitis, Pneumonie, intrakranielle Blutungen, Sepsis) Spätfolgen und Komplikationen für die Schwangere bzw. Wöchnerin sind: 4 Puerperalinfektion bis –sepsis 4 Endometritis 4 Endomyometritis 4 Adnexitis 4 Peritonitis
Diagnostik: Klinische Kriterien: 4 Temperatur 4 Tachykardie (maternal, fetal) 4 Druckschmerzhafter Uterus 4 Kontraktionen 4 Riechendes Fruchtwasser Erregernachweis: 4 Kulturell aus mikrobiologischen Abstrichen aus Zervix/Vagina/Fruchtwasser, mikroskopisch im Gram-Präparat der Abstriche, Erregernachweis aus Blutkultur 4 Postpartal sollte ein Erregernachweis aus Plazenta und Eihäuten erfolgen, identifizierte Erreger sind insbesondere für die Therapie des Neonaten wichtig (Informationsfluss!). Laborparameter: 4 CRP 4 Leukozyten 4 Engmaschige Verlaufskontrollen 4 Ggf. Zytokinbestimmung (IL-6) aus Blut und Fruchtwasser 4 Glukosespiegel im Fruchtwasser 4 Gerinnungsdiagnostik zum Ausschluss DIC CTG: 4 Monitoring bzw. Erkennung fetaler Tachykardie und uteriner Kontraktionen.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Therapie Die hochdosierte antibiotische Therapie soll den septischen Verlauf abwenden. Der frühe Therapiebeginn und Entbindung entscheiden über den Verlauf. Breitspektrumantibiose, z.B. Kombinationen aus Breitbandpenicillin mit Gentamycin und/oder Clindamycin; Cephalosprin und Clindamycin; Clavulansäure, Amoxicillin, Gentamycin und Metronidazol; Imipenem, Breitbandpenicillin und Metronidazol; etc. Bei Progression des AIS muss die rasche Beendigung der Schwangerschaft erfolgen, bei Sepsis oder Befall des Myometriums ist evtl. auch eine Hysterektomie erforderlich.
Vorbeugung Engmaschiges Monitoring der Schwangerschaft und der Parameter des AIS, rechtzeitige hoch dosierte Antibiotikagabe.
Komplikation
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Sepsis: Das AIS kann über Generalisation der »Lokalinfektion« Chorioamnionitis zu der typischen Klinik der Sepsis mit Fieber, Schüttelfrost, Blutdruckabfall, Tachykardie, Bewusstseinseintrübung, Oligo/Anurie führen. Laborparametrisch werden die Parameter Leukozytenzahlen, Thrombozyten, Serumkreatinin, Procalcitonin, Gerinnungsparameter, Laktatspiegel zur Definition herangezogen. Oberstes Therapieziel ist die Eliminierung des Infektionsherdes und die hoch dosierte Anitbiotikatherapie, die sich nach Erhalt des Erregerspektrums anpassen lässt. Die interdisziplinäre intensivmedizinische Behandlung ist absolut erforderlich. ! Cave Auch ein infizierter Abort kann in ein Amnioninfektionssyndrom und eine vital bedrohliche Sepsis münden. Das Erregerspektrum ist hier meist gemischt und die Infektion erfolgt durch Aszension, Plazentareste oder operative Eingriffe sind prädisponierende Faktoren. Therapeutisch sind auch hier die breit- und hoch dosierte Antibiotikaapplikation, die rasche Entfernung des Infektionsherdes (Kürettage, ggf. Hysterektomie als ultima ratio) sowie intensivmedizinische interdisziplinäre Betreuung indiziert.
13.7.2
Infektionen mit Streptokokken der Gruppe B
Epidemiologie Etwa 15% aller Schwangeren weisen eine vaginale Streptokokkenbesiedlung auf. In einem Drittel ist die Besiedlung des Urogenitaltrakts während der gesamten Schwangerschaft nachweisbar, bei zwei Dritteln nur intermittierend. Abhängig vom Ausmaß der mütterlichen Besiedlung erfolgt eine subpartale Kontamination bei etwa 50–60% der Neugeborenen. Hieraus kann sich die konnatale Infektion vom Early-Onset-Typ in 1–2% oder Late-Onset-Typ in 0,5% entwickeln.
161 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
Ätiologie 4 Erreger: Streptokokken der Gruppe B sind grampositive Kokken, unterschieden werden 4 verschiedene Serotypen und Subtypen, bilden Exotoxine und Endotoxine. 4 Übertragung: Pränatale und subpartale Infektion des Un- bzw. Neugeborenen. Die postnatale Infektion ist als nosokomiale Infektion einzustufen. Infektionen von Erwachsenen mit Streptokokken der Gruppe B entstehen häufig durch Kontaktschmierinfektionen.
Klinik Das Spektrum ist bei Erwachsenen sehr variabel (Harnweginfektionen, Septikämien, Pneumonien, Meningitis, Arthritis, Otitis etc.). Eine Streptokokkeninfektion in der Schwangerschaft geht häufig mit vorzeitiger Wehentätigkeit einher und kann zu septischen Aborten, Amnioninfektionssyndrom und transitorischer Bakteriämie führen. Postpartal besteht ein Zusammenhang mit Sepsis, Endometritis und Harnweginfektionen. Die Neugeboreneninfektion ist abhängig von verschiedenen Risikofaktoren: 4 Hohe Keimdichte im Urogenitaltrakt der Mutter 4 Zeitspanne zwischen Blasensprung und Geburt (>18 h) 4 Fieber sub partu >38° 4 Frühgeburt vor 37+0 SSW 4 Bakteriurie mit Streptokokken der Gruppe B während der Schwangerschaft 4 Zustand nach Geburt eines an einer Streptokokkeninfektion erkrankten Neugeborenen Die Erkrankung des Neugeborenen verläuft meist sehr schwer; die Frühform (Early Onset) beginnt überwiegend am 1.–5. Lebenstag mit Zeichen der Sepsis mit Atemnotsyndrom und Schock, Meningitis, seltener Pneumonie, der Verlauf meist foudroyant mit 50–60% Mortalität. Die späte Form (Late Onset) beginnt zwischen der ersten Lebenswoche und dem 3. Lebensmonat meist mit Manifestationsform Meningitis und relativ guter Prognose.
Diagnostik Schwerpunkt liegt in: 4 Kultureller Erregeranzucht und anschließender serologischer Gruppenbestimmung 4 Material: Blut, Urin, Liquor, Eiter, Vaginalabstrich, Zervixabstrich, Analabstrich 4 Empfohlen wird die Untersuchung mittels Vaginal-/Zervixabstrich in der 32.–35. SSW
Therapie Empfindlichkeit auf β-Laktamantibiotika, in der Schwangerschaft Therapie mit Penicillin oder Ampicillin als Mittel erster Wahl. Bei bekannter Besiedlung mit Gruppe-B-Streptokokken (GBS) oder Zustand nach infiziertem Kind muss sub partu eine antibiotische Prophy-
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
laxe mit Penicillin G i.v. einmalig 5 Mio E, dann alle 4 h verabreicht werden, alternativ Ampicillin 2 g, dann 1 g alle 4 h. Bei negativem oder unbekanntem Status erfolgt keine Prophylaxe. Ausnahme: 4 Unbekannter GBS-Status und drohende Frühgeburt von 37+0 SSW 4 Blasensprung vor ≥18 h 4 Mütterliche Temperatur ≥38°C Die prophylaktische Gabe von Antibiotika während der Schwangerschaft vor Beginn der Wehentätigkeit und/oder vor Blasensprung bei Besiedlung ist nicht effektiv, da es bis zur Geburt in 70% zu einer Rekolonisation der Schwangeren kommt.
Chlamydien-Infektion Epidemiologie und Ätiologie In Europa ist die Chlamydien-Infektion eine seltene Geschlechtskrankheit. Der Erreger Chlamydia trachomatis mit Serovariationen L1–L3 wird über sexuelle Kontakte übertragen.
Klinik Regionäre Lymphknotenschwellung in 60%, einseitig, hart, schmerzlos. Primärerscheinungen an der Portio sind möglich. Lymphogranuloma venereum: Lymphangitis mit Hyperplasie des perirektalen und intestinalen Gewebes. Weitere mögliche Folgen sind perianale Abszesse, rektovaginale/anale Fisteln und Stenosen.
Diagnostik
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Antikörpermarkierung macht Erreger im Fluoreszenzmikroskop sichtbar, ferner ELISA und PCR. (Neue Regelung in der Schwangerenvorsorge: Urinkultur).
Therapie Erythromycin 500 mg 4-mal täglich oral über 7 Tage. Bei Vorliegen eines anorektalen Syndroms ist ggf. eine Entbindung per primärer Sectio indiziert.
Prävention Expositionsprophylaxe.
Neisseria gonorrhoeae (Gonorrhoe) Epidemiologie und Ätiologie Die Gonorrhoe gehört zu den häufigsten Geschlechtskrankheiten mit einer weltweiten Ausbreitung von bis zu 25 Mio Neu(!)erkrankungen pro Jahr. Besonders hohe Prävalenz in Entwicklungsländern, in Deutschland wird mit 4 Erkrankten/100000 Einwohnern gerechnet, betroffen sind überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene. 4 Erreger: Neisseria gonorrhoeae, gramnegative Diplokokken mit verschiedenen serologischen Typen unterschiedlicher Pathogenität. Außerhalb des menschlichen Organismus nicht überlebensfähig.
163 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
4 Übertragung: Durch ungeschützten Geschlechtsverkehr oder oralen/ analen Kontakt. Frauen erkranken nach einmaligem Kontakt in 60– 90%. Infizierte Schwangere können sub partu die Gonokokken auf das Neugeborene übertragen. Keine Übertragung durch Tiere oder Gegenstände. Ansteckung auf Toiletten sehr unwahrscheinlich.
Klinik Bei 50% der infizierten Frauen verläuft die urogenitale Gonorrhoe asymptomatisch. Betroffen sind typischerweise Zervix, Urethra, Rektum, BartholinDrüsen und Nasopharynx. Außerhalb der Schwangerschaft kommt es durch Aszension zu Endometritis, Salpingitis, pelvic inflammatory disease (PD) mit der Folge der Infertilität, selten Bakteriämie mit den Folgen Arthritis, Konjunktivitis, Retinitis, Endokarditis, Perikarditis, Fieber. Häufig bestehen Koinfektionen mit Chlamydien, Ureaplasmen, Trichomonaden etc. ! Cave Auch Ko-Infektion mit Treponema pallidum oder HIV möglich. In der Schwangerschaft besteht eine erhöhte Gefahr der systemischen Ausbreitung. Akute wie chronische Gonorrhoe kann während der Geburt das Kind infizieren: Gonoblenorrhoe führt unbehandelt zur Korneadestruktion und konsekutiver Erblindung. Im Wochenbett kann es zu Fieber durch Aszension kommen.
Diagnostik Erregernachweis erfolgt mikroskopisch (Gram-Färbung) und kulturell (Selektivnährböden) aus Urethra- und Zervixabstrich und ggf. weiteren Entnahmeorten. Resistenzbestimmung! Kontrollabstriche nach Abschluss der Behandlung.
Therapie Zunehmende Resistenzen gegen Penicilline machen Cephalosporine der 2. und 3. Generation zu den Medikamenten der Wahl für eine Therapie in der Schwangerschaft, Einmalgabe i.m. oder i.v. Bei Vorliegen einer komplizierten Gonorrhoe ist die Therapie auf 7–14 Tage zu verlängern. ! Cave Ko-Infektionen sind auszuschließen! Unabhängig von einer Symptomatik erfolgt die Partnerbehandlung.
Prävention Aufklärung über sexuelles Risikoverhalten. Es steht keine Impfung zur Verfügung. Die Credé-Augenprophylaxe des Neugeborenen zur Vermeidung der Gonoblenorrhoe mit Einträufeln 1%-iger Silbernitratlösung wird zunehmend seltener durchgeführt.
Lues (Syphilis) Epidemiologie und Ätiologie 4 Weltweit vorkommend, Abnahme in Industriestaaten. 4 Erreger: Schraubenförmiges Bakterium Treponema pallidum. 4 Übertragung: Hauptsächlich durch sexuelle Kontakte, Kontagiosität am größten im Primär- und Sekundärstadium. Selten Übertragung bei
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Haut/Schleimhautkontakt oder Nadelstichverletzungen. In der Schwangerschaft diaplazentare Übertragung v.a. in Stadium I und II, auch bei Lues latens Möglichkeit der materno-fetalen Transmission. Übertragung zu jeder Zeit möglich, bevorzugt jenseits 18 SSW. Übertragungsraten: 5 Primäre Syphilis 29% 5 Sekundäre Syphilis 59% 5 Frühlatente Syphilis 50% 5 Späte Syphilis 13%
Klinik
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Erworbene und angeborene Syphilis sind zu unterscheiden. Erworbene Syphilis ist zyklisch: 4 Primärstadium: nach 3-wöchiger Inkubationszeit im Bereich der Labien, Vulva, Portio mit typischer Konsistenz (harter Schanker) und Lymphadenitis in den Leistenbeugen. 4 Sekundärstadium: 6–12 Wochen nach Primäraffekt auftretende Erscheinungen im Genitalbereich: Condyloma lata, syphilitisches Exanthem, gelegentlich auch unter den Mammae, Achselhöhlen, und Mundschleimhaut. Generalisierung der Infektion mit Allgemeinbeschwerden. 4 Latenzstadium: Symptomfreie Phase, in der die Symptome des Stadium II wieder auftreten können. 4 Tertiärstadium, Spätsyphilis: Tuberonodöse Syphilitiden und Gummen an der Haut, Befall des kardiovaskulären und zentralnervösen Systems mit Aortenaneurysmen, Tabes dorsalis, und Apoplex, durchaus letaler Ausgang. Angeborene Syphilis: 4 Syphilis connata: Syphilis congenita praecox mit Manifestation bis zum 2. Lebensjahr entsprechend dem Bild der Syphilis des Erwachsenen. 4 Syphilis congenita tarda: entsprechend der Spätsyphilis des Erwachsenen, beginnt jenseits des 2. Lebensjahrs, charakteristisch ist die Hutchinson-Trias mit Keratitis parenchymatosa, Innenohrschwerhörigkeit und Tonnenzähnen. Theoretisch können alle Organe betroffen sein. 4 In der Schwangerschaft keine Verschlechterung des Verlaufs, jedoch hat das Erkrankungsstadium Einfluss auf den Ausgang der Schwangerschaft, Zeitpunkt der Infektion bestimmt die Schwere der kindlichen Erkrankung. Erhöhte Rate an Spontanaborten, Tot- und Frühgeburten und Hydrops fetalis, erhöhte perinatale Mortalität. 50% aller infizierten Feten sterben intrauterin ab, postnatal frühe oder späte konnatale Syphilis mit den jeweiligen Defektzuständen.
Diagnostik Hauptsächlich direkter Erregernachweis mittels Dunkelfeldmikroskopie und serologische Nachweisverfahren. Stadium I: Material aus Primäraffekt, serologische Stufendiagnostik: 4 TPHA erkennt IgG- und IgM-Antikörper (frühestens 2 Wochen nach Infektion)
165 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
4 Treponema-pallidum-ELISA: quantitativ, ab 2 Wochen post infectionem. 4 Bestätigungstests: 5 FTA-Abs (Fluoreszenz-Treponema-pallidum-Antikörper-Absorbtionstest, qualitativ): positiv bei früher Primärsyphilis und späten Infektionsstadien 5 Treponema-pallidum-ELISA: Bestätigung für TPHA, Tp-WB (Western-blot) weist spezifische IgM- und IgG-Antikörper gegen Polypeptide nach 4 Tests für Behandlungsbedürftigkeit und Therapiekontrolle: 5 VDRL-Test 5 FTA-Abs-Test 5 Treponema-pallidum-IgM-ELISA 5 Treponema-pallidum-Western-Blot-IgM Schwangere sind so früh wie möglich im 1. Trimenon und vor der Geburt serologisch auf Syphilis-Antikörper zu untersuchen. Nach Totgeburt sollte ein Screening erfolgen. Bei positiver Serologie wird der Ausschluss einer HIV-Infektion empfohlen. Sonografische Hinweiszeichen: 4 Restriktives fetales Wachstum 4 Hydrops 4 Hepatomegalie 4 Hydropische Plazenta
Therapie Eine Behandlung sollte ausschließlich bei Vorliegen eindeutiger serologischer Befunde bzw. erfolgtem Erregernachweis erfolgen. In allen Stadien ist Penicillin das Mittel der Wahl, wenn auch in unterschiedlicher Dosierung und Anwendungsdauer (s.a. Empfehlungen der Deutschen STD-Gesellschaft sowie der internationalen Gremien (CDC, CEG) zur Therapie in der Schwangerschaft). In Deutschland wird Clemozolpenicillin G empfohlen. ! Cave Behandlung kann eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion hervorrufen, meist mild und nach 48 h abgeklungen. Alternative zu Penicillin sind Ceftriaxon oder Erythromycin. Präventivbehandlung des Neugeborenen ist notwendig, wenn die Mutter noch gar nicht, unzureichend oder erst gegen Ende der Schwangerschaft behandelt wurde. Serologische und klinische Nachkontrollen sind nötig.
Prävention Wichtig ist Vermeidung des Kontakts mit syphilitischen Effloreszenzen, Kondomverwendung. Stillverbot gilt bei nicht ausreichender Therapie der Mutter. Die erregerspezifischen serologischen Tests in der Schwangerschaft, festgelegt in den Mutterschaftsrichtlinien, haben zur deutlichen Senkung der konnatalen Lues beigetragen.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
13.7.3
HIV
Epidemiologie Weltweite Verbreitung, Schwerpunkte liegen in Osteuropa, Zentralafrika, Asien, Teile Südamerikas; 2000 Neuinfektionen treten in Deutschland/Jahr auf, davon ca. 25% Frauen. Letalität ohne Behandlung liegt bei >60% nach 15 Jahren. Fortschritte in der antiretroviralen Therapie haben Lebenserwartung und Lebensqualität deutlich verbessert, sodass HIV-positive Frauen zunehmend schwanger werden bzw. den Wunsch nach einer Schwangerschaft äußern. Vor diesem Hintergrund ist die Betreuung HIV-diskordanter Paare von großer Bedeutung. Aktuelle Zahlen und Entwicklung der HIVInfektionen werden regelmäßig vom Robert-Koch-Institut publiziert.
Ätiologie
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4 Erreger: das humane Immundefizienzvirus gehört zu den Retroviridae. Unterschieden werden das HIV-1- und das HIV-2-Virus mit jeweils 9 und 5 Subtypen. 4 Übertragung: v.a. sexuell, abhängig von Viruslast, die in Sperma, Vaginalsekret und Blut besonders hoch ist. Weitere Übertragungswege sind intravenös verabreichte Blutprodukte/Konserven, intravenöser Drogenkonsum und maternofetale Transmission. Diese kann sowohl während der Schwangerschaft, sub partu und postpartal durch die Muttermilch geschehen. Auffällig hoch ist die peri- und intrapartale Transmission. 75% der maternofetalen Übertragung erfolgen unter der Geburt oder kurz davor. 25% der Transmissionen geschehen durch das Stillen. Sowohl HIV-assoziierte als auch geburtsmechanische Risikofaktoren beeinflussen die maternofetale-HIV-Transmission. 5 HIV-assoziierte Risikofaktoren sind: J Erhöhte HIV-Virämie, HIV-RNA-Zahl und p24-Antigen-Ämie J Verringerte CD4-Zell-Zahlen und neutralisierende Antikörper J HIV-Varianten und eine progrediente HIV-Infektion 5 Geburtsmechanische Risiken sind: J Vaginale Entbindung J Dauer der Zeitspanne Blasensprung – Geburt J Amnioninfektion J Frühgeburt J Vorzeitige Wehen J Induzierter Spätabort J Blutiges Fruchtwasser J Führender Zwilling gefährdeter Durch entsprechende Diagnostik, antiretrovirale Medikamente, primäre Sectio und Stillverbot wurde seit 1995 in Deutschland die Übertragungswahrscheinlichkeit auf <1–2% gesenkt.
Klinik Der für den klinischen Verlauf entscheidende Faktor einer HIV-Infektion besteht in der Unfähigkeit des Organismus die Viren zu eliminieren, die
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Infektion verläuft progredient und mündet in einer starken Immunsuppression bzw. einem Zusammenbruch des Immunsystems mit letalem Ausgang. Das Stadium der Primärinfektion ist oft klinisch inapparent bis hin zu einem mononukleoseähnlichen Krankheitsbild, gefolgt von einer Latenzphase, die bis zu 15 Jahre ohne Symptome verlaufen kann; die generalisierte Lymphadenopathie steht in 40% vor dem Übertritt in das Immundefizienzstadium AIDS, welches als Endbild der HIV-Infektion durch zahlreiche opportunistische Infektionen, Malignome und neurologische Erkrankungen gekennzeichnet ist. Schwangerschaft und Geburt führen nicht zu einer Verschlechterung des Verlaufs einer vorbestehenden HIV-Infektion, ebenso fehlen Hinweise auf ein HIV-spezifisches Syndrom oder Hinweise für bestimmte fetale Fehlbildungsmuster. Dennoch ist ein erhöhtes Morbiditätsrisiko in der Schwangerschaft zu erwarten, wie Abort, vorzeitiger Blasensprung und/ oder Wehentätigkeit, Frühgeburt, uteroplazentare Mangelversorgung, Koinfektionen (Candida, HPV, HSV), Chorioamnionitis, Anämie, Gestationsdiabetes, Hautaffektionen, zervikale Dys- bzw. Neoplasien. Das fetale Risiko ist v.a. durch die intrauterine Wachstumsrestriktion mit erniedrigtem Geburtsgewicht und erhöhter perinataler Morbidität und Mortalität gekennzeichnet. Im Fall einer perinatalen Infektion kommt es in bis zu 30% zu einer schweren Verlaufsform der HIV-Infektion mit früh auftretenden AIDS-definierenden Erkrankungen in den ersten Lebensmonaten bis Jahren; in 70–75% langsam progrediente Verlaufsform.
Diagnostik So früh wie möglich sollte nach Aufklärung und Einverständnis der schwangeren Patientin ein HIV-Test durchgeführt werden. Screening-Methode in der Schwangerenvorsorge ist der Nachweis spezifischer Antikörper gegen HIV-1 und HIV-2, ein positives Ergebnis muss stets durch ein weiteres Untersuchungsverfahren (z.B. Western-Blot) gesichert werden. > Memo HIV-Test und Test-Ergebnis dürfen nicht im Mutterpass dokumentiert werden. Im Fall einer HIV-Infektion bzw. Erstdiagnose in der Schwangerschaft muss die Patientin in ein Schwerpunktzentrum überwiesen und einer interdisziplinären Betreuung (Gynäkologen, Geburtshelfern, Internisten, Pädiatern) zugeführt werden, wo spezialisierte Beratung und Behandlung sowie psychosoziale Betreuung erfolgen. Allgemeine Schwangerenvorsorge erfolgt gemäß den Mutterschaftsrichtlinien.
Therapie Bei der Betreuung HIV-positiver Schwangerer geht es neben der gesundheitlichen Behandlung um die Verhinderung einer maternofetalen Virustransmission. Dies wird insbesondere erreicht durch: 4 Antiretrovirale Therapie (ART) 4 Primäre Sectio am wehenlosen Uterus (Ausnahmen s.u.) 4 Antiretrovirale Prophylaxe und generelles Stillverbot
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
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Zur Verfügung stehen 3 Substanzgruppen: 4 Nukleosidanaloga (NA, NRTI) 4 Nichtnukleosidale Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NN, NNRTI) 4 Protease-Inhibitoren (PI) Bei der Auswahl müssen Pharmakokinetik, Resistenzsituationen, Teratogenetik und Kanzerogenität berücksichtigt werden. Als nicht teratogen bzw. kanzerogen wird Azidothymidin (AZT, Zidovudin) eingestuft, bei den meisten anderen Substanzen liegen Beobachtungen nur an kleinen Fallzahlen und lassen eine fundierte Risikobewertung kaum zu. Gegenwärtig ist eine 3-fach-Kombination die Therapieform der Wahl in der Schwangerschaft. Die Indikation zur ART richtet sich nach den Parametern der Viruslast und CD4-Zell-Zahlen und dem klinischen Bild. Im unkomplizierten Schwangerschaftsverlauf wird ab 36 SSW am wehenlosen Uterus unter laufender AZT-Infusion die primäre Sectio durchgeführt. Ebenso soll ab 34 SSW bei vorzeitigen Wehen und drohender Frühgeburt eine Schnittentbindung unter AZT-Infusion erfolgen. Auswahl und Durchführung der Therapie sollten an einem Zentrum erfolgen und sich jeweils an den jüngsten Empfehlungen orientieren. Besonders wichtig ist die konsequente Diagnostik und Therapie genitaler Infektionen. Ko-Infektionen mit Chlamydien, Trichomonaden oder eine bakterielle Vaginose korrelieren mit einem erhöhten Transmissionsrisiko v.a. bei vorzeitigen Wehen. Obligat sind in der Schwangerenvorsorge neben den regulären Untersuchungen: 4 Untersuchung des pH-Werts des Vaginalsekrets 4 Anlage eines Nativpräparats und einer mikrobiologischen Kultur 4 STD-Diagnostik 4 Toxoplasmose-Screening zu Beginn der SS mit Wiederholungsuntersuchungen im 2. und 3. Trimenon inklusive einer kompletten Hepatitisserologie, um Neuinfektionen oder Reaktivierungen zu erfassen.
Prävention Eine Impfung gibt es derzeit nicht. Prävention beschränkt sich auf Aufklärung der Bevölkerung hinsichtlich der Gefährdung durch ungeschützten Geschlechtsverkehr, sorgfältige Kontrolle von Blutkonserven und Blutprodukten. Einem besonderen Risiko bei gemeinsamem Spritzen-/Kanülengebrauch sind Drogenabhängige ausgesetzt. Eine sekundäre Sectio ist unter prophylaktischem Gesichtspunkt zur Verhinderung einer Transmission nur bis 5 h nach Blasensprung und in der Eröffnungsperiode wirksam. Generell gilt ein Stillverbot, da durch die Muttermilch selbst und durch blutige Mamillen eine Infektionsgefahr für das Neugeborene besteht. Im 1. Trimenon wird die Durchführung eines Ersttrimester-Screening mit Messung der Nackentransparenz empfohlen, um das individuelle Aneuploidierisiko einzugrenzen. Eine invasive Diagnostik sollte wegen Kontaminations- und Transmissionsgefahr nur bei strengster Indikationsstellung und dann unter antiretroviraler Therapie bzw. Prophylaxe erfolgen. Bei unbekanntem HIV-Status sollte vor invasiver Pränataldiagnostik ein Test angeboten werden.
169 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
Entbindungsmodus: Die Transmissionsrate konnte durch die Einführung der primären Kaiserschnittentbindung von 16,8% bei vaginaler Geburt auf 8,4% gesenkt werden. Mit Einführung der HAART-Therapie wurde die Transmission auf 1–2% gesenkt. Die Entbindung per primären Kaiserschnitt ohne Wehentätigkeit sollte Bestandteil des HIV-Transmissions-Prophylaxe-Vorgehens sein. Der protektive Effekt ist bei Schwangerschaften, die eine HAART erhalten haben und deren Viruslast gegen Ende der Schwangerschaft unter der Nachweisgrenze liegt, minimal. Eine vaginale Entbindung ist deshalb unter optimalen Bedingungen (HAART, Viruslast während der gesamten SS, insbesondere zeitnah zur Geburt, unter der Nachweisgrenze, keine kontraindizierende Koinfektionen) vertretbar, wenn dies von der Schwangeren auch so gewünscht wird und keine geburtshilflichen Befunde dagegen sprechen. Das Neugeborene wird unter Verwendung steriler Handschuhe nach Reinigung mit NaCl 0,9% (um das ggf. kontaminierte Fruchtwasser zu entfernen) abgesaugt (Mund- und Nasenhöhle). Nach Stabilisierung der Kreislauffunktionen sind alle Körperöffnungen in gleicher Weise zu säubern. Vor der Versorgung des Nabels sind die Handschuhe zu wechseln. Die Bevorratung eines HIV-Postexpositionsprophylaxe-Notfall-Sets und das Wissen um die Indikation für und das Vorgehen bei einer HIVPostexpositionsprophylaxe nach beruflicher HIV-Exposition (z.B. Nadelstichverletzung des Operateurs) ist in Kliniken, die HIV-infizierte Patienten betreuen, zwingend (Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIVTherapie in der Schwangerschaft und bei HIV-exponierten Neugeborenen – Update 2008; Leitlinie der DGGG).
13.7.4
Parvovirus-B-19-Infektion (Ringelröteln)
Epidemiologie und Ätiologie 4 Vorkommen weltweit, Durchseuchungsrate in Deutschland 70%, 30– 60% der Schwangeren sind seronegativ. Typischerweise kommt es zu gruppenweisen Infektionen in Kindergärten oder Schulen. 4 Erreger der Ringelröteln: Widerstandsfähiges Parvovirus B19 gehört zur Familie der Parvoviridae. 4 Übertragung über Tröpfcheninfektion (hohe Kontagiosität), möglich auch über kontaminierte Blutkonserven/Blutprodukte. Diaplazentare Übertragung bei Primärinfektionen in der Schwangerschaft in 10%.
Klinik Akute Parvo-B19-Infektion kann symptomlos verlaufen, hat als typische klinische Manifestation das Erythema infectiosum (Ringelröteln) im Bereich von Gesicht und Extremitäten. Arthralgien können über längere Zeit persistieren. Sistieren der Erythropoese führt selten zu einer aplastischen Krise. Infektion in der frühen Schwangerschaft führt gehäuft zum Abort. Infektionen im zweiten Trimenon können durch die Suppression auch der fetalen Erythropoese zu einer fetalen Anämie mit konsekutivem Hydrops
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
fetalis mit Herzinsuffizienz bis hin zum intrauterinen Fruchttod führen. Fehlbildungen, die durch das Parvo-B19-Virus verursacht werden, sind nicht bekannt.
Diagnostik Serologische Untersuchung mit Nachweis von Immunglobulin-M- und Immunglobulin-G-Antikörpern. Bei positivem IgM-Nachweis besteht eine frische Infektion. Bei Erstinfektion in der Schwangerschaft müssen durch wöchentliche Ultraschall- und Doppleruntersuchungen des Feten Hinweise auf eine beginnende Anämie (systolische Maximalgeschwindigkeit der A. cerebri media) und Anzeichen eines Hydrops fetalis (Aszites, Pleuraergüsse, Hautödem) überwacht werden. Eine Untersuchung des fetalen Bluts und/oder Fruchtwassers sichert die Verdachtsdiagnose einer fetalen Infektion (IgM und PCR-Nachweis in Blut und Fruchtwasser).
Therapie Einzig kurative Therapie der fetalen Anämie ist die intrauterine Transfusion. Eine aktive Impfung existiert nicht. Passivimpfung theoretisch möglich, wird aber nach Kontakt mit infizierter Person derzeit von der STIKO (ständige Impfkommission) nicht empfohlen.
Prävention Eine spezifische Expositionsprophylaxe steht nicht zur Verfügung, seronegative Schwangere sollen den Kontakt mit Parvo-B19-infizierten Personen meiden (seronegative schwangere Kindergärtnerinnen erhalten z.B. Beschäftigungsverbot).
13.7.5
CMV – Zytomegalieinfektion
13 Epidemiologie Weltweite Verbreitung, Inzidenz und Prävalenz der Erkrankung sind eng mit sozioökonomischem Status und Bevölkerungsdichte verknüpft. Ab 15 Jahre besteht eine etwa 60%ige Durchseuchung. Neuinfektionen erfolgen in frühem Kindesalter und bei Aufnahme sexueller Aktivität. In Deutschland werden pro Jahr etwa 9000 Kinder mit einer CMV-Infektion geboren.
Ätiologie und Pathophysiologie 4 Erreger: CMV gehört zur Gruppe der Herpesviren, je nach Immunstatus Replikation in verschiedenen Geweben und Zelltypen. 4 Übertragung durch direkten Kontakt mit virusenthaltenden Körpersekreten (Urin, Speichel, Vaginalsekret, Spermine, Muttermilch). Bei primärer maternaler Infektion ist während der Virämie zu jeder Zeit der Schwangerschaft eine transplazentare Infektion des Feten möglich. Ebenso bei Reaktivierung, hier aber meist durch transzervikale Aszension der Viren. Der vaginale Geburtsweg stellt wegen zunehmender Ausscheidung aus Vaginal-/Zervixsekret mit fortschreitender SS die Hauptinfektionsquelle für peripartale Infektionen dar. Postpartale
171 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
Übertragung der Viren meist über die Muttermilch, in 50% der infizierten Mütter positiver Milchnachweis. Säuglinge und Kleinkinder scheiden die Erreger bis über Jahre in Speichel und Urin aus (weitere Infektionsquelle).
Klinik Abhängig vom Immunstatus des Patienten ist der klinische Verlauf variabel. Meist besteht ein asymptomatischer Verlauf einer Erstinfektion bei immunkompetenten Patienten. Unspezifische Symptome (Fieber, Müdigkeit, Lymphknotenschwellung) sind möglich, selten Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild. Nach Primärinfektion besteht meist chronisch-persistierende Infektion, Reaktivierung möglich. CMV ist die häufigste prä- und postnatale Virusinfektion in Deutschland. Hauptrisiko besteht für das Kind bei Primärinfektion in der Schwangerschaft, dann 25%iges Risiko für kongenitales Zytomegaliesyndrom mit verschiedenen klinischen Manifestationen und eine Letalität von 10%. Kongenitales CMV-Syndrom: 4 Zerebral: Mikrozephalie, Hydrozephalus, lymphozytäre Meningitis, Enzephalitis, periventrikuläre Verkalkungen, Neugeborenenkrämpfe, Chorioretinitis 4 Viszeral: Hepatosplenomegalie, Aszites, Leberenzymwerterhöhung, Ikterus, Thrombozytopenie (Petechien), Purpura, Anämie 4 Weitere Komplikationen: Frühgeburtlichkeit, intrauterine Wachstumsrestriktion, Neugeborenensepsis, CMV-Ausscheidung im Urin 4 Spätschäden: Sprachstörungen, Taubheit, Intelligenzdefekte, geistige und körperliche Entwicklungsverzögerung
Diagnostik Immunstatus, akute sowie reaktivierte Infektion mittels Antikörperbestimmung, ggf. Aviditätsbestimmung diagnostizieren. Serologische Diagnostik weist IgG-/IgM-AK im Rahmen der Serokonversion nach. Pränatale invasive Diagnostik (Virusnachweis mittels PCR, Immunglobulin-M-Bestimmung in fetalem Blut und Fruchtwasser) sollte bei auffälligen serologischen Befunden und auffälligen sonografischen fetalen Befunden erfolgen. Auffällige fetale Sonografie jenseits 24 SSW (Mikrozephalie, Hydrozephalus, IUGR, echoreicher Darm, Aszites, Hydrops etc.) weist auf eine kongenitale Infektion und Erkrankung hin.
Therapie Während Schwangerschaft und Stillzeit können human CMV-neutralisierende Immunglobuline (Cytoglobulin, Cytotect CP) verabreicht werden, der Einsatz ebenso wie Aciclovir sollte jedoch derzeit nur unter Studienbedingungen erfolgen, eine ausreichende Neutralisation des CMV durch die Immunglobuline erfolgt laut derzeitiger Datenlage nicht. Die Beendigung der Schwangerschaft ist bei schwerer fetaler Schädigung und zu erwartender schlechter postnataler Prognose mit den Eltern zu diskutieren.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Prävention 60% der erwachsenen Frauen sind IgG-positiv, daher ist die Erkennung Schwangerer ohne Immunschutz und somit Gefährdung einer Erstinfektion möglichst früh in der Schwangerschaft sinnvoll. Verhaltensregeln: Vermeidung von Kontakt mit Risikokollektiven (Beschäftigungsverbot bei z.B. Kindergärtnerinnen mit negativem Immunstatus, ggf. Testung des Partners).
13.7.6
Varizella-Zoster-Virus-Infektion
Epidemiologie und Ätiologie 4 Weltweite Ausbreitung, Erkrankungsgipfel im Kindesalter, Durchseuchungsgrad 90–95%, Zostererkrankungsrisiko 10–20%, 1–5/10000 Schwangerschaften mit Varizellen. 4 Erreger: DNA-Virus aus der Gruppe der Herpes viridae, Erreger von Varizellen (Windpocken) und Herpes zoster (Gürtelrose) mit geringer genetischer Variabilität. 4 Übertragung: mit der Luft (»Windpocken«), Tröpfchen- und Schmierinfektion.
Klinik
13
Varizellen sind durch das typische schubweise auftretende makulopapulöse Exanthem gekennzeichnet, startend an Kopf, dann gesamten Körper ergreifend, Abheilung nach 7–10 Tagen. Kopfschmerzen, Fieber, Unwohlsein, Gliederschmerzen, nur in 5% subklinisch verlaufend. Komplikationen: 4 Pneumonie 4 Meningoenzephalitis 4 Otitis media 4 Thrombozytopenie 4 Hämorrhagische Nephritis 4 Myokarditis 4 Bakterielle Superinfektionen Herpes zoster: endogene Reaktivierung mit typischem einseitig lokalisiertem schmerzhaftem Bläschenexanthem. 4 Komplikationen: postzosterische Neuralgie, Radikuloneuritis, GuillainBarré-Syndrom, Enzephalitis, Fazialisparese. Varizellenprimärinfektion in der Schwangerschaft kann zu schweren Komplikationen führen, abhängig vom Gestationszeitpunkt der Infektion. In den ersten 4–5 Monaten kommt es zu folgenden Auffälligkeiten: 4 Aborte und Mangelentwicklungen 4 In 2% kongenitales Varizellensyndrom mit Hautveränderungen (Ulzerationen, Narben), Hypoplasie der Gliedmaßen, IUGR/SGA, Muskelatrophie einzelner Gliedmaßen mit Paralyse, Katarakt und/oder weitere Augendefekte, psychomotorische Retardierung bis Konvulsionen, rudi-
173 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
mentäre Fingeranlagen, Chorioretinitis, Hirnatrophie mit einer Letalität von knapp 50%. Schwer verlaufende neonatale Windpocken können bei einer Erkrankung der Mutter innerhalb von 5 Tagen vor bis 2 Tage nach der Geburt entstehen. Da das Neugeborene in diesen Fällen transplazentar keine protektiven Antikörper erhält und ein unreifes Immunsystem hat, sind die Verläufe sehr schwer und mit einer Letalitätsrate bis zu 30% verbunden. Das größte Risiko haben Neugeborene, die zwischen dem 5. und 10. Lebenstag an Varizellen erkranken. Danach auftretende Varizellen sind erworben und haben bei Reifgeborenen eine gute Prognose, wohingegen bei Frühgeborenen innerhalb der ersten 6 Monate Varizellen bedrohlich verlaufen können.
Diagnostik Virusnachweis aus Bläscheninhalt und Liquor (PCR, nur bei atypischen Verläufen), ZNS-Beteiligung, ggf. in der Schwangerschaft, Antikörpernachweis aus Blut und Liquor, Nachweis fetaler Infektion aus Fruchtwasser oder fetalem Blut. Diagnostisches Vorgehen bei Varizellenkontakt in der Schwangerschaft: 4 Nachweis VZV-IgG und IgM im Serum 4 Falls IgG postitiv: Immunität vorhanden; IgG negativ: fehlender Immunschutz 4 Nach Inkubationszeit anhand des klinischen Bildes, ggf. Virusnachweis aus Bläschen 4 Sonografische Detaildiagnostik mit 20–22 SSW.
Therapie Symptomatische Therapie mit Antipyretika, Juckreiz stillenden Mitteln, Antibiose bei bakteriellen Superinfektionen, Aciclovirgabe innerhalb 24– 72 h nach Krankheitsbeginn möglich. In Terminnähe ist eine Tokolyse sinnvoll, um die Geburt 3–4 Tage zu verzögern, damit die maternalen Immunglobulin-G-AK auf den Feten übertragen werden können, der peak ist etwa 5–6 Tage nach akuter Infektion zu erwarten. Ggf. auch Gabe von VarizellenImmunglobulin. Passive Immunisierung mit Varicella-Zoster-Immunglobulin (VZIG): Eine postexpositionelle Varizellenprophylaxe mittels VZIG wird innerhalb von 96 h nach Exposition in den ersten 20 Schwangerschaftswochen wegen Gefahr des kongenitalen Varizellensyndroms empfohlen, wodurch jedoch auch bei optimalem Zeitmanagement nur 50% der Infektionen abgewendet werden können. In den übrigen Fällen kommt es zu einem attenuierten oder typischen Verlauf. Indiziert ist die Gabe bei mütterlicher Infektion in Terminnähe, um einen Transfer der IgG transplazentar zu erzielen. Bei maternaler postpartaler Infektion erhält nur das Neugeborene die Immunglobulingabe. Es müssen dann Mutter und Kind voneinander isoliert werden und ein Stillverbot bis zum Nachweis mütterlicher Antikörper eingehalten werden.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Absolute Aciclovir-Indikation: maternale Varizellen-Pneumonie, neonatale Varizellen. Die Empfehlungen der STIKO zu Impfungen und zur Postexpositionsprophylaxe bei Varizellen finden sich im Epidemiologischen Bulletin 30/2009.
13.7.7
HSV: Herpes-Simplex-Virus-Infektion (Typ 1 und Typ 2)
Epidemiologie und Ätiologie 4 Hoher Durchseuchungsgrad Erwachsener mit HSV-1 ca. 90–95%, mit HSV-2 ca. 13–30%, Infektionen weltweit zunehmend, Inzidenz rezidivierender HSV-Infektionen 10–20%. 4 Erreger: Herpes-simplex-Virus mit 2 Serotypen, Latenzorte sind: 5 HSV-1: Kopf-und Zervikalganglien (Ganglion Gasseri) 5 HSV-2: Sakralganglien 4 Übertragung: Tröpfchen- und Schmierinfektionen, Geschlechtsverkehr, Infektionsquellen sind erkrankte Personen und gesunde Virusausscheider. Peripartale Infektion des Feten durch aufsteigende Erreger aus dem Zervikal- und Vaginalbereich.
Klinik
13
Schmerzhafte Infektionen der Haut und Schleimhäute; unterschieden werden muss zwischen der Primärinfektion und dem Rezidiv: 4 Primärinfektion: Bei genitalem Herpes treten nach 4–5 Tagen Inkubationszeit erythematöse Papeln auf, die zu Vesikeln und Pusteln werden, die auf Vulva, Vagina und Zervix verteilt sind. Nach 4–5 Tagen Entleerung und Bildung von schmerzhaften Ulzerationen, die nach weiteren 6 Tagen eintrocknen und 1 Woche Heilung benötigen. Teils starker Leidensdruck durch Schmerzen, Pruritus, Fluor, gelegentlich Dysurie, Lymphknotenschwellungen in 75% Fieber. 4 Rezidiv: Milderer und kürzerer Verlauf, Prodromi sind Parästhesien im Genitalbereich, oft nur Fluorveränderung als klinisches Zeichen des Rezidivs bemerkt. Intrauterine Infektion kann zu Abort oder Frühgeburt führen. Höchstes Risiko für den Feten besteht bei Primärinfektion peripartal, Hauptgefahr durch unmittelbare Infektion während der Geburt. 75% der perinatalen HSV-Erkrankungen durch HSV Typ 2, jedoch 25% durch HSV Typ 1 verursacht. Letztere haben ebenfalls als Infektionsquellen den maternalen Genitalbereich oder aber nichtgenitale Herde von Mutter und Pflegepersonal! Neonatales Erkrankungsrisiko bei primärem Herpes genitalis der Mutter liegt bei 40–60%, bei rekurrierender Infektion 4–10%. Ist die Infektion pränatal bereits intrauterin erfolgt, so wird das Kind schon mit hochinfektiösen Herpesbläschen geboren, die auf den Krankheitsprozess hinweisen, der mit Manifestationen in Leber, Milz, Lungen, Nebennieren und Gehirn einhergeht: Generalisierter Herpes mit hoher Letalität.
175 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
Diagnostik Oft ist das klinische Bild ausreichend, Sicherung durch Erregernachweis mittels PCR, Elektronenmikroskopie oder Virusanzucht aus Bläscheninhalt. Serologische Antikörpernachweise zeigen eine durchgemachte Infektion an. Differenzialdiagnostisch müssen im Anogenitalbereich andere venerische Erkrankungen bedacht werden.
Therapie Ab 15. SSW wird sowohl bei primären als auch rezidivierenden Herpesgenitalis-Infektionen Aciclovir appliziert (5-mal 200 mg/Tag über 5 Tage). Bei akuter symptomatischer Herpes-genitalis-Infektion sollte eine Sectio caesarea vor bis spätestens 4–6 h nach Blasensprung erfolgen. Im Falle eines Rezidivs ist eine vaginale Entbindung unter 5-mal 200 mg Aciclovir/Tag möglich. Die Therapie des neonatalen Herpes erfolgt über 10 Tage gewichtsadaptiert.
Prävention Wichtig ist die Vermeidung einer maternofetalen Transmission durch Sectio caesarea bei akuten Läsionen im Genitalbereich zum Zeitpunkt der Geburt, Aciclovirgabe bei v.a. primärer HSV-Infektion. Zu beachten ist die Verwendung von Kondomen während der SS und Vermeidung orogenitaler Kontakte bei HSV-1- und HSV-2-negativen Schwangeren. Verdächtige Neugeborene müssen von anderen isoliert werden. Bei primärer Herpessimplex-Infektion der Brustregion ist Stillen nicht erlaubt. Bei Herpes labialis muss die Mutter einen Mundschutz tragen.
13.7.8
Röteln-Infektion
Epidemiologie und Ätiologie 4 Weltweite Verbreitung, Risiko für Schwangere durch immundefiziente Kinder und seronegative Männer. Impfraten von >90% bis zum 2. Lebensjahr wären zur Ausrottung der konnatalen Röteln notwendig. 4 Erreger: RNA-Virus aus der Familie der Toga-Viren, nur ein Serotyp. 4 Übertragung: Tröpfcheninfektion aus oberem Respirationstrakt mit hoher (70%) Kontagiosität, bereits 7 Tage vor bis 15 Tage nach Exanthem besteht Infektiosität. Während der Schwangerschaft erfolgt aufgrund mütterlicher Virämie die transplazentare Infektion des Feten mit möglicher Folge der Rötelnembryopathie. ! Cave Säuglinge mit angeborenen Röteln sind bis 12 Monate lang hoch infektiös.
Klinik Auf fieberhafte erkältungsähnliche Prodromi folgen dann insbesondere nuchale, postaurikuläre und okzipitale Lymphadenopathie mit kleinfleckigem Exanthem von Gesicht/Hals über Rumpf und Gliedmaßen ausbreitend, Rückgang nach wenigen Tagen. Mit 50% subklinischem Verlauf, selten Komplikationen. Primärinfektion kurz vor oder während der Schwangerschaft kann zu schweren Embryo- und Fetopathien führen. Während der
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
maternalen Virämie erfolgt die transplazentare Übertragung auf Embryo bzw. Feten, je früher die Infektion erfolgt, desto größer die Gefahr von Fehlbildungen der in der angetroffenen Phase sich entwickelnden Organe. Häufigkeit der Schäden bei Infektion in SSW: 4 2–6 SSW >60% 4 7–9 SSW 25% 4 10–12 SSW 20% 4 13–17 SSW 10% 4 18–21 SSW <3,5% Rubellasyndrom (Gregg-Syndrom): klassische Trias aus Fehlbildungen von Herz (50–80%), Augen (50–55%) und Ohren (60%) mit Dystrophie, Mikrozephalus, statomotorischer und geistiger Retardierung. Erweitertes Rubellasyndrom: viszerale Symptome, SGA, Hepatosplenomegalie mit Ikterus, Exanthem, Thrombopenie, Anämie, Myokarditis, Pneumonie, Enzephalitis, Osteopathie, 30% Letalität. Late-Onset-Rubella-Syndrom: ab 4.–6. Lebensmonat mit Wachstumsstillstand, chronischem Exanthem, rekurrierender Pneumonie, IgGund IgA-Hypo-Immunglobulinämien, Vaskulitis, Letalität bis 70%. Spätmanifestationen mit Hörschäden im jugendlichen Alter, Diabetes mellitus, endokrinen Störungen, Krampfleiden, progressiver Panenzephalitis. Intrauterin infizierte Neugeborene sterben meist in den ersten 2 Lebensmonaten, es werden aber auch intrauterin infizierte Kinder gesund geboren, wenn die Infektion jenseits 18 SSW erfolgt ist. Symptome können uncharakteristisch sein, sodass erst eine Spätmanifestation eine Infektion aufzeigt.
Diagnostik
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Nachweis virusspezifischer Immunglobulin-M-Antikörper und signifikanter IgG-Antikörperanstieg. Im Vordergrund steht meist die Einschätzung der Immunlage nach Rötelnkontakt in der Schwangerschaft: 4 HAH-Titer <1:8 keine Immunität 4 HAH-Titer 1:8–1:32 Immunität anzunehmen, wenn im ELISA negatives IgM und positives IgG 4 HAH-Titer >1:32 Immunität anzunehmen Im Rahmen der pränatalen Diagnostik Virusnachweis mittels PCR aus Fruchtwasser oder Chorionzottenbiopsie bzw. fetalem Blut, IgM aus Fetalblut.
Therapie Es ist keine spezifische Therapie verfügbar, daher symptomatische Behandlung. Indikation zur passiven Immunisierung besteht bei seronegativen Schwangeren nach Rötelnkontakt bis 16 SSW, Effektivität ist aber umstritten, maternale Virämie und fetale Infektion sind nicht sicher verhinderbar. Bei nachgewiesener Rötelninfektion sollte der Schwangeren im 1. Trimenon aufgrund des hohen Risikos der kindlichen Schädigung die invasive prä-
177 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
natale Diagnostik angeboten werden, die bei positivem Ergebnis oft eine Beendigung der Schwangerschaft zur Folge hat.
Prävention Bestimmung der Immunitätslage vor bzw. in der frühen Schwangerschaft (Pflicht nach Mutterschaftsrichtlinien), Impfung innerhalb der ersten 3 Monate nach Entbindung, Stillen ist möglich. 13.7.9
Toxoplasmose-Infektion
Epidemiologie und Ätiologie 4 Weltweit verbreitete Zoonose. Durchseuchungsgrad in Deutschland 25–50% in Abhängigkeit vom Lebensalter. Eine der häufigsten pränatalen Infektionen, ein generelles Screening ist aber derzeit in den Mutterschaftsrichtlinien nicht verankert. 4 > Memo Feten AK-positiver Schwangerer sind auch bei Reaktivierung geschützt. 4 Erreger: Toxoplasma gondii, den Sporozoen zugehörig. Katze als Wirt, dort im Darm geschlechtliche Vermehrung. Infektiös ist die erstinfizierte Katze. Zwischenwirte Mensch, Säugetiere und Vögel. Immunantwort stoppt nichtgeschlechtliche Vermehrung. Lebenslange Persistenz von Zysten, die in Schlachtvieh lokalisiert eine Infektionsquelle für den Menschen darstellen können. 4 Hauptübertragungswege neben Verzehr von und Handling mit rohem Fleisch und der Hand-Mund-Übertragung von Zysten sind der Kontakt mit Katzenkot sowie der transplazentare Übertritt auf den Feten bei akuter Toxoplasmose in der Schwangerschaft. 4 Bei Erstinfektion in der Schwangerschaft sind Zeitpunkt, Infektionsdosis, immunologische Kompetenz und mütterliche AK-Übertragung entscheidend für die fetale Situation. Trophozoiten werden transplazentar übertragen, bis zum Nachweis von Erregern im Fruchtwasser kann ein Zeitraum von 4 Wochen verstreichen. Je weiter fortgeschritten die SSW, desto wahrscheinlicher ist eine fetale Infektion, aber mit abnehmendem Schädigungsrisiko für das Kind. Je später die Infektion in der SS auftritt, desto besser ist die Prognose für das Kind. Am häufigsten ist die Geburt subklinisch infizierter Kinder mit späten Manifestationen wie Chorioretinitis und postenzephalitischen Symptomen.
Klinik 4 Maternale Klinik: Meist verläuft die Toxoplasmose asymptomatisch ohne Erkrankung. Symptome können grippeähnlich mit zervikaler Lymphknotenschwellung und Lymphadenitis, Fieber, Gliederschmerzen sein. 4 Kindliche Manifestation bei Infektion im 1. Trimenon: Abort, 2./3. Trimenon: retinochorioditische Residuen, Hydrozephalus, intrazerebrale Verkalkungen, postenzephalitische Schäden, Fieber, Splenomegalie, Hepatomegalie, Lymphadenitis, Anämie, Retinochorioiditis bis hin zu symptomlosen Verläufen mit Entwicklung von Spätmanifestationen.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Diagnostik 4 Serologische AK-Bestimmung. Negatives IgG: keine Infektion, keine Immunität. Verlaufskontrolle in der SS nach 8–12 Wochen. 4 IgG-AK-Nachweis positiv: aktive oder inaktive Toxoplasmose, IgMTestung erforderlich. 4 IgM negativ: inaktive/latente Toxoplasomose, keine weitere Testung 4 IgM positiv: aktive oder rückläufige persistierende Infektion, Kontrolle nach 2 Wochen, bei hohem Titer aktive Infektion möglich, Aviditätstestung. Falls der Index <0,09 ist, ist eine frische Infektion von <4 Monaten nicht auszuschließen. 4 Pränatale Toxoplasmosediagnostik: PCR-Befund aus Fruchtwasser, sonografische Feindiagnostik. Vor FW-Entnahme muss sichergestellt sein: Infektion >4 Wochen, sonst Gefahr des zu frühen negativen Befundes! SSW sollte mindestens 15+0 sein, Antibiose mit Pyrimethamin/Sulfadiazin sollte noch nicht vorausgegangen sein. ! Cave Bei Nachweis fetaler Toxoplasmose und sonografischer Anzeichen fetaler Schädigung muss mit der Patientin die Möglichkeit des SS-Abbruchs besprochen werden. 4 Neonatale Toxoplasmosediagnostik: sollte erfolgen, falls bei der Mutter eine Erstinfektion in der Schwangerschaft oder der klinische Verdacht beim Kind vorliegt. Direkter Erregernachweis aus Plazenta, Nabelschnurblut oder Gewebe. IgG-AK passieren die Plazenta, daher hat lediglich der Titerverlauf eine diagnostische Bedeutung.
Therapie
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Bei Bestätigung der Infektion bzw. begründetem Verdacht erfolgt eine Medikation bis zum Ende der 15. SSW mit Spiramycin. Ab 16. SSW Sulfadiazin und Pyrimethamin über 4 Wochen. Folinsäuregabe zur Vorbeugung von Hämatopoesestörungen. Durch Antibiose erfolgt keine Verringerung der pränatalen Infektionen, aber Verringerung der Anzahl geschädigter Feten. Eine darüber hinaus dauernde Therapie ist bei negativer FW-PCR in ihrem Benefit nicht erwiesen, wohl aber reduziert sich die Compliance bei erheblichen Nebenwirkungen. Bei Nachweis einer fetalen Toxoplasmose wird eine Therapie in 4-wöchigem Wechsel der beiden Regime bis zur Geburt empfohlen.
Prävention Beratung Schwangerer mit negativer Toxoplasmose-Immunität: kein Verzehr von rohem Fleisch, sorgfältige Händereinigung nach Handling mit rohem Fleisch, rohes Gemüse und Salat vor dem Verzehr gründlich waschen, Handschuhe bei der Gartenarbeit, Kontakt zu insbesondere jungen und unbekannten Katzen meiden. Katzenkot rasch aus der Wohnung – von anderen Personen – entfernen und die entsprechenden Kästen reinigen lassen.
179 13.7 · Infektionen in der Schwangerschaft und peripartal
13.7.10
Listerieninfektion
Ätiologie 4 Erreger: Listeria monocytogenes, ein gramnegatives, fakultativ anaerobes Stäbchenbakterium mit hoher Umweltresistenz. Besonders gefährdet sind immunsupprimierte Personen, Schwangere, Neugeborene. 4 Übertragung durch Verzehr kontaminierter Nahrung, Kontakt mit infizierten Tieren oder kontaminiertem Erdboden, transplazentare Übertragung, postnatale Übertragung durch Kontaktinfektion.
Klinik Oft inapparente Infektion, die Besiedlung des Intestinaltrakts immunkompetenter Organismen bewirkt keine Infektion oder Erkrankung. Krankheitsbild Listeriose: reduziertes Allgemeinbefinden, Gliederund Rückenschmerzen, Fieberschübe. Infektion in graviditate birgt die Gefahr der intrauterinen Infektion (hämatogen oder lokal von vaginal aufsteigend). Symptome der Schwangeren mit Listerieninfektion: 4 Fieber 4 Rhinitis 4 Pharyngitis 4 Kopf- und Rückenschmerzen 4 Schüttelfrost 4 Abdominelle Symptomatik 4 Appendizitis 4 Pyelonephritis Bei Aszension: 4 Vorzeitige Wehentätigkeit 4 Zervikaler Fluor Neonatale Prognose ist vom Zeitpunkt der Infektion abhängig, hohe Mortalität besteht bei »Early onset«-, bessere Prognose bei »Late onset«-Listeriose des Neugeborenen.
Diagnostik Erregernachweis aus Blut, Pus, Liquor, Zervixabstrich, Lochialabstrich, Mekonium.
Therapie Antibiose über 14 Tage mit Amoxicillin und Aminoglykosid (! Cave Persistenz intrazellulär).
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
13.7.11
Malariainfektion
Epidemiologie und Ätiologie 4 Weltweit leben 40% der Bevölkerung in gefährdeten Gebieten (Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika). Malaria ist die bedeutendste importierte Tropenkrankheit Europas. 4 Erreger: 4 Erregertypen: 5 Plasmodium falciparum (M. tropica) 5 Plasmodium vivax 5 Plasmodium ovale (M. tertiana) 5 Plasmodium malariae (M. quartana) 4 Übertragung durch den Stich der Anophelesmücke zwischen Sonnenuntergang und Morgendämmerung. Maternofetale-diaplazentare und peripartale Parasitenübertragung sind beschrieben.
Klinik Symptome der Mutter sind: 4 Plötzlich auftretendes Fieber, Schüttelfrost, Schweißausbrüche 4 Starke Kopf- und Rückenschmerzen 4 Ggf. auch abdominale Symptomatik und Diarrhoe 4 Hepatosplenomegaile, Ikterus, zerebrale Eintrübung 4 Oligurie
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M. tropica führt unbehandelt zu schweren Organkomplikationen – interstitielle Pneumonie, Leber- und Nierenfunktionsstörungen – mit Todesfolge. Schwangere Frauen sind häufiger betroffen als nicht schwangere. Bei Malariainfektion in der SS hohe Parasitämie und schwerer Krankheitsverlauf mit gesteigerter Komplikationsrate. Plazentainsuffizienz und in der Folge IUGR gefährden additiv zur Anämie den Feten. Intrauterine Infektion bewirkt kongenitale Malariainfektion mit 2–4 Wochen postnataler entsprechender Klinik.
Diagnostik 4 Mikroskopie: Dicker Tropfen oder Blutausstrich. Ag-Nachweis im Blut (Quick-Test). 4 Überwachung fetal: Ultraschall, Dopplersonografie, CTG.
Therapie In Abhängigkeit der Resistenzlage. Gabe von Chloroquin und Proguanil in der SS möglich. Mefloquin aufgrund berichteter Fehlbildungsfälle v.a. im 1. Trimenon kontraindiziert.
181 13.8 · Maternale Erkrankungen
13.8
Maternale Erkrankungen
13.8.1
Schilddrüsenerkrankungen
Physiologie Schilddrüsenhormone sind für intrauterine und postembryonale Entwicklung des Zentralnervensystems von zentraler Bedeutung. Ein Mangel an Schilddrüsenhormonen führt zur »minimal brain dysfunction« und zu neurointellektuellen Entwicklungsstörungen. In der Schwangerschaft liegen physiologischerweise durch erhöhte TBGSpiegel erhöhte Gesamt-T4- und -T3-Werte vor. In der Frühschwangerschaft kommt es in bis zu 20% durch den Anstieg des β-HCG zu einer TSH-Rezeptor-vermittelten passageren Erhöhung der SD-Hormonspiegel mit Abfall des TSH. Diese Hyperthyreose verläuft in der Regel subklinisch. Selten kommt es in 1–2% zu plazentarer Überstimulation mit manifester Hyperthyreose, die von anderen Hyperthyreosen abzugrenzen ist (Basedow-Krankheit, Autonomie). In der Regel Normalisierung der Hyperthyreose nach 18 SSW. SD-Hormonbedarf steigt in der SS um 50% an, dementsprechend erhöht sich das Organvolumen um 15%. Vermehrte Jodidzufuhr wegen gesteigerter Jodid-Clearance, Jodverlust an den Feten und Verminderung der Plasmajodkonzentration notwendig. Schwangerschaft gilt insgesamt als Jodmangelsituation. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen Mutter und Fetus; Vermittlung oder Blockade über Plazenta: 4 T3, T4: möglicher diaplazentarer Übertritt 4 Antikörper und Thyreostatika: diaplazentarer Übertritt 4 TSH: blockiert Fetale Schilddrüsenentwicklung: Bereits in ersten Embryonalwochen mit Speicherung von Jodid, SD-Hormonbildung und TRH-Synthese. Eine gestörte maternale Schilddrüsenfunktion beeinflusst die fetale Entwicklung. Einzige fetale Jodidquelle ist maternale Serumkonzentration.
Klinik Symptome/Befunde sind: 4 Struma: Kloß- und Druckgefühl 4 Hyperthyreose: Tachykardie, Nervosität, Wärmeintoleranz, Gewichtsabnahme 5 Komplikationen: Abort (bis 85%), Frühgeburt (bis 25%), IUGR, Präeklampsie, thyreotoxische Krise, Abruptio placentae 4 Hypothyreose: Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit, Obstipation, Verlangsamung. Abort-, Frühgeburts-, Präeklampsierisiko erhöht. ! Cave Subklinische Hypothyreose mit fetalen Entwicklungsstörungen. 4 Thyreoiditis: Schmerzhaftigkeit 4 Schilddrüsenkarzinom: Schilddrüsenknoten, vergrößerte Lymphknoten, Heiserkeit.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Diagnostik Labor: 4 TSH basal: 5 erhöht: primäre Hypothyreose 5 erniedrigt: Hinweis auf Hyperthyreose, Autonomie, Thyroxintherapie, hypophysär bedingte Hypothyreose. 4 T3,T4: keine Aussage über die biologisch wirksamen Hormone 4 fT3, fT3: genaue Aussage über Verfügbarkeit der biologisch aktiven SD-Hormone 4 SD-Auto-Antikörper: 5 TAK (Tg-Auto-AK) erhöht in 90% bei Hashimoto, Basedow-Krankheit, endokriner Orbitopathie 5 TRAK (TSH-Rezeptor-Auto-AK): bei Basedow-Krankheit In der Schwangerschaft ist die In-vivo-Diagnostik auf Sonografie beschränkt. Szintigrafie und TRH-Test sind kontraindiziert.
Therapie 4 Hyperthyreose ist meist durch Basedow-Krankheit bedingt. Therapie mit Thiamazol, Propylthiouracil, β-Blockern. Ziel: mütterliche Euthyreose mit geringstmöglicher Dosierung, um fetale Hypothyreose zu vermeiden. ! Cave Radiojodtherapie in SS absolut kontraindiziert. 4 Hypothyreose: auch subklinisch Indikation zur Substitutionstherapie zur Vermeidung fetaler Entwicklungsstörungen. Auch bei Kinderwunsch und latenter Hypothyreose wird eine Indikation zur Substitution gesehen. 4 Thyreoiditis: Autoimmunthyreoiditiden sind während der SS supprimiert, Exazerbation typischerweise post partum mit passagerer Hypothyreose. Therapie mit L-Thyroxin.
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13.8.2
Nierenerkrankungen
Physiologische Adaptation während der SS: 4 Anatomie: Größenzunahme der Nieren, Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems und der Ureteren (re>li). 4 Hämodynamik: Zunahme des Herzzeitvolumens, parallel hierzu Anstieg des Plasmavolumens. Steigerung des renalen Plasmaflusses um 50% im ersten Drittel der SS bis 60–80% gegen Ende 2. Trimenon (dann wieder Abfall) und der glomerulären Filtrationsrate (GFR) im ersten SS-Drittel um 50%. Erhöhung der GFR bleibt erhalten. Mögliche Schwangerschaftspolyurie ohne Krankheitswert.
Nierenerkrankungen und Schwangerschaft Nierenerkrankungen können präexistent sein oder in der SS neu auftreten, mit akutem, reversiblem oder chronisch bis irreversiblem Verlauf. Akutes Nierenversagen (ANV): 4 Prärenal (Hyperemesis) 4 Renal (Tubulusnekrose im Rahmen Fruchtwasserembolie, vorzeitiger Plazentalösung, Sepsis, Blutungsschock)
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4 Postrenal: Endothelschädigungen bei Präeklampsie, HELLP-Syndrom, hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) oder bei thrombotischthrombozytopenischer Purpura (TTP) führen durch Aktivierung prokoagulatorischer Prozesse zur Obstruktion der Gefäßstrombahn mit terminaler Nierenrindennekrose. Nach behebbaren (Nierenarterienstenosen, Obstruktionen) oder therapierbaren Ursachen (ANCA-positive Vaskulitis) muss gefahndet werden. Präexistente Nierenerkrankungen und Systemerkrankungen (Diabetes mellitus) prädestinieren für ein ANV. Schwere Verläufe der Präeklampsie können zu einem peri- wie postpartalen protrahierten bis irreversiblem Nierenversagen führen. Häufigste Ursachen einer »de novo« Nierenerkrankung in der SS: 4 Glomerulonephritis 4 Interstitielle Nephritis 4 Lupusnephritis 4 ANV durch Tubulusnekrose, interstitielle Nephritis, Schwangerschaftsfettleber, Präeklampsie/HELLP-Syndrom, mikroangiopathische Nephropathie oder Nierenrindennekrose Häufigste Ursachen einer chronischen Nierenerkrankung in der SS: 4 Glomerulonephritis 4 Interstitielle Nephritis 4 Zystennierenerkrankung 4 Malformationen Nierenmalignome sind in der Schwangerschaft eine Rarität.
Klinik Anamnese: Verringertes eigenes Geburtsgewicht, familiäre schwangerschaftsinduzierte und sonstige Hpertonien/Proteinurien sowie Systemerkrankungen sollten erfragt werden, da sie Risikobedeutung für die aktuelle Schwangerschaft haben. Hinweise auf eine vorbestehende Nierenerkrankung sind: 4 Blutdruck- oder Nierenfunktionsveränderungen (inkl. Auftreten einer Proteinurie) außerhalb und in früheren eigenen Schwangerschaften 4 Präexistente eigene oder familiäre Blutdruck- oder Nierenerkrankungen 4 Präexistente Miktionsveränderungen: Dysurie, Pollakisurie, Nykturie, Polyurie, Hämaturie, schaumiger Urin. Makrohohämaturie, auch intermittierend nach Infekten 4 Ödeme vor der SS, Gewichtsverlauf vor und während der SS 4 Systemische/immunologische Erkrankung 4 Flanken-/abdominelle Schmerzen 4 Urämiesymptome 4 Dyspnoe mit und ohne Belastung 4 Fieber
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Blutdruck: Physiologisches Absinken im 1. Trimenon mit der Folge, dass 80% der Schwangeren einen systolischen Blutdruck <124 mmHg haben. Im SS-Verlauf ist ein leichter Wiederanstieg normal mit Erreichen der Startwerte am Ende der SS. Ein Ausbleiben dieses Absinkens ist ebenso wie ein Blutdruckanstieg in der Schwangerschaft als pathologisch zu werten, weitere Abklärung ist notwendig. Bei moderater bis schwerer Nierenfunktionseinschränkung tritt in bis zu 85% eine Präeklampsie auf, sodass insbesondere bei Verschlechterung eines eingestellten Blutdrucks diese ausgeschlossen werden muss. Die physiologische Gewichtszunahme von etwa 12,5 kg wird im Fall von Ödemen noch gesteigert, exzessive Gewichtszunahme sollte Anlass zu weiteren Untersuchungen geben. Einfluss der Schwangerschaft auf die Nierenerkrankung: 4 Hyperfiltration (Hämodynamik), vermehrte Proteinurie, erhöhter Blutdruck, schwangerschaftsassoziiert: Präeklampsie, reversible Nierenfunktionsverschlechterung, irreversible Nierenfunktionsverschlechterung. 4 Einfluss der Nierenerkrankung auf die Schwangerschaft: 4 Erhöhte Risiken für Präeklampsie, Frühgeburt, intrauterine Wachstumsrestriktion, intrauteriner Fruchttod, perinatale Morbidität und Mortalität erhöht.
Diagnostik
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Labordiagnostik: 4 Urinstatus und Urinsediment: 5 Urinstix mittels Teststreifen ist ein schnelles kostengünstiges Screening-Instrument. Spezifisches Gewicht: falls erniedrigt Hinweis auf eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit, falls erhöht Hinweis auf prärenale Funktionseinschränkung. 5 Nachweis Leukozytenesterase mit oder ohne Nitrit als Hinweis auf Harnweginfekt. 5 Positiver Albuminnachweis weist auf glomeruläre Proteinurie hin. 5 Höhergradige Ketonurie als Anzeiger einer Ketoazidose (Fastenzustand, Hypermesis, Ketoazidose bei Diabetes) 5 Erhöhter Urobilinogenspiegel bei posthepatischer Cholestase oder Hämolyse 5 Mikrohämaturie bei Hämolyse. 5 Urinsediment: Leukozyten/Bakterien bei bakterieller Infektion der Nieren und ableitenden Systeme. ! Cave Leukozyten plus Mikrohämaturie: renoparenchymatöse nichtinfektiöse Erkrankung (z.B. interstitielle Nephritis). Mikrohämaturie plus Proteinurie als Hinweis auf Glomerulonephritis. 5 Urinkultur bei Keimzahlen ≥105/ml inklusive Antibiogramm zur gerichteten Antibiose. 4 Nierenfunktionsdiagnostik: 5 Serumkreatininspiegel: Durch Steigerung der GFR in der SS sinkt der Kreatininspiegel um 30%, parallel dazu sinkt der Serumharnstoffwert um 25%. Daher liegt in der SS bereits ab 0,8 mg/dl Serum-
185 13.8 · Maternale Erkrankungen
4
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4 4 4 4
kreatinin ein auffälliger Wert vor. Geringe Funktionseinschränkung bei 0,8–1,5 mg/dl, Abklärung erforderlich, günstige Prognose. 5 Clearance-Bestimmungen sind von untergeordnetem Wert in der Schwangerschaft, z.B. aber als Verlaufsuntersuchung im ANV. Serumharnsäurespiegel: 5 Absinken in der SS um 25%. Anstieg des Spiegels bei Reduktion des intravasalen Volumens durch steigende tubuläre Harnsäureabsorption. Guter Indikator bereits früh in der SS beginnende Verminderung des Blutvolumens, noch vor klinischer Apparenz einer Präeklampsie. Natrium, Albumin, Hämatokrit: 5 Erfassung einer prärenalen Volumenverringerung durch Berechnung der fraktionellen Natriumexkretion Proteinurie und Glukosurie: 5 Bei Überschreitung des tubulären Transportmaximums. Eine Proteinurie > 0,3 g/24 h ist erhöht. Eine schwere Proteinurie liegt ab >3 g/24 h vor. Akutes Nierenversagen: 5 Serumkreatininanstieg um >50%, oligurisch (<500 ml Urinausscheidung/24 h) oder anurisch (<200 ml Urinausscheidung/24 h) 5 Gerinnungsstörungen müssen ausgeschlossen werden (Prothrombin, Fibrinogen, Antithrombin III, Fibrinspaltprodukte, Thromboplastinzeit), ebenso hepatische Pathologien (Enzymaktivität von GOT und GPT, γ-GT, Bilirubinspiegel) Weitere Labordiagnostik: Hkt, Haptoglobin, Thrombozyten, Komplementfaktoren, Kryoglobuline, Immunelektrophorese Bildgebung: Sonografie und MRT als bildgebende Verfahren der Wahl in der SS. Histologie: Eine Nierenbiopsie sollte seltenen Indikationen vorbehalten bleiben, auch wenn keine erhöhte Komplikationsrate bekannt ist: 5 Rapide Nierenfunktionsverschlechterung zur Detektion einer rapid-progressiven Glomerulonephritis 5 Symptomatisches nephrotisches Syndrom, das sich vor der 32. SSW manifestiert.
Differenzialdiagnostik 4 ANV: Sepsis, Rhabdomyolyse, Hämolyse, schwere Präeklampsie/ HELLP, akute Schwangerschaftsfettleber, postpartales idiopathisches Nierenversagen (HUS/TTP) 4 Chronisches Nierenversagen: idiopathische Glomerulonephritis, immunologische Systemerkrankung mit Glomerulonephritis, nicht immunologische Systemerkrankung, hypertensive Nephropathie/Nephroangiosklerose, genetisch determinierte Erkrankung, 4 Ferner: Kombinationen verschiedener Komponenten, akute Verschlechterung einer chronischen Nierenfunktionseinschränkung.
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Therapie Akute Nierenfunktionseinschränkung: 4 Frühzeitige Erkennung hilft der Vorbeugung einer irreversiblen Nierenfunktionseinbuße. 4 Ab 32 SSW und zunehmender fetaler Reife tritt die Entbindung als Therapie der Wahl in den Vordergrund. 4 Behandelt werden müssen Ursachen wie Volumenmangel, bei HUS ggf. Plasmapherese/Hämodialyse. Nephrologische Betreuung! Chronische Nierenerkrankung: 4 Enge Kooperation mit Nephrologie! Nephroprotektive Medikamente wie ACE-Hemmer und AT-1-Rezeptorblocker sind in der Schwangerschaft kontraindiziert. Nichtsteroidale Antiphlogistika nur nach Rücksprache mit Nephrologie verabreichen ( ! Cave akute Verschlechterung). 4 Therapie eines systemischen Lupus erythematodes muss auch in der SS fortgeführt werden (Prednison, Azathioprin, Cyclosporin A). 4 Eisensubstitution, ggf. Erythropoietin. 4 Diuretika nur bei maternalen Ausnahmekomplikationen. 4 Bei rapid progressiven Nierenerkrankungen muss immunsuppressiv behandelt werden, die fetale Situation muss angesichts der Lebensbedrohung der Schwangeren relativiert beurteilt werden. 4 Dialyse: 5 Adäquaten Erythropoetinersatz (Epoetin-β) und Eisensubstitution beachten. 5 ! Cave sekundärer Hyperparathyreoidismus. 5 Magnesiumgaben nur unter Spiegelkontrollen, niedrigsttolerable Antikoagulation 4 Elektive SS-Beendigung ab 34 SSW diskutieren
13
Betreuung in der Schwangerschaft Chronische Nierenerkrankung: 4 Interdisziplinäre Betreuung zwischen Pränatalmedizin und Nephrologie. 4 Häufung der Komplikationen ab Serumkreatininwerten von 1,7– 2,0 mg/dl zu erwarten. 4 Engmaschige pränatale Vorsorge zur frühen Erkennung fetaler Komplikationen. 5 Täglich: RR-Messung selbst 5 2-wöchentlich: nephrologisch/obstetrisch, Bestimmung hämatologischer und Serumretentionswerte, 24 h-Proteinuriebestimmung, Urinstatus 5 2-wöchentlich fetale Überwachung (Biometrie, Dopplersonografie) und Schwangerenvorsorge 5 Jedes Trimenon: CMV- und Toxoplasmose-IgM bei Seronegativität 5 Bei Verschlechterung der Nierenfunktion Diskussion der Entbindung ab 32 SSW und bei zunehmender Reife des Feten. 4 Schwangere mit Transplantatniere: Immunsuppression muss angepasst (meist erhöhte Dosen) werden, Abstoßung auch in SS möglich.
187 13.8 · Maternale Erkrankungen
Entbindung 4 Chronische Nierenerkrankung: bei schlecht eingestellter arterieller Hypertonie, bei zerebralen Aneurysmen primäre Sectio, sonst vaginale Geburt aus nephrologischer Perspektive möglich. 4 Dialyse: häufig Sectioindikation, falls Peritonealdialyse mit Leerbauch durchzuführen. 4 Transplantation: Aufgrund der anatomischen Situation (Transplantat meist in der linken oder rechten Fossa iliaca) wird meist eine primäre Schnittentbindung durchgeführt, obschon eine vaginale Geburt nicht kontraindiziert ist.
Postpartaler Verlauf Antihypertensive und ggf. immunsuppressive Medikation muss hinsichtlich Muttermilchkonzentrationen individuell geprüft werden. Dosisanpassung der Immunsuppressiva. Enge nephrologische Anbindung erforderlich.
13.8.3
Herz
Physiologie Im Schwangerschaftsverlauf kommt es zu erheblichen Veränderungen im kardiovaskulären System, die mit einer erhöhten Kreislaufbelastung im Sinn einer hyperdynamen Kreislaufsituation einhergehen: Zunahme des zirkulierenden Blutvolumens um 40% (Maximum 30–32 SSW), Steigerung des Herzminutenvolumens als Produkt aus steigender Herzfrequenz und steigendem Schlagvolumen auf ca. 7 l/min um bis zu 50%, größter Anstieg im 1. Trimenon, ab 32 SSW plateauförmig. Die relative Tachykardie ist bei maternalen Herzerkrankungen von Bedeutung, da eine ausreichend andauernde Diastole für die linksventrikuläre Füllung notwendig ist. Der Blutdruck nimmt im 1. Trimenon ab, ebenso der systemische Gefäßwiderstand. Die Folgen dieser Veränderungen sind eine Reduktion der Nachlast mit weiter steigendem Schlagvolumen, durch Remodelling wird das Herz dehnbarer, die Ejektionsfraktion bleibt unter geringer Kontraktilitätssteigerung etwa stabil. Klappeninsuffizienzen und Links-Rechts-Shunts werden relativ gut toleriert, da sich die Veränderungen günstig auf die Regurgitations- bzw. Shuntvolumina auswirken. Die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz ist in der Schwangerschaft unverändert. Die physiologische Ödembildung erschwert die Abgrenzung zu pathologischen Ödemen. Unter der Geburt wird das Herzminutenvolumens nochmals um 50% gesteigert: neben Wehentätigkeit führen Schmerzen und Angst zu einer Katecholaminfreisetzung (Tachykardie). Während einer Geburtswehe erfolgt eine Akuttransfusion von bis zu 500 ml Blut in den maternalen Kreislauf, was zu einer weiteren Vorlasterhöhung und Steigerung des Zeitvolumens führt. Eine vorbestehende obstruktive Herzerkrankung kann unter diesen Anforderungen zur Entwicklung eines Lungenödems führen. Während einer Sectio wird das Herzminutenvolumen in Regionalanästhesie um 35% bzw. in Allgemeinnarkose um 25% gesteigert.
13
Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Bereits in den ersten Stunden nach Geburt werden die hämodynamischen Ausgangswerte erreicht und nach 2 Wochen im Wesentlichen die prägraviden Werte.
Klinik Beschwerden wie Müdigkeit, Leistungsabfall, Dyspnoe bei Belastung und Schwindel sind physiologische Herz-Kreislauf-Symptome in der Schwangerschaft. Die kardiale Belastbarkeit wird auch in der Schwangerschaft nach der Einteilung der New York Heart Association vorgenommen: 4 NYHA-I: Beschwerdefreiheit ohne Einschränkung 4 NYHA-II: leichte Einschränkung, Beschwerden bei stärkerer Belastung 4 NYHA-III: deutliche Einschränkung, Beschwerden bei leichter Belastung 4 NYHA-IV: schwere Einschränkung, Beschwerden in Ruhe Patientinnen der Klassen III und IV haben ein hohes Risiko für kardiale Komplikationen, da keine Reservekapazität vorhanden ist.
Evaluierung des Risikos
13
Auch wenn viele Schwangerschaften bei mütterlicher kardialer Vorerkrankung einen guten Verlauf zeigen, müssen solche mit Eisenmenger-Syndrom, schwerer pulmonaler Hypertonie, Marfan-Syndrom mit Aortenbeteiligung über die erhöhte Mortalität und Morbidität aufgeklärt werden. Mittels körperlicher Untersuchung, ausführlicher Anamnese, EKG, Echokardiografie und ggf. Messung der arteriellen Sauerstoffsättigung gelingt eine solide Einschätzung und ermöglicht die Beratung: Als niedriges Risiko definierend gelten Faktoren wie: 4 Keine/wenige kardiale Symptome 4 Gute Pumpfunktion 4 Fehlen schwerer Arrhythmien und schwerer linksventrikulärer Obstruktion 4 Fehlen bzw. geringe pulmonale Hypertonie 4 Keine Indikation zur Antikoagulation Medikamente müssen entsprechend den Kategorien der Food and Drug Administration (FDA) umgestellt werden. Als Faktoren, die mit hohem Risiko einhergehen, gelten: 4 Schwere pulmonale Hypertonie 4 Schwere Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts 4 Zyanotische Vitien Aus kardiologischer Sicht sind folgende Befunde Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch: 5 NYHA-III oder IV 5 Schwere pulmonale Hypertonie 5 Schwere symptomatische Aortenstenose 5 Zyanotische Vitien 5 Eisenmenger-Syndrom
189 13.8 · Maternale Erkrankungen
4 Nicht korrigierter Ductus Botalli mit pulmonaler Hypertonie 4 Nicht operierte Aortenisthmusstenose (mit oder ggf. auch ohne Komplikationen) 4 Kardiomyopathie mit Reduktion (50%) der Ejektionsfraktion (linksventrikulär) 4 Kardiovaskuläre Komplikationen bei Marfan-Syndrom
Kardiale Dekompensation Die klinischen Zeichen sind oft schwer von denen der physiologischen Schwangerschaftsveränderungen abzugrenzen; folgende Befunde können eine schwere kardiale Erkrankung anzeigen: 4 Schwere und zunehmende Dyspnoe, Orthopnoe, nächtliche Dyspnoe 4 Belastungssynkopen 4 Thorakale Schmerzen 4 Neu aufgetretene Zyanose 4 Deutliche Halsvenenstauung 4 Lautes Systolikum und Diastolikum Das Lungenödem bedeutet ein hohes maternales und fetales Mortalitätsrisiko, ebenso müssen Tachyarrhythmien rasch in ihrer Signalfunktion erkannt werden. Durch die in der Schwangerschaft vorliegende Hyperkoagulabilität wird bei Patientinnen mit Eisenmenger-Syndrom und solchen mit zyanotischen Vitien die Gerinnungsneigung verstärkt.
Fetale Überwachung Entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien erfolgen je nach Risiken regelmäßige Wachstums- und Dopplerkontrollen. Da ein erhöhtes Risiko für ein fetales kardiales Vitium besteht, sollte in der 20. SSW eine fetale Echokardiografie angeboten und durchgeführt werden. Bei Hochrisikopatientinnen ist die Entbindungsrate ab 32 SSW mit 90% sehr hoch, je früher eine Entbindung aus maternaler Indikation erforderlich ist, umso höher ist die perinatale Mortalität und neonatale Morbidität aufgrund der Frühgeburtlichkeit.
Entbindung Multidisziplinäre Betreuung durch Kardiologen, Anästhesisten, ggf. Kardiochirurgen, Geburtshelfer und Neonatologen ist bei steigenden Risiken unbedingt erforderlich. Eine vaginale Entbindung ist in den meisten Fällen möglich, durch PDA sollte zusätzlicher Stress durch Wehenschmerz reduziert werden, ggf. ist eine Verkürzung der Austreibungsperiode mit einer vaginal-operativen Entbindung (Vakuum, Forceps) indiziert. Die Schnittentbindung ist bei Hochrisikopatientinnen indiziert: 4 Aortendissektion 4 Marfan-Syndrom mit Aortendurchmesser >4,5 cm 4 Unkorrigierte Aortenisthmusstenose 4 Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten bei Klappenersatz Die sub- und postpartale Überwachung erfolgt durch Kardiologen und Anästhesisten (Hämodynamik, Blutgase, invasive/nichtinvasive Blutdruck-
13
Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
überwachung, Rechtsherzkatheter) ohne gängigen Konsens über das Ausmaß derselben.
Typische Vitien
13
4 Vorhofseptumdefekt: meist gute Toleranz in der Schwangerschaft, Komplikation supraventrikuläre Tachykardie. 4 Ventrikelseptumdefekt: meist asymptomatisch, da im Kindesalter bei großen Defekten operiert, gute Toleranz in SS. 4 Offener Ductus Botalli: in der Schwangerschaft meist keine Probleme bei kleinem Befund, bei großem offenem Ductus ! Cave pulmonale Hypertonie! Plötzliche Shunt-Umkehr sub partu mit schwerer systemischer Hypotonie. 4 Kongenitale Aortenstenose: bei linksventrikulärer Ausflusstraktobstruktion Symptome einer Angina pectoris, Synkopen, Linksherzinsuffizienz; v.a. peripartal kommt es zur Linksherzinsuffizienz, ggf. BallonValvuloplastie in entsprechendem Zentrum nach abgeschlossener Embryogenese, kardiopulmonaler Bypass mit hoher fetaler Mortalität verbunden, daher möglichst Entbindung ab guter Überlebensfähigkeit per Sectio. 4 Pulmonalstenose: meist gute Toleranz in der SS, ! Cave Rechtsherzversagen, supraventrikuläre Tachykardie, Trikuspidalinsuffizienz. 4 Aortenisthmusstenose: Patientinnen mit unkorrigierter Aortenisthmusstenose und Schwangerschaft sind selten, schwierige Behandlung der Hypertonie, da Fetus in unterer Körperhälfte von Minimaldruck abhängig ist, körperliche Belastung meiden, eine Ballonintervention ist kontraindiziert wegen Rupturgefahr. 4 Fallot-Tetralogie: Zunahme des Rechts-Links-Shunts und der Zyanose, deren Ausmaß das fetale und mütterliche Risiko bestimmen, körperlich maximale Schonung, von SS sollte aus kardiologischer Sicht eher abgeraten werden, hohes Risiko der Dekompensation peripartal durch Shunt-Zunahme, ! Cave Rechtsherzversagen und Arrhythmien, teils ursächlich für plötzliche Todesfälle spät nach Korrektur des Fallot, genetische Beratung bzgl. Mikrodeletion 22q11 in Früh-SS. 4 Ebstein-Anomalie: in der Regel gute Toleranz trotz Gefahr des Rechtsherzversagens, publizierte Daten ermutigen in der Schwangerschaftsberatung zur Schwangerschaftsplanung. 4 Eisenmenger-Syndrom = pulmonale Hypertonie mit Shunt-Umkehr: symptomatische Patienten mit Belastungsdyspnoe und eingeschränkter Belastbarkeit, weitere Symptome sind Synkopen, Angina pectoris, Müdigkeit, Kopfschmerzen, mit bis zu 70% sehr hohe mütterliche Mortalität in der Schwangerschaft, weshalb aus kardiologischer Sicht zum SS-Abbruch geraten wird. Verringerter systemischer Blutdruck im Rahmen einer Blutung oder des Pressens, unter PDA oder postpartaler Blutung kann zu Shunt-Verstärkung und kardialem Kollaps führen. Die meisten Todesfälle treten unter oder nach der Geburt auf, die deshalb in multidisziplinärem Setting – aus kardiologischer Sicht nicht zwingend per Sectio – erfolgen sollte; eine Verkürzung der Austreibungsperiode erscheint sinnvoll.
191 13.8 · Maternale Erkrankungen
4 Marfan-Syndrom: 80% mit kardialer Beteiligung, eindeutig erhöhtes Risiko durch SS, Dissektionen v.a. im letzten Trimenon, falls Aorta <4 cm bzw. keine vorliegende kardiale Beteiligung haben 1%, höhergradige kardiale Beteiligung (Ao >4 cm) hingegen 10% Risiko für Aortendissektion, Endokarditis und/oder Herzinsuffizienz. Beratung vor SS! Hohe fetale Mortalität bei Aortenchirurgie in der Schwangerschaft, β-Blocker beeinflussen den Verlauf günstig, ab Aortendurchmesser 4,5 cm Sectio als Entbindungsmodus. ! Cave schlechte Wundheilung, Fäden länger belassen).
Erworbene Vitien 4 Rheumatisches Fieber ist nach wie vor ursächlich in Entwicklungsländern (Migranten!), interdisziplinäre Planung der Geburt in Abhängigkeit der kardialen Morbidität der Schwangeren. 4 Mitral- und Aorteninsuffizienz: meist rheumatischer Genese, sonst aufgrund Mitralklappenprolaps, Kollagenosen ursächlich, Klinik bis Linksherzinsuffizienz, meist aber gute Toleranz in der SS, ! Cave letztes Trimenon mit Nachlastanstieg und auftretender Herzinsuffizienz. Schnittentbindung nur bei schwerer Herzinsuffizienz. 4 Mitralstenose: fast immer rheumatischer Genese, häufiges Vitium, transmitraler Gradient in 2. und 3. Trimenon steigend, kleine Öffnungsfläche erhöht das Lungenödem- und Herzinsuffizienzrisiko. Fetales Risiko: IUGR. Engmaschige Kontrollen auch bei klinisch primär unauffälligen Patientinnen.! Cave pulmonale Hypertonie und Lungenödem, Vorhofflimmern, kardiale Instabilität, Interventionen mit hohem fetalen Verlustrisiko. 4 Aortenstenose: selten schwere Formen, Entbindung unproblematisch, falls stabile kardiale Dynamik.
Peripartale Kardiomyopathie Dies ist eine Sonderform der dilatativen Kardiomyopathie einer typischerweise zuvor gesunden Schwangeren. Definition erfolgt über Echokardiografie als linksventrikuläre Dysfunktion während letzten 4 Wochen vor bis 5 Monate nach Geburt auftretend, andere Ursachen müssen ausgeschlossen werden. Inzidenz liegt bei 1: 3000–15000 Geburten. Risikofaktoren sind: 4 Höheres Alter 4 Multiparität 4 Mehrlingsschwangerschaft 4 Langzeittokolyse
Klinik und Diagnostik Typisch sind: 4 Symptome der Herzinsuffizienz (Dyspnoe, Husten, Orthopnoe, Hämoptyse) 4 Flüssigkeitsretention 4 Gestaute Halsvenen 4 Basale Rasselgeräusche
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Eigene Notizen
192
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
4 Tachykardie 4 Ödeme
Verlauf/Maßnahmen Schwere Verläufe in ersten postpartalen Tagen. Die kardiale vermeintliche Entlastung nach der Entbindung wird bei »fehlendem Blutverlust« in Volumenbelastung umgekehrt, insbesondere bei Sectio und großzügiger Volumensubstitution. Mitunter kommt es zum fulminanten Linksherzversagen mit der Indikation zu interventionellen Maßnahmen (ventrikulärer AssistDevice) bis hin zur Herztransplantation. Ventrikelfunktion erholt sich in der Regel, daher ist zuwartendes Management indiziert.
Therapie 4 Entbindung bei Dekompensation 4 Vasodilatoren, ! Cave ACE-Hemmer sind in der Schwangerschaft, die sonst indiziert wären, kontraindiziert, alternativ Dihydralazin. 4 β-Blocker senken Morbidität und Mortalität 4 Bromocriptin wird zunehmend eingesetzt, unter Inkaufnahme der Laktationshemmung
Prognose Letalität bei 25–50%! Erhöhtes Wiederholungsrisiko in Folgeschwangerschaft, bei persistierender Ventrikeldysfunktion wird von einer solchen wegen nicht einschätzbarer Eskalation abgeraten.
13.8.4
Autoimmunerkrankungen
Physiologie
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Im Rahmen einer Autoimmunerkrankung wird die »Selbsttoleranz« zuungunsten autoreaktiver Mechanismen verschoben, beteiligt sind T-Zellen (Suppressor-, Kontrasuppressor- und T-Helferzellen), HLA-Antigene, durch Konjugation eines tolerierten Autoantigen mit z.B. bakteriellen Antigenen Umkehr der Toleranz, Aktivierung von B-Zellen und T-Zellen (s. Lehrbücher Innere Medizin). Unterschieden werden systemische und organische Autoimmunerkrankungen: 4 Systemisch: Kollagenosen und Arthritiden 4 Organisch: 5 Endokrines System: Hashimoto, Basedow-Krankheit, Typ-I-Diabetes, Addison-Krankheit 5 Gastrointestinales System: Autoimmunhepatitis, sklerosierende Cholangitis, primär biliäre Leberzirrhose, Autoimmunhepatitis, Crohn-Krankheit, Colitis ulcerosa, glutensensitive Enteropathie
193 13.8 · Maternale Erkrankungen
Systemischer Lupus erythematodes (SLE) Ätiologie Bei dieser entzündlichen Autoimmunerkrankung können verschiedene Organsysteme beteiligt sein, Frauen erkranken 10-mal häufiger. Durch Autoantikörper und Immunkomplexe werden die Kapillaren der viszeralen Organe geschädigt. Antiphospholipid-Antikörper sind mit erhöhter Abortrate assoziiert, ebenso ist der Pathomechanismus der Endothelschädigung mit gestörter Prostazyklinsynthese und Flussverminderung inklusive Bildung kleiner Thromben als mögliche Ursache der Schwangerschaftskomplikationen anzusehen.
Klinik Hauptmanifestationsorgane sind Niere, Gelenke (mit 90% die primäre Manifestationsform), Haut, Gerinnungssystem. Optisch typisch ist das schmetterlingsförmige Erythem im Gesicht. Seltener ist eine Enzephalopathie im Rahmen des SLE. Die schweren Manifestationen verlaufen mit Myokarditis, Hypertonie, neurologischen Symptomen, Nephritis und Lungenerkrankungen (Restriktion). Schwangerschaftskomplikationen sind gehäuft. Die Kriterien des American College of Rheumatology finden Anwendung zur Klassifikation des SLE: 4 Arthritis 4 Serositis 4 Hautausschlag 4 Fotosensitivität 4 Nierenbeteiligung 4 Leukopenie 4 Anämie (hämolytisch) 4 Thrombopenie 4 Anti-DNA-, Anti-Sm-, Antiphospholipid-Antikörper, ANA (Titererhöhung)
Diagnostik Typische Befunde sind: 4 Fluoreszenztest (ANA, Anti-DNA) 4 Thrombopenie 4 Leukopenie 4 Hämaturie 4 Serumkreatinin erhöht 4 Anti-Phospholipid-AK, Anti-Ro-AK, Anti-LA-AK, Anti-Sm-AK 4 ! Cave falsch positive Lues-Testung in bis zu 10% der SLE-Patienten. 4 Differenzialdiagnostik in der Schwangerschaft: 4 Nephrotisches Syndrom, Präeklampsie
Verlauf und Komplikationen in der Schwangerschaft Ein großer Teil der Schwangerschaften kann erfolgreich betreut werden, die Patientinnen sollten bis 40 SSW (also zum errechneten Termin) entbunden sein. Es werden deutlich erhöhte Abortraten bei SLE von bis zu 40% berich-
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Eigene Notizen
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Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
tet, und das Risiko eines IUFT mit bis zu 30% angegeben! In gut 10% verschlechtert sich das klinische Bild, in einem Viertel der Schwangerschaften kommt es zur intrauterinen Wachstumsrestriktion (IUGR). Eine weitere fetale Komplikation ist der AV-Block durch die plazentagängigen Anti-Ro-AK, der dann in 5% zu erwarten ist. Durch fetale und maternale Komplikationen (Hypertonie und Präeklampsie) kommt es zu einem erhöhten Anteil an Frühgeburten.
Therapie Eine routinemäßige Verabreichung von Glukokortikoiden ist in der Schwangerschaft nicht indiziert. Bei positivem Anti-Ro-Status besteht die Gefahr eines fetalen AV-Blocks, dem mit der Applikation von Glukokortikoiden ab 12 SSW begegnet werden kann, die Effizienz ist nicht einheitlich belegt. Bei Nachweis von Anti-Cardiolipin-AK sollte ab 12 SSW Prednison und ASS low dose verordnet werden um oder ggf. eine Kombination aus Glukokortikoid und eine Prophylaxe mit niedermolekularem Heparin. Weitere Indikationen für eine Prednisontherapie in der Schwangerschaft bestehen bei einer Nephritis, Peri-/Myokarditis, Pleuritis, hämolytischer Anämie, Thrombopenie, Leukopenie, etc. Die Symptome einer Exazerbation entsprechen denen einer Präeklampsie (!) mit Hypertonie, Proteinurie, Organbeteiligung (Leber, ZNS, Gerinnungssystem etc.) und ggf. Nephritis begleitend, dann häufig Exazerbationen. Unter der Geburt (die vaginal erfolgen kann) ist dann eine Stressprophylaxe mit z.B. 100 mg alle 8 h erforderlich, wenn in den letzten 12 Monaten eine Steroidtherapie erfolgt ist.
Rheumatoide Arthritis
13
Klinik Es besteht eine durch die Schwangerschaft unbeeinflusste Klinik mit folgenden Symptomen: 4 Müdigkeit 4 Subfebrile Temperaturen 4 Symmetrische Polyarthritis 4 Rheumaknoten 4 Organmanifestationen (kardial mit Perikarditis, Klappenveränderungen, Myokarditis) 4 Pleuritis 4 Unspezifische Leberenzymerhöhung 4 Neuropathien
Diagnostik Mittels Labor: 4 Unspezifische Entzündungszeichen, CRP-Erhöhung 4 Erniedrigtes Serumeisen 4 Immunologie (Rheumafaktoren im Verlauf in 80% positiv, Anti-CCP, antinukleäre AK, evtl. Antiphospholipid-AK)
195 13.8 · Maternale Erkrankungen
4 Bildgebung nur mit strenger Indikationsstellung in der SS (MRT und Sonografie vor Röntgen)
Verlauf und Therapie Verlauf in der Schwangerschaft mit Besserung der Symptomatik in 75%, Behandlungsbedarf in 10–20%, Exazerbation im Wochenbett durch Hormonabfall möglich. Es besteht kein erhöhtes Abortrisiko, jedoch erhöhte Rate an Frühgeburtlichkeit, Entbindungsmodus nicht vorgegeben, ggf. Antibiose sub partu zur Vorbeugung einer Bakteriämie mit Gefahr der Streuung in arthritische bzw. prothetisch versorgte Gelenke und Endokarditis bei veränderten Klappen. Effektive Therapie nach Diagnosestellung ist zur Reduktion der destruierenden Prozesse am Gewebe indiziert. Neben physikalischen Maßnahmen stehen zur Verfügung: 4 Nichtsteroidale Antirheumatika (Paracetamol ohne Kontraindikation, Voltaren, Ibuprofen mit der Gefahr der Konstriktion bzw. Verschluss des Ductus botalli mit fortschreitender Schwangerschaft kontraindiziert) 4 Glukokortikoide 4 Basistherapeutika Geburt sollte entsprechend obstetrischen Befunden erfolgen, Stillen sollte gefördert werden, ist ohne Einfluss auf den Krankheitsverlauf.
Typ-I-Diabetes Kap. 13.2.1.1
Hashimoto-Thyreoiditis, Basedow-Krankheit Kap. 13.8.1: Schilddrüse.
Crohn-Krankheit, Colitis ulcerosa Pathophysiologie Wichtigste Vertreter chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, geprägt durch einen chronischen Verlauf mit intermittierend akuten Schüben. Während bei Crohn-Krankheit diskontinuierlich einzelne Segmente typischerweise des Dünndarms (bis 60% terminales Ileum, proximales Kolon bis 15%) von einer bis in tiefe Schichten reichenden Entzündung der Darmwand betroffen sind, verläuft die Colitis ulcerosa mit kontinuierlicher Ausbreitung typischerweise der oberflächlichen Kolonschleimhaut vom distalen Rektum (80%) nach oralwärts sich ausbreitend. Bei Erstdiagnose sind die Patienten zwischen 20 und 40 Jahren alt. Autoimmunmechanismen mit Immunreaktivität gegen die eigene Darmflora und Bildung von Auto-AK gelten als involvierte ätiologische Mechanismen. Weitere Triggerfaktoren sind Stress und Infektionen. Eine familiäre Belastung ist bekannt, dennoch ist aufgrund der meist guten Therapierbarkeit nicht von einer Schwangerschaft abzuraten. Entscheidend
13
Eigene Notizen
196
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
für den Verlauf ist der Aktivitätszustand zu Beginn der Schwangerschaft (Aktivitätsindex für Crohn-Krankheit).
Klinik 4 Crohn-Krankheit: Lange anhaltende Durchfälle (i.d.R. unblutig), abdominelle Schmerzen (rechter Unterbauch), Koliken, Flatus, Fistelbildung, Temperaturerhöhung. 4 Colitis ulcerosa: schleimig-blutige Durchfälle, abdominelle Schmerzen (linker Unterbauch), Fieber, Erythema nodosum, Arthritis, Uveitis, Gewichtsverlust, blande Proktitis bis septisches Krankheitsbild mit Dehydratation, Elektrolytentgleisung, Schock.
Diagnostik 4 Anamnese 4 Körperliche Untersuchung, extraintestinale Symptome in bis zu 60% 4 Ausschluss anderer intestinaler Komplikationen (Ileus, Fisteln, Malabsorption, Abszesse) 4 Serologie (BB, CRP) zur Einschätzung der Aktivität, spezifische AKSuche (ASCA-AK, pANCA), bakteriologische Untersuchung bei Verschlechterung bzw. akutem Schub. 4 Endoskopie mit Biopsie ist zur Primärdiagnostik Pflicht, um das klinische Bild unter Zuhilfenahme der Histologie und des endoskopischen Befundes (Befalltyp) einer Entität zuzuordnen. 4 Sonografie ist die Bildgebung der Wahl in der Schwangerschaft, die Strahlenbelastung durch Röntgen- und CT-Untersuchungen sollten vermieden werden, müssen aber bei Komplikationen (Verdacht auf toxisches Megakolon) gegen die Schwere des Krankheitsbildes abgewogen werden.
13
Differenzialdiagnostik 4 Bakterielle Infektionen (Salmonellen, Yersinien, Shigellen, Clostridien, Campylobacter, E. coli, Amöben) 4 Divertikulitis 4 Morbus Behçet 4 Systemische Vaskulitiden 4 Karzinome
Therapie Nichtschwangere erhalten in Kombination je nach Aktivität 5-Aminosalicylsäure, Antibiose im Schub, Antiphlogistika, ggf. Immunsuppression (u.a. Kortikosteroide). In der Schwangerschaft soll sowohl eine Kortikoid- wie auch Sulfasalazinbehandlung nicht abgesetzt werden. Medikamente sind: 4 1. Wahl: 5-ASA, Sulfasalazin, Kortikosteroide (Beclomethason, Budenosid) 4 2. Wahl: 6-Mercaptopurin, Azathioprin, Cyclosporin, Metronidazol 4 Folsäure sollte im gesamten Verlauf substituiert werden.
197 13.8 · Maternale Erkrankungen
Komplikationen 4 Allgemein: 5 Toxisches Megakolon, akuter mechanischer Ileus, Fisteln (CrohnKrankheit), intestinaler Blutverlust, Abszessbildung (meist anorektal), Malabsorption (! Cave Anämie durch Vitamin-B12-Mangel), Kolonkarzinom als Langzeitrisiko bei Colitis ulcerosa, Iritis, Uveitis, Erythema nodosum, Pyoderma gangraenosum, Cholelithiasis, Pericholangitis 4 Schwangerschaftsverlauf: 5 Erhöhte Frühgeburtlichkeit, erhöhte Abortrate, IUGR, erniedrigtes Geburtsgewicht (small for gestational age), erhöhte perinatale Morbidität und Mortalität 4 Geburt: 5 Vaginale Entbindung möglich, eine Indikation zur Sectio besteht bei Beteiligung von Vagina, Damm, Zervix (Fistel)
13.8.5
Myome
Uterus myomatosus in der Schwangerschaft Risikozunahme besteht mit steigendem Alter, Anzahl ausgetragener Schwangerschaften, steigendem BMI, Herkunft (Schwarzafrika). Nach Lokalisation werden submuköse, intramurale, subseröse und gestielte Myome unterschieden.
Klinik 4 Meist symptomlos, ernährungsgestörtes Myom bis zur Nekrotisierung: Schmerz, Fieber, durch Prostaglandinausschüttung 4 Vorzeitige Wehentätigkeit mit Frühgeburtsbestrebung, in Früh-SS: Abort
Risiken Im Schwangerschaftsverlauf entwickelt sich eine Plazentainsuffizienz durch Minderperfusion der Plazenta, vorzeitige Plazentalösung, mechanische Komplikationen durch Kompression des Ureter und der Blase. Geburtsrisiken: 4 Geburtsmechanisches Hindernis mit fetalen Lageanomalien 4 Wehenschwäche, dystoke Wehenstörung 4 Postpartal: Wehenschwäche, Atonie, Rückbildungsstörung, Endometritis Risiken für das Kind: 4 Intrauterine Wachstumsrestriktion durch Plazentainsuffizienz (IUGR) 4 Druck – Deformierungen 4 Fehlgeburten: 15% insbesondere bei intrakavitärer und submuköser Myomlokalisation 4 Frühgeburtsrisiko erhöht bei submukösen Myomen
13
Eigene Notizen
198
Kapitel 13 · Schwangerschaftspathologien
Eigene Notizen
Diagnostik 4 4 4 4
Ultraschall abdominal und vaginal Palpation Fetale Dopplersonografie Farbdopplersonografie der Myome zur Beurteilung der zentralen Vaskularisation 4 Selten MRT
Differenzialdiagnostik 4 4 4 4 4 4 4
Abortus imminens (Hämatom) Vorzeitige partielle Lösung (subplazentare Lokalisation) Plazenta praevia (zervixnahe Lokalisation) Adnexbefunde (Stieldrehung) Appendizitis Pyelonephritis Urolithiasis
Therapie Begrenzt auf symptomatische Maßnahmen: 4 Schmerz- und Entzündungstherapie 4 Tokolyse Ultima ratio ist die operative Myomentfernung in graviditate. Auch bei Geburt per Sectio sehr zurückhaltende Indikation zur Entfernung; postpartale Involution der Myome macht eine spätere Therapie risikoärmer.
13
14 Tag 5 – Geburt
14
Geburt
14.1
Grundlagen – 200 B. Schiessl
14.1.1 14.1.2 14.1.3 14.1.4
Allgemeines – 200 Betreuung/Überwachung der Schwangeren und des Feten Geburtsverlauf – 206 Pathologie der Geburt – 208
14.2
Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie – 211 B. Schiessl
14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5
Blutung antepartal und subpartal – 211 Blutung postpartal – 212 Uterusruptur – 214 Eklampsie – 215 Therapie – 216
14.3
Wochenbett B. Schiessl
14.3.1 14.3.2 14.3.3
Physiologie des Wochenbetts – 216 Betreuung der Wöchnerin – 218 Pathologie im Wochenbett – 219
14.4
Das Neugeborene – 225 S. Trepels-Kottek
14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4 14.4.5
Gesundes, reifes Neugeborenes – 225 Vorgeburtliche Anamnese (Schwangerschaft und Mutter) – 226 Umstellungsvorgänge intrauterin → extrauterin – 226 APGAR – 226 Erstversorgung bei unkomplizierter Anpassung des Neugeborenen – 227 Reanimationsmaßnahmen – 227 pH und BE – 229 Erstuntersuchung – 229
14.4.6 14.4.7 14.4.8
– 202
– 216
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4_14, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
200
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
14.1
Grundlagen B. Schiessl
14.1.1
Allgemeines
Schwangerschaftsdauer Die physiologische Dauer einer Schwangerschaft wird mit 40 SSW angegeben, als reif geboren gilt ein Kind ab 37+0, von Terminüberschreitung spricht man über 40+0 SSW, von Übertragung ab 40+10 SSW (keine einheitliche Definition). Die meisten »Übertragungen« beruhen auf Terminfehlern (falsche Berechnung, Irrtum, ausgebliebene Korrektur des ET nach diskrepantem Früh-Ultraschall). Am Entbindungstermin wiegt das reife Kind 3300–4000 g. Einflussfaktoren auf das kindliche Gewicht sind Genetik, Herkunft, Größe der Eltern, was im Beratungsgespräch bedacht werden soll. Davon unabhängig wirken Einflüsse durch den Schwangerschaftsverlauf (Plazentainsuffizienz, Infektionen, Gestationsdiabetes usw.).
Geburtsauslösung Die Ursachen der Geburtsauslösung sind nach wie vor nicht geklärt, vermutet werden Regelkreise zwischen maternalem und fetalem Kreislauf. So sezerniert die Hypophyse des Feten vor Wehenbeginn Oxytocin und die entsprechende Rezeptorenzahl an Dezidua und Myometrium steigt zum Entbindungstermin hin an. Ebenso spielen das CRH (Corticotropin-Releasing-Hormone) und Cortisol aus dem fetalen Kreislauf in der Initiierung der Geburt eine wichtige Rolle (wachstumsrestriktive Feten zeichnen sich durch eine erhöhte Rate an vorzeitigem Wehenbeginn mit Frühgeburtlichkeit aus).
14
Geburtsbeginn Zur geburtshilflichen Definition des Geburtsbeginns gehören die Faktoren: 4 Regelmäßige Wehen mindestens alle 10 min über mindestens 30 min mit Muttermundswirksamkeit (Verkürzung der Portio, Eröffnung des Muttermundes), 4 ggf. der Blasensprung und/oder 4 eine Zeichnungsblutung (ggf. blutige Ausstoßung des Zervixschleimpfropfs).
Wehen 4 Geburtskräfte = Geburtswehen, man unterscheidet Wehenstärke, -dauer, -pause und -frequenz. > Memo Erfassung durch Palpation plus Uhr! 4 Verschiedene Wehenarten prä-, intra- und postpartal: 5 Schwangerschaftswehen: Alvarezwellen (geringe Intensität), Braxton-Hicks-Kontraktionen (häufiger gegen Schwangerschaftsende), übergehend in Senkwehen 3–4 Wochen vor dem Termin, Vorwehen (unregelmäßig, aber stärker).
201 14.1 · Grundlagen
5 Geburtswehen: Eröffnungswehen (regelmäßige Wehen zur Muttermundseröffnung), Austreibungswehen (ab vollständigem Muttermund, höherer Druck), Presswehen, Nachgeburtswehen (zur Lösung und Geburt der Plazenta), Nachwehen (im Wochenbett zur Rückbildung)
Geburtsmechanik Der Geburtsablauf wird von der Reife des Kindes, den Geburtswegen und Geburtskräften gestaltet. Das reife Kind wiegt zwischen 2500 und 4499 g, eine Analyse der Geburten in Bayern erbrachte ein durchschnittliches Geburtsgewicht von 3433–3414 g in den Jahren 2000–2007. Der meist vorangehende Kopf ist der geburtsmechanisch wesentliche Part des Kindes. Dieser ist zusammen mit Rücken und Steiß eines der großen Teile, kleine Teile sind Arme und Beine. Am Kopf tastbar sind Pfeilnaht, Lambdanaht, Kranznaht, Stirnnaht, sowie die große und kleine Fontanelle. Die Kopfumfänge berechnen sich aus den bezeichnenden Ebenen und unterscheiden sich in ihrem Umfang: 4 Circumferentia suboccipito-bregmatica 4 Circumferentia fronto-occipitalis 4 Circumferentia mento-occipitalis Je nach Haltung und Stellung des Kindes wird ein unterschiedlicher Kopfumfang geburtsmechanisch wirksam.
Geburtsweg Knochen-Weichteilkanal aus knöchernem Becken und Weichteilkanal (unteres Uterinsegment, Zervix, Vagina, Vulva, Beckenboden mit Diaphragma pelvis und Diaphragma urogenitale). Durchmesser des knöchernen Beckens: 4 Conjugata vera/anatomica 12 cm 4 Querdurchmesser im Beckeneingang 13 cm 4 Raumdiagonale des Beckeneingangsraums: I. und II. schräger Durchmesser 12 cm Klassisches Ebenensystem zur Höhenstandbeurteilung des vorangehenden kindlichen Teils mit den Ebenen Beckeneingang, Beckenmitte, Beckenausgang. Geburtshilfliche Richtungsbezeichnungen an der schwangeren Patientin: 4 Vorn = symphysenwärts 4 Hinten = kreuzbeinwärts 4 Rechts und links immer im Sinne der Kreißenden 4 Oben = kopfwärts 4 Unten = fußwärts Verhalten des Kopfs beim Durchtritt durch den Geburtskanal: 1. Eintritt in den BE (Beckeneingang): 5 Quer oder schräg verlaufende Pfeilnaht (PFN) 5 Synklitismus = Achsengerechte Einstellung mit PFN in Führungslinie
14
Eigene Notizen
202
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
5 Asynklitismus: J vorderer A. = physiologische Abweichung der PFN kreuzbeinwärts J hinterer A.= pathologische Abweichung der PFN symphysenwärts 2. Durchtritt durch die Beckenhöhle: 8 cm Höhenunterschied, der durch Tiefertreten (Progression), Beugung (Flexion, Haltungsänderung) und Drehung um 90° (Rotation, Stellungsänderung) des Köpfchens überwunden wird. 3. Austritt aus dem Geburtskanal: Aus tiefer Beugehaltung am Beckenboden überwindet der Kopf den »Bogen« um die Symphyse durch eine Streckbewegung (Deflexion). Nach der äußeren Drehung des Kopfs im Sinne einer Rückdrehung werden die kindlichen Schultern geboren. Während der Geburt erfolgt die Höhendiagnose des kindlichen Kopfs durch äußere und innere (vaginale) Untersuchung. Drei definierte Höhenstände des Kopfs im Becken: 4 Kopf tief und fest im Beckeneingang (größter Umfang hat die Terminalebene überschritten) 4 Kopf in Beckenmitte 4 Kopf steht auf Beckenboden (sitzt dem Beckenboden fest auf) Höhenstandsdiagnostik des vorangehenden Teils (Leitstelle), daraus ergibt sich indirekt der Höhenstand des größten Kopfumfangs. Typisch ist die zu tiefe Einschätzung des Höhenstandes von Anfängern bzw. unerfahrenen Untersuchern. ! Cave Auch bei sichtbarer Geburtsgeschwulst in der Tiefe der Vulva kann der Kopf mit seinem größten Umfang noch nicht ins Becken eingetreten sein.
14
14.1.2
Betreuung/Überwachung der Schwangeren und des Feten
Aufnahme in den Kreißsaal Zur Dokumentation gehören bei Aufnahme Name, Alter und Parität der Schwangeren (Zustand nach Spontan- oder Operativgeburten?) sowie aktuelle Angaben (seit wann Wehen, wann Fruchtwasserabgang mit welcher Farbe, Blutung, Fieber, Wohlbefinden?). Erste Maßnahme ist das Anlegen eines CTGs zur Verifizierung der fetalen Vitalität und Quantifizierung von Wehen. Erhoben werden: 4 Mütterlicher Blutdruck, Puls, Temperatur 4 Bei Aufnahme in die Klinik Kontrolle von Blutbild, Gerinnung als Standard zur Geburtsvorbereitung, ebenfalls ein i.v.-Zugang 4 Weitere Laborparameter in Abhängigkeit von der klinischen Situation (Frühgeburt? Blasensprung? Infektion? Maternale Erkrankungen? etc.)
203 14.1 · Grundlagen
Überwachung Die subpartale fetale und maternale Überwachung dient der Erkennung von Gefahren, wie drohender intrauteriner Asphyxie bzw. maternaler Hypotonie, Blutung, Fieber etc.
Überwachung des Kindes unter der Geburt Oberstes Ziel ist die Erkennung eines drohenden fetalen Sauerstoffmangels bzw. einer fetalen Asphyxie. Als Überwachungsmethoden stehen zur Verfügung: 4 Kardiotokografie (CTG) 4 Auskultation 4 Pulsoxymetrie 4 Mikroblutuntersuchung Kardiotokografie Apparative Ableitung der kindlichen Herztöne und der Wehentätigkeit. Fetale Herzfrequenzregistrierung erfolgt über einen Ultraschalltransducer mit Abgreifen des Dopplersignals des fetalen Herzschlags (Algorithmus, keine Beat-to-beat-Ableitung) und eine mechanische Messung des Uterustonus (relative, keine absolute Druckmessung). In der Beurteilung muss zwischen antepartalem und intrapartalem CTG unterschieden werden. Beurteilungskriterien sind: 4 Fetale Herzfrequenz 4 Oszillation 4 Akzelerationen 4 Dezelerationen 4 Wehentätigkeit (Frequenz und Dauer) Normbefunde: 4 Fetale Herzfrequenz: 110–150 bpm, Oszillation 5–20 bpm, Akzelerationen vorhanden, keine Dezelerationen 4 Antepartal: keine Geburtswehen Kontinuierliche CTG-Registrierung unter der Geburt im Kreißsaal wird empfohlen. Absolute CTG-Indikationen bestehen in folgenden Situationen: 4 IUFT oder kindlichem Hirnschaden in der Anamnese 4 Aktuelle IUGR 4 Frühgeburt 4 Schwangerschaftsinduzierte Hypertonie (SIH) 4 Kohlenhydratstoffwechselstörung 4 BEL (Beckenendlage) 4 Geburtseinleitung 4 Protrahierter Geburtsverlauf 4 Medikamentöse Wehenförderung (Oxytocin) 4 Mehrlingsgeburten 4 Blutungen in der 2. SS-Hälfte 4 Fetale Fehlbildung
14
Eigene Notizen
204
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
14
4 4 4 4
Maternale oder fetale Infektion Oligo- oder Polyhydramnion Übertragung Pathologische Wehentätigkeit (Polysystolie)
Subpartale Herzfrequenzmuster: 4 Dezelerationen: Absinken der fetalen Herzfrequenz um mehr als 15 Schläge von der Baseline über mehr als 0,5 min. 5 Unterschieden werden frühe, späte und variable Dezelerationen (Typ I und Typ II): J Dezelerationen Typ I (frühe Dezelerationen): treten wehensynchron auf und sind meist Folge einer kompressionsbedingten kurzen Ischämie des fetalen Gehirns (Nabelschnurkompression). Ohne pathologische Bedeutung, falls keine weiteren Auffälligkeiten vorhanden sind. J Dezelerationen Typ II (späte Dezelerationen): treten nach der Wehe auf und zeigen eine hypoxische Gefährdung des Feten an. Bei Wiederholung muss eine Abklärung durch eine Mikroblutuntersuchung (MBU) erfolgen. Hierbei wird Blut aus dem kindlichen Köpfchen auf pH, base excess und pCO2 untersucht. J Variable Dezelerationen treten häufig sub partu auf, ihre Prognose ist abhängig von den so genannten Zusatzkriterien (ungünstig: flacher Wiederanstieg der Herzfrequenz, Oszillationsverlust in der Dezeleration, Verlust der initialen Akzeleration, Fortbestehen der kompensatorischen Akzeleration, Nichterreichen der initialen Baseline etc.). Auch hier muss bei ungünstigen Zusatzkriterien eine Abklärung durch die MBU erfolgen. 4 Bradykardie: Fetale Herzfrequenz unter 100 bpm über mehr als 3 min Dauer (kürzer als Dezeleration zu werten). Auftreten bei: 5 Mütterlicher Kreislaufstörung (akute Hypotonie, V. cava-Kompressions-Syndrom) 5 Fetaler Erkrankung (Rhythmusstörung) 5 Länger anhaltendem O2-Mangel unter der Geburt als Ausdruck der fetalen Hypoxie. 4 Tachykardie: Fetale Herzfrequenz über 160 bpm über mehr als 10 min Dauer (falls kürzer: als Akzeleration zu werten). Häufigste Ursachen sind: 5 Maternale Temperaturerhöhung (Fieber) oder Dehydrierung (Gastrointestinalinfekt) 5 Bei passagerer fetaler Hypoxie als Ausdruck der Kompensation ( ! Cave Bei zu langer Dauer pathologische Bedeutung.). 4 Akzelerationen: 5 Beschleunigung der fetalen Herzfrequenz bei fetalen Bewegungen, mütterlichem Lagerungswechsel, vaginaler Untersuchung, Manipulation am kindlichen Kopf (Anbringen einer Skalpelektrode), prognostisch günstige Bedeutung. 5 Wehensynchrone Akzelerationen können eine Minderdurchblutung und/oder Nabelschnurkompression anzeigen.
205 14.1 · Grundlagen
! Cave Verminderung der Oszillationsamplitude und -frequenz
haben insbesondere in Kombination mit Tachykardie, Bradykardie oder in der Dezeleration eine pathologische Bedeutung. Mikroblutuntersuchung (MBU) Synonym: Fetal blood sampling (FBS) 4 Indikationen: pathologisches CTG bei eröffnetem Muttermund 4 Kontraindikation: maternale HIV-Infektion 4 Zunächst intrauterine Reanimation mit Gabe von i.v.-Bolus-Tokolyse und Umlagerung der Gebärenden. Bei Persistenz der Pathologie Durchführung wie folgt: 5 Mittels Amnioskop oder Spekulumeinstellung (Patientin liegt in Steinschnittlage im Querbett oder in Linksseitenlage im Kreißbett) Darstellung des fetalen führenden Teils (meist Köpfchen), unter Sicht Punktion und Gewinnung einer Kapillarfüllung Blut. Analyse des fetalen pH-Werts in Analysegerät im Kreißsaal. 5 Aziditätsstadien nach Saling: J pH ≥7,25 ohne pathologische Bedeutung J pH 7,24–7,20 = Präazidose J pH 7,19–7,15 = leichte Azidose J pH 7,14–7,10 = mittelgradige Azidose J pH 7,09–7,00 = fortgeschrittene Azidose J ≤pH 6,99 = schwere Azidose 4 Wiederholung der MBU bei Persistenz des pathologischen CTG nach 15 min in Abhängigkeit der Pathologie. Bei sinkenden pH-Werten ggf. Dauertokolyse. 4 Die Geburtsbeendigung ist bei pH-Werten <7,20 in der Regel indiziert. Weitere Überwachungsmöglichkeiten sub partu 4 Fetale STAN = Analyse der ST-Quotienten, derzeit noch nicht generell etabliert oder empfohlen. 4 Fetale Pulsoxymetrie: Transkutane oder invasive (Skalpelektrode) Messung der fetalen Sauerstoffsättigung, Voraussetzung eröffnete Fruchtblase, Einsatz in vielen Studien mit Nutzen gezeigt, derzeit kein genereller Einsatz im klinischen Alltag.
Überwachung der Mutter Blutdruck und Puls werden regelmäßig nach Aufnahme in den Kreißsaal erfasst, häufiger bei PDA (Periduralanästhesie) oder bekannter Hypertonie, Präeklampsie etc. Es ist sorgfältig auf eine bilanzierte Einfuhr und Ausfuhr zu achten, in klimatisierten Räumen kann es zu einer Hypovolämie kommen, bei liegender PDA ist ein regelmäßiger Katheterismus der Harnblase erforderlich. Um klinisch eine Infektion früh zu erfassen, erfolgen Temperaturkontrollen, häufiger bei bekannter Infektion oder vorzeitigem Blasensprung oder fetaler/maternaler Tachykardie. Das Ausmaß der vaginalen Blutung muss akribisch dokumentiert werden, um physiologische Zeichnungsblutung von pathologischen Blutungen
14
Eigene Notizen
206
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
(Plazentalösung, Zervixriss, Uterusruptur etc.) abzugrenzen. Bei Zustand nach Sectio muss auf Schmerzen im Narbenbereich insbesondere in den Wehenpausen geachtet werden, sie können ein Hinweis auf eine beginnende Narbendehiszenz oder -ruptur sein. Verarbeitung des Wehenschmerzes, psychische Unterstützung sind Aufgaben der betreuenden Hebamme, die ggf. Analgesie durch eine PDA vermittelt.
14.1.3
Geburtsverlauf
Eröffnungsperiode (EP)
14
Als EP gilt die Dauer ab regelmäßiger Wehentätigkeit bis zur vollständigen Muttermundseröffnung. Bei Erstgebärenden beginnt die Eröffnung am inneren Muttermund mit Erweiterung zum äußeren Muttermund, nach Entfaltung des Zervixkanals erfolgt die Dilatation. Bei Mehrgebärenden geschieht die Eröffnung von innerem und äußerem Muttermund gemeinsam. > Memo Faustregel: Eröffnung 1 cm/h Muttermundsweite, schneller bei Mehrgebärenden. Blasensprung in der Eröffnungsperiode = frühzeitiger Blasensprung (vorzeitig wäre vor Beginn der EP). Auf regelmäßige Entleerung der maternalen Harnblase ist zu achten. Lagerung und Mobilität den Wünschen der Gebärenden entsprechend, solange Geburtsfortschritt und fetaler Zustandsüberwachung unauffällig sind. Vaginale Untersuchung erfolgt mindestens alle 4 h in der EP, um den Geburtsfortschritt im Partogramm zu dokumentieren. Die Schmerzempfindung unter der Geburt unterliegt starken individuellen Schwankungen. Bekannt ist der »Angst-Spannungs-SchmerzKreis«, dem mit guter Vorbereitung auf die Geburt, Aufklärung, Gymnastik, Entspannungsübungen und Atemtechnik begegnet werden kann. Starke Schmerzen führen zur Verspannung, und Angst der Gebärenden, was beides die Wehentätigkeit negativ (Dystokie, Schwäche) beeinträchtigen kann. Zur Linderung der Wehenschmerzen stehen verschiedene Ebenen der Schmerzbekämpfung zur Verfügung: 4 Akupunktur 4 TENS 4 Medikamentöse Schmerzlinderung (Nichtopioidanalgetika, Opioidanalgetika [z.B. Pethidin], Leitungsanästhesie mittels PDA) Sehr bedeutend ist die Betreuung und Anleitung durch die Hebamme bereits in der frühen und späteren Eröffnungsperiode.
Austreibungsperiode Die Austreibungsperiode beginnt mit vollständig eröffnetem Muttermund, endet mit der Geburt des Kindes, enthält die Pressperiode. Blasensprung in der Austreibungsperiode = rechtzeitig. In der Pressperiode werden die uterinen Wehen durch aktives Einsetzen der Bauch-
207 14.1 · Grundlagen
und Rumpfpresse unterstützt. Wenn der kindliche Kopf auf dem Beckenboden steht, erfolgt die reflektorische Auslösung der Presswehen über spinale Nervenbahnen, nicht willentlich beeinfluss- oder gar unterdrückbar. Anleitung zum aktiven Mitpressen erfordert: 4 vollständig eröffneten Muttermund, 4 gesprungene oder eröffnete Fruchtblase, 4 ausreichend tief stehenden Kopf (am besten auf BB), 4 Pfeilnaht ausrotiert im geraden Durchmesser. Mögliche Positionen bei der Geburt sind: 4 Rückenlage 4 Seitenlage 4 halb sitzend 4 Vierfüßlerstand 4 Knie-Ellenbogen-Haltung 4 hockend 4 stehend Entscheidend ist die Betreuung und Anleitung durch die betreuende Hebamme. Dauerüberwachung durch CTG. Durch den Dammschutz der Hebamme wird der Kopfdurchtritt des Köpfchens verlangsamt und damit werden mütterliche Weichteile geschützt. Bei drohendem Dammriss kann eine Episiotomie nach rechts medio-lateral indiziert sein. ! Cave Nicht immer wird durch die Episiotomie ein Dammriss verhindert: Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anlage einer Episiotomie nicht zwingend einen Dammriss III. Grades (mit Riss des Sphincter ani externus) verhindert. Als Geburtszeit gilt die beendete Geburt des gesamten kindlichen Körpers (insbesondere bei Verzögerung durch Schulterdystokie von dokumentatorischer Bedeutung!). Abnabelung erfolgt in der Regel früh nach 1–2 min nach der Geburt. Die Messung des pH aus Nabelschnurarterie und -vene wird im Kreißsaal durchgeführt und in Mutterpass, Kinderheft und Klinikakten dokumentiert.
Nachgeburtsperiode Diese umfasst den Zeitraum nach Geburt und Abnabelung des Kindes, beinhaltet Geburt der Plazenta (erst dann gilt eine Geburt als beendet) und dauert bis ca. 2 h danach an. In Deutschland üblich ist die so genannte aktive Nachgeburtsleitung mit Verabreichung von 3 IE Oxytocin i.v. an die Patientin, um den Blutverlust in der Nachgeburtsperiode zu verringern. Die Lösung der Plazenta geht mit einer physiologischen Lösungsblutung einher, diese gilt ab >400 ml als verstärkt. Verzögerte Plazentalösung bedeutet, dass >30 min seit Geburt des Kindes verstrichen sind. Wichtig sind Inspektion der Plazenta auf Vollständigkeit der Plazenta (Oberfläche fetal und maternal intakt?) und der Eihäute, Zählen der Nabelschnurgefäße. Bei unvollständiger Plazenta müssen eine Spekulumeinstellung und oft eine instrumentelle Nachtastung des Uterus erfolgen, um die Plazentareste zu gewinnen.
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Eigene Notizen
208
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
14.1.4
Pathologie der Geburt
Operative Geburtshilfe Es gibt 2 Indikationen für einen geburtshilflichen Eingriff: 4 Gefahr für das Kind 4 Gefahr für die Mutter 4 Die Gefährdung kann für Kind oder Mutter allein, oder beide bestehen. Gefährdung des Kindes: 5 Vorgeburtlich gegeben durch: J Fehlbildungen J IUGR J FFTX bei Mehrlingen J fetale intrauterine Infektionen oder Anämie etc. 5 Subpartale Gefahren und dadurch Indikationen bestehen bei: J drohender Asphyxie des Kindes J akuter fetaler Bradykardie J pathologischem CTG bei geschlossenem Muttermund J Blutung aus velamentösen Gefäßen J Nabelschnurvorfall etc. Beiderseitige Indikationen bestehen unter Umständen bei: 5 Präeklampsie 5 SIH 5 HELLP-Syndrom 5 akuter Blutung prä- und subpartal 5 vorzeitiger Plazentalösung 5 Uterusruptur etc.
14
Die operative Beendigung einer Geburt wird aus absoluter, dringlicher oder relativer fetaler und/oder maternaler Indikation durchgeführt. Der Modus wird durch den aktuellen Geburtsmoment bestimmt und entweder eine vaginal oder abdominal operative Entbindung durchgeführt.
Zangenentbindung Durch Zug mittels 2 angelegter Zangenlöffel erfolgt die wehensynchrone Extraktion des führenden Teils (meist Kopf). Verschiedene Zangenmodelle stehen zur Verfügung (Naegele, Kielland, Bamberger Divergenzzange, Shute-Parallelzange etc.), in Deutschland wird die Naegelezange mit der für sie typischen Beckenkrümmung der beiden Löffel am häufigsten verwendet. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein: 4 Kind lebt 4 vollständig eröffneter Muttermund 4 Fruchtblase eröffnet 4 ausreichend Raum im Beckenausgang 4 zangengerechtes Stehen des kindlichen Köpfchens 4 normale Kopfgröße (kontraindiziert bei Hydrozephalus oder Anenzephalus)
209 14.1 · Grundlagen
Die Zangenlöffel werden einzeln, erst linker, dann rechter eingeführt und vorsichtig geschlossen, die Zange fasst den Kopf quer bei gerade verlaufender Pfeilnaht, die Entwicklung des Köpfchens erfolgt in wehensynchronen Traktionen. Die Gefahr dieser Methode liegt in Geburtsverletzungen für die Mutter durch Vergrößerung des geburtsmechanisch wirksamen Umfangs des vorangehenden Teils (Dammriss, Scheidenriss, Levatorläsion, Zervixriss, etc.). Verletzungsgefahr für das Kind besteht durch Druck und Zug am Kopf (Schädelfrakturen, intrakranielle Blutungen, Hautschürfungen, Verletzung des N. facialis).
Vakuumextraktion Durch Zug mittels einer Saugglocke Extraktion des führenden Teils. Verschiedene Saugglockentypen und -größen stehen zur Verfügung (Metallglocken mit 4 cm, 5 cm oder 6 cm Durchmesser, Unterdruck mittels Schlauch und Pumpe aufgebaut, ablesen am Gerät nach ca. 2–3 min). Alternativ verwendet werden Silikonglocken insbesondere bei unreifen Kindern, allerdings mit reduzierter Extraktionseffizienz. Jüngste Entwicklung ist die so genannte Kiwi-Saugglocke, die mittels kleiner Handpumpe appliziert wird (variabel in Akzeptanz und Effizienz bei ebenfalls geringerer Extraktionseffizienz). Die Voraussetzungen für die Vakuumextraktion (VE) sind dieselben wie bei Zangengeburt, allerdings ist die VE auch am toten Kind möglich. Es gibt keine direkten Gefahren für die Mutter, indirekte durch externe Kraftverschiebung der Geburtsmechanik mit erhöhtem Risiko der Geburtsverletzungen, kindliche Verletzungsgefahr durch Druckschwankungen und Scher-/Zugkräfte mit der Folge eines Kephalhämatoms, intrakranieller Druckschwankungen (! Cave große Fontanelle!) und konsekutiven Blutungen intrakraniell und retinal, Schädelfraktur. Kontraindikationen: 4 Frühgeburt <32 SSW 4 Gewichtsschätzung <1600 g
Sectio caesarea (Kaiserschnitt) Die Sectiofrequenz hat in den letzten Jahren konstant zugenommen. Die Ursachen liegen zum einen am Kollektiv der Frühgeburten und Lageanomalien, zum anderen an der intensiveren Überwachung unter der Geburt durch das Kardiotokogramm. Aber auch mangelnde Routine bei vaginaloperativen Eingriffen, forensische Gesichtspunkte und die zunehmende großzügige Indikation bei vorliegendem Wunsch der Schwangeren tragen zur Erhöhung der Sectiofrequenz bei. Die genannten Punkte sind nicht generell an allen Kliniken in derselben Gewichtung anzutreffen. Bei der Definition des Begriffs »Sectio« im klinischen Alltag hat sich eine Nomenklatur zur Differenzierung etabliert. So unterscheidet man zwischen verschiedenen Formen von primärer elektiver Sectio, bei der Zeitpunkt der Entbindung für Mutter und Team wählbar sind, über die dringliche und eilige Sectio bis hin zur Notsectio, die sofortiges Handeln erfordert.
14
Eigene Notizen
210
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
Die Indikation kann sowohl aus fetaler als auch maternaler oder aus gemischten Befunden/Gründen gestellt werden. So zählen u.a. zu den fetalen Indikationen: 4 das Signal der fetalen Minderversorgung unter der Geburt, was durch ein auffälliges CTG oder Mikroblutuntersuchung angezeigt wird 4 der Nabelschnurvorfall oder der Vorfall kleiner kindlicher Teile unter der Geburt 4 Auch fetale Erkrankungen oder Fehlbildungen wie eine Gastroschisis, komplexe Herzvitien, fetale Tumoren oder die Myelomeningozele stellen Indikationen zur Entbindung per Sectio dar. Maternale Indikationen sind: 4 Protrahierter Geburtsverlauf 4 Plazenta praevia 4 Schwere maternale Erkrankungen, wie das HELLP-Syndrom, die schwere Präeklampsie, schwere maternale Herzkrankung oder ein invasives Zervixkarzinom. Bei Zustand nach Sectio ist bis auf einige Befunde nicht zwingend eine erneute Sectio notwendig. Mögliche Indikationen zur Notfallsectio sind: 4 Akute therapierefraktäre Bradykardie ohne die Möglichkeit der vaginaloperativen Entbindung 4 Uterusruptur 4 vorzeitige Plazentalösung 4 die für Mutter und Kind lebensbedrohliche Blutung bei Plazenta praevia
14
Vor der Sectio erfolgt in der Regel die Aufklärung der Patientin über die Durchführung der Operation sowie über Risiken mit abschließender schriftlicher Dokumentation derselben. Ebenfalls wird der fetale »Zustand« des Feten vor dem Eingriff dokumentiert (Ultraschall, Lage des Kindes und der Plazenta, CTG-Beurteilung). Die Anästhesiemethode der Wahl ist heute das Regionalverfahren (PDA, Spinalanästhesie), worüber die Patientin vom Team der Anästhesie aufgeklärt wird und auch hier eine schriftliche Dokumentation und Einwilligung erfolgt. Der Operationsverlauf ist weitgehend standardisiert. Heute wird von den meisten Operateuren eine variierte Technik nach Misgav-Ladach bevorzugt. Der Hautschnitt verläuft quer im Unterbauch, der Uterus wird bis auf spezielle Indikationen ebenfalls quer eröffnet. Die Entwicklung des Kindes soll immer so schonend wie möglich erfolgen und nach Abnabelung werden Kontraktionsmittel zur Verringerung des Blutverlusts und zur Entwicklung/Entfernung der Plazenta sowie eine antibiotische Prophylaxe verabreicht. Nach Kontrolle auf Vollständigkeit derselben durch die Hebamme wird der begonnene Verschluss des Uterus beendet und unter Kontrolle auf Bluttrockenheit und Stillung evtl. Blutungsquellen die Bauchdecken wieder verschlossen. Bei Regionalanästhesie ist die Patientin während der Operation wach, ansprechbar und wird oft von ihrem Partner begleitet. Beide können unmittelbar nach Geburt ihr Kind sehen und in den Arm nehmen.
211 14.2 · Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie
Die Überwachung unmittelbar postoperativ erfolgt im Kreißsaal, die Verlegung bei unauffälligem Verlauf auf die Station nach 6 h. Je nach Schmerzempfinden können bei nachlassender Wirkung der Regionalanästhesie Schmerzmittel gegeben werden. Heutzutage wird die Patientin bereits 3–4 h nach Operation mobilisiert und der Blasenkatheter nach 24 h entfernt. Der frühzeitige postoperative Nahrungsaufbau je nach persönlichem Verlangen der Patientin ist ebenfalls Standard. Während des stationären Aufenthalts erhält die Patientin eine Thromboseprophylaxe mit niedermolekularem Heparin und es wird eine Laborkontrolle am ersten Tag durchgeführt. Bei unauffälligem Verlauf ist eine Entlassung je nach Befinden der Patientin nach 4 Tagen möglich. Zu den möglichen Komplikationen der Sectio zählen wie bei jeder Operation: 4 Wundheilungsstörung 4 Thrombose/Embolie 4 Fieber 4 Sepsis 4 Anämie 4 Blutung >1000 ml, speziell die Atonie, die, falls nicht beherrschbar, eine Hysterktomie erfordert. Die maternale Letalität entspricht nach der derzeitigen Datenlage aus der bayrischen Perinatalerhebung von Welsch bei der primären elektiven Sectio mit 1:60000 der Letalität der Spontangeburt.
14.2
Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie B. Schiessl
14.2.1
Blutung antepartal und subpartal
! Cave Bedeutet maternale und fetale Gefahr.
Häufigste Ursachen sind: 4 Placenta praevia 4 Vorzeitige Plazentalösung 4 Vorzeitige Wehentätigkeit 4 Muttermundseröffnung
Blutung bei Plazenta praevia Klinik mit meist schmerzloser Blutung, falls keine Wehentätigkeit vorliegt. Die Diagnostik erfolgt ante- wie subpartal mittels Ultraschall.
14
Eigene Notizen
212
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
Therapie In Abhängigkeit von Blutungsstärke in frühem Gestationsalter Versuch der konservativen Therapie (Tokolyse, Bettruhe, Lungenreifeinduktion mit Betamethason, Anästhesie, Sectioaufklärung, Kreuzblut).
Blutung bei vorzeitiger Plazentalösung Klinik mit den klassischen Symptomen: 4 abdominaler Schmerz 4 brettharter Uterus 4 Panik ! Cave Blutung korreliert oft nicht mit Ausmaß der Lösung. Diagnostik erfolgt ante- wie subpartal mittels Ultraschall und anhand der typischen Klinik.
Therapie ! Cave Keine Tokolyse. I.v.-Zugänge, Entbindung! Meist erfolgt die Ent-
bindung durch Sectio, selten bei vollständigem Muttermund und entsprechendem Höhenstand des Köpfchens vaginal operativ (Forceps- oder Vakuumextraktion). Anästhesiologische Sicherung der Vitalparameter, Substitution EK; FFP, Gerinnungsfaktoren etc. 14.2.2
Blutung postpartal
Definition
14
Der normale Blutverlust einer Geburt liegt bei 300–500 ml. Von einer postpartalen pathologischen Blutung spricht man ab einem Verlust >500 ml. Aufgrund der physiologischen Hämodilution in der SS werden Blutverluste bis 1500 ml relativ gut kompensiert und gehen mit geringer klinischer Symptomatik einher. Primäre Blutung: 4 In Anlehnung an das ACOG (American) und RCOG (Royal College of Obstetricians and Gynecologists) wird die PPH (»primary postpartum hemorrhage«) als Blutverlust >500 ml innerhalb 24 h nach der Entbindung definiert. Auftreten in 1:10 Geburten, nicht immer klinisch signifikant. 4 »major PPH« ist durch Blutverlust >1500 ml postpartum charakterisiert, unmittelbar, gelegentlich auch erst nach einigen Stunden, Auftreten in 1:500 Geburten. > Memo Weltweit verblutet alle 4 min ein Patientin postpartum! 25– 43% der maternalen Todesfälle in den Entwicklungsländern und 10– 20% der maternalen Todesfälle in den westlichen Industrienationen sind durch postpartale Blutungen bedingt. Sekundäre Blutung: 4 Die so genannte sekundäre postpartale Blutung, SPH (»secondary postpartum hemorrhage«) beschreibt den Blutverlust >500 ml zwischen 24 h und 6 Wochen nach Entbindung, tritt bei 1:100 Entbindungen auf.
213 14.2 · Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie
PPH Ätiologie Ursachen – TTTT, »4 T‘s« müssen als Hauptursachen ausgeschlossen werden: 4 Tissue: Plazentaretention 4 Tonus: Atonie des Uterus 4 Trauma: Genitales Trauma (Verletzung Vulva, Vagina, Zervix) 4 Thrombin: Koagulopathie/Gerinnungsstörung 4 Infektion: insbesondere die sekundäre PH kann durch aufsteigende Infektionen/Endometritis verursacht werden. Die »major PPH« stellt nach wie vor die häufigste Ursache für maternale Morbidität und Mortalität in der Geburtshilfe dar, sie verlangt unmittelbares Erkennen und Handeln mit effektivem Management. Deshalb muss nach jeder Geburt mit Blutung gerechnet werden.
Therapie 4 Tissue – Plazentaretention/Plazentareste in utero: 5 Manuelle Plazentalösung bzw. Curettage in Analgesie (PDA, Spinal, Intubationsnarkose) 5 Antibiose und 5 Kontraktionsmittel i.v. (Oxytocin 15 IE in 500 ml, Alternative Nalador (2 Ampullen à 500 μg in 500 ml) 4 Tonus – Atonie des Uterus: 5 Uterus manuell komprimieren! 5 Ultraschall zum Ausschluss Koagel/Plazentareste, ggf. Curettage, ggf. Uterustamponade 5 Kontraktionsmittel Oxytocin 15 IE/500 ml oder Nalador (2 Ampullen à 500 μg in 500 ml) 5 Anästhesie im Standby zur Stabilisierung der Vitalparameter 5 Bei persistierender Blutung Substitution mit EK, FFP, Thrombozytenkonzentraten, Gerinnungsfaktoren, Tranexamsäure, Fibrinogen 5 Laparotomie mit Anbringung der Bee-lynch Nähte (»Rucksack«naht, Fundus-Kompressionsnähte, Z-Naht) zur mechanischen Blutstillung 5 Hysterektomie bei Versagen aller konservativen Maßnahmen 4 Trauma: Geburtsverletzungen: 5 Inspektion mittels Spekulumeinstellung von Vulva/Vagina, Zervix, Anus (Sphinkter!) auch nach bereits versorgter Episiotomie und/ oder Rissen bei persistierender Blutung! 5 Blutstillung primär durch Klemme/Druck, sodann Versorgung der Verletzung in ausreichender Analgesie, ggf. Narkose 5 Kontraktionsprophylaxe 5 Antibiose 4 Thrombin: 5 Gerinnungsstörung als Ursache einer postpartalen Blutung: Labor (Blutbild, erweiterte Gerinnungsparameter) Anästhesie im Standby 5 Kreuzen, bzw. Bereitstellen von EK, FFP etc.
14
Eigene Notizen
214
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
Risikofaktoren für Gerinnungsstörungen sub partu: 4 Präeklampsie, HELLP 4 Antepartale Blutung (Plazentalösung, Randsinusblutung) im Sinne Verbrauchskoagulopathie 4 Zustand nach Atonie oder traumatischer Geburt ! Cave Die akribische Dokumentation des Blutverlusts unter der Geburt (während Eröffnungs- und Austreibungsperiode) ist von hoher Wichtigkeit, um frühe Hinweise auf pathologische Ursachen zu erkennen, oft wird ein überstarkes Zeichnen fehlgedeutet.
SPH: Sekundäre postpartale Blutung Ätiologie Hauptursachen sind: 4 Mangelnde Rückbildung 4 Plazentareste im Cavum uteri 4 Infektionen (Endomyometritis) 4 Übersehene Rissverletzungen (hoher Scheidenriss, Zervixriss)
Therapie 4 4 4 4
Kontraktionsmittel Antibiose Curettage Operative Versorgung der Verletzungen (s.a. Wochenbettpathologie)
14.2.3
14
Uterusruptur
1:100–1:2500 Schwangerschaften, hohes Potenzial katastrophalen Ausgangs für Mutter und Kind (Perinatale Mortalität [PNM] >40%!). Unterscheide spontane Ruptur am wehenfreien versus sub partu unter Einfluss der Wehentätigkeit. Risikofaktoren: 4 Zustand nach Sectio 4 Myomenukleation etc. 4 Trauma (Verkehrsunfall, hohe Zange, hoher Zervixriss) 4 Überdehnung (Mehrlinge, Polyhydramnion) 4 Plazentationsstörung (Plazentabett im Bereich alter Narben nach Myomenukleation oder Sectio)
Klinik Bei Uterusruptur liegt eine Notfallsituation sub partu mit akuter fetaler und maternaler Gefährdung vor. Nach initial kräftiger Wehentätigkeit sistiert diese nach erfolgter Ruptur. Die fetale Herzfrequenz zeigt eine akute Bradykardie, die Gebärende ggf. massive hypovoläme Schocksymptomatik, eine vaginale Blutung ist nicht obligat, aber meist präsent.
215 14.2 · Notfälle im Kreißsaal: Blutung, Ruptur, Eklampsie
Diagnostik 4 Klinische Symptomatik 4 Ultraschall: freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle, ggf. fetale Lageveränderung, Bestätigung der Bradykardie
Therapie 4 Unmittelbare Entbindung, i.d.R. durch Sectio 4 Versorgung der rupturierten Uteruswand, ggf. interdisziplinär bei Verletzung von Blase/Ureter 4 Anästhesiologische Sicherung der Vitalparameter, frühzeitig Substitution erforderlicher EK, FFP, Gerinnungsfaktoren bei hohem Blutverlust, bei nicht beherrschbarer Blutung Hysterektomie.
14.2.4
Eklampsie
(s.a. Kapitel 13, Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen) Ein Notfall in der Geburtshilfe ist die Eklampsie bzw. der eklamptische Anfall, der in zwei Dritteln prä- und einem Drittel postpartal (hiervon wiederum 90% in den ersten 2 Tagen) auftritt. Nur etwa 50% sind mit einer schweren Hypertonie assoziiert und sind auch bei fehlender Hypertonie oder Proteinurie möglich (14–34%). Eine Eklampsie tritt oft unvorhergesehen ohne klassische Prodromi auf.
Klinik und Diagnostik Ggf. gehen zentrale Symptome als Warnhinweise dem eklamptischen Anfall mit tonisch-klonischen Krämpfen voraus – meist an Extremitäten beginnend und dann Stamm ergreifend, kaum von epileptischem Anfall zu unterscheiden. ! Cave Es besteht akute Lebensgefahr für Mutter und Fetus mit einer Letalität maternal von 2–5% und bis 20% für den Feten. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind: 4 Epilepsie 4 Zerebrovaskuläres Geschehen (Blutung, Infarkt, Thrombose, Ödem) 4 Metabolische Entgleisungen (Blutzucker, Elektrolyte) 4 Intrakranielle Prozesse (Tumor, Meningitis, Enzephalitis) Ohne bekannte Vorerkrankung gilt der tonisch-klonische Krampfanfall der Schwangeren als Eklampsie.
14.2.5
4 4 4 4 4
Therapie
Sicherung der Vitalfunktionen Lagerung O2-Gabe Intensivmonitoring Anfallstherapie mit Magnesiumsulfat 4–6 g initial i.v. über 15–20 min, dann 1–3 g/h Erhaltungsdosis (bis 48 h). Meist wird hierdurch der An-
14
Eigene Notizen
216
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
fall durchbrochen. Magnesium ist sowohl Phenytoin wie auch Diazepam überlegen, auf die Prävention von Rekonvulsionen und neonatales Outcome bezogen. 4 Weiteres Vorgehen: Stabilisierung der Patientin, fetale Überwachung mit Sonografie und CTG, in den meisten Fällen zeitnahe Entbindung, um vitale maternale und fetale Gefährdung durch rezidivierende Anfälle zu reduzieren.
14.3
Wochenbett B. Schiessl
Puerperium = die Zeit nach der Geburt, in der sich die durch Schwangerschaft und Geburt entstandenen Veränderungen zurückbilden. Beginn mit Geburt der Plazenta, Dauer 6–8 Wochen, beinhaltet Rückbildungsvorgänge, Wundheilung, Beginn und Aufrechterhaltung der Laktation, Wiederaufnahme der Ovarialtätigkeit.
14.3.1
Physiologie des Wochenbetts
Rückbildung
14
Nach Geburt der Plazenta entfallen die von ihr in den mütterlichen Organismus abgegebenen Hormone (Choriongonadotropin [HCG], humanes plazentares Laktogen [HPL], Gestagene und Östrogene) und ihre Wirkung auf den Organismus. Rückbildungsvorgänge (Involution) betreffen Uterus, Beckenboden, Bauchdecken, Beckengürtel, Blase, Darm, Bauchmuskulaturtonus, Ausschwemmung von Ödemen. Wochenbettwehen beinhalten die Dauerkontraktion des Uterus in den ersten Stunden bis Tagen postpartal, rhythmische Kontraktionen = Nachwehen für ebenfalls Stunden bis Tage postpartal, durch Saugreiz ausgeschüttetes Oxytocin bewirkt Reizwehen (Stillwehen). Folgen sind die dramatische Reduktion des uterinen Blutflusses, Blutstillung der Plazentahaftfläche in Ergänzung zur Thrombosierung der großen uteroplazentaren Gefäße. Ausstoßung des Wundsekrets = Lochien. Uterusgewicht reduziert sich von präpartal 1000 g auf 50–70 g am Ende des Puerperiums. Die Wundheilung ist nach 4–6 Wochen mit Re-Epithelisierung des Stromas an der Plazentahaftfläche abgeschlossen. Die Lochien enthalten Keime aus der Vaginalflora (Streptokokken, Staphylokokken, E. coli etc.), die sich ab dem 2.–3. Tag darin reichlich vermehren: 4 Tag 1–3 Lochia rubra (rein blutig) 4 1. Woche Lochia fusca (braunrot, dünnflüssig, Zumischung von Serum, Lymphe und Leukozyten) 4 Ende 2. Woche Lochia flava (schmutzig-gelb, verflüssigtes nekrotisches Material)
217 14.3 · Wochenbett
4 Ende 3. Woche Lochia alba (wässrig-serös, zunehmende Wundepithelisierung, Menge deutlich geringer) 4 Nach etwa 4 Wochen Versiegen der Lochien, Wundheilung abgeschlossen. Lochien riechen fade, aber nicht fötide.
Laktation Es werden 5 Prozesse unterschieden: 1. Entwicklung der Milchdrüse bis zur Funktionstüchtigkeit (Mammogenese) beginnt weit vor der Schwangerschaft in der Pubertät 2. Laktogenese während der Schwangerschaft: Brustdrüsenwachstum mit Bildung neuer Läppchen, Parenchymzunahme durch Steroidhormone, Drüsenzelldifferenzierung durch zunehmendes plazentares HPL und hypophysäres Prolaktin, Hemmung der Milchsekretion in der Schwangerschaft, aber wiederum durch die Steroidhormone, gelegentlich Vormilch, kein pathologischer Wert, jedoch sollten stimulierende Behandlungen vermieden werden. 3. Mit Geburt der Plazenta abrupter Abfall der plazentaren Steroidhormonkonzentration im Blut und dadurch Auslösung der Milchsekretion in den Drüsenzellen (Galaktogenese); Saugreflex des Neugeborenen unterstützt, bis die klinische Wirkung des Prolaktins ab Tag 3 einsetzt. 4. Die Galaktopoese bedeutet die Aufrechterhaltung der bestehenden Laktation, hierzu am wichtigsten ist der Saugreiz an der Brustdrüse, der in der Hypophyse die Prolaktinproduktion im Vorderlappen aufrechterhält sowie eine Oxytocinausschüttung aus dem Hinterlappen bewirkt. 5. Letzteres Hormon (Oxytocin) ist für den Milchfluss, die Galaktokinese durch Kontraktion der Myoepithelien der Alveolarwand sowie der feineren Milchgänge in der Brustdrüse verantwortlich. Nebeneffekt der Oxytocinausschüttung sind Kontraktionen des Myometriums, die der Rückbildung dienen. Zusammensetzung der Milch: 4 Tag 1–3 Kolostrum (eiweißreich) 4 Tag 4–14 Übergangsmilch 4 Ab Tag 15 reife Frauenmilch (4 g Fett/100 ml) mit durchschnittlich 700 ml Produktion pro Tag Die Wiederaufnahme der Ovarialfunktion hängt von der Wechselbeziehung zwischen HVL-Zwischenhirnsystem und Ovarien ab. Eine Laktationsamenorrhoe besteht durch Prolaktinspiegel, der den hypophysär-ovariellen Regelkreis hemmt – abhängig von Stillfrequenz höherer Spiegel. Bei abnehmendem Stillen kehren Ovulation und Menstruation wieder. Dennoch sind auch während des Stillens Ovulationen und Regelblutungen möglich und das Stillen allein stellt keinen ausreichenden Empfängnisschutz dar.
14
Eigene Notizen
218
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
14.3.2
Betreuung der Wöchnerin
Die klinische Visite im Wochenbett dient der Überwachung physiologisch ablaufender Rückbildungsprozesse. Bevor die Patientin aus der stationären Betreuung entlassen wird, sollten Fragen nach Schmerzen, Nachwehen, Miktion, Stuhlgang, Wundheilung ebenso wie die Abschlussuntersuchung einen unauffälligen Befund ergeben. In der Akte werden Puls, Temperatur, Uterusstand und Lochien dokumentiert. > Memo Falls die Blutgruppe der Mutter Rhesus-negativ ist, muss die kindliche Blutgruppe bestimmt und dokumentiert werden und zeitnah eine Rhesus-Prophylaxe im Fall einer Rh-positiven kindlichen Blutgruppe verabreicht werden.
Temperatur im Wochenbett Normwerte: 4 normal 36,5–37,0°C axillär 4 subfebril 37,1–37,9°C 4 Ab 38,0°C spricht man von Fieber im Wochenbett.
14
Obstetrisch ursächlich sind: 4 Puerperalfieber aufgrund infizierter Geburtsverletzung mit Keimaszension und folgender Endometritis, Endomyometritis, Salpingitis, Pelveoperitonitis, Parametritis bis hin zur schweren Puerperalsepsis 4 Weitere Ursachen können ein Harnweginfekt ggf. mit Pyelonephritis sein, auch eine Thrombophlebitis kann als Leitsymptom Fieber bieten, ebenso die tiefe Bein-/Beckenvenen-Thrombose, Sinusvenenthrombose. 4 An der Brust kann ein Milchstau, ebenso eine beginnende Mastitis ursächlich für Fieber oder Temperaturerhöhung sein. 4 Die infizierte Sectiowunde muss als Ursache ausgeschlossen werden. ! Cave Die klinische Untersuchung einer fiebernden Wöchnerin ist unabdingbar. Typisch ist die Temperatursteigerung am Nachmittag oder Abend, daher müssen Routinemessungen nicht nur morgens, sondern v.a. nachmittags und abends erfolgen.
Fundusstandkontrolle Der Höhenstand des Uterus ist abhängig von Faktoren wie: 4 Größe des Kindes 4 Mehrlinge 4 Hydramnion 4 lange Geburtsdauer 4 Erst-/Mehrgebärende 4 Sectio (häufig verzögertes Tiefertreten des Fundus) 4 Plazenta/Eihautreste 4 Lochialstau 4 Unfähigkeit zu stillen (Stillen wäre rückbildungsfördernd)
219 14.3 · Wochenbett
Häufigste Gründe für einen zu hohen Fundusstand sind volle Blase und Involutionsstörung.
Stillen Muttermilch ist die natürliche und beste Ernährung für das Neugeborene mit idealer Zusammensetzung von Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten und Salzen, die durch keine künstliche Ernährung erreicht werden kann. Die Vorteile liegen in niedrigerer Infektanfälligkeit gestillter Kinder, insbesondere bzgl. Darminfektionen, Dermatitiden, Rhinitiden, chronisch-pulmonaler Infekte und Allergien. Risikominderung von Autoimmunerkrankungen. Voraussetzung ist die Stillbereitschaft der Mutter, Betreuung und Beratung durch die nachsorgende Hebamme.
Nachsorge Im unauffälligen Wochenbettverlauf erfolgt die Nachsorge nach Entlassung aus der Geburtsklinik durch eine Hebamme. Diese ist in Deutschland gesetzlich verankert (Kostenübernahme durch die Krankenkassen). Eine gynäkologische Nachuntersuchung erfolgt 6–8 Wochen nach der Entbindung beim betreuenden Gynäkologen. 14.3.3
Pathologie im Wochenbett
Puerperalfieber Ätiologie Ursächlich für Kindbett- oder Wochenbettfieber ist eine Infektion im Bereich der Geburtswege: Ausgehend von einer Verletzung im Dammbereich (insbesondere höhergradige Dammrisse), der Zervix, einer Episiotomie gelangen Keime in den mütterlichen Organismus. Von dieser Pathogenese abzugrenzen ist das Fieber im Wochenbett, das auf verschiedenen Prozessen beruhen kann, wie Harnweginfekt, Pyelonephritis, Mastitis etc. Erreger des Puerperalfiebers sind anaerobe (Bacteroides, Clostridien, Peptostreptokokken) und aerobe Keime (E. coli, Klebsiellen, Strepto- und Staphylokokken); meist liegen Mischinfektionen vor.
Historie Das Kindbettfieber wurde bereits von Hippokrates und Galen erwähnt, mit Einrichtung der Geburtshäuser und Beginn der studentischen Ausbildung am Krankenbett explodierte die Inzidenz des Kindbettfiebers und die maternale Sterblichkeit im Wochenbett, wie den Berichten aus dem »Hotel Dieu, Paris«, dem ältesten Gebärhaus der Welt eindrücklich zu entnehmen ist. Ignaz Philip Semmelweis (1818–1865) hat aufgezeigt, dass das Kindbettfieber durch übertragene Keime und damit hervorgerufene Infektionen verursacht wird und führte die Hände- und Instrumentendesinfektion (damals Chlorwaschung) ein. Diese Maßnahme senkte die Müttersterblichkeit von 12% auf etwa 1%. Erst als die bakteriologischen Untersuchungen von Pasteur und Lister die Semmelweis‘sche Lehre bestätigten, erlangte er die verdient Anerkennung.
14
Eigene Notizen
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Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
Infizierte Geburtsverletzung Auch sorgfältig versorgte Geburtsverletzungen können zu einem lokalen Infektionsherd werden, der genähte Dammriss ebenso wie die Episiotomie, insbesondere tiefe Verletzungen mit Hämatombildung. Eine Infektion ist insgesamt relativ selten, Risse und Nähte heilen in der Regel innerhalb weniger Tage symptomlos.
Klinik Infektionen mit ödematöser Schwellung, Rötung der Wundränder, sich öffnende Nähte, klaffende Wunde, Wundflächen mit typisch schmierig, grünlich-schmutzigem Belag. Schmerzen (!)
Therapie 4 Vorlagen mit Rivanol- oder Octenisept 4 ggf. Entfernen einzelner Fäden (Vorteil der nicht komplett einfädig genähten Episiotomie) 4 nach Abfließen von gestautem Wundsekret rasche Besserung 4 ggf. Sitzbäder mit Tanolact 4 Sekundärheilung abwarten, bei großen klaffenden Wunden ist eine Sekundärnaht (erst bei reizlosen Wundrändern) sinnvoll.
Endometritis puerperalis Hervorgerufen durch einen Aufstau des Wochenflusses, der zusammen mit einer Keimaszension in den Bereich der Plazentahaftstelle eine Entzündung derselben und des Endometriums zur Folge hat. Die Infektion kann sich auch tiefer in das Myometrium ausbreiten, das dann im Sinne einer Endomyometritis mitbetroffen ist (Kap. 1).
Klinik
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4 Auffällig ist oft primär der übel riechende Wochenfluss, der von subfebrilen Temperaturen und einer schlechten Uterusrückbildung mit hohem Fundusstand begleitet wird. 4 Typisch ist der Uterusdruckschmerz, insbesondere im Bereich der Uteruskanten. 4 Die Blutungen sind eher zu wenig wegen des Lochialstaus 4 Stirnkopfschmerz
Therapie Zur lokalen »mechanischen« Therapie werden Kontraktionsmittel (meist Oxytocininfusion) in Kombination mit Spasmolytika zur Relaxierung des Zervikalkanals verabreicht in Kombination mit einer Antibiose, die vor einer Erweiterung der lokalen Infektion schützen soll. Jede lokal begrenzte Wochenbettinfektion kann eine Vorstufe der Puerperalsepsis sein, insbesondere der reduzierte Allgemeinzustand einer Wöchnerin (Erschöpfung nach protrahierter Geburt), ein hoher Blutverlust oder operative Eingriffe sind Risikofaktoren für die Entwicklung einer Puerperalsepsis.
221 14.3 · Wochenbett
Puerperalsepsis Definition und Epidemiologie Schwerste Form der bakteriellen Infektion im Wochenbett, ausgelöst durch eine Infektion im Bereich der Geburtswege (Episiotomie, Dammriss, Endometrium). Die mütterliche Sterblichkeit aufgrund der Puerperalsepsis liegt in Deutschland bei 1:100000 Geburten, in England bei 0,85, in den USA bei13 und in Schweden bei 22:100000 Geburten. Meist tritt sie als Einzelereignis auf, sollten mehrere Krankheitsfälle in kurzer Zeit auftreten, so muss das Personal als Infektionsquelle ausgeschlossen werden.
Ätiologie Das traumatisierte Gewebe bietet den pathogenen Keimen (meist aus dem kontaminierten Vaginalbereich) ideale Wachstumsbedingungen, sodass diese lokale Infektion als Ausgangsort zur Einschwemmung der Keime in den mütterlichen Organismus dient. Über kontinuierliche Ausbreitung, Lymphoder Blutbahn werden binnen kurzer Zeit sämtliche Organe involviert und infiziert. Insbesondere die Virulenz der Erreger und ihre Toxine (Hämolysine) lösen die klinischen Krankheitszeichen aus, die bis zum Schock reichen. Gefürchtetster und wichtigster Erreger ist Streptococcus pyogenes (Gruppe A), der für die meisten Todesfälle durch Puerperalsepsis verantwortlich ist. Weitere Keime sind Streptokokken (Gruppe G oder Str. pneumoniae) sowie Staphylokokken, Anaerobier, Darmbakterien wie E. coli und andere.
Verlauf und Klinik Durch den Entzündungsprozess kommt es zur Freisetzung von proinflammatorischen und thrombophilen Faktoren, Zytokine bewirken eine Gefäßwandveränderungen, sowohl im lokalen Infektionsherd wie auch systemisch durch die Streuung bei Bakteriämie. Die Herabsetzung der Fibrinolyse sowie der Anstieg des Tissue Factors begünstigen beide die Bildung von Thrombin, sodass erneut die Thrombenbildung verstärkt wird. In der Folge kommt es zu Schädigung vitaler Organe und Gewebsuntergang. Mit der Endstrecke der disseminierten Bildung von Mikrothromben kommt es im septischen Schock durch das Organversagen zum Tod (s.a. Lehrbücher Innere, Anästhesie und Infektiologie). Streptokokken der Gruppe A bilden je nach Typ das M-Protein (Virulenzfaktor), ebenso sind die Endotoxine, Streptolysin und Streptokinase für die Aggressivität des Verlaufs verantwortlich. Das frühe klinische Bild täuscht mit nicht dramatisch erhöhter Temperatur über die Schwere der Infektion hinweg – typisch sind kurz erhöhte oder unveränderte Körpertemperaturen. Die Patientin ist müde, erschöpft, gibt ein diffuses Krankheitsgefühl an, intestinale Symptome können vorhanden sein. Die Laborparameter sind mit auffälligem CRP und einer Leukozytose (die fehlen kann) verändert. Die Beschwerden sind nicht so gravierend wie das Krankheitsbild, deshalb muss jede febrile Temperatur, aber
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Eigene Notizen
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Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
auch der geschilderte Allgemeinzustand, ernst genommen werden und an eine beginnende Sepsis gedacht werden! Im weiteren Verlauf kommt es durch die massive Erregerausbreitung zu diffusen Schmerzen im Abdominalbereich mit Symptomen wie Erbrechen oder Diarrhoen, analgetische Medikamente wirken typischerweise nur kurz. ! Cave Forensisch ist es wichtig, dass Patientin ärztlich gesehen wurde. Die Patientin beklagt Glieder- und Kopfschmerzen, ein nun schweres Krankheitsgefühl und wird dyspnoeisch, es kann sich eine Akrozynose einstellen, die Temperatur steigt an, ggf. zeigt sich auch eine Hypothermie. Im Labor sind nun Zeichen der Gerinnungsstörung, eine Leukopenie und massiv erhöhtes CRP zu sehen. Die Oligo-/Anurie ist das klinische Korrelat zum Nierenversagen, es kommt zum Schock mit Hypotonie, Tachykardie und Tachypnoe mit respiratorischer Insuffizienz, das klinische Vollbild der Sepsis ist gegeben.
Diagnostik ! Cave Jede auffällige Patientin im Wochenbett muss klinisch untersucht
14
werden. Dazu gehört die körperliche wie die gynäkologische Untersuchung, an die seltene, aber dramatische A-Streptokokkensepsis muss gedacht werden! Eine Erregerisolierung aus Abstrichen von Dammriss, Naht, Zervix und Blutkulturen sollte vor Beginn der Antibiose unbedingt angestrebt werden. Es stehen Schnelltests für A-Streptokokken zur Verfügung, ein genereller Einsatz in der Geburtshilfe erfolgt bis dahin nicht, die Antikörperdiagnostik für Streptolysin hilft bei fehlgeschlagenem Erregernachweis. Labordiagnostik: 4 Blutbild mit Leukozyten, Thrombozyten, Hb, im Verlauf oft Absenken der evtl. initialen Leukozytose, Kontrolle ggf. auch innerhalb von Stunden. 4 Differenzialblutbild zeigt eine Linksverschiebung 4 CRP ist massiv erhöht, wichtig ist der Verlauf und die Dynamik, eine Fehlinterpretation nach Geburt/Sectio wird dadurch vermieden 4 Gerinnungskontrolle: Durch die disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) hohe Letalität, bestimmt wird neben den Standardtests auch das AT-III, typischerweise starker Abfall bei Sepsis.
Therapie ! Cave Interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geburtsmedizin, Anästhe-
sie, Intensivmedizin und Mikrobiologie ist absolut erforderlich. Je fulminanter der Verlauf ist, desto ausgedehnter und intensiver muss die antibiotische Therapie erfolgen. Standardkombination ist Cephalosporin (2. oder 3. Generation) in Kombination mit Metronidazol und Aminoglykosid. Alternativ wird eine Monotherapie mit Meronem oder Imipenem eingesetzt. Wichtig ist die Miterfassung der A-Streptokokken bei noch unbekanntem Erregerstatus. Falls dieser gesichert ist, so ist die Therapie der Wahl der A-Streptokokken hochdosiertes Penicillin G, alternativ Cephalosporine oder Erythromycin.
223 14.3 · Wochenbett
Die Patientin muss auf der Intensivstation betreut und engmaschig überwacht werden (Kontrolle Temperatur, Atmung, Blutdruck, Ausscheidung, Labor: Blutgase, Elektrolyte, Kreatinin, Thrombozyten, Blutgerinnung etc.), venöse Infusionsmöglichkeiten möglichst über ZVK (inklusive ZVD-Messung), Chirurgische Intervention: Falls sich der klinische Zustand nicht bessert oder gar verschlechtert, muss über eine Entfernung des primären Infektionsherdes eine Hysterektomie erwogen werden. Bei der A-Streptokokkensepsis liegt eine Multiorganerkrankung vor, sodass es auch Argumente zum konservativen Vorgehen gibt. Die Indikation ergibt sich aus dem klinischen Verlauf, der interdisziplinären Beratung und der Verantwortung bzw. Erfahrung des behandelnden Geburtshelfers.
Komplikationen Versagen einzelner Organe: 4 Niereninsuffizienz mit Folge Dialyse 4 Kardiorespiratorische Insuffizienz mit Folge Beatmung, pulmonale Komplikationen sind oft im letalen Verlauf sehr schwer. 4 Gehirnblutung, Enzephalitis mit schlechter Langzeitprognose 4 Extremitätenverlust, großflächige Nekrosen 4 Gesamtletalität 20–60%
Blutungen im Wochenbett Tagen bis Wochen nach Entbindung auftretende Blutung, die nicht den typischen Lochien entspricht.
Ätiologie Ursachen sind: 4 Plazentareste oder -polypen im Cavum uteri 4 Endometritis puerperalis (verursacht zwei Drittel der postpartalen Blutungen) 4 Funktionelle Ursachen 4 Selten geburtstraumatische Blutungen im Wochenbett
Plazentarest Nach unvollständiger Plazentalösung, Leitsymptom Blutung ex utero, Polypen durch Kontraktionen oft bei Spekulumeinstellung im Zervixkanal sichtbar. Meist überraschend einsetzende Blutung, nicht selten stark und bedrohlich blutend, Kontraktionsmittel ohne Effekt. Komplikation ist die Infektion des Plazentarests und konsekutive Endomyometritis.
Therapie Operative Entfernung unter antibiotischem Schutz und wegen Perforationsgefahr unter sonografischer Kontrolle. Ausnahmslos histologische Untersuchung, um Differenzialdiagnose Trophoblasttumor auszuschließen.
14
Eigene Notizen
224
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
Prophylaxe Sorgfältige Inspektion der Plazenta nach jeder Geburt.
Puerperale Endometritis Zweithäufigste Ursache, überwiegend schwache Blutung, Therapie s. oben.
Funktionelle Blutungen im Wochenbett Meist Blutungen als Folge einer glandulären Hyperplasie, typisch für anovulatorische Zyklen im Wochenbett.
Geburtstraumatische Blutungen im Wochenbett Falls Risswunden nach der Geburt übersehen oder nicht erkannt wurden, typisch: Zervixrisse, stille Uterusruptur, infra- oder supralevatorielle Blutungsquellen.
Symphysenschaden Ätiologie und Klinik Symphysenspalt ist physiologischerweise in der Schwangerschaft auf 7– 10 mm erweitert. In der Schwangerschaft und sub partu ist die Läsion möglich. Typisch sind belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der Symphysenfuge. Symphysenlockerung bis -zerreißung. Ursächlich ist meist eine traumatische Geburt (Missverhältnis, schwere Zangenentwicklung), heute sehr selten.
Therapie Körperliche Schonung, Analgesie, ggf. Stützgürtel, orthopädische Nachbehandlung/-betreuung.
Mastitis puerperalis
14
Definition und Ätiologie Brustentzündung im Wochenbett. 1% der Wöchnerinnen, in 95% in den ersten 12 Wochen nach Entbindung, in 90% Infektion durch Staphylococcus aureus haemolyticus verursacht, sonst Staph. epidermis, Streptokokken, E. coli, Mischinfektionen. Hauptweg der Übertragung ist der Nasen-Rachenraum des Pflegepersonals (!!), der Mutter und des Kindes auf die Brustwarze. Infektion durch Lochien spielt heute eine untergeordnete Rolle (nur in 2% sind in Lochien hämolysierende Staphylokokken vorhanden). Meist kommt es zur interstitiellen Ausbreitung durch über Rhagaden oder Schrunden an der Mamille eingedrungene Keime, seltener findet sich der kanalikuläre Infektionsweg, ausgehend von einer entzündeten Brustwarze. Ob lymphogen-interstitiell oder intrakanalikulärer Infektionsweg als Entstehungsmodus gegeben ist, ist klinisch von untergeordneter Bedeutung, da beide Formen im fortgeschrittenen Stadium ineinander übergehen. Meist einseitig, typischerweise ist der obere äußere Quadrant betroffen.
225 14.4 · Das Neugeborene
Klinik
Eigene Notizen
Lokale schmerzhafte umschriebene Stelle, Fieber, Rötung oft erst 12–14 h nach Schmerz- und Fieberbeginn, verbunden mit Lymphangitis. Ausgeprägtes Krankheitsgefühl, nicht selten hohes Fieber. Erfasst man die Mastitis nicht in der Frühphase, kann es zur Infiltration und Abszedierung kommen, im Verlauf 2–3 Tage an geröteter schmerzender Stelle, nach mehreren Tagen Einschmelzung und Fluktuation.
Therapie 4 Schonung, Ruhe, stationäre Aufnahme, Analgesie! 4 Ausreichende Flüssigkeitssubstitution 4 Brust optimal entleeren (Stillschwester, Hebamme), Ruhigstellung der Brust und Kühlung 4 Frühzeitiger Einsatz der Antibiose (Cephazolin, Flucloxacillin, Clarithromycin etc.), um Abszessbildung zu reduzieren. 4 Abstillen bei Mastitis ist umstritten, in Frühstadien nicht empfohlen. ! Cave Beidseitige Mastitis: aggressivere Erreger zu vermuten.
Komplikation 4 Abszessbildung in der Brust: 5 Therapie: Chirurgische Inzision ggf. mit Gegeninzision, täglich Spülung, Ausgranulation der Abszesshöhle. 5 Alternative ist die Punktion unter sonografischer Kontrolle (verhindert in über zwei Dritteln der Fälle die operative Therapie) 5 Abstillen ist nicht erforderlich!
14.4
Das Neugeborene S. Trepels-Kottek
14.4.1
14
Gesundes, reifes Neugeborenes
Das reife, gesunde Neugeborene wird zwischen 37 0/7 und 41 6/7 Schwangerschaftswochen geboren. Normale Geburtsgewichte liegen zwischen 3000 g und 3500 g, jedoch abhängig von Geschlecht, Gestationsalter und ethnischer Herkunft sehen wir eine größere Spanne zwischen 2500 g und 4200 g. Wenn das Gewicht im Bereich der 10. bis 90. Perzentile liegt, wird das Kind als AGA-Neugeborenes bezeichnet (appropriate for gestational age). Der Kopfumfang beträgt etwa 34 cm und die Länge 50 cm. Die Herzfrequenz variiert zwischen 100–180/min und bei Aufregung, z.B. Hunger, auch bis zu 220/min. Es atmet 40- bis 60-mal pro Minute.
226
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
14.4.2
4 4 4 4 4 4 4 4
Reifealter des Kindes/errechneter Geburtstermin Blutgruppe (ABO- oder Rhesusinkompatibilität) HBs-Antigenstatus der Mutter (ggf. Simultanimpfung gegen Hepatitis B) Aktuelle und frühere Erkrankungen der Mutter (Infektparameter, Fieber, Leukozytose, B-Streptokokken im Vaginalabstrich) Frühere Schwangerschaften (Anzahl, Komplikationen, BlutgruppenInkompatibilitäten) Komplikationen der aktuellen Schwangerschaft (z.B. Infektionen [TORCH], Blutungen, Plazentainsuffizienz) Einnahme von Drogen und Medikamenten Vorzeitiger Blasensprung
14.4.3
14
Vorgeburtliche Anamnese (Schwangerschaft und Mutter)
Umstellungsvorgänge intrauterin → extrauterin
4 Lunge: flüssigkeitsgefüllt, hoher pulmonal-arterieller Widerstand, wenige Atemzüge → luftgefüllt, Abfall des pulmonal-arteriellen Widerstandes, regelmäßige Atmung 4 Herz-Kreislauf: Foramen ovale und Ductus arteriosus sind offen, 10% HZV fließt durch die Lunge → funktioneller Verschluss Foramen ovale und Ductus arteriosus, 100% HZV fließt durch die Lunge 4 Peripher-arterieller Widerstand: Anstieg durch Abklemmen der Nabelschnur 4 Thermoregulation: keine eigene Thermoregulation → Gefahr des Wärmeverlusts durch Strahlung, Konvektion und Verdunstung 4 Sympathisches Nervensystem: gedämpfte Geräusche, relative Dunkelheit, »im Wasser schwimmend« → laute Geräusche, Helligkeit und Schwerkraft 4 Ernährung: kontinuierlich über die Plazenta → enterale Nahrungsaufnahme mit Koordination von Saugen, Schlucken und Verdauen
14.4.4
APGAR
4 Einführung 1952 durch Virginia Apgar (1909–1974), Anästhesistin (◉ Tabelle) 4 Beurteilung von 5 Kriterien 1, 5 und 10 min nach der Geburt 4 Beurteilung des klinischen Zustandes und der Effektivität von Reanimationsmaßnahmen beim reifen Neugeborenen, nicht übertragbar auf Frühgeborene 4 Einleitung entsprechender Maßnahmen bei einem Wert <7 4 Prädiktiver Wert für Spätschäden sind die Ergebnisse nach 5 und 10 min
227 14.4 · Das Neugeborene
Eigene Notizen
. Tab. 14.1 APGAR-Werte
Parameter
0
1
2
Atmung
Keine
Unregelmäßig
Regelmäßig
Puls
Nicht vorhanden
<100/min
>100/min
Grundtonus
Schlaff
Leichte Beugung der Extremitäten
Aktive Beugung der Extremitäten
Aussehen
Blass oder zyanotisch
Stamm rosig, peripher zyanotisch
Komplett rosig
Reflexe
Keine
Grimassieren
Kräftiges Schreien
14.4.5
Erstversorgung bei unkomplizierter Anpassung des Neugeborenen
4 Abtrocknen, stimulieren durch taktile Reize und warm halten ( ! Cave Zugluft!) 4 Beurteilung von Atmung und Herzfrequenz 4 Ausreichende taktile Stimulation, falls die Atmung nicht suffizient ist oder die Herzfrequenz <100/min ist 4 Absaugen, falls Sekret den Nasen- und/oder Rachenraum verlegt 4 Immer absaugen, bevor eine Atemhilfe (Beutelbeatmung, Blähmanöver) eingesetzt werden muss. Immer erst oral den Rachen absaugen, dann erst, wenn es noch notwendig sein sollte, nasal absaugen 4 Abnabeln und Kontrolle der 3 Nabelschnurgefäße (2 Arterien und 1 Vene)
14.4.6
14
Reanimationsmaßnahmen
4 Alle Geburtseinrichtungen müssen die Kompetenz besitzen, jederzeit kompetent die Reanimation eines Neugeborenen durchführen zu können. Risikoschwangere sollten in ein Zentrum verlegt werden (drohende Frühgeburt, Mehrlinge, Gestationsdiabetes…) 4 Vorhandensein/Funktionieren des notwendigen Equipments, da es auch nach unkomplizierter Schwangerschaft zu unvorhergesehenen Komplikationen kommen kann: 5 Reanimationsplatz mit Wärmelampe, Licht, vorgewärmte Handtücher 5 Pulsoxymetriegerät 5 O2-Anschluss 5 Absaugmöglichkeit (z.B. elektrisch mit Druckbegrenzung, Sog – 0,2 bar) 5 Neugeborenenbeatmungsbeutel mit Druckbegrenzung auf 30– 35 cm H2O 5 Entsprechende Masken Größe 0–2 (rund und durchsichtig)
228
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
4
4 4 4
14
4
5 Laryngoskop mit Spatel Größe 0 und 1 (gerade und gebogen) 5 Magillzange und Führungsstab 5 Trachealtuben Größe 2.0, 2.5, 3.0 und 3.5 5 Stethoskop Neugeborenen-Reanimation auf Grundlage der ERC-Leitlinien zum »Newborn Life Support« 2010: 5 Abtrocknen und Warmhalten des Neugeborenen; Uhr starten 5 Kontrolle von Atmung und Herzfrequenz 5 Wenn das Neugeborene stöhnt oder nicht atmet → Freimachen der Atemwege; 5 Beatmungen, SaO2-Monitoring 5 Reevaluation, Ausbleiben des Anstiegs der Herzfrequenz; ! Cave: Thoraxbewegungen: 5 → Keine ausreichende Thoraxbewegung → Kontrolle der Kopfposition bei Beatmung, Korrektur der Kopfposition (nicht überstrecken!), Hilfe durch eine weitere Person, Erwägen einer alternativen Atemunterstützung (Rachentubus, Larynxmaske), Wiederholen der Beatmungen, SPO2-Monitoring, Beurteilung des Erfolgs 5 → Wenn Thoraxexkursion vorhanden, die Beatmung also suffizient ist, Herzfrequenz aber weiterhin <60/min: Beginn der Herzdruckmassage im Verhältnis 3:1 (kardiale Kompression:Beatmung) 5 Reevaluation von Herzfrequenz und Atmung alle 30 s. Wenn Herzfrequenz nicht festzustellen ist oder <60/min → Erwägen von Medikamentengabe, z.B. Suprarenin 0,01 mg/kg Der/die verantwortliche Arzt/Ärztin sollte sich zu jeder Zeit fragen, ob es sinnvoll und notwendig ist, Hilfe anzufordern (Neonatologischer Intensivtransport). ! Cave Maskenbeatmung unter Raumluft, keine routinemäßige O2Gabe. Nach erfolgter Intubation erfolgt die Herzdruckmassage ohne Unterbrechung: kontinuierliche Beatmung und durchgehende Herzdruckmassage. Akzeptable präduktale Sauerstoffsättigungswerte bei suffizienter Atmung und ausreichender Herzfrequenz sind wie folgt: 5 2 min 60% 5 3 min 70% 5 4 min 80% 5 5 min 85% 5 10 min 90%
14.4.7
pH und BE
4 Als Ergänzung zu APGAR-Score und klinischer Untersuchung dient die Blutentnahme aus der Nabelarterie zur Bestimmung des pH und des Basendefizits. 5 Normwertig zwischen pH von 7,22 und 7,42 5 Bei pH zwischen 7,1 und 7,2 sollte, soweit sich das Kind in klinisch unauffälligem Zustand befindet, eine Kontrolle innerhalb 1 h erfolgen.
229 14.4 · Das Neugeborene
5 pH-Werte <7,1 erfordern eine sofortige Kontrolle der Blutgasanalyse und eine weitere engmaschige klinische Überwachung des Kindes (Blutdruck, Blutzucker, Puls, Atmung und Temperatur) bis zur Normalisierung. 4 Weitere notwendige Blutentnahme beim Neugeborenen sind Blutzuckermessungen beim Vorliegen von: 5 Hypo- oder Hypertrophie des Neugeborenen; mütterlichem (Gestations-)Diabetes 5 Kontrollen erfolgen ca. 0,5, 1, 2, 4, 8, 12 und 24 h post partum 5 Unabhängig von der Zeit, wenn das Neugeborene zittrig ist 4 Wichtig ist, dass keine Blutuntersuchung, z.B. C-reaktives Protein oder Interleukin-6, eine suffiziente Überwachung des klinischen Zustandes des Kindes ersetzen kann. Sinnvoll ist es, bei einer potenziellen Gefährdung des Kindes, wie mütterlichen Infektzeichen (CRP-Erhöhung, Fieber) oder fetaler unklarer Tachykardie, das Kind mittels Messung von Puls, Atmung und Temperatur regelmäßig zu überwachen und eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen, falls die Werte außerhalb des Normbereichs liegen. Normwerte sind: 5 Atmung 40–60/min 5 Herzfrequenz 120–180/min 5 Temperatur 36,5–37,5°C 14.4.8
Erstuntersuchung
4 Nach der Geburt findet die erste Vorsorgeuntersuchung des Kindes statt: U1 (gelbes Untersuchungsheft). 4 Untersuchungsmodalitäten: 5 Das Kind sollte vollständig entkleidet sein 5 Ausreichende Helligkeit, jedoch ohne das Kind zu blenden 5 Warme Umgebung 4 Folgende, bereits erhobene Daten werden zur U1 dokumentiert: 5 Daten zur Schwangerschaft (Alter der Mutter, Anzahl der Schwangerschaften und Schwangerschaftsrisiken gemäß dem Risikokatalog im Untersuchungsheft) 5 Einzelheiten zur Geburt (z.B. Modus) 5 Körpermaße des Kindes mit Eintrag der Werte in die Perzentilenkurven 5 APGAR-Score und Nabelarterien-pH
Ganzkörperuntersuchung des Neugeborenen (u.a. Detektion von Fehlbildungen) 4 Haut: 5 Kolorit, Hautbeschaffenheit, Turgor 5 Neugeborenenexanthem 5 »Storchenbiss«, Naevus simplex, eine angeborene Teleangiektasie, symmetrisch im Gesicht (meist bis zum 3. Lebensjahr nicht mehr nachweisbar) oder im Nacken (persistieren häufig)
14
Eigene Notizen
230
Kapitel 14 · Geburt
Eigene Notizen
14
4 Kopf: 5 Fontanellenspannung 5 Kopfumfang mit Perzentilenkurven (Mikro-/Makrozephalus) 5 Kephalhämatom (durch Schädelnähte begrenzt, persistiert oft über mehrere Wochen) 5 Caput succedaneum: teigige Schwellung, nicht durch Schädelnähte begrenzt, meist nach wenigen Tagen resorbiert 5 Inspektion der Gehörgange und der Augen 5 Brückner Durchleuchtungstest (zum Ausschluss Katarakt, Glaskörpertrübung, Hornhauttrübung) 5 Ausschluss Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte ( ! Cave Vagusreiz) 4 Thorax: 5 Ausschluss einer Klavikulafraktur 5 Plexuslähmung 5 Thoraxform symmetrisch 5 Atemexkursion 5 Auskultation von Herz und Lunge 4 Abdomen: 5 Pathologische Resistenzen, Organomegalie 5 Nabelschnuransatz (Omphalozele?) 5 Nabelschnurgefäße (2 Arterien und 1 Vene) 4 Rücken: 5 Anhalt für Spina bifida, Sakralgrübchen 4 Genitale: 5 Geschlechtsbestimmung 5 Sind die Hoden deszendiert bzw. bedecken die großen die kleinen Labien? 5 Hypospadie oder Hymenalatresie 5 Ist der Anus angelegt? 4 Extremitäten: 5 Puls (A. brachialis, A. femoralis) 5 Finger und Zehenanzahl 5 Vierfingerfurche, Sandalenlücke 5 Schonhaltung 5 Faltenasymmetrie gluteal als Anhalt für Hüftdysplasie 5 Fußfehlstellungen (Klumpfuß, Sichelfußhaltung) 4 Reifezeichen: 5 Hautbeschaffenheit 5 Ohrform und Ohrfestigkeit 5 Verteilung der Lanugobehaarung 5 Brustdrüsengröße und Brustwarze 5 Fältelung der Haut an den Fußsohlen 4 Neurologie: 5 Muskeltonus 5 Spontanmotorik (symmetrisch) 5 Reflexe (Auswahl): Saugreflex, Greifreflex, Schreitreflex, Galantreflex, Moro-Reflex
231 14.4 · Das Neugeborene
Wenn die Untersuchung unauffällig ist, können Mutter und Kind der weiteren Wochenbettpflege zugeführt werden. Falls die Mutter nach ambulanter Entbindung mit ihrem Kind nach Hause geht, sollte im Rahmen der U1 auch eine Blutentnahme zum Stoffwechselscreening erfolgen. Diese muss jedoch erneut im Alter von 36–72 nach der Geburt wiederholt werden.
14
Eigene Notizen
233
A–E
Stichwortverzeichnis A Abdominalgravidität 106 Abort 118, 119 – febriler 119 – septischer 119 Abortus – completus 118 – imminens 118 – incipiens 118 Abwehrphänomene 102, 103 Achondrogenesie 127, 128 Achondroplasie 128 ACTH-Test 70 Adnexitis 9, 10 Akzeleration 204 Amenorrhoe 74 Aminkolpitis 6 Amnion 117 Amnionflüssigkeit 117 Amnioninfektionssyndrom 158–160 Amniozentese 129 Androgen-Insensitivität 87 Aorteninsuffizienz 191 Aortenisthmusstenose 190 Aortenstenose 191 – kongenitale 190 APGAR 226, 227 Aromataseinhibitoren 79 Arthritis, rheumatoide, Schwangerschaft 194, 195 Asynklitismus 202 Athelie 13 Austreibungsperiode 206, 207 Autoimmunerkrankungen, Schwangerschaft 192–197
B Bartholinitis 4 Beckenbodentraining 61
Belastungsinkontinenz 57 – Therapie 65 Belastungsstörung, posttraumatische 103 Blase – atone 63 – überaktive 62, 65 Blasenentleerungsstörungen 63, 64 Blasenmole 118 Blasenspeicherstörungen 62, 63 Blasensprung, vorzeitiger 150–153 Blutung – antepartale 211 – geburtstraumatische 224 – genitale 111, 112 – – postmenopausale 112–114 – postpartale 212–214 – – primäre 212–214 – – sekundäre 214 – subpartale 211 – vaginale, bei Kleinkindern 85 – Wochenbett 223, 224 Bradykardie, fetale 204 Bulbokavernosus-Reflex 59
C Carcinoma in situ – duktales 47, 48 – lobuläres 47 Cerclage 150 Chlamydieninfektion, Schwangerschaft 162 Chordozentese 129 Chorioamnionitis 158–160 Choriogonadotropin, humanes 79 Chorion 117 Chorionzottenbiopsie 128, 129
Clomifen 79, 80 Colitis ulcerosa, Schwangerschaft 195–197 Comifentest 70 Condylomata acuminata 5, 6, 22 Crohn-Krankheit, Schwangerschaft 195, 196
D dead fetus syndrome 155 Descensus genitalis 56–62 – Diagnostik 59, 60 – Einteilung 57, 58 – Inkontinenz 57 – Klinik 58, 59 – lokale Östrogenisierung 61 – Therapie 60–62 – – konservative 60, 61 – – operative 62 Detrusorhypotonie 63 Diabetes mellitus, Schwangerschaft 138, 139 Diagnostik, endokrine 69, 70 Doppelballonurethrogramm 64 Dranginkontinenz 57 – Therapie 65 Drillinge 130 Ductus arteriosus Botalli, offener 190, 226 Dysmenorrhoe 75, 88 Dyspareunie 75
E Ebstein-Anomalie 190 Eihäute 117 Eileiterschwangerschaft 106 Eisenmenger-Syndrom 190
N. Maass, B. Schiessl, Gynäkologie und Geburtshilfe, DOI 10.1007/978-3-642-20410-4, © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2012
Stichwortverzeichnis
234
Eklampsie 142–146 – Geburt 215 Ellis-van-Crefeldt-Syndrom 128 Embryologie 116, 117 Embryotransfer 81 Endometriose 24–26 Endometritis 8, 9 – akute 8 – chronische 8 – puerperale 8, 224 Endometriumhyperplasie 19, 20 Endometriumkarzinom 28–31 – Chemotherapie 30 – Diagnostik 29 – Hormontherapie 31 – Nachsorge 31 – östrogenabhängiges 28 – östrogenunabhängiges 28 – Pathogenese 28 – Radiotherapie 30 – Therapie 29–31 Endomyometritis 8 Entbindung – 7 a. Geburt – bei Herzpatientinnen 189 – bei HIV-Infektion 169 Eröffnungsperiode 206 Erysipel 3, 4 Erythrasma 4, 5 Extrauteringravidität 106, 107
F Fallot-Tetralogie 123, 124 – maternale 190 Fehlgeburt 118, 119 Fertilisation 81 Fieber, rheumatisches 191 Follikelpunktion 81 Frauenmilch, reife 217 Fruchttod, intrauteriner 153–155 Frühgeburt 147–150 – Ätiologie 147, 148 – Diagnostik 148, 149 – Therapie 149, 150 Frühschwangerschaft 116–119
FSH 79, 81 Fundusstandkontrolle 218 Furunkel 4
G Galaktopoese 217 Galantreflex 230 Gastroschisis 126 Geburt 200–224 – Überwachung 203 Geburtsauslösung 200 Geburtsbeginn 200 Geburtsgewicht 225 Geburtshilfe, operative 208–211 Geburtskanal 201, 202 Geburtsmechanik 201 Geburtstermin 118, 200 Geburtsverlauf 206, 207 Geburtsverletzungen 213 Geburtsweg 201 Geburtswehen 201 Gehirnentwicklung 117 Gemini 130–132 Genitalblutung 111, 112 – postmenopausale 112–114 Gestagene 26, 90 Gestagentest 69 Gestationsdiabetes 135–138 Gestationshypertonie 141 Gestose 142 Glukosetoleranztest, oraler 70 GnRH-Agonisten 26, 79, 80 GnRH-Antagonisten 79 GnRH-Pumpe 79 GnRH-Test 70 Gonadeninsuffizienz, hypergonadotrope 87 Gonadotropine 80 Gonorrhoe, Schwangerschaft 162, 163 Gravidität, extrauterine 106, 107 Gregg-Syndrom 176 Greifreflex 230 Gynäkomastie 14, 15
H Hängebrust 14 Harninkontinenz 57 – extraurethrale 66 – im Alter 66, 67 – neurogene 65 – operative Therapie 67 – Pharmakotherapie 67 HELLP-Syndrom 142–146 Her-2-neu-Rezeptor 52 Herpes – genitalis 5 – zoster 172 Herpes-simplex-Infektion 5 – Schwangerschaft 174, 175 Herzerkrankungen, Schwangerschaft 187–192 Herzfehler – angeborene 123, 124 – maternale 190 Herzfrequenzmuster, subpartales 204 HIV-Infektion 166–169 – Ätiologie 166 – Diagnostik 167 – Entbindungsmodus 169 – Klinik 166, 167 – Prävention 168 – Schwangerschaft 166–169 – Therapie 167, 168 HOMA-Index 70 Homeostasis Model Assessment Index 70 Hormonersatztherapie 94, 95 Hormonspirale 92 Hydronephrose 125 Hypermenorrhoe 74 Hyperplasie – atypische duktale 12 – atypische lobuläre 47 Hyperprolaktinämie 13 Hyperthyreose, Schwangerschaft 181, 182 Hypertonie, schwangerschaftsinduzierte 141–146 Hypomenorrhoe 74
235 Stichwortverzeichnis
Hypothyreose, Schwangerschaft 181, 182 Hysterosalpingokontrastsonografie 78
I Infertilität 78–83 – Basisdiagnostik 78 – Therapie 79–83 – Ursachen 78 Inkontinenz 7 Harninkontinenz Insemination 80 Intrauterinpessar 91, 92 Intrauterintransfusion 130 In-vitro-Fertilisation 81
K Kaiserschnitt 209–211 Karbunkel 4, 86 Kardiomyopathie, peripartale 191, 192 Kardiotokographie 203, 204 Keimstrangstromatumore 40 Keimzelltumore 40 Kindbettfieber 219, 220 Klimakterium 94 Kolostrum 217 Kolpitis – bakterielle 6 – mykotische 7 Kontrazeption 90–92 – hormonelle 90, 91 – mechanische 92 Kopfumfang, Neugeborenes 225 Kupferspirale 92
L Labiensyneckie 85, 86 Laktation 217
Laktogenese 217 Lichen sclerosus et atrophicus 22, 23 Linksherzsyndrom, hypoplastisches 124, 125 Lipomastie 14 Listerieninfektion, Schwangerschaft 179 Lochien 216 Lues, Schwangerschaft 163–165 Lungenödem, Schwangerschaft 189 Lungenreife 117 – Induktion 149 Lupus erythematodes, systemischer, Schwangerschaft 193, 194
M Malaria, Schwangerschaft 180 Mamma – Fehlentwicklungen 13, 14 – Fibroadenom 15, 16 – Hyperplasie 14 – Hypoplasie 14 – Lipom 17 – Zyste 16 Mammakarzinom 44–54 – Antihormontherapie 52 – Antikörpertherapie 52 – Chemotherapie 51 – des Mannes 53 – Diagnostik 46, 47, 49, 50 – Epidemiologie 44, 45 – invasives 48–53 – Palpation 45, 46 – Psychoonkologie 53 – Strahlentherapie 51, 52 – Therapie 48, 50–52 – – operative 50, 51 Mammatumore, gutartige 15–17 Mammografie 49 Marfan-Syndrom, maternales 191
E–N
Mastitis 11, 12 – nonpuerperale 12 – puerperale 224, 225 – rezidivierende 12 Mastodynie 13 Mastopathie 12, 13 McCune-Albright-Syndrom 87 Mehrlingsschwangerschaft 83, 130–132 Menarche 86 Meno-Metrorrhagie, juvenile 88 Menopause 94 Menorrhagie 75 Metrorrhagie 75 Mikroblutuntersuchung 205 Mikromastie 14 Miktionszystourethrogramm 64 Milchgangspapillom 17 Minipille 90 Mitralinsuffizienz 191 Mitralstenose 191 Molenschwangerschaft 118 Morbus Crohn, Schwangerschaft 195, 196 Moro-Reflex 230 Müller-Mischtumor 31 Muttermilch 217, 219 Mutterschaftsrichtlinien 121 Myom 18, 19 – Schwangerschaft 197, 198
N Nabelschnur 117 Nachgeburtsperiode 207 Neisseria gonorrhoeae 162 Neoplasie – lobuläre intraepitheliale 47 – vulväre intraepitheliale 40, 41 Neugeborenes 225–231 – Blut-pH 228 – Erstuntersuchung 229, 230 – Erstversorgung 227 – Reanimation 227, 228 – reifes 225, 226 – Thermoregulation 226
Stichwortverzeichnis
236
Nierenagenesie 125 Nierendysplasie, multizystische 125 Nierenerkrankungen, Schwangerschaft 182–187 Nierenversagen, akutes, Schwangerschaft 182, 183 Notfälle – gynäkologische 106–114 – im Kreißsaal 211–216 Notfallsectio 210
O Oligomenorrhoe 74 Omphalozele 126, 127 Osteogenesis imperfecta 128 Östrogene 90, 117 Ovarialgravidität 106 Ovarialinsuffizienz 70–74 – hyperandrogenämische 70–72 – hyperprolaktinämische 73 – hypogonadotrope 88 – hypothalamisch-hypogonadale 72 – normogonadotrope 87 – prämature 74 – primäre 73, 74 Ovarialkarzinom 36–40 – Borderline-Tumore 39, 40 – Diagnostik 37 – Epidemiologie 36 – Klassifikation 36 – Klinik 37 – Rezidiv 38, 39 – Therapie 37–40 Ovarialtorsion 107, 108 Ovarialzyste 20, 21 – bei Neugeborenen 85 Ovarialzystenruptur 108, 109 ovarielles Überstimulationssyndrom 82 Ovulationsinduktion 79, 80 Oxytocin 217
P Papillomavirus, humanes 5 Parvovirus-B19-Infektion, Schwangerschaft 169, 170 Pessar 61 Pfropfpräeklampsie 142 Placenta praevia 211 Plazenta 116 Plazentalösung, vorzeitige 212 Poland-Syndrom 13 Polymastie 13 Polymenorrhoe 74 Polythelie 13 Präeklampsie 142–146 Pränataldiagnostik – invasive 128–130 – sonographische 122, 123 Progesteron 79, 117 Prolaktin 217 PROM 150–153 Prune-belly-Megacystis 125 Psychosomatik, gynäkologische 97–103 Psychotherapie 99, 100 Ptosis mammae 14 Pubertas – praecox 87 – tarda 87 Pubertätsstörungen 86–88 Puerperalfieber 219, 220 Puerperalsepsis 221–223 Puerperium 7 Wochenbett Pulmonalstenose 190 Pulsoxymetrie, fetale 205 Pyometra 8
R Reanimation, Neugeborenes 227, 228 Reflexuntersuchung, Neugeborenes 230 Reifezeichen 230 Reproduktionsmedizin 78–83
Ringelröteln, Schwangerschaft 169, 170 Röteln, Schwangerschaft 175–177 Rubellasyndrom 176
S Saugreflex 230 Schilddrüsenentwicklung, fetale 181 Schilddrüsenerkrankungen, Schwangerschaft 181, 182 Schilddrüsenkarzinom, Schwangerschaft 181 Schreitreflex 230 Schwangerschaft – Chlamydieninfektion 162 – Colitis ulcerosa 195–197 – Dauer 118 – Diabetes 135–139 – Gonorhoe 162, 163 – Herpes-simplex-Virusinfektion 174, 175 – Herzerkrankungen 187–192 – Hypertonie 141–146 – Infektionen 158–180 – Listeriose 179 – Lues 163–165 – Malaria 180 – Myom 197, 198 – Nierenerkrankungen 182–187 – Ringelröteln 169, 170 – Rötelninfektion 175–177 – Schilddrüsenerkrankungen 181, 182 – Streptokokkeninfektion 160–162 – Toxoplasmose 177, 178 – Varizella-Zoster-Virusinfektion 172–174 – venöse Thromboembolie 139–141 – Zytomegalieinfektion 170–172 Schwangerschaftsdauer 200 Schwangerschaftsvorsorge 121–132 – Durchführung 121, 122
237 Stichwortverzeichnis
– Ultraschalldiagnostik 122, 123 Sectio caesarea 209–211 Septumdefekt, atrioventrikulärer 124 Skelettdysplasien 127, 128 small for gestational age 156–158 Soorkolpitis 7 Spermienextraktion, testikuläre 81 Spermieninjektion, intra-zytoplasmatische 81 Spermiogramm 78 Sphincter-ani-Reflex 59 Spirale 91, 92 Sterilisation 92 Stillen 217, 219 Streptokokkeninfektion, Schwangerschaft 160–162 Streptokokken-Kolpitis 7, 8 Stressinkontinenz 57 Struma 181 Swyer-Syndrom 87 Syphilis 163–165 – angeborene 164 – congenita tarda 164 – Diagnostik 164, 165 – erworbene 164 – Schwangerschaft 163–165 – Therapie 165
T Tachykardie – fetale 204 – Schwangerschaft 187 Tannerstadien 86 TAPS 132 TESE 81 Thelitis 10, 11 Thromboembolie, venöse, Schwangerschaft 139–141 Thyreoiditis, Schwangerschaft 181, 182 Tinea inguinalis 3 Tokolyse, maternale 149 Toxoplasmose, Schwangerschaft 177, 178
Transfusion, intrauterine 130 Transfusionssyndrom, fetofetales 131, 132 TRAP-Sequenz 132 Traumatisierung 103, 104 Trichomonaden-Kolpitis 7 Tubargravidität 106 Tuboovarialabszess 109, 110 Turner-Syndrom 87
U Übergangsmilch 217 Überstimulationssyndrom, ovarielles 82 Ultraschalldiagnostik, Schwangerschaft 122, 123 Urinausscheidung, fetale 117 Urodynamik 64 Uterus – Atonie 213 – Leiomyom 18, 19 – myomatosus 197 – Rückbildung 215 Uterusneoplasien, gemischt mesenchymale 31, 32 Uterusruptur 214, 215 Uterustumore – gutartige 17–20 – maligne 28–35
V Vaginalblutung, bei Kleinkindern 85 Vaginalkarzinom 43, 44 Vaginose, bakterielle 6 Vakuumextraktion 209 Varizella-Zoster-Immunglobulin 173 Varizella-Zoster-Virusinfektion, Schwangerschaft 172–174 Vena-cava-Kompressionssyndrom 204 Ventrikelseptumdefekt 190
N–Z
Vestibulitis-Syndrom 23 Vierlinge 130 Vorhofseptumdefekt 190 Vulva, Atrophie 23 Vulvakarzinom 40–44 – Diagnostik 42 – Epidemiologie 41 – Klassifikation 42, 43 – Klinik 42 – Therapie 43 Vulvektomie 23 Vulvitis 2–6 – bakterielle 3, 4 – mykotische 2, 3 – virale 5, 6 Vulvodynie 23
W Wachstumsrestriktion, intrauterine 156–158 Wehen 200, 201 Windpocken, neonatale 173 Wochenbett 215–225 – Pathologien 219–225 – Temperatur 218
Z Zangengeburt 208, 209 Zervikalgravidität 106 Zervixkarzinom 32–35 – Chemotherapie 35 – Diagnostik 33 – Epidemiologie 32 – Impfung 32, 33 – Klinik 33 – Radiochemotherapie 35 – Therapie 34, 35 Zwillingsschwangerschaft 130–132 Zyklusoptimierung 80 Zystoskopie 64, 65 Zytomegalieinfektion, Schwangerschaft 170–172